Die Polis im Wandel: Ehrendekrete für eigene Bürger im Kontext der hellenistischen Polisgesellschaft [1 ed.] 9783946317203, 9783946317180

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Die Polis im Wandel: Ehrendekrete für eigene Bürger im Kontext der hellenistischen Polisgesellschaft [1 ed.]
 9783946317203, 9783946317180

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Florian Rudolf Forster

Die Polis im Wandel EHRENDEKRETE FÜR EIGENE BÜRGER IM KONTEXT DER HELLENISTISCHEN POLISGESELLSCHAFT Die hellenistische Polis als Lebensform

Die hellenistische Polis als Lebensform Herausgegeben von Martin Zimmermann Band 9

Florian Rudolf Forster

Die Polis im Wandel Ehrendekrete für eigene Bürger im Kontext der hellenistischen Polisgesellschaft

Vandenhoeck & Ruprecht

Gedruckt mit Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung, Düsseldorf, und des Forschungszentrums Historische Geisteswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main aus Mitteln des ProPostDoc-Programms. FORSCHUNGSZENTRUM HISTORISCHE GEISTESWISSENSCHAFTEN FRANKFURT HUMANITIES RESEARCH CENTRE

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.de abrufbar. © 2018, Vandenhoeck & Ruprecht GmbH & Co. KG, Theaterstraße 13, D-37073 Göttingen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk und seine Teile sind urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung in anderen als den gesetzlich zugelassenen Fällen bedarf der vorherigen schriftlichen Einwilligung des Verlages. Umschlagabbildungen Vorderseite: Modelle von Knidos mit freundlicher Genehmigung von H. Bankel, V. Hinz und S. Franz. Rückseite: Athen, Akropolis. Basis eines Weihgeschenks des Hegelochos. Zeichnung von A. Brauchle und Z. Spyranti mit freundlicher Genehmigung. (Hauptmotiv spiegelverkehrt verwendet; alle Abbildungen in Band 1 dieser Reihe, Stadtbilder im Hellenismus, S. 114, 115 und 226). Satz: SchwabScantechnik, Göttingen Umschlaggestaltung: disegno visuelle kommunikation, Wuppertal Vandenhoeck & Ruprecht Verlage | www.vandenhoeck-ruprecht-verlage.com ISBN 978-3-946317-20-3

Für Nicola und Emilia

Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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1. Ehrendekrete und Euergetismus – Eine Einführung . . . . . . . . . . . . . 15 1.1 Das Phänomen des Euergetismus und die Frage nach dem Einfluss der Honoratioren in den hellenistischen Städten . . . . . . . . . . . . . . . . 16 1.2 Die Ehrendekrete der hellenistischen Städte für eigene Bürger . . . .  31 1.3 ψήφισμα, δόγμα, γνώμη – Ehrendekrete als Volksbeschlüsse . . . . . . .  36 1.4 Die chronologische Verteilung der Ehrendekrete . . . . . . . . . . . . . . .  45 2. Ehrendekrete als Mittel zur Verbreitung von politischen Ideologien –  Das Fallbeispiel Athen im frühen Hellenismus . . . . . . . . . . . . . . . . . .  51 2.1 Erste Kämpfe um Freiheit und Demokratie . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  55 2.2 δημοκρατία, ἐλευθερία, αὐτονομία – Die Polis Athen in den Jahren zwischen 287–262 v. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  65 2.3 Makedonische Fremdherrschaft und erneute Freiheitsbestrebungen . 76 2.4 Ehrendekrete als Träger von politischen Ideologien . . . . . . . . . . . . . 85 2.5 Ph. Gauthier und das Problem der «megistai timai» . . . . . . . . . . . . . .  91 3. Nicht ausschließlich ein athenisches Phänomen – Frühhellenistische ­Ehrendekrete aus Priene und Erythrai . . . . . . . . 97 3.1 Festungskommandanten und Kriegshelden – Die frühhellenistischen Ehrendekrete aus Priene . . . . . . . . . . . . . . . 97 3.2 Bewährung in der Krise – Die Polis Erythrai im frühen 3. Jhdt. v. Chr. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 3.3 Die frühhellenistischen Ehrendekrete aus Priene und Erythrai . . . . 129 4. Weitere Fallbeispiele aus dem Frühhellenismus – Die Inseln der Ägäis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  131 4.1 Idealbilder und individuelle Leistungen – Die Ehrendekrete von der Insel Samos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  132 4.2 Arkesine, Minoa, Aigiale – Drei unabhängige Kleinstädte auf der Insel Amorgos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  144 4.3 Synoikismos und Sympolitie – Die Insel Kos als Ausnahmefall . . .  157 4.4 Ehrendekrete für eigene Bürger auf den Inseln im Ägäisraum . . . . 182 4.5 Ein erstes Zwischenfazit – Die ideologische Ausrichtung ­frühhellenistischer Ehrendekrete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185

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Inhalt

5. Ehrendekrete im Kontext von Gymnasion und Gymnasiarchie . . . . 189 5.1 Individuelle Leistungen und allgemeine Bürgertugenden – Die Gymnasiarchen der Polis Eretria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 5.2 Zwei ideale Bürger – Diodoros aus Ephesos und Melanion aus Iasos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 5.3 Die Ehrendekrete für Gymnasiarchen aus Pergamon – Ein Ausnahmefall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 5.4 Der Bedeutungswandel der Gymnasiarchie im 1. Jhdt. v. Chr. . . . . . 224 5.5 Bürgerideal und Selbstdarstellung – Ehrendekrete im Kontext von Gymnasion und Gymnasiarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 6. Noch einmal Pergamon – Die Ehrendekrete für Menodoros und Diodoros Pasparos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 6.1 Demokratie und gute Beziehungen nach Rom – Das Ehrendekret für Menodoros . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 6.2 Diodoros Pasparos – Der neue König von Pergamon . . . . . . . . . . .  233 6.3 Ehrendekrete für eigene Bürger aus der Polis Pergamon . . . . . . . . .  243 7. Die Römer kommen nach Kleinasien – Ehrendekrete im direkten Zusammenhang mit dem Krieg gegen Aristonikos . . . . . . .  7.1 Politische Verdienste und diplomatische Erfolge . . . . . . . . . . . . . . .  7.2 Militärische Erfolge während der Kämpfe gegen Aristonikos . . . . .  7.3 Römerfreunde als ideale Bürger – Ehrendekrete für eigene Bürger als Loyalitätsbekundungen gegenüber Rom . . . . . . . . . . . . . 

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8. Kolophon, Priene, Sestos – Ehrendekrete als Beispiele für die Verwirklichung eines idealen Lebens im Dienst der Polis . . . . . . . . .  269 8.1 Zwei ideale Bürger – Die Lebenswerkdekrete für Menippos und Polemaios aus Kolophon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 8.2 Die späthellenistischen Ehrendekrete von der Nordhalle der Agora in Priene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 8.3 Bewährung in der Krise – Das Ehrendekret für den zweimaligen ­Gymnasiarchen Menas aus Sestos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  315 8.4 Lebenswerkdekrete im Kontext des gesellschaftlichen Wandels im Späthellenismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  323 9. Eine Randregion der griechischen Welt – Ehrendekrete für eigene Bürger aus den griechischen Städten am Schwarzen Meer . . . . . . . .  9.1 Versorgungskrisen und außenpolitische Konflikte – Die Ehrendekrete der Polis Histria . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  9.2 Die Ehrendekrete der Polis Olbia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  9.3 Im Konflikt mit der indigenen Bevölkerung – Die Ehrendekrete der griechischen Städte an der Schwarzmeerküste . . . . . . . . . . . . . . 

327 327 345 353

Inhalt

10. Großzügige Priesterinnen und reiche Bauherrinnen – Ehrendekrete für wohltätige Frauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  10.1 Weibliches Engagement im Kontext von Religion und Kult . . . . . .  10.2 Reiche Frauen als großzügige Baustifterinnen – Die Ehrenmonumente für Epie aus Thasos und Archippe aus Kyme . 10.3 Ehrendekrete für engagierte Bürgerinnen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  11. Ehrendekrete für eigene Bürger in der römischen Kaiserzeit . . . . . .  11.1 Eine Stadt im Wandel – Die Ehrendekrete aus der Polis Akraiphia vom späten Hellenismus bis zur frühen Kaiserzeit . . . . . . . . . . . . . .  11.2 Feste und Baustiftungen – Zwei Ehrendekrete aus der Polis Kyme . 11.3 Die Polisgesellschaft am Beginn der Kaiserzeit im Spiegel der Ehrendekrete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  12. Die literarische Qualität der Ehrendekrete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  12.1 ἔπαινος, ἐγκώμιον, μακαρισμός/εὐδαιμονισμός – Ehrendekrete als Lobreden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  12.2 Die literarische Gestaltung von Ehrendekreten – Einzelne Fallbeispiele aus verschiedenen Regionen der hellenistischen Welt . 12.3 Ehrendekrete und Biographie – Biographische Elemente in ­Ehrendekreten mit ausführlichen Lebensbeschreibungen . . . . . . . .  12.4 Hellenistische Ehrendekrete im Spannungsfeld von Rhetorik, Biographie und Geschichtsschreibung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

9

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13. Ehrendekrete für eigene Bürger im Kontext der hellenistischen ­Polisgesellschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  461 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1. Geographische Inschriftenliste . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2. Konkordanz Inschriftensammlungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3. SEG-Konkordanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  533 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  1. Stellenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  2. Griechische Begriffe und Wendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  3. Gottheiten/Heroen/Menschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  4. Geographisches Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .  5. Begriffe und Sachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 

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Vorwort

Die vorliegende Studie ist die überarbeitete Fassung meiner im Wintersemester 2015/2016 an der Fakultät für Geschichts- und Kunstwissenschaften der LudwigMaximilians-Universität München angenommenen Dissertationsschrift. Ermöglicht hat meine intensive Arbeit an der Monographie – gänzlich frei von finanziellen Sorgen – ein Promotionsstipendium der Gerda Henkel Stiftung. Vor allem zu danken ist insbesondere aber den zahlreichen Personen, die meine Arbeit in ihrer Entstehung auf verschiedenste Weisen begleitet haben, sowohl für Kritik und fachlichen Austausch als auch für Zuspruch und persönliche Unterstützung. Prof. Dr. Christof Schuler, Erster Direktor der Kommission für Alte Geschichte und Epigraphik des Deutschen Archäologischen Instituts, hat bereits während meines Studiums mein Interesse an griechischer Epigraphik im Allgemeinen und den hellenistischen Ehrendekreten im Besonderen geweckt und meine Dissertation, die aus der Beschäftigung mit diesen Thematiken angeregt worden ist, stets mit großem Interesse betreut. Zahlreiche lange Gespräche, für die sich auch in seinem vollen Terminkalender immer Platz finden ließ, und ein stets bereichernder fachlicher Austausch haben mir geholfen, meinen eigenen Zugang zu den Inschriften zu finden und meine Ideen auf neuen Pfaden weiterzuentwickeln. Die Kommission hat mir zudem für die Arbeit an meiner Dissertation stets einen Arbeitsplatz und – noch viel wichtiger – unbegrenzten Zugang zur hervorragend ausgestatteten Institutsbibliothek zur Verfügung gestellt und ist mir darüber hinaus durch das anregende wissenschaftliche Umfeld auch eine geistige Heimat geworden. Allen Kollegen, Mitarbeitern, Doktoranden und Stipendiaten sei für ihre Unterstützung und vielfache anregende Gespräche gedankt. Prof. Dr. Michael Wörrle, dem an dieser Stelle besonderer Dank gebührt, hat sich die Zeit für die kritische Lektüre einzelner Kapitel genommen und das Entstehen der Arbeit daneben auch in mehreren langen und intensiven Diskussionen begleitet. Prof. Dr. Martin Zimmermann hat als Inhaber des Lehrstuhls für Alte Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München das Zweitgutachten übernommen und die Arbeit auch darüber hinaus schon in ihrem Entstehen stets mit wichtigen Hinweisen bereichert. Als Herausgeber der Reihe «Die hellenistische Polis als Lebensform» ist ihm nunmehr auch für die freundliche Aufnahme meiner Arbeit in seine Schriftenreihe zu danken. Prof. Dr. Jens-Uwe Krause hat freundlicherweise das Drittgutachten übernommen und mich durch seine kritische Art des Fragens stets dazu veranlasst, eigene Positionen zu überdenken und noch einmal aus anderen Perspektiven zu beleuchten. Prof. Dr. Martin Hose hat die Arbeit aus philologischem Blickwinkel stets mit Interesse verfolgt und der Disputation als Nebenfachprüfer beigewohnt. Ihnen allen sei für Ihre Unterstützung auf das Herzlichste gedankt.

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Vorwort

Der Lehrstuhl für Alte Geschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München hat mir darüber hinaus durch seine Forschungsschwerpunkte – insbesondere das DFG-Projekt 1209 «Die hellenistische Polis als Lebensform» – ein sehr anregendes und in vieler Hinsicht bereicherndes Umfeld für meine Studien geboten. Für Förderung und Unterstützung bereits während des Studiums sowie einen lebhaften fachlichen Diskurs in einer stets regen Arbeitsatmosphäre sei allen Mitarbeitern und Doktoranden herzlich gedankt. Profitiert haben meine Studien daneben auch durch den interdisziplinären Austausch in den Doktorandenseminaren des Münchner Zentrums für Antike Welten unter der Leitung jährlich wechselnder Gastprofessoren. Zu danken ist für seine anregenden Beiträge zu meinen Studien insbesondere Prof. Dr. Hans-­ Joachim Gehrke. Dr. Alexander Free hat die mühevolle Aufgabe auf sich genommen, das Manuskript im Ganzen Korrektur zu lesen, und ist mir über die gemeinsamen Jahre des Promovierens zugleich ein guter Freund geworden. Große Bereicherung durch neue Perspektiven hat die Studie daneben auch durch einen mehrmonatigen Aufenthalt am Institut Ausonius der Université Bordeaux Montaigne im Rahmen des Erasmus-Programms erfahren. Besonderer Dank gebührt an erster Stelle Prof. Dr. Pierre Fröhlich für die herzliche Aufnahme in Bordeaux sowie für zahlreiche kritische Diskussionen meiner Thesen. Die Institutsbibliothek Robert Étienne hat mir während meines Aufenthalts auch über die regulären Öffnungszeiten hinaus ideale Arbeitsbedingungen ermöglicht und war zugleich der soziale Treffpunkt des Instituts. Besonders zu danken ist daneben aber insbesondere allen Doktoranden und Masterstudenten für das herzliche Willkommen sowohl in einem zunächst fremden Institut als auch in einer zu Anfang noch fremden Stadt, so dass mein Aufenthalt nicht nur in fachlicher Hinsicht schnell zu einer großen Bereicherung geworden ist. Zum Druck vorbereiten konnte ich meine Monographie an der Abteilung für Alte Geschichte am Historischen Seminar der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, der ich seit dem Sommersemester 2016 als Akademischer Rat auf Zeit angehöre. Dass ich dabei neben den vielfältigen Aufgaben am Lehrstuhl stets auch die nötige Zeit und Ruhe zur Überarbeitung des Manuskripts gefunden habe, verdanke ich Prof. Dr. Frank Bernstein, der mir daneben auch in allen anderen Fragen der Publikation durch seine Umsicht ein wertvoller und stets hilfreicher Ratgeber geworden ist. Den Kollegen an der Abteilung für Alte Geschichte möchte ich für die sehr herzliche Aufnahme am Institut sowie die große Unterstützung in der Phase der Drucklegung danken. Den Mitarbeitern des Verlags Vandenhoeck & Ruprecht – insbesondere Matthias Ansorge, Julia Beenken und Kai Pätzke – ist für die hervorragende redaktionelle Betreuung der Monographie sowie die stets freundliche und vertrauensvolle Zusammenarbeit zu danken. Wichtige Impulse für die Vorbereitung zur Drucklegung hat zudem Dr. Martina Trampedach beigesteuert. Ermöglicht wurde der Druck der Monographie jedoch erst durch die erneute Unterstützung der Gerda Henkel Stiftung in Form einer beträchtlichen Druckkostenbeihilfe. Für die äußerst großzügige För-

Vorwort

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derung in jeder Phase meines Projekts sei der Stiftung an dieser Stelle noch einmal ausdrücklich gedankt. Zu danken habe ich daneben auch dem Forschungszentrum Historische Geisteswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main für einen ebenfalls großzügigen Druckkostenzuschuss aus den Mitteln des ProPostDoc-Programms. Besonderen Dank für ihre Unterstützung über die langen Jahre des Studiums und der Promotion verdienen meine Eltern und meine Familie. Meine Eltern haben mein Studium stets mit Interesse begleitet und gefördert und mir dabei die Freiheit ermöglicht, meinen eigenen Weg zu finden und zu gehen. Insbesondere danken möchte ich meiner Ehefrau Nicola für ihr Verständnis in schwierigen Phasen des Arbeitens sowie für ihre Geduld in manch langem Gespräch über meine Ehrendekrete. Ohne ihre Unterstützung hätte ich diese Arbeit nicht schreiben können. Unser Leben bereichert seit zwei Jahren auch unsere Tochter Emilia Sophie und sorgt dabei stets auch für die wohltuende Ablenkung in intensiven Phasen des Arbeitens. Ihnen beiden sei dieses Buch gewidmet. Frankfurt am Main, den 03.05.2018

Florian Rudolf Forster

1. Ehrendekrete und Euergetismus – Eine Einführung

In den Jahren um 130 v. Chr. publizierte die Polis Priene einen Beschluss des Rates zu Ehren des Athenopolis.1 Der von einem gewissen Lykinos verfasste Motivbericht bot folgende Begründung für die beantragten Anerkennungen (8–24): (8) Λυκῖνος Λυκίνου ε.ἶπε[ν· ἐπειδὴ Ἀ]|θηνόπολις Κυδίμου ἀνὴρ καλὸς [καὶ ἀγαθὸς ὑ]πάρχω[ν] | καὶ ἄξιος τῆς τῶν προγόνων ἀρε[τῆς πρό]τερόν τε φιλά|γαθον ἑαυτὸν παρεχόμενος ἐμ πᾶ[σιν ἔ]λαβεν παρὰ τοῦ | (12) δήμου τιμάς, πολλὰ καὶ χρήσιμα τ[ῆι πόλ]ει συνκατασκευ|άσας διὰ τὴν αὑτοῦ ­καλοκἀγαθ[ία]ν., καὶ μετὰ ταῦτα μέ|νων ἐπὶ τῆς αὐτῆς προθέσεως οὐδ[ενὸ]ς ἀφίσταται τῶν τῶι | δήμωι συμφερόντων, καὶ λέγων κ[αὶ πρ]άσσων τὰ ἄριστα οὐ|(16)δεμιᾶς λειπόμενος φιλαγαθίας, ἄξι[ον ἑα]υτὸν παρεχόμενος | τῶν προδεδομένων αὐτῶι τιμῶν. [καὶ ο]ὐκ ἐπιλανθανόμε|νος τῶν προειρημένων, πολὺ δὲ μᾶλλο.[ν συ]ντηρῶν τὴν πρὸς | τοὺς πολίτας εὔνοιαν, νομίζων το[ῦτο α]ὑτῶι μέγιστον ὑπάρ|(20)χειν τὸ τὴν πρὸς τοὺς συν.α.ναστρ[ε]φ.ο.[μέν]ους ἐκτένειαν συν|τηρεῖν, ὅθεν ἐν οὐθενὶ λειπομένου α.[ὐτο]ῦ., προσεπαύξοντος | δὲ τὴν κατὰ τὸ κάλλιστον προθυ[μίαν,] (vac.) καθῆκον δέ ἐστιν | καὶ ἄξιον τῆς τοῦ ἀνδρὸς φ[ιλαγαθίας] ταύτης τυχεῖν τῆς | (24) τιμῆς Ἀ.θ.[η]νόπο[λιν πάσ]η.ς., [δεδόχ]θαι τῆι βουλῆι· Lykinos, Sohn des Lykinos, hat den Antrag gestellt: weil Athenopolis, Sohn des Kydimos, der von Anfang an ein ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός gewesen ist und sich bei allem erwiesen hat würdig der Tugend der Vorfahren und bereits früher das Gute liebend, vom Volk Ehrungen erhalten hat, weil er bei vielem und nützlichem für die Stadt mitwirkte durch seine καλοκἀγαθία, und weil er danach, indem er bei seinen Vorsätzen bleibt, nichts unterlässt von den Dingen, die dem Volk nutzen, wobei er das Beste sowohl sagt als auch tut, keine φιλαγαθία auslässt, sich würdig erweist der ihm früher zuerkannten Ehrungen, die Vorsätze nicht vergisst, sondern vielmehr das Wohlwollen gegenüber den Bürgern bewahrt, glaubt, dass ihm dies am meisten zukommt, nämlich den Eifer gegenüber seinen Mitmenschen zu bewahren, weshalb er bei nichts übertroffen wird, sondern sein Streben nach dem Schönsten noch vermehren wird, und weil es angemessen und würdig ist dieser φιλαγαθία des Mannes, dass Athenopolis alle folgenden Ehrungen erhält, soll der Rat beschließen: (…) Die Beschlussvorlage verzichtete auf jegliche Bezüge zu konkreten Leistungen des Athenopolis. Stattdessen bot Lykinos gleichsam eine theoretische Abhandlung über

1

I. Priene 107 = I. Priene2 63.

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Ehrendekrete und Euergetismus – Eine Einführung

den idealen Lebensweg eines Polisbürgers. Als ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός stellte Atheno­ polis sein ganzes Leben in den Dienst der Polis und versuchte sein niemals nachlassendes Engagement für die Bürgergemeinschaft bei jeder sich bietenden Gelegenheit noch zu steigern.2 Mit dem vollständigen Verzicht auf konkrete Bezüge zum Leben der ausgezeichneten Person war der Beschluss aus Priene eine Ausnahmeerscheinung unter den hellenistischen Ehrendekreten für eigene Bürger. Dennoch lenkt gerade die außergewöhnliche Form des Antrags den Blick auf grundlegende Fragen zu Sinn und Zweck der entsprechenden Inschriften. Welche Ziele verfolgte die Polis mit der Publikation eines Ehrendekrets? Wer hatte Interesse an einem entsprechenden Beschluss? Wen sollte die Inschrift erreichen? Was sagen die theoretischen Abhandlungen über Zustand und Verfassung der Polis aus? In weiten Teilen der althistorischen Forschung galten die Ehrendekrete für eigene Bürger lange Zeit als allgemeines Phänomen des Hellenismus und wurden als Quelle für den bürgerlichen Euergetismus ausgewertet. Die Funktion der Inschriften wurde in der Regel auf eine zusätzliche Ehre für die ausgezeichneten Personen reduziert. Zumindest für das Ehrendekret für Athenopolis scheinen solche Interpretationsansätze jedoch eine ungenügende Erklärung zu bieten. Zur ehrenhaften Erinnerung an einzelne Erfolge konnte die Inschrift nicht beitragen. Insbesondere in späteren Generationen wird die Erinnerung an die konkreten Verdienste allmählich verblasst sein. Welche persönlichen Interessen konnte der ausgezeichnete Bürger also an der allgemeinen Tugenddarstellung haben? Welche anderen Institutionen verfolgten mit der Aufzeichnung des Beschlusses möglicherweise Eigeninteressen? Für eine Vertiefung der angerissenen Fragen müssen zunächst die bisherigen Forschungen zu Euergetismus und Ehrendekreten in der hellenistischen Zeit betrachtet werden.

1.1 Das Phänomen des Euergetismus und die Frage nach dem Einfluss der Honoratioren in den hellenistischen Städten Bereits Aristoteles beschrieb in einem Abschnitt der wohl bereits vor 347 v. Chr. entstandenen Schrift über die Rhetorik den Zusammenhang zwischen Ehre und wohltätigen Handlungen.3 Neben einem Katalog an möglichen Wohltaten bot der Absatz auch einen Überblick über verschiedene Arten der Ehrung:4

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3 4

Für eine ausführliche Analyse von Inhalt und Form s. u. S. 285–287. 432–434. Zum Konzept der καλοκἀγαθία in der literarischen Überlieferung der klassischen Zeit s. ausführlich Bourriot 1995. Zur Datierung der Schrift s. ausführlich Rapp 2002a, 178–184. Arist. Rh. 1361 a 27–b 2.

Das Phänomen des Euergetismus

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τιμὴ δ᾽ ἐστὶν μὲν σημεῖον εὐεργετικῆς εὐδοξίας, τιμῶνται δὲ δικαίως μὲν καὶ μάλιστα οἱ εὐεργετηκότες, οὐ μὴν ἀλλὰ τιμᾶται καὶ ὁ δυνάμενος εὐεργετεῖν· εὐεργεσία δὲ ἢ εἰς σωτηρίαν καὶ ὅσα αἴτια τοῦ εἶναι, ἢ εἰς πλοῦτον, ἢ εἴς τι τῶν ἄλλων ἀγαθῶν, ὧν μὴ ῥᾳδία ἡ κτῆσις ἢ ὅλως ἢ ἐνταῦθα ἢ τότε· πολλοὶ γὰρ διὰ μικρὰ δοκοῦντα τιμῆς τυγχάνουσιν, ἀλλ᾽ οἱ τόποι καὶ οἱ καιροὶ αἴτιοι. μέρη δὲ τιμῆς θυσίαι, μνῆμαι ἐν μέτροις καὶ ἄνευ μέτρων, γέρα, τεμένη, προεδρίαι, τάφοι, εἰκόνες, τροφαὶ δημόσιαι, τὰ βαρβαρικά, οἷον προσκυνήσεις καὶ ἐκστάσεις, δῶρα τὰ παρ᾽ ἑκάστοις τίμια. καὶ γὰρ τὸ δῶρόν ἐστι κτήματος δόσις καὶ τιμῆς σημεῖον, διὸ καὶ οἱ φιλοχρήματοι καὶ οἱ φιλότιμοι ἐφίενται αὐτῶν· ἀμφοτέροις γὰρ ἔχει ὧν δέονται· καὶ γὰρ κτῆμά ἐστιν οὗ ἐφίενται οἱ φιλοχρήματοι, καὶ τιμὴν ἔχει οὗ οἱ φιλότιμοι. Ehre ist ein Zeichen des guten Rufes als Wohltäter, geehrt werden demnach mit Recht und am meisten diejenigen, die durch ihre Taten Wohltäter sind, aber es wird freilich auch der geehrt, der in der Lage ist, Wohltaten zu erbringen. Eine Wohltat bezieht sich entweder auf Rettung und alle allgemeinen Ursachen des Seins, oder auf Reichtum, oder auf etwas von den anderen Gütern, von denen der Erwerb nicht leicht ist, entweder ganz oder an diesem Ort oder zu diesem Zeitpunkt. Viele erhalten nämlich Ehre für dem Anschein nach kleine Dinge, aber die Orte und die richtigen Augenblicke sind die Ursache. Formen der Ehre sind Opfer, Gedenkschriften in Versen oder ohne Versmaß, Ehrengeschenke, geweihte Bezirke, Ehrensitze, Begräbnisse, Bildnisse, öffentliche Speisung, die Barbarischen, wie Proskynese und ehrfürchtiges Ausweichen, Geschenke, die bei den jeweiligen Gemeinschaften geschätzt werden. Und das Geschenk ist nämlich ein Geben von Besitz und ein Zeichen von Ehre, weswegen sowohl die Besitzliebenden als auch die Ehrliebenden nach ihnen verlangen. Für beide hat es nämlich, was sie begehren. Denn es ist Besitzstück, nach dem die Besitzliebenden verlangen, und es beinhaltet Ehre, nach der die Ehrliebenden verlangen. Ehre war Zeichen für eine εὐεργετικὴ εὐδοξία.5 Ehrungen erfolgten demnach zumeist als Gegenleistung für erbrachte Wohltaten. Entsprechende Anerkennungen konnten allerdings auch für die prinzipielle Befähigung zu wohltätigem Handeln vergeben werden.6 In der Regel gaben die jeweiligen Personen für die Zukunft aber sicherlich auch berechtigten Anlass zur Hoffnung auf ein herausragendes Engagement. Die entsprechenden Leistungen bezogen sich zumeist auf die Rettung von Leben oder auf das öffentliche Wohlergehen im Allgemeinen. Wohltätiges Engagement konnte

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Anstelle von εὐδοξίας findet sich in manchen Handschriften auch das Wort δόξης. Für den Inhalt ergeben sich jedoch keine nennenswerten Unterschiede. Die Textgestalt folgt der kritischen Ausgabe von Ross. Vgl. auch Rapp 2002b, 346. Rapp entscheidet sich für δόξης. Zu vorweggenommenen Ehrungen vgl. Domingo Gygax 2006b, 15. S. ausführlich u. S. 24 f.

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Ehrendekrete und Euergetismus – Eine Einführung

jedoch ebenso über finanzielle Leistungen wie durch den Erwerb von schwer zu beschaffenden Gütern erbracht werden. Entscheidend war bei entsprechenden Unternehmungen zudem stets der richtige Zeitpunkt (καιρός).7 Die Gegenleistungen für Wohltaten konnten sehr vielfältig ausfallen und reichten von kultischen Ehren wie Opfern oder öffentlichen Begräbnissen über – aus Sicht des Griechen Aristoteles – barbarische Ehrenbezeugungen wie Proskynese bis hin zu einfachen Geschenken, der Aufstellung von Statuen und der öffentlichen Bekanntmachung der Ehrungen in Versen oder in Prosa. Hinzukommen konnten Ehrensitze, öffentliche Speisung sowie die Zueignung von Grundstücken. Entsprechende Auszeichnungen konnten den Menschen sowohl unter materiellen Gesichtspunkten als auch im Hinblick auf den ideellen Wert von Ehre Anreize zu euergetischem Engagement bieten.8 Das von Aristoteles in der Mitte des 4. Jhdts. v. Chr. beschriebene Phänomen breitete sich in den nachfolgenden Jahrhunderten in zahlreichen Städten der griechischen Welt aus und überdauerte bis in die Kaiserzeit. Die Ursprünge der Entwicklung lagen wohl bereits in den archaischen Gesellschaftsstrukturen begründet.9 Zur vollen Ausprägung gelangte das Phänomen nach Anfängen in der klassischen Zeit allerdings erst in den hellenistischen Städten. Hauptquelle für diese besondere Form des Austausches und der öffentlichen Kommunikation sind die in großen Zahlen in den Städten aufgestellten Statuen und Inschriften. Unter den epigraphischen Zeugnissen nehmen die von den Volksversammlungen beschlossenen und oftmals wortreichen Ehrendekrete eine besondere Stellung ein. Sowohl Bürger und Fremde als auch hellenistische Könige und andere Monarchen erwarben sich auf unterschiedlichste Weise Verdienste um Institutionen, Vereine, Städte, Gemeinden oder ganze Regionen. Hauptbetätigungsfelder waren Politik und Krieg, finanzielle oder materielle Leistungen sowie der Bau von öffentlichen Gebäuden. Als Gegenleistung für die Wohltaten erhielten die jeweiligen Personen öffentliche Ehrungen wie einen goldenen Kranz, einen Ehrensitz bei Versammlungen und im Theater oder das Recht auf öffentliche Speisung im Prytaneion oder vergleichbaren Einrichtungen. Zuweilen ließen die Städte auch Statuen oder Bildnisse der Wohltäter aufstellen. Öffentliches Begräbnis und heroische Verehrung blieben Einzelfälle und scheinen bis in den Späthellenismus Königen und Herrschern vorbehalten gewesen zu sein.10 Fremde Wohltäter erhielten in der Regel den Status eines Proxenos oder sogar das volle Bürgerrecht. Zusätzlich wurden die Ehrungen in den meisten Fällen öffentlich bekanntgemacht und bisweilen auch dauerhaft durch Inschriften festgehalten und erinnert. Die moderne Forschung hat für diese spezifische Form des reziproken Austausches zwischen Gemeinden und Individuen den Begriff des   7  8  9 10

Thériault 2007 Abs. 29. S. auch u. S. 49 f. Zum Konzept der φιλοτιμία im klassischen Athen s. auch Whitehead 1983. Domingo Gygax 2006a, 294. Vgl. Bresson 2012, 216. Ma 2013, 7.

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­ uergetismus geprägt und im Hinblick auf die Auseinandersetzung mit dem PhäE nomen zwei Hauptrichtungen eingeschlagen, die im Folgenden jeweils in chronologischer Reihenfolge skizziert werden sollen: Während sich eine Richtung vornehmlich dem Phänomen des Euergetismus sowie dessen gesellschaftlichen Grundlagen widmete, stellte eine andere Richtung auf Basis der Beobachtungen die Frage nach den Auswirkungen des Euergetismus auf die demokratische Verfasstheit der griechischen Städte. Zum ersten Mal Verwendung fand der französische Begriff «évergetisme» bereits im Jahr 1923 in einer Arbeit des Historikers A. Boulanger.11 Der Ausdruck war ein Neologismus und leitete sich von dem griechischen Wort εὐεργέτης ab. Eingang in die Forschungsdiskussion fand der Begriff allerdings erst ein halbes Jahrhundert später durch die umfangreiche und vielbeachtete Monographie von P. Veyne mit dem Titel «Le pain et le cirque» aus dem Jahr 1976.12 Gegenstand der Untersuchung, die der Autor sowohl als «histoire sociologique» als auch als «sociologie historique» verstanden wissen wollte, bildeten im Wesentlichen drei Personengruppen: die Honoratioren aus einzelnen Städten, die römischen Senatoren und die römischen Kaiser.13 P. Veyne unterschied zwei Arten des Euergetismus: einen freiwilligen Euergetismus («évergetisme libre») und einen «évergetisme ob honorem».14 Zudem musste eine als Euergetismus zu bezeichnende Leistung stets der kollektiven Erwartung an die Reichen entsprechen. Die jeweiligen Personen sollten in der Regel einen finanziellen Beitrag zur allgemeinen Verwaltung sowie zu den öffentlichen Ausgaben leisten.15 Im Einzelnen erstreckte sich das Engagement in den meisten Fällen auf Baustiftungen oder die Veranstaltung von öffentlichen Vergnügungen wie Spielen, Festen oder Banketten. Prägendes Element in der Politik der Städte – gleich ob es sich um eine frühhellenistische Polis oder eine römische Stadtgemeinde des 4. Jhdts. n. Chr. handelte – war für P. Veyne die Vormachtstellung eines «régime des notables» («Honoratiorenregime»).16 Einen deutlichen Bruch sah der Autor hingegen zur klassischen Zeit. Spätestens mit der Untersuchung von P. Veyne war das Phänomen des Euergetismus demnach mit der Frage nach dem politischen System der griechischen Städte im Hellenismus verknüpft. Nicht zuletzt durch die Übersetzungen 11

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Boulanger 1923, 25. Für einen allgemeinen Überblick zur Forschungsgeschichte s. jetzt Brélaz 2009. Vgl. auch Cramme 2001, 15–35. Domingo Gygax 2003, 181–183. Müller 2011, 346–348. Veyne 1976. Für eine Diskussion der Thesen s. Gauthier 1985, 7–10. Quaß 1993, 14 f. Brélaz 2009, 39 f. Zur Unterscheidung zwischen «histoire sociologique» und «sociologie historique» s. Veyne 1976, 11–13. Ebd. 20 f. Veyne hielt die Unterscheidung jedoch selbst für oberflächlich. Beide Begriffe bezeichneten lediglich zwei Seiten desselben Phänomens. Ebd. 20–29. Vgl. etwa auch Reitzenstein 2011, 93. Zum «régime des notables» s. ausführlich Veyne 1976, 110–118.

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ins Italienische, Deutsche und Englische erlangte die Arbeit in der Fachwelt große Popularität. Die Thesen gaben in der Folgezeit jedoch immer wieder Anlass zu Kritik.17 Insbesondere die Vorstellung von der ungebrochenen Kontinuität des politischen Systems in den griechischen Städten von der Mitte des 4. Jhdts. v. Chr. bis zum Ende des 4. Jhdts. n. Chr. stieß in der Forschung von vielen Seiten auf Widerspruch. Zumindest für die hellenistische Zeit ist die durchgängige Existenz eines «Honoratiorenregimes» in Zweifel gezogen worden.18 Eine kritische Auseinandersetzung mit den Thesen von P. Veyne unternahm etwa Ph. Gauthier in seinem 1985 erschienenen Buch «Les cités grecques et leurs bienfaiteurs».19 Die Arbeit schuf eine maßgebende Grundlage für jede Beschäftigung mit dem Phänomen des Euergetismus in den hellenistischen Städten. Das erste Kapitel befasste sich mit der Geschichte des Euergetismus. Einzelne Unterkapitel waren den fremden Wohltätern, den Bürgern der Städte sowie den Königen gewidmet. Grundlegende Voraussetzung für die Untersuchung war die auf L. Robert zurückgehende Unterteilung der hellenistischen Zeit in eine «haute époque hellénistique» und eine «basse époque hellénistique».20 Zwischen beiden Zeitabschnitten bestanden nach Ph. Gauthier beträchtliche Unterschiede in der öffentlichen Wahrnehmung sowie im Auftreten der Wohltäter.21 Im Verlauf des Hellenismus muss das Phänomen des Euergetismus dementsprechend einem Wandel unterzogen gewesen sein. Erst im späten Hellenismus gerieten die griechischen Städte allmählich in Abhängigkeit von den Leistungen der bürgerlichen Euergeten und entwickelten sich zu «Honoratiorenregimen». Einen deutlichen Bruch vom frühen Hellenismus zur spätklassischen Zeit sah Ph. Gauthier im Gegensatz zu P. Veyne nicht.22 Bis zum 2. Jhdt. v. Chr. unterschieden sich die herausragenden Bürger in den hellenistischen Städten kaum von den «prostatai tou dèmou » der klassischen Zeit.23 Das zweite Kapitel untersuchte im Detail die Leistungen von athenischen Bürgern sowie die anschließenden Ehrun-

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Vgl. Domingo Gygax 2003, 181–183. Ablehnend etwa Habicht 1995b, 87–92. Zu den Thesen von Habicht s. auch Gauthier 2005a, 4. Hamon 2007, 82. 84. 89–91. 98. Vgl. Brélaz 2009, 43–49. Van der Vliet 2011, 180–182. Mann 2012. Gauthier 1985. Zu den zentralen Thesen der Arbeit s. auch Quaß 1993, 15 f. Kralli 1999/2000, 138–141. Gauthier 1985, 4. Zusammenfassend Gauthier 2005a, 1–3. Vgl. Brélaz 2009, 47. Zur Definition der «basse époque hellénistique» s. etwa Robert 1960, 325 f. Robert 1963, 481. Robert/Robert, BE 1978, 390. Zu den Veränderungen im späten Hellenismus s. auch Hamon 2007, 87–91. 99. Scholz 2008, 83–87. Van der Vliet 2011, 161. Kah 2015, 386 f. Gauhier 1985, 66–75. Zur Kritik an Veyne s. ebd. 7–10. Zur Kontinuität von der klassischen Zeit zum Hellenismus s. auch Hamon 2007, 81–83. Scholz 2008, 79. Kah 2015, 386 f. Gauthier 1985, 69.

Das Phänomen des Euergetismus

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gen durch die Polis.24 Den fremden Wohltätern und der Entwicklung der städtischen Ehrungen war das dritte und zugleich letzte Kapitel gewidmet. Eine für das Phänomen des antiken Eurgetismus ebenso bedeutende – wenn auch in der Forschung oftmals wenig beachtete – Untersuchung war die von F. Quaß im Jahr 1993 vorgelegte Monographie «Die Honoratiorenschicht in den Städten des griechischen Ostens».25 F. Quaß beschränkte sich nicht auf die hellenistische Zeit, sondern versuchte stattdessen – ähnlich dem Ansatz von P. Veyne – auch die römische Kaiserzeit bis zur Spätantike in den Blick zu nehmen. Der umfassende Ansatz war zugleich jedoch eine Schwäche der Arbeit. Auch F. Quaß sah eine weitgehend ungebrochene Kontinuität im politischen System der griechischen Stadtstaaten. Seit dem frühen Hellenismus hätten kleine Gruppen aus lokalen Honoratioren maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Städte genommen.26 Der Blick für Entwicklungen, die Ph. Gauthier gerade für die hellenistische Zeit zu zeigen vermocht hatte, ging in der Untersuchung weitgehend verloren. Die strikte Trennung zwischen der «haute époque hellénistique» und der «basse époque hellénistique» wollte F. Quaß insbesondere im Hinblick auf das politische System nur mit Einschränkungen gelten lassen.27 Aus der teilweise berechtigten Kritik an der polarisierenden Darstellung von Ph. Gauthier zog F. Quaß jedoch die falschen Schlüsse. So deuten die Kontinuitäten in den Gesellschaftsstrukturen gerade nicht auf die Existenz eines «Honoratiorenregimes» seit dem 3. Jhdt. v. Chr. Vielmehr scheinen die zu beobachtenden Konstanten zumindest in einzelnen Regionen für einen Fortbestand des politischen Systems der Polisdemokratien bis in den Späthellenismus zu sprechen. Die größte Leistung der umfassenden und materialreichen Arbeit bleibt demgegenüber die ausführliche analytische Darstellung zur Tätigkeit der Honoratioren in den Bereichen von Politik und Krieg sowie zum öffentlichen Engagement der Bürger durch private Wohltaten und finanzielle Leistungen.28 Im Anschluss an die Arbeiten von Ph. Gauthier und F. Quaß gewann der Euergetismus insbesondere in den zahlreichen Forschungen zur hellenistischen Staatenwelt in den vergangenen Jahrzehnten entscheidende Bedeutung. Die meisten Untersuchungen beschränkten sich dabei auf Detailfragen und widmeten sich in Form von Aufsätzen in der Regel einzelnen Themenkomplexen. Im Zusammenhang mit dem Phänomen des Euergetismus stellten zahlreiche Publikationen zudem die Frage nach 24 25 26 27

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S. ausführlich u. S. 91–95. Quaß 1993. S. insbesondere ebd. 347–352. Für Kritik an den Thesen von Quaß s. Gauthier 2005a, 3. Vgl. Brélaz 2009, 43. Quaß 1993, 15: «Eine gewisse Entwicklung, die Gauthier hier mit Recht konstatiert, kennzeichnet er auf diese Weise durch zwei ziemlich extreme Alternativen. Ganz so krass dürften die Unterschiede in Wirklichkeit kaum gewesen sein.» Zur politischen Tätigkeit der Honoratioren s. in Rückgriff auf Quaß auch Scholz 2008, 89–91.

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Ehrendekrete und Euergetismus – Eine Einführung

dem Ausmaß von Demokratie und Bürgerbeteiligung in den hellenistischen Städten.29 Bereits im Jahr 1992 war der Euergetismus zentrales Thema des 10. Internationalen Epigraphikkongresses in Nîmes und erhielt dementsprechend auch einen eigenen Schwerpunkt im anschließenden Kongressband. Die Aufsätze von L. Migeotte und J.-L. Ferrary untersuchten das Phänomen des Euergetismus in der hellenistischen Zeit. L. Migeotte widmete sich dem wohltätigen Engagement und dem entsprechenden Auftreten von Bürgern aus einzelnen Städten in der klassischen Zeit und im Hellenismus.30 Hauptaspekte der Untersuchung bildeten die politische Bedeutung und die wirtschaftliche Rolle der Euergeten. Die Überlegungen von J.-L. Ferrary nahmen den Übergang von einem hellenistisch geprägten Euergetismus zu einem Euergetismus römischer Form in den Blick.31 Schwerpunkte waren neben den römischen Wohltätern im Allgemeinen die von griechischen Städten beschlossenen Ehrungen für einzelne Römer sowie das Verhältnis von Euergetismus und römischem Patronat. Ch. Habicht und K. Bringmann untersuchten im Rahmen des Kongresses Phänomene des monarchischen Euergetismus in der hellenistischen Zeit. Ch. Habicht widmete seine knappen Überlegungen dem Verhältnis der Könige zu Städten und Bünden. Der Beitrag von K. Bringmann konzentrierte sich auf das Umfeld der hellenistischen Monarchen und bot einen ersten Ausblick auf die später vorgelegten umfangreichen Studien zu den Schenkungen der hellenistischen Herrscher. Ausführlich befasste sich K. Bringmann mit dem wohltätigen Engagement der Könige in einem gemeinsam mit H. von Steuben durchgeführten Forschungsprojekt zum monarchischen Euergetismus. Eine erste Publikation sammelte und kommentierte alle literarischen, epigraphischen und archäologischen Zeugnisse.32 Die historische Auswertung des gesammelten Materials blieb einem zweiten Teilband vorbehalten.33 Im Zentrum der Untersuchung stand die Frage nach dem Verhältnis der hellenistischen Herrscher zu den einzelnen Städten. Schwerpunkte waren der monarchische Euergetismus im Allgemeinen sowie die Selbstdarstellung der Herrscher durch großzügige Wohltaten. B. Schmidt-Dounas unternahm in einem dritten Band die gesonderte Auswertung der archäologischen Denkmäler.34 In den Monumenten zeigte sich ein weiteres Mal der große Wert von Schenkungen und Stiftungen für die Selbstdarstellung und die Machtpolitik der hellenistischen Könige.35 Gleichsam als Gegenpart zu den Schenkungen der Könige untersuchte H. Kotsidu die Ehrungen

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Zu diesem zweiten Zweig der Forschung s. u. S. 26–30. Migeotte 1997. Ferrary 1997. Bringmann/Von Steuben 1995. Bringmann 2000. Schmidt-Dounas 2000. Ebd. 313–319.

Das Phänomen des Euergetismus

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für hellenistische Herrscher.36 Die Monographie folgte dem Schema der Publikationen von K. Bringmann und H. von Steuben und versammelte in einem ersten Teil zunächst die literarischen, epigraphischen und archäologischen Zeugnisse. In einem zweiten Abschnitt der Arbeit erfolgte die Auswertung des Quellenmaterials. In der Analyse zeigte sich das Wechselspiel von Erwartungshaltungen und erbrachten Leistungen auf der einen Seite sowie den entsprechenden Ehrungen auf der anderen Seite.37 Die Wirksamkeit des Mechanismus bestand im beiderseitigen Nutzen für Stadt und Herrscher. Die Polis profitierte von den Zuwendungen der Könige. Die Herrscher konnten durch das wohltätige Engagement und die entsprechenden Ehrungen den eigenen Ruhm und das öffentliche Ansehen erhöhen. Ehrungen erwiesen sich in diesem Zusammenhang als wichtiges Mittel in der Politik der Städte. M. Domingo Gygax widmete sich in den Jahren zwischen 2003 und 2009 zunächst in Form von mehreren Aufsätzen dem Wechselspiel zwischen erbrachten Leistungen und anschließenden Ehrungen durch die Städte und spürte zudem Ursprüngen und frühen Formen des griechischen Euergetismus nach. Die verschiedenen Einzelstudien, deren Themen im Anschluss in chronologischer Reihe vorgestellt werden sollen, bildeten zugleich die Grundlage für eine zusammenfassende Monographie zu den Ursprüngen des Euergetismus sowie zu dessen Entwicklung bis in die spätklassische Zeit.38 Eine erste Publikation aus dem Jahr 2003 untersuchte das Verhältnis von Eurgetismus und Gabentausch und konnte sowohl inhaltliche ­Parallelen als auch formale Gemeinsamkeiten der beiden reziproken Phänomene aufdecken.39 Durch den Vergleich mit den Grundsätzen des Gabentausches gewann die moderne Sichtweise des Euergetismus an Komplexität.40 Die Gemeinsamkeiten der beiden Phänomene, die auch in der klassischen Zeit niemals vollständig verschwunden zu sein scheinen, ließen daneben eine kontinuierliche Entwicklung von der archaischen Frühzeit bis zum Hellenismus vermuten.41 Ein Aufsatz aus dem Jahr 2006 spürte ebenfalls den Ursprüngen des Euergetismus nach und betonte erneut die Reziprozität des Systems von Gabe und Gegengabe.42 Die grundlegenden Prinzipien

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Kotsidu 2000. Der Schwerpunkt der Untersuchung liegt auf den Aussagen der archäologischen Zeugnisse. Ebd. 592–597. Domingo Gygax 2016. Domingo Gygax 2003. S. insbesondere ebd. 187–192. Vgl. Domingo Gygax 2016, 26– 45. Zur Reziprozität von Leistung und Ehrung s. auch Gehrke 2003, 228. 231–233. Vgl. Bielfeldt 2012, 93–97. Ausführlich Beck 2015, 42–144. Der Euergetismus ist als Phänomen sowohl auf der Ebene der institutionalisierten Wechselseitigkeit als auch auf der Ebene der nicht institutionalisierten Wechselseitigkeit zu betrachten. Domingo Gygax 2003, 199. Ebd. 192–199. Domingo Gygax 2006a. Vgl. Domingo Gygax 2016, 26–45.

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Ehrendekrete und Euergetismus – Eine Einführung

sah M. Domingo Gygax fest in der archaischen Adelsethik verankert.43 Einen weiteren Schwerpunkt der Untersuchung bildete die Entwicklung von den Wohltätern der archaischen Zeit bis zu den hellenistischen Euergeten. Als Fallbeispiel diente das klassische Athen.44 Ein zweiter Aufsatz desselben Jahres verfolgte demgegenüber einen theoretischen Ansatz.45 Ausgangspunkt der Untersuchung waren der augenscheinliche Unterschied in der Wahrnehmung von fremden Euergeten und wohltätigen Bürgern sowie das daraus resultierende Ungleichgewicht bei der Vergütung der Leistungen durch die Polis.46 Den frappierenden Widerspruch zwischen dem öffentlichen Bild und den tatsächlichen Leistungen von fremden Wohltätern führte M. Domingo Gygax auf den Versuch der Städte zurück, potentielle Euergeten durch Ehrungen ohne konkreten Anlass zu künftigen Wohltaten zu verpflichten – auch wenn eine entsprechende Verpflichtung in der Realität selbstverständlich nicht mehr als das moralische Gebot von gesellschaftlichen Konventionen sein konnte.47 Die Untersuchung unterschied demzufolge zwischen tatsächlichen Wohltätern («bienfaiteurs») und «euergétai». Für wohltätige Bürger standen möglicherweise andere Formen der Vergütung von Leistungen zur Verfügung.48 Einen Aufsatz aus dem Jahr 2009 widmete M. Domingo Gygax im Anschluss dem Phänomen der vorweggenommenen Ehrungen («proleptic honours»).49 Entsprechende Anerkennungen wurden von den Städten ohne vorhergehende Leistung im Vorgriff auf zu erwartendes oder zumindest erhofftes Engagement verliehen. Ausgangspunkt zur Erklärung des zunächst paradox anmutenden Phänomens war die Gleichsetzung der Prinzipien des Euergetismus mit den Funktionsweisen des Gabentausches.50 Das Wechselverhältnis von Wohltat und Ehrung folgte denselben Mustern wie der Austausch von Gabe und Gegengabe, wobei die ursprünglich als Gegengabe gedachte Ehrung an den Beginn der wechselseitigen Beziehung treten konnte und dabei den Platz einer Gabe einnahm. Das Gegenüber in Form des potentiellen Euergeten hatte in der Folge die moralische Verpflichtung zu einer Gegengabe.51 «Proleptic honours» konnten von Städ-

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Domingo Gygax 2006a, 294. Domingo Gygax 2016, 58–63. Zu den Prinzipien des Gabentausches in der archaischen Zeit sowie in der klassischen Zeit s. ausführlich auch Domingo Gygax 2007. Vgl. Beck 2015, 89–124. Die Polis Athen ist für sich genommen allerdings wieder ein Sonderfall. Domingo Gygax 2006a, 286. Domingo Gygax 2006b. Ebd. 9 f. Vgl. Gehrke 2003, 228. 231–233. Gehrke trifft noch keine Unterscheidung zwischen eigenen Bürgern und fremden Wohltätern. Ähnlich Bielfeldt 2012, 93–97. Domingo Gygax 2006b, 19–22. Ebd. 23. Domingo Gygax 2009. Vgl. Domingo Gygax 2016, 45–57. Domingo Gygax 2009, 26–45. Ebd. 182–187.

Das Phänomen des Euergetismus

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ten unter den beschriebenen Voraussetzungen als Mittel zur Gewinnung von neuen Wohltätern genutzt werden und sollten etwa häufig hellenistische Könige höflich an deren im Herrscherideal verankerte wohltätige Pflichten erinnern.52 Im Prinzip konnten aber auch andere Personen bereits im Vorgriff auf zu erwartende Leistungen Auszeichnungen erhalten. So hatten etwa die seit der archaischen Zeit belegten Verleihungen des Titels πρόξενος an fremde Personen in vielen Fällen den Charakter vorweggenommener Ehrungen.53 Die zusammenfassende Monographie zu den Ursprüngen des Euergetismus widmet sich aufbauend auf die beschriebenen Einzelstudien nach einem theoretischen Kapitel zu den Themen Euergetismus und Gabentausch sowie «proleptic honours» der Institutionalisierung des Phänomens sowie in zwei weiteren Kapiteln unter dem Stichwort «continuity and change» verschiedenen Euergetengruppen – neben Fremden und Athleten im zweiten Abschnitt auch den bürgerlichen Wohltätern.54 Ein fünftes Kapitel bietet unter der Überschrift «the generalization of euergetism» einen abschließenden Ausblick auf die Weiterentwicklung des Phänomens bis zur spätklassischen Zeit und legt einen Schwerpunkt der Darstellung dabei – wie schon in den beiden vorangegangenen Kapiteln zu den verschiedenen Euergetengruppen – auf die Verhältnisse in der Polis Athen. Einem in der vormaligen Forschung oftmals vernachlässigten Teilaspekt des öffentlichen Handelns der Wohltäter widmete sich Ch. Müller mit der wirtschaftlichen Seite des Euergetismus.55 Der Aufsatz aus dem Jahr 2011 nahm dabei insbesondere die finanzielle Dimension der Wohltaten in den Blick und stellte die Frage nach dem Verhältnis von Euergesien und Anleihen. Die Überlegungen rückten die Spenden in die Nähe von wohlüberlegten Finanzinvestitionen.56 Die Autorin suchte in der Folge die deutliche Abgrenzung zu den Ansichten von P. Veyne und wollte das Bild von den großzügigen Spendern und selbstlosen Euergeten im unermüdlichen Einsatz für das Wohl der Gemeinschaft zumindest zum Teil revidieren. Wohltaten waren für Ch. Müller keine irrationalen Entscheidungen. Den Unternehmungen der Euergeten lag stattdessen vermutlich stets ein hohes Maß an ökonomischer Rationalität zu Grunde.57 Mit den nichtbürgerlichen Rezipienten eines politischen Euergetismus versuchte sich M. Beck – wenn auch ohne genaue Definition der Begrifflichkeiten – in einer ausführlichen Monographie aus dem Jahr 2015 einem weiteren Teilaspekt des Euer-

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Ebd. 178. Ebd. 180–182. Zum Verhältnis von Proxenie und Euergetismus s. auch Domingo Gygax 2016, 108–114. Domingo Gygax 2016. Müller 2011. Ebd. 356–359. Ebd. 360.

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getismus zu nähern.58 In einem ausführlichen Abschnitt widmete sich die Studie zunächst auf einer theoretischen Grundlage den Hintergründen und Ursachen des Phänomens und konnte dabei in Anlehnung an die Studien von M. Domingo Gygax insbesondere die Ergebnisse sozialwissenschaftlicher Studien zur Reziprozität für das Verständnis des Euergetismus nutzbar machen.59 Die Grundlage für die anschließende Analyse der vornehmlich epigraphischen Quellen bildeten – ohne eine ausführliche Thematisierung der regionalen Beschränkung – Ehrendekrete aus Kleinasien und dem Ägäischen Raum.60 Die zumeist deskriptive Zusammenstellung der Inschriften wollte M. Beck in diesem Zusammenhang vornehmlich als grundlegende Materialsammlung für weitere Studien verstanden wissen.61 Zahlreiche weitere Studien der vergangenen Jahrzehnte beschränkten sich daneben nicht auf eine vornehmliche Analyse des Euergetismus und thematisierten in Anlehnung an die Monographien von Ph. Gauthier und F. Quaß staatsrechtliche Aspekte der griechischen Polisdemokratien. Diese zweite Richtung der Forschung stellte dabei insbesondere Fragen nach dem Einfluss von reichen Honoratioren auf die Polis sowie nach dem allgemeinen Ausmaß von Demokratie im Hellenismus. So beschäftigten sich bereits im Jahr 1995 einzelne Aufsätze eines von M. Wörrle und P. Zanker herausgegebenen Sammelbandes zum Thema «Stadtbild und Bürgerbild» mit der Verfassungswirklichkeit der griechischen Städte. Ch. Habicht suchte in seinem Beitrag eine kritische Auseinandersetzung mit dem für die hellenistische Polis entworfenen Bild eines «Honoratiorenregimes» und argumentierte für eine differenzierte Betrachtungsweise des Phänomens.62 Eine Abhängigkeit der Städte von einzelnen Bürgern lasse sich in der Regel erst ab dem späten Hellenismus beobachten. M. Wörrle konnte aus der Betrachtung der hellenistischen Ehrendekrete einen differenzierten Einblick in das Bürgerbild und die Wertvorstellungen der hellenistischen Städte gewinnen.63 Eine zunehmende Individualisierung der politischen Landschaft zeige sich in den Beschlüssen erst im späten Hellenismus. Im Jahr 2005 publizierten P. Fröhlich und Ch. Müller die Akten eines Kolloquiums zu den Fragen nach städtischen Institutionen und Bürgerbeteiligung in den Städten des späten Hellenismus. Dabei spielten auch der Euergetismus sowie der Einfluss von einzelnen Bürgern innerhalb der Städte eine wichtige Rolle. P. Hamon konzentrierte seinen Beitrag auf institutionelle Fragen und untersuchte die Veränderungen in der Partizipation von Bürgern im späten Hellenismus.64 Am Beispiel des kaiser-

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Beck 2015. Ebd. 21–238. Zu den Studien von M. Domingo Gygax s. o. S. 23–25. Beck 2015, 239–368. S. insbesondere das resümierende Fazit. Ebd. 387. Habicht 1995b. Wörrle 1995. S. auch u. S. 32. 40. 408. Hamon 2005.

Das Phänomen des Euergetismus

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zeitlichen Maroneia zeigte M. Wörrle die Vereinnahmung des politischen Lebens in der Polis durch einzelne Bürger sowie die gleichzeitige Passivität der Bürgerschaft.65 Der Beitrag von A. Avram konzentrierte sich auf die militärischen Konflikte in den Städten am Schwarzen Meer und verfolgte zugleich die Fragen nach Existenz und Organisation von militärischen Formationen in den Städten.66 Zur Verteidigung der Heimatgemeinden leisteten einzelne Bürger durch persönliches Engagement in vielen Fällen einen entscheidenden Beitrag. P. Fröhlich untersuchte am Beispiel des späthellenistischen Priene den Zusammenhang von Staatsausgaben und Euergetismus.67 Bei der Ausübung von öffentlichen Funktionen scheinen reiche Bürger die anfallenden Kosten zum Teil aus privaten Mitteln finanziert zu haben. Eine vollständige Abhängigkeit der Städte von euergetischen Leistungen entstand durch die Sonderzuschüsse jedoch nicht. P. Scholz bot in einem epochenübergreifenden Sammelband zu aristokratischen Herrschaftsformen von der Antike bis zur Neuzeit aus dem Jahr 2008 einen zusammenfassenden Überblick über den Einfluss der Honoratioren und das Phänomen des Euergetismus in den hellenistischen Städten.68 In den Kernthesen versuchte der Aufsatz gleichsam einen Mittelweg zwischen den Positionen von Ph. Gauthier und F. Quaß. So unterstrich die Untersuchung auf der einen Seite die Kontinuität zwischen der klassischen Zeit und dem Hellenismus und beschrieb die Veränderungen ab dem späten 2. Jhdt. v. Chr.69 Den entscheidenden Einfluss der römischen Macht auf die Veränderungen im späten Hellenismus thematisierte die Darstellung jedoch lediglich am Rande. Auf der anderen Seite sah P. Scholz die Politik der Städte von der Vormachtstellung einer kleinen Schicht an Honoratioren dominiert.70 Die bunte Auswahl an beispielhaft herangezogenen Ehrendekreten übersieht zudem die durch Zeitstellung und lokale Besonderheiten bedingten Unterschiede und versucht etwa eine allgemeine Gleichsetzung der Beschlüsse aus dem frühhellenistischen Athen mit den kleinasiatischen Ehrendekreten des späten 2. Jhdts. v. Chr.71 Auch die pauschale Beschreibung von Tätigkeiten und persönlichen Hintergründen der Honoratioren wird dem differenzierten Bild der Quellen nicht gerecht. Gerade für die Frühphase des Hellenismus ist die These von der Herrschaft eines «Honoratiorenregimes» vermutlich nicht aufrechtzuerhalten. Zuletzt versuchten V. Grieb und S. Carlsson in zwei etwa zur gleichen Zeit entstandenen Publikationen zur Demokratie im Hellenismus eine Neuinterpretation der politischen Verhältnisse 65 66 67 68 69 70 71

Wörrle 2005. Avram 2005. Fröhlich 2005. S. auch u. S. 312–315. 324–326. Scholz 2008. Ebd. 79–87. Ebd. 76–79. Für eine Kritik an den Sichtweisen s. auch Dreyer/Weber 2011, 28 Anm. 42. Scholz 2008, 87–90. Die Untersuchung bietet insgesamt lediglich eine allgemeine und generalisierende Betrachtung der hellenistischen Ehrendekrete.

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Ehrendekrete und Euergetismus – Eine Einführung

sowie der Verfassungswirklichkeit in den hellenistischen Städten.72 Beide Autoren entwarfen das Bild von funktionierenden und vitalen Polisgemeinschaften. Die einzelnen Bürger hätten auch in den hellenistischen Städten regen Anteil an den politischen Entscheidungsprozessen genommen. V. Grieb konzentrierte seine Darstellung auf die vier Fallbeispiele Athen, Kos, Milet und Rhodos. Durch eine Fokussierung auf die drei Schlüsselbegriffe δήμοκρατια, ἐλευθερία und αὐτονομία versuchte die Untersuchung aus der Sicht des Demos die Demokratie auf Basis der jeweiligen demokratischen Praxis zu fassen.73 Das feste und statische Gliederungsschema wird dem Befund jedoch nicht in allen Aspekten gerecht und versperrt zum Teil den Blick auf die eigentlichen Verhältnisse. S. Carlsson verfolgte demgegenüber einen theoretischen Ansatz. Den Kern der Untersuchung bildeten erneut die Begriffe ἐλευθερία und αὐτονομία.74 Die Fallbeispiele Iasos, Kalymna, Kos und Milet machten insgesamt nur kleine Teile der Untersuchung aus und dienten vornehmlich zur Illustration der theoretischen Überlegungen. Die Schwächen der Arbeiten von V. Grieb und S. Carlsson thematisierte zuletzt P. Hamon in einem grundlegenden Aufsatz zu den aktuellen Forschungsdiskussionen über das Ausmaß von Demokratie im Hellenismus.75 Neben den genannten Publikationen besprach der Beitrag zusätzlich die bereits im Jahr 2005 erschienene Monographie von S. Dmitriev.76 Hauptkritikpunkt Hamons waren Methodik und Vorgehensweise der drei Autoren  – insbesondere die Beschränkung der Untersuchungen auf einzelne Fallstudien.77 Für ein ausgewogenes Gesamtbild seien eingehende Detailanalysen zu weiteren Phänomenen sowie zu einzelnen Institutionen nötig. Für eine umfassende Untersuchung – wie sie die drei Autoren vorgelegt hätten – sei es möglicherweise noch zu früh. Als Beispiel für eine entsprechende Detailuntersuchung erwähnte P. Hamon etwa die umfangreiche Arbeit von P. Fröhlich zur Kontrolle der Magistrate in den hellenistischen Städten.78 Auf Basis einer umfangreichen Quellensammlung untersuchte P. Fröhlich zunächst alle Institutionen, die den Städten zur Überwachung von Amtspersonen zur Verfügung standen. Die beiden anschließenden Abschnitte widmeten sich der Kontrolle der Magistrate während und nach der Amtszeit. Das vierte und letzte Kapitel versuchte Kontinui72

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Grieb 2008. Carlsson 2010. Zur Bedeutung von Demokratie und Freiheit für die Identität der hellenistischen Polis s. allgemein bereits Gehrke 2003, 234–237. Zum demokratischen Charakter der hellenistischen Städte s. auch Rhodes/Lewis 1997, 531–536. S. insbesondere Grieb 2008, 20–25. Carlsson 2010, 13. Hamon 2009. Vgl. auch die Rezension von Van der Vliet 2012. Für eine Zusammenfassung der Forschungsdebatten zum Problem der Demokratie im Hellenismus vgl. auch Scholz 2008, 79. Bielfeldt 2012, 87 f. 93. Mann 2012. Dmitriev 2005. Hamon 2009, 379. Fröhlich 2004.

Das Phänomen des Euergetismus

29

täten und Brüchen vom 4. Jhdt. v. Chr. bis zum 1. Jhdt. v. Chr. nachzuspüren. Insbesondere durch die eingehende Quellenanalyse gelangte Fröhlich zu einem differenzierten Bild der hellenistischen Polisgesellschaft und konnte detaillierte Einblicke in die administrativen Realitäten der griechischen Städte gewinnen. P. Hamon versuchte seinerseits in einem Aufsatz aus dem Jahr 2007 die Entwicklung der Eliten und den Prozess der Aristokratisierung im Hellenismus nachzuvollziehen.79 Als «aristocratie» im engen Sinn konnten die städtischen Führungsschichten lange Zeit nicht bezeichnet werden. Erst im Verlauf des Hellenismus begann unter römischem Einfluss der allmähliche Prozess der «aristocratisation».80 In Anlehnung an die Studien von L. Robert und Ph. Gauthier argumentierten auch P. Fröhlich und P. Hamon im Hinblick auf Politik und Gesellschaft für eine grundlegende Trennung zwischen der «haute époque hellénistique» und der «basse époque hellénistique». B. Dreyer und P. F. Mittag widmeten sich im Rahmen eines interdisziplinären Forschungsnetzwerks ebenfalls dem Phänomen der hellenistischen Eliten und veröffentlichten im Jahr 2011 einen Sammelband zum Thema «Lokale Eliten und hellenistische Könige». Der Beitrag von B. Dreyer und G. Weber betrachtete das Verhältnis der lokalen Eliten in griechischen Städten zu den hellenistischen Königen.81 Beachtung fanden insbesondere die von einzelnen Bürgern im Austausch mit den Herrschern erzielten Erfolge sowie die generelle Frage nach dem Verhältnis von Eliten und Demokratie. Die zunehmende Einflussnahme von reichen Bürgern auf die städtische Politik sahen die Autoren als stetigen Entwicklungsprozess. A. Nieber­ gall untersuchte das Verhältnis von lokalen Eliten und Königen am Fallbeispiel des Mithradates VI. von Pontos und konnte den unterschiedlichen Umgang der griechischen Städte mit dem Problem der Mittelstellung zwischen Rom und dem hellenistischen Königreich beschreiben.82 Die Kommunikation zwischen Rom und den griechischen Städten in den Zeiten der späten Republik bildete den Gegenstand des Beitrags von R. Schulz.83 Für den diplomatischen Austausch gewannen lokale Eliten zunehmend an Bedeutung. Die kostspieligen und strapaziösen Reisen bestritten die großzügigen Bürger – gleichsam als Wohltat gegenüber der Polis – zunehmend aus eigenen Mitteln. Im Jahr 2012 publizierten Ch. Mann und P. Scholz einen kleinen Sammelband zum Problem der Demokratie im Hellenismus. In einem einleitenden Beitrag bot Ch. Mann einen Überblick zum aktuellen Forschungsstand in Bezug auf die Fragen nach Demokratie und Bürgerbeteiligung in den hellenistischen Städten.84 Der Bei-

79 80 81 82 83 84

Hamon 2007. Zusammenfassend ebd. 99. Dreyer/Weber 2011. Niebergall 2011. Schulz 2011. Mann 2012.

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Ehrendekrete und Euergetismus – Eine Einführung

trag widmete sich auch dem Themenkomplex des Euergetismus sowie den unterschiedlichen Forschungsmeinungen zur Abhängigkeit der hellenistischen Städte von einflussreichen Honoratioren. Das Phänomen des Euergetismus spielte daneben insbesondere in der Untersuchung von P. Hamon zum Problem von Gleichheit und Ungleichheit in den Städten des hellenistischen Kleinasien eine wichtige Rolle.85 So scheinen reiche Bürger insbesondere im späten Hellenismus neben den Vollbürgern zunehmend auch andere Polisbewohner in den Empfängerkreis der eigenen Wohltaten aufgenommen zu haben. Die jeweiligen Maßnahmen trugen vermutlich einen entscheidenden Teil zur Integration sowie zum inneren Zusammenhalt der Städte bei. Eine wichtige Quellengrundlage für die Überlegungen zum Phänomen des Euergetismus in der hellenistischen Zeit bilden in den meisten Untersuchungen öffentliche Ehrendekrete, die von den griechischen Städten nach der Verabschiedung in der Volksversammlung als dauerhafte Inschriften auf Stein oder Bronze publiziert worden sind. Eine Polis musste entsprechende Beschlüsse jedoch nicht in jedem Fall aufzeichnen lassen.86 Insbesondere vor dem Hintergrund der Lücken in der literarischen Überlieferung bieten entsprechende Beschlüsse in zahlreichen Städten die einzigen Zeugnisse für das euergetische Engagement von Bürgern und Fremden sowie hellenistischen Königen und anderen Machthabern.87 Eine große Zahl der ausgezeichneten Personen ist lediglich aus den jeweiligen Inschriften bekannt. Anlass der Ehrendekrete waren erbrachte oder manchmal auch erst noch zu erbringende Wohltaten.88 In ausführlichen Erzählungen berichteten insbesondere die in der Forschung als «Lange Ehrendekrete» oder als «Karrieredekrete/Lebenswerkdekrete» bezeichneten Beschlüsse für eigene Bürger bis ins Detail von den jeweiligen Leistungen.89 Im Gegenzug für das Engagement verliehen die Städte je nach Status der ausgezeichneten Personen Privilegien wie Kranz, Statue, Ehrensitz, Speisung im Prytaneion, Proxenie oder Bürgerrecht. Eine eigenständige Betrachtung des Phänomens der Ehrendekrete bieten die Untersuchungen zu Euergetismus und Gesellschaftsordnung im Hellenismus bislang jedoch noch nicht.

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Hamon 2012. S. auch u. S. 36–38. Der griechische Sprachgebrauch kennt für wohltätige Leistungen den Begriff εὐεργεσία. Eine entsprechende Person konnte als εὐεργέτης bezeichnet werden. Der Umfang des Engagements hing stets auch von der sozialen Stellung und den finanziellen Möglichkeiten der jeweiligen Personen ab. Zunächst scheinen lediglich Fremde und Könige mit dem Titel εὐεργέτης bedacht worden zu sein. Erst im Verlauf des Hellenismus ist der Titel zunehmend auch für eigene Bürger bezeugt. Vgl. Cramme 2001, 15 f. Kah 2015, 387. Zum Phänomen der vorweggenommenen Ehrungen s. Domingo Gygax 2006b, 15. Zu den einzelnen Begrifflichkeiten s. auch u. S. 418.

Die Ehrendekrete der hellenistischen Städte für eigene Bürger

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1.2 Die Ehrendekrete der hellenistischen Städte für eigene Bürger Bereits in den Arbeiten von Ph. Gauthier und F. Quaß bildete die epigraphische Über­ lieferung die wichtigste Quellengrundlage. Beide Autoren wählten einen weitgehend positivistischen Interpretationsansatz und nutzten die Inschriften als Informationsquellen für die Tätigkeit der Euergeten sowie für Aussagen über die Ehrenpraxis in den hellenistischen Städten. Ph. Gauthier versuchte auf Basis der Ehrendekrete eine Gesamtbetrachtung der gesellschaftlichen Entwicklungen im Hellenismus vor dem Hintergrund des bürgerlichen Euergetismus. Als Ausgangspunkt der Überlegungen diente die Unterteilung der hellenistischen Zeit in eine «haute époque hellénistique» und eine «basse époque hellénistique». Gesellschaftliche Veränderungen wie der zunehmende Einfluss von reichen Euergeten spiegelten sich für Ph. Gauthier als allgemeine Entwicklungslinien auch in den Ehrendekreten.90 So verabschiedeten die Städte zunächst ausführliche Beschlüsse für die Ausübung von öffentlichen Funktionen. Zum Späthellenismus nahmen die Motivberichte an Umfang und Ausführlichkeit zu und umspannten mit der Zeit das gesamte Leben der ausgezeichneten Personen. Mit der Ausweitung der Erzählungen korrespondierte auch die allmähliche Zunahme an verliehenen Ehrungen. Eine differenzierte Sichtweise auf Einzelphänomene oder unterschiedliche Entwicklungen in einzelnen Regionen bot dieser in gewisser Weise schematische Ansatz einer Gesamtbetrachtung nicht. Stattdessen versuchte Ph. Gauthier für die hellenistische Poliswelt kontinuierliche Entwicklungslinien sowie eine einheitliche Gesamtchronologie zu entwickeln. Der Untersuchung von F. Quaß diente die intensive Auseinandersetzung mit den «Langen Ehrendekreten» für eigene Bürger als Ausgangsbasis für das zentrale Kapitel zur politischen Tätigkeit der Honoratioren.91 Neben den hortativen Aspekten der Beschlüsse als Beispiele und Motivationen für künftige Wohltäter konzentrierte sich die Interpretation vornehmlich auf das Hervortreten der prominenten Familien sowie das aristokratische Selbstbewusstsein der Honoratioren. Mit der erstmaligen Entscheidung der Städte zur Publikation von Ehrendekreten für eigene Bürger im späten 4. Jhdt. v. Chr. manifestierte sich für F. Quaß die führende Rolle der Honoratioren.92 Bei der zusammenfassenden Betrachtung des Phänomens der «Langen Ehrendekrete» ging jedoch der Blick für die einzelnen Inschriften sowie für die Unterschiede und Entwicklungen innerhalb der Beschlussgattung verloren. Auch die Interpretationen blieben in vielen Fällen eindimensional. F. Quaß erkannte durchaus die idealisierenden Tendenzen der Beschlüsse oder die Bedeutung der Inschriften als historische Monumente insbesondere der Lokalgeschichte. Diese Interpretationsansätze wurden jedoch als nebensächliche Aspekte des Gesamtphänomens margina90 91 92

Gauthier 1985, 66–75. S. zuletzt auch Hamon 2012, 61 f. Quaß 1993, 19–79. Ebd. 16. 76–79.

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Ehrendekrete und Euergetismus – Eine Einführung

lisiert. Der Hauptzweck der Ehrendekrete für eigene Bürger bestand für F. Quaß im persönlichen Prestige der Honoratioren.93 Ebenso verzichtete die Untersuchung auf eine Definition der «Langen Ehrendekrete» in Abgrenzung zu anderen Beschlussgattungen und beschränkte sich stattdessen auf einen umfangreichen Beispielkatalog.94 Insbesondere «die große Masse der einfachen Ehrendekrete auf Stein» fand lediglich beiläufige Erwähnung.95 Der genaue Unterschied zu den «Langen Ehrendekreten» wurde nicht thematisiert. Die Thesen von F. Quaß wurden in der Forschung insbesondere im Hinblick auf die postulierte Existenz eines «Honoratiorenregimes» seit dem Beginn des Hellenismus mehrfach mit guten Argumenten widerlegt.96 Eine kritische Auseinandersetzung mit der Quellengrundlage und insbesondere mit den Ehrendekreten für eigene Bürger erfolgte bislang jedoch kaum. Die meisten Studien betrachteten das Aufkommen der Beschlussgattung in der Nachfolge von F. Quaß als allgemeines Phänomen der hellenistischen Zeit und nutzten die Inschriften als Basis für weiterführende Interpretationen zum Phänomen des Euergetismus sowie zur Frage nach dem Ausmaß von Demokratie im Hellenismus. Als Gründe für die Aufstellung der Ehrendekrete galten die persönliche Ehre und das individuelle Prestige der herausragenden Bürger sowie die hortativen Aspekte der Beschlüsse.97 Eine Trennung zwischen den Ehrendekreten und anderen Arten der Ehrung wie Ausrufung, Kranz, Statue, Ehrensitz oder öffentliche Speisung erfolgte in der Regel nicht. Lediglich einzelne Aufsätze bieten bislang eine Auseinandersetzung mit den ideologischen Aspekten der Ehrendekrete oder der Bedeutung der Monumente für die Stadtgeschichte.98 Eine Gesamtinterpretation des Phänomens können diese Untersuchungen ob ihres beschränkten Umfangs jedoch nicht leisten. Eine umfassende Analyse der für die hellenistische Zeit bedeutenden Quellengattung der Ehrendekrete für eigene Bürger soll demnach den Gegenstand der vorliegenden Untersuchung bilden. «Lange Ehrendekrete» und «Einfache Ehrendekrete» scheinen lediglich zwei verschiedene Ausprägungen desselben Phänomens zu sein und werden eine gemeinsame Betrachtung erfahren. Im Anschluss an die Analyse sollen die Beschlüsse nach einem eigenen Definitionsansatz geordnet werden. Ein eingehendes und umfassendes Gesamtverständnis der hellenistischen Ehrendekrete verspricht einen wichtigen Beitrag zu den Fragen nach Zustand und Verfassung der Städte sowie den sozialen Strukturen der hellenistischen 93 94 95 96 97

98

Ebd. 81: «Vielmehr waren sie Resonanz auf die Tätigkeit des betreffenden Bürgers und damit eine Manifestation des Prestiges, das ihm aus seinen Leistungen erwuchs.» Ebd. 27–29. Ebd. 37. Zur Kritik an Quaß s. bereits o. S. 21. 26–30. Zu den Ehrendekreten für Gymnasiarchen zuletzt etwa Curty 2015, 8: «(…) ils possèdent un but unique. Honorer la personne dont ils parlent.» Zur hortativen Funktion der Beschlüsse s. zuletzt ausführlich am Beispiel von Athen Miller 2016. S. etwa Wörrle 1995. Gehrke 2003. Luraghi 2010. Chaniotis 2014.

Die Ehrendekrete der hellenistischen Städte für eigene Bürger

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Polis zu leisten. Insbesondere für die Auswertung der Ehrendekrete im Hinblick auf die skizzierten Forschungsdiskussionen um Euergetismus und Demokratie bildet eine Detailbetrachtung zu Bedeutung und Aussageintentionen der Beschlüsse eine unerlässliche Grundlage. Die Frage nach dem Ausmaß von Demokratie in den hellenistischen Städten fällt dabei nicht mit der Frage nach der Existenz respektive der Nicht-Existenz von bürgerlichen Eliten zusammen. Eine Gruppe von führenden Persönlichkeiten gibt es in jedem Gemeinwesen. Auch in demokratischen Ordnungen bieten Reichtum und Bildung entscheidende Startvorteile für eine politische Laufbahn.99 Für die hellenistischen Städte müssen demnach die Fragen nach Auftreten und Selbstdarstellung der bürgerlichen Eliten sowie nach der Einbindung herausragender Einzelpersonen in die Polisgemeinschaft gestellt werden.100 Eine wichtige Quellengrundlage zur Beantwortung dieser Fragestellungen bieten die ausführlichen Motivberichte der Ehrendekrete. Am Beginn der Interpretation muss stets die Frage nach den Gründen der jeweiligen Polis für die dauerhafte Publikation der Beschlüsse stehen. Die hellenistischen Städte waren nicht zur Veröffentlichung der Ehrendekrete verpflichtet und entschieden sich vermutlich sogar nur in wenigen Fällen zur Errichtung von entsprechenden Monumenten. Die Bedeutung der Inschriften scheint sich zudem nicht in der persönlichen Ehre der verdienten Bürger erschöpft zu haben. Sicherlich bedeuteten die seltenen Monumente stets großes Prestige für die ausgezeichneten Personen und sollten auf Dauer an die erbrachten Leistungen erinnern.101 Die individuelle Anerkennung wird in der Regel jedoch lediglich ein Aspekt bei der dauerhaften Publikation von Ehrendekreten gewesen sein.102 Gerade vor dem Hintergrund des zu Beginn diskutierten Ehrendekrets für Athenopolis aus Priene – auch wenn der Beschluss durch den auf allgemeine Aussagen beschränkten Motivbericht sicherlich eine extreme Ausprägung des Gesamtphänomens war – muss die Frage nach Sinn und Zweck der Veröffentlichung solcher Dokumente durch die Polis gestellt werden. Doch welche Ziele konnte eine Polis neben der persönlichen Ehre eines Bürgers mit der Veröffentlichung eines Ehrendekretes verfolgen? Auf Basis

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Vgl. Arist. Pol. 1291 b. Zu den Eliten im klassischen Athen s. etwa auch Hamon 2007, 82. Scholz 2008, 79–81. Vgl. Habicht 1995, 89. Van der Vliet 2011, 161. Für einen ähnlichen Ansatz s. etwa auch Fröhlich 2004, 1–3. Die Untersuchung kann über die Frage nach der Kontrolle der Magistrate einen Einblick in den Zustand und die Verfassung der hellenistischen Städte gewinnen. Quaß 1993, 33. Die Auszeichnung von Einzelpersonen wird zudem in vielen Fällen vornehmlich durch die Verleihung von anderen Privilegien wie Kranz, Statue, Ehrensitz oder öffentliche Speisung erreicht worden sein. Zur Bedeutung der einzelnen Privilegien s. auch ebd. 33–37. Überlegungen zu den grundsätzlichen Unterschieden zwischen publizierten Ehrendekreten und anderen Arten der Auszeichnung bietet Quaß jedoch nicht. Zur öffentlichen Ausrufung von Ehrungen s. auch Biard 2017, 24–27.

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Ehrendekrete und Euergetismus – Eine Einführung

der in der Forschung zum Teil bereits angestoßenen Interpretationsansätze sollen die hellenistischen Ehrendekrete zur Beantwortung dieser Frage auf ihre hortativen Funktionen sowie insbesondere auf den ideologischen Gehalt und die Bedeutung für Lokalgeschichte und Identität der griechischen Stadtstaaten untersucht werden. Dabei wird der Blick auch auf die Entwicklung des Phänomens während des Hellenismus sowie auf mögliche Veränderungen in Inhalt und Intention der Beschlüsse bis zum Verschwinden der Praxis mit dem Beginn der Kaiserzeit zu richten sein. In der Folge kann die Frage nach dem Quellenwert der Ehrendekrete für die Phänomene des Euergetismus sowie für Aussagen über die hellenistische Polisgesellschaft im Allgemeinen gestellt werden. Insbesondere die Frage nach den Gründen für die dauerhafte Aufzeichnung von Ehrendekreten für eigene Bürger mag zugleich einen Einblick in Gesellschaft und Wertesystem der Städte geben. In manchen Fällen scheinen Ehrungen sogar mehr über die ehrenden Gemeinschaften als über die ausgezeichneten Personen auszusagen. Die Definition von ehrenhaften Verhalten sowie die entsprechende Zuerkennung von Ehre und Ansehen stehen stets in Abhängigkeit von den Werten und Idealen der jeweiligen Gesellschaft.103 Als soziales Konstrukt kann Ehre die gedachte Ordnung von Gesellschaften mitgestalten. Die entsprechenden Konzepte dienen der sinnhaften Regelung der eigenen Lebenswelt und orientieren sich an den spezifischen Bedürfnissen der Gemeinschaft. Durch die Auszeichnung von eigenen Bürgern – gleichsam Stellvertreter für die gesamte Polis – konnten die griechischen Städte demnach Einfluss auf das öffentliche Bild von der eigenen Gemeinschaft nehmen. Die dauerhafte Aufzeichnung der Ehrendekrete vermittelte sowohl den Zeitgenossen als auch den späteren Generationen einen Eindruck von den politischen Verhältnissen sowie vom Zustand der Polis. Bei der dauerhaften Aufzeichnung eines Ehrendekrets auf Stein hatten Rat und Volk daneben stets auch die Langzeitwirkung des Monuments zu berücksichtigen. Zunächst mag die Aufzeichnung eines Beschlusses in vielen Fällen nicht zuletzt eine zusätzliche Ehre für die jeweilige Person bedeutet haben. Späteren Generationen scheinen die jeweiligen Inschriften jedoch vornehmlich als historische Erinnerungsmonumente an wichtige Ereignisse der Vergangenheit sowie als allgemeine Exempla für die Leistungen der Vorfahren vor Augen gestanden zu haben.104 Die Städte werden sich mit Sicherheit der Außenwirkung der Monumente bewusst gewesen sein und mögen dementsprechend den Inhalt der Ehrendekrete den gewünschten Aussageintentionen sowie dem öffentlichen Selbstbild der Polis

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Für die nachfolgenden Überlegungen zum Verhältnis von Ehren und Gesellschaft s. Brüggenbrock 2006, 11. Zur römischen Gesellschaft s. etwa Lendon 1997. Zur Aussagekraft der Ehrendekrete vgl. auch Kah 2015, 388. Für eine grundlegende Studie zum Phänomen der Ehre aus dem Blickwinkel der modernen Sozialwissenschaft vgl. auch Bourdieu 1976. Zur Erinnerungsfunktion von Inschriften s. zuletzt Chaniotis 2014, 143–147.

Die Ehrendekrete der hellenistischen Städte für eigene Bürger

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angepasst haben. Den Kern des abstrakten Gebildes «Polis» bildeten selbstverständlich stets reale Einzelpersonen. Die politische Haltung und die allgemeinen Wertvorstellungen, die in den Ehrendekreten zum Teil zum Vorschein kamen, beruhten dementsprechend stets auf einem Konsens in der Bürgerschaft. Für die offizielle Haltung der Städte spielten Personen aus der politischen Führungsschicht in vielen Fällen eine wichtige Rolle. Der tatsächliche Einfluss der städtischen Eliten wird ein zentrales Thema der vorliegenden Untersuchung sein. Zur Beantwortung der skizzierten Fragestellungen nach Sinn und Bedeutung der Ehrendekrete sollen Aufkommen und Verbreitung des Phänomens zunächst an mehreren Fallstudien untersucht werden.105 Ausgehend von der Detailanalyse von einzelnen Inschriften wird nach Gründen und Umständen für das Auftreten der Monumente in einzelnen Städten oder ganzen Regionen zu fragen sein. Ein besonderes Augenmerk soll stets auch auf den historischen Hintergründen der publizierten Beschlüsse liegen. Andere Kapitel werden Ehrendekrete aus verschiedenen Städten unter thematischen Gesichtspunkten versammeln und sollen den Blick für gesamtgriechische Phänomene eröffnen. Die literarische Analyse von einzelnen Inschriften wird die inhaltlichen Interpretationen ergänzen. Aus den Perspektiven von Sprache und Gestaltung können vertiefte Einblicke in die Aussageintentionen der Beschlüsse gewonnen werden. In der abschließenden Zusammenschau soll auf Basis der gewonnenen Einsichten eine Gesamtinterpretation des Phänomens der hellenistischen Ehrendekrete für eigene Bürger versucht werden. In diesem Zusammenhang werden auch die in der Forschung geläufigen Bilder von der weiten Verbreitung der Beschlüsse in den hellenistischen Städten sowie von der allgemeinen Zunahme im Umfang der Motivberichte zu überprüfen sein. In der Folge wird nach möglichen Konsequenzen im Hinblick auf die Forschungsdiskussionen über Euergetismus und Demokratie zu fragen sein. Eine umfassende Analyse der Ehrendekrete für eigene Bürger sowie eine Detailbetrachtung von einzelnen Befundkomplexen aus unterschiedlichen Regionen sowie aus verschiedenen Zeitabschnitten versprechen in der Folge zu einem besseren Verständnis der hellenistischen Polis im Allgemeinen sowie der politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der Zeit im Speziellen beizutragen. Die Untersuchung führt damit gleichsam auf zwei Grundfragen historischen Forschens: Was wird durch eine Gemeinschaft erinnert und was lässt sich in der Folge über die entsprechende Gesellschaft aussagen? Als offizielle Dokumente zeigen die Ehrendekrete vornehmlich das – in den meisten Fällen vermutlich idealisierende – Selbstbild der jeweiligen Polis. Im Hintergrund lassen sich in der Regel jedoch auch Einblicke in die realen Verhältnisse in den hellenistischen Städten gewinnen. Zunächst bedarf die Beschäftigung mit dem Phänomen der hellenistischen 105

Der Weg zu einem umfassenden Verständnis der Beschlussgattung kann letztlich nur über die Einzelanalyse der Ehrendekrete führen. Erst die Detailstudie vermag den Blick für die Gesamtbetrachtung zu schärfen. Vgl. Wörrle 1995, 242.

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Ehrendekrete und Euergetismus – Eine Einführung

Ehrendekrete für eigene Bürger jedoch der genauen Definition der Beschlussgattung sowie der Abgrenzung des Quellenmaterials.

1.3 ψήφισμα, δόγμα, γνώμη – Ehrendekrete als Volksbeschlüsse Die Entscheidung über die Auszeichnung von Fremden und Bürgern im öffentlichen Raum der Städte oblag der jeweiligen Polisgemeinschaft. Auch private Ehrungen im städtischen Raum bedurften in der Regel der Zustimmung von Rat und Volksversammlung. Ehre und Anerkennung waren demnach stets in die öffentlichen Diskurse der städtischen Politik eingebunden. 1.3.1 Volksbeschlüsse als Form der politischen Entscheidungsfindung Die übliche Form der politischen Entscheidungsfindung in griechischen Städten – sofern nicht von einem Tyrannen oder einer kleinen Gruppe von Aristokraten regiert – war die Abstimmung in Rat und Volksversammlung.106 Die inhaltliche Bandbreite der getroffenen Entscheidungen war vielfältig und umspannte alle öffentlichen Belange der Polis von Staatsverträgen über Gesetzgebung und administrative Regelungen bis zur Einrichtung von Stiftungen und zur Vergabe von Ehrungen. Die Ergebnisse wurden in Form von Volksbeschlüssen festgehalten. Der griechische Sprachgebrauch verwendete für diese Beschlüsse in der Regel den Begriff ψήφισμα.107 Daneben existierten die Bezeichnungen δόγμα oder γνώμη.108 Bei der Abfassung von Volksbeschlüssen entwickelten sich in den griechischen Städten feste Formulare.109 In der Regel begannen die offiziellen Dokumente mit der Weiheformel und einem einleitenden Präskript mit Datierung und Sanktionsformel, die die Verabschiedung des Beschlusses durch die Polisgremien dokumentierte. Der anschließende Motivbericht enthielt die Begründung für den eingebrachten Beschluss und nannte mit der einleitenden Motivklausel in der Regel den Verantwortlichen für den Antrag. Den Abschluss der Dokumente bildeten der Sanktionsantrag mit Resolutionsformel als 106 107 108

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Samons 2013, 268. Zum Zustandekommen von Beschlüssen s. ausführlich Rhodes/Lewis 1997, 11–34. 502–527. Vgl. Bielfeldt 2012, 113–119. Für eine umfassende Untersuchung zu den Dekreten der griechischen Stadtstaaten s. Rhodes/Lewis 1997. Vgl. allgemein auch Klaffenbach 21966, 69–86. McLean 2002, 215–227. Zu den unterschiedlichen Bedeutungen der Begriffe ψήφισμα, δόγμα und γνώμη s. Rhodes/Lewis 1997, 557–560. Vgl. Chankowski 2015. In seltenen Fällen begegnen auch die Begriffe ἅδος, ῥήτρα und τεθμός. Vgl. Rhodes 2001, 509. Zum idealtypischen Aufbau eines Volksbeschlusses s. Rhodes/Lewis 1997, 4 f. Vgl. Ma 2013, 56.

ψήφισμα, δόγμα, γνώμη

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Aufforderung zur Beschlussfassung sowie der eigentliche Antrag mit dem Inhalt des Beschlusses. Die gefassten Beschlüsse wurden auf Papyrus oder Pergament aufgezeichnet und im Stadtarchiv hinterlegt.110 Eine temporäre Publikation scheint in vielen Fällen auf geweißten Holztafeln oder an geweißten Wänden erfolgt zu sein.111 Beschlüsse mit unbegrenzter Gültigkeit konnten zusätzlich auf Stein oder einem anderen dauerhaften Material veröffentlicht werden. Den Charakter eines offiziellen Dokuments besaßen allerdings nur die Originale im Archiv. Die zusätzlichen Abschriften blieben stets Kopien der eigentlichen Beschlüsse.112 Einen verbindlichen Rechtscharakter konnten die Monumente dennoch besitzen. Die Abschriften mussten allerdings nicht zwingend bis ins Detail mit den Originaldokumenten übereinstimmen und boten zum Teil lediglich gekürzte Versionen der Beschlüsse.113 In der Regel scheinen die Inschriften jedoch weitgehend den originalen Wortlaut beibehalten zu haben.114 Die zusätzliche Publikation der archivierten Dokumente – weder in der temporären Ausführung auf Holztafeln noch in dauerhafter Form auf Stein oder Bronze – war in jedem Fall keine zwingende Erfordernis und musste in den Beschlüssen eigens festgelegt werden.115 Gerade die dauerhafte Publikation von öffentlichen Dokumenten auf steinernen Stelen darf mit Sicherheit nicht als Regel-

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Klaffenbach 21966, 52 f. Robert 1970, 15. Rhodes/Lewis 1997, 3. 525–527. McLean 2002, 9. 215. Chaniotis 2014, 133. Zur Aufbewahrung von Volksbeschlüssen sowie zur öffentlichen Aufzeichnung von Urkunden s. ausführlich Wilhelm 1909, 229–299. Vgl. Klaffenbach 2 1966, 52–55. Robert 1970, 15–17. Zur doppelten Aufzeichnung von Archivbeschlüssen s. auch I. Priene 112–114 = I. Priene2 68–70. Einen Einblick in die Praktiken der temporären Publikation von Inschriften bieten etwa die Bestimmungen in einem Beschluss der Phylen des Demos Halasarna auf der Insel Kos zu den Teilnehmern am Kult des Apollon. IG XII 4, 1, 103. Die getroffenen Bestimmungen sollten durch Aushang auf der ganzen Insel bekannt gemacht werden. Für zahlreiche weitere Beispiele s. Wilhelm 1909, 229–299. Wilhelm 1909, 238 f. Klaffenbach 21966, 52–55. Robert 1970, 15. Rhodes/Lewis 1997, 3. 525. McLean 2002, 9 f. Die Überlieferung besteht naturgemäß nahezu ausschließlich aus Beschlüssen auf Stein. Offizielle Dokumente waren die Stelen nicht. So zuletzt jedoch – wenn auch wenig überzeugend – Osborne 2012, 48: «(…) the stele was regarded as containing the official text of a decree (…).» Die Abschriften auf Stein mussten nicht alle Formularbestandteile enthalten. Selbst bei Inschriften der gleichen Zeitstellung konnte eine abweichende Kombination der verschiedenen Elemente auftreten. Rhodes/Lewis 1997, 4. Zu diesen Fragen s. ausführlich Klaffenbach 21966, 69–73. Vgl. Wilhelm 1914, 17–20. Rhodes/Lewis 1997, 6. Klaffenbach 21966, 54. Rhodes/Lewis 1997, 3. 525. Chaniotis 2014, 135 f. 143.

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Ehrendekrete und Euergetismus – Eine Einführung

fall angesehen werden.116 Für die Errichtung der jeweiligen Monumente hatten die Städte in den meisten Fällen gewichtige Gründe.117 1.3.2 Ehrendekrete als besondere Form der Volksbeschlüsse Eine besondere Form der Volksbeschlüsse bildeten die von den Städten verabschiedeten Ehrendekrete für verdiente Personen.118 Im Unterschied zu anderen Beschlussgattungen scheinen die Ehrendekrete eine häufige Aufzeichnung erfahren zu haben.119 Dennoch ließen die Städte mit Sicherheit nicht alle Ehrendekrete aufzeichnen.120 Die Ursprünge der Praxis lagen bereits in der klassischen Zeit. Bis zum Ende des 4. Jhdts. v. Chr. beschränkte sich die Publikation meist auf knapp formulierte Ehrendekrete für fremde Personen.121 Erst in der Folge begannen die Städte allmählich auch mit der Aufzeichnung von Ehrendekreten für eigene Bürger. Eine Besonderheit der hellenistischen Ehrendekrete war die Ausweitung der Motivberichte zu langen Erzählungen.122 Die ausführlichen Inschriften rekapitulierten die Leistungen der ausgezeichneten Personen und scheinen in der Regel weitgehend 116

Wilhelm 1909, 235. Klaffenbach 21966, 52–54. Robert 1970, 16. Rosen 1987, 280. Für den gewagten Versuch eines Gegenentwurfs s. Osborne 2012. Osborne postuliert für die Polis Athen die dauerhafte Publikation eines jeden Volksbeschlusses. Ebd. 52: «In conclusion it may reasonably be suggested that the perceptibly official status of inscribed stelai of public decrees implies that all must have been inscribed (…).» Ebenso wenig zu überzeugen vermag die Vermutung über das Verhältnis von Inschrift und Archivdokument. Ebd. 48. 117 Vor diesem Hintergrund ist für die von den Städten auf eigene Kosten aufgezeichneten Beschlüsse stets nach den spezifischen Hintergründen und Umständen der Aufstellung zu fragen. Robert 1970, 16 f. Vgl. Chaniotis 2014, 134. 118 Die Verabschiedung von Ehrendekreten war kein alleiniges Privileg der Städte. Auch untergeordnete Verwaltungseinheiten wie Demen oder Phylen sowie Städtebünde und sogar religiöse oder profane Vereinigungen konnten entsprechende Beschlüsse fassen und aufstellen lassen. S. auch u. S. 485. 119 Wilhelm 1909, 279. Robert 1970, 16 f. Vgl. auch McLean 2002, 228. Flaig 2013, 310. Zu Ehrendekreten s. allgemein auch Klaffenbach 21966, 77–85. McLean 2002, 229–232. Eine umfangreiche Zusammenstellung des damals bekannten Quellenmaterials bietet bereits Larfeld 1902, 737–817. Vgl. auch Larfeld 31914, 355–420. 120 Rhodes/Lewis 1997, 3. 525. Die Gründe für die Errichtung von entsprechenden Monumenten werden sich zudem in der Regel nicht in der zusätzlichen Ehre für die ausgezeichneten Personen erschöpft haben – auch wenn die persönliche Anerkennung stets eine wichtige Rolle gespielt haben mag. S. ausführlich u. S. 43–45. 121 Zu den Ehrendekreten der klassischen Zeit s. zusammenfassend Rosen 1987, 277–282. 122 Rosen 1987, 282–292. Errington 2005, 20–23. Luraghi 2010, 252–254. Larfeld unterscheidet in diesem Zusammenhang generalisierend zwischen den jüngeren Ehrendekreten und den älteren Beschlüssen. Larfeld 31914, 355–357. Vgl. Quaß 1993, 26. Die jüngeren Beschlüsse zeichnen sich dabei etwa durch einen mit ἐπειδή eingeleiteten Motivbericht und eine Hortativformel aus.

ψήφισμα, δόγμα, γνώμη

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den in den Volksversammlungen gehaltenen Reden entsprochen zu haben. Insbesondere die Ehrendekrete für eigene Bürger enthielten lange Motivberichte. Die Ehrendekrete für auswärtige Personen scheinen demgegenüber in vielen Fällen eine knappe Form gewahrt zu haben, konnten gelegentlich allerdings ebenfalls ausführliche Erzählungen enthalten.123 Zum Ende des Hellenismus publizierten einzelne Städte neben den Ehrendekreten zunehmend postume Trostbeschlüsse, die sich an die Angehörigen von prominenten Verstorbenen richteten und zugleich deren Leistungen rekapitulierten.124 Neben den ausführlichen Ehrendekreten ließen die Städte – in der Regel auf Statuenbasen – auch knappe Ehreninschriften aufzeichnen.125 Ab dem Beginn der römischen Kaiserzeit ersetzten die kurzen Ehreninschriften sogar zunehmend die langen Beschlüsse. Ehreninschriften gingen fast immer auf ein Ehrendekret zurück. Die Städte müssen demnach auch in der Kaiserzeit entsprechende Beschlüsse verabschiedet haben.126 Zumeist verzichteten die Verantwortlichen jedoch auf eine dauerhafte Publikation. Die Ehreninschriften beschränkten sich auf eine verkürzte Wiedergabe der Beschlüsse und enthielten neben der Nennung der ausgezeichneten Personen sowie der ehrenden Instanzen insbesondere Angaben zu den verliehenen Privilegien.127 Die Angaben zu den erbrachten Leistungen beschränkten sich – sofern überhaupt vorhanden – auf knappe Zusammenfassungen und waren der Aufzählung der Privilegien in der Regel nachgeordnet.128 In der Gewichtung hatten die Tatenberichte also an Bedeutung verloren. Die Ehreninschriften waren – ähnlich den von Beginn an für eine dauerhafte Publikation bestimmten Ehrendekreten – in den meisten Fällen sehr überlegt gestaltet und von Anfang an im Hinblick auf eine dauerhafte Aufstellung konzipiert. Inhalt und Aussageintention waren demnach das Ergebnis eines Redaktionsprozesses und vermittelten die von den Stiftern intendierten Inhalte. Die Anbringung der Ehreninschriften erfolgte üblicherweise auf Statuenbasen.129 Daneben konnten solche Inschriften aber auch auf Stelen oder auf Säulen sowie an Gebäuden aufgezeichnet werden.

123 124 125 126 127

128 129

S. etwa IOSPE I2 352. IG XII 5, 860. IG XII 6, 1, 42. Zum Beschluss aus Samos s. auch Rosen 1987, 285. Vgl. McLean 2002, 232 f. Biard 2017, 123 f. Zu den Trostbeschlüssen aus Amorgos s. auch Stavrianopoulou 2006, 302–317. Für Beispiele s. etwa Quaß 1993, 30 Anm. 70. In Einzelfällen verwiesen die Ehreninschriften auf die – vermutlich im Archiv aufbewahrten – Ehrendekrete. S. etwa I. Stratonikeia 293, 31: περὶ πάντων ἐστὶν ψηφίσματα. McLean 2002, 236–239. Vgl. auch Klaffenbach 21966, 65–67. Zur Unterscheidung von Ehrendekret und Ehreninschrift s. auch Quaß 1993, 30. Ma 2013, 46. S. auch u. S. 381. 402 f. S. etwa die Ehreninschrift für Iollas aus Sardis. I. Sardis 7, 27. Vgl. u. S. 402 f. McLean 2002, 236. Zu Inschriften auf Statuenbasen s. auch Biard 2017, 23 f.

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Ehrendekrete und Euergetismus – Eine Einführung

Die althistorische Forschung diskutierte das gerade für die hellenistische Zeit typische Phänomen der Ehrendekrete bislang lediglich im Rahmen von übergeordneten Fragestellungen.130 Neben der Auswertung im Hinblick auf die Fragen nach Euergetismus oder Demokratie dienten die ausführlichen Beschlüsse in vielen Fällen als Quellen für die Lokalgeschichte der jeweiligen Städte. Einzelne Inschriften oder bestimmte Befundkomplexe waren dementsprechend immer wieder Gegenstand von intensiven Diskussionen. Als Gesamtphänomen erfuhren die Beschlüsse jedoch keine eigenständige Betrachtung.131 Lediglich einzelne Aufsätze widmeten sich Teilaspekten der hellenistischen Ehrendekrete. M. Wörrle und H.-J. Gehrke untersuchten die sprachliche Gestaltung der Ehrendekrete sowie das Bürgerbild und die in den Erzählungen zum Vorschein kommenden Idealvorstellungen der Städte. M. Wörrle konnte aus der aufwendigen und in vielen Fällen ähnlichen Rhetorik der Beschlüsse das in den Inschriften transportierte Bild eines idealen Polisbürgers herausarbeiten.132 Im Alltagsgeschäft der Städte fand das Ideal des selbstlosen und tugendhaften Bürgers im unermüdlichen Dienst an der Heimatstadt vermutlich jedoch keine Entsprechung.133 Mit einem ähnlichen Ansatz versuchte sich H.-J. Gehrke der Frage nach bürgerlichem Selbstverständnis und Polisidentität im Hellenismus zu nähern.134 Grundmotivationen für das öffentliche Engagement von herausragenden Bürgern waren der Patriotismus und die Identifikation mit der eigenen Polis.135 Die entsprechenden Motive traten gleichberechtigt neben die anderen Anreize der Ehrungen in Form von Prestigegewinn und Aufwertung des persönlichen Status.136 Durch Auszeichnungen konnte der Einzelne soziales Kapital und politisches Gewicht ansammeln. Eine Reduktion der «Antriebskraft für die außerordentlichen Leistungen» auf das «Streben nach individueller Maximierung des öffentlichen Ansehens» wird den Realitäten der Polis – insbesondere in Hinblick auf die in den Ehrendekreten propagierten Idealvorstellungen – vermutlich jedoch nicht gerecht.137 Gerade die Aufstellung der Stelen diente – im Gegensatz zu den anderen Ehrungen – in der Regel nicht ausschließlich der Ehre und dem Ruhm der herausragenden Bürger. Zum Teil konnten

130 131 132 133 134 135 136 137

S. o. S. 30–33. Eine entsprechende Synthese gilt dementsprechend bereits seit einigen Jahren als Desiderat der Forschung. S. etwa Wörrle 1995, 241 f. Migeotte 1997, 196. Wörrle 1995. Ebd. 250. Gehrke 2003. Ebd. 250. Zu Bedeutung und Funktion der Ehrungen s. ebd. 244. Scholz 2008, 87. Bielfeldt 2012, 93–95. So jedoch Scholz 2008, 87. Gehrke (2003, 244) und Bielfeldt (2012, 93–95) verkennen ebenfalls zu einem Teil den Unterschied zwischen den Ehrungen und der dauerhaften Publikation der Ehrendekrete.

ψήφισμα, δόγμα, γνώμη

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auch Auszeichnungen wie die Ehrenstatuen neben der persönlichen Anerkennung des Individuums der Vermittlung von Bürgeridealen dienen.138 K. Rosen und R. M. Errington betrachteten die von den Städten verabschiedeten Ehrendekrete im Kontext der zeitgleichen Entwicklungen von Rhetorik und Biographie.139 Ein Schwerpunkt der beiden Untersuchungen lag auf den Beschlüssen aus dem frühen Hellenismus sowie der ab dem späten 4. Jhdt. v. Chr. zu beobachtenden Erweiterung der Motivberichte. Ausgehend von dem Konzept der «intentionalen Geschichte» («intentional history») näherte sich N. Luraghi in einem 2010 erschienenen Aufsatz allgemein der Frage nach der Konstruktion von Zukunft und Vergangenheit in hellenistischen Ehrendekreten.140 Im Zentrum der Untersuchung standen insbesondere die Ehrendekrete aus dem frühhellenistischen Athen. Nach Meinung von N. Luraghi versuchte die Stadt durch den stetigen Zuwachs an historischen Hintergrundinformationen in den Motivberichten eine eigene Version der historischen Ereignisse zu veröffentlichen und festzuschreiben.141 Die ausführlichen Erzählungen der Ehrendekrete waren für die hellenistischen Städte jedoch nicht die einzigen Medien zur Verbreitung von Darstellungen über die eigene Vergangenheit. Neben den Beschlüssen ließen die Städte auch Geschichtswerke wie Stadtchroniken oder Lokalgeschichten als Inschriften aufzeichnen und im öffentlichen Raum der Polis aufstellen.142 Daneben gerieten in jüngster Zeit – etwa in mehreren Publikationen von A. Chaniotis – auch die rhetorischen Qualitäten und die literarische Gestaltung der Ehrendekrete in den Blick.143 Beachtung fanden in den skizzierten Forschungsdiskussionen insbesondere die Beschlüsse mit umfangreichen Motivberichten und dementsprechend vornehmlich die ausführlichen Ehrendekrete für eigene Bürger. Eine ungefähre Unterscheidung erfolgte zumeist nach dem Umfang der Beschlüsse. Die moderne Forschung prägte für die Ehrendekrete der hellenistischen Zeit mit ausführlichen Motivberichten die Begriffe «Lange Ehrendekrete» und «Große Ehrendekrete». Eine genaue Definition der unpräzisen Begriffe erfolgte jedoch ebenso wenig wie eine klare Abgrenzung

138 139 140

141 142

143

Ma 2013, 62 f. 291–293. Zu Ehrenstatuen als Idealbildnissen s. Zanker 1995. Zu hellenistischen Ehrenstatuen s. zuletzt auch Mathys 2014, 4–11. Ausführlich Biard 2017. Rosen 1987. Errington 2005. Luraghi 2010. Zum Konzept der «intentionalen Geschichte» sowie zur Konstruktion von Vergangenheit s. allgemein auch Gehrke 1994. Gehrke 2003, 237–240. Vgl. Chaniotis 2014, 134. Luraghi 2010, 258–260. Zu Geschichtswerken in Inschriften s. ausführlich Chaniotis 1988. In den jeweiligen Intentionen standen Ehrendekrete mit historischen Erzählungen den Geschichtswerken nahe. Zu den Gründen für die Aufstellung der Geschichtswerke s. ebd. 4. 112–123. S. etwa Chaniotis 2013a. Chaniotis 2013b. Chaniotis 2014. Für einen ausführlichen Überblick über die bisherigen Forschungen s. u. S. 408 f.

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Ehrendekrete und Euergetismus – Eine Einführung

gegenüber anderen Beschlüssen.144 B. H. McLean und G. Klaffenbach verzichteten in den jeweiligen Einführungswerken zur griechischen Epigraphik auf eine systematische Unterscheidung zwischen verschiedenen Arten von Ehrendekreten und strichen einzig die Proxeniedekrete als besondere Untergruppe von Ehrendekreten heraus.145 Auch W. Larfeld traf lediglich eine generalisierende Unterscheidung zwischen den älteren Ehrendekreten als vornehmlichem Phänomen der klassischen Zeit sowie den jüngeren Beschlüssen.146 Eine strikte Trennung nach den jeweiligen Empfängerkreisen erfolgte in der Regel jedoch nicht. In den meisten Fällen war eine entsprechende Unterscheidung lediglich ein unbeabsichtigtes Nebenergebnis der jeweiligen Schwerpunktsetzungen. Ehrendekrete für eigene Bürger und Beschlüsse für fremde Personen wurden in der Regel als gemeinsames Phänomen diskutiert.147 1.3.3 Fremde Personen und Polisbürger – Grundlegende Unterschiede in den Ehrendekreten Einen grundsätzlichen Unterschied innerhalb der Gruppe der Ehrendekrete scheint die Herkunft der ausgezeichneten Personen ausgemacht zu haben. M. Domingo Gygax konnte in mehreren Aufsätzen im Hinblick auf das Verhältnis zur ehrenden Körperschaft den grundlegenden Unterschied zwischen fremden Personen und Bürgern herausarbeiten.148 Fremde Personen, zu denen auch hellenistische Könige und deren Funktionäre sowie römische Magistrate gehörten, blieben trotz Privilegien wie Proxenie oder Bürgerrecht zunächst außerhalb der ehrenden Gemeinschaft.149 Aus 144

145 146 147 148

149

Quaß (1993) verwendet in der Regel die Bezeichnung «Lange Ehrendekrete». Einzelne Beschlüsse werden jedoch auch als «Große Ehrendekrete» bezeichnet. Ebd. 93 Anm. 64. Die Begriffe sind ein modernes Konstrukt und finden keine Entsprechung im antiken Sprachgebrauch. Die vorliegende Arbeit verzichtet deshalb auf den Gebrauch und unterscheidet lediglich nach inhaltlichen Kriterien zwischen verschiedenen Kategorien an Ehrendekreten für eigenen Bürger. S. ausführlich u. S. 418–421. Auch die Kategorie der «megistai timai » ist ein modernes Konstrukt und wird in der Arbeit keine Verwendung finden. Zu den «megistai timai » s. Gauthier 1985, 92–103. Zur Problematik des Begriffs s. ausführlich u. S. 91–95. Klaffenbach 21966, 77–86. McLean 2002, 183 f. Zu dem Proxeniedekreten s. auch ebd. 233–236. Larfeld 31914, 355–357. S. etwa die Auswahl der Ehrendekrete bei Rosen 1987. S. o. S. 23–25. Zu den Ehrendekreten für fremde Personen sowie insbesondere zu den Proxeniedekreten s. allgemein Gauthier 1985, 129–176. Zur Institution der Proxenie s. ausführlich Mack 2015. Die römischen Magistrate traten – insbesondere im Hinblick auf Machtstellung und finanzielle Möglichkeiten – in die Nachfolge der hellenistischen Könige. Zum Verhältnis der römischen Feldherrn und Statthalter zu den griechischen Städten s. Ferriès/­Delrieux 2011. Bloy 2012. Daneben konnten im späten Hellenismus auch einzelne Bürger die Rolle der Könige übernehmen. S. auch u. S. 210 Anm. 100. 289 Anm. 81.

ψήφισμα, δόγμα, γνώμη

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der Distanz entstand ein reziprokes Wechselverhältnis zwischen gleichberechtigten Partnern. Die Mechanismen folgten weitgehend den Prinzipien des Gabentausches. Wohltat und Ehrung waren gleichsam ein Austausch von Gabe und Gegengabe. Fremde Personen waren in der Regel nicht zu Leistungen für eine Polis verpflichtet und mussten erst durch die Aussicht auf Ehrungen zu einem entsprechenden Einsatz angespornt werden.150 Die dauerhafte Aufstellung der Ehrendekrete scheint in diesem Zusammenhang ein Teil der Kommunikation zwischen den beiden Partnern gewesen zu sein. In vielen Städten erfuhren demnach gerade die formelhaften Proxeniedekrete eine regelmäßige Aufzeichnung.151 Die dauerhafte Manifestation der Beschlüsse wird den fremden Wohltätern als zusätzliche Garantie für die erhaltenen Privilegien gedient haben. Bei vorweggenommenen Ehrungen mag die Publikation der Ehrendekrete eine nachdrückliche Aufforderung an die ausgezeichneten Personen gewesen sein und zugleich eine moralische Verpflichtung zu künftigem Engagement bedeutet haben. Bei der Auszeichnung von eigenen Bürgern durch eine Stadt waren die Bedingun­ gen eines reziproken Austausches nach den Regeln des Gabentausches lange Zeit vermutlich nicht gegeben. Den Kern der hellenistischen Polis bildete zumindest in der Theorie die Gemeinschaft aus freien und gleichen Vollbürgern. Im Gegensatz zu fremden Personen waren eigene Bürger durch die Übernahme von öffentlichen Funktionen oder durch die Heranziehung zu Liturgieleistungen zu einem Engagement für die Stadt verpflichtet und mussten nicht erst durch die Aussicht auf Ehrungen für bestimmte Tätigkeiten gewonnen werden. Die Verpflichtung zu künftigen Leistungen sowie die zusätzliche Garantie der Privilegien werden demnach bei der Entscheidung zur dauerhaften Publikation der Ehrendekrete für eigene Bürger lediglich eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Trotz der besonderen Auszeichnungen blieben verdiente Bürger zudem stets Teil der ehrenden Bürgergemeinschaft. Die erbrachten Leistungen konnten dementsprechend – wie die Siege bei athletischen Wettkämpfen – zu einem Teil als Erfolge der Polis aufgefasst werden. In der Folge verschwammen die Grenzen zwischen den ausgezeichneten Personen und den ehrenden Instanzen. Die Ehrendekrete bedeuteten damit gleichsam auch eine Ehre für die jeweilige Polis. Der reziproke Austausch von gleichberechtigten Partnern im Sinne des Gabentausches wird in den entsprechenden Konstellationen nicht stattgefunden haben. Die Leistungen der eigenen Bürger für die jeweilige Polis bewegten sich während des Hellenismus in vielen Fällen zudem nicht in den typischen Kate-

150 151

Dementsprechend finden sich etwa in Athen Hortativformeln lange Zeit vornehmlich in Ehrendekreten für fremde Wohltäter. Miller 2016, 391–393. Zur weiten Verbreitung der Proxeniedekrete s. Klaffenbach 21966, 80. Vgl. am Beispiel der Polis Athen auch Miller 2016, 393. Etwa die Hälfte der aus Athen erhaltenen Ehrendekrete mit Hortativformeln richtet sich an fremde Wohltäter.

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Ehrendekrete und Euergetismus – Eine Einführung

gorien des Euergetismus.152 Im Gegensatz zu fremden Wohltätern scheinen die meisten Städte verdiente Personen aus den eigenen Reihen dementsprechend auch erst im Verlauf des Hellenismus allmählich mit dem Titel εὐεργέτης bedacht zu haben.153 Als Kommunikationsmittel im reziproken Austausch zwischen Bürger und Polis konnten die Ehrendekrete – zumal entsprechende Konstellationen kaum gegeben waren – im Gegensatz zu den Beschlüssen für fremde Personen in der Summe nicht dienen. In den meisten Fällen müssen demnach andere Gründe die Städte zur dauerhaften Publikation der Beschlüsse mit den oftmals langen Motivberichten veranlasst haben – eine in der althistorischen Forschung bislang noch nicht gestellte Frage.154 Die communis opinio betrachtete die dauerhafte Publikation von Ehrendekreten für verdiente Personen stattdessen allgemein als typische Erscheinung in den hellenistischen Städten und ging von der weitläufigen Verbreitung des Phänomens in Hellenismus und Kaiserzeit aus.155 In der Regel unterließ die Forschung eine systematische Trennung zwischen eigenen Bürgern und fremden Personen. Eine Unterscheidung erfolgte in der Regel lediglich aus praktischen Gründen durch die Konzentration auf Beschlüsse mit langen Motivberichten – ein vornehmlich bei Ehrendekreten für eigene Bürger anzutreffendes Phänomen.156 Dementsprechend fanden vereinzelt auch ausführliche Beschlüsse für fremde Personen Eingang in die Diskussionen. Die Auszeichnung von fremden Personen und die Ehrung von eigenen Bürgern waren im Hinblick auf die Gründe für die dauerhafte Publikation der Beschlüsse jedoch zwei unterschiedliche Phänomene. Ebenso verzichteten bisherige Untersuchungen auf die Trennung zwischen den verschiedenen Formen der Auszeichnung. Kleine Ehrungen wie Kränze und Ehrensitze oder das Privileg der Proxenie mögen die Städte gleichsam in häufigen Routineverfahren verliehen haben. Insbesondere die Verleihung der

152

Zu den typischen Formen des Euergetismus s. Veyne 1976, 20–29. Vgl. etwa auch Reitzen­ stein 2011, 93: «(…) ein privates, kostspieliges Engagement der Eliten zu Gunsten der Allgemeinheit.» Die vorliegende Arbeit verzichtet dementsprechend im Kontext von eigenen Bürgern weitgehend auf die Bezeichnungen «Wohltäter» und «Euerget». Stattdessen werden die entsprechenden Personen in der Regel in deskriptivem Sprachgebrauch als «herausragende Bürger» oder als «ausgezeichnete Personen» angesprochen. 153 Cramme 2001, 15 f. Kah 2015, 387. Beispiele für die Verleihung des Titels εὐεργέτης an eigene Bürger bietet etwa die Polis Histria an der Schwarzmeerküste. S. insbesondere u. S. 328 Anm. 2. 154 Allein der persönlichen Ehre der herausragenden Bürger diente die Aufstellung von Ehrendekreten in der Regel bis in den späten Hellenismus vermutlich nicht. In Umfang und Ausführlichkeit der Beschlüsse konnten selbst in einzelnen Städten erhebliche Unterschiede bestehen. Eine Verhältnismäßigkeit zu den erbrachten Leistungen musste dabei jedoch nicht immer gegeben sein. Gerade im Späthellenismus konnten auch kleine Verdienste durch eine ausführliche Würdigung vergolten werden. Zur Zunahme an Ehrungen im späten Hellenismus s. ausführlich u. S. 383. 402. 155 Stellvertretend s. etwa Quaß 1993, 28. Vgl. Errington 2005, 27. Scholz 2008, 87–90. 156 S. auch o. S. 42.

Die chronologische Verteilung der Ehrendekrete

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Proxenie war in vielen Städten eine vielgeübte Praxis und wird zur regelmäßigen Publikation von Ehrendekreten geführt haben.157 Die dauerhafte Aufzeichnung von Ehrendekreten für eigene Bürger scheint in den hellenistischen Städten entgegen der bisherigen Forschungsmeinung insgesamt jedoch eine Ausnahme geblieben zu sein. Die hellenistischen Städte werden zur Verleihung von Privilegien – etwa nach der erfolgreichen Bekleidung von öffentlichen Polisfunktionen wie Gymnasiarchie oder Strategie – zahlreiche Ehrendekrete für eigene Bürger verabschiedet haben. Eine dauerhafte Aufzeichnung erfuhren die entsprechenden Beschlüsse in den meisten Fällen jedoch nicht. Auch die Aufstellung von Statuen war im Frühhellenismus eine seltene Praxis.158 Eine ausführliche Analyse der epigraphischen Zeugnisse soll die allgemeinen Überlegungen im Folgenden untermauern. Zunächst wird die postulierte Ausnahmestellung der Ehrendekrete jedoch an einem allgemeinen Überblick zur chronologischen Verteilung der Beschlüsse zu überprüfen sein.

1.4 Die chronologische Verteilung der Ehrendekrete Die dauerhafte Publikation von Ehrendekreten für eigene Bürger beschränkte sich in den griechischen Städten weitgehend auf die hellenistische Zeit.159 Im Leben der meisten Personen scheint die Aufzeichnung eines eigenen Ehrendekrets ein einmaliges Ereignis geblieben zu sein.160 Die ersten Städte begannen in den letzten Jahrzehnten des 4. Jhdts. v. Chr. mit der Aufzeichnung von entsprechenden Beschlüssen.161 Das Aufkommen der Praxis scheint ein gesamtgriechisches Phänomen gewesen zu sein. So begannen die Städte Athen, Priene, Erythrai, Iasos und Olbia vermutlich etwa zur 157 158 159 160

161

Zum Phänomen der Proxenie s. allgemein Marek 1984. Mack 2015. Zu den Veränderungen bei der Aufstellung von Ehrenstatuen im Hellenismus s. Ma 2013, 293–297. Für eine ausführliche Überblicksdarstellung zum epigraphischen Befund s. u. S. 485–529. Lediglich in seltenen Fällen publizierten die Städte für einzelne Personen über einen längeren Zeitraum mehrere Ehrendekrete. Zum Teil konnten die jeweiligen Beschlüsse auch zu Gesamtmonumenten zusammengestellt werden. Die entsprechenden Praktiken begegnen vornehmlich im Späthellenismus. Zum Aufkommen von Ensembledenkmälern s. auch u. S. 381 f. Zu möglichen Gründen für das Aufkommen der Beschlüsse s. Chaniotis 2014, 138. Vgl. Rosen 1987, 288. Errington 2005, 20–22. Luraghi 2010, 258. Der Schlüssel zur Beantwortung der Frage nach der auffälligen Veränderung der epigraphischen Praxis im gesamten griechischen Raum mit dem Beginn des Hellenismus liegt in der politischen Geschichte der einzelnen Städte. Die Ursachen für die Entscheidung der Städte zur dauerhaften Publikation von Ehrendekreten sind vornehmlich in den allgemeinen Entwicklungen der Inschriftenkultur sowie in einzelnen Ereignissen und nicht in grundlegenden Veränderungen in Gesellschaft und Politik zu suchen.

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Ehrendekrete und Euergetismus – Eine Einführung

gleichen Zeit mit der vereinzelten Publikation von Ehrendekreten für eigene Bürger.162 Lediglich bei der allgemeinen Entwicklung der öffentlichen Ehrenpraktiken im 5. Jhdt. v. Chr. mag die Polis Athen noch eine Vorreiterrolle eingenommen haben.163 Bis zum Ende des 3. Jhdts. v. Chr. beschränkte sich die dauerhafte Aufstellung von Ehrendekreten – wenn auch mit deutlichen Unterschieden und regionalen Schwerpunkten – noch weitgehend auf das griechische Kernland. In Athen ließen seit dem späten 4. Jhdt. v. Chr. insbesondere die demokratischen Kreise zahlreiche Beschlüsse zu Ehren von eigenen Bürgern aufstellen. Mit dem Beginn des 2. Jhdts. v. Chr. verzichtete die Polis offensichtlich auf die Errichtung von entsprechenden Monumenten. Auch einige Städte im ionischen Kleinasien wie Priene, Erythrai, Iasos und Halikarnassos ließen vom späten 4. Jhdt. v. Chr. bis in die ersten Jahrzehnte des 3. Jhdts. v. Chr. Ehrendekrete für eigene Bürger aufstellen. Insbesondere die Städte Priene und Erythrai publizierten im Zusammenhang mit außergewöhnlichen Ereignissen zahlreiche Beschlüsse. In Iasos und Halikarnassos scheinen die entsprechenden Monumente Einzelfälle geblieben zu sein. Ab der Mitte des 3. Jhdts. v. Chr. verzichteten die Städte weitgehend auf die Publikation von Ehrendekreten. Erst im Späthellenismus ließen Iasos und insbesondere Priene die überkommenen Praktiken erneut aufleben. Andere Städte aus dem kleinasiatischen Küstenraum wie Bargylia, Ephesos, Kolophon, Kyme, Magnesia am Mäander, Metropolis und Milet begannen vermutlich erst im 2. Jhdt. v. Chr. mit der Aufstellung von Ehrendekreten. In den meisten Fällen blieben die entsprechenden Monumente Einzelerscheinungen. Selbst bedeutende Städte wie Ephesos und Milet scheinen während des gesamten Hellenismus weitgehend auf die Aufzeichnung von Beschlüssen zu Ehren von eigenen Bürgern verzichtet zu haben.164 Die Polis Pergamon bildete als Residenzstadt der attalidischen Monarchen einen Sonderfall.165

162

Der Polis Athen wird in der Forschung eine Vorreiterrolle bei der Entwicklung der neuen Beschlussgattung zugeschrieben. S. etwa Quaß 1993, 28. Vgl. auch Kralli 1999/2000, 135. Allgemein Dreyer 2010, 357. 364. Zu den engen Verbindungen zwischen Athen und Priene s. Paganoni 2013. Obwohl die Entwicklungen in der Stadt – wie auch in anderen Bereichen von Politik und Gesellschaft – einen gewissen Einfluss auf die Ehrenpraxis in anderen griechischen Städten ausgeübt haben werden, darf vermutlich dennoch nicht von starren und schematischen Entwicklungen ausgegangen werden. So sind zum Ende des 4. Jhdts. v. Chr. auch in anderen Städten – teilweise vermutlich noch vor dem ersten Ehrendekret aus Athen – ausführliche Ehrendekrete für eigene Bürger bezeugt. S. etwa I. Erythrai 21. I. Priene 4 = I. Priene2 19+20. Vgl. Rosen 1987, 284 f. Errington 2005, 21. 163 Zur Ehrenpraxis bei Bürgern im klassischen Athen s. Gauthier 1985, 92–103. 112–128. S. auch u. S. 51 f. 164 Ein Zufall der Überlieferung ist in den Städten Ephesos und Milet – insbesondere im Hinblick auf die umfangreiche Erforschung der archäologischen Stätten und die große Zahl an dokumentierten Inschriften – vermutlich auszuschließen. 165 S. zusammenfassend u. S. 243–245.

Die chronologische Verteilung der Ehrendekrete

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Zahlreiche Inseln im Ägäisraum wie Amorgos, Kalymna, Kos, Lesbos, Pordoselene/Nasos und Samos begannen die dauerhafte Publikation von Ehrendekreten für eigene Bürger im 3. Jhdt. v. Chr. Zunächst beschränkte sich das Phänomen weitgehend auf Inseln in der Nähe der kleinasiatischen Küste, verbreitete sich im Verlauf des Hellenismus jedoch im gesamten Ägäisraum – so etwa auf Ägina, Andros, Astypalaia, Euböa, Keos, Paros, Syros, Thasos oder Thera. Im Einflussbereich der Insel Rhodos scheinen lediglich untergeordnete Teilgemeinden der Polis Ehrendekrete publiziert zu haben. Auf vielen Inseln wie Ägina, Astypalaia, Kalymna, Keos, Paros, Pordoselene/Nasos, Syros oder Thera blieben die jeweiligen Monumente weitgehend Einzelfälle. Zahlreiche Beschlüsse zu verschiedenen Gelegenheiten veröffentlichten hingegen insbesondere die Städte oder Teilgemeinden auf Amorgos, Kos und Samos. Zu einem Standardvorgang scheint sich die Aufstellung von entsprechenden Monumenten dennoch auch auf diesen drei Inseln nicht entwickelt zu haben. Die griechischen Städte an der Schwarzmeerküste, die bereits in der archaischen Zeit im Zuge der «Großen Kolonisation» gegründet worden waren, begannen ebenfalls zunehmend ab dem 3. Jhdt. v. Chr. mit der Publikation von Ehrendekreten für eigene Bürger. Insbesondere in den Jahrzehnten um 250 v. Chr. ließen die Städte Chersonesos, Histria und Olbia zahlreiche Beschlüsse veröffentlichen. In der Folge scheint die Praxis bis zum späten Hellenismus weitgehend ausgesetzt zu haben. Erst um die Mitte des 1. Jhdts. v. Chr. publizierten die drei Städte – sowie erstmals auch die Polis Dionysopolis – erneut Ehrendekrete für eigene Bürger. Die Polis Olbia ließ in der Folge noch bis ins 3. Jhdt. n. Chr. zahlreiche Trostbeschlüsse auf Stelen veröffentlichen. Im Gegensatz zu den anderen Kernregionen der griechischen Kultur begannen die Städte auf dem Festland mit Ausnahme der Polis Athen erst ab dem 2. Jhdt. v. Chr. mit der vereinzelten Publikation von Ehrendekreten für herausragende Bürger. In Städten wie Argos, Epidauros, Messene oder Pagai scheinen die jeweiligen Monumente zudem erneut Einzelerscheinungen geblieben zu sein. Lediglich die Polis Akraiphia ließ vom 2. Jhdt. v. Chr. bis in die frühe Kaiserzeit mehrere Beschlüsse für eigene Bürger aufstellen. In der Region um Antigoneia/Mantineia und Megalopolis erfolgte die dauerhafte Publikation von Ehrendekreten im 1. Jhdt. v. Chr. nahezu ausschließlich im Kontext des Engagements von herausragenden Bürgerinnen. Außerhalb der griechischen Kerngebiete konnte sich die Praxis der dauerhaften Aufstellung von Ehrendekreten parallel zu allgemeinen Entwicklungen in der Inschriftenkultur erst mit dem Beginn des 2. Jhdts. v. Chr. durchsetzen.166 In den jeweiligen Regionen – so etwa in Kappadokien, Karien, Lykien, Mysien, Pamphylien, Phrygien oder Pisidien – hatte sich die griechische Kultur in der Regel erst im Zuge der Eroberungen Alexanders des Großen ausgebreitet und Städte nach dem Vorbild der griechischen Polis entstehen lassen. Mit der allmählichen Hellenisierung der Städte

166

Zur Verbreitung der Ehrendekrete im späten Hellenismus s. Errington 2005, 27.

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Ehrendekrete und Euergetismus – Eine Einführung

erfolgte vermutlich auch die Übernahme von griechischen Praktiken wie der dauerhaften Publikation von Ehrendekreten.167 Insbesondere im späthellenistischen Kleinasien ließen zahlreiche Städte einzelne Beschlüsse zu Ehren von verdienten Personen aufstellen.168 Im 1. Jhdt. strahlten die entsprechenden Praktiken sogar bis an die Ränder der hellenistischen Welt aus und veranlassten in den ägyptischen Städten Arsinoe und Theben die Publikation von Ehrendekreten nach dem Vorbild der griechischen Beschlüsse. Diese Monumente blieben jedoch Einzelfälle ohne dauerhafte Wirkung. Zum Ende des Hellenismus scheinen die griechischen Städte allmählich von der Aufstellung von Ehrendekreten für eigene Bürger abgesehen zu haben. Spätestens mit dem Beginn der Kaiserzeit verzichteten die meisten Städte ganz auf entsprechende Praktiken.169 Ehrungen für herausragende Personen wie Kränze und Statuen waren unter der römischen Herrschaft allerdings weiterhin verbreitet. Die Städte müssen demnach auch in der Kaiserzeit Ehrendekrete verabschiedet haben.170 Die dauerhafte Aufzeichnung der Beschlüsse scheint jedoch nicht mehr üblich gewesen zu sein.171 In vielen Städten ersetzten stattdessen kurze Ehreninschriften die ausführlichen Ehrendekrete. Die Ehreninschriften gaben – ähnlich den römischen Kursusinschriften – knappe Abrisse der ausgeübten Funktionen sowie der erbrachten Leistungen und konzentrierten sich daneben insbesondere auf die verliehenen Ehrungen.172 Einzelne Städte wie Olbia und Aphrodisias oder die milesische Bürgergemeinde auf der Insel Amorgos publizierten daneben zum Teil noch bis ins 3. Jhdt. n. Chr. Beschlüsse für verdiente Personen. Als postume Trostdekrete bildeten die Beschlüsse jedoch eine eigene Kategorie an Inschriften und wahrten zumeist lediglich im Ansatz die formalen Kriterien eines Volksbeschlusses. Inhalt und Gestaltung glichen sich in vielen Fällen zunehmend den in der Kaiserzeit üblichen Ehreninschriften an.173 In Anbetracht des epigraphischen Befundes scheinen die griechischen Städte im Verlauf des Hellenismus in der Regel nur wenige Beschlüsse für eigene Bürger 167

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171 172 173

Möglicherweise ist die Übernahme der Praxis der Aufstellung von Ehrendekreten für eigene Bürger dementsprechend auch als ein Indikator für die Hellenisierung eines Gemeinwesens anzusehen. In den meisten Städten wie Alabanda, Anisa/Hanisa, Apollonia, Araxa, Bargasa, Gordos, Kyzikos, Mylasa, Perge, Sardis, Silandos, Synnada, Termessos oder Themisonion blieben die entsprechenden Beschlüsse vermutlich Einzelerscheinungen. Zu den Veränderungen durch die Ausbreitung der römischen Macht s. etwa Errington 2005, 27. Hamon 2007, 87–91. S. ausführlich u. S. 399–402. In Einzelfällen verwiesen die Ehreninschriften auf die – vermutlich im Archiv aufbewahrten – Ehrendekrete. S. etwa I. Stratonikeia 293, 31: περὶ πάντων ἐστὶν ψηφίσματα. S. auch o. S. 36–39. Eine große Verbreitung zeigen die Ehrendekrete in der Kaiserzeit nicht. So jedoch Quaß 1993, 29. Zu den Unterschieden zwischen griechischen Ehreninschriften und lateinischen Kursusinschriften s. etwa Eck 1984, 201. S. auch o. S. 39.

Die chronologische Verteilung der Ehrendekrete

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publiziert zu haben. Zumindest die Errichtung von entsprechenden Monumenten muss eine seltene Erscheinung geblieben sein und wird sich zu keinem Zeitpunkt zu einem Routinevorgang entwickelt haben.174 Eine Polis mag zu bestimmten Anlässen – etwa nach der erfolgreichen Ausübung von öffentlichen Funktionen – regelmäßig Ehrungen für eigene Bürger verabschiedet haben.175 Die dauerhafte Aufzeichnung der entsprechenden Beschlüsse war in der Regel jedoch nicht vorgesehen und muss demzufolge stets eine bewusste Entscheidung gewesen zu sein. Auch eine Zufallsverteilung der Ehrendekrete zeigt der epigraphische Befund nicht. Stattdessen zeichnen sich während des gesamten Hellenismus – insbesondere in Städten mit einem reichen Inschriftenbefund wie Athen, Kos, Pergamon oder Priene – verschiedene Schwerpunkte in der chronologischen Verteilung der Beschlüsse ab. Eine weite Verbreitung von Ehrendekreten während des gesamten Hellenismus ohne zeitliche Schwerpunkte und lokale Differenzierung ist – entgegen der bisherigen Forschungsmeinung – nicht zu erkennen.176 Auf die öffentliche Anerkennung von Personen sowie auf die Aufstellung von entsprechenden Ehrendekreten scheinen daneben auch äußere Faktoren entscheidenden Einfluss genommen zu haben. Die publizierten Beschlüsse konzentrierten sich in vielen Städten auf kurze Zeiträume und fielen in der Regel mit außergewöhnlichen Ereignissen wie Kriegen oder politischen Krisen zusammen. Der Zusammenhang zwischen der Aufstellung von Ehrendekreten und Krisenzeiten beschränkt sich dabei nicht auf den frühen Hellenismus.177 In zahlreichen Städten im kleinasiatischen Raum fiel die Publikation von Ehrendekreten in die unruhige Zeit nach dem Ende des pergamenischen Königreichs im Jahr 133 v. Chr. Auch im 1. Jhdt. v. Chr. berichteten die Beschlüsse immer wieder von Krisen und Konflikten.178 Dieselbe Beobachtung trifft auch auf die Praxis bei der Aufstellung von Ehrenstatuen zu. So ist im Kontext von bedeutenden Ereignissen ein vermehrtes Aufkommen an Standbildern zu verzeichnen.179 Zur Errichtung von entsprechenden Monumenten entschieden sich die Städte in den meisten Fällen demnach vermutlich nur zu besonderen Anlässen. Bereits Aristoteles erwähnte bei seinen allgemeinen Betrachtungen über Ehre und Ehrungen die Bedeutung des richtigen Augenblicks für öffentliches Engagement.180 Auch einzelne Ehrendekrete verwiesen auf den Einsatz der Bürger zur richtigen Zeit und bedienten sich – vielleicht sogar in Anlehnung an Aristoteles – des Ausdrucks καιρός. 174 175 176 177 178 179 180

Selbst im späten Hellenismus scheint die Aufstellung von Ehrendekreten nicht zur Routine geworden zu sein. So jedoch Errington 2005, 27. S. auch o. S. 44 f. Stellvertretend für die bisherigen Forschungstendenzen s. etwa Quaß 1993, 28. Vgl. auch Errington 2005, 27. Scholz 2008, 87–90. So jedoch Errington 2005, 27. Vgl. Habicht 1995b, 88. Ähnlich Van der Vliet 2011, 180. Ma 2013, 7: «Events produced statues (…). Crises produced statues (…).» S. o. S. 18.

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Ehrendekrete und Euergetismus – Eine Einführung

Neben entsprechenden Leistungen war demzufolge offensichtlich auch der richtige Zeitpunkt eine wichtige Voraussetzung für die öffentliche Auszeichnung von Personen. Vor dem Hintergrund der skizzierten Beobachtungen zur Chronologie sowie zur regionalen Verteilung der Ehrendekrete für eigene Bürger stellt sich umso mehr die Frage nach den Gründen für die dauerhafte Publikation der Beschlüsse in den hellenistischen Städten. Zunächst bedeutete die dauerhafte Publikation eines Ehrendekretes sicherlich stets auch eine zusätzliche Ehre für die jeweilige Person und war eine seltene Anerkennung für besondere Leistungen. Entsprechende Funktionen hätten die Beschlüsse jedoch zu allen Zeiten erfüllen können. In der Regel verzichteten die griechischen Städte jedoch auf die zusätzliche Ehrung und beschränkten sich bei der Auszeichnung von eigenen Bürgern vermutlich auf Kranz und Statue oder andere Privilegien wie Ehrensitz und Speisung im Prytaneion. Die dauerhafte Publikation von Ehrendekreten für eigene Bürger wird demnach in vielen Fällen nicht ausschließlich der persönlichen Ehre gedient haben. Stattdessen scheint eine Polis mit der Aufstellung der Beschlüsse auch eigene – über die individuelle Auszeichnung von Einzelpersonen hinausgehende – Ziele verfolgt zu haben. Insbesondere in Krisenzeiten bestand in vielen Städten offensichtlich ein vermehrtes Bedürfnis zur Errichtung von entsprechenden Monumenten. Eine Detailbetrachtung der Ursachen und Hintergründe für die Publikation von Ehrendekreten wird die folgende Einzelanalyse der epigraphischen Dokumente zu leisten haben.

2. Ehrendekrete als Mittel zur Verbreitung von politischen Ideologien – Das Fallbeispiel Athen im frühen Hellenismus

Ehrungen an eigene Bürger verlieh die Polis Athen bereits in der klassischen Zeit. Am Beginn stand vermutlich die Aufstellung der Ehrenstatue für die Tyrannenmörder Harmodios und Aristogeiton in den Jahren um 508/507 v. Chr.1 Neben kleinen «honneurs de routine» ließ die Polis bereits seit dem späten 6. Jhdt. v. Chr. einzelnen Bürgern auch umfangreiche Ehrungen zukommen.2 Eine Bronzestatue scheinen Rat und Volk nach der Auszeichnung von Harmodios und Aristogeiton jedoch erst dem Strategen Konon im Jahr 393 v. Chr. zugestanden zu haben.3 Die anlässlich der jeweiligen Ehrungen mit Sicherheit gefassten Ehrendekrete erfuhren in der Regel noch keine dauerhafte Publikation.4 Bis zum 4. Jhdt. v. Chr. beschränkte sich die Vergabe der entsprechenden Privilegien zudem ausschließlich auf Bürger mit militärischen Verdiensten – oftmals auf Personen in der Funktion als Strategen. In der Folgezeit vergab die Polis zunehmend Ehrungen an Personen ohne ein militärisches Profil.5 Die entsprechenden Beschlüsse ließen Rat und Volksversammlung zudem erstmals auf Stelen veröffentlichen. Im Gegensatz zur Praxis bei Ehrendekreten für eigene Bürger war die Aufzeichnung von Beschlüssen für auswärtige Wohltäter in Athen bereits in der klassischen Zeit – insbesondere ab der zweiten Hälfte des

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Gauthier 1985, 92. Vgl. Domingo Gygax 2016, 161–165. Biard 2017, 45 f. Zur Statue der Tyrannenmörder s. auch Krumeich/Witschel 2009, 197. Ma 2013, 113. Biard 2017, 147. 257–259. Zur kultischen Verehrung durch die Polis s. Shear 2012a. Gauthier 1985, 92–103. Domingo Gygax 2006c, 494–496. Zur Problematik des Konzepts der «megistai timai » s. ausführlich 72–76. Zu den «honneurs de routine» s. Gauthier 1985, 112–128. Zur Ehrenpraxis im klassischen Athen vgl. auch Lambert 2004, 86. Shear 2007, 97–113. Bielfeldt 2012, 92. Biard 2017, 54–60. D. 20, 70. Gauthier 1985, 96. Lambert 2004, 86. Shear 2012a, 38. 42. Domingo Gygax 2016, 192–197. Biard 2017, 69–74. Vgl. Oliver 2007, 189. 190. 195. 197. Krumeich/Witschel 2009, 186. Bielfeldt 2012, 91 Anm. 16. Shear 2012b, 291 f. 300. Inschriften mit entsprechenden Ehrendekreten sind nicht erhalten. Einzig eine Rede des Demosthenes enthält einen Hinweis auf die dauerhafte Aufzeichnung des Ehrendekrets für Konon aus dem Jahr 393 v. Chr. D. 20, 69. Zudem ließ Demosthenes im Rahmen der Argumentation die Ehrendekrete für Konon und Charibas verlesen. Ebd. 70. 86. S. auch Gauthier 1985, 96 f. 99–102. Lambert 2004, 86. Gauthier 1985, 103. Errington 2005, 21. Oliver 2007, 183. Zu den Euergeten des 4. Jhdts. v. Chr. s. auch Domingo Gygax 2016, 193–199. Zu den Ehrendekreten für athenische Bürger aus der zweiten Hälfte des 4. Jhdts. v. Chr. s. allgemein Lambert 2004. Vgl. Lambert 2011.

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Ehrendekrete als Mittel zur Verbreitung von politischen Ideologien

5. Jhdts. v. Chr. – ein gängiges Phänomen.6 Neben der persönlichen Ehre der Fremden trug die Veröffentlichung der Beschlüsse auch zu Ruhm und Ansehen der Polis Athen bei – zeigten die Monumente doch stets auch die «internationale» Bedeutung und die guten Auslandsbeziehungen der Stadt. Die meisten Beschlüsse der klassischen Zeit teilten daneben eine ideologische Ausrichtung und verfolgten die gleichen Wertkonzepte. Die Aufstellung der entsprechenden Inschriften stand vornehmlich im Kontext von demokratischen Bestrebungen.7 Die Publikation erfolgte jedoch nicht ausschließlich aus einem demokratischen Anspruch auf eine größtmögliche Publizität der Entscheidungen. Die demokratischen Intentionen der Beschlüsse und der jeweiligen Verfasser manifestierten sich ebenso im Aufstellungskontext der Inschriften wie im Inhalt der Erzählungen. So würdigten einzelne Monumente – beginnend mit der Ehrung für Harmodios und Aristogeiton – den Kampf von Bürgern oder Fremden gegen Tyrannis oder Oligarchie. Mit der Agora – einem im klassischen Athen häufig für die Publikation von Beschlüssen genutzten Ort – wählten Rat und Volk zudem einen dezidiert demokratisch geprägten Raum für die Aufstellung der entsprechenden Inschriften.8 Die Ehrendekrete der klassischen Zeit begnügten sich in der Regel mit knappen und allgemeinen Begründungen. Beschlüsse für Einzelpersonen mit ausführlichen Beschreibungen der erbrachten Leistungen publizierten Rat und Volk von Athen mit der Ehrung des Euphron erstmals zum Ende des 4. Jhdts. v. Chr.9 Diese Veränderungen in der epigraphischen Praxis werden zum Teil mit allgemeinen Entwicklungen in der Inschriftenkultur und im Geschichtsbewusstsein der griechischen Städte in Zusammenhang gestanden haben.10 Insbesondere scheint sich zum Ende der klassischen Zeit ein allmähliches Bewusstsein für die kommemorativen Potentiale von Inschriften entwickelt zu haben. Im frühhellenistischen Athen beschränkte sich die Aufzeichnung von Ehrendekreten für eigene Bürger zunächst auf die Zeiträume von Krisen und Konflikten.11 Vermutlich weckten erst besondere Ausnahmesituationen   6

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Gerade für die zweite Hälfte des 5. Jhdts. v. Chr. lassen sich zahlreiche Ehrendekrete für fremde Personen im epigraphischen Befund der Stadt nachweisen. Meyer 2013, 467 f. 475. Allgemein Rosen 1987, 277–282. Meyer 2013, 453 f. 474. 484–488. Meyer 2013, 476–485. Zur Bedeutung der Agora als Ort der Demokratie im klassischen Athen s. zusammenfassend Shear 2007, 113–115. Auch im frühen Hellenismus behielt der Platz seine ideologische Bedeutung. Shear 2012b, 295. Die Agora war zudem ein prominenter Ort für die Aufstellung von Ehrenstatuen. Krumeich/Witschel 2009, 190–193. Ma 2013, 104. Rosen 1987, 282. Zum Aufkommen von ausführlichen Ehrendekreten s. Chaniotis 2014, 138. Vgl. Rosen 1987, 288. Errington 2005, 20–22. Luraghi 2010, 258. S. auch o. S. 45 Anm. 161. Vgl. Kralli 1999/2000, 135–138. Die Ehrendekrete sind durch die Nennung der epo­ nymen Archonten in den meisten Fällen auf das Jahr genau zu datieren. Eine aktuelle und ausführliche Archotentabelle der Jahre 323/322 v. Chr. bis 229/228 v. Chr. bietet ­Dreyer 1999, 424–431. S. jetzt auch die Archontentabellen in den jeweiligen Teilbänden von IG II/III3 . Grundlegend darüber hinaus immer noch Dinsmoor 1931.

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in der Polis das Bedürfnis, die neuentdeckten Potentiale der Inschriften auszunutzen. Den Kontext und damit den Hintergrund für das Verständnis der Monumente bildete die bewegte Geschichte der Polis Athen im langen 3. Jhdt. v. Chr.12 Die Zeit zwischen den Auseinandersetzungen mit dem makedonischen König Philipp II. und der römischen Eroberung war von zahlreichen Konflikten und Machtwechseln geprägt.13 Phasen von Fremdherrschaft und Unterdrückung wechselten mit Zeiten der politischen Autonomie. Durch die Niederlage gegen Philipp II. in der Schlacht von Chaironeia 338 v. Chr. geriet Athen zunächst unter makedonische Fremdherrschaft. Der berühmte Staatsmann Lykourgos entwickelte sich in der nachfolgenden Zeit bis zu seinem Tod im Jahr 324 v. Chr. zu den prägenden Gestalten der athenischen Politik.14 Auch nach dem Tod Alexanders des Großen änderte sich trotz vereinzelter Unabhängigkeitsbestrebungen in den Jahren 323/322 v. Chr. und 318/317 v. Chr. zunächst nichts am Zustand der Unfreiheit. Formal blieben die demokratischen Strukturen und Institutionen jedoch weitgehend unangetastet bestehen. In den Jahren 307–304 v. Chr. konnte die Stadt kurzfristig sogar im außenpolitischen Bereich eine weitgehende Unabhängigkeit und Selbstbestimmung erreichen. In der Folgezeit geriet Athen jedoch erneut unter den Einfluss von fremden Herrschern. Zunächst bestimmten für die kurze Zeit von 304–301 v. Chr. die Antigoniden die Geschicke der Stadt. Nach einigen Jahren der Unruhe und der Umstürze gelang es Demetrios Poliorketes in den Jahren 294–287 v. Chr. eine dauerhafte Herrschaft einzurichten. Auf das Ende der makedonischen Hegemonie folgte zum ersten Mal eine längere Phase der Freiheit und außenpolitischen Unabhängigkeit. Ein Ende fand die Autonomie der Polis um 262 v. Chr. durch die Eroberungen des Antigonos Gonatas. Der König sollte die Geschicke der Stadt über die nächsten 30 Jahre bis 229/228 v. Chr. bestimmen.

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Zur Geschichte der Polis Athen in der hellenistischen Zeit s. Habicht 1979. Habicht 1982. Habicht 1995a. Zu den politischen Entwicklungen sowie zu den historischen Rahmenbedingungen bis zum Jahr 230 v. Chr. s. auch Dreyer 1999. Für eine Untersuchung zum politischen System und zu den politischen Ideologien im frühhellenistischen Athen mit Schwerpunkt auf dem Gegensatz von Demokratie und Oligarchie s. Bayliss 2011. Für einen knappen Abriss zur Geschichte des frühhellenistischen Athen s. Dreyer 1999, 13–16. Vgl. auch Kralli 1999/2000, 135–138. Entscheidende Bedeutung gewann das 3. Jhdt. v. Chr. auch für die intensiven Forschungsdebatten um das Problem der Demokratie in der hellenistischen Zeit. S. auch o. S. 26–30. Dreyer 1999, 124. Zum Einfluss des Lykourgos auf die athenische Politik s. zuletzt Fara­ guna 2011. Oliver 2011.

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Erst in dieser langen Phase der Fremdherrschaft begann sich der demokratische Charakter der Verfassung Athens dauerhaft zu verändern. Bereits die ab 229/228 v. Chr. einsetzende Phase der erneuten Freiheit und Selbstbestimmung zeigte deutliche Unterschiede zu den demokratischen Bewegungen vor der Mitte des 3. Jhdts. v. Chr.15 Gänzlich veränderte sich der politische Charakter der Stadt mit dem zunehmenden Einfluss der Römer ab dem Beginn des 2. Jhdts. v. Chr.16 In den Grundzügen blieben die demokratischen Verfassungsstrukturen jedoch noch bis in die Kaiserzeit gewahrt.17 Mit dem Wandel der außenpolitischen Rahmenbedingungen am Beginn des 2. Jhdts. v. Chr. endete in Athen weitgehend die Praxis der dauerhaften Publikation von Ehrendekreten für eigene Bürger.18 Zumindest die Aufstellung der Beschlüsse scheint in Athen demnach auf das Engste mit den politischen Kämpfen im frühen Hellenismus verknüpft gewesen zu sein. Die Errichtung von entsprechenden Monumenten erfolgte zudem vornehmlich in Phasen von Freiheitsbewegungen und demokratischen Umstürzen. Wie schon in der klassischen Zeit scheint die dauerhafte Publikation von Volksbeschlüssen in Athen auch im Frühhellenismus vornehmlich ein Ausdrucksmittel von demokratischen Gruppierungen gewesen zu sein. Sicherlich bedeuteten die Monumente zunächst stets auch eine besondere Auszeichnung für die jeweiligen Personen und waren eine Manifestation der Dankbarkeit von Seiten der Polis. Die Bedeutung der Inschriften ging in der Regel jedoch über den schlichten Austausch von Leistung und Ehre hinaus und hatte einen festen Platz in den politischen Debatten und der Erinnerungslandschaft der Stadt.19 Dem genauen Zusammenhang zwischen der dauerhaften Publikation von Ehrendekreten und den politischen Entwicklungen im frühhellenistischen Athen wird im Folgenden nachzugehen sein.20 15

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Für Dreyer beginnt die eigentliche Geschichte des hellenistischen Athens deshalb auch erst ab 229 v. Chr. Dreyer 1999, 16. Zu den Kontinuitäten in der athenischen Politik von der klassischen Zeit bis zum frühen Hellenismus s. auch Hamon 2007, 81–83. Bayliss 2011, 211. Zu den demokratischen Elementen der athenischen Verfassung s. auch Bayliss 2011, 112–117. Zu den politischen Veränderungen unter der römischen Herrschaft s. ausführlich Touloumakos 1967, 77–101. Grieb 2008, 124–138. Vgl. Savalli-Lestrade 2003b, 62–64. Hamon 2007, 91. Zur Verfassungsentwicklung der Polis Athen ab dem späten 3. Jhdt. v. Chr. s. auch Rhodes/Lewis 1997, 53–60. Zur formalen Verfassungskontinuität in Athen s. Rhodes/Lewis 1997, 60 f. Vgl. auch Rosen 1987, 291. Shear 2012b, 276 f. In der althistorischen Forschung erfuhren die Zusammenhänge zwischen der epigraphischen Praxis und der politischen Geschichte der Polis Athen erst in den letzten Jahren eine intensive Diskussion. S. etwa Kralli 1999/2000. Luraghi 2010. Shear 2012b. Kralli sah die Gründe für den grundlegenden Wandel bei der Vergabe von Ehrungen und der öffentlichen Aufstellung von Ehrendekreten ab dem späten 4. Jhdt. v. Chr. vornehmlich in den veränderten Rahmenbedingungen der Zeit. Die makedonische Expansion und das anschließende Aufkommen der Diadochenreiche stellten die Städte vor neue

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2.1 Erste Kämpfe um Freiheit und Demokratie Im Jahr 318/317 v. Chr. ließen Rat und Volk von Athen zwei Ehrendekrete für den aus Sikyon stammenden Neubürger Euphron auf zwei Stelen aufzeichnen.21 Mit den Beschlüssen veröffentlichte die Polis vermutlich zum ersten Mal auch die ausführlichen Begründungen für die verliehenen Ehrungen.22 Durch die Auszeichnung eines Neubürgers bildeten die Monumente für Euphron gleichsam eine Zwischenstufe zwischen den Beschlüssen für auswärtige Personen und den Ehrendekreten für alteingesessene Bürger. Zudem ist eigentlich nur der jüngere Beschluss aus dem Jahr 318/317 v. Chr. als Ehrendekret für einen Bürger anzusprechen. Den politischen Hintergrund der beiden Beschlüsse bildeten demokratische Freiheitsbestrebungen der Polis Athen. Der ältere Beschluss wurde unter dem Archontat des Kephisodoros im Jahr 323/322 v. Chr. verabschiedet und würdigte die Bemühungen des Euphron bei der Vermittlung eines Bündnisses zwischen dessen Heimatstadt Sikyon und der Polis Athen gegen die makedonische Herrschaft im Hellenischen Krieg (7–12).23 Zugleich ehrten Rat und Volk die Stadt Sikyon für das Bündnis mit Athen. Euphron und seine Nachkommen erhielten das volle athenische Bürgerrecht (19–22). Der Bürgerrechts-

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Probleme und erzwangen einen Politikwechsel. Zur Durchsetzung der eigenen Interessen gewannen diplomatische Mittel wie Gesandtschaftsreisen und Verhandlungen an Bedeutung. ­Luraghi betrachtete die Ehrendekrete vor dem Hintergrund des Konzepts der «intentionalen Geschichte» («intentional history») und stellte damit erneut die politische Dimension der Texte in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Die Ausweitung der Motivberichte und insbesondere die Aufstellung der Ehrenbeschlüsse dienten als Mittel der öffentlichen Kommunikation und wurden in Athen für politische Statements und zur Verbreitung der eigenen Sichtweisen genutzt. Shear konzentrierte die Untersuchung auf den demokratischen Umsturz des Jahres 287/286 v. Chr. und betonte die Bedeutung von Ehrendekreten für die politische Ausdeutung der Ereignisse. Die Beschlüsse verbreiteten demokratische Ideologien und suchten die Anbindung an die Wertvorstellungen der klassischen Zeit. IG II/III2 448. Die Beschlüsse gehören zu den frühesten Belegen für die dauerhafte Aufstellung von Ehrendekreten für einen eigenen Bürger aus dem gesamten griechischen Raum. S. auch o. S. 45 f. Bereits die Ehrendekrete der klassischen Zeit werden die Auszeichnungen in ausführlichen Motivberichten begründet haben. Bis zum Ende des 4. Jhdts. v. Chr. verzichteten die Städte jedoch auf die Publikation der entsprechenden Anträge und begnügten sich mit der Verlesung in der Volksversammlung. S. auch o. S. 45 f. IG II/III2 448, 1–34 = II/III3 1, 2, 378. Zur Zeit der Auseinandersetzungen war ­Euphron noch Bürger von Sikyon. Zu den Leistungen im Hellenischen Krieg s. Culasso ­Gastaldi 2003, 66–68. Biard 2017, 147. Die Auseinandersetzungen können in der Forschung auch als der Lamische Krieg bezeichnet werden. Vgl. Culasso Gastaldi 2003, 77. Zu den Auseinandersetzungen s. Habicht 1995a, 47–53. Vgl. Rhodes/Lewis 1997, 39 f. Culasso ­Gastaldi 2003, 66.

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verleihung stellte der Beschluss eine Hortativformel voran.24 Der Stadt Sikyon verliehen Rat und Volk einen goldenen Kranz, der beim Agon der großen Dionysien auszurufen war (22–26). Der Beschluss sollte auf Kosten der Polis auf zwei Stelen aufgezeichnet und in der Stadt aufgestellt werden (26–31). Die dauerhafte Publikation des Ehrendekrets bedeutete mit Sicherheit eine besondere Ehre für Euphron und die Stadt Sikyon und sollte potentiellen Wohltätern aus der Fremde als Ansporn zu einem eigenen Engagement für Athen dienen. Ebenso scheint die Aufstellung der beiden Stelen jedoch auch ein politisches Statement der Stadt Athen in der brisanten Lage des Jahres 323/322 v. Chr. gewesen zu sein. Euphron und die Polis Sikyon hatten sich bewusst für die athenische Seite und den Aufstand gegen die makedonische Herrschaft entschieden. Sikyon hatte sich – wie der Beschluss ausdrücklich betonte – als erste Stadt auf der Peloponnes zu Athen bekannt und sich damit für die Unabhängigkeit entschieden (8–12). Die Polis Athen präsentierte sich zugleich als Vorkämpferin für die Freiheit der Griechen.25 Mit der doppelten Aufstellung des Ehrendekrets errichteten Rat und Volk von Athen demnach nicht zuletzt zwei öffentliche Monumente für den eigenen Widerstand gegen die makedonische Herrschaft und bekräftigten noch einmal das Bündnis mit Sikyon. Die dauerhafte Aufzeichnung des Ehrendekrets scheint auch von den Zeitgenossen als Politikum verstanden worden zu sein. So bestimmten die politischen Implikationen des Beschlusses auch das weitere Schicksal der beiden Stelen. Nach der Niederschlagung des Aufstandes durch Antipatros konnten sich in Athen die makedonienfreundlichen Kräfte um Demades und Phokion etablieren.26 Unter dem oligarchischen Regime wurden in der Folgezeit zahlreiche Personen sowohl aus Athen als auch aus anderen Städten, die sich maßgeblich am Aufstand gegen Antipatros beteiligt hatten, geächtet und verfolgt.27 Auch den in den Kämpfen gefallenen Euphron und dessen Nachkommen beraubten die neuen Machthaber nachträglich der alten Rechte und Privilegien. Die beiden Stelen, auf denen das erste Ehrendekret für den Neubürger und dessen Heimatpolis Sikyon aufgezeichnet worden

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16–19: [ὅπω]|ς δ’ ἂν πάντες εἰδῶσι ὅτι ὁ δῆμος [ὁ Ἀθηναίων ἀποδίδω]|σι χάριτας τοῖς εὐεργέτ[αις ἀξίας τῶν εὐεργετημά]|των ὧν ἂν εὐεργετήσει [ἕκαστος τὸν δῆμον]. Zu den Ehrungen s. auch Biard 2017, 147. Die öffentliche Auszeichnung des Euphron sollte andere Personen durch die Aussicht auf vergleichbare Ehrungen zum Engagement für die Polis animieren. In den Ehrendekreten für fremde Personen scheint die hortative Funktion in der Regel noch größere Bedeutung besessen zu haben als in den Beschlüssen für eigene Bürger. S. o. S. 42–44. Vgl. am Beispiel der Polis Athen Miller 2016, 391–393. Zum Selbstverständnis der Polis Athen s. Culasso Gastaldi 2003, 76–81. Habicht 1995a, 51–59. Dreyer 1999, 184–186. Vgl. Culasso Gastaldi 2003, 68. Zu Leben und Karriere des Phokion s. ausführlich Gehrke 1976. Vgl. auch Paschidis 2008, 49–57. Bayliss 2011, 129–151. Habicht 1995a, 51.

Erste Kämpfe um Freiheit und Demokratie

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war, ließ das neue Regime entfernen.28 Gerade die bewusste Zerstörung der beiden Monumente durch die oligarchische Regierung offenbarte die politische Relevanz der Inschriften. In der öffentlichen Wahrnehmung waren die Stelen ein Ausdruck der demokratischen Bestrebungen der Polis. Die relevanten Informationen über die beschriebenen Vorgänge verbreitete die Polis im jüngeren Ehrendekret für Euphron (60–62).29 Die Verabschiedung des Beschlusses erfolgte unter dem Archontat des Archippos im Jahr 318/317 v. Chr. und fiel damit erneut in eine Zeit der politischen Unruhe und der Freiheitsbestrebungen. Anfang des Jahres 318 v. Chr. war das Regime um Phokion gestürzt worden. In der anschließenden Phase der politischen Unabhängigkeit erfolgte die Verabschiedung des zweiten Ehrendekrets für Euphron. Die erneute – diesmal postume – Auszeichnung des engagierten Demokraten wird vornehmlich dem politischen Kalkül der demokratischen Kreise in Athen entsprochen haben. Mit Hagonides ging die Initiative für den Beschluss zudem auf eine führende Persönlichkeit der demokratischen Bewegung zurück. Die Phase der demokratischen Erneuerung der Polis sollte jedoch ein kurzes Zwischenspiel bleiben. Bereits im Sommer des Jahres 317 v. Chr. konnte die Stadt durch das Bündnis der Heerführer Antigonos, Kassandros und Lysimachos erneut unterworfen werden.30 Für die nächsten Jahre sollte Demetrios aus Phaleron als Vertrauensmann des Kassandros in Athen die Geschicke der Stadt lenken.31 Das zweite Ehrendekret für Euphron spiegelte die demokratische Gesinnung des Antragstellers sowie die politische Stimmung des Jahres 318/317 v. Chr. Über den ausführlichen Motivbericht entwarfen die demokratischen Kräfte in Athen ein eigenes Bild von einem idealen Demokraten.32 Bereits als Bürger von Sikyon hatten Euphron und seine Vorfahren beste Beziehungen zu Athen unterhalten und sich um die Stadt verdient gemacht (40–56).33 Auch die Verdienste im Hellenischen Krieg spielten im zweiten Ehrendekret erneut eine wichtige Rolle. Die Schlagwörter der Auseinandersetzung waren Freiheit und Demokratie – nicht nur für die eigene Stadt, sondern für ganz Griechenland. Gemäß dem eigenen Selbstverständnis präsentierte sich die

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Ebd. 55. IG II/III2 448, 35–88. Habicht 1995a, 59–62. Rhodes/Lewis 1997, 40 f. Bayliss 2011, 113 f. Zum Regime des Demetrios von Phaleron s. ausführlich O’Sullivan 2009. Vgl. Habicht 1995a, 61–75. Rhodes/Lewis 1997, 41 f. Culasso Gastaldi 2003, 65. 89. Haake 2007, 60– 82. Paschidis 2008, 58–65. Bayliss 2011, 77–80. Zum Inhalt des Motivberichts s. auch Culasso Gastaldi 2003, 66–68. Biard 2017, 147. Der gleichnamige Großvater des Euphron hatte sich zudem bei den Kämpfen um die Demokratie in Sikyon hervorgetan und wurde in der Heimat mit einem Grabmal auf der Agora wie ein ἀρχηγέτης der Polis verehrt. S. ausführlich X. HG 7, 3. Rosen 1987, 284. Culasso Gastaldi 2003, 66. Zu Bestattungen innerhalb der Städte im Hellenismus s. allgemein Fröhlich 2011.

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Ehrendekrete als Mittel zur Verbreitung von politischen Ideologien

Polis Athen als Vorkämpferin für die Freiheit Griechenlands.34 Die Stadt nutzte die Ehrung des verdienten Bürgers demnach erneut als Plattform für eine positive Selbstdarstellung. Euphron hatte im Kampf für seine demokratischen Ideale sogar sein Leben verloren. Programmatisch stellte die Erzählung dem Ideal der Freiheit das Schreckensszenario von Knechtschaft durch Fremdherrschaft und Besatzung gegenüber.35 Mit dem aktuellen Beschluss wollten Rat und Volk nun, da Gesetze und Demokratie in die Stadt zurückgekehrt waren, die alten Auszeichnungen und Privilegien, die Euphron und dessen vermutlich noch lebenden Nachkommen unter dem oligarchischen Regime aberkannt worden waren, wiederherstellen (62–66).36 Neben der ehrenvollen Rehabilitierung des Verstorbenen bedeutete der Beschluss für die Familienangehörigen demnach auch eine wichtige Bestätigung der alten Privilegien. Zugleich stellten die demokratischen Kräfte die ehrende Erinnerung an die Taten des Euphron in den Dienst der eigenen Propaganda. Die narrativen Abschnitte des Motivberichts sollten einen Eindruck von der aktuell erwünschten politischen Einstellung vermitteln.37 Frühere demokratische Helden wie Euphron, deren Andenken unter der Oligarchie ausgelöscht worden war, wurden in die alten Rechte gesetzt.38 Daneben zeigte sich das Programm der neuformierten Demokratie insbesondere in der Publikation des Beschlusses. Zusammen mit dem Ehrendekret aus dem Jahr 323/322 v. Chr. sollte der Beschluss auf zwei Stelen publiziert werden (66–73). Als Aufstellungsorte wählte die Polis die Agora und das Heiligtum des Zeus Σωτήρ (Retter). Die Plätze trugen in mehrfacher Hinsicht eine programmatische Komponente. Beide Orte standen an sich schon symbolisch für die Demokratie und die Rettung der Stadt. Zusätzlich erfolgte die Errichtung der Monumente an exakt denselben Plätzen wie die Aufstellung der zwischenzeitlich durch das oligarchische Regime zerstörten Stelen mit dem Ehrendekret aus dem Jahr 323/322 v. Chr. Die neuen Stelen standen somit – wie der Beschluss selbst unterstrich – programmatisch für die Rückkehr zur alten Ordnung.39 Recht und Demokratie hatten erneut Einzug in Athen gehalten. Die Vorgänge verdeutlichten zugleich die politische und programmatische Bedeutung der 34 35

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43–45: [καὶ ἐπὶ τοῦ πολέμο]|υ τοῦ Ἑλληνικοῦ, ὃν ἐ[ν]ε.[στήσατο ὁ δῆμος ὁ Ἀθηναίων ὑ]|πὲρ τῶν Ἑλλήνων. 54–56: ἀγ[ωνιζόμεν]|ος ὑπὲρ τῆς δημοκρατίας ὥστε μήτε τὴν ἑαυ[τοῦ πατρ]|ίδα μήτε τὴν ἄλλην Ἑλλάδα ἰδεῖν δουλεύουσαν. Vgl. Culasso Gastaldi 2003, 67. 81. Grieb 2008, 55. Bayliss 2011, 94 f. Statt von Euphron spricht Grieb jedoch ohne ersichtlichen Grund stets von Euphornios. Vgl. Culasso Gastaldi 2003, 67 f. Ein Ehrendekret im engen Sinn war der Beschluss damit nicht. Zur Wiederherstellung von Recht und Gesetz s. Bayliss 2011, 98–101. Zum paradigmatischen Charakter des Beschlusses s. Rosen 1987, 287. Bayliss 2011, 100 f. Vgl. Culasso Gastaldi 2003, 90. Grieb 2008, 55. Bayliss 2011, 100 f. Vgl. auch Luraghi 2010, 256. Zugleich erfüllte damit auch der zweite Beschluss eine hortative Funktion. Culasso Gastaldi 2003, 82. Rosen 1987, 289. Bayliss 2011, 100 f. Zum ideologischen Gehalt der Stelen s. auch Biard 2017, 147.

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Stelen gegenüber dem eigentlichen Beschluss im Stadtarchiv. So hatte sich das oligarchische Regime damit begnügt, die beiden öffentlichen Monumente für Euphron und die Stadt Sikyon zu zerstören. Der archivierte Beschluss blieb trotz der Aufhebung der Privilegien vermutlich unberührt – scheint der Text doch bei der Abfassung des jüngeren Ehrendekrets und der Aufstellung der neuen Monumente als direkte Vorlage gedient zu haben.40 Die Beschlüsse für Euphron bedeuteten einen entscheidenden Wandel in der athenischen Ehrenpraxis. Die Innovation lag allerdings nicht in den verliehenen Auszeichnungen, da es vergleichbare Ehrungen für Einzelpersonen auch schon zu früheren Zeiten gegeben hatte. Eine innovative Neuerung war jedoch die Instrumentalisierung der Ehrendekrete – insbesondere durch die narrative Ausweitung des Motivberichts – als Mittel der politischen Debatte. Durch die Aufstellung der Stelen wollte die Polis die eigene politische Haltung dauerhaft in der Öffentlichkeit dokumentieren. Entsprechende Monumente wurden am Beginn des 4. Jhdts. v. Chr. als neues Medium für politische Auseinandersetzungen entdeckt.41 Daneben waren die programmatischen Beschlüsse sicherlich auch als politische Statements für die mündliche Verhandlung in der Volksversammlung konzipiert. Eine dauerhafte Publikation der Reden auf Euphron scheint jedoch von Beginn an vorgesehen gewesen zu sein. Mit dem postumen Beschluss für Lykourgos aus dem Archontat des Anaxikrates im Jahr 307/306 v. Chr. verabschiedete die Polis Athen zum ersten Mal im engen Sinn ein ausführliches Ehrendekret für einen eigenen Bürger.42 Die Auszeichnung des prominenten Politikers, der bereits im Jahr 324 v. Chr. verstorben war, bildete einen weiteren Schritt in der Entwicklung zu ausführlichen Beschlüssen für lebende Einzelpersonen. Mit dem Jahr 307/306 v. Chr. fiel das Ehrendekret für Lykourgos

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Habicht 1995a, 59. Ein Hinweis auf «the Greeks’ tendency to consider as ‹the› document the inscription rather than the archival copy» ist der Befund vermutlich jedoch nicht. So Luraghi 2010, 256 Anm. 31. Den entscheidenden Anlass für die erneute Aufstellung der Beschlüsse gaben die programmatischen Aspekte der Monumente. Rechtliche Relevanz besaßen die Stelen nicht. Neben dem Archivdokument könnte auch eine private Kopie aus dem Besitz der Nachkommen des Euphron als Vorlage für die neuen Monumente gedient haben. S. auch o. S. 45 Anm. 161. Von der Inschriftenstele selbst sind nur zwei Fragmente erhalten. IG II/III2 457. Ein drittes Textbruchstück ist möglicherweise ebenfalls dem Monument zuzuordnen, lässt sich aber nicht sicher identifizieren. IG II/III2 513. Der Text des Beschlusses hat sich als literarische Adaption jedoch in den unter den Schriften des Plutarch überlieferten Lebensbeschreibungen der zehn Redner erhalten. Plu. Moralia 852 A-E. Trotz der Veränderungen gegenüber dem Original ist die ursprüngliche Struktur des Beschlusses, der dem Verfasser der Schrift in weiten Teilen als Vorlage gedient haben mag, noch zu erkennen. Gauthier 1985, 83 f. Culasso Gastaldi 2003, 68–72. Errington 2005, 23. Vgl. bereits Fowler 1936, 342.

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erneut in eine bewegte Zeit athenischer Freiheitsbestrebungen.43 Nach der Vertreibung des Demetrios von Phaleron durch Demetrios Poliorketes verkündeten die neuen Machthaber die Freiheit der Stadt und die Rückkehr zur Demokratie. Kurze Zeit nach der politischen Wende muss auch das Ehrendekret für Lykourgos verabschiedet worden sein. Die Initiative für den Beschluss ging auf den einflussreichen Staatsmann Stratokles zurück.44 Die ausführliche Erzählung begann zunächst mit den Vorfahren des Lykourgos (852 A).45 Bereits dessen Ahnen hatten zu Lebzeiten vom Demos Ehrungen erhalten und waren nach dem Tod in einem öffentlichen Grab auf dem Kerameikos bestattet worden. Den eigentlichen Tatenbericht gliederte der Beschluss nach thematischen Gesichtspunkten.46 Ganz dem Idealbild eines guten Demokraten entsprechend hatte Lykourgos viele vorteilhafte Gesetze für seine Heimat eingebracht und sich in öffentlichen Funktionen sowie bei anderen Aufgaben für die Stadt engagiert (852 B). Den Auftakt der Erzählung bildete ein Abschnitt zu Verdiensten um die städtische Finanzverwaltung – insbesondere in der Funktion als ταμίας (852 B). Für seine Leistungen hatte Lykourgos auf Beschluss der Volksversammlung zahlreiche Bekränzungen erhalten. Die entsprechenden Ehrendekrete, die zu den jeweiligen Anlässen vermutlich verabschiedet worden waren, hatten jedoch zu keinem Zeitpunkt eine dauerhafte Publikation erfahren und sollten erst durch die Bestimmungen des postumen Beschlusses zur Veröffentlichung kommen.47 Eine weitere Rubrik berichtete von Verdiensten um die militärische Sicherung der Stadt in der Funktion als ἐπὶ τῆς τοῦ πολέμου παρασκευῆς (852 C). Daneben trug Lykourgos zur baulichen Ausgestaltung der Polis bei und kümmerte sich um den Neubau oder die Fertigstellung von zahlreichen Gebäuden (852 C).

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Zur demokratischen Verfassung nach 307 v. Chr. s. ausführlich Habicht 1995a, 76–88. Rhodes/Lewis 1997, 42 f. Culasso Gastaldi 2003, 68. 79 f. 90–95. Bayliss 2011, 114–116. Shear 2012b, 278. Zum Einfluss des Demetrios Poliorketes auf die athenischen Politik s. auch Bayliss 2011, 119–126. Shear 2012b, 278–281. Allein die zahlreichen auf Initiativen des Stratokles zurückgehenden Beschlüsse aus den folgenden Jahren machen die große Bedeutung des Politikers im seit 307 v. Chr. zumindest formell freien Athen deutlich. Habicht 1995a, 80. Vgl. Dreyer 1999, 145. Zu Leben und Karriere sowie zur ambivalenten Politik des Stratokles s. auch Paschidis 2008, 78–106. Bayliss 2011, 152–186. Vgl. Culasso Gastaldi 2003, 90–92. Shear 2012b, 278–280. Dreyer 1999, 99 Anm. 381. Culasso Gastaldi 2003, 72. Grieb 2008, 70. Lambert 2012, 264. Zur Familie des Lykourgos s. auch Culasso Gastaldi 2003, 84–87. Zur Bedeutung von Herkunft und Familie s. auch allgemein Quaß 1993, 40–56. Scholz 2008, 89–94. Zu den einzelnen Verdiensten s. Quaß 1993, 89 f. Culasso Gastaldi 2003, 72. Bayliss 2011, 106. Zur politischen Tätigkeit sowie dem Einfluss in Athen s. zuletzt Faraguna 2011. Zur Verortung im politischen Umfeld des 4. Jhdts. v. Chr. s. auch Oliver 2011. Chaniotis 1988, 245. Culasso Gastaldi 2003, 82. Chaniotis 2014, 143.

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Als einen Höhepunkt in der Laufbahn nannte Stratokles in seinem Antrag die Auseinandersetzungen mit Alexander dem Großen (852 D).48 Lykourgos gehörte zu den führenden Politikern des demokratischen Athen und stand dementsprechend in Opposition zum makedonischen Herrschaftsanspruch. Ziel seiner Politik waren stets die Stärke und Autonomie der Polis gewesen. Stratokles versäumte es in der Darstellung der Ereignisse auch nicht, die Rolle Athens bei der Auseinandersetzung mit dem makedonischen Herrscher ins rechte Licht zu rücken. Als Alexander die Auslieferung des Lykourgos forderte, widersetzte sich die selbstbewusste und auf Autonomie bedachte Stadt ohne Furcht dem Befehl des Königs. Die Lebensbeschreibung gipfelte in der Feststellung, Lykourgos habe in der freien und demokratischen Stadt oftmals Rechenschaft über seine Amtsführung abgelegt und niemals auch nur den geringsten Grund zur Beanstandung gegeben.49 Die Schlüsselbegriffe δημοκρατία und ἐλευθερία wurden in der anschließenden Hortativformel erneut aufgegriffen. Die Botschaft war deutlich: Wer sich in seinem politischen Leben für Freiheit und Demokratie einsetzte, wurde in Athen zu Lebzeiten und auch über den Tod hinaus in Ehren gehalten.50 Lykourgos erhielt für seine Verdienste eine öffentliche Belobigung und eine Bronzestatue sowie das Recht auf lebenslange Speisung im Prytaneion für sich und seine Nachfahren (852 E).51 Zusätzlich wurde die Aufzeichnung der früheren Beschlüsse festgesetzt. Einen goldenen Kranz und das Recht auf einen Ehren48

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Stratokles hatte den Schwerpunkt der Darstellung auf die ideologische Opposition des Lykourgos und nicht auf dessen praktische Verdienste wie die Verteidigung Athens gelegt. So jedoch Kralli 1999/2000, 149. Die praktischen Verdienste nehmen in der Erzählung zwar den größten Raum ein. Der Höhepunkt des Motivberichts liegt jedoch im Einsatz für Freiheit und Demokratie. S. auch Luraghi 2010, 254. Bayliss 2011, 105 f. Lambert 2012, 264. Zur emotionalen Sprache des Abschnitts s. Chaniotis 2014, 154. Zur Opposition gegen Alexander den Großen s. ausführlich Culasso Gastaldi 2003, 72–76. 852 D: καὶ διδοὺς εὐθύνας πολλάκις τῶν πεπολιτευμένων ἐν ἐλευθέρᾳ καὶ δημοκρατουμένῃ τῇ πόλει διετέλεσεν ἀνεξέλεγκτος καὶ ἀδωροδόκητος τὸν ἅπαντα χρόνον. – Und indem er oft Rechenschaft ablegte über seine politische Tätigkeit in der freien und demokratisch verfassten Stadt, lebte er tadellos und unbestechlich die ganze Zeit. Vgl. Habicht 1995a, 76 f. Culasso Gastaldi 2003, 88. Fröhlich 2004, 1. Grieb 2008, 70. 852 D: ὅπως ἂν εἰδῶσι πάντες, διότι τοὺς προαιρουμένους ὑπὲρ τῆς δημοκρατίας καὶ τῆς ἐλευθερίας δικαίως πολιτεύεσθαι καὶ ζῶντας μὲν περὶ πλείστου ποιεῖται καὶ τελευτήσασι δὲ ἀποδίδωσι χάριτας ἀειμνήστους. – Damit nun alle wissen, dass diejenigen, die sich vornehmen unter Demokratie und Freiheit sich gerecht als Bürger zu beteiligen, sowohl als Lebende höchstes Ansehen genießen als auch nach dem Tod ewigwährende Dankbarkeit erhalten. Vgl. Culasso Gastaldi 2003, 82. Grieb 2008, 70. Scholz 2008, 82. Zur programmatischen Bedeutung der Hortativformel s. auch Errington 2005, 24. Bayliss 2011, 95. Mit dem Ehrendekret des Lykourgos ist in Athen zum ersten Mal die Vergabe von umfangreichen Ehrungen durch einen Volksbeschluss bezeugt. Für Gauthier ist der Beschluss der erste Beleg für die – wenn auch noch nicht vollständige – Verabschiedung der «megistai timai » durch die Polis Athen. Gauthier 1985, 79. Culasso Gastaldi 2003, 69. 83 f. Zu den «megistai timai » s. auch 72–76. Zur Statuenehrung des Lykourgos s. Oliver 2007, 198. Grieb 2008, 70. Krumeich/Witschel 2009, 204 f. Ma 2013, 121 f.

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sitz – beinahe ein Standard bei der Auszeichnung von herausragenden Bürgern – erwähnte der Beschluss nicht.52 Die Ehrung des Lykourgos erfolgte erst knapp 20 Jahre nach dem Tod des verdienten Politikers. Der Entschluss zur nachträglichen Auszeichnung wird vornehmlich dem politischen Kalkül und den ideologischen Überzeugungen der demokratischen Kreise des Jahres 307/306 v. Chr. entsprungen sein. Stratokles präsentierte den Verstorbenen in der ausführlichen Lebensbeschreibung als Idealbild eines Demokraten, an dem sich die nachfolgende Bürgergeneration messen und orientieren konnte.53 In den programmatischen Aspekten der Ehrung lag sicherlich auch ein Hauptgrund für die Aufstellung des Beschlusses. Von den persönlichen Vorteilen der besonderen Auszeichnungen wie dem Prestigegewinn durch die Statue und die dauerhafte Publikation des Ehrendekrets konnte der verstorbene Lykourgos nicht profitieren.54 Insbesondere in der postumen Errichtung der Stele werden die demokratischen Kräfte um Stratokles, die sich im Jahr 307/306 v. Chr. erneut zu formieren begannen, eine willkommene Möglichkeit zur Verbreitung der eigenen Vorstellung von der künftigen Ausrichtung der Polis gesehen haben.55 Die Berufung auf alte Helden der Demokratie wie Lykourgos sollte den Bürgern die alten und zugleich neuen Werte des demokratischen Athen vor Augen führen. Die Stele mit dem Ehrendekret war somit vornehmlich als Monument der politischen Neuausrichtung der Stadt zu lesen. Daneben zeugte der Beschluss von der alten Größe und dem Selbstbewusstsein der Polis, die sich sogar den Befehlen des großen Alexander widersetzt hatte. Als wiederkehrende Schlüsselbegriffe für das politische Programm der neugeformten Polis propagierte der Ehrenbeschluss für Lykourgos die Werte ἐλευθερία und δημοκρατία. 52

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Das Fehlen des Privilegs der Prohedrie mag durch die versehentliche Auslassung eines Kopisten zu erklären sein. Gauthier 1985, 81. Culasso Gastaldi 2003, 71. Ein Ehrensitz oder auch ein Kranz wären für den verstorbenen Lykourgos jedoch nutzlose Auszeichnungen gewesen und mögen dementsprechend niemals Bestandteil des Beschlusses gewesen sein. Prinzipiell konnten jedoch auch verstorbene Personen wie der Redner Demosthenes einen Ehrensitz erhalten. S. u. S. 70 Anm. 94. Das Recht auf Speisung im Prytaneion behielt seinen Sinn durch die Übertragbarkeit auf die Nachkommen. Das Hauptinteresse des Sohnes Lykophron, der ebenfalls an den Ehrungen beteiligt gewesen zu sein scheint, lag vermutlich jedoch nicht ausschließlich im Privileg der Speisung im Prytaneion. So jedoch Errington 2005, 23. Habicht 1995a, 76: «(…) der überlieferte Ehrenbeschluß preist ihn als eine Symbolfigur des demokratischen und nationalistischen Athen.» Vgl. auch Kralli 1999/2000, 149. Culasso Gastaldi 2003, 74–76. 81. 90. Fröhlich 2004, 1. Oliver 2007, 199 f. Lambert 2012, 265. Errington 2005, 23. Zu Lebzeiten des Politikers war trotz der mehrfachen Auszeichnung durch die Stadt noch auf die Aufstellung eines Standbildes oder die Aufzeichnung eines Beschlusses verzichtet worden. Dreyer 1999, 124. Errington 2005, 24. Zum politischen Charakter des Ehrendekrets für Lykourgos s. auch Gauthier 1985, 89–91.

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Ein ausführliches Ehrendekret zu Lebzeiten eines herausragenden Bürgers scheinen Rat und Volk zum ersten Mal mit dem Beschluss für Philippides aus Paiania verabschiedet zu haben. Die Entscheidung wurde vermutlich unter dem zweiten Archontat des Olympiodoros im Jahr 293/292 v. Chr. gefasst und fiel somit zum ersten Mal in eine Zeit der makedonischen Vorherrschaft.56 Der beschlossene Antrag ging erneut auf die Initiative des prominenten Politikers Stratokles zurück. Durch die äußeren Umstände stand der Beschluss jedoch unter anderen Vorzeichen als die Ehrungen für Euphron und für Lykourgos. Die politische Landschaft in Athen war kaum von demokratischen Grundsätzen geprägt – auch wenn die demokratische Staatsform der Form nach gewahrt blieb.57 So bekleidete Olympiodoros zwischen 294 v. Chr. und 292 v. Chr. entgegen dem Iterationsverbot in zwei aufeinanderfolgenden Jahren das Archontat.58 Das wohl durch König Demetrios gestützte Regime wurde in der Rückschau bereits wenige Jahre später als Oligarchie empfunden. Zum oligarchischen Charakter der Jahre passten auch die Wiedereinführung der Funktionen des γραμματεύς und des ἀναγραφεύς, die zuvor nur aus der Zeit der Oligarchie zwischen 321–318 v. Chr. bekannt waren, sowie die Rückkehr von oligarchischen Politikern, die im Jahr 307 v. Chr. verbannt worden waren.59 Auch das Ehrendekret für Philippides erwähnte – vermutlich in Anpassung an die politischen Gegebenheiten – mit keinem Wort demokratische Ideale oder eine dementsprechende Gesinnung des herausragenden Politikers.60 Das Verschweigen der demokratischen Ideale ist umso signifikanter, als der Antrag von demselben Stratokles stammte, der nur wenige Jahre zuvor mit dem Ehrendekret für Lykourgos gleichsam ein demokratisches Grundsatzdossier vorgelegt hatte, und unterstreicht die Intentionalität der Darstellung. Soweit ersichtlich gehörte Philippides zu den führenden Vertretern der gemäßigten Demokraten.61 Seine Haupttätigkeit scheint in die Jahre nach dem Aufstand des Jahres 301 v. Chr. gefallen zu sein.62 Der Antrag des Stratokles begann zunächst mit einem ausführlichen Abschnitt über die Vorfahren des Philippides (7–18). Die prominenten Persönlichkeiten hatten sich durch zahlreiche Liturgien und durch die Tätigkeit 56 57

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IG II/III3 1, 4, 857. Vgl. Dinsmoor 1931, 7 f. Die linke Hälfte der Stele bereits in IG II/ III2 649. Der makedonische König Demetrios hatte nach der Eroberung Athens im Jahr 295/294 v. Chr. erneut die Demokratie ausgerufen. Habicht 1995a, 94–96. Dreyer 1999, 20–24. 122–128. Grieb 2008, 77–83. Zum Verhältnis von Demetrios und Athen s. auch Bayliss 2011, 119–126. Habicht 1995a, 97. Rhodes/Lewis 1997, 46. Dreyer 1999, 118. 122. Shear 2012b, 280. Zur Person des Olympiodoros s. auch Paschidis 2008, 133–139. Habicht 1995a, 97. Rhodes/Lewis 1997, 47. Dreyer 1999, 123. Zur Einführung von neuen Polisfunktionen s. auch Bayliss 2011, 84–88. Dreyer 1999, 100. Kralli 1999/2000, 151. Zur politischen Teilung der Bürgerschaft vgl. Shear 2012b, 281. Dinsmoor 1931, 14. Dreyer 1999, 99–101. Paschidis 2008, 114. Zur Beurteilung des Philippides s. auch Bayliss 2011, 184. Shear 2012b, 280.

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Ehrendekrete als Mittel zur Verbreitung von politischen Ideologien

als Strategen ausgezeichnet. Erinnerungsstücke an ihr Engagement – etwa in Form von Dreifüßen – waren in den Heiligtümern der Stadt zum Zeitpunkt der Ehrung immer noch zu sehen. Die liturgischen Tätigkeiten des Philippides selbst beschrieb der Beschluss zunächst nahezu mit denselben Formulierungen wie das Engagement der Vorfahren (18–23).63 Die bewusste Parallelisierung der Passagen sollte den herausragenden Nachkommen in die Familientradition einbinden und auf eine Ebene mit den glänzenden Vorgängern stellen. Bei seinen Tätigkeiten als Stratege, als βασιλεύς und als Agonothet sowie auf Gesandtschaftsreisen hatte sich Philippides stets um Polis und Demos verdient gemacht (23–37).64 Deutliche Unterschiede zeigte der Beschluss insbesondere im Vergleich zu den Ehrendekreten für Lykourgos und Euphron.65 Rat und Volk ehrten Philippides vornehmlich als einen verdienten Bürger aus gutem Hause für finanzielles und politisches Engagement zum Wohl der Stadt und nicht als einen radikalen Verfechter von Freiheit und Demokratie. Stratokles präsentierte in der Beschlussvorlage dementsprechend statt eines demokratischen Idealisten das Modell eines konservativen und patriotischen Realpolitikers.66 Der Eindruck mag zum Teil sicherlich dem allgemeinen Wesen und der politischen Einstellung des Philippides entsprochen haben. Die Ehrung eines Bürgers scheint sich daneben jedoch erneut auch an den politischen Gegebenheiten orientiert zu haben.67 In der schwierigen Situation des Jahres 293/292 v. Chr. und insbesondere vor dem Hintergrund der makedonischen Herrschaft bedurfte die Polis Athen sicherlich eines nüchternen Realpolitikers und nicht eines idealistischen Demokraten. Als Vorbild präsentierten Rat und Volk dementsprechend eine besonnene und anpassungsfähige Person. Philippides verstand sich in die gegebenen Umstände einzufügen und hatte durch einen umsichtigen Einsatz zum Wohl der Stadt beigetragen.68 Weitere Gründe für die Verabschiedung und insbesondere die dauerhafte Publikation des Beschlusses mögen in den innenpolitischen Konstellationen des Jahres 293/292 v. Chr. gelegen haben. So sollte mit der Ehrung des Philippides möglicherweise auch ein Gegenentwurf zu Olympiodoros, der seit

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Quaß 1993, 93. Die Anlehnung an die Leistungen der Vorfahren und die Betonung der ruhmreichen Familientradition waren aristokratische Elemente der Selbstrepräsentation. Zur Tätigkeit des Philippides s. allgemein Paschidis 2008, 113–115. Vgl. Culasso Gastaldi 2003, 90 f. Die Unterschiede in den Beschlüssen für Lykourgos und Philippides diskutiert auch Gauthier 1985, 89–91. Zur politischen Grundhaltung des Philippides s. Dreyer 1999, 100. Culasso Gastaldi 2003, 90 f. Paschidis 2008, 114. Shear 2012b, 280. Zur «politisch-moralischen Instrumentalisierung» des Beschlusses s. auch Errington 2005, 24 f. Eine schlichte Gefälligkeit unter zwei etablierten Politikern war das Ehrendekret nicht. So jedoch Bayliss 2011, 184. Dreyer 1999, 100. Kralli 1999/2000, 151.

δημοκρατία, ἐλευθερία, αὐτονομία

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zwei Jahren die Geschicke Athens lenkte, geschaffen werden.69 Bei der vermuteten Opposition aus athenischen Politikern könnte der ehemals einflussreiche Staatsmann Stratokles, auf dessen Initiative das Ehrendekret zurückging, eine wichtige Rolle gespielt haben. Die makedonische Präsenz in der Stadt wirkte sich bis auf die Vergabe der Privilegien aus (37–56). So sollte die Ausrufung des Kranzes sowohl bei den Dionysien als auch bei den zu Ehren des Königs Demetrios eingeführten Demetrieia erfolgen (41–43).70

2.2 δημοκρατία, ἐλευθερία, αὐτονομία – Die Polis Athen in den Jahren zwischen 287–262 v. Chr. Bis zur Verabschiedung und dauerhaften Publikation des nächsten Ehrendekrets für einen eigenen Bürger – der unter dem Archontat des Euthios im Jahr 283/282 v. Chr. gefasste Beschluss für den Komödiendichter Philippides aus Kephale – sollten die politischen Umstände in Athen ein weiteres Mal eine drastische Änderung erfahren haben. Im Frühjahr 287 v. Chr. hatte sich die Polis die Unabhängigkeit von König Demetrios und der makedonischen Oberherrschaft erkämpft.71 Für die nächsten 25 Jahre bis zur Niederlage gegen Antigonos im Jahr 262 v. Chr. konnte die neugewonnene Autonomie in weiten Teilen bewahrt werden. Die Kontrolle über den Piräus sollte die Stadt jedoch während des gesamten Zeitraums nicht zurückerlangen.72 Ermöglicht hatte die Überwindung der makedonischen Herrschaft nicht zuletzt die Unterstützung des Königs Ptolemaios. Bündnisse mit den Feinden der makedonischen Herrscher – wie etwa den ägyptischen Königen – blieben auch in der Folgezeit bis zum erneuten Verlust der Autonomie im Jahr 262 v. Chr. ein wichtiges

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Allgemein Rhodes/Lewis 1997, 47: «Clearly there was something of a coalition when in 293/2 Stratocles (prominent 307–301) proposed honours for Philippides (prominent after 301).» Zur Ausrufung des Kranzes s. Dinsmoor 1931, 15. Zu den Demetrieia sowie allgemein zum Verhältnis des Königs zur Polis Athen s. Thonemann 2005. Neben dem goldenen Kranz erhielt Philippides eine Ehrenstatue und einen Ehrensitz sowie das Recht auf Speisung im Prytaneion. Zum Aufstand in Athen s. ausführlich Dreyer 1999, 200–222. Grieb 2008, 83–89. Vgl. bereits Osborne 1979. Lanciers 1987, 65–76. Habicht 1995a, 129. Für die Bürger bedeutete der Aufstand neben der Befreiung von der Fremdherrschaft zugleich die Überwindung der Oligarchie und die Rückkehr zur Demokratie. Shear 2012b, 277 f. Zur demokratischen Verfassung nach 287 v. Chr. s. auch Rhodes/Lewis 1997, 47–49. Bayliss 2011, 116 f. Shear 2012b, 282. 295. Habicht 1995a, 129. Zum Piräus s. auch ausführlich Dreyer 1999, 257–278. Shear 2012b, 296–298.

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Ehrendekrete als Mittel zur Verbreitung von politischen Ideologien

Element der athenischen Außenpolitik.73 Insgesamt publizierte die Polis Athen in der 25-jährigen Phase der Unabhängigkeit vier Ehrendekrete für eigene Bürger.74 In Übereinstimmung mit der politischen Ausrichtung der Stadt zeigten die Beschlüsse stets einen freiheitlichen Tenor und eine patriotische Rhetorik und stilisierten die herausragenden Bürger zu Vorkämpfern der Demokratie.75 Den Argumentationsstrukturen und den genauen Aussageintentionen der einzelnen Monumente wird im Folgenden nachzugehen sein. Bereits im Motivbericht des Ehrendekrets für den Komödiendichter Philippides aus Kephale aus dem Jahr 283/282 v. Chr. war die antimakedonische Haltung der Polis Athen in den Jahren nach 287 v. Chr. deutlich zu spüren.76 So erinnerte der Antragsteller Nikeratos – wie Philippides ein Bürger aus Kephale – an die Niederlage des Antigonos und dessen Sohnes Demetrios in der Schlacht von Ipsos im Jahr 301 v. Chr. (16–18).77 Der für Athen günstige Ausgang der Auseinandersetzung hatte zum damaligen Zeitpunkt das vorläufige Ende der makedonischen Herrschaft über die Stadt zur Folge gehabt. Die makedonischen Herrscher nannte Nikeratos – offensichtlich im bewussten Gegensatz zu anderen Königen – stets ohne den Königs­ titel (18).78 Philippides hatte sich nach der Schlacht um die athenischen Gefallenen, die zusammen mit den Verbündeten gegen die makedonischen Könige gekämpft hatten, gekümmert und zudem für die Freilassung von zahlreichen Mitbürgern aus der makedonischen Gefangenschaft gesorgt (18–29). Durch seine guten Beziehungen zu König Lysimachos konnte der herausragende Bürger zudem mehrmals Zuwendungen 73

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Zu den Grundzügen der athenischen Politik s. ausführlich Dreyer 1999, 224–256. Zu Bedeutung und Einfluss der hellenistischen Könige s. allgemein Bayliss 2011, 117–128. Shear 2012b, 296–298. Aus dem Jahr 268/267 v. Chr. ist darüber hinaus ein Beschluss von Soldaten für den Strategen Epichares mit ausführlicher Beschreibung der einjährigen Tätigkeit bezeugt. Πετράκος 1967. S. jetzt auch Πετράκος 1999 Nr. 3. Das Ehrendekret stammt aus dem Demos Rhamnous, zu dem auch der Antragsteller gehörte. Das mit einer Widmung versehene Kranzrelief auf der Stele nennt jedoch [το]ὺ.ς στρατιώτας (c) als Stifter des Kranzes und damit vermutlich auch als Verantwortliche der Ehrung. So ist der Beschluss als Ehrendekret der Soldaten und nicht als Ehrendekret des Demos Rhamnous anzusprechen. Zum Beschluss für Epichares s. ausführlich Bielmann 1994, 95–100. In Inhalt, Intention und Gestaltung zeigt das Ehrendekret zahlreiche Parallelen zu den Beschlüssen der Polis für eigene Bürger. Habicht 1995a, 144. Dreyer 1999, 15. Errington 2005, 25. Grieb 2008, 85 f. Zur Bedeutung der Ehrendekrete für die demokratische Neuausrichtung der Polis s. auch Shear 2012b, 282. IG II/III2 657 = II/III3 1, 4, 877. Die Aufstellung der Ehrenstatue erfolgte in Anlehnung an die Profession des Philippides im Dionysostheater. Die Stele mit dem Ehrendekret stand im Tempel des Dionysos. Oliver 2007, 196. Eine direkte Einflussnahme des Philippides auf die Gestaltung der Erzählung lässt der Beschluss nicht erkennen. So jedoch Paschidis 2008, 125. Luraghi 2010, 255 Anm. 25.

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für die Polis Athen erreichen (9–16/33–34).79 Die politischen Aktivitäten – durch das Archontat des Euktemon auf das Jahr 299/298 v. Chr. datiert – beschränkten sich zunächst auf die kurze Zeit der athenischen Freiheit bis zur Etablierung der Tyrannis des Lachares.80 Von einem weiteren Engagement konnte oder wollte der Beschluss erst wieder nach der erneuten Unabhängigkeit der Stadt im Jahr 287 v. Chr. berichten.81 Programmatisch fielen im zweiten Abschnitt des Motivberichts immer wieder die Begriffe ἐλευθερία (31/35/45) und δημοκρατία (48–49). Auch dem Wunsch nach der Rückgewinnung des Piräus und der anderen Festungen, die sich noch in der Hand der makedonischen Herrscher befanden, verlieh die Erzählung deutlichen Ausdruck (34–36).82 Im Anschluss bot Nikeratos einen Rückblick auf die Agonothesie unter dem Archontat des Isaios im Jahr 284/283 v. Chr. (38–50).83 Die abschließende Formulierung glich im Inhalt dem zusammenfassenden Resümee im Ehrendekret für Lykourgos. Bei der Rechenschaftsablegung hatte sich gezeigt, dass Philippides weder in Wort noch in Tat jemals gegen die Prinzipien der Demokratie verstoßen hatte (48–50).84 Spätestens die programmatische Formulierung zum Ende des Motivberichts offenbarte die eigentliche Aussageintention des Beschlusses. Neben der Ehrung eines verdienten Bürgers wollten die demokratischen Kräfte in Athen, die sich vermutlich noch in der Findungsphase befanden, mit dem Beschluss auch das eigene Idealbild eines Demokraten propagieren. Philippides zählte zu den patriotischen Verfechtern der freiheitlichen und demokratischen Grundwerte der Polis und bot dementsprechend ideale Anknüpfungspunkte für die Stilisierung zu einem idealen Demokraten. Seine antimakedonische Einstellung sowie sein gutes Verhältnis zu Lysimachos passten ebenfalls zum politischen Geist der neuformierten Bürgerschaft.85 79

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Zur Tätigkeit des Philippides s. Osborne 1979, 192. Lanciers 1987, 78. Rhodes/Lewis 1997, 49. Dreyer 1999, 56–58. 208. Paschidis 2008, 118–122. Bayliss 2011, 127. Vgl. auch Plu. Demetr. 12, 5. Zur Person des Lachares s. Paschidis 2008, 125–129. Dreyer 1999, 98. 188 f. In der Zwischenzeit scheint sich Philippides allerdings auch meist außerhalb der Stadt am Hof des Königs Lysimachos aufgehalten zu haben. Dreyer 1999, 155 Anm. 173. 228. Kralli 1999/2000, 151 f. Grieb 2008, 82. Dreyer/Weber 2011, 29. Zum Verhältnis des Philippides zu König Lysimachos s. ausführlich Paschidis 2008, 117–125. Vgl. Shear 2012b, 296. Zu diesem auch in anderen Beschlüssen formulierten Ziel der athenischen Politik s. Habicht 1995a, 143. Dreyer 1999, 235. 356. Paschidis 2008, 157–159. Shear 2012b, 296. Vgl. Shear 2012b, 296. 48–50: κα[ὶ οὐ]θὲν ὑπεναντίον πρὸ[ς δ]|ημοκρατίαν οὐδεπώποτε [ἐποίησ]ε[ν ο]ὔτ[ε λόγωι οὔτ’] | ἔργωι. Vgl. Gauthier 1982, 222. Rhodes/Lewis 1997, 48. Dreyer 1999, 98. 188 f. Grieb 2008, 82. Zu den Anklängen an den Eid des Diophantos aus dem Jahr 410/409 v. Chr. s. Shear 2012b, 287–289. Zur Tätigkeit des Philippides s. auch Paschidis 2008, 122–124. Zur antimakedonischen Einstellung s. auch die Kritik des Philippides an den auf Initiative des Stratokles für Demetrios beschlossenen Ehrungen. Plu. Demetr. 12, 4. Vgl. Quaß 99–101. Kralli 1999/2000, 151. Paschidis 2008, 116. Zur Mittelstellung zwischen König und Polis s. Paschidis 2008, 125.

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Auch die ausführliche Beschlussformel zeigte das Bemühen um eine demonstrative Rechtsstaatlichkeit (52–58). Bis ins Detail beschrieb die Polis den Ablauf der nach demokratischen Prinzipien ausgerichteten Entscheidungsfindung. Zudem verwies die Resolution immer wieder auf die Gesetzmäßigkeit der Vorgänge (45/56/61). Die ideale Demokratie ehrte den idealen Demokraten. Die Aufzeichnung des Beschlusses war zunächst sicherlich auch eine seltene Auszeichnung und wird wie die anderen Ehrungen eine besondere Anerkennung für die herausragenden Leistungen des Philippides bedeutet haben. Die Stele mit dem Ehrendekret wurde zugleich jedoch zu einem Monument für die neuentstandene Demokratie in Athen und sollte die aktuellen Werte und die politische Ausrichtung der Stadt dokumentieren. Ein weiteres Mal scheint die Entscheidung zur Auszeichnung eines Bürgers eine Reaktion auf politische Ereignisse gewesen zu sein. Glorreiche Vorfahren des Philippides erwähnte der Beschluss nicht. Möglicherweise hatte die Familie tatsächlich keine bedeutenden Leistungen vollbracht. Ebenso mögen die politische Ausrichtung und die dementsprechenden Leistungen aber auch nicht zum demokratischen Tenor des Beschlusses gepasst haben. Allgemein scheint der Hinweis auf eine lange Familientradition – zunächst vermutlich ein aristokratisches Element der Selbstrepräsentation – bei demokratischen Politikern gerade in den Jahren nach 287 v. Chr. nicht üblich gewesen zu sein.86 Die Ehrendekrete für Euphron und Lykourgos hatten jedoch noch die herausragenden Familien der beiden bekennenden Demokraten erwähnt.87 Die demokratische Grundstimmung in der athenischen Politik der Jahre nach 287 v. Chr. zeigte sich auch im Antrag auf die postume Ehrung des bereits 322 v. Chr. verstorbenen Demosthenes.88 Die Verabschiedung der Petition, die mit Demochares auf einen Neffen des berühmten Redners zurückging, erfolgte wie die Errichtung der Statue unter dem Archontat des Gorgias im Jahr 280/279 v. Chr.89 Einen Schwerpunkt des Antrags legte Demochares – möglicherweise in Anlehnung an die überkommene Tradition der Ehrendekrete für Strategen – auf die Beteiligung des Demosthenes an militärischen Unternehmungen der Polis Athen.90 Gleichzeitig erinnerte der Beschluss damit auch an die große Vergangenheit der freien und unabhängigen

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S. auch u. S. 75. Vgl. Dreyer 1999, 99 Anm. 381. Die Stele mit dem offiziellen Beschluss ist verloren. Lediglich die Petition des Demochares ist in literarischem Kontext überliefert. Plu. Moralia 850 F–851 C. Der Antrag ist jedoch nicht mit dem eigentlichen Beschluss gleichzusetzen. Nichtsdestotrotz ähneln Form und Inhalt den offiziellen Ehrendekreten von Rat und Volksversammlung und erlauben somit Rückschlüsse auf die Gestalt des Beschlusses. Viele Formulierungen aus der Petition des Demochares wurden vermutlich nach dem Muster Δημοχάρης Λάχητος Λευκονοεὺς εἶπεν in den Motivbericht des Ehrenbeschlusses übernommen. Vgl. auch Fowler 1936, 342. Gauthier 1985, 84. Zur Datierung der Statue sowie zur Publikation des Beschlusses s. Plu. Moralia 847 D-E. Zu Leben und Werk des Demosthenes s. zuletzt etwa Lehmann 2004.

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Stadt. So erwähnte Demochares etwa die Befreiung der Insel Euböa und den Freikauf von zahlreichen Bürgern, die von Philipp II. nach den Schlachten von Pydna, Methone und Olynthos gefangen genommen worden waren, oder berichtete von finanziellen Leistungen bei der Befestigung des Piräus und nach der Schlacht von Chaironeia (850 F–851 B).91 Daneben engagierte sich Demosthenes auf der diplomatischen Ebene für eine Allianz mit anderen Städten aus dem griechischen Mutterland. Immer wieder rückte in den einzelnen Episoden im Einklang mit dem demokratischen Selbstverständnis der Polis der Demos als handelnde und entscheidende Instanz in den Vordergrund. Alle Unternehmungen beruhten letztlich auf Entscheidungen der Volksversammlung. Demosthenes verkörperte die propagierten Ideale und übernahm sowohl die aktive Rolle des handelnden Politikers als auch den passiven Part des klugen und wohlmeinenden Beraters. Die endgültigen Entscheidungen überließ der vorbildliche Demokrat dem Volk. Die Polis Athen präsentierte Demochares in seinem Antrag als Idealbild der funktionierenden Demokratie. Schlüsselbegriffe der Erzählung waren δημοκρατία und ἐλευθερία (851 C). Der größte Feind der demokratischen Staatsordnung war die Oligarchie. Vorzeigedemokraten wie Demosthenes hatten unter der Herrschaft der Oligarchen in die Verbannung gehen müssen. Mit pathetischen Worten beschrieb Demochares den späteren Tod seines vorbildlichen Onkels. Stets hatte der überzeugte Demokrat seine Gesinnungen beibehalten und war auch in Gefahren und Tod nicht von seinen Idealen abgewichen.92 Mit dem Ehrendekret für Demosthenes veröffentlichten Rat und Volk demnach auch ein politisches Statement für Freiheit und Demokratie. Eine späte Rehabilitation des vor 40 Jahren verstorbenen Onkels war demnach vermutlich nicht die einzige Motivation des Antragstellers Demochares – auch wenn die Ehrung ohne Zweifel zum Ruhm der Familie beigetragen

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Zu den Themen des Beschlusses s. Quaß 1993, 93. Bayliss 2011, 107. 851 C: καὶ ἄλλων πολλῶν καὶ καλῶν τῷ δήμῳ συμβούλῳ γεγονότι καὶ πεπολιτευμένῳ τῶν καθ᾽ ἑαυτὸν πρὸς ἐλευθερίαν καὶ δημοκρατίαν ἄριστα φυγόντι δὲ δι᾽ ὀλιγαρχίαν, καταλυθέντος τοῦ δήμου, καὶ τελευτήσαντος αὐτοῦ ἐν Καλαυρίᾳ διὰ τὴν πρὸς τὸν δῆμον εὔνοιαν, πεμφθέντων στρατιωτῶν ἐπ᾽ αὐτὸν ὑπὸ Ἀντιπάτρου, διαμείναντι ἐν τῇ πρὸς τὸ πλῆθος εὐνοίᾳ καὶ οἰκειότητι, καὶ οὔτε ὑποχειρίῳ γενομένῳ τοῖς ἐχθροῖς οὔτε τι ἀνάξιον ἐν τῷ κινδύνῳ πράξαντι τοῦ δήμου. – Und er wurde in vielen und schönen Dingen dem Volk zum Ratgeber und er engagierte sich als Bürger unter seinen Zeitgenossen am besten für Freiheit und Demokratie. Und er ging wegen der Oligarchie in die Verbannung, als der Demos aufgelöst worden war, und als er starb bei Kalauria wegen der Zuneigung zum Volk, nachdem Soldaten gegen ihn geschickt worden waren von Antipatros, blieb er bei der Zuneigung und der Freundschaft zur Volksmenge, und er unterwarf sich weder den Feinden noch tat er etwas für das Volk unwürdiges in der Gefahr. Vgl. Culasso Gastaldi 2003, 67. Grieb 2008, 55 Anm. 185. Luraghi 2010, 255: «an approved version of a crucial page of the recent history of the demos of Athens.» Zur demokratischen Grundstimmung des Beschlusses s. auch Dreyer 1999, 146. 277. Culasso Gastaldi 2003, 80 f. Bayliss 2011, 107–109.

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haben wird.93 Die demokratischen Kreise in Athen ehrten mit dem Beschluss nicht nur einen verdienten Staatsmann für seine Lebensleistung. Mit den Auszeichnungen für Demosthenes setzte die Polis Athen zugleich mit allen Mitteln – Statue, öffentliche Bekanntmachung der Ehrung, Aufstellung der Stele mit dem Ehrendekret – ein deutliches Zeichen für Freiheit und Demokratie. Die Monumente feierten die eigene Staatsform und erinnerten an die große Vergangenheit der Stadt.94 Demosthenes stand stellvertretend für die politische Ideologie Athens und repräsentierte den vorbildlichen Demokraten. Zugleich war die Ehrung auch eine Kampfansage an die makedonischen Könige.95 Gerade Demosthenes war eine traditionelle Symbolfigur des Kampfes gegen Makedonien. In der Summe schuf die Polis Athen über die Erinnerung an die Leistungen eines bedeutenden Bürgers ein gemeinsames Identifikationskonzept. Demosthenes wurde durch ideologische Überhöhung zum strahlenden Helden der Demokratie stilisiert. Neun Jahre nach der Auszeichnung des Demosthenes verabschiedeten Rat und Volk unter dem Archontat des Pytharatos im Jahr 271/270 v. Chr. auf Antrag des Laches ein Ehrendekret für dessen verstorbenen Vater Demochares, der vor wenigen Jahren seinerseits noch die Initiative zur Auszeichnung seines Onkels Demosthenes ergriffen hatte.96 Der Motivbericht offenbarte erneut die demokratische Gesinnung der ausgezeichneten Person und damit zugleich auch des Antragstellers und der Polis. Demochares hatte am vierjährigen Krieg gegen Kassandros in den Jahren zwischen 307–303 v. Chr. teilgenommen und sich während der Kämpfe insbesondere um die Befestigung des athenischen Stadtgebiets Verdienste erworben (851 D).97 Wie Phi93

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Zur politischen Bedeutung des Ehrendekrets s. auch Kralli 1999/2000, 153. Kralli möchte den Beschluss – wenn auch mit der gebotenen Vorsicht – konkret mit aktuellen politischen Ereignissen des Jahres 280 v. Chr. und der Kampagne von Sparta und anderen Städten gegen Antigonos Gonatas in Verbindung bringen. Zur Statue des Demosthenes s. Von den Hoff 2007, 50–52. Krumeich/Witschel 2009, 206. Von den Hoff 2009. Zu den ideologischen Aspekten der Statue s. auch Von den Hoff 2007, 52. Ma 2013, 277. Neben der Statue erhielt Demosthenes einen Ehrensitz sowie das Recht auf Speisung im Prytaneion für sich und seine Nachkommen (850 F). Vgl. Gauthier 1985, 80–82. Culasso Gastaldi 2003, 83. Habicht 1995a, 144. Dreyer 1999, 272. Zur antimakedonischen Stimmung des Ehrendekrets s. auch Quaß 1993, 95 f. Luraghi 2010, 255. Wie im Fall des Demosthenes ist die dauerhafte Publikation des Beschlusses mit großer Sicherheit zu vermuten. Erneut ist jedoch lediglich die literarische Adaption der Petition auf Ehrung des Demochares überliefert. Plu. Moralia 851 D-F. Fowler 1936, 342. Gauthier 1985, 84. Die literarische Lebensbeschreibung des Demosthenes berichtet jedoch von der Publikation des Ehrendekrets für Demochares. Plu. Moralia 847 E. Wie bei der Ehrung des Demosthenes erlauben Inhalt und Form des Antrags Rückschlüsse auf die Gestalt des Volksbeschlusses. Zur Karriere des Demochares s. Quaß 1993, 86. 90. 96. Kralli 1999/2000, 153–155. Culasso Gastaldi 2003, 92. Paschidis 2008, 153. Shear 2012b, 283. Zum vierjährigen Krieg s. Habicht 1995a, 78 f. Dreyer 1999, 62–67.

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lippides war der überzeugte Demokrat während der Herrschaft des Demetrios ins Exil gegangen (851 E).98 Die Erzählung nutzte die Episode zugleich für die programmatische Unterscheidung zwischen dem freiheitsliebenden Demokraten und den Zerstörern der Freiheit. Nach der Rückkehr unter dem Archontat des Diokles im Jahr 288/287 v. Chr. hatte sich Demochares insbesondere in zahlreichen Gesandtschaften – etwa zu den Königen Lysimachos oder Antipatros – für die Belange des Volkes engagiert (851 E).99 Zum Schluss des Antrags bot die Erzählung noch einmal eine programmatische Zusammenfassung der vorbildlichen Haltung des überzeugten Demokraten.100 Demochares war für die Demokratie sogar in die Verbannung gegangen und hatte auch nach der Rückkehr aus dem Exil als der Einzige von den athenischen Bürgern seiner Generation zu jeder Zeit von allen antidemokratischen Unternehmungen Abstand genommen – vermutlich eine literarische Übertreibung passend zur Intentionalität des Beschlusses. Durch seine Politik sorgte der vorbildliche Bürger insbesondere im Bereich der Rechtsprechung für das reibungslose Funktionieren der demokratischen Institutionen und garantierte den athenischen Bürgern die Sicherheit von Recht und Besitz.101 Ein weiteres Mal ehrten Rat und Volk in  98

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Zum Exil des Demochares s. Lanciers 1987, 77. Rhodes/Lewis 1997, 43–45. Culasso Gastaldi 2003, 92. Grieb 2008, 82. 84. Paschidis 2008, 154. Bayliss 2011, 172–176. Shear 2012b, 283. 293. Zur Tätigkeit des Demochares s. Osborne 1979, 190–192. Lanciers 1987, 77 f. Quaß 1993, 101 f. Rhodes/Lewis 1997, 49. Dreyer 1999, 228. 231. 235 f. 270 f. Grieb 2008, 83 Anm. 349. Paschidis 2008, 154–159. Shear 2012b, 283. 297. Zur Rückkehr des Demochares s. Dreyer 1999, 204 f. Culasso Gastaldi 2003, 92. Shear 2012b, 283. 851 F: καὶ φυγόντι μὲν ὑπὲρ δημοκρατίας, μετεσχηκότι δὲ οὐδεμιᾶς ὀλιγαρχίας οὐδὲ ἀρχὴν οὐδεμίαν ἠρχότι καταλελυκότος τοῦ δήμου· καὶ μόνῳ Ἀθηναίων τῶν κατὰ τὴν αὐτὴν ἡλικίαν πολιτευσαμένων μὴ μεμελετηκότι τὴν πατρίδα κινεῖν ἑτέρῳ πολιτεύματι ἢ δημοκρατίᾳ· καὶ τὰς κρίσεις καὶ τοὺς νόμους καὶ τὰ δικαστήρια καὶ τὰς οὐσίας πᾶσιν Ἀθηναίοις ἐν ἀσφαλεῖ ποιήσαντι διὰ τῆς αὑτοῦ πολιτείας καὶ μηδὲν ὑπεναντίον τῇ δημοκρατίᾳ πεπραχότι μήτε λόγῳ μήτε ἔργῳ. – Und er ging für die Demokratie in die Verbannung, beteiligte sich an keiner Oligarchie und übernahm keine öffentliche Aufgabe, nachdem der Demos aufgelöst worden war. Und als Einziger von den Athenern, die sich in seiner Generation als Bürger betätigten, nahm er nicht an einer Verschwörung teil, um die Heimat in eine andere Verfassung zu verwandeln als die Demokratie. Und die Entscheidungen und die Gesetze und die Gerichte und den Besitz brachte er allen Athenern in Sicherheit durch seine Politik und er tat nichts gegen die Demokratie weder in Wort noch in Tat. Zum programmatischen Abschluss des Beschlusses s. auch Gauthier 1982, 221–223. Habicht 1995a, 144. Rhodes/Lewis 1997, 48. Dreyer 1999, 96–98. 116 f. 136. Grieb 2008, 79. 88. Paschidis 2008, 158. Bayliss 2011, 94. 109. Dreyer/Weber 2011, 29. Shear 2012b, 276. 283. Sprachliche Anklänge an den Eid des Diophantos aus dem Jahr 410/409 v. Chr. erzeugten eine Verbindung zur aktuellen Überwindung der Oligarchie. Shear 2012b, 286–290. Der Verweis auf die Bedeutung des Gerichtswesens setzte im Vergleich zu den früheren Ehrendekreten einen neuen Akzent und mag ein persönliches Element des Beschlusses gewesen sein. Zur Bedeutung des Gerichtswesens für die hellenistischen Polisdemokratien s. allgemein Walser 2012.

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Demochares demnach nicht nur einen herausragenden Bürger. Mit dem Beschluss setzte die Polis vielmehr ein deutliches Zeichen für Freiheit und Demokratie.102 Wie sein Onkel Demosthenes wurde auch Demochares von der Polis zu einem strahlenden Helden der Demokratie stilisiert. Gerade der programmatische Schlussteil illus­ trierte das Verhalten eines idealen Demokraten.103 Demochares hatte sich als Bürger der Polis Athen aktiv an den demokratischen Prozessen beteiligt. Der Beschluss war somit zugleich auch ein Monument für das Funktionieren der athenischen Demokratie. Zu einem Teil fiel der Ruhm des vorbildlichen und vortrefflichen Bürgers zudem auch auf die Stadt zurück. Ein Jahr nach der Auszeichnung des Demochares verabschiedete die Polis Athen unter dem Archontat des Sosistratos im Jahr 270/269 v. Chr. mit dem Beschluss für Kallias aus Sphettos ein weiteres Ehrendekret für einen eigenen Bürger.104 Mit dem Antragsteller Euchares ging die Initiative für den Beschluss – wie in den Jahren nach 287 v. Chr. zu erwarten – erneut auf einen demokratischen Politiker zurück.105 Auch Kallias gehörte zur führenden Gruppe der patriotischen Demokraten. Seine politische Tätigkeit begann mit dem Aufstand gegen Demetrios Poliorketes im Jahr 287 v. Chr. In einem ausführlichen Abschnitt beschrieb der Beschluss die militärischen Leistungen des Kallias beim Kampf um die Stadt sowie die späteren Verdienste um die Vermittlung des Friedens (11–43).106 Im Zusammenhang mit dem Tatenbericht kreierte die Erzählung das Idealbild eines patriotischen Bürgers. Kallias setzte sich ohne Rücksicht auf die eigene Person oder auf seine Gesundheit stets zum Wohl der Stadt ein.107 Wie die anderen Ehrendekrete dieser Zeit war auch die Beschlussvorlage des Euchares von der antimakedonischen Haltung des demokratischen Athen geprägt.108 Deme102

Shear 2012b, 276 f. Zu möglichen Gründen für die Verabschiedung des Dekrets s. auch Kralli 1999/2000, 155 f. Einzelne Überlegungen, die über die Aussagen des Textes hinausgehen, bleiben jedoch Spekulationen. Auch die Ehrenstatue des Demochares diente ideologischen Aussageintentionen und zeigte den Bürger als Kämpfer für die Belange der Polis. Krumeich/Witschel 2009, 206. Shear 2012b, 291. Zu den Ehrungen des Demochares s. auch Gauthier 1985, 80–82. Culasso Gastaldi 2003, 83. 103 Shear 2012b, 283. 104 IG II/III3 1, 4, 911. Vgl. Shear 1978, 2–4. 105 Ähnlich wie Demochares und andere Personen hatte sich Euchares schon in den Jahren der athenischen Unabhängigkeitsbestrebungen zwischen 307 v. Chr. und 303 v. Chr. in die städtische Politik eingebracht. Zur Person des Euchares s. Shear 1978, 14. Paschidis 2008, 162. 106 Zur Beteiligung des Kallias am Aufstand gegen Demetrios Poliorketes s. Osborne 1979, 185–188. Lanciers 1987, 68. Quaß 1993, 85 f. Rhodes/Lewis 1997, 47 f. Dreyer 1999, 105. Grieb 2008, 83. Paschidis 2008, 146–148. Shear 2012b, 284. 292–294. Zum Verlauf des Aufstands s. ausführlich Dreyer 1999, 204–223. 107 28–32: ἀγωνιζόμενο|ς ὑπὲρ τοῦ δήμου Καλλίας καὶ ἐπεξιὼν μετὰ τῶν στρατι|ωτῶν τῶν μεθ’ αὑτοῦ καὶ τραυματίας γενόμενος κίνδυ|νον οὐθένα ὑποστελλόμενος οὐδὲ ἐν ἑνὶ καιρῶι ἕνεκα | τῆς τοῦ δήμου σωτηρίας. Vgl. Shear 2012b, 284. 108 Kralli 1999/2000, 158.

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trios wurde im Gegensatz zu Ptolemaios – wie schon die makedonischen Herrscher im Ehrendekret für Lykourgos – stets ohne seinen Königstitel genannt.109 Bereits in den ersten Jahren der Autonomie besaßen die guten Beziehungen des Kallias zum ptolemäischen Königshaus große Bedeutung für die Außenpolitik der Stadt.110 Diese Verbindungen brachten dem engagierten Bürger an einem späteren Punkt der Karriere sogar die Stellung eines königlichen Abgesandten in Halikarnassos ein (70–72).111 Für seine Heimatstadt konnte Kallias durch die hervorragenden Beziehungen zu den ägyptischen Herrschern zahlreiche Zuwendungen erwirken (43–70). Alle Unternehmungen und Gesandtschaften erfolgten jedoch – wie der Beschluss nicht müde wurde zu betonen – stets auf Wunsch und im offiziellen Auftrag der Stadt und des Volkes. Trotzdem ehrten Rat und Volk mit Kallias sowohl einen athenischen Bürger als auch einen hohen Funktionär in ptolemäischen Diensten.112 In dem herausragenden Bürger begegnete demnach in den Ehrendekreten der Polis Athen erstmals eine neue und jüngere Generation von Politikern. In seinen Überzeugungen zeigte sich Kallias immer noch als Demokrat und Patriot. Daneben stand der einflussreiche Politiker jedoch auch in Diensten der ptolemäischen Könige und rückte damit – mehr als etwa noch Lykourgos – zunehmend aus den beschränkten Sphären der athenischen Politik. Gegenüber der Heimatstadt trat Kallias sicherlich auch in der Funktion eines königlichen Abgesandten und nicht ausschließlich in der Rolle des einfachen Bürgers in Erscheinung.113 Der Gemeinschaft aus freien und gleichen Polisbürgern war die Ausnahmepersönlichkeit allmählich entwachsen. Dieser zweite Aspekt der Tätigkeit ließ sich im Ehrendekret selbstverständlich nicht ganz verschweigen. Den Schwerpunkt der Darstellung legten Rat und Volk jedoch eindeutig auf die bürgerlichen Tugenden und die patriotischen Leistungen 109

Luraghi 2010, 255 Anm. 25. Zur Tätigkeit des Kallias s. Shear 1978, 21–32. Lanciers 1987, 76–80. Quaß 1993, 102 f. Rhodes/Lewis 1997, 47–49. Dreyer 1999, 105. Bayliss 2011, 127. Dreyer/Weber 2011, 20–22. Zur Verbindung zu den ptolemäischen Königen s. auch Paschidis 2008, 146– 150. Shear 2012b, 297. Zu den guten Beziehungen Athens zum ptolemäischen Königshaus s. auch allgemein Dreyer 1999, 230–232. 244–248. Vgl. die zahlreichen Einträge zu athenischen Bürgern in der «Prosopographia Ptolemaica». Zu den Beziehungen der ptolemäischen Könige zu Athen sowie zu anderen griechischen Städten s. auch Lanciers 1987. 111 Die Verdienste werden – gerade im Hinblick auf den demokratischen Gesamttenor des Beschluss – nicht den entscheidenden Ausschlag für die Auszeichnungen gegeben haben. So jedoch Kralli 1999/2000, 156. 112 Zur Mittelstellung zwischen Königshof und Polis s. auch Paschidis 2008, 149. 113 Der Ehrenbeschluss für Kallias beschränkte sich jedoch nicht ausschließlich auf die Tätigkeiten im Dienst des ptolemäischen Königs. So jedoch Errington 2005, 26. Im Zentrum der Erzählung standen im Gegenteil vornehmlich die Leistungen als Polisbürger. Zu den «philoi royaux » – wenn auch mit einem kleinasiatischen Schwerpunkt – s. allgemein Savalli-­ Lestrade 1998. Vgl. Hamon 2007, 79–81. Zu den Verbindungen der Könige zu den Städten auf dem griechischen Festland und auf den Inseln der Ägäis s. Paschidis 2008. 110

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des herausragenden Politikers.114 Zum Ende des Motivberichts stilisierte die Erzählung Kallias dementsprechend sogar zu einem Vorzeigedemokraten: Kallias hatte niemals etwas gegen die Demokratie unternommen und während der Oligarchie für seine Ideale sogar den Verlust seines gesamten Besitzes in Kauf genommen.115 Die abschließende Randbemerkung verdeutlichte noch einmal das basisdemokratische Selbstverständnis Athens (82–83): Die Demokratie beruhte im Kern auf der Gemeinschaft von allen Athenern.116 Wie andere Beschlüsse der Zeit bildete auch das Ehrendekret für Kallias – ganz in demokratischen Traditionen verhaftet – die Beschlussfassung mit allen Formalitäten bis ins Detail ab (86–89). Sowohl das ausführliche Präskript (5–10) als auch die lange Resolution (86–109) sollten das Funktionieren der demokratischen Verfassungsorgane verdeutlichen. Zudem verwies der Beschluss in der Resolution immer wieder auf die Gesetzmäßigkeit der Vorgänge sowie auf den korrekten Ablauf des Verfahrens (88/92/103). Athen präsentierte sich als demokratische Stadt mit intakten Polisstrukturen. Die Personen in öffentlichen Funktionen erfüllten die vorgegebenen Aufgaben. Letztendlich oblagen alle Entscheidungen jedoch dem Volk als Souverän des Staates.117 Diese idealisierende Sichtweise mag nicht in jedem Fall mit der politischen Realität des frühhellenistischen Athen in Einklang gestanden haben. Die demokratischen Grundsätze entsprachen jedoch den eigenen Ansprüchen der Polis. Rat und Volk

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In der Wahrnehmung der Zeitgenossen mögen die Tätigkeiten des Kallias in Diensten des ptolemäischen Königs überwogen haben. So Shear 1978, 21. Kralli 1999/2000, 156 f. Ähnlich auch Errington 2005, 26. Scholz 2008, 77. Der Ehrenbeschluss scheint die entsprechenden Aspekte der Tätigkeit zu Gunsten der patriotischen Einstellung und der demokratischen Elemente in der Karriere allerdings nach Möglichkeit zu marginalisieren. Der Kallias des Ehrendekrets ist vornehmlich ein Bürger der Polis Athen. Gauthier 1985, 79. Vgl. Shear 2012b, 284. Zur politischen Einstellung des Kallias s. ausführlich Dreyer 1999, 104–109. 117. Grieb 2008, 82. Vgl. auch Gauthier 1982, 221–225. Rhodes/Lewis 1997, 43. 48. Bayliss 2011, 95. Dreyer/Weber 2011, 28. 79–83: Καλλίας οὐδεπώποθ’ ὑομείνας [ἄρχ]ε[σθαι κ]|αταλελυμένου τοῦ δήμου ἀλλὰ καὶ τὴν οὐσίαν τὴν ἑ[αυτοῦ]| προέμενος δόσιν δοθῆναι ἐν τεῖ ὀλιγαρχίαι ὥστε μ[ηδὲν ὑ]|πεναντίον πρᾶξαι μήτε τοῖς νόμοις μήτε τεῖ δημοκ[ρατί]|αι τεῖ ἐξ ἁπάντων Ἀθηναίων. S. auch u. S. 425. Vgl. Shear 2012b, 284 f. Die Ergänzung von Z. 79 folgt Habicht 1979, 30. Kritisch Gauthier 1982, 222. Für eine Zusammenfassung der Forschungsdiskussion s. zuletzt Knoepfler 2002, 189. Wie die Ehrendekrete für Philippides und Demochares zog der Beschluss eine Verbindung zur Überwindung der Oligarchie im Jahr 410/409 v. Chr. Shear 2012b, 286–290. Wie Im Ehrendekret für Demochares scheint gerade die Übernahme von öffentlichen Funktionen (79: [ἄρχ]ε[σθαι]) als Indiz für die Teilhabe an der Oligarchie gewertet worden zu sein. Vgl. o. S. 71 Anm. 100. 82–83: τεῖ δημοκ[ρατί]|αι τεῖ ἐξ ἁπάντων Ἀθηναίων. Vgl. Grieb 2008, 85. Shear 2012b, 284. Ein ähnliches Demokratieverständnis findet sich bereits bei Thukydides (2, 37, 1) in der fiktiven Kriegsrede des Perikles aus dem Winter des Jahres 431/430 v. Chr.: καὶ ὄνομα μὲν διὰ τὸ μὴ ἐς ὀλίγους ἀλλ᾽ ἐς πλείονας οἰκεῖν δημοκρατία κέκληται. Zur prominenten Rolle des Demos in der gesamten Inschrift s. auch Shear 2012b, 284.

δημοκρατία, ἐλευθερία, αὐτονομία

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wollten das Gemeinwesen als funktionierende Demokratie verstanden wissen und versuchten ein entsprechendes Bild auch in die Öffentlichkeit zu tragen.118 Daneben akzentuierte der Beschluss für Kallias den Beispielcharakter des Ehrendekrets und erklärte die Erzählung zum ὑπόμνημα (104) für alle Bürger. Durch die monumentale Publikation des Ehrendekrets wollte die Stadt an die großen Leistungen eines Vorzeigedemokraten erinnern und das Andenken an dessen Taten für die Zukunft als historisches Beispiel bewahren.119 Sicherlich bedeutete die Stele zunächst auch eine besondere Anerkennung für Kallias und sollte dem Gedenken an dessen außergewöhnliche Leistungen dienen. Ehre und Anerkennung definierten sich im demokratischen Athen jedoch vornehmlich über Verdienste um Freiheit und Demokratie oder über die Rettung des Demos aus bedrohlichen Notlagen. Die Auszeichnung für eine Einzelperson war damit auf das Engste mit der Ideologie und dem Wertesystem der Polis verknüpft. Die vier im demokratischen Athen der Jahre 287–262 v. Chr. verabschiedeten Beschlüsse erwähnten – etwa im Gegensatz zu den Ehrendekreten für Euphron und Lykourgos – zudem mit keinem Wort die herausragenden Vorfahren der ausgezeichneten Bürger. Gerade im Beschluss für Demochares hätte sich ein Hinweis auf den Onkel Demosthenes, der wenige Jahre zuvor ebenfalls mit einem Ehrendekret bedachten worden war, angeboten. Vor dem demokratischen Hintergrund mag die Erwähnung von langen Familientraditionen – im Ursprung vermutlich ein aristokratisches Element der Selbstdarstellung – als unpassendes Lob empfunden worden sein.120 In der Demokratie zählten vornehmlich die persönlichen Verdienste der einzelnen Personen und nicht berühmte Namen oder eine große Familientradition. Die vorbildlichen Demokraten wurden lediglich auf Grund der eigenen Leistungen und nicht wegen der großen Vorfahren als Beispiele präsentiert. Zumindest in der Theorie konnten sich demnach auch Bürger aus einfachen Familienverhältnissen um die Polis verdient machen. Das Aussparen der Familientradition und die Konzentration auf persönliche Leistungen scheinen typische Elemente der Ehrendekrete aus demokratischen Kreisen gewesen zu sein. Die Wertvorstellungen und die ideologischen Aussageintentionen versuchten die Initiatoren der Beschlüsse demnach sogar bis in die einzelnen Details der Erzählungen umzusetzen.

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Zur Bedeutung der Stele für die Verbreitung von demokratischen Grundsätzen s. ebd. 286. Luraghi 2010, 259 f. Wie das Ehrendekret war vermutlich auch die Statue des Kallias ein Monument für Freiheit und Demokratie. Durch eine direkte Sichtverbindung zum Heiligtum des Zeus Eleutherios hatte das Bildnis auch einen räumlichen Bezug zur Freiheit der Polis. Krumeich/Witschel 2009, 206. Shear 2012b, 290–292. Zur Statue des Kallias s. auch Oliver 2007, 196. 199. Vgl. Dreyer 1999, 104.

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Ehrendekrete als Mittel zur Verbreitung von politischen Ideologien

2.3 Makedonische Fremdherrschaft und erneute Freiheitsbestrebungen Bis zur Verabschiedung des Ehrendekrets für Phaidros von Sphettos – den vermutlich älteren Bruder des Kallias – in den Jahren um 255/254 v. Chr. hatten die politischen Umstände in Athen ein weiteres Mal eine grundlegende Veränderung erfahren.121 Nach der Niederlage im Chremonideischen Krieg war die Polis im Jahr 263/262 v. Chr. erneut unter makedonische Fremdherrschaft geraten.122 In den ersten Jahren der Besatzung lagen die Geschicke der Stadt in den Händen des königlichen Kommissars Demetrios von Phaleron.123 Im Jahr 255/254 v. Chr. gab König Antigonos den Athenern die – wenn auch weiterhin sehr beschränkte – Freiheit zurück. Die königliche Oberhoheit blieb jedoch bis zum Jahr 229/228 v. Chr. unangefochten bestehen. Das Ehrendekret für Phaidros widmete sich in einem ausführlichen Abschnitt zunächst den Leistungen der Vorfahren (1–18).124 Der Beschluss unterschied sich damit in der Darstellung bereits in einem entscheidenden Punkt vom Ehrendekret für den Bruder Kallias und gab bereits einen ersten Hinweis auf die politische Ausrichtung der Polis zum Abfassungszeitpunkt des Beschlusses. Das Ehrendekret für Kallias hatte die Verdienste der Vorfahren noch mit keinem Wort erwähnt. Eine lange Familientradition passte schon an sich nicht zu den demokratischen Grundsätzen der Polis Athen. War das politische Programm wie bei den Vorfahren der beiden Brüder zudem noch auf einen freundschaftlichen Ausgleich mit Makedonien angelegt, wäre deren prominente Erwähnung in einem Beschluss der freien Polis Athen wenige Jahre nach der Befreiung von der makedonischen Fremdherrschaft und der Rückkehr zur Demokratie nicht vorzustellen gewesen.125 Die Erzählung im Beschluss für Phaidros ging hingegen in weiten Teilen sogar noch über die üblichen Allgemeinplätze hinaus und berichtete im Detail über historische Ereig121

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IG II/III2 682 = II/III3 1, 4, 985. Der Beschluss ist am Beginn verloren und lässt sich deshalb nur ungefähr in die 50er Jahre des 3. Jhdts. v. Chr. datieren. Ein möglicher Zeitpunkt der Verabschiedung ist das Jahr 255/254 v. Chr. Zum Chremonideischen Krieg und seinen Folgen s. Habicht 1995a, 147–153. Zusammenfassend Rhodes/Lewis 1997, 49–52. Dreyer 1999, 371–373. Grieb 2008, 95–99. Habicht 1995a, 154–158. Der gleichnamige Staatsmann der Jahre 317–307 v. Chr. war vermutlich der Großvater des makedonischen Funktionärs. Der Anfang des Ehrendekrets für Phaidros ist verloren. Der erhaltene Text setzt im Motivbericht ein und beginnt mit dem Abschnitt zu den militärischen Erfolgen des Vaters Thymochares. Im vorangegangenen Abschnitt muss jedoch bereits von den Taten des Großvaters die Rede gewesen sein. Dreyer 1999, 104. 108. Zur promakedonischen Einstellung der Familie s. auch Shear 1978, 11. Gauthier 1982, 226. Paschidis 2008, 140. Vgl. Scholz 2008, 92. Dreyer/Weber 2011, 33. Das Verschweigen der Vorfahren im Ehrendekret für Kallias war demnach – wie in den anderen Ehrendekreten der Zeit vor 263/262 v. Chr. – demokratischen Ideologien und nicht der Ausrichtung des Beschlusses auf die Karriere im Dienst der ptolemäischen Könige geschuldet. So jedoch Errington 2005, 26. Vgl. o. S. 75.

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nisse wie den Krieg auf Kypros, den Sieg über Glauketas oder die Belagerung von Oreos.126 Die einzelnen Abschnitte datierte die Erzählung in der Art einer Familienchronik jeweils durch die Nennung der eponymen Archonten. Auch Phaidros selbst zeigte die Erzählung tendenziell als Freund der makedonischen Könige. Die Darstellung des politischen Engagements folgte der chronologischen Ordnung der Ereignisse.127 Die einzelnen Tätigkeiten waren – wie im Abschnitt über die Verdienste der Vorfahren – in der Regel durch die Nennung der eponymen Archonten datiert. Bereits zur Zeit der makedonischen Fremdherrschaft und der politischen Unfreiheit der Polis Athen hatte Phaidros öffentliche Funktionen übernommen und sich für die Belange der Stadt eingesetzt (18–30).128 Die Darstellung unterschied sich damit erneut in einem entscheidenden Punkt von den Ehrendekreten der demokratischen Zeit. Gute Demokraten enthielten sich in Zeiten der Fremdherrschaft des politischen Tagesgeschäfts.129 Wie sein Bruder Kallias hatte sich Phaidros auch am Aufstand des Jahres 287 v. Chr. beteiligt (30–52).130 Das vorrangige Bemühen galt vermutlich jedoch einem Ausgleich mit Makedonien und einem guten persönlichen Verhältnis zu Demetrios Poliorketes – von dem letztlich aber wohl auch die Polis profitieren konnte. Der entsprechende Abschnitt des Beschlusses war zu einem späteren Zeitpunkt in weiten Teilen eradiert worden und blieb lediglich in Bruchstücken erhalten. Die entfernten Textpassagen können sich jedoch nur auf den makedonischen König Demetrios Poliorketes und dessen Verhältnis zu Phaidros bezogen haben. Der wahrscheinlichste Zeitpunkt für die Eradierung wären demnach die Jahre des makedonischen Krieges um 200 v. Chr.131 Bei der Bearbeitung der Passage verfolgten die damaligen Verantwortlichen in der Polis offensichtlich ein bewusstes Konzept. So ließen die nachträglichen Redaktoren innerhalb des eradierten Abschnitts einzelne Teilsätze, die ohne Kontext insbesondere die demokratische Einstellung des Phaidros zu loben schienen, unangetastet stehen (38–40/41–42/44–47). Schlagworte waren die bekannten Ideale δημοκρατία, ἐλευθερία und αὐτονομία sowie die Beständigkeit der Rechtsordnung und die absolute Gültigkeit der Beschlüsse von 126

Vgl. Dreyer 1999, 24–26. Kralli 1999/2000, 158. 128 Zur Tätigkeit des Phaidros s. Habicht 1979, 48–62. Lanciers 1987, 77. Dreyer 1999, 31– 33. 94 f. Grieb 2008, 98 Anm. 446. Paschidis 2008, 141–144. Dreyer/Weber 2011, 29. 33. Shear 2012b, 280. 298. Miller 2016, 417. 129 Die Ehrendekrete für Demochares und Kallias lobten explizit den Verzicht auf die Bekleidung von öffentlichen Funktionen während der Oligarchie. S. o. S. 71 Anm. 100. 74 Anm. 115. 130 Zur Beteiligung des Phaidros am Aufstand s. Osborne 1979, 185–189. Lanciers 1987, 69. Quaß 1993, 85 f. Dreyer 1999, 105. 189. Paschidis 2008, 141–143. Shear 2012b, 281. 298. Miller 2016, 417. Zum Verlauf des Aufstands s. ausführlich Dreyer 1999, 204–223. 131 Von der Zerstörung von makedonischen Denkmälern um 200 v. Chr. berichtet auch Livius (33, 44, 4–6). S. dazu ausführlich Flower 2006, 34–41. Vgl. auch Shear 1978, 11. Kralli 1999/2000, 159. Luraghi 2010, 255. Shear 2012b, 298. 127

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Rat und Volk. Durch die Eradierungen erweckte der Abschnitt zunächst den Eindruck, auch Phaidros hätte wie sein Bruder Kallias zu den überzeugten Demokraten gehört – oder wäre von den Verfassern des Beschlusses zumindest als eine Person mit entsprechenden Ansichten präsentiert worden.132 Die ursprüngliche Erzählung, die sich zumindest dem Sinn nach rekonstruieren lässt, stilisierte Phaidros vermutlich jedoch nicht einseitig zu einem idealen und vorbildlichen Demokraten. Wichtig waren stattdessen – gerade vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund der Jahre um 255/254 v. Chr. – die guten und auf eine lange Familientradition zurückgehenden Beziehungen zum makedonischen Königshaus.133 Die einseitige Darstellung des Beschlusses mag der politischen Einstellung des verdienten Bürgers, der sich auch in den Jahren der athenischen Unabhängigkeit nach 287 v. Chr. noch in öffentlichen Funktionen wie der Agonothesie betätigte (53–64), nicht gerecht geworden sein. Vermutlich war Phaidros vornehmlich zu den patriotischen Athenern und nicht zu den dezidierten Freunden der Makedonen zu zählen.134 Zu den radikalen Demokraten wird er – im Gegensatz zu seinem Bruder Kallias – aber auch nicht gehört haben. Ähnlich wie Philippides aus Paiania verstand sich Phaidros vermutlich an unterschiedliche politische Gegebenheiten anzupassen und wird als vermittelnde Figur durch seine realistische Politik insbesondere in den Jahren der erneuten makedonischen Fremdherrschaft nach dem Jahr 263/262 v. Chr. für eine Ehrung prädestiniert gewesen sein.135 Ein weiteres Mal hatte erst ein Umsturz der politischen Verhältnisse die Auszeichnung eines makedonienfreundlichen Politikers ermöglicht. Durch das Ehrendekret versuchten Rat und Volk die guten Beziehungen Athens zu den makedonischen Königen zum Ausdruck zu bringen ohne ihre demokratischen Interessen vollständig fallen zu lassen. Die Karriere des Phaidros eignete sich vermutlich am besten für entsprechende Zwecke. Der verdiente Bürger hatte sicherlich nicht ausschließlich eine makedonienfreundliche Politik verfolgt. Dennoch ließen sich genügend Aspekte seiner Tätigkeit in eine entsprechende Richtung interpretieren.136 Anhand der Vorfahren des Phaidros konnte Athen sogar eine lange Tradi132

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Zur Dehnbarkeit von Begriffen wie Demokratie und Freiheit s. Habicht 1995a, 97. 144. Vgl. Osborne 1979, 187. Rhodes/Lewis 1997, 47. Dreyer 1999, 15. 103. 146. Grieb 2008, 84 Anm. 357. Dreyer/Weber 2011, 27–31. Miller 2016, 419. Der Kontrast zur Karriere des Kallias ist demnach vermutlich den Umständen der Entstehungszeit geschuldet. Eine bewusste Abgrenzung des Phaidros von seinem Bruder lässt die Erzählung nicht erkennen. So jedoch Errington 2005, 27. Vgl. Paschidis 2008, 142. Zum Verhältnis der beiden Brüder s. auch Dreyer 1999, 107–109. Habicht 1995a, 159. Dreyer 1999, 108. Grieb 2008, 98 Anm. 446. Miller 2016, 417. 419. Zur politischen Haltung des Phaidros s. auch Paschidis 2008, 140–145. Shear 2012b, 280 f. 298. Dreyer 1999, 104. 108. Vgl. Luraghi 2010, 255. Shear 2012b, 298. Miller 2016, 418. Shear 1978, 10. Ähnlich Kralli 1999/2000, 159. Dennoch ist in Phaidros sicherlich nicht ausschließlich ein «Makedonenfreund» zu sehen. Habicht 1995a, 159. Vgl. bereits ­Osborne 1979, 189. Gauthier 1982, 225 f.

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tion an guten Beziehungen der Stadt zu den makedonischen Herrschern konstruieren. Zugleich mag die Aufstellung des Beschlusses nach der Absetzung des Demetrios auch den Anspruch der Polis auf eine Erweiterung der eigenen Kompetenzen zum Ausdruck gebracht haben.137 Mit der Ehrung waren demnach auf mehreren Ebenen erneut auch politische Aussagen verbunden. Die Darstellung der guten Beziehungen des Phaidros und somit wohl auch der Stadt Athen zu Demetrios Poliorketes muss durch das Ehrendekret einen deutlichen Ausdruck gefunden haben.138 Während der Auseinandersetzung mit Makedonien in den Jahren um 200 v. Chr. scheinen einzelne Formulierungen des Beschlusses so störend und unpassend gewirkt zu haben, dass Rat und Volk beschlossen, die entsprechenden Passagen aus der Inschrift zu entfernen. Vor dem Hintergrund der politischen Situation in den Jahren um 255/254 v. Chr. war der entsprechende Abschnitt jedoch auch mit demokratischen Akzenten verbunden. Bei der späteren Redaktion erfolgte dementsprechend lediglich die teilweise Eradierung der Passage. Als öffentliches Monument war die Stele mit dem Ehrendekret für Phaidros auch viele Jahre nach der Aufstellung in der öffentlichen Wahrnehmung präsent. Gerade in der nachträglichen Eradierung von einzelnen Passagen des Beschlusses zeigte sich – wie etwa auch in der Zerstörung der Ehrenmonumente für Euphron – die große Relevanz der dauerhaften Publikation von Ehrendekreten im Kontext der politischen Debatten des frühhellenistischen Athen. Außer dem Beschluss für Phaidros publizierte die Polis Athen in der Zeit der makedonischen Fremdherrschaft vermutlich keine weiteren Ehrendekrete für eigene Bürger. Erst in der Zeit der erneuten Unabhängigkeit nach dem Tod des Königs Demetrios II. im Jahr 229 v. Chr. begannen Rat und Volk wieder mit der Errichtung von entsprechenden Monumenten.139 Die Brüder Eurykleides und Mikion gehörten in den ersten Jahrzehnten nach der Befreiung der Stadt zu den führenden Persönlichkeiten in der Bürgerschaft und waren maßgeblich für die athenische Neutralitätspolitik verantwortlich.140 Neben dem athenischen Volk wurde den beiden Brüdern der entscheidende Anteil an der erneuten Freiheit der Polis zugeschrieben.141 Zu den wichtigsten Erfolgen der Polis zählte die langersehnte Rückgewinnung des Piräus

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Das Ende der Herrschaft des Demetrios von Phaleron und der Abzug der makedonischen Truppen aus dem Stadtgebiet mögen die konkreten Hintergründe für die Ehrung des Phaidros gebildet haben. Bei der unsicheren Datierung des Beschlusses muss jede Kontextualisierung jedoch Spekulation bleiben. Trotz der zeitlichen Nähe zeigten die Ehrendekrete für Kallias und Phaidros große Unterschiede bei der Darstellung der Beziehungen zwischen der Stadt und den makedonischen Königen. Luraghi 2010, 255. Shear 2012b, 298. Zur Befreiung Athens im Jahr 229 v. Chr. s. Rhodes/Lewis 1997, 53. Zu den beiden Brüdern s. ausführlich Paschidis 2008, 187–194. Vgl. Rhodes/Lewis 1997, 36. 53. Habicht 1995a, 176. 197. Dreyer 1999, 155. 191. Zur Neutralitätspolitik vgl. auch Quaß 1993, 96 f. Grieb 2008, 110–113. Grieb 2008, 99–101.

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und der Festungen im Umland der Stadt – schon seit 287 v. Chr. ein erklärtes Ziel der athenischen Politik.142 Vermutlich in den Jahren 229–200 v. Chr. verabschiedeten Rat und Volk einen Beschluss zu Ehren des Eurykleides.143 Mikion fand im Motivbericht lediglich mehrfache Erwähnung im Zusammenhang mit den Aktivitäten seines Bruders, könnte von der Polis aber auch durch einen eigenen Beschluss ausgezeichnet worden sein.144 Die neuen Helden der Freiheit hatten sich insbesondere bei der Rückgewinnung des Hafens und der Festungen große Verdienste erworben (10– 12).145 In der Folge bemühten sich Eurykleides und Mikion um die Befestigung der Häfen und die Instandhaltung der Mauern und vermittelten Bündnisse mit anderen griechischen Städten (14–17).146 Daneben berichtete das Beschlussfragment über finanzielle Aktivitäten des Eurykleides und erwähnte ein Engagement für die öffentlichen Feste der Stadt (17–27).147 Die Ehrungen des bedeutenden Politikers werden im Umfang den bekannten Auszeichnungen für herausragende Personen aus dem frühhellenistischen Athen entsprochen haben.148 Zunächst bedeuteten die Privilegien sicherlich eine besondere Anerkennung für herausragende Leistungen. Insbesondere die Publikation des Beschlusses war zugleich jedoch erneut mit politischen Aussageintentionen verbunden. Rat und Volk von Athen gedachten in der Erzählung über die Leistungen des verdienten Politikers der neugewonnenen Freiheit und feierten die langersehnte Rückeroberung des Piräus. Mit der Aufstellung der Stele errichtete die Stadt dementsprechend ein dauerhaftes Monument für die Erfolge der eigenen Politik und erinnerte an die politische Unabhängigkeit. Unter dem eponymen Archon Charikles im Jahr 184/183 v. Chr. – und damit vermutlich geraume Zeit nach dem Beschluss für Eurykleides – verabschiedeten Rat und Volk das Ehrendekret für Kephisodoros.149 Wenige Jahre vor der Annahme des Beschlusses war der Krieg gegen den makedonischen König Philipp V. zu Ende gegangen. Als Verbündete der Römer stand die Polis Athen auf der Seite der Sieger. Auf den Friedensschluss des Jahres 196 v. Chr. folgte eine lange Friedensphase, die bis zum Beginn der Mithradatischen Kriege im Jahr 88 v. Chr. andauern sollte. Das 2. Jhdt. v. Chr. war zugleich die Zeit der allmählichen Ausbreitung der römischen

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Dreyer 1999, 235–239. Paschidis 2008, 188. IG II/III2 834 = II/III3 1, 5, 1160. Zur Inschrift s. auch ausführlich Habicht 1982, 118– 127. Der Beschluss ist bis auf einen Ausschnitt aus dem Motivbericht verloren. Die Inschrift erlaubt auf Grund des fragmentarischen Zustandes nur eine ungefähre Datierung in die Jahre 229–200 v. Chr. Reste eines entsprechenden Monuments existieren jedoch nicht. Vgl. Rhodes/Lewis 1997, 53. Zum Engagement für die Befestigungen s. Maier 1959, 76–80. Vgl. Quaß 1993, 90. Zu den innenpolitischen Leistungen der beiden Brüder s. Paschidis 2008, 187–189. Habicht 1982, 124. Gauthier 1985, 79. Sichere Aussagen über die verliehenen Privilegien erlaubt der Erhaltungszustand der Inschrift jedoch nicht. IG II/III3 1, 5, 1292. Vgl. Meritt 1936 Nr. 15.

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Macht im östlichen Mittelmeerraum und der zunehmenden Abhängigkeit der griechischen Städte von den Entscheidungen in Rom. Der offizielle Antragsteller des Volksbeschlusses für Kephisodoros war Sodamos aus Oie. Zuvor hatte Kephisodoros jedoch bereits selbst seine ihm nach Recht und Gesetz zustehenden Ehrungen vor der Volksversammlung eingefordert (31–37). Die im Antrag des Sodamos vorgebrachten Begründungen dürften demnach weitgehend mit den Argumenten des Kephisodoros übereingestimmt haben. Auch bei anderen Ehrendekreten werden die ausgezeichneten Bürger – sofern sie noch am Leben waren – einen gewissen Einfluss auf die Beschlüsse genommen haben.150 Vor Kephisodoros scheinen die ausgezeichneten Personen die eigenen Ehrungen in der Regel jedoch nicht durch eine Rede vor der Volksversammlung eingefordert zu haben. Zumindest die offizielle Initiative der Anträge lag bei dritten Personen.151 In einigen Fällen gingen die Beschlussvorlagen jedoch auf die Initiative von Familienangehörigen oder Freunden der verdienten Bürger zurück.152 Kephisodoros konnte auf eine 30-jährige politische Karriere zurückblicken (9). Sein Wirken fiel damit weitgehend in die Zeit nach der erneuten Unabhängigkeit der Polis Athen im Jahr 229 v. Chr. und war durch die Übernahme von zahlreichen Polisfunktionen und Liturgien gekennzeichnet (7–22).153 In weiten Teilen verzichtete der Motivbericht jedoch auf die ausführliche Beschreibung einzelner Leistungen und zeichnete stattdessen ein allgemeines Idealbild von der Tätigkeit eines guten Bürgers. Seine wichtigsten Erfolge hatte Kephisodoros während der Auseinandersetzungen mit Makedonien in den Jahren zwischen 200–196 v. Chr. erzielt (22–31). Im Jahr 200 v. Chr. sowie im Winter 198/197 v. Chr. war der engagierte Bürger zu zwei Gesandtschaftsreisen nach Rom aufgebrochen.154 Das Ehrendekret sprach in diesem Zusammenhang lediglich in allgemeinen Worten von πρεσβείας (…) ὑπὲρ [τῶν] μεγίστων εἰς σωτηρίαν ταῖς πόλεσιν καὶ τῆι χώραι (22–23) – für die Zeitgenossen

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Ausführlich Gauthier 1985, 83–88. S. auch Errington 2005, 25 f. Luraghi 2010, 259. «Autobiographien» waren die Ehrendekrete damit in der Regel vermutlich nicht. So jedoch Errington 2005, 26. S. auch u. S. 427. So beantragte Demochares das Ehrendekret für seinen Onkel Demosthenes. Der Beschluss für Demochares wurde wiederum auf Initiative von dessen Sohn Laches verabschiedet. S. o. S. 68. 70. Zur Charakterisierung der politischen Tätigkeit s. Gehrke 2003, 234. Vgl. Dreyer/Weber 2011, 32. Zur Stellung des Kephisodoros in Athen s. auch Rhodes/Lewis 1997, 36. Paschidis 2008, 201–203. Die beiden Gesandtschaftsreisen sind auch aus literarischen Quellen bezeugt. Paus. 1, 36, 5 f. Vgl. Meritt 1936, 426 f. Quaß 1993, 98. Dreyer 1999, 137 Anm. 104. Paschidis 2008, 201–203. Zur historischen Situation s. allgemein Habicht 1995a, 197–206. Golan 2000, 227–230.

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des Kephisodoros aber sicherlich eine unmissverständliche Formulierung.155 Diplomatische Erfolge gewannen für die Polis Athen, deren militärische Stärke allmählich zu schwinden begann, zunehmend an Bedeutung.156 Ab dem 2. Jhdt. v. Chr. musste insbesondere ein gutes Verhältnis zu den Römern im Interesse der Stadt liegen.157 Gute Beziehungen nach Rom hingen in der Regel von persönlichen Kontakten ab. In der Folge gewannen einzelne Personen mit entsprechenden Verbindungen in den griechischen Städten zunehmenden Einfluss. Kephisodoros bewahrte der Polis Athen durch sein Engagement die Autonomie und trug zugleich zum Wohl von zahlreichen Griechen bei (28–31). Werte wie δημοκρατία und ἐλευθερία, die noch vor einem halben Jahrhundert bei der Begründung von Ehrendekreten einen wichtigen Kern der Erzählungen ausgemacht hatten, erwähnte der Beschluss jedoch nicht. Den einflussreichen Bürger präsentierte der Beschluss vornehmlich als einen erfolgreichen Gesandten und überzeugten Patrioten und nicht als einen radikalen Demokraten. Das Ehrendekret blieb aber weiterhin bürgerlichen Werten verpflichtet und berichtete von Gesetzesvorlagen und Ratschlägen. Die Vorstellungen von einem vorbildlichen Engagement um die Polis scheinen sich jedoch allmählich verändert zu haben. Für das Wohl der Heimatstadt ergriff Kephisodoros zunehmend selbst die Initiative. Der Motivbericht präsentierte seine Politik in der Tendenz als eigenständige Handlungen. Sogar die eigenen Ehrungen beantragte Kephisodoros selbst (33–37). Die Initiative lag nicht ausschließlich bei der Volksversammlung und konnte auch von einzelnen Personen ergriffen werden. In der Praxis mögen einzelne Personen stets entscheidenden Einfluss auf die Politik der Städte gehabt haben. Das Ehrendekret für Kephisodoros zeigte in der Darstellungsweise jedoch – insbesondere im Vergleich mit älteren Beschlüssen für athenische Bürger – eine gestiegene Bedeutung des Individuums. Einzelne Personen traten der Polis mit zunehmendem Selbstbewusstsein gegenüber und begannen das politische Feld zu monopolisieren. Zum ersten Mal erhielt mit Kephisodoros ein Bürger aus Athen in einem Beschluss gleich zwei Standbilder (52–53).158 Die Ver-

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Zur auffälligen Tendenz der Inschrift zu allgemeinen Formulierungen vgl. Luraghi 2010, 254. Eine Rücksichtname der Polis auf den gegenwärtigen Feind, der zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Freund hätte werden können, waren die allgemeinen Formulierungen vermutlich nicht. So jedoch Golan 2000, 227 Anm. 4. Wie mit Inschriften nach einem Politikwechsel umgegangen werden konnte, zeigt etwa die Eradierung der unpassenden Passagen aus dem Ehrendekret für Phaidros. S. o. S. 77 f. Der Plural πόλεσιν bezieht sich vermutlich auf Athen und den Piräus und verdeutlicht – insbesondere in Verbindung mit χώρα – programmatisch die Verdienste des Kephisodoros um die Einheit der Polis. Ähnlich Kralli 1999/2000, 160. Zur Bündnispolitik des Kephisodoros s. auch Quaß 1993, 97 f. Zu den zeitgeschichtlichen Hintergründen des Ehrendekrets s. auch Golan 2000, 228– 230. Zur Aufstellung der Statuen s. auch Oliver 2007, 196.

Makedonische Fremdherrschaft und erneute Freiheitsbestrebungen

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dopplung der Ehrenstatuen mag ein Hinweis auf die allmähliche Ausweitung der verliehenen Ehrungen und die zunehmende Bedeutung von einzelnen Bürgern sein – ein im Verlauf des Hellenismus auch in anderen Städten zu beobachtendes Phänomen.159 Die Aufstellung des zweiten Standbildes ausgerechnet im symbolträchtigen Piräus, dessen Rückgewinnung über lange Jahre zu den erklärten Zielen der athenischen Politik gehört hatte, war vermutlich jedoch auch ein politisches Zeichen und sollte die Besitzansprüche der Polis auf die Hafenstadt, die sich nach langen Auseinandersetzungen endlich wieder unter der eigenen Kontrolle befand, untermauern.160 Aus dem gleichen Grund mag auch die Versammlung, in der das Ehrendekret für Kephisodoros beschlossen wurde, im Piräus stattgefunden haben (4). Die Beschlüsse für Eurykleides und Kephisodoros standen in der Tradition der Ehrendekrete aus der ersten Hälfte des 3. Jhdts. v. Chr. Insbesondere bei den Entscheidungen über die Errichtung der Stelen scheint das politische Kalkül der Polis eine entscheidende Rolle gespielt zu haben. Ein weiteres Mal wurde die Auszeichnung von engagierten Verfechtern eines autonomen Staatswesens erst durch politische Veränderungen ermöglicht. Über die Erinnerung an die Leistungen von führenden Persönlichkeiten verbreitet Rat und Volk die eigenen Vorstellungen von der idealen Verfassung der Polis. Zugleich zeigten sich in den Beschlüssen jedoch auch die allmählichen Veränderungen in der politischen Landschaft.161 Insbesondere im Beschluss für Kephisodoros spielten die Ideale von Freiheit und Demokratie lediglich eine Nebenrolle. In allgemeinen Worten zeichnete der Motivbericht weiterhin das Idealbild eines guten Bürgers im Einsatz für das Wohl der Polis.162 Die Erzählung präsentierte Kephisodoros jedoch als besonnenen Staatsmann und nicht als radikalen Vorkämpfer für Freiheit und Demokratie. Die Zeit der politischen Auseinandersetzungen und der Umstürze des 3. Jhdts. v. Chr. war vorbei und wich mit der römischen Vormachtstellung einem langandauernden Frieden. Gerade die politische Dimension der Ehrendekrete scheint im Frühhellenismus jedoch stets einen wichtigen Anlass für die Errichtung der entsprechenden Stelen gegeben zu haben. In der Folge der langen Friedenszeit verloren die Monumente demzufolge vermutlich eine wichtige Daseinsberechtigung. Vielleicht war der Beschluss für Kephisodoros aus diesem Grund auch das letzte Ehrendekret der Polis für einen eigenen Bürger mit politischem Hintergrund. Für Rat und Volk scheint die Errichtung von 159 160

161 162

Zur Zunahme von Ehrungen im späten Hellenismus s. u. S. 383. 402. Auch Eurykleides mag wenige Jahre zuvor bereits eine zweite Statue im Piräus erhalten haben – hatte der Politiker doch gerade bei der Rückgewinnung des Hafens eine entscheidende Rolle gespielt. Vgl. Dreyer 1999, 155. 190–192. Grieb 2008, 101. Zur Polis Athen ab dem Ende des 3. Jhdts. v. Chr. s. auch Rhodes/Lewis 1997, 53–55. Zur allgemeinen Wortwahl der Erzählung s. bereits o. S. 82 Anm. 155. Ein Bezug zwischen der Abfassungszeit und der Tendenz zu allgemeinen Formulierungen wurde in der Forschung jedoch nicht hergestellt.

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entsprechenden Monumenten nicht mehr von vorrangigem Interesse gewesen zu sein. Selbst Kephisodoros konnte seine Auszeichnungen lediglich durch einen eigenen Antrag erreichen. In den Grundstrukturen waren auch die Beschlüsse für die Agonotheten der Theseia aus der Mitte des 2. Jhdts. v. Chr. Ehrendekrete für eigene Bürger.163 Die Publikation erfolgte in der Regel jedoch nicht auf eigenständigen Monumenten. Stattdessen standen die Beschlüsse stets im Zusammenhang mit der Aufzeichnung der Siegerlisten der Theseia. Die verabschiedeten Ehrendekrete stimmten beinahe im Wortlaut überein und unterschieden sich lediglich in der Datierung und den jeweils von den Festspielleitern für die Wettkämpfe und die Durchführung der Opfer aufgewendeten Geldbeträgen. Offensichtlich verwendeten Rat und Volk bei der Ehrung der Agonotheten eine Standardvorlage. Eine originelle Auszeichnung war mit den Beschlüssen für die Festspielleiter der Theseia nicht verbunden. Hauptzweck war die Dokumentation der für die Feiern aufgewendeten Geldbeträge. Ohne die Verbindung mit den Siegerlisten hätten die Beschlüsse vielleicht sogar nie eine dauerhafte Aufzeichnung erfahren. Einzig zwei fragmentarische Stelen aus der Mitte des 2. Jhdts. v. Chr. enthielten möglicherweise eigenständige Ehrendekrete für verdiente Bürger. In den Jahren nach 144/143 v. Chr. ließ die Polis ein Monument mit zwei Beschlüssen für Miltiades aus Marathon errichten.164 Der zweite Beschluss enthielt vermutlich sogar Informationen über das Leben und Wirken des Bürgers in Athen.165 Das Engagement scheint sich jedoch erneut vornehmlich auf städtische Feste – etwa auf die Tätigkeit als Agonothet bei den Panathenäen – konzentriert zu haben.166 Für sein Engagement erhielt Miltiades von Rat und Volk Ehrungen in unbekanntem Umfang. Daneben mögen auch die Fragmente eines Beschlusses für eine unbekannte Person aus der Mitte des 2. Jhdts. v. Chr. ein Ehrendekret für einen eigenen Bürger gewesen sein.167

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167

IG II/III2 956–965. IG II/III2 968. Über Inhalt und Intention der Beschlüsse lassen sich auf Grund des schlechten Zustands der Stele jedoch kaum gesicherte Aussagen treffen. Miltiades war ebenfalls Agonothet bei den Theseia. IG II/III2 958. Die Konzentration des Beschlusses auf Feste mag einen allgemeinen Wandel in den Wertvorstellungen der Polis andeuten. Entsprechende Phänomene sind im Späthellenismus auch in anderen Regionen der griechischen Welt zu beobachten. S. zusammenfassend u. S. 399. IG II/III2 966. Sichere Aussagen über den Inhalt der Inschrift erlaubt der schlechte Erhaltungszustand nicht.

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2.4 Ehrendekrete als Träger von politischen Ideologien Die Ehrung von eigenen Bürgern scheint im frühhellenistischen Athen insgesamt eine seltene Praxis gewesen zu sein und wird dementsprechend stets auch eine besondere Auszeichnung für die jeweiligen Personen bedeutet haben. Die Entscheidung über die Auszeichnung eines Bürgers wurde in den meisten Fällen jedoch zugleich auch von politischen Motiven geleitet. Einzelne Gruppen in der Polis nutzten die Vergabe von Privilegien zur Durchsetzung von eigenen Interessen und forcierten die Auszeichnung von Vertretern der eigenen Politikrichtung. Vor dem Hintergrund der jeweiligen Machtkonstellationen konnten sich in der Regel nur Personen mit der «richtigen» Einstellung Hoffnung auf eine öffentliche Anerkennung durch die Polis machen. Zahlreiche Ehrungen wurden in der Folge zu politischen Statements von Teilen der Bürgerschaft. Politische Relevanz erhielten die Auszeichnungen in der öffentlichen Wahrnehmung insbesondere durch die dauerhafte Publikation der jeweiligen Beschlüsse auf beschriebenen Stelen. Eradierungen oder die gezielte Zerstörung von Inschriftenträgern zeugten von der Bedeutung der Monumente im innerstädtischen Diskurs der Polis. Die ideologischen Potentiale der Ehrendekrete zur langfristigen Verbreitung der eigenen Ansichten scheinen Rat und Volk erst zum Ende des 4. Jhdt. v. Chr. als probates Mittel der politischen Auseinandersetzung entdeckt zu haben. Insbesondere die erweiterten Motivberichte mit den ausführlichen Karrierebeschreibungen gewannen ab dem Frühhellenismus als Mittel der öffentlichen Kommunikation zunehmend an Bedeutung und wurden von einzelnen Gruppierungen in der Polis für politische Aussagen und ideologische Statements genutzt.168 Die veröffentlichten Ehrendekrete konnten zudem zur bewussten Konstruktion der kollektiven Vergangenheit dienen. Die Stelen wurden in diesem Zusammenhang zu Monumenten für die politischen Erfolge und Ziele der Stadt. Ebenso trugen die Beschlüsse zum Ansehen der Polis bei.169 In den ausgezeichneten Personen ehrte die Stadt nicht zuletzt ein Mitglied der eigenen Gemeinschaft. Die Leistungen und Erfolge des Einzelnen waren stets auch ein Verdienst der Stadt – definierte sich doch gerade eine griechische Polis als Gemeinschaft von freien und gleichen Bürgern über den Bürgerverband. Zu einem Teil waren Ehrendekrete für eigene Bürger damit gleichsam Monumente für die Stärke und Souveränität der gesamten Bürgerschaft. In der Polis Athen zeigte sich die Identifikation der Stadt mit den eigenen Bürgern etwa in den postumen Ehrendekreten für Lykourgos und Demosthenes. Mit der Errichtung der Monumente erinnerten Rat und Volk an die eigene Stärke und die große Ver-

168 169

Ausführlich Luraghi 2010. 255–259. Luraghi unterstreicht gleichzeitig aber auch noch einmal den Ausnahmecharakter der athenischen Praxis. Vgl. auch Errington 2005, 24. S. auch o. S. 43.

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gangenheit der Stadt.170 Die Beschlüsse trugen damit ebenso zum Ansehen der Polis wie zur Ehre der Verstorbenen bei. In manchen Fällen mag erst die ideologische Bedeutung im Kontext von innenpolitischen Auseinandersetzungen den Ausschlag zur Aufzeichnung der Ehrendekrete gegeben haben. Die bewegte Geschichte des frühhellenistischen Athen – geprägt von zahlreichen harten Auseinandersetzungen und radikalen Politikwechseln – war dementsprechend zugleich die Konjunkturphase für die Aufstellung von entsprechenden Monumenten. Mit der allmählichen Beruhigung der innenpolitischen Lage zum Beginn des 2. Jhdts. v. Chr. verschwanden die Ehrendekrete aus der epigraphischen Landschaft der Stadt.171 Sowohl den Unterstützern der Fremdherrschaft als auch den demokratischen Kreisen diente die Auszeichnung von eigenen Parteigängern zur Verbreitung der jeweiligen Ansichten. Die entsprechenden Beschlüsse standen demnach in vielen Fällen in direktem Zusammenhang mit aktuellen Ereignissen und spiegelten die politischen Entwicklungen in der frühhellenistischen Polis.172 Wie schon in der klassischen Zeit nutzten insbesondere demokratische Gruppierungen die dauerhafte Publikation von Ehrendekreten als Mittel der öffentlichen Kommunikation. Die Errichtung von entsprechenden Monumenten erfolgte dementsprechend vornehmlich in Phasen der politischen Autonomie. Die Beschlüsse zeigten patriotische Demokraten im aufopferungsvollen Einsatz für die Freiheit der Polis und gegen die Fremdbestimmung durch die makedonischen Könige. Die Kernaussagen der Erzählungen zielten auf die Bewahrung der δημοκρατία und den Erhalt von ἐλευθερία und αὐτονομία.173 Als mögliches Gegenmodell zu den demokratischen Monumenten ließen in seltenen Fällen auch einzelne Gruppierungen, die in Zeiten der makedonischen Fremdherrschaft die Geschicke der Polis lenkten, in Rat und Volksversammlung Ehrendekrete für eigene Bürger verabschieden. Statt der Idealvorstellungen von einem radikalen 170

Allgemein Errington 2005, 24. Vgl. Rosen 1987, 290: «Vordergründig drückten die erweiterten Motive den Stolz auf die eigene Geschichte aus.» 171 Selbst wenn die Beschlüsse für Miltiades und den unbekannten Wohltäter als weitere Ehrendekrete der Polis Athen für eigene Bürger anzusprechen sind, behält das aus der athenischen Dokumentation gewonnene Bild über die Ehrenpraxis im hellenistischen Athen grundsätzlich dennoch seine Richtigkeit. 172 Luraghi 2010, 255. Zum Zusammenhang zwischen dem Zeitpunkt der Ehrungen und der politischen Geschichte Athens s. bereits Gauthier 1985, 82. Gauthier sieht in den historischen Ereignissen allerdings zu Recht nicht die einzige Erklärung für die Verabschiedung der Beschlüsse. Vgl. Miller 2016, 418. 173 Zur Bedeutung der Ehrendekrete für die Demokratie s. Shear 2012b, 282. Vgl. Grieb 2008, 85 f. Dreyer/Weber 2011, 31. Miller 2016, 419. 421. Zur Bedeutung von Demokratie und Freiheit für die Polisidentität s. allgemein Gehrke 2003, 234–237. Zur Fluktuation des Demokratiebegriffs im frühhellenistischen Athen sowie zur unterschiedlichen Demokratievorstellungen bei den Angehörigen der Elite s. Dreyer/Weber 2011, 27–31. Gerade in den Ehrendekreten für herausragende Demokraten ist jedoch trotz Unterschieden im Detail weitgehend ein einheitliches Demokratieverständnis zu beobachten.

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Demokraten vertraten diese Beschlüsse einen «pragmatischen» Ansatz und lobten an den ausgezeichneten Personen Eigenschaften wie Kooperationsbereitschaft oder eine positive Einstellung gegenüber den Besatzern.174 In der gleichen Weise nutzten politische Gruppierungen – erneut insbesondere die demokratischen Kreise – auch die Aufstellung von Standbildern für propagandistische Zwecke. Zahlreiche Statuen sowohl von bürgerlichen Demokraten wie Demosthenes als auch von fremden Unterstützern der Demokratie sollten die Werte und Ideale der Polis vermitteln und waren zudem ein Gegenentwurf zu den an prominenten Plätzen aufgestellten Statuen für die makedonischen Könige Antigonos Monophtalmos und Demetrios Poliorketes.175 So verzeichneten die Statuenehrungen für bekennende Demokraten gerade in der Zeit nach der Befreiung Athens im Jahr 287 v. Chr. eine signifikante Zunahme.176 Im Zusammenhang mit den politischen Aussageintentionen und den ideologischen Komponenten hatten die Beschlüsse in der Regel auch hortative Funktionen zu erfüllen und sollten anderen Bürgern Beispiel und Vorbild für die eigenen Handlungen sein.177 Das Moment der persönlichen Anerkennung, das mit den Monumenten ebenfalls stets verbunden gewesen sein wird, scheint vor den programmatischen Aspekten der Beschlüsse zum Teil sogar in den Hintergrund getreten zu sein. Insbesondere die zahlreichen Ehrendekrete für verstorbene Personen werden vornehmlich zur Verbreitung von ideologischen Konzepten gedient haben. So erhielten alte Helden der Demokratie wie Lykourgos oder Demosthenes noch Jahrzehnte nach dem Tod öffentliche Ehrungen in der Polis und wurden zu Vorbildern für die nachfolgenden Generationen stilisiert. Die politische Dimension und die ideologischen Implikationen nahmen in der Folge auch Einfluss auf die Gestaltung der Motivberichte. Bereits die Auswahl der ausgezeichneten Personen orientierte sich in den meisten Fällen an den aktuellen Gegebenheiten und der offiziellen Haltung der Stadt. Vor dem Hintergrund der Aussageintentionen werden die Ehrendekrete zudem lediglich eine bewusste Auswahl an passenden Fakten aus dem Leben der jeweiligen Personen geboten haben.178 Eine umfassende Lebensdarstellung in Form eines «objektiven» Tatenberichts lag nicht in der Intention der Beschlüsse. Nichtsdestotrotz boten die jeweiligen Karrieren in der Regel vermutlich passende Ansätze für die programmatischen Aussageintentionen der Ehrendekrete und gewährten 174 175

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Vgl. Shear 2012b, 300. Zur Aufstellungspraxis von Ehrenstatuen im frühhellenistischen Athen s. Ma 2013, 273– 279. Zum ideologischen Gehalt der Statuen am Beispiel der Agora s. auch Krumeich/ Witschel 2009, 197–209. Vgl. Oliver 2007, 199 f. Shear 2012b, 282. 290–292. Zur Aufstellung von Statuen in Athen s. ausführlich Krumeich/Witschel 2009. Allgemein auch Ma 2013, 103–107. Krumeich/Witschel 2009, 205 f. Ma 2013, 278. Zum paradigmatischen Charakter der Beschlüsse s. auch Rosen 1987, 288. Vgl. Miller 2016, 386. Allgemein Quaß 1993, 82.

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trotz der ideologischen Überformungen einen Einblick in die öffentliche Tätigkeit und die politische Gesinnung der jeweiligen Personen.179 Durch ihren politischen Gehalt und ihre ideologische Ausrichtung gaben die Ehrendekrete aus dem frühhellenistischen Athen einen Einblick in das Selbstverständnis und die Wertewelt der Polis – respektive der politischen Gruppierungen in der Stadt. Die meisten Beschlüsse legten großen Wert auf Ideale wie ἐλευθερία und αὐτονομία und propagierten δημοκρατία als idealen Verfassungszustand.180 Im Kontext der politischen Krisen des Frühhellenismus waren die Monumente demnach Teil der demokratischen Bewältigungsstrategien und sollten zur Bewahrung von Werten und Ideen der überkommenen Staatsordnung beitragen. Bis zum Ende des 3. Jhdts. v. Chr. scheinen weite Teile der athenischen Bürgerschaft den demokratischen Idealen verhaftet geblieben zu sein. Der Kern der Polisverfassung konnte offensichtlich auch in Zeiten der makedonischen Fremdherrschaft, die in der Regel oligarchische Bestrebungen unterstützte, über lange Zeit bewahrt werden. Einen allmählichen Bedeutungsverlust der Stadt und eine Zurückdrängung der Polis­gemeinschaft durch die Vormachtstellung von reichen Honoratioren lassen die athenischen Ehrendekrete des 3. Jhdts. v. Chr. nicht erkennen. Die Beschlüsse von Rat und Volk vermittelten stattdessen stets den Eindruck eines vitalen und selbstbewussten Gemeinwesens und zeigten eine rege Beteiligung der politischen Elite an den demokratischen Prozessen.181 In der Außenpolitik sah sich die Polis zudem weiterhin auf Augenhöhe mit den Großmächten der Zeit. Die Selbstwahrnehmung der Stadt entsprach vermutlich jedoch nicht in jedem Fall den realpolitischen Gegebenheiten. Auch die meisten Ehrendekrete werden im Hinblick auf die ideologischen Implikationen in der Regel ein verzerrtes Bild der politischen Ereignisse gezeichnet haben. Die Beschlüsse waren vom demokratischen Selbstverständnis der Stadt geprägt und sollten den Eindruck von Kontinuität sowie vom Fortbestand der alten Ordnung vermittelten. Insbesondere die intensive Beschwörung der demokratischen Werte mag als erstes Indiz für eine Gefährdung und einen allmählichen Verfall des politischen Systems 179

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Die demokratischen Bemühungen der führenden Politiker werden in der Regel auch deren politischen Überzeugungen entsprochen haben und waren vermutlich nicht allein ein Vorwand zur Durchsetzung der eigenen Interessen. So jedoch Dreyer/Weber 2011, 28. Vgl. Shear 2012b, 282. Zum ideologischen Gehalt der Beschlüsse s. auch Miller 2016, 386. In anderen Städten sind demokratische Tendenzen in den Ehrendekreten teilweise sogar noch bis ins späte 2. Jhdt. v. Chr. nachzuweisen. Zum Auftreten von Begriffen wie δημοκρατία und ἐλευθερία in den Ehrendekreten der hellenistischen Städte s. allgemein Rhodes/Lewis 1997, 531–536. Zum Teil vollzogen die entsprechenden Vorstellungen mit der Zeit einen Bedeutungswandel. Dreyer 2010, 358. Die Existenz von politischen Eliten muss nicht in jedem Fall auf eine Schwäche der Demokratie hindeuten S. o. S. 33. Selbst in der klassischen Zeit begünstigten undemokratische Faktoren wie Reichtum und Herkunft in vielen Fällen die politische Karriere eines Bürgers. Rhodes/Lewis 1997, 36. 532. Vgl. auch Habicht 1995, 89. Scholz 2008, 79. Van der Vliet 2011, 161.

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zu werten sein.182 Einen deutlichen Bruch in der Verfassungswirklichkeit der Polis, deren demokratische Strukturen im Kern auch im Frühhellenismus bewahrt werden konnten, scheint es – wie etwa Ph. Gauthier unterstrichen hat – im Vergleich mit der spätklassischen Zeit aber nicht gegeben zu haben. Die innovativste Neuerung in den hellenistischen Ehrendekreten für eigene Bürger war die signifikante Ausweitung der Motivberichte – eine ab der zweiten Hälfte des 4. Jhdts. v. Chr. einsetzende Entwicklung. Für K. Rosen zeigten sich bereits mit dem Beginn der entsprechenden Praktiken im Frühhellenismus eine gesteigerte Bedeutung des Individuums sowie der gleichzeitige Verfall der hellenistischen Polisgesellschaft. In der klassischen Zeit habe die Polis durch den bewussten Verzicht auf individuelle Elemente in den Urkundenformularen noch die eigene Suprematie gegenüber dem Individuum zu wahren versucht.183 Der formale Rechtsakt mit der detaillierten Abbildung der demokratischen Prozesse beim Zustandekommen eines Beschlusses habe in den entsprechenden Darstellungen im Vordergrund gestanden. Für persönliche Elemente wie eine ausführliche Beschreibung der Leistungen eines Individuums sei in den Beschlüssen der klassischen Zeit kein Platz gewesen. Die Ausweitung der Motivberichte in den hellenistischen Beschlüssen sei ein Indiz für die von den Städten akzeptierte Abhängigkeit von mächtigen Einzelpersonen und habe eine Brücke zum Königskult geschlagen.184 Die Ausweitung der erzählenden Abschnitte in den hellenistischen Ehrendekreten musste jedoch nicht zwangsläufig eine zunehmende Abhängigkeit der Städte von einzelnen Mitbürgern bedeuten.185 Zu einem Teil entsprangen die ausführlichen Motivberichte in den Beschlüssen mit Sicherheit einem gesteigerten Bewusstsein für individuelle Leistungen und veränderten in der Folge die inhaltliche Gewichtung der Dokumente. Die Bedeutung der detailgenauen Abbildung des Rechtsakts, die in den Ehrendekreten der klassischen Zeit auch quantitativ überwogen hatte, blieb jedoch trotz der erweiterten Erzählungen gewahrt. Die Beschlüsse betonten stets die Rechtmäßigkeit der Vorgänge und 182

Bereits zum Ende des 5. Jhdts. v. Chr. erfolgte in Athen in Reaktion auf die oligarchischen Bestrebungen der Jahre 411 v. Chr. und 403 v. Chr. eine vermehrte Aufstellung von Inschriften. In der ideologischen Ausrichtung zielten alle Inschriften auf eine Stärkung der Demokratie. Shear 2007, 114. 183 Rosen 1987, 277–282. 184 Ebd. 290–292. Zustimmend Scholz 2008, 82. Dreyer 2010, 357. Eine «tatsächliche Abhängigkeit von einzelnen Bürgern als Mäzenen» ist in den Ehrendekreten jedoch gerade nicht zu erkennen. Die generalisierende Darstellung übersieht zudem die Unterschiede zwischen den einzelnen Ehrendekreten aus Athen. Zum Spannungsverhältnis von Polis und Individuum s. jetzt auch Miller 2016, 418–420. 185 Zudem scheinen schon in der klassischen Zeit herausragende Personen wie Perikles in Athen großen Einfluss auf die Politik der jeweiligen Heimatstadt ausgeübt zu haben. Habicht 1995, 89. Scholz 2008, 79. Vgl. Rhodes/Lewis 1997, 36. 532. Van der Vliet 2011, 161. S. bereits das Urteil des Thukydides (2, 65, 9) über die Demokratie unter Perikles: ἐγίγνετό τε λόγῳ μὲν δημοκρατία, ἔργῳ δὲ ὑπὸ τοῦ πρώτου ἀνδρὸς ἀρχή.

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legten großen Wert auf eine detaillierte Darstellung des Verfahrens der Beschlussfassung in der Volksversammlung. Zudem entsprachen die verschriftlichten Motivberichte in der Regel vermutlich in weiten Teilen den Reden, die in der Volksversammlung aus Anlass des jeweiligen Antrags gehalten worden waren. Ausführliche Begründungen werden auch für die Beschlüsse der klassischen Zeit verlesen worden sein – auch wenn die Texte damals noch nicht in die Endredaktion der Inschriften eingingen.186 Bis zum Ende des 4. Jhdts. v. Chr. verzichtete die Polis Athen lediglich auf die öffentliche Aufzeichnung der entsprechenden Dokumente. In den Grundzügen scheinen sich die Formen des demokratischen Diskurses sowie die Verabschiedung von Beschlüssen von der klassischen Zeit bis zum frühen Hellenismus demnach nicht verändert zu haben.187 Lediglich die öffentliche Präsentation der Beschlüsse hatte in Athen zum Ende des 4. Jhdts. v. Chr. einen Wandel erlebt. Im Vergleich mit der klassischen Zeit scheinen die Veränderungen demnach vornehmlich die Quantität – respektive die Länge der veröffentlichten Inschriften – und nicht die Qualität der Beschlüsse betroffen zu haben.188 Die formalen Argumente von K. Rosen übersehen zudem die ideologischen Komponenten der Beschlüsse. Zur Bewältigung der aktuellen Krisen mag die Polis Athen im Frühhellenismus zunehmend auf das Engagement von einzelnen Bürgern angewiesen gewesen sein. Die Beschlüsse honorierten in der Regel jedoch demokratische Verhaltensweisen und waren den Wertvorstellungen der klassischen Polisdemokratie verpflichtet. Insbesondere demokratische Kreise hatten die dauerhafte Aufzeichnung von Ehrendekreten zum Ende des 4. Jhdts. v. Chr. als neues Medium für die Verbreitung von Wertvorstellungen und politischen Botschaften entdeckt.189 Die Beschlussvorlagen konnten durch ihre ideologische Prägung gleichsam den Charakter von Grundsatzdossiers für Freiheit und Demokratie gewinnen. In der Summe dienten die ausführlichen Motivberichte damit mindestens ebenso den Interessen der Polis wie der persönlichen Überhöhung des einzelnen Bürgers. Eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse innerhalb der Stadt zu Gunsten von kleinen Führungsschichten zeigen die Ehrendekrete des 3. Jhdts. v. Chr. dementsprechend weder in der Form noch im Inhalt.

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Zu den öffentlichen Reden in Rat und Volksversammlung s. Samons 2013, 286–272. Zum Zustandekommen von Beschlüssen in Athen s. ausführlich Rhodes/Lewis 1997, 11–34. Zur «continuity in the basic machinery of state» im Hinblick auf die Verabschiedung von Volksbeschlüssen s. Rhodes/Lewis 1997, 60 f. Errington 2005, 20–22. Luraghi 2010, 256.

Ph. Gauthier und das Problem der «megistai timai »

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2.5 Ph. Gauthier und das Problem der «megistai timai» Ph. Gauthier widmete den athenischen Ehrendekreten ein ganzes Kapitel der Monographie «Les cités grecques et leurs bienfaiteurs».190 Ausgehend von einem Zusatzbeschluss zum Ehrendekret für Phaidros sollten aus der epigraphischen Dokumentation und den literarischen Quellen für das frühhellenistische Athen feste Regeln für die Ehrung von eigenen Bürgern abgeleitet werden.191 Im Verlauf des 3. Jhdts. v. Chr. habe sich ein festes Set an höchsten Ehren – sogenannten «megistai timai » – bestehend aus Belobigung, goldenem Kranz, Ehrenstatue, Speisung im Prytaneion und Ehrensitz bei den Spielen entwickelt. Die Vergabe der entsprechenden Privilegien sei ab einem gewissen Zeitpunkt sogar durch ein Gesetz geregelt gewesen. Jeder Bürger habe bei entsprechenden Leistungen ab einem gewissen Alter – vielleicht ab dem 60. Lebensjahr – möglicherweise sogar einen rechtlichen Anspruch auf entsprechende Ehrungen gehabt. Im Vergleich mit der klassischen Zeit versuchte Ph. Gauthier im Anschluss die historische Entwicklung der Institution der «megistai timai » zu zeigen und in einem weiteren Rahmen auch die spezifischen Veränderungen in den Ehrenpraktiken der hellenistischen Zeit herauszuarbeiten.192 Grundsätzliche Unterschiede zwischen der klassischen Zeit und dem Hellenismus sah Ph. Gauthier nicht. Die Darstellung betonte dementsprechend insbesondere die Kontinuität der demokratischen Institutionen. Trotz der außenpolitischen Veränderungen sei Athen auch noch im 3. Jhdt. v. Chr. weitgehend als demokratische Polis anzusprechen. Die Verleihung der «megistai timai » sei – beginnend mit der Ehrung für die Tyrannenmörder Harmodios und Aristogeiton – bereits seit dem 5. Jhdt. v. Chr. zumindest in Teilen festzustellen und habe sich im 4. Jhdt. v. Chr. noch ausschließlich auf Strategen beschränkt.193 Mit dem Hellenismus seien zunehmend auch Ehrungen für Bürger ohne ein militärisches Profil bezeugt.194 Die Untersuchung von Ph. Gauthier konnte maßgeblich zu einem besseren Verständnis des Euergetismus und der hellenistischen Polisgesellschaft im Allgemeinen beitragen. Insbesondere die Betonung der Kontinuität in den Bereichen von Gesellschaft und Politik von der klassischen Zeit bis zum frühen Hellenismus hatte entscheidenden Einfluss auf die Beurteilung der Geschichte des frühhellenistischen Athen.195 Grundlegende Veränderungen in den 190 191

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Gauthier 1985, 77–128. Für eine Zusammenfassung der Kernthesen s. auch Kralli 1999/2000, 138–141. Gauthier 1985, 77–92. Vgl. Quaß 1993, 27. Culasso Gastaldi 2003, 83 f. Der Zusatzbeschluss sah die rechtliche Prüfung des verabschiedeten Ehrendekrets vor. IG II/III2 682 = II/III3 1, 4, 985, 92–101. Gauthier 1985, 92–103. S. auch Quaß 1993, 82. Domingo Gygax 2006c, 494–496. S. auch Errington 2005, 21. Zu den Kontinuitäten zwischen der klassischen Zeit und dem Hellenismus s. Gauthier 1985, 4–6.

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Gesellschaftsstrukturen seien in Athen wie in anderen Städten erst mit der Ausbreitung der römischen Macht ab dem 2. Jhdt. v. Chr. festzustellen. Die Vorstellung von einem festen Set an «megistai timai », deren Vergabe vielleicht sogar durch Gesetze geregelt war, gab demgegenüber in der Forschung bereits vereinzelt Anlass zu Diskussionen und Kritik.196 Die Ehrendekrete aus dem frühhellenistischen Athen zeigen im Hinblick auf die verliehenen Auszeichnungen zum Teil beträchtliche Unterschiede. Ebenso wenig bieten die Beschlüsse unmittelbare Belege für die Existenz von gesetzlichen Regelungen für die Vergabe von Ehrungen.197 Die vermutete Existenz von festen Vorschriften für die Vergabe der «megistai timai» oder die Aufstellung von Ehrendekreten stünde zudem geradezu im Gegensatz zu den Charakteristika und zur Funktion der Ehrendekrete. In der Regel erfolgte die Aufstellung der Beschlüsse in direktem Zusammenhang mit politischen Ereignissen. Sowohl die Vergabe von Ehrungen als auch die Publikation der jeweiligen Ehrendekrete waren politische Entscheidungen und standen stets in Abhängigkeit von den aktuellen Machtverhältnissen.198 In der Regel konnten sich lediglich Personen mit der «richtigen» Gesinnung Hoffnung auf eine Auszeichnung machen.199 Herausragende Verdienste werden als alleinige Qualifikation in den meisten Fällen noch nicht für eine öffentliche Auszeichnung ausgereicht haben. Ein Standardvorgang nach gesetzlichen Vorgaben wird die Auszeichnung eines Bürgers in jedem Fall nicht gewesen sein. Für die Auszeichnung von Einzelpersonen wird in der Regel lediglich ein Pool an möglichen Privilegien zur Verfügung gestanden haben. Rat und Volksversammlung konnten in der Folge vermutlich bei jedem Beschluss eine neue Entscheidung über den Umfang der verFür Kritik an den Thesen von Gauthier s. etwa Kralli 1999/2000, 141. Als terminus technicus ist der Begriff «megistai timai» ein modernes Konstrukt und findet in der antiken Überlieferung keine Entsprechung. Selbst in einer vorrangig deskriptiven Bedeutung ist der Ausdruck μέγισται τιμαί nur in wenigen späthellenistischen und kaiserzeitlichen Inschriften – zumal teilweise in höchst zweifelhafter Ergänzung – und ausschließlich außerhalb Athens bezeugt. S. etwa IG IV 609. IG V 1, 37. IG XII 4, 2, 838. IC I 3. FD III 4, 82. I. Knidos 51–55. I. Stratonikeia 16. 17. I. Tralleis und Nysa 147. TAM V 2, 1229. Hepding 1907 Nr. 4. Ergänzungen: IG V 1, 44. IG VII 3290. IG XII 4, 1, 129. IG XII 5, 823. 922. 945. FD III 1, 330. I. Mylasa 117. TAM V 2, 1028. Miranda 1988/1989. 197 Zu den Diskrepanzen bei den verliehenen Privilegien s. bereits Gauthier 1985, 80–82. Vgl. Culasso Gastaldi 2003, 83 f. Die verschiedenen Erklärungsversuche für die Unterschiede müssen Spekulation bleiben. Für eine kritische Haltung zur Existenz von gesetzlichen Regelungen für die Zeit vor 229/228 v. Chr. s. Kralli 1999/2000, 143–145. Die Rückschlüsse auf die Verabschiedung von gesetzlichen Vorschriften vor dem Jahr 196/195 v. Chr. in Anlehnung an Formulierungen aus dem Ehrendekret für Kephisodoros können jedoch nicht überzeugen. 198 Luraghi 2010, 256. Vgl. Miller 2016, 418. 199 Phaidros aus Sphettos, der in der Zeit der makedonischen Fremdherrschaft noch große Erfolge erzielt hatte, machte während der demokratischen Phase der Polis Athen lediglich eine bescheidene Karriere. S. o. S. 76–79. Vgl. Dreyer 1999, 189. 196

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liehenen Privilegien treffen und werden die bekannten Ehrungen je nach Situation auf verschiedene Weisen kombiniert haben. Gerade bei der Ehrung von verstorbenen Personen mag auf einzelne Auszeichnung wie den Ehrensitz bei öffentlichen Veranstaltungen verzichtet worden sein. Nur für einzelne Ehrungen – so etwa für die Verleihung von Kränzen ἐκ τοῦ νόμου oder κατὰ τὸν νόμον oder die Aufstellung von Statuen – werden gesetzliche Vorschriften existiert haben.200 Eine umfassende gesetzliche Regelung zur Vergabe von «megistai timai» an athenischen Bürger scheint es jedoch zu keinem Zeitpunkt gegeben zu haben.201 Eine in Teilen der Forschung diskutierte Altersgrenze von etwa 60 Jahren für die Vergabe von «megistai timai» sowie ein dementsprechendes Anrecht auf öffentliche Anerkennung nach Erreichen des Mindestalters scheint ebenso wenig existiert zu haben wie die gesetzlichen Regelungen für die Verleihung von umfangreichen Privilegien.202 Manchen Oppositionspolitikern wie Lykourgos und Demosthenes konnten erst Jahrzehnte nach dem Tod und lediglich infolge eines Politikwechsels öffentliche Ehrungen durch die Stadt verliehen werden. Philippides von Kephale war zum Zeitpunkt der Verabschiedung seines Ehrendekrets vermutlich etwa 90 Jahre alt.203 Kallias erhielt seine Ehrung vermutlich zehn Jahre vor seinem älteren Bruder Phaidros. Selbst der explizite Verweis auf die 30-jährige politische Tätigkeit im Ehrendekret des Kephisodoros scheint nicht im Zusammenhang mit der vermuteten Altersgrenze für die Vergabe der «megistai timai» gestanden zu haben.204 Der Beschluss ließ das Engagement des verdienten Bürgers mit den Jahren nach 229 v. Chr. und damit mit dem erneuten Beginn der athenischen Freiheit beginnen. Der Hinweis auf das 30-jährige Engagement in der städtischen Politik stand damit vornehmlich im Zusammenhang mit der programmatischen Aussageintention des Beschlusses. Kephisodoros wollte sich als guter Demokrat präsentieren und ließ den Tatenbericht dementsprechend erst nach der Wiederherstellung von Freiheit und Demokratie beginnen. Auf den poli200

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Vgl. auch Kralli 1999/2000, 159 f. Sichere Aussagen über Inhalt und Art der Regelungen lassen sich nicht treffen. Auch Vermutungen über mögliche Veränderungen der Vorschriften vor dem Hintergrund der zahlreichen Auseinandersetzungen und politischen Systemwechsel im 3. Jhdt. v. Chr. müssen Hypothesen bleiben. S. auch u. S. 94 f. Vor diesem Hintergrund erübrigen sich auch die Diskussionen um einen möglichen Zeitpunkt der Verabschiedung eines entsprechenden Gesetzes. Für entsprechende Überlegungen s. Osborne 1981, 162–166. Gauthier 1985, 105–112. Zur Diskussion s. auch Kralli 1999/2000, 142–144. Vgl. auch o. S. 92. Anm. 197. Für eine entsprechende Altersgrenze s. Habicht 1982, 125–127. Vgl. Osborne 1981, 161. Gauthier 1985, 82 f. Errington 2005, 25. Zur Diskussion s. auch Kralli 1999/2000, 140 f. Für die meisten in Frage kommenden Politiker sind jedoch nicht einmal die exakten Lebensdaten bekannt. Zudem vermitteln auch die wenigen sicheren Informationen über den jeweiligen Zeitpunkt der Ehrungen ein uneinheitliches Bild. Paschidis 2008, 113. Zudem lässt sich nicht einmal das Alter des Kephisodoros am Beginn der politischen Tätigkeit in den Jahren nach 229 v. Chr. mit Sicherheit bestimmen.

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Ehrendekrete als Mittel zur Verbreitung von politischen Ideologien

tischen Wechsel folgte jedoch eine lange Karriere in der freien und demokratischen Polis. Mit einem rechtlichen Anspruch auf den Erhalt der «megistai timai» nach dem Erreichen eines gesetzlich festgelegten Mindestalters von 60 Jahren argumentierte der Beschluss nicht – ebenso wenig wie die anderen relevanten Ehrendekrete. Als direkten Beleg für gesetzliche Regelungen in Bezug auf die Vergabe der «megistai timai» durch Rat und Volksversammlung sahen Teile der althistorischen Forschung den schlechterhaltenen Volksbeschluss für Timosthenes aus dem Archontat des Heliodoros im Jahr 229/228 v. Chr.205 Zu Beginn des Motivberichts nahm die Polis Bezug auf gesetzliche Verordnungen (12–21): (12) ἐπειδὴ καὶ [οἱ] νόμοι πρ[οσ]τάττουσ[ι]ν, ὅσου[ς] | ὁ δ[ῆμ]ος ὁ [Ἀθ]ηναίων τρ[ό]παια [στ]ήσ[αν]τας ἢ κατὰ γῆν ἢ | κα[τὰ] θά[λα]ττ[α]ν ἢ τὴν ἐ[λ]ευθ[ερ]ία[ν ἐπ]ανορθώσαντας | ἢ τὴν [ἰ]δίαν οὐ[σ]ία[ν εἰ]ς τ[ὴν] κ[ο]ιν[ὴ]ν [σ]ωτηρίαν θέντας | (16) ἢ εὐε[ρ]γέ[τ]α[ς] καὶ [συμ]βούλους ἀγαθοὺς γενομένους | ἐτίμησ[εν σ]ίτ[ωι ἐν πρ] υτανείωι, ἐπιμελεῖσθαι αὐτῶν | [κ]αὶ ἐ[γ]γ[όνων τ]ὴν [β]ουλὴν καὶ τὸν δῆμον, διδόναι δὲ καὶ | θυγ[ατ]έρω[ν] ε[ἰ]ς ἔγ[δοσ]ιν τὸν [δῆ]μον π[ροῖ]κα [ὅ]σην ἂν βού|(20)λ[η]τ[α]ι καὶ εἰς ἐπα[ν]όρ[θ]ωσι[ν τῶν] ἰδίω[ν] κ[α]τ’ ἀξίαν ἑκά[σ]|τ[ο]ι[ς] τῶν εὐεργετημάτων. Weil auch die Gesetze anordnen in Bezug auf diejenigen, die das Volk der Athener, weil sie Siegesdenkmäler errichtet haben entweder auf dem Land oder auf dem Meer oder die Freiheit aufgerichtet haben oder das eigene Vermögen für die allgemeine Rettung eingesetzt haben oder Wohltäter und gute Ratgeber geworden sind, geehrt hat mit der Speisung im Prytaneion, dass Rat und Volk sich um sie und um ihre Nachkommen kümmern sollen und dass das Volk den Töchtern für die Verheiratung eine Mitgift geben soll, soviel es will, und eine Unterstützung für sie selbst gemäß dem Wert der Wohltaten eines jeden. Laut Vorschrift sollte die Stadt neben den ausgezeichneten Personen auch für die männlichen Nachkommen sowie die unverheirateten Töchter von Kriegshelden und anderen herausragenden Wohltätern sorgen.206 Im Anschluss an die zitierten Regelungen berichtete der Antragsteller – wohl ein Kephisodoros – zunächst von den Leistungen des Großvaters des Timosthenes (21–23). Bereits nach wenigen Zeilen setzte die Resolution des Beschlusses ein (31). Für eigene Leistungen des Timosthe205

IG II/III2 832 = II/III3 1, 5, 1135. Osborne 1981, 158. Habicht 1982, 125. Gauthier 1985, 105. Quaß 1993, 82. Vgl. auch Errington 2005, 21. Oliver 2007, 183. 189. 206 Der Beschluss bietet eine differenzierte Aufzählung an herausragenden Verdiensten um die Polis. Wohltaten und politische Ratschläge rangieren erst an der vierten Stelle hinter Krieg, Freiheit und Aufopferung für das Gemeinwohl. Zu den vier Kategorien des Ehrendekrets s. auch Quaß 1993, 82. Die zitierten Regelungen erinnern zudem an Beschlüsse zu Ehren von im Krieg gefallenen Soldaten der Stadt. Entsprechende Beschlüsse sind etwa auch aus Thasos bekannt. Fournier/Hamon 2007 + Hamon 2010.

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nes wird in dem Beschluss damit kaum Platz gewesen sein. Der gleichnamige Großvater hatte im Archontat des Koroibos im Jahr 306/305 v. Chr. für Verdienste im Krieg gegen Antipatros vermutlich einen goldenen Kranz sowie eine Auszeichnung als Proxenos der Polis Athen erhalten.207 Die Erzählung folgte – wenn auch in knappen Worten – denselben Schemata wie die ausführlichen Tatenberichte in den Ehrendekreten für athenische Bürger. Rat und Volk erzählten in Erinnerung an die Leistungen des Großvaters die Geschichte eines vorbildlichen Proxenos. Eigene Leistungen des Enkels spielten demgegenüber in der Erzählung nur eine untergeordnete Rolle.208 Entscheidende Bedeutung besaßen nach der inneren Logik des Beschlusses einzig die Leistungen des älteren Timosthenes: Da ein Gesetz vorschrieb, sich um die Nachkommen von verdienten Wohltätern zu kümmern, und der Großvater des jüngeren Timosthenes sich als Proxenos um die Polis Athen verdient gemacht hatte, hatte sich die Stadt jetzt um seinen Enkel zu kümmern. Ein Ehrendekret für Timosthenes war der Beschluss demnach nicht. Ein Bezug zu den umfangreichen Auszeichnungen von athenischen Bürgern ergab sich lediglich über das an den Großvater des Timos­ thenes verliehene Recht auf Speisung im Prytaneion. Spezielle Regelungen für die Verleihung der «megistai timai» – zumal Timosthenes nicht einmal entsprechende Auszeichnungen erhielt – enthielt der Beschluss jedoch nicht.209 Die zitierten Vorschriften bezogen sich ausschließlich auf das Recht zur öffentlichen Speisung im Prytaneion. Gesetzliche Vorschriften scheint es demnach in der Stadt vornehmlich für einzelne Auszeichnungen wie den Zugang zum Prytaneion oder für die Kostenübernahme von Kränzen und Statuen gegeben haben. Hinweise auf eine umfassende Regelung für die Auszeichnung von einzelnen Bürgern bot der Beschluss nicht. An starren Regelungen für entsprechende Ehrungen bestand gerade im Hinblick auf die Flexibilität und die politische Situationsbezogenheit der Beschlüsse zudem vielleicht auch schlicht wenig Bedarf.

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IG II/III2 467. Die «megistai timai» verlieh der Beschluss mit Sicherheit nicht. So jedoch Kralli 1999/2000, 141. 209 Für Überlegungen zu entsprechenden Regelungen s. Osborne 1981, 158. Habicht 1982, 125. Gauthier 1985, 105. Vgl. auch Errington 2005, 21. Ebenso wenig sind aus der Unterteilung der privilegierten Personen nach den erbrachten Leistungen feste Kategorien von Wohltätern zu rekonstruieren. Kralli 1999/2000, 143 f. Für entsprechende Kategorisierungsversuche s. Osborne 1981, 158–166. Gauthier 1985, 104 f. Quaß 1993, 82. Quaß zitiert als weiteren Beleg für die Existenz von verschiedenen Kategorien an Wohltätern die rhodische Rede des kaiserzeitlichen Sophisten Dion Chrysostomos (31, 20. 59. 61). Sichere Rückschlüsse auf die Praktiken der hellenistischen Zeit erlauben die Passagen jedoch nicht. Zudem scheint gerade die Insel Rhodos in Bezug auf die Ehrenpraktiken im Hellenismus eine Sonderstellung innerhalb der griechischen Poliswelt einzunehmen. S. auch u. S. 493 f. Zur den besonderen Gesellschaftsstrukturen der Polis Rhodos s. auch Hamon 2007, 84–86. 208

3. Nicht ausschließlich ein athenisches Phänomen – Frühhellenistische Ehrendekrete aus Priene und Erythrai

Die Praxis der dauerhaften Publikation von ausführlichen Ehrendekreten für eigene Bürger beschränkte sich bereits im späten 4. Jhdt. v. Chr. nicht auf die Polis Athen, sondern scheint zur gleichen Zeit in mehreren Städten aufgekommen zu sein.1 Das Phänomen verbreitete sich im Frühhellenismus jedoch ausschließlich in den Kerngebieten des griechischen Kulturraums wie den ionischen Städten an der kleinasiatischen Küste und den griechischen Kolonien am Schwarzen Meer.2 Im Ägäisraum – insbesondere auf den Inseln in der Nähe der kleinasiatischen Küste – setzte die dauerhafte Publikation von Ehrendekreten ebenfalls ab der ersten Hälfte des 3. Jhdts. v. Chr. ein. In einzelnen Städten in Kleinasien und im Schwarzmeergebiet erfolgte die Errichtung von entsprechenden Monumenten vermutlich sogar bereits einige Jahre vor dem nachweisbaren Beginn der Praxis in Athen.3 Auf dem kleinasiatischen Festland scheinen im frühen 3. Jhdt. v. Chr. insbesondere die Städte Priene und Erythrai im Zusammenhang mit militärischen Auseinandersetzungen oder innenpolitischen Konflikten zahlreiche Ehrendekrete für eigene Bürger publiziert zu haben. Die Untersuchung der beiden Befundkomplexe wird dementsprechend insbesondere die politischen Implikationen und die zeitgeschichtlichen Kontexte der jeweiligen Monumente miteinzubeziehen haben.

3.1 Festungskommandanten und Kriegshelden – Die frühhellenistischen Ehrendekrete aus Priene Die Polis Priene publizierte im Verlauf des Hellenismus immer wieder Ehrendekrete für eigene Bürger.4 Die dauerhafte Aufstellung der Beschlüsse erfolgte jedoch nicht in einem gleichmäßigen Rhythmus, sondern konzentrierte sich auf einzelne Epo1

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Eine Vorreiterrolle mag die Polis Athen dementsprechend lediglich bei der allgemeinen Entwicklung der Ehrenpraktiken in der klassischen Zeit eingenommen haben. S. o. S. 46. 51 f. S. o. S. 45–47. Auf dem griechischen Festland begegnen entsprechende Beschlüsse außerhalb der Polis Athen jedoch erst im 2. Jhdt. v. Chr. S. o. S. 45 f. Die dauerhafte Aufzeichnung von Ehrendekreten für eigene Bürger ist in der kleinasiatischen Polis Priene – etwa im Gegensatz zu den beiden großen Nachbarstädten Ephesos und Milet im Norden und Süden – für den gesamten Hellenismus nachzuweisen. Eine vergleichbare Anzahl an entsprechenden Inschriften ist für keine andere Stadt bezeugt. Der reiche Befund lässt sich zu einem Teil sicherlich durch den guten Erhaltungszustand

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Nicht ausschließlich ein athenisches Phänomen

chen und stand in der Regel mit wichtigen Ereignissen in der Geschichte der Stadt in Zusammenhang. Bereits im frühen Hellenismus in der Zeit vom Beginn des freien und autonomen Gemeinwesens unter Alexander dem Großen bis etwa in die Mitte des 3. Jhdts. v. Chr. publizierten Rat und Volk von Priene eine große Zahl an Ehrendekreten für eigene Bürger. Die jeweiligen Monumente waren in der Regel im Heiligtum der Stadtgöttin Athena aufgestellt.5 In der Folgezeit scheinen die entsprechenden Praktiken bis in die Jahre um 130 v. Chr. weitgehend geruht zu haben.6 Einen thematischen Schwerpunkt legten die frühhellenistischen Beschlüsse auf die Auszeichnung von verdienten Festungskommandanten sowie die Anerkennung von militärischen Leistungen für die Polis im Allgemeinen. 3.1.1 Ehrendekrete für die Kommandanten der Stadtfestung In den Jahren nach 332/331 v. Chr. verabschiedete die Polis Priene ein erstes Ehrendekret für den Bürger Apellis und ließ den Beschluss im Heiligtum der Athena auf eine Stele aufzeichnen.7 Anlass der Ehrung waren langjährige Verdienste als γραμματεύς der Stadt. In einem zweiten Beschluss – frühestens aus dem Jahr 327/326 v. Chr. – honorierten Rat und Volk die Leistungen des Apellis als Kommandant der Stadtfestung.8 Das knappe Ehrendekret ließ die Polis unterhalb des ersten Beschlusses auf der bereits im Heiligtum der Athena aufgestellten Stele anbringen. Die Zusammenstellung der beiden Beschlüsse zu einem Monument plante die Polis erst mit der

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der antiken Ruinen erklären. Th. Wiegand sprach nach seinen zwischen 1895 und 1899 zusammen mit C. Human und H. Schrader durchgeführten Grabungen sogar vom «Pompeji Kleinasiens». Zitat nach Rumscheid 1998, 7. Vgl. auch Kah 2015, 387. Zur Aufstellung der Beschlüsse s. auch Bielfeldt 2012, 101. Kah 2015, 388. Zu den Ehrendekreten aus den Jahrzehnten nach 130 v. Chr. s. ausführlich u. S. 283–315. I. Priene 4, 1–48 = I. Priene2 19. Zur Datierung des Beschlusses s. Hiller von Gaertringen 1906, 8. Blümel/Merkelbach 2 2014, 70. Vgl. Gauthier 1991, 50. Schuler 2005, 339 Anm. 59. Für eine Umdatierung des Beschlusses in das Jahr 294/293 v. Chr. s. Crowther 1996, 217. 233. Die Argumentation, die hauptsächlich auf der hypothetischen Umdatierung der Autonomie-Formulierungen in mehreren Volksbeschlüssen beruht, vermag jedoch nicht zu überzeugen. Der erste Beschluss für Apellis ist das älteste Ehrendekret für einen Bürger aus der Polis Priene und gehört zugleich zu den frühesten Belegen für Ehrendekrete mit ausführlichem Motivbericht aus der gesamten griechischen Welt. Vgl. Rosen 1987, 284. Errington 2005, 22 f. Nach dem Datierungsansatz von Crowther wäre der Beschluss nach den Ehrendekreten für Euphron aus Athen gefasst worden. Der älteste Beleg für die Ehrung eines Bürgers in Priene bliebe er dennoch. I. Priene 4, 49–59 = I. Priene2 20. Zur Datierung des Beschlusses s. Hiller von Gaertringen 1906, 8. Blümel/Merkelbach 2 2014, 72. Vgl. Gauthier 1991, 50. Schuler 2005, 339 Anm. 59. Für eine Umdatierung des Beschlusses in das Jahr 285/284 v. Chr. s. erneut Crowther 1996, 217. 233. Inhaltliche Überlegungen lassen jedoch zumindest eine Datierung an den Beginn des 3. Jhdts. v. Chr. vermuten. S. auch u. S. 102 Anm. 22.

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Verabschiedung des zweiten Ehrendekrets. In der ursprünglichen Konzeption der Stele war die gemeinsame Anbringung von mehreren Beschlüssen – gleichsam als Ensemblemonument zur Erinnerung an wichtige Verdienste des Apellis – vermutlich noch nicht vorgesehen.9 Auf dem Stein war deshalb nach Aufzeichnung des ersten Beschlusses kaum Platz für weitere Inschriften. Bei der Publikation des zweiten Ehrendekrets musste die Stadt mit dem restlichen Platz auf der Stele zurechtkommen.10 Dementsprechend war das Ehrendekret auch in Inhalt und Gestaltung auf Kürze bedacht.11 Die Konzeption des ersten Beschlusses war demgegenüber naturgemäß frei von inhaltlichen und gestalterischen Zwängen und zeichnete – der ursprünglichen Konzeption als eigenständiges Einzelmonument entsprechend – ein einheitliches und in sich geschlossenes Bild von der Tätigkeit des Apellis. Bereits im Präskript des ersten Ehrendekrets zeigte sich eine ideologische Komponente des Beschlusses (2–4). Mit offensichtlichem Stolz erwähnte der einleitende Abschnitt neben der üblichen Datierung durch den eponymen Jahresbeamten die erst vor wenigen Jahren durch Alexander den Großen gewährte Autonomie der Polis Priene.12 Vielleicht sollte auch die Aufstellung des Ehrendekrets – gleichsam als Nebeneffekt – die neuen Kompetenzen von Rat und Volk wie etwa die Möglichkeiten zur Beschlussfassung als autonome Polis öffentlich dokumentieren. Anlass des Beschlusses war eine Bitte des Apellis, nach 20 Dienstjahren – davon 14 Jahre unentgeltlich als γραμματεύς der Strategen – von der Tätigkeit als γραμματεύς entbunden zu werden.13 Der Motivbericht widmete sich dementsprechend zunächst den Aufgaben und dem vorbildlichen Verhalten des verdienten Bürgers in Rechtsprechung und Urkundenwesen sowie in anderen Bereichen der Stadtverwaltung und betonte insbesondere dessen Streben nach Gerechtigkeit (5–13).14 Die Beschreibung der  9

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Mit dem ersten Beschluss war die Stele noch nicht bis zum Ende beschrieben. Der – wenn auch geringe – Restplatz mag demnach vielleicht auch eine dezente Aufforderung zu weiterem Engagement mit der Aussicht auf ein zweites Ehrendekret gewesen sein. Das gedrängte Schriftbild, der geringe Zeilenabstand und die kleinen Buchstaben zeugen vom Bemühen des Steinmetzen, mit dem restlichen Platz auf der Stele zurechtzukommen. Die unterschiedliche Länge der Motivberichte resultiert demnach nicht zwingend aus der «Sonderstellung» des ersten Beschlusses. So jedoch Rosen 1987, 284. Vornehmlich scheint die Kürze des zweiten Ehrendekrets, das möglicherweise bewusst für die Aufzeichnung komponiert worden war, dem Platzmangel auf der Stele geschuldet zu sein. 4: Πριηνέων αὐτονόμων ὄντων. Zur Betonung der Autonomie s. Hiller von Gaertringen 1906, 8. Gehrke 2003, 236. Carlsson 2010, 87. Dieselbe Formulierung findet sich mit leichten Abweichungen auch in anderen Beschlüssen aus dem späten 4. Jhdt. v. Chr. I. Priene 2 = I. Priene2 15. I. Priene 3 = I. Priene2 16. I. Priene 6 = I. Priene2 17. I. Priene 7 = I. Priene2 18. Zur Bitte um Befreiung von den Aufgaben s. Rosen 1987, 284. Gauthier 1991, 49. Quaß 1993, 297. Crowther 1996, 217–219. Kah 2014, 157. 159. Einen kausalen Zusammenhang zwischen der Aufgabe der Tätigkeit und dem anschließenden Kommando über die Stadtfestung lässt der Beschluss – entgegen der Darstellung von Kah – nicht erkennen. Zum Beschluss für Apellis s. jetzt auch Kah 2015, 386. Zur Betonung der Gerechtigkeit s. Gehrke 2003, 234.

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Karriere diente damit zugleich als Musterbeispiel für allgemeine Idealvorstellungen von einem γραμματεύς. Im Anschluss referierte der Beschluss den in der Volksversammlung eingebrachten Antrag des Apellis um Entlassung aus dem Dienst (14–22).15 Apellis verwies auf seine lange Dienstzeit, die Entlastung der Stadt von verschiedenen Ausgaben sowie die vier während dieser Tätigkeit von der Stadt erhaltenen Kränze.16 Dem Anschein nach enthielt der Antrag jedoch – etwa im Gegensatz zur Beschlussvorlage des Kephisodoros in Athen – keine direkten Forderungen nach erneuten Ehrungen durch die Stadt.17 Mit der Anerkennungen der Verdienste war vermutlich auch ohne eine explizite Bitte zu rechnen. Rat und Volk genehmigten die Entlassung aus dem Dienst und beschlossen im Anschluss an eine ausführliche Belobigung für die erbrachten Leistungen einen goldenen Kranz nach dem Gesetz (30: ἐ[κ] το[ῦ νόμου]) für die Leistungsbereitschaft sowie für die schon im Motivbericht betonte Gerechtigkeit (23–34). Die Ausrufung des Kranzes sollte zusammen mit den anderen Ehrungen bei den nächsten Dionysien im Theater durch den Festspielleiter erfolgen. Daneben erhielt der ehemalige γραμματεύς einen Ehrensitz bei den Wettkämpfen, das Privileg der Teilnahme an den Banketten im Prytaneion und im Panionion sowie Freiheit von persönlichen Steuern und von allen Liturgieverpflichtungen (34–38).18 Die anschließenden Bestimmungen zur Aufzeichnung des Beschlusses auf eine Stele im Heiligtum der Athena waren mit einer Hortativformel verknüpft und unterstrichen den Beispielcharakter des Monuments (38–43). Gerade durch die Aufstellung des Ehrendekrets wollte der Demos zeigen, dass er verdiente Männer zu ehren verstand. Das Beispiel des Apellis sollte in Verbindung mit der Aussicht auf ähnliche Auszeichnungen andere Personen in öffentlichen Funktionen ebenfalls zu herausragenden Leistungen motivieren. Zentrales Thema der Hortativformel wie schon des ganzen Beschlusses war die Gerechtigkeit – eine für die Tätigkeit eines γραμματεύς offensichtlich als zentral erachtete Tugend.19 Der anschließende Abschnitt traf exakte Bestimmungen zur Finanzierung der Ehrun15

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Der Inhalt des Abschnitts referierte vermutlich weitgehend die eigenen Worte des verdienten Bürgers. Der literarische Kunstgriff sollte zugleich vermutlich auch die Besonderheit des Beschlusses unterstreichen. Rosen 1987, 284. In jedem Fall zeigt der Einschub der indirekten Rede das Bemühen des Verfassers Apollodotos um eine ansprechende Gestaltung des Ehrendekrets auf der literarischen Ebene. Eine dauerhafte Aufzeichnung hatten die entsprechenden Ehrendekrete anscheinend jedoch nicht erfahren. Lediglich in der Textlücke zum Ende des Abschnitts (22) könnte eine entsprechende Forderung gestanden haben. Zum Ehrendekret für Kephisodoros s. o. S. 80–83. Zur Neuinterpretation der ἀτέλεια τοῦ σώματος als Freiheit von persönlichen Steuern s. zusammenfassend Gauthier 1991, 66–68. 39–43: ὅπως ἂν | [καὶ] ὁ δῆμος φαίνηται τοὺς τὰ δίκαια πράττοντας | [τιμ]ᾶγ καὶ οἱ ἀποδεικνύμενοι ἐπὶ τὰ κοινὰ τῆς πόλεως | [ἀπὸ] τοῦ δικαίου προιαιρῶνται τήγ χρείαμ παρέχεσθαι | [τ]ῶι δήμωι. Zur erneuten Betonung der Gerechtigkeit vgl. Crowther 1996, 218. Gehrke 2003, 234. S. auch o. S. 99 Anm. 14.

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gen sowie zur Abrechnung der entstandenen Kosten (43–49).20 Entsprechende Regelungen waren zunächst vermutlich schlicht eine Notwendigkeit. Die genaue Darstellung der erforderlichen Formalitäten zeigte daneben das Funktionieren der Polisdemokratie und den gesetzmäßigen Ablauf des Verfahrens und sollte zugleich den Fortbestand der Privilegien und damit der Dankbarkeit der Polis garantieren. Doch aus welchen Gründen entschied sich die Polis bei der Auszeichnung des Apellis zum ersten Mal für die Aufzeichnung des Beschlusses? In der Zusammenschau erfüllte die Stele mehrere Funktionen. Zunächst bedeutete das Monument sicherlich eine besondere Ehre für den ehemaligen γραμματεύς und diente der Erinnerung an dessen große Leistungen. Eine entscheidende Rolle werden in diesen Zusammenhang auch die Bitte um Entlassung und der vermutlich im Vorfeld abgesprochene Antrag des Apollodotos gespielt haben. Ebenso verbreitete der Motivbericht jedoch allgemeine Idealvorstellungen von einem γραμματεύς und erklärte das Ehrendekret zu Beispiel und Ansporn für alle Personen in öffentlichen Funktionen. Daneben erinnerte das Monument an die neugewonnene Autonomie der Polis und bezeugte die Kompetenzen der Stadt bei der eigenständigen Beschlussfassung. Vermutlich wird in der Summe erst das Zusammentreffen der unterschiedlichen Aspekte die dauerhafte Aufzeichnung des Ehrendekrets veranlasst haben. Nach mehreren Jahren ergänzte die Polis das ursprüngliche Monument um ein weiteres Ehrendekret für Apellis. Im zweiten Beschluss überwogen die Formularbestandteile (49–50/52–59) im Umfang deutlich gegenüber dem erzählenden Abschnitt (50–52). Zu einem Teil mag der geringe Restplatz auf der Stele für den knappen Motivbericht verantwortlich gewesen sein – auch wenn sich die Phrourarchen­dekrete im frühhellenistischen Priene allgemein auf knappe Angaben beschränkten.21 Die korrekte Darstellung der Formularbestandteile – und damit der Beschlussfassung – scheint im 4. Jhdt. v. Chr. in Priene in der Wertigkeit dennoch vor der ausführlichen Beschreibung der Verdienste eines herausragenden Bürgers gestanden zu haben. Die knappe Erzählung beschränkte sich auf die ideologische Kernaussage des Beschlusses (50–52). Apellis hatte sich auch als Kommandant der Stadtfestung Teloneia Verdienste erworben und die Burg nach Ablauf der mehrmonatigen Dienstzeit wieder an das Volk zurückgegeben. Gerade die machtvolle Position des militärischen Befehlshabers auf der Stadtfestung war eine latente Bedrohung für die Freiheit der Polis und barg stets die Gefahr der Errichtung einer Tyrannis. Mit der reibungslosen Übergabe des Kommandos nach Ablauf der Dienstzeit zeigte Apellis, indem er sein eigenes Interesse hinter dem Gemeinwohl zurückstellte, das von einem demokratisch gesinnten Bürger zu erwartende Verhalten und konnte somit aus Sicht der Polis

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Zu den Bestimmungen zur Finanzierung der Ehrungen vgl. Schuler 2005, 339 Anm. 59. S. zusammenfassend u. S. 109.

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als Vorbild für seine Mitbürger gelten.22 Für seine Verdienste sollte der ehemalige Festungskommandant eine Belobigung und einen goldenen Kranz nach dem Gesetz (54: ἐκ το[ῦ] νόμο[υ]) erhalten (53–56). Die Ausrufung des Kranzes hatte wie bei der ersten Ehrung bei den Dionysien im Theater durch den Festspielleiter zu erfolgen. Im Anschluss traf der Beschluss die üblichen Bestimmungen zur Aufzeichnung des Ehrendekrets sowie zur Finanzierung der Inschrift (56–59).23 Auf eine Hortativformel – wie sie etwa noch im ersten Beschluss zu finden war – mussten die Redaktoren der Inschrift vermutlich aus Platzgründen verzichten. Dennoch erfüllte auch das zweite Ehrendekret für Apellis offensichtlich eine Beispielfunktion und sollte das vorbildliche Verhalten eines Festungskommandanten dokumentieren. Thematisch schloss der Beschluss an das erste Ehrendekret an. Schon als γραμματεύς hatte Apellis seine Gerechtigkeit gegenüber der Stadt und somit implizit auch seine demokratische Gesinnung unter Beweis gestellt. Ebenso verhielt er sich als Festungskommandant entsprechend den Idealen der Polis und nutzte die machtvolle Position nicht zum Umsturz der bestehenden Verhältnisse. Gerade die Integration von einflussreichen Personen in die demokratische Gleichheit mag nach der Wiedergewinnung der Autonomie ein ungelöstes Problem gewesen sein. Durch die dauerhafte Aufzeichnung der beiden Beschlüsse wollte die neuformierte Polis eigene Vorstellungen vom richtigen Verhalten eines demokratischen Bürgers öffentlich verbreiten. Apellis zeigte in den wichtigen Funktionen als γραμματεύς und als Festungskommandant ein beispielhaftes Verhalten und konnte dementsprechend anderen Bürgern als Vorbild dienen. Sicherlich bedeutete die dauerhafte Veröffentlichung der Ehrendekrete auch eine zusätzliche Auszeichnung für den Ausnahmebürger. Die Aufzeichnung gehörte nach Aussage der Beschlüsse jedoch nicht zu den Ehren und wird, indem Apellis zum Modell gemacht wurde, vornehmlich der Selbstdarstellung von Rat und Volk gedient haben. Vermutlich veranlasste letztlich erst die Möglichkeit der Verbindung der persönlichen Ehre mit den ideologischen Aspekten die Aufzeichnung der Beschlüsse. Die beiden Ehrendekrete für den verdienten Bürger beschränkten sich jeweils auf eine Leistung. Wirkliche «Lebenswerkdekrete» waren die Beschlüsse damit nicht – auch wenn sich die öffentliche Tätigkeit 22

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Vgl. Quaß 1993, 88. Gehrke 2003, 229. Boulay 2014, 56. 79. Der Beschluss mag eine mittelbare Reaktion auf die Tyrannis des Hieron gewesen sein. Vgl. Gehrke 2003, 235. Scholz 2008, 75 Anm. 10. Grundlage für die Herrschaft des Hieron in den Jahren zwischen 300–297 v. Chr. scheint das Kommando über die Stadtfestung gewesen zu sein. S. zuletzt Blümel/Merkelbach 2 2014, 71. Vgl. Walser 2008, 84. Der Beschluss wäre dementsprechend erst an den Beginn des 3. Jhdts. v. Chr. zu datieren. Die von Crowther (1996, 216) vorgeschlagene Datierung in das Jahr 285/284 v. Chr. ergibt sich aus den Überlegungen jedoch noch nicht. Eine entsprechende Datierung würde den Beschluss zudem nur indirekt mit der Tyrannis in Verbindung setzen. Zu den Bestimmungen zur Finanzierung der erneuten Ehrungen vgl. Schuler 2005, 339 Anm. 59.

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des Apellis immerhin auf einen Zeitraum von mehr als 20 Jahren erstreckte.24 Selbst die Zusammenstellung der beiden Ehrendekrete zu einem Monument gewährte vermutlich nur einen begrenzten Einblick in die Lebensleistung des Apellis.25 Mit dem zweiten Beschluss für Apellis publizierte die Polis Priene zum ersten Mal ein Ehrendekret für einen verdienten Festungskommandanten. In der ersten Hälfte des 3. Jhdts. v. Chr. ließ die Stadt weitere Ehrendekrete für Befehlshaber der Teloneia aufstellen.26 Im Gegensatz zum etwa zeitgleichen Ehrendekret für den Kommandanten Helikon, das von dessen Soldaten verabschiedet worden war und einen ausführlichen Tatenbericht enthielt, zeichneten sich die Beschlüsse der Stadt durch knappe und allgemeine Motivberichte aus. Zum Teil war der geringe Umfang der Erzählungen vielleicht auch dem fehlenden Platz auf den Stelen geschuldet. Von den drei in den Jahren 270–262 v. Chr. verabschiedeten Ehrendekreten für den Festungskommandanten Nymphon mussten jedoch lediglich die beiden ersten Beschlüsse auf der gleichen Stele Platz finden.27 Für das dritte Ehrendekret, das ebenfalls knapp gehalten war, stand demgegenüber eine eigene Stele zur Verfügung.28 Auch das Ehrendekret für den Festungskommandanten Bias ließ die Polis auf eine eigene Stele aufzeichnen.29 Bei der Aufzeichnung der ersten Ehrendekrete für Apellis und Nymphon mag die Mehrfachnutzung der Stelen vielleicht schon geplant gewesen sein. Der freie Platz könnte dementsprechend gleichsam eine dezente Aufforderung zu weiterem Engagement beinhaltet haben. Ebenso mag die doppelte Verwendung der Stelen jedoch eine spontane Entscheidung – vielleicht auch aus finanziellen Überlegungen – gewesen sein. 24

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So jedoch Rosen 1987, 284. Die Kategorie des Lebenswerks ist bei einem Beschluss für eine Einzelleistung – selbst wenn sich die Tätigkeit über einen langen Zeitraum erstreckt haben mag – gerade im Vergleich mit den ausführlichen Darstellungen von politischen Karrieren in anderen Ehrendekreten jedoch unglücklich gewählt. In anderen Monumenten – so etwa im Ensembledenkmal für Apollonios aus Metropolis aus den Jahren nach 133 v. Chr. – gab die Zusammenstellung von verschiedenen Beschlüssen einen Einblick in die Lebensleistung. I. Metropolis I. S. ausführlich u. S. 258– 265. Zu den Ehrendekreten für Festungskommandanten aus Priene s. allgemein Hamon 2012, 60. Die obere Hälfte des Steins ist inzwischen verloren. Vom ersten Beschluss ist deshalb lediglich das Ende der Resolution erhalten. I. Priene 20 = I. Priene2 21. Der erhaltene Teil der Resolution thematisiert im Anschluss an eine Hortativformel die Aufzeichnung des Beschlusses im Heiligtum der Athena sowie die Finanzierung der Stele und des an Nymphon verliehenen Kranzes. Über Anlass und Inhalt des Ehrendekrets lässt sich lediglich eine negative Aussage treffen. Wie bei Apellis hatte erst der zweite Beschluss das erstmalige Kommando über die Teloneia zum Thema. Zur Datierung der drei Beschlüsse s. Hiller von Gaertringen 1906, 27. 29–31. Auf der Vorderseite der ersten Stele wäre für weitere Inschriften auch schlicht kein Platz mehr gewesen. I. Priene 23 = I. Priene2 24.

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Das zweite Ehrendekret für Nymphon hatte die Polis unterhalb des ersten Beschlusses für den verdienten Bürger anbringen lassen.30 Wie der zweite Beschluss für Apellis musste das Ehrendekret mit dem vorhandenen Platz auf der Stele zurechtkommen.31 Die äußeren Umstände mögen auch Einfluss auf die Länge der Inschrift und eine mögliche Redaktion des Beschlusses genommen haben. Nach einem datierenden Präskript erinnerte der Beschluss dementsprechend lediglich in einem knappen und allgemeinen Motivbericht an das vorbildliche Verhalten des Nymphon als Kommandant der Teloneia (10–16). Der herausragende Bürger hatte den Burgberg während der vier Dienstmonate gemäß dem Gesetz nicht verlassen, die Festung zusammen mit den Soldaten vorbildlich bewacht und seine Befehlsgewalt nach dem Ende der Tätigkeit an das Volk zurückgegeben.32 Im Umgang mit den Soldaten war der Befehlshaber stets gerecht und vorbildlich gewesen. Die Erzählung umschrieb damit vornehmlich das allgemeine Idealbild eines guten Kommandanten. Von besonderen Leistungen jenseits der «Kasernenroutine» konnte oder wollte der Beschluss nicht berichten. Die propagierten Werte entsprachen weitgehend den bereits aus dem zweiten Ehrendekret für Apellis bekannten Idealen.33 Gerade der freiwillige Verzicht auf das Kommando über die Festung am Ende der Dienstzeit galt als vorbildliches Verhalten eines demokratisch gesinnten Bürgers – bestand für die Befehlshaber doch theoretisch immer die Möglichkeit, aus der machtvollen Stellung heraus nach der Tyrannis zu streben. Für seine Verdienste erhielt Nymphon eine Belobigung und einen goldenen Kranz (17–22). Die Verkündung des Kranzes sollte unter Angabe der Gründe für die Ehrung während der nächsten Dionysien beim ersten Wettkampf der Flötenspieler durch den Festspielleiter erfolgen.34 Die Bestimmungen für die Ausrufung verknüpfte der Beschluss mit einem Verweis auf die Dankbarkeit des Demos und implizierte damit vermutlich auch eine hortative Funktion der öffentlichen Bekränzung. Zunächst wollte die Stadt über die Verkündung schlicht die Erinnerung an verdiente Bürger wahren. Daneben sollte die öffentliche Ausrufung – so zumindest die implizite Hoffnung der Polis – andere Personen zur Nachahmung der Leistungen anspornen. Im Anschluss traf der Beschluss Bestimmungen zur Aufzeichnung des Ehrendekrets auf der bereits im Heiligtum der Athena aufgestellten Stele sowie zur Finanzierung von Kranz und Inschrift (22–28). Wie bei der Ehrung des Apellis kam den ideologischen Aspekten der Auszeichnung auch im zweiten Ehrendekret für Nymphon große Bedeutung zu. Sowohl durch die Aufzeichnung des Beschlusses als auch durch die Ausrufung des Kranzes

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I. Priene 21 = I. Priene2 22. Im Vergleich mit der oberen Inschrift zeigt der untere Beschluss aus Platzmangel ein kleines und gedrängtes Schriftbild. Zu Tätigkeit und Verhalten des Nymphon s. Boulay 2014, 54. 56. 79. Vgl. die Zusammenstellung der Beschlüsse aus Priene bei Quaß 1993, 88. Vgl. Ceccarelli 2010, 136.

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mit der expliziten Begründung der Ehrung propagierte die Polis die eigenen Vorstellungen von einem vorbildlichen Festungskommandanten. Für einen Detailbericht über einzelne Tätigkeiten bot der knappe Motivbericht demgegenüber kaum Platz. Die Verabschiedung des dritten Ehrendekrets für Nymphon erfolgte aus Anlass einer zweiten Dienstzeit als Festungskommandant.35 Nach dem datierenden Präskript begann der Motivbericht zunächst mit der knappen Rekapitulation des ersten Engagements des Nymphon als Kommandant der Festung (3–7).36 Die Erzählung war in Form und Inhalt eng an das zum Ende des ersten Kommandos gefasste Ehrendekret angelehnt und griff beinahe im Wortlaut auf einzelne Formulierungen des vorangegangenen Beschlusses zurück. Im Anschluss berichtete der Antragsteller Lysias von der zweiten Dienstzeit des Nymphon als Kommandant der Teloneia (7–12). Der Inhalt der Erzählung entsprach wiederum den bekannten Mustern der vorangegangenen Ehrendekrete für Apellis und Nymphon.37 So hatte sich der vorbildliche Bürger erneut gemäß den Gesetzen die gesamte Dienstzeit in der Festung aufgehalten und die Anlage nach dem Ende seiner Tätigkeit an das Volk zurückgegeben. Im Umgang mit den Soldaten war der Kommandant korrekt und gerecht gewesen.38 Als Überleitung zur Resolution verwies die Erzählung neben der militärischen Tätigkeit allgemein auf Verdienste des Ausnahmebürgers um die Polis (12–14). Wie die anderen Ehrendekrete für Festungskommandanten wahrte auch der dritte Beschluss für Nymphon eine knappe Form und kam in der Erzählung kaum über Allgemeinplätze hinaus. Der Beschluss festigte damit ein weiteres Mal das Idealbild von einem guten Festungskommandanten. Für seine Verdienste sollte Nymphon beim tragischen Wettkampf der nächsten Dionysien vom Festspielleiter einen – vermutlich goldenen – Kranz nach dem Gesetz (17: ἐκ τοῦ νόμου) erhalten (15–19).39 Wie bei der Ehrung nach dem ersten Kommando über die Festung war bei der Ausrufung des Kranzes auf die Gründe für die Verleihung hinzuweisen. Eine anschließende Hortativformel (19–24) scheint die Überleitung zu den Bestimmungen über die Aufstellung der Stele und die Finanzierung der Ehrungen (24–26) gebildet zu haben.40 Mit der zweiten Stele für Nymphon setzten Rat und Volk im Gegensatz zu den vorangegangenen Phrourarchendekreten ein eigenständiges Monument für einen verdienten Kommandanten der Teloneia und rückten damit vielleicht sogar zum ersten 35

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I. Priene 22 = I. Priene2 23. Für den Beschluss war eine eigene Stele vorgesehen. Die Stele ist im linken unteren Bereich gebrochen. Das Ende des Beschlusses lässt sich deshalb nur noch im Ansatz rekonstruieren. Zur Rekapitulation der früheren Verdienste s. Boulay 2014, 56. Allgemein Quaß 1993, 38. Vgl. die Zusammenstellung der Beschlüsse aus Priene bei Quaß 1993, 88. Zu Tätigkeit und Verhalten des Nymphon s. Boulay 2014, 56. 62. Zu den Ehrungen des Nymphon vgl. Ceccarelli 2010, 135. Für sichere Aussagen ist der entsprechende Abschnitt der Inschrift jedoch bereits zu schlecht erhalten. Auch die Bezüge der hortativen Formulierung zu den Ehrungen sind nicht mehr eindeutig zu erkennen.

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Mal Idealvorstellungen über die Verwaltung der Stadtfestung in das Zentrum eines Monuments. Über den knappen und allgemeinen Inhalt der früheren Beschlüsse kam jedoch auch das insgesamt dritte Ehrendekret für Nymphon nicht hinaus. Die Erzählung propagierte das Idealbild eines guten und vorbildlichen Kommandanten und berichtete kaum über die eigentliche Tätigkeit. Auch bei der anschließenden Entscheidung über die Aufzeichnung werden die ideologischen Aspekte des Beschlusses eine wichtige Rolle gespielt haben. Neben der Aufstellung der Stele maßen Rat und Volk auch der Ausrufung der Ehrungen große Bedeutung für die Propagierung der allgemeinen Wertvorstellungen bei und bekräftigten die inhaltlichen Aussagen durch die mehrfache Wiederholung in verschiedenen Medien. Ebenso bedeuteten die Auszeichnungen selbstverständlich stets auch eine persönliche Ehre für Nymphon. Gleich mit zwei Stelen im Stadtbild präsent zu sein, war für den ehemaligen Kommandanten eine besondere Anerkennung durch die Stadt und wird dessen persönliches Ansehen in der Bürgerschaft beträchtlich gesteigert haben. Wie die meisten Phrourarchendekrete beschränkte sich auch das Ehrendekret für den Festungskommandanten Bias aus dem 3. Jhdt. v. Chr. in weiten Teilen auf allgemeine Aussagen – auch wenn der Motivbericht im Umfang insgesamt zugenommen zu haben scheint.41 In den Grundzügen folgte die Erzählung denselben Argumentationsstrukturen wie die Tatenberichte in den Ehrendekreten für Apellis und Nymphon und lobte neben einem gerechten und vorschriftsmäßigen Verhalten die vorbildliche Pflichterfüllung sowie den Verblieb auf der Festung während der gesamten Dienstzeit (1–9).42 Mit dem Ehrendekret für den herausragenden Bürger, der wie seine Vorgänger eine Belobigung und einen goldenen Kranz nach dem Gesetz (11: ἐκ τοῦ νόμου) erhalten sollte (10–17), propagierten Rat und Volk von Priene demnach ein weiteres Mal vornehmlich das eigene Idealbild eines guten Festungskommandanten.43 Für die Bekränzung bot die Resolution demnach in Anlehnung und Rückgriff an den Motivbericht zusätzlich eine ausführliche Begründung. Auch mit der Errichtung der Stele – vermutlich im Heiligtum der Athena (17–20) – wird die Polis ebenso wie mit der Ausrufung des Kranzes, die an den Dionysien im Theater

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I. Priene 23 = I. Priene2 24. Die Aufstellung des Ehrendekrets erfolgte vermutlich in denselben Jahrzehnten wie die Publikation der Beschlüsse für Nymphon. Die Inschrift ist schlecht erhalten und bis auf den rechten Rand an allen Seiten gebrochen. Der Beschluss ist demzufolge bis auf Ausschnitte des Motivberichts und der Resolution verloren. Auch im erhaltenen Abschnitt sind die Zeilenanfänge etwa bis zur Mitte der Stele weggebrochen. Der Inhalt des Ehrendekrets lässt sich demnach in weiten Teilen nur im Ansatz rekonstruieren. Zu Tätigkeit und Verhalten des Bias s. Hamon 2012, 61. Boulay 2014, 54. Nähere Aussagen über Inhalt und Intention des Beschlusses erlaubt der schlechte Erhaltungszustand der Inschrift nicht. Wie die Beschlüsse für Apellis und Nymphon beschränkte sich jedoch vermutlich auch das Ehrendekret für Bias ausschließlich auf das Kommando über die Teloneia.

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beim Wettkampf der Tragödien durch den Festspielleiter zu erfolgen hatte, neben dem Aspekt der zusätzlichen Ehre erneut ideologische Funktionen und hortative Aspekte verknüpft haben.44 Die öffentliche Ehrung von Festungskommandanten sowie die dauerhafte Publikation der entsprechenden Beschlüsse waren im frühhellenistischen Priene nicht ausschließlich Rat und Volksversammlung vorbehalten. So ehrte die Besatzung der Teloneia in der zweiten Hälfte des 3. Jhdts. v. Chr. den bereits zum dritten Mal von der Polis zum Festungskommandanten bestimmten Helikon.45 Die Soldaten standen grundsätzlich in einem anderen Verhältnis zu ihrem Vorgesetzten als Rat und Volksversammlung zu einem – wenn auch herausragenden – Mitbürger.46 Der Beschluss unterschied sich dementsprechend bereits in der Grundkonstellation von den Ehrendekreten der Stadt. Zudem stach das Ehrendekret der Soldaten für den Befehlshaber auch durch die Länge des erzählenden Abschnitts unter den von Rat und Volksversammlung verabschiedeten Beschlüssen heraus (4–33). Ebenso grenzte die doppelte Publikation des Dokuments in der Stoa des Asklepieions sowie im Heiligtum des Telon den Beschluss der Soldaten von den üblicherweise im Heiligtum der Athena publizierten Ehrendekreten der Polis ab (38–51).47 Nichtsdestotrotz zeigte der Beschluss für Helikon auch zahlreiche Parallelen zu den städtischen Ehrendekreten für verdiente Festungskommandanten. Gerade der ausführliche Motivbericht hatte in der ideologischen Ausrichtung große Ähnlichkeit mit den vorangegangenen Beschlüssen der Polis.48 So enthielt die Erzählung aus Sicht der Soldaten grundsätzliche Ansichten zum richtigen Verhalten eines Festungskommandanten. Neben militärischen Tugenden wie Ordnung, Disziplin und Eintracht unter der Besatzungsmannschaft propagierte das Ehrendekret allgemeine Ideale wie Gerechtigkeit und Freiheit

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Zur Ausrufung des Kranzes s. Ceccarelli 2010, 135. I. Priene 19 = I. Priene2 25. Zur Datierung des Beschlusses s. jetzt auch Boulay 2014, 55. Zum Abschluss der Kommanden erhielt Helikon von seinen Soldaten jedes Mal einen goldenen Kranz (20–31). Die Besatzung der Teloneia bestand vermutlich aus Bürgern der Polis. Blümel/Merkelbach 2 2014, 80. Das Heiligtum des Telon wird sich auf dem Burgberg befunden haben. Ebd. 81. Über die Art der Publikation in der Stoa des Asklepieions gab das Dokument keine Auskunft. Die Soldaten wählten zudem zwei Gesandte zur Überbringung des Beschlusses an die Volksversammlung in Priene. Auch die Gestaltung der Stele erinnerte an Ehrendekrete der Polis. So war dem eigentlichen Beschluss eine durch ein Kranzrelief gerahmte Überschrift vorangestellt. Da die Besatzungsmannschaft für die Durchführung der Ehrungen sowie die Aufstellung des Ehrendekrets an einem festen Platz in der Stoa des Asklepieions auf die Erlaubnis von Rat und Volksversammlung angewiesen war, hatte die Polis vielleicht sogar indirekten Einfluss auf die Ehrung des Helikon. Zur Aufzeichnung des Beschlusses s. auch Kah 2014, 159 Anm. 72.

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(8–20).49 In Abschnitten verarbeitete die Erzählung vielleicht sogar populärphilosophisches Gedankengut.50 Die theoretischen Überlegungen explizierte der Beschluss im Gegensatz zu den Ehrendekreten der Polis jedoch an konkreten Leistungen des Helikon. Zunächst bedeutete die Aufzeichnung des Beschlusses demnach mit Sicherheit auch eine besondere Ehre für den mehrfachen Festungskommandanten und sollte den Dank und die Verbundenheit der Soldaten zum Ausdruck bringen. Wie die Monumente der Polis diente die von den Soldaten errichtete Stele jedoch ebenso der Verbreitung der eigenen Ansichten von einem vorbildlichen Befehlshaber. Das Kommando über die Stadtfestung Teloneia empfanden Rat und Volk der Polis Priene im frühen Hellenismus vermutlich als permanente Bedrohung für Freiheit und Demokratie.51 Die machtvolle Stellung als Befehlshaber der Truppen auf dem Burgberg bot ideale Voraussetzungen für einen politischen Umsturz und die Errichtung einer Tyrannis. Als konkretes Beispiel für die Gefährdung der demokratischen Ordnung durch den Machtmissbrauch eines Festungskommandanten mag vielen Bürgern am Beginn des 3. Jhdts. v. Chr. noch die Tyrannis des Hieron aus den Jahren 300–297 v. Chr. vor Augen gestanden haben.52 Die Bestellung und Kontrolle der Befehlshaber der Stadtfestung muss dementsprechend im frühhellenistischen Priene oftmals Gegenstand der politischen Debatte gewesen sein. Die dauerhafte Aufzeichnung der Ehrendekrete für die Festungskommandanten erfolgte also vermutlich nicht als unmittelbare Reaktion auf eine aktuelle Bedrohung. Die Propagierung der Idealvorstellungen vom richtigen Verhalten der Kommandanten entsprang stattdessen einem allgemeinen Bewusstsein von der permanenten Gefährdung durch die machtvolle Position und war gleichsam eine Präventivmaßnahme gegen eine stets latente Bedrohung. Als mittelbare Reaktion auf die Erfahrungen der Tyrannis sollten die Beschlüsse Gegenentwürfe zu Machtmissbrauch und individuellem Herrschafts49 50

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Boulay 2014, 53–55. Vgl. bereits Quaß 1993, 88. Hamon 2012, 61. Für die Griechen gab es nach der Darstellung des Beschlusses nichts Größeres als die Freiheit – ὡς οὐθὲ[ν] | [με]ῖζόν ἐστιν ἀνθρώποις Ἕλλησιν τῆς ἐ|[λε]υθερίας (18–20). Philosophie und Rhetorik nahmen im Hellenismus allgemein großen Einfluss auf die Gestaltung und Ausformulierung der Ehrendekrete. S. zusammenfassend u. S. 457–459. Auch in anderen Städten wurden Festungsbauten – für die Sicherheit der Gemeinwesen stets unverzichtbare Einrichtungen – als potentielle Bedrohung für Freiheit und Demokratie empfunden. So verbot etwa der von den Kalymniern bei der Erneuerung der Homopolitie mit der Polis Kos zu schwörende Eid aus den Jahren nach 208 v. Chr. explizit die Einrichtung von Tyrannis oder Oligarchie durch die Besetzung von Festungsbauten. IG XII 4, 1, 152, 21–25: ὀλιγαρχίαν δὲ οὐδὲ τύραννον οὐδὲ ἄλλο πολίτευμα ἔξω δαμο|κρατίας οὐ καταστάσω παρευρέσει οὐδεμιᾶι, οὐδ᾿ εἴ τίς κα ἄλλος | καθιστᾶι ἐπιτραψῶ, ἀλλὰ κωλύσω κατὰ τὸ δυνατόν, οὐδὲ τῶν | φρουρίων οὐθὲν οὐδὲ ἄκραν καταλαψεῦμαι οὔτε αὐτὸς ἐξι|διαζόμενος οὔτε ἄλλωι συνεργῶν παρευρέσει οὐδεμιᾶι. Für Maßnahmen der Demokratie gegen die Besetzung von Festungsbauten s. auch Robert 1970, 20. Vgl. Blümel/Merkelbach 2 2014, 71. Boulay 2014, 60. Insbesondere das zweite Ehrendekret für Apellis mag eine enge Verbindung zu den Ereignissen um 300 v. Chr. gehabt haben.

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streben bieten. Die Erzählungen propagierten Ideale wie Freiheit und Demokratie und lobten den beispielhaften Bürgersinn der Phrourarchen: Vorbildliche und demokratisch gesinnte Polisbürger hielten sich als Befehlshaber der Stadtfestung stets an die Gesetze und Vorschriften und gaben das Kommando nach Ablauf der Dienstzeit ohne Komplikationen an Rat und Volksversammlung zurück. Persönliche Vorteile und individuelles Machtstreben lagen einem guten Kommandanten fern. Die Erzählungen waren in der Regel auf die wesentlichen Kernaussagen reduziert und beschränkten sich auf einen allgemeinen Verhaltenskatalog.53 Für Originalität oder einen individuellen Bericht über besondere Leistungen der einzelnen Kommandanten – sofern überhaupt existent – war in den knappen Beschlüssen kaum Platz. Stattdessen wiederholten die Erzählungen stets den gleichen Katalog an normkonformen Verhaltensweisen, die auf einem Konsens der Bürgerschaft beruhten, und zielten auf die Bewahrung der überkommenen Traditionen. Gerade in Priene mag die Integration von einzelnen Bürgern aus der städtischen Oberschicht in die neue Ordnung der autonomen Polis als Problem empfunden worden sein. Die Verbreitung der politischen Ansichten und Idealvorstellungen sollte sowohl über die dauerhafte Publikation der Ehrendekrete als auch über die Ausrufung der Kränze erreicht werden. Zugleich bedeuteten die jeweiligen Stelen mit Sicherheit stets auch eine persönliche Anerkennung für besondere Leistungen und steigerten das Prestige der verdienten Kommandanten. In der Regel wird jedoch erst die Verbindung der unterschiedlichen Aspekte die Errichtung der Monumente veranlasst haben. 3.1.2 Ehrendekrete im Kontext von militärischen Auseinandersetzungen Insgesamt blieb die Publikation von Ehrendekreten für eigene Bürger im frühhellenistischen Priene dem Anschein nach noch eine seltene Praxis. Neben den Beschlüssen für die Kommandanten der Teloneia ließen Rat und Volk lediglich vereinzelte Ehrendekrete im Kontext von bedrohlichen Notlagen und existentiellen Krisensituationen aufstellen.54 Der Beschluss für Sotas aus den Jahren nach 278/277 v. Chr. stand in direktem Zusammenhang mit den Einfällen von keltischen 53

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Das gesamte Lebenswerk der verdienten Bürger nahmen die Ehrendekrete im Gegensatz zu den ausführlichen Beschlüssen aus dem späten Hellenismus nicht in den Blick. Thema war stets eine öffentliche Funktion. Zu den Veränderungen in der epigraphischen Praxis im späten Hellenismus s. allgemein Hamon 2012, 61 f. Hamon beschreibt die Entwicklungen als allgemeines Phänomen in den griechischen Städten in Kleinasien. Außerhalb von Priene lassen sich die Beobachtungen im epigraphischen Befund in der Regel jedoch nicht verifizieren. S. auch u. S. 269 f. Zur Aufstellung von Ehrendekreten im Kontext von existentiellen Bedrohungen s. allgemein o. S. 49.

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Stämmen nach Kleinasien und hatte militärische Verdienste um die Verteidigung der Stadt zum Anlass.55 Frühere Leistungen fanden lediglich eine knappe und allgemeine Erwähnung (2–4). Die im Jahr 278/277 v. Chr. nach Kleinasien eingefallenen keltischen Gruppen hatten Landstriche, Dörfer und Heiligtümer verwüstet und bedrohten auch die Polis Priene (4–19).56 In Reaktion auf die kritische Situation stellte Sotas ein Truppenkontingent aus Bürgern und anderen Freiwilligen aus dem Umland auf, kämpfte gegen die plündernden Barbaren und rettete insbesondere unter der Landbevölkerung zahlreichen Personen das Leben (19–38). Der Bericht über die Ereignisse war mit großem rhetorischem Aufwand komponiert und zu einer spannenden Einzelerzählung ausgebaut.57 Gleichsam wie eine sich perspektivisch verdichtende Landschaftsbeschreibung entwarf der Beschluss zunächst ein allgemeines Bild der Situation in Kleinasien, bevor sich die Beschreibung dem Umland von Priene und letztlich der Stadt selbst zuwandte: Die Kelten fielen grausam in Kleinasien ein, verwüsteten das Land, plünderten die Heiligtümer und Tempel und mordeten große Teile der meist wehrlosen Landbevölkerung (4–15).58 Einzig die Polis Priene versuchte den Widerstand zu organisieren (15–19). Erst am Höhepunkt der Erzählung tritt Sotas zum ersten Mal als handelnde Person in Erscheinung (19). Mit dem Auftritt des Helden beginnt die Peripetie zum Guten: Sotas sammelte die besten Bürger zu einer Kampftruppe, stellte sich den Barbaren im Kampf entgegen, befreite zahlreiche Bürger aus der Gefangenschaft, rettete ihnen das Leben und ermutigte durch seine Erfolge letztlich sogar die ganze Stadt zum gemeinsamen Krieg gegen die Kelten (19–38).59 Durch die Art der Darstellung kulminierte die Erzählung in den Maßnahmen des Sotas und stilisierte den tapferen Bürger nach dem Vorbild von traditionellen Heldenerzählungen zu einem großen Einzelkämpfer. Der Ruhm des großen Bürgers fiel jedoch selbstverständlich auch auf die Polis Priene zurück. Die Selbstdarstellung der Stadt beschränkte sich zudem nicht allein auf die Person des Sotas. Die persönlichen Verdienste standen zwar im Zentrum des Beschlusses. Sotas rettete die Polis jedoch nicht im Alleingang und konnte den drohenden Untergang 55

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I. Priene 17 = I. Priene2 28. Die Stele ist nahezu komplett erhalten. Das Inschriftenfeld ist zum Teil jedoch so stark verwaschen und beschädigt, dass sich der Wortlaut des Beschlusses nicht immer rekonstruieren lässt. Im oberen Bereich über dem Inschriftenfeld ist die Stele – passend zum Anlass des Beschlusses – mit einem Helm mit Wangenklappen und Helmbusch sowie einem Rundschild verziert. Zu Erhaltungszustand und Gestaltung der Stele s. Hiller von Gaertringen 1906, 23. Zum Kelteneinfall s. Hiller von Gaertringen 1906, XV. 26. Quaß 1993, 117. Bielman 1994, 88 f. Zur literarischen Gestaltung des Beschlusses s. ausführlich u. S. 430–432. Zur literarischen Funktion des «tableau cruel» s. Bielman 1994, 89. Vor dem Hintergrund eines solchen Schreckensszenarios mussten Mut und Einsatz der Polis Priene und des Sotas umso glänzender erscheinen. Zu den Maßnahmen des Sotas s. Hiller von Gaertringen 1906, XV. Quaß 1993, 117 f. Bielman 1994, 89 f. Boulay 2014, 98. 100. 200. Kah 2014, 155.

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letztlich erst gemeinsam mit den tapferen Bürgern aus dem Freiwilligenaufgebot verhindern. An mehreren Stellen der Erzählung traten daneben auch die Leistungen der Polis zum Vorschein: Während die anderen Griechen in Kleinasien aus Furcht vor den Kelten erst gar keine Gegenmaßnahmen ergriffen hatten und die Bevölkerung den plündernden Horden somit beinahe schutzlos ausgeliefert war, regte sich in Priene früh Widerstand gegen die gottlosen Barbaren (15–19).60 Exponent der Gegenmaßnahmen war zunächst natürlich Sotas. Ebenso stilisierte sich daneben aber auch die Polis Priene als Beschützerin der Griechen in Kleinasien, als Vorkämpferin der Freiheit und als Bewahrerin von Recht und Ordnung gegen die Gottlosigkeit und den Frevel der keltischen Barbaren.61 Im Unterschied zu anderen Beschlüssen verglich sich die Stadt damit insgesamt als Polis mit anderen Städten in Kleinasien. Die Erzählung diente damit offensichtlich auch der Außendarstellung der Stadt. Insbesondere durch die Aufstellung des Ehrendekrets setzte die Polis Priene ein sichtbares Zeichen für die eigene Stärke und Leistungsfähigkeit in den vergangenen Auseinandersetzungen mit den Kelten. Sotas diente als Exponent der Stadt und stand mit seinen Leistungen stellvertretend für die gesamte Polis. Das Ehrendekret war damit ein allgemeines Erinnerungsmonument für ein bedeutsames und ruhmvolles Ereignis in der jüngsten Vergangenheit der Stadt. Auch im Kontext der Ehrungen scheint der Publikation des Ehrendekrets – insbesondere durch die aufwendige Gestaltung der Stele – die größte Bedeutung zugekommen zu sein.62 Demgegenüber erhielt Sotas für seine verdienstvollen Leistungen mit der Belobigung für den Einsatz im Krieg und einem beim tragischen Wettkampf der Dionysien zu verkündenden Olivenkranz eine im Vergleich zu anderen Bürgern recht bescheidene Auszeichnung (38–43).63 Die anschließende Hortativformel bezog sich auf die nach60

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13–19: [ὅθεν συ]νέβ[η] πολ[λοὺς] | [τῶν Ἑλ]λήνων τῶν τὴν Ἀσίαν κατοικούντων φθαρῆναι, [μὴ δυ]|ν[αμέν]ος (?) πρὸς τοὺς βαρβάρους ἀνταγωνίζεσθαι· ὁ δὲ δῆμος | [ὁ Πριηνέ]ων αὐτός τε ἀντετά[ξ]ατο πρὸς τοὺς βαρβάρους ἀ.[μυν]ό[με]|[νος τοὺς] καὶ εἰς τὸ θεῖον ἀσ[ε]βοῦντας καὶ εἰς τοὺς Ἕλληνας πα[ρα]|νομοῦ[ντ]ας, ἐκπέμψας μισθοφόρους τῶν πολιτῶν πεζοὺς καὶ [ἄλ]|[λους ἱππ]οτρόφους, καὶ ἐλα[ύν]ων (?) παντὶ σθένει. Zum doppelten Widerstand durch Sotas und die Polis Priene s. Bielman 1994, 89 f. Zur negativen Charakterisierung der Barbaren s. auch Gehrke 2003, 233. 248. Der Demos bildete sogar den programmatischen Abschluss des Motivberichts. 37–38: ὧγ γενομένων ὁ δῆ|μος εὐθαρσῶς ἐπετέθη πρὸς τὸν τῶγ Γαλατῶμ πόλεμον. Vgl. Hiller von Gaertringen 1906, XV. Durch die bescheidene Ehrung sollte Sotas vielleicht auch nicht auf unverhältnismäßige Art vor den anderen Mitbürgern, die sich um die Verteidigung der Stadt verdient gemacht hatten, herausgehoben werden. Bielman 1994, 90. Mit der überhöhenden Darstellungsweise des Beschlusses will die Interpretation jedoch nicht zusammenpassen. Ebenso mag die bescheidene Ehrung schlicht auf eine schlechte Finanzlage der Stadt zurückzuführen sein. So Hiller von Gaertringen 1906, XV. Diese Interpretation birgt jedoch ebenfalls Probleme. Ehrungen für einzelne Bürger scheinen im frühhellenistischen Priene im Allgemeinen keinen großen Umfang angenommen zu haben und müssen dementsprechend nicht zwingend mit finanziellen Problemen der Stadt in Zusammenhang stehen.

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folgenden Bestimmungen zur Aufstellung der Stele im Heiligtum der Athena und unterstrich die große Bedeutung des öffentlichen Monuments im Kontext der verliehenen Auszeichnungen (43–48). Zum Teil sollte dementsprechend auch die Sichtbarkeit des Kranzes über die Inschrift erreicht werden. Das Ende des Beschlusses bildeten Bestimmungen zur Finanzierung der Inschrift (48–50). In der Summe wird die dauerhafte Publikation des Ehrendekrets erneut erst durch ein Zusammentreffen von unterschiedlichen Aspekten im Zusammenhang mit der existentiellen Bedrohung veranlasst worden sein. So blieben die Ehrungen des Sotas neben den ideologischen Aspekten auch eine besondere Auszeichnung für herausragende Leistungen. Weder der Beschluss noch die verliehenen Ehrungen erhoben den Vorkämpfer des Demos jedoch über die Polisgemeinschaft. Der Ausnahmebürger war der strahlende Retter der Polis und bildete über die persönlichen Erfolge zugleich den Kern der Erzählung. Das Ehrendekret präsentierte Sotas jedoch gleichsam als bürgerlichen Helden im aufopferungsvollen Einsatz für die Stadt und gewährte daneben auch Polis und Demos einen prominenten Platz in der Erzählung. Auf Grund von besonderem Engagement konnte der Ausnahmebürger innerhalb der Bürgerschaft einen herausragenden Platz beanspruchen. Sotas blieb dennoch stets Teil der Polisgemeinschaft und unterschied sich im Prinzip nicht von den übrigen Bürgern. Die beispielhaften Leistungen wie der patriotische Einsatz für die Stadt konnten im Prinzip auch von anderen Personen erbracht werden. Vermutlich ebenfalls im frühen 3. Jhdt. v. Chr. ehrte die Polis Priene den engagierten Bürger [Me]nares für Verdienste während kriegerischer Auseinandersetzungen mit der Nachbarstadt Milet.64 Der Beschluss wirkte schon im äußeren Erscheinungsbild klein und bescheiden und reduzierte sich auch im Inhalt auf die wesentlichen Kernaussagen. So berichtete die Erzählung lediglich in zwei knappen Halbsätzen von der allgemeinen Tugendhaftigkeit des [Me]nares, dessen Bürgerstatus eine explizite Erwähnung erhielt, sowie dem tapferen Verhalten im Krieg gegen Milet als eigentlichem Anlass der Ehrung (5–8).65 Im Gegensatz zur bescheidenen Stele und zum knappen Motivbericht erreichten die verliehenen Auszeichnungen einen großen Umfang (8–14). Unbedeutende Erfolge scheinen die militärischen Leistungen des verdienten Bürgers demnach nicht gewesen zu sein. Neben Belobigung und goldenem Kranz erhielt [Me]nares das Privileg der Freiheit von persönlichen Steuern,

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I. Priene 26 = I. Priene2 32. Die kleine und schmale Stele ist gut erhalten und nur oben und unten am Rand gebrochen. Vom ursprünglichen Beschluss fehlen nur wenige Zeilen am Anfang und am Ende. Zur Datierung des Ehrendekrets vgl. auch – trotz der problematischen Gesamtchronologie – Crowther 1996, 209. 226. Zu den Leistungen des [Me]nares s. Gauthier 1991, 50. Quaß 1993, 116 Anm. 186. Crowther 1996, 209.

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einen Ehrensitz bei den Wettkämpfen sowie das Recht auf Speisung im Prytaneion.66 Zusätzlich sollten sich alle Privilegien auch auf die Nachkommen übertragen.67 Der anschließende Abschnitt der Resolution verwies auf die Beispielhaftigkeit des Beschlusses – auch die anderen Bürger sollten wissen, weshalb der Demos von Priene um die Heimat verdiente Männer ehrte (15–18).68 Eine hortative Funktion war in der Formulierung jedoch lediglich auf indirekte Weise impliziert. Zumindest in der publizierten Form konnte das Ehrendekret, das weder ein zur Nachahmung geeignetes Idealbild noch allgemeingültige Tugendvorstellungen und Wertekonzepte entwarf, auch kaum seine Beispielfunktion erfüllen. Einzig die Aussicht auf vergleichbare Ehrungen mag für andere Bürger ein Ansporn zum Engagement für die Polis gewesen sein. Da der knappe Motivbericht zudem kaum zur individuellen Erinnerung an den verdienten Bürger beitragen konnte, werden bei der Publikation des Ehrendekrets vornehmlich die verliehenen Ehrungen im Zentrum gestanden haben. Insbesondere für [Me]nares und dessen Nachkommen mag die öffentliche Dokumentation der Privilegien eine zusätzliche Garantie für den dauerhaften Fortbestand der Regelungen und nicht zuletzt natürlich auch eine zusätzliche Ehre bedeutet haben. Eine große Öffentlichkeitswirkung wird die bescheidene Stele, die zudem vermutlich in einem Nebenheiligtum der Polis aufgestellt war, dagegen gerade im Vergleich zur aufwendigen Publikation von anderen Ehrendekreten wie dem Beschluss für Sotas nicht besessen haben.69 Zu einem Teil diente die Aufstellung des Monuments, die vermutlich erneut erst durch eine Krise veranlasst worden war, aber sicherlich auch der Erinnerung an die erfolgreiche militärische Auseinandersetzung der Polis Priene mit der Nachbarstadt Milet. Zur Konstruktion einer großen Heldenerzählung wird sich der Konflikt vielleicht jedoch nicht geeignet haben.

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Zur Neuinterpretation der ἀτέλεια τοῦ σώματος als Freiheit von persönlichen Steuern s. zusammenfassend Gauthier 1991, 66–68. Privilegien wie ein Ehrensitz oder das Recht auf Speisung im Prytaneion konnten sinnvoller Weise vermutlich nur ein einziges Mal vergeben werden. Dass die Festungskommandanten in Priene am Ende der Dienstzeit in der Regel lediglich eine Belobigung und einen Kranz erhielten, mag demnach auch damit zusammenhängen, dass sie entsprechende Privilegien wie Ehrensitz und Speisung im Prytaneion bereits zu einem früheren Zeitpunkt der Karriere für andere Leistungen erhalten hatten. So hatte etwa Apellis beide Auszeichnungen bereits für die Tätigkeit als γραμματεύς erhalten. Auch das erste Ehrendekret für Nymphon mag bereits entsprechende Privilegien vergeben haben. Zur Übertragbarkeit der Privilegien vgl. allgemein Quaß 1993, 36. Der Abschnitt mag sich auf die Aufstellung der Stele oder die Ausrufung der Ehrungen bezogen haben. Bestimmungen zur Aufzeichnung des Beschlusses sind in den erhaltenen Abschnitten der Resolution nicht enthalten. Eine entsprechende Ergänzung der letzten Zeile (19) durch Blümel/Merkelbach (2 2014) bleibt eine Hypothese. Zumindest der für die Veröffentlichung redigierte Beschluss muss nicht zwingend Bestimmungen zur dauerhaften Aufzeichnung enthalten haben. Zum Aufstellungskontext des Beschlusses s. zuletzt Blümel/Merkelbach 2 2014, 93.

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3.1.3 Die Aufstellung von Ehrendekreten für eigene Bürger im frühhellenistischen Priene Die dauerhafte Publikation von Ehrendekreten für eigene Bürger blieb im frühhellenistischen Priene insgesamt eine Ausnahmeerscheinung und erfolgte nur zu besonderen Anlässen. In den meisten Fällen war die Errichtung der Stelen entweder eine direkte Antwort auf aktuelle Krisen oder eine mittelbare Reaktion auf eine latente Bedrohung. So standen die Ehrendekrete zumeist im Zusammenhang mit militärischen Bedrohungen oder mit der Übernahme des Kommandos über die Stadtfestung. In der Regel scheint erst ein Zusammentreffen von unterschiedlichen Faktoren die Stadt zur Errichtung der jeweiligen Monumente veranlasst zu haben. Zunächst waren die Stelen eine herausragende und seltene Auszeichnung für besondere Leistungen. Daneben nutzten Rat und Volk – respektive die politische Führungsschicht der Polis – die Errichtung der Monumente zur Selbstdarstellung sowie zur Verbreitung von eigenen Ansichten und Idealen. Die Tatenberichte zeigten das vorbildliche Verhalten eines demokratischen Polisbürgers und präsentierten die ausgezeichneten Personen in der Polisöffentlichkeit als Idealbeispiele zur Nachahmung. Sowohl die Ehrendekrete als auch die verliehenen Privilegien erhoben die ausgezeichneten Personen noch nicht grundsätzlich über die anderen Bürger. Eine herausragende Stellung innerhalb der Polis konnte nur über besondere Leistungen erreicht werden. Im Prinzip stand der beschriebene Weg zu Ruhm und Anerkennung – etwa durch Leistungen im Krieg oder durch ein vorbildliches Verhalten in städtischen Funktionen – nach Darstellung der Ehrendekrete jedem Polisbürger offen. In der politischen Praxis ermöglichten ökonomische und soziale Ausgangsvorteile vermutlich vornehmlich Mitgliedern der städtischen Elite eine Distinktion durch herausragendes Engagement. Die Ehrendekrete sollten solchen Entwicklungen zunächst vermutlich noch entgegenwirken und zielten dementsprechend auf die Integration von herausragenden Einzelpersonen in die demokratische Gleichheit. Das erste Ehrendekret für Apellis erinnerte an die Autonomie der Stadt und zeichnete das Bild eines idealen γραμματεύς. Der zweite Beschluss propagierte – wie die späteren Ehrendekrete für Festungskommandanten – die Idealvorstellungen der Polis von einem demokratisch gesinnten Befehlshaber der Stadtfestung. Das machtvolle Kommando über die Teloneia empfanden Rat und Volk von Priene im frühen Hellenismus offensichtlich als große Bedrohung für Freiheit und Demokratie. Die Ehrendekrete für die Festungskommandanten sollten den Bürgern ein vorbildliches Verhalten vor Augen führen und möglichen Gefahren für die Polis ein Stück weit entgegenwirken. Die Beschlüsse zeigten damit zugleich das Dilemma und die Aporie der Polis, da an eine Aufgabe der Festung aus topographischen Gründen ebenfalls nicht zu denken war. Die Ehrendekrete aus dem Kontext von militärischen Auseinandersetzungen wie den Kelteneinfällen erinnerten an wichtige Ereignisse aus der Geschichte der Stadt und verdeutlichten Bedeutung und Leistungsfähigkeit der

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Polis. Insbesondere im Ehrendekret für Sotas inszenierte sich die Polis Priene als Vorkämpferin der Griechen in Kleinasien. Daneben warfen freilich auch die Leistungen des herausragenden Bürgers ein positives Licht auf die Stadt. Selbstdarstellung und Selbstvergewisserung der Polis sowie die Verbreitung von Werten und Idealen waren im frühhellenistischen Priene stets wichtige Gründe bei der Entscheidung für eine dauerhafte Publikation von Ehrendekreten und gingen Hand in Hand mit der angemessenen Anerkennung von verdienten Einzelpersonen. Die Beschlüsse der Stadt beschränkten sich zumeist auf einen begrenzten Ereigniszusammenhang. Einzig die Zusammenstellung von mehreren Ehrendekreten zu einem Monument vermittelte im Ansatz einen Eindruck von der Lebensleistung eines Bürgers. Einzelne Beschlüsse mit ausführlichen Lebensbeschreibungen sollte die Polis Priene jedoch erst ab dem späten 2. Jhdt. v. Chr. verabschieden.70

3.2 Bewährung in der Krise – Die Polis Erythrai im frühen 3. Jhdt. v. Chr. Die ionische Polis Erythrai ließ ausschließlich zum Beginn der hellenistischen Zeit Ehrendekrete für eigene Bürger publizieren. Selbst im frühen 3. Jhdt. v. Chr. erfuhren entsprechende Beschlüsse in der Stadt nur in seltenen Fällen eine dauerhafte Aufzeichnung – zumeist in Verbindung mit wichtigen Ereignissen aus der Geschichte der Polis.71 Den genauen Gründen für die Errichtung der Monumente wird im Folgenden nachzugehen sein. Insbesondere soll nach den Aussageintentionen der Beschlüsse sowie nach möglichen Motiven der Stadt bei der Aufzeichnung der Beschlüsse gefragt werden. Auch die engen Verbindungen zwischen Erythrai und Athen mögen Einfluss auf die Praxis der öffentlichen Anerkennung von eigenen Bürgern genommen haben. Dementsprechend ist die Aufstellung der Ehrendekrete in der ionischen Polis auch mit der athenischen Praxis zu vergleichen.

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Zu den Lebenswerkdekreten aus Priene s. ausführlich u. S. 283–315. In der Stadt ist freilich durchaus mit mehr Inschriften als den bekannten Beschlüssen zu rechnen. So sind vier weitgehend nur durch Parallelen aus anderen Inschriften zu ergänzende Fragmente wahrscheinlich als Ehrendekrete für Bürger aus Erythrai anzusprechen. Şahin 1987 Nr. 3. Engelmann 1987 Nr. 5. 6. 15. Daneben sind aus der Stadt auch Beschlüsse für fremde Personen wie etwa Richter sowie einige Ehreninschriften bekannt. Zumindest die dauerhafte Publikation von Ehrendekreten für eigene Bürger scheint jedoch eine Ausnahme geblieben zu sein.

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3.2.1 Ehrendekrete im Kontext von politischen Krisen und militärischen Konflikten In den Jahren zwischen 334–332 v. Chr. – vielleicht aber auch erst in der Zeit nach 323 v. Chr. – publizierten Rat und Volk der Stadt Erythrai mit dem Beschluss für Phanes vermutlich zum ersten Mal ein Ehrendekret für einen eigenen Bürger.72 Anlass der Ehrung war das finanzielle Engagement des herausragenden Bürgers bei der Befreiung der Stadt von einer Besatzung. Den historischen Hintergrund der Ereignisse bildeten je nach Datierung des Beschlusses der Abzug von persischen Truppen im Kontext der Eroberungen Alexanders des Großen oder die Aufgabe der Stadtfestung durch einen Diadochen.73 Mit der finanziellen Unterstützung des Phanes konnte sich Erythrai von der fremden Besatzung freikaufen und die Schleifung der Festung auf der Akropolis bezahlen. In jedem Fall scheint die Errichtung des Monuments durch die Polis Erythrai im Zusammenhang mit der militärischen Bedrohung der Stadt durch einen äußeren Feind erfolgt zu sein. Die Ehrung des Phanes erfolgte auf gemeinsamen Antrag von Prytanen, Strategen und Exetasten – ein in der Polis Erythrai übliches Verfahren (1–3).74 Der insgesamt knappe Motivbericht begann mit der allgemeinen Würdigung der Anlagen und des herausragenden Charakters des vorbildlichen Bürgers (3–7).75 Der anschließende Abschnitt berichtete in knappen Worten über das zinslose Darlehen zur Organisation des Abzugs der fremden Besatzungstruppen sowie zur Schleifung der Befestigungsanlagen als den eigentlichen Anlass der Ehrung (7–10). Die Erzählung war auf die wesentlichen Fakten reduziert und scheint bei den Rezipienten eine Vertrautheit mit den Ereignissen vorausgesetzt zu haben. Für seine Leistungen erhielt Phanes einen bei den Dionysien auszurufenden Goldkranz im Wert von 50 philippischen Stateren sowie das Recht auf Speisung im Prytaneion (10–17).76 Die Publikation des Ehrendekrets sollte auf zwei Stelen im Athenaion und im Herakleion erfolgen (17–21). Die Vorschriften zur Aufstellung des Beschlusses waren mit einem indirekten Verweis auf 72

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I. Erythrai 21. Zur Datierungsfrage s. ausführlich Engelmann/Merkelbach 1972, 82 f. Vgl. Maier 1959, 213. Migeotte 1984, 275. Eine späte Datierung favorisieren Varinlioğlu/Bresson/Brun/Debord/Descat 1990, 77 f. Boulay 2014, 224. 262. Inkonsequent ebd. 391. Zu möglichen historischen Hintergründen s. Engelmann/Merkelbach 1972, 82. Vgl. Maier 1959, 214. Migeotte 1984, 275. Quaß 1993, 97 Anm. 86. Boulay 2014, 224. 262. 304. 391. Zu den Leistungen des Phanes s. auch Van der Vliet 2011, 177. Prytanen, Strategen und Exetasten traten bei vielen Beschlüssen der Stadt als gemeinsame Initiatoren der jeweiligen Anträge auf. S. Engelmann/Merkelbach 1972, 83. Rhodes/Lewis 1997, 369. Vgl. Maier 1959, 214. Migeotte 1984, 275. 3–7: ἐπειδὴ Φανῆς Μνησιθέου | [ἀ]νὴ[ρ] ἀγαθὸς ὤν καὶ εὔνους διατε|[λ]εῖ εἰς τὸν δῆμον τὸν Ἐρυθραίων | [π]ᾶσαν προθυμίαν ἐνδεικνύμενο|[ς]. Zum Wert des Kranzes sowie zur Datierung der Inschrift nach dem Gebrauch der philippischen Statere s. Maier 1959, 214. Engelmann/Merkelbach 1972, 84. Varinlioğlu/Bresson/Brun/Debord/Descat 1990, 77 f. Vgl. allgemein Knoepfler 1997, 37.

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die hortative Funktion des Monuments verknüpft (21–24). Die Stadt wollte durch die öffentlichen Monumente zeigen, dass sie Wohltaten angemessen zu vergüten verstand. Anderen Bürgern sollten die Stelen – so die in der Formulierung implizierte Hoffnung der Polis – Beispiele für das eigene Handeln bieten.77 Auch in der Polis Erythrai veranlasste demnach vermutlich erst eine einschneidende Krise nach dem Ende der persischen Besatzung in Kleinasien die erstmalige Aufstellung eines Ehrendekrets. Die Errichtung eines entsprechenden Monuments scheint zunächst eine seltene Ehre gewesen zu sein und wurde lediglich bei besonderen Leistungen vergeben. Eine Möglichkeit zu außergewöhnlichem Engagement, das in der Folge für besondere Auszeichnungen qualifizierte, wird sich Phanes erst durch die schwierige Lage der Polis geboten haben. Vor dem Hintergrund der äußeren Bedrohung brachten die beiden Stelen demnach zunächst die Dankbarkeit der Stadt für das großzügige Eingreifen zum Ausdruck. Die doppelte Aufzeichnung des Ehrendekrets bedeutete jedoch nicht nur eine zusätzliche Ehre. Ebenso sollte der Bericht über die zum Wohl der Polis erbrachten Leistungen anderen Bürgern Beispiel und Vorbild sein. Nicht zuletzt bewahrten die Monumente die Erinnerung an ein entscheidendes Ereignis aus der jüngsten Vergangenheit und nahmen einen Platz im kollektiven Gedächtnis der Stadt ein. Die beiden Stelen für eine Einzelperson waren somit zugleich Erinnerungsmonumente für die gesamte Polis. Gerade das Gefühl der existentiellen Bedrohung mag in der Stadt ein verstärktes Bedürfnis nach Selbstvergewisserung geweckt haben. Erneut mögen erst die unterschiedlichen Bedeutungsebenen des Beschlusses in der Gesamtheit den Ausschlag für die Errichtung der Stelen gegeben haben. Die äußere Bedrohung wird die einzelnen Aspekte der Monumente – persönliche Auszeichnung und ideologische Funktion – verstärkt haben. Das Ehrendekret für Phanes markierte in der Polis Erythrai – zumal in der vorangegangenen Zeit der persischen Besatzung vermutlich noch eine andere epigraphische Praxis vorherrschte – möglicherweise den Beginn der Aufstellung von Ehrendekreten für eigene Bürger. Der knappe Motivbericht scheint von der Unerfahrenheit der Polis mit entsprechenden Praktiken zu zeugen und zugleich auf eine gewisse Zurückhaltung der Stadt bei der persönlichen Erhöhung eines Individuums durch einen

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Implizite Hortativformeln begegnen auch in anderen Beschlüssen. S. etwa o. S. 104. Zu den verschiedenen Kategorien an Hortativformeln s. auch Miller 2016, 387–391. Zum Phänomen der Hortativformel vgl. auch allgemein Quaß 1993, 30 f. In den meisten Ehrendekreten standen die entsprechenden Formulierungen am Ende der Motivberichte und zeigten zumindest keinen formalen Bezug zu den Publikationsvorschriften. Zu erreichen war die intendierte Öffentlichkeitswirkung bei allen Ehrungen neben der Ausrufung stets auch durch die Errichtung von entsprechenden Stelen. Eine Verknüpfung von Hortativformel und Publikationsvorschrift fand sich etwa noch in den frühhellenistischen Ehrendekreten aus Priene. S. etwa o. S. 105.

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ausführlichen Tatenbericht zu verweisen.78 Etwa ein halbes Jahrhundert nach dem Beschluss für Phanes publizierte die Polis Erythrai mit den Beschlüssen für Hekatas und Polykritos aus den Jahren um 275/274 v. Chr. erneut zwei Ehrendekrete für eigene Bürger.79 Trotz Unterschieden in Umfang und Inhalt zeigen beide Beschlüsse im Vergleich zum Ehrendekret für Phanes eine Weiterentwicklung im Hinblick auf die Gestaltung der Motivberichte. Die erzählenden Abschnitte erfuhren insgesamt eine Ausweitung. Das Ehrendekret für Hekatas zeigte noch große Ähnlichkeiten zum Beschluss für Phanes und konzentrierte den weiterhin knappen Tatenbericht auf die einjährige Tätigkeit als Agoranomos. Den Motivbericht im Ehrendekret für Polykritos hatte der unbekannte Antragsteller demgegenüber bereits als ausführliche Darstellung konzipiert. Der Beschluss zu Ehren des Hekatas begann den Motivbericht mit allgemeinen Aussagen über das Engagement für die Polis (2–6).80 Im Anschluss beschränkte sich die Erzählung ausschließlich auf die Leistungen als Agoranomos (6–11). Die knappe Darstellung kam jedoch kaum über Allgemeinplätze und Floskeln hinaus. Konkrete Details über einzelne Leistungen wusste der Beschluss nicht zu berichten. Stattdessen bot die Erzählung – ähnlich dem ersten Ehrendekret für Apellis aus Priene – einen Katalog an wichtigen Eigenschaften eines idealen Marktaufsehers.81 Auch wenn Hekatas sich die Auszeichnung durch besondere Leistungen verdient haben wird, konnte der allgemeine Motivbericht nicht der Erinnerung an die einzelnen Verdienste dienen. Vornehmlich sollte die Erzählung stattdessen vermutlich die Vorstellungen der Polis Erythrai von einem vorbildlichen Agoranomos transportieren. An Ehrungen, die zudem vermutlich durch öffentlichen Ausruf zu verkünden waren (20–23), erhielt Hekatas einen goldenen Kranz sowie das Recht auf einen Ehrensitz 78 79

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Ein ähnliches Phänomen ist etwa auch bei den Ehrendekreten für athenische Bürger aus dem späten 4. Jhdt. v. Chr. zu beobachten. Rosen 1987, 278–282. Die beiden Bürger sind auch durch eine frühere Strategenehrung aus den Jahren 277/275 v. Chr. bekannt – Polykritos als Antragsteller, Hekatas als Mitglied der neun Strategen. I. Erythrai 24. S. ausführlich u. S. 123 f. Vgl. Bielman 1994, 83. Boulay 2014, 86. Ein Inschriftenfragment mit zwei weiteren Ehrendekreten überliefert ebenfalls den Namen des Polykritos. Şahin 1982. Die Beschlüsse mögen dem verdienten Bürger oder dessen Sohn gegolten haben. Über Form und Inhalt der Ehrendekrete lässt der schlechte Erhaltungszustand der Inschrift keine Aussagen zu. So mögen die beiden Beschlüsse sogar unterschiedliche Personen ausgezeichnet haben. I. Erythrai 27. Die Inschrift ist auf der rechten Seite verloren und in Abschnitten lediglich im Ansatz zu rekonstruieren. Zum Horizont der Leistungen gehörte die – den Zuhörern bei der Verlesung des Antrags vermutlich noch bekannte – Strategie. Explizite Erwähnung fand die Tätigkeit vermutlich jedoch nicht. Die Inschrift ist an den entsprechenden Stellen schlecht erhalten. Der genaue Wortlaut lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Insgesamt scheint der Abschnitt jedoch einen Katalog an vorbildlichen Eigenschaften geboten zu haben. 7–11: [πάντων τῶν κατὰ] | τὴν ἀρχὴν δικαίως [καὶ ἴσως ἐπεμελήθη] | καὶ τοῖς νόμοις ἀκ[ολούθως . . . . . . . .] | τὰς ὑφ’ αὑτοῦ κατ[—]εισας μ[—] | καὶ δικαίως. Vgl. Boulay 2014, 85. Zu Apellis s. o. S. 98–103.

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bei den Wettkämpfen der Stadt (11–15).82 Die anschließende Hortativformel setzte der Beschluss in direkte Verbindung zum verliehenen Ehrensitz (16–20). Das Privileg diente zunächst mit Sicherheit dem persönlichen Ansehen und dem Prestige des Hekatas. Daneben war eine verdiente Person auf einem Ehrensitz jedoch stets auch ein sichtbares Zeichen für alle Zuschauer und erbrachte gleichsam den Beleg, dass die Stadt zu ehren verstand und zudem mit herausragenden Personen aus der eigenen Bürgerschaft aufwarten konnte. Neben dem Ehrendekret konnten demnach auch die einzelnen Ehrungen – insbesondere bei dauerhaften Privilegierungen – über die persönliche Ehre eines verdienten Bürgers hinaus eine Außenwirkung entfalten.83 Die Hintergründe für die Aufstellung des Ehrendekrets für den Agoranomos Hekatas lagen vermutlich in einer für den Abfassungszeitraum des Beschlusses in Erythrai nachzuweisenden Getreidekrise.84 Unter den außergewöhnlichen Umständen konnte sich Hekatas durch besondere Leistungen auszeichnen. Das Ehrendekret verzichtete jedoch auf einen detaillierten Tatenkatalog und beschränkte sich auf allgemeine Aussagen über einen guten Agoranomos. Angesichts der prekären Versorgungslage der Stadt wollten Rat und Volk demnach durch die Errichtung des Monuments nicht zuletzt das eigene Idealbild von einem für Markt und Getreide zuständigen Funktionsträger öffentlich verbreiten. Eine frühere Ehrung des herausragenden Bürgers als Mitglied der neun Strategen erwähnte der Beschluss dementsprechend nicht.85 Den Zeitgenossen waren die vorangegangenen Verdienste vermutlich dennoch bekannt. Für die Bewertung der aktuellen Tätigkeit sowie die ideologischen Intentionen des Monuments hatten diese Leistungen jedoch lediglich eine geringe Bedeutung. Das Ehrendekret für Polykritos, das die Polis Erythrai etwa zur gleichen Zeit wie den Beschluss für Hekatas publizieren ließ, nahm in einem langen und ausführlichen Motivbericht zum ersten Mal eine Vielzahl an unterschiedlichen Polisfunktionen in den Blick.86 Die Übernahme der Agoranomie – im Ehrendekret für 82

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Hekatas scheint – auch wenn der entsprechende Abschnitt lediglich zu ergänzen ist – bereits für die Leistungen als Stratege einen Ehrensitz erhalten zu haben. I. Erythrai 24, 29. S. auch u. S. 123 f. Die Ehrensitze für das Strategengremium mögen eine zeitliche Begrenzung gehabt haben. Eine entsprechende Regelung wäre vermutlich die sinnvollste Erklärung für die erneute Vergabe eines Ehrensitzes an Hekatas. Der Abschnitt über die Verkündung der Ehrungen (20–23) ist schlecht erhalten. Mögliche Vermutungen über weitere Bestimmungen – etwa zur Publikation des Ehrendekrets – müssen Spekulation bleiben. Die verliehenen Privilegien hatten vermutlich stets unterschiedliche Aspekte. S. o. S. 40 f. In der Regel brachten die Ehrendekrete die ideologischen Aspekte der einzelnen Ehrungen jedoch nicht zum Ausdruck. Konkrete Hinweise auf Versorgungsengpässe enthält der zeitgleiche Beschluss für Polykritos. I. Erythrai 28. S. ausführlich u. S. 119–122. I. Erythrai 24. S. ausführlich u. S. 123 f. I. Erythrai 28. Der Beschluss ist gut erhalten und lediglich zum Beginn und wenige Zeilen vor dem Ende gebrochen.

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Hekatas das zentrale Element der Erzählung – war nur eine Tätigkeit unter vielen Verdiensten. Einen speziellen Anlass für die Ehrung nannte der Beschluss nicht. Die ausführlich referierten Leistungen konzentrierten sich in der Mehrzahl jedoch auf die Ereignisse während der keltischen Angriffe auf kleinasiatische Städte in den Jahren um 278/277 v. Chr.87 Andere Erfolge fasste der Beschluss nur summarisch zusammen. Letztlich gab demnach erst das umfangreiche Engagement des Polykritos in der Zeit der Kelteneinfälle, die eine existenzielle Bedrohung für die gesamte Stadt bedeuteten, den Ausschlag für die Ehrung. Die einzelnen Leistungen waren nach inhaltlichen Aspekten zu Kategorien zusammengefasst. Die Rubriken folgten jeweils einem chronologischen Schema und erhielten durch die aufzählende Partikel τε auch eine formale Gliederung.88 Der Tatenbericht begann mit militärischen Leistungen und dem Schutz der Region gegen feindliche Angriffe (1–12).89 Durch erfolgreiche Verhandlungen erreichte Polykritos die Absicherung der Küsten durch den Nauarchos Alkippos mit Schiffen aus der Flotte des Antiochos I. Soter und wurde im Anschluss von der Polis mit der Verteidigung der Küstenregion zu Land beauftragt.90 Insbesondere der Schutz der Kaufleute auf den Handelswegen garantierte eine ausreichende Versorgung der Stadt. Mehrere Gesandtschaftsreisen bildeten eine zweite Kategorie an Verdiensten (12–18). Eine ausführliche Darstellung erfuhren jedoch lediglich die erfolgreichen Verhandlungen mit den Kelten um die Rückgabe und den Freikauf von Mitbürgern, die sich in Kriegsgefangenschaft befanden oder als Geiseln gestellt worden waren – vermutlich die gefährlichste Reise und zugleich der wichtigste Erfolg des Polykritos.91 Weitere diplomatische Missionen fasste die Erzählung nur knapp zusammen. Die dritte und zugleich ausführlichste Rubrik bil-

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Zu den historischen Hintergründen des Beschlusses s. Engelmann/Merkelbach 1972, 111. Orth 1977, 77. Şahin 1982, 501–503. Bielman 1994, 83. Pazdera 2006, 9. Ausgehend von einem späteren Datierungsansatz argumentiert Migeotte 1984, 277. Zur Datierungsproblematik s. auch Wörrle 1975, 61–72. Die Vielzahl an unterschiedlichen Leistungen betont Müller 2011, 359. In Aufbau und Gestaltung erinnert das Ehrendekret für Polykritos an die zeitgleichen Beschlüsse aus Athen (s. o. S. 51–95) oder das Ehrendekret für Boulagoras aus Samos (s. u. S. 132–137). Zum aufzählenden Gebrauch der Partikel τε – gerade in Ehrendekreten mit ausführlichen Tatenberichten ein häufiges Phänomen – s. auch u. S. 408. Eine ausführliche Lebensdarstellung bot der Beschluss durch die Konzentration auf die Zeit der Kelteneinfälle jedoch nicht. Zu den Leistungen des Polykritos s. Engelmann/Merkelbach 1972, 111 f. Orth 1977, 77. Şahin 1982, 504. Quaß 1993, 114. 233. Bielman 1994, 84 f. Boulay 2014, 120 f. Der seleukidische Admiral und seine Mannschaft hatten für den Einsatz ebenfalls Ehrungen in Erythrai erhalten. Engelmann/Merkelbach 1972, 112. Orth 1977, 83 f. Zu den diplomatischen Verdiensten s. Engelmann/Merkelbach 1972, 112. Wörrle 1975, 62. 64. Şahin 1982, 504. Quaß 1993, 118. Bielman 1994, 85. Boulay 2014, 180. Die Rettung von Mitbürgern gehörte zu den größten Verdiensten jedes Bürgers.

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deten Verdienste um die Versorgung der Stadt mit Getreide (19–48).92 Zunächst bot die Erzählung einen ausführlichen Bericht über die Tätigkeit des herausragenden Bürgers als Agoranomos. Sowohl durch den Import und die Ausgabe von Getreide als auch durch die Gewährung von Darlehen zum Getreideankauf konnte Polykritos mehrmals die Verschärfung von Versorgungskrisen abwenden.93 Ursachen des akuten Getreidemangels waren sicherlich zu einem großen Teil die kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Kelten sowie die allgemein unruhigen Verhältnisse in der Region.94 Neben der Beschaffung von Getreide scheint sich der reiche Bürger auch zu anderen Gelegenheiten durch finanzielles Engagement zum Wohl der Stadt und des Königs verdient gemacht zu haben. Für seine zahlreichen Leistungen hatte Polykritos bereits mehrfach Ehrungen erhalten (32–34).95 Die verliehenen Privilegien hatte die Stadt – vielleicht ebenfalls als Ehrendekrete – auf dem Marktplatz auf eine Stele aufzeichnen lassen.96 Die Dankbarkeit für die früheren Anerkennungen durch die Stadt veranlasste Polykritos nach Darstellung der Erzählung zu seinem späteren Engagement (34–36). Auf deutliche Weise akzentuierte der Beschluss damit das reziproke Wechselverhältnis von Engagement und Ehrung.97 Zur Bewältigung von Getreideknappheit und Teuerung versprach Polykritos der Stadt ein zinsloses Darlehen. Als ein Nauarchos – vermutlich erneut Alkippos – mit seinen Schiffen auf der Durchreise zu König Antiochos mehrere Tage an der Küste vor Erythrai festgehalten wurde und in Versorgungsengpässe geriet, übernahm Polykritos nach einem allgemeinen Spendenaufruf die komplette Finanzierung der städtischen Hilfsmaßnahmen.98 Um die Dankbarkeit gegenüber verdienten Männern auch öffentlich zu bekunden, beschlossen Rat und Volk erneute Ehrungen für den herausragenden Bürger (48–55). Mit der indirekten 92

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Zu den Maßnahmen des Polykritos s. Engelmann/Merkelbach 1972, 112–116. ­Migeotte 1984, 277 f. Quaß 1993, 241 f. 249. Bielman 1994, 85. Pazdera 2006, 98. 177 f. Boulay 2014, 151. 352. Die Leistungen des Polykritos beruhten im Vergleich zum Engagement des Hekatas insbesondere auf finanziellen Aufwendungen und setzten ein großes Privatvermögen voraus. Zum Reichtum des Polykritos s. auch Bielman 1994, 83. Hekatas mag als Agoranomos nicht über entsprechende Möglichkeiten verfügt haben. Migeotte 1984, 277. Bielman 1994, 85. Pazdera 2006, 9. Vgl. Boulay 2014, 233 f. 352. Die durch die Kelteneinfälle verursachte Versorgungskrise mag auch der Anlass für die Ehrung des Agoranomos Hekatas gewesen sein. S. o. S. 118 f. Dessen Ehrendekret formulierte die konkreten Umstände jedoch nicht. Orth 1977, 84. Ebd. 77 f. Şahin 1982, 504. Quaß 1993, 37. Entsprechende Formulierungen waren in Ehrendekreten für eigene Bürger eine Seltenheit und verdeutlichen die Ausnahmestellung des Polykritos in der Polis. S. allgemein o. S. 43 f. Zu den erneuten Darlehen des Polykritos s. Engelmann/Merkelbach 1972, 115 f. Orth 1977, 78. Migeotte 1984, 278. Bielman 1994, 84 f. Boulay 2014, 352. (Jedoch falsche Zeilenangabe.) Eine falsche Interpretation bei Quaß 1993, 110. Den Soldaten fehlte es nicht an

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Hortativformel implizierte die Stadt eine Beispielfunktion des Beschlusses und der Auszeichnungen. Polykritos erhielt einen goldenen Kranz sowie ein neben der Stele mit den früheren Ehrungen zu errichtendes Bronzestandbild auf der Agora – im frühen 3. Jhdt. v. Chr. noch eine seltene Ehre.99 Allein die umfangreichen Privilegien unterstrichen die herausragende Stellung des Polykritos in der Polis Erythrai. So muss der Ausnahmebürger mindestens mit zwei Ehrendekreten im Stadtbild präsent gewesen sein. Auch in Form und Inhalt stach der zweite Beschluss unter den anderen Ehrendekreten für eigene Bürger heraus. Ehrungen und Ehrendekrete – so etwa der gleichzeitige Beschluss für Hekatas – wahrten im frühhellenistischen Erythrai oftmals knappe und bescheidene Formen. Die besonderen Auszeichnungen bedeuteten zunächst sicherlich einen großen Prestigegewinn für Polykritos und sollten die Dankbarkeit der Stadt für die erbrachten Leistungen zum Ausdruck bringen. Voraussetzung für das außergewöhnliche Engagement und die herausragende Stellung in der Polis war zu einem Teil sicherlich der große Reichtum des Politikers.100 Die Möglichkeiten zum Einsatz des Vermögens sowie zu den besonderen Leistungen hatten sich jedoch nur durch die außergewöhnlichen Ereignisse in den Jahren um 278/277 v. Chr. ergeben. Letztlich konnte Polykritos seine Führungsrolle und sein Prestige erst in der Zeit der Kelteneinfälle erwerben und sich in der Folge für besondere Auszeichnungen wie die Aufstellung des Ehrendekrets durch die Polis empfehlen. Die Ehrungen zielten zudem erneut nicht ausschließlich auf das persönliche Prestige des Polykritos, sondern sollten zugleich Beispiel und Ansporn für andere Bürger zu einem engagierten Einsatz für die Stadt sein. Ebenso diente die Stele der Polis Erythrai vermutlich auch als Erinnerungsmonument für wichtige Ereignisse aus der eigenen Stadtgeschichte und sollte in der Krisenzeit zur Selbstvergewisserung und Stärkung der Polisgemeinschaft beitragen. In der Summe scheinen das Heraustreten des Einzelnen und die besonderen Auszeichnungen vornehmlich durch die äußeren Umstände bedingt gewesen zu sein und im frühhellenistischen Erythrai einen Einzelfall gebildet zu haben.

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Sold, sondern an Verpflegung. Der erwähnte Nauarchos ist wohl mit Alkippos zu identifizieren. Auch der Beschluss verwendet den bestimmten Artikel und spricht von «dem Nauarchos» (41–42: τοῦ τε | ναυάρχου). Vgl. Bielman 1994, 84. Zu den Ehrungen des Polykritos s. Migeotte 1984, 278. Bielman 1994, 84. Boulay 2014, 151. 352. Über weitere Privilegien für den herausragenden Bürger erlaubt der Erhaltungszustand der Inschrift keine Aussagen. S. auch Engelmann/Merkelbach 1972, 110.

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3.2.2 Kollektive Ehrungen – Das Kollegium der Strategen in Erythrai Neben den Beschlüssen für einzelne Bürger wurden in der Polis Erythrai im frühen Hellenismus auch gemeinsame Ehrendekrete für ganze Kollegien publiziert. In der formalen Gestaltung wichen die jeweiligen Volksbeschlüsse kaum von den Ehrendekreten für Einzelpersonen ab. In den Jahren der Kelteneinfälle um 277/275 v. Chr. beantragte Polykritos eine kollektive Ehrung für die neun Strategen des ersten Jahresdrittels (1–8).101 Der Motivbericht konzentrierte sich ausschließlich auf die Ereignisse während der viermonatigen Tätigkeit des Kollegiums, dessen Angehörige sich als ἄνδρες ἀγαθοὶ καὶ φιλότιμοι (8) für den Demos erwiesen hatten, und berichtete im Detail von einzelnen Maßnahmen (9–22). Mit Nachdruck verwies der Beschluss auf die Schrecken und Gefahren des Krieges sowie auf die existentielle Bedrohung der Polis durch die Kelteneinfälle.102 Zum Schutz der Stadt und des Landes sowie zur Wahrung des Friedens veranstalteten die Strategen Truppenübungen unter Waffen und sammelten das Geld für die Tributzahlungen an die Kelten unter dem Anführer [Leon]orios. Das Kollegium kümmerte sich ebenso um die nötigen Zahlungen an die eigenen Verbündeten unter dem Kommando des Athe[naios] und organisierte die Verpflegung und Bezahlung der eigenen Truppen und Söldner.103 Darüber hinaus übernahmen die neun Funktionsträger auch die Verwaltung der restlichen Finanzen.104 Fehlten der Stadt die finanziellen Mittel, steuerten die Strategen Geld aus ihren Privatvermögen bei.105 Für ihre herausragenden Leistungen erhielten die verdienten Bürger neben der Belobigung vermutlich jeweils einen goldenen Kranz und einen Ehrensitz

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I. Erythrai 24. Trotz der in Teilen starken Beschädigung am rechten Rand lässt sich die Inschrift weitgehend rekonstruieren. Mit dem Antragsteller Polykritos sowie mit Hekatas als Mitglied des Kollegiums begegnen in dem Beschluss gleich zwei Personen, die auch durch eine individuelle Auszeichnung bekannt sind. S. o. S. 118–122. Auch Phyrson – vermutlich der Bruder des Polykritos – erhielt zu einem späteren Zeitpunkt eine individuelle Auszeichnung durch eine Ehrenstatue. I. Erythrai 25. Zum Teil mag die Strategenehrung demnach auch der Selbstdarstellung der prominenten Familie von Polykritos und Phyrson gedient haben. Zu den einzelnen Personen s. Engelmann/Merkelbach 1972, 99. Vgl. Bielman 1994, 83. Boulay 2014, 85 f. Das Kollegium der Strategen bestand in Erythrai aus neun Personen und wechselte jeweils nach vier Monaten. Zur Amtsrotation s. auch Schuler 2005, 395. 102 9–13: καὶ καλῶς μὲν καὶ συμφερόντως τ[ῆς τε φυλα]|κῆς καὶ τῶν ἐξοπλασιῶν ἐπεμελήθησαν, πο[λλῶν δὲ φό]|βων καὶ κινδύνων περιστάντων καὶ δαπ[άνης οὔσης πρὸς] | εἰρήνην οὐκ ὀλίγης ἐν ἅπασιν διετ[ήρησαν τὴν πό]|λιν καὶ τὴν χώραν ἀκέραιον. 103 Zu den Verdiensten der Strategen s. Engelmann/Merkelbach 1972, 100 f. Orth 1977, 76 f. 82–84. 91. Şahin 1982, 502. Quaß 1993, 118. Boulay 2014, 83 f. 97. 106 f. 224 f. 344. 104 Zu den Zuständigkeiten der Strategen im Bereich der Finanzverwaltung von Erythrai s. Wilhelm 1921, 68 f. Schuler 2005, 394–396. Boulay 2014, 84 f. 105 Zu den Unterstützungszahlungen für die Stadt s. Quaß 1993, 91.

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bei den Wettkämpfen.106 Daneben wird die Polis die Ausrufung der Ehrungen sowie die Errichtung der Stele beschlossen haben. Erneut scheint die Aufstellung eines Ehrendekrets demnach in engem Zusammenhang mit einer aktuellen Krise der Polis gestanden zu haben. Die neun Strategen hatten sich während der Bedrohung der Stadt durch äußere Feinde ausgezeichnet und konnten als Folge des außergewöhnlichen Einsatzes Anspruch auf besondere Ehrungen erheben. Die verliehenen Auszeichnungen wie etwa die goldenen Kränze waren vornehmlich eine persönliche Anerkennung für besondere Verdienste.107 Die Aufstellung des Ehrendekrets diente neben der Erinnerung an die herausragenden Leistungen jedoch sicherlich auch dem allgemeinen Gedenken an die Überwindung der existentiellen Bedrohung und beanspruchte somit einen Platz im kollektiven Gedächtnis der Polisgemeinschaft. Gerade die kollektive Ehrung für die Strategen bedeutete zudem vermutlich nicht zuletzt eine Bestätigung für die Stärke und die Leistungsfähigkeit der Polis. Das Ehrendekret präsentierte die neun Männer nicht als Individuen. Stattdessen konzentrierte sich die Erzählung auf die gemeinsamen Leistungen des Kollektivs. Sicherlich lebte die Strategie vornehmlich vom Engagement der einzelnen Personen. Die neun Strategen hatten sich nach Darstellung des Beschlusses jedoch gemeinsam als Kollegium in der aktuellen Krisensituation bewährt und die äußeren Bedrohungen erfolgreich überwunden. Ein Teil des Verdienstes für die Rettung der Bürger war damit zugleich der Institution der Strategie und somit letztlich der gesamten Polis zuzuschreiben. Die Stele mit dem Ehrendekret war dementsprechend sowohl ein Monument für die Verdienste der Strategen als auch für die Leistungsfähigkeit der Polis und der städtischen Institutionen. Der Beschluss zeigte – im Gegensatz zu Ehrendekreten für einzelne Strategen – das Funktionieren der Strategie als Institution sowie deren Bewährung während der Bedrohung durch die Kelten. Die unterschiedlichen Aspekte des Ehrendekrets werden jedoch erneut erst in der Summe einen hinreichenden Anlass für die kollektive Ehrung der Strategen sowie die Publikation des entsprechenden Beschlusses geboten haben. Ein weiteres Ehrendekret für das Kollegium der neun Strategen eines Jahresdrittels ließ die Polis Erythrai – diesmal auf Initiative von Strategen, Prytanen und Exetasten – in den Jahren zwischen 270–260 v. Chr. aufstellen.108 Den Anlass zur 106 107

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Über den genauen Inhalt der Ehrungen (22–36) erlaubt der schlechte Erhaltungszustand des Beschlusses keine sicheren Aussagen. Vermutlich werden schon allein aus Kostengründen nicht alle 27 Strategen eines jeden Jahres einen Goldkranz erhalten haben. Demnach mag auch die Ehrung der neun Strategen eine Ausnahme gewesen sein. Das Material der Kränze, die als Reliefs auch auf der Stele abgebildet sind, ist nur zu vermuten. Eine zweite Strategenehrung aus Erythrai legt jedoch die in der Edition vorgeschlagene Ergänzung nahe. I. Erythrai 29. I. Erythrai 29. Zu den einzelnen Personen s. Engelmann/Merkelbach 1972, 118 f. Möglicherweise existiert noch ein drittes Ehrendekret für Strategen. Engelmann 1987 Nr. 6. Über die mögliche Zuschreibung an das Kollegium der neun Strategen hinaus erlaubt das Fragment jedoch keine Aussagen. Vgl. Boulay 2014, 87.

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Ehrung gaben erneut Verdienste bei kriegerischen Auseinandersetzungen.109 Das Ehrendekret berichtete jedoch kaum von konkreten Leistungen während der viermonatigen Tätigkeit im zweiten Jahresdrittel – einziges Detail blieb der erwähnte Krieg in Stadt und Land (7–9) – und würdigte stattdessen in allgemeinen Worten den Einsatz und das vorbildliche Verhalten der neun Strategen (7–15). Als gute und ehrenvolle Bürger setzten sich die Strategen im Krieg mit allen Kräften bereitwillig in Wort und Tat für den Schutz und das Wohl der Stadt ein und schreckten auch vor keinen Gefahren zurück.110 Durch ihren Einsatz bewahrten die Strategen dem Volk die Demokratie, übergaben eine freie Stadt an die Nachfolger und zeigten sich auch sonst tadellos. Zum Dank erhielten die neun Kollegen neben der Belobigung jeweils einen goldenen Kranz und einen Ehrensitz bei den Wettkämpfen (15–20). Darüber hinaus war eine dauerhafte Publikation des Beschlusses vorgesehen (20). Die Strategen hatten sich die besonderen Auszeichnungen wie die Goldkränze und die Errichtung der Stele vermutlich erneut durch herausragende Leistungen in der Krise verdient. Im Gegensatz zur Beschlussvorlage des Polykritos, die über die einzelnen Maßnahmen der damaligen Strategen berichtet hatte, erinnerte der allgemeine Motivbericht des aktuellen Beschlusses jedoch lediglich indirekt an die erbrachten Leistungen, die aber selbstverständlich immer noch den Ereignishintergrund der Erzählung bildeten, und stilisierte die neun Personen stattdessen zu idealen Funktionsträgern. Mit der Aufzeichnung des Ehrendekrets scheint die Polis demnach auch propagandistische Zwecke verfolgt zu haben. Über die Stele verbreiteten Rat und Volk von Erythrai die eigenen Vorstellungen von vorbildlichen Strategen und setzten zugleich ein Monument für die demokratischen Werte der Stadt. Der Beschluss betonte die Schlagworte δημοκρατία und ἐλευθερία und stand sicherlich in konkretem Zusammenhang mit politischen Ereignissen:111 So wird es auch in der kleinasiatischen Küstenstadt Erythrai im Frühhellenismus eine demokratische Strömung gegeben haben. Durch die dauerhafte Aufstellung eines Ehrendekrets, das die scheidenden Strategen zu vorbildlichen Patrioten und Demokraten stilisierte, versuchten die entsprechenden Kreise die eigenen Ideen und Ideale vor einem breiten Publikum in der Öffentlich-

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Zur Datierung sowie zu den unklaren Hintergründen der Ehrung s. Engelmann/Merkelbach 1972, 119. Die Datierung scheint die Kelteneinfälle als historischen Hintergrund auszuschließen. Vgl. Boulay 2014, 86. 7–15: τά τε κατὰ τὴν ἀρχὴν καλῶς καὶ ἐνδόξως διώικησαν, [καὶ τοῦ πο]|λέμου περιστάντος τὴν πόλιν καὶ τὴν χώραν ἐκτενεῖς κα[ὶ προθύ]|μους αὑτοὺς παρέσχοντο πρὸς τὴν τῆς πόλεως φυλακ[ήν, οὐδένα οὔ]|τε φόβον οὔτε κίνδυνον ὑποστελλόμενοι, προθύμως δὲ ἑα[υ]|τοὺς ἐπιδιδόντς εἰς τὸ καὶ λέγειν καὶ πράττειν τὰ τῆι πόλ[ει] | συμφέροντα, δι’ ο[ὗ] τὴν δημοκρατίαν συνδιετήρησαν τῶι [δή]|μωι καὶ τὴν πόλιν ἐλευθέραν παρέδωκαν τοῖς μεθ’ αὑτοὺς ἄ[ρ]|[χ]ουσιν, ἔν τε τοῖς ἄλλοις ἀνεύθυνοι καὶ ἀνέγκλητοι γεγόν[α]|[σι]ν. Zu den Leistungen der Strategen s. Boulay 2014, 79. 86 f. Vgl. Quaß 1993, 88. Die historischen Hintergründe des Beschlusses lassen sich jedoch nicht im Detail rekonstruieren. Zur Bedrohung der Demokratie in Erythrai s. Orth 1977, 95 f.

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keit festzuschreiben. Eine propagandistische Instrumentalisierung von Inschriften im Rahmen von innerstädtischen Parteikämpfen zwischen Demokraten und Oli­ garchen war in der Region um Erythrai jedoch auch nicht ausschließlich auf Ehrendekrete für eigene Bürger beschränkt. Am Beginn des 3. Jhdts. v. Chr. bildete etwa ein öffentliches Standbild des Tyrannenmörders Philitos, dessen Aufstellung ebenfalls ein Ehrendekret voraussetzte, den Gegenstand von innenpolitischen Auseinandersetzung in der Nachbarstadt Klazomenai.112 Ein oligarchisches Regime hatte der Statue das Schwert aus der Hand genommen und das Standbild verkommen lassen. Als die Demokraten wieder an die Macht gekommen waren, fassten sie einen Beschluss zur Wiederherstellung und monatlichen Bekränzung der Statue. 3.2.3 Der ideale Richter – Ehrendekrete im Kontext von Rechtsprechung und Gerichtsbarkeit Im 3. Jhdt. v. Chr. stellten Strategen, Prytanen und Exetasten in Erythrai gemeinsam einen Antrag auf Ehrung des Richters Kallikrates (2–3).113 Das von Rat und Volk verabschiedete Ehrendekret, das in weiten Teilen den Wortlaut der eingereichten Beschlussvorlage beibehalten haben wird, begann jedoch nicht mit den eigenen Leistungen des Bürgers und erörterte stattdessen in einem ausführlichen Exkurs die Prinzipien der Volksversammlung bei der Wahl von heimischen Richtern (3–9).114 Sorgfalt in den jährlichen Wahlversammlungen sollte ordnungsgemäße und gerechte Verfahren sowie Rechtssicherheit für alle Bürger gewährleisten. Im Anschluss wird der Beschluss von den individuellen Leistungen des Kallikrates berichtet haben. An Ehrungen verliehen Rat und Volk dem herausragenden Richter vermutlich einen Kranz.115 Zudem klärte der Beschluss im Detail alle Fragen zur Wahl des richtigen Ortes für die Aufstellung der Stele, zu den Zuständigkeiten für die Errichtung des Monuments sowie zur Finanzierung der Ehrungen und verzeichnete zum Abschluss

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I. Erythrai 503. Vgl. Gehrke 2003, 235. Scholz 2008, 75. Biard 2017, 237. 247. Auf ähnliche Weise funktionalisierten im Frühhellenismus auch die demokratischen Kreise in Athen die Ehrendekrete für eigene Bürger für propagandistische Zwecke. S. zusammenfassend o. S. 85–90. 113 I. Erythrai 114. Der Inschriftenstein ist in der Mitte gebrochen. Ein Abschnitt des Motivberichts sowie der Beginn der Resolution fehlen. Eine genaue Datierung erlaubt der Beschluss nicht. Für eine mögliche Datierung ins 2. Jhdt. v. Chr. s. Walser 2012, 100. 114 Zum Exkurs zur Rechtsprechung in Erythrai s. Engelmann/Merkelbach 1972, 211. Cassayre 2010, 290 f. 355 f. 439 f. Walser 2012, 100. Zum Zustandekommen des Beschlusses s. Engelmann/Merkelbach 1972, 210 f. 115 Der Abschnitt zu den Leistungen des Kallikrates ist verloren. Das zweite Fragment setzt mit den Bestimmungen zur Aufstellung des Ehrendekrets ein. Zum möglichen Inhalt der Passage s. Engelmann/Merkelbach 1972, 209.

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auch die für die Ausführung der Anordnungen bestimmten Personen (22–36).116 Kallikrates spielt in den erhaltenen Abschnitten des Beschlusses lediglich eine Nebenrolle.117 Die verliehenen Ehrungen waren zunächst sicherlich eine besondere Auszeichnung für den Richter und werden ihren Ursprung in herausragenden Leistungen gefunden haben. Die Aufzeichnung des Beschlusses scheint die Polis daneben jedoch vornehmlich als Anlass zur Verbreitung der eigenen Ansichten und Vorstellungen von guten Richtern und einem funktionierenden Gerichtswesen genutzt zu haben.118 Insbesondere der ausführliche Exkurs zu Beginn des Motivberichts diente den Eigeninteressen von Stadt und Bürgerschaft. Durch die Auswahl von fähigen Richtern wurde das Volk zum Garanten der Rechtsordnung. Die ausführliche Resolution verstärkte den aus den darstellenden Abschnitten gewonnenen Eindruck. Die Klärung der Zuständigkeiten und Details bei der Aufstellung der Stele war zunächst sicherlich eine schlichte Notwendigkeit. Oftmals begnügten sich die Städte bei der dauerhaften Publikation von Beschlüssen jedoch mit kurzen Vermerken. Die ausführliche Aufzeichnung der getroffenen Anordnungen in Erythrai sollte demgegenüber die Rechtmäßigkeit der Vorgänge und den korrekten Ablauf der Entscheidungsprozesse öffentlich bekunden. Im gesamten Beschluss präsentierte sich die Polis als funktionierendes und an demokratischen Prinzipien orientiertes Gemeinwesen.119 Zugleich war der Beschluss ein Appell zur Stärkung der städtischen Gerichtsbarkeit als Gegenentwurf zur Bestellung von fremden Richtern. Kallikrates wird sich seine Ehrungen durch besondere Leistungen verdient haben und gehörte zugleich vielleicht zu den prominenten Unterstützern der städtischen Rechtsprechung. In der Summe mögen die entscheidenden Gründe für die dauerhafte Publikation des Ehrendekrets demnach im ideologischen Gehalt des Beschlusses und nicht in der zusätzlichen Auszeichnung des Richters gelegen haben. Mit einem Beschluss für die vermutlich neun Epistaten eines Jahres ehrte die Polis Erythrai – wie schon mit den Ehrendekreten für die Strategen – ein Personen-

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Zu den detaillierten Bestimmungen s. Wilhelm 1921, 67–72. Engelmann/Merkelbach 1972, 212 f. Der Verlust des mittleren Abschnitts der Inschrift wird den Gesamteindruck des Beschlusses sicherlich etwas verzerren. Einen prominenten Platz scheint Kallikrates jedoch zumindest nicht in allen Abschnitten des Ehrendekrets eingenommen zu haben. Im Vergleich zur klassischen Zeit zeigt der Beschluss aus Erythrai freilich einen deutlichen Wandel im Verständnis von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Walser 2012, 101–103. Die Gerichte wurden nicht mehr nach dem absoluten Gleichheitsprinzip durch Losverfahren besetzt. Stattdessen suchte die Stadt herausragende Personen mit besonderen Fähigkeiten und beschränkte die Tätigkeit im Endeffekt auf einen kleinen Kreis an ἄνδρες καλοὶ καὶ ἀγαθοί. Im Prinzip standen Richtertätigkeiten nach dem Gleichheitsgrundsatz jedoch weiterhin allen Bürgern offen. Zur programmatischen Funktion des Ehrendekrets s. auch ebd. 101.

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kollektiv.120 Den Anlass für die Ehrung gaben Leistungen im Kontext von Gericht und Rechtsordnung in Erythrai. Die neun Bürger kümmerten sich vermutlich um Bauarbeiten am Gerichtsgebäude oder organisierten die Bewerbungen für die Tätigkeit als Richter (1–8).121 Für die Leistungen erhielten die Epistaten eine Belobigung sowie einen während der Dionysien im Theater auszurufenden Lorbeerkranz (8–12). Hinzu kam vermutlich das Privileg eines Ehrensitzes bei den Veranstaltungen der Stadt (12). Zusätzlich enthielt der Beschluss Bestimmungen zur Veröffentlichung der Namen der neun Epistaten sowie zur Aufstellung der Stele mit dem Ehrendekret (12–18). Die dauerhafte Publikation des Beschlusses scheint eine Ausnahme geblieben zu sein. Wie die anderen Bürger werden sich auch die neun Epistaten die besondere Auszeichnung erst durch außergewöhnliche Leistungen verdient haben. Daneben mag die Aufstellung der Stele erneut auch der Verbreitung von allgemeinen Vorstellungen über vorbildliches Verhalten und die ideale Ausübung der Funktion gedient haben. Wie die kollektiven Ehrendekrete für die Strategen sollte vermutlich auch das Ehrendekret für das Kollegium der Epistaten nicht zuletzt das Funktionieren der Polisinstitution beweisen und damit letztlich zur positiven Selbstdarstellung der Stadt vor der Polisöffentlichkeit beitragen. Insbesondere das Gerichtswesen gehörte stets zu den zentralen Bestandteilen der Polisdemokratie. 3.2.4 Ehre und Ehrung im frühhellenistischen Erythrai Rat und Volk von Erythrai scheinen nur bis etwa in die Mitte des 3. Jhdts. v. Chr. Ehrendekrete für eigene Bürger veröffentlicht zu haben. Im Gegensatz zu zahlreichen anderen kleinasiatischen Städten, die insbesondere ab dem späten 2. Jhdt. v. Chr. zahlreiche Beschlüsse für eigene Bürger publizierten, verzichtete die Polis im späten Hellenismus auf die Errichtung von entsprechenden Monumenten. Selbst im frühen Hellenismus scheinen Ehrendekrete für eigene Bürger in Erythrai nur selten eine dauerhafte Aufzeichnung erfahren zu haben. Entsprechende Ehrungen blieben eine Ausnahmeerscheinung und wurden nur wenigen Bürgern zu Teil. Die kollektiven Beschlüsse für die neun Strategen eines Jahresdrittels sowie für das Kollegium der Epistaten zeugen zudem von der Zurückhaltung der Polis bei der individuellen Würdigung von Einzelpersonen. Zumindest die dauerhafte Publikation von Ehrendekreten erfolgte lediglich zu besonderen Anlässen. Selbst die kollektiven Beschlüsse für Personengruppen erfuhren nur selten eine Aufzeichnung. In der Regel 120

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I. Erythrai 115. Der Beschluss ist in weiten Teilen lediglich im Ansatz zu rekonstruieren. Sichere Aussagen über die Leistungen der vermutlich neun Epistaten erlaubt der schlechte Erhaltungszustand nicht. Für Vermutungen über die Hintergründe des Ehrendekrets s. Engelmann/Merkelbach 1972, 214 f.

Die frühhellenistischen Ehrendekrete aus Priene und Erythrai

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waren den jeweiligen Monumenten dementsprechend herausragende Verdienste der einzelnen Personen oder der Kollegien vorausgegangen. Gelegenheiten zu solchen außergewöhnlichen Leistungen – und damit zum Erwerb von öffentlichen Auszeichnungen – boten sich den Bürgern meist nur in Ausnahmesituationen. Die entsprechenden Beschlüsse standen demnach zumeist in Verbindung mit Krisen oder außergewöhnlichen Ereignissen in der Geschichte der Stadt. In der Polis Erythrai erfolgte die dauerhafte Publikation von Ehrendekreten vornehmlich im Zusammenhang mit militärischen Auseinandersetzungen oder Versorgungskrisen. So ließen Rat und Volk etwa vor dem Hintergrund der existentiellen Bedrohung der Stadt durch die Kelteneinfälle nach Kleinasien in den Jahren um 275 v. Chr. mehrere Beschlüsse für eigene Bürger aufstellen. Die Polis Erythrai nutzte die jeweiligen Inschriften, die stets auch eine besondere Auszeichnung und damit eine zusätzliche Ehre für die jeweiligen Personen bedeuteten, als Mittel zur Selbstdarstellung sowie zur Verbreitung von eigenen Ansichten und Idealen. Die Erzählungen transportierten programmatische Aussagen wie das Hochhalten der Ideale von Freiheit und Demokratie und bewahrten zusätzlich die Erinnerung an Ereignisse aus der jüngsten Vergangenheit der Stadt. Gerade die kollektiven Beschlüsse für Strategen oder Epistaten zeigten nicht zuletzt das Funktionieren der jeweiligen Institutionen und trugen zum positiven Bild der funktionierenden Polisdemokratie bei. In der Selbstwahrnehmung verstand sich die Polis Erythrai als funktionierendes und demokratisch verfasstes Gemeinwesen. Zum Teil traten die konkreten Tatenberichte in den Erzählungen zu Gunsten der programmatischen Aussageintentionen sogar in den Hintergrund.

3.3 Die frühhellenistischen Ehrendekrete aus Priene und Erythrai Die dauerhafte Publikation von Ehrendekreten für verdiente Bürger blieb in den frühhellenistischen Städten Priene und Erythrai stets ein Ausnahmephänomen. In der Regel scheint die Aufstellung von entsprechenden Beschlüssen in beiden Städten erst durch Krisen und Konflikte veranlasst worden zu sein. Die Monumente waren eine direkte Reaktion auf aktuelle Bedrohungen wie den Kelteneinfall oder versuchten potentiellen Gefährdungen wie dem Machtmissbrauch durch die Kommandanten der Stadtfestung oder der Bedrohung der Demokratie vorzubeugen. Die aufgestellten Ehrendekrete bedeuteten in der Regel nicht ausschließlich eine zusätzliche Ehre für die jeweiligen Personen – auch wenn die Monumente sicherlich stets das Prestige der Bürger steigerten. Mit den veröffentlichten Beschlüssen propagierten beide Städte in den meisten Fällen zugleich eigene Ideale und Wertvorstellungen wie Freiheit und Demokratie oder auch die Selbstbestimmung der Bürgerschaft. Ebenso sollten die Erzählungen anderen Bürgern Beispiele zur Nachahmung setzen. Über das Gedenken an wichtige Ereignisse aus der Vergangenheit konnten die Ste-

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Nicht ausschließlich ein athenisches Phänomen

len zudem zur Selbstvergewisserung und Identitätsfindung der Gemeinwesen beitragen. Erst das Zusammentreffen der unterschiedlichen Bedeutungsebenen, das insbesondere in Krisenzeiten befördert wurde, bot in der Regel ausreichende Gründe für die dauerhafte Aufstellung der Ehrendekrete. Als dauerhaften Statements im öffentlichen Raum scheint den Monumenten sowohl in Priene als auch in Erythrai große Bedeutung zugekommen zu sein. Die Entscheidung über die Errichtung der Stelen werden beide Städte sorgfältig abgewogen haben. Die Polis Priene erinnerte im Ehrendekret für den γραμματεύς Apellis an die neugewonnene Autonomie der Stadt. Auch die Ehrendekrete für die Kommandanten der Stadtfestung standen im Dienst von Freiheit und Demokratie und zeichneten das Idealbild eines demokratisch gesinnten Polisbürgers. Ein Beschluss von Rat und Volk der Stadt Erythrai ehrte das finanzielle Engagement des Phanes für die Befreiung der Stadt von einer Besatzung. Über die lobende Erwähnung der individuellen Verdienste erinnerte das Ehrendekret zugleich an ein entscheidendes Ereignis in der Geschichte der Stadt und war somit gleichsam auch ein Monument für Freiheit und Autonomie der Polis. Auf ähnliche Weise propagierten Rat und Volk in den kollektiven Ehrendekreten für die neun Strategen eines Jahresdrittels die Ideale von Demokratie und Selbstbestimmung und entwarfen eigene Vorstellungen von idealen Funktionsträgern. Zugleich zeigten die Beschlüsse das Funktionieren der politischen Ordnung sowie insbesondere die Bewährung der Polisgremien in der Krise. In der Konsequenz reklamierte die Stadt als Bürgergemeinde gleichsam einen eigenen Anteil an der Bewältigung der drohenden Gefahren. Die Ehrendekrete für den Agoranomos Hekatas und den Richter Kallikrates sollten den Mitbürgern beispielhaftes Verhalten bei der Ausübung der jeweiligen Tätigkeit vor Augen führen. Mit den Beschlüssen propagierte die Polis Erythrai die eigenen Idealvorstellungen von vorbildlichen Funktionsträgern. Ebenso gab auch die Beteiligung von Bürgern an der Überwindung von äußeren Bedrohungen immer wieder den Ausschlag zur dauerhaften Publikation von Ehrendekreten. Die entsprechenden Beschlüsse waren Monumente für die Stärke und die Leistungsfähigkeit der jeweiligen Stadt und dienten der Erinnerung an große Leistungen der jüngsten Vergangenheit. Insbesondere die Einfälle der Kelten nach Kleinasien in der ersten Hälfte des 3. Jhdts. v. Chr. veranlassten die Städte Priene und Erythrai zur Auszeichnung von eigenen Bürgern. Das Ehrendekret für Sotas aus Priene stellte neben den individuellen Verdiensten des herausragenden Bürgers immer wieder die Beteiligung der gesamten Polis an der Überwindung der Gefahren und die Vorbildlichkeit von Priene innerhalb der kleinasiatischen Städte in den Vordergrund. Die Polis Erythrai ließ mit den Ehrendekreten für Hekatas und Polykritos sowie einem kollektiven Beschluss für die neun Strategen eines Jahresdrittels gleich drei Monumente im Zusammenhang mit den Kämpfen gegen die Kelten errichten. In der Stadt scheinen die Auseinandersetzungen zugleich eine Getreidekrise ausgelöst zu haben und machten damit auch bei zivilen Funktionen wie der Agoranomie besondere Anstrengungen erforderlich.

4. Weitere Fallbeispiele aus dem Frühhellenismus – Die Inseln der Ägäis

Auf den griechischen Inseln im Ägäisraum begannen die Städte etwa ab der Mitte des 3. Jhdts. v. Chr. mit der Publikation von Ehrendekreten für eigene Bürger. In Einzelfällen ließen Rat und Volk solche Monumente noch bis in die frühe Kaiserzeit errichten. Die Praxis der dauerhaften Aufstellung von Ehrendekreten für eigene Bürger zeigte jedoch von Polis zu Polis unterschiedliche Ausprägungen. Insbesondere bei Inseln in Küstennähe wie Ägina, Euböa, Lesbos, Kos, Rhodos, Samos oder auch Thasos scheinen Ereignisse auf dem benachbarten Festland teilweise maßgeblichen Einfluss auf gesellschaftliche Entwicklungen genommen zu haben. So begannen die griechischen Städte auf den Inseln vor der kleinasiatischen Küste wie Kos, Lesbos, Pordoselene/Nasos oder Samos parallel zu den Städten auf dem gegenüberliegenden Festland bereits zum Beginn des Hellenismus mit der Publikation von Ehrendekreten für eigene Bürger. Eine häufige Praxis scheint die dauerhafte Aufstellung solcher Beschlüsse jedoch auch auf den griechischen Inseln im Ägäisraum nicht geworden zu sein. Zahlreiche Städte auf Inseln wie Ägina, Astypalaia, Paros oder Pordoselene/Nasos ließen die jeweiligen Dokumente ausschließlich in Einzelfällen oder in begrenzten Phasen der eigenen Geschichte aufstellen. Auf anderen Inseln wie Rhodos oder Kreta verzichteten Rat und Volk anscheinend vollständig auf die Errichtung von entsprechenden Monumenten. Auf Rhodos ließen lediglich die unteren Verwaltungsebenen der Stadt vereinzelte Ehrendekrete aufstellen. Daneben publizierten sowohl die Polis als auch Privatpersonen während des gesamten Hellenismus zum Teil ausführliche Ehreninschriften für herausragende Bürger.1 Die dauerhafte Publikation von Ehrendekreten scheint zudem oftmals in Verbindung mit regionalen Phänomenen oder bedeutsamen Ereignissen auf den Ebenen von Gesellschaft und Politik gestanden zu haben. An den drei Fallbeispielen Samos, Amorgos und Kos sollen im Folgenden unterschiedliche Ausprägungen des Phänomens auf den griechischen Inseln untersucht werden.

1

S. etwa die Ehreninschrift der Enkel des Polykles für den prominenten Großvater aus dem frühen 1. Jhdt. v. Chr. mit der ausführlichen Auflistung von öffentlichen Funktionen und Tätigkeiten. Maiuri 1925 Nr. 18. Zur Insel Rhodos s. auch u. S. 493 f.

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Weitere Fallbeispiele aus dem Frühhellenismus

4.1 Idealbilder und individuelle Leistungen – Die Ehrendekrete von der Insel Samos Wichtige Ereignisse aus der bewegten Geschichte der Insel Samos veranlassten Rat und Volk der Stadt immer wieder zur Aufstellung von Inschriften. In den Jahren um 321 v. Chr. ließ die Polis im Kontext der Rückkehr von großen Teilen der Bürgerschaft aus einem 40-jährigen Exil zahlreiche Beschlüsse aufstellen.2 Nach der Eroberung der Insel durch Athen im Jahr 365 v. Chr. waren viele Bürger gezwungen gewesen, Samos zu verlassen und in der Fremde um Asyl zu ersuchen. Reiche Bürger aus anderen Städten hatten sich der Vertriebenen angenommen und nach dem Ende der Besatzung zum Teil auch für deren Rückkehr nach Samos gesorgt. Mit den sogenannten «decreta φυγῆς» ehrten Rat und Volk von Samos die Fremden für das Engagement um die Verbannten und erinnerten zugleich an die glückliche Heimkehr der eigenen Mitbürger aus dem Exil. Mit dem – allerdings in der Nähe von Priene gefundenen – Beschluss für den νεοποίης Straton publizierte die Polis vermutlich schon im späten 4. Jhdt. v. Chr. ein Ehrendekret für einen eigenen Bürger.3 Die Publikation von entsprechenden Beschlüssen erfolgte meist zu einem konkreten Anlass und stand im Zusammenhang mit wirtschaftlichen oder politischen Krisen. Die Errichtung der Monumente blieb jedoch eine seltene und Praxis und beschränkte sich lediglich auf Einzelfälle – meist mit einem Abstand von mehreren Jahrzehnten. Pro Generation erhielten demnach vermutlich nur sehr wenige Personen eine solche Anerkennung. Entsprechende Beschlüsse ließen Rat und Volk von Samos jedoch während des gesamten Hellenismus und sogar bis in die römische Kaiserzeit aufstellen. 4.1.1 Boulagoras als Idealbild eines Bürgers Ein ausführliches Ehrendekret für einen eigenen Bürger publizierten Rat und Volk von Samos mit dem Beschluss für Boulagoras zum ersten Mal in den Jahren kurz nach 243/242 v. Chr.4 In einem langen Präskript (1–5) beschrieben die Verfasser zunächst das Zustandekommen des Antrags und boten dabei unter Betonung der Leistungen des Boulagoras sowohl für das Volk als auch für einzelne Bürger bereits 2 3

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IG XII 6, 1, 17–41. I. Priene 67 = IG XII 6, 1, 9. Die entsprechende Inschrift wurde in der Nähe von Priene gefunden. Da die Funktion des νεοποίης jedoch ausschließlich auf Samos bezeugt ist, muss die Inschrift ursprünglich von der Insel stammen und kann als «lapis errans» erst durch sekundäre Verwendung – etwa als Ballast auf einem Transportschiff  – nach Kleinasien gelangt sein. Zur Herkunft der Inschrift s. Hiller von Gaertringen 1906, 66. Hallof 2000, 11. Nähere Aussagen über den Inhalt des Beschlusses erlaubt der schlechte Erhaltungszustand nicht. IG XII 6, 1, 11.

Idealbilder und individuelle Leistungen

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eine knappe Zusammenfassung der eigentlichen Beschlussvorlage, die nach der schriftlichen Vorlage des Hippodamas von den Prytanen zur Abstimmung in Rat und Volksversammlung eingereicht worden war.5 Der ausführliche Motivbericht, der sich an das Präskript anschloss, orientierte die Darstellung nicht an der chronologischen Reihenfolge der Ereignisse, sondern stellte die einzelnen Leistungen unter thematischen Gesichtspunkten zusammen. Mit den drei Themenkomplexen Gesandtschaftsreisen (5–20), städtische Funktionen (20–25) und finanzielles Engagement (25–49) berührte der Beschluss alle wichtigen Bereiche des öffentlichen Lebens.6 Die Auswahl der Themen scheint den Hauptbetätigungsfeldern eines engagierten Polisbürgers entsprochen zu haben. In der Gesamtheit vermittelten die Einzelepisoden einen Eindruck von der politischen Laufbahn des Boulagoras. Eine biographische Lebensdarstellung war die Beschlussvorlage des Hippodamas, die in der Summe nicht über eine Aufzählung von einzelnen Leistungen hinauskam, dennoch nicht. Auch auf der sprachlichen Ebene zeigte der Beschluss ein festes Gliederungsschema. Die Partikel τε kennzeichnete selbst innerhalb der einzelnen Kategorien jeweils den Beginn eines neuen Abschnitts (5/20/23/25/36/49).7 Diese formale Unterteilung der Beschlussvorlage diente vermutlich vornehmlich den Zuhörern in der Volksversammlung als Orientierungshilfe. Die einzelnen Perioden hatten zudem eine rhythmische Gestaltung durch Prosaklauseln erfahren.8 Eine solche Gliederung mit sprachlichen Mitteln erleichterte dem geschulten und an mündliche Vorträge gewöhnten Publikum die inhaltliche Erfassung des Antrags. Zunächst wird das Ehrendekret für Boulagoras demnach für die mündliche Verlesung vor der Volksversammlung konzipiert gewesen sein. Am Anfang der einzelnen Abschnitte bot die Erzählung zudem Einführungen in die Begleitumstände des jeweiligen Engagements. Die Länge der einleitenden Exkurse konnte je nach Anlass variieren. Die einzelnen Abschnitte waren daneben auch mit rhetorischem Aufwand gestaltet. Der Antragsteller Hippodamas nutzte Stilmittel wie Alliteration (25–26: ἔν τε τῶι ἐνεστη|κότι ἐνιαυτῶι/27: περὶ πλείστου ποεῖται), Hyperbaton (25: τῆς τῶν ἐφήβων καὶ τῶν νέων εὐκοσμίας), Homoioptoton (5–6: γενομέ|νων αἰτησίμων κτημάτων) oder Litotes (35: οὐ πολλῶι ἔλασσον) und strukturierte die Erzählung mit sprachlichen Mitteln (28–30: εἰς μὲν – εἰς δέ). Die größten außenpolitischen Verdienste des Boulagoras bestanden in der Rückgewinnung der samischen Festlandsbesitzungen im Gebiet der Anaïtis nach den

5 6 7 8

Zum allgemeinen Präskript s. Gauthier 1985, 56 f. Vergleichbare Gliederungen der Motivberichte sind auch aus Ehrendekreten in anderen Städten gut bekannt. S. allgemein u. S. 422. 442 f. Garbrah 1993, 192–194. Zum aufzählenden Gebrauch der Partikel τε s. auch u. S. 408. Hippodamas verwendete beliebte Klauseln wie den Doppelkretikus (22: πολλὰ τῶν χρησίμων/29: αὐτῶν καὶ τὰς θυσίας) und den katalektischen Doppelkretikus (8: ἐπὶ τὸν δῆμον/20: ὑπὸ τοῦ δήμου/34: προγόνοις αὐτῶν) sowie vereinzelt auch andere Rhythmen wie den Doppelspondeus (32: ὑπῆρχεν οὐδ᾿ ἦν).

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Weitere Fallbeispiele aus dem Frühhellenismus

um 259 v. Chr. erfolgten Konfiskationen durch Antiochos II. (5–20).9 Nachdem die Polis auf Drängen von enteigneten Bürgern eine Gesandtschaft zum seleukidischen Herrscher zusammengestellt hatte, erreichte Boulagoras, der selbst unter die Repräsentanten gewählt worden war, in Verhandlungen mit dem König eine Rückgabe der beschlagnahmten Grundstücke und konnte die Besitzverhältnisse zudem durch schriftliche Dokumentation auch für die Zukunft absichern. Eine als genetivus absolutus konstruierte Passage umriss zunächst den historischen Rahmen für die erfolgreiche Vermittlung des Politikers im Konflikt um die Besitzverhältnisse in der Anaïtis (5–9).10 Insgesamt bot der Abschnitt mit der anschließenden Erzählung über die Restituierung der samischen Besitzungen einen ausführlichen Bericht über ein bedeutendes Kapitel in der Geschichte der Insel. Innenpolitische Verdienste bildeten im Anschluss die zweite Kategorie an Leistungen (20–25). Auf Samos wurde Boulagoras mehrfach vom Volk zum Anwalt der Polis bestimmt und kümmerte sich zum allgemeinen Nutzen um die öffentliche Rechtsprechung. Nachdem in einem anderen Jahr der gewählte Gymnasiarch unerwartet verstorben war, wählte das Volk den herausragenden Bürger nach dem Gesetz für den Rest des Jahres in die Gymnasiarchie. Den letzten Themenkomplex des Motivberichts bildeten Leistungen im finanziellen Bereich (25–49). Als für eine Festgesandtschaft nach Ägypten zu König Ptolemaios sowie zu dessen Schwester Berenike das Geld für die Reisekosten fehlte, lieh Boulagoras der Stadt die benötigte Summe von 6000 Drachmen.11 Ebenso streckte der reiche Bürger das Geld für drei Getreideankäufe vor, die das Volk in Reaktion auf eine drohende Hungersnot beschlossen hatte.12 Die Episode um die Getreidekrise war auf eine inhaltliche Steigerung angelegt und präsentierte sich auch in Sprache und Stil als Höhepunkt des Motivberichts (36–49). So mag das Engagement des Boulagoras während der Getreidekrise letztlich den Ausschlag zur Verabschiedung des Ehrendekrets gegeben haben – auch wenn der Beschluss selbst keinen konkreten Anlass für die Ehrungen heraushob. Der entsprechende Abschnitt hatte als abgeschlossene Einzelerzählung einen eigenen Spannungsbogen und gliederte sich nach den drei vom Volk beschlossenen Ankaufaktionen (38–41: τῆς μὲν πρώτης σιτωνίας (…) εἰς δὲ τὴν δευτέραν (…) τῆς δὲ τρίτης).  9

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Zu den Verhandlungen um die Besitzungen in der Anaïtis s. Gauthier 1985, 69. Quaß 1993, 107. Hallof/Mileta 1997, 281–283. Schuler 1998, 177–179. Carusi 2003, 174–179. 228. Paschidis 2008, 398–400. Boulay 2014, 378. Denselben Aufbau von Einzelperioden zeigen zahlreiche Ehrendekrete mit langen Erzählungen – so etwa das Ehrendekret für Kallias aus Athen. S. ausführlich u. S. 422–427. Zur Finanzierung der Festgesandtschaft s. Migeotte 1984, 233. Shipley 1987, 189. Quaß 1993, 110. Rhodes/Lewis 1997, 286. Hallof/Mileta 1997, 259. Kotsidu 2000, 265. Carusi 2003, 172. Paschidis 2008, 400. Müller 2011, 352. Zu den Getreideankäufen s. Migeotte 1984, 233 f. Gauthier 1985, 69. Shipley 1987, 204. Quaß 1993, 242. Rhodes/Lewis 1997, 286. Carusi 2003, 172. 214. Müller 2011, 352. Meier 2012, 106 Anm. 29. Boulay 2014, 353.

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Parallel zu den Leistungen des Boulagoras steigerte sich die Erzählung von Getreideankauf zu Getreideankauf. Den dramatischen Höhepunkt der Episode bildete ein Auftritt des Boulagoras vor der Volksversammlung (43–45). Die Erzählung fasste den Inhalt der gehaltenen Ansprache durch eine indirekte Rede zusammen und unterstrich durch den rhetorischen Kniff erneut die Sonderstellung der Passage innerhalb des Antrags. Als in der Stadt kein Geld mehr für den Getreideankauf vorhanden war, versprach Boulagoras sowohl das Darlehen und die Zinsen als auch alle anderen Ausgaben zu übernehmen. Die formale Gliederung des Abschnitts durch den dreiteiligen Aufbau der Erzählung orientierte sich erneut auch an den Bedürfnissen der Zuhörer in der Volksversammlung. Als Höhepunkt des Motivberichts war die Einzelepisode dem Anlass entsprechend zudem mit sprachlichem Aufwand gestaltet. Neben Stilmitteln wie Alliteration (43: εἰς τὴν ἐκκλησίαν ἐπηγγείλατο, ἐπεὶ/48: περὶ πλείστου ποιησάμενος) und doppelter Verneinung (46: οὔτε συγγραφὴν οὐδεμίαν) nutzte Hippodamas rhetorische Gestaltungsmittel wie Gegensatzkonstruktionen (41–42: οὐ μόνον – ἀλλὰ καί) und mehrfache Verneinungen (46–47: οὔτε – οὔτε) zur Illustration des Inhalts. Die unverkennbare Darstellungsabsicht lag in der Inszenierung des Boulagoras als strahlenden Helden und zugleich als ideale Verkörperung eines Polisbürgers im selbstlosen Einsatz für die Heimat. Den programmatischen Abschluss der Erzählung bildete eine Zusammenfassung über die Tugend und das vorbildliche Verhalten des Boulagoras (49–52).13 Wie schon das ausgedehnte Präskript betonte der Schluss in Ringkomposition das Wohlwollen gegenüber dem Volk und den einzelnen Bürgern. Boulagoras riet stets das Beste, schlichtete Streitigkeiten und unterstützte viele Bürger in finanziellen Schwierigkeiten durch sein Vermögen.14 Der ausführliche Tatenbericht erinnerte damit nicht nur an die zahlreichen Leistungen des herausragenden Bürgers, sondern stilisierte Boulagoras über die ausführliche Darstellung der vorbildlichen Karriere ebenso zum Idealbild eines ἀνὴρ ἀγαθός. Großen Wert legten die Verfasser des Beschlusses insbesondere auf die bürgerlichen Tugenden und das demokratische Ideal der Polis. Boulagoras handelte stets als gewählter Vertreter der Stadt, übernahm öffentliche Funktionen nach der gesetzmäßigen Wahl durch die Volksversammlung und erbrachte auch die finanziellen Wohltaten im Einklang mit den Entscheidungen des Volkes. Der engagierte Bürger trat zudem lediglich mit Ratschlägen vor die Volksversammlung und stellte die eigenen Beschlussvorlagen zur Abstimmung. Eine umfassende Dominanz in wichtigen Bereichen des öffentlichen Lebens scheint Boulagoras nicht ausgeübt zu haben. Zumindest das Ehrendekret zeigte den prominenten Bürger vornehm13 14

Zur Zusammenfassung der Leistungen s. Migeotte 1984, 235. Gauthier 1985, 57. Vgl. Boulay 2014, 236. 49–52: ἔν τε τοῖς λοιποῖς διατελεῖ πρόθυμον καὶ εὔνουν ἑα[υ]|τὸν παρεχόμενος καὶ [κο]ινῆι τῶι δήμωι καὶ ἰδίαι ἑκάστωι τῶν πολιτῶν [συμβου]|λεύων τε τὰ ἄριστα καὶ διαλύων τοὺς διαφερομένους καὶ πολλοῖς τῶ[ν πο]|νούντων ἐρανίζων ἐκ τῶν ἰδίων.

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lich als einen primus inter pares innerhalb der demokratischen Polisgesellschaft.15 Die Hortativformel unterstrich noch einmal den Beispielcharakter der Leistungen als Leitbild für andere Personen und betonte zugleich die Bedeutung der Publizität der Ehrungen.16 Mit Belobigung und goldenem Kranz bei den Tragödienaufführungen während der Dionysien blieben die Anerkennungen insbesondere im Vergleich zu anderen Städten insgesamt jedoch in einem bescheidenen Rahmen und fügten sich damit ebenfalls in den Gesamteindruck des Beschlusses (54–60).17 Eine herausragende Stellung des Einzelnen beförderten die Privilegien kaum. Die dauerhafte Veröffentlichung des Ehrendekrets auf Kosten der Polis im Heiligtum der Hera sollte auch die Publizität des Beschlusses gewährleisten. Doch welche Intentionen verknüpfte die Polis mit der Errichtung der Stele? Den Hintergrund des Monuments bildeten mit der schwierigen Lage um die Mitte des 3. Jhdts. v. Chr. sowie insbesondere mit der an den Höhepunkt der Erzählung gesetzten Getreidekrise ein weiteres Mal ernste Bedrohungen der politischen Ordnung und des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Das außergewöhnliche Engagement des Boulagoras in der Krise sowie die Dankbarkeit der Stadt gegenüber dem rettenden Helden werden demnach bei der Entscheidung über die Auszeichnungen und die dauerhafte Publikation des Ehrendekrets eine wichtige Rolle gespielt haben.18 Die Berichte über die erfolgreichen Gesandtschaften und die großzügigen Spenden trugen in diesem Zusammenhang mit Sicherheit zum persönlichen Ansehen des Politikers sowie von dessen Familie bei. Die Darstellung präsentierte Boulagoras jedoch stets als bürgerlichen Helden in der demokratischen Polisordnung. Mit der Veröffentlichung der ausführlichen Lebensdarstellung verbreiteten Rat und Volk von Samos demnach zugleich die eigenen Idealvorstellungen von einem ἀνὴρ ἀγαθός.19 Mit sprachlichem und rhetorischem Aufwand zeichnete der Antragsteller Hippodamas das Idealbild eines herausragenden Polisbürgers. Die beispielhaften Episoden aus dem Leben des Boulagoras illustrierten die Erwartungshaltung der Polis an das Verhalten eines ἀνὴρ ἀγαθός – so etwa den Einsatz und das Engagement im Dienst

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Gauthier 1985, 70. 52–54: ὅπως οὖν καὶ ἡμεῖς φαινώμεθα τιμῶντ[ες] | τοὺς ἀγαθοὺς ἄνδρας καὶ πολλοὺς τῶν πολιτῶν ἐπὶ τὴν ὁμοίαν προ[καλούμε]|νοι προαίρεσιν. Gauthier 1985, 70. Zu den Ehrungen des Boulagoras s. auch Migeotte 1984, 235. Kotsidu 2000, 265. Carusi 2003, 172. Paschidis 2008, 398. Zur Bedeutung des Boulagoras s. auch Paschidis 2008, 397. Die gesamte Familie scheint auf der Insel Samos großen Einfluss besessen zu haben. Die idealisierende Darstellungsweise des Ehrendekrets erinnert an die Beschlüsse aus dem frühhellenistischen Athen. Für einen Vergleich mit dem Beschluss für Demosthenes s. auch Gauthier 1985, 69. Im Gegensatz zu den Ehrendekreten aus Athen betonte der Beschluss für Boulagoras jedoch nicht ausschließlich die demokratische Gesinnung des Bürgers. Stattdessen widmete sich die Erzählung der breiteren Darstellung von bürgerlichen Tugenden innerhalb der demokratischen Polisordnung.

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der Polis. Zugleich erinnerte der Beschluss an wichtige Ereignisse aus der jüngsten Vergangenheit. Vermutlich verstärkte die akute Bedrohung der Polis das Bedürfnis nach der Beschwörung von bürgerlichen Idealen.20 In der Summe wird ein weiteres Mal erst die Verbindung aus ideologischen Aspekten und herausragenden Leistungen die Polis zu dem besonderen Schritt der Errichtung eines dauerhaften Monuments veranlasst haben. 4.1.2 Ehrendekrete für herausragende Einzelleistungen – Der Arzt Diodoros und der Agoranomos Aristomenes Nach der Auszeichnung des Boulagoras scheint die Polis Samos über einen längeren Zeitraum auf die Aufzeichnung von Beschlüssen zu Ehren von eigenen Bürgern verzichtet zu haben. Ein entsprechendes Monument ließen Rat und Volk vermutlich erst wieder in den Jahren um 198/197 v. Chr. errichten.21 Der Beschluss für den öffentlichen Arzt Diodoros begann mit einem ausführlichen Präskript, das bereits eine knappe Zusammenfassung des anschließenden Antrags der Prytanen bot (1–9) – eine auf der Insel Samos dem Anschein nach übliche Praxis.22 Großen Wert legten Rat und Volk demnach offensichtlich auch auf die öffentliche Darstellung des rechtmäßigen Zustandekommens der Beschlüsse. Der Motivbericht des Ehrendekrets für Diodoros beruhte vermutlich in weiten Teilen auf der unveränderten Schriftfassung des in der Volksversammlung verlesenen Antrags. Nach einem Vorbeschluss im Rat lag die Beschlussvorlage der Prytanen der Volksversammlung zur Abstimmung vor. Verdienste um die medizinische Versorgung von Bürgern, die bei der Rückeroberung von Samos im zweiten Makedonischen Krieg verwundet worden waren, bildeten nach Auskunft des Präskripts den eigentlichen Anlass des Ehrendekrets (4–6).23 Der Motivbericht beschränkte sich jedoch nicht auf die Leistungen während der Kämpfe auf Samos, sondern erweiterte die Darstellung um weitere Beispiele vorbildlichen Verhaltens aus der Karriere des Arztes. Die Präsentation der einzelnen Verdienste folgte der Chronologie der Ereignisse. Das Engagement des Diodoros für die Verwundeten 20

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Im Gegensatz zu den politischen Gruppierungen in Athen instrumentalisierten Rat und Volk auf Samos das Ehrendekret jedoch nicht für innenpolitische Auseinandersetzungen wie der Grundsatzdiskussion um das Verhältnis der Stadt zu den makedonischen Königen. Zur Polis Athen s. zusammenfassend o. S. 85–90. IG XII 6, 1, 12. Die Inschrift ist oben und unten gebrochen. Der Beginn des Präskripts, das Ende des Motivberichts und die komplette Resolution fehlen. Präskripte in ähnlichen Längen sind in Ehrendekreten für eigene Bürger wie auch in anderen Volksbeschlüssen selten bezeugt und außerhalb von Samos nur aus wenigen Städten bekannt. S. etwa das gemeinsame Ehrendekret für die Agoranomen Simminas und [– – –]atos aus Methymna. IG XII S 114. Habicht 1957, 238. Massar 2005, 74. 194.

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aus den Kämpfen um die Insel Samos bildete als der eigentliche Anlass der Ehrung auch auf der sprachlichen Ebene den Höhepunkt der Erzählung.24 Am Beginn des Motivberichts stand eine allgemeine Würdigung (9–17).25 Diodoros war über mehrere Jahre der Vorsteher der öffentlichen Ärzte auf Samos gewesen und hatte in Ausübung der Tätigkeit neben zahlreichen Mitbürgern auch andere Bewohner der Insel von Krankheiten geheilt. Anlässlich der jährlichen Übernahme der Funktion hatte der engagierte Arzt von der Volksversammlung bereits mehrfache Bestätigungen für seine herausragenden Leistungen erhalten.26 Eine dauerhafte Publikation hatten die Volksbeschlüsse, die in diesem Zusammenhang mit Sicherheit gefasst worden waren, vermutlich jedoch nicht erfahren. An konkreten Leistungen, die jeweils im Auftrag der Volksversammlung erbracht worden waren, nannte der Motivbericht zunächst die Versorgung der Opfer eines Erdbebens (17–21) sowie die Heilung von fremden Richtern, die nach der Ankunft auf Samos unerwartet erkrankt waren (21–25).27 Den Höhepunkt der Erzählung markierten die Verdienste des Diodoros während der Kämpfe um die Wiedergewinnung der Insel Samos durch König Ptolemaios V. im zweiten Makedonischen Krieg (25–32).28 Die Versorgung der Verwundeten erfolgte dabei teilweise sogar auf eigene Kosten des Arztes.29 Das Ehrendekret für Diodoros umfasste in der Darstellung eine lange Zeitspanne und berichtete – freilich beschränkt auf die medizinische Tätigkeit im Dienst der Polis – gleichsam über die gesamte Lebensleistung des herausragenden Arztes. Den eigentlichen Anlass des Beschlusses bildeten jedoch die Verdienste im zweiten Makedonischen Krieg. Letztlich konnte sich Diodoros erst über das außergewöhnliche Engagement während der Belagerung der Insel für die besonderen Auszeichnungen sowie die Publikation des Ehrendekrets empfehlen.30 Frühere Beschlüsse für den engagierten Arzt hatten demgegenüber keine dauerhafte Aufzeichnung erfahren. Bei der Entscheidung über die Errichtung des Monuments mag nicht zuletzt die Dankbarkeit der zahlreichen von Diodoros behandelten Bürger eine entscheidende Rolle gespielt haben. Mit der Publikation des ausführlichen Tatenberichts verknüpften Rat

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Habicht 1957, 238. Ebd. Massar 2005, 194. Zur Dauer der Tätigkeit s. Massar 2005, 34. 194. Zu den allgemeinen Verdiensten des Diodoros s. Massar 1998a, 71. 73. Massar 2005, 44. 69 f. Zum Erdbeben sowie zur Versorgung der fremden Richter s. Habicht 1957, 238. Massar 1998a, 73 f. Samama 2003, 291 Anm. 70–72. Massar 2005, 87 f. 90 f. Boulay 2014, 235. 428. (Jedoch stets falsche IG-Nummer.) Zur Rückeroberung der Insel durch Ptolemaios V. im zweiten Makedonischen Krieg s. Habicht 1957, 237–241. Kienast 1978, 98 f. Shipley 1987, 192 f. Massar 1998a, 74. Samama 2003, 291 Anm. 69. Boulay 2014, 52. 234 f. Cohn-Haft 1956, 35 Anm. 11. Zur Ausnahmesituation bei der Verabschiedung des Ehrendekrets für Diodoros s. auch Samama 2003, 290 Anm. 68. Massar 2005, 79 f. 194.

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und Volk vermutlich jedoch noch weitere Intentionen. Die Erzählung stilisierte Diodoros zugleich zu einem vorbildlichen Arzt und präsentierte das gezeigte Engagement als Beispiel für andere Personen. Zudem brachte die Polis durch die Aufstellung des Ehrendekrets für den öffentlichen Arzt die eigene Sorge um die Bevölkerung zum Ausdruck. Die Stadt kümmerte sich um das Funktionieren der öffentlichen Versorgung durch Ärzte und garantierte den Bürgern somit selbst in Kriegszeiten eine gute Behandlung. Ebenso diente das Monument vermutlich auch der Erinnerung an wichtige Ereignisse aus der Geschichte der Insel und gedachte der Überwindung von existentiellen Bedrohungen. Erneut mag erst das Zusammentreffen der unterschiedlichen Faktoren die Polis nach einem längeren Zeitraum zur Errichtung des besonderen Monuments veranlasst haben. Etwa gleichzeitig mit dem Beschluss für den Arzt Diodoros ließen Rat und Volk von Samos am Beginn des 2. Jhdts. v. Chr. auch das Ehrendekret für den Agoranomos Aristomenes publizieren.31 Das Präskript war im Gegensatz zu den ausführlichen Darstellungen in anderen samischen Volksbeschlüssen auf die nötigsten Angaben reduziert (1). Der anschließende Motivbericht rekapitulierte nicht das gesamte Lebenswerk des verdienten Bürgers, sondern konzentrierte sich ausschließlich auf die Leistungen des Aristomenes als Agoranomos (2–36). Den einzelnen Verdiensten während der Ausübung der Funktion, mit deren Übernahme Aristomenes offensichtlich eine lange Familientradition fortführte, widmete der Beschluss jedoch detailreiche Beschreibungen.32 So berichtete die Erzählung zunächst über den versprochenen Neubau des Agoranomion, dessen Fertigstellung bereits kurze Zeit nach der Übernahme der Agoranomie erfolgt war.33 Mit den Baumaßnahmen dürfte Aristomenes demnach bereits vor der Wahl zum Agoranomos begonnen haben. Das großzügige Engagement scheint auf eine eigene Initiative des reichen Bürgers zurückgegangen zu sein (2: ἐπηγγελμένον) und wird entscheidenden Einfluss auf die Entscheidung des Volkes über die Besetzung der Agoranomie genommen haben. Durch das umfangreiche Bauprogramm mag sich Aristomenes letztlich selbst zum künftigen Agoranomos gekürt haben. Zur besonderen Ausstattung des Agoranomion gehörten neben der üblichen Einrichtung ein Pylon aus weißem Marmor in der Stoa, Statuen wie die in zwei Wandnischen aufgestellten Standbilder von Dionysos und Demeter, Reliefs, Sonnenuhren sowie eine Wasseruhr in Form eines bronze31

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IG XII 6, 1, 13. Die Inschrift ist sehr schlecht erhalten und besteht aus drei nicht zusammenhängenden Fragmenten (a, b, c). Lediglich das erste Bruchstück (a) enthält einen längeren Abschnitt vom Beginn des Ehrendekrets und gewährt einen Einblick in Aufbau und Struktur des Beschlusses. Zur Tradition der Vorfahren s. Preuner 1924, 39. Ausführliche Motivberichte mit detaillierten Beschreibungen von einzelnen Leistungen sind meist aus späthellenistischen Ehrendekreten bekannt. S. allgemein u. S. 419. Zur privaten Finanzierung von Gebäuden aus dem Amtsbereich s. allgemein Meier 2012, 149.

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nen Delphins.34 Daneben kümmerte sich Aristomenes um die in der Stadt wohnenden Fremden, richtete Rinderopfer zum Wohl der Heimat und für die Eintracht des gesamten Volkes aus und ließ auch die Bürger und deren Söhne an seinen Wohltaten teilhaben. Daneben berichtete der Beschluss über eine Bautätigkeit beim Archeion sowie ein erneutes Engagement beim Agoranomion und erwähnte zudem Leistungen im Zusammenhang mit dem Gymnasion. An Ehrungen scheint der herausragende Bürger neben anderen Auszeichnungen einen bei den Wettkämpfen auszurufenden Kranz erhalten zu haben.35 Das – wenn auch nicht vollständig erhaltene – Ehrendekret für Aristomenes konzentrierte sich vornehmlich auf die individuellen Einzelleistungen des engagierten Agoranomos. Ideologische Intentionen wie die Stilisierung zu einem allgemeinen Beispiel für ideale Bürgertugend scheint die Polis mit dem Beschluss kaum verfolgt zu haben. Der Tatenbericht war stattdessen weitgehend auf die Person des Aristomenes zugeschnitten und bestand zu einem Großteil aus detaillierten Beschreibungen der einzelnen Verdienste. Der herausragende Agoranomos bildete dabei stets das Zentrum der Erzählung. Letztlich wird erst die außergewöhnliche Großzügigkeit des reichen Bürgers beim Neubau sowie bei der reichen Ausschmückung des Agoranomion die Polis zur dauerhaften Publikation des Ehrendekrets veranlasst haben. Eine besondere Betonung auf die prinzipielle Vorbildhaftigkeit des Engagements legte der Beschluss nicht. Auch das Interesse an der Aufstellung der Stele mit der individuellen und ausführlichen Würdigung der eigenen Leistungen wird unter diesen Umständen vornehmlich bei Aristomenes gelegen haben. Die Selbstdarstellung des Agoranomos spielte sowohl beim großzügigen Engagement für die Stadt als auch bei der Initiative zur Abfassung des Ehrendekrets vielleicht sogar die entscheidende Rolle. Wie bei der Ankündigung des Bauvorhabens mag die Initiative auch bei der Abfassung des Ehrendekrets bei Aristomenes gelegen haben. Einen konkreten Anlass oder einen besonderen Bedarf für die außergewöhnlichen Leistungen scheint es in der Polis nicht gegeben zu haben. Stattdessen engagierte sich der reiche Agoranomos vermutlich weitgehend aus persönlichen Motiven für die Polis und hoffte durch seine außergewöhnlichen Anstrengungen vornehmlich das eigene Ansehen zu steigern. Auch die Stele mit dem Ehrendekret hatte in diesem Zusammenhang vermutlich die politischen Funktionen verloren und entwickelte sich zunehmend zu einem Erinnerungsmonument für eine Einzelperson.

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Zu den Leistungen des Aristomenes s. Hallof 2000, 19. Vgl. Beck 2015, 327. Zu den Uhren des Aristomenes s. Dunst/Buchner 1973. Winter 2013, 541–544. Die Stifterinschrift der Sonnenuhr mit dem Namen des Aristomenes ist ebenfalls erhalten. IG XII 6, 2, 972. Vgl. Preuner 1924, 39 f. Dunst/Buchner 1973, 119 f. Das dritte Fragment (c) enthält die Wörter Kranz, Tugend und Wettkämpfe und ist möglicherweise als Bruchstück der Resolution anzusprechen (42–44). Die genauen Ehrungen des Aristomenes sind freilich nicht mehr zu rekonstruieren.

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Das Verhältnis der Polis zu einzelnen Personen aus der Oberschicht scheint sich aus diesem Blickwinkel im 2. Jhdt. v. Chr. allmählich verändert zu haben. Zumindest im Ehrendekret für Aristomenes kam Stadt und Bürgern vornehmlich die Rolle dankbarer und passiver Empfänger von Wohltaten zu. Der reiche Bürger erbrachte seine Leistungen freilich immer noch in der öffentlichen Funktion eines gewählten Agoranomos. Die privaten Aufwendungen übertrafen vermutlich jedoch das übliche Engagement eines Marktaufsehers und scheinen weitgehend auf eine persönliche Entscheidung zurückgegangen zu sein. Bei der Ankündigung des Bauvorhabens, das vermutlich der entscheidende Grund für die Wahl zum Agoranomos war, stellte Aristomenes Rat und Volksversammlung vor vollendete Tatsachen. Auch die Arbeiten ließ der einflussreiche Bürger vermutlich nach eigenen Plänen ausführen.36 Durch das knappe Präskript scheinen die Polis und die demokratischen Entscheidungsstrukturen auch auf der formalen Ebene an den Rand gerückt zu sein.37 Zeitweise mag der herausragende Agoranomos die Geschicke der Stadt demnach zumindest in einzelnen Bereichen des öffentlichen Lebens maßgeblich bestimmt haben. Seine Auszeichnung erwarb sich Aristomenes vornehmlich durch seinen großen Reichtum. Auch wenn die Beobachtungen grundsätzlich noch nicht auf eine dauerhafte Abhängigkeit von reichen Honoratioren schließen lassen, scheinen sich die Wertmaßstäbe für Ehre und Ansehen in der Polis dennoch allmählich verschoben zu haben. Finanzielle Leistungen gewannen dabei als Voraussetzung für eine öffentliche Anerkennung zunehmend an Bedeutung. 4.1.3 Ehrendekrete aus Späthellenismus und Kaiserzeit Bei der Aufzeichnung von einzelnen Ehrendekreten legten Rat und Volk von Samos offensichtlich auch noch in der zweiten Hälfte des 2. Jhdts. v. Chr. großen Wert auf die Darstellung der Formalitäten beim Zustandekommen des jeweiligen Beschlusses.

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Die Polis hätte die Stiftung nach der öffentlichen Ankündigung in der Volksversammlung selbstverständlich auch ablehnen können. In der Praxis wird der Entscheidungsspielraum der Stadt gerade bei großzügigen und kostspieligen Baustiftungen durch reiche Einzelpersonen jedoch begrenzt gewesen sein. Die Ankündigung des Aristomenes wird zudem eine sorgfältig geplante und wohlüberlegte Initiative gewesen sein – musste doch schon der Beginn der Bauarbeiten von der Stadt genehmigt gewesen sein. Allgemein sind entsprechende Abschnitte in vielen Fällen ein Indiz für den Wert, den eine Polis der demokratischen Entscheidungsfindung beimisst. S. auch o. S. 89 f. Gerade im Ehrendekret für Aristomenes mit den Tendenzen zur individuellen Würdigung des herausragenden Bürgers muss ein knappes Präskript auffallen. Im Einzelfall mag die Kürze eines entsprechenden Absatzes auch andere Ursachen gehabt haben. Die explizite Erwähnung der Familientradition im Motivbericht fügt sich als aristokratisches Element ebenfalls in den Gesamteindruck des Beschlusses.

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So begann das Ehrendekret für Sosistratos ähnlich den Beschlüssen für Boulagoras und Diodoros mit der detaillierten Beschreibung der Vorgänge in Rat und Volksversammlung (1–4).38 Lange Präskripte scheinen demnach bis in den Späthellenismus ein typisches Element der samischen Volksbeschlüsse gewesen zu sein. Die ausführliche Darstellung der Beschlussfassung sollte zugleich vermutlich auch die demokratischen Entscheidungsstrukturen in den Vordergrund stellen und konnte somit zumindest zu einem Teil die individuelle Erhöhung des Einzelnen durch den ausführlichen Leistungsbericht ausgleichen. Ein weiteres Ehrendekret für einen unbekannten Bürger aus dem 2. Jhdt. v. Chr. scheint sich vornehmlich auf eine allgemeine Würdigung der Leistungen beschränkt zu haben.39 Die Erzählung war mit formelhaften Wendungen ausgeschmückt und orientierte sich vermutlich an einem allgemeingültigen Wertekatalog.40 In der Summe mag der Beschluss mehr über die Idealvorstellungen der Stadt von einem guten Bürger als über die konkreten Leistungen der ausgezeichneten Person ausgesagt haben. In der frühen Kaiserzeit publizierten Rat und Volk von Samos das Ehrendekret für die Kranzträgerin Zosime.41 Der vermutlich im Jahr 23/24 n. Chr. verabschiedete Beschluss konzentrierte sich vornehmlich auf finanzielle Leistungen der reichen Bürgerin und berichtete etwa von Baumaßnahmen an einer Wasserleitung (12) sowie von großzügigen Geldspenden an ein Heiligtum (14).42 Den Ausschlag für die außergewöhnlichen Auszeichnungen wie die dauerhafte Publikation des Ehrendekrets wird – wie schon bei den Ehrungen für Aristomenes – der finanzielle Aufwand der Wohltäterin gegeben haben. Übliche Praktiken waren die öffentliche Ehrung von Frauen und insbesondere die dauerhafte Publikation der entsprechenden Ehrendekrete auf Samos in der Kaiserzeit nicht. 38

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IG XII 6, 1, 14. Zu Familie und Stammbaum des Sosistratos s. Hallof 2000, 20. Vgl. Preuner 1903, 368 f. Preuner 1924, 40–42. Die Inschrift bricht bereits zum Beginn des Motivberichts ab. Über Inhalt und Aussageintentionen des Ehrendekrets lassen sich dementsprechend keine Aussagen treffen. IG XII 6, 1, 15. Ähnliche Ehrendekrete sind gerade im späten Hellenismus vereinzelt auch aus anderen Städten bekannt. Gemeinsames Kennzeichen der entsprechenden Beschlüsse war der weitgehende Verzicht auf einen konkreten Inhalt zu Gunsten eines allgemeingültigen Tugendkatalogs. S. allgemein u. S. 420. 4: τῆι πατρίδι συμφέροντ.α. 5: οὔτε κίνδυνον ἐκκλίνων. 13: ἁπάντων σπουδὴν. 14: πολλὰ καὶ μεγάλα. IG XII 6, 1, 16. Zur Datierung der Inschrift s. Hallof 2000, 22. Vgl. Herrmann 1960, 171 Anm. 336. Zu den Leistungen der Zosime s. Hallof 2000, 22. Zur Ergänzung εἰς τὴν εἰσαγωγὴν [τοῦ ὕδατος] (12) s. Robert 1960, 464. Mit dem finanziellen Engagement und der Stiftung von Gebäuden bewegt sich Zosime in den typischen Bahnen weiblichen Engagements. Vergleichbare Leistungen von Frauen sind auch durch Ehrendekrete aus anderen Städten wie Antigoneia/Mantineia, Thasos oder Kyme insbesondere in Späthellenismus und Kaiserzeit gut belegt. Die Verbindungen zum religiösen Bereich und zu den Kulten der Stadt waren ebenfalls typische Phänomene des weiblichen Euergetismus. Zu den Ehrendekreten für engagierte Frauen s. ausführlich u. S. 357–379.

Idealbilder und individuelle Leistungen

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Sowohl die Leistungen als auch die anschließenden Ehrungen lagen vornehmlich in der Initiative und im Interesse der reichen Bürgerin. Schon bei den Unternehmungen der Zosime hatte sich die Polis weitgehend mit der Rolle der passiven Empfängerin der Wohltaten begnügen müssen.43 Ebenso werden Rat und Volksversammlung auch bei der Entscheidung über die Ehrungen vornehmlich den persönlichen und auf individuellem Ehrstreben beruhenden Wünschen der Bürgerin nach Anerkennung der eigenen Leistungen in der Öffentlichkeit gefolgt sein. 4.1.4 Ehrendekrete als Einzelphänomene Insgesamt scheinen Rat und Volk von Samos während des Hellenismus große Zurückhaltung bei der dauerhaften Publikation von Ehrendekreten für eigene Bürger geübt zu haben. Die Aufstellung von entsprechenden Beschlüssen, die pro Generation nur wenigen Bürgern zugestanden wurden, blieb ein Ausnahmephänomen und erfolgte in der Regel mit einem zeitlichen Abstand von mehreren Jahrzehnten. Im frühen Hellenismus werden erst außergewöhnliche Leistungen im Kontext von Krisen und Bedrohungen Rat und Volksversammlung zur dauerhaften Publikation eines Ehrendekrets veranlasst haben. Die jeweiligen Stelen erfüllten stets mehrere Zwecke und dienten sowohl der persönlichen Ehre der verdienten Personen als auch den ideologischen Intentionen der Polis. Insbesondere den Beschluss zu Ehren des Boulagoras nutzten Rat und Volksversammlung zugleich zur Verbreitung von eigenen Ansichten und Wertvorstellungen. Die Erzählung stilisierte den herausragenden Bürger zu einem idealen Demokraten sowie zu einem Vorbild an Moral und Tugend. Als Einzelperson ordnete sich Boulagoras den Interessen der Gemeinschaft unter, befolgte die Entscheidungen von Rat und Volksversammlung und setzte sich stets mit seinen ganzen Kräften für die Heimat ein. Ab dem 2. Jhdt. v. Chr. scheinen einzelne Bürger dann zunehmend Einfluss auf die politischen Entscheidungen der Stadt gewonnen haben. Der reiche Bürger Aristomenes unternahm als Agoranomos beinahe im Alleingang den Neubau des Agoranomion. Rat und Volk spielten bei dem Bauvorhaben vermutlich keine entscheidende Rolle und hatten sich – wie auch bei den späteren Unternehmungen der kaiserzeitlichen Wohltäterin Zosime – vornehmlich auf eine passive Empfängerrolle zu beschränken. Ehre und öffentliche Anerkennung definierten sich zunehmend über finanzielle Leistungen im administrativen Bereich. Die Aufstellung des entsprechenden Ehrendekrets bediente in der Folge vornehmlich die Interessen des reichen Bürgers. Seine ideologischen Funktionen scheint der Beschluss weitgehend eingebüßt zu haben. In den Grundzügen blieben die demokratischen Verfassungsstrukturen in der Polis Samos während des Hellenismus jedoch 43

In den erhaltenen Abschnitten des Beschlusses fanden die Gremien der Polis nicht einmal Erwähnung.

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Weitere Fallbeispiele aus dem Frühhellenismus

weitgehend gewahrt. Mit Ausnahme des Ehrendekrets für Aristomenes legte die Polis Samos bei der Publikation von Ehrendekreten bis in den Späthellenismus zudem großen Wert auf die ausführliche Darstellung der Abläufe beim Zustandekommen der Entscheidungen.44 Durch die langen Präskripte versuchte die Polis zumindest in den formalen Abschnitten die eigene Hoheit zu wahren und die Überhöhung des Einzelnen damit zum Teil auszugleichen.

4.2 Arkesine, Minoa, Aigiale – Drei unabhängige Kleinstädte auf der Insel Amorgos Die Städte auf der kleinen Kykladeninsel Amorgos publizierten während des Hellenismus zahlreiche Ehrendekrete.45 Neben eigenen Bürgern ehrten die Polisgremien aus Arkesine, Minoa und Aigiale auch fremde Wohltäter und verliehen den jeweiligen Personen Privilegien wie Bürgerrecht und Proxenie. Daneben ließen auch die in den Städten wohnenden Kolonisten aus Naxos, Samos und Milet eigene Beschlüsse aufstellen.46 So verabschiedete etwa der Demos der in Minoa lebenden Σάμιοι am Ende des 2. Jhdts. v. Chr. ein Ehrendekret für den ebenfalls aus Samos stammenden Arzt Ouliades.47 Rat und Volk der Μειλήσιοι in Aigiale fassten noch bis in die hohe Kaiserzeit zahlreiche Beschlüsse und bewahrten auch bei Ehrendekreten bis zum Beginn des 3. Jhdts. n. Chr. die formalen Bestandteile eines Volksbeschlusses.48 In der Kaiserzeit publizierten die auf der Insel ansässigen Σάμιοι und Μειλήσιοι zumeist Trostbeschlüsse.49 Teilweise verabschiedeten auch die städtischen Gremien entsprechende Beschlüsse. So fassten etwa Rat und Volk der Polis Aigiale in der zweiten Hälfte des 2. Jhdts. n. Chr. einen Trostbeschluss für den verstorbenen Athenaios und dessen Schwester Euphemis.50 Ehrendekrete für eigene Bürger publizierten die Städte auf der Insel Amorgos etwa von der Mitte des 3. Jhdts. v. Chr. bis in den späten Hellenismus. Die Aufstellung der entsprechenden Beschlüsse blieb auf der kleinen Kykladeninsel jedoch zumeist auf Einzelfälle beschränkt. Von Seiten der 44 45

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Zu den Verfassungsstrukturen sowie zum Zustandekommen von Beschlüssen s. Rhodes/ Lewis 1997, 283–286. Zur Größe der Insel sowie zu Bevölkerungszahlen und Sozialstrukturen der einzelnen Städte s. Ruschenbusch 1984. Vgl. Kah 2014, 150 Anm. 15. Zur epigraphischen Landschaft s. allgemein Rhodes/Lewis 1997, 215 f. Rhodes/Lewis 1997, 215. IG XII 7, 231. IG XII 7, 395–410. Zu den Trostbeschlüssen s. mit weiterführenden Literaturangaben Stavrianopoulou 2006, 302–317. Vgl. auch o. S. 39. IG XII 7, 394.

Arkesine, Minoa, Aigiale

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Städte war die dauerhafte Aufzeichnung von Ehrendekreten zudem nicht in jedem Fall erforderlich, sondern blieb zum Teil den ausgezeichneten Bürgern selbst überlassen.51 Neben einzelnen Ereignissen nahmen auch regionale Traditionen wie das Hauptfest zu Ehren der Athena Itonia Einfluss auf den epigraphic habit der Inselbewohner. So publizierten die Städte Arkesine und Minoa zahlreiche Ehrendekrete für die ἄρχοντες der jährlichen Feierlichkeiten des Festes und lobten die prächtige Ausrichtung des jeweiligen Festes. 4.2.1 Konkurrenz im Fest – Die Ehrendekrete für die Festvorsteher aus Arkesine und Minoa Die Städte Arkesine und Minoa lagen im Südwesten der Insel Amorgos und rahmten eine große Meeresbucht von Westen und von Osten. In der Politik der beiden Gemeinwesen wird die unmittelbare Nachbarschaft stets eine bedeutende Rolle gespielt haben. Der lokale Kult der Athena Itonia war sowohl in Arkesine als auch in Minoa gebräuchlich und wurde von beiden Städten im gleichen Heiligtum mit einem jährlichen Fest begangen.52 Bei den Feierlichkeiten muss es sich jedoch nicht um ein gemeinsames Fest gehandelt haben.53 Mit Sicherheit bestimmten beide Städte zumindest einen eigenen ἄρχων für das jährliche Hauptfest. Die Zuständigkeiten der ἄρχοντες lagen insbesondere in der Finanzierung der Feierlichkeiten sowie in der Organisation des Festzugs und in der Durchführung der Opfer.54 Durch die Aufstellung von Ehrendekreten – eine bis ins 2. Jhdt. v. Chr. beibehaltene Praxis – erinnerten beide Städte an die herausragenden Leistungen von eigenen Bürgern bei der Veranstaltung der Kultfeierlichkeiten. Bereits im 3. Jhdt. v. Chr. ließen Rat und Volk der Polis Arkesine das Ehrendekret für den ἄρχων Kleophantos veröffentlichen.55 Während des Festes zu Ehren der Athena Itonia hatte der herausragende Bürger 700 Personen, deren Kreis sich 51 52

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S. etwa IG XII 7, 49. 389. Zum Kult der Athena Itonia auf Amorgos s. Wörrle/Wurster 1997, 419–421. Lagos 2009. Über den genauen Ablauf des Festes existieren außer den spärlichen Informationen aus den Ehrendekreten keine Quellen. Wörrle/Wurster 1997, 419. Lagos 2009, 88. Zur Tätigkeit der ἄρχοντες s. Lagos 2009, 82. IG XII 7, 22. Die meisten Beschlüsse der Polis Arkesine aus dem Kontext des Opferfestes der Athena Itonia sind in fragmentarischem Zustand erhalten und lassen außer der allgemeinen Zuordnung zum Kult kaum weitere Rückschlüsse zu. IG XII 7, 23. 25. 32. 34. Bei anderen Beschlussfragmenten verbietet der schlechte Erhaltungszustand eine genaue Kontextualisierung. Teilweise mag es sich bei den Beschlüssen um Ehrendekrete für fremde Personen gehandelt haben. IG XII 7, 26–27. 29. 37–40. Nach dem Schriftbild sind alle Beschlüsse in die Zeit zwischen dem 3. Jhdt. v. Chr. und dem 2. Jhdt. v. Chr. einzuordnen. Lagos 2009, 81. 84.

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sowohl aus Bürgern als auch aus Fremden zusammensetzte, für sechs Tage im Heiligtum bewirtet (4–22).56 Der Volksbeschluss bot zahlreiche Detailinformationen zum Ablauf der Feierlichkeiten und betonte insbesondere die zusätzlichen Aufwendungen des ἄρχων in Höhe von insgesamt 3000 Drachmen.57 Neben der jährlich bei den Festspielen der Stadt und dem Festzug der Athena Itonia zu wiederholenden Bekränzung mit einem Olivenkranz erhielt Kleophantos sowohl für sich als auch für seine Frau und seine Nachkommen das Privileg der Steuerfreiheit sowie einen Ehrensitz bei allen Wettkämpfen der Stadt (22–36).58 Eine anschließende Hortativformel scheint den Abschluss der Resolution gebildet zu haben (36–37). Den eigentlichen Ausschlag für die Entscheidung der Polis zur dauerhaften Publikation des Ehrendekrets gaben jedoch erst die besonderen Leistungen des Kleophantos. Die Stele hatte in diesem Zusammenhang mehrere Funktionen zu erfüllen. Zunächst bedeutete das Monument eine besondere Ehre für Kleophantos und war zudem eine Garantie für alle auf die Zukunft gerichteten Ehrungen wie die jährliche Wiederholung der Bekränzung. Das beschriebene Engagement war zugleich jedoch auch ein allgemeines Beispiel für die Erwartungen der Polis an einen guten ἄρχων. Nicht zuletzt sollte die Ausstellung des Ehrendekrets allen Bewohnern der Insel Amorgos die Verdienste eines Bürgers aus Arkesine um das Fest im zentralen Heiligtum der Athena Itonia vor Augen führen. Vor dem Hintergrund der zu vermutenden Konkurrenz mit der Nachbarstadt Minoa um die jährliche Ausrichtung der Feierlichkeiten funktionalisierte die Polis Arkesine die Ehrungen des Kleophantos als Mittel zur positiven Selbstdarstellung. Schon die jährliche Ausrufung des Kranzes trug zur dauerhaften Erinnerung an die außergewöhnlichen Leistungen des ἄρχων bei. Ebenso sollte die Publikation des Ehrendekrets dessen Verdienste auf lange Zeit dokumentieren und erinnern. Ein Bürger aus Arkesine hatte das Fest der Athena Itonia mit privaten Spenden prächtig begangen und dabei vermutlich den Konkurrenten aus Minoa übertroffen. Insbesondere der implizite Vergleich mit der Nachbarstadt wird stets eine wichtige Funktion der Beschlüsse gewesen sein. Der Konkurrenzkampf der beiden Städte um die Ausrichtung der Feierlichkeiten im gemeinsamen Heiligtum mag letztlich sogar der entscheidende Grund für die Entscheidung zur dauerhaften Publikation des Ehrendekrets für Kleophantos gewesen sein. 56 57

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Zu den Leistungen des Kleophantos s. Quaß 1993, 282. Wörrle/Wurster 1997, 419 f. Lagos 2009, 88. Beck 2015, 352. Neben 500 Drachmen als Zuschuss zu den städtischen Geldern für die Opfer gab Kleophantos 2500 Drachmen für die Veranstaltung des Festes aus. Zu den Aufwendungen für die Feierlichkeiten s. Quaß 1993, 282. Wörrle/Wurster 1997, 420. Zur wiederholten Ausrufung von Kränzen s. allgemein Quaß 1993, 37. Zur Ausweitung der Privilegien auf die Frau des Kleophantos s. Bielman-Sánchez 2004, 206. Auch auf der sprachlichen Ebene unterschied der Beschluss durch den Wechsel zwischen Aorist und Präsens zwischen der einmaligen Bekränzung (24: στεφανῶσαι) und der in jedem Jahr zu wiederholenden Ausrufung des Kranzes (31: στεφανοῦν).

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Neben der Polis Arkesine konnten auch die Teilnehmer am Fest der Athena Itonia Ehrendekrete für die ἄρχοντες publizieren. So ehrten die ἰόντες εἰς τὰ Ἰτώνια im 3. Jhdt. v. Chr. den ἄρχων Alexion mit einem knappen Beschluss für herausragendes Engagement um die Feierlichkeiten.59 Die allgemeine Erzählung verzichtete weitgehend auf eine detaillierte Beschreibung der Tätigkeit und wusste einzig von finanziellen Leistungen zu berichten (3–15). Der ἄρχων bezuschusste die städtischen Ausgaben für das Opfer mit 500 Drachmen und wendete weitere 1000 Drachmen für die Durchführung der Feierlichkeiten auf.60 Die Privilegien des Alexion glichen den für Kleophantos beschlossenen Auszeichnungen (15–23). Der herausragende ἄρχων erhielt für seine Leistungen einen Olivenkranz. Die feierliche Vergabe des Kranzes sollte zudem jährlich bei allen Wettkämpfen der Stadt wiederholt werden.61 Der größtmöglichen Publizität der Ehrungen kam demnach erneut entscheidende Bedeutung zu. Das Bemühen um die öffentliche Bekanntmachung der Leistungen eines Bürgers aus Arkesine mag neben dem Aspekt der persönlichen Ehre den entscheidenden Anlass zur Publikation des Ehrendekrets gegeben haben. Wie der Beschluss für Kleophantos stand die Stele mit dem Ehrendekret für Alexion vermutlich im Kontext der Konkurrenz mit der Nachbarstadt Minoa und sollte die außergewöhnlichen Leistungen eines Bürgers aus Arkesine beim Fest der Athena Itonia dauerhaft dokumentieren und erinnern. Den Beschluss für den ἄρχων Agathinos aus dem 2. Jhdt. v. Chr. ließen Rat und Volk der Polis Arkesine gleich in zwei Abschriften publizieren.62 Zu Beginn des Motivberichts erwähnte der Beschluss zunächst die Leistungen des Vaters Kleophantos, dessen Ehrendekret ebenfalls in der Stadt errichtet worden war, sowie die Verdienste des Großvaters Kleophon (2–7/S 4–6).63 In einzelnen Familien scheint die Organisation der Feierlichkeiten zu Ehren der Athena Itonia demnach eine generationenübergreifende Tradition gewesen zu sein.64 Im anschließenden Abschnitt bot die Erzählung Einzelheiten über die Tätigkeit des Agathinos (7–16/S 6–30). Der engagierte ἄρχων hatte insgesamt 500 Bürger und Fremde zum Fest versammelt und sowohl

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IG XII 7, 24. Wörrle/Wurster 1997, 420. Das Ehrendekret brachte den Unterschied erneut durch den Wechsel von Aorist (18: στεφανῶσαι) zu Präsens (20: στεφανοῦν) zum Ausdruck. IG XII 7, 33. IG XII S 330. Zitate aus der zweiten Abschrift im Supplementband zu IG XII sind im Folgenden durch S gekennzeichnet. Zum Ehrendekret für Kleophantos s. o. S. 145 f. Vgl. Quaß 1993, 43 Anm. 118. Scholz 2008, 90. Zur Familie des Agathinos s. auch den Stammbaum von Delamarre 1908, 15. Stavrianopoulou 2006, 264. Zur Betonung der Familientradition in Ehrendekreten s. allgemein Quaß 1993, 40–56. Scholz 2008, 89–94.

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die Opfer mit 500 Drachmen als auch die Feierlichkeiten bezuschusst.65 Daneben bot der Beschluss auch Informationen über die im Rahmen des Festes veranstalteten Wettkämpfe im Stadionlauf, im Diaulos, im Speerwurf, im Ringkampf, im Faustkampf und im Pankration.66 Die für Agathinos beschlossenen Ehrungen entsprachen weitgehend den bekannten Privilegien für verdiente ἄρχοντες (S 30–51). Der herausragende Bürger erhielt einen Olivenkranz, das Privileg der Steuerfreiheit (ἀτέλεια) für sich und seine Nachkommen sowie einen Ehrensitz bei allen Wettkämpfen der Stadt und bei den Theateraufführungen zu Ehren des Apollon. Die Bekränzung war zudem jährlich bei allen Wettkämpfen zu wiederholen.67 Eine Besonderheit des Beschlusses für Agathinos war die zusätzliche Belobigung der Vorfahren (30–32) – gleichsam der erneute Hinweis auf die lange Familientradition. Die Publikation des Ehrendekrets sollte sowohl auf der Agora von Arkesine als auch im Heiligtum der Athena Itonia erfolgen.68 Insbesondere die Errichtung der Stele in der sowohl von Arkesine als auch von Minoa genutzten Kultstätte stand im Kontext des Wettstreits der beiden Städte um die Durchführung der jährlichen Feierlichkeiten. In dem von Einheimischen wie Fremden frequentierten Heiligtum konnte die Darstellung der Leistungen eines eigenen Bürgers besondere Wirkung entfalten. Die Auszeichnung des Agathinos und insbesondere die dauerhafte Publikation des entsprechenden Ehrendekrets sollten dementsprechend vermutlich nicht zuletzt zur Selbstdarstellung der Polis Arkesine beitragen – ein auch bei den anderen Beschlüssen für ἄρχοντες zu beobachtendes Phänomen. Der explizite Verweis auf die lange Familientradition des herausragenden Bürgers bei der Ausrichtung der Feierlichkeiten erinnerte darüber hinaus an großartige Feste aus der Vergangenheit der Polis. Für Agathinos und seine Familie werden der Beschluss mit dem ausführlichen Tatenbericht und

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Chankowski 1993, 22 Anm. 19. Die Gesamthöhe der Ausgaben ist nicht zu rekonstruieren. Vgl. Beck 2015, 325 f. 352 f. 364. Beck übersieht jedoch, dass es sich bei den beiden Inschriften um zwei Kopien des gleichen Beschlusses handelt, und thematisiert die jeweiligen Passagen getrennt. Quaß 1993, 282. Wörrle/Wurster 1997, 420. Vgl. Lagos 2009, 83. Lediglich ein weiteres Beschlussfragment aus Arkesine gewährt einen Einblick in Details des Festablaufes. IG XII 7, 35. Der schlecht erhaltene Ausschnitt aus dem Motivbericht eines Ehrendekrets berichtet von Rinderopfern für Athena und Zeus. Ob die erwähnten Opfer allerdings zum normalen Festbetrieb gehörten oder eine besondere Zuwendung des unbekannten Wohltäters waren, ist beim schlechten Erhaltungszustand der Inschrift nicht zu entscheiden. Wörrle/Wurster 1997, 420 mit Anm. 77. Vgl. Lagos 2009, 83. Beck 2015, 364. Im Allgemeinen scheint der Festaufwand gemessen an den Ausgaben und der Besucherzahl je nach Großzügigkeit des Spenders variiert zu haben. Wörrle/Wurster 1997, 420. Zur jährlichen Ausrufung vgl. Quaß 1993, 37. Die doppelte Aufstellung von Ehrendekreten ist für Arkesine auch durch ein weiteres – wenn auch in weiten Teilen ergänztes – Beschlussfragment belegt. IG XII 7, 23, 3–6: τὰ δ[ὲ] | [ἐψηφισμένα ἀναγράψαι ἐν στήλα]ις [δυσὶ] | [καὶ στῆσαι τὴν μὲν εἰς τὸ] ἱερὸν τῆ[ς] | [Ἀθηνᾶς, τὴν δὲ ἑτέραν ε]ἰς τὴν ἀγορὰ[ν].

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der mehrfachen Erwähnung der Vorfahren ebenso wie die zahlreichen Privilegien selbstverständlich auch eine persönliche Ehre und einen beträchtlichen Prestigegewinn bedeutet haben. Gleichsam als Gegenstücke zu den Beschlüssen für die ἄρχοντες aus Arkesine ließ auch die Polis Minoa im Zusammenhang mit dem Kult der Athena Itonia Ehrendekrete für eigene Bürger aufstellen. Im 3. Jhdt. v. Chr. ehrten die ἱερουργοὶ τῆς Ἀθηνᾶς τῆς Ἰτωνίας den für die Durchführung des Opfers und die Organisation des Festzugs in Minoa zuständigen ἄρχων Epinomides für dessen Engagement während der Feierlichkeiten (4–23).69 Wie seine Kollegen aus Arkesine hatte auch Epinomides alle anfallenden Kosten übernommen und für die nicht weniger als 550 Teilnehmer nicht weniger als 1000 Drachmen ausgegeben.70 Das ursprünglich für das Rinderopfer vorgesehene Geld aus den Einkünften der Göttin konnte der großzügige ἄρχων deshalb für Baumaßnahmen am Heiligtum verwenden.71 Als Auszeichnung für seine Leistungen erhielt Epinomides eine Belobigung und einen Olivenkranz (23–29).72 Wie bei den Beschlüssen aus Arkesine werden die Gründe für die dauerhafte Publikation des Ehrendekrets vornehmlich in der Selbstdarstellung der Polis Minoa gelegen haben. Durch die öffentliche Auszeichnung des Epinomides wollte die Stadt an die außergewöhnlichen Leistungen eines eigenen Bürgers für den Kult der Athena Itonia erinnern und damit gleichsam die Verdienste der gesamten Polis um das Heiligtum dokumentieren. Mit dem Ehrendekret für Lanikos aus dem 2. Jhdt. v. Chr. scheint die Polis Minoa einen weiteren ἄρχων beim Fest der Athena Itonia für besondere Leistungen ausgezeichnet zu haben.73 In Anerkennung der Verdienste erhielt Lanikos einen Olivenkranz sowie das Privileg der Steuerfreiheit für sich und seine Nachkommen (1–12). Die Bekränzung war zudem auch in Zukunft jährlich zu verkünden. Wie für den Beschluss des Agathinos aus Arkesine war auch für das Ehrendekret des Lanikos aus Minoa eine doppelte Aufstellung im Heiligtum der Athena Itonia sowie auf der Agora der Stadt vorgesehen (12–21). Gerade die Publikation des Beschlusses in der von vielen Besuchern frequentierten Kultstätte garantierte dem Ehrendekret eine große Öffentlichkeitswirkung. In Konkurrenz mit der Nachbarstadt Arkesine

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IG XII 7, 241. 16–21: καὶ τοὺς πορευομένους εἰς τὴν ἑορτ[ήν], | ὄντας οὐκ ἐλάσσους πεντακοσίων πεντήκοντ[α] | (…) γενο|μένου τοῦ ἀναλώματος οὐκ ἐλάσσονος δραχμῶν | χιλίων. In den doppelten Verneinungen und den unkonkreten Zahlenangaben zeigt sich der literarische Anspruch des Beschlusses. Zu den Leistungen des Epinomides s. Quaß 1993, 282. Brun 1996, 90 Anm. 119. Wörrle/ Wurster 1997, 419 f. Der herausragende Bürger scheint neben der Belobigung und dem Kranz noch weitere Auszeichnungen erhalten zu haben. Der Abschnitt über die von der Stadt verliehenen Ehrungen ist jedoch zu großen Teilen verloren. IG XII 7, 229. Der Beschluss ist lediglich in Fragmenten erhalten und bis auf die Resolution komplett verloren.

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wollte auch die Polis Minoa die herausragenden Leistungen eines eigenen Bürgers prominent im gemeinsamen Heiligtum dokumentieren. Der entscheidende Grund für die doppelte Aufstellung des Beschlusses wird demnach neben der persönlichen Ehre erneut in der positiven Öffentlichkeitswirkung der Monumente für die gesamte Stadt gelegen haben. Die dauerhafte Aufzeichnung von Ehrendekreten für die ἄρχοντες beim Fest der Athena Itonia erfolgte sowohl in Minoa als auch in Arkesine lediglich bei besonderen Leistungen der jeweiligen Personen. Jeder Festspielleiter mag zum Ende der Tätigkeit eine Auszeichnung in Form eines Olivenkranzes erhalten haben. Zur dauerhaften Erinnerung an die eigenen Leistungen durch die Aufstellung eines Ehrendekrets qualifizierten jedoch vermutlich erst finanzielle Zuschüsse zu den Feierlichkeiten. Durch einen außergewöhnlichen Aufwand und ein prächtiges Fest versuchten beide Städte in jedem Jahr die Veranstaltung der benachbarten Polis zu übertreffen. Die räumliche Nähe wird die Konkurrenz zusätzlich verstärkt haben. Die Aufstellung von Ehrendekreten für die ἄρχοντες der jährlichen Feierlichkeiten diente den Städten in diesem Zusammenhang stets auch als Mittel zur positiven Selbstdarstellung und stand im Kontext des Wettstreits um die prächtige Durchführung der Kultfeste im gemeinsamen Heiligtum. Die Monumente erinnerten an die kostspieligen Festveranstaltungen und dokumentierten zugleich das herausragende Engagement der jeweiligen Personen und damit gleichsam der gesamten Polis um Heiligtum und Kult. Teilweise beschlossen die beiden Städte sogar die doppelte Aufzeichnung der Beschlüsse im öffentlichen Raum der Polis sowie an einem prominenten Platz im Heiligtum. Gerade die Aufstellung von Stelen am gemeinsamen Kultplatz als einem ἐπιφανέστατος τόπος konnte die intendierte Öffentlichkeitswirkung der Ehrendekrete kaum verfehlen. Abgesehen von den Beschlüssen für die ἄρχοντες beim Fest der Athena Itonia publizierten die Städte Arkesine und Minoa im Hellenismus kaum Ehrendekrete für eigene Bürger. Die Aufzeichnung von entsprechenden Beschlüssen scheint lediglich bei außergewöhnlichen Leistungen in besonderen Situationen wie der Kultkonkurrenz erfolgt zu sein. Die Polis Arkesine ließ neben den Ehrendekreten für die ἄρχοντες während des gesamten Hellenismus lediglich zwei Beschlüsse für engagierte Bürgerinnen aufstellen.74 Die Priesterin Timessa befand sich zum Zeitpunkt der Ehrung, die vermutlich im 2. Jhdt. v. Chr. beschlossen worden war, nicht mehr auf Amorgos und hatte in der Fremde einige Bürger aus der Gefangenschaft von Piraten freigekauft.75 Anlass des Beschlusses waren demnach ein weiteres Mal außerordentliche Verdienste um die Rettung von Mitbürgern. Die reiche Wohltäterin Theodo74 75

Zu Ehrendekreten für engagierte Frauen s. ausführlich u. S. 357–379. IG XII 7, 36. Zum Beschluss für Timessa s. auch Ducrey 1968, 185 Anm. 3. Brulé 1978, 58. Quaß 1993, 115. Bielman 1994, 146 f. Van Bremen 1996, 36. Stavrianopoulou 2006, 247. Bielman-Sánchez 2004, 207. 315.

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sia hatte sich im 1. Jhdt. v. Chr. um den Ausbau und die Ausschmückung der Agora Verdienste erworben (10–15).76 Für die Aufstellung des Ehrendekrets musste die verdiente Bürgerin jedoch selbst sorgen (19–22). Von Seiten der Polis erfolgte lediglich die gesonderte Anfertigung eines zweiten Dokuments. Im Gegensatz zu dem für die Aufbewahrung im Archiv bestimmten Originaldokument auf Papyrus war die zweite Ausfertigung des Beschlusses – vermutlich auf eine geweißte Holztafel – öffentlich im Archivgebäude aufzuzeichnen.77 Die Polis Minoa publizierte im späten Hellenismus über einen kurzen Zeitraum mehrere Ehrendekrete für Gymnasiarchen.78 Die Beschlüsse zeigen sowohl im äußeren Erscheinungsbild als auch in Inhalt und Rhetorik große Gemeinsamkeiten und waren als temporäres Phänomen möglicherweise der persönlichen Konkurrenz zwischen den ausgezeichneten Bürgern entsprungen. 4.2.2 Baustiftungen, Piraten, Brüder – Die Ehrendekrete der Polis Aigiale Die Polis Aigiale lag im nordöstlichen Teil der Insel Amorgos und war durch einen langen Bergrücken, der sich über den Mittelteil der langgezogenen Insel erstreckte, von den Nachbarstädten Minoa und Arkesine abgeschnitten. Mit dem Beschluss für die Brüder Hegesippos und Antipappos ließ die Stadt zum Ende des 3. Jhdts. v. Chr. vermutlich zum ersten Mal ein Ehrendekret für eigene Bürger veröffentlichen.79 Wie Timessa in Arkesine hatten sich die beiden Söhne des Hegesistratos nach einem Piratenüberfall der Personen, die in die Hände der Seeräuber gefallen waren, angenommen und nicht nur den freien Bürgern, sondern auch zahlreichen Sklaven und Freigelassenen eine sichere Rückkehr in die Heimat ermöglicht.80 Die Erzählung verfolgte einen literarischen Anspruch und begann die ausführliche Beschreibung der Ereignisse zunächst mit einem detailfreudigen Bericht (4–12) vom nächtlichen Überfall der Piraten, der mit der Entführung von über 30 freien wie unfreien Mäd-

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IG XII 7, 49. Zu den Leistungen der Theodosia s. Bielman-Sánchez 2004, 208. 31–33: ἀνα|[γραψάτω] τὸ ψήφισμα καὶ εἰς τὰ δη|[μόσια γ]ραμματοφυλάκια. Zur Aufstellung des Beschlusses s. auch Wilhelm 1909, 260. Zur Publikation von Ehrendekreten s. auch o. S. 36–38. IG XII 7, 233–235. Μαραγκού 1981. Graphische Abbildungen der Steine unter den jeweiligen Nummern in IG XII 7. Eine fünfte Inschrift passt sowohl nach dem Schriftbild als auch nach Inhalt und Rhetorik ebenfalls zu den vier Beschlüssen. IG XII 7, 232. Für eine sichere Bestimmung ist der Stein jedoch zu schlecht erhalten. Zu den Ehrendekreten für Gymnasiarchen aus Minoa s. ausführlich Curty 2015, 81–92. Zur Wahl der Gymnasiarchen s. allgemein Schuler 2004, 166 f. IG XII 7, 386. Zum Begriff πειρατής (4) s. De Souza 1999, 2–9.

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chen, Frauen und Männern endete.81 Als sich die Spannung in der Mitte der Erzählung auf dem Höhepunkt befand, traten Hegesippos und Antipappos, die selbst zu Opfern des Überfalls geworden waren, zum ersten Mal als handelnde Personen in Erscheinung (13) und leiteten durch ihren engagierten Einsatz zugleich die Wende zum Guten ein. In Verhandlungen mit dem Piratenkapitän Sokleidas erreichten die Söhne des Hegesistratos die Freilassung der meisten Gefangenen und stellten sich selbst als Geiseln zur Verfügung (12–28).82 Die dramatische Handlungsstruktur des Beschlusses war demnach auf das beherzte Engagement der beiden Brüder als Höhepunkt der Erzählung ausgerichtet. Im Auftreten von Hegesippos und Antipappos kulminierte die Darstellung, die mit rhetorischem Aufwand als abgeschlossene Einzelerzählung ausgearbeitet war.83 Wenn vielleicht auch nicht im vollen Wortlaut folgte das – für eine Rede insgesamt doch recht kurze – Ehrendekret zumindest in Anordnung und Erzählstruktur vermutlich der ursprünglichen Beschlussvorlage des Antragstellers Philoxenos. Gerade vor dem Hintergrund der mündlichen Verlesung des Antrags in der Volksversammlung wird sich Philoxenos mit rhetorischen Mitteln um eine ausgefeilte Präsentation bemüht haben. Passend zum literarischen Anspruch der Erzählung war das Ehrendekret für Hegesippos und Antipappos bei den tragischen Wettkämpfen der Dionysien in der vollen Länge zu verlesen (34–36).84 Ein Herold sollte zusätzlich die Olivenkränze, die den beiden Brüdern verliehen worden waren, öffentlich ausrufen (36–40).85 Die dauerhafte Aufstellung des Ehrendekrets im Heiligtum der Athena Polias lag in der offiziellen Zuständigkeit der Polis Aigiale. Den Auftrag für die Aufstellung der Stele erhielt mit Hegesistratos jedoch der Vater der beiden Brüder (40–44). Durch die individuelle Zuspitzung auf das beherzte Eingreifen von Hegesippos und Antipappos schuf Philoxenos mit seinem Motivbericht eine große Helden81

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Zu den im Beschluss berichteten Ereignissen s. Ducrey 1968, 185. Robert 1970, 23. Brulé 1978, 57 f. Pritchett 1991, 277. Quaß 1993, 115. Bielman 1994, 143. Beck 2015, 241. Zum Status der Personen s. Bielman-Sánchez 2004, 207. Chaniotis 2005, 112. Beck 2015, 242. 338 f. 342 f. Allgemein bereits Ducrey 1968, 283–288. Bielman 1994, 236 f. 323–326. Zur literarischen Gestaltung des Beschlusses s. ausführlich u. S. 428–430. Überlegungen über den Inhalt der Abmachung bei De Souza 1999, 61. Vgl. auch Quaß 1993, 115. Beck 2015, 242. Zum historiographisch-literarischen Charakter des Textes s. auch Robert 1970, 23. Boffo 1988, 15. 34–36: ἀνειπεῖν δὲ τόδε τὸ ψή|[φ]ισμα Διονυσίοις ἐν τῶι ἀγῶνι τῶν τ|[ρ]αγωιδῶν. Die Aoristform ἀνειπεῖν (34) legt parallel zur Formulierung ἀναγράψαι (40) nahe, dass die Verlesung des Ehrendekrets nur einmalig erfolgen sollte. Die mit der imperativen Indikativform ἀναγορευέτω (36–37) beschlossene Ausrufung des Kranzes sollte demgegenüber möglicherweise wiederholt erfolgen. Zur sprachlichen Unterscheidung zwischen einmaligen Handlungen und wiederholten Tätigkeiten s. auch o. S. 146 Anm. 58. 147 Anm. 61. S. allgemein u. S. 407 Anm. 11. Zu den verliehenen Ehrungen s. Bielman 1994, 143.

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erzählung. Die Aufzeichnung des Beschlusses diente demnach mit Sicherheit zu einem großen Teil zunächst der ehrenvollen Erinnerung an die Leistungen der beiden Brüder und wird in diesem besonderen Fall zugleich auch der persönlichen Dankbarkeit der Bürger für die Errettung aus der Gefangenschaft der Piraten entsprungen sein. Gerade in der kleinen Polis Aigiale mag ein Großteil der Familien Angehörige unter den über 30 entführten Bürgern gehabt haben und damit auf direkte Weise von dem Überfall betroffen gewesen sein. Neben der zusätzlichen Ehre für die beiden Brüder werden jedoch erneut auch andere Aspekte der Inschrift Einfluss auf die Entscheidung der Stadt über eine Veröffentlichung genommen haben. So schuf die Polis mit der Aufzeichnung des Ehrendekrets zunächst auch ein dauerhaftes Monument im öffentlichen Raum. Die berichteten Ereignisse hatten einen Platz in der Lokalgeschichte von Aigiale und stellten die Stele somit in den Dienst der historischen Erinnerung an ein einschneidendes und traumatisches Erlebnis aus der jüngsten Vergangenheit der Stadt. Mit dem beispielhaften Einsatz in der Krise hatten Hegesippos und Antipappos zudem eine Vorbildfunktion für andere Bürger. Durch die Veröffentlichung des Ehrendekrets mit der ausführlichen Erzählung vom selbstlosen Einsatz der Brüder für die Mitmenschen wurde allen Bürgern an einem konkreten Beispiel vor Augen geführt, wie sie sich nach den Vorstellungen der Polis verhalten sollten. Auch wenn Hegesippos und Antipappos durch das Ehrendekret als große Helden über den anderen Bürgern standen, konnten vergleichbare Leistungen grundsätzlich von jedem Bürger erbracht werden. Die beiden Brüder waren also zugleich «bürgerliche» Helden und wurden durch die Erzählung in die Polisgemeinschaft eingebunden. Erneut bedurfte es jedoch erst eines krisenhaften Ereignisses wie des Piratenüberfalls, um Einzelpersonen eine Gelegenheit zu besonderem Engagement zu bieten und die Polis in der Folge wohl zum ersten Mal zur Publikation eines Ehrendekrets zu veranlassen. In einem weiteren Beschluss vom Ende des 3. Jhdts. v. Chr. ehrten Rat und Volk den Anonymus Timok[– – –] für Verdienste im Kontext von Kämpfen und Belagerungen (1–6).86 Wie bei Hegesippos und Antipappos mag ein Piratenüberfall den Hintergrund des Beschlusses gebildet haben. An Auszeichnungen erhielt Timok[– – –] einen bei den jährlichen Agonen der Stadt im Theater auszurufenden Olivenkranz (7–16).87 Auf den Abschnitt über die Vergabe der Ehrungen folgten eine ausführliche Hortativformel sowie Bestimmungen zur Aufstellung des Beschlusses

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IG XII 7, 387. Zum Kampfgeschehen s. insbesondere 4–6: καὶ τοὺς μὲν ἐπιθεμένους [αὐτοῖς] | [τῶν πολε]μίων ἐνίκησεν μαχόμενος, τοὺς δ[ὲ ἁ]|[λόντας ἔσ]ωσεν, τὴν δὲ πολιου[ρκί]αν [ἔλυ]σεν. Zu den Hintergründen des Beschlusses s. Pritchett 1991, 278. Bielman 1994, 216. Vgl. bereits Ducrey 1968, 185 Anm. 3. Brulé 1978, 85 Anm. 3. Quaß, 1993, 115 Anm. 175. Brulé ergänzt den Namen des Bürgers zu Timok[rates]. Zum Olivenkranz s. Bielman 1994, 217. Zu den an der Ausrufung beteiligten Personen s. Wilson 2000, 295.

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Weitere Fallbeispiele aus dem Frühhellenismus

im gemeinsamen Heiligtum von Zeus Polieus und Athena Polias. Die hortativen Formulierungen betonten insbesondere die kommemorative Funktion sowie den paradigmatischen Charakter der Stele und umschrieben damit wichtige Gründe für die dauerhafte Publikation des Ehrendekrets.88 Personen, die sich um das allgemeine Wohl und die Rettung der Polis verdient gemacht hatten, sollten zu allen Zeiten Lob und Ehrungen erhalten und von der Stadt in Erinnerung gehalten werden. Implizit verstand sich das Monument damit auch als Ansporn für künftige Generationen an engagierten Bürgern. In der ersten Hälfte des 2. Jhdts. v. Chr. ehrten Rat und Volk der Polis Aigiale die Brüder Kritolaos und Parmenion.89 Als χορηγοί hatten sich die beiden Söhne des Alkimedon gemeinsam um die Ausstattung der Theaterbühne bemüht, an alle Einwohner der Stadt – Bürger wie Fremde – Getreide verteilt und bei den Rinderopfern für Apollon und Hera ein zweitägiges Fest mit Wein und Speisen veranstaltet (4–22).90 Zum Dank erhielten die Brüder jeweils einen goldenen Kranz, der jährlich bei den Theateraufführungen auszurufen war, sowie einen Ehrensitz im Theater (25–39). Im Hinblick auf die dauerhafte Publikation des Ehrendekrets trafen Rat und Volk von Aigiale ähnliche Bestimmungen wie die Polis Arkesine im Beschluss für Theodosia (39–44). Während die Entscheidung über die Errichtung der Stele den Brüdern überlassen blieb, erfolgte von Seiten der Polis – möglicherweise auf eine geweißte Holztafel – die gesonderte Aufzeichnung des Beschlusses im öffent-

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16–22: ἵνα εἰδῶσιν ἅπαντες [ὅτι] | [τοὺς ἐν τοῖς κι]νδύνοις ἄνδρας ἀγαθοὺς [γεγε]|[νημένους ἐτίμ]ησ[ε]ν ὁ δῆμος, καὶ ἐν οὐθε[νὶ και]|[ρῶι ἐλλείπει] τοὺς ἀγωνιζομένους ἐπὶ [τῆι κοι]|[νῆι σωτηρίαι ἐπαιν]ῶν καὶ τιμῶν καὶ μεμνημέ[νος] | [τὸν ἅπα]ντα χρόνον τῆς ἀρετῆς τῶν ἀγαθῶν ἀ[ν]|[δρῶν]. IG XII 7, 389. Das Wirken des Kritolaos beschränkte sich nicht ausschließlich auf die Polis Aigiale. In der ersten Hälfte des 2. Jhdts. v. Chr. verliehen Rat und Volk der Nachbarstadt Minoa dem fremden Wohltäter für finanzielle Leistungen neben einem goldenen Kranz den auch auf die Nachkommen zu übertragenden Status eines πρόξενος. IG XII 7, 388. S. auch Migeotte 1984, 196–198. Vgl. Pritchett 1991, 278. Die Aufzeichnung des Ehrendekrets sollte im Heiligtum des delischen Apollon sowie in der Heimatstadt des Kritolaos erfolgen, um auch den Leuten in Aigiale die Leistungen des Wohltäters sowie den Dank der Stadt Minoa bekannt zu machen. Die Monumente werden dementsprechend auch im Kontext der außenpolitischen Beziehungen zwischen den Städten auf Amorgos eine wichtige Rolle gespielt haben. Das weitverzweigte Engagement von einzelnen Bürgern war offensichtlich nicht auf die Grenzen der eigenen Polis beschränkt und konnte sich auf die gesamte – freilich recht kleine – Insel erstrecken. Vgl. Migeotte 1984, 197 Anm. 192. Zur Tätigkeit als χορηγοί s. Quaß 1993, 205. 283. Wilson 2000, 295. Vgl. Chankowski 1993, 22 Anm. 19. Βrun 1996, 176. Stavrianopoulou 2006, 239 Anm. 163. Beck 2015, 325. 364. Ein fragmentarisches Ehrendekret der Polis Aigiale für einen unbekannten Bürger aus dem 2. Jhdt. v. Chr. scheint von einem ähnlichen Engagement bei Opfern für Hermes und Herakles berichtet zu haben. IG XII 7, 390. Neben Bürgern konnten auch ortsansässige Fremde an den Feierlichkeiten teilnehmen. Chankowski 1993, 25 Anm. 29. Papazoglou 1997, 184. 210. Mango 2004, 293. Beck 2015, 309.

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lichen Archivgebäude.91 Die temporäre Veröffentlichung erfolgte zusätzlich zur standardmäßigen Anfertigung der Urkunde für das Archiv.92 Im Gegensatz zum Beschluss für Hegesippos und Antipappos wollte die Polis das Ehrendekret für Kritolaos und Parmenion offensichtlich nicht in den Dienst von Eigeninteressen stellen. Die finanziellen Leistungen mögen eine allgemeine Vorbildfunktion gehabt haben. Eine Veranlassung zur dauerhaften Memorierung der Taten durch eine Stele sah die Polis – vielleicht auch aus Kostengründen – jedoch nicht.93 Das Interesse an der Aufzeichnung des Beschlusses zur Erinnerung an die großzügigen Wohltaten für die Polis lag vornehmlich bei den beiden Brüdern. Sowohl das Engagement als auch die Ehrungen von Kritolaos und Parmenion scheinen demnach einen allmählichen Wandel im Verhältnis der Polis zu einzelnen Bürgern zu zeigen. So nutzten reiche Bürger öffentliches Engagement ab dem 2. Jhdt. v. Chr. zunehmend zur Steigerung des eigenen Ansehens und verfolgten auch mit der anschließenden Erinnerung an die eigenen Leistungen – etwa durch die Aufstellung eines Ehrendekrets – verstärkt persönliche Interessen wie die Erhöhung des individuellen Prestiges.94 4.2.3 Ehrendekrete für eigene Bürger in den Städten der Insel Amorgos Die drei Städte auf der Insel Amorgos ließen bis in den Späthellenismus vereinzelte Ehrendekrete für eigene Bürger aufstellen. Die Publikation der meisten Beschlüsse erfolgte jedoch bis zum Beginn des 2. Jhdts. v. Chr. In der Folgezeit verzichteten die Städte zunehmend auf die Errichtung solcher Monumente oder überließen die Aufzeichnung den ausgezeichneten Personen. Die dauerhafte Publikation von Ehrendekreten durch die Städte blieb stets eine außergewöhnliche Maßnahme und erfolgte lediglich unter besonderen Umständen oder bei wichtigen Ereignissen. Zunächst bedeuteten die seltenen Monumente demnach stets eine besondere Ehre für die jeweiligen Personen. Die Städte verknüpften mit der dauerhaften Publikation der Beschlüsse in der Regel jedoch mehrere Zwecke und stellten die Monu91 92

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39–44: ἀνα|γράψαι δὲ τόδε τὸ ψήφισμα τὸμ μὲν | γραμματέα εἰς τὰ δημόσια γράμματα | Κριτόλαον δὲ καὶ Παρμενίωνα εἰς στή|λην καὶ στῆσαι τῶν δημοσίων εἰς | ὁποῖον ἂν βούλωνται τόπον. Wilhelm 1909, 260. Auch das fragmentarische Ehrendekret der Polis Aigiale für Peithagoras aus dem 2. Jhdt. v. Chr. scheint neben der Errichtung der Stele eine Aufzeichnung εἰς τὰ δημόσια γράμμ[ατα] angeordnet zu haben. IG XII 7, 391, 18. Zur Publikation von Ehrendekreten s. auch o. S. 36–38. In einem anderen Fall verzichtete Kritolaos möglicherweise auf die dauerhafte Aufzeichnung seines Ehrendekrets. So erinnerte lediglich eine entsprechende Stifterinschrift an das Engagement für einen Hain für Götter und Volk. IG XII 7, 433. Zur Eigenfinanzierung von Ehrungen durch die ausgezeichneten Personen s. allgemein Gauthier 2000a.

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mente in den Dienst der eigenen Interessen. Die Polis Aigiale verwies in einzelnen Beschlüssen durch entsprechende Hortativformeln auf die Vorbildfunktion der ausgezeichneten Personen und setzte mit den Stelen zudem allgemeine Erinnerungsmonumente für wichtige Ereignisse. Die Städte Arkesine und Minoa instrumentalisierten die Beschlüsse für die herausragenden ἄρχοντες zur eigenen Selbstdarstellung und erinnerten an die prächtige Ausrichtung der eigenen Feierlichkeiten im Heiligtum der Athena Itonia. In den meisten Fällen wird demnach erst das Zusammentreffen der unterschiedlichen Faktoren zur dauerhaften Aufzeichnung der Ehrendekrete geführt haben. Politische Entwicklungen und regionale Besonderheiten wie die Konkurrenz zwischen den Nachbarstädten Minoa und Arkesine konnten in diesem Zusammenhang großen Einfluss auf die Ehrenpraxis in den Gemeinwesen nehmen. Entscheidende Bedeutung gewann die besondere Konstellation zwischen den beiden Gemeinwesen etwa im Kontext der Feiern zu Ehren der Athena Itonia. Durch außergewöhnliche Zusatzleistungen für das jährliche Hauptfest, das wie der gesamte Kult eine große Rolle im Leben der beiden Städte spielte, konnten die jeweiligen ἄρχοντες eine Publikation des eigenen Ehrendekrets erreichen. Zum Teil waren die entsprechenden Beschlüsse sogar im Heiligtum aufgestellt. Mit den Beschlüssen trugen die beiden Städte in der Folge einen permanenten Wettstreit um eine möglichst prächtige Ausrichtung der jährlichen Opferfeste aus. Bei herausragenden Verdiensten konnten einzelne Bürger auch in anderen Kontexten die Aufstellung eines eigenen Ehrendekrets erreichen. Die Polis Arkesine publizierte ab dem 2. Jhdt. als einzige Stadt auf der Insel Amorgos Beschlüsse für engagierte Bürgerinnen.95 Rat und Volk von Minoa ließen im späten Hellenismus während eines kurzen Zeitraums mehrere Ehrendekrete für Gymnasiarchen aufstellen.96 Die Beschlüsse hatten als temporäres Phänomen möglicherweise auch einen konkreten Anlass wie den kurzzeitigen Wettstreit zwischen mehreren Bürgern. Die Aufstellung von gemeinsamen Beschlüssen für Brüder scheint eine vornehmlich in der Polis Aigiale geübte Praxis geblieben zu sein.97 Daneben waren gerade für kleine Inseln wie Amorgos Einfälle von Piraten – ähnlich

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Auch in anderen Regionen der griechischen Welt begegnen Ehrendekrete für Frauen zunehmend im späten Hellenismus. S. u. S. 357 f. Die zunehmende Bedeutung von Gymnasion und Gymnasiarchie im späten Hellenismus ist als allgemeines Phänomen auch in anderen Städten der griechischen Welt zu beobachten. S. u. S. 189–191. Das gleichzeitige Engagement von Brüdern für eine Polis ist auch in anderen Städten bezeugt. In der Regel erhielten die verdienten Geschwister – so etwa Kallias und Phaidros in Athen oder Athenopolis und Moschion in Priene – jedoch ein eigenes Ehrendekret für die jeweiligen Leistungen. Zu den Beschlüssen aus Athen s. o. S. 72–79. Zu den Beschlüssen aus Priene s. u. S. 285–292. Neben der Polis Aigiale publizierten lediglich die Städte Iasos und Thasos gemeinsame Ehrendekrete für die Brüderpaare Gorgos und Minnion und Euphrillos und Mikas. I. Iasos 24 + 30. Dunant/Pouilloux 1958 Nr. 192.

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den Plünderungszügen der Kelten in Kleinasien oder den Überfällen von indigenen Bevölkerungsgruppen auf die Städte an der Schwarzmeerküste – oftmals ein gravierendes Problem und konnten sich zu existentiellen Bedrohungen auswachsen. Die Städte Arkesine und Aigiale ließen dementsprechend mehrere Beschlüsse für Verdienste bei der Bewältigung von Seeräuberüberfällen aufstellen. In den meisten Fällen werden erst die bedrohlichen Ausnahmesituationen in Verbindung mit der Dankbarkeit für die Rettung aus der existentiellen Notlage den Ausschlag für die Entscheidung zur dauerhaften Publikation der relevanten Beschlüsse gegeben haben. In der Regel hatten die Ehrendekrete aus den Städten auf der Insel Amorgos einen konkreten Anlass und konzentrierten die Erzählungen jeweils auf das aktuelle Ereignis. Frühere Leistungen der herausragenden Personen erwähnten die Beschlüsse in den meisten Fällen nicht. Ab dem 2. Jhdt. v. Chr. traten die ideologischen Aspekte in einzelnen Beschlüssen zunehmend in den Hintergrund. In der Folge verloren die Städte das Interesse an der Publikation und überließen die Errichtung von Stelen, die zunehmend persönlichen Interessen entsprangen, der persönlichen Initiative der ausgezeichneten Bürger. Im Einzelfall mag der Verzicht der Städte auf die Aufstellung von entsprechenden Stelen auch mit einem knappen Budget der öffentlichen Kassen zu erklären sein. So fielen auch die verliehenen Ehrungen auf der ganzen Insel im Allgemeinen recht bescheiden aus und beschränkten sich lange Zeit auf schlichte Olivenkränze. Goldene Kränze vergaben die Städte erst im Späthellenismus. Statuenehrungen scheinen die Städte ebenfalls nicht beschlossen zu haben. Einzig die Gymnasiarchen aus Minoa erhielten im späten Hellenismus gemalte Porträtbildnisse. Zu einem Teil wird die Sparsamkeit bei der Vergabe von Ehrungen sicherlich in den bescheidenen Einkünften der drei Städte auf der kleinen Kykladeninsel begründet gewesen sein.

4.3 Synoikismos und Sympolitie – Die Insel Kos als Ausnahmefall Politische Entwicklungen und regionale Phänomene nahmen auch auf der Insel Kos großen Einfluss auf den epigraphic habit der Einwohner. Die epigraphische Dokumentation setzte erst nach der Gründung des neuen Stadtzentrums im Osten der Insel ein. Die Formierung des Gesamtdemos als Zusammenschluss der bis dahin selbstständigen Inselgemeinden im Jahr 366/365 v. Chr. gehörte zu den einschneidendsten Ereignissen in der Geschichte der Insel.98 Auch in den folgenden Jahrhunderten nahmen die politischen Strukturen des Gemeinwesens, die zum großen Teil durch die besonderen Umstände bei der Genese der Polis bedingt waren, entscheidenden 98

Zum Synoikismos des Jahres 366/365 v. Chr. s. ausführlich Sherwin-White 1978, 40–72. Carlsson 2010, 216–218.

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Einfluss auf die epigraphische Landschaft. Demenzentren wie Aigele, Antimachia, Halasarna und Isthmos, die nach dem Synoikismos aus den selbstständigen Gemeinwesen hervorgegangen waren, spielten auch nach der Gründung der Polis Kos eine wichtige Rolle und wahrten in ihren politischen Strukturen zumindest zu einem gewissen Teil die Eigenständigkeit gegenüber dem Zentralort.99 Noch in den Jahren vor 200 v. Chr. erfolgte die Vereinigung der Polis Kos mit der Nachbarinsel Kalymna. Neben der Sympolitie mit Kalymna war die Außenpolitik in diesem Zeitraum von den Auseinandersetzungen mit Kreta sowie mit dem makedonischen König Philipp V. geprägt. In beiden Konflikten agierte die Stadt als Bündnispartner der Nachbarinsel Rhodos. In der Folgezeit blieb die Polis trotz Veränderungen durch den zunehmenden Einfluss der Römer in der Region zumindest nach den formalen Verfassungsstrukturen bis in den Späthellenismus eine Demokratie.100 Auch auf der Nachbarinsel Kalymna standen die epigraphischen Praktiken unter dem Einfluss der politischen Entwicklungen. Bereits im 3. Jhdt. v. Chr. hatte die Insel unterschiedlichen Königreichen und zuletzt dem ptolemäischen Herrschaftsbereich angehört.101 Die Eigenständigkeit und die politischen Strukturen blieben unter den hellenistischen Königen jedoch weitgehend gewahrt.102 Ein städtisches Zentrum scheint auf der Insel nicht existiert zu haben.103 Zentralortfunktion erfüllte möglicherweise das Heiligtum des Apollon Delios, das Rat und Volk von Kalymna auch für die Publikation von öffentlichen Beschlüssen nutzten. In den Jahren vor 208/207 v. Chr. verlor die Insel den Status eines freien Gemeinwesens und ging schließlich im Zusammenschluss mit der Polis Kos auf.104 Bis auf eine kurze Unterbrechung um 200 v. Chr. hatte die Verbindung der beiden Inseln bis in die römische Kaiserzeit bestand. Die Homopolitie bedeutete zugleich einen entscheidenden Einschnitt für die weitere Entwicklung des Gemeinwesens. Eigenständige Beschlüsse fassten Rat und Volk von Kalymna ledig 99 100

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Carlsson 2010, 237. Zur Beschlussfassung der Demen s. auch Grieb 2008, 152. Hamon 2012, 59. Rhodes/Lewis 1997, 238. Grieb 2008, 193–198. Carlsson 2010, 240–243. Die Bedeutung der Demokratie für die Polis Kos unterstreicht der von den Kalymniern bei der Eingemeindung in die Polis zu schwörende Eid aus den Jahren kurz nach 208 v. Chr. IG XII 4, 1, 152, 14–22: ἐμμενῶ | τᾶι καθεστακυίαι δαμοκρατίαι καὶ τᾶι ἀποκαταστάσει | τᾶς ὁμοπολιτείας καὶ τοῖς νόμοις τοῖς ἐγ Κῶι πατρίοις | ὑπάρχουσι (…) ὀλιγαρχίαν δὲ οὐδὲ τύραννον οὐδὲ ἄλλο πολίτευμα ἔξω δαμο|κρατίας οὐ καταστάσω παρευρέσει οὐδεμιᾶι. Carlsson 2010, 186–188. Zur freien und demokratischen Polis s. Carlsson 2010, 200–202. Vgl. Sherwin-White 1978, 176. Walser 2009, 151 f. Zur Homopolitie von Kos und Kalymna s. Sherwin-White 1978, 124–129. Rhodes/Lewis 1997, 222. Reger 2004, 153. Habicht 2007, 140 f. Bencivenni 2008. Grieb 2008, 188–192. Walser 2009, 148–153. Carlsson 2010, 188 f. Überlegungen zur Datierung der Ereignisse bereits bei Klaffenbach 1953, 455–458. Die Bürger von Kalymna hatten zur Erneuerung der Homopolitie einen Eid zu schwören. IG XII 4, 1, 152.

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lich bis zum Ende des 3. Jhdts. v. Chr.105 Bald nach dem Zusammenschluss mit der Polis Kos verschwanden solche Beschlüsse aus der epigraphischen Dokumentation. Die dauerhafte Aufstellung von Ehrendekreten für eigene Bürger war auf beiden Inseln meist eng mit politischen Ereignissen verbunden. In der Polis Kos hatte insbesondere der Synoikismos der spätklassischen Zeit große Auswirkungen auf die öffentliche Ehrenpraxis. Neben der Polis publizierten auch die einzelnen Demen nahezu während des gesamten Hellenismus Ehrendekrete für eigene Mitglieder.106 In einzelnen Demen, die vor dem Zusammenschluss der Insel selbstständige Gemeinwesen gewesen waren, scheint noch lange ein Bewusstsein für die eigenen Ursprünge existiert zu haben.107 Durch die Ehrung von Demenmitgliedern versuchten die Gemeinschaften die lokale Identität zu stärken und auch innerhalb der Polis Kos den eigenen Status zu verhandeln. Die Demen traten in den eigenen Beschlüssen nahezu als selbstständige Gemeinwesen in Erscheinung. Die Publikation von Ehrendekreten konnte in der Folge zum sichtbaren Zeichen der Eigenständigkeit und der eigenen Bedeutung werden. Nur in Einzelfällen zeigte sich die Abhängigkeit von der Polis Kos. Auch die Polis Kalymna scheint in den Jahren um 200 v. Chr. in Reaktion auf einen drohenden Identitätsverlust durch die Sympolitie mit der Nachbarinsel Kos Ehrendekrete für eigene Bürger veröffentlicht zu haben. In denselben Jahren publizierten einzelne Demen auf Kos – vermutlich ebenfalls aus Angst vor einem Identitätsverlust nach der erneuten Erweiterung der Polis – zusätzlich zu mehreren Ehrendekreten auch ausführliche Listen mit allen Demenangehörigen.108 Einfluss auf die epigraphische Praxis nahmen in diesem Zeitraum neben dem politischen Zusammenschluss auch die Auseinandersetzungen mit Kreta und Philipp V. Die dauerhafte Aufzeichnung von Ehrendekreten für eigene Bürger blieb auf beiden Inseln insgesamt jedoch ein seltenes Phänomen. Die Publikation konzentrierte sich auf kurze Zeiträume und scheint eine direkte Reaktion auf einzelne Ereignisse gewesen sein. Daneben ließen auf Kos sowohl die Polis als auch einzelne Demen immer wieder Ehrendekrete für bestimmte Personengruppen wie Ärzte oder Richterwerber (δικασταγωγοί) aufstellen. Den Gründen für die Publikation der einzelnen Beschlüsse wird im Folgenden nachzugehen sein. Neben Ehrendekreten im Kontext 105 106

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Walser 2009, 153. Vgl. Rhodes/Lewis 1997, 223. Carlsson 2010, 191. 202. Zu den koischen Demen s. Sherwin-White 1978, 58–63. 182–184. Rhodes/Lewis 1997, 238. Grieb 2008, 150–153. Carlsson 2010, 218–220. Ähnliche Phänomene sind nur aus wenigen Städten wie der kleinasiatischen Polis Mylasa bekannt und scheinen jeweils in direktem Zusammenhang mit der föderalen Struktur der jeweiligen Gemeinwesen gestanden zu haben. Zur Polis Mylasa s. u. S. 510–512. Mit dem Beginn des 2. Jhdts. v. Chr. ist im epigraphischen Befund der Insel Kos im Allgemeinen eine signifikante Abnahme an Beschlüssen der Polis zu beobachten. In geringerem Umfang ist eine gleichzeitige Zunahme an Beschlüssen der einzelnen Demen zu verzeichnen. Carlsson 2010, 242–243. IG XII 4, 1, 103–104. IG XII 4, 2, 461–462.

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von politischen Entwicklungen sollen auch regionalspezifische Phänomene wie die Ehrendekrete für einheimische Ärzte eine Betrachtung erfahren. 4.3.1 Die Insel Kos als Zentrum der Medizin – Ehrendekrete für Ärzte aus der Bürgerschaft Die Insel Kos war in der Antike ein wichtiges Zentrum der Medizin und unterhielt vermutlich sogar ein System an öffentlichen Ärzten. Während des Hellenismus ließen Polis wie Demen zudem mehrere Ehrendekrete für einheimische Mediziner aufstellen.109 In der Polis Kos könnte die Aufstellung von Ehrendekreten für eigene Bürger im Frühhellenismus sogar mit einem Beschluss für einen einheimischen Arzt begonnen haben. Das Ehrendekret für Xenotimos aus der Mitte des 3. Jhdts. v. Chr. begann ohne Präskript mit dem Antrag eines Praximenes und beschrieb zunächst die allgemeinen Verdienste des Mediziners um das Wohl der Bürger (1–5).110 Erst im Anschluss widmete sich die Erzählung dem eigentlichen Anlass des Ehrendekrets (5–15). Die Passage wurde durch die einleitende Wendung [κ]αὶ [νῦ]ν (5) auch formal als der eigentliche Gegenstand der Erzählung gekennzeichnet. Die Beschreibung der Ereignisse hatte Praximenes mit rhetorischem Geschick wie eine abgeschlossene Einzelerzählung aufgebaut. Auf eine allgemeine Situationsbeschreibung folgte der Abschnitt zu den eigentlichen Leistungen.111 Als in Kos eine schwere Epidemie wütete und alle öffentlichen Ärzte bereits erkrankt waren, nahm sich Xenotimos freiwillig und ohne Unterschied der Kranken an und rettete durch sein Engagement vielen Mitbürgern das Leben.112 Gerade die bürgerlichen Tugenden wie der freiwillige Einsatz für Bürger und Gemeinwohl machten den Arzt dabei nach Darstellung des Beschlusses zum Retter der Heimatstadt, die durch den vorbildlichen Einsatz des eigenen Bürgers im Umkehrschluss wiederum gleichsam aus sich selbst heraus die existentielle Krise überwinden konnte. Solange in der Stadt gute Bürger wie Xenotimos lebten, war die Bürgergemeinde allen Gefahren gewachsen. Der Einsatz des Arztes bildete im Hinblick auf die formale Gesamtkomposition der Beschlussvor109

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Zur Insel Kos als Zentrum der Medizin s. Cohn-Haft 1956, 61–65. Sherwin-White 1978, 256–289. Samama 2003, 25. Andere Städte publizierten in der Regel lediglich Ehrendekrete für fremde Ärzte. Zu Ärzten im Hellenismus s. allgemein Samama 2003. Massar 2005. IG XII 4, 1, 30. Für Ehrendekrete mit ähnlichem Aufbau s. allgemein u. S. 428. Zu den Leistungen des Xenotimos s. Cohn-Haft 1956, 63. Sherwin-White 1978, 178. 265. Samama 2003, 41. 225–227. Massar 2005, 86. Zum System der medizinischen Versorgung durch öffentliche Ärzte auf Kos s. allgemein Sherwin-White 1978, 263–274. Die Beschreibung der Seuche entsprach vermutlich nicht den realen Begebenheiten. Stattdessen zeichnete die Erzählung mit literarischen Mitteln ein überformtes Bild der Epidemie.

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lage die Peripetie im Geschehen und stand nach der Zuspitzung der Krise für die Wende zum Guten. Den Eigennamen hatte der Verfasser der Beschlussvorlage als effektvollen Einstieg an den Beginn des Abschnitts gesetzt (10). Xenotimos erhielt für seinen Einsatz von der Volksversammlung eine Belobigung und als größtes Privileg, das die Volksversammlung vergeben konnte, einen goldenen Kranz in einem durch gesetzliche Bestimmungen festgelegen Höchstwert (15–25).113 Ein Herold hatte den Kranz zusätzlich bei den Dionysien auszurufen. Den Text der knappen Ansage hatte der Beschluss im Wortlaut festgelegt. Eine Hortativformel bildete – vermutlich im Kontext von Bestimmungen zur dauerhaften Publikation des Ehrendekrets – den Abschluss (25–27). So wollte die Stadt möglicherweise gerade durch die Errichtung der Stele andere Ärzte zu vergleichbaren Leistungen motivieren. Die dauerhafte Aufzeichnung eines Beschlusses wurde – im Gegensatz zu anderen Ehrungen – als besondere Auszeichnung vermutlich jedoch nur bei außergewöhnlichen Verdiensten gestattet.114 Die referierten Leistungen beschränkten sich trotz des allgemeinen Lobs zu Beginn des Motivberichts im Wesentlichen auf ein konkretes Ereignis. Sicherlich gab erst das außergewöhnliche Engagement während der Seuche, die als eine existentielle Bedrohung für die gesamte Polis wahrgenommen wurde, den Ausschlag zur Veröffentlichung des Beschlusses – war die Überwindung der Krise letztlich doch erst durch den individuellen Einsatz des Xenotimos, dessen medizinischen Fähigkeiten zahlreiche Bürger ihre unmittelbare Genesung verdankten, gelungen.115 Eine wichtige Funktion des Ehrendekrets bestand demnach in der Erinnerung an die herausragenden Leistungen sowie an die Dankbarkeit der Stadt gegenüber dem engagierten Mitbürger. Ebenso diente der selbstlose Einsatz des Xenotimos der Polis jedoch auch als Idealbeispiel für das Engagement eines Bürgers für die Gemeinschaft. Dessen Taten galten der Stadt nach allgemeinen Maßstäben als vorbildliches Verhalten und sollten andere Bürger zur Nachahmung animieren. Ab dem 2. Jhdt. v. Chr. publizierten auch einzelne Demen Ehrendekrete für Ärzte.116 Der Demos Halasarna ließ etwa um die Mitte des 2. Jhdts. v. Chr. drei ent-

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Sherwin-White 1978, 181. Samama 2003, 57. Massar 2005, 86. Vermutlich legten die entsprechenden Vorschriften allgemein Grenzen für die Vergabe von Ehrungen durch die Volksversammlung sowohl an Bürger als auch an Fremde fest. Der Beschluss für Xenotimos ist das einzige bekannte Ehrendekret der Polis Kos für einen Arzt in Ausübung der Tätigkeit. Die etwa zeitgleichen Beschlüsse für den Arzt Kaphisophon beschränken sich ausschließlich auf die außenpolitische Tätigkeit des herausragenden Bürgers. IG XII 4, 1, 31. 32. S. ausführlich u. S. 167–169. Sherwin-White 1978, 265. Zur Prominenz der Ärzte in Ehrendekreten der Demen s. Carlsson 2010, 236. Vgl. allgemein Bosnakis/Hallof 2003, 222.

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sprechende Beschlüsse aufstellen.117 Der Beschluss für den Arzt Antipatros, dessen Wirken auf Kos und Kalymna auch durch andere Inschriften erinnert wurde, gewährt über die Hortativformel einen Einblick in die Gründe für die dauerhafte Publikation des Ehrendekrets.118 So wollte der Demos von Halasarna durch die angemessene Ehrung des Antipatros auch andere Ärzte zu vergleichbarem Engagement veranlassen (3–9). Dementsprechend mag auch der verlorene Motivbericht die Beispielhaftigkeit der Leistungen zum Ausdruck gebracht haben. An Auszeichnungen erhielt Antipatros neben der Inschrift eine Belobigung und einen goldenen Kranz im Wert von 50 Goldstücken (9–15).119 Die Ausrufung sollte beim ersten Wettkampf der Dionysien erfolgen.120 Neben dem Beschluss für Antipatros ließ der Demos von Halasarna ein Ehrendekret für dessen Schüler Onasandros aufstellen.121 Da der Arzt als πάροικος trotz eines langjährigen Engagements auf der Insel nicht das volle Bürgerrecht besaß, war der verabschiedete Beschluss eigentlich ein Ehrendekret für einen fremden Wohltäter. Die Gründe für die anschließende Publikation waren dementsprechend vielfältig. So verfolgte der Beschluss für Onasandros wie zahlreiche Ehrendekrete zunächst hortative Zwecke (38–44).122 Der Demos von Halasarna wollte zeigen, dass neben Bürgern auch Fremde für Verdienste um die Bevölkerung Anerkennung erhalten konnten, und somit potentielle Wohltäter für künftiges Engagement gewinnen. Daneben sollten die Auszeichnungen auch Onasandros selbst zu weiteren Leistungen motivieren – eine

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Einen spezifischen Grund für das punktuelle Auftreten von Ehrendekreten für Ärzte lassen die drei erhaltenen Beschlüsse nicht erkennen. Zur allgemeinen Zunahme an Ehrendekreten aus den Demen s. o. S. 159 Anm. 107. In Form und Inhalt trafen die Ehrendekrete keine Unterscheidung zwischen Bürgern und Fremden. IG XII 4, 1, 108. Der Beschluss ist bis auf die Hortativformel und den Anfang der Resolution verloren. Zu Antipatros s. zudem IG XII 4, 1, 163. Segre 1944/1945 Nr. 78. Zur Parallelüberlieferung vgl. Gauthier, BE 1992, 490. Samama 2003, 251 Anm. 70. ΚοκκοροῦἈλευρᾶ 2004, 148. Bosnakis/Hallof/Rigsby 2010, 145. Zu Person und Familie des Antipatros s. Herzog 1991, 139. Samama 2003, 557 Anm. 8. Κοκκοροῦ-Ἀλευρᾶ 2004, 34–36. Zur Verleihung von goldenen Kränzen durch den Demos von Halasarna s. auch u. S. 172. Im Vergleich zu den Ehrendekreten des 3. Jhdts. v. Chr. hatte der goldene Kranz für Antipatros eine Wertsteigerung erfahren. Auch im Demos von Halasarna ist damit das allgemeine Phänomen der allmählichen Zunahme von Ehrungen im Späthellenismus zu beobachten. S. allgemein u. S. 383. 402. Wie in anderen Fällen bedurfte die Verkündung des Kranzes vermutlich der Erlaubnis durch die Gesamtpolis Kos. S. allgemein u. S. 181 f. Der entsprechende Abschnitt im Ehrendekret für Antipatros ist jedoch verloren. IG XII 4, 1, 109. Zur personenrechtlichen Stellung des Onasandros s. Sherwin-White 1978, 269. Herzog 1991, 139. Gauthier, BE 1992, 490. Jouanna 1992, 525. Samama 2003, 252 Anm. 77. Bosnakis/Hallof/Rigsby 2010, 98. 38–42: ὅπως οὖν καὶ τοὶ δαμόται φαίνωνται | μηθὲ. μόνον τῶν πολιτᾶν τὸς ἀγαθὸς καὶ εὐνϊκῶς δι|ακειμένος ποθ᾿ αὑτὸς τιμῶντες, ἀλλὰ καὶ τῶν παροί|κων τὸς ἐκτενῶς καὶ φιλοτίμως ἐμ παντὶ καιρῶι ποτὶ | τὸ πλῆθος ποτιφερομένος.

Synoikismos und Sympolitie

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insbesondere bei Ehrendekreten für fremde Personen, die nicht schon durch ihre Herkunft zu Leistungen für den Demos verpflichtet waren, relevante Funktion der Beschlüsse.123 Die Wahl des Aufstellungsortes verfolgte ebenfalls ideologische Intentionen (51–53). Der Demos von Halasarna arrangierte die beiden Ehrendekrete für Onasandros und Antipatros zu einem Monument für beispielhafte Ärzte.124 Da die Beschlüsse sowohl einen einheimischen als auch einen fremden Arzt ehrten, konnten sich sowohl Bürger als auch Fremde von dem Ensemble angesprochen fühlen. Als Ehrendekrete für Lehrer und Schüler erinnerten die Beschlüsse zudem an das kontinuierliche und gleichsam als traditionelle Verpflichtung zu verstehende Engagement der Ärzteschule für den Demos. Dementsprechend betonte das Ehrendekret für Onasandros auch im ausführlichen Motivbericht stets das enge Verhältnis der beiden Ärzte in der beruflichen Praxis. Der angehende Mediziner unterstützte seinen Lehrer sowohl während der Ausbildung als auch in der Folgezeit als «Assistenzarzt» (10: ὑπηρέτας) bei der Tätigkeit in Halasarna sowie beim anschließenden Dienst in der Polis (3–23).125 Während der gesamten Zeit hatte der junge Arzt seine Fähigkeiten stets selbstlos und ohne persönlichen Profit für das Allgemeinwohl eingesetzt. Auch nachdem er eine eigene Praxis in der Stadt eröffnet hatte, bereicherte sich Onasandros nicht an seinen Patienten, sondern behandelte – ähnlich wie Xenotimos die Bürger von Kos – zahlreiche Angehörige des Demos von Halasarna, ohne Gebühren zu verlangen (24–38).126 Mehrfach betonte der Motivbericht zudem den vorbildlichen Lebenswandel und das tadellose Verhalten des Arztes (8/12/20/35–36) sowie dessen Wohlwollen gegenüber den Demenangehörigen (14/37–38).127 Die Erzählung umspannte damit nahezu das gesamte Leben des Onasandros, konzentrierte sich jedoch ausschließlich auf die Tätigkeit als Arzt.128 Anhand der Karriere des herausragenden Mediziners entwarf 123

42–44: Ὀνάσανδρός τε τιμα|θεὶς ταῖς καταξίαις τιμαῖς πολὺ προθυμότερον ἑα.[υ]|τὸν παρέχηται ἐς τὸς δαμότας. Der reziproke Austausch von Leistung und Ehrung ist ein insbesondere bei den Ehrendekreten für fremde Wohltäter gut bezeugtes Phänomen. S. o. S. 42–44. Gerade im Demos von Halasarna konnten entsprechende Vorstellungen aber auch in Ehrendekreten für eigene Bürger wie etwa in den Beschlüssen für Diokles und Theukles zum Ausdruck kommen. S. u. S. 173. 176. 124 Zur Aufstellung der Inschriften s. auch Jouanna 1992, 526. Κοκκοροῦ-Ἀλευρᾶ 2004, 149. 125 Zur Tätigkeit als Schüler und Assistent des Antipatros s. Gauthier, BE 1992, 490. Jouanna 1992, 525 f. Samama 2003, 557 Anm. 8. Κοκκοροῦ-Ἀλευρᾶ 2004, 149. 126 Zur selbstständigen Tätigkeit in der Stadt s. Gauthier, BE 1992, 490. Jouanna 1992, 526. Samama 2003, 252 Anm. 75. Κοκκοροῦ-Ἀλευρᾶ 2004, 149. 127 Entsprechende Formulierungen sind ein typisches Phänomen in Ehrendekreten für Ärzte. S. zusammenfassend u. S. 167. Zu den Verdiensten gegenüber dem Demos s. Samama 2003, 251 Anm. 72. 128 Ein wirkliches «Lebenswerkdekret» war der Beschluss demnach nicht. Die Tendenz zur idealisierenden Darstellung eines vorbildlichen Lebens teilte der Motivbericht mit antiken Biographien. S. allgemein u. S. 455–457.

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Weitere Fallbeispiele aus dem Frühhellenismus

das Ehrendekret das Idealbild eines vorbildlichen Arztes. In Inhalt und Gestaltung unterschied sich der Beschluss für den πάροικος Onasandros damit nicht von den Ehrendekreten für eigene Bürger. Lediglich bei den beschlossenen Ehrungen wie etwa bei der Zulassung zu den Kultfesten des Demos trat der rechtliche Status des fremden Arztes zum Vorschein (44–53).129 Am Ende des Ehrendekrets verzeichnete die Inschrift das Abstimmungsergebnis mit 248 Stimmen bei keiner Gegenstimme (53–55). Der demokratische Entscheidungsprozess war offensichtlich auch in der Mitte des 2. Jhdts. v. Chr. immer noch wichtig genug, um das Abstimmungsergebnis festzuhalten – auch wenn der Demos das für Onasandros schmeichelhafte Ergebnis sicherlich auch als zusätzlichen Beleg für die Beliebtheit des herausragenden Arztes aufzeichnen ließ.130 In der zweiten Hälfte des 2. Jhdts. v. Chr. scheint der Demos von Halasarna ein drittes Ehrendekret für einen Arzt publiziert zu haben.131 Der unbekannte Bürger war zuerst in Halasarna und später in Kos als Gemeindearzt im öffentlichen Auftrag tätig gewesen (4–18).132 Die Verfasser der Beschlussvorlage lobten – ähnlich wie im Ehrendekret für Onasandros – mehrmals die vorbildliche Lebensführung des Arztes (8–9/13–14) sowie dessen Verdienste um das Wohl der Bevölkerung (17). Die inhaltliche Gestaltung der Ehrendekrete für Ärzte scheint sich demnach an berufsgruppenspezifischen Charakteristika orientiert zu haben. So galten ein vorbildlicher Lebenswandel sowie ein Berufsethos, das von der Sorge um die Mitmenschen und nicht von Profitstreben geprägt war, als besonders lobenswerte Eigenschaften. Auch die Hortativformel scheint den aus Halasarna bekannten Mustern gefolgt zu sein (19– 25).133 Zugleich beinhaltete der Beschluss vermutlich auch einen dezenten Hinweis auf die Verpflichtungen gegenüber dem Demos und sollte den Arzt daran erinnern, 129

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Zu den Ehrungen des Onasandros s. Sherwin-White 1978, 268 f. Herzog 1991, 139. ­Gauthier, BE 1992, 490. Jouanna 1992, 526. Samama 2003, 252 Anm. 77. Bestimmte Ehrungen wie das Bürgerrecht – für einen verdienten πάροικος eigentlich eine übliche Entlohnung – konnte der Demos nicht vergeben. Zum Abstimmungsergebnis s. Gauthier 1990, 93. Gauthier, BE 1992, 490. Quaß 1993, 362. Samama 2003, 253 Anm. 78. Carlsson 2010, 203. Flaig 2013, 309. IG XII 4, 1, 113. Die Inschrift ist bis auf zwei Fragmente mit einigen Zeilenanfängen verloren. Mit der nötigen Vorsicht lässt sich der Beschluss allerdings weitgehend rekonstruieren. Die Zuschreibung an den Demos von Halasarna geht aus der Inschrift nicht explizit hervor. Fundort, Formularbestandteile und Inhalt lassen die Zuweisung allerdings als gesichert erscheinen. Zu den Formularbestandteilen s. auch Samama 2003, 253 Anm. 79. Carlsson 2010, 219. 228. Hallof/Habicht 1998, 128. Samama 2003, 256 Anm. 86. Bosnakis/Hallof/Rigsby 2010, 101. Die Verpflichtung des unbekannten Bürgers zu weiteren Leistungen nannte die Hortativformel im Gegensatz zum Ehrendekret für Onasandros nicht als Anlass des Beschlusses. Bei einem Arzt, der bereits durch eine öffentliche Tätigkeit an den Demos gebunden war, mag eine entsprechende Formulierung jedoch auch nicht im gleichen Maß von Bedeutung gewesen sein wie bei einem selbstständig tätigen πάροικος.

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den Demos während der Tätigkeit in der Polis Kos nicht zu vergessen. Insgesamt folgte der Beschluss für den unbekannten Bürger in weiten Teilen den aus Halasarna und insbesondere aus dem Ehrendekret für Onasandros bekannten Schemata. Auch der Demos von Antimachia ließ zum Ende des 2. Jhdts. v. Chr. ein Ehrendekret für einen einheimischen Arzt publizieren. In Inhalt und Gestaltung wird der Beschluss für Eukrates vermutlich den üblichen Schemata für die Auszeichnung von Ärzten gefolgt sein.134 Für die Verdienste um den Demos von Antimachia erhielt Eukrates ein Bronzestandbild (2–5).135 Die Resolution legte zudem im Wortlaut die Ehreninschrift für die Statuenbasis fest. Neben dem bronzenen Standbild verlieh der Demos an den verdienten Arzt auch einen goldenen Kranz. Um die Aufzeichnung des Ehrendekrets auf eine Stele, die an einem möglichst prominenten Platz aufzustellen war, hatte sich Eukrates selbst zu kümmern (5–7).136 Ohne die persönliche Initiative des Arztes wäre die dauerhafte Publikation des Beschlusses wohl ausgeblieben. Großes Interesse zeigte der Demos im Gegensatz zur Errichtung der Stele an der öffentlichen Ausrufung der verliehenen Privilegien. Um die Auszeichnung des Eukrates auch den anderen Bewohnern der Insel bekannt zu machen, wählte die Demenversammlung von Antimachia fünf Männer, die bei Rat und Volksversammlung der Gesamtpolis Kos um die Erlaubnis zur Verkündung der Ehrung zu ersuchen hatten (7–10).137 Von der öffentlichen Ausrufung des Eukrates – vermut134

IG XII 4, 1, 114. Der Beschluss ist bis auf Reste der Resolution verloren und bietet dementsprechend kaum Möglichkeiten zum Vergleich mit anderen Ehrendekreten für Ärzte aus Kos. 135 Das Ehrendekret für Eukrates ist auf der Insel Kos der erste explizite Beleg für die Verleihung einer Ehrenstatue durch einen Volksbeschluss. Vor dem herausragenden Arzt hatten selbstverständlich schon andere Bürger Ehrenstatuen erhalten. Für den Demos Halasarna belegt eine Statuenbasis für einen Diokles aus den Jahren um 200 v. Chr. die Vergabe von entsprechenden Ehrungen. IG XII 4, 2, 1149. S. auch Κοκκοροῦ-Ἀλευρᾶ 2004, 66–68. Habicht 2007, 142. Carlsson, 2010, 29 Anm. 445. Bosnakis/Hallof 2012, 617. Für Vergleichsbeispiele s. auch Bosnakis/Hallof 2003, 223. Dennoch ist die Verleihung des Bronzestandbilds an Eukrates ein weiteres Indiz für die allmähliche Ausweitung der Ehrungen im späten Hellenismus. S. allgemein u. S. 383. 402. 136 Zur Aufstellung ἐν τῶ[ι] | [ἐ]πισαμοτάτωι τοῦ δάμου τόπωι (6–7) s. auch Carlsson 2010, 240. Um die Mitte des 2. Jhdts. v. Chr. hatte sich der Opferbeauftragte Perikles im Demos von Antimachia ebenfalls um die Publikation des eigenen Ehrendekrets zu kümmern. IG XII 4, 1, 110. Sowohl in den umfangreichen Privilegien als auch im Verzicht des Demos auf die Aufzeichnung von Beschlüssen scheint sich ein Wandel im Verhältnis des Einzelnen zur Gemeinschaft abzuzeichnen. Auszeichnungen und Ehrendekrete verloren im späten Hellenismus allmählich die ideologische Bedeutung und konzentrierten sich zunehmend auf den Aspekt der persönlichen Überhöhung von Einzelpersonen. S. ausführlich u. S. 398–402. 137 Grieb 2008, 152. Carlsson 2010, 224. S. allgemein auch Sherwin-White 1978, 183 f. Zur Wendung τὸ σύνπαν πλῆθος s. Bosnakis/Hallof 2003, 223. Grieb 2008, 143 f. Bosnakis/ Hallof/Rigsby 2010, 101. Die Kritik von Grieb an der Übersetzung der Wendung τὸ σύνπαν πλῆθος mit «Gesamtstaat» durch Bosnakis/Hallof ist nicht nachzuvollziehen.

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Weitere Fallbeispiele aus dem Frühhellenismus

lich bei den Dionysien – versprach sich der Demos dem Anschein nach eine größere Öffentlichkeitswirkung als von der dauerhaften Publikation des entsprechenden Ehrendekrets, dessen Aufzeichnung vornehmlich durch das persönliche Interesse des Arztes motiviert gewesen zu sein scheint. Mit dem knappen und allgemeinen Beschluss für Anaxippos publizierte neben den Demen von Halasarna und Antimachia zum Beginn des 2. Jhdts. v. Chr. auch der Demos Aigele ein Ehrendekret für einen Arzt.138 Wie Onasandros und den unbekannten Arzt aus Halasarna hatte die Polis Kos auch Anaxippos mehrere Jahre als ἰατρὸς δαμόσιος beschäftigt (2–10).139 In Ausübung seiner Tätigkeit hatte der öffentliche Arzt vielen Bürgern das Leben gerettet. Eine spezifische Verbindung zum Demos Aigele lässt der Motivbericht jedoch nicht erkennen. Stattdessen enthielt die Erzählung die in Ehrendekreten für Ärzte von der Insel Kos typischen Charakterisierungen und berichtete von einem vorbildlichen Lebenswandel und der Sorge um das Wohl der Bürger (5–9). Die anschließende Hortativformel begründete die Verabschiedung des Ehrendekrets in der üblichen Weise mit angemessenem Dank in der Öffentlichkeit sowie dem Ansporn zu künftigem Engagement für andere Personen (10–15). Im Zusammenhang mit den Leistungen des Arztes gebrauchte der Beschluss die auf die Zukunft gerichtete Formulierung εὐεργετεῖν [π]ροαιρουμένοις (12–13). Anaxippos hatte demnach also erst vor, sich für die Bürger des Demos Aigele zu engagieren – auch wenn einzelne Demenangehörige während der Anstellung in der Polis Kos sicherlich bereits von den Künsten des Arztes profitiert hatten.140 Die Ehrung war damit gleichsam eine «proleptic honour».141 Durch die vorweggenommene Ehrung versuchte der Demos von Aigele einen öffentlichen Arzt der Polis Kos künftig auch an die eigene Gemeinde zu binden und für ein spezifisches Engagement für den Demos zu gewinnen. Anaxippos scheint zudem nicht dem Demos Aigele angehört zu haben.142 Die Ehrung des öffentlichen Arztes der Polis Kos durch den Demos von Aigele war dementsprechend gleichsam eine Ehrung für eine fremde Person. Möglicherweise bestand zwischen den einzelnen Demen auf der Insel Kos zudem eine Konkurrenz um die Gunst der öffentlichen Ärzte. Durch

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IG XII 4, 1, 101. Zu möglichen Familienverbindungen des Anaxippos s. Benedum 1977, 272. Sherwin-White 1978, 266. Massar 1998b, 96. Samama 2003, 239 Anm. 36. Zur Tätigkeit des Anaxippos s. Benedum 1977, 271 f. Sherwin-White 1978, 265 f. 272 f. Massar 1998b, 96. Die Bestellung des Anaxippos zum öffentlichen Arzt (ἰατρὸς δαμόσιος) erfolgte durch die Volksversammlung von Kos und nicht durch die Demenversammlung in Aigele. S. jedoch die Übersetzung bei Samama 2003, 239. Vgl. Massar 1998b, 96. Carlsson 2010, 225. 233. Sherwin-White 1978, 265 f. mit Anm. 51. Der Motivbericht wusste dementsprechend auch noch nicht von speziellen Leistungen des Anaxippos für den Demos von Aigele zu berichten. Zum Konzept der «proleptic honour» s. o. S. 24 f. Zur Herkunft des Anaxippos s. Sherwin-White 1978, 265 Anm. 51. Samama, 239 Anm. 36.

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die Vergabe von Ehrungen versuchten die Demen in diesem Zusammenhang die Ärzte zu einem besonderen Engagement für die eigenen Bürger zu veranlassen. Die Inschrift aus Aigele war dementsprechend sowohl im Inhalt als auch in der äußeren Form auf die Aufmerksamkeit eines möglichst breiten Publikums ausgerichtet.143 Auch die Aufstellung der Stele im Asklepiosheiligtum der Insel anstatt im Demenzentrum von Aigele mag neben den inhaltlichen Bezügen zur Ehrung eines Arztes dem Streben des Demos nach der größtmöglichen Außenwirkung entsprungen sein. In der Summe blieb die dauerhafte Publikation von Ehrendekreten für eigene Ärzte jedoch selbst auf der Insel Kos trotz der großen Tradition als Zentrum der antiken Medizin ein Ausnahmephänomen. Die Polis verantwortete im Verlauf des Hellenismus lediglich den Beschluss für Xenotimos und ließ sich bei der Publikation, die zugleich auf eine existentielle Bedrohung reagierte, vermutlich nicht zuletzt auch von der eigenen Dankbarkeit gegenüber dem engagierten Arzt leiten. Daneben war das Monument ein allgemeines Beispiel für vorbildliches Verhalten und diente der Stadt zur Selbstvergewisserung sowie zur Propagierung des eigenen Bürgerideals. Auch die Ehrendekrete der Demen erfüllten eine Vorbildfunktion. Zugleich waren die Beschlüsse Ausdruck der Konkurrenz der politischen Untereinheiten um die Gunst der öffentlichen Ärzte und sollten zu einem besonderen Engagement für die eigenen Bürger animieren. Die Verfasser der jeweiligen Ehrendekrete betonten dementsprechend die hortative Funktion der Beschlüsse. Zum Teil verschwammen in diesem Zusammenhang auch die Grenzen zwischen der Auszeichnung von eigenen Bürgern und der Ehrung von fremden Wohltätern. So begegneten die öffentlichen Ärzte der Polis Kos den einzelnen Demen gleichsam als «fremde» Personen, die zumindest nicht der eigenen Demengemeinschaft angehörten. Die Ehrendekrete für Ärzte von der Insel Kos zeichneten darüber hinaus in weiten Teilen ein einheitliches und berufsgruppenspezifisches Idealbild von der medizinischen Tätigkeit und lobten etwa einen vorbildlichen Lebenswandel sowie einen selbstlosen und unentgeltlichen Einsatz für erkrankte Mitbürger. Einzelne Tatenberichte werden dementsprechend – so etwa im Ehrendekret für Onasandros – vermutlich mehr Folien für die Idealvorstellungen der Polis denn reale Lebensbeschreibungen gewesen sein. 4.3.2 Außenpolitische Beziehungen und Bürgerideal Ab dem 3. Jhdt. v. Chr. ließ die Polis Kos in Einzelfällen Beschlüsse zu Ehren von verdienten Politikern und Gesandtschaftsreisenden publizieren. Teilweise umspannten die entsprechenden Erzählungen vermutlich das gesamte Leben der herausragenden Personen und streiften zahlreiche Bereiche des öffentlichen Lebens. Um die Mitte

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Zur Gestaltung der Stele s. Massar 1998b, 96.

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Weitere Fallbeispiele aus dem Frühhellenismus

des 3. Jhdts. v. Chr. veröffentlichte die Polis ein Ehrendekret für den ptolemäischen Hofarzt Kaphisophon.144 Im Motivbericht spielte die ärztliche Tätigkeit vermutlich jedoch keine zentrale Rolle. Stattdessen berichtete der Beschluss vornehmlich von Gesandtschaftsreisen im Dienst eines ptolemäischen Königs – vermutlich Ptolemaios III. Εὐεργέτης.145 Kaphisophon, der ursprünglich wohl von der Insel Kos stammte, hatte wie sein Vater Philippos eine Karriere als Leibarzt am ägyptischen Königshof gemacht und konnte durch seine einflussreiche Position zwischen den Bedürfnissen der Heimat und den Ansprüchen des Ptolemaios vermitteln (1–4).146 So sprach neben der Polis auch der ägyptische König seinem Gesandten ein schriftliches Lob für seine diplomatischen Verdienste aus und ließ den Hofarzt das entsprechende Schreiben an die Stadt sogar persönlich als Mitglied einer königlichen Festgesandtschaft überbringen (4–7).147 Durch den dauerhaften Aufenthalt am ägyptischen Königshof war Kaphisophon den politischen Strukturen der Polis Kos weitgehend entwachsen. Auch der Großteil der Tätigkeiten, für die der Bürgerstatus in der Polis Kos wohl lediglich eine untergeordnete Rolle spielte, konzentrierte sich vornehmlich auf Aufgaben im Umfeld des Herrschers.148 So mag selbst der Einsatz für die Heimatstadt mehr aus Eigennutz denn aus Patriotismus erfolgt sein und vermutlich nicht zuletzt der Verbesserung der eigenen Stellung im Gefolge des Ptolemaios gedient haben.149 In der Summe ehrten Rat und Volk mit Kaphisophon 144

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IG XII, 4, 1, 31. Die Inschrift ist schlecht erhalten und bis auf einen Teil des Motivberichts verloren. Leerstellen in der Inschrift scheinen den späteren Lesern die inhaltliche Gliederung des Beschlusses verdeutlicht zu haben. Zu den literarischen und papyrologischen Quellen über die ärztliche Tätigkeit des Kaphisophon s. Bosnakis/Hallof/Rigsby 2010, 14 f. Vgl. Massar 2005, 55 f. 115. Habicht 2007, 135. Paschidis 2008, 371 Anm. 4. Eine fragmentarische Inschrift aus der zweiten Hälfte des 2. Jhdts. v. Chr. ist auf Grund von inhaltlichen Parallelen möglicherweise ebenfalls als Ehrendekret für Kaphisophon anzusprechen. IG XII 4, 1, 32. Der Motivbericht erwähnte eine frühere Ehrung in Form eines goldenen Kranzes, hob den Einsatz des Bürgers für seine Stadt hervor und zeigte eine Verbindung zu König Ptolemaios. Die umfangreichen Ergänzungen durch Herzog gehen an vielen Stellen jedoch zu weit. Herzog 1983, 63 f. Für deutliche Kritik an den äußerst gewagten («audacissime») Ergänzungen s. zuletzt Bosnakis/Hallof/Rigsby 2010, 16: «Sed de argumento et supplementis dubitandum est.» Vgl. Paschidis 2008, 372. Trotz der Kritik bietet Paschidis jedoch hypothetische Überlegungen über die Auswirkungen einer Identifikation des Wohltäters mit Kaphisophon. Samama (2003, 242) und Habicht (2007, 135) übernehmen noch weitgehend die Ergänzungen von Herzog. Zur chronologischen Einordnung des Beschlusses s. Sherwin-White 1978, 103 Anm. 107. Habicht 2007, 135. Paschidis 2008, 371. Zur Tätigkeit des Kaphisophon s. Sherwin-White 1978, 103. Quaß 1993, 105. Marasco 1996, 450. Samama 2003, 241 Anm. 42. Massar 2005, 55 f. 116. Habicht 2007, 134 f. Paschidis 2008, 371. Zu den Gründen für das Schreiben des Ptolemaios s. auch Quaß 1993, 105. Zur doppelten Rolle des Kaphisophon s. Sherwin-White 1978, 103 f. Massar 2005, 116. Paschidis 2008, 372. Paschidis 2008, 372.

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demnach zunächst einen Gefolgsmann des ägyptischen Königs und erst in zweiter Linie einen eigenen Bürger.150 Den konkreten Anlass für die Verabschiedung des Beschlusses mögen das Schreiben des Ptolemaios und die damit verbundene Festgesandtschaft gegeben haben.151 Interesse an der Veröffentlichung des Ehrendekrets werden jedoch sowohl die Polis als auch der König gehabt haben. Der Polis war nach dem Aufstieg des Kaphisophon am Königshof an einem guten Verhältnis zu dem einflussreichen Leibarzt gelegen. Zugleich diente der Beschluss allgemein zur Dokumentation der guten Beziehungen der Stadt zum ägyptischen Königshof, die sich etwa im Austausch von Gesandtschaften und in den Zuwendungen des Herrschers manifestierten.152 Ebenso bedeutete die einflussreiche Stellung eines eigenen Bürgers im Gefolge des Königs nicht zuletzt eine besondere Auszeichnung für die Polis. Bei der Aufzeichnung des Ehrendekrets wird dementsprechend auch Stolz auf die Karriere und die Leistungen des Kaphisophon mitgeschwungen sein.153 Auf der anderen Seite zeigte auch der König selbst ein Interesse an Ehrungen für seine Gefolgsleute durch die Polis Kos. Zunächst bedeutete der Beschluss eine Anerkennung der eigenen Politik und zeigte eine allgemeine Akzeptanz des Königs in der Polis. Ebenso war das Ehrendekret auch ein positives Beispiel für eine Karriere am Königshof  – wollte Ptolemaios die Insel doch vermutlich auch in Zukunft als Rekrutierungsbasis für Gelehrte und Wissenschaftler nutzen.154 Ein «echtes» Ehrendekret für einen eigenen Bürger beschloss die Polis Kos möglicherweise erstmals zum Ende des 3. Jhdts. v. Chr. Der ausführliche Beschluss für einen Philinos scheint im erzählenden Abschnitt von zahlreichen Leistungen in unterschiedlichen Bereichen des öffentlichen Lebens berichtet zu haben und mag das gesamte «Lebenswerk» des verdienten Politikers in den Blick genommen haben.155 Philinos kümmerte sich durch den Import von Getreide um die Versorgung der Bevölkerung, verhandelte mit Herrschern wie dem ägyptischen König und war im Zusammenhang mit Schiedsgerichten aktiv.156 Ebenso trug der engagierte Bürger 150

Zur doppelten Funktion der Ehrung s. auch Massar 2005, 113. Paschidis 2008, 371 f. 152 Sherwin-White 1978, 104. Massar 2005, 113. 153 Sherwin-White 1978, 104. Marasco 1996, 450. Massar 2005, 113. Paschidis 2008, 372. 154 Paschidis 2008, 372. Zur Rekrutierung von koischen Ärzten durch die Ptolemäer s. auch Massar 2005, 151. 155 IG XII 4, 1, 48. Von dem Beschluss sind nur noch kleine Fragmente, die allein wenig Aussagekraft besitzen, erhalten. In der Zusammenschau erlauben die insgesamt acht Fragmente jedoch Rückschlüsse auf die ursprüngliche Gestalt und den ungefähren Umfang des Beschlusses. Zur schwierigen Rekonstruktion der Inschrift s. Bosnakis/Hallof/Rigsby 2010, 22. 24. Zur Identifikation des Philinos s. Paschidis 2008, 379 f. 156 Zu den Aktivitäten des Philinos s. Paschidis 2008, 377–379. Vgl. Sherwin-White 1978, 99. 122–124. Bringmann/von Steuben 1995, 251. Zur umstrittenen Identifikation des ägyptischen Königs – Ptolemaios IV. Φιλοπάτωρ oder V. Ἐπιφανής – s. Bosnakis/Hallof/Rigsby 2010, 24. 151

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Weitere Fallbeispiele aus dem Frühhellenismus

durch die Pflege von Verteidigungsanlagen zur militärischen Sicherheit der Insel bei, unternahm Gesandtschaftsreisen, vergab Darlehen und schenkte der Stadt eine Sonnenuhr. Durch die zahlreichen Aktivitäten muss Philinos in der Polis Kos eine herausragende Stellung eingenommen haben. Die Publikation des Ehrendekrets, die als seltene Form der Anerkennung sicherlich auch eine besondere Auszeichnung bedeutete, verfolgte vermutlich zugleich ideologische Intentionen und wird demnach in der Summe ein weiteres Mal erst durch besondere Zeitumstände in Verbindung mit herausragenden Leistungen veranlasst worden sein. Konkrete Hintergründe des zum Ende des 3. Jhdts. v. Chr. gefassten Beschlusses mögen die kriegerischen Auseinandersetzungen der Polis Kos mit Kreta und Philipp V. gewesen sein.157 Erst in der zweiten Hälfte des 2. Jhdts. v. Chr. scheint die Polis Kos mit dem Beschluss für einen Anonymus erneut ein ausführliches Ehrendekret für politische Tätigkeiten publiziert zu haben.158 Die umfangreiche Erzählung berichtete von mehreren Aktivitäten aus dem Leben des engagierten Bürgers und mag wie das Ehrendekret für Philinos weite Teile der politischen Karriere umspannt haben (1–34). So erwarb sich der Unbekannte etwa als Gymnasiarch sowie auf Gesandtschaftsreisen zu hellenistischen Königen Verdienste um die Stadt.159 Daneben erwähnte der Beschluss auch ein Engagement für die Befestigungen der Insel und scheint damit in der Summe ebenfalls erst durch herausragende Leistungen um die Polis motiviert gewesen zu sein.160 Eine abschließende Hortativformel betonte zudem vermutlich die Vorbildfunktion des Monuments (35–36). Ehrendekrete mit ausführlichen Lebensbeschreibungen blieben in der Polis Kos insgesamt jedoch eine Ausnahmeerscheinung. Im Allgemeinen scheinen Rat und Volk bei der dauerhaften Publikation von Beschlüssen zu Ehren von eigenen Bürgern große Zurückhaltung gewahrt zu haben. Zum Teil blieb die Errichtung der Stelen – insbesondere bei standardisierten Ehrendekreten – sogar den ausgezeichneten

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Zu möglichen historischen Hintergründen s. Bosnakis/Hallof/Rigsby 2010, 24. Vgl. Sherwin-White 1978, 122–124. Zu den kriegerischen Auseinandersetzungen zum Ende des 3. Jhdts. v. Chr. s. auch u. S. 172. IG XII 4, 1, 64. Der Beschluss ist schlecht erhalten und bis auf zwei Abschnitte vom Beginn sowie vom Ende des Motivberichts verloren. Auf Grund der Lücke zwischen den beiden Fragmenten lässt sich die ursprüngliche Länge der Inschrift nicht mehr bestimmen. Zum Bürgerstatus des unbekannten Wohltäters s. Bosnakis/Hallof/Rigsby 2010, 35. Sherwin-White sieht in dem Beschluss irrtümlich noch eine Ehrung durch eine fremde Stadt. Sherwin-White 1978, 133 Anm. 266. Zu den berichteten Leistungen s. Bosnakis/Hallof/Rigsby 2010, 35. Im Kontext der Leistungen im Gymnasion erwähnt die Erzählung einen Attalos – möglicherweise den pergamenischen König Attalos II. Sherwin-White 1978, 133 Anm. 266. S. auch den Ergänzungsvorschlag von Bosnakis/Hallof/Rigsby 2010, 35. Sichere Aussagen über Inhalt und Intentionen des Beschlusses sind beim schlechten Erhaltungszustand freilich nicht mehr möglich.

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Personen selbst überlassen.161 So weihten etwa mehrere δικασταγωγοί in der Mitte des 2. Jhdts. v. Chr. auf eigene Initiative Stelen mit ihren jeweiligen Ehrendekreten im Heiligtum des Asklepios.162 Die erhaltenen Beschlüsse waren bis auf wenige Details in allen Formulierungen identisch und unterschieden sich vornehmlich in den Namen der Personen und der Städte sowie in Datierung und Abstimmungsergebnis.163 Die Polis Kos verwendete demnach offensichtlich ein Standardformular für die Ehrung der δικασταγωγοί und musste bei der Verabschiedung eines entsprechenden Beschlusses nur noch die Elemente, die auf das jeweilige Ereignis Bezug nahmen, eintragen lassen. Eine mögliche Individualität ging den Beschlüssen unter diesen Umständen zu großen Teilen verloren. Die standardisierten Vorlagen, die ursprünglich vermutlich sogar nur für einen Vortrag in der Volksversammlung konzipiert gewesen waren, orientierten sich stattdessen an den Idealvorstellungen der Polis Kos von einem guten und vorbildlichen δικασταγωγός.164 Die Ehrung der eigenen Bürger bildete für Rat und Volk in diesem Zusammenhang vermutlich nicht zuletzt auch einen willkommenen Anlass zur öffentlichen Verbreitung der eigenen Vorstellungen von einem idealen Verlauf bei der Anwerbung von fremden Richtern.165 Die Polis begnügte sich jedoch mit der öffentlichen Verlesung der Beschlussvorlagen in der Volksversammlung und überließ die dauerhafte Publikation dem Willen der ausgezeichneten Personen. Einzelne Richterwerber nutzten die Chance auf ein repräsentatives Monument in der Öffentlichkeit. Andere Personen werden auf die Errichtung der eigenen Stele verzichtet haben. Für das temporäre Auftreten solcher Monumente mögen dementsprechend auch individuelle Vorlieben oder ein Konkurrenzkampf zwischen mehreren Bürgern eine wichtige Rolle gespielt haben. Grundsätzlich traf eine Polis die Entscheidung zur Entsendung von δικασταγωγοί meist bei innenpolitischen Problemen sowie bei Konflikten innerhalb der Bürgerschaft. So mag das punktuelle Auftreten der Ehrendekrete für Richterwerber auf der Insel Kos auch mit internen Auseinandersetzungen in der Polis in Verbindung zu bringen sein.166 161

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Dieselben Phänomene begegnen auch in Ehrendekreten der Demen. Standardisierte Ehrendekrete scheinen in der Regel nicht für eine dauerhafte Publikation bestimmt gewesen zu sein und dienten etwa der Ehrung von scheidenden Polisfunktionären. IG XII 4, 1, 57–59. Zu den Abstimmungsergebnissen s. auch Gauthier, BE 1999, 654. Vgl. Flaig 2013, 309. Gauthier, BE 1999, 654. Zum Idealverlauf der Richteranwerbung nach Darstellung der Beschlüsse s. Crowther/ Habicht/Hallof 1998, 92–94. Gauthier, BE 1999, 652–654. Vgl. Grieb 2008, 142. Die Konzentration der Analyse auf die Bedeutung der Begriffe δᾶμος und πλῆθος führt im Detail jedoch zu problematischen Schlussfolgerungen. Die genauen Hintergründe für das punktuelle Auftreten der Ehrendekrete für δικασταγωγοί in der Mitte des 2. Jhdts. v. Chr. sind nicht bekannt. Zu möglichen Hintergründen für die Entsendung der Richterwerber s. Gauthier, BE 1999, 654. Wiemer 2003, 307. Grieb 2008, 197. Zum Phänomen der fremden Richter s. allgemein Walser 2012, 96–104.

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4.3.3 Außenpolitische Konflikte in den Jahren um 200 v. Chr. Zum Ende des 3. Jhdts. v. Chr. wurde die Polis Kos zur gleichen Zeit vor mehrere Probleme gestellt. Neben außenpolitischen Konflikten mit Kreta und Philipp V. von Makedonien hatte die Stadt die Eingliederung der Nachbarinsel Kalymna in den Bürgerverband zu bewältigen.167 Der Demos von Halasarna ließ im Zusammenhang mit den militärischen Konflikten in der Zeit kurz nach 200 v. Chr. zwei Ehrendekrete für Diokles und Theukles – beide vielleicht gewählte στρατηγοί der Polis Kos – publizieren.168 Etwa zur gleichen Zeit veröffentlichte der Demos von Kalymna ebenfalls vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen mit Kreta ein Ehrendekret für den Bürger Lysandros.169 Die Beschlüsse aus Halasarna zeigen in den formalen Bestandteilen bis hin zu den Ehrungen in Form von Belobigung, goldenem Kranz im Wert von 50 Alexandergoldstücken und der Aufstellung der jeweiligen Stele im Apollonheiligtum von Halasarna große Übereinstimmungen. Daneben boten die beiden Ehrendekrete ausführlichen Berichte über die politischen Maßnahmen der ausgezeichneten Bürger. Diokles hatte sich im sogenannten Kretischen Krieg sowie in den darauffolgenden Auseinandersetzungen aktiv an den Kampfhandlungen beteiligt und damit zum Schutz der Heimat beigetragen.170 Eine allgemeine Einleitung erwähnte neben dem hervorragenden Charakter des außergewöhnlichen Bürgers auch die Verdienste von dessen Vorfahren (4–6).171 Die anschließende Erzählung widmete sich detailliert den Ereignissen während der Kämpfe, insbesondere der mehrfachen Verteidigung des

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Zum Krieg gegen Kreta s. Brulé 1978, 29–56. Baker 1991, 13–16. Wiemer 2002, 143–176. Habicht 2007, 141–143. Carlsson 2010, 121–123. IG XII 4, 1, 98. IG XII 4, 1, 99. Zu den historischen Hintergründen der Beschlüsse s. Maier 1959, 176 f. Sherwin-White 1978, 119 f. Baker 1991, 33. 38. Quaß 1993, 88. 114. Wiemer 2002, 151. Κοκκοροῦ-Ἀλευρᾶ 2004, 148. Meier 2012, 229. Vgl. Grieb 2008, 189. Carlsson 2010, 229. Zur möglichen στρατηγία der beiden Personen s. Maier 1959, 177. Sherwin-White 1978, 120 Anm. 196. Meier 2012, 303 mit Anm. 506. Gegen eine offizielle Stellung der beiden Bürger argumentiert Baker 2001, 189–191. Segre 1944/1945 Nr. 64. Zu möglichen Deutungen des Ausdrucks ὁ δᾶ|[μος] ὁ Καλυμνίων (B 10–11) s. auch u. S. 178 Anm. 195. IG XII 4, 1, 98. Zur Unterscheidung der Auseinandersetzungen s. Brulé 1978, 50. Wiemer 2002, 151. Zur Person des Diokles s. Baker 1991, 32 Anm. 27. Hallof/Habicht 1998, 119. Κοκκοροῦ-Ἀλευρᾶ 2004, 148. Bosnakis/Hallof/Rigsby 2010, 80. Für Diokles ist durch eine andere Inschrift auch eine großzügige Spende belegt. IG XII 4, 1, 75, 37–38. Die gesamte Spendensammlung ging auf eine Initiative des engagierten Bürgers zurück. Zur Spendenliste s. auch Wiemer 2002, 152 f. Grieb 2008, 172–174. Carlsson 2010, 232. Meier 2012, 300. 4–6: ἀκόλουθα πράσσων τᾶι παραδεδομέναι διὰ προγόνων κα[λο]|κἀγαθίαι διατετέλεκε τὰν πᾶσαν σπουδὰν καὶ πρόνοιαν ποιεύμενος. | ὑπὲρ [το]ῦ δάμου τοῦ Ἁλασαρνιτᾶν.

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περιπόλιον (6–30).172 Hatte Diokles den befestigten Platz bereits bei einem früheren Angriff zu halten gewusst, organisierte er auch während der aktuellen Bedrohung den Widerstand und die letztlich erfolgreiche Abwehr der Feinde. Der letzte Konflikt scheint zugleich den aktuellen Ereignishintergrund des Beschlusses gebildet zu haben und gab vielleicht den eigentlichen Anlass für die Verabschiedung des Ehrendekrets. Die Unternehmungen des Diokles erfolgten nach der offiziellen Darstellung der Erzählung stets auf Volksbeschluss sowie in Kooperation mit anderen Kommandanten wie einem gewissen Nikostratos.173 Im Anschluss an die militärischen Aktionen berichtete der Beschluss vom Engagement des Diokles für den Kult der Götter (30–32).174 Das Ende der Erzählung bildete der Einsatz für Demengenossen auf Ebene der Polis Kos. So bot Diokles etwa Unterstützung im Umgang mit staatlichen Funktionsträgern (32–35). Die ναποῖαι, auf deren Initiative der Antrag zurückging, hatten sich auch auf den Ebenen von Sprache und Stil um eine ansprechende Gestaltung der Beschlussvorlage bemüht und durch den zusätzlichen Einsatz von literarischen Mitteln über die einzelnen Tatenberichte das Idealbild eines herausragenden Bürgers entworfen.175 Großen Wert legte die Erzählung dabei insbesondere auf demokratische Verhaltensweisen: Diokles gab selbst die besten Ratschläge und nahm alle Gefahren für den Demos auf sich.176 Er zeigte Voraussicht (21: προαισθόμεν[ος]/28: κατὰ τὰν πρόνοιαν) und war mehrfach im rechten Augenblick (9/15: καιρός) zur Stelle. Zudem kooperierte er mit anderen Befehlshabern wie Nikostratos (26) und sorgte sich um die Auswahl der Besten für die anstehenden Verteidigungsmaßnahmen (17–19). Eine ausführliche Hortativformel bildete die Überleitung zur Resolution (35–38).177 Der Beschluss sollte nicht allein allen Leuten zeigen, dass der Demos von Halasarna zu ehren verstand, sondern auch Diokles selbst zu weiteren Wohltaten anspornen. Mit der Verabschiedung des Ehrendekrets war demnach eine Verpflichtung für die Zukunft verbunden. Die anschließende Resolution betonte ein weiteres Mal das Wohlwollen des Diokles sowohl gegenüber dem Demos als auch gegenüber der gesamten Polis (39–40). Zum Ende der Erzählung

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Zu den Leistungen des Diokles s. Sherwin-White 1978, 121 f. Baker 1991, 33–35. Quaß 1993, 88 f. 115. Hallof/Habicht 1998, 119 f. Wiemer 2002, 151. Κοκκοροῦ-Ἀλευρᾶ 2004, 147. Habicht 2007, 142. Zum Begriff περιπόλιον – vermutlich die Bezeichnung für einen befestigten Ort und nicht für eine reine Festung – s. Schuler 1998, 45–49. Zur Person des Nikostratos s. Hallof/Habicht 1998, 120 f. Zum außermilitärischen Engagement des Diokles s. Baker 1991, 35. Κοκκοροῦ-Ἀλευρᾶ 2004, 147. Der Strukturierung auf der sprachlichen Ebene diente etwa die Partikel τε (6/11/14/16/ 25/31/33). 7–8: τὰ ἄρισ[τα] | βουλευόμενος καὶ ἑαυτὸν ἐπιδιδοὺς ἐς πάντα ίνδυνον ὑπὲρ τούτ[ου]. 35–38: ὅ|[πως οὖν ὁ δᾶμος] ὁ. Ἁλασαρνιτᾶν φαίνηται τὰ δίκαια ποιῶν τος α.ὑτὸ[ν] | [εὐεργετεῖν προαιρο]υμένοις, Διοκλῆς τε τιμαθεὶς πολὺ προθυμότερο[ν] | [αὑτὸν παρέχηται ἐ]ς τὰ τοῦ δάμου συνφέροντα.

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Weitere Fallbeispiele aus dem Frühhellenismus

griff der Beschluss damit mehrfach in Ringkomposition die Leitmotive des einleitenden Abschnitts auf. Die Begründung der Ehrung erweiterte die Kernaussagen sogar noch um einen entscheidenden Aspekt: Von den Leistungen des ­Diokles profitierten letztlich alle Bürger von Kos und nicht nur der Demos Halasarna. Das zeitgleiche Ehrendekret für Theukles konzentrierte den Tatenbericht ebenfalls vornehmlich auf Leistungen während der kriegerischen Auseinandersetzungen in den letzten Jahren des 3. Jhdts. v. Chr.178 Der engagierte Bürger scheint sich jedoch kaum am aktiven Kampfgeschehen beteiligt zu haben. Stattdessen leistete Theukles durch die Organisation der Verteidigungsmaßnahmen sowie die Bereitstellung der nötigen Finanzmittel seinen Beitrag zur Abwehr der Feinde.179 Allgemeine Passagen über Tugend und Charaktereigenschaften am Beginn und am Ende des Motivberichts rahmten die Erzählung wiederum in Ringkomposition (3–6/37–39). Während der Kämpfe initiierte Theukles einen Volksbeschluss zur Befestigung des περιπόλιον, beschaffte Geld zur Wiederherstellung der Mauern, organisierte die Wachdienste und engagierte sich in Form eines zinslosen Darlehens sogar mit seinem eigenen Vermögen für die Beschaffung von Kriegsmaterial (6–37).180 Beschränkte sich das Handeln im Krieg gegen Kreta noch auf die Verteidigung von Halasarna, organisierte der engagierte Bürger während der Angriffe Philipps V. von Makedonien, die zum Zeitpunkt der Beschlussfassung möglicherweise noch nicht abgeschlossen waren, die Verteidigung der gesamten Insel Kos.181 Die gemeinsame Beschlussvorlage der ναποῖαι Nikarchos, Timasikles und Nossylos war in Abschnitte zu den einzelnen Leistungen des Theukles unterteilt – vermutlich nicht zuletzt auch eine Erleichterung für die Zuhörer in der Demenversammlung während der mündlichen Verlesung des Antrags.182 Eine Gewichtung der einzelnen Erfolge unternahm der Motivbericht nicht. Die ναποῖαι orientierten sich stattdessen an der zeitlichen Abfolge der Ereignisse und präsentierten die Leistungen des Theukles während der beiden Kriege somit weitgehend als gleichberechtigte Episoden. Daneben arbeitete der Motivbericht mit stilistischen Mittel wie Alliterationen (25–26: τοῦ περιπολίου, ποτίθεσιν ποιησάμενος | τοῦ

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IG XII 4, 1, 99. Auch Theukles ist in der erwähnten Spendenliste durch eine großzügige Spende präsent. IG XII, 4, 1, 75, 203. Zur Spendenliste s. bereits o. S. 172 Anm. 170. Zu den Fähigkeiten des Theukles als «Finanzmanager» s. Meier 2012, 303. Vgl. Quaß 1993, 115. Zu den Leistungen des Theukles s. Maier 1959, 177. Sherwin-White 1978, 121 f. Brulé 1978, 39. Quaß 1993, 88. 115. Wiemer 2002, 151. Κοκκοροῦ-Ἀλευρᾶ 2004, 148. Meier 2012, 300–303. Mit Schwerpunkt auf die Verteidigungsanlagen der Insel s. auch Maier 1959, 177 f. Ausführlich Baker 1991, 38–46. Zum περιπόλιον s. auch o. S. 173 Anm. 172. Baker 1991, 44–47. Zur Unterscheidung der Auseinandersetzungen s. Brulé 1978, 39. 50. Wiemer 2002, 151. Meier 2012, 300. Die Unterteilung wurde auf der grammatikalischen Ebene erneut durch den Einsatz der aufzählenden Partikeln τε (6/12/15/18/20/26/35/37/41) und δέ (10/24/29/44/45) verdeutlicht.

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τε πλήθους τῶν φυλάκων) oder Gegensatzpaaren (31–32: ἃ μὲν ἀχρεῶσθαι τῶν ὅπλων, ἃ δὲ καὶ ποτιδεῖσθαι τὸ παράπαν κα|τασκευᾶς). Die Häufung von Präpositionen bei verba composita wie προεισευπορήσας (37) bekräftigte die Kernaussage der jeweiligen Sätze und bereicherte die Grundbedeutung der Verben um eine neue Tendenz. Die Erzählung war zudem durch Prosaklauseln rhythmisch gestaltet.183 Zusätzlich versuchten die Tempelpfleger die beabsichtigten Aussageintentionen auch auf der sprachlichen Ebene umzusetzen und Theukles als vorbildlichen Bürger zu präsentieren. Als Grundlage der Handlungen nannte der Motivbericht mehrfach die Herbeiführung von Beschlüssen in der Volksversammlung (8/20: ψαφιζόμενος), deren Einhaltung der herausragende Bürger sogar gegenüber ungehorsamen Mitbürgern durchzusetzen vermochte (16–18). Auch die zum Ende der Erzählung getroffene Feststellung, Theukles habe sich πράσ(σ)ων καὶ γράφων (39) für Bewachung und Sicherheit eingesetzt, war sicherlich konkret auf die Aktivität in der Volksversammlung zu beziehen. In Abwandlung des üblicheren Ausdrucks λέγων καὶ πράττων verwies die Wendung mit dem Partizip γράφων als terminus technicus direkt auf das Engagement des Theukles als Antragsteller in der Volksversammlung.184 Auch die Verwendung des Verbs πολιτεύω (16) war vermutlich als Hinweis auf ein politisches Engagement in der Volksversammlung zu verstehen.185 Hinter den allgemein anmutenden Formulierungen standen demnach konkrete und individuelle Bezüge zur Tätigkeit des herausragenden Bürgers. Der häufige Gebrauch von Ausdrücken aus dem Wortfeld sehen/vorhersehen/vorsorgen sollte Theukles zudem als vorausschauenden Politiker charakterisieren.186 Durch seine Umsicht war der Ausnahmebürger in Gedanken immer einen Schritt voraus und damit bestens für seine Führungsrolle geeignet. Insgesamt zeichneten die Voraussicht und die bürgerlichen Tugenden Theukles vor den Demengenossen aus und machten den engagierten Bürger zum Retter des Demos von Halasarna sowie letztlich der ganzen Insel Kos. Zu einem Teil diente die Darstellungsweise damit sicherlich auch der persönlichen Überhöhung des Theukles. Vornehmlich propagierte der Demos von Halasarna über die literarisch eindrückliche Gestaltung des Tatenberichts am Beispiel von Einzelepisoden aus der individuellen Laufbahn jedoch das eigene Idealbild von einem vorausschauenden und engagierten Bürger. Insbesondere die Orientierung des Handelns an demokratischen Werten besaß für die Beurteilung des Theukles große Bedeutung. In Thematik und zeitlichem Rahmen beschränkte sich die Auswahl der berichteten Leistungen auf einen

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Im Motivbericht finden sich neben beliebten Klauseln wie dem Doppelkretikus (39: καὶ πράσων καὶ γράφων) und dem katalektische Doppelkretikus (10: τέκνων καὶ γυναικῶν) auch Rhythmen wie der Ditrochäus (28: ἀσφαλείας). Dieselbe Formulierung findet sich auch in anderen Ehrendekreten wie dem Beschluss für Damon aus der Polis Eresos. IG XII 2, 527, 15–16. 22–23. S. auch u. S. 495 Anm. 26. Meier 2012, 302. 7: [ἰδ]ών. 8/10/27–28: προενοιήθη. 13: προορώμενος. 24/36: ἐφρόντιξεν.

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Themenkomplex. Vielleicht ließen in der Vorstellung der Bürger von Halasarna erst Bedrohungen wie die Kriege der Jahre um 200 v. Chr. die wahren Charaktereigenschaften eines Bürgers hervortreten.187 Die Hortativformel zum Ende des Motivberichts enthielt mit der öffentlichen Anerkennung von Engagement und dem gleichzeitigen Ansporn zu neuen Leistungen die gleichen Grundgedanken wie der entsprechende Abschnitt im Ehrendekret für Diokles und sprach damit erneut wichtige Gründe für die dauerhafte Publikation der Ehrendekrete an (40–43).188 Die Ehrungen, die zunächst sicherlich auch eine große Auszeichnung bedeuteten, implizierten zugleich eine besondere Verantwortung gegenüber dem Demos. Nicht zuletzt durch die Erinnerung an die eigenen Verdienste sollten sich Diokles und Theukles auch in der Zukunft zu Leistungen verpflichtet fühlen.189 Daneben wird erneut auch das Gefühl der Befreiung von existenziellen Gefährdungen, die eine Bedrohung für die gesamte Polis darstellten, bei der Entscheidung zur Publikation der Ehrendekrete eine wichtige Rolle gespielt haben.190 Auch im Gesamtkontext der Polis Kos war die öffentliche Darstellung der hervorragenden Leistungen von Bürgern aus Halasarna von großer Bedeutung. Von den Leistungen des Diokles und des Theukles profitierten alle Bewohner der Insel. Die dauerhafte Publikation der Ehrendekrete sollte demnach allen Einwohnern von Kos die Bedeutung von Bürgern aus Halasarna und damit zugleich des ganzen Demos für die gesamte Insel verdeutlichen und diente damit nicht zuletzt auch der Selbstdarstellung des Demos auf Polisebene. Gerade vor dem Hintergrund des Zusammenschlusses mit der Insel Kalymna in den Jahren um 200 v. Chr. mögen die einzelnen Demen vielleicht auch um die lokale Identität gefürchtet haben.191 Die Erinnerung an die Leistungen der herausragenden Bürger während der kriegerischen 187

Bereits für Thukydides zeigten sich erst in Krisensituationen wie Kriegen die Grundkonstituenten menschlichen Handelns. S. etwa die sogenannte Pathologie des Krieges. Th. 3, 82, 2. Entsprechende Vorstellungen hatten in der griechischen Geisteswelt vermutlich weite Verbreitung gefunden und mögen auch den Bürgern von Halasarna bekannt gewesen sein. Zur Pathologie des Krieges vgl. allgemein Zimmermann 2005. 188 40–43: ὅπως οὖν καὶ ὁ. δᾶμος ὁ Ἁλασαρνιτᾶν, καθότι πάτρι|όν ἐστιν αὐτῶι, φαίνηται τοὺς ἀγαθοὺς τῶν ἀνδρῶν τιμῶν καταξίως τῶν | γινομένων εἰς αὑτὸν εὐεργετημάτων, Θευκλῆς τε τυχὼν τῶν τιμ[ί]|ων πολὺ προθυμότερον αὑτὸν παρέχηται εἰς τὰ τοῦ δάμου χρήσιμα. Zur Übereinstimmung der Hortativformeln s. Hallof/Habicht 1998, 121. 189 Das in der Formulierung beinhaltete Konzept des reziproken Austausches von Wohltat und Ehrung ist eine in Ehrendekreten für Bürger – im Gegensatz zu Beschlüssen für fremde Personen – selten zum Ausdruck gebrachte Vorstellung. Gerade auf der Insel Kos scheinen entsprechende Formulierungen in den Ehrendekreten der Demen jedoch vermehrte Verwendung gefunden zu haben. S. etwa auch das Ehrendekret für den Arzt Anaxippos aus dem Demos Aigele. IG XII 4, 1, 101. Im Demos Halasarna findet sich ein ähnliches Konzept auch im Ehrendekret für den fremden Arzt Onasandros. IG XII 4, 1, 109. S. o. S. 162 f. 190 Quaß 1993, 89. 191 Zur möglichen Identitätskrise der Demen s. auch o. S. 159.

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Auseinandersetzungen bot vor diesem Hintergrund möglicherweise eine willkommene Gelegenheit, die eigene Bedeutung zu betonen und den Status innerhalb der Gesamtpolis zu verhandeln. Den Kern der Erzählungen bildeten in beiden Beschlüssen jedoch individuelle Tatenberichte. Ermöglicht wurde die Überwindung der Krise in dieser Perspektive demnach erst durch die besonderen Fähigkeiten von Einzelpersonen, denen innerhalb der Demengemeinschaft dementsprechend eine herausragende Stellung zukam. In der Praxis scheinen politische Entscheidungen in der Folge gerade in taktischen und militärischen Fragen vornehmlich von der Initiative von führenden Persönlichkeiten wie Diokles und Theukles bestimmt gewesen zu sein. Nichtsdestotrotz propagierten beide Beschlüsse als offizielle Darstellungen gemäß dem Selbstverständnis der Bürgerschaft das demokratische Ideal der Unterwerfung des Einzelnen unter die Gemeinschaft und versuchten die herausragenden Persönlichkeiten damit in Reaktion auf deren zunehmende Einflussnahme gleichsam in die politischen Strukturen einzubinden. Diokles und Theukles handelten nicht nach eigenem Gutdünken und hatten sich stets den Entscheidungen der Mehrheit zu beugen. Bei den Unternehmungen waren die beiden Bürger – wie die Ehrendekrete mehrmals ausdrücklich betonten – stets an die Entscheidungen der Demenversammlung gebunden.192 Die Leistungsberichte in den Ehrendekreten beschränkten sich – auch wenn die persönlichen Erfolge stets eine große Rolle spielten – dementsprechend nicht auf die Überhöhung der beiden Ausnahmepersönlichkeiten, sondern dienten ebenso als Folie zur Propagierung allgemeiner Idealvorstellungen von vorbildlichen Bürgern sowie vom Funktionieren der Gemeinschaft.193 Obwohl eine Behauptung in Krisenzeiten vermutlich in hohem Maß auf der Voraussicht und dem Engagement von Einzelpersönlichkeiten beruhte, präsentierte sich der Demos weiterhin als starke und selbstbewusste Gemeinschaft und wollte eine möglich Abhängigkeit von einzelnen Bürgern insbesondere in den Ehrendekreten nicht erkennen lassen. Die Demenversammlung verstand das nötige Engagement stattdessen von den eigenen Bürgern einzufordern und konnte die Suprematie der Gemeinschaft gegenüber den führenden Männern nach eigenem Verständnis zumindest in einzelnen Bereichen bewahren. Wie die Beschlüsse aus Halasarna stand auch das Ehrendekret für den ἄρχων ὑπηρετικοῦ Lysandros von der Insel Kalymna im Zusammenhang mit den kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Kos und Kreta.194 Die publizierte Version des Beschlusses, dessen Verabschiedung vermutlich in den Jahren zwischen 205–

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Mit Beschränkung auf das Ehrendekret für Theukles vgl. auch Meier 2012, 302. Zur Ehrung eines «citoyen exemplaire» s. auch Baker 2001, 190. Segre 1944/1945 Nr. 64. Die auf der Vorderseite (A) sowie der rechten Seitenfläche (B) beschriebene Stele ist im unteren Bereich gebrochen. Von der ursprünglichen Inschrift sind nur noch der Beginn des Motivberichts sowie ein Ausschnitt der Resolution erhalten. Zu den Hintergründen des Beschlusses s. Sherwin-White 1978, 119. Wiemer 2002, 150.

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202 v. Chr. und somit erst nach dem Zusammenschluss von Kalymna und Kos erfolgt war, begann ohne Präskript mit dem Antrag des Kollegiums der sechs προστάται (A 1–3).195 Der folgende Motivbericht umriss in einem allgemeinen Abschnitt zunächst die historische Situation und beschrieb den ungerechtfertigten Angriff der Ἱεραπυτνίοι auf den gesamten Demos (A 4–6).196 Erst im Anschluss ließ die Erzählung Lysandros zum ersten Mal als handelnde Person in Erscheinung treten.197 Der gewählte Schiffskommandant zog auf die Meldung vom Angriff der Feinde in den Kampf und konnte die eigene Tapferkeit im Gefecht unter anderem durch die Gefangennahme von mehreren Angreifern unter Beweis stellen (A 6–14).198 Für seinen Einsatz erhielt Lysandros einen Kranz, dessen Ausrufung bei den Dionysien beim ersten Wettkampf nach den Trankopfern zu erfolgen hatte (B).199 Die dauerhafte Publikation des Ehrendekrets scheint eine seltene Auszeichnung geblieben zu sein.200 Vermutlich veranlasste demnach auch auf der Insel Kalymna erst die außergewöhnliche Situation in den letzten Jahren des 3. Jhdts. v. Chr. den Demos, der in besonderem Maß unter der permanenten Belastung durch die kriegerischen Auseinandersetzungen zu leiden hatte, zur Aufzeichnung des Beschlusses. Mit dem Ehrendekret sollte Lysandros dementsprechend zunächst eine angemessene Anerkennung für seine außergewöhnlichen militärischen Erfolge erhalten. Ebenso versuchte sich der Demos von Kalymna durch die Aufstellung des Beschlusses  – vielleicht als bewusste Abgrenzung zur benachbarten und über-

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Zu den Antragstellern s. Segre 1944/1945, 85. Sherwin-White 1978, 177 Anm. 13. Carlsson 2010, 196. Zur Entstehung der Homopolitie s. Sherwin-White 1978, 124–129. Carlsson 2010, 188–191. S. auch o. S. 158 Anm. 104. Der Beschluss bezeichnete die ehrende Instanz mit ὁ δᾶ|[μος] ὁ Καλυμνίων (B 10–11). Der Begriff δᾶμος kann grundsätzlich auch das Volk oder die Volksversammlung der freien Polis Kalymna bezeichnen. Die Verabschiedung des Ehrendekrets mag demnach in der Phase der kurzzeitigen Auflösung der Homopolitie in den letzten Jahren des 3. Jhdts. v. Chr. erfolgt sein. Vermutlich wird der δᾶμος von Kalymna das Ehrendekret jedoch als Teilgemeinde der Polis Kos verabschiedet haben. S. auch u. S. 178 Anm. 196. 179 Anm. 201. 196 Die Verwendung des Ausdrucks ὁ σύμπας δᾶμος (4) gehört zu den frühesten Belegen für die Homopolitie zwischen Kos und Kalymna. Klaffenbach 1953, 457. Sherwin-White 1978, 125. Baker 1991, 26. Wiemer 2002, 150. Reger 2004, 172 f. Habicht 2007, 141. Bencivenni 2008, 203 Anm. 46. Carlsson 2010, 193. Vgl. allgemein Sherwin-White 1978, 181 f. Bencivenni 2008, 206 f. Zur Identifikation der Ἱεραπυτνίοι s. ausführlich Baker 1991, 26–28. 197 Zur Struktur der Erzählung s. auch Brulé 1978, 37 f. Wiemer 2002, 150 f. Zu Motivberichten mit ähnlichen Strukturen s. allgemein u. S. 428. 198 Zu den Leistungen des Lysandros s. Sherwin-White 1978, 125. Baker 1991, 27–29. Quaß 1993, 114 Anm. 171. Wiemer 2002, 151. 199 Zu den beschlossenen Ehrungen s. Baker 1991, 30. 200 Neben dem Beschluss für Lysandros ist auf der Insel nur noch ein Ehrendekret für einen eigenen Bürger bezeugt. Segre 1944/1945 Nr. 52. Die Ehrung des Aratokritos für die Baumaßnahmen am Theater der Insel erfolgte jedoch lediglich als Reaktion auf einen eigenen Antrag des verdienten Bürgers.

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geordneten Polis Kos – vermutlich auch selbst in Szene zu setzen und die eigene Bedeutung im politischen Machtgefüge der beiden Inseln zu akzentuieren. Die Verdienste im Krieg gegen Kreta zeigten demnach nicht nur die persönlichen Fähigkeiten des herausragenden Bürgers. So blieb Lysandros stets auch Exponent der Heimatgemeinde und stand stellvertretend für die Leistungsfähigkeit des gesamten Demos. Die Stele mit dem Ehrendekret war damit gleichsam auch ein Monument für die Stärke der Insel Kalymna. Die sprachliche Gestaltung des Beschlusses unterstützte die programmatischen Aussageintentionen. Person und Leistungen des Lysandros, dessen heldenhafter Kampf gegen die angreifenden Feinde den Höhepunkt der Erzählung bildete, standen stets im Zentrum des Berichts. Daneben präsentierte die Inselbevölkerung mit dem Ehrendekret auch ein wichtiges Kapitel der lokalen Geschichte und akzentuierte – wie der Demos von Halasarna in den Beschlüssen für Diokles und Theukles – die eigene Bedeutung im Rahmen der Polis Kos. Die Erzählung betonte dementsprechend an mehreren Stellen die positiven Auswirkungen der Leistungen für die Gesamtbevölkerung der beiden Inseln.201 Beitragen sollte das Ehrendekret in diesem Zusammenhang vermutlich nicht zuletzt auch zur Selbstvergewisserung der Demengemeinschaft, die gerade vor dem Hintergrund des Zusammenschlusses mit der bedeutenden Polis Kos eine Bedrohung der eigenen Identität empfunden haben mag.202 In der Summe scheint auch bei den Ehrendekreten aus Halasarna und Kalymna, die im Kontext der existentiellen Bedrohung durch die Kriege in den Jahren um 200 v. Chr. entstanden waren, erst eine Krisensituation in Verbindung mit der direkten Gefährdung der Gemeinwesen die dauerhafte Publikation der Beschlüsse veranlasst zu haben.203 Die entsprechenden Monumente bedeuteten zunächst eine besondere Ehre für die jeweiligen Personen und konnten vermutlich erst durch herausragende Leistungen wie die erfolgreiche Verteidigung des Demos erreicht werden. Zugleich weckten die außenpolitischen Bedrohungen in den Demen jedoch auch ein verstärktes Bedürfnis nach Selbstvergewisserung und der Beschwörung der eigenen Ideale. Zum Ausdruck brachten die Demen die ideologischen Konzepte über die Beschlüsse zu Ehren von eigenen Bürgern. Daneben nahmen vermutlich auch die politische Unterordnung der Demen unter die Polis Kos sowie die Furcht vor einem möglichen Identitätsverlust Einfluss auf die Entscheidung zur dauerhaften Publikation der Ehrendekrete. Durch die Darstellung der herausragenden Leistungen von einzelnen Demenangehörigen versuchten die politischen Untereinheiten die

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4: τῶι σύμπαντι δάμωι. 9–10: τὰν πόλιν καὶ τὰν χώραν καὶ τὰς νάσος τὰς Κα|[λυμνίων]. Zur sprachlichen Unterscheidung zwischen der Polis Kos, dem Umland und der Insel Kalymna s. Reger 2004, 172 f. Bencivenni 2008, 203 Anm. 46. Zur möglichen Identitätskrise der Demen durch die Homopolitie s. auch o. S. 159. Zur Publikation von Ehrendekreten in Krisenzeiten s. mit Vergleichsbeispielen auch Baker 2001, 190.

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Weitere Fallbeispiele aus dem Frühhellenismus

eigene Bedeutung für die gesamte Bürgerschaft zu betonen und den eigenen Status innerhalb der Polis Kos zu verhandeln. Gerade der Zusammenschluss von Kos und Kalymna scheint in den Jahren um 200 v. Chr. auch in den alten Demen der Polis ein verstärktes Bedürfnis nach der Wahrung der eigenen Identität bewirkt zu haben.204 4.3.4 Polis und Demen – Die Ehrendekrete der Insel Kos Polis und Demen auf der Insel Kos publizierten während des gesamten Hellenismus im Vergleich mit anderen Städten eine relativ große Zahl an Volksbeschlüssen.205 Zum Teil mag der umfangreiche epigraphische Befund auch der guten Forschungslage geschuldet sein. Die Aufstellung von Ehrendekreten für eigene Bürger blieb insgesamt dennoch eine seltene Praxis – bei der umfangreichen Gesamtdokumentation eine umso signifikanteres Ergebnis.206 Die entsprechenden Monumente blieben in den meisten Fällen punktuelle Phänomene und wurden nur bei besonderen Leistungen errichtet. Bei einzelnen Beschlüssen scheinen Polis wie Demen lediglich ein geringes Interesse an der Publikation gehabt zu haben und überließen die Aufstellung der Stelen in der Folge der Entscheidung der ausgezeichneten Personen.207 Als Ausnahmephänomene standen die publizierten Ehrendekrete auch auf der Insel Kos in deutlichem Zusammenhang mit außergewöhnlichen Ereignissen wie Kriegen oder Naturkatastrophen. Einen Anlass für die Errichtung von entsprechenden Monumenten boten etwa die politischen Umwälzungen und Konflikte in den Jahren um 200 v. Chr. Auch die Aufstellung von Ehrendekreten für Ärzte erfolgte zumindest zum Teil im Zusammenhang mit akuten Bedrohungen und Seuchen. Die Polis Kos 204

205 206

207

Eine Reaktion auf eine Bedrohung der eigenen Identität scheint auch die monumentale Publikation von Bürgerlisten durch die Demen in den Jahren um 180 v. Chr. gewesen zu sein. So veröffentlichte der Demos Halasarna eine Liste mit den Teilnahmeberechtigten am Kult für Apollon. IG XII 4, 1, 103–104. Der Demos Isthmos ließ vermutlich in allen Phylen Listen mit den potentiellen Kandidaten für die Wahl zum lokalen Monarchos anfertigen. IG XII 4, 2, 461–462. Wohl noch vor dem Hintergrund der Homopolitie mit Kalymna dienten die monumentalen Inschriften der bewussten Abgrenzung von anderen Bürgern der Polis und sollten die lokale Identität stärken. S. auch o. S. 159. Auch Carlsson (2010, 241) bemerkt im Vergleich zu anderen Städten eine hohe Zahl an Beschlüssen. Eine signifikante Abnahme von Ehrendekreten der Polis Kos – wie sie Carlsson (2010, 241) für den Gesamtbestand an Beschlüssen ab etwa 200 v. Chr. konstatiert – lässt sich nicht feststellen. Lediglich die beobachtete Zunahme an Beschlüssen der Demen ab dem 3. Jhdt. v. Chr. ist auch bei den Ehrendekreten für eigene Bürger zu erkennen. Ebd. 242. Die signifikante Zunahme an Beschlüssen der Demen im Zusammenhang mit der erneuten Erweiterung der Polis in den Jahren um 200 v. Chr. erkennt Carlsson jedoch nicht. Entsprechende Monumente begegnen zunehmend ab dem späten 2. Jhdt. v. Chr. und scheinen vornehmlich dem persönlichen Ehrstreben der ausgezeichneten Personen entsprungen zu sein.

Synoikismos und Sympolitie

181

scheint zudem in Einzelfällen auch Beschlüsse zu Ehren von verdienten Politikern mit ausführlichen Rekapitulationen des gesamten Lebenswerks publiziert zu haben. Um die Mitte des 2. Jhdts. v. Chr. erlaubte die Polis die Aufstellung von identischen Beschlüssen für vorbildliche δικασταγωγοί. Ebenso ließen einzelne Demen knappe Ehrendekrete für bestimmte Funktionsträger aufstellen.208 Einfluss auf die Ehrenpraktiken der Insel Kos nahmen daneben auch regionale Besonderheiten wie der Status der Insel als Zentrum der Medizin. Die häufige Publikation von eigenen Beschlüssen durch untergeordnete Demen – in den griechischen Städten insgesamt ein seltenes Phänomen – lag in den sympolitischen Strukturen der Polis sowie im traditionellen Selbstbewusstsein der Teilgemeinden begründet und scheint damit ebenfalls ein regionales Spezifikum gewesen zu sein. Die Veröffentlichung von Ehrendekreten verfolgte auch auf Kos in der Regel mehrere Ziele und mag in vielen Fällen erst im Zusammentreffen von verschiedenen Aspekten wie der persönlichen Anerkennung als Dank für außergewöhnliches Engagement in Verbindung mit der Verbreitung von Idealvorstellungen und demokratischen Werten ausreichende Gründe für die Errichtung der besonderen Monumente geboten haben. Insbesondere für die Demen waren herausragende Personen wie die großen Kriegshelden Diokles und Theukles zudem ein Aushängeschild für die Leistungsfähigkeit der gesamten Gemeinschaft, für deren Identität gerade der Zusammenschluss sowie die spätere Erweiterung der Polis als Bedrohung erschienen sein müssen. Die Beschlüsse unterstrichen dabei als Auszeichnung vor anderen Teilgemeinden sowie zur Stärkung des lokalen Identitätsbewusstseins die Bedeutung der Demen im Rahmen der Polis Kos.209 Durch die Verabschiedung von Ehrendekreten für öffentliche Ärzte konkurrierten die Demen vornehmlich ab dem 2. Jhdt. v. Chr. zudem um die Gunst der jeweiligen Personen.210 Durch die Aussicht auf Ehrungen sollten Ärzte zu Leistungen für den jeweiligen Demos animiert werden. Insbesondere die Hortativformeln betonten die Bedeutung der Ehrendekrete als Mittel für die Gewinnung von neuen Wohltätern. Daneben sollten sich selbstverständlich auch die ausgezeichneten Personen durch die verliehenen Ehrungen zu neuen Leistungen verpflichtet fühlen. In Einzelfällen beschlossen die Demen ein Ehrendekret vermutlich sogar schon im Vorgriff auf noch zu erwartende Leistungen.211 Große Bedeutung besaß für die Demen in vielen Fällen zudem die öffentliche Ausrufung der verliehenen Ehrungen auf Polis­ebene – vermutlich ein nicht nur für den einzel-

208 209 210 211

S. etwa IG XII 4, 1, 92. 93. 95. 102. 110. Vgl. Grieb 2008, 152. Zur zeitlichen Verteilung der Ehrendekrete für Ärzte s. Carlsson 2010, 215 f. Die beschriebenen Mechanismen sind vornehmlich aus Ehrendekreten für fremde Personen bekannt. S. o. S. 43. Gegenüber einzelnen Demen blieben freilich auch Bürger aus der Polis Kos – sofern sie nicht dem jeweiligen Demos angehörten – trotz des Bürgerrechts Außenstehende.

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Weitere Fallbeispiele aus dem Frühhellenismus

nen Bürger, sondern auch für den gesamten Demos prestigeträchtiges Ereignis. Die Bekanntmachung der Ehrungen durch die Demen bedurfte jedoch stets der Erlaubnis von Rat und Volksversammlung der Polis Kos.212 Durch die Ausrufung konnten die Demen in der Folge auch den eigenen Status gegenüber der Polis aushandeln.213 Im Einzelfall mag die dauerhafte Festschreibung des Antrags auf Ausrufung eines Kranzes etwa bei den Dionysien zudem auch einen indirekten Druck auf Rat und Volksversammlung ausgeübt und die jeweiligen Forderungen bekräftigt haben.

4.4 Ehrendekrete für eigene Bürger auf den Inseln im Ägäisraum Die griechischen Inseln in der Ägäis bildeten keinen einheitlichen Raum. Im Hinblick auf die Publikation von Ehrendekreten für eigene Bürger entwickelten sich dementsprechend in den einzelnen Städten unterschiedliche Phänomene.214 Großen Einfluss auf die Entscheidungen zur Errichtung von entsprechenden Stelen hatten regionale Gebräuche und lokale Praktiken sowie politische Ereignisse und gesellschaftliche Entwicklungen. Im Umgang mit den Monumenten scheinen sich nichtsdestotrotz Gemeinsamkeiten abzuzeichnen. Die Aufstellung von Ehrendekreten war in den meisten Fällen ein temporäres Phänomen vor dem Hintergrund von besonderen Ereignissen. In manchen Städten waren die jeweiligen Stelen Einzelphänomene. Andere Städte ließen während des Hellenismus immer wieder einzelne Beschlüsse zu Ehren von eigenen Bürgern veröffentlichen. Die Monumente bleiben jedoch auch über längere Zeiträume hinweg stets Ausnahmeerscheinungen. In vielen Fällen werden erst außergewöhnliche Umstände sowie ein dementsprechendes Engagement 212

Der Demos von Halasarna wählte bei jeder Ehrung jeweils drei Personen als Gesandte an Rat und Volksversammlung der Polis Kos. Die drei Bürger hatten etwa für die Ausrufung des Kranzes bei den Dionysien der Insel die Erlaubnis der Polis einzuholen. 213 Die Polis Kos ließ in Reaktion auf eine Anfrage des Demos von Halasarna zur Ausrufung des Diokles das beschlossene Antwortschreiben publizieren. IG XII 4, 1, 51. IG XII 4, 1, 95. S. auch Bosnakis/Hallof/Rigsby 2010, 26. 78. Vgl. bereits Hallof/Hallof/Habicht 1998, 103. Gauthier, BE 1999, 654. Die Aufzeichnung des Antwortschreibens bedeutete sicherlich auch eine zusätzliche Ehre für Diokles. Die Veröffentlichung der Entscheidung von Rat und Volk in Kos verdeutlichte zugleich jedoch die Suprematie der Polis gegenüber den einzelnen Demen. Gerade die Stele mit dem Antwortschreiben war ein Monument für die politischen Verhältnisse in Kos und unterstrich die bestehende Hierarchie zwischen der Polis und den Demen. Die beschriebenen Konnotationen der Stele waren möglicherweise sogar der Hauptgrund für die dauerhafte Publikation des Beschlusses. 214 In Inhalt und Aufbau zeigten die Beschlüsse von den griechischen Inseln eine große Vielfalt und umspannten das gesamte Spektrum an Ehrendekreten für eigene Bürger von kurzen Beschlüssen für einzelne Leistungen bis zu ausführlichen Lebenswerkdekreten. Zu den verschiedenen Kategorien an Beschlüssen s. u. S. 418–421.

Ehrendekrete für eigene Bürger auf den Inseln im Ägäisraum

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den Ausschlag zur öffentlichen Ehrung von eigenen Bürgern sowie zur dauerhaften Publikation der jeweiligen Beschlüsse gegeben zu haben. Ereignisse wie Kriege oder Naturkatastrophen, die in der Regel die Existenz der Städte bedrohten, boten einzelnen Personen vermutlich erst die Möglichkeiten zu besonderen Leistungen für die Städte und nahmen in der Folge großen Einfluss auf die Entscheidung zur dauerhaften Publikation von Ehrendekreten. Auf den Inseln Kos und Kalymna veranlassten etwa der Krieg mit Kreta und die anschließenden Auseinandersetzungen mit Philipp V. in den Jahren um 200 v. Chr. die Aufstellung von Volksbeschlüssen. Auch auf der Insel Samos oder im rhodischen Demos Karpathos mit der Teilgemeinde Potidaion gaben überregionale Entwicklungen teilweise den Ausschlag zur Veröffentlichung von Ehrendekreten.215 Naturkatastrophen wie Epidemien oder Erdbeben boten gerade Ärzten – so etwa auf den Inseln Kos und Samos – die Möglichkeit zu herausragenden Leistungen. Auch die Einfälle von Piraten werden für viele Städte insbesondere auf kleinen Inseln existentielle Bedrohungen dargestellt haben. Verdienste von einzelnen Personen um den Rückkauf und die Befreiung der entführten Mitbürger konnten wie etwa auf der Insel Amorgos die Ursache für die dauerhafte Veröffentlichung eines Ehrendekrets sein.216 Daneben boten auch außenpolitische Beziehungen und politisches Engagement einzelnen Bürgern die Möglichkeit, sich für besondere Auszeichnungen zu empfehlen. In seltenen Fällen rekapitulierten die Anträge – wie im Ehrendekret für Boulagoras von der Insel Samos – in weiten Teilen das gesamte Leben der herausragenden Personen. Einzelne Bürger wie Kaphisophon aus Kos oder Thersippos aus Pordoselene/Nasos traten insbesondere durch ein gutes Verhältnis zu hellenistischen Königen in Erscheinung.217 Auch herausragende Leistungen in wichtigen öffentlichen Funktionen wie der Gymnasiarchie und der eponymen Stephanephorie oder bei den Tätigkeiten als Marktaufseher und als Festspielleiter gaben immer wieder den Ausschlag für die öffentliche Auszeichnung der jeweiligen Personen.218 In manchen Städten mögen Bürger nach der zufriedenstellenden Ausübung von öffentli215 216

217

218

S. etwa das Ehrendekret für Pamphilidas. I. Lindos II 1007–1010. S. u. S. 494. Überfälle von Seeräubern waren naturgemäß ein Problem von Städten am Meer. Ähnliche Phänomene begegnen in anderen Regionen der griechischen Welt etwa mit den Kelteneinfällen in Kleinasien um 275 v. Chr. oder in den Konflikten der Städte an der Schwarzmeerküste mit den umwohnenden Thrakern und Skythen. S. auch o. S. 156 f. Vgl. etwa das Ehrendekret für Agathokles aus Histria. IScM I 15. Der Beschluss umschreibt die Plünderungszüge von thrakischen Stämmen mit dem Ausdruck πειρατευ[όν]των Θραικῶν (9). S. u. S. 336 Anm. 34. Zu Thersippos aus Pordoselene/Nasos s. IG XII 2, 654. Vgl. I. Adramytteion II 34. Zu den guten Beziehungen von einzelnen Bürgern zu den hellenistischen Herrschern s. u. S. 185–187. S. etwa die Ehrendekrete für die Agoranomen von den Insel Astypalaia und Paros oder die Beschlüsse für die ἄρχοντες von der Insel Keos. Auch die Städte auf der Insel Lesbos publizierten vereinzelte Ehrendekrete für Agoranomen. S. u. S. 494–497. 499 f.

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Weitere Fallbeispiele aus dem Frühhellenismus

chen Tätigkeiten stets eine Ehrung erhalten haben. Die dauerhafte Aufstellung der Ehrendekrete blieb jedoch eine Ausnahme und wurde nur bei außergewöhnlichen Leistungen beschlossen. Das Engagement der jeweiligen Personen war dementsprechend in einigen Fällen – so etwa beim Agoranomos Aristomenes von der Insel Samos – mit umfassenden Bautätigkeiten gepaart. Andere Bürger scheinen sich bei akuten Bedrohungen in öffentlichen Positionen bewährt zu haben. Herausragende Leistungen im Krieg und die Rettung von Bürgern besaßen dabei zunächst noch größere Bedeutung als großzügige Spenden oder eine umfangreiche Bautätigkeit. Daneben spiegelten sich in der Aufstellung von Ehrendekreten auf manchen Inseln auch regionale Phänomene oder lokale Besonderheiten. Als Zentrum der antiken Medizin errichtete die Polis Kos zahlreiche Stelen zu Ehren von Ärzten.219 Ab dem 2. Jhdt. v. Chr. begannen Städte auf Inseln wie Ägina, Amorgos, Euböa und Thera zunehmend mit der Publikation von Beschlüssen für verdiente Gymnasiarchen.220 Einzelne Inseln hatten daneben auch ähnliche Probleme wie die gleichzeitige Existenz von mehreren Ansiedlungen auf begrenztem Raum zu bewältigen. Zur Lösung beschritten die jeweiligen Gemeinwesen unterschiedliche Wege. Auf der Insel Kos bildete sich um die Mitte des 4. Jhdts. v. Chr. im Rahmen eines Synoikismos eine einzige Polis mit einem gemeinsamen Zentrum. Die einzelnen Städte wurden als Demen in die Polis integriert und scheinen lange Zeit ein Bewusstsein für die lokalen Identitäten gewahrt zu haben. Die drei Städte auf der Insel Amorgos bewahrten sich im Verlauf des Hellenismus eine weitgehende Eigenständigkeit. Die politischen Konstellationen nahmen in der Regel auch Einfluss auf die Ehrenpraxis in den jeweiligen Gemeinwesen. Auf der Insel Amorgos bewegte die gegenseitige Konkurrenz um die Ausrichtung des Festes für Athena Itonia die Städte Arkesine und Minoa zur Aufstellung von Ehrendekreten für die jeweiligen ἄρχοντες im lokalen Heiligtum. Auf der Insel Kos gab in vielen Fällen die Konkurrenz der einzelnen Demen den Anlass für die dauerhafte Publikation von Beschlüssen. Die Errichtung von einzelnen Monumenten erfolgte daneben vermutlich auch in Reaktion auf einen befürchteten Verlust der lokalen Identität. Mit der Veröffentlichung von Ehrendekreten verfolgten auch die Städte auf den griechischen Inseln in den meisten Fällen mehrere Ziele, die erst in der Summe die Errichtung der Stelen gerechtfertigt haben mögen. Neben dem Aspekt der persönlichen Auszeichnung für außergewöhnliche Leistungen verknüpften die Städte die 219

Auf anderen Inseln wie Andros oder Samos finden sich lediglich vereinzelte Ehrendekrete für einheimische Ärzte. Die Insel Andros bietet zwei Belege für die Ehrung von eigenen Ärzten. IG XII S 249. IG XII 5, 719. 220 Neben dem allgemeinen Bedeutungszuwachs des Gymnasions im Späthellenismus mag sich der Befund in den jeweiligen Städten durch einen Ausbau der entsprechenden Einrichtungen sowie eine persönliche Konkurrenz zwischen einzelnen reichen Bürgern erklären. Zur Bedeutung von Gymnasion und Gymnasiarchie in Hellenismus s. zusammenfassend u. S. 226–228.

Ein erstes Zwischenfazit

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seltenen Monumente in der Regel auch mit ideologischen Aspekten und nutzten die Beschlüsse zur öffentlichen Verbreitung von eigenen Vorstellungen und Idealen. Die aufwendigen Erzählungen vermittelten über konkrete Beispiele aus dem Leben von vorbildlichen Bürgern allgemeingültige Tugendkonzepte und bürgerliche Wertvorstellungen. Insbesondere demokratische Ideale besaßen in vielen Beschlüssen bis in den Späthellenismus große Bedeutung und werden dementsprechend zumindest im Selbstbild der Gemeinwesen eine Entsprechung gefunden haben. Rat und Volksversammlung zeigten auf der anderen Seite jedoch nicht in jedem Fall Interesse an der dauerhaften Publikation von Ehrendekreten. Insbesondere ab dem späten 2. Jhdt. v. Chr. blieb die Entscheidung über die Errichtung von beschriebenen Stelen auf Inseln wie Amorgos und Kos bei kleinen Auszeichnungen zunehmend den jeweiligen Personen überlassen. Die Finanzierung der Inschrift hatte zudem aus privaten Geldern zu erfolgen. Die dauerhafte Aufzeichnung der Ehrendekrete beruhte in der Folge vornehmlich auf persönlichen Interessen und entsprang einem individuellen Ehrstreben. Ab dem späten Hellenismus scheinen sich reiche Bürger durch die Finanzierung der eigenen Stelen oder auch durch eine prächtige Ausübung von öffentlichen Funktionen besondere Auszeichnungen durch die Polis wie die Aufstellung eines Ehrendekrets zunehmend «erkauft» zu haben. Die ursprüngliche Bedeutung als besondere Anerkennung für außergewöhnliche Leistungen büßten die Monumente damit allmählich ein.

4.5 Ein erstes Zwischenfazit – Die ideologische Ausrichtung frühhellenistischer Ehrendekrete Die dauerhafte Aufstellung von Ehrendekreten in den griechischen Städten war im frühen Hellenismus eine Ausnahmeerscheinung und erfolgte zumeist im Kontext von innenpolitischen Auseinandersetzungen oder in der Folge von militärischen Bedrohungen.221 Mit der Aufstellung der Beschlüsse verfolgten die Städte in der Regel mehrere Intentionen. Der Aspekt der zusätzlichen Ehre für die jeweiligen Personen war vermutlich nie der alleinige Grund für die Aufstellung der Stelen. Die meisten Gemeinwesen scheinen zudem noch eine gewisse Zurückhaltung bei der ehrenden Überhöhung von einzelnen Bürgern geübt zu haben. In den meisten Fällen wird demnach erst das Hinzutreten von weiteren Faktoren die Errichtung der Monumente veranlasst haben. Viele Städte verfolgten mit der Publikation von Ehrendekreten zugleich etwa propagandistische Zwecke und nutzten die ausführlichen Erzählungen in den Begründungen der Beschlüsse zur Verbreitung von eige221

Ähnliche Phänomene begegnen in den griechischen Städten an der Schwarzmeerküste. S. u. S. 327–355.

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Weitere Fallbeispiele aus dem Frühhellenismus

nen Wert­vorstellungen und Idealen. Die Tatenberichte dienten in diesem Zusammenhang stets auch als Beispiele für vorbildliches Verhalten. In der Regel propagierten die Städte Werte wie Freiheit, Demokratie, Selbstbestimmung und Autonomie. Mit den ideologisch geprägten Idealbildern boten die Ehrendekrete – so etwa die Beschlüsse für die Festungskommandanten in Priene – gezielte Gegenentwürfe zu Machtmissbrauch und individuellem Herrschaftsstreben und propagierten das Ideal eines demokratischen Polisbürgers im steten Bemühen um das Wohlergehen der Stadt. Die herausragenden Persönlichkeiten präsentierten die Erzählungen stets als Teil der egalitären Polisgemeinschaft aus freien Bürgern und versuchten damit in der Summe trotz der Auszeichnung von individuellen Leistungen der zunehmenden Einflussnahme und einem allmählichen Machtzuwachs von einzelnen Mitgliedern der städtischen Eliten entgegenzuwirken. Reiche Euergeten zeigten die Beschlüsse in der Regel nicht. Finanzielle Leistungen standen lediglich in seltenen Fällen im Zentrum eines Ehrendekrets. Wenn entsprechende Verdienste doch Erwähnung fanden, erinnerten die jeweiligen Beschlüsse in den meisten Fällen an einmalige Leistungen bei der Errichtung von öffentlichen Gebäuden wie Theatern oder Gymnasien oder die Stiftungen standen wie bei Aristomenes auf Samos im Zusammenhang mit der Übernahme von öffentlichen Funktionen.222 In eine dauerhafte Abhängigkeit von reichen Honoratioren werden die meisten Städte im Frühhellenismus demnach noch nicht geraten sein. Die permanente Dominanz von einflussreichen Bürgern, die entscheidenden Einfluss auf die Politik der jeweiligen Heimatpolis nahmen, scheint im frühen Hellenismus eine seltene Ausnahme geblieben zu sein. Der überragende Einfluss der «Überpoliten» beruhte – wie bei den Brüdern Gorgos und Minnion aus Iasos bei oder Thersippos von der Insel Pordoselene/Nasos – in der Regel zudem auf militärischen Erfolgen oder diplomatischen Karrieren im Gefolge Alexanders des Großen oder als φίλοι der Diadochen.223 Auch der ptolemäische Leibarzt Kaphisophon scheint seine Heimatpolis vornehmlich im offiziellen Auftrag des Königs besucht zu haben. Den Strukturen der Heimatstädte waren die prominenten Persönlichkeiten durch den Dienst im Umfeld der Herrscher weitgehend entwachsen. Die entsprechenden Ehrendekrete waren damit gleichsam Beschlüsse für «fremde» Funktionäre der Könige und verloren zunehmend den Aspekt der Auszeichnung eines eigenen Bürgers. So waren etwa auch die Ehrendekrete der Polis Priene für den seleukidischen General Larichos aus den Jahren zwischen 270–262 v. Chr. – selbst wenn der königliche Funktionär in der Stadt das Bürgerrecht besessen haben sollte –

222

223

Diodotos aus Halikarnassos half im frühen 3. Jhdt. v. Chr. den Bau des städtischen Gymnasions zu finanzieren. Paton 1894, 217. S. auch u. S. 508. Auf der Insel Kalymna finanzierte der Bürger Aratokritos Baumaßnahmen am Theater. Segre 1944/1945 Nr. 52. I. Iasos 24 + 30. IG XII 2, 654. Vgl. I. Adramytteion II 34. Zu den Freunden der Könige s. Hamon 2007, 79–81. Scholz 2008, 76–79. Scholz überschätzt jedoch den Einfluss der jeweiligen Bürger in den Heimatstädten.

Ein erstes Zwischenfazit

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nicht im eigentlichen Sinn Ehrendekrete der Stadt für einen eigenen Bürger.224 Der bürgerlichen Sphäre war Larichos durch seine engen Verbindungen zu den seleukidischen Herrschern sowie seine hohe Stellung im königlichen Heer enthoben. In der Regel betonten die Ehrendekrete im Frühhellenismus – gerade auch in Priene – jedoch die Dominanz des Demos gegenüber den ausgezeichneten Bürgern und präsentierten deren Handlungen im Einklang mit dem Willen des Volkes. Der ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός versinnbildlichte sich für die Städte immer noch im guten Demokraten. Herausragende Einzelpersönlichkeiten sollten sich dem Gemeinwohl unterordnen und sich auf demokratischen Wegen – etwa durch Reden oder Anträge in der Volksversammlung – in die städtische Politik einbringen.

224

I. Priene 18 = I. Priene2 29–31. Die Ehrungen überschritten das übliche Maß an Auszeichnungen für einen Bürger aus dem frühhellenistischen Priene um ein Vielfaches. Wohl auf Grund von finanziellen Problemen ließ die Polis jedoch weder die ursprünglich beschlossene Bronzestatue noch das in Erhöhung der Ehrungen beschlossene Reiterstandbild aus Bronze jemals aufstellen. Für die prinzipielle Stellung des Larichos innerhalb der Bürgerschaft waren die Versäumnisse der Stadt bei der Durchführung der Ehrungen jedoch kaum von Bedeutung. Zu den Ehrendekreten für Larichos s. Gauthier 1992, 50. Zu den unausgeführten Ehrungen s. auch Hiller von Gaertringen 1906, 27 f. Zur Person des Larichos s. Kah 2012a, 60 f.

5. Ehrendekrete im Kontext von Gymnasion und Gymnasiarchie

Die Ursprünge des griechischen Gymnasions reichen bis in archaische Zeit zurück.1 Ihren Ausgang nahm die Einrichtung im 6. Jhdt. v. Chr. vermutlich aus dem agonalen Wettstreit zwischen konkurrierenden Aristokraten. In den nachfolgenden Jahrhunderten entwickelte sich das Gymnasion als Bildungsstätte für Körper und Geist zu einem zentralen Element der griechischen Kultur und spielte gleichsam als «une seconde agora» eine wichtige Rolle im Leben eines jeden Polisbürgers.2 Zu öffentlichen Einrichtungen wurden die Gymnasien jedoch erst im Verlauf des 4. Jhdts. v. Chr.3 Ab dem späten Hellenismus war das Gymnasion ein Synonym für Bildung und Kultur griechischer Prägung. Der Wandel der Gymnasiarchie von einer privaten Tätigkeit zu einer öffentlichen Polisfunktion verlief weitgehend parallel zur Entwicklung des Gymnasions. So scheinen die Städte erstmals im frühen Hellenismus Gymnasiarchen als öffentliche Polisfunktionäre bestellt zu haben.4 Entsprechende Veränderungen in der Organisation der jeweiligen Einrichtungen fanden selbstverständlich nicht in allen Regionen zur gleichen Zeit statt und erfolgten in manchen Städten erst im frühen 2. Jhdt. v. Chr. Bis zur Kaiserzeit veränderte sich der Zuschnitt der Gymnasi­archie erneut. Die Funktion gewann zunehmend den Charakter einer reinen Liturgie.5 Infolge des Ausbaus und der baulichen Ausgestaltung der Gymnasien im Verlauf des Hellenismus spielten finanzielle Aspekte wie die kostspielige Bereitstellung von Salböl oder die Beheizung und Instandhaltung von Bädern bei der Ausübung der Gymnasiarchie eine immer größere Rolle. In der Kaiserzeit stand das Verb γυμνασιαρχεῖν häufig syn-

1 2

3

4 5

Zur Entwicklung des Gymnasions s. ausführlich Delorme 1960, 33–92. Zusammenfassend Scholz 2004a, 13–15. Curty 2015, 5–7. Robert 1960, 298 Anm. 3. Vgl. Quaß 1993, 286. Gauthier 1995, 1. Gehrke 2003, 242– 244. Ameling 2004, 130–132. Scholz 2004a, 13–16. Hamon 2012, 65. Ma 2013, 85. Curty 2015, 1–5. Zur Vermittlung von Tugenden im Gymnasion s. Wörrle 1995, 248–250. Zur Generierung von bürgerlichen Identitäten durch die Ausbildung im Gymnasion s. auch Gehrke 2003, 232 f. Scholz 2008, 94 f. Interessante Einblicke in den Betrieb eines hellenistischen Gymnasiums bietet jetzt auch das kürzlich publizierte Ephebarchengesetz aus Amphipolis. Λαζαρίδου 2015. Vielleicht stammen aus diesem Grund auch die ältesten Überreste für ein Gymnasion im archäologischen Befund mit dem Gymnasion von Delos erst aus dem späten 4. Jhdt. v. Chr. Gauthier 1995, 1. Scholz 2004a, 15. Vgl. Ameling 2004, 130. Curty 2009, 1. Curty 2015, 5–7. Vgl. Ameling 2004, 130. Zur Gymnasiarchie als Polisfunktion s. ausführlich Gauthier 1995, 7–10. Schuler 2004, 172–178. Zum allmählichen Wandel der Gymnasiarchie im Hellenismus s. Schuler 2004, 163–165. 198–191. Curty 2009, 1–7. Curty 2015, 12. 293–299. Vgl. bereits Quaß 1993, 286–291. 317–323. Gauthier 1995, 2.

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Ehrendekrete im Kontext von Gymnasion und Gymnasiarchie

onym für die Bereitstellung von Öl.6 Ehrendekrete für eigene Gymnasiarchen publizierten griechische Städte – passend zum allmählichen Ausbau sowie zur gesteigerten Bedeutung der Gymnasien im Hellenismus – erst ab dem 2. Jhdt. v. Chr.7 Zum ersten Mal bezeugt ist eine entsprechende Auszeichnung mit dem Beschluss der Polis Eresos für den Gymnasiarchen Aglanor für die Jahre 209–204 v. Chr.8 In der Polis Kolophon ließen die Neoi und die Epheben vermutlich ebenfalls um den Beginn des 2. Jhdts. v. Chr. ein Ehrendekret für den Gymnasiarchen Euelthon errichten.9 Neben anderen Verdiensten würdigte aber bereits das Ehrendekret für Boulagoras aus Samos um die Mitte des 3. Jhdts. v. Chr. die Übernahme der Gymnasiarchie als herausragende Leistung.10 Die meisten Städte scheinen jedoch erst zum Ende des 2. Jhdts. v. Chr. mit der dauerhaften Aufzeichnung von entsprechenden Beschlüssen, die dennoch stets eine Ausnahme blieben, begonnen zu haben.11 In einzelnen Städten mag jeder Gymnasiarch am Ende der einjährigen Tätigkeit ein Ehrendekret erhalten haben. Eine dauerhafte Aufzeichnung erfuhren offensichtlich jedoch nur sehr wenige Beschlüsse. Vermutlich konnten die Gymnasiarchen lediglich bei außergewöhnlichen Leistungen auf die Publikation des eigenen Ehrendekrets hoffen. Neben den Polisorganen verabschiedeten auch einzelne Gruppen aus dem Gymnasion wie Neoi und Epheben oder Personen, die durch die Bezeichnung ἀλειφόμενοι allgemein als Besucher des Gymnasions gekennzeichnet wurden, Ehrendekrete für Gymnasiarchen.12 Die Epheben aus Xanthos errichteten im Jahr 196 v. Chr. im Letoon eine Stele mit einem Beschluss für den Gymnasiarchen Lyson.13 In Ephesos ehrten die Neoi im 2. Jhdt. v. Chr. den Gymnasiarchen Diodoros.14 Neoi und Epheben in Kolophon waren die gemeinsamen Initiatoren des Beschlusses für den Gymnasiarchen Euelthon.15 Ehrendekrete der ἀλειφόμενοι fanden etwa in den Städten Minoa und Thera eine dauerhafte Veröffentlichung.16 In der Polis Argos zeichnete eine als Δελφιδ[ῶται] benannte Gruppe für die Ehrung des Gymnasiarchen Aristokra-

  6   7  8  9 10 11 12 13 14 15 16

Curty 2009, 3. Curty 2015, 294. Vgl. Delorme 1960, 301. Quaß 1993, 320. Zu den finanziellen Aspekten der Gymnasiarchie s. auch Schuler 2004, 178–189. Curty 2015, 239–247. Zur Zunahme von Ehrendekreten im späten Hellenismus vgl. die Zusammenstellung bei Curty 2015, 282. Ebenso Biard 2017, 38 f. IG XII S 122. Vgl. Ma 2013, 86. Curty 2015, 129–134. Gauthier 2005. IG XII 6, 1, 11. Curty 2009, 2. Curty 2015, 9. 240. 314. Zur Quellenlage s. allgemein auch Schuler 2004, 163–165. Curty 2015, 10–12. Gauthier 1996 Nr. 1. Vgl. Curty 2015, 185–189. I. Ephesos 6. Gautier 2005. IG XII 3, 331. IG XII 7, 232–235. Μαραγκού 1981. Zum Ehrendekret aus Thera s. Curty 2015, 73–81. Zu den Ehrendekreten aus Minoa s. auch 130.

Individuelle Leistungen und allgemeine Bürgertugenden

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tes verantwortlich.17 Neben den Beschlüssen für Gymnasiarchen publizierten einzelne Städte wie Iasos und Hydai auch Ehrendekrete für untergeordnete Funktionsträger wie Ephebarchen oder Paidonomen.18 In einigen Städten wie Argos, Ephesos, Chalkis, Eretria, Iasos, Hydai, Sestos und Themisonion scheinen die Ehrendekrete für Gymnasiarchen oder für vergleichbare Funktionsträger nahezu als einzige Beschlüsse eine dauerhafte Veröffentlichung erfahren zu haben. Der Beschluss der Polis Gela für den Gymnasiarchen Herakleidas aus dem Jahr 95 v. Chr. gehört zur kleinen Zahl an publizierten Ehrendekreten für eigene Bürger aus den griechischen Städten im westlichen Mittelmeerraum.19 In einzelnen Städten dürfte das Aufkommen von Ehrendekreten für Gymnasiarchen mit dem Ausbau und der Aufwertung der jeweiligen Einrichtungen in Verbindung gestanden haben. Die Polis Eretria errichtete zeitgleich mit den Beschlüssen für die Gymnasiarchen die als «Jüngling von Eretria» bekannte Statue eines Boxers im Bürgerhabitus.20 Darüber hinaus erfolgte die Ehrung von Gymnasiarchen – so etwa in der Polis Eresos oder auf der Insel Andros – gelegentlich in Verbindung mit einem Engagement der Personen für die Veranstaltung von Königskulten im Rahmen des Gymnasions.21 Die Aufstellung der entsprechenden Beschlüsse diente zu einem Teil vermutlich auch als Loyalitätsbekundungen der Städte gegenüber den Herrschern. Den genauen Gründen für die Aufstellung von Ehrendekreten für Gymnasiarchen – eine auch in der althistorischen Forschung als wichtiges Phänomen bereits vieldiskutierte Kategorie von Beschlüssen – wird im Folgenden an Fallbeispielen aus Eretria, Ephesos, Iasos und Pergamon nachzugehen sein. Besondere Aufmerksamkeit soll den gesellschaftlichen Entwicklungen und den politischen Begleitumständen gewidmet werden.

5.1 Individuelle Leistungen und allgemeine Bürgertugenden – Die Gymnasiarchen der Polis Eretria Die Polis Eretria auf der Insel Euböa publizierte im Hellenismus eine große Zahl an Proxeniedekreten.22 Auch die anderen Städte der Insel beschlossen zahlreiche 17 18 19 20 21 22

Curty/Piérart 2009. I. Iasos 98. 99. I. Mylasa 909. IG XIV 256. Zum Beschluss für Herakleidas s. Curty 2015, 228–231. Vgl. Curty 2009, 7. Zum «Jüngling von Eretria» s. etwa Lehmann 2001. Vgl. Von den Hoff 2004, 392. Ma 2013, 288 f. Zum Gymnasion in Eretria s. allgemein Mango 2003. Vgl. Knoepfler 2009. IG XII S 122. 250. IG XII 9, 187. 195–206. 208–222. IG XII S 551. Bei weiteren Beschlüsse verbietet der schlechte Erhaltungszustand eine nähere Zuordnung. IG XII 9, 223–233. Zu den Proxeniedekreten aus Eretria s. jetzt Knoepfler 2001. Zur reichen epigraphischen Dokumentation in Eretria s. auch Rhodes/Lewis 1997, 248.

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Ehrendekrete im Kontext von Gymnasion und Gymnasiarchie

Ehrungen für fremde Wohltäter und dokumentierten die Entscheidungen durch Monumente wie die Exedra der Proxenoi aus Chalkis oder die Liste der Proxenoi aus Histiaia/Oreos.23 Daneben ließen Rat und Volk in den Städten Eretria und Chalkis – wenn auch nur in seltenen Ausnahmefällen – einzelne Ehrendekrete für eigene Bürger aufstellen. Die Polis Chalkis veröffentlichte im 2. Jhdt. v. Chr. zwei Ehrendekrete für den Gesandten Archenous, der als Vertreter der Polis zu den «römischen Euergeten» geschickt worden war, sowie für den Gymnasiarchen Charidamos.24 Neben politischen Verdiensten konnten demnach offensichtlich auch besondere Leistungen im Kontext des Gymnasions die Stadt zur Auszeichnung eines eigenen Bürgers veranlassen. Auch in der benachbarten Polis Eretria spielte das Gymnasion bei der Vergabe von öffentlichen Ehrungen eine wichtige Rolle. So publizierte die Stadt in diesem Kontext zum Ende des 2. Jhdts. v. Chr. über einen kurzen Zeitraum gleich fünf entsprechende Ehrendekrete.25 Öffentliche Auszeichnungen wird es in der Polis auch für andere Verdienste gegeben haben. Eine dauerhafte Aufzeichnung erfuhren die entsprechenden Beschlüsse – in deutlichem Gegensatz etwa zu den zahlreichen Proxeniedekreten – in der Regel jedoch nicht. 5.1.1 Individuelle Leistungen – Die Ehrendekrete für Elpinikos und Mantidoros Die Polis Eretria begann die Publikation von Ehrendekreten für eigene Bürger im späten 2. Jhdt. v. Chr. vermutlich mit dem Beschluss für den vom Volk gewählten Gymnasiarchen Elpinikos.26 Die Erzählung setzt ohne Präskript mit dem ausführlichen Antrag der πρόβουλοι ein und bietet eine Fülle an Details aus der einjährigen Tätigkeit des herausragenden Bürgers. Eine allgemeine Einleitung bot bereits eine erste Zusammenfassung der Leistungen des Gymnasiarchen (2–8).27 Durch sein 23 24 25

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IG XII 9, 900. 1187. Zu den Beschlüssen auf Euböa s. allgemein Rhodes/Lewis 1997, 248 f. IG XII 9, 899. Vgl. Erskine 1994, 81. Zur Bezeichnung der Römer als allgemeine Euergeten s. auch 231. IG XII 9, 904. Zum Gymnasion in Chalkis s. Delorme 1960, 161. IG XII 9, 234–237. IG XII S 554. Vgl. Chankowski 1993, 19. Zur Datierung der Beschlüsse s. auch Curty 2015, 51. In Inhalt und Aufbau zeigen die Beschlüsse zum Teil ebenso erhebliche Unterschiede wie in Sprache und Stil. Die Gymnasiarchie galt als ἀρχή und wurde vermutlich durch Wahl vergeben. Curty 2015, 52. Zur Bezeichnung Gymnasiarchie als ἀρχή s. auch Schuler 2004, 166. IG XII 9, 234. Vgl. Quaß 1993, 272. Zur Wahl des Elpinikos s. ebd. Anm. 1114. 2–8: ἔν τε τοῖς | λοιποῖς τοῖς κατὰ τὴν ἀρχὴν ἐνδόξως ἀνεστρά|φη, συνελθόντων διὰ τὴν φιλοτιμίαν αὐτοῦ | πλειόνων παίδων τε καὶ ἐφήβων καὶ τῶν ἄλ|λων τῶν ὑπὸ τὴν ἀρχὴν πειπτόντων, προενοιήθη | τῆς εὐταξίας αὐτῶν, ἐμμονεύσας ἐν τῶι γυ|μνασίωι δι’ ἐνιαυτοῦ. Vgl. auch Ziebarth 2 1914, 113. Chankowski 1993, 19. Zum gemeinsamen Unterricht von Knaben und Epheben s. Ziebarth 21914, 82.

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Engagement (4: φιλοτιμία) begeisterte Elpinikos wieder mehr Kinder und Jugendliche für den Besuch des Gymnasions und sorgte sich zudem um die rechte Ordnung. Im Anschluss widmet sich der Motivbericht in allen Einzelheiten zahlreichen Leistungen des Elpinikos und gewährt damit interessante Einblicke in den alltäglichen Betrieb eines hellenistischen Gymnasions (8–38). Die Aufzählung der einzelnen Aktivitäten folgte vermutlich einem aufsteigenden Ordnungsprinzip, das sich an der Bedeutung der Leistungen orientierte.28 Elpinikos beschäftigte auf eigene Kosten einen Rhetoriklehrer und einen Spezialisten im Waffenkampf und stellte stets das nötige Öl zur Verfügung.29 Daneben veranstaltete der engagierte Gymnasiarch mehrere Wettkämpfe mit Opfern für Hermes und Herakles und verteilte beim Fest der Artemis Salböl an die Teilnehmer.30 Obwohl für die meisten Ausgaben öffentliche Mittel zur Verfügung standen, nahm Elpinikos die städtischen Gelder nicht in Anspruch und bewies damit eine wohl nicht von jedem Gymnasiarchen zu erwartende Großzügigkeit. Für einen möglichen Anspruch auf besondere Auszeichnungen zum Ende der Tätigkeit wird zusätzliches finanzielles Engagement – wie im vorliegenden Fall – jedoch eine wichtige Rolle gespielt haben und gehörte dementsprechend vermutlich auch allgemein zum erweiterten Erwartungshorizont der Polis an einen vorbildlichen Gymnasiarchen. Von der Großzügigkeit des Elpinikos bei den Festen und Opfern, zu denen in der Regel durch eine schriftliche Bekanntmachung eingeladen wurde, profitierten in unterschiedlichen Zusammensetzungen Bürger, Römer und in der Stadt wohnende Fremde.31 Daneben errichtete der herausragende Gymnasiarch in der für Versammlungen genutzten Exedra bei der Laufbahn eine Sitzbank

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Chankowski 1993, 19. Zur Ordnung des Leistungsberichts s. ausführlich Curty 2015, 52– 54. Für Curty folgt der Beschluss in Abgrenzung zu Chankowski einem chronologischen Schema mit thematischen Schwerpunkten. Einen grundsätzlichen Gegensatz bedeuten die beiden Ansätze jedoch nicht. Zur temporären Verpflichtung der beiden Spezialisten s. Ziebarth 21914, 60. 122. 133. Scholz 2004b, 110. 118 Anm. 60. 123 Anm. 75. Knoepfler 2009, 220. Curty 2015, 58. Vgl. Delorme 1960, 161. 318. Chankowski 1993, 19. Quaß 1993, 287. Kah 2004, 86. Fröhlich 2009, 65. Zur Bereitstellung des Öls s. Ziebarth 21914, 113. Fröhlich 2009, 65. 69. Curty 2015, 54. Vgl. Quaß 1993, 288. Dreyer 2004, 222 Anm. 58. 224 Anm. 66. Zu den Opfern für Hermes und Herakles s. Ziebarth 21914, 38. Chankowski 1993, 20 f. Quaß 1993, 289 Anm. 1205. Dreyer 2004, 222 Anm. 53. 229 Anm. 95. 230 Anm. 102. Schuler 2004, 182. Fröhlich 2009, 65. 78. Curty 2015, 55–57. Zur Bedeutung der Gottheiten Hermes und Herakles für die Gymnasien s. allgemein Curty 2015, 249–260. Zur Verteilung von Salböl s. Gauthier 1982, 230. Quaß 1993, 289 Anm. 1209. 290 Anm. 1211. Fröhlich 2009, 69. Curty 2015, 54. Vgl. Ziebarth 21914, 113. Chankowski 1993, 22. Zu den Teilnehmern an den Veranstaltungen s. Delorme 1960, 161. Gauthier 1982, 231. Chankowski 1993, 21–25. Mango 2004, 275. 295. Beck 2015, 291 f. Curty 2015, 55–57. Zur schriftlichen Einladung s. Chankowski 1993, 23. Quaß 1993, 294 Anm. 1239. Zur öffentlichen Bekanntmachung eines πρόγραμμα durch Aushang s. allgemein auch Wilhelm 1909, 285.

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aus Marmor sowie eine Herme.32 Eine knappe Hortativformel – das Volk wollte zeigen, dass es durch Tugend herausstechende Männer zu ehren verstand – leitete zur Resolution über (38–40).33 Die Vorbildfunktion des Beschlusses war in der Wendung lediglich impliziert. Gemessen am ausführlichen Motivbericht und den zahlreichen Leistungen zeichneten Rat und Volk den herausragenden Bürger nur mit schlichten Ehrungen aus (40–49). Elpinikos erhielt mit Belobigung und Olivenkranz vermutlich die üblichen Anerkennungen für einen scheidenden Gymnasiarchen. Die Aufzeichnung des Ehrendekrets im Gymnasion war demgegenüber mit Sicherheit keine alltägliche Praxis und bedeutete eine besondere Anerkennung. Vermutlich qualifizierte erst ein außergewöhnliches Engagement, das weit über die üblichen Anstrengungen eines Gymnasiarchen hinausging, zur dauerhaften Erinnerung an die eigenen Leistungen.34 Als seltene Auszeichnung wird das Monument auch im Kontext eines möglichen Konkurrenzkampfes in der Elite der Polis Eretria eine wichtige Rolle gespielt haben. Daneben standen die honorierten Verdienste sicherlich auch im Einklang mit den generellen Idealvorstellungen der Polis vom Betrieb im Gymnasion. Im Zusammenhang mit den Publikationsbestimmungen betonte die Resolution dementsprechend auch noch einmal die hortative Funktion des Ehrendekrets (45–47).35 Nicht zuletzt durch die Errichtung der Stele sollten die berichteten Leistungen künftigen Gymnasiarchen als Beispiel zur Nachahmung dienen. Das vorbildliche Engagement des Elpinikos, der sich für seine besonderen Auszeichnungen insbesondere durch großzügige Spenden und teure Feste empfohlen zu haben scheint, bewegte sich jedoch vornehmlich im finanziellen Bereich. Öffentliche Ehre war demnach für reiche Bürger im späthellenistischen Eretria zunehmend durch einen finanziellen Aufwand bei der Übernahme von wichtigen Polisfunktionen zu erreichen. Statt politischem Engagement pries der Beschluss für Elpinikos materielle und finanzielle Wohltaten – auch wenn der verstärkte Besuch des Gymnasions im Hinblick auf die Erziehung der städtischen Jugend sicherlich auch eine politische Komponente hatte. Das Ehrendekret für den Gymnasiarchen Mantidoros scheint dem gleichen Aufbau wie der Beschluss für Elpinikos gefolgt zu sein.36 Die veröffentlichte Version des 32 33 34 35

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Delorme 1960, 161. 290. 325. 364 f. 368. 371. Knoepfler 2009, 223–234. Vgl. Chankowski 1993, 19. Quaß 1993, 207 Anm. 752. Vgl. Quaß 1993, 33 Anm. 85. Zur Erinnerungsfunktion des Beschlusses s. Curty 2015, 57. 45–47: ὅπως ᾖ καὶ τοῖς ἐπιγινομένοις ἡ δόξα φανερὰ καὶ ἡ τοῦ δή|μου τοῖς ἀγαθοῖς ἀνδράσι τιμή, καὶ πολλοὶ{ς} τῶν ὁμοίων γ[ί]|νωνται ζηλωταί. Zur Aufzeichnung des Beschlusses s. Curty 2015, 51 f. Vermutlich waren alle Beschlüsse für Gymnasiarchen auch im Gymnasion aufgestellt. IG XII 9, 235. Die Inschrift ist im unteren Teil verlorenen und erlaubt deshalb nur einen eingeschränkten Vergleich mit dem Ehrendekret für Elpinikos. Zu den Gemeinsamkeiten der Ehrendekrete s. Curty 2015, 52.

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Volksbeschlusses, der erneut auf Antrag der πρόβουλοι gefasst worden war, verzichtete ebenfalls auf ein Präskript und verwendete in der allgemeinen Einleitung in Teilen sogar die gleichen Formulierungen wie das vorangegangene Ehrendekret für Elpinikos (2–8).37 Auch Mantidoros gelang es – dem Vorbild der Vorfahren verpflichtet – durch seine Leistungen bei Kindern und Jugendlichen eine neue Begeisterung für den Besuch des Gymnasions zu entfachen und die rechte Ordnung herzustellen. Ebenfalls wie im Beschluss für Elpinikos scheint sich der anschließende Hauptteil erneut in zahlreichen Details der Tätigkeit des Gymnasiarchen gewidmet zu haben. Mantidoros stellte das nötige Öl zur Verfügung, engagierte den athenischen Homerphilologen Dionysios und richtete die monatlichen Opfer für Hermes und Herakles aus (8–15).38 In der Gesamtkonzeption mag das Ehrendekret demnach weitgehend dem Beschluss für Elpinikos entsprochen haben.39 Die einzigen Unterschiede lagen in den konkreten Details der jeweiligen Tätigkeiten. Vielleicht benutzten die πρόβουλοι in Eretria für die jährliche Ehrung der Gymnasiarchen sogar eine Standardvorlage, die in jedem Jahr nur noch mit den individuellen Leistungen auszufüllen war.40 Die dauerhafte Aufzeichnung der jeweiligen Ehrendekrete war im Gegensatz zur Ehrung der Gymnasiarchen offensichtlich jedoch nicht in jedem Fall vorgesehen und wird eine besondere Auszeichnung bedeutet haben. Insbesondere die ausführliche Darstellung der eigenen Leistungen trug sicherlich stets zum persönlichen Prestige der 37

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2–8: ἐμ πᾶσι τοῖς κατὰ τὴ[ν] | ἀρχὴν ἐνδόξως ἀνεστράφη καὶ ἀξίως ἑαυτοῦ τε καὶ τῶν προγό.|νων καὶ τῆς ἐγχειρισθείσης αὐτῶι ὑπὸ τοῦ δήμου π.ίστεως, συ[ν]|ελθόντων τε διὰ τὴν φιλοτιμίαν αὐτοῦ πλειόνων παίδων τε καὶ ἐ|[φ]ήβων καὶ τῶν ἄλλων τῶν ὑπὸ τὴν ἀρχὴν πειπτόντων, προέστη | τῆς εὐταξίας τῆς ἐν τῶι τόπωι διὰ παντὸς τοῦ χρόνου τῆς | ἀρχῆς, ἐμμονεύσας ἐν τῶι γυμνασίωι δι’ ἐνιαυτ[ο]ῦ. Zur ἐυταξία der Kinder und Jugendlichen s. Ziebarth 21914, 142. Zum Vorbild der Vorfahren s. Quaß 1993, 47 Anm. 142. Zur Tätigkeit des Mantidoros s. Fröhlich 2009, 65. 69. Curty 2015, 52. 54. Vgl. Quaß 1993, 288. Dreyer 2004, 224 Anm. 66. Zum Ausdruck ἐπάλλειμα, der wohl eine besondere Sorte Öl bezeichnet, s. Fröhlich 2009, 70 f. Zur Anstellung des «Homerphilologen» Dionysios s. Ziebarth 21914, 60. 122. 132. Delorme 1960, 162. 318. Quaß 1993, 287. Scholz 2004b, 113. 124. Schuler 2004, 186. Knoepfler 2009, 220. Curty 2015, 58. Über den weiteren Inhalt des Beschlusses lässt sich lediglich spekulieren. Die großen Ähnlichkeiten der erhaltenen Passagen zum Ehrendekret für Elpinikos lassen für den gesamten Beschluss einen vergleichbaren Aufbau vermuten. Wie Elpinikos erhielt möglicherweise auch Mantidoros die üblichen Ehrungen für einen scheidenden Gymnasiarchen in Form von Belobigung und Olivenkranz. Ebenfalls in die Zeit der beiden Gymnasiarchen datiert das fragmentarische Ehrendekret für einen unbekannten Sohn eines [Bo]u[l]archos. IG XII S 554. Den Hintergrund bildeten vermutlich erneut Leistungen im Gymnasion. Der Motivbericht scheint wie in den Ehrendekreten für Elpinikos und Mantidoros einzelne Leistungen des herausragenden Bürgers wie das Engagement für Wettkämpfe im Rahmen von Opfern und Feiern für Hermes und Herakles aufgelistet zu haben. Der Beschluss ist damit vermutlich ein weiterer Beleg für das temporäre Aufkommen von Ehrendekreten für Gymnasiarchen in Eretria in den Jahren um 100 v. Chr. Vgl. Chankowski 1993, 21. Curty 2015, 52. Chankowski identifiziert den Anonymus noch als [Bo]u[l]archos.

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Gymnasiarchen bei. Zum Teil mag die punktuelle Errichtung der Monumente deshalb auch den persönlichen Wünschen und Vorlieben der ausgezeichneten Personen geschuldet gewesen sein. So trugen Elpinikos und Mantidoros durch ihr Engagement und die dauerhafte Dokumentation ihrer Verdienste möglicherweise eine persönliche Konkurrenz aus.41 Zugleich verstanden sich die ausführlichen Leistungsberichte aber auch weiterhin als Beispiele für das vorbildliche Engagement von Gymnasiarchen und präsentierten den idealen Betrieb im Gymnasion – auch wenn die herausragenden Leistungen für die Polis im Ehrendekret für Mantidoros erneut zunehmend in finanziellen Leistungen bestanden. Reiche Bürger konnten sich öffentliche Anerkennung im späthellenistischen Eretria demnach neben der vorbildlichen Ausübung der Tätigkeit vermutlich zunehmend durch finanzielle Zusatzleistungen «erkaufen». 5.1.2 Polisideal und Bürgertugend – Das Ehrendekret für Theopompos Den Beschluss für Theopompos, dessen Ehrung ebenfalls auf einen Antrag der πρόβουλοι zurückging, ließ die Polis Eretria vermutlich bereits wenige Jahre nach den Ehrendekreten für Elpinikos und Mantidoros auf zwei Stelen publizieren.42 Statt der ausführlichen und detailreichen Wiedergabe der einzelnen Leistungen erging sich die Erzählung diesmal jedoch über weite Strecken in allgemeinen Ausführungen (2–11).43 Der Beschluss beschränkte sich zudem nicht auf ein einzelnes Ereignis, sondern nahm stattdessen zu Beginn der Darstellung das gesamte Leben des herausragenden Bürgers in den Blick. Dem Vorbild der Vorfahren verpflichtet hatte Theopompos seit der frühesten Kindheit in Wort und Tat in allen Belangen sein Wohlwollen und seine Liebe zur Heimatstadt gezeigt. Die einleitenden Formulierungen dienten auf der literarischen Ebene zugleich als Leitkonzepte für die Erzählung. Auch der anschließende Bericht über die öffentlichen Funktionen des Theopompos

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Eine vergleichbare Situation mag das Aufkommen von Ehrendekreten für Gymnasiarchen in der Polis Minoa auf der Insel Amorgos verursacht haben. S. o. S. 151. IG XII 9, 236. Auch die zweite Abschrift des Beschlusses hat sich – wenn auch in schlechtem Zustand – erhalten. IG XII S 553. Die Texte stimmen bis auf einzelne Verschreibungen im Wortlaut überein. Hiller von Gaertringen 1939, 180. Vgl. Chankowski 1993, 25 Anm. 31. 2–11: συντηρῶν τὴν ὑπάρχουσαν αὐτῷ διὰ προγόνω.ν. π.ρ.[ὸς] | τὸν δῆμον εὔνοιαν καὶ πειρώμενος ἐπὶ πλεῖον αὔ|ξειν τά τε πρὸς θεοὺς καὶ πρὸς ἀνθρώπους δίκαια συν|τηρεῖν, τὸν ἐπ’ ἀρετῇ καὶ δόξῃ βίον ἐζηλωκὼς ἀπὸ τῆς | πρώτης ἡλικίας, βουλόμενός τε τὴν ἀπὸ τῆς ἀρχῆς | πρὸς τὰ κοινὰ πράγματα φιλαγαθίαν φανερὰν καθιστά|νειν καὶ ἣν ἔχει πρὸς τὴν πόλιν ἐκτένειαν, τῷ τε σύν|παντι δήμῳ παρέχεται ἑαυτὸν εὔχρηστον καὶ κα|τ’ ἰδίαν τοῖς ἐντυγχάνουσιν τῶν πολιτῶν λέγων | καὶ πράττων ἀεὶ τὸ συμφέρον. Zur allgemeinen Einleitung s. Gauthier 1985, 57 f. Kleijwegt 1991, 242.

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begnügte sich über weite Strecken mit allgemeinen Formulierungen (11–14).44 Konkrete Details bot der Beschluss, der im entsprechenden Abschnitt möglicherweise sogar im Wortlaut Passagen aus der Stiftungsurkunde zitierte, lediglich zu einer Spende von 40000 Drachmen für das Gymnasion (14–24).45 Aus dem Zinsertrag des Stiftungskapitals sollte die Ölversorgung der Einrichtung, die sonst vermutlich aus öffentlichen Geldern bezahlt wurde, auf eine dauerhafte und sichere Grundlage gestellt werden.46 Die großzügige Spende bildete vermutlich den eigentlichen Anlass der Ehrung und sollte dem reichen Bürger zugleich ein ewiges Andenken sichern.47 Auch Theopompos scheint sich demnach erst durch finanzielles Engagement um das Gymnasion für seine herausragenden Auszeichnungen qualifiziert zu haben. Eine Hortativformel betonte im Anschluss an den Motivbericht die Vorbildfunktion des Ehrendekrets und bildete zugleich die Überleitung zur Resolution (24–27).48 Die Ehrungen für Theopompos übertrafen die üblichen Privilegien, die in Eretria an Bürger vergeben wurden, und stachen durch den außergewöhnlichen Umfang, der nicht zuletzt in der großzügigen Spende des reichen Bürgers begründet gewesen sein wird, auch im Vergleich mit anderen Städten heraus (27–51).49 Im Kontext der beschlossenen Belobigung betonten σύνεδροι und Volk zudem insbesondere das bereits seit der frühesten Jugend zu beobachtende Wohlwollen gegen

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11–14: ἔν τε ταῖς ἀρχαῖς αἷς ἦρ|ξεν ἴσως καὶ δικαίως πρὸς πάντας ἀνεστράφη ἀνέγ|κλητον ἑαυτὸν παρασκευάζων καὶ τὴν ἑαυτοῦ μεγα|λοψυχίαν ἐκτενῆ καθιστάνων πρὸς τὸν δῆμον. Unter den ἀρχαί (11) des Theopompos mag auch die Gymnasiarchie gewesen sein. Großzügige Spenden für das Gymnasion mussten jedoch nicht in einem direkten Zusammenhang mit der Übernahme der Funktion stehen. Ein Ehrendekret für einen Gymnasiarchen war der Beschluss nicht. Zur technischen Diktion der Passage s. Ziebarth 21914, 14 Anm. 2. 74 Anm. 2. Zu den Details der Stiftung s. Ziebarth 21914, 74. Fröhlich 2009, 62. Vgl. Delorme 1960, 162. Laum 1964, 70 f. Chankowski 1993, 26. Quaß 1993, 288 Anm. 1200. Dreyer 2004, 224 Anm. 66. 14–17: βουλό|μενός τε τῆς ἑαυτοῦ καλοκἀγαθίας τε καὶ εὐνοίας | ἧς ἔχει πρὸς τὸν δῆμον ἀθάνατον ὑπόμνημα καταλεί|πειν εἰς τὸν ἅπαντα χρόνον. Auch Ehrendekrete konnten mit dem Begriff ὑπόμνημα bezeichnet werden. S. o. S. 75. S. auch u. S. 426. 24–27: ὅπως οὖν καὶ ὁ δῆμος εὐχάρισ|τος φαίνηται τιμῶν τοὺς ἀρετῇ καὶ δόξῃ διαφέροντας | ἄνδρας, ζηλωταί τε πολλοὶ τῶν ὁμοίων γίνωνται τιμω|μένων {τε} τῶν καλῶν καὶ ἀγαθῶν ἀνδρῶν. Die Hortativformel stimmte zum Teil im Wortlaut mit den Formulierungen aus dem Beschluss für Elpinikos überein. Zur auffälligen Betonung des hortativen Charakters s. auch Quaß 1993, 33 Anm. 85. Chaniotis 2014, 136. Der Umfang der Privilegien scheint den Eindruck der allmählichen Ausweitung von Ehrungen im Späthellenismus zu bestätigen. S. allgemein u. S. 383. 402. Ehrungen konnten sich in Eretria jedoch wie bei der Auszeichnung des Gymnasiarchen Elpinikos auch noch im späten 2. Jhdt. v. Chr. trotz eines ausführlichen Ehrendekrets auf einen geringen Umfang beschränken. Vgl. Gauthier 1985, 56.

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das Volk sowie das Streben nach dem Besten.50 Durch die Formulierungen schlug der Beschluss zugleich eine Brücke zum Beginn der Erzählung und umspannte den Tatenbericht in Ringkomposition durch die zentralen Leitmotive. Im formalen Aufbau verwirklichten die Verfasser demnach offensichtlich ein literarisches Konzept. Neben der Belobigung sollte Theopompos einen goldenen Kranz sowie zwei Statuen mit Ehreninschriften, neben denen jeweils auch eine Stele mit dem Text des Ehrendekrets aufzustellen war, im Heiligtum der Artemis Amarysia und im Gymnasion erhalten.51 Inschrift und Statue verschmolzen damit gleichsam zu einem Gesamtmonument für ideale Bürgertugend.52 Im gleichen Zusammenhang verwies der Beschluss auf die hortative Funktion der Inschrift. Durch die dauerhafte Publikation sollte das Ehrendekret, dem in diesem Zusammenhang auch große Bedeutung für die Außendarstellung der Stadt beigemessen wurde, sowohl Bürgern als auch auswärtigen Besuchern ein Beispiel von der Tugend des Theopompos geben und sie zugleich zur Nachahmung anstacheln.53 Passend zur Vorbildfunktion des Beschlusses waren die verliehenen Ehrungen zudem jährlich beim Festzug der Dionysien sowie beim agonistischen Waffentanz der Artemisien zu verkünden.54 Im Anschluss legte der Beschluss auch Ehreninschriften für die Statuen, die Theopompos für seine Söhne und seine Tochter hatte errichten lassen, fest und machte die Bildnisse damit gleichsam zu Ehrungen durch die Polis.55 Auch für die Verwendung des Stiftungskapitals nach den Wünschen des Wohltäters traf der Beschluss bis ins Detail ausführliche Vorkehrungen (51–65). Die entsprechenden Anordnungen waren zudem durch Strafbestimmungen – ohne die vermutlich nicht von der reibungslosen Umsetzung der Vorgaben auszugehen war – abgesichert.56 Auch die doppelte Aufzeichnung des Beschlusses wird zu einem wesentlichen Teil der Absicherung der Stiftung gedient

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29–32: ἐπί τε τῇ εὐνοίαι καὶ φιλοδοξίαι ᾗ ἔχει | πρὸς τὸν δῆμον καὶ ἐπὶ τῷ ἀπὸ τῆς πρώτης ἡλικίας τῶν | [κ]αλλίστων ζηλωτὴν γινόμενον ἀπόδειξιν πεποιῆσθαι | [ἧς] ἔχει πρὸς τὰ κοινὰ πράγματα μεγαλοψυχίας. Zu den Ehrungen des Theopompos s. Gauthier 1982, 230. Chankowski 1993, 26. Knoepf­ ler 2009, 209. Zur Aufstellung der Statue im Gymnasion s. auch Delorme 1960, 162. 364. Quaß 1993, 33 Anm. 86. Zur Errichtung der Stelen s. Delorme 1960, 162. Zur Verbindung von Statue und Ehrendekret s. allgemein Ma 2013, 55–62. Zum idealisierenden Bürgerbild der hellenistischen Ehrenstatuen s. auch Zanker 1995. 38–44: ἀναγράψαι δὲ τόδε τὸ ψήφισμα εἰς στήλας | λιθίνας δύο καὶ ἀναθεῖναι παρὰ τὰς εἰκόνας, ὅπως ἐκ|φανὴς ὑπάρχῃ τοῖς τε πολίταις πᾶσιν καὶ τῶν ξένων | τοῖς παρεπιδημοῦσιν ἥ τε τοῦ ἀνδρὸς μεγαλομέρεια καὶ καλο|κἀγαθία καὶ ἡ τοῦ δήμου εὐχαριστία εἰς τοὺς καλοὺς καὶ ἀ|γαθοὺς ἄνδρας καὶ πολλοὶ ζηλωταὶ γίνωνται τῶν ὁμοί|ων. Chankowski 1993, 26. Zu den Waffentänzen s. ausführlich Ceccarelli 1998. Vgl. auch Slater 1993, 200–205. 48–51: ἐπιγράψαι δὲ καὶ ἐπὶ τὰς ἑσταμένας ὑπ’ αὐτοῦ εἰκόνας | τῶν τε υἱῶν καὶ τῆς θυγατρός, διότι ἀνατίθησιν αὐ|τὰς ὁ δῆμος ὁ Ἐρετριέων ἀρετῆς ἕνεκεν καὶ εὐνοίας τῆς | εἰς ἑαυτόν. Zu den Strafbestimmungen s. Laum 1964, 71. Chankowski 1993, 26 f.

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haben. Den Abschluss der Resolution bildeten Bestimmungen zu Aufstellung und Finanzierung von Statuen und Stelen (65–72). In der Summe nahm das Ehrendekret für Theopompos, das durch den Einsatz von Leitmotivik und Ringkomposition zudem ein literarisches Konzept verfolgt zu haben scheint, das gesamte Leben des herausragenden Bürgers ab der frühesten Kindheit in den Blick. Der ausführliche Tatenbericht erschöpfte sich jedoch weitgehend in der Aneinanderreihung von allgemeinen Aussagen und berichtete an konkreten Leistungen lediglich über die großzügige Spende von 40000 Drachmen – wohl der eigentliche Anlass der Ehrungen.57 Doch warum verzichtet die Erzählung trotz der zentralen Stellung der Stiftung insgesamt auf einen ausführlichen Leistungsbericht? Waren den Verfassern schlicht keine anderen Leistungen des Theopompos, der sich letztlich nur durch sein Geld für die besonderen Auszeichnungen qualifiziert hatte, bekannt? Oder verfolgte die Polis mit dem allgemeinen Leistungsbericht andere Ziele? Vielleicht grenzte sich der Beschluss für Theopompos gerade durch die inhaltliche Gestaltung von anderen Ehrendekreten ab und trug durch die außergewöhnliche Ausarbeitung der Erzählung ebenfalls zur individuellen Auszeichnung des herausragenden Bürgers bei. Wie die anderen Ehrungen wird auch die Aufstellung des Beschlusses zu einem Teil dem individuellen Wettbewerb mit anderen Bürgern gedient haben. Die umfangreichen Privilegien verdeutlichten daneben gerade im Vergleich mit den wohl zeitgleichen Auszeichnungen für andere Bürger in Eretria die herausragende Stellung des Theopompos. Sowohl die verliehenen Auszeichnungen als auch die literarische Gestaltung des Ehrendekrets scheinen wie die Aufstellung der Stele zunächst eine seltene Ehre gewesen sein. So bedeutete die Stilisierung zu einem Musterbeispiel für vorbildliches Verhalten zu einem Teil sicherlich eine weitere Anerkennung für Theopompos. Ebenso setzte die Polis mit dem Monument jedoch auch ein überpersonales Denkmal für ideale Bürgertugend und nutzte insbesondere die Erzählung als Folie zur Erstellung eines allgemeinen Tugendkatalogs. An mehreren Stellen betonte der Beschluss seine hortative Funktion und präsentierte Theopompos als Vorbild zur Nachahmung für künftige Generationen. Die Vorbildhaftigkeit eines Bürgers scheint sich jedoch erneut weitgehend über finanzielle Leistungen definiert zu haben. In etwa zeitgleich mit dem Ehrendekret für Theopompos verabschiedete die Polis Eretria einen Beschluss für Hipposthenes und dessen Sohn Aischylos.58 Die

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Ein ähnliches Phänomen zeigt sich ab dem späten 2. Jhdt. v. Chr. auch bei einzelnen Beschlüssen aus anderen Städten. Zu Ehrendekreten mit allgemeinem Motivberichten s. u. S. 420. IG XII 9, 237. S. auch Chankowski 1993, 26. Der Beschluss ist bis auf die Resolution komplett verloren. Aussagen über Umfang und Art der Leistungen erlaubt der Erhaltungszustand nicht. Vermutlich werden sich Vater und Sohn jedoch ebenfalls erst durch großzügige Spenden für die kostspieligen Ehrungen qualifiziert haben.

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beiden herausragenden Bürger erhielten von σύνεδροι und Volk eine Belobigung sowie jeweils einen goldenen Kranz und zwei Bronzestatuen mit Ehreninschriften (2–6). Die Bildnisse sollten im Gymnasion sowie im Heiligtum der Artemis Amarysia aufgestellt werden und erfüllten – wie der Beschluss ausführlich betonte – auch eine hortative Funktion (7–18).59 Wie die Ehrendekrete transportierten offensichtlich auch die Bildnisse, die daneben sicherlich erneut auch einen wichtigen Ansporn für andere Bürger boten, allgemeine Wertvorstellungen und verkörperten ideale Bürgertugenden als Beispiele zur Nachahmung. Im Anschluss traf die Resolution Bestimmungen zur dauerhaften Aufzeichnung des Ehrendekrets auf Stelen neben den Statuen sowie zur Ausrufung der Ehrungen beim Festzug der Dionysien und beim agonistischen Waffentanz der Artemisien (18–27).60 Inschrift und Statue verschmolzen damit erneut zu einem Monument.61 In der Summe scheinen Hippo­ sthenes und Aischylos demnach die gleichen Ehrungen wie Theopompos erhalten zu haben. Die Polis Eretria orientierte sich dabei vermutlich jedoch nicht an einem festen Standard für die Vergabe von Ehrungen, die sich zu einem Teil immer noch am finanziellen Aufwand der ausgezeichneten Personen orientiert haben mögen, sondern schlicht an den vorangegangenen Auszeichnungen.62 Hipposthenes und Aischylos wollten in den eigenen Privilegien mit Sicherheit nicht vor den anderen Bürgern zurücktreten und werden – vielleicht ebenfalls für eine großzügige Spende – die gleichen Auszeichnungen wie die Vorgänger beansprucht haben. Gemeinsam konnten Vater und Sohn sogar doppelt so viele Kränze und Statuen wie der Konkurrent Theopompos für sich verbuchen. 5.1.3 Ehrendekrete für Bürger im späthellenistischen Eretria Die Polis Eretria scheint Ehrendekrete für eigene Bürger lediglich in den Jahrzehnten um 100 v. Chr. publiziert zu haben. Ein Überlieferungszufall ist vor dem Hintergrund der zahlreichen Proxeniedekrete, die zudem über einen langen Zeitraum bezeugt

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Zu den Ehrungen für Hipposthenes und Aischylos s. Gauthier 1982, 230. Knoepfler 2009, 232–234. Zur Aufstellung der Statuen im Gymnasion s. auch Delorme 1960, 162. 364. Quaß 1993, 33 Anm. 86. Ma 2013, 86. Zumindest einen Teil der Leistungen scheinen Hipposthenes und Aischylos demnach im Kontext des Gymnasions erbracht zu haben. Ziebarth 1915, 50. Chankowski 1993, 26. Chankowski 1993, 26. Zur Aufstellung der Stelen s. Delorme 1960, 162. Zu den Waffentänzen s. ausführlich Ceccarelli 1998. Vgl. auch Slater 1993, 200–205. Auch im Ehrendekret für Theopompos bildeten Inschrift und Statue ein Ensemble. S. o. S. 198. Einen Standard bei der Vergabe von Ehrungen vermutet Chankowski 1993, 26. Die Rekonstruktion des Beschlusses ist jedoch an vielen Stellen nicht gesichert und orientiert sich zudem in der Regel am Ehrendekret für Theopompos.

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sind, vermutlich auszuschließen. Die veröffentlichten Ehrendekrete standen stets im Zusammenhang mit dem Gymnasion oder der Gymnasiarchie. Möglicherweise hatten diese Institutionen in Eretria gerade im 2. Jhdt. v. Chr. eine Aufwertung erfahren.63 Teilweise mag für die dauerhafte Aufzeichnung von Ehrendekreten in den Jahren um 100 v. Chr. zudem eine spezifische Konkurrenzsituation von einzelnen Bürgern verantwortlich gewesen sein. Ehrungen für die Ausübung von Polisfunktionen wird die Polis Eretria sicherlich auch zu anderen Zeiten vergeben haben. So erhielten möglicherweise alle Gymnasiarchen zum Ende ihrer Tätigkeit einen Olivenkranz. Auf eine dauerhafte Aufzeichnung der entsprechenden Beschlüsse konnten die jeweiligen Personen in der Regel jedoch nur bei außergewöhnlichen Leistungen hoffen. Wichtige andere Funktionen der Monumente wie die individuelle Auszeichnung der Bürger konnten Rat und Volk zudem auch durch andere Formen der Anerkennung wie die – obwohl ebenfalls seltene – Errichtung von Ehrenstatuen oder die öffentliche Ausrufung der Ehrungen auf ausreichende Weise erreichen. Insbesondere die Aufstellung der ausführlichen und detailreichen Ehrendekrete für die Gymnasiarchen Elpinikos und Mantidoros scheint – wie das vorangegangene Engagement für das Gymnasion – nicht zuletzt einem Wettbewerb zwischen den beiden herausragenden Bürgern entsprungen zu sein. Die lange Auflistung der einzelnen Verdienste stellte die individuellen Verdienste in den Vordergrund und bot damit die Möglichkeit zum Vergleich mit den Konkurrenten sowie zur Distinktion gegenüber anderen Funktionsträgern. Auch das allgemeine Ehrendekret für Theopompos verdeutlichte durch die Erwähnung der großzügigen Spende sowie durch die umfangreichen Ehrungen die herausragende Stellung des verdienten Bürgers. Vielleicht sollte zudem gerade der ungewöhnliche Inhalt in Verbindung mit der aufwendigen Gestaltung der Erzählung in Sprache und Rhetorik das Ehrendekret aus der Masse der anderen Beschlüsse herausheben. Alltägliche Praxis waren in der Polis Eretria – ebenso wenig wie die großzügige Spende – auch die umfangreichen Ehrungen des Theopompos mit Sicherheit nicht. Elpinikos erhielt noch am Ende des 2. Jhdts. v. Chr. mit dem üblichen Olivenkranz für scheidende Gymnasiarchen im Vergleich eine bescheidene Auszeichnung.64 Die Parallelität zwischen den Auszeichnungen für Hipposthenes und Aischylos und den Ehrungen wie für Theopompos war vermutlich nicht der schlichte Ausdruck von standardisierten Ehrenpraktiken, sondern mag erneut einer besonderen Konkurrenzsituation zwischen den herausragenden Bürgern entsprungen sein. Die Ehrendekrete der Polis Eretria betonten daneben stets die hortative Funktion sowohl der Beschlüsse als auch der verliehenen Privilegien und vermittelten zudem – so etwa der allgemeine Tugendkatalog im Ehrendekret für Theopompos – 63 64

Zum baulichen Befund s. jetzt ausführlich Mango 2003. Vgl. Delorme 1960, 161–164. S. auch o. S. 191 Anm. 20. Gauthier 1985, 56.

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eine Vorstellung von den Werten der Polis. Auch die individuellen Tatenkataloge in den Beschlüssen für Elpinikos und Mantidoros präsentierten zugleich beispielhaftes Engagement. Passend zur Vorbildfunktion der Ehrendekrete konzentrierte sich die Aufstellung der Stelen auf das Gymnasion, das der Polis als zentraler Ort der bürgerlichen Identität zur Selbstvergewisserung sowie zur Festigung des traditionellen Wertesystems diente.65 Die Ehrendekrete mit den idealen Tugendbildern sollten den Besuchern des Gymnasions und damit vermutlich insbesondere jungen Leuten die bürgerlichen Werte und die Moralvorstellungen der Polis vermitteln und hatten aus diesem Grund oftmals auch eine direkte Verbindung zu den Ehrenstatuen. Wie die Ehrendekrete konnten auch die Bildnisse Idealvorstellungen der Polis zum Ausdruck bringen und zielten dementsprechend nicht in jedem Fall auf eine reale Abbildung der jeweiligen Personen.66 Inschriften und Statue bildeten ein Ensemble und entwarfen in Verbindung von Text und Bild gemeinsam das idealisierte Bürgerbild der Polis. Ehrenvolles Verhalten scheint sich in der Polis Eretria zum Ende des Hellenismus zunehmend über finanzielle Leistungen definiert zu haben. Sowohl die Gymnasiarchen Elpinikos und Mantidoros als auch der reiche Theopompos scheinen sich die besondere Auszeichnung in Form eines dauerhaft publizierten Ehrendekrets zumindest zum Teil durch kostspielige Feste oder großzügige Spenden erworben zu haben.

5.2 Zwei ideale Bürger – Diodoros aus Ephesos und Melanion aus Iasos Wie die Polis Eretria nutzten auch andere Städte zur Aufstellung von Ehrendekreten für eigene Bürger im Hellenismus neben Heiligtümern und öffentlichen Plätzen die Gymnasien, die als zentrale Orte für die Vermittlung von bürgerlichen Werten und Polisideologien einen idealen Rahmen für die Monumente boten. So sollten die idealisierenden Darstellungen gerade der im Gymnasion versammelten Jugend der jeweiligen Stadt als vornehmlichem Adressaten der Beschlüsse während der Ausbildung die Werte und Ideale der Polis vermitteln. Die Beschlüsse mussten dabei 65

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Die Beschwörung von Tugendkonzepten und Idealbildern durch die Publikation von Ehrendekreten scheint in einigen Städten erst durch akute Gefährdungen oder möglicherweise auch durch einen drohenden Verfall der bürgerlichen Werte ausgelöst worden zu sein. S. allgemein o. S. 49. Auch in die Polis Eretria mag die Aufstellung von entsprechenden Beschlüssen demnach ein Indiz für einen Niedergang der traditionellen Wertewelt sein. Direkte Zusammenhänge zu den historischen Entwicklungen in der Stadt lassen sich jedoch nicht herstellen. Zum idealisierenden Bürgerbild der hellenistischen Ehrenstatuen s. Zanker 1995. S. auch o. S. 198 Anm. 52.

Zwei ideale Bürger – Diodoros aus Ephesos und Melanion aus Iasos

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nicht in jedem Fall eine direkte Verbindung mit dem Gymnasion haben und konnten wie das Ehrendekret für Theopompos auch allgemeine Idealvorstellungen der Polis propagieren. In den meisten Fällen hatten die Ehrendekrete in den Gymnasien aber inhaltliche Anknüpfungspunkte an den Ort der Aufstellung. 5.2.1 Diodoros aus Ephesos – Der ideale Gymnasiarch Der Pfeiler mit dem Beschluss für den Gymnasiarchen Diodoros aus dem 2. Jhdt. v. Chr. scheint in der Polis Ephesos eine seltene Ausnahmeerscheinung gewesen zu sein.67 Im Gegensatz zur Praxis bei anderen Inschriftengattungen verzichteten Rat und Volk in der Regel auf die dauerhafte Aufzeichnung von Ehrendekreten für eigene Bürger.68 Selbst die Initiative zur Auszeichnung des Diodoros ging nicht auf die Polis zurück. Stattdessen hatten Epheben und Neoi, die selbstständig keine Beschlüsse fassen durften, durch Vertreter einen Antrag auf Ehrung des Diodoros für dessen Engagement als Gymnasiarch der Neoi gestellt (1–5/28–31).69 Der Motivbericht (5–25) beschränkte sich ausschließlich auf die Leistungen des verdienten Bürgers während der einjährigen Tätigkeit im Gymnasion und räumte dabei insbesondere dem Engagement für die Neoi als Mitinitiatoren der Ehrung naturgemäß einen prominenten Platz ein. So kümmerte sich Diodoros neben der Bereitstellung von Öl um das gute Benehmen der jungen Männer und sorgte zugleich für deren körperliche und geistige Fitness. Durch die Maßnahmen sollte letztlich auch das Ansehen der

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I. Ephesos 6. Die Inschrift befindet sich in Zweitverbauung auf einem Pfeilerquader aus weißem Marmor in der Scholastikiatherme von Ephesos. Der ursprüngliche Standort des Inschriftenträgers mag ein Gymnasion gewesen sein. Im oberen Bereich sind die Buchstaben stark abgerieben. Der genaue Wortlaut des Beschlusses lässt sich dementsprechend in weiten Teilen lediglich im Ansatz rekonstruieren. In der letzten Zeile scheint die Aufzeichnung des Beschlusses bewusst abgebrochen worden zu sein. Zu Erhaltung und Datierung s. Wankel 1979, 33. Zur Datierung der Inschrift s. auch Robert 1967, 11 f. Curty 2015, 155. Trotz der Vielzahl an epigraphischen Zeugnissen aus Ephesos sind im Verhältnis nur sehr wenige Ehrendekrete für eigene Bürger bekannt. Neben dem Ehrendekret für Diodoros ist lediglich im fragmentarischen Beschluss für Skythes ein Ehrendekret für einen Bürger zu vermuten. I. Ephesos 1390. Aussagen über Herkunft und Karriere des Skythes sind nicht möglich. Neben der Belobigung verlieh der Beschluss einen goldenen Kranz und eine Bronzestatue. Zwei weitere Beschlussfragmente sind möglicherweise ebenfalls als Ehrendekrete für Bürger anzusprechen. I. Ephesos 1391. 1407. Einen prominenten Platz können entsprechende Beschlüsse in der Inschriftenlandschaft der Stadt nicht eingenommen haben. Andere Beschlüsse für auswärtige Wohltäter wie Bürgerrechtsverleihungen und Proxeniedekrete ließen Rat und Volk in großen Zahlen publizieren. Zum Zustandekommen des Beschlusses s. auch Robert 1967, 9. 13 f. Boulay 2014, 45. Curty 2015, 154 f. 303.

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Ehrendekrete im Kontext von Gymnasion und Gymnasiarchie

Neoi entsprechend der traditionellen Bedeutung des Gymnasions steigen.70 Daneben engagierte sich Diodoros auch in allen übrigen Belangen der Einrichtung und scheint sich stets in Wort und Tat um eine herausragende Erfüllung der Aufgaben bemüht zu haben.71 In der Folge sollten die besonderen Anstrengungen dem Gymnasiarchen nach eigenem Anspruch zu Erinnerung und Lob verhelfen und boten in diesem Zusammenhang einen wichtigen Antrieb für die besonderen Anstrengungen. Zugleich entwarf der Abschnitt ein Idealbild von der Tätigkeit eines guten Gymnasiarchen und propagierte allgemeine Vorstellungen von Tugend und bürgerlichen Werten. Die unterschiedlichen Zwecke des Beschlusses sollten nicht zuletzt durch die dauerhafte Aufzeichnung erreicht werden. Neben Ehre und Erinnerung transportierte das Monument Beispiele für ideale Bürgertugend und richtiges Verhalten zur Nachahmung. Wie das Ehrendekret hatte erneut auch die Ehrenstatue des Diodoros hortative Funktionen zu erfüllen. Das als sichtbare (ἐπίσημος) Ehrung beschlossene Standbild sollte alle Bürger zu schönsten Taten animieren (25–28).72 Im Anschluss an den Antrag der Epheben und Neoi verzeichnete die Inschrift die Antwort der Volksversammlung (31–37). In Anbetracht der Tugenden des Diodoros – φιλοδοξία und δικαιοσύνη sowie σπουδή und ἐπιμέλεια gegenüber dem Gymnasion – nahm das Volk den Antrag an und erlaubte die Aufstellung der Statue vor der östlichen Säulenhalle im Gymnasion.73 Über die knappe Begründung des Antrags gab die Polis einen weiteren Einblick in den eigenen Wertekanon und präsentierte den herausragenden Gymnasiarchen als ein Beispiel für ideale Bürgertugend. Die Volksversammlung verzichtete jedoch auf ein eigenes Ehrendekret und schloss sich stattdessen dem von Epheben und Neoi formulierten Antrag an. Auch die Kosten für die Ehrung scheint die Stadt nicht übernommen zu haben.

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Robert 1967, 10–13. Wörrle 1995, 249. 19–25: καὶ λόγωι καὶ ἔργωι συνεπαυξηθῆναι τὸ τῶν νέων ἀξίωμα | πρεπόντως τῆι τε περὶ τὸν τόπον διὰ προγόνων ὑπαρχούση.[ι] | σεμνότητι καὶ δόξῃ{ς} τῶν τε λοιπῶν τῶν κατὰ τὸ γυμνάσιον ἐπ[ε]|μελήθη μισοπονήρως τε καὶ φιλαγάθως, ἐν οὐθενὶ ἐνλείπων τῶ[ν]| πρὸς τιμὴν καὶ δόξαν ἀνηκόντων χάριν τοῦ μνήμης ἀξίαν κα[ὶ ἐ]|π.αίνου καταστῆσαι τὴν οὖσαν περὶ αὐτὸν αἵρεσιν πρὸς τὰ κάλλ[ισ]|τα. Der Abschnitt war wie zahlreiche Ehrendekrete des Späthellenismus mit syntaktisch aufwendigen allgemeinen Formulierungen ausgeschmückt. Zum Stil der «basse époque hellénistique» s. Robert 1967, 11. Vgl. Boulay 2014, 45. Curty 2015, 155. Zur Statue des Diodoros s. auch Curty 2015, 154 f. Der Pfeiler mit dem Ehrendekret mag ursprünglich Teil der östlichen Säulenhalle gewesen sein und sich in der unmittelbaren Umgebung der Statue befunden haben.

Zwei ideale Bürger – Diodoros aus Ephesos und Melanion aus Iasos

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5.2.2 Ein vorbildlicher junger Mann – Der Ephebarch Melanion aus Iasos Die Polis Iasos publizierte im Hellenismus zahlreiche Beschlüsse für auswärtige Personen – oftmals in der Funktion von fremden Richtern – und ließ daneben immer wieder auch Ehrendekrete von fremden Städten für Richter aus Iasos aufstellen.74 Ehrendekrete für eigene Bürger erfuhren hingegen – auch wenn Rat und Volk entsprechende Beschlüsse mit Sicherheit ebenfalls verabschiedet haben werden – erneut nur in seltenen Fällen eine dauerhafte Aufzeichnung. Mit dem Ehrendekret für die beiden Brüder Gorgos und Minnion aus den Jahren vor 323 v. Chr. gehörte die Polis zunächst allerdings sogar noch zu den ersten Städten, die mit entsprechenden Praktiken begannen.75 Die nächsten Ehrendekrete für eigene Bürger sind jedoch erst für den Späthellenismus bezeugt. In dieser Zeit ließen Rat und Volk entsprechende Beschlüsse insbesondere im Kontext des Gymnasions aufstellen.76 In der römischen Kaiserzeit ehrte die Stadt zahlreiche Bürger durch die Anbringung von kurzen Ehreninschriften, die zumeist bereits verstorbenen Personen gewidmet waren und zudem in vielen Fällen erneut Leistungen im Kontext des Gymnasions würdigten.77 Die entsprechenden Einrichtungen müssen demnach – auch wenn sie sicherlich schon längere Zeit existierten – ab dem späten Hellenismus eine bedeutende Rolle im öffentlichen Leben der Stadt gespielt haben.78 Das Ehrendekret für den Ephebarchen Melanion aus dem 1. Jhdt. v. Chr. konzentrierte den Motivbericht auf die Jugend und die hervorragenden Anlagen und thematisierte in diesem Kontext insbesondere das vielversprechende Engagement im 74

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Eine aktuelle Zusammenstellung der bekannten Inschriften bei Fabiani 2015, 9. Vgl. Delrieux 2005. Die Ehrendekrete für fremde Richter ließen Rat und Volk sowohl in Iasos als auch in den Heimatstädten der jeweiligen Personen aufstellen. I. Iasos 24 + 30. Zur Zusammenfügung der beiden Fragmente s. Fabiani 2007, 382 f. Gorgos und Minnion hatten während der Alexanderzüge Karriere gemacht und waren den bürgerlichen Sphären durch die großen Erfolge und die lange Abwesenheit aus der Heimatstadt weitgehend enthoben. Das Ehrendekret unterschied sich dementsprechend kaum von den Beschlüssen für fremde Personen. Zur Karriere der beiden Brüder s. Berve 1926, 114. 264. Blümel 1985b, 145 f. 159–161. Delrieux 2001, 169–174. Delrieux 2005, 174. Vacante 2011, 323. 330 f. Zu Gorgos s. ausführlich Heisserer 1980, 169–203. Rat und Volk publizierten zwei Beschlüsse für den Ephebarchen Melanion und den Paidonomen C. Iulius Kapiton. I. Iasos 98. 99. Zudem ließen die πρεσβύτεροι ein Ehrendekret für den herausragenden Bürger Kritios aufstellen. I. Iasos 93. Frühere Beispiele für Beschlüsse zu Ehren von Bürgern bei Fabiani 2015, 9. Außer dem Beschluss für Gorgos und Minnion bietet der epigraphische Befund vor dem Beschluss für Melanion jedoch keinen sicheren Beleg für die Auszeichnung von Bürgern durch die Polis. I. Iasos 84–97. 100–106. 112–124. Die Ehrendekrete bezeugen für die Polis Iasos die Existenz von mindestens zwei als Ptolemaion und Antiocheion bezeichneten Gymnasien. Blümel 1985a, 100. 103. Boulay 2014, 41.

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Ehrendekrete im Kontext von Gymnasion und Gymnasiarchie

Gymnasion.79 Bedeutende Erfolge konnte Melanion, der zum Zeitpunkt der Ehrung vermutlich noch sehr jung war und dementsprechend erst am Beginn einer aussichtsreichen Laufbahn stand, noch nicht vorweisen. Gerade in diesem besonderen Fall werden deshalb auch die Herkunft und die prominente Familie, die im Beschluss an mehreren Stellen Erwähnung fanden, eine wichtige Rolle bei der Verabschiedung des Beschlusses gespielt haben. Zur Person des Melanion wusste die Erzählung bis auf ein zusätzliches Studium der Philosophie (15–16) und die Ernennung zum Ephebarchen – eine Art «Klassensprecher» des Ephebenjahrgangs – als eigentlichem Anlass der Ehrung (22–23) kaum konkrete Details zu berichten.80 Stattdessen bot der Motivbericht vornehmlich allgemeine Überlegungen über Tugendhaftigkeit und außergewöhnliche Begabung und stilisierte den jungen Mann nach den Vorstellungen der späthellenistischen Polis Iasos zu einem Idealbild an bürgerlichen Tugenden und traditionellen Werten wie ἀρετή und καλοκἀγαθία. Gerade als Ephebarch sollte Melanion seinen Altersgenossen ein Beispiel sein und den idealen Jugendlichen repräsentieren. Neben zahlreichen Tugendbegriffen bot der Beschluss auch allgemeine Überlegungen über richtiges Verhalten. Melanion zeigte ein angemessenes Benehmen für einen besonnenen und gebildeten Mann und gab ein schönes Beispiel der eigenen Überzeugungen.81 Zudem legte der junge Ephebarch auch gegenüber Eltern, Verwandten und Bürgern ein vorbildliches Verhalten an den Tag und war im Gymnasion stets fleißig und lernwillig. Insgesamt bewirkte Melanion durch seine Tugend und das Ansehen der Familie, die als Folge des geringen Alters offensichtlich große Bedeutung für die Beurteilung des jungen Mannes besaß, nur das Beste in Wort und Tat.82 Ebenso wichtig wie das öffentliche Auftreten war in der späthellenistischen Zeit daneben das vorbildliche Verhalten von Bürgern im privaten Bereich.83

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I. Iasos 98. Die Inschrift verzichtet auf Präskript und einleitende Antragsformel und beginnt mit dem Motivbericht. Das Originaldokument im Archiv wird die formalen Elemente sicherlich enthalten haben. Große Bedeutung scheint die Polis dem Zustandekommen des Beschlusses jedoch nicht beigemessen zu haben. Zur philosophischen Ausbildung des Melanion s. Wörrle 1995, 249. Haake 2007, 233. 281. Scholz 2008, 95. Gray 2013, 238. Hinsichtlich der charakterlichen Entwicklung des jungen Mannes betont der Beschluss das Zusammenspiel von Anlage und Erziehung und reflektiert vermutlich aristotelische Vorstellungen. Gray 2013, 245–247. S. etwa Arist. EN 1104 b 3–1106 a 13. 1140 b 16–18. 1179 b 4–10. Die Erzählung versuchte die Konzepte durch den Verzicht auf Adverbien in der allgemeinen Episode über die früheste Kindheit zudem in der sprachlichen Gestaltung umzusetzen. Gray 2013, 241. 6–7: ὡς πρέ|πον ἐστὶν ἀνδρὶ σώφρονι καὶ πεπαιδευμένωι. 17–19: καλὸν | ὑπόδειγμα τῆς ἰδίας προαιρέσεως καταβαλλό|μενος. Zu den Tugenden des Melanion s. Kleijwegt 1991, 234. 242. Wörrle 1995, 249. Scholz 2004b, 113 f. Haake 2007, 232 f. Scholz 2008, 85. 95. Gray 2013, 246. Zu Melanion als ὑπόδειγμα τῆς ἰδίας προαιρέσεως (18) s. auch Wörrle 1995. 248. Haake 2007, 220 Anm. 12. 232 f. Wörrle 1995, 244 f.

Zwei ideale Bürger – Diodoros aus Ephesos und Melanion aus Iasos

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Insgesamt zeigte die Beschlussvorlage daneben auch eine bewusste Strukturierung und setzte die inhaltlichen Aussagen zudem mit sprachlichen Mittel um. So begann die Erzählung mit einem ausführlichen Abschnitt zu Tugend und Einstellung des Melanion (1–22) und berichtete erst im Anschluss in knappen Worten von der Tätigkeit als Ephebarch als eigentlichem Anlass der Ehrung (22–26). Der allgemeine Abschnitt über die herausragenden Eigenschaften des Melanion beschrieb dabei zum Auftakt die von den Vorfahren ererbten Tugenden sowie die Tüchtigkeit des jungen Mannes.84 Die gleichförmigen Ideale scheinen sich auf den ersten Blick um sich selbst zu drehen – Melanion ist ein ἀνὴρ καλὸς κἀγαθός (4–5), weil er sich καλοκἀγαθικῶς (4) verhält – und weitgehend zu inhaltsleeren Phrasen zu verkommen.85 Trotz der inhaltlichen Redundanz boten die Formulierungen auf tieferen Ebenen jedoch auch Reflexionen über den Zusammenhang von Verhalten und Charakter und griffen vielleicht sogar philosophische Überlegungen auf.86 Insgesamt scheinen Rhetorik und Philosophie in Iasos wie auch in anderen Städten großen Einfluss auf den Inhalt und die sprachliche Gestaltung der Ehrendekrete genommen zu haben.87 Die allgemeine Zusammenfassung über die Tugend des Melanion am Ende des ausführlichen ersten Abschnitts bezog sich in Ringkomposition auf die einleitenden Formulierungen.88 Der Ausdruck πράσσων τὰ κάλλιστα (19–20) sowie die Tugend und die von den Vorfahren ererbte καλοκἀγαθία (22) rahmten in Verbindung mit der einleitenden Charakterisierung als καλὸς κἀγαθός (4–5) und καλοκἀγαθικῶς (4) als Leitmotive den ersten Abschnitt der Erzählung. Der Superlativ κάλλιστα (20) bot zugleich eine Steigerung zum einleitenden Ausdruck καλὸς κἀγαθός (4–5). Der dazwischenliegende Bericht über die herausragenden Eigenschaften gliederte sich in drei Episoden (5–19). Der erste Anschnitt thematisierte – strukturiert durch eine καὶ (…) μὲμ (…) δὲ καὶ (…) δὲ καί Konstruktion – das vorbildliche Verhalten gegenüber den Göttern sowie gegenüber Verwandten und Bürgern (5–10). Die beiden anschließenden Abschnitte (10–14/14–19) waren jeweils durch die verbindende Partikel τε (10/14) angeschlossen und berichteten über die allgemeinen Leistungen, die Melanion seit der frühesten Kindheit im Gymnasion gezeigt hatte, sowie über

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1–5: ἐπειδὴ Μελανίων Θεοδώρου προγό|νων ὑπάρχων εὐεργετῶν τῆς πόλεως, | ἄξια πράσσων τῆς ἐκείνων ἀρετῆς ἐμ πᾶσιν | καλοκἀγαθικῶς ἀναστρεφόμενος ἀνὴρ κα|λὸς κἀγαθός ἐστιν. Wörrle 1995, 247. Gray 2013, 241–243. Gray zieht etwa Parallelen zur Nikomachischen Ethik des Aristoteles. Zum Zusammenhang zwischen Verhalten und Charakter s. etwa Arist. EN 1103 a 26–b 25. 1105 a 17–b 18. Vielleicht griff die Beschlussvorlage jedoch schlicht auf populärphilosophisches Gedankengut zurück. Zum allgemeinen Einfluss von philosophischen Vorstellungen auf die Ehrendekrete s. auch Dreyer 2010, 352–355. 364. Zum Verhältnis der Ehrendekrete zu Philosophie und Rhetorik s. zusammenfassend u. S. 457–459. 19–22: καθόλου τε καὶ λέγωγ καὶ πράσσων τὰ | κάλλιστα καὶ ἐνδοξότατα διατελεῖ ἐμ πᾶσιν | στοιχῶν τῆι τε ἰδίαι ἀρετῆι καὶ δόξηι καὶ τῆι {ι} διὰ προ|γόνων ὑπαρχούσηι αὐτῶι καλοκἀγαθίαι.

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Ehrendekrete im Kontext von Gymnasion und Gymnasiarchie

seine konkreten Bemühungen bei der Elementarausbildung und beim Studium der Philosophie.89 Insgesamt zeigte die Erzählung demnach eine aufwendige Gestaltung in Sprache und Rhetorik und war um einen strukturierten Aufbau bemüht.90 Auch der knappe Abschnitt zur Tätigkeit als Ephebarch griff Schlüsselbegriffe und Leitmotive der Erzählung auf. Melanion verhielt sich würdig des Vaters und der Neoi sowie des gesamten Demos.91 Daneben reflektierte der Passus vermutlich erneut philosophische Überlegungen.92 In der Summe thematisierte das Ehrendekret für Melanion durch die Fülle an Wertbegriffen und die allgemeinen Aussagen zu Tugend und richtigem Verhalten demnach vornehmlich die Idealvorstellungen der Polis Iasos von einem jungen Bürger. Trotz der insgesamt geringen Leistungen erhielt Melanion – um allen Leuten öffentlich das Wohlwollen der Volksmenge gegenüber vorbildlichen Männern zu zeigen (26–31) – eine Belobigung, einen goldenen Kranz für seine Tugend, ein gemaltes Bild in einem Gymnasion mit dem Namen Ptolemaion sowie zwei Statuen aus Bronze und Gold an einem frei zu wählenden Ort (31–41).93 Die Hortativformel gab einen entscheidenden Hinweis auf die Gründe der Stadt für die Aufstellung der Bildnisse und des Ehrendekrets. Mit dem Beschluss für Melanion publizierte die Polis nicht zuletzt einen allgemeinen Tugendkatalog für vorbildliches Verhalten als Leitbild für andere Bürger.94 Der Beschluss und insbesondere die umfangreichen Privilegien werden dementsprechend zu Teilen sowohl zum persönlichen Ansehen

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Blümel möchte im allgemeinen Ausdruck ἀπό τε τῆς | πρώτης ἡλικίας (10–11) eine Anspielung auf die Geschichte von Herakles am Scheideweg sehen. Blümel 1985a, 103. Entsprechende Formulierungen gehörten jedoch zum Standardrepertoire der Ehrendekrete. Die Geschichte von Herakles am Scheideweg und das Ehrendekret teilten demnach wohl lediglich gemeinsame Grundideen und gingen auf allgemeine Vorstellung von einer vorbildlichen Lebensgestaltung zurück. Zur rhetorischen Qualität s. auch Robert 1960, 586 Anm. 7: «excellent spécimen du style de la basse époque hellénistique.» Vgl. Wörrle 1995, 249. Haake 2007, 234. Die sprachlichen Qualitäten des Beschlusses zeigen sich daneben in der Rhythmisierung der Satzschlüsse durch Prosaklauseln wie Doppelkretikus (26: τοῦ σύμπαντος δήμου) oder Ditrochäus (11– 12: γινό|μενος). 24–26: ἀξί|ως ἀναστρεφόμενος τοῦ τε πατρὸς καὶ τῶν | νέων καὶ τοῦ σύμπαντος δήμου. So mag etwa der Verzicht auf den Gebrauch von Adverbien in der allgemeinen Episode über die früheste Kindheit auf aristotelische Vorstellungen von der Charakterentwicklung zurückgehen. Arist. EN 1105 a 26–33. Vgl. Gray 2013, 241. Letztlich sind direkte Bezüge zu einzelnen Schriften des Aristoteles jedoch nicht nachzuweisen. Die Grundlagen des Beschlusses mögen ebenso im populärphilosophischen Gedankengut des Hellenismus zu suchen sein. S. auch o. S. 207 Anm. 86 f. Haake 2007, 233. Zur hortativen Intention des Beschlusses s. Gray 2013, 249. Die Reduktion der Ehrung auf «an incentive for others to contribute to the city» unterschätzt jedoch die paradigmatischen Funktionen der Erzählung. Zum Tugendkonzept des Ehrendekrets s. Wörrle 1995, 249. Vgl. auch Haake 2007, 233. Wörrle kritisiert die rückwärtsgewandten und auf Gleich-

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des Ephebarchen sowie zum Prestige der gesamten Familie als auch zur Verbreitung der allgemeinen Ansichten von Moral und Bürgertugend beigetragen haben. Durch die Aufstellung des Ehrendekrets und der Bildnisse im Gymnasion sollte das Beispiel des Ephebarchen Melanion insbesondere anderen Jugendlichen aus Iasos als Leitbild für das eigene Verhalten präsentiert werden. Der «echte» Melanion mag der idealisierenden Darstellung der Stadt nicht in allen Punkten entsprochen haben.95 Ein realistisches Bild von der Karriere des jungen Mannes zu zeichnen war jedoch auch nicht die primäre Intention des Beschlusses – auch wenn Verhalten und öffentliches Auftreten zum Teil mit Sicherheit Anknüpfungspunkte für die Lobeshymnen geboten haben werden.

5.3 Die Ehrendekrete für Gymnasiarchen aus Pergamon – Ein Ausnahmefall Die attalidische Residenzstadt Pergamon ließ erst zum Ende der Königszeit Ehrendekrete für eigene Bürger aufstellen. In der unmittelbaren Umgebung der pergamenischen Könige im Zentrum des Reiches hatte die Bürgerschaft bei der öffentlichen Ehrung von Personen, die nicht zur königlichen Familie gehörten oder in der expliziten Gunst der Herrscher standen, offensichtlich lange Zeit kaum Freiräume und übte demnach bei der Errichtung von entsprechenden Monumenten große Zurückhaltung.96 Bis in die Zeit des Attalos III. hatten Rat und Volk – sofern sich die Option unter dessen Vorgängern überhaupt gestellt haben sollte – sogar vollständig auf die Aufstellung von Ehrendekreten verzichtet. Die meisten Beschlüsse publizierte die Polis jedoch erst in einem kurzen Zeitraum von wenigen Jahren nach dem Ende des Königreichs und der Einrichtung der römischen Provinz.97 Zu den wichtigsten Betätigungsfeldern für engagierte Bürger im Pergamon der Jahre um

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förmigkeit ausgerichteten Wertvorstellungen des Ehrendekrets und bezeichnet Melanion als «angepassten Streber». Individuelle Elemente waren in dem als allgemeine Tugenddarstellung konzipierten Beschluss jedoch vielleicht schlicht nicht beabsichtigt. Vgl. Wörrle 1995, 250. Bielfeldt 2010, 146: «Anspruch auf eine öffentliche Ehrung hatte in Pergamon nur, wer in der Herrschergunst stand.» Vgl. zusammenfassend ebd. 189–194. Mathys 2014, 18. 46. 89. 95. Zur Datierung der Ehrendekrete aus Pergamon s. Wörrle 2000, 546 Anm. 10. 554–557. Wörrle 2007, 509. Die Aufstellungspraxis von Ehrenstatuen für Bürger im Gymnasion zeigt dieselben Phänomene wie die Publikation von Ehrendekreten. Mathys 2009, 234– 236. Mathys 2014, 44–68. Allgemein Ma 2013, 101–103.

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Ehrendekrete im Kontext von Gymnasion und Gymnasiarchie

133 v. Chr. zählte dem Anschein nach das Gymnasion.98 So beschränkte die Polis die Publikation von Ehrendekreten nahezu ausschließlich auf Personen in der Funktion von Gymnasiarchen. Zu einem Teil war die Prominenz der Gymnasiarchie bei den pergamenischen Bürgern sicherlich durch die soziopolitischen Strukturen der Stadt bedingt. Bereits für die attalidischen Herrscher hatte das Gymnasion als Bildungseinrichtung große Bedeutung besessen und sich dementsprechend des persönlichen Schutzes und der Zuwendungen der Könige erfreut.99 Nach dem Ende der Monarchie mussten einzelne Bürger die Sorge um die Gymnasien übernehmen und traten damit in einem Teilbereich der öffentlichen Verwaltung die unmittelbare Nachfolge der Könige an.100 In der Residenzstadt Pergamon stand die Publikation von Ehrendekreten für eigene Bürger demnach in direktem Zusammenhang mit den tiefgreifenden Veränderungen in Politik und Gesellschaft um das Ende der Monarchie. 5.3.1 Ehrendekrete für Gymnasiarchen aus der Regierungszeit des Attalos III. Die Aufstellung von Ehrendekreten für eigene Bürger begann die Polis Pergamon jedoch bereits während der Regierungszeit des Attalos III. Für den Beschluss zu Ehren des unbekannten Gymnasiarchen Μη[– – –] wählten Rat und Volk eine für pergamenische Urkunden unübliche Form des Präskripts und begannen die Datierung zunächst mit den Priestern der Königsfamilie (1–5).101 Die eigentliche Beschlussvorlage, die auf eine Initiative der antragstellenden Strategen zurückging, scheint im Anschluss zunächst allgemein Tugend und Leistungsfähigkeit des Μη[– – –] gelobt zu haben und bot vermutlich auch eine knappe Zusammenfassung von früheren Funk-

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Wörrle 2007, 503. Vgl. auch Mathys 2009, 238. Bielfeldt 2010, 150. Zum baulichen Befund s. Von den Hoff 2004, 382–391. Hansen 21971, 390. Ameling 2004, 138 f. Wörrle 2007, 503–509. Mathys 2014, 45 f. Zu den Gymnasien in Pergamon s. ausführlich Delorme 1960, 171–191. Radt 1999, 113–134. Schuler 2004, 182. Ameling 2004, 141 f. Wörrle 2007, 512. Mathys 2009, 232. Mathys 2014, 50. 90. Die Übernahme von königlichen Aufgaben durch herausragende Bürger scheint ein allgemeines Phänomen des späten Hellenismus gewesen zu sein. So sorgte Moschion in Priene für die Fertigstellung des von einem König versprochenen Gymnasions. S. u. S. 289. Vgl. Gauthier 1985, 54–56. 72. Thériault 2007 Abs. 33–35. Mathys 2014, 4. Jacobsthal 1908 Nr. 1. Vom Namen des Gymnasiarchen sind lediglich die beiden Anfangsbuchstaben erhalten. Die Inschrift ist im rechten oberen und im gesamten unteren Bereich gebrochen. Der Beginn des Beschlusses sowie die ersten Abschnitte des Motivberichts sind erhalten oder lassen sich in Teilen rekonstruieren. Oberhalb des Inschriftenfelds ist der Stein mit einer profilierten Leiste verziert. Eine Abbildung der Inschrift bei Jacobsthal 1908, Taf. XXIII 1. Zu den Königspriestern s. Jacobsthal 1908, 375–379. Hansen 21971, 142. 468 f. Bielfeldt 2010, 158–160.

Die Ehrendekrete für Gymnasiarchen aus Pergamon

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tionen (7–10).102 Den eigentlichen Anlass des Ehrendekrets bildete jedoch die auf das Jahr genau datierte Gymnasiarchie des Μη[– – –] – eine vermutlich meist zum Ende der politischen Karriere ausgeübte Funktion.103 Der entsprechende Abschnitt berichtete zunächst von alltäglichen Aufgaben und entwarf damit zugleich ein allgemeines Bild von den üblichen Tätigkeiten eines Gymnasiarchen (10–18).104 Der herausragende Bürger kümmerte sich um die Erziehung und Ausbildung der Epheben und der Neoi und sorgte für die Ausstattung der Einrichtung. Erst im Anschluss (18–34) widmete sich die Erzählung den besonderen Verdiensten des Μη[– – –], dessen Engagement vermutlich den üblichen Rahmen an von einem Gymnasiarchen zu erwartenden Leistungen verließ und letztlich auch den Anlass für die Publikation des Ehrendekrets durch die Polis gegeben haben wird. Auf eigene Kosten hatte der reiche Bürger eine vier Ellen hohe vergoldete Statue des Attalos III. Φιλομήτωρ gestiftet und im Namen des Demos mit einer Ehreninschrift versehen.105 Zudem hatte der Gymnasiarch die Siegespreise, die von anderen Bürgern bei den Fackelspielen der Lakinia gewonnen worden waren, im Gymnasion aufstellen lassen und teilweise wohl auch das Öl für den Betrieb der Einrichtung zu Verfügung gestellt.106 Insgesamt beschränkte sich die ausführliche Erzählung vornehmlich auf die Verdienste des Μη[– – –] um das Gymnasion und verzichtete zu Gunsten der thematischen Geschlossenheit auf eine mögliche Gesamtdarstellung der Lebensleistung. Qualifiziert hatte sich Μη[– – –] für die Ehrungen durch die Stadt erst durch außergewöhnliche Leistungen, die über das übliche Engagement eines Gymnasiarchen hinausgingen. Insbesondere die Verdienste um den Königskult spielten in der Darstellung eine wichtige Rolle und mögen letztlich den entscheidenden Grund für die dauerhafte Publikation des Beschlusses gegeben haben. Mit der Errichtung des Monuments verfolgte die Polis demnach vermutlich auch ideologische Intentionen. Die Erzählung erinnerte an die Errichtung der Königsstatue im Namen des Demos und war damit zugleich ein Zeichen für die Loyalität und Zustimmung der Stadt gegenüber dem Herrscher.107 Auch die Nennung der Königspriester im Präskript werden die Verfasser als Ausdruck der Verbundenheit mit dem Herrscherhaus intendiert

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Zur Erwähnung von früheren Funktionen s. allgemein Quaß 1993, 37 mit Anm. 101. Wörrle 2007, 510. Zu den allgemeinen Leistungen s. Jacobsthal 1908, 379. Ziebarth 21914, 59 f. Delorme 1960, 256. Hansen 21971, 394. Quaß 1993, 287 Anm. 1193. Ameling 2004, 140. Zur Ehrenstatue des Attalos III. s. Von den Hoff 2004, 386. Bielfeldt 2010, 143. 163. Mathys 2014, 46. Zu den konkreten Tätigkeiten s. Jacobsthal 1908, 379. Hansen 21971, 142 f. 469. Quaß 1993, 207 Anm. 748. 288 Anm. 1199. Wörrle 2000, 556. Ameling 2004, 140. Bielfeldt 2010, 141 Anm. 77. Über mögliche weitere Leistungen des unbekannten Bürgers erlaubt der Erhaltungszustand der Inschrift keine Aussagen. Zur generellen Bedeutung der Herrscherkulte in den Gymnasien s. auch Ameling 2004, 133–135.

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Ehrendekrete im Kontext von Gymnasion und Gymnasiarchie

haben. Daneben erfüllte der Bericht über den vorbildlichen und engagierten Einsatz des Μη[– – –] sicherlich auch eine paradigmatische Funktion und zeigte das Verhalten eines vorbildlichen Gymnasiarchen. Königstreue scheint für die Beurteilung eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Vermutlich konnten Bürger in der attalidischen Residenzstadt nur bei guten Beziehungen zum Herrscherhaus auf eine besondere Auszeichnung durch die Polis hoffen. Verabschiedung und Publikation des Ehrendekrets für den Gymnasiarchen Agias, das in Inhalt und Aufbau große Übereinstimmungen mit dem Beschluss für Μη[– – –] zeigte, erfolgten wohl ebenfalls noch während der Regentschaft des Attalos III. – auch wenn die Polis bei der Aufzeichnung des Beschlusses auf ein datierendes Präskript verzichtete.108 Während die Erzählung erneut mit der zusammenfassenden Würdigung von Tugendhaftigkeit und früheren Verdiensten begann (2–6), wandte sich der anschließende Hauptteil wiederum der auf das Jahr genau datierten Gymnasiarchie als eigentlichem Anlass des Beschlusses zu. Am Anfang des entsprechenden Abschnitts stand eine allgemeine Beschreibung der Tätigkeiten im Gymnasion (6–13).109 Wie Μη[– – –] kümmerte sich Agias um die Ausbildung der Epheben und Neoi, sorgte sich streng und gerecht um die Disziplin im Gymnasion und bewahrte die gute Ordnung angemessen der eifrigen Bemühungen des Königs wie des Volkes.110 Der anschließende Teil der Erzählung (13–31) widmete sich den konkreten Leistungen des Agias und berichtete zunächst über die Aufnahme und die teilweise Besoldung von fremden Lehrern, deren restliche Bezahlung die Epheben durch einen Beitrag zu übernehmen hatten.111 Daneben kümmerte sich der engagierte Gymnasiarch um den Wachdienst der Epheben, feierte mit großem Aufwand die ἐπώνυμοι τῶν βασιλέων ἡμέραι, bemühte sich ebenso um alle anderen Festverpflichtungen und errichtete

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Jacobsthal 1908 Nr. 2. Der untere Teil der Inschrift ist verloren. Vom ursprünglichen Beschluss sind lediglich die einleitende Sanktionsformel und die ersten Abschnitte der Resolution erhalten. Den oberen Abschluss des Inschriftenfeldes bildet wie im Ehrendekret für Μη[– – –] eine profilierte Randleiste. Die beiden Beschlüsse mögen demnach im äußeren Erscheinungsbild große Ähnlichkeit gehabt haben. Zu den Leistungen s. Hansen 21971, 465. Allen 1983, 155. Quaß 1993, 287. Ameling 2004, 140. Wörrle 2007, 511. 8–13: πρὸ πλείστου δὲ ἡγησάμενος τὴν | ἐν τῶι γυμνασίωι προσεδρείαν ἐπεμελήθη μὲν τῆς τῶν ἐφή|βων καὶ νέων ἀγωγῆ.ς φιλοτιμίας οὐδὲν ἐνλείπων, προενοήθη δ.[ὲ] | καὶ τῆς κατὰ τὸν τόπον εὐταξίας αὐστηρῶς καὶ μισοπονήρως χρ.[ώ]|μενος καὶ διαφυλάσσων τὴν περὶ τὸ γυμνάσιον εὐκοσμίαν ἀξίως [τε] | τῆς τοῦ βασιλέως σπουδῆς καὶ τῆς τοῦ δήμου προαιρέσεως. Vgl. Wörrle 2007, 514 Anm. 71. Zur Sorge um die fremden Lehrer s. Ziebarth 21914, 117 f. Der König scheint sich demgegenüber nicht einmal durch eine finanzielle Unterstützung am Unterrichtsbetrieb beteiligt zu haben – vielleicht schon ein erstes Anzeichen für den Niedergang der Monarchie und die allmählichen Übernahme der königlichen Aufgaben durch einzelne Bürger.

Die Ehrendekrete für Gymnasiarchen aus Pergamon

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wie Μη[– – –] vermutlich ebenfalls eine vier Ellen hohe Statue des Attalos III.112 Die Bemühungen um den Königskult werden dabei erneut einen entscheidenden Anlass für die Verabschiedung des Ehrendekrets sowie dessen dauerhafte Publikation gegeben haben. Herausragende Leistungen definierten sich demnach vornehmlich über ein gutes Verhältnis zum Herrscherhaus, das im gesamten Motivbericht einen wichtigen Referenzpunkt bildete, und boten der Stadt in diesem Zusammenhang zugleich die Möglichkeit, über die Errichtung der Stele die eigene Loyalität gegenüber den Attaliden zum Ausdruck zu bringen. Daneben erfüllte das Ehrendekret für Agias auch hortative Funktionen und verbreitete die Idealvorstellungen der Stadt von einem guten Gymnasiarchen im beispielhaften Bemühen um den Königskult. Sowohl in der äußeren Form als auch in der inhaltlichen Gestaltung offenbaren die beiden Beschlüsse für Μη[– – –] und Agias eine große Gleichförmigkeit.113 Voraussetzung für die besondere Auszeichnung der Gymnasiarchen waren außergewöhnliche Leistungen, die sich für die Polis vornehmlich durch besondere Anstrengungen im Bereich des Herrscherkults definierten. Möglicherweise konnten einzelne Bürger in der späten Königszeit sogar lediglich durch entsprechende Leistungen eine Ehrung in Form der dauerhaften Publikation eines Ehrendekrets erreichen.114 Die Auszeichnung der königstreuen Gymnasiarchen verfolgte zugleich auch ideologische Ziele. Rat und Volk von Pergamon wollten durch die Errichtung der Monumente die eigene Loyalität gegenüber dem König bekunden und zudem allgemeine Idealvorstellungen von einem guten Gymnasiarchen verbreiten. Insgesamt bildete das Verhältnis zum Herrscherhaus in der Königszeit einen wichtigen Referenzpunkt bei der öffentlichen Beurteilung von einzelnen Personen durch die Polis. Nichtsdestotrotz bedeutete die erstmalige Errichtung von Ehrendekreten für eigene Bürger unter Attalos III. ein Hervortreten von Einzelpersonen und scheint für die letzten Jahre der Monarchie zumindest ein selbstbewussteres Auftreten der bürgerlichen Eliten anzudeuten.115 5.3.2 Bürgerliche Identität und Selbstvergewisserung – Ehrendekrete für Gymnasiarchen nach dem Ende der attalidischen Herrschaft Eine große Zahl an Ehrendekreten für Gymnasiarchen ließ die Polis Pergamon jedoch erst in den ersten Jahren nach dem Tod des Attalos III. im Jahr 133 v. Chr. 112 113 114 115

Zur Ehrenstatue des Attalos III. s. Wörrle 2000, 556. Ameling 2004, 140. Von den Hoff 2004, 386. Bielfeldt 2010, 143. 163. Mathys 2014, 46. Vgl. Wörrle 2007, 510. Der Herrscherkult scheint unter Attalos III. eine generelle Stärkung erfahren zu haben. Bielfeldt 2010, 160. Zum «Selbstwerdungsprozess des Demos» unter Attalos III. s. zusammenfassend Bielfeldt 2010, 189. Vgl. Mathys 2014, 95 Anm. 974. Eine Beteiligung des Königs an den Entwicklungen ist nicht auszuschließen.

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Ehrendekrete im Kontext von Gymnasion und Gymnasiarchie

und dem damit verbundenen Ende der pergamenischen Monarchie aufstellen.116 Auch wenn die Stadt als Teil der neu eingerichteten Provinz in diesen Jahren schon der römischen Kontrolle unterstand, wird die demokratische Polis im Vergleich zur Königszeit zunächst jedoch noch größere Freiheiten besessen haben.117 Der Übergang vom hellenistischen Königreich zur römischen Provinz war daneben auch von Spannungen begleitet und führte zum mehrere Jahre andauernden Aristonikosauf­ stand.118 Die Auswirkungen der Krisenzeit waren, obwohl sich die pergamenische Bürgerschaft seit Beginn des Konflikts für die römische Seite entschieden hatte und somit vermutlich von einer unmittelbaren Verwicklung in die militärischen Auseinandersetzungen verschont blieb, auch in der ehemaligen Residenzstadt deutlich zu spüren. Die Publikation der Ehrendekrete für Gymnasiarchen war in diesem Zusammenhang vermutlich nicht zuletzt eine direkte Reaktion auf das Ende der pergamenischen Monarchie und insbesondere auf die zahlreichen Probleme, die durch den Wandel von der Residenzstadt zur gänzlich eigenständigen Polis sowohl für die Stadt im Allgemeinen als auch für die Gymnasien im Speziellen entstanden waren.119 So musste die Polis etwa die Finanzierung von öffentlichen Einrichtungen – in der Königszeit vermutlich oftmals eine Aufgabe der Monarchen – selbst übernehmen.120 Selbst wenn die attalidischen Herrscher stets nur einen Teil der Kosten für die Gymnasien übernommen hatten, bedeutete das Ende der Monarchie mit dem Wegfall der königlichen Fürsorge dennoch einen erheblichen Mehraufwand an Ausgaben für die Gymnasiarchen und trug in der Folge zur Aufwertung der Gymnasiarchie in 116

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Neben den zu besprechenden Beschlüssen belegen einige kleine Beschlussfragmente aus Pergamon die Existenz von weiteren Ehrendekreten für eigene Bürger. So mag die Polis in den ersten Jahren nach dem Ende der Monarchie alle Beschlüsse für Gymnasiarchen aufgezeichnet haben. Ein Zufall der Überlieferung ist die punktuelle Häufung von Ehrendekreten für Gymnasiarchen im epigraphischen Befund von Pergamon in den ersten Jahren der freien Polis mit Sicherheit nicht. Ameling 2004, 141 f. 145. Die Aufstellungspraxis von Ehrenstatuen für Bürger im Gymnasion zeigt dieselben Phänomene wie die Publikation von Ehrendekreten. Mathys 2009, 234–236. Zur Verfassung der Polis s. etwa Wörrle 2000, 563. Zu den Auswirkungen der Umbruchsphase auf die Polis s. Ameling 2004, 141. Wörrle 2007, 503. Mathys 2009, 227. Vgl. Radt 1999, 38–41. Wörrle 2000, 563–573. Hamon 2012, 62. Zu den Vorgängen in der Stadt Pergamon in den Jahren um 133 v. Chr. s. allgemein Daubner 2 2006, 81–103. Ameling 2004, 141 f. 145. An der Aufstellung von Gymnasiarchenstatuen lässt sich die Entwicklung auf Grund der lückenhaften Überlieferung jedoch nicht festmachen. Wörrle 2007, 510. Zur Aufstellungspraxis der Ehrenstatuen im Gymnasion s. auch Mathys 2009, 234–236. Wie in anderen Städten stand die dauerhafte Publikation von Ehrendekreten auch in Pergamon mit außergewöhnlichen Umständen in Zusammenhang. In der attalidischen Residenzstadt wird zudem auch die unmittelbare Präsenz der Könige Einfluss auf den epigraphic habit der Bewohner genommen haben. Vgl. Ameling 2004, 141 f. Schuler 2004, 182. Wörrle 2007, 512. Mathys 2009, 232. ­Mathys 2014, 90.

Die Ehrendekrete für Gymnasiarchen aus Pergamon

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Pergamon bei.121 Den genauen Hintergründen und Umständen für das punktuelle Auftreten der Ehrendekrete für Gymnasiarchen in Pergamon in den Jahren nach 133 v. Chr. wird im Folgenden nachzugehen sein. Das Ehrendekret für den Gymnasiarchen Straton verabschiedeten Rat und Volk von Pergamon bereits in den Jahren 133–130 v. Chr.122 Die einleitenden Ausführungen über die Tugend und die allgemeine Vorbildlichkeit des Gymnasiarchen orientierten sich an den traditionellen und aus der Königszeit überkommenen Wertkonzepten. Wie der Beschluss für Agias lobte das Ehrendekret für Straton das Verhalten des Gymnasiarchen als streng und gerecht (b–f 9) und verwies zudem auf das Gespür für den καιρός (b–f 6). An konkreten Leistungen berichtete die Erzählung von der Einschreibung der Jungen in die Ephebenlisten sowie vom Engagement für die Erziehung der Kinder und Jugendlichen (a 2–16). Zur Verbesserung des normalen Unterrichts scheint der engagierte Bürger – wie manche Gymnasiarchen in anderen Städten – auf eigene Kosten fremde Lehrer angestellt zu haben.123 Ebenso stellte Straton Salböl zur Verfügung (a 16–18).124 Der anschließende Abschnitt erwähnte ein Opfer zum Amtsantritt sowie eine anschließende Verteilung von weißem und damit vermutlich besonders hochwertigem Olivenöl sowie von Fleisch (a 18–22).125 Die mit dem Opfer an die Götter verbundene Bitte für Rettung und Eintracht des Demos nahm offensichtlich Bezug auf die politischen Umstände und reagierte auf die Krise und die unsichere Lage nach dem Ende der Monarchie.126 Zudem berichtete der Beschluss vermutlich von Wettkämpfen, den Gefahren des Kriegs, einem ausgeglichenen und gerechten Urteil, einer Bekränzung der Erzieher sowie einem Wettkampf zu Ehren des Gottes Hermes (b–f 1–39).127 Eine knappe Hortativformel – der Demos wollte zeigen, dass er verdiente Männer zu ehren verstand – bildete die Überleitung zur Resolution (b–f 40–42). Die Formulierung enthielt damit lediglich einen impliziten Verweis auf die intendierte Vorbildfunktion des Beschlusses. Für die erbrachten Verdienste sollte Straton eine Belobigung, den nach dem Gesetz größtmöglichen Goldkranz, eine Bronzestatue mit 121

Wörrle 2007, 512. Mathys 2009, 228. Die Argumentation von Wörrle richtet sich gegen Ameling 2004, 141 f. 122 Hepding 1907 Nr. 11. Die Stele aus weißem Marmor ist in mehrere Fragmente zerbrochen. Der Inhalt des Beschlusses lässt sich nur in Teilen rekonstruieren. Mit einigen Sicherheiten zu ergänzen sind ein Abschnitt des Motivberichts sowie die Resolution mit der einleitenden Hortativformel. 123 Zur Anstellung von fremden Lehrern s. Hepding 1907, 284. Ziebarth 21914, 59. 117 f. Quaß 1993, 287. Ameling 2004, 142. 124 Zur Bereitstellung von Salböl s. Quaß 1993, 288. Ameling 2004, 142. 125 Zum Amtsantritt s. Hepding 1907, 284. Quaß 1993, 295. 126 Zum Bittgebet ὑπὲρ τῆς τοῦ δήμου σωτηρίας καὶ ὁμονοί[ας] (a 20) s. Wörrle 2000, 555 f. Daubner 2 2006, 95. 99. Wörrle 2007, 512. Zum Engagement von Gymnasiarchen in Krisenzeiten s. allgemein Quaß 1993, 291. 127 Zum weiteren Engagement des Straton s. Hepding 1907, 284. Wörrle 2000, 555.

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Ehrendekrete im Kontext von Gymnasion und Gymnasiarchie

Ehreninschrift sowie das Recht auf einen Ehrensitz bei den von ihm veranstalteten Wettkämpfen erhalten (b–f 42–61).128 Die Ehreninschrift wurde durch den Beschluss im Wortlaut festgelegt und verwies durch die explizite Erwähnung der Gymnasiarchie auf den eigentlichen Anlass der Ehrung. Neben der Statue ließen Rat und Volk gleichsam als Bestätigung und Verstärkung für die durch Bildnis und Ehreninschrift vermittelten Ideale das Ehrendekret auf eine Stele aufzeichnen. Wie bei den Auszeichnungen für Gymnasiarchen aus Eretria verschmolzen auch bei der Ehrung des Straton in Pergamon Statue und Ehrendekret zu einem Monument mit kohärenten Aussageintentionen.129 Daneben erhielten auch die Neoi auf eigenen Wunsch die Erlaubnis, den verdienten Gymnasiarchen durch einen goldenen Kranz sowie durch eine Bronzestatue, deren Ehreninschrift der Beschluss erneut im Wortlaut festlegte, auszuzeichnen.130 Zum Abschluss traf das Ehrendekret Bestimmungen zur Verkündung der Ehrungen bei der ersten πανήγυρις durch den amtierenden Agonotheten sowie zur Ausführung der Beschlüsse und verzeichnete zudem die Namen der für die Durchführung der Bestimmungen zuständigen Personen.131 Mit der dauerhaften Aufzeichnung des Ehrendekrets verfolgte die Polis in der Summe vermutlich erneut mehrere Zwecke, die jeweils auch in engem Zusammenhang mit den politischen Entwicklungen der Zeit standen. Für einzelne Personen aus der bürgerlichen Elite bedeutete das Ende der Monarchie zunächst vermutlich größere Freiheiten im öffentlichen Engagement und in der Selbstrepräsentation. Auch Straton wird die Übernahme der Gymnasiarchie in diesem Zusammenhang als Chance zur Festigung der eigenen Stellung in der Bürgerschaft gesehen haben und versuchte in der Folge durch besondere Leistungen führende Stellung in der Polis zu beanspruchen. Zu einem großen Teil sollte die Aufzeichnung des Ehrendekrets mit dem detaillierten Tatenbericht dementsprechend mit Sicherheit der öffentlichen Erinnerung an die eigenen Leistungen dienen. Zudem bedeutete das seltene Privileg eine besondere Ehre und zeichnete den engagierten Gymnasiarchen vor anderen Personen aus. Zugleich setzte Straton mit der Übernahme der Gymnasiarchie jedoch auch neue und allgemeingültige Maßstäbe für die Ausübung der Funktion. Durch den Wegfall der monarchischen Fürsorge fiel der Polis die gesamte Verantwortung für die öffentlichen Aufgaben zu. In der Folge mussten neue Regelungen und Standards für die Ausübung von Funktionen wie der Gymnasiarchie gefunden werden. Durch die Publikation des Ehrendekrets mit der ausführlichen Darstellung der einzelnen

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Zu den Ehrungen des Straton s. Delorme 1960, 184 f. Wörrle 2007, 510. Mathys 2014, 48. Curty 2015, 310 f. Zum «Doppelportrait in zwei verschiedenen Medien» s. Wörrle 2007, 510. Vgl. Boulay 2014, 46. Curty 2015, 310 f. Zur Verkündung der Ehren s. Wörrle 2000, 555. Daubner 2 2006, 95. Gerade im Kontext der neuen Freiheit besaß die ausführliche Dokumentation der rechtlichen Vorgänge für die Polis vermutlich große Bedeutung.

Die Ehrendekrete für Gymnasiarchen aus Pergamon

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Leistungen definierte die politische Elite der Polis, zu der mit Sicherheit auch Straton gehörte, dementsprechend zugleich allgemeine Vorstellungen vom vorbildlichen Engagement eines Gymnasiarchen. Die Stele leistete damit einen wichtigen Beitrag zur Selbstfindung sowie zur Neudefinition der Polis nach dem Ende der Monarchie. Identitätsstiftende Kraft kamen in Kombination mit dem Ehrendekret vermutlich auch Statue und Ehreninschrift zu. Der Gymnasiarch Metrodoros scheint seine Tätigkeit, die von der Polis ebenfalls durch die Aufstellung eines Ehrendekrets erinnert wurde, im Jahr vor oder nach Straton ausgeübt zu haben.132 Metrodoros opferte anlässlich der Aufstellung eines Bildnisses ein Rind, veranstaltete Wettkämpfe für die Epheben und die Neoi und kümmerte sich um die Aufseher, die Erzieher und die öffentlichen Sklaven (1–7). Da der Gymnasiarch auch den Alten (πρεσβύτεροι) den Zugang zum Gymnasion erlaubt hatte, musste die Einrichtung bauliche Erweiterungen erfahren (7–15). So ließ der herausragende Bürger in mehreren Räumen zusätzliche Waschbecken einrichten und sorgte zudem für eine ausreichende Wasserversorgung. Daneben erhielt Metrodoros für die vorbildliche Ausrichtung der Waffenübung (ὅπλον) beim Fest der Ἑρμαία von den Epheben, den Neoi und den teilnehmenden Fremden zusätzlich zu den üblichen Kopfbinden goldene Kränze (15–19).133 Die Leichenzüge von verstorbenen Bürgern gleich welchen sozialen Ranges begleitete der Gymnasiarch während des ganzen Jahres an der Spitze der Neoi – eine in der Regel verdienten Wohltätern und führenden Bürgern vorbehaltene Ehre (19–23).134 Gerade vor dem Hintergrund der Neukonstituierung der Polis zielte die ungewöhnliche Maßnahme vermutlich auf eine Integration von breiten Schichten der Bevölkerung sowie auf eine zumindest vorübergehende und vordergründige Beseitigung von sozialen Unterschieden. In anderem Kontext sorgte Metrodoros sich auch um die Aufwertung der Festzüge für Götter und Euergeten, sprach den teilnehmenden Neoi Lob und Tadel aus und ließ auch anderen Festen wie den Καβείρια seine großzügigen Zuwendungen zukommen (23–30).

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Hepding 1907 Nr. 10. S. bereits I. Pergamon 252. Die relative Chronologie der Beschlüsse für Straton und Metrodoros ist nicht zu klären. Vgl. Wörrle 2007, 507. 512. In den Jahren nach 133 v. Chr. scheint die Polis Pergamon demnach vermutlich beinahe in jedem Jahr das Ehrendekret für den scheidenden Gymnasiarchen publiziert zu haben. S. auch o. S. 214 Anm. 116. Der Beschluss konzentrierte die Darstellung erneut auf die in Ausübung der Funktion erbrachten Leistungen (1–30). Lediglich an einzelnen Stellen war die Erzählung zusätzlich mit allgemeinen Wendungen ausgeschmückt. Zu den Leistungen des Metrodoros s. Hepding 1907, 273–277. Delorme 1960, 184. 282. 306. Hansen 2 1971, 436. Quaß 1993, 207 Anm. 748. 295 Anm. 1246. Müller 2003, 430. Wörrle 2007, 512–514. Mathys 2009, 229. Mathys 2014, 47 f. Zum traditionellen ὅπλον s. auch Artem. 1, 63. Zur Teilnahme an den Leichenzügen s. Wörrle 2007, 513. Hamon 2012, 63 f. Vgl. bereits Ziebarth 21914, 15.

218

Ehrendekrete im Kontext von Gymnasion und Gymnasiarchie

Die anschließende Hortativformel – der Demos wollte zeigen, dass er verdiente Bürger ehrte und die erbrachten Wohltaten erwiderte – deutete gleichsam einen reziproken Austausch zwischen Polis und Bürger an (31–32). Gerade in den ersten Jahren nach dem Ende der Monarchie wird die Gewinnung von engagierten Bürgern stets einen wichtigen Aspekt der Ehrendekrete gebildet haben. Die Im Anschluss beschlossenen Ehrungen (32–52) entsprachen weitgehend den bereits an Straton verliehenen Auszeichnungen und umfassten eine Belobigung, den nach dem Gesetz größtmöglichen Goldkranz, eine in der offenen Rennbahn (παραδρομίς) des Gymnasions aufzustellende Bronzestatue, das Recht auf Speisung im Prytaneion sowie die Befreiung von Liturgieverpflichtungen und Einquartierungen.135 Die Verkündung der Ehrungen hatte bei der nächsten πανήγυρις durch den amtierenden Agoranomos zu erfolgen.136 Das Ehrendekret sollte neben dem Standbild auf eine Marmorstele aufgezeichnet werden und dabei in Verbindung mit der Statue – wie schon bei früheren Monumenten – eine einheitliche Aussage in Wort und Bild vermitteln.137 Daneben erhielt Metrodoros von den Neoi nach der vorangegangenen Genehmigung durch die Volksversammlung einen zusätzlichen Goldkranz sowie eine zweite Bronzestatue – eine bei der Ehrung von Gymnasiarchen in Pergamon möglicherweise übliche Praxis.138 Der Beschluss für Metrodoros beschränkte die ausführliche Darstellung auf dessen einjähriges Engagement als Gymnasiarch und entwarf in weiten Teilen ein detailliertes Bild der individuellen Maßnahmen.139 Für die drängenden Probleme der Stadt fand Metrodoros innovative und originelle Lösungen und widmete sich mit seinen unkonventionellen Ideen etwa der Integration der zahlreichen Neubürger des Jahres 133 v. Chr.140 In der Summe werden diese Maßnahmen zur Stabilisierung und zum inneren Zusammenhalt der sich im Wandel befindenden Polis Pergamon beigetragen haben. Wie Straton schuf auch Metrodoros wichtige Standards für die Ausübung der Gymnasiarchie nach 133 v. Chr. und zeigte anderen Bürgern durch die Unternehmungen zugleich mögliche Wege zur Bewältigung von anstehenden Problemen. Die dauerhafte Aufzeichnung des Ehrendekrets diente demnach vermut-

135

136 137 138

139 140

Zu den Ehrungen des Metrodoros s. Hepding 1907, 277 f. Delorme 1960, 184. 371. Wörrle 2007, 510. Mathys 2009, 229. Hamon 2012, 62 f. Ma 2013, 86. Boulay 2014, 46. 282. Mathys 2014, 48. Curty 2015, 308 f. Zur Verkündung der Ehrungen s. Wörrle 2000, 555. Daubner 2 2006, 95. Wörrle 2007, 510. Ebd. Hamon 2012, 63. Boulay 2014, 46. Vgl. Curty 2015, 308 f. Die Ehreninschriften für die Statuenbasen legte der Beschluss im Wortlaut fest. Müller 2003, 430. Im Anschluss trafen Rat und Volk Anweisungen zur Durchführung der Bestimmungen und verzeichneten die Namen der beiden mit der Ausführung der Ehrungen beauftragten Personen. Teilweise mag die Beobachtung allerdings auch dem guten Erhaltungszustand der Inschrift geschuldet sein. Wörrle 2007, 512–514. Vgl. Hamon 2012, 62–64.

Die Ehrendekrete für Gymnasiarchen aus Pergamon

219

lich auch der Festschreibung der geschaffenen Regelungen und trug als Beispiel für das vorbildliche Verhalten eines Gymnasiarchen zur Neudefinition der Tätigkeit bei. Daneben wird auch Metrodoros in der Übernahme der Funktion eine willkommene Möglichkeit zur öffentlichen Selbstdarstellung im Konkurrenzkampf mit anderen Bürgern gesehen haben. Neben der Erinnerung an die Erfolge des Gymnasiarchen trug das Ehrendekret zur Festigung der führenden Stellung in der Bürgerschaft bei und sollte als Kompensation der persönlichen Leistungen zusammen mit den verliehenen Auszeichnungen auch einen Anreiz zu öffentlichem Engagement in schweren Zeiten schaffen. In der Summe mag demnach erneut erst die Verbindung von individueller Erinnerung und neuen Idealvorstellungen im Zusammenhang mit dem Ende der Monarchie die dauerhafte Aufzeichnung des Ehrendekrets veranlasst haben. Auch die Leistungen eines unbekannten Gymnasiarchen aus dem Jahr 129 v. Chr. honorierten Rat und Volk durch die Publikation eines Ehrendekrets.141 Wie sein Vorgänger Straton scheint der engagierte Bürger – vermutlich vor dem Hintergrund des Aristonikoskrieges – ein Opfer für die Rettung und die Eintracht des Demos veranstaltet und zu diesem Anlass auch Öl bereitgestellt zu haben (2).142 Des Weiteren setzte der Gymnasiarch Kampfpreise für die Epheben und die Männer aus, organisierte an mehreren Tagen Veranstaltungen im Theater, feierte die Opfer für die Gottheiten Eros und Anteros in deren heiligem Hain und stellte in diesem Zusammenhang auch aromatisiertes Öl zur Verfügung (3–7).143 Für die Nikephorien wusste die Erzählung von einem Engagement bei den Waffenkämpfen der Epheben und der Männer zu berichten (8). Einen großen Teil der Verdienste scheint erneut die Bereitstellung von Öl, dessen Bedarf vor dem Jahr 133 v. Chr. zumindest zum Teil noch durch die Könige gedeckt worden war, ausgemacht zu haben. Als die Gymnasiarchen nach dem Ende der Monarchie alle anfallenden Kosten für die Bereitstellung von Öl selbst tragen mussten, scheint der unbekannte Bürger den Demos durch den großzügigen Einsatz von eigenen Finanzmitteln vor Belastungen bewahrt und neben normalem Öl (10) ein weiteres Mal aromatisiertes Öl verteilt zu haben (13).144 Den Kontext der Ölspende bildeten vermutlich ebenfalls die Nikephorien. Daneben berichtete der Beschluss von Lob und Beifall für den Gymnasiarchen (14) und pries dessen Strenge bei der Leitung des Gymnasions (16). Wie jeder Gymnasiarch der Jahre nach 133 v. Chr. mag auch der unbekannte Funktionsträger während seiner einjährigen Tätigkeit in Anpassung an aktuelle Probleme und Bedürfnisse bei sei141

Jacobsthal 1908 Nr. 3. Das Ehrendekret ist bis auf ein an allen Seiten gebrochenes Fragment des Motivberichts verloren. 142 Zum Opfer für die Rettung des Demos s. Wörrle 2007, 512. 143 Zu den erbrachten Leistungen s. Jacobsthal 1908, 383. Delorme 1960, 185. 144 Ameling 2004, 139. 142. Wörrle 2007, 512 mit Anm. 61. Entgegen der Annahme von Ameling scheinen die Könige jedoch zu keinem Zeitpunkt die gesamten Kosten für den Betrieb des Gymnasions getragen zu haben. Vgl. Quaß 1993, 288. S. auch o. S. 214. Zur Bereitstellung von aromatisiertem Öl s. Quaß 1993, 288.

220

Ehrendekrete im Kontext von Gymnasion und Gymnasiarchie

nem Engagement – beispielgebend war in diesem Fall insbesondere die großzügige Bereitstellung von Öl – eigene Schwerpunkte gesetzt haben. Durch neue Akzente bei der Ausübung der Funktion versuchten sich die herausragenden Bürger dabei vermutlich stets auch von den jeweiligen Vorgängern abzusetzen und in Konkurrenz mit den anderen Mitgliedern der Elite zu treten. Die individuellen Lösungen für Probleme, die sich durch das Ende der Monarchie ergeben hatten, mögen daneben auch als Präzedenzfälle für spätere Gymnasiarchen gedient haben. Durch die dauerhafte Aufzeichnung der Ehrendekrete erinnerte die Polis an die jeweiligen Leistungen und setzte damit Maßstäbe für künftige Ambitionen. Mit der Zeit mögen die Ehrendekrete gemeinsam einen neuen Standard für Leistungen, die von einem Gymnasiarchen zu erbringen waren oder zumindest erwartet wurden, geschaffen haben. In den Jahren zwischen 125–121 v. Chr. publizierten Rat und Volk von Pergamon das Ehrendekret für den Gymnasiarchen Athenaios.145 Der Beschluss scheint zunächst in einem zusammenfassenden Abschnitt von der Tugend oder auch von früheren Leistungen des Bürgers berichtet zu haben (a 7–21).146 Erst im Anschluss wandte sich die Erzählung den konkreten Leistungen des Gymnasiarchen zu. Allgemeine Aussagen zur Tugend und Charaktereigenschaften ergänzten die Darstellung.147 ­Athenaios kümmerte sich um die Ausbildung der Epheben und der Neoi, erfüllte alle mit dem Amt verbundenen Pflichten, leistete eine Zahlung von 2500 Drachmen und übernahm die Bereitstellung des abendlichen Öls (a 21–33). Daneben engagierte sich der Gymnasiarch bei verschiedenen Festveranstaltungen der Stadt und übernahm etwa bei den Nikephorien einen Teil der Belastungen (a 33–40).148 Neben weiteren Leistungen erwähnte der Beschluss die Veranstaltung von Wettkämpfen an festgesetzten Tagen, die Organisation von Vorträgen sowie Reparaturarbeiten an den Gebäuden des Gymnasions (b 1–10).149 Für seine Großzügigkeit erhielt Athenaios, der alle anfallenden Kosten in der Regel selbst getragen zu haben scheint, bei den Hermaia von Epheben und Neoi sowie von den Erziehern im Gymnasion goldene Kränze

145

Hepding 1910 Nr. 1. S. auch die Verbesserungsvorschläge von Wilhelm 1932, 43–48. Der Inhalt des Beschlusses ist durch Beschädigungen am Inschriftenfeld auf der linken Seite in vielen Passagen lediglich zu rekonstruieren. Das Präskript und der Beginn des Motivberichts sind in weiten Teilen verloren. Die Stele schließt nach oben mit einem Profil ab und mag sich in der äußeren Form an die Ehrendekrete der Königszeit angelehnt haben. 146 Vgl. auch Wörrle 2007, 510 f. Die Erzählung über die auf das Jahr genau datierte Gymnasiarchie beginnt erst mit den erhaltenen Abschnitten der Inschrift. 147 A 23: [φ]ιλοτ.ί.μ.[ως]. a 29–30: [ἕνεκεν τῆς εἰς] | τοὺς πολίτας εὐνοίας. a 35: μεγαλωμερῶς. a 36: φιλαγάθως. b 7: [φιλα]γ.α.θ.ί.ας [κ]αὶ. μ.ε.γαλομερείας. b 10: φιλοδό.[ξ]ω.ς. b 16–17: παρεχόμενος τῆι ὑπαρ|[χούσηι περὶ ἑ]αυτὸν φιλοδοξίαι μεγαλομερῶ.ς. 148 Zum Engagement bei den Nikephorien s. Delorme 1960, 185. Quaß 1993, 288 Anm. 1196. 290 Anm. 1212. Zur Datierung der Nikephorien s. auch Wörrle 2000, 555. 149 Zu den Leistungen des Athenaios s. Delorme 1960, 185. Quaß 1993, 207 Anm. 748. 287 Anm. 1194.

Die Ehrendekrete für Gymnasiarchen aus Pergamon

221

(b 10–16).150 Die Ehrenkränze wurden vermutlich aus dem Etat für die Beschaffung von Waffen bezahlt und sollten im Gymnasion ausgestellt werden. Daneben kümmerte sich Athenaios um die Festspiele der Stadt und engagierte auf eigene Kosten Schauspieler für die Theateraufführungen (b 16–19).151 In anderem Kontext scheint der Beschluss ein zweites Mal von der Bereitstellung des abendlichen Öls berichtet zu haben (b 26–29).152 Die anschließende Hortativformel betonte die kommemorative Funktion des Ehrendekrets (b 30–32). Verdiente Männer sollten nicht nur herausragende Anerkennungen, sondern auch dauerhafte Ehrungen erhalten.153 Dementsprechend erhielt Athenaios den größtmöglichen Goldkranz sowie eine Ehrenstatue mit Ehreninschrift (b 32–38).154 Zum Ende der Resolution scheinen Rat und Volk die Aufzeichnung des Ehrendekrets auf eine Marmorstele festgelegt zu haben (b 44) und werden dabei vermutlich ähnliche Ziele wie bei der früheren Veröffentlichung von Beschlüssen für Gymnasiarchen verfolgt haben. So trug der detaillierte Leistungsbericht über die Erinnerung an individuelle Erfolge in Abgrenzung zu anderen Mitgliedern der Elite zunächst zur persönlichen Ehre des Gymnasiarchen bei und wird auch Athenaios als willkommene Möglichkeit zur Positionierung in der nachmonarchischen Bürgerschaft erschienen sein. Daneben sollten die erbrachten Leistungen als Beispiel für die vorbildliche Erfüllung der Aufgaben zugleich ebenso ein Vorbild für künftige Funktionsträger bieten. So scheinen durch die Publikation des Beschlusses – gleichsam in Ergänzung zu den vorangegangenen Ehrendekreten für Gymnasiarchen – weitere Maßstäbe für die Ausübung der Funktion gesetzt worden zu sein. Die präsentierten Idealvorstellungen wurden durch jeden Beschluss um neue Facetten bereichert und fügten sich allmählich zu einem differenzierten Gesamtbild. Letztlich trug damit auch die Publikation des Ehrendekrets für Athenaios einen Teil zur Selbstvergewisserung und Identitätsfindung der Polis bei.

150 151 152 153

154

Zu den Ehrungen bei den Hermaia s. Hepding 1910, 407. Zum Engagement für die Festspiele s. Hepding 1910, 407. Quaß 1993, 281 Anm. 1159. 290 Anm. 1210. Zur Bereitstellung des Öls s. Quaß 1993, 288 Anm. 1200. Die entscheidenden Passagen sind jedoch lediglich mit guten Argumenten ergänzt. 30–32: [ὅπως οὖν καὶ ὁ δῆμος φαίνη]τα.ι. τοὺς ἀγαθοὺς τῶν ἄνδρων καὶ πρὸς τὸν δῆμον εὔνο[υς] | [ὄντας σημειούμενος τῶι αὐ]τ.οῦ.ς. μ.ὴ. μόνον τῆς ἀ[ρ]ίστη.ς ἀποδοχῆς τυγχάνειν, ἀλλὰ κα[ὶ] | [πρὸς τὸν ἀεὶ χρόνον] τῶν κα[τ]αξίων τιμῶν ἀξιοῦσθαι. Zu den verliehenen Ehrungen s. Hepding 1910, 407. Die weiteren Bestimmungen lassen sich auf Grund der weitgehenden Zerstörung des Textfelds nicht mehr nachvollziehen.

222

Ehrendekrete im Kontext von Gymnasion und Gymnasiarchie

5.3.3 Die Ehrendekrete für Gymnasiarchen aus Pergamon zwischen Tradition und Wandel Eine dauerhafte Aufstellung von Ehrendekreten für Gymnasiarchen praktizierten Rat und Volk von Pergamon offensichtlich erstmals zum Ende der Königszeit. Die frühesten Beschlüsse aus der Regierungszeit des Attalos III. rühmten zunächst noch das Engagement der Funktionsträger für den Königskult und werden nicht zuletzt als Loyalitätsbekundungen gegenüber dem Herrscherhaus intendiert gewesen sein. Ohne ein besonderes Engagement für die Verehrung der königlichen Familie hatten die Gymnasiarchen vermutlich kaum Aussichten auf die dauerhafte Publikation des eigenen Ehrendekrets. Daneben scheinen die einzelnen Bürger jedoch zunehmend traditionelle Aufgaben der Könige übernommen zu haben und traten überhaupt erstmals in der öffentlichen Erinnerungslandschaft als Individuen in Erscheinung. Sowohl in der Stärkung von Einzelpersonen aus der Bürgerschaft als auch in der allmählichen Übernahme der königlichen Funktionen mag sich bereits der Niedergang der Herrscherdynastie angedeutet haben. Mit dem endgültigen Ende der Monarchie im Jahr 133 v. Chr. stand die Polis vor zahlreichen administrativen und ökonomischen Problemen. So musste die Stadt nach dem Wegfall der königlichen Fürsorge etwa die komplette Organisation sowie nicht zuletzt auch die Finanzierung von öffentlichen Einrichtungen wie der Gymnasiarchie übernehmen. Das Ende der Monarchie brachte jedoch nicht nur Probleme. So ermöglichten die neuen Freiheiten einzelnen Bürgern mehr Spielraum für politisches Engagement sowie für den Ausbau der eigenen Machtstellung und werden den Konkurrenzkampf in der städtischen Elite angetrieben haben.155 Die neuen Kompetenzen und die zusätzlichen Belastungen in öffentlichen Funktionen wie der Gymnasiarchie werden in der Folge zur Aufwertung der Tätigkeiten beigetragen haben. In der Polis Pergamon trafen damit durch das Ende der Monarchie zur gleichen Zeit zwei unterschiedliche Entwicklungen zusammen. Auf der einen Seite musste sich die Polis unter den veränderten Umständen zurechtfinden und ihren politischen Status definieren. Insbesondere das öffentliche Leben und die städtische Verwaltung waren zu reorganisieren. Auf der anderen Seite versuchte die bürgerliche Elite in der Stadt die neuen Freiheiten nach dem Ende der Monarchie zu nutzen, um sich zu profilieren und die persönliche Machtstellung auszubauen.156 Die veröffentlichten Ehrendekrete für Gymnasiarchen waren Ergebnis der Entwicklungen und trugen den unterschiedlichen Interessenlagen Rechnung. Herausragende Bürger erkannten die neuen Freiheiten und versuchten sich durch öffentliche Tätigkeiten wie die Gymnasiarchie in der städtischen Politik zu profilieren und die eigene Position in der Bürgerschaft zu festigen. Durch herausragende Leistungen konnten die einzelnen Gymnasiarchen gleichsam aus dem Schatten der Könige treten 155 156

Vgl. Ameling 2004, 145. Vgl. Mathys 2014, 18.

Die Ehrendekrete für Gymnasiarchen aus Pergamon

223

und sich auch vor den anderen Mitgliedern der städtischen Elite auszeichnen. Eine besondere Konkurrenzsituation nach dem Ende der Monarchie mag die Dynamiken verstärkt haben. Über das Engagement für die Gymnasien leisteten die Mitglieder der Elite jedoch auch einen wichtigen Beitrag zur Neudefinition der Aufgabenbereiche eines Gymnasiarchen nach dem Wegfall der königlichen Fürsorge. So sollte die Publikation der Ehrendekrete vermutlich stets auch zur dauerhaften Festschreibung der neugewonnenen Standards beitragen und künftigen Funktionsträgern eine Vorstellung von den Erwartungen an einen Gymnasiarchen vermitteln. Die einzelnen Gymnasiarchen setzten bei der Ausübung ihrer Tätigkeit unterschiedliche Schwerpunkte. Die Ehrendekrete konzentrierten sich dementsprechend auf verschiedene Aspekte der Funktion und boten in der Gesamtheit ein facettenreiches Bild von den Aufgaben eines Gymnasiarchen. Auf diese Weise definierten Rat und Volk im gemeinsamen Diskurs über die Ehrendekrete, auf deren Inhalt selbstverständlich wiederum gerade auch einzelne Mitgliedern der bürgerlichen Elite großen Einfluss genommen haben werden, neue Standards für die Ausübung der Gymnasiarchie nach dem Ende der Monarchie. Doch aus welchem Grund scheinen sich das bürgerliche Engagement und die Elitenkonkurrenz in den Jahren nach 133 v. Chr. in besonderem Maß auf das Gymnasion konzentriert zu haben? Die Antwort wird neben den praktischen Erfordernissen wie den hohen Kosten der Einrichtungen vornehmlich in der ideologischen Bedeutung der Institution zu suchen sein. Bereits unter den pergamenischen Königen besaßen die Gymnasien große Bedeutung und erfreuten sich der königlichen Fürsorge. Ein Engagement für die Gymnasien in der Tradition der Könige muss einzelnen Bürgern demnach in besonderem Maß als eine prestigeträchtige Tätigkeit erschienen sein. Ebenso bot das hellenistische Gymnasion einen traditionellen Ort zur Konstituierung der bürgerlichen Identität.157 Insbesondere durch die Übernahme der Gymnasiarchie konnten einzelne Bürger demnach in den schwierigen Jahren nach 133 v. Chr. einen bedeutenden Beitrag zur ideologischen Neuausrichtung sowie zur Selbstfindung der Polis leisten. Durch außergewöhnliche Maßnahmen scheinen einzelne Gymnasiarchen wie Metrodoros zudem auf eine allgemeine Stärkung des Zusammenhalts in der Bürgerschaft gezielt zu haben. Daneben war die Aufstellung von Ehrendekreten für Gymnasiarchen wie die Errichtung von entsprechenden Ehrenstatuen in Pergamon eine bereits in der späten Königszeit in Einzelfällen geübte Praxis.158 Die Monumente aus den Jahren nach 133 v. Chr. mögen demnach zum Teil auf bekannte Muster zurückgegriffen haben und versuchten in der Folge in Anknüpfung an die überkommenen Ideale ein einheitliches Bild von traditionellen Werten und bürgerlichen Tugenden zu vermitteln. Als Gegensatz zum radikalen Bruch in der politischen Wirklichkeit sollten die Ehrendekrete dabei vermutlich auch eine Kontinuität im öffentlichen Leben und in den Wertvorstellungen der Polis 157 158

Wörrle 2007, 503. Vgl. Wörrle 2007, 510. Zur Aufstellung der Statuen vgl. auch Von den Hoff 2004, 387 f.

224

Ehrendekrete im Kontext von Gymnasion und Gymnasiarchie

suggerieren.159 In der Summe blieb die Publikation von Ehrendekreten für Gymnasiarchen durch die Polis Pergamon jedoch ein temporäres und vornehmlich den besonderen Zeitumständen geschuldetes Phänomen.

5.4 Der Bedeutungswandel der Gymnasiarchie im 1. Jhdt. v. Chr. Wie in Pergamon oder Eretria nutzten einzelne Bürger auch in anderen Städten wie Hydai, Iasos, Kyme, Priene oder Themisonion die Übernahme von öffentlichen Funktionen wie der Gymnasiarchie zum Ende des Hellenismus zunehmend zur persönlichen Selbstdarstellung.160 Durch besondere Anstrengungen hofften sich die Bürger außergewöhnliche Anerkennung wie die dauerhafte Erinnerung an die eigenen Leistungen durch die Publikation eines Ehrendekrets zu erwerben. Die entsprechenden Monumente scheinen in den meisten Städten auch zum Ende des Hellenismus eine seltene Ausnahmeerscheinung geblieben zu sein und wurden in der Regel weiterhin nur für herausragende Leistungen vergeben. Vorbildliches Engagement definierte sich – wie schon in der Polis Eretria – ab dem 1. Jhdt. v. Chr. jedoch zunehmend über finanzielle Leistungen oder die Veranstaltung von prächtigen Festen. Die Gymnasiarchen Chares aus Themisonion und L. Vaccius Labeo aus Kyme machten die einjährige Aufgabe jeweils durch umfangreiche Baumaßnahmen zu einem besonderen Ereignis.161 Als weitere Mittel zur Distinktion von anderen Funktionsträgern konnten – so etwa bei den Paidonomen Chrysippos aus Hydai und C. Iulius Kapiton aus Iasos – Opferfeste und Wettkämpfe sowie die Übernahme von Festgesandtschaften dienen.162 Auch die Gymnasiarchien des A. Aemilius Zosimos aus Priene waren durch zahlreiche Feste und enorme finanzielle Aufwendungen gekennzeichnet.163 159

160 161 162 163

Wörrle 2007, 510: «(…) und mit aller Wahrscheinlichkeit stand bewusst gepflegte Kontinuität hinter der nur in einem eindeutigen gezogenen Rahmen variablen Reihe von Persönlichkeitsmodellen, die, Königszeit und Demokratie verklammernd, den jungen Leuten im Gymnasion zur täglichen Begegnung vor Augen gestellt wurde.» Vgl. auch Von den Hoff 2004, 387 f. Direkte Bezüge zwischen den herausragenden Bürgern und den Königen zeigten die Erzählungen jedoch nicht. So mögen die Gymnasiarchen in den Jahren nach 133 v. Chr. in Selbstdarstellung und Auftreten durchaus auch die Distanz zu den ehemaligen Herrschern gesucht haben. Vgl. Wörrle 2000, 565. Mathys 2014, 18. 90. 95. Zur Gymnasiarchie als «Mittel der Selbstrepräsentation» s. auch Dreyer 2004, 218. Cousin/Diehl 1889 Nr. 4. I. Kyme 19. Zum Ehrendekret für Chares s. ausführlich Curty 2015, 204–212. Zum Ehrendekret für L. Vaccius Labeo s. ausführlich u. S. 395 f. I. Iasos 99. I. Mylasa 909. I. Priene 112–114 = I. Priene2 68–70. Zu den Ehrendekreten für Zosimos s. ausführlich u. S. 302–312. Das fragmentarische Ehrendekret für Dioskourides zeigt ähnliche Tendenzen. I. Priene 123. Zu den Beschlüssen für Zosimos und Dioskourides s. auch Hamon

Der Bedeutungswandel der Gymnasiarchie im 1. Jhdt. v. Chr.

225

Ideologische Aspekte, die in den Ehrendekreten aus Pergamon neben den finanziellen Aufwendungen und der persönlichen Selbstdarstellung der Gymnasiarchen noch einen Kern der Beschlüsse ausgemacht hatten, verloren zunehmend an Bedeutung. Stattdessen sollten die ausführlichen Tatenberichte vornehmlich das persönliche Engagement und den großen finanziellen Aufwand der Bürger erinnern. Zu einem Teil zeigten die Erzählungen auch weiterhin die Vorstellungen der Polis vom idealen Betrieb im Gymnasion. Vorbildliches Engagement setzten die Beschlüsse jedoch zunehmend mit finanziellen Leistungen gleich. In der Folge definierten sich auch Ehre und öffentliche Anerkennung zunehmend über ein großes Vermögen. Eine wichtige Ursache für die beschriebenen Veränderungen lag in der allgemeinen Entwicklung der Gymnasien während des Hellenismus. Der allmähliche Ausbau der Einrichtungen führte zu einem kontinuierlichen Anstieg der jährlichen Unterhaltskosten. Als vermutlich unbeabsichtigte Folge traten die finanziellen Aspekte der Gymnasiarchie immer mehr in den Vordergrund und führten letztlich zu einem Bedeutungswandel der Funktion.164 Einzelne Städte scheinen insbesondere ab dem 1. Jhdt. v. Chr. bei der Finanzierung der Gymnasien zunehmend von reichen Honoratioren abhängig gewesen zu sein. Entscheidende Bedeutung für die Gymnasiarchie, deren liturgischen Aspekten bereits zum Ende des Hellenismus stärkeres Gewicht zugekommen war, gewann der Euergetismus endgültig in der Kaiserzeit.165 Wichtigste Aufgaben der Gymnasiarchen waren ab der frühen Kaiserzeit dementsprechend neben der Beaufsichtigung und Erziehung der jungen Männer vornehmlich die Finanzierung und der Unterhalt der kostspieligen Gymnasien. Entsprechende Leistungen wie die Bereitstellung von Öl konnten in der Folge auch von Privatleuten ohne offizielle Funktion übernommen werden. In Akraiphia verteilten etwa die reichen Bürger Demetrios, Empedon und Pamphilos in den Jahren um 42 n. Chr. Öle von hoher Qualität an die Bewohner der Stadt.166 Die Funktion von Gymnasiarchen bekleideten die drei engagierten Privatmänner vermutlich jedoch nicht.167 Die steigenden Kosten für den Unterhalt der Gymnasien werden jedoch nicht der alleinige Grund für die beobachteten Phänomene gewesen sein. Insbesondere die zunehmende Bedeutung von finanziellen Aspekten für das öffentliche Auftreten von Bürgern scheint vornehmlich eine Folge von allgemeinen Veränderungen in den

164 165 166 167

2012, 67–71. Vgl. Fröhlich 2005, 247: «(…) un des exemples les plus anciens, qui annonce l’époque impérial.» Schuler 2004, 191. Fröhlich 2009, 82 f. Vgl. Schuler 2004, 189–191. Zum Wandel der Gymnasiarchie in der frühen Kaiserzeit s. auch o. S. 189 f. Robert 1935b, 35–78. S. auch u. S. 389 f. Zur Ölverteilung s. ausführlich Robert 1935b, 450–452. Robert 1935b, 449.

226

Ehrendekrete im Kontext von Gymnasion und Gymnasiarchie

späthellenistischen Gesellschaftsstrukturen gewesen zu sein.168 Demnach wird in vielen Fällen erst der grundsätzliche Wandel der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen im späten Hellenismus das Hervortreten von einzelnen Bürgern als Gymnasiarchen ermöglicht haben. Zugleich nahmen einzelne Bürger ab dem 2. Jhdt. v. Chr. auch insgesamt vermehrten Einfluss auf die Politik der Städte und nutzten öffentliche Funktionen zur Selbstdarstellung sowie zum Ausbau der eigenen Machtstellung. Ein geeignetes Feld für eine öffentliche Profilierung boten in diesem Zusammenhang gerade kostspielige Tätigkeiten wie die Gymnasiarchie. In der Summe mögen die Veränderungen in der Gymnasiarchie erst durch das Zusammentreffen von finanziellen Zwängen und gesellschaftlichen Veränderungen, das zudem vermutlich eine gegenseitige Verstärkung der einzelnen Aspekte bewirkte, in Gang gesetzt worden sein und in der Folge zur zunehmenden Reduktion der Gymnasiarchie auf finanzielles Engagement und materielle Leistungen geführt haben.

5.5 Bürgerideal und Selbstdarstellung – Ehrendekrete im Kontext von Gymnasion und Gymnasiarchie Die Publikation von Ehrendekreten für Gymnasiarchen war in den meisten Städten ein temporäres Phänomen und blieb insgesamt eine seltene Praxis. In manchen Städten wie Eretria oder Pergamon stand die Aufstellung der Beschlüsse zudem im Zusammenhang mit dem Ausbau und der Aufwertung oder der generellen Bedeutung der jeweiligen Einrichtungen. Die seltenen Monumente bedeuteten zunächst eine besondere Auszeichnung für außergewöhnliches Engagement und stellten finanzielle Aufwendungen bei der Beurteilung der erbrachten Leistungen ab dem späten Hellenismus zunehmend in den Mittelpunkt. Einzelne Personen nutzten das Engagement für das Gymnasion in diesem Zusammenhang zur Selbstdarstellung und versuchten sich durch besondere Leistungen in Distinktion von anderen Bürgern für außergewöhnliche Ehrungen wie die Publikation des eigenen Ehrendekrets zu qualifizieren. In einzelnen Städten wie Minoa oder Eretria mag dementsprechend auch eine direkte Konkurrenz von mehreren Bürgern für das temporäre Aufkommen der Monumente verantwortlich gewesen sein. In der Polis Pergamon führten die besondere Situation in den Jahren nach 133 v. Chr. und insbesondere die neuen Frei-

168

Vgl. Fröhlich 2009, 83. Zum Wandel der Gesellschaft im späten Hellenismus s. Hamon 2012, 73. S. auch u. S. 323–326. So erfolgte etwa die Auszeichnung des Paidonomen C. Iulius Kapiton mit den κάλλισται τειμαί in der späthellenistischen Polis Iasos lediglich auf Zuruf des Volkes. I. Iasos 99. Zur öffentlichen Akklamation des C. Iulius Kapiton s. auch Blümel 1985a, 104. Demokratischen Prinzipien scheinen die Vorgänge in der Volksversammlung nicht mehr entsprochen zu haben.

Bürgerideal und Selbstdarstellung

227

heiten nach dem Ende der Königsherrschaft zur Stärkung der bürgerlichen Elite und boten einzelnen Personen durch öffentliches Engagement wie die Übernahme der Gymnasiarchie Möglichkeiten zur Profilierung. Bis in den Späthellenismus nutzten Städte wie Ephesos und Iasos die Ehrendekrete für Gymnasiarchen daneben auch zur Verbreitung von Idealen und Wertvorstellungen – zumal sich gerade die Gymnasien als traditionelle Institutionen der bürgerlichen Identität in besonderem Maß als Orte zur Selbstvergewisserung sowie zur moralischen Orientierung der Polis empfahlen.169 Auch die Polis Pergamon thematisierte nach dem Ende der attalidischen Monarchie in den Ehrendekreten für Gymnasiarchen neben den individuellen Leistungen der jeweiligen Personen eigene Wertvorstellungen und Ideale und schuf aus den facettenreichen Beschlüssen, die zugleich der Selbstvergewisserung der Polis während der Machtkämpfe um das ehemalige Königreich dienten, in der Summe neue Standards für die Ausübung der Gymnasiarchie. Daneben dienten die Gymnasien in einigen Städten zudem der Verehrung der hellenistischen Monarchen und beheimateten den Königskult. Insbesondere im 2. Jhdt. v. Chr. ehrten neben der Polis Pergamon auch Städte wie Apameia und Eresos Gymnasiarchen für Verdienste um den Königskult und bekundeten dabei stets auch die eigene Treue und Loyalität gegenüber den Herrschern.170 Ab dem 1. Jhdt. v. Chr. konzentrierten sich die Ehrendekrete für Gymnasiarchen zunehmend auf die finanziellen Aspekte der Tätigkeit und rückten bei einem zeitgleichen Verlust der ideologischen Komponenten vornehmlich die erbrachten Leistungen und die individuelle Erinnerung in den Vordergrund.171 So konzentrierten sich etwa die Beschlüsse aus den Städten Eretria, Hydai, Kyme, Priene und Themisonion weitgehend auf konkrete Verdienste wie die Bereitstellung von Öl oder die Finanzierung von Festen und Gebäuden. Auf gewisse Weise zeigten die Tatenberichte damit weiterhin den vorbildlichen Betrieb im Gymnasion und gaben den Erwartungen der Polis an einen Gymnasiarchen Ausdruck. Öffentliche Anerkennung definierte sich jedoch zunehmend über finanzielle Leistungen. Die Ehrendekrete für

169

Zur Vorbildfunktion der Gymnasiarchen s. Schuler 2004, 188 f. Ausschließlich der persönlichen Überhöhung dienten viele Ehrendekrete für Gymnasiarchen nicht – auch wenn dieser Aspekt stets eine wichtige Rolle bei der Entscheidung über die Publikation der Beschlüsse gespielt haben werden. So jedoch Curty 2015, 8: «(…) ils possèdent un but unique. Honorer la personne dont ils parlent.» 170 Das Ehrendekret für Kephisodoros aus Apameia bekundete insbesondere Treue und Loyalität der Polis gegenüber dem attalidischen Königshaus. MAMA 6, 173. Vgl. Curty 2015, 214–220. Die Polis Eresos stellte vermutlich bereits zum Ende des 3. Jhdts. v. Chr. das Ehrendekret für den um den Kult des Königs Ptolemaios verdienten Gymnasiarchen Aglanor auf. IG XII S 122. Vgl. Beck 2015, 243. Curty 2015, 129–134. 171 Ab dem 1. Jhdt. v. Chr. mag die Reduktion der Beschlüsse auf den Aspekt der persönlichen Ehre – bei Curty (2015, 8) ein allgemeines Charakteristikum der Ehrendekrete für Gymnasiarchen – demnach in vielen Fällen zutreffen. S. auch o. S. 32 Anm. 97.

228

Ehrendekrete im Kontext von Gymnasion und Gymnasiarchie

Gymnasiarchen scheinen damit im Kontext von allgemeinen Entwicklungen in der späthellenistischen Gesellschaft zu stehen. Reiche Bürger dominierten insbesondere ab dem 1. Jhdt. v. Chr. zunehmend die Politik der Städte und maßen finanziellen Leistungen und umfangreichen Ehrungen für das eigene Auftreten zunehmend große Bedeutung bei. Teilweise mag das vermehrte Aufkommen von Ehrendekreten für Gymnasiarchen im späten Hellenismus demnach sogar eine konsequente Folge der gesellschaftlichen Entwicklungen gewesen sein. Im späten Hellenismus reduzierten sich einzelne Beschlüsse zudem vermehrt auf knappe Leistungsberichte und räumten zugleich der Darstellung der verliehenen Privilegien größeren Raum ein. Mit der Zeit wurden die langen Beschlüsse von kurzen Ehreninschriften abgelöst. Zum Ende des Hellenismus näherten sich einzelne Ehrendekrete wie der Beschluss für C. Iulius Kapiton aus Iasos in Form und Inhalt bereits den späteren Ehreninschriften an.172 Am Endpunkt der Entwicklung standen Monumente wie die Ehreninschrift für den Gymnasiarchen Polystratos aus Apameia.173 Der Schwerpunkt der Darstellung lag auf den umfangreichen Privilegien und trug damit vornehmlich zur persönlichen Überhöhung des herausragenden Ausnahmebürgers bei.174 Die Angaben zur Tätigkeit sowie zum Anlass der Ehrung waren demgegenüber auf sehr knappe und allgemeine Aussagen reduziert.

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I. Iasos 99. Aus der Stadt sind für die Kaiserzeit zudem zahlreiche Ehreninschriften für Leistungen im Kontext des Gymnasions bezeugt. S. auch o. S. 205. Drew-Bear/Fillon 2011. Verbesserungen durch Bresson 2012. Zur Zunahme von Ehrungen im späten Hellenismus s. allgemein u. S. 383. 402. Die Strahlkraft des Ausnahmebürgers wird freilich auch zum positiven Bild der Polis in der hellenistischen Staatenwelt beigetragen haben. Drew-Bear/Fillon 2011, 279.

6. Noch einmal Pergamon – Die Ehrendekrete für Menodoros und Diodoros Pasparos

Das Phänomen der dauerhaften Publikation von Ehrendekreten beschränkte sich in Pergamon weitgehend auf die Jahre nach 133 v. Chr. und scheint erst durch die politischen Veränderungen zum Ende der Monarchie veranlasst worden zu sein.1 Insbesondere einzelne Angehörige der städtischen Elite werden die neuen Freiheiten als Chance zum Ausbau der eigenen Stellung in der Bürgerschaft begriffen haben und versuchten durch herausragendes Engagement in öffentlichen Funktionen wie der Gymnasiarchie sowie durch die anschließenden Ehrungen Ruhm und Ansehen in der Stadt zu erlangen.2 Entsprechende Möglichkeiten zur Selbstdarstellung hatten sich erst nach dem Ende der Königsherrschaft eröffnet und in den ersten Jahren nach dem Tod des Attalos III. eine rege Konkurrenz in der Führungsschicht der Polis zur Folge. Die meisten Beschlüsse der Jahre nach 133 v. Chr. entstammten dem Kontext von Gymnasion und Gymnasiarchie und leisteten – passend zur Stellung des Gymnasions als Ort der bürgerlichen Identität – neben der persönlichen Ehre in der Regel auch einen Beitrag zur ideologischen Neukonstitution der Polis.3 Die ersten Gymnasiarchen schufen dabei durch die eigenen Leistungen gleichsam Präzedenzfälle für die nachfolgenden Funktionsträger und definierten in der Folge aus der praktischen Tätigkeit neue Standards für die Ausübung der Funktion. Ehrendekrete für politische Lebensleistungen blieben demgegenüber eine seltene Ausnahmeerscheinung.

6.1 Demokratie und gute Beziehungen nach Rom – Das Ehrendekret für Menodoros Als einziges Ehrendekret für einen Bürger der Stadt Pergamon aus den Jahren nach dem Ende der Monarchie hatte der wohl nach 125 v. Chr. gefasste Beschluss für Menodoros nicht Leistungen als Gymnasiarch zum Anlass.4 Stattdessen zeichnete 1

2 3 4

Auch die erhaltenen Beschlussfragmente sind nach den Schriftformen stets in die letzten Jahrzehnte des 2. Jhdts. v. Chr. zu datieren. Das signifikante Fehlen von Ehrendekreten aus anderen Zeiträumen ist gerade bei der insgesamt dichten epigraphischen Befundlage in Pergamon mit Sicherheit nicht einem reinen Zufall der Überlieferung geschuldet. Vgl. Ameling 2004, 145. S. auch o. S. 222. S. auch o. S. 223 f. Wörrle 2000. Der erhaltene Block aus der ursprünglich mindestens dreiteiligen Basis überliefert lediglich einen Abschnitt vom Beginn des Ehrendekrets. Der Erhaltungszustand der Inschrift erlaubt demnach weder eine Verortung des Beschlusses in der politischen

230

Noch einmal Pergamon

der Motivbericht einzelne Stationen aus dem Leben des verdienten Bürgers seit der frühesten Kindheit nach und scheint im Stile eines Lebenswerkdekrets dessen komplette Karriere umfasst zu haben. Zumindest für die Abschnitte über die politische Tätigkeit des Menodoros nach 133 v. Chr. scheint sich die Darstellung dabei an der chronologischen Abfolge der Ereignisse orientiert zu haben.5 Der Verfasser der Beschlussvorlage, deren wichtigsten Sinneinschnitte in der Inschrift zudem durch kleine Leerstellen gekennzeichnet waren, hatte sich zugleich auch um eine stilistische Ausgestaltung und eine ansprechende Komposition des Motivberichts bemüht. So verzichtete die Erzählung zu Beginn auf konkrete Aussagen, um durch den Kontrast die anschließenden Detailberichte über wichtige Leistungen nochmals hervorzuheben.6 Die Erzählungen über die einzelnen Leistungen waren zudem durch Verweise auf Tugend und Charaktereigenschaften des Menodoros angereichert und sollten in der Summe vermutlich ein weiteres Mal das Idealbild eines guten Bürgers verbreiten.7 Den leitmotivischen Beginn des Berichts bildete dementsprechend eine Würdigung des ausgezeichneten und bereits seit den frühesten Kindertagen hervortretenden Charakters.8 Allgemeine Erwähnung fanden dabei auch die Leistungen als Priester und in öffentlichen Funktionen. Ausdrücklich betonte der Beschluss zudem den Bürgerstatus sowie die lebenslange Priesterschaft für die Götter in Samothrake.9 Der anschließende Abschnitt berichtete im Kontrast zur allgemeinen Einleitung von konkreten Leistungen und erwähnte zunächst die gerechten Urteile des Menodoros über Bürger, die in den heiligen Agonen gesiegt hatten, sowie dessen eigenen Erfolg im hippischen Agon bei den neunten Σωτήρια (7–11).10 Einen deutlichen und nicht nur für die persönliche Karriere des Menodoros entscheidenden Einschnitt markierte die Erzählung mit dem Ende der pergamenischen Monarchie im

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Laufbahn des Menodoros noch Aussagen über die von der Polis verliehenen Ehrungen. Insgesamt ist bei dem außergewöhnlichen Monument vermutlich mit einem langen und ausführlichen Ehrendekret zu rechnen. In der Summe mag der Beschluss dabei als «Lebenswerkdekret» die gesamte Karriere des Bürgers umfasst haben. Ebd. 554. In der Gesamtdarstellung mag der Beschluss die einzelnen Leistungen jedoch auch zu Kategorien zusammengestellt haben. Die Chronologie der Ereignisse wäre dann lediglich innerhalb der jeweiligen Abschnitte beachtet worden. Zur stilistischen Gestaltung des Beschlusses s. ausführlich Wörrle 2000, 558 f. Selbst die Syntax des Motivberichts scheint im Dienst der Aussageintention gestanden zu haben. 14: διὰ τὴν πρὸς τὴν πατρίδα εὔνοιαν. 16–17: φιλότιμον ἐαυτὸν παρέσχετο οὔτε κίνδυνον | [ὑ]περτ.ιθέμενος οὔτε κακοπαθίαν οὔτε δαπάνην ἐκκλείνων. 20: δικαίως. 21–22: ἐ.[πιμ]ε.λ.ῶ.[ς καὶ μισο]|πονήρως. 23: διὰ τὴν παρ’ ὅλον τὸμ βίον παρεπομένην αὐτῶι δικαιοσύ.[νην]. 2–7: ἐ.π.ε.ὶ. Μ . ηνόδωρος Μητροδώρου τῶν πολιτῶν ὁ διὰ βίου ἱερεὺς | [τ]ῶ.ν. ἐ[ν Σ]α.μ.ο.θρ.άικηι θεῶν (vac.) ἀπὸ τῆς πρώτης ἡλικίας ἀγωγῆς | [ἐστιν] τῆ[ς κ]αλλίστης καὶ διὰ τὴν ἀρετὴν καὶ σωφροσύνην | [αὐτοῦ ἐν ταῖς] ἱ.ερ.ωσύναις αἷς ἐχειροτόνησεν αὐτὸν ὁ δῆμος | [? ἀνεγκλήτ]ω.ς [κ]α.[ὶ] φιλοδόξως ἀνεστράφη καὶ ἐν ταῖς λειτουργίαις | [διήνεγκε ? πάσην] κ.αθαρειότητα προσενεγκάμενος. Wörrle 2000, 554. Zur Priesterschaft des Menodoros s. ebd. 557 f. Zur Interpretation des Abschnitts s. ausführlich ebd. 559–563.

Demokratie und gute Beziehungen nach Rom

231

Jahr 133 v. Chr. und dem anschließenden Umschwung zur Demokratie.11 In Distanzierung von der monarchischen Vergangenheit vermied der Beschluss – wie auch in den anderen Abschnitten der Erzählung – jegliche Anspielungen auf die Königszeit.12 Einen tendenziösen Umgang pflegte das Ehrendekret zudem mit der Person des Aristonikos. Der selektive Bericht über die historischen Ereignisse nach 133 v. Chr. erwähnte mit keinem Wort den Anführer des Aufstands und versuchte somit die kollektive Erinnerung zu manipulieren.13 Den Schwerpunkt legte die Erzählung stattdessen neben der demokratischen Neuordnung der Polis Pergamon auf die guten Beziehungen der Stadt nach Rom. Menodoros gehörte offensichtlich zu den führenden Politikern bei der Neugestaltung des Staatswesens nach dem Ende der Monarchie und scheint maßgeblichen Anteil an der demokratischen Verfassung sowie an der außenpolitischen Anbindung an Rom gehabt zu haben. Der prominente Bürger war Mitglied der vom Volk bestimmten Kommission der «besten Männer» (12: συνέδρους (…) τῶν ἀρίστων ἀνδρῶν), beteiligte sich an einer Kommission über die grundlegende Gesetzgebung der Römer für die neue Provinz und engagierte sich daneben auf Gesandtschaftsreisen sowie in anderen Angelegenheiten für die Polis (11–17).14 Nach der Wahl zum Strategen verhandelte Menodoros in offenem Dialog (20: παρρησία) mit dem in die neue Provinz entsandten Konsul M’. Aquilius und zehn weiteren Legaten über die Belange der Stadt (17–22).15 Zumindest nach der eigenen Darstellung trat die Polis Pergamon den Römern in den ersten Jahren nach dem Ende der Monarchie mit großem Selbstbewusstsein entgegen und zeigte sich weitgehend als gleichberechtigte Partnerin der neuen Machthaber. Dementsprechend betonte der Beschluss stets auch die rechtliche Grundlage der vorgebrachten Argumente. Mit der Wahl des Menodoros zum Prytanen sowie zum Priester des Philetairos scheint sich die Erzählung – bevor der erhaltene Text endgültig abbricht – vornehmlich innenpolitischen Belangen zugewandt zu haben (22–24).16 11 12

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11: μεταπεσόντων τε τῶν πραγμάτων εἰς δημοκρατίαν. Wörrle 2000, 563. Das auffällige Fehlen von Beziehungen zum Königshaus in den Ehrendekreten für Gymnasiarchen mag neben dem Versuch der Distanzierung zur Königszeit auch schlicht mit der persönlichen Biographie der Gymnasiarchen oder einem Zufall der Überlieferung zu erklären sein. Ebd. 565. Vgl. Daubner 2 2006, 85. 99. Zur Darstellungsweise des Ehrendekrets als «absichtsvolle Manipulation der Erinnerung» s. auch Wörrle 2000, 564. Vgl. Daubner 2 2006, 99. Zur Tätigkeit des Menodoros s. ausführlich Wörrle 2000, 564–571. Daubner 2 2006, 99– 103. Vgl. auch Dreyer/Engelmann 2003, 82–85. Zu den Verhandlungen mit M’. Aquilius s. Wörrle 2000, 571–573. Vgl. Haake 2008, 94 Anm. 341. Zu den Funktionen des Prytanis und des Priesters des Philetairos s. ausführlich Wörrle 2000, 550–554. Menodoros ist vermutlich mit dem eponymen Prytanen gleichen Namens aus dem Ehrendekret für Athenaios identisch. Ebd. 554 f. Daubner 2 2006, 98 f. Über weitere Funktionen des herausragenden Bürgers wie die möglicherweise zum Ende der Karriere bekleidete Gymnasiarchie lässt sich keine Aussage treffen.

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Noch einmal Pergamon

Das Ehrendekret für Menodoros beschränkte den Bericht über dessen politische Laufbahn also nicht auf eine schlichte Wiedergabe von Fakten oder persönlichen Erfolgen. Stattdessen vermittelte der Beschluss zugleich eine politische Botschaft und positionierte die Polis Pergamon im Hinblick auf die Umwälzungen in Kleinasien. In der Person des Menodoros verkörperten sich die neuen Ideale der Stadt von Freiheit und Demokratie sowie das Bemühen um ein gutes Verhältnis zu Rom. So agierte der herausragende Bürger gemäß den demokratischen Prinzipien der Stadt stets im öffentlichen Auftrag nach Wahl durch die Volksversammlung. In tendenziösen Absichten verfälschte der Beschluss zudem die Berichte über historische Ereignisse und verschwieg mit Absicht bestimmte Sachverhalte und Personen. In der Außenpolitik suchte Menodoros im Einklang mit der politischen Grundausrichtung der Stadt die Anbindung an Rom. Gleichzeitig wollte der Beschluss die selbstbewusste Stadt demnach auch als starke und gleichberechtigte Partnerin der neuen Machthaber präsentieren. Die ideologischen Aspekte der Erzählung werden in der Folge zudem entscheidenden Einfluss auf die dauerhafte Publikation des Ehrendekrets genommen haben. Ebenso bedeutete das seltene Monument jedoch mit Sicherheit auch eine besondere Auszeichnung für Menodoros und erinnerte an die großen Verdienste des Ausnahmebürgers um die Polis. Erneut scheinen erst herausragende Leistungen in der Krise zum Erhalt von außergewöhnlichen Ehrungen qualifiziert zu haben. Als führende Persönlichkeit der Nachkönigszeit repräsentierte Menodoros zugleich jedoch zu einem gewissen Teil die gesamte Polis. Die Stele mit dem Ehrendekret verbreitete damit vermutlich stets auch die politischen Ziele der Stadt und vermischte demnach die Aspekte der persönlichen Anerkennung mit ideologischen Intentionen. Der erfahrene Staatsmann Menodoros, der durch seine führende Position sowohl auf die inhaltliche Gestaltung des Ehrendekrets als auch auf die politische Ausrichtung der Polis Pergamon im Allgemeinen maßgeblichen Einfluss genommen haben wird, kannte und begrüßte vermutlich die ideologischen Potentiale eines in der Öffentlichkeit aufgestellten Beschlusses und nutzte das Monument, das daneben sicherlich ebenso der Distinktion von anderen Mitgliedern der städtischen Elite diente, vornehmlich zur Verbreitung von eigenen Idealen und politischen Vorstellungen.17 Die persönlichen Interessen und die politischen Ansichten standen dabei vermutlich weitgehend im Einklang mit der offiziellen Haltung der Polis – repräsentierte Menodoros als Mitglied der städtischen Elite doch gleichsam zu einem großen Teil die Politik der Stadt. Die Stele war in der Folge neben der individuellen Auszeichnung 17

Zur politischen Bedeutung des Menodoros vgl. Wörrle 2000, 563. Auch der Vater des Menodoros scheint sich nach dem Ende der Monarchie in der Polis Pergamon engagiert zu haben und ist vermutlich mit dem Gymnasiarchen Metrodoros aus den Jahren nach 133 v. Chr. zu identifizieren. Zur Familiensituation s. Wörrle 2000, 554–557. Vgl. Mathys 2014, 47 Anm. 465.

Diodoros Pasparos – Der neue König von Pergamon

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eines Bürgers ebenso ein Monument für die politische Haltung der Polis Pergamon. Die Inschrift propagierte die Ideale von Freiheit und Demokratie und sollte zugleich auch das gute Verhältnis der Stadt zu Rom bezeugen.

6.2 Diodoros Pasparos – Der neue König von Pergamon Mit Ausnahme der kurzen Phase nach dem Ende der Monarchie scheint die Polis Pergamon weitgehend von der Aufzeichnung von Ehrendekreten für eigene Bürger abgesehen zu haben. Einzig in der Mitte des 1. Jhdts. v. Chr. ließen Rat und Volk eine große Zahl umfangreicher Beschlüsse für den herausragenden Politiker Diodoros Pasparos publizieren.18 Das Wirken dieses Ausnahmebürgers scheint sich auf die Zeit der Mithradatischen Kriege konzentriert zu haben. Neben den verliehenen Privilegien, die in Umfang und Art das übliche Maß an Ehrungen für verdiente Einzelpersonen um ein Vielfaches überstiegen, überragte Diodoros auch durch die zehn Ehrendekrete (I–III/V–VII/XI) sowie die vier Ehreninschriften (IV/VIII–X) alle anderen aus Pergamon bekannten Bürger.19 Einige Beschlüsse ließ die Polis zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal als Zusammenschau und Rückblick gesammelt auf eine Marmorsäule aufzeichnen.20 Die Ehrendekrete berichteten von diplomatischen Tätigkeiten sowie von der Übernahme der Gymnasiarchie und verliehen als 18

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Zur Datierung und chronologischen Einordnung der Beschlüsse s. Jones 1974, 190–205. Chankowski 1998, 167–169. Jones 2000, 9–11. Meier 2012, 336 f. Grundlegend für die Datierung ist die Neuinterpretation der Nikephorien in Pergamon als penteterische Veranstaltung. Jones 1974, 184–189. Für einen Überblick zu den Ehrendekreten und Ehreninschriften s. Chankowski 1998, 162–165. Vgl. Kienast 1970, 224–226. Die Nummerierung der Inschriften orientiert sich im Folgenden an der Zählung von Kienast und Chankowski. Die relative Chronologie der einzelnen Ehrendekrete ist nicht in jedem Fall sicher zu klären. Zur Chronologie der Ehrendekrete für Diodoros s. die Überblicksdarstellung bei Chankowski 1998, 195. So ist etwa ein Beschluss lediglich allgemein in die Zeit nach dem ältesten Ehrendekret zu datieren. XI: Hepding 1910 Nr. 2. Der fragmentarische Beschluss berichtete zunächst in einem allgemeinen Abschnitt von der hervorragenden Abstammung sowie von früheren Verdiensten und Ehrungen. Ein Schwerpunkt der Erzählung scheint auf dem religiösen Bereich und der Priesterschaft des Diodoros gelegen zu haben. Der eigentliche Anlass des Beschlusses war vermutlich jedoch im verlorenen Teil des Motivberichts enthalten. Hepding 1910, 409. Chankowski 1998, 191 f. Zum Umfang der Ehrungen s. Mathys 2014, 90. Zum Teil waren die umfangreichen Ehrungen vermutlich jedoch auch eine extreme Ausprägung des allgemeinen Phänomens der Ausweitung von Privilegien im späten Hellenismus S. u. S. 383. 402. VI: Hepding 1907 Nr. 8. Zu den Inschriften auf dem Säulenmonument für Diodoros s. Chankowski 1998, 165–167. Die auf der Säule verzeichneten Beschlüsse müssen ursprünglich nicht zur dauerhaften Publikation vorgesehen gewesen sein. Einzelne Be-

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Noch einmal Pergamon

Höhepunkt gottgleiche Ehrungen (VI γ 39: ἰσόθεαι τιμαί). Diodoros muss demnach innerhalb der pergamenischen Bürgerschaft eine überragende Stellung eingenommen haben und gehörte zweifellos zu den führenden Persönlichkeiten der Zeit.21 Die große Zahl an publizierten Ehrendekreten bleibt jedoch selbst im Vergleich mit dem Rest der griechischen Welt eine Ausnahmeerscheinung. Auch andere Städte scheinen niemals in ähnlichem Umfang Beschlüsse für eine einzelne Person aufgestellt zu haben.22 6.2.1 Politische Erfolge und diplomatische Verdienste Die herausragende Stellung und die umfangreichen Ehrungen in der Polis Pergamon hatte sich Diodoros durch zahlreiche und bedeutende Verdienste um die Heimatstadt erworben. Ein umfassendes Bild der Tätigkeiten und Erfolge lässt sich aus dem schlechten Erhaltungszustand der einzelnen Ehrendekrete jedoch nicht gewinnen. Grundvoraussetzung für das öffentliche Engagement werden in jedem Fall die vornehme Herkunft und der große Reichtum der Familie gewesen sein.23 So vererbte sich über Generationen etwa die lebenslängliche Funktion eines ἀρχιερεὺς καὶ διὰ γένους ἱερεὺς τοῦ Διὸς τοῦ μεγίστου (IV 2–3/XI 5–6). Der Vater Herodes hatte zudem zweimal die Gymnasiarchie übernommen. Für Diodoros bildeten den Beginn des politischen Aufstiegs vermutlich eine Gesandtschaftsreise nach Rom sowie erfolgreiche Verhandlungen mit dem Senat im Kontext der Mithradatischen Kriege (V 1–21/ VI  γ 1–19/VII a-b/XI). Ein Beschluss enthielt vermutlich sogar eine direkte Anspielung auf die Ermordung der an einer Verschwörung gegen Mithradates beteiligten Personen im Jahr 86 v. Chr. (V 13). Die Verhandlungen müssen durch den Einsatz des Diodoros in jedem Fall einen für Pergamon äußerst günstigen Ausgang erfahren haben und scheinen nach dessen Rückkehr aus Rom zum ersten Mal zur Verabschiedung eines Ehrendekrets geführt zu haben.24 Vermutlich als Reaktion

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schlüsse hatten vor der zusätzlichen Publikation auf dem Säulenmonument jedoch bereits eine eigenständige Aufzeichnung auf Stelen erfahren. VI γ: Hepding 1907 Nr. 8 a II 1–42. VII: Hepding 1910 Nr. 5. Vgl. Mathys 2009, 232. Einzelne Städte ließen im Späthellenismus mehrere Beschlüsse für eine Person zu Ensembledenkmälern zusammenstellen. S. u. S. 381 f. Die Errichtung der jeweiligen Inschriften blieb jedoch ein einzelnes Ereignis. Für Diodoros Pasparos war das Ensembledenkmal nur eine Ehrung neben anderen Auszeichnungen. Zur Familie des Diodoros s. Kienast 1970, 226. Damaskos 1999, 289. Ameling 2004, 142 f. Mathys 2014, 51 f. Zum politischen Engagement des Diodoros s. Jones 1974, 191–198. Quaß 1993, 129. 141. Virgilio 1993, 77–82. Virgilio 1994, 302–306. Chankowski 1998, 168 f. Jones 2000, 10 f. Ameling 2004, 142 f. Thériault 2007 Abs. 16. Arrayás Morales 2010, 379. Meier 2012,

Diodoros Pasparos – Der neue König von Pergamon

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auf die politische Situation erweiterte der Beschluss gleich zu Beginn der Resolutionsformel die übliche Anrufung der ἀγαθῆι τύχηι um eine Bitte für die Rettung der Polis.25 Schon mit dem ersten Beschluss verliehen Rat und Volk umfangreiche Ehrungen zur ewigen Erinnerung an die erbrachten Leistungen und entrückten Diodoros durch gottgleiche Privilegien aus der bürgerlichen Sphäre.26 Zunächst bewegten sich die Privilegien dabei trotz des großen Gesamtumfangs noch im profanen Bereich der Ehrungen für eine Einzelperson (V 22–36).27 Neben Belobigung und goldenem Kranz erhielt Diodoros eine goldene Statue, ein goldenes Reiterstandbild, eine durch eine Personifikation des Demos bekränzte Kolossalstatue aus Bronze, ein bronzenes Reiterstandbild sowie ein Kultbild (ἄγαλμα) aus Marmor. Die Ausführung der mit Ehreninschriften versehenen Statuenbasen legte der Beschluss im Detail fest. Über die Orte für die Aufstellung der Statuen konnte Diodoros bis auf das in seinem heiligen Hain zu errichtende Kultbild ebenso selbst entscheiden wie über die Aufzeichnung des Ehrendekrets neben einem Standbild.28 Daneben erhielt der Ausnahmebürger einen Ehrensitz bei allen Festen und Wettkämpfen der Stadt sowie – seine Anwesenheit vorausgesetzt – das Recht auf Durchführung des obligatorischen Weihrauchopfers bei Versammlungen des Rates und der Volksversammlung. Zusätzlich zu den umfangreichen Ehrungen beschloss die Polis eine für einen Bürger exzeptionelle Form der kultischen Verehrung (V 36–55). Rat und Volk erklärten den Tag der Rückkehr aus Rom für heilig und benannten eine Phyle der Stadt in Pasparis um. Für die nächste Wahl der Priester für königliche und römische Wohltäter bestimmte der Beschluss zudem die Wahl eines eigenen Priesters für den Kult des Diodoros, der als eine für alle Zeiten zu bewahrende Ehre auf eine Ebene mit dem Priester für den in der Stadt ebenfalls kultisch verehrten römischen Feldherrn M’. Aquilius gestellt werden sollte.29 Als Ort des Kultes beabsichtigte die Polis in einem Gebiet mit der Bezeichnung Philetaireia einen heiligen Bezirk mit

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29

336 f. Boulay 2014, 281. 367. 379. Mathys 2014, 51. Beck 2015, 255 f. 329 f. Die genauen Hintergründe und Sachverhalte lassen die fragmentarischen Ehrendekrete nicht mehr erkennen. V 21: ἀγαθῆι τύχηι καὶ ἐπὶ σωτηρίαι τῆς πόλεως. V: Hepding 1907 Nr. 4. Zu den Ehrungen des Diodoros s. Hepding 1907, 250–256. Kienast 1970, 228. Gauthier 1985, 59. 62 f. Virgilio 1993, 83–85. Virgilio 1994, 306–308. Damaskos 1999, 289. ­Aneziri/ Damaskos 2004, 269. Hamon 2007, 97. Thériault 2007 Abs. 16. Arrayás Morales 2010, 383. Bresson 2012, 215. Boulay 2014, 367. Mathys 2014, 53. Beck 2015, 256. Vgl. Bresson 2012, 215. Mathys 2014, 53. Das Ehrendekret scheint lediglich eine einmalige Aufzeichnung erfahren zu haben und stach damit neben den Ehreninschriften als besondere Form der Auszeichnung heraus. Zum Kult des M’. Aquilius s. auch Brun 2004, 27. Daubner 2 2006, 161 f. Biard 2017, 103. Zu den Kulten für Römer in Kleinasien s. allgemein Thériault 2012.

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Noch einmal Pergamon

dem Namen Diodoreion zu errichten.30 Der Kultbezirk sollte mit einem Naos aus weißem Marmor umgeben sein und das Kultbild des Diodoros beherbergen. Die anschließenden Bestimmungen regelten im Detail den Ablauf des Festes zur Einweihung des Kultbezirks und scheinen zudem noch weitere Opfer und Wettkämpfe festgesetzt zu haben. Durch die kultische Verehrung entrückte Diodoros endgültig den städtischen Sphären. Der Ausnahmebürger befand sich auf Augenhöhe mit hellenistischen Königen und römischen Magistraten und stand in der Polis Pergamon etwa in der Tradition der attalidischen Monarchen und der römischen Feldherrn wie M’. Aquilius.31 6.2.2 Leistungen im Kontext von Gymnasion und Gymnasiarchie Die kultische Verehrung in Pergamon blieb auch für das weitere Engagement nicht ohne Auswirkungen. Die Ausnahmestellung, die sich Diodoros nicht zuletzt durch sein außenpolitisches Engagement erworben hatte, nahm dem prominenten Bürger in der Folge die Möglichkeit, städtische Funktionen wie ein normales Mitglied der bürgerlichen Elite zu übernehmen, und wirkte sich etwa auch auf die spätere Bekleidung der Gymnasiarchie aus. So unterschied sich Diodoros sowohl durch seine Leistungen als auch durch die anschließenden Ehrungen von den Gymnasiarchen aus den Jahren um 133 v. Chr. und setzte sich stattdessen in die Tradition der attalidischen Monarchen. Nachdem bereits die kultische Verehrung den Ausnahmebürger den königlichen Wohltätern gleichgestellt hatte, beschritt Diodoros mit dem Engagement für das städtische Gymnasion – sofern die Ehrendekrete Rückschlüsse auf die öffentliche Selbstrepräsentation erlauben – ebenfalls neue Wege und scheint wie ein hellenistischer Herrscher aufgetreten zu sein. Im Gegensatz zu den Gymnasiarchen der Jahre um 133 v. Chr. beschränkte sich die Verleihung von Ehrungen nicht auf das Ende der Tätigkeit. Stattdessen verabschiedeten und publizierten Rat und Volk bereits während der erstmaligen Ausübung der Funktion, die vermutlich in den Jahren kurz nach 69 v. Chr. erfolgte, mehrere Ehrendekrete zu verschiedenen Gelegenheiten.

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Zum Heroon des Diodoros Pasparos s. Kader 1995, 211 f. Damaskos 1999, 293–297. Radt 1999, 248–254. Genovese 2011. Vgl. Arrayás Morales 2010, 383. Mathys 2014, 52 Anm. 520. Biard 2017, 102 f. 177. Die Lokalisierung des Kultbezirks im archäologischen Befund kann sich bislang jedoch auf keine stichhaltigen Beweise stützen. Jones 1974, 197. Gauthier 1985, 62 f. Virgilio 1993, 83. Virgilio 1994, 307. Ferrary 1997, 204. Ein weiteres Ehrendekret verlieh ebenfalls heroische Ehrungen. VI γ: Hepding 1907 Nr. 8 a II 1–42.

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Ein entsprechendes Monument errichtete die Polis etwa anlässlich der Veranstaltung der 29. Nikephorien im ersten Jahr der Gymnasiarchie.32 Diodoros erhielt für den in Wort und Tat erbrachten Einsatz um die Eintracht der Bürgerschaft (III 4–6) – vermutlich ein Reflex auf die unruhigen Zeiten – eine Belobigung, einen immerwährenden Kranz für die Tugend sowie eine Statue und ein Kultbild (III 4–14).33 Es folgten Bestimmungen zu Opfern und zu Wettkämpfen sowie zu mehreren Bekränzungen sowohl des Diodoros als auch der Statuen (III 14–27), die mit dem verdienten Gymnasiarchen Herodes zudem vermutlich den Vater des Diodoros miteinschlossen.34 Den äußeren Rahmen für die performativen Akte der Ehrungen scheinen zumindest zum Teil die Hermaia geboten zu haben. Wohl ebenfalls im Jahr der Gymnasiarchie verabschiedeten Rat und Volk ein weiteres Ehrendekret für den Einsatz für das Gymnasion, dessen dauerhafte Publikation jedoch erst im Kontext der Aufstellung der Ehrensäule, die als Ensembledenkmal mehrere Beschlüsse versammelte, erfolgt sein mag.35 Im Anschluss an einen allgemeinen Abschnitt über Tugend und Charaktereigenschaften berichtete die Erzählung über die Errichtung von mehreren Standbildern von Mitgliedern der pergamenischen Herrscherdynastie wie Philetairos Εὐεργέτης und Attalos III. Φιλομήτωρ (VI ζ 17–19).36 Mit der Errichtung der neuen Statuen suchte Diodoros in deutlichem Kontrast zu den früheren Gymnasiarchen, die sich gerade in den Jahren nach 133 v. Chr. in der Regel noch von den attalidischen Königen distanziert hatten, offenkundig die Nähe zur alten ­Monarchie.37 Spätestens durch die kultischen Ehrungen war Diodoros jedoch auf eine Ebene mit 32

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III: I. Pergamon 256. Der Beschluss ist bis auf den rechten Teil der Resolution verloren und über weite Teile lediglich im Ansatz zu ergänzen. Zur Ergänzung und Neuinterpretation der Inschrift s. ausführlich Chankowski 1998, 169–174. Zur Datierung der Gymnasiarchie s. auch Mathys 2009, 231. Boulay 2014, 393. Zu den Nikephorien in Pergamon vgl. Jones 1974, 184–189. Ameling 2004, 144. Zu den Ehrungen des Diodoros s. Fränkel 1890, 192 f. Kienast 1970, 229. Chankowski 1998, 172–174. Damaskos 1999, 291. Ameling 2004, 145. Aneziri/Damaskos 2004, 269. Von den Hoff 2004, 389. Mathys 2009, 231. 236. Ma 2013, 87. Mathys 2014, 53. Biard 2017, 101. Da die Statuenbasis mit Ehreninschrift ebenfalls erhalten ist, lässt sich die Passage bezüglich der Ehreninschrift für die Statuenbasis rekonstruieren. Auch die Ergänzung der Ehreninschrift profitiert im Gegenzug von den erhaltenen Abschnitten des Ehrendekrets. IV: Hepding 1907 Nr. 36. Zum Kultbild des Herodes im Gymnasion s. Von den Hoff 2004, 388. Mathys 2014, 52. VI ζ: Hepding 1907 Nr. 8 b+c II 11–24. Der Beschluss ist am Ende der zweiten Kolumne auf der Säule verzeichnet und bis auf die Zeilenanfänge mit Auszügen aus dem Präskript sowie vom Anfang des Motivberichts verloren. Zu den Statuen für die pergamenischen Könige s. Chankowski 1998, 190 f. Jones 2000, 8. Bielfeldt 2010, 160. Zur Errichtung von neuen Statuen der attalidischen Monarchen sowie zur Wiederbelebung des Königskultes s. Gauthier 1985, 47 f. Virgilio 1993, 91. Virgilio 1994, 312. Damaskos 1999, 290–292. Aneziri/Damaskos 2004, 264. Zum baulichen Befund s. Damaskos 1999, 292 f. Radt 1999, 126 f.

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den Königen getreten und sah sich auch im Engagement für das Gymnasion, das an die alten Traditionen der Monarchie anknüpfte, vermutlich als direkter Nachfolger der Attaliden. Die Aufstellung von Standbildern der Könige durch Gymnasiarchen war zudem eine in der Zeit des Attalos III. geübte Praxis und mag vor 133 v. Chr. eine wichtige Rolle bei der Entscheidung der Stadt zur dauerhaften Publikation der Ehrendekrete für die entsprechenden Personen gespielt haben.38 Durch die Wiederaufnahme der Praxis knüpfte Diodoros demnach vermutlich in einem weiteren Punkt an die Königszeit an. Zum Ende der ersten Gymnasiarchie publizierten Rat und Volk schließlich ein Ehrendekret mit der ausführlichen Gesamtdarstellung der Tätigkeit.39 Die Erzählung begann mit der ganztägigen Bereitstellung von Salböl für die Älteren und die freigeborenen Kinder (I 1–4). Der anschließende Abschnitt berichtete im Detail von der großzügigen Ausrichtung von zahlreichen Polisfesten wie den Καβείρια sowie der Bewirtung eines großen Personenkreises aus Bürgern, Römern und fremden Festgesandten zu den Nikephorien (I 5–15).40 Daneben hatte Diodoros ein Totenopfer für einen Aristonidas veranstaltet (I 16), den attalidischen Monarchen durch Kultbilder, Opfer und Wettkämpfe Ehre zukommen lassen (I 19–24) sowie das alte Fest der Κριοβόλια zur Unterhaltung der Epheben wiederbelebt (I 27).41 In der Folge beschrieb die Erzählung die jährlichen Feierlichkeiten am Tag der erfolgreichen Rückkehr von der Gesandtschaft nach Rom (I 30–32), erneut Opfer und Wettkämpfe für die attalidischen Monarchen und für den ägyptischen König Ptolemaios (I 38–43) sowie ein viertägiges Fest zu Ehren des Königshauses, der Athena Nikephoros und des Zeus Olympios (I 43–54). Gerade durch das intensive Bemühen um den Königskult versuchte Diodoros dabei ebenso wie durch die Errichtung der Statuen erneut an monarchische Traditionen anzuknüpfen. Die zahlreichen Veranstaltungen und Feste, die Wiederbelebung von alten Kulten sowie die Ehrungen für die verstorbenen Könige scheinen die Gymnasiarchie entsprechend der überragenden Stellung des Bürgers in der Polis zudem zu einem außergewöhnlichen Ereignis gemacht zu haben. Ein in Pracht und Umfang vergleichbares Engagement war nur äußerst schwer zu reali-

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S. o. S. 211–213. I: Schröder 1904 Nr. 1. Der Beschluss war in breiten Kolumnen auf eine sich nach oben leicht verjüngende Stele angebracht. Die Inschrift ist bis auf einen langen Ausschnitt von der linken Hälfte der Stele komplett verloren. Zur Ergänzung der Inschrift s. zusammenfassend Chankowski 1998, 162. Zu Opfern, Festen und Wettkämpfen s. Schröder 1904, 153–158. Kienast 1970, 230 f. Quaß 1993, 290 f. Chankowski 1998, 192–194. Ameling 2004, 144 f. Aneziri/Damaskos 2004, 255. Mango 2004, 288. Hamon 2005, 128. Beck 2015, 253 f. 292 f. 355. Zur Aufstellung der Kultbilder für die attalidischen Könige und die gleichzeitige Anknüpfung an die Monarchie s. Gauthier 1985, 47 f. Virgilio 1993, 91. Virgilio 1994, 312. Damaskos 1999, 290. Aneziri/Damaskos 2004, 264. Von den Hoff 2004, 388 f. Bielfeldt 2010, 160.

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sieren und konnte – wenn überhaupt – vermutlich schon aus finanziellen Gründen nur von sehr wenigen Gymnasiarchen erbracht werden. Durch den bewussten Vergleich mit den königlichen Wohltätern wird Diodoros jedoch auch selbst die höchsten Ansprüche an die eigenen Leistungen gestellt haben. In die Nachfolge der attalidischen Herrscher stellte sich Diodoros auch mit dem umfangreichen Bauprogramm für die mit der Zeit zumindest in Teilen verfallenen Räumlichkeiten des Gymnasions.42 Das Ehrendekret von Rat und Volk in Antwort auf die großzügige Bautätigkeit als Gymnasiarch scheint in derselben Sitzung verabschiedet worden zu sein wie der Beschluss anlässlich der Bemühungen um den Betrieb und die Feste des Gymnasions.43 Neben anderen Baumaßnahmen – in einem fragmentarischen Abschnitt scheint der Beschluss etwa von einem Peripatos berichtet zu haben (VI α 15) – ließ Diodoros einen neuen Sandplatz für Ringkämpfe (κονιστήριον) mit Marmorexedra und einen ebenfalls aus Marmor bestehenden sowie mit lackierten Decken und Holzvertäfelung ausgestattetem Kaltwaschraum errichten (VI α 19–23).44 In Anerkennung der Verdienste erhielt der herausragende Bürger neben Belobigung und goldenem Kranz für die Tugend eine in Lage und baulichen Details ausführlich beschriebene Exedra mit einem Kultbild aus Marmor (VI α 30–53).45 In einem noch zu errichtenden Kultraum sollte Diodoros zudem als σύνθρονος (VI α 44) zusammen mit den Göttern der Palästra (VI α 44–45) – also Hermes und Herakles – Verehrung erhalten. Im Anschluss bestimmte das Ehrendekret die ausführliche Ehreninschrift für die künftige Statuenbasis. In der Summe entrückten die außergewöhnlichen Privilegien den Gymnasiarchen erneut aus den bürgerlichen Sphären in den Kreis der städtischen Heroen. Da die Stadt vermutlich Probleme mit der Finanzierung der umfangreichen und kostspieligen Ehrungen gehabt hätte, versprach Diodoros den Bau der Exedra und die Errichtung des Kultbildes selbst zu finanzieren und die Bauarbeiten zu

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Vgl. Dreyer 2004, 234. VI α: Hepding 1907 Nr. 8 a I 1–53. Erhalten haben sich als Teil der Säule mit den Beschlüssen lediglich das Ende des Motivberichts sowie große Teile der Resolution. Für verschiedene Aspekte seiner Tätigkeit scheint Diodoros demnach zum gleichen Zeitpunkt gleich zwei Ehrendekrete erhalten zu haben. Die ungewöhnliche Praxis unterstreicht erneut die Ausnahmestellung des Bürgers in der Polis. Zum Bauprogramm des Diodoros s. Hepding 1907, 266–268. Kienast 1970, 229. Quaß 1993, 206. Virgilio 1993, 86. Virgilio 1994, 309. Chankowski 1998, 175. Ameling 2004, 143 f. Mathys 2009, 231. Meier 2012, 338 f. Boulay 2014, 41 f. 388. Mathys 2014, 52 f. Zu den Ehrungen des Diodoros s. Hepding 1907, 268 f. Kienast 1970, 229. Virgilio 1993, 86 f. Virgilio 1994, 309 f. Chankowski 1998, 175–177. Damaskos 1999, 290. Gauthier 2000a, 54. Ameling 2004, 145. Aneziri/Damaskos 2004, 269. Von den Hoff 2004, 389. Meier 2012, 339 f. Boulay 2014, 41 f. Mathys 2014, 52 f. Biard 2017, 102 f. Zum baulichen Befund s. Damaskos 1999, 292. Radt 1999, 125 f.

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betreuen (VI δ 67–78).46 Den anlässlich der Ankündigung gefassten Beschluss müssen Rat und Volk kurz nach den Ehrendekreten zum Ende der Gymnasiarchie oder vielleicht sogar noch in der gleichen Sitzung verabschiedet haben.47 Nach einem allgemeinen Abschnitt über die herausragenden Vorfahren und die Tugenden des Diodoros (VI δ 44–61) fasste die Erzählung, die damit zugleich eine Begründung für die umfangreichen Ehrungen wie die Errichtung der Exedra mit Kultbild bot, knapp die Verdienste um das Gymnasion zusammen (VI δ 61–67).48 Für die Verfasser des Beschlusses hatte Diodoros durch die erbrachten Leistungen die ἀκμή (VI δ 61) der Wohltaten erreicht und konnte mit Recht die Verehrung eines δεύτερος κτίστης (VI δ 62–63) erhalten.49 Durch die Zuschreibungen rückte der herausragende Bürger ein weiteres Mal in die Nähe der pergamenischen Monarchen – galten doch die Attaliden mit ihren umfangreichen Bauprogrammen als die eigentlichen Gründer der Stadt.50 Die durch den Beschluss evozierte Anlehnung an die Könige wird nicht zuletzt auch dem Selbstbild des Diodoros entsprochen haben und stand vermutlich im Einklang mit dessen eigenem Auftreten in der Öffentlichkeit. Auf Inhalt und Gestaltung der eigenen Ehrendekrete mag der Ausnahmebürger demnach bereits im Vorfeld maßgeblichen Einfluss genommen haben. Ein weiteres Ehrendekret bot erneut einen ausführlichen Bericht von einzelnen Leistungen als Gymnasiarch.51 Neben der Bereitstellung von Salböl (II 3) kümmerte sich Diodoros etwa um die Ausbildung der freien Kinder (II 5) und veranstaltete auf eigene Kosten das Opferfest für die Götter der Palästra und für die Wohltäter 46

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Hepding 1907, 271. Chankowski 1998, 177–180. Damaskos 1999, 290. Gauthier 2000a, 54. Ameling 2004, 145. Von den Hoff 2004, 389 f. Meier 2012, 340 f. Mathys 2014, 52. Die Ankündigung wird vermutlich nicht als spontane Reaktion erfolgt sein und mag durch Diodoros bereits im Vorfeld geplant gewesen sein. VI δ: Hepding 1907 Nr. 8 a II 44–78. Der Beschluss war zusammen mit dem Ehrendekret anlässlich der Bauarbeiten auf der Ehrensäule des Diodoros angebracht. Erhalten haben sich lediglich das Präskript sowie der Anfang des Motivberichts. Zur Zusammenfassung der Leistungen s. Kienast 1970, 229 f. Virgilio 1993, 89 f. Virgilio 1994, 311 f. Chankowski 1998, 177. Ameling 2004, 145. Arrayás Morales 2010, 383. Meier 2012, 340. Boulay 2014, 42. Vgl. Mathys 2014, 52. Die Ehrendekrete für Diodoros zeigen allgemein eine Tendenz zu ausgesuchten Formulierungen und neigen zu Superlativen. Die Beschlüsse bemühten sich auch auf der rhetorischen Ebene um die Erhöhung des herausragenden Bürgers und passten die Wortwahl an dessen gottgleiche Ausnahmestellung an. Vgl. auch u. S. 439. Vgl. Virgilio 1993, 90. Virgilio 1994, 312. II: Hepding 1910 Nr. 3. Der ursprüngliche Beschluss ist bis auf einen Ausschnitt des Motivberichts verloren. Kontext und Inhalt lassen sich nur im Ansatz rekonstruieren. Die Inschrift mag ursprünglich zusammen mit einem weiteren Ehrendekret für Diodoros auf einer Stele angebracht gewesen sein. Zur möglichen Einordnung des Fragments s. Chankowski 1998, 194. Das Ehrendekret berichtete entweder von einem zweiten Engagement als Gymnasiarch oder war eine weitere Abschrift eines Beschlusses vom Ende der ersten Gymnasiarchie.

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(II 10).52 Bei anderen Gelegenheiten stellte der engagierte Gymnasiarch erneut den ganzen Tag aromatisiertes Öl in großen Gefäßen bereit (II 14). Zudem berichtete der Beschluss über die Veranstaltung von Festen und Wettkämpfen im Gymnasion (II 15–21). Hintergründe waren etwa die vermutlich kultischen Feiern zu Ehren des ehemaligen Gymnasiarchen Herodes, der passenderweise zugleich der Vater des Diodoros war und möglicherweise einen Präzedenzfall für die kultische Verehrung seines Sohnes geschaffen hatte, oder Wettkämpfe und Opfer anlässlich von Siegesfeiern. Zu manchen Veranstaltungen ließ der verdiente Bürger ebenfalls aromatisiertes Öl ausgeben. Neben den herausragenden Unternehmungen und Bauprojekten scheint Diodoros also auch den alltäglichen Aufgaben und Pflichten eines Gymnasiarchen in vorbildlicher Weise nachgekommen zu sein. Selbst dem normalen Betrieb der Einrichtung verlieh der Ausnahmebürger jedoch entsprechend seiner Stellung in der Polis durch eine prächtige Ausgestaltung sowie durch ungewöhnliche Zusatzleistungen einen besonderen Glanz. 6.2.3 Die Ehrendekrete für Diodoros Pasparos als Rückgriffe auf die Königszeit Grundlage für die herausragende Stellung des Diodoros in der Polis Pergamon waren die im Kontext der Mithradatischen Kriege erworbenen Verdienste in Verhandlungen mit römischen Magistraten und dem Senat in Rom um die Zukunft und den Fortbestand der Stadt. Offensichtlich hatten ein weiteres Mal erst die außergewöhnlichen Umstände und die existentielle Bedrohung der Polis den beispiellosen Aufstieg des Ausnahmebürgers ermöglicht.53 In der Folge entrückten die herausragenden Leistungen Diodoros jedoch aus den bürgerlichen Sphären und veranlassten die Polis nach dessen erfolgreicher Rückkehr in die Heimat zu ungewöhnlichen Ehrungen. Die verliehenen Privilegien hatten mit den üblichen Auszeichnungen für verdiente Bürger kaum noch Gemeinsamkeiten und überschritten gerade mit der kultischen Überhöhung deutlich die Grenzen der üblichen Ehren für Einzelpersonen.54 Rat und Volk von Pergamon (ver)ehrten Diodoros wie einen neuen König und nicht wie einen einfachen Mitbürger. An Ansehen und Prestige muss der Ausnahmebürger den 52

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Zu den Leistungen des Diodoros s. Hepding 1910, 411. Kienast 1970, 228 f. Quaß 1993, 288. Chankowski 1998, 194. Aneziri/Damaskos 2004, 250 Anm. 22. Ameling 2004, 144 f. Boulay 2014, 30. 115. Beck 2015, 254. Zu den besonderen Umständen s. auch Ferrary 1997, 203 f. Kienast 1970, 232. Quaß 1993, 34. Als extremes Beispiel illustriert die heroische Verehrung auch das allgemeine Phänomen der allmählichen Ausweitung der Ehrungen im Späthellenismus. Gauthier 1985, 63. Vgl. Ameling 2004, 160. Vgl. auch u. S. 383. 402. Ausmaße wie in Pergamon scheint die Verehrung eines einzelnen Bürgers in den anderen Städten jedoch nicht angenommen zu haben.

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attalidischen Herrschern und anderen hellenistischen Monarchen gleichgekommen sein.55 Auch die spätere Übernahme der Gymnasiarchie stand im Kontext der quasimonarchischen Stellung und verließ im Hinblick auf Leistungen und Engagement die Tradition der bürgerlichen Gymnasiarchen aus den Jahren um 133 v. Chr.56 Diodoros versuchte durch ein umfangreiches Bauprogramm und die Wiederbelebung des Königskults sowie vermutlich auch durch das öffentliche Auftreten und die Selbstdarstellung an die alten Traditionen der attalidischen Monarchie anzuknüpfen.57 Sowohl von den eigenen Ansprüchen als auch im Hinblick auf die Stellung innerhalb der Bürgerschaft muss der «neue Heros» in der griechischen Staatenwelt des späten Hellenismus eine Ausnahmeerscheinung geblieben sein. Die Aufstellung der zahlreichen Ehrendekrete wird dementsprechend vornehmlich eine zusätzliche Anerkennung für den herausragenden Bürger bedeutet haben und stand vornehmlich im Dienst der öffentlichen Selbstdarstellung als Bürgerheros in der Tradition der Könige. Eine übliche Praxis scheint die Publikation von entsprechenden Beschlüssen in der Polis Pergamon im 1. Jhdt. v. Chr. nicht mehr gewesen zu sein. Die Ehrendekrete für Diodoros beschränkten sich in der Regel auf einzelne Leistungen oder bestimmte Tätigkeiten wie die Gymnasiarchie. Ein Lebenswerkdekret mit einer zusammenfassenden Würdigung der politischen und gesellschaftlichen Verdienste scheint der Ausnahmebürger nicht erhalten zu haben – auch wenn die Zusammenstellung von mehreren Ehrendekreten auf der Ehrensäule immerhin den Eindruck einer zusammenfassenden Überblicksdarstellung über das Leben des Diodoros erweckte. Das Idealbild eines beispielhaften Polisbürgers entwarfen die Ehrendekrete, die trotz ihres beträchtlichen Umfangs zudem kaum politische Statements oder ideologische Aussagen enthielten, ebenfalls nicht.58 Stattdessen

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Die ehemalige Residenzstadt der Attaliden wird durch die permanente Präsenz der Könige in der Vergangenheit an die kultische Verehrung von Einzelpersonen gewöhnt gewesen sein und mag demnach für die Entfaltung des Heroenkultes günstige Bedingungen geboten haben. Vgl. Damaskos 1999, 292. Zur besonderen Stellung des Diodoros s. Von den Hoff 2004, 390. Vgl. Ferrary 1997, 203. Beck 2015, 256. Die von Ameling (2004, 146) versuchte Einordnung des Diodoros in den Rahmen der bürgerlichen Wohltäter im Gymnasion greift zu kurz. Diodoros war zum Zeitpunkt seiner Gymnasiarchie der bürgerlichen Sphäre bereits weit enthoben. Zum Ende der Überlegungen deutet selbst Ameling (2004, 159 f.) – wenn auch stark verallgemeinernd – die neue Qualität der Ehrungen an. Quaß (1993, 206 f.) stellt Diodoros ebenfalls noch auf eine Ebene mit anderen pergamenischen Gymnasiarchen. Kienast 1970, 232. Gauthier 1985, 62 f. Quaß 1993, 34. Virgilio 1993, 92–94. Virgilio 1994, 313 f. Damaskos 1999, 290–292. Von den Hoff 2004, 390. Mathys 2014, 51. 91. Einzig in einzelnen Formulierungen wie der Bitte um die Rettung der Polis begaben sich die Beschlüsse auf eine politische Ebene. Daneben werden die Erzählungen an wichtige Ereignisse in der Geschichte der Stadt erinnert haben. Ideologische Statements enthielten die Ehrendekrete auch in den allgemeinen Abschnitten zu Tugend und Charaktereigenschaften in der Regel nicht.

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konzentrierten sich die Motivberichte auf die Person des Diodoros und waren Teil eines umfassenden Programms der öffentlichen Selbstdarstellung. Eine ideologisch geprägte Gesamtdarstellung von der Karriere eines vorbildlichen Polisbürgers in Form eines Lebenswerkdekrets mag in diesem Zusammenhang vielleicht auch schlicht nicht zum Selbstbild des Ausnahmebürgers, der sich vornehmlich an monarchischen Vorbildern orientiert zu haben scheint, gepasst haben. Als wirkliches Beispiel zur Nachahmung ließ sich Diodoros seinen Mitbürgern auch kaum präsentieren – eigneten sich doch Könige und Heroen ebenfalls nur mit Einschränkungen als Modelle für gewöhnliche Bürger. Die heroische Verehrung und die quasimonarchische Stellung erhoben den «neuen König», der die Politik und das öffentliche Leben der Stadt weitgehend bestimmt haben wird, mit großem Abstand über seine Mitmenschen. Polis und Bürgerschaft kam demgegenüber in den Ehrendekreten vornehmlich die Rolle von dankbaren Empfängern der Wohltaten zu.

6.3 Ehrendekrete für eigene Bürger aus der Polis Pergamon Die Polis Pergamon nahm als königliche Residenzstadt eine Sonderstellung unter den griechischen Städten ein. Auch nach dem Ende der Monarchie wirkte die ehemalige Präsenz der Attaliden in der Politik und im öffentlichen Leben der Stadt nach und hatte Auswirkungen auf die Praxis der dauerhaften Aufstellung von Ehrendekreten. Unter den Königen mussten Rat und Volk weitgehend auf die öffentliche Ehrung von einzelnen Bürgern oder zumindest auf die Publikation der entsprechenden Beschlüsse verzichten. Erst unter Attalos III. ließ die Polis einzelne Ehrendekrete für Personen außerhalb des direkten Umfelds der Herrscher aufstellen. Die Beschlüsse brachten jedoch stets die Loyalität der ausgezeichneten Bürger gegenüber dem König zum Ausdruck und präsentierten die jeweiligen Personen als stellvertretende Beispiele für die Haltung der gesamten Bürgergemeinde. Die publizierten Ehrendekrete waren damit Ausdruck der städtischen Verbundenheit mit dem Herrscherhaus – vielleicht der entscheidende Grund für die Errichtung der jeweiligen Monumente. Zugleich deuteten sich in der Aufstellung der Beschlüsse, die auch ambivalente Botschaften enthalten konnten, die zunehmende Bedeutung von einzelnen Bürgern sowie der allmähliche Niedergang des Königtums an. Eine größere Zahl an Ehrendekreten für eigene Bürger veröffentlichten Rat und Volk erst in der Zeit nach dem unmittelbaren Ende der attalidischen Herrschaft. Die Beschlüsse für die scheidenden Gymnasiarchen mögen für einen gewissen Zeitraum sogar in jedem Jahr aufgezeichnet worden sein. Daneben publizierte die Polis mit dem Beschluss für Menodoros vermutlich auch ein ausführliches Ehrendekret für eine politische Lebensleistung. Gerade die Ehrendekrete für Gymnasiarchen waren dabei zum Teil auch ein willkommenes Mittel zur Distinktion sowie zur Selbstdarstellung von herausragenden Bürgern und

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werden von einzelnen Mitgliedern der städtischen Elite in den ersten Jahren nach dem Ende der Monarchie zur öffentlichen Positionierung in der Polis sowie zum Ausbau des eigenen Einflusses genutzt worden sein. Ebenso stand die Aufstellung der Ehrendekrete jedoch im Kontext der Bemühungen der Stadt um eine Neuordnung der politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse. Nach dem Ende der Monarchie war die Bürgerschaft auf der Suche nach neuen Bezugspunkten für die eigene Identität sowie einem entsprechenden Wertesystem. Insbesondere das Ehrendekret für Menodoros propagierte die Werte von Freiheit und Demokratie und befürwortete die Anlehnung an Rom. Auf Distanz ging der Beschluss hingegen – wie auch die Ehrendekrete für Gymnasiarchen – zu den attalidischen Königen sowie zu Aristonikos. Bei einem führenden Politiker wie Menodoros werden die persönlichen Ansichten weitgehend mit der offiziellen Haltung der Polis, die in der Regel die Mehrheitsmeinung der Elite widerspiegelte, übereingestimmt haben. Einen traditionellen Ort für Selbstfindung und Identitätsstiftung bot auch das Gymnasion. Gerade in der attalidischen Residenzstadt spielten die entsprechenden Einrichtungen seit der Königszeit eine wichtige Rolle im öffentlichen Leben der Polis und mögen dementsprechend auch unter ideologischen Gesichtspunkten passende Orte für das öffentliche Engagement von einzelnen Bürgern gewesen sein. Die entsprechenden Ehrendekrete betonten in Anknüpfung an überkommene Traditionen Beständigkeit und Kontinuität und schufen – gleichsam als Verbindung von Kontinuität und Wandel – zugleich neue Maßstäbe für die Tätigkeit eines Gymnasiarchen und damit in Teilen auch ein neues Selbstbild der Polis. Der Trend zur öffentlichen Ehrung von eigenen Bürgern scheint in der Polis Pergamon jedoch nicht lange angehalten zu haben. Zumindest von der Aufstellung der entsprechenden Ehrendekrete ließ die Polis mit Ausnahme der zahlreichen Beschlüsse für Diodoros Pasparos, der sich durch diplomatische Erfolge im Kontext der Mithradatischen Kriege herausragende Verdienste um die Heimatstadt erworben und in der Folge umfangreiche Ehrungen bis hin zu einem eigenen Kult erhalten hatte, bereits wenige Jahre nach dem Aufkommen der Praxis erneut ab. Diodoros war den bürgerlichen Sphären durch seine Sonderstellung schon weitgehend entwachsen und stand in Ansehen und Prestige nicht zuletzt nach den eigenen Ansprüchen in der Nachfolge der pergamenischen Könige. Auch im Engagement für das Gymnasion der Stadt stellte sich der lebende Heros insbesondere durch seine umfangreiche Bautätigkeit in der Tradition der monarchischen Wohltaten auf eine Stufe mit den Attaliden. Mit der normalen Tätigkeit eines Gymnasiarchen hatten die Unternehmungen vermutlich nur noch wenige Gemeinsamkeiten.59 Sowohl im Hinblick 59

Eine dritte Phase in der Geschichte der pergamenischen Gymnasiarchie lässt sich mit dem Engagement des Diodoros für das Gymnasion nicht festmachen. So jedoch Ameling 2004, 145 f. Die Leistungen im Kontext des Gymnasions werden entsprechend der Sonderstellung des herausragenden Bürgers eine Ausnahme geblieben sein. Mit der Zeit

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auf die erbrachten Leistungen als auch in Bezug auf die kultische Verehrung und die zahlreichen anderen Privilegien, die den üblichen Rahmen an Auszeichnungen für verdiente Bürger verlassen hatten und an die Ehrungen für hellenistische Könige erinnerten, blieb Diodoros eine Ausnahmeerscheinung. Auch die Aufstellung der entsprechenden Ehrendekrete wird demnach ein Sonderfall gewesen sein und vermutlich nicht eine gängige Ehrenpraxis gespiegelt haben. Die Monumente eignen sich dementsprechend auch nicht für allgemeine Rückschlüsse auf die Entwicklung der Ehrenpraxis und die Aufstellung von Ehrendekreten im späten Hellenismus – auch wenn die verliehenen Privilegien gleichsam als eine extreme Ausprägung der allgemeinen Tendenz zur allmählichen Ausweitung von bürgerlichen Ehrungen im späten Hellenismus gesehen werden können. In der Summe scheint die dauerhafte Publikation von Ehrendekreten für eigene Bürger in der Polis Pergamon mit Ausnahme der kurzen Zeit nach 133 v. Chr. – vermutlich genau die Jahre der größten bürgerlichen Freiheit – nicht üblich gewesen zu sein.

der Mithradatischen Kriege und dem Aufstieg des Diodoros mag allgemein eine neue Phase in der Geschichte der Stadt Pergamon begonnen haben. Die bedeutendsten und für die persönliche Stellung letztlich entscheidenden Erfolge hatte der Ausnahmebürger auf diplomatischen Missionen erworben. Das Engagement für das städtische Gymnasion war lediglich ein Aspekt der umfangreichen Tätigkeit.

7. Die Römer kommen nach Kleinasien – Ehrendekrete im direkten Zusammenhang mit dem Krieg gegen Aristonikos

Die dauerhafte Aufstellung eines Ehrendekrets für einen eigenen Bürger blieb in den meisten Städten der griechischen Welt eine seltene Praxis und war als besondere Ehre bis in den Späthellenismus für Einzelpersonen in vielen Fällen vermutlich erst über außergewöhnliche Leistungen in Krisensituationen – neben innenpolitischen Konflikten und Versorgungskrisen oftmals militärische Auseinandersetzungen – zu erreichen.1 Auch zahlreiche Städte in Kleinasien ließen im Zusammenhang mit militärischen Auseinandersetzungen immer wieder entsprechende Monumente errichten.2 So veranlassten etwa die Kelteneinfälle der Jahre um 275 v. Chr. in den Städten Priene und Erythrai die Entstehung von mehreren Ehrendekreten.3 Eine große Zahl an entsprechenden Beschlüssen wurde in Kleinasien auch über einen kurzen Zeitraum nach dem unmittelbaren Ende der attalidischen Herrschaft im Jahr 133 v. Chr. aufgestellt.4 Der Ereigniszusammenhang um die Umwandlung des pergamenischen Herrschaftsgebietes in eine römische Provinz sowie insbesondere der Aufstand des Aristonikos, der zu den größten Krisen in der Geschichte der Region gehörte, boten zahlreichen Bürgern zunächst schlicht eine hinreichende Möglichkeit zu besonderen Leistungen und veranlassten die Städte in der Folge zur Erinnerung der Verdienste durch die Aufstellung von Ehrendekreten.5 Die in den Jahren nach 133 v. Chr. entstandenen Monumente gehörten dabei zumeist in den direkten Zusammenhang der militärischen Auseinandersetzungen und honorierten – so etwa die Beschlüsse aus 1

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Vgl. Habicht 1995b, 88. Van der Vliet 2011, 180. Boulay 2014, 344–346. Daneben konnten auch diplomatische Erfolge für entsprechende Auszeichnungen qualifizieren. S. etwa das Ehrendekret der Polis Lampsakos für den Gesandten Hegesias aus den Jahren nach 196/195 v. Chr. I. Lampsakos 4. Außerhalb von Kleinasien lassen sich entsprechende Phänomene auch auf griechischen Inseln wie Kos oder Rhodos sowie in den griechischen Städten an der Schwarzmeerküste beobachten. S. allgemein o. S. 49. S. zusammenfassend o. S. 129 f. Auch andere Konflikte wie der Krieg zwischen Rom und Antiochos III. mit dem anschließenden Frieden von Apameia im Jahr 188 v. Chr. oder regionale Unruhen in Lykien in den Jahren um 180 v. Chr. fanden vereinzelten Niederschlag in den Ehrendekreten wie dem Beschluss für Pamphilos aus Apollonia oder dem Beschluss für Orthagoras aus Araxa. Robert/Robert 1954 Nr. 167. Bean 1948 Nr. 11. Vgl. Habicht 1995b, 88. Zu den Ereignissen um die Einrichtung der römischen Provinz Asia s. ausführlich Daubner 2 2006. Vgl. Coarelli 2005. In vielen Städten blieben die entsprechenden Beschlüsse die einzigen Zeugnisse für die dauerhafte Publikation von Ehrendekreten für eigene Bürger durch die jeweilige Polis. Ehrungen für Bürger mag es auch zu anderen Zeiten gegeben haben. Eine dauerhafte Aufzeichnung erfuhren die entsprechenden Beschlüsse offensichtlich jedoch nicht. Vgl. Habicht 1995b, 88 f.

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den Städten Bargasa, Bargylia, Gordos, Kyzikos und Metropolis – Verdienste der Kommandanten von Bürgerkontingenten bei den Kämpfen gegen die Aufständischen oder erfolgreiche Verhandlungen mit den römischen Feldherren.6 Den Ursachen und Hintergründen für die dauerhafte Aufzeichnung der entsprechenden Ehrendekrete soll im Folgenden nachgegangen werden. Ein besonderes Augenmerk wird dabei auf die politische Aussagekraft der Monumente zu richten sein.

7.1 Politische Verdienste und diplomatische Erfolge Die karische Polis Bargasa publizierte in den Jahren nach 129 v. Chr. ein Ehrendekret für einen Apollonios und begann die Erzählung dabei zunächst mit einer allgemeinen Würdigung früherer Leistungen (7–12).7 Der einleitende Abschnitt bot zugleich eine Reflexion über Einstellung und Motive des engagierten Bürgers und bildete damit auch die Überleitung zum eigentlichen Gegenstand des Beschlusses. Obwohl ­Apollonios bereits zu einem früheren Zeitpunkt Auszeichnungen von der Stadt erhalten hatte, wollte er sich, indem er seine eigenen Leistungen übertraf, auch nach seinen Ehrungen erneut für die Stadt einsetzen und unentwegt Wohltaten erbringen.8 Der anschließende Bericht über die Leistungen während des Aristonikoskrieges bildete vermutlich den Hauptteil der Erzählung und wird – zumal mögliche weitere Verdienste ohne Erwähnung blieben – der eigentliche Anlass des

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Andere Ehrendekrete der Jahre nach 133 v. Chr. wie die Beschlüsse aus den Städten Kolophon, Priene, Pergamon und Sestos standen lediglich in mittelbarem Zusammenhang mit den militärischen Auseinandersetzungen. S. ausführlich u. S. 269–326. Gerade die Polis Pergamon nahm als ehemalige Residenz der Attaliden eine Sonderstellung ein. S. o. S. 243. Vermutlich waren zudem auch nicht alle Städte in Kleinasien im gleichen Ausmaß von den Kampfhandlungen betroffen. Daubner 2 2006, 76 f. 151. Briant/Brun/Varinlioğlu 2001. Der Beschluss ist unter den wenigen Inschriften, die aus der Stadt bekannt geworden sind, das einzige Ehrendekret für einen Bürger. Zum epigraphischen Befund s. Briant/Brun/Varinlioğlu 2001, 241. Von der vermutlich auf mehreren Blöcken – vielleicht Elemente einer Statuenbasis – angebrachten Inschrift ist lediglich ein Block mit der Überschrift, dem ausführlichen Präskript sowie dem Beginn des Motivberichts erhalten. Zur Datierung des Beschlusses s. ebd. 243 f. Zur Lokalisierung von Bargylia s. ebd. 249–252. Vgl. Daubner 2 2006, 133. 7–12: ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθὸς καὶ εὐεργέτης τῆς | πατρίδος ὑπάρχων, τειμηθεὶς πρότερον ὑπὸ τοῦ δήμου ἐπὶ τῇ πρὸ[ς] | τὴν πόλιν καὶ πρὸς τὸ πλῆθος εὐνοίαι, πάλιν καὶ μετὰ τὰς τειμὰς νικᾶ.[ν] | βουλόμενος ταῖς εὐεργεσίαις καὶ ὑφεσταμένος ὁλοσχερῶς καὶ γνησί|ως τὸν βίον πρὸς πατρίδος εὐεργεσίαν καὶ πολιτῶν, ἄλλο ἐφ᾿ ἑτέρῳ συν|τελούμενος εὐεργέτημα διατετέλεκεν. Vgl. Briant/ Brun/Varinlioğlu 2001, 243 f. Dreyer/Engelmann 2003, 19 Anm. 33. Der fortwährende Einsatz für die Stadt sowie das Übertreffen der eigenen Leistungen waren in zahlreichen Städten zentrale Motive in den Ehrendekreten für eigene Bürger. S. u. S. 439 f.

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Beschlusses gewesen sein (12–21).9 Den inhaltlichen Einschnitt unterstrichen die Verfasser an dieser Stelle zudem durch einen Exkurs über die historische Situation (12–17) sowie auf der formalen Ebene durch die Partikeln τε γάρ (12). So berichtete die Erzählung zunächst von einem Schreiben des römischen Konsuls M’. Aquilius mit der Forderung nach der Einquartierung von Soldaten sowie von allgemeinen Problemen, die sich aus den Bündnisverpflichtungen gegenüber Rom für die Stadt ergeben hatten.10 Der Name des Konsuls stand dabei am Anfang des Abschnitts und bekräftigte gleichsam als einleitende Datierung erneut den inhaltlichen Einschnitt. Insgesamt scheint der Beschluss demnach mit rhetorischem Anspruch gestaltet worden zu sein und ein festes Gesamtkonzept umgesetzt zu haben.11 Apollonios reiste in Reaktion auf die erhaltene Nachricht unter Verachtung persönlicher Nachteile und Gefahren als Vertreter der Polis Bargasa zu M’. Aquilius und überzeugte den Konsul in harten Verhandlungen, die Einquartierung zu unterlassen.12 Trotz der Klage über die bevorstehende Truppenstationierung betonte das Ehrendekret dabei das Wohlwollen der Stadt gegenüber den Römern (15: τὴν πρὸς Ῥωμαίους εὔνοιαν).13 Eine wichtige Intention des Beschlusses lag demnach in der öffentlichen Bekundung der Loyalität der Polis Bargasa zu den Römern. Daneben stilisierte die Erzählung den herausragenden Bürger zu einem allgemeinen Beispiel für Tugend und richtiges Verhalten. Ein ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός wie Apollonios setzte sich stets für die Polis ein und nahm in Krisensituationen sogar persönliche Gefahren in Kauf. In der politischen Situation der Jahre nach 133 v. Chr. musste eine angesehene Persönlichkeit zudem über gute Beziehungen nach Rom verfügen oder zumindest die prinzipiellen Voraussetzungen zum Aufbau von entsprechenden Verbindungen mitbringen. Der Beschluss war damit erneut auch ein Instrument der Polis zur Vermittlung von politischen Zielen und wird sich unter diesen Aspekten in  9

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Daubner 2 2006, 133. Zu den historischen Hintergründen des Beschlusses s. Briant/Brun/ Varinlioğlu 2001, 255–259. Für einen Überblick über wichtige Vergleichsbeispiele s. ebd. 252–255. Zum Schreiben des M’. Aquilius s. Briant/Brun/Varinlioğlu 2001, 245–247. Brun 2004, 35. Daubner 2 2006, 134. Eine μὲν – δέ Konstruktion verdeutlichte etwa den Kontrast im Abschnitt über die Gesandtschaftsreise und unterstrich die intendierte Grundaussage (17–18). Der parallele Aufbau der Passagen sollte die inhaltlichen Gegensätze zusätzlich verstärken. Nicht zuletzt in der bewussten Wortwahl und im überlegten Satzbau zeigten sich die rhetorischen Qualitäten des zweiten Abschnitts. Zur rhetorischen Gestaltung des Beschlusses s. auch Briant/Brun/Varinlioğlu 2001, 245–247. Dreyer/Engelmann 2003, 19 Anm. 32. 17–20: [ὑπ]εριδὼν μὲν τὰ ἰδίαι λυσιτελῆ ὄντα καὶ μείζ.ονα (vac.) | [κίνδυνον τῶ]ι. ἀποδημοῦντι, πρεσβεύσας δὲ πρὸς τὸν ὕπατο.[ν], | [ἐπῆλθεν πρὸ]ς. αὐτὸν καὶ ἀγωνισάμενος ὑπὲρ τοῦ ἀνεπιστ[άθ]|[μευθον γ]ε.νέσθαι τὴν πατρίδα, ἔπεισεν [μὴ] ἀποστεῖλα[ι]. Zu den Maßnahmen des Apollonios s. Briant/Brun/Varinlioğlu 2001, 247–249. Dreyer/Engelmann 2003, 68 Anm. 277. Brun 2004, 35. Daubner 2 2006, 134. Boulay 2014, 280 f. 338 Vgl. Brun 2004, 26.

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besonderer Weise für eine dauerhafte Veröffentlichung angeboten haben. Vor dem zeitgeschichtlichen Hintergrund kam dem Monument als Denkmal für die guten Verbindungen zu den römischen Machthabern eine herausragende propagandistische Bedeutung zu. So mag es der Stadt in der aktuellen Situation opportun erschienen sein, die eigene Treue zu den Römern dauerhaft durch ein öffentliches Monument zu bekunden. Zugleich erinnerte der Beschluss, der als seltene Auszeichnung mit Sicherheit auch eine persönliche Auszeichnung für Apollonios bedeutete, an eine wichtige Episode aus der jüngsten Vergangenheit der Stadt und verbreitete Idealvorstellungen der Polis von bürgerlichem Engagement. In der Summe mag erneut erst das Zusammentreffen der unterschiedlichen Bedeutungsebenen vor dem Hintergrund der besonderen Krisensituation, die Apollonios eine günstige Gelegenheit zu herausragenden Leistungen bot und in der Stadt zugleich ein verstärktes Bedürfnis nach Beschwörung der traditionellen Werte hervorgerufen haben wird, die Aufzeichnung des Beschlusses veranlasst haben. In der existentiellen Krise waren selbst diplomatische Verhandlungen eine Bedrohung für Leib und Leben und kamen aus Sicht der Polis einem «echten» Kampf gleich. Vermutlich ebenfalls in den Jahren kurz nach 129/127 v. Chr. publizierte Bargylia, eine weitere kleine Polis in Karien, ein Ehrendekret für den verdienten Bürger Poseidonios.14 Der Beschluss bot einen ausführlichen Bericht von einzelnen Erfolgen aus dem Leben des herausragenden Politikers und scheint nach thematischen Gesichtspunkten wie dem Engagement innerhalb der Polis oder den außenpolitischen Tätigkeiten geordnet gewesen zu sein.15 Einen Teil der Leistungen erbrachte Poseidonios zur Zeit des Aristonikosaufstands, nach dessen Ende vermutlich auch die Verabschiedung des Ehrendekrets erfolgte.16 Neben den Ereignissen im Zusammenhang mit den Kämpfen berichtete der Beschluss, der demnach trotz des fragmentarischen Zustands wohl als Lebenswerkdekret anzusprechen ist, jedoch auch von anderen Erfolgen und Leistungen des Ausnahmebürgers. Den ersten Themenkomplex bil-

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I. Iasos 612. S. bereits Holleaux 1919. Die Inschrift ist in drei unzusammenhängende Fragmente gebrochen. Die Bruchstücke enthalten Ausschnitte aus dem ausführlichen Motivbericht. Zur historischen Einordnung des Beschlusses s. Holleaux 1919, 193 f. Robert 1937, 463–465. Blümel 1985b, 125. Ager 1996, 458. Heller 2006, 50. Zur thematischen Gliederung s. in Andeutungen bereits Blümel 1985b, 125. Vgl. Ager 1996, 458. Wie in anderen Beschlüssen gliederte auch im Ehrendekret aus Bargylia die aufzählende Partikel τε die einzelnen Abschnitte der Erzählung. Zur aufzählenden Partikel τε s. ausführlich u. S. 408. Am Beginn des Aristonikoskrieges fasste die Polis auf Antrag des Poseidonios zudem einen Beschluss aus Anlass der Epiphanie eines Gottes – vermutlich die Stadtgöttin Artemis Kindyas. I. Iasos 613. S. auch Robert 1937, 463–465. Blümel 1985b, 126. Marek 1988, 296 f. Quaß 1993, 127 Anm. 215. Briant/Brun/Varinlioğlu 2001, 253. Coarelli 2005, 229. Daubner 2 2006, 42 f.

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deten innenpolitische Verdienste (1–13).17 In Bargylia beaufsichtigte (2: ἐπ[εμ]ελήθη) Poseidonios etwa den Bau des Prytaneions. Ebenso sorgte der engagierte Politiker für die Einsetzung der Stephanephoren und regelte durch ein ψήφισμα die Beteiligung der Kranzträger an den öffentlichen Opfern für Apollon. Zusammen mit den anderen Archonten verpflichtete Poseidonios die Stephanephoren durch ein weiteres ψήφισμα zu einem Weihgeschenk in Form einer silbernen Schale im Wert von 100 Alexanderdrachmen. Zum Idealbild eines guten Bürgers gehörten demnach auch für die Polis Bargylia demokratische Elemente wie das Einreichen von Anträgen und Gesetzesinitiativen in der Volksversammlung. Den anschließenden Bericht über die Verdienste während des Aristonikoskrieges bereicherten detailreiche Exkurse zu den historischen Begleitumständen (13–42). Der Konsul M’. Aquilius war gleichsam als eine Datierung prominent an den Beginn des Abschnitts gestellt und markierte zusammen mit der Partikel τε – wie schon im Ehrendekret für Apollonios aus Bargasa – auch auf der formalen Ebene einen Einschnitt in der Erzählung (13–14). Die konkreten Maßnahmen des Poseidonios traten neben dem historischen Exkurs beinahe in den Hintergrund. So berichtete der Beschluss zunächst über die unter dem Kommando des M’. Aquilius errungenen Erfolge des Cn. Domitius bei der Eroberung von Festungen im Bergland (13–20) und ließ Poseidonios erst bei den Opferfeierlichkeiten anlässlich der Siege in Erscheinung treten (21), obwohl der einflussreiche Politiker zuvor bereits für die Entlassung von Mitbürgern aus römischen Diensten verantwortlich gewesen zu sein scheint.18 Von Bedeutung waren in der Erzählung neben den persönlichen Verdiensten des Poseidonios demnach insbesondere die zahlreichen großen Erfolge der römischen Truppen unter Beteiligung eines Truppenaufgebots aus Bargylia, während die meisten Hilfstruppen aus anderen Städten vermutlich nicht an den Kämpfen teilgenommen hatten.19 Neben der Erinnerung an die Leistungen des Vorzeigebürgers diente der

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Zu den innenpolitischen Verdiensten des Poseidonios s. Holleaux 1919, 181 f. Robert 1937, 463. Sherk 1984, 45. Quaß 1993, 209 Anm. 761. 271 Anm. 1105. 371 Anm. 82. Meier 2012, 87. Zur Beteiligung an den Opferfeierlichkeiten s. Holleaux 1919, 182–184. Briant/Brun/ Varinlioğlu 2001, 253. Boulay 2014, 469. Zu den römischen Militäraktionen s. Robert 1937, 464. Marek 1988, 296–299. Coarelli 2005, 229–231. Daubner 2 2006, 71. 132. Eine Beteiligung an den Entlassungen unter Cn. Domitius vermutet Quaß 1993, 127. Vgl. Brun 2004, 38. Der Beschluss unterstreicht den Gegensatz zwischen den anderen Hilfstruppen und dem an den Kämpfen beteiligten Bürgerkontingent aus Bargylia. 15– 20: ἀπολιπόντος δὲ | ἐν τῆ[ι χώρ]α[ι] ἀντιστράτηγον Γναῖον Δομέτιον Γναίου, καί τινας τῶν δυ|νά[μεων ἀπ]οτάξαντος αὐτῶι καὶ τοὺς πλείστους τῶν συμμάχων, ἐ[ξα]|[γαγόντος δὲ τοὺς ὑ]πὸ τοῦ δήμου ἀποσταλέντας κατὰ συμμαχίαν [στρα]|[τιώτας καὶ πο]λλὰ καὶ μεγάλα ποήσαντος εὐημερήματα καὶ τὰ ὀχυρώ|[ματα πάντα] δοκοῦντα εἶναι δυσάλωιτα [κατὰ] κράτος λαβόντος. Über den tatsächlichen Einsatz der anderen Hilfstruppen gibt der tendenziöse Beschluss jedoch keine Auskunft.

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entsprechende Abschnitt des Beschlusses demnach auch der Selbstdarstellung der gesamten Polis. Als die Stadt zu einem späteren Zeitpunkt durch neue Aushebungen massiv belastet werden sollte, verhandelte Poseidonios mit Q. Caepio, dem Nachfolger des Cn. Domitius, und konnte erhebliche Erleichterungen für die Polis sowie die erneute Entlassung von Bürgern aus dem Militärdienst erreichen (22–42).20 Wie schon im Bericht über die vorangegangene Kriegsphase beschränkte sich die Erzählung dabei nicht auf die eigentlichen Leistungen des herausragenden Bürgers, sondern erweiterte sich zu einem historischen Exkurs (22–27). Poseidonios konnte während der Unterredungen persönliche Kontakte zu Q. Caepio und seinen Söhnen aufbauen und erhielt von den römischen Vertretern ein schriftliches Zeugnis über die freundschaftlichen Verbindungen.21 Die Polis Bargylia hatte nach dem vorteilhaften Verlauf der Verhandlungen zudem bereits eine erste Ehrung für den erfolgreichen Gesandten beschlossen und ein öffentliches Dankopfer angesetzt. Im Anschluss berichtete das Ehrendekret von der Vermittlerrolle des engagierten Politikers in einem Konflikt zwischen Rhodos und Stratonikeia (43–60), zu dessen Schlichtung der Demos von Bargylia vermutlich auf eigene Initiative mehrere Bürger in die beiden Städte entsandt hatte.22 Durch erfolgreiche Verhandlungen konnten Poseidonios und seine Mitgesandten, deren Namen der Beschluss nicht erwähnte, eine Austragung der Streitigkeiten vor dem Senat in Rom verhindern. Stattdessen übernahm Bargylia an Stelle des Senats die Rolle des Streitschlichters und ließ die getroffenen Entscheidungen im Anschluss durch eine weitere Gesandtschaft unter der Führung des Poseidonios überbringen. Wie schon die vorangegangenen Abschnitte des Beschlusses war auch die Erzählung über die zwischenstaatliche Vermittlerrolle mit zahlreichen Details zu einem historischen Bericht ausgebaut und unterstrich die «internationale» Bedeutung von Bargylia – stand die Stadt doch auf Augenhöhe mit mächtigen Polisstaaten wie Rhodos.

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Zu den Verhandlungen mit Q. Caepio s. Holleaux 1919, 186–190. Robert 1937, 463. Marek 1988, 296. Quaß 1993, 128. 141. 370 Anm. 80. Briant/Brun/Varinlioğlu 2001, 253. Brun 2004, 35. 38. Daubner 2 2006, 133. 254. Heller 2006, 50 f. Boulay 2014, 347. Zu den persönlichen Verbindungen zu den römischen Machthabern s. Holleaux 1919, 191 f. Quaß 1993, 128. 141. Coarelli 2005, 233. Vgl. Daubner 2 2006, 221. Zum Konflikt zwischen Rhodos und Stratonikeia s. Holleaux 1919, 195–198. Robert 1937, 463. Sherk 1984, 45. Blümel 1985b, 126. Quaß 1993, 128 Anm. 253. Ager 1996, 458 f. Heller 2006, 50 f. Boulay 2014, 163 f. Eine Lehre aus den eigenen Erfahrungen mit Rom war die Initiative des Poseidonios und der Polis Bargylia zur innergriechischen Konfliktlösung vermutlich nicht. So jedoch Daubner 2 2006, 133. 254. Der Grundtenor des Beschlusses offenbart insgesamt eine romfreundliche Haltung der Polis Bargylia. Hinter der offiziellen Fassade mag es auch in Bargylia eine gewisse Skepsis gegenüber den Römern gegeben haben. Solange für die Initiative zur Streitschlichtung jedoch andere Quellen fehlen, bleiben weiterführende Überlegungen stets Spekulation.

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In der Summe enthielt das Ehrendekret kaum allgemeine Würdigungen oder formelhafte Lobeshymnen und legte den Schwerpunkt stattdessen auf die umfassende Wiedergabe der historischen Ereignisse.23 Die ausführliche Erzählung bot über den konkreten Rahmen der erbrachten Leistungen hinaus zahlreiche Detailinformationen zu den berichteten Zeitabschnitten. Insbesondere die zeitgeschichtlichen Exkurse dienten nicht zuletzt der positiven Selbstdarstellung der Stadt, die Anhand der Ehrung eines engagierten Bürgers zugleich ein Bild der eigenen Zeitgeschichte entwarf. Poseidonios gehörte zu den prominentesten und einflussreichsten Bürgern der Stadt und war gleichsam ein Aushängeschild für die gesamte Polis.24 Das Leben des engagierten Politikers bot zahlreiche Anknüpfungspunkte an historische Ereignisse und eignete sich in besonderem Maß für die Darstellung von wichtigen Episoden aus der jüngsten Stadtgeschichte. In einzelnen Abschnitten der Erzählung rangierte die Polis in der Bedeutung zum Teil sogar noch vor dem ausgezeichneten Bürger. In den implizierten Wertvorstellungen blieb der Beschluss weitgehend den klassischen Idealen der Polisdemokratie verhaftet. Bei innenpolitischen Reformvorhaben brachte Poseidonios lediglich Beschlussvorlagen zur Abstimmung in die Volksversammlung ein. Auch außerhalb der Polis agierte der Vorzeigebürger stets im offiziellen Auftrag der Stadt. Durch die idealisierende Darstellung präsentierte der Beschluss zum Teil sicherlich eine geschönte Version der Ereignisse. In der städtischen Politik wird Poseidonios durch seine Stellung und seine Leistungen entscheidenden Einfluss auf die Geschichte und das Schicksal der Stadt genommen haben. Auch die dauerhafte Publikation des Ehrendekrets wird als eine seltene Praxis in diesem Kontext zunächst eine besondere Ehre bedeutet haben und trug mit den zu vermutenden Ehrungen in Erinnerung an die besonderen Leistungen um die bedrohte Polis mit Sicherheit zum persönlichen Ansehen und zum Prestige des Poseidonios bei.25 Daneben scheinen von den Initiatoren der Ehrung jedoch gerade im Hinblick auf eine spätere Aufzeichnung insbesondere die ideologischen Aspekte des Beschlusses wie die Propagierung eines demokratischen Bürgerideals und die Selbstdarstellung der Polis in den Vordergrund gestellt worden zu sein. Wie schon bei der Auszeichnung des Apollonios in Bargasa mögen die unterschiedlichen Aspekte des Beschlusses, der durch die Erinnerung an die bewegte Geschichte in der zweiten Hälfte des 2. Jhdts. v. Chr. einen Platz im kollektiven Gedächtnis der Stadt erhielt, erst in der Gesamtheit die 23

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Nichtsdestotrotz verfolgte die Erzählung einen literarischen Anspruch und war mit Stilmitteln wie Alliteration oder Chiasmus ausgeschmückt. 4: τυχόντος καὶ τούτου τοῦ τόπου. 12–13: τειμᾶσθαι μὲν τὸ θεῖον βουλόμενος, | τ[ῶι δ]ὲ δήμωι σπεύδων συναγωγὴν χρημάτων γίνεσθαι. Vgl. Robert 1937, 463: «(…) évidement un grand personnage dans sa cité.» Die Resolution des Beschlusses ist verloren. Wie die meisten Städte wird auch die Polis Bargylia die üblichen Ehrungen in Form von Kranz, Statue und Ehrensitz vergeben haben. Auch das Recht auf Speisung im neuen Prytaneion, dessen Bau Poseidonios beaufsichtigt hatte, wird in den Privilegien enthalten gewesen sein.

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dauerhafte Aufzeichnung veranlasst haben. Die konfliktgeladenen Jahre nach dem Ende der pergamenischen Monarchie boten Poseidonios eine gute Möglichkeit zur Bewährung und zum Ausbau der eigenen Einflusssphären und weckten zugleich in der Polis ein verstärktes Bedürfnis nach Selbstvergewisserung. Daneben sollten insbesondere die historischen Exkurse die Bedeutung der Stadt im Machtgefüge der Region aufzeigen und die Polis Bargylia als eine wichtige Verbündete der Römer und eine einflussreiche Vermittlerin zwischen anderen Städten wie dem bedeutenden Rhodos präsentieren.26 Die abbaitischen Myser in der lydischen Polis Gordos ließen in den Jahren um 130 v. Chr. ein Ehrenmonument mit mindestens einem Ehrendekret für einen Anonymus, Sohn des Anaximbrotos, errichten.27 Der Beschluss honorierte Verdienste um den Demos und war, obwohl die Erzählung insgesamt einen geringen Umfang hatte, dennoch nach Kategorien gegliedert (5–29). Der Beginn eines neuen Abschnitts war im Layout der Inschrift jeweils durch eine Leerstelle (8/16/25) markiert und wurde sprachlich durch καί (8/13) oder τε (16/19) eingeleitet. Zunächst entsprach die Gliederung der Erzählung vermutlich den Bedürfnissen der Zuhörer bei der mündlichen Verlesung des Antrags. Die optische Gestaltung sollte zudem auch späteren Lesern der Inschrift die Rezeption des Beschlusses erleichtern. 26 27

Historische Exkurse begegnen auch in anderen Ehrendekreten. Einen Umfang wie im Beschluss aus Bargylia nehmen die Abschnitte jedoch selten ein. Malay/Petzl 1984. Die Inschrift ist lediglich in Fragmenten erhalten. Auf der ursprünglichen Stele aus grauem Marmor muss mindestens ein Ehrendekret für einen Sohn des Anaximbrotos aufgezeichnet gewesen sein. Der untere Beschluss ist bis auf die Zeilenanfänge in weiten Teilen erhalten oder zumindest zu rekonstruieren (5–29). Das Ende der Resolution fehlt. Oberhalb des Beschlusses befindet sich – abgetrennt durch eine Leerstelle – eine weitere Inschrift (1–4). Die obere Inschrift ist bis auf die Reste der letzten Zeilen komplett verloren und lässt außer der Zuschreibung an den unbekannten Bürger keine näheren Aussagen zu. Vgl. Malay/Petzl 1984, 158 f. Robert/Robert, BE 1984, 485. Malay/Petzl sowie Robert/Robert sprechen die Zeilen als Ende eines weiteren Ehrendekrets an. In diesem Fall wäre die Marmorplatte gemessen an der Breite sehr lang und schmal gewesen. Die erhaltenen Reste erinnern außerdem an eine Ehreninschrift und können kaum das Ende eines Ehrendekrets gewesen sein. 2–4: Ἀναξινβ.[ρότου] | [υἱὸν (?) πάσης] ἀρετῆς ἕνεκεν καὶ εὐ.ε.ρ.γ.[ε]|[σίας τῆς εἰς ἑ]αυτούς. Auf der Platte scheint demnach oberhalb des Beschlusses lediglich eine Ehreninschrift angebracht gewesen zu sein. Möglicherweise war die Platte Teil eines Statuendenkmals mit Ehreninschrift und anschließendem Ehrendekret auf der Statuenbasis. Ähnliche Ensemblemonumente sind zur gleichen Zeit etwa aus Metropolis oder aus Kolophon bekannt. S. u. S. 258. 276. 281. Die abbaitischen Myser in Gordos waren vermutlich eine als «Ethnos» zu bezeichnende Teilgruppe der abbaitischen Myser mit lokalem Schwerpunkt in Gordos. Robert/Robert, BE 1984, 485– 487. Debord 1985, 349. Daubner 2 2006, 156 f. Eine eigene Polisgemeinschaft bildete die Teilgruppe der abbaitischen Myser vermutlich nicht. So zunächst jedoch noch Malay/ Petzl 1984, 159 f. Vgl. jetzt auch Boulay 2014, 212: «la cité de Gordos, qui appartenait à l’ethnos des Mysiens de l’Abbaïtide.» Ab der frühen Kaiserzeit ist die Polis Gordos unter dem Namen Iulia Gordos bezeugt.

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Im Inhalt umspannte die Erzählung in knappen Abrissen unterschiedlichste Aspekte aus der politischen Biographie des herausragenden Bürgers. Einen eigentlichen Anlass lässt das Ehrendekret, das damit alle Elemente eines Lebenswerkdekrets enthält, nicht erkennen. So hatte der unbekannte Sohn des Anaximbrotos im außenpolitischen Bereich Kontakte zu den pergamenischen Königen gepflegt und sich nach dem Ende der Monarchie insbesondere im Krieg gegen Aristonikos Verdienste in Kämpfen sowie auf Gesandtschaftsreisen erworben.28 Auch in der Heimat scheint der herausragende Bürger maßgeblich für eine romfreundliche Politik verantwortlich gewesen zu sein. Spätestens mit der Bezeichnung der Römer als allgemeine Wohltäter bezogen in diesem Zusammenhang auch die abbaitischen Myser in Gordos eine eindeutige Position im politischen Gefüge der Zeit (12–13).29 Im Anschluss berichtete die Erzählung über die Ausübung von öffentlichen Funktionen sowie über die Ausrichtung von Wettkämpfen und präsentierte den Unbekannten als Vorbild für andere Bürger.30 Der Sohn des Anaximbrotos war zudem mehrmals Stratege – vermutlich des Koinons der abbaitischen Myser – und bemühte sich durch seine Reden gleichsam als eine Art κτίστης um die Begründung der Rechtsordnung in der Heimat.31 Reden und Handeln entsprachen dabei ganz dem Idealbild eines verdienten Polisbürgers und hatten in der Folge zu einem früheren Zeitpunkt bereits zur Ehrung durch einen goldenen Kranz geführt (25–27). Vorbildliches Verhalten bestand für die abbaitischen Myser, die dem Anonymus mit dem aktuellen Beschluss erneut Ehrungen wie Belobigung und Kranz zuerkannt haben werden, neben dem tatkräftigen Einsatz in Krieg und Politik auch im Bemühen um Recht und Ordnung im Rahmen der demokratischen Verfassung – etwa durch Reden in der Volksversammlung.32 Die Aufzeichnung des Ehrendekrets, die sicherlich nicht zuletzt auch eine besondere Anerkennung bedeutete, verfolgte daneben auch politische Ziele. Mit 28

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Zu den Leistungen des unbekannten Bürgers s. Malay/Petzl 1984, 160–163. Robert/Robert, BE 1984, 485. Quaß 1993, 127. Canali de Rossi 2001, 191. Briant/Brun/Varinlioğlu 2001, 253 f. Brun 2004, 35. 38. Daubner 2 2006, 79 f. Boulay 2014, 212. Zur Ergänzung der Stelle s. Malay/Petzl 1984, 163. Pleket/Stroud, SEG 34 (1984), 315. Robert/Robert, BE 1984, 485. Vgl. auch Daubner 2 2006, 157 Anm. 760. Zur Bezeichnung der Römer als allgemeine Wohltäter s. auch Erskine 1994. Brun 2004, 26. Zu den innenpolitischen Verdiensten des unbekannten Bürgers s. Malay/Petzl 1984, 163– 165. Daubner 2 2006, 156 f. Vgl. auch Quaß 1993, 270 Anm. 1096. Canali de Rossi 2001, 191. 16–25: κατασταθείς τε στρα.|[τηγὸς] πληονάκι τοῦ σύνπαντος δήμο[υ] | [ἀξίω]ς καὶ δικαίως καὶ καθαρείως ἀνεστράφῃ· | [πεποι]ημένος τε πρὸς πάντας ἀνθρώπους | [τὴν μ]εγίστην ἀπόδειξιν τῆς ἑαυτοῦ καλο|[κἀγ]ᾳθίας, ἀναδεξάμενος (vac.) | [τοὺς μ]εγίστους ἀγῶνας, καὶ πολύν ὑπὲρ τοῦ | [δήμου] δ.ιαθέμενος λόγον κατέστησεν τὴ[ν] | [πατρί]δ.α εἰς τὴν κατὰ τοὺς νόμους | [πολιτεί]αν. Zur Tätigkeit als Stratege s. auch Robert/Robert, BE 1984, 485. Debord 1985, 349. Malay/ Petzl 2003, 20. Über die erneuten Ehrungen erlaubt der fragmentarische Zustand der Inschrift abgesehen von einer Belobigung keine Aussagen.

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dem verdienten Anonymus, den die Erzählung zudem zum Idealbild eines demokratisch gesinnten Polisbürgers stilisierte, ehrten die abbaitischen Mysier in Gordos einen romfreundlichen Politiker und setzten dementsprechend mit der Aufstellung des Beschlusses zugleich ein öffentliches Monument für die eigene Treue und Verbundenheit gegenüber den Römern. Die dauerhafte Publikation des Beschlusses mag demnach in der Summe erneut erst durch das Zusammentreffen der unterschiedlichen Aspekte vor dem Hintergrund der politischen Krisen in den Jahren um 133 v. Chr. zustande gekommen sein. In der deutlichen Charakterisierung des Idealbürgers als politische Führungspersönlichkeit zeigte sich jedoch ein weiteres Mal auch die stete Ambivalenz der Monumente.

7.2 Militärische Erfolge während der Kämpfe gegen Aristonikos Das Ehrendekret der mysischen Polis Kyzikos für den herausragenden Bürger Machaon aus den Jahren nach 129 v. Chr. stand ebenfalls im Kontext der Unruhen nach dem Ende des pergamenischen Reiches.33 Im Anschluss an eine Resolutionsformel begann die Erzählung gleichsam als programmatischer Auftakt mit der allgemeinen Würdigung von Verdiensten in öffentlichen Funktionen der Polis sowie auf Gesandtschaftsreisen (1–4).34 Ausführlich widmete sich das Ehrendekret in der Folge der Beschreibung des Einsatzes während eines militärischen Konfliktes – mit großer Wahrscheinlichkeit während des Krieges gegen Aristonikos (4–26).35 Die Partikeln τε (6/9), δέ (11/19) und καί (4/25) am Beginn eines neuen Abschnitts gliederten die Erzählung und gaben dem Beschluss – meist in Verbindung mit einem Partizip – eine formale Struktur. Mit der Wendung καὶ μετὰ ταῦτα (4) und der anschließenden Situationsbeschreibung setzte der Verfasser zu Beginn des Berichts über das Kriegsgeschehen einen deutlichen Einschnitt.36 Durch eine chiastische Wortstellung (4–5: περισ.[τά]|ντος πολέμου (…) οὗτς, ἑαυτῷ βουλόμεν.[ος]) fiel die Betonung zusätzlich auf den Einsatz des Machaon, dessen Leistungen während der Kämpfe vermutlich 33 34 35

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Cichorius 1889 Nr. 2. Der untere Teil der Inschrift mit dem Ende des Motivberichts und der Resolution fehlt. 1–4: [ἀνὴρ] | [κ]α[λὸς] ὢν καὶ ἀγαθὸς ἐν ἀρχῇ τε πολλὰς καὶ μεγάλας παρ[έσχε]|[τ]ο ἀεὶ χρείας, ἐνδόξως καὶ καλῶς ἀναστρεφόμεν[ος ἔν] | τε ταῖς ἀρχαῖς καὶ ταῖς πρεσβείαις. In den verlorenen Abschnitten mag die Erzählung von weiteren Leistungen des Machaon berichtet haben. Vermutlich lag der Schwerpunkt der Erzählung jedoch auf den diplomatischen und militärischen Verdiensten während der Kämpfe gegen Aristonikos. Ein nach Kategorien geordnetes Lebenswerkdekret wird der Beschluss demnach nicht gewesen sein. Zur Beteiligung der Polis Kyzikos am Krieg s. Brun 2004, 33. 4–6: καὶ μετὰ ταῦτα περισ.[τά]|ντος πολέμου τοὺς πολίτας οὗτς, ἑαυτῷ βουλόμεν.[ος] | [ἀκ]ολούθς [γε]νέσθαι.

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den Hauptteil der Erzählung bildeten und der eigentliche Anlass für die Ehrung gewesen sein werden. In allgemeinen Wendungen verwies die Polis im Verlauf der Erzählung zudem an mehreren Stellen auf die Einstellung des Vorzeigebürgers und zeichnete damit in Anlehnung an die Einleitung ein allgemeines Charakterbild eines ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός.37 Machaon unternahm während des Krieges Gesandtschaftsreisen zum makedonischen Statthalter M. Cosconius, zum Senat nach Rom sowie zu anderen römischen Vertretern in der künftigen Provinz und unterstützte zusammen mit einem Truppenkontingent aus Kyzikos – vermutlich auf leitendem Posten – die Römer bei den Kämpfen gegen die Aufständischen.38 Im Zusammenhang mit den Ereignissen betonten Rat und Volk, die bereits durch die Ehrung eines romfreundlichen Bürgers im Hinblick auf die eigene Außenpolitik eine eindeutige Position bezogen hatten, erneut das gute Verhältnis und die Zuneigung der Kyzikener zu den Römern.39 Mit der Aufstellung des Beschlusses wird die Polis demnach nicht zuletzt auch politische Ziele verfolgt haben. So sollte das Ehrendekret für Machaon als öffentliches Statement die guten Beziehungen und die Treue der Polis Kyzikos zu den Römern bekunden. Zugleich war der Beschluss für Machaon ein Erinnerungsmonument für wichtige Ereignisse aus der jüngsten Vergangenheit der Polis und präsentierte zudem allgemeine Vorstellungen von einem ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός. Für die Bewertung eines Bürgers spielte in den Jahren nach 133 v. Chr. auch in Kyzikos ein gutes Verhältnis zu den Römern eine entscheidende Rolle. Die Aufzeichnung des Ehrendekrets bedeutete daneben mit Sicherheit auch eine besondere Auszeichnung für Machaon und sollte nicht zuletzt die Dankbarkeit der Stadt zum Ausdruck bringen.40 Verdient hatte sich auch der prominente Bürger seine außergewöhnlichen Ehrungen und seine herausragende Stellung in der Polis durch besonderes Engagement in Krisenzeiten. Vermutlich werden die unterschiedlichen Aspekte des Beschlusses erneut erst in der Summe den Ausschlag zur Errichtung des Monuments gegeben haben.

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6–7: τήν τε πρὸς τὸ πλῆθος εὔνοιαν [ἐφύ]|λασε. 7–9: οὐδέν.α λόγον ποιη[σάμε]|νος τῶν. [κινδύν]ων, εἰς τὰ κοινῆι συμφέροντα αὐθαιρέτως ἐ[πέδω]|κεν [ἑ]αυ[τὸν]. 10–11: πάντα τὰ συμφ[έροντα] | τῆι πόλει διεπράξατο, χρείαν δὲ ποησαμένου τοῦ [δήμου]. 13–14: οὖτος ὁμοίως οὔτε κακοπ[αθία]|ν, οὔτε κίνδυνον ἐκκλίνων. Zu den Leistungen des Machaon s. Cagnat 1927, 50 f. Potter 1988, 293. Quaß 1993, 127. Briant/Brun/Varinlioğlu 2001, 253. Canali de Rossi 2001, 181 f. Brun 2004, 35. 38. Boulay 2014, 88. 221. 344 f. Zur Entsendung von Truppenkontingenten durch griechische Städte s. allgemein Dreyer/Engelmann 2003, 35. 17–18: τῇ τε τῶν πολιτῶν πρὸς τὸν δῆμ[ον τ]ῶν Ῥωμαίων εὐνοίᾳ. Vgl. Brun 2004, 26. Neben dem Ehrendekret für Machaon ist unter den zahlreichen Inschriften aus Kyzikos lediglich ein Beschluss zu Ehren eines Bürgers aus der augusteischen Zeit bekannt. Lolling 1884, 28–34. S. jetzt auch Chiricat 2005, 214–222. Der Beschluss ist bis auf die Resolution verloren. Bis auf die Grabinschriften (I. Kyzikos I) harren zahlreiche Inschriften der zusammenfassenden Edition, die von E. Schwertheim vorbereitet wird.

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Die Römer kommen nach Kleinasien

Rat und Volk der kleinen Polis Metropolis ließen im Jahr 130 v. Chr. im Rahmen der Errichtung eines Ensembledenkmals für einen Apollonios auf dem Sockel unterhalb der Statuenbasis auch zwei Beschlüsse zu Ehren des prominenten Bürgers aufzeichnen.41 Zusammen mit Basis und Standbild bildeten die Inschriften ein einheitliches Gesamtmonument.42 Das ältere Ehrendekret (B) aus dem 15. Regierungsjahr des Königs Attalos II. (145/143 v. Chr.) war ursprünglich nicht für eine dauerhafte Publikation vorgesehen gewesen und wurde erst aus Anlass der Errichtung des Ensembledenkmals für Apollonios im Jahr 130 v. Chr. auf der linken Nebenseite der Statuenbasis aufgezeichnet.43 Stattdessen war das ψήφισμα – die Richtigkeit der von Dreyer/Engelmann vorgeschlagenen Ergänzung vorausgesetzt – lediglich bei der Bekränzung des verdienten Bürgers im Wortlaut verlesen worden (35–37) und scheint demnach auch in der Konzeption lediglich auf einen mündlichen Vortrag in der Volksversammlung zugeschnitten gewesen zu sein.44 Als Textgrundlage für die spätere Inschrift diente vermutlich das im Stadtarchiv oder vielleicht auch im Familienarchiv des Apollonios aufbewahrte Originaldokument. Das erste Ehrendekret gewährt damit einen Einblick in die sonst naturgemäß selten bezeugte Gattung von nicht für eine dauerhafte Publikation vorgesehenen Beschlüssen. Den ausführlichen Motivbericht dieses älteren Beschlusses begannen die antragstellenden Strategen mit Jugend und Ausbildung des Apollonios, der sich für seine Studien zeitweise ins Ausland begeben und in den fremden Städten schriftliche Zeugnisse über seinen vorbildlichen Aufenthalt ausgestellt bekommen hatte (4–10).45 Der einführende Abschnitt war daneben mit allgemeinen Aussagen über die Tugendhaftigkeit und das vorbildliche Verhalten des verdienten Bürgers ausgeschmückt und bildete den programmatischen Hintergrund für die späteren Leistungsberichte,

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I. Metropolis I. Zur Gestaltung des Ensembledenkmals s. Dreyer/Engelmann 2003, 2. Virgilio 2006, 249. Vgl. auch die ungenaue Beschreibung bei Boulay 2014, 481. Ähnliche Ehrenmonumente sind etwa aus Kolophon und Magnesia am Mäander bekannt. Robert/Robert 1989. S. u. S. 276. 281. I. Magnesia am Mäander 92. 45–46: ἀναγραφήτω δὲ τόδε τὸ ψήφισμα ἐν τῆι ἀγο|ρᾶι ἐπὶ βήματος καὶ τὸ πρότερον αὐτῶι γεγονός. Vgl. Dreyer/Engelmann 2003, 39. Jones 2004, 475. 477. Dreyer 2010, 359. Chaniotis 2014, 139. Zur Datierung des Beschlusses s. ausführlich Dreyer/Engelmann 2003, 45 mit Anm. 159. Brixhe/Gauthier, BE 2004, 651. Jones 2004, 475. Virgilio 2005, 560. Heller 2006, 61. Virgilio 2006, 250. Zur Ergänzung der entsprechenden Zeile s. Dreyer/Engelmann 2003, 39 mit Anm. 130. Möglicherweise ist der Abschnitt auch mit Bestimmungen über die Ratifikation des Beschlusses zu ergänzen. Brixhe/Gauthier, BE 2004, 651 f. S. auch Virgilio 2006, 262. In jedem Fall war der Beschluss nicht für eine dauerhafte Publikation vorgesehen und sollte lediglich verlesen werden. Vgl. Chaniotis 2014, 139. Zu Jugend und Ausbildung des Apollonios s. Dreyer/Engelmann 2003, 46 f. Vgl. Dreyer 2010, 360. Dreyer/Weber 2011, 34. 39. Zu den Ehrendekreten für Polemaios und Menippos aus Kolophon s. u. S. 270–283.

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in denen einzelne Leitkonzepte der Einleitung erneut aufgegriffen wurden.46 Der anschließende Hauptteil der Erzählung bot zunächst eine zusammenfassende Würdigung der politischen Verdienste des Apollonios (10–13).47 Dessen wichtigstes Betätigungsfeld waren Gesandtschaftsreisen und Verhandlungen zur Verbesserung der auswärtigen Beziehungen der Polis zu anderen Städten sowie zu den hellenistischen Königen.48 Im Anschluss berichtete das Ehrendekret von drei konkreten Erfolgen des engagierten Politikers zum Wohl der Heimatstadt (14–18/18–23/23–28): Apollonios hatte sich bei Gebietsstreitigkeiten mit Nachbarstädten für die Belange von Metropolis eingesetzt, einen Prozess gegen die Mautpächter im Hafen der Stadt geführt und bei Attalos II. jährliche finanzielle Zuwendungen für den Betrieb des Gymnasions erreicht.49 Die einzelnen Episoden waren sprachlich durch die Partikeln τε (14) und δέ (24) getrennt und in Rückgriff auf die Leitkonzepte der Einleitung jeweils mit allgemeinen Verweisen auf die Tugend und die Heimatliebe des Bürgers ausgeschmückt.50 Die Anordnung der Abschnitte folgte vermutlich der aufsteigenden Bedeutung der politischen Erfolge und orientierte sich nicht an der tatsächlichen Chronologie der Ereignisse.51 Eine ausführliche Hortativformel am Ende des Leistungsberichts scheint die Vorbildfunktion der Ehrungen betont zu haben (28–34). Insgesamt blieben die im Anschluss verliehenen Auszeichnungen jedoch in einem bescheidenen Rahmen und beschränkten sich neben der möglichen Verlesung des Beschlusses auf eine Belobigung und einen Kranz, dessen Verkündung durch einen Herold im Theater zu erfolgen hatte (34–40).52

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Das Adverb φιλοπόνως (6) erhält im Nomen φιλοπoνίαν (16) eine direkte Entsprechung. Die Charakterisierung προείρηται περὶ τὰ βέλ|τιστα γινόμενος ἁμιλλᾶσθαι πρὸς ἀρετὴν ἐν ἅπασιν (5–6) findet in Wendungen wie σπουδῆς καὶ φιλοτιμίας οὐδὲν ἐλλείπων (13) oder προσφερόμενος τὴν ἐς ἑαυτοῦ φιλοπoνίαν καὶ σπουδὴν (16) indirekten Anklang. Zur allgemeinen Würdigung der Verdienste s. Dreyer/Engelmann 2003, 48. Vgl. Dreyer/ Weber 2011, 32. Zu den Beziehungen zum Königshof s. Dreyer 2010, 349. 360. Dreyer/Weber 2011, 22. Zu den Verdiensten des Apollonios s. Dreyer/Engelmann 2003, 48–65. Brixhe/­Gauthier, BE 2004, 651. Jones 2004, 475–477. Virgilio 2005, 560 f. Heller 2006, 61 f. Virgilio 2006, 250 f. Dreyer 2010, 359. 15: τῆς πρὸς τὴν πατρίδα εὐνοίας. 23: δι᾽ ἧς ἐτήρησεν τὴν ὑποκειμένην ἐν τοῖς τέλεσιν φιλανθρωπίαν. 27: ἐν τοῖς ἄλλοις πᾶσιν πολιτευόμενος διατελεῖ καθαρείως καὶ προθύμως. Dreyer/Engelmann 2003, 44. Zusätzlich mag Apollonios auch noch zu einem Opfer für Ares verpflichtet gewesen sein. Für sichere Aussagen über den Inhalt der Resolution ist der entsprechende Abschnitt der Inschrift jedoch zu schlecht erhalten. Zur Ergänzung der Textpassagen s. Dreyer/Engelmann 2003, 65 mit Anm. 266. Auch die ergänzte Passage über die mögliche Verlesung des Beschlusses steht in der Diskussion. Für Gegenvorschläge s. etwa Brixhe/Gauthier, BE 2004, 652. Virgilio 2006, 255–263.

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Auf eine dauerhafte Publikation dieses ersten Ehrendekrets scheinen Rat und Volk von Metropolis jedoch verzichtet zu haben.53 Doch aus welchem Grund? Zunächst waren schlicht nicht alle Ehrendekrete grundsätzlich für eine dauerhafte Publikation bestimmt und scheinen gerade bei bescheidenen Ehrungen für Einzelverdienste oftmals keine Aufzeichnung erfahren zu haben. Apollonios stand vielleicht erst am Beginn einer vielversprechenden Karriere und hatte trotz des bereits beträchtlichen Umfangs der bisherigen Leistungen für eine umfangreiche Ehrung mit Publikation des ausführlichen Ehrendekrets – zugleich ein weiteres Indiz für die Seltenheit der Monumente – noch zu wenige Erfolge erzielt. Zudem scheint die Polis mit der Ehrung kaum politische oder ideologische Intentionen verbunden zu haben. Im Zentrum des Motivberichts stand stattdessen – zumal der Beschluss von der Polis vermutlich schon von Beginn an nicht zur dauerhaften Publikation vorgesehen war – die Aufzählung der einzelnen Leistungen. Lediglich zur argumentativen Untermauerung verwiesen die Autoren daneben auch auf die Tugendhaftigkeit des Vorzeigebürgers und betonten die hortative Funktion der Ehrung. Bei der Zurückhaltung der Polis Metropolis gegenüber der dauerhaften Auszeichnung von eigenen Bürgern mag daneben nicht zuletzt auch die Zugehörigkeit zum pergamenischen Reich eine Rolle gespielt haben. Wie die Residenzstadt Pergamon scheinen auch andere Städte aus dem Herrschaftsbereich der Attaliden bis zum Ende der Königszeit auf die Aufstellung von Ehrendekreten für eigene Bürger verzichtet zu haben.54 Zumindest die Selbstdarstellung der bürgerlichen Eliten in Form eines dauerhaften Ehrendekrets mag demnach zu Zeiten der Monarchie nicht opportun gewesen sein. Auch in Metropolis sollte das erste Ehrendekret für Apollonios erst durch eine radikale Änderung der politischen Rahmenbedingungen doch noch – zusammen mit einem zweiten Beschluss zu Ehren des Ausnahmebürgers – zur dauerhaften Publikation gelangen. Das jüngere Ehrendekret (A) aus dem Jahr 130 v. Chr. war auf der Hauptseite des Sockels unter der Statuenbasis angebracht und stand somit im Zentrum des Ensembledenkmals für Apollonios. Inhalt und Programm des Beschlusses, der zudem von Beginn an für eine dauerhafte Publikation vorgesehen war, verkörperten dementsprechend die Kernaussage des gesamten Monuments, dessen politischen Hintergrund der Aristonikosaufstand bildete.55 Die antragstellenden Strategen um einen gewissen Alexandros begannen den Motivbericht zunächst jedoch mit der knap53 54

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Dreyer/Engelmann 2003, 39. Jones 2004, 475. 477. Eine eigenständige Publikation des ersten Beschlusses ist nicht anzunehmen. So jedoch Brixhe/Gauthier, BE 2004, 652. Die besprochenen Beschlüsse aus der Zeit des Aristonikosaufstands sind oftmals die ersten Belege für entsprechende Inschriften in den jeweiligen Städten. Zur Auszeichnung von Bürgern in der attalidischen Residenzstadt s. zusammenfassend auch o. S. 243–245. Zur Datierung sowie zur historischen Einordnung des Ehrendekrets s. ausführlich Dreyer/Engelmann 2003, 66–90. Zum Aufstand des Aristonikos s. allgemein auch Coarelli 2005. Daubner 2 2006. Für eine frühere Datierung der Inschrift in das Jahr 132 v. Chr. und damit auch für eine Uminterpretation der beschriebenen Ereignisse s. Jones 2004,

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pen und allgemeinen Zusammenfassung von früheren Verdiensten des Apollonios um Stadt und Volk (3–13) und verwiesen dabei auch auf das frühere Ehrendekret, das zusammen mit dem aktuellen Beschluss publiziert werden sollte.56 Den eigentlichen Anlass des Ehrendekrets bildeten jedoch die Verdienste des Apollonios in den Kämpfen nach dem Ende des pergamenischen Reiches (13–35). Der Bericht über das Kriegsgeschehen war dementsprechend auch in der Gesamtkomposition des Beschlusses als Höhepunkt der Erzählung angelegt und wurde durch die Partikeln νῦν τε (13) sprachlich vom ersten Abschnitt des Motivberichts abgegrenzt.57 Der gesamte Beschluss war von den Strategen zudem mit rhetorischen Mitteln ausgearbeitet.58 So folgte etwa die Erzählung über das Kriegsgeschehen einem dreigliedrigen Aufbau und spitzte sich von allgemeinen Ereignissen immer mehr auf das Kriegsgeschehen als konkreten Anlass und Höhepunkt der Erzählung zu.59 Zugleich steigerte die perspektivische Verengung die Spannung. In der inhaltlichen Gestaltung des Beschlusses verfolgten die Strategen ebenfalls eine eindeutige Linie. Apollonios hatte – zumindest nach Darstellung des Ehrendekrets – wie auch die Polis Metropolis von Anfang an stets für die römische Seite Partei ergriffen und war in Wort und Tat gegen die Aufständischen vorgegangen.60 Als Kommandant eines städtischen Truppenkontingents hatte der vorbildliche Bürger bei Thyateira sogar unter römischem Befehl gekämpft und war in einem – wohl nur aus Sicht von Metropolis entscheidenden – Gefecht gefallen.61 Als postume Anerkennung für seinen aufopferungsvollen Einsatz erhielt Apollonios eine Belobigung sowie ein großes Ehrenmonument mit Bronzestandbild, auf dessen rechteckigem Sockel unterhalb der Statuenbasis mit der Ehreninschrift die beiden

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477–485. Daubner 2 2006, 68–70. Unentschieden Virgilio 2006, 251. In einem früheren Aufsatz folgt Virgilio jedoch noch der Datierung von Dreyer/Engelmann. Virgilio 2005, 561. Zu den früheren Leistungen s. Dreyer/Engelmann 2003, 20–27. Brixhe/Gauthier, BE 2004, 652. Dreyer 2005, 65. Virgilio 2006, 251. Dreyer/Weber 2011, 22. 35. 39. Dreyer/Engelmann 2003, 19. Einen Bruch in der stilistischen Gestaltung vollzog das Ehrendekret trotz der inhaltlichen Trennung jedoch nicht. So jedoch ebd. 39: «Aus der Konvergenz der unterschiedlichsten Motive und Erfordernisse in diesem Dekret ergibt sich auch der stilistisch disparate Charakter und der merkwürdige sprachliche Gesamteindruck (…).» Zur rhetorischen Gestaltung des Ehrendekrets s. ebd. 39. Vgl. Virgilio 2006, 253. Zur emotionalen Sprache des Beschlusses s. Chaniotis 2014, 157. Zum Aufbau des Ehrendekrets s. Dreyer/Engelmann 2003, 18–20. Zur Kampfparänese am Höhepunkt der Erzählung s. auch Chaniotis 2014, 153. 17–18: πάντα καὶ λέγειν καὶ πράσσειν ὑπέστη κατὰ τοῦ περιτεθεικότος ἑαυτῶι βασιλείαν πα|ρὰ τὴν τῶν κοινῶν εὐεργετῶν Ῥωμαίων κρίσιν. Zu den beschriebenen Ereignissen s. ausführlich Dreyer/Engelmann 2003, 28–38. Brixhe/Gauthier, BE 2004, 652 f. Virgilio 2005, 561 f. Virgilio 2006, 251–253. Boulay 2014, 37. 87. Vgl. mit abweichender Datierung Jones 2004, 478–483. Daubner 2 2006, 68–70.

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Ehrendekrete angebracht waren (35–40).62 Die beiden Söhne des Apollonios hatten die Kosten des Standbilds zu tragen und erhielten zusätzlich die Erlaubnis, auf privatem Grund ein Heroon für den Vater, dessen Gebeine nach Beendigung des Krieges nach Metropolis überführt werden sollten, zu errichten (40–45). Unter dem Ehrendekret der Hauptseite, das zusammen mit dem ersten Beschluss auf dem Sockel des Statuenmonuments aufzuzeichnen war (45–48), waren zudem die Namen der Bürger, die unter dem Kommando des Apollonios zusammen mit diesem gefallen waren, zu verzeichnen (49–56).63 Doch welche Funktionen hatte das Ensemble aus Inschriften und Statue nach dem Tod des prominenten Bürgers zu erfüllen? Zunächst sollte die Aufstellung des Ehrenmonuments sicherlich dem ehrenden Gedenken an Apollonios dienen und bekam durch die Gefallenenliste zusätzlich den Aspekt eines allgemeinen Gefallenendenkmals der Stadt.64 Mit der Erinnerung an den Kommandanten und seine Soldaten verknüpfte die Polis jedoch auch ideologische Intentionen. Der Einsatz von Apollonios und seinen Mitstreitern zeigte ein beispielhaftes Engagement für die Polis bis in den Tod und sollte anderen Bürgern als Beispiel dienen.65 Daneben versuchten Rat und Volk von Metropolis mit der Aufstellung des Ehrenmonuments ein deutliches Zeichen für die eigene Treue und Loyalität gegenüber den Römern zu setzen.66 Der Beschluss präsentierte Apollonios zu diesem Zweck als einen eifrigen und engagierten Römerfreund und machte den Kommandanten zugleich zu einem stellvertretenden Exponenten für die Gesinnung der gesamten Bürgerschaft. Die zentralen Aussagen zur ideologischen Ausdeutung des Monuments transportierte das Ehrendekret der Hauptseite über den Motivbericht, der das Wohlwollen und die Loyalität der Stadt gegenüber der römischen Republik betonte (20–23): (20) ὁ δῆμος ἀπ᾽ ἀρχῆς ᾑρετικὼς τὰ Ῥωμαίων πράγματα καὶ τὴν πρὸς αὐ|τοὺς φιλίαν τε καὶ συμμαχίαν, καὶ μετὰ τῆς μεγίστης χαρᾶς ἀποδεξάμενος τὴν ἐλευθερί|αν, βουλόμενός τε τὴν ἰδίαν αἵρεσιν καὶ εὔνοιαν ἐν τοῖς ἀναγκαιοτάτοις καιροῖς, ἣν ἔχει πρὸς | τὰ δημόσια Ῥωμαίων πράγματα, ἐναποδείκνυσυθαι (…).

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Zu den Ehrungen des Apollonios s. Dreyer/Engelmann 2003, 40–42. Brixhe/Gauthier, BE 2004, 653 f. Jones 2004, 482 f. Virgilio 2005, 562 f. Virgilio 2006, 254 f. Dreyer/Weber 2011, 39. Boulay 2014, 481–483. Chaniotis 2014, 143. Die Aufzeichnungsbestimmungen für das Ehrendekret brachten zugleich die hortative Bedeutung des Monuments zum Ausdruck. Vgl. Chaniotis 2014, 135. Dreyer/Engelmann 2003, 39. Boulay 2014, 483. Vgl. Chaniotis 2014, 147. Viele andere Ehrendekrete deuten den aufopferungsvollen Tod, der im Schicksal des Apollonios zu Realität wird, durch den Begriff κίνδυνος als letzte Konsequenz eines engagierten Einsatzes für die Heimat bereits an. Adressat der Kampfparänese war insbesondere die Jugend der Polis. Chaniotis 2014, 153. Dreyer/Engelmann 2003, 39.

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Das Volk, das sich von Anfang an entschieden hatte für die Sache der Römer und für die Freundschaft und das Bündnis mit ihnen, und das mit der größten Freude die Freiheit empfangen hatte, und das die eigene Eingenommenheit und das Wohlwollen, die es hat gegenüber dem römischen Staat, auch in der schwersten Krise zeigen wollte (…). Nach der eigenen Selbstdarstellung, die freilich nicht zwangsläufig den historischen Tatsachen entsprochen haben muss, hatte sich Metropolis seit Beginn der Auseinandersetzungen mit Aristonikos für die römische Seite entschieden.67 Zu einem Teil mag die Polis mit dem Monument für Apollonios demnach auch einen nachträglichen Versuch unternommen haben, die eigene Vergangenheit in das richtige Licht zu rücken und sich auf die Seite der Sieger zu stellen.68 Eine politische Aussage in eigener Sache wollte die Polis durch die Ehrung des Apollonios in jedem Fall treffen. Die Römer zeigte der Beschluss dementsprechend stets in positivem Licht als allgemeine Wohltäter sowie als Verfechter der Freiheit (13–15):69 Ῥω|μαίων δὲ τῶν κοινῶν εὐεργετῶν τε καὶ σωτήρων ἀποδόντων, καθάπερ ἐδογμάτισαν, τὴν ἐ|λευθερίαν πᾶσιν τοῖς πρότερον τασσομένοις ὑπὸ τὴν Ἀττάλου βασιλείαν, Ἀριστονίκου δὲ (…). Und nachdem die Römer als allgemeine Wohltäter und Retter, wie sie beschlossen hatten, die Freiheit zurückgegeben hatten an alle, die zuvor unter der königlichen Herrschaft des Attalos gestanden hatten, Aristonikos aber (…). Über die Gestaltung des Abschnitts konstruierte die Erzählung einen scharfen Gegensatz von ἐλευθερία und βασιλεία und zielte dabei über die kontrastierende Darstellung neben der Überhöhung der Römer auch auf eine Diffamierung der römischen Widersacher – galt die auf diese Weise indirekt als Knechtschaft bezeichnete Königsherrschaft doch als angebliches Ziel des Aristonikos.70 Daneben sollte auch die Ehren-

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Dreyer 2005, 64–66. Chaniotis 2014, 151 f. Zu den Problemen bei der historischen Einordnung des Berichts s. Dreyer/Engelmann 2003, 28. Daubner 2 2006, 56. Zur innenpolitischen Bedeutung des Monuments s. Dreyer/ Engelmann 2003, 40. Zum Rombild des Beschlusses s. Dreyer/Engelmann 2003, 28–30. Dreyer 2005, 56. Daubner 2 2006, 55 f. Virgilio 2006, 252. Chaniotis 2014, 151. Dreyer 2005, 56. Zum «caractère tendancieux» der Erzählung s. auch Brixhe/Gauthier, BE 2004, 653. Vgl. Chaniotis 2014, 136. Zur möglichen Anspielung auf die römische Freiheitserklärung s. Daubner 2 2006, 42. Zur weiteren Diskreditierung des Aristonikos ließ der Beschluss auf das Wort Königsherrschaft sofort den Namen des Aufständischen folgen. 15: ὑπὸ τὴν Ἀττάλου βασιλείαν, Ἀριστονίκου δὲ. Auch wenn beide Worte unterschiedlichen

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Die Römer kommen nach Kleinasien

inschrift für die Statuenbasis, die durch den Beschluss im Wortlaut festgelegt wurde, die zentrale Aussageintention des Monuments bekräftigen (38–40):71 ὁ δ[ῆ]|μος Ἀπολλώνιον Ἀττάλου τοῦ Ἄνδρωνος ἀρετῆς ἕνεκεν καὶ εὐνοίας ἧς ἔχων διετέλει πρὸς τὰ Ῥωμαί|(40)ων πράγματα καὶ πρὸς τὴν πόλιν. Das Volk ehrt Apollonios, Sohn des Attalos, Enkel des Andron, wegen seiner Tugend und seinem Wohlwollen, das er immer gepflegt hat gegenüber der Sache der Römer und gegenüber der Stadt. Entsprechend der ideologischen Intentionen der Polis nannte die Ehreninschrift die Römer sogar noch vor der Stadt an erster Stelle. Eine wichtige Funktion des gesamten Ehrenmonuments bestand demnach in der öffentlichen Bekundung der unbedingten Loyalität von Metropolis gegenüber der Hegemonialmacht Rom. Vielleicht erwartete die Stadt im Aufstellungszeitraum des Beschlusses sogar eine römische Gesandtschaft und bemühte sich deswegen in besonderem Maß um eine öffentliche Treuebekundung zu den neuen Machthabern in der Region.72 Die Aspekte von Ehre und Erinnerung waren dabei gegenüber den situativen politischen Aussageintentionen des Ensembledenkmals zum Teil sogar in den Hintergrund getreten. Selbst die Publikation des älteren Ehrendekrets für Apollonios auf der linken Nebenseite des Monuments mag ideologische Funktionen erfüllt haben und sollte im Zusammenhang mit den Loyalitätsbekundungen an Rom vermutlich an die Tradition der guten Beziehungen des Bürgers und der Stadt zur attalidischen Monarchie als Vorgängerin der römischen Herrschaft erinnern – auch wenn die persönlichen Aspekte der Ehrung insgesamt dennoch in deutlicherem Umfang zum Vorschein traten als beim Beschluss aus der Zeit des Aristonikoskrieges.73 Grundsätzlich war die Königszeit insbesondere im Kontrast zur erhofften Freiheit unter der römischen Herrschaft mit einem negativen Stigma versehen. Aus politischen Rücksichtnahmen – etwa auf die Kontinuität zwischen den Attaliden und Rom – ergab sich deshalb vermutlich die ambivalente Darstellungsweise des jüngeren Beschlusses. In Kombination boten die beiden

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Teilsätzen angehörten und in Bezug auf den Inhalt keine Verbindungen hatten, wird die Zusammenstellung Aristonikos/Königsherrschaft doch den gewünschten Zweck erreicht haben. Zur Ehreninschrift s. Brixhe/Gauthier, BE 2004, 653. Auf ähnliche Weise lobte die Polis Mylasa bereits zu Beginn des 2. Jhdts. v. Chr. in einem Ehrendekret das Wohlwollen des Ouliades gegenüber Polis und Römern. I. Mylasa 101, 35–37: [πᾶ]|σαν εἰσφέρε[τα]ι φιλοτιμίαν καὶ λέγων καὶ πράσσων ὑπὲρ τ[ῆς τε] πατρίδο[ς καὶ τῶν] | Ῥωμαίων. Vgl. Walser 2012, 102. Zu den im Beschluss erwähnten πρεσβευταί (43) s. Dreyer/Engelmann 2003, 42 f. Dreyer 2005, 64 Anm. 28. Zu den Adressaten des Beschlusses s. auch Chaniotis 2014, 152. Dreyer/Engelmann 2003, 40. Vgl. Chaniotis 2014, 139.

Römerfreunde als ideale Bürger

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Ehrendekrete des Weiteren auch einen Gesamtüberblick über das Leben des herausragenden Bürgers und erfüllten damit gleichsam die Funktionen eines Lebenswerkdekrets.74 Die umfassende Gesamtdarstellung von Leben und Karriere des Apollonios wird demnach neben den ideologischen Funktionen ebenfalls einen wichtigen Teilaspekt des Ensembledenkmals gebildet haben. Der Beschluss regelte zudem das individuelle Gedenken an den Verstorbenen und ließ Apollonios durch den Bau eines Heroons – wenn auch auf private Initiative von Söhnen und Familie – große Anerkennung zukommen.75 In der besonderen Situation der Jahre nach 133 v. Chr. und zumal nach dem Tod des Apollonios mag die wichtigste Funktion des Ehrenmonuments dennoch auf den ideologischen Aussageintentionen gelegen haben.76 Beschluss und Statue auf der Agora wurden – wie vermutlich auch das Heroon – in der Folge zu zentralen «Erinnerungsorten» der Polis.

7.3 Römerfreunde als ideale Bürger – Ehrendekrete für eigene Bürger als Loyalitätsbekundungen gegenüber Rom Die Krise um das Ende der pergamenischen Monarchie mit dem anschließenden Krieg der Römer gegen Aristonikos bot zahlreichen Städten in Kleinasien einen Anlass zur Aufstellung von Ehrendekreten für eigene Bürger. Die Gemeinwesen beschränkten die Errichtung von entsprechenden Monumenten, die insgesamt eine seltene Erscheinung geblieben sein werden, auf Ausnahmesituationen und werden bei den meisten Beschlüssen auf eine dauerhafte Aufzeichnung verzichtet haben. Publizierte Ehrendekrete bedeuteten demnach zunächst stets auch eine besondere Ehre für die jeweiligen Personen und waren eine seltene Anerkennung für herausragende Leistungen um Polis und Volk. Die Ehrendekrete aus den Jahren um 130 v. Chr. dienten neben dem persönlichen Prestige der ausgezeichneten Bürger in der Regel auch für politische Statements sowie zur Selbstdarstellung und Selbstrepräsentation der Städte und werden in der Summe erst durch das Zusammentreffen der unterschiedlichen Bedeutungsebenen entstanden sein. Gerade vor dem Hintergrund der besonderen Machtkonstellationen im Kleinasien der Jahre nach 133 v. Chr. wird den ideologischen Aspekten der Beschlüsse jedoch stets eine entscheidende Bedeutung 74 75

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Dreyer/Engelmann 2003, 20. Private Erinnerung und öffentliches Gedenken gehen im Beschluss Hand in Hand. Boulay 2014, 481–483. Zur Beteiligung der Familie an der Gestaltung der Ehrungen s. auch Chaniotis 2014, 149. Vgl. Chaniotis 2014, 136. Mit der Zeit mögen sich die ideologischen Konnotationen des Monuments gewandelt haben. Ebd. 157 f. Die offizielle Haltung der Stadt zeigte sich auch in der unmittelbaren Einführung eines Roma-Kultes nach dem Tod des Attalos III. Dreyer/Engelmann 2003, 14–16. Brixhe/Gauthier, BE 2004, 652.

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Die Römer kommen nach Kleinasien

zugekommen sein.77 Im Zuge der politischen Umwälzungen nach dem Tod des Attalos III. wollten zahlreiche Städte auch in der Öffentlichkeit die eigene Treue und Loyalität gegenüber Rom bekunden und bedienten sich zur Verbreitung der politischen Ansichten etwa auch der Publikation von Beschlüssen zu Ehren von eigenen Bürgern. Die jeweiligen Personen, deren Verhalten stellvertretend für die politische Haltung der gesamten Polis stehen sollte, zeichneten die Erzählungen in diesem Zusammenhang durchweg als Römerfreunde. Wie Machaon aus Kyzikos und Apollonios aus Metropolis hatten die ausgezeichneten Bürger als treue Verbündete auf Seiten der Römer gekämpft oder waren wie Apollonios aus Bargasa und Poseidonios aus Bargylia auf politischer Ebene für die römische Sache eingetreten. Die politischen Entwicklungen hatten auf der anderen Seite zugleich Auswirkungen auf das Selbstbild und die Bürgerideologie der Städte. Spätestens mit der Provinzialisierung Kleinasiens erweiterten sich die Vorstellungen von einem ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός um die Kategorie des Römerfreundes. In vielen Fällen scheinen insbesondere kleine Städte, die auf der politischen Ebene lediglich geringe Bedeutung besaßen und möglicherweise kaum andere Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Geschehnisse sahen, Ehrendekrete für Römerfreunde publiziert zu haben, um sich auf diese Weise einen Vorteil im Machtgefüge der neuen Provinz zu verschaffen und den eigenen Einfluss in der Region zu erweitern. Trotz der vereinzelten Klagen über die Einquartierung von Soldaten oder die Rekrutierung von Bürgern – so etwa in den Beschlüssen aus Bargasa und Bargylia – betonten die Städte in den Ehrendekreten dementsprechend die eigene Verbundenheit und Treue zu Rom und feierten die Römer als allgemeine Wohltäter und als Verfechter der Freiheit gegen Knechtschaft und Unterdrückung durch Aristonikos.78 Freiheit und Autonomie waren noch im späten 2. Jhdt. v. Chr. zentrale Elemente im Selbstverständnis der griechischen Städte in Kleinasien und fungierten – wie schon im frühen Hellenismus – als Schlüsselbegriffe in politischen Auseinander-

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Mit der Ankunft der Römer in Kleinasien scheint sich in der Region zugleich der endgültige Wandel von der «haute époque hellénistique» zur «basse époque hellénistique» vollzogen zu haben. Die entsprechenden Veränderungen lassen sich selbstverständlich nicht ausschließlich an einem historischen Ereignis festmachen. Dennoch scheint insbesondere die Einrichtung der römischen Provinz großen Einfluss auf die weiteren Entwicklungen in Kleinasien genommen zu haben. S. auch u. S. 269 f. Die politischen Aussagen beschränkten sich nicht ausschließlich auf Ehrendekrete für eigene Bürger. So bekundeten Städte wie Elaia oder Methymna auch in anderen Beschlüssen Treue und Verbundenheit zu den Römern. Fabricius 1913. IG XII S 116. Zum Beschluss aus Elaia s. auch Robert 1984. Zuletzt Schuler 2007, 72 f. Auch zwei Inschriften aus Halikarnassos erinnerten an die Beteiligung der Stadt an den römischen Militäraktionen. Wilhelm 1908 Nr. 6. Le Bas/Waddington 1870 Nr. 504. Vgl. auch Brun 2004, 26. 37. Chaniotis 2014, 152.

Römerfreunde als ideale Bürger

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setzungen.79 Einzelne Städte präsentierten sich demnach auch in den Ehrendekreten gegenüber den Römern zunächst noch als gleichwertige Bündnispartner auf Augenhöhe und wählten mit den Beschlüssen für Römerfreunde zudem eine subtile Art der Treuebezeugung – existierten daneben doch auch direkte Formen der Loyalitätsbekundung wie Roma-Kulte oder Ehrungen für römische Feldherren.80 Zugleich waren die Ehrendekrete aus dem Kontext des Aristonikosaufstands in den meisten Fällen auch Erinnerungsmonumente für die Geschichte und die jüngsten Erfolge der jeweiligen Polis. Im Sinne des Konzepts der intentionalen Geschichte nutzten die Städte die entsprechenden Beschlüsse zur Verbreitung der eigenen Version der Vergangenheit sowie zur sinnvollen Ausdeutung der Gegenwart und zur Gestaltung der politischen Zukunft. Als sich der Sieg der Römer über Aristonikos abzeichnete, mag manche Polis versucht haben, die eigene Beteiligung an den vorangegangenen Kämpfen ins rechte Licht zu rücken und sich – zum Teil vielleicht sogar erst durch nachträgliche Manipulation der Erinnerung – als treue Verbündete der Römer zu präsentieren. So wird es in einzelnen Städten während der Kämpfe in den Jahren nach 133 v. Chr. vermutlich mehrere Gruppierungen mit unterschiedlichen politischen Ansichten gegeben haben. Aussicht auf eine Ehrung hatten nach dem Sieg der Römer selbstverständlich nur Personen aus romfreundlichen Kreisen. Eventuell vorhandene Ehrenmonumente für Verbündete des Aristonikos werden die Städte spätestens nach der Niederschlagung der Revolte entfernt haben. Einfluss auf die Auszeichnung von einzelnen Bürgern hatten also nicht ausschließlich die tatsächlichen Leistungen der jeweiligen Personen. Gerade bei der Entscheidung über die dauerhafte Publikation eines Ehrendekrets wird die grundsätzliche Ausrichtung der jeweiligen Polis in politischen Fragen stets eine maßgebliche Rolle gespielt haben.81 Der Zusammenhang von Politik und Ehrenpraxis offenbarte sich in Kleinasien auch im Kontext der Kriege zwischen den Römern und Mithradates VI. im frühen 1. Jhdt. v. Chr. Die Auseinandersetzungen hatten in einzelnen Städten wie Alabanda, Mylasa, Priene und Pergamon ähnliche Auswirkungen auf die Aufstellung von Beschlüssen für eigene Bürger wie der Aufstand des Aristonikos.82 Einen vergleich-

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Zur politischen Haltung der Städte im Krieg s. allgemein Brun 2004, 40–44. Dreyer 2010, 362 f. Zum Aufkommen der Roma-Kulte s. etwa Dreyer/Engelmann 2003, 15. Die Auszeichnungen für römische Feldherren konnten wie bei M’. Aquilius in Pergamon bis zur kultischen Verehrung reichen. Brun 2004, 27. Daubner 2 2006, 161 f. Zu den Kulten für Römer in Kleinasien s. auch Thériault 2012. Zur Wechselbeziehung von Politik und Ehrenpraxis am Beispiel des frühhellenistischen Athen s. o. S. 85–90. Zu den Beschlüssen aus Priene s. u. S. 312–315. Zu den Beschlüssen aus Pergamon s. o. S. 243–245. In Mylasa publizierte die Phyle der Ὀτωρκονδεῖς ein Ehrendekret für Verdienste im diplomatischen Austausch mit den Römern. I. Mylasa 109. Das Ehrendekret aus Alabanda ist in der Datierung umstritten. Diehl/Cousin 1886 Nr. 1. Für einen Neu-

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Die Römer kommen nach Kleinasien

baren Umfang wie in den Jahren nach 133 v. Chr. nahm die Publikation von Ehrendekreten jedoch nicht an, da die Situation nach den Mithradatischen Kriegen in den meisten Städten nicht mit der Zeit nach dem Krieg gegen Aristonikos zu vergleichen gewesen sein wird. Insbesondere während der ersten Auseinandersetzung mit Rom hatten zahlreiche Städte mit dem pontischen König sympathisiert und konnten sich dementsprechend – im Gegensatz zu den Auseinandersetzungen nach dem Ende der pergamenischen Monarchie – auch nicht über öffentliche Monumente als treue Verbündete der Römer präsentieren. Aus diesem Grund stand wohl auch kein Beschluss aus der Zeit der Kriege gegen Mithradates in direktem Bezug zu den Kampfhandlungen.

datierung in die Jahre um 160 v. Chr. s. zuletzt Errington 2010. In jedem Fall steht der Beschluss in Zusammenhang mit militärischen Konflikten. Die Polis Ephesos versuchte sich durch einen allgemeinen Beschluss am Kriegsende von Mithradates zu distanzieren I. Ephesos 8. Vgl. Chaniotis 2014, 152 f. Zu den Auswirkungen der Mithradatischen Kriege auf die Gesellschaftsstrukturen der kleinasiatischen Städte s. allgemein Arrayás Morales 2010. Arrayás Morales 2013. Vgl. Habicht 1995b, 88. Schulz 2011, 278. Zum Verhältnis der lokalen Eliten zu Mithradates VI. s. auch Niebergall 2011. Auch die Inseln Ägina und Thasos scheinen unter den Kriegen gelitten zu haben. IG IV2 2, 750. Salviat 1959. Fournier/Prêtre 2006.

8. Kolophon, Priene, Sestos – Ehrendekrete als Beispiele für die Verwirklichung eines idealen Lebens im Dienst der Polis

Das Ende des pergamenischen Königreichs und die anschließende Einrichtung der römischen Provinz bedeuteten neben einem grundlegenden Wechsel der Herrschaftsstrukturen auch einen fundamentalen Einschnitt in der Geschichte des hellenistischen Kleinasien und bewirkte nachhaltige Veränderungen in den politischen Strukturen der Region sowie im sozialen Gefüge der einzelnen Städte, die den eigenen Status unter den neuen Machthabern aushandeln mussten.1 Insbesondere gute Verbindungen nach Rom versprachen dabei Vorteile und Privilegien. Die neuen Verhältnisse in der Region nahmen zudem direkten Einfluss auf den epigraphic habit und damit auch auf die Praxis der dauerhaften Publikation von Beschlüssen zu Ehren von eigenen Bürgern.2 Auf lange Sicht sollten der politische Wandel sowie der damit einhergehende Verlust der städtischen Autonomie zu einem Verschwinden der Ehrendekrete aus der epigraphischen Landschaft der Städte führen.3 Zunächst nahmen Umfang und Qualität der Erzählungen jedoch gerade in den Beschlüssen aus dem späthellenistischen Kleinasien zu.4 Wie im vorangegangenen Kapitel gezeigt, versuchten zahlreiche Städte in Reaktion auf die Auseinandersetzungen mit Aristonikos die eigene Treue zu Rom unter Beweis zu stellen und errichteten Monumente für Personen, die sich in den Kämpfen als verlässliche Verbündete der neuen Machthaber erwiesen hatten. Die Veränderungen in der epigraphischen Praxis beschränkten sich jedoch nicht ausschließlich auf unmittel1 2

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S. auch o. S. 247 f. Vgl. Dreyer 2010, 349. Zur Aufzeichnung von Ehrendekreten in Kleinasien s. Hamon 2012, 61 f. Ein vermehrtes Aufkommen von entsprechenden Beschlüssen ab der zweiten Hälfte des 2. Jhdts. v. Chr. ist vermutlich jedoch vornehmlich mit den allgemeinen Veränderungen in der Region und – entgegen Hamon – nicht mit einem grundsätzlichen Wandel der epigraphischen Praxis zu erklären. Ehrendekrete für eigene Bürger mit ausführlichen Tatenberichten gab es bereits im frühen Hellenismus. S. allgemein u. S. 441–443. Ebenso wenig lässt sich während des gesamten Hellenismus eine routinemäßige Publikation von Ehrendekreten für Beamte aus öffentlichen Geldern feststellen. Einzig für die Beschlüsse zu Ehren von fremden Wohltätern, die in vielen Städten in großen Zahlen auf Stein bezeugt sind, scheint sich der Eindruck der routinemäßigen Aufzeichnung zu bestätigen. S. o. S. 44 f. S. ausführlich u. S. 398–403. Allgemein ist im Verlauf des Hellenismus eine Entwicklung der Volksbeschlüsse auf den Ebenen von Sprache und Rhetorik festzustellen. S. u. S. 457–459. Eine Abfassung der Ehrendekrete durch die ausgezeichneten Bürger ist auf Basis des epigraphischen Befundes in der Regel nicht nachzuweisen. So jedoch Hamon 2012, 62. In der Praxis mögen herausragende Bürger in vielen Fällen großen Einfluss auf die Abfassung der eigenen Ehrendekrete gehabt haben. Als Initiatoren und Antragsteller nannten die Beschlüsse in der Regel jedoch dritte Personen. Nur in seltenen Fällen stellten Einzelpersonen wie Kephisodoros in Athen selbst einen Antrag auf Ehrungen durch die Polis. S. o. S. 80–83.

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Kolophon, Priene, Sestos

bare Phänomene wie die Aufstellung von Beschlüssen im Kontext der Kämpfe gegen Aristonikos. Einzelne Städte wie Kolophon und Priene nutzten die neuen Freiheiten und begannen in den Jahrzehnten nach 133 v. Chr. mit der Publikation von ausführlichen Lebenswerkdekreten.5 Auch wenn Erzählungen in ähnlichem Umfang stets eine große Ausnahme waren, stachen die Beschlüsse, die von den mittelbaren Auswirkungen des politischen Wandels berichteten, durch die Länge der Motivberichte im Vergleich zu anderen Ehrendekreten noch einmal heraus.6 Die Lebenswerkdekrete aus Kolophon und Priene wie auch der Beschluss für den zweimaligen Gymnasiarchen Menas aus Sestos zeigten engagierte Bürger auf Gesandtschaftsreisen zum Senat sowie in Verhandlungen mit römischen Statthaltern und anderen Magistraten.7 Als prominente Vertreter der Städte setzten sich die herausragenden Persönlichkeiten zum Wohl der jeweiligen Polis ein und konnten Rechtsansprüche und Privilegien gegenüber den Römern behaupten.8 Zumindest in den ersten Jahren der Provinz scheinen die Städte an die Freiheitsversprechungen der Römer geglaubt zu haben und versuchten die Grenzen der eigenen Möglichkeiten unter den neuen Machthabern aktiv auszuloten. Der Bedeutung der entsprechenden Ehrendekrete im Kontext der zeitgleichen Veränderungen in Politik und Gesellschaft soll im Folgenden nachgegangen werden.

8.1 Zwei ideale Bürger – Die Lebenswerkdekrete für Menippos und Polemaios aus Kolophon Zum Ende des 2. Jhdts. v. Chr. ließ die Polis Kolophon den prominenten Bürgern Polemaios und Menippos im Apollonheiligtum von Klaros jeweils ein Monument mit ausführlichem Ehrendekret errichten.9 Der Beschluss für Menippos wurde ver5 6 7

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Die Polis Pergamon bildet als ehemalige Residenzstadt der Attaliden einen Sonderfall. S. o. S. 243. Zur Ausnahmestellung der Inschriften aus Priene s. auch Kah 2015, 389. Zumindest die Polis Priene hatte sich – wie andere Städte an der ionischen Küste – vermutlich jedoch auch nicht an den Kämpfen gegen Aristonikos beteiligt. Daubner 2 2006, 76 f. 151. Zu den Gemeinsamkeiten der Beschlüsse aus Kolophon und Priene s. auch Robert/Robert 1989, 18. 69. Einzelne Ehrendekrete für Gesandtschaftsreisende nach Rom sind bereits aus dem frühen 2. Jhdt. v. Chr. bekannt. So hatte etwa die Polis Lampsakos einen Beschluss für die Verdienste des Hegesias bei Gesandtschaftsreisen nach Rom verabschiedet. I. Lampsakos 4. Die Wertvorstellungen der Beschlüsse bewegten sich weiterhin im Rahmen der klassischen Ideale von δημοκρατία, ἐλευθερία und αὐτονομία. Zur Bedeutung von Demokratie und Freiheit für die Polisidentität s. allgemein Gehrke 2003, 234–237. Robert/Robert 1989, 11–17. 63–66. Der genaue Umfang der Ehrendekrete, die sich jeweils auf mehrere Kolumnen verteilten, lässt sich nicht mehr feststellen. Die Anfänge der Kolumnen waren jeweils auf den – heute verlorenen – oberen Blöcken der mehrteiligen

Zwei ideale Bürger

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mutlich in den Jahren nach 120/119 v. Chr. veröffentlicht.10 Polemaios scheint seine politische Karriere erst einige Jahre nach Menippos begonnen zu haben und mag auch sein Ehrendekret erst mehrere Jahre oder Jahrzehnte nach seinem Vorgänger erhalten haben.11 Die Beschlüsse standen in jedem Fall nicht in einem direkten Zusammenhang mit dem Aufstand des Aristonikos und berichteten stattdessen bereits von den Auswirkungen der römischen Präsenz in Kleinasien nach der Einrichtung der Provinz.12 Durch die Aufstellung der Inschriften am Beginn (Polemaios) und am Ende (Menippos) der heiligen Straße im Tempelbezirk zielte die Polis auf eine breite Öffentlichkeitswirkung der Ehrendekrete.13 Das überregional sehr bedeutende Heiligtum des Apollon Klarios wurde in jedem Jahr von zahlreichen Besuchern frequentiert und garantierte den gesamten Monumenten ein großes Publikum. Die beiden Motivberichte begannen mit Jugend und Ausbildung der verdienten Personen und berichteten im Anschluss in ausführlichen Erzählungen von zahlreichen Aktivitäten und Erfolgen in verschiedenen Bereichen von Politik und Gesellschaft. Die Berichte waren nach Kategorien geordneten und scheinen ohne einen konkreten Anlass das gesamte Leben der beiden Bürger umspannt zu haben. Die Beschlüsse sind somit als wirkliche «Lebenswerkdekrete» anzusprechen. Eine direkte Abhängigkeit von den athenischen Beschlüssen des 3. Jhdts. v. Chr. ist jedoch nicht zu erkennen.14 In der sprachlichen Gestaltung entsprachen die ausgefeilten Erzählungen vermutlich weit-

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Monumente eingraviert. Robert/Robert 1989, 11. 66. Für beide Beschlüsse ist deshalb mit einem Textverlust von einigen Zeilen am Beginn der einzelnen Kolumnen zu rechnen. Das Ehrendekret für Polemaios, das sich über fünf schmale Kolumnen verteilt, bricht zum Ende ab. Die letzten Zeilen müssen auf dem oberen Block des Monuments in eine sechste Kolumne eingraviert gewesen sein. Ebd. 62. Das Ehrendekret für Menippos erstreckt sich in drei breiten Kolumnen. Weitere Beschlüsse zu Ehren von eigenen Bürgern sind aus der Polis nicht erhalten. Für die Jahre um 200 v. Chr. ist jedoch die Statuenehrung eines Gymnasiarchen durch die Epheben und Neoi bezeugt. Gauthier 2005b. Zum Jahr 120/119 v. Chr. als terminus post quem für die Datierung des Beschlusses s. Robert/ Robert 1989, 98 f. Aus dem Ehrendekret für Polemaios ergibt sich kein terminus post quem. Eine milesische Inschrift aus den Jahren um 100 v. Chr. führt den Bürger jedoch als Proxenos der Stadt. I. Milet 107. S. auch Robert/Robert 1989, 17. Ferrary 1991, 557 f. Haake 2007, 225. Zur allgemeinen Datierung der Beschlüsse s. Robert/Robert 1989, 9. Ferrary 1991, 557 f. Daubner 2 2006, 140 Anm. 651. Heller 2006, 57. Eine Datierung der beiden Beschlüsse an den Beginn des 1. Jhdts. v. Chr. ist wohl auszuschließen. So jedoch Canali de Rossi 1991, 647. S. auch Canali de Rossi 2001, 145. 158. S. etwa Robert/Robert 1989, 35–38. Zur Aufstellungssituation der beiden in situ aufgefundenen Inschriften s. ebd. 11. Vgl. auch die Beschreibungen und den Übersichtsplan bei Lehmann 1998, 9 f. 45. Zum Monument für Polemaios s. auch Haake 2007, 223. Ma 2013, 120. Zum Monument für Menippos s. Ma 2013, 73. 124. Haake 2007, 220. 222. 223. Vgl. Ager 1996, 460. Zur formalen Gestaltung der Beschlüsse mit einem starken Akzent auf die Verbindungen zu Athen s. auch Lehmann 1998, 11.

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Kolophon, Priene, Sestos

gehend im Wortlaut den von den Antragstellern in der Volksversammlung gehaltenen Lobreden. Neben rhetorischen Elementen zeigen die Beschlüsse auch Anklänge an die literarischen Gattungen Biographie und Historiographie.15 Im Gegensatz zum Ehrendekret für Menippos, in dem sich entsprechende Phänomene nur andeuten, zeigt der Beschluss für Polemaios eine deutliche Tendenz zu ausgefeilten Formulierungen und allgemeinen Reflexionen.16 Einzelne Ereignisse versuchten beide Beschlüsse zudem durch eine aufwendige Stilisierung hervorzuheben. Der erhaltene Teil des Ehrendekrets für Menippos setzt mit der ersten Gesandtschaftsreise nach Athen (I 1–10) ein. Der junge Mann verknüpfte den Aufenthalt mit einem Studium bei den besten Lehrern und erhielt für sein vorbildliches Verhalten, das auch der Heimat Kolophon zur Ehre gereichte, in Athen große Anerkennung durch Kranzverleihung und Bürgerrecht.17 Das Ehrendekret vereinnahmte die Leistungen des verdienten Bürgers damit gleich von Beginn an auch für das Prestige der Polis. Im anschließenden Hauptteil der Erzählung spielten das Wohl und der Vorteil der Stadt ebenfalls stets eine wichtige Rolle. Menippos unternahm Gesandtschaftsreisen zu den Königen nach Pergamon, zu anderen Städten, zu römischen ­Magistraten sowie fünfmal zum Senat nach Rom (I 10–II 7). Auf den zahlreichen Missionen konnte der engagierte Bürger Freiheit, Selbstbestimmung und Autonomie der Polis Kolophon auch nach der römischen Herrschaftsübernahme bewahren sowie die Anerkennung der Gebietsgrenzen durchsetzen.18 Die fünf Gesandtschaften zum Senat nach Rom beanspruchten innerhalb der Erzählung, deren Narrativ weiterhin den traditionellen Idealen von δημοκρατία (II 6), ἐλευθερία (I 38) und αὐτονομία (I 40) verhaftet blieb, entsprechend ihrer herausragenden Bedeutung den größ-

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Zur literarischen Gestalt der Beschlüsse s. Robert/Robert 1989, 18. Vgl. auch Lehmann 1998, 12. Für eine literarische Analyse der beiden Ehrendekrete s. u. S. 443–449. Zu den stilistischen Unterschieden der beiden Ehrendekrete s. Robert/Robert 1989, 18. 62. Vgl. Lehmann 1998, 15. Die Unterschiede in der Gestaltung mögen zum Teil den jeweiligen Verfassern oder einem abweichenden Geschmack der ausgezeichneten Personen zuzuschreiben sein. Daneben scheinen beide Beschlüsse bei der inhaltlichen Gestaltung jedoch auch verschiedene Schwerpunkte gesetzt zu haben. Die Unterschiede sind demnach vermutlich nicht ausschließlich «auf die Individualitäten der beiden um ihre Heimatpolis hochverdienten Kolophonier zurückzuführen.» So jedoch Lehmann 1998, 12. Zu Jugend und Ausbildung des Menippos s. Robert/Robert 1989, 67–69. Lehmann 1998, 12–14. Haake 2007, 218–223. Scholz 2008, 95–97. Zu den Ehrungen in Athen s. Wörrle 1995, 250. Scholz 2008, 96. Zu den Gesandtschaftsreisen sowie allgemein zur diplomatischen Tätigkeit des Menippos s. Robert/Robert 1989, 69–71. 86–91. Ferrary 1991, 562–577. Quaß 1993, 135. Ager 1996, 460 f. Lehmann 1998, 22–27. 32–42. Dreyer 2005, 66 f. Daubner 2 2006, 139 f. 204. 218. 231. 241–243. 253. Heller 2006, 57–65. 140. Haake 2007, 221 f. Dreyer/Weber 2011, 37 f. Boulay 2014, 161 f. 475.

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ten Raum (I 17–50).19 So mussten sich die Städte in der Region nach Einrichtung der Provinz Asia erst im Gefüge der neuen Machtstrukturen verorten sowie den eigenen Rechtsstatus und das Territorium der Polis verhandeln. Einflussreichen Einzelpersonen wie Menippos kam dabei für den Erfolg in den Verhandlungen mit Rom eine entscheidende Bedeutung zu.20 Durch die Aufstellung des Ehrendekrets erinnerten Rat und Volk von Kolophon zugleich an die erreichten Privilegien. Die Stele dokumentierte somit auch den Rechtsstatus der Polis und war demnach sowohl ein Monument für die Leistungen des Bürgers als auch für die Erfolge der Stadt bei der Aushandlung der eigenen Stellung im römischen Machtgefüge. Auch über die Grenzen der einzelnen Polis hinaus wurden Entscheidungen aus Rom innerhalb der griechischen Staatenwelt mit Interesse verfolgt. So kamen Gesandtschaften aus zahlreichen Städten in Kolophon zu einem Freudenfest für eine erfolgreiche Mission des Menippos zusammen (I 48–50). Wie die außenpolitische Tätigkeit gereichte auch das Engagement des herausragenden Bürgers in städtischen Funktionen nach Darstellung des Ehrendekrets stets zum Vorteil der Polis (II 7–41). Neben dem Einsatz als Stratege während der Kämpfe gegen Aristonikos engagierte sich Menippos etwa als Festspielleiter oder als Träger des πρυτανευτικὸς στέφανος. Die erbrachten Leistungen erstreckten sich auf die unterschiedlichsten Bereiche des öffentlichen Lebens und reichten vom Schutz der Bürger über die Veranstaltung von Gastmählern und Feierlichkeiten bis zur Finanzierung von Bauten.21 Durch immer neue Höchstleistungen stand Menippos, der zum Teil nur noch mit sich selbst konkurrierte, in der Regel vor allen anderen Bürgern und erhielt für das Engagement bei den Festspielen der Stadt sogar Anerkennung von den auswärtigen Festteilnehmern (II 29–33).22 Das erworbene Ansehen fiel

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In der sprachlichen Strukturierung waren die einzelnen Abschnitte an die Bedürfnisse der Zuhörer bei der mündlichen Verlesung des Antrags in der Volksversammlung angepasst. Zur Gliederung sowie zu den formalen Strukturen des Abschnitts über die Gesandtschaftsreisen des Menippos s. Heller 2006, 58 f. Für eine ausführliche Analyse s. auch u. S. 447. Ausführlich Lehmann 1998, 22–27. Vgl. bereits Ferrary 1991, 559–562. Quaß 1993, 138. Dreyer 2005, 66 f. Daubner 2 2006, 80. Infolge des allmählichen Ausgreifens der römischen Macht in den griechischen Osten konnten einflussreiche Bürger durch gute Beziehungen nach Rom allmählich die politische Macht in den Städten monopolisieren. Lehmann 1998, 28–32. Lehmann 2000, 228–230. Zu den veränderten Rahmenbedingungen s. allgemein auch Quaß 1984. Habicht 1995b, 88. Ferrary 1997. Daubner 2 2006, 219. Van der Vliet 2011, 160–162. S. auch u. S. 398–401. Zu den innenpolitischen Tätigkeiten des Menippos s. Robert/Robert 1989, 91–98. Quaß 1993, 128. Lehmann 1998, 17–19. Daubner 2 2006, 65 Anm. 293. 139 f. Haake 2007, 222. Boulay 2014, 79. 97. 280. Beck 2015, 305 f. Bei den Renovierungsarbeiten am Eingang zum Tempel für Apollon übertraf Menippos die eigenen Ankündigungen. II 27–29: ὑπερθέμενος δὲ ἑ|αυτὸν μείζονα τῆς ἐπαγγελίας κατεσκεύακεν | ἀπὸ πλείονος οὐκ ὀλίωι χρήματος.

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dabei ein weiteres Mal auch auf die Heimatstadt Kolophon zurück – fand die Veranstaltung doch im Namen der Polis statt.23 Der Beschluss betonte zudem stets die demokratische Gesinnung des Menippos. Der Vorzeigebürger zeichnete sich durch eine aktive Beteiligung an der Volksversammlung in Form von Ratschlägen und Beschlussvorlagen aus und sorgte sich mit seinen Kollegen um die Eintracht und den Privatbesitz der Bürger.24 Das öffentliche Engagement dehnte sich daneben jedoch zunehmend auch auf den privaten Bereich aus. Als Träger des πρυτανευτικὸς στέφανος veranstaltete Menippos zusätzlich zum eigentlichen «Pflichtprogramm» öffentliche Bankette und Feierlichkeiten. Die Feste fanden zwar weiterhin im Rahmen von offiziellen Polisveranstaltungen statt, ebneten jedoch zugleich den Boden für die allmähliche «Verhäuslichung» des öffentlichen Lebens in der Polis.25 Eine dritte Kategorie an Leistungen thematisierte dementsprechend das finanzielle Engagement des Menippos außerhalb öffentlicher Funktionen (II 42–III 13).26 Der reiche Bürger half der Stadt etwa bei finanziellen Engpässen aus oder nahm – wie schon in der Zeit als Stratege – auf eigene Kosten römische Magistrate, die in der Stadt verweilten, in sein Haus auf.27 Seine guten Beziehungen zu einflussreichen Römern konnte Menippos bei solchen Gelegenheiten weiter verbessern – auch wenn selbstverständlich erneut auch die Polis von den guten Kontakten profitierte.28 Private Interessen und öffentliche Belange begannen sich demnach bei den Aktivitäten von einzelnen Bürgern in der Polis Kolophon zum Ende des 2. Jhdts. v. Chr. zunehmend zu vermischen. Zumindest nach Darstellung des Beschlusses stand das öffentliche Engagement jedoch weiterhin im Zentrum der Tätigkeiten. Seine Einstellung gegenüber der Stadt hatte Menippos auch für die Zukunft zu bewahren versprochen (III 13–15). Durch die Aufnahme der Ankündigung in 23 24

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Zum internationalen Publikum des Festes s. Gehrke 2003, 246. II 15–16: τὰ κρά|τιστα συμβουλεύων τε καὶ ψηφιζόμενος ἀεί. II 18–21: ἐτήρησεν δὲ μετὰ τῶν συναρχόν|των ἅμα τήν τε κοινὴν τοῖς πολίταις πρὸς ἀλλή|λους ὁμόνοιαν καὶ τὰς ὑπαρχούσας ἑκάστωι | κτήσεις. Zur Bedeutung der Eintracht für die Polisgemeinschaft s. allgemein Gehrke 2003, 234. Entsprechende Entwicklungen sind im Späthellenismus in zahlreichen Städten zu beobachten. Reiche Bürger monopolisierten zunehmend die öffentlichen Funktionen und dehnten das Feld der eigenen Leistungen vermehrt auch auf den privaten Bereich aus. Zum Phänomen der «Verhäuslichung» des öffentlichen Bereichs s. Wörrle 1995, 245. S. auch u. S. 325. Zu den finanziellen Leistungen des Menippos s. Robert/Robert 1989, 98–102. Haake 2007, 222. Zur Aufnahme der römischen Magistrate s. Wörrle 1995, 242. Vgl. Daubner 2 2006, 80. Aus diesem Grund sprach der Beschluss an der entsprechenden Stelle vielleicht auch von der persönlichen φιλοτιμία des Menippos und nicht vom Nutzen für die Stadt. Grundsätzlich gehörte der Begriff φιλοτιμία jedoch auch zum rhetorischen Standardrepertoire der hellenistischen Ehrendekrete. Vgl. u. S. 474 f. In jedem Fall konnte Menippos die Römer als echte Patrone der Stadt gewinnen. III 10–11: γνησίους αὐτοὺς πεποιη|κὼς πάτρωνας. Vgl. Ferrary 1997, 209.

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das veröffentlichte Ehrendekret verstärkte die Polis die hortative Funktion des Beschlusses, dessen inschriftliche Fassung den verdienten Bürger an das gegebene Versprechen erinnern sollte. Ebenso konnte Menippos durch die dauerhafte Aufzeichnung des ausführlichen Tatenberichts an den früheren Leistungen gemessen werden.29 Als angemessene Anerkennung für das gezeigte Engagement sollte Menippos eine Belobigung, einen goldenen Kranz und ein goldenes Standbild erhalten (III 15–34).30 Die Bekränzung hatte jährlich bei den Dionysien und den Klarien zu erfolgen. Die knappe Begründung, die bei der Ausrufung zu verkünden war, offenbarte – wenn auch vermutlich unbeabsichtigt – erneut die Ambivalenz im öffentlichen Auftreten des Menippos: Der herausragende Bürger hatte sich für das Wohl von Polis und Bürgern eingesetzt und in schwierigen Zeiten die Führung übernommen.31 Von demokratischen Grundprinzipien wie der Gleichheit scheint sich die Polis durch das zunehmende Heraustreten von einzelnen Personen im späten Hellenismus allmählich entfernt zu haben. Im Beschluss aus Kolophon kam den entsprechenden Wertvorstellungen jedoch zumindest noch in der Theorie eine zentrale Bedeutung zu. Zusätzliches Lob erhielt Menippos für die Finanzierung des eigenen Denkmals (III 34–41). Gleichsam als Beweis für die in der Vergangenheit gezeigte Einstellung übernahm der herausragende Bürger, da sich die Stadt in finanziellen Nöten befand, selbst die Kosten für die Aufstellung der Statue.32 Zusätzlich zu Kranz und Statue erhielt Menip-

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Die Hortativformel beschränkte sich vornehmlich auf die Verpflichtung des Menippos zu weiteren Leistungen. Den Anspruch der allgemeinen Beispielhaftigkeit formulierte der Beschluss nicht. Mit der besonderen Hortativformel mag die Stadt dem allmählichen Wandel der Gesellschaftsstrukturen und der zunehmenden Bedeutung von einzelnen Überpoliten Rechnung getragen haben. Zu den Ehrungen des Menippos s. Robert/Robert 1989, 102–104. Gauthier 2000a, 53. Vgl. Ma 2013, 36. Mit den Ehrungen wahrte die Polis noch weitgehend einen verhältnismäßigen Rahmen. Ferrary 1997, 203. Im 1. Jhdt. v. Chr. erhielten Einzelpersonen wie Diodoros Pasparos in Pergamon für ähnliche Leistungen umfangreichere Privilegien. S. o. S. 233–243. III 29–34: ὁ δῆμος στεφανοῖ | Μένιππον Ἀπολλωνίδου, τὸμ φύσει Εὐμήδου[ς], | χρυσῶι στεφάνωι καὶ εἰκόνι χρυσῆι εὐεργέτην | ὄντα καὶ περὶ τὴν πολιτείαν ἐκτενῆ καὶ φιλάγαθον | καὶ προστάντα τῆς πατρίδος ἐν καιροῖς ἀναγκαί|οις. Der Verweis auf die schwierigen Zeiten wird sich nicht allein auf den Krieg gegen Aristonikos bezogen haben und auch andere Verdienste wie die zahlreichen Gesandtschaftsreisen eingeschlossen haben. So jedoch Boulay 2014, 339 f. Menippos bezeichnet der Beschluss als εὐεργέτης. Die erbrachten Leistungen scheinen demnach zumindest zum Teil als Euergesien verstanden worden zu sein. Zur Bezeichnung von Bürgern als εὐεργέτης s. ausführlich Gauthier 1985, 28–39. Zur Übernahme der Kosten für das Denkmal s. Quaß 1993, 295. Lehmann 1998, 42. Gauthier 2000a, 53 f. 59 f. Fröhlich 2005, 253. Ein ähnliches Verhalten ist nur für wenige Personen wie Menas aus Sestos und Diodoros Pasparos aus Pergamon bezeugt. S. o. S. 239 f. S. auch u. S. 318 f. In manchen Städten mussten die Bürger allerdings gerade bei kleinen Auszeichnungen selbst für die Publikation der eigenen Ehrendekrete Sorge tragen. S. etwa o. S. 144 f. 170 f.

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pos einen Ehrensitz bei den Wettkämpfen sowie das Recht auf Speisung im Prytaneion (III 41–43).33 Zum Abschluss traf das Ehrendekret genaue Bestimmungen zur Gestaltung und Aufstellung des Monuments im Heiligtum von Klaros (III 43–48) und verzeichnete ganz in demokratischen Traditionen das Abstimmungsergebnis mit 1326 Befürwortern gegen 16 Gegenstimmen (III 48–51).34 Obwohl die Stele mit dem Beschluss nach dem Willen der Polis neben der Statue aufgestellt werden sollte, wich Menippos bei der anschließenden Errichtung des Monuments von den getroffenen Bestimmungen ab. Vermutlich konnte der herausragende Bürger – zumal er selbst die Kosten für die Aufstellung des Standbilds trug – die Ausführung der Bauarbeiten beaufsichtigen und ein prächtiges Ensemble aus Statue, Säule mit Ehreninschrift und Sockel mit Ehrendekret errichten lassen.35 Die ursprünglichen Planungen der Volksversammlung mussten bei der Gestaltung offensichtlich nicht zwingend beachtet werden. Auch wenn die inhaltliche Ambivalenz vermutlich nicht beabsichtigt war, changierte das gesamte Ehrendekret für Menippos zwischen demokratischen Idealen und den tatsächlichen Beziehungen zwischen der Stadt und dem übermächtig anmutenden Bürger. So betonte der Beschluss die Ideale von Freiheit und Autonomie und zeigte Menippos als vorbildlichen Demokraten. Nach eigenem Selbstverständnis war die Polis Kolophon – insbesondere in den ersten Jahren nach der Gründung der römischen Provinz – immer noch ein freies und autonomes Gemeinwesen mit demokratischen Verfassungsstrukturen. In Abhängigkeit vom Wohlwollen und den Entscheidungen eines einzelnen Bürgers sahen sich Rat und Volksversammlung nicht.36 Die Aktivitäten des Menippos scheinen demgegenüber jedoch die Realitäten im Machtgefüge der Polis offenbart zu haben. Die politischen Gewichte verschoben sich allmählich zu Gunsten eines kleinen Kreises an mächtigen Honoratioren und

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Im Hinblick auf die Vergabe der Privilegien glich die Ehrenpraxis in Kolophon den Usancen der athenischen Ehrendekrete des 3. Jhdts. v. Chr. Die Übereinstimmung mag möglicherweise mit den engen Verbindungen zwischen Kolophon und der μητρόπολις Athen zu erklären sein. Ehrungen wie Kranz, Statue, Ehrensitz und Speisung gehören jedoch auch zum üblichen Standardrepertoire an Auszeichnungen für verdiente Bürger. S. auch o. S. 18. Eine zwingende Verbindung zwischen den beiden Städten müssen die Übereinstimmungen demnach nicht bedeuten. Zum Abstimmungsergebnis s. Robert/Robert 1989, 104. Gauthier 1990, 91. Quaß 1993, 361. Lehmann 1998, 29. Lehmann 2000, 229. Haake 2007, 217. Zur Gestaltung des Monuments s. Robert/Robert 1989, 103 f. Lehmann 1998, 43. Ma 2013, 43. 59 f. Biard 2017, 204–206. Die Statuenbasis mit der Ehreninschrift ist ebenfalls erhalten. Şahin 1987 Nr. 4. S. auch Robert/Robert 1989, 104 Fig. a. Vgl. Ma 2013, 36. Zum Selbstverständnis der Polis Kolophon zur Zeit der römischen Herrschaft s. Robert/ Robert 1989, 86.

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manifestierten sich in herausragenden Auszeichnungen.37 Auch die dauerhafte Publikation des Beschlusses – insbesondere in Form eines ausführlichen Lebenswerkdekrets – wird als seltene Auszeichnung zunächst im Einklang mit den Vorstellungen des herausragenden Bürgers gestanden haben und trug zu einem großen Teil zu dessen persönlichem Ansehen bei. Gerade die Fokussierung auf den individuellen Lebenslauf von der Kindheit über die Politik bis zum Privatleben gewann zunehmend aristokratische Züge. Nichtsdestotrotz scheint die Polis mit der Errichtung des Monuments auch eigene Ziele verfolgt zu haben. Voraussetzung für die herausragenden Auszeichnungen blieben außergewöhnliche politische Leistungen im Dienst der Stadt. Der passende Rahmen für den Aufstieg des Menippos war dabei vermutlich erst durch die politischen Umwälzungen nach dem Ende des pergamenischen Königreichs geschaffen worden. Auch wenn sich einzelnen Bürgern im Kontakt mit den Römern neben zahlreiche Möglichkeiten zur Bewährung auf der anderen Seite jedoch auch stets Gelegenheiten zum gleichzeitigen Ausbau der eigenen Stellung im Machtgefüge von Stadt und Provinz boten, verbreiteten Rat und Volk durch die Aufstellung des Beschlusses vor dem Hintergrund der aktuellen Umwälzungen dennoch auch eigene Vorstellungen von einem vorbildlichen Bürger sowie vom idealen Zustand der Polisdemokratie. Die ausführliche Lebensbeschreibung sollte dabei als Beispiel für einen vorbildlichen Einsatz im Dienst der Stadt dienen. Über die Karriere eines einzelnen Bürgers präsentierte ein Ehrendekret demnach ein weiteres Mal zugleich die Werte und Ideale der ganzen Stadt. Die Erfolge des Menippos – insbesondere in der Behauptung gegenüber den Römern – waren ebenso Erfolge der Polis Kolophon. Durch die Aufstellung der Stele im vielbesuchten Heiligtum von Klaros zielte die Stadt auf eine breite Außenwirkung und präsentierte der panhellenischen Öffentlichkeit über die Leistungen eines prominenten Bürgers zugleich die eigenen Erfolge der jüngsten Vergangenheit. Mit der ausführlichen Erzählung schrieb die Stadt zudem einen Teil der eigenen Geschichte und machte die Inschrift damit zugleich zu einem historischen Erinnerungsort. Ebenso diente der Beschluss auch zur Dokumentation des erreichten Status und trug zur dauerhaften Festschreibung der erreichten Privilegien bei. Daneben sollte die Stele vermutlich auch das partnerschaftliche Verhältnis zu den Römern zum Ausdruck bringen. Das Ehrendekret für Polemaios war ebenfalls nach Kategorien unterteilt und begann wie der Beschluss für Menippos mit der Jugend des prominenten Bürgers. Neben Studienreisen nach Rhodos und Smyrna berichtete die Erzählung zunächst von sportlichen Erfolgen des jungen Mannes, der eine anschließende Siegesfeier

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Als «Honoratiorenregime» sind die politischen Verhältnisse in Kolophon in den Jahren um 120 v. Chr. vermutlich noch nicht zu bezeichnen. Ausführlich Lehmann 1998, 28–32. 43. Auf das Ehrendekret für Polemaios sind die Beobachtungen jedoch lediglich mit Einschränkung zu übertragen. Vgl. auch Lehmann 2000, 228–230.

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gleich zur privaten Verteilung von Süßwein an die gesamte Bürgerschaft nutzte (I).38 Die Grenzen zwischen privatem Bereich und öffentlichem Auftreten scheinen sich demnach zunehmend verwischt zu haben. Für einen Aufenthalt in Smyrna im Anschluss an eine Festgesandtschaft wurde Polemaios – wie Menippos während des Studiums in Athen – von den Gastgebern durch ein Ehrendekret ausgezeichnet und erhielt daraufhin auch eine zusätzliche Anerkennung seines vorbildlichen Verhaltens durch die Polis Kolophon.39 Auch bei einem privaten Studienaufenthalt in Rhodos zeigte der junge Mann seine Besonnenheit und trug, da das Verhalten sowohl der Würde der Heimatstadt als auch des Gastortes entsprach, erneut zum guten Ruf der Polis Kolophon bei. Zweck der Bildungsreisen war eine Schulung in Rhetorik und Politik. Mit gestalterischem Geschick ließ der Verfasser die zentralen Fähigkeiten im Leben eines Polisbürgers im Abschnitt zu Ausbildung und Jugend zum ersten Mal anklingen, um die Thematik im anschließenden Hauptteil erneut aufzugreifen.40 Erst in der politischen Praxis fanden die in der Jugend erlernten Fähigkeiten – so etwa ein rhetorisches Studium als Grundlage und Voraussetzung für einen späteren Erfolg in der Politik – Anwendung. Reichen Bürgern verschafften die Möglichkeiten zur Erweiterung der eigenen Fähigkeiten durch ein privates Studium – wie schon in der klassischen Demokratie – in der Folge einen beträchtlichen Startvorteil im politischen Leben der Polis. Zudem werden die jungen Männer auf den Reisen mit Mitgliedern der Eliten aus anderen Städten sowie mit römischen Politikern in Kontakt gekommen sein und dabei erste überregionale Netzwerke, die für eine politische Laufbahn immense Bedeutung besaßen, geknüpft haben. Die erste Kategorie an Leistungen im Hauptteil der Erzählung bildeten passenderweise – wie schon im Ehrendekret für Menippos – Gesandtschaftsreisen für die Stadt (II 1–III 24).41 Polemaios reiste dabei stets auf eigene Kosten und verhandelte mit römischen Magistraten, griechischen Städten und dem Senat in Rom.42 In diesem Zusammenhang betonte der Beschluss auch die mit den Gesandtschaftsreisen verbundenen Mühen und Gefahren: Während sich die anderen Bürger zu Hause

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Zu Jugend und Ausbildung des Polemaios s. Robert/Robert 1989, 18–27. Wörrle 1995, 249 f. Haake 2007, 223. Scholz 2008, 95–97. Zur Bedeutung der sportlichen Erfolge s. Van Bremen 2007, 354. Zur Verteilung von Süßwein s. Wörrle 1995, 246. Lehmann 1998, 15. Zum Aufenthalt in Smyrna s. Wörrle 1995, 248 Anm. 72. Lehmann 1998, 12–14. Haake 2007, 224–226. I 21–22: λόγω(ι) καὶ πράξει πολιτι|κῇ. III 22–23: λέ|γων καὶ πράσσων. Zur rhetorischen Qualität des Beschlusses s. ausführlich u. S. 443–449. Zu den Gesandtschaftsreisen s. Robert/Robert 1989, 27–29. 35–42. Ferrary 1991, 562. Quaß 1993, 112. 135. Lehmann 1998, 22–27. Brun 2004, 30–33. 35. Daubner 2 2006, 66 f. 243. Haake 2007, 224 f. Boulay 2014, 162. Von Gesandtschaftsreisen zu den Königen nach Pergamon wusste der Beschluss nichts zu berichten – möglicherweise ein weiteres Indiz für eine späte Datierung des Ehrendekrets. Zur chronologischen Einordnung des Beschlusses s. auch o. S. 271.

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ungestört um private Geschäfte kümmern konnten, nahm Polemaios in selbstlosem Einsatz ohne Rücksicht auf die eigene Person zum Wohl der Polis alle Anstrengungen auf sich (II 16–24).43 Auch wenn die Polis vordergründig immer noch im Zentrum der Bemühungen stand, monopolisierte Polemaios durch sein Handeln zunehmend das politische Feld und schloss andere Personen von öffentlichen Tätigkeiten aus.44 Gerade bei den Reisen zum Senat nach Rom, deren Ausgang über die Zukunft der Polis entscheiden konnte, gewannen zudem persönliche Beziehungen und Patronatsverhältnisse von einzelnen Bürgern zu einflussreichen Senatoren zentrale Bedeutung und beschränkten damit zusätzlich den Kreis an Personen, die für eine aussichtsreiche Gesandtschaft in Frage kamen.45 Polemaios übernahm selbst dann noch Aufgaben, als er durch das Priestertum des Apollon Klarios eigentlich von weiteren Leistungen befreit gewesen wäre. Als negative Entwicklung scheint die Polis Kolophon die Monopolisierung der politischen Aktivitäten in den Händen von einzelnen Personen zumindest bei der Abfassung des Ehrendekrets jedoch nicht empfunden zu haben – gereichte das Engagement doch auch weiterhin zum Vorteil der Heimat. Daneben schützte Polemaios seine Heimat vor Plünderungen, deren Verursacher im Beschluss nicht eindeutig benannt wurden, und wahrte eine unabhängige Rechtsprechung. Ebenso trugen die Erfolge auch zum internationalen Ansehen und zur Würde der Stadt bei. Die Ideale von Freiheit, Autonomie und Demokratie hatten für die Gestaltung des Beschlusses im Gegensatz zum Ehrendekret für Menippos jedoch an Bedeutung verloren. Stattdessen gewann das persönliche Ansehen des Polemaios im Kontext der Erfolge neben Vorteil und Wohlergehen der Stadt zunehmend an Bedeutung. Die zweite Kategorie an Leistungen bildete privates finanzielles Engagement (III 25–IV 34):46 Unabhängig von öffentlichen Funktionen erbrachte Polemaios großzügige Wohltaten und geriet in der Folge gleichsam in die Rolle eines Stadtpatrons. Der reiche Bürger leistete zahlreiche Spendenbeiträge, gewährte seinen Schuldnern Zinsnachlass, vergab zum Teil auch zinslose Darlehen, übernahm Bürgschaftsgarantien oder kümmerte sich um Flüchtlinge aus dem Krieg der Römer gegen Aristonikos. Zunehmend fand dabei auch finanzielles Engagement, das sich nicht ausschließlich auf den öffentlichen Bereich beschränkte und sich allmählich auch auf private Ebene auszudehnen begann, öffentliche Anerkennung. Offizielle 43 44 45

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Zur Interpretation des Abschnitts s. ausführlich u. S. 447 f. Vgl. Wörrle 1995, 242–244. Daubner 2 2006, 80 f. Haake 2007, 224. Boulay 2014, 345. Wörrle 1995, 243. Zur Bedeutung der persönlichen Beziehungen nach Rom s. ausführlich Robert/Robert 1989, 35. Ferrary 1991, 559–562. Quaß 1993, 138. Lehmann 1998, 22–27. Vgl. Ferrary 1997, 209. Dreyer/Weber 2011, 23–25. Teilweise mögen die ersten Kontakte bereits auf den Bildungsreisen in der Jugend geknüpft worden sein. Zum finanziellen Engagement s. Robert/Robert 1989, 42–51. Lehmann 1998, 16. Haake 2007, 225. Vgl. Boulay 2014, 338. 381.

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Spendenaufrufe oder Bitten der Polis waren nicht in jedem Fall das entscheidende Handlungsmotiv. In den eigentlich privaten Bereich gehörten auch die – wenn auch auf Bitten der Stadt veranstalteten – ἀκροάματα sowie die öffentlichen Bankette und die Verteilung von Geschenken anlässlich der eigenen Hochzeit.47 Wie Menippos nahm Polemaios zudem Gesandtschaften, die in der Stadt verweilten, in seinem Privathaus auf. Die Grenzen zwischen Privatleben und öffentlichem Bereich scheinen sich in der Summe zunehmend verschoben zu haben. So fanden Privatgeschäfte und persönliche Leistungen in einem offiziellen Ehrendekret der Stadt in verstärktem Maße Erwähnung. Die Polis wurde in der Folge gleichsam in den Oikos des reichen Wohltäters integriert, wobei der Oikos zugleich allmählich über die Polis hinauswuchs.48 Neben den privaten Feiern betätigte sich Polemaios auch in der offiziellen Funktion als Festspielleiter bei den penteterischen Klarien (IV 35–V 11).49 Durch das Engagement während der Feierlichkeiten, die von zahlreichen Fremden besucht wurden, konnte der Ausnahmebürger die eigene Leistungsfähigkeit auch vor einem internationalen Publikum unter Beweis stellen.50 Eine prächtige Veranstaltung des Festes verhalf auf der anderen Seite selbstverständlich auch der Stadt zu Ruhm und Anerkennung – auch wenn Rat und Volk bei der Durchführung der Feierlichkeiten zum Teil vermutlich auf das Engagement von Einzelpersonen angewiesen waren. Wollte man durch eine prächtige Veranstaltung internationale Anerkennung erwerben, musste man zunehmend die finanziellen Hilfen eines reichen Wohltäters, dem das Fest auf der anderen Seite eine gute Gelegenheit zur Selbstdarstellung bot, nutzen.51 Als entscheidendes Motiv für das herausragende Engagement präsentierte der Beschluss dementsprechend auch das Ruhmstreben des Polemaios. Die Interessen der Polis gerieten zunehmend in den Hintergrund. Wie Menippos wollte Polemaios die vorbildliche Einstellung auch in Zukunft bewahren und sich mit allen Mitteln für die Stadt engagieren (V 11–18). Die dauerhafte Festschreibung des in diesem Zusammenhang gegebenen Versprechens durch das Ehrendekret wird dabei sicherlich auch eine zusätzliche Bindung für die Zukunft gewesen sein. In deutlichen Worten formulierte der Beschluss zudem die hortative Funktion des Ehrendekrets (V 18–25). Die Stadt wollte gute Männer für herausragende Verdienste ehren und somit auch künftig zu Wohltaten anzuspornen. In der 47

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Zu den privaten Leistungen des Polemaios s. Wörrle 1995, 245. Lehmann 1998, 15. Daubner 2 2006, 65 Anm. 293. Haake 2007, 225. Beck 2015, 306 f. 359. In Grundzügen erinnern die Aktivitäten bereits an die Veranstaltungen von kaiserzeitlichen Wohltätern wie die Feste des Epaminondas in Akraiphia. S. u. S. 385–389. In beiden Inschriften findet sich eine identische Wortwahl. Vgl. Robert/Robert 1989, 50. Wörrle 1995, 244. Zur Tätigkeit als Festspielleiter s. Robert/Robert 1989, 51–56. Lehmann 1998, 17. Haake 2007, 225. Wörrle 1995, 248 Anm. 72. Zur Großzügigkeit des Polemaios s. ebd. 244.

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Formulierung deutete sich zugleich ein weiteres Mal die zunehmende Monopolisierung der öffentlichen Tätigkeit durch Einzelpersonen an. Die Aufforderung zu künftigen Leistungen richtete sich nicht an einen breiten Kreis an Bürgern. Polemaios war nicht ein παράδειγμα für andere Personen, sondern gab lediglich δείγματα der eigenen Leistungsfähigkeit. Die Auszeichnungen sollten die Einzelperson gleichsam wie einen fremden Euergeten im reziproken Austausch von Gabe und Gegengabe zu öffentlichem Engagement verpflichten. Polemaios erhielt die gleichen Ehrungen wie Menippos in Form von Belobigung, goldenem Kranz und goldenem Standbild mit Ehreninschrift (V 25–57).52 Zu verkünden waren Bekränzung und Ehrung des herausragenden Bürgers, der zudem einen Ehrensitz bei den Wettkämpfen sowie das Recht auf Speisung im Prytaneion erhielt, jährlich bei den Dionysien sowie während der Waffentänze und der Wettkämpfe bei den Klarien. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger übernahm Polemaios die Kosten für die Statue jedoch nicht selbst.53 Nichtsdestotrotz beaufsichtigte der einflussreiche Bürger die Errichtung des Monuments, das vermutlich als eine bewusste Anlehnung an das bereits im Heiligtum aufgestellte Ehrendenkmal des Menippos von einem Ensemble aus Standbild, Säule mit Ehreninschrift und Basis mit Ehrendekret gebildet wurde.54 So versuchte Polemaios durch das Statuenensemble möglicherweise mit seinem Vorgänger und mutmaßlichen Konkurrenten Menippos gleichzuziehen.55 Die allmähliche Verschiebung im Verhältnis von Stadt und Individuum scheint zur Zeit des Polemaios fortgeschritten gewesen zu sein.56. Bis zum Beschluss für 52

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Zu den Ehrungen des Polemaios s. Robert/Robert 1989, 56–62. Wörrle 1995, 247. Haake 2007, 223. Einen verhältnismäßigen Rahmen scheinen die Ehrungen – wie schon bei Menippos – nicht verlassen zu haben. Ferrary 1997, 203. S. auch o. S. 275. Zur Übernahme der Kosten durch die Polis s. auch Fröhlich 2005, 253. Zur Gestaltung des Monuments s. mit weiteren Vergleichsbeispielen Robert/Robert 1989, 59 f. Vgl. auch Lehmann 1998, 43. Haake 2007, 223. Ma 2013, 43. Biard 2017, 204–206. Gerade die Gleichförmigkeit in der Gestaltung der beiden Monumente mag an eine Konkurrenz zwischen den einflussreichen Bürgern denken lassen. Polemaios wollte seinem Vorgänger und Konkurrenten Menippos vermutlich sowohl im Engagement als auch in den Ehrungen gleichkommen oder dessen Leistungen nach Möglichkeit noch übertreffen. Robert/Robert 1989, 103 f. Das zeitliche Verhältnis der beiden Beschlüsse lässt sich bei der unsicheren Datierung der Inschriften jedoch nicht bestimmen. So mag das Ehrendekret für Polemaios erst Jahrzehnte nach dem Beschluss für Menippos verabschiedet worden sein. In jedem Fall scheinen die beiden Personen unterschiedlichen Generationen angehört zu haben. Eine direkte Reaktion auf die Statue des Polemaios war die abweichende Ausführung des Monuments demnach vermutlich nicht. So jedoch Lehmann 1998, 43. Eine spätere Publikation, die in weiten Teilen den identischen Wortlaut des ersten Aufsatzes aufgreift, nimmt ebenfalls Abstand von der Vermutung und verbannt sie in eine Fußnote. Lehmann 2000, 238 Anm. 34. Eine späte Datierung des Ehrendekrets für Polemaios in die Jahre der Mithradatischen Kriege ergibt sich aus den inhaltlichen Beobachtungen jedoch noch nicht. Für eine Spätdatierung s. Canali de Rossi 1991, 647. S. auch Canali de Rossi 2001, 158. Vorsichtig Ferrary 1991, 558.

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Polemaios war der private Bereich, dessen zunehmende Bedeutung sich im Ehrendekret für Menippos lediglich angedeutet hatte, bereits zu einem festen Bestandteil der Erzählung geworden. In den beiden Ehrendekreten scheinen sich demnach unterschiedliche Stufen in der allmählichen Veränderung der politischen und gesellschaftlichen Strukturen der Polis Kolophon unter dem Einfluss der römischen Herrschaft gespiegelt zu haben. Zum Teil mögen die unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen in den Erzählungen der beiden Beschlüsse auch dem persönlichen Geschmack oder den individuellen Lebensentwürfen der jeweiligen Personen geschuldet sein. Dennoch scheinen dem Ehrendekret für Polemaios im Kern andere Vorstellungen zu Grunde zu liegen als dem Beschluss für Menippos – auch wenn die Leistungen für die Stadt wie Gesandtschaftsreisen oder die Veranstaltung von Festspielen, von denen die Polis auch weiterhin großen Nutzen ziehen konnte, immer noch einen wichtigen Platz einnahmen.57 Im Vergleich zum Ehrendekret für Menippos rückten die persönlichen Interessen des Polemaios jedoch zunehmend in den Mittelpunkt der Erzählung und drängten die Interessen der Polis zugleich in den Hintergrund.58 Auch demokratische Idealvorstellungen fanden dementsprechend im Motivbericht kaum Platz. Stattdessen trat in der Darstellung vermehrt die Abhängigkeit der Stadt von einzelnen Bürgern zu Tage. Auch für die Aufstellung des Ehrendekrets, das sich selbst in der hortativen Funktion weitgehend auf den Ansporn zu weiterem Engagement beschränkte, mag der Aspekt der persönlichen Anerkennung zunehmend an Bedeutung gewonnen haben. Daneben wird das Monument, das durch die Aufstellung im Heiligtum von Klaros erneut eine breite Öffentlichkeit erreichen sollte, als Beispiel zur Nachahmung zu einem Teil weiterhin den ideologischen Intentionen der Polis gedient haben – auch wenn die entsprechenden Aspekte vor dem individuellen Ruhm des Polemaios allmählich zurücktraten. Über den ausführlichen Bericht von den Erfolgen des berühmten Bürgers trug der Beschluss wie das Ehrendekret für Menippos zugleich zum Ruhm der Polis Kolophon bei und erinnerte an wichtige Ereignisse und politische Entscheidungen. Ebenso sollte die ausführliche Lebensdarstellung – auch wenn in der Erzählung zunehmend einzelne Probleme mit den neuen Machthabern zu Tage tra57

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Auch die Ehreninschrift auf der Basis der Ehrenstatue betonte – gleichsam die zusammenfassende Kernaussage des Beschlusses – weiterhin den Nutzen für die Polis. V 38–43: ὁ δῆμος τεφανοῖ Πολεμαῖον Παντα|γνώτου χρυσῶι στεφάνωι καὶ εἰκόνι χρυσῆι | ἄνδρα ἀγαθὸν ὄντα καὶ φιλάγαθον καὶ περὶ | τὴν πολιτήαν ἐκτενῆ καὶ μηθένα καιρὸν | παραλιπόντα τῶν εἰς τὸ συμφέρον τῆς πό|λεως ἀνηκόντων. Mit Einschränkungen spiegeln die Veränderungen in Politik und Gesellschaft der Polis Kolophon den allgemeinen Wandel der griechischen Welt im Zuge der Ausbreitung der römischen Vorherrschaft nach dem Ende der attalidischen Herrschaft im Jahr 133 v. Chr. S. ausführlich u. S. 398–402. Die Einsichten in die politischen Verhältnisse von Kolophon, die aus dem Ehrendekret für Menippos zu gewinnen sind, lassen sich nicht auf den Beschluss für Polemaios übertragen. So jedoch Lehmann 1998, 28–32. 43.

Die späthellenistischen Ehrendekrete von der Nordhalle der Agora

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ten – insgesamt ein gutes und einvernehmliches Verhältnis der Polis zu Rom zeigen und daneben auch weiterhin aktuelle Idealvorstellungen der Stadt von einem vorbildlichen Bürger vermitteln. Das öffentliche Auftreten der jeweiligen Personen begann sich zum Ende des Hellenismus jedoch – wie die Erwartungshaltung der Stadt – allmählich zu verändern und scheint sich zunehmend von demokratischen Idealen entfernt zu haben. Mit der Zeit mögen reiche Honoratioren weitgehend das politische Feld der Polis Kolophon okkupiert haben.

8.2 Die späthellenistischen Ehrendekrete von der Nordhalle der Agora in Priene Die Polis Priene ließ bereits im frühen Hellenismus zahlreiche Beschlüsse für eigene Bürger aufstellen.59 Im Anschluss verzichteten Rat und Volk jedoch mit Ausnahme von zwei Ehrendekreten aus Anlass einer Getreidekrise in den Jahren um 200 v. Chr. über einen Zeitraum von etwa 100 Jahren weitgehend auf dauerhafte Monumente dieser Art und begannen erst im späten 2. Jhdt. v. Chr. in großem Umfang mit der erneuten Produktion von entsprechenden Inschriften.60 Wie in anderen Städten zeichnen sich demnach auch in Priene im Zusammenhang mit der Geschichte der Polis mehrere Schwerpunkte in der chronologischen Verteilung der Ehrendekrete ab. Von einem Zufall der Überlieferung ist bei der guten Befundlage nicht auszugehen – selbst wenn mit dem Neubau der Nordhalle der Agora ein Teil der älteren Beschlüsse verloren gegangen sein mag.61 Mit der Zeit änderte sich auch der bevorzugte Ort für die Aufstellung der Inschriften, deren Publikation sich im frühen Hellenismus noch nahezu ausschließlich auf das Athenaheiligtum der Stadt beschränkt hatte.62 So erfolgte die Anbringung nach den Jahren um 130 v. Chr. mit wenigen Ausnahmen vornehmlich an den Seitenwänden der neuerrichteten Nordhalle der Agora.63 Vereinzelt entstanden daneben auch freistehende Monumente wie die um 100 v. Chr.

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S. ausführlich o. S. 97–115. Zu den Ehrendekreten aus Anlass der Getreidekrise der Jahre um 200 v. Chr. s. I. Priene 81 = I. Priene2 34. I. Priene 82 = I. Priene2 46. Vgl. auch Grandinetti 2007, 14. Zum möglichen Verlust von Inschriften s. Kah 2015, 388 f. Zum Athenaheiligtum als Ort für die Aufstellung von Inschriften s. Bielfeldt 2012, 101. Kah 2015, 288. Zur Anbringung sowie zur Datierung und zur relativen Chronologie der Ehrendekrete an den Wänden in der Nordhalle der Agora s. Hiller von Gaertringen 1906, 82 f. Blümel/ Merkelbach 2 2014, 127. 207. Die Aufzeichnung von Ehrendekreten begann vermutlich an der Westwand. Erst aus Platzmangel scheint die Polis auch auf die anderen Wände ausgewichen zu sein. Vgl. Fröhlich 2005, 225 f. Grandinetti 2007, 15. Bielfeldt 2012, 101. Kah 2015, 388. Zur Agora in Priene s. Von Kienlin 2004. Zur Bedeutung der Agora als

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Kolophon, Priene, Sestos

errichtete Exedra für Thrasyboulos und dessen Familie.64 Wie die Beschlüsse aus Kolophon umspannten auch die ausführlichen Ehrendekrete aus Priene zum Teil das gesamte Lebenswerk der ausgezeichneten Personen. Zwischen der Verabschiedung der einzelnen Beschlüsse lagen jedoch oftmals mehrere Jahrzehnte.65 Pro Generation scheinen demnach erneut nur sehr wenige Personen das Privileg der dauerhaften Aufzeichnung eines eigenen Ehrendekrets erhalten zu haben. Eine alltägliche Praxis kann die Anbringung von entsprechenden Beschlüssen selbst im späthellenistischen Priene gerade im Hinblick auf die insgesamt große Zahl an erhaltenen Inschriften demnach nicht gewesen sein. So verzichtete die Stadt etwa bei der Ehrung des Apollodoros trotz der Aufstellung von drei Statuen auf der Agora und im Theater vermutlich auf die dauerhafte Publikation der jeweiligen Beschlüsse.66

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zentralem Ort der Polis Priene sowie zur Neugestaltung der Platzanlage im ausgehenden 2. Jhdt. v. Chr. s. auch Raeck/Von Kienlin 2003, 343–349. Raeck 2009, 311 f. Bielfeldt 2012, 98–108. Ma 2013, 142–148. Biard 2017, 163. I. Priene 99–103 = I. Priene2 56–60. Zur Exedra von Thrasyboulos und dessen Familie sowie zur Datierung der Beschlüsse um 100 v. Chr. s. Wiegand/Schrader 1904, 208 f. Hiller von Gaertringen 1906, 77–79. Fröhlich 2005, 228 Anm. 8. 231. Entgegen der Interpretation von Raeck (1995, 235) ist die Exedra, die zu den letzten Denkmälern auf der Agora gehörte, demnach nicht in die Zeit vor den Neubau der Nordhalle um 130 v. Chr. zu datieren. Die Zeitstellung des Monuments verbietet auch die von Wiegand/Schrader (1904, 216) und Raeck (1995, 235) versuchte Identifizierung der in den Inschriften genannten βόρεος στοά – vielleicht schlicht eine andere Bezeichnung für ἱερὰ στοά – mit dem Vorgängerbau der bereits um 130 v. Chr. neuerrichteten Nordhalle der Agora. Blümel/ Merkelbach 2 2014, 120. Vgl. bereits Hiller von Gaertringen 1906, 79. Ein weiteres Ehrendekret für einen Enkel des Thrasyboulos aus den Jahren 100–80 v. Chr. stammt – entgegen der Lokalisierung von Raeck (1995, 235) – aus der Südhalle des Athenabezirks und nicht von der Nordhalle der Agora. I. Priene 104 = I. Priene2 42. Hiller von ­Gaertringen 1906, 79. Wilhelm 1907b, 17. Zur Datierung s. Fröhlich 2005, 228 Anm. 8. Der Name βόρεος στοά mag demnach vielleicht auch mit der Südhalle des Athenabezirks in Verbindung zu bringen sein. Der Beschluss ist – entgegen der Interpretation von Raeck (1995, 235) – zudem keine Kopie des Ehrendekrets für Thrasyboulos, sondern ein Beschluss über den Leichenzug seines gleichnamigen Enkels. Die Wände in der Nordhalle der Agora sind ein gewachsenes Ensemble. Das heutige Erscheinungsbild der Dokumentenwände ist das Ergebnis eines über mehrere Jahrzehnte andauernden Prozesses der Anbringung von Inschriften. Vermutlich verfolgte lediglich die Aufzeichnung der ersten Beschlüsse eine einheitliche Konzeption. S. auch u. S. 287 f. I. Priene 186 = I. Priene2 201. I. Priene 236 = I. Priene2 229. I. Priene 237 = I. Priene2 230. Die entsprechenden Ehrendekrete könnten selbstverständlich auch verlorengegangen sein. Vermutlich verzichtete die Polis jedoch schlicht auf die Aufstellung der Beschlüsse für Apollodoros. Vielleicht erachtete der verdiente Bürger die Aufstellung der Statuen als ausreichende Ehrung und legte selbst keinen Wert auf die dauerhafte Aufzeichnung der Ehrendekrete. Die Statue im Theater mag auch für einen gleichnamigen Enkel des Apollodoros gesetzt sein. Vgl. Hiller von Gaertringen 1906, 149. Zur Präsenz des Apollodoros im Stadtbild von Priene s. Raeck 1995, 231–234. Vgl. Ma 2013, 30. 91–93. 142 f. 146.

Die späthellenistischen Ehrendekrete von der Nordhalle der Agora

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8.2.1 Drei Ehrendekrete als Ensemble – Athenopolis, Moschion, Herodes Rat und Volk von Priene begannen die Anbringung von Ehrendekreten für eigene Bürger in der Nordhalle der Agora in den Jahren um 130 v. Chr. mit dem Beschluss für Athenopolis.67 Der Motivbericht, dem eine zusammenfassende Überschrift mit Datierung vorangestellt war (1–7), verzichtete auf einen konkreten Tatenkatalog und erschöpfte sich stattdessen in allgemeinen Aussagen über Tugend und Leistungsfähigkeit des Athenopolis (8–22).68 Insgesamt zeichnete der Antrag des Lykinos jedoch ein detailliertes Bild von den bürgerlichen Wertvorstellungen der hellenistischen Polis Priene und verfolgte mit der langen und strukturierten Aneinanderreihung von allgemeinen Aussagen auch ein literarisches Konzept. Die Erzählung war dabei in die drei Bereiche Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft unterteilt: Beginnend mit den Vorfahren und der herausragenden Familientradition sowie früheren Verdiensten und Ehrungen führte der Beschluss über die aktuelle Situation zur grund-

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214. 219. 229. Biard 2017, 168 f. Zur Identifikation des Apollodoros s. Wiegand/Schrader 1904, 210. Hiller von Gaertringen 1906, 136. 148 f. Zur Statuenaufstellung in Priene s. allgemein Grandinetti 2007, 19. Ma 2013, 98–101. I. Priene 107 = I. Priene2 63. Der vergleichsweise knappe Beschluss war in einer Kolumne über vier Steinlagen im linken Bereich der Westwand angebracht. Die Resolution ist nahezu komplett verloren. Lediglich der zweite Abschnitt lässt sich mit Hilfe der Zeilenenden im Ansatz rekonstruieren. Die restlichen Bestandteile des Beschlusses sind annähernd vollständig erhalten. Als Sohn des Kydimos war Athenopolis vermutlich der Bruder des Moschion. Zu Moschion s. u. S. 287–292. Zur Familiensituation s. Fröhlich 2005, 230 f. Blümel/Merkelbach 2 2014, 130. Für einen hypothetischen Stammbaum der Familie s. Hiller von Gaertringen 1906, 154. Durch seine inhaltliche Gestaltung sticht das Ehrendekret für Athenopolis nicht nur unter den Beschlüssen der Polis Priene heraus. Auch im Rest der hellenistischen Poliswelt gibt es kaum Ehrendekrete vergleichbaren Inhalts. S. auch u. S. 419 f. Einzelne Leistungen des Athenopolis lassen sich lediglich aus anderen Inschriften rekonstruieren. So scheint sich der herausragenden Bürger im Kult des Dionysos engagiert zu haben. I. Priene 174 = I. Priene2 144. I. Priene 177 = I. Priene2 183. Eine andere Inschrift bezeugt die Wahl zum Gesandten der Polis. I. Priene 138 = I. Priene2 40. S. auch Kah 2014, 160 Anm. 80. Vgl. Blümel/Merkelbach 2 2014, 130. Das Ehrendekret für den Bruder Moschion berichtet von Gesandtschaftsreisen und Getreidespenden μετὰ τοῦ ἀδελφοῦ. Eine namentliche Nennung des Athenopolis erfolgt jedoch nicht. I. Priene 108 = I. Priene2 64. Zur problematischen Ergänzung der Inschrift s. auch u. S. 289 Anm. 82. Eine Überschrift – möglicherweise auch der Rest eines Archivvermerks – scheint bei allen Dokumenten der Nordhalle die Einleitung zum eigentlichen Beschluss gebildet zu haben und mag bei der dauerhaften Aufzeichnung von Urkunden im späthellenistischen Priene ein übliches Phänomen gewesen sein. Zur Funktion der knappen Zusammenfassung s. Wilhelm 1909, 281. Kah 2015, 389 Anm. 20. Vgl. auch Blümel/Merkelbach 2 2014, 130. Die Buchstaben von Datierung und Überschrift waren beinahe doppelt so groß wie im restlichen Beschluss und sollten damit vermutlich auch optisch herausgehoben werden. Im Gegensatz zu den späteren Beschlüssen war die Überschrift zum Ehrendekret für Athenopolis noch knapp und wenig ausgeprägt.

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sätzlichen Einstellung des Athenopolis. Der ausgezeichnete Bürger hatte sich wie schon seine Vorfahren das ganze Leben seit der Jugend ohne Ruhe für die Heimatstadt eingesetzt und wollte sich der erhaltenen Anerkennung auch in Zukunft als würdig erweisen. Athenopolis beabsichtigte das Bemühen um die Stadt beizubehalten und das eigene Engagement nach Möglichkeit sogar noch zu steigern.69 Die inhaltliche Grundaussage versuchte der Beschluss mit rhetorischem Geschick auch durch den bewussten Einsatz von Sprache und Stilmitteln zu vermitteln.70 Immer wieder unterstrichen einzelne Formulierungen das Streben des Athenopolis nach Steigerung und Erhöhung der eigenen Leistungen sowie die grundsätzliche Entscheidung für einen fortwährenden Einsatz im Dienst der Stadt. Zugleich verlieh die sprachliche Gestaltung dem Beschluss eine ansprechende Form. Da die Erzählung den herausragenden Bürger insgesamt zum Sinnbild für einen ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός stilisierte, verstand sich die angemessene Anerkennung in Form von Ehrungen durch die Stadt beinahe schon von selbst.71 Doch selbst die Auszeichnungen durch die Polis sollten einen vorbildlichen Bürger nach den Vorstellungen des Antragstellers Lykinos nur zu weiterem Engagement antreiben. Der Beschluss für Athenopolis umriss damit in allgemeinen Worten die Kernaussagen eines ausführlichen Lebenswerkdekrets, das die abstrakten Grundgedanken lediglich an einzelnen Beispielen aus dem Leben der jeweiligen Person konkretisierte. Die Beschlüsse verfolgten dabei stets die gleiche Grundintention und sollten die Idealvorstellung von einem guten und vorbildlichen Bürger verbreiten. Der völlige Verzicht auf konkrete Bezüge zum Leben der ausgezeichneten Person blieb dennoch eine Ausnahme und machte das Ehrendekret für Athenopolis gleichsam zur theoretischen Abhandlung der Polis Priene über ideale Bürgertugenden. Gerade die ungewöhnliche Form des Motivberichts mag den Beschluss jedoch auch von anderen Ehrendekreten abgehoben haben und damit zugleich eine zusätzliche Ehre für den verdienten Bürger gewesen sein. Zudem konnte Athenopolis mit Sicherheit davon ausgehen, dass seine konkreten Verdienste unter den Zeitgenossen allgemein bekannt waren. Da die Erzählung jedoch keine direkten Informationen über das Leben oder die Persönlichkeit des herausragenden Mannes enthielt und gerade späteren Generationen die konkreten Leistungen nicht mehr im Detail bekannt gewesen sein werden, blieb der Motivbericht auf lange Sicht dennoch vornehmlich eine theoretische Abhandlung der Polis Priene über Tugendkonzepte und Wertvorstellungen. Ausschließlich der individuellen Ehre wird der Beschluss demnach in jedem Fall nicht

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Zur Erwähnung der früheren Ehrungen s. allgemein Quaß 1993, 37. Zur Konzeption sowie zur literarischen Gestaltung des Beschlusses s. ausführlich u. S. 432– 434. Der Abschnitt über die verliehenen Ehrungen ist in weiten Teilen verloren und erlaubt keine sicheren Aussagen über Art und Umfang der Privilegien. Um eine «Ehrung ohne materiellen Gehalt» wird es sich nicht gehandelt haben. So jedoch Kah 2015, 392.

Die späthellenistischen Ehrendekrete von der Nordhalle der Agora

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gedient haben. Das Ehrendekret war zudem die erste Inschrift in der neuen Nordhalle. Mit dem Beschluss wollte die Polis Priene demnach zunächst möglicherweise eine Grundsatzerklärung über bürgerliche Tugend veröffentlichen und die eigenen Werte und Ideale festlegen. Die nachfolgenden Beschlüsse mit den ausführlichen Erzählungen konnten auf die Wertvorstellungen aus dem Ehrendekret für Athenopolis Bezug nehmen und die theoretischen Überlegungen durch konkrete Beispiele illustrieren.72 Eine Entsprechung mag die inhaltliche Konzeption der Westwand auch in der etwa zeitgleichen Umgestaltung des Marktplatzes und der Errichtung des Spaliers aus Ehrendenkmälern gegenüber der Nordhalle gefunden haben.73 Athenopolis diente in diesem Zusammenhang – wenn nicht gewollt, so doch faktisch – als eine Art Archetypus des ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός und wurde auch in räumlicher Hinsicht zum Vorbild für alle nachfolgenden Bürger stilisiert. Wenige Jahre nach dem Beschluss für Athenopolis ließen Rat und Volk von Priene an der Westwand der Nordhalle auch ein Ehrendekret für dessen Bruder Moschion anbringen.74 Mit der langen und ausführlichen Karrierebeschreibung über insgesamt sieben Kolumnen bildete die Inschrift, die vermutlich in den Jahren nach 129 v. Chr. beschlossen wurde und das zweite Ehrendekret in der neuen Stoa war, gleichsam das Gegenstück zum Beschluss für Athenopolis.75 Gemeinsam zeigten die Beschlüsse in Theorie und Praxis die bürgerlichen Wertvorstellungen der Polis, die im Ehrendekret für Athenopolis noch ausschließlich auf der theoretischen Ebene geblieben waren und sich erst mit dem Beschluss für Moschion an einem konkreten Lebenslauf manifestierten. In der ausführlichen Beschreibung der einzelnen Tätigkeiten entwarf die Erzählung, die wie die Verwirklichung der allgemeinen Idealvorstellungen von einem vorbildlichen Leben im Dienst der Polis wirkte, ein detailliertes Bild vom Leben und Wirken eines ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός und verbreitete damit über die Darstellung zugleich das Bürgerideal der Polis respektive der politischen Eliten. Der lange Motivbericht zeigte dabei auch eine durchdachte Gesamtkomposition sowie 72

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Eine gegenseitige Bezugnahme der Ehrendekrete setzte eine bewusste Planung und Konzeption der Polis bei der Gestaltung der Wände in der neuen Nordhalle der Agora voraus. Vielleicht hatte aus diesem Grund auch der ἀρχιτέκτων der Polis den Ort für die Anbringung des Ehrendekrets für Athenopolis zu bestimmen (43–47). Zur Bedeutung des ἀρχιτέκτων s. auch Fröhlich 2005, 251 f. Bielfeldt 2012, 108. Zur Neugestaltung der Platzanlage im ausgehenden 2. Jhdt. v. Chr. s. Raeck/Von Kienlin 2003, 347. Vgl. Raeck 2009, 311 f. Bielfeldt 2012, 102–104. Zur Agora in Priene s. auch allgemein Von Kienlin 2004. I. Priene 108 = I. Priene2 64. Auch Moschion war wie Athenopolis ein Sohn des ­Kydimos. Zur Familiensituation s. Fröhlich 2005, 230 f. Blümel/Merkelbach 2 2014, 130. Für einen hypothetischen Stammbaum der Familie s. Hiller von Gaertringen 1906, 154. Mit 383 Zeilen gehört das Ehrendekret zu den längsten Beschlüssen für eigene Bürger in der griechischen Welt. Die Inschrift ist zu großen Teilen erhalten und nur an wenigen Stellen durch den Verlust von einzelnen Wandquadern unterbrochen. Gesamtkonzeption und Gestaltung lassen sich in jedem Fall deutlich erkennen.

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eine kunstvolle Ausgestaltung in Sprache und Stil.76 Die Ehrendekrete für die beiden Söhne des Kydimos, deren gegenseitige Bezugnahme spätestens bei der Anbringung des Ehrendekrets für Moschion intendiert gewesen sein wird, scheinen als bewusste Einheit komponiert gewesen zu sein.77 Insbesondere die allgemeine Einleitung zum ausführlichen Tatenkatalog des Moschion griff zahlreiche Formulierungen und Konzepte aus dem Beschluss für Athenopolis auf. Inhaltliche Bezüge ergaben sich durch die zahlreichen Verweise auf gemeinsame Leistungen der beiden Brüder aber auch in anderen Teilen der Erzählung. Wie das Ehrendekret für Athenopolis trug auch der Beschluss für Moschion eine Überschrift mit Datierung und Zusammenfassung der Ehrungen (1–12), zu deren optischer Hervorhebung doppelt so große Buchstaben wie im restlichen Beschluss dienten. Der eigentliche Motivbericht begann mit der allgemeinen Würdigung der Tugend und des vorbildlichen Charakters (14–25).78 Moschion zeigte seine guten Eigenschaften bereits in jungen Jahren und konnte zudem auf eine große Familien­ tradition zurückblicken. Im Anschluss spannte die Erzählung einen Bogen vom ersten Auftreten als Festgesandter über die lange Karriere und die abschließenden Ehrungen als Höhepunkt der Laufbahn bis zur Aussicht auf ein öffentliches Begräbnis und eine ehrende Erinnerung über den Tod hinaus.79 Mit dem Ausblick auf die postumen Ehrungen bot der Beschluss – ähnlich einer literarischen Biographie – eine umfassende Gesamtdarstellung vom Leben eines verdienten Bürgers. Der didaktische Anspruch des beispielhaften Lebenslaufs entsprach dabei antiken Konzeptionen von Lebensdarstellungen und passte ebenso zur hortativen Intention der Ehrendekrete: Ein vorbildliches und tugendhaftes Leben im Dienst der Gemeinschaft erfuhr die entsprechenden Anerkennungen und bot die Aussicht auf Erinnerung und ein ruhmreiches Nachleben über den Tod hinaus. Den Hauptteil der Erzählung bildete die ausführliche Darstellung der politischen Tätigkeit. Die Anordnung des Stoffes erfolgte dabei – ähnlich der Darstellungsweise in literarischen Lebensbeschreibungen – nach thematischen Kategorien und orien-

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In der literarischen Qualität stand das Ehrendekret auf einer Ebene mit hellenistischen Prosaschriften – insbesondere aus den Bereichen Rhetorik, Biographie und Historiographie. Der Motivbericht des Beschlusses wird in weiten Teilen wörtlich dem in der Volksversammlung vorgebrachten Antrag des Zotion entsprochen haben. In der aufgezeichneten Form war der Beschluss ein Beispiel für späthellenistische Rhetorik. Zu den literarischen Qualitäten des Beschlusses s. ausführlich u. S. 449–453. Auch die Leerstelle zwischen den beiden Inschriften an der Wand war vermutlich ein bewusstes Element der Gestaltung. Die Länge der einzelnen Kolumnen im Ehrendekret für Moschion orientierte sich ebenfalls am Beschluss für Athenopolis. Insgesamt müssen die Inschriften einen einheitlichen Eindruck erweckt haben. Zur allgemeinen Würdigung des Moschion in der Einleitung s. Gauthier 1985, 58 f. Gehrke 2003, 229. S. auch u. S. 450 f.

Die späthellenistischen Ehrendekrete von der Nordhalle der Agora

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tierte sich zudem an der aufsteigenden Bedeutung der Leistungen.80 Innerhalb der einzelnen Abschnitte stellte die Erzählung die Ereignisse, die nach den eponymen Stephanephoren in der Regel auf das Jahr genau datiert wurden, in eine chronologische Reihenfolge. Zu Beginn berichtete der Beschluss von finanziellen und materiellen Leistungen des Moschion wie der Bereitstellung von Geldern und Krediten, der verbilligten oder sogar kostenlosen Verteilung von Getreide und der Finanzierung von Gebäuden (25–115).81 Viele Leistungen erbrachte der engagierte Bürger zusammen mit seinem Bruder Athenopolis, dessen Namen die Erzählung jedoch stets verschwieg.82 Der zweite Abschnitt der Erzählung widmete sich den außenpolitischen Erfolgen wie den zahlreichen Festgesandtschaften zu anderen griechischen Städten oder zu hellenistischen Herrschern (115–174).83 Die meisten Reisen finanzierte Moschion aus eigenen Geldern.84 Eine dritte Kategorie von Leistungen bildeten städtische Funktionen (206–289). Zu den Tätigkeiten, die in der Regel durch Wahl vergeben wurden, zählte neben üblichen Aufgaben wie dem Kommando über die Stadtfestung und dem zweimaligen Engagement als Rechnungsprüfer (ἀντιγραφεύς) auch die Teilnahme an den Siegesfeiern des M. Perperna in Pergamon nach der Niederschlagung des Aristonikosaufstands, zu denen Moschion zusammen mit anderen Bürgern als offizielle Vertretung der Polis Priene reiste.85 Den Höhepunkt der städ80

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Zur Unterteilung der Leistungen nach thematischen Kategorien s. auch Gauthier 1985, 73. Eine chronologische Gesamtordnung ist nicht anzunehmen. So jedoch Kah 2014, 160 Anm. 84. S. auch u. S. 452 f. Zu den Leistungen des Moschion s. Gauthier 1985, 73. Quaß 1993, 91. 111. 198. 244. Fröhlich 2005, 238. Grandinetti 2007, 15–17. Boulay 2014, 110. 224. 353. 360 f. Kah 2014, 160. Migeotte 2014, 282. Beck 2015, 328. Zur Finanzierung eines ursprünglich als königliche Stiftung geplanten Gymnasions s. Ziebarth 21914, 47. Gauthier 1985, 55 f. Quaß 1993, 199 f. Ferrary 1997, 201. Fröhlich 2005, 234 f. Thériault 2007 Abs. 33. Boulay 2014, 41. 360. Kah 2014, 159 f. Migeotte 2014, 297. Vgl. Dreyer 2004, 234. Raeck 2009, 312. S. auch o. S. 210 Anm. 100. Der Name ist in der Inschrift nicht erhalten und wird von Hiller von Gaertringen lediglich für eine Stelle ergänzt. 66–67: μετὰ τοῦ ἀδ[ελ]φοῦ [Ἀθηνοπόλι]|[δος]. Blümel/Merkelbach (2 2014) übernehmen die Ergänzung. Eine namentliche Nennung des Athenopolis ist im Hinblick auf die in der restlichen Erzählung gebräuchlichen Formulierungen jedoch unwahrscheinlich. An den anderen Stellen spricht die Erzählung stets allgemein vom Bruder des Moschion (26, 34, 45, 53, 58, 77–78, 85, 97–98, 107). Ein Beleg für die Datierung der finanziellen Leistungen an den Beginn der Karriere ist die Erwähnung des Bruders nicht. So jedoch Kah 2014, 160. Zur außenpolitischen Tätigkeit s. Gauthier 1985, 73. Fröhlich 2005, 232 f. 249–251. Grandinetti 2007, 15. Zur Finanzierung der Gesandtschaftsreisen s. Quaß 1993, 111. Fröhlich 2005, 249–251. Boulay 2014, 360. Zum Kommando über die Stadtfestung s. Quaß 1993, 88 Anm. 32. Fröhlich 2005, 236. Boulay 2014, 55. Zur Tätigkeit als ἀντιγραφεύς s. Gauthier 1985, 73. Wörrle 1995, 243. Fröhlich 2005, 235 f. Zur seltenen Iteration von Polisfunktionen s. Fröhlich 2005, 230. Zur Teilnahme an den Siegesfeiern des M. Perperna s. Quaß 1993, 139. Daubner 2 2006,

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tischen Laufbahn bedeutete die Übernahme der eponymen Stephanephorie (253– 289). Eine ausführliche Beschreibung widmete der Beschluss dabei insbesondere den zahlreichen Festveranstaltungen im Rahmen dieser einjährigen Tätigkeit:86 So organisierte Moschion neben den offiziellen Feierlichkeiten etwa auch private Verteilungen von Wein und Getreide. Allmählich begann sich das Engagement von einflussreichen Bürgern, die in der Folge zunehmend das öffentliche Leben der Stadt dominiert haben werden, demnach auch im späthellenistischen Priene auf den privaten Bereich auszudehnen.87 Als Stephanephoros handelte Moschion in der Regel jedoch zumindest noch im offiziellen Auftrag der Polis. Eine allgemeine Zusammenfassung der Leistungen am Ende des Motivberichts mag in Ringkomposition zum einleitenden Abschnitt der Erzählung gestanden haben (309–311).88 Die anschließende Hortativformel betonte die Beispielfunktion des Ehrendekrets – das Vorbild des Moschion sollte andere Bürger zu vergleichbarem Engagement animieren – und bildete zugleich die Überleitung zur Resolution (311– 314).89 Die Ehrungen waren in der Gesamtkomposition des Beschlusses Höhepunkt und Ziel des Lebens und bedeuteten den krönenden Abschluss der Karriere eines herausragenden Bürgers (314–383). In entsprechendem Umfang gestalteten sich demnach auch die verliehenen Privilegien. Moschion erhielt eine Belobigung, einen goldenen Kranz, je ein Standbild aus Gold und aus Marmor auf dem prominentesten Platz der Stadt, besondere Behandlung (ἐπιμέλεια) durch Rat und Volk, einen Ehrensitz bei allen Wettkämpfen der Stadt, das Recht auf Speisung im Prytaneion und im Panionion, einen Anteil an den Opfern und allen anderen φιλάνθρωπα des Rates sowie die Befreiung von allen persönlichen Steuern.90 Auf die Festlegung der Ehreninschrift für die Statuenbasen folgten Regelungen für die jährlich zu wieder-

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127 f. Die Namen der anderen Gesandten verschweigt die Erzählung jedoch. Neben Moschion nahm auch Herodes an der Gesandtschaftsreise teil. I. Priene 109 = I. Priene2 65, 91–94. S. auch u. S. 293. Zur Tätigkeit als Stephanephoros s. Gauthier 1985, 73. Quaß 1993, 293. Fröhlich 2005, 233. 239–242. 244. Hamon 2007, 95 f. Boulay 2014, 337. 360. Vgl. Gehrke 2003, 241. Daubner 2 2006, 65 Anm. 293. Kah 2012a, 57. Beck 2015, 311. 328. 339. 343. 354. Zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Ehrendekrets bekleidete Moschion immer noch die Stephanephorie. S. auch Blümel/Merkelbach 2 2014, 146. Die Tätigkeit mag demnach einen wichtigen Anlass für die Verabschiedung des Beschlusses gegeben haben. Zur Moschion als einem «für alles sorgenden Hausvater» s. Wörrle 1995, 245. Vgl. Fröhlich 2005, 240. Für sichere Aussagen ist die Inschrift jedoch zu schlecht erhalten. 311–314: ἵνα [κ]α.ὶ οἱ μετὰ ταῦτα θεω|ροῦντες ἐν ἀποδοχῆι τῆι μεγίστηι γινομένους το[ὺς τοιού]τους | ἄνδρας προθύμους ἑαυτοὺς παρασκευάζ[ω]σιν εἰς τὰ τῆ[ι πόλει] | συμφέροντα. Vgl. Gehrke 2003, 229. Wörrle 1995, 243. Zum goldenen Kranz für die herausragenden Leistungen (316: στεφάνωι χρυσέωι ἀριστείωι) s. Gauthier 1985, 59. Thériault 2007 Abs. 33. Zu den Statuen s. Bresson 2012, 213. Zu Speisung und Teilnahme an den Opfern s. Kah 2015, 391 f.

Die späthellenistischen Ehrendekrete von der Nordhalle der Agora

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holende Ausrufung des Kranzes und der Statuen durch den jeweiligen Festspielleiter beim traditionellen Opfer vor dem Wettkampf der Knaben.91 Moschion sollte jedoch nicht nur zu Lebzeiten Anerkennung durch die Stadt erhalten. So traf das Ehrendekret bereits Bestimmungen für das öffentliche Begräbnis des verdienten Bürgers.92 In der Gesamtkonzeption des Beschlusses spannte sich damit ein Bogen von der frühesten Kindheit bis zum Tod. Die Aussicht auf eine ehrende Erinnerung über den Tod hinaus war gleichsam Endpunkt und Ziel eines vorbildlichen Lebens im Dienst der Stadt. Entsprechend sollte der Anblick des Leichenzugs unter Führung des Paidonomos mit seinen Paides gefolgt vom Gymnasiarch mit Epheben und Neoi sowie den Strategen mit den Bürgern – gleichsam die sichtbare Manifestation der Anerkennung durch die gesamte Polis – auch andere Bürger zu vergleichbaren Leistungen motivieren. Den Ort für die Anbringung des Beschlusses auf der Agora hatte wie beim Ehrendekret für Athenopolis der ἀρχιτέκτων der Polis zu bestimmen (377–379) – ein weiteres Indiz für die planvolle Gestaltung der Nordhalle durch die Stadt.93 Die Inschrift sollte dabei jedoch nicht nur der Erinnerung an die Taten des Ausnahmebürgers dienen, sondern auch die eifrige Zuneigung ([ἐ]κτένεια) der Polis gegenüber dem Euergeten dokumentieren (379–383).94 Insbesondere durch die ausführliche Lebensdarstellung, die durch die Fokussierung auf die individuelle Karriere zudem gleichsam aristokratische Züge annahm, leistete das Ehrendekret einen wichtigen Beitrag zur ehrenden Erinnerung an Moschion sowie zu dessen persönlichem Ansehen. Auch an der Durchführung und Ausgestaltung des Beschlusses wird Moschion, der im Jahr der Ehrung zugleich die eponyme Stephanephorie bekleidete, wohl entscheidenden Anteil genommen haben. In der Gesamtkonzeption verfolgte der Beschluss daneben jedoch auch eine ideologische Aussageintention. In Verbindung mit dem Ehrendekret für Athenopolis entwarfen die Initiatoren der Ehrung – sicherlich auch mit didaktischem Anspruch und hortativen Absichten – am Beispiel der Karriere des Moschion den idealen Lebenslauf eines ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός. Der publizierte Beschluss erinnerte demnach nicht nur an die persönlichen Leistungen eines Bürgers, sondern dokumentierte zugleich die Idealvorstellungen der Polis von richtigem Verhalten und bürgerlichen Tugenden. Anderen Bürgern sollte der Tatenbericht dabei Vorbild und Ansporn zu eigenen Leistungen sein. Im politischen Leben wie bei den privaten Unternehmungen eines 91 92

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Vgl. Kah 2015, 391. Zum Begräbnis s. Ziebarth 21914, 152. Gauthier 1985, 61. Chiricat 2005, 222. Fröhlich 2005, 237. Grandinetti 2007, 19–21. Bielfeldt 2012, 107. Zur Agora als Ort der Begräbnisfeierlichkeiten s. Bielfeldt 2012, 104–106. Der vorangegangene Abschnitt ist verloren. Die entsprechende Passage mag die postume Bekränzung des Moschion durch die Polis sowie durch Privatleute geregelt haben. Vgl. Hiller von Gaertringen 1906, 91. Zur Bedeutung des ἀρχιτέκτων für die Anordnung und Koordinierung der Ehrenmonumente s. Fröhlich 2005, 251 f. Bielfeldt 2012, 108. Blümel/Merkelbach 2 2014, 153. Zur Erinnerungsfunktion des Beschlusses s. allgemein Quaß 1993, 33.

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jeden Bürgers waren Polis und Demos, die die eigene Hoheit etwa auch durch die formelle Vergabe von öffentlichen Funktionen durch Wahl zu wahren versuchten, nach eigenem Anspruch weiterhin die zentralen Bezugspunkte.95 Als schwaches Gemeinwesen, das von den individuellen Entscheidungen überragender Einzelpersonen abhängig war, scheint sich die Polis demnach nicht gesehen zu haben. Zumindest das Ehrendekret für Moschion präsentierte stattdessen eine starke und selbstbewusste Stadt mit eindeutigen Vorstellungen und Erwartungshaltungen. Wie schon bei den Beschlüssen aus Kolophon offenbarte sich in der Erzählung daneben jedoch erneut auch die wachsende Diskrepanz zwischen den Idealvorstellungen der Polis und den realen Machtverhältnissen. Einzelne Persönlichkeiten wie Moschion und Athenopolis scheinen auch in Priene zunehmenden Einfluss auf die Politik genommen zu haben. Zugleich gewannen private Leistungen im öffentlichen Bereich allmählich an Bedeutung. In den letzten Jahrzehnten des 2. Jhdts. v. Chr. standen die entsprechenden Entwicklungen vermutlich jedoch erst am Beginn. Das Ehrendekret für Herodes scheint wenige Jahre nach dem Beschluss für Moschion in den Jahren um 120 v. Chr. an der Westwand der Nordhalle angebracht worden zu sein.96 Die Inschrift erstreckte sich vermutlich über sechs Kolumnen – die letzte Kolumne ist nicht erhalten – und füllte den Platz bis zum nördlichen Ende der Westwand. Das äußere Erscheinungsbild orientierte sich dabei an den beiden vorangegangenen Inschriften. Insgesamt müssen die drei Ehrendekrete, die stets die gleiche Kolumnenlänge hatten und sich zudem auf derselben Höhe befanden, demnach einen sehr einheitlichen Eindruck erweckt haben. Wie die Ehrendekrete für Athenopolis und Moschion war auch der Beschluss für Herodes mit einer Datierung und einer Zusammenfassung der Ehrungen in größeren Buchstaben überschrieben (1–11). Der Hauptteil der Erzählung wird wie im Beschluss für Moschion nach Kategorien geordnet gewesen sein, während sich die Binnengliederung der einzelnen Abschnitte mit der Nennung der eponymen Stephanephoren nach der chronologischen Abfolge der präsentierten Ereignisse gerichtet zu haben scheint.97 Den Auftakt der Erzählung bildete vermutlich das erste Auftreten des Herodes auf Polis­ebene bei der Aus-

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Im Zentrum des Ehrendekrets für Moschion stand die Großzügigkeit gegenüber Mitbürgern und Stadtbewohnern. Gauthier 1985, 73. Vgl. auch Wörrle 1995, 246. Allgemein Gehrke 2003, 229. 249. Scholz 2008, 97. Zur Wahl des Moschion durch die Volksversammlung s. auch Fröhlich 2005, 233. I. Priene 109 = I. Priene2 65. Das Ehrendekret für Herodes zeichnete sich wie der Beschluss für Moschion durch einen ausführlichen Motivbericht aus. Die Länge des vorangegangenen Beschlusses scheint das Ehrendekret jedoch nicht erreicht zu haben. Große Teile der Erzählung lassen sich nur im Ansatz rekonstruieren. Manche Abschnitte fehlen komplett. Der Aufbau und die Gesamtkonzeption des Ehrendekrets sind demnach nicht in allen Einzelheiten nachzuvollziehen. Zum Aufbau sowie zu den literarischen Qualitäten des Beschlusses s. ausführlich u. S. 453– 455.

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richtung der Begräbnisfeierlichkeiten für dessen gleichnamigen Adoptivvater Herodes (31–37) – bereits der erste Beweis für dessen Tugenden. Die erste Kategorie von Leistungen bildeten im Anschluss verschiedene Tätigkeiten als Vertreter der Stadt bei religiösen und kultischen Veranstaltungen (43–68). So richtete Herodes etwa das Fest im Panionion aus oder reiste als Festgesandter nach Athen und zu den Olympischen Spielen nach Elis. Eine zweite Rubrik widmete sich den politischen Gesandtschaften (87–140).98 Als Repräsentant der Stadt verhandelte Herodes mit den römischen Vertretern in Kleinasien, nahm wie Moschion an den Siegesfeiern des M. Perperna in Pergamon teil und reiste zum kappadokischen König Ariarathes VI.99 Die Kosten für diese Reisen scheint der reiche Bürger in der Regel selbst getragen zu haben.100 Nachdem eine zusammenfassende Würdigung den Abschnitt über die Gesandtschaftsreisen abgeschlossen hatte, widmete sich eine dritte Kategorie an Leistungen dem innenpolitischen Engagement und der Übernahme von städtischen Funktionen (140–221). Neben offiziellen Aufgaben wie der Tätigkeit als Rechnungsprüfer (ἀντιγραφεύς) oder der Fertigstellung eines öffentlichen Bauwerks berichtete der Beschluss dabei auch von privaten Veranstaltungen wie der Hochzeitsfeier des Herodes.101 Höhepunkt des innenpolitischen Engagements war wie bei Moschion die Übernahme der eponymen Stephanephorie (170–221), die der Ausnahmebürger im Jahr der Verabschiedung des Ehrendekrets durch die Polis bereits zum zweiten Mal bekleidete.102 Die Berichte über die zweifache Ausübung der prestigeträchtigen Funktion konzentrierten sich dabei wie im Beschluss für Moschion erneut vornehmlich auf die Ausrichtung von glanzvollen Festen in der Stadt. Im ersten Jahr der Tätigkeit scheint Herodes zudem im Auftrag der Stadt ein zweites Mal zu König ­Ariarathes VI. nach Kappadokien gereist zu sein.

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Zu den Gesandtschaftsreisen s. Quaß 1993, 111. 139. 199. Fröhlich 2005, 232 f. 249. Grandinetti 2007, 16. Zur Teilnahme an der Siegesfeier des M. Perperna s. Brun 2004, 35. Daubner 2 2006, 127. Wie im Beschluss für Moschion verschweigt der Motivbericht die Namen der anderen Gesandten. Die namentliche Nennung von anderen Personen passte vermutlich nicht zu den Intentionen der Ehrendekrete und wurde demnach in den meisten Beschlüssen für Einzelpersonen unterlassen. Zur Übernahme der Kosten s. Quaß 1993, 139. Zu den Leistungen des Herodes s. Grandinetti 2007, 16. Vgl. Habicht 1995b, 88. Zur Hochzeitsfeier s. auch Quaß 1993, 295 Anm. 1249. Wörrle 1995, 245. Gehrke 2003, 230. In der Summe scheint die «Verhäuslichung» des öffentlichen Bereichs allmählich zugenommen zu haben. S. auch o. S. 274 Anm. 25. Vgl. u. S. 325. Zur Tätigkeit in den beiden Jahren der Stephanephorie s. Quaß 1993, 293 f. Fröhlich 2005, 230. 233. 239–242. 244. Hamon 2005, 128. Hamon 2007, 94. Vgl. auch Wörrle 1995, 246. Kah 2012a, 57. 59. Kah 2014, 163. Beck 2015, 249–251. 311 f. 339 f. 343. 354. Zur wiederholten Ausübung von Polisfunktionen – insgesamt ein seltenes Ereignis – s. Fröhlich 2005, 230. Kah 2014, 157–161.

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Eine zusammenfassende Würdigung der Leistungen am Ende des Motivberichts mag die Erzählung in Verbindung mit dem einleitenden Abschnitt in Ringkomposition gerahmt haben (222–229).103 Mit der anschließenden Hortativformel – die Stadt wollte die eigenen Pflichten gegenüber verdienten Bürgern erfüllen und zugleich künftige Generationen zu vergleichbaren Leistungen ermuntern – betonte der Beschluss zudem die Vorbildfunktion des Ehrendekrets (229–236). Als Auszeichnungen erhielt Herodes neben Belobigung und goldenem Kranz mit insgesamt drei Statuen aus Bronze, aus Gold und aus Marmor ein Standbild mehr als Moschion und übertraf seinen Mitbürger damit in einzelnen Aspekten der Ehrung – auch wenn sich die Resolutionen in der Summe nahezu im Wortlaut glichen (236–278). Zu den verliehenen Privilegien zählten daneben erneut auch ἐπιμέλεια von Rat und Volk, einen Ehrensitz bei allen Wettkämpfen der Stadt, das Recht auf Speisung im Prytaneion und im Panionion, einen Anteil an den Opfern und allen anderen φιλάνθρωπα des Rates sowie die Befreiung von allen persönlichen Steuern.104 Im Anschluss bestimmten Rat und Volk eine Ehreninschrift für die Statuenbasen und regelte die jährliche Ausrufung des Kranzes und der Statuen durch den jeweiligen Festspielleiter beim traditionellen Opfer vor dem Wettkampf der Knaben.105 Um Herodes nicht nur zu Lebzeiten Anerkennung zu zollen, traf das Ehrendekret zum Abschluss ein weiteres Mal auch Bestimmungen für das öffentliche Begräbnis des verdienten Bürgers. Wie im Beschluss für Moschion spannte die Polis damit einen Bogen von der frühesten Kindheit bis zum Tod und zeichnete ein Gesamtbild von einem beispielhaften Leben im Dienst der Polis. Der Oikonomos hatte den Verstorbenen für das Begräbnis im Namen der Stadt mit einem goldenen Kranz zu bekränzen. Die Ausrufung sollten der γραμματεύς von Rat und Volk sowie die amtierenden Strategen übernehmen. Daneben sollten auch Privatpersonen die Erlaubnis erhalten, Herodes zu bekränzen und die eigenen Namen vom γραμματεύς unter dem Volksbeschluss eintragen zu lassen.106 Insbesondere der ausführliche Tatenbericht des Ehrendekrets, das sowohl in der Form als auch im Inhalt in weiten Teilen dem Beschluss für Moschion glich, wird mit Sicherheit erneut zu einem großen Teil zum persönlichen Ansehen des Herodes beigetragen haben und offenbarte zudem ein weiteres Mal allmähliche Verschiebungen im Machtgefüge der Stadt sowie eine zunehmende Dominanz von einzelnen Bürgern. Die zahlreichen Ähnlichkeiten werden jedoch ebenso allgemeine 103 104 105 106

Zur zusammenfassenden Würdigung der öffentlichen Tätigkeit s. Fröhlich 2005, 236. Zum goldenen Kranz für die herausragenden Leistungen s. Gauthier 1985, 59. Zu den Statuen s. Bresson 2012, 214. Zu Speisung und Teilhabe an den Opfern s. Kah 2015, 391 f. Vgl. Kah 2015, 391. Vermutlich enthielt die verlorene sechste Kolumne wie der Beschluss für Moschion Bestimmungen zum öffentlichen Leichenzug des Herodes sowie zur Aufzeichnung des Ehrendekrets. Hiller von Gaertringen 1906, 96. Zum Begräbnis des Herodes s. Gauthier 1985, 61. Grandinetti 2007, 19–21.

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Erwartungen an das Engagement eines herausragenden Bürgers gespiegelt haben und entwarfen dementsprechend auch im Beschluss für Herodes ein Idealbild von der beispielhaften Karriere eines ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός im steten Einsatz für das Wohl der Gemeinschaft. Durch die Anbringung des Ehrendekrets scheint Herodes, der über die Stephanephorie ebenfalls Einfluss auf das eigene Ehrendekret genommen haben wird, zudem in Konkurrenz zu seinem Zeitgenossen Moschion getreten zu sein. Die beiden Ehrendekrete von der Westwand der Nordhalle dokumentierten demnach vermutlich nicht nur die Karrieren von zwei verdienten Bürgern, sondern boten gleichzeitig die Möglichkeit zum Vergleich der jeweiligen Verdienste. Sowohl bei den erbrachten Leistungen als auch im Hinblick auf die erhaltenen Privilegien zeigten die Ehrendekrete dabei einen weitgehenden Gleichstand. Durch die zweite Übernahme der Stephanephorie sowie durch die zusätzliche Bronzestatue mag Herodes seinen Vorgänger Moschion in einzelnen Aspekten noch übertroffen haben. Die Konkurrenz zwischen den beiden Ausnahmebürgern aus Priene erinnert an das Verhältnis von Menippos und Polemaios aus Kolophon und wird den demokratischen Entscheidungsstrukturen sowie dem Funktionieren der Polisverfassung – zusammen mit der gegenseitigen Kontrolle von führenden Politikern – zuträglich gewesen sein. Zumindest der Monopolisierung der Entscheidungsgewalt durch Einzelpersonen war damit vorgebaut. Die langfristigen Veränderungen in den Gesellschaftsstrukturen vermochten entsprechende Machtkonstellationen jedoch nicht aufzuhalten.107 8.2.2 Eine neue Generation von Politikern – Menedemos, Krates, Herakleitos Nach der Anbringung des Ehrendekrets für Herodes verzichtete die Polis Priene vermutlich über mehrere Jahrzehnte, in denen bereits eine neue Generation an Bürgern herangewachsen sein wird, auf die Aufzeichnung von Beschlüssen in der Nordhalle. So scheint erst zu Beginn des 1. Jhdts. v. Chr. mit dem Ehrendekret für Menedemos, das sich in der äußeren Form an den vorhandenen Dokumenten orientierte, eine weitere Inschrift angebracht worden zu sein.108 Der Inhalt mag sich dabei wie im Beschluss für Athenopolis auf eine allgemeine Würdigung der Leistungen beschränkt haben und verzichtete in weiten Teilen vermutlich auf einen konkreten

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S. auch u. S. 398–402. I. Priene 110 = I. Priene2 66. Die Inschrift war nicht an der Westwand der Nordhalle angebracht und schloss stattdessen auf der nördlichen Kammerwand an das Ehrendekret für Herodes an. Der Beschluss ist bis auf die Überschrift und den Beginn des Motivberichts verloren. Selbst die erhaltenen Abschnitte weisen Lücken auf und sind lediglich in Teilen zu rekonstruieren. Sollte sich der Beschluss nur auf die erhaltene Kolumne beschränkt haben, kann für einen ausführlichen Tatenbericht kaum Platz gewesen sein.

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Tatenbericht.109 Nach der – bei den Beschlüssen der Nordhalle üblichen – Überschrift mit Datierung und Zusammenfassung der Ehrungen in größeren Buchstaben (1–9) begann der Motivbericht mit Jugend und Vorfahren des Menedemos und scheint im Anschluss eine theoretische Darstellung über die ideale Lebensgestaltung eines herausragenden Bürgers geboten zu haben (11–21). Ein individuelles Element der Erzählung mag in der Betonung der εὐσέβεια (6) gegenüber den Göttern gelegen haben.110 Auf der theoretischen Ebene umspannte der Beschluss wie das Ehrendekret für Athenopolis möglicherweise das gesamte Leben des verdienten Bürgers und entsprach demnach in der Gesamtkonzeption vermutlich erneut einem ausführlichen Lebenswerkdekret. Die Stadt wird die Aufzeichnung des Tugendkatalogs in der Folge auch zur Verbreitung der eigenen Wertvorstellungen und Ideale genutzt haben. An Ehrungen erhielt Menedemos einen goldenen Kranz, eine Bronzestatue, das Recht auf Speisung im Prytaneion und im Panionion sowie das Privileg der Teilnahme an den heiligen Handlungen und den Opfern im Rat (3–5).111 Mit den Auszeichnungen von Moschion und Herodes konnten die umfangreichen Privilegien des Menedemos, der vielleicht schlicht nicht dasselbe Engagement gezeigt hatte, jedoch nicht konkurrieren. Die Polis Priene mag demnach bei der Vergabe von Ehrungen noch zu Beginn des 1. Jhdts. v. Chr. nach erbrachten Leistungen differenziert haben.112 Etwa zur gleichen Zeit wie den Beschluss für Menedemos ließen Rat und Volk am Anfang des 1. Jhdts. v. Chr. auch das ausführliche Ehrendekret für Krates an der Westwand der Nordhalle anbringen.113 Der umfangreiche Motivbericht scheint 109

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Sichere Aussagen über den Inhalt sind beim schlechten Erhaltungszustand der Inschrift nicht möglich. Zumindest die erhaltenen Abschnitte scheinen jedoch nicht über eine allgemeine Würdigung der Leistungen hinausgegangen zu sein. Ähnliche Formulierungen sind ein typisches Element in Ehrendekreten von Priestern. Vgl. Kah 2015, 392. Im Vergleich zum 3. Jhdt. v. Chr. hatten die Privilegien für Einzelpersonen in der Polis Priene dennoch eine Erweiterung erfahren. Die Ausweitung der individuellen Ehrungen war eine allgemeine Entwicklung des Späthellenismus. S. u. S. 383. 402. Spätestens mit dem Beginn der Kaiserzeit scheinen die Auszeichnungen allmählich den Bezug zu den tatsächlichen Leistungen verloren zu haben. I. Priene 111 = I. Priene2 67. Die Editionen folgen ab Zeile 246 unterschiedlichen Zeilenzählungen. Zur falschen Zählung der Erstedition s. Blümel/Merkelbach 2 2014, 174. Das Ehrendekret ist lediglich in Fragmenten erhalten. Über die Gesamtstruktur des Beschlusses sowie insbesondere über Aufbau und literarische Konzeption des Motivberichts lassen sich demnach kaum Aussagen treffen. S. auch u. S. 450. Terminus post quem für die Datierung des Beschlusses ist die Statthalterschaft des C. Iulius Caesar in den Jahren 92–89 v. Chr. Nach der Anbringung der Inschriften an den Wänden der Nordhalle zu schließen mag der Beschluss für Krates vielleicht auch vor dem Ehrendekret für Menedemos entstanden sein. Die lange Inschrift füllte zunächst in einer breiten Kolumne den Platz zwischen dem linken Abschluss der Westwand und dem Ehrendekret für Athenopolis und erstreckte sich im Anschluss über sechs weitere Kolumnen auf den schmalen Bereich unterhalb der bereits an der Wand befindlichen Ehrendekrete bis zur ersten Kolumne des Beschlusses für

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wie in den Ehrendekreten für Moschion und Herodes das gesamte Leben des Ausnahmebürgers umspannt zu haben und verfolgte in der Darstellung vermutlich ein nach Kategorien geordnetes Grundschema.114 Die einzelnen Abschnitte orientierten sich mit genauen Datierungen an der chronologischen Abfolge der jeweiligen Ereignisse. Einen ersten Themenschwerpunkt bildeten außenpolitische Tätigkeiten und Gesandtschaftsreisen (1–151).115 Die prominente Platzierung am Beginn der Erzählung war vermutlich auch Ausdruck des weiterhin hohen Stellenwerts der politischen Tätigkeit für die Beurteilung eines Bürgers. Durch die intensivierten Kontakte mit Rom rückte jedoch zunehmend eine elitenlastige Außenpolitik in den Vordergrund. Insbesondere die Auseinandersetzungen mit den publicani um die Erhebung von Steuern scheinen am Anfang des 1. Jhdts. v. Chr. ein drängendes Problem der Polis Priene gewesen zu sein. Krates reiste als Anwalt der Stadt mehrmals zu römischen Statthaltern wie C. Iulius Caesar und L. Lucilius und verhandelte etwa über die Zuständigkeiten für die attalidischen Salinen, die nach dem Ende der Monarchie zunächst in Besitz der Stadt übergegangen waren.116 Daneben vertrat Krates die Polis bei Streitigkeiten mit anderen griechischen Städten wie dem Prozess mit Milet um den Seezugang zum Mäander und kam in diesem Zusammenhang vermutlich erneut mit dem römischen Statthalter L. Lucilius in Kontakt.117 Eine zweite Rubrik von Leistungen widmete der Beschluss den städtischen Funktionen und berichtete in diesem Zusammenhang etwa von einem Engagement als Festspielleiter bei den Panathenäen oder von der Zusammenstellung eines Verzeichnisses der Weihgeschenke im Athenatempel (167–246).118 Als Priester der Homonoia entlastete Krates durch eine Umschuldung die städtischen Finanzen – und leistete damit vermutlich auch einen erheblichen Beitrag zur Eintracht in der Stadt.119 Höhepunkt der Karriere war

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Herodes. Der prominente Mittelbereich der Westwand war damit weitgehend ausgefüllt. Mit dem Ehrendekret für Menedemos mag man erst auf die Kammerwand ausgewichen sein, als im mittleren Bereich der Westwand kein Platz mehr vorhanden war. Ager 1996, 508. Ferrary 2000, 178. Im Gegensatz zu den späteren Ehrendekreten für Zosimos beschränkte sich der Beschluss – entgegen der These von Wallace (2014, 39–42) – jedoch noch nicht auf einen einzelnen Anlass. Vgl. auch u. S. 450. Zum außenpolitischen Engagement des Krates s. Quaß 1993, 135 f. Ager 1996, 508 f. Ferrary 2000, 175–179. Fröhlich 2005, 232. 249. Heller 2006, 28–34. 49. Grandinetti 2007, 19. Boulay 2014, 377. Zum Streit um die Salinen s. Quaß 1993, 136. Ager 1996, 508 f. Daubner 2 2006, 218. 222. 250. Heller 2006, 29–31. Arrayás Morales 2010, 372. Kah 2014, 159. Vgl. auch Wallace 2014, 45–56. Die Argumentation beruht zum Teil jedoch auf falschen Prämissen. Zum Prozess mit Milet s. Heller 2006, 32–34. Zur Tätigkeit als Festspielleiter s. Quaß 1993, 283. Gehrke 2003, 230. Fröhlich 2005, 230. 234. 242. 244. 246. Hamon 2007, 95 Anm. 1. Kah 2014, 164. Wallace 2014, 45. Beck 2015, 314. 354. Zu den Verdiensten um die städtischen Finanzen s. Quaß 1993, 271 Anm. 1106. Fröhlich 2005, 230. Wallace 2014, 45. Zur Eintracht der Polis s. Gehrke 2003, 234. Vgl. Boulay 2014, 456.

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wie bei Moschion und Herodes die Übernahme der eponymen Stephanephorie (238– 246).120 Die Grenzen zwischen der öffentlichen Tätigkeit und dem privaten Bereich scheinen sich bei den innerstädtischen Aktivitäten insbesondere im Vergleich mit den Vorgängern aus dem späten 2. Jhdt. v. Chr. noch weiter verwischt zu haben. So veranstaltete Krates etwa während der Agonothesie vermutlich auch außerhalb des üblichen Festprogramms Bankette und lud mehrmals verschiedene gesellschaftliche Gruppen in sein Privathaus ein.121 Eine allgemeine Zusammenfassung der Leistungen am Ende des Motivberichts mag den Beschluss in Ringkomposition zur Einleitung gerahmt haben und bildete zusammen mit der Hortativformel die Überleitung zur Resolution (291–299/270– 278).122 An Ehrungen scheint die Polis einen Kranz, dessen Ausrufung bei den Dionysien beim Wettkampf der Paides zu erfolgen hatte, sowie mindestens eine Bronzestatue verliehen zu haben (299–306/278–289).123 Zudem sollte auch Krates wie Moschion und Herodes nach dem Tod weitere Anerkennungen durch die Stadt erhalten (307–312/290–295).124 Zusätzlich zur offiziellen Auszeichnung mit einem goldenen Kranz durch den γραμματεύς von Rat und Volk durften bei den Totenfeierlichkeiten auch Privatleute Ehrenkränze zur Bestattung beisteuern. Den Leichenzug sollten der Paidonomos mit den Paides, der Gymnasiarch mit den Epheben und den Neoi sowie die Strategen mit den übrigen Bürgern bilden.125 Zum Abschluss traf der Beschluss, der sich insgesamt sowohl in der äußeren Form als auch im Inhalt an den Beschlüssen für Moschion und Herodes orientiert zu haben scheint, Bestimmungen 120

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Zu den Leistungen als Stephanephoros s. Quaß 1993, 293 Anm. 1229. Gehrke 2003, 230. 241. Fröhlich 2005, 239–242. Kah 2014, 163. Vgl. Kah 2012a, 57. Beck 2015, 314. 343. 354. Zu den privaten Einladungen des Krates s. Kah 2014, 164. Für die Zeit der Stephanephorie ist ein ähnliches Engagement zu erwarten. Sichere Aussagen erlaubt der schlechte Erhaltungszustand jedoch nicht. Der fragmentarische Zustand des Abschnitts mit der zusammenfassenden Würdigung und der Hortativformel verbietet jedoch erneut sichere Aussagen. Zur abweichenden Zählung s. Blümel/Merkelbach 2 2014, 174. Insgesamt wird Krates ähnliche Privilegien wie Moschion und Herodes erhalten haben. Zur Ausrufung des Kranzes vgl. Kah 2015, 391 f. Zur Bestattung des Krates s. Ziebarth 21914, 152. Chiricat 2005, 222. Fröhlich 2005, 237. Grandinetti 2007, 19–21. Zur Agora als Ort der Begräbnisfeierlichkeiten s. Bielfeldt 2012, 104–106. Im Anschluss mag der Beschluss mit dem Recht auf Speisung im Prytaneion und im Panionion sowie dem Privileg der Teilhabe an den heiligen Handlungen und den Opfern im Rat – so die Ergänzungen von Hiller von Gaertringen (1906) – weitere konkrete Ehrungen für den lebenden Krates verzeichnet haben (312–314/295–297). Die Aufzählung von Ehrungen nach den Bestimmungen zum Begräbnis wäre jedoch eine ungewöhnliche Praxis. Vermutlich ist der entsprechende Abschnitt im Ehrendekret für Krates demnach mit anderen Wendungen zu ergänzen. Blümel/Merkelbach (2 2014) übernehmen trotz Kritik die Ergänzungen von Hiller von Gaertringen (1906).

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zur Aufzeichnung des Ehrendekrets in Erinnerung an die Taten des verdienten Bürgers (314–317/297–300).126 Durch die Anbringung an der Westwand der Nordhalle suchte Krates, der bereits für eine neue Generation von Politikern stand, vermutlich auch die räumliche Nähe zu den berühmten Vorgängern.127 Das Verhältnis zwischen der Stadt und einzelnen Bürgern hatte sich seit den Zeiten von Moschion und Herodes jedoch stetig gewandelt. Insbesondere Leistungen im privaten Bereich hatten im öffentlichen Auftreten von einflussreichen Personen weiter an Bedeutung gewonnen. Durch die Ausweitung der berichteten Tätigkeitsbereiche auf Privatveranstaltungen und die weitgehende Fokussierung der ausführlichen Lebensdarstellung auf die Einzelperson trug auch das Ehrendekret für Krates den Entwicklungen Rechnung und versinnbildlichte zugleich die gesteigerte Bedeutung des Individuums. Daneben diente der Beschluss auch weiterhin zur Verbreitung von Tugendvorstellungen und Wertkonzepten. Trotz des allmählichen Bedeutungsverlusts spielte die Stadt im Leben des einzelnen Bürgers noch eine wichtige Rolle und war zumindest nach eigenem Anspruch der zentrale Bezugspunkt für die Tätigkeiten eines ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός. Die Maßstäbe für die Definition von vorbildlichem Engagement um Polis und Demos scheinen sich jedoch trotz der weiterhin großen Bedeutung der außenpolitischen Tätigkeit zunehmend in den Bereich von privaten Leistungen und finanziellem Engagement verschoben zu haben. Nachdem die Westwand der Nordhalle zu großen Teilen mit Beschlüssen bedeckt war, scheint die Polis Priene die Aufzeichnung von Ehrendekreten für eigene Bürger zum Anfang des 1. Jhdts. v. Chr. an der gegenüberliegenden Ostwand fortgeführt zu haben.128 Den Auftakt in der Dokumentenreihe bildete vermutlich das ausführliche Ehrendekret für Herakleitos.129 Aufbau und Gestaltung des Beschlusses, der wie die Ehrendekrete der Westwand mit Datierung und Zusammenfassung der Ehrungen in größeren Buchstaben überschrieben war, scheinen sich ebenfalls an der themati126

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Die Bezeichnung der Nordhalle als ἱερὰ στοά – so die Ergänzung bei Hiller von Gaertringen und Blümel/Merkelbach – ist in Priene zur Zeit des Krates noch nicht belegt. S. auch u. S. 303 Anm. 144. Grandinetti 2007, 19. Zur Anbringung der Inschriften in der Nordhalle s. o. S. 283 f. Die Ostwand ist schlecht erhalten. Weder die Gesamtgestaltung der Wand noch die Anbringung der einzelnen Inschriften lassen sich mit Sicherheit rekonstruieren. In Form und Gestaltung der einzelnen Inschriften scheint sich die Polis weitgehend an den Pendants der gegenüberliegenden Westwand orientiert zu haben. I. Priene 117 + 86 = I. Priene2 71. Zur Zusammengehörigkeit der Fragmente s. Kah 2012b. Kah 2012a, 69–71. Blümel/Merkelbach 2 2014, 207. Die Inschriftenfragmente scheinen Teile von mehreren Kolumnen eines langen Ehrendekrets gewesen zu sein. Der genaue Ort der Anbringung sowie die Gesamtlänge der Inschrift lassen sich nicht mehr rekonstruieren. Auch über inhaltlichen Aufbau und literarische Gesamtkomposition sind nur begrenzte Aussagen möglich. Wie Menedemos und Krates gehörte Herakleitos zur neuen Generation an Politikern. Vgl. Kah 2012a, 59.

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schen Grundstruktur der vorangegangenen Erzählungen orientiert zu haben, während die Binnengliederung der Abschnitte mit jahrgenauen Datierungen erneut den chronologischen Ablauf der Ereignisse nachzeichnete.130 Bestimmende Elemente der außenpolitischen Aktivitäten waren wie schon im Ehrendekret für Krates Verhandlungen mit den römischen Statthaltern sowie Auseinandersetzungen mit den publicani (12–27).131 In anderem Kontext scheint auch Herakleitos mit dem Statthalter C. Iulius Caesar – wohl noch während dessen Aufenthalt in der Provinz Asia in den Jahren 92–89 v. Chr. – zusammengetroffen zu sein (45–50). Eine zweite Kategorie an Leistungen bildeten öffentliche Funktionen in der Stadt (29–57). Mit den Aufgaben verbunden waren insbesondere Opferfeiern und Festveranstaltungen. Das Engagement des Herakleitos konzentrierte sich – ähnlich den Aktivitäten des Krates – zunehmend auf den privaten Bereich. So veranstaltete der herausragende Bürger etwa zahlreiche Bewirtungen in seinem Privathaus.132 Eine im Anschluss berichtete Gesandtschaftsreise mag ebenfalls in die Zeit der öffentlichen Funktionen fallen (45–50).133 Nachdem eine zusammenfassende Würdigung der Leistungen noch einmal die bürgerlichen Qualitäten des Herakleitos betont hatte, unterstrich eine Hortativformel zum Ende des Motivberichts die Vorbildfunktion des gesamten Beschlusses (60–62).134 An Ehrungen erhielt Herakleitos eine Belobigung für seine Tugenden εὐσέβεια, δικαιοσύνη und εὔνοια, einen goldenen Kranz für ἀρετή, εὔνοια und εὐσέβεια sowie eine Bronzestatue mit Ehreninschrift (63–69).135 Über den Ort für die Aufstellung des Standbilds mit der Ehreninschrift, die der knappen Belobigung bei der jährlichen 130

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Die genaue Gliederung des Motivberichts lassen die Fragmente nicht erkennen. Die Erzählung scheint insgesamt jedoch das gesamte Lebenswerk des Herakleitos umspannt zu haben und beschränkte sich nicht auf einen einzelnen Ereigniszusammenhang. So jedoch in Analogie zum Ehrendekret für Krates Wallace 2014, 42. Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit den Argumenten s. auch u. S. 450. Die Beschlüsse für Krates und Herakleitos mögen demnach in etwa zur selben Zeit – vielleicht mit wenigen Jahren Abstand – gefasst worden sein. Zur außenpolitischen Tätigkeit s. Quaß 1993, 135. Fröhlich 2005, 232. Kah 2014, 159. Boulay 2014, 377. Zu den Konflikten mit den publicani vgl. auch Wallace 2014, 45–56. Die Interpretationen stehen zum Teil jedoch erneut unter falschen Voraussetzungen. Fröhlich 2005, 239. 243. Hamon 2007, 95 Anm. 1. Kah 2012a, 59. 71. Beck 2015, 251 f. 313 f. Vgl. allgemein Kah 2014, 162–164. Einen zwingenden Widerspruch zur Gliederung der Erzählung nach thematischen Kategorien muss der entsprechende Abschnitt nicht gebildet haben. So mag Herakleitos die Gesandtschaftsreisen wie Herodes während der Ausübung von innerstädtischen Funktionen übernommen haben. S. o. S. 293. 58–59: [καὶ συμβο]υλ.[εύ]ω.ν τῶι δήμωι τὰ συν|[φέρον]τα καὶ λέγων καὶ πράσσων ὑπὲρ αὐτοῦ τὰ ἄριστα. Zur zusammenfassenden Würdigung der öffentlichen Tätigkeit s. auch Fröhlich 2005, 236 f. Die Überschrift des Beschlusses scheint zudem von einem gemalten Bildnis berichtet zu haben (1–6).

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Ausrufung des Kranzes durch Festspielleiter und γραμματεύς bei den Opfern zum Flötenwettkampf der Dionysien entsprechen sollte, hatten Rat und Volk zu entscheiden. Daneben erhielt Herakleitos das Recht auf Speisung im Prytaneion und im Panionion sowie das Privileg der Teilnahme an den heiligen Handlungen und Opfern im Rat (69–70). Die postumen Ehrungen, die erneut mit hortativen Formulierungen zur Motivation von anderen Bürgern verbunden waren, scheinen weitgehend den für Moschion, Herodes und Krates beschlossenen Privilegien entsprochen zu haben (70– 82).136 So sollte auch Herakleitos – um den verdienten Bürger sowohl zu Lebzeiten als auch nach dem Tod angemessen zu ehren – vom Oikonomos der Stadt sowie von Privatleuten goldene Kränze erhalten und bei seinem Leichenzug von Paidonomos und Paides, Gymnasiarch mit Epheben und Neoi sowie Strategen und restlichen Bürgern begleitet werden. Die abschließenden Bestimmungen zur Aufzeichnung des Ehrendekrets nannten als wichtigsten Zweck der Publikation die dauerhafte Manifestation der Dankbarkeit der Stadt gegenüber dem Bürger (82–85).137 In der Summe scheint die Veröffentlichung des Ehrendekrets für Herakleitos demnach ein weiteres Mal mehrere Funktionen erfüllt zu haben. Zunächst bedeutete die Inschrift zusätzlich zu den anderen Auszeichnungen eine besondere Anerkennung und enthob Hera­ kleitos durch die persönlichen Dankbarkeitsbekundungen über die Polisgemeinschaft. Der Motivbericht, der nach Kategorien geordnet erneut das gesamte Leben von der frühesten Kindheit bis zum Tod umspannte, zeichnete daneben trotz der zentralen Stellung der Einzelperson jedoch auch weiterhin ein ausführliches Bild von der vorbildlichen Karriere eines herausragenden Bürgers und verbreitete damit zugleich Werte und Idealvorstellungen der Polis.138 Allmähliche Veränderungen zeigten sich im Vergleich zu den Ehrendekreten des späten 2. Jhdts. v. Chr. jedoch in der Definition von vorbildlichem Verhalten wie der zunehmenden Bedeutung von privaten Leistungen und finanziellen Aufwendungen. Im politischen Alltag scheint sich die Stadt mit der Zeit von demokratischen Praktiken entfernt zu haben – auch wenn das Ehrendekret für Herakleitos die entsprechenden Werte weiterhin als Ideal formulierte.

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Zu den postumen Ehrungen s. Fröhlich 2005, 237. Der entsprechende Abschnitt lässt sich jedoch lediglich aus Parallelen zu den anderen Ehrendekreten ergänzen. Hortativformel und Aufstellungsbestimmungen sind in weiten Teilen ergänzt. Der Beschluss bezeichnet Herakleitos als [πολί]του καλὸν ὑπόδειγμα (57). Vgl. Wörrle 1995, 241. 248. Scholz 2008, 88 f.

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8.2.3 Eine aus der Mode gekommene Praxis – Die Ehrendekrete für A. Aemilius Zosimos Die drei Ehrendekrete für den römischen Bürger A. Aemilius Zosimos, der zusätzlich das Bürgerrecht der Polis Priene besessen haben muss, waren die jüngsten Beschlüsse an der Westwand der Nordhalle.139 Auch die meisten Beschlüsse an der gegenüberliegenden Ostwand scheinen bereits vor den Ehrendekreten für den römischen Neubürger, deren Anbringung vermutlich nicht vor der Mitte des 1. Jhdts. v. Chr. erfolgte, veröffentlicht worden zu sein.140 Mit den Beschlüssen für Zosimos ließ die Polis Priene somit vielleicht zum letzten Mal Ehrendekrete für einen eigenen Bürger in der Öffentlichkeit aufzeichnen. Nachdem die guten Plätze an der Westwand bereits besetzt waren, wichen Rat und Volk von Priene für die Anbringung von Ehrendekreten vermutlich zunächst auf die Nordwand und die Ostwand der Nordhalle aus. Erst im Anschluss nutzte die Stadt auch noch die oberen Reihen der Westwand für

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I. Priene 112–114 = I. Priene2 68–70. Die Beschlüsse erstreckten sich weit über Kopfhöhe im oberen Bereich der Westwand der Nordhalle über insgesamt zwölf Kolumnen und beanspruchten die gesamte Wandbreite. Der dritte Beschluss griff mit der letzten Kolumne sogar auf die Nordwand über. Die Buchstaben der Beschlüsse waren beinahe doppelt so groß wie bei den anderen Inschriften der Westwand und scheinen demnach an die besondere Anbringungssituation angepasst worden zu sein. Die Lesbarkeit der ca. 2 cm hohen Buchstaben in einer Höhe von über 4 m ist dennoch in Frage zu stellen. Zum Bürgerstatus des Zosimos s. Kah 2012a, 62. Vgl. Kah 2015, 393. 140 Der früheste terminus post quem für die Verabschiedung der Ehrendekrete ist das Ende des ersten Mithradatischen Krieges im Jahr 84 v. Chr. Die Beschlüsse enthalten jedoch lediglich allgemeine Anspielungen auf einen vergangenen Krieg. Bei den erwähnten Auseinandersetzungen mag demnach auch an einen späteren Konflikt – vielleicht sogar an die römischen Bürgerkriege – zu denken sein. Die in den Ehrendekreten beschriebenen Ereignisse werden teilweise einige Jahre nach den Auseinandersetzungen stattgefunden haben. Die Beschlüsse mögen demnach um die Mitte des 1. Jhdts. v. Chr. oder sogar noch etwas später zu datieren sein. Zudem können zwischen der Verabschiedung der einzelnen Ehrendekrete jeweils einige Jahre gelegen haben. Zur Datierung der Beschlüsse s. Fröhlich 2005, 228. Grandinetti 2007, 17. Kah 2012a, 63–66. Curty 2015, 147. Kah 2015, 393. Zu einem späten Datierungsansatz passt auch die auffällige Präsenz von Personen mit römischem Bürgerrecht in den Beschlüssen. Die eponymen Stephanephoren in den Jahren der Verabschiedung der Ehrendekrete sind ausnahmslos römische Bürger. Zur Präsenz von Römern in den Beschlüssen s. auch Ferrary 1997, 202. Fröhlich 2005, 231. Kah 2012a, 65. Kah 2015, 393. Zu römischen Bürgern im späthellenistischen Kleinasien s. allgemein Arrayás Morales 2010, 371–373. Vgl. Schuler/Zimmermann 2012, 586. Sprache und Stil sprechen wie die gezierte Schrift und der zunehmende Itazismus ebenfalls für eine späte Datierung der Ehrendekrete. Zu den inhaltlichen Gründen sowie zu den sprachlichen und stilistischen Argumenten für eine späte Datierung s. auch Hiller von Gaertringen 1906, 103. Inhaltliche Parallelen zu den Ehrendekreten für Zosimos zeigt insbesondere das Fragment eines Beschlusses für einen Dioskourides. I. Priene 123 = I. Priene2 41.

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die Veröffentlichung von Inschriften.141 Im Gesamtkontext der Westwand hatten die Beschlüsse für Zosimos demnach lediglich eine Randstellung.142 Innerhalb der Polis Priene gehörte die Westwand der Nordhalle jedoch zu den prominentesten Plätzen für die Anbringung von Ehrendekreten. Da sich die Stadt durch die großen Buchstaben zudem in besonderem Maße um die Lesbarkeit der Inschriften bemüht zu haben scheint, werden die Beschlüsse für Zosimos insgesamt durchaus eine große Außenwirkung entfaltet haben. Zu Lebzeiten des römischen Neubürgers gehörten entsprechende Inschriften vielleicht aber auch schon nicht mehr zu den – wenn auch stets selten – praktizierten Formen der öffentlichen Anerkennung und mögen demnach erst auf den persönlichen Wunsch des engagierten Neubürgers angebracht worden sein. So war das erste Ehrendekret zunächst offensichtlich nicht einmal für eine dauerhafte Publikation vorgesehen und wurde erst im Zuge der Anbringung des zweiten Beschlusses an der Westwand der Nordhalle eingeschrieben.143 Durch die Publikation der eigenen Ehrendekrete versuchte sich Zosimos, der als römischer Neubürger gleich welchen sozialen Hintergrunds eine Sonderstellung eingenommen haben wird, möglicherweise in die lange Tradition von verdienten Bürgern und deren prominenten Familien zu stellen und wollte sich somit in den Bürgerverband integrieren.144 Neben der räumlichen Nähe suchten die Beschlüsse auch in Form und Gestaltung Anlehnung an die vorangegangenen Ehrendekrete. So waren die drei Beschlüsse mit den üblichen und durch große Buchstaben hervorgehobenen Überschriften aus Datierung und Zusammenfassung der jeweiligen Ehrungen versehen. Im Gegensatz zu den anderen Beschlüssen aus der Nordhalle nahmen die einzelnen Ehrendekrete jedoch nicht die gesamte Lebensleistung des verdienten Bürgers in den Blick, sondern konzentrierten sich nach der Rekapitulation von früheren Leistungen auf einzelne Funktionen und Verdienste.145 Im Gegensatz zu den Vorgängern war die Tätigkeit des Zosimos auf den innenpolitischen Bereich und die Übernahme von städtischen Funktionen beschränkt. Von außenpolitischen Erfolgen auf Gesandtschaftsreisen oder als Anwalt der Polis berichteten die Ehrendekrete

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Zur Aufzeichnung der Beschlüsse für Zosimos s. Kah 2012a, 67. Curty 2015, 147. So Kah 2012a, 67. Ebd. Vgl. Kah 2015, 393. S. ausführlich u. S. 308 f. Im Gegensatz zu den allgemeinen Formulierungen in den anderen Beschlüssen legten die Ehrendekrete für Zosimos die Aufzeichnung der Dokumente in der als ἱερὰ στοά bezeichneten Nordhalle genau fest. Die Auswahl des Ortes war demnach eine bewusste Entscheidung. S. auch Kah 2012a, 67. Die Anlehnung an die großen Helden der Vergangenheit spielte bei den Überlegungen vermutlich eine entscheidende Rolle. Zur Integration des Zosimos in den Bürgerverband s. auch Ferrary 1997, 202. Die Beschlüsse für Zosimos zeigten damit deutliche Unterschiede zu den anderen Ehrendekreten der Westwand – möglicherweise ein weiteres Argument für eine späte Datierung. Zur inhaltlichen Gestaltung der Beschlüsse im Vergleich zu den älteren Lebenswerkdekreten s. Fröhlich 2005, 228. 235. Kah 2012a, 66–68. Kah 2015, 393.

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hingegen nicht und rückten durch die ausführliche und detailreiche Beschreibung der einzelnen Tätigkeiten stattdessen persönliche Leistungen und finanziellen Aufwand noch mehr in das Zentrum der Erzählung.146 Als Anlass des ersten Ehrendekrets benannte die Überschrift die Übernahme der Gymnasiarchie (1–8).147 Der Motivbericht widmete sich nach der ausführlichen Würdigung von Tugend und Charaktereigenschaften jedoch zunächst der vorherigen Tätigkeit als γραμματεύς von Rat und Volksversammlung (10–27).148 Nach dem unerwarteten Tod des amtierenden γραμματεύς hatte die Polis offensichtlich Probleme bei der kurzfristigen Besetzung der Funktion und scheint neben der freiwilligen Meldung des Zosimos wenige Alternativen gehabt zu haben. Der römische Neubürger, der sich vermutlich erst um Ansehen und Anerkennung in der Stadt bemühen musste, mag in der Übernahme der Funktion eine günstige Gelegenheit für den Einstieg in eine politische Laufbahn gesehen haben.149 Dem Streben um Akzeptanz in der Polis trug der Beschluss auch durch die Gleichsetzung der Tätigkeit mit dem Engagement von «echten» Bürgern, die seit der Geburt in der Stadt lebten, Rechnung.150 Die tatsächlichen Verdienste des Zosimos beruhten vornehmlich auf finanziellen Leistungen: So beschränkte sich etwa die Tätigkeit als γραμματεύς auf die doppelte Aufzeichnung der Archivdokumente auf Papyrus und Pergament mit privaten Mitteln.151 Den eigentlichen Anlass des Ehrendekrets bildete jedoch die Gymnasiarchie

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Die politischen Verhältnisse der Zeit werden jedoch auch den Handlungsspielraum der Polis zunehmend eingeschränkt haben. In der Folge mögen einem Bürger im fortgeschrittenen 1. Jhdt. v. Chr. außerhalb der städtischen Funktionen kaum Möglichkeiten zur Betätigung geblieben sein. Ein «Honoratior der zweiten Reihe» war Zosimos mit Sicherheit nicht. So jedoch Kah 2012a, 68. Der römische Neubürger gehörte zu seinen Lebzeiten zu den führenden Persönlichkeiten der Polis und bekleidete die höchsten Funktionen. Vgl. Ferrary 1997, 202. Zum Ende der Karriere war Zosimos mit neun Statuen und drei gemalten Bildern im Stadtbild präsent und hatte das Anrecht auf ein öffent­liches Staatsbegräbnis. Zu den Statuen s. auch Bresson 2012, 214. Ausgefallene und manierierte Formulierungen lassen das Bemühen um eine literarische Ausarbeitung der Beschlüsse erkennen. Die sprachliche Gestaltung zeigt Einflüsse des asianischen Stils und deutet ebenfalls auf eine späte Datierung. Zur Rhetorik der Ehrendekrete für Zosimos s. auch u. S. 436 f. I. Priene 112 = I. Priene2 68. Grandinetti 2007, 17. Kah 2012a, 67. Zu den Problemen bei der Besetzung der Funktion s. Quaß 1993, 297. Vgl. Scholz 2008, 86. 17: στέρξας μὲν τὴν πόλιν ὡ[ς πατρί]δα, γνησίου δὲ παρεχόμενος πολίτου κηδεμονίαν. Vgl. Kah 2012a, 62. Zur Tätigkeit als γραμματεύς s. Quaß 1993, 297 f. Gehrke 2003, 234. Fröhlich 2005, 235. 249. Die doppelte Aufzeichnung der Urkunden sollte die Rechtssicherheit in der Stadt verbessern. Sinn und Nutzen des kostspieligen Unterfangens können dennoch in Frage gestellt werden. Das offenkundige Bemühen des Zosimos, durch finanziellen Aufwand unter den anderen Bürgern herauszustechen, tritt in der doppelten Aufzeichnung der Urkunden in jedem Fall zum Vorschein.

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des Zosimos (27–115).152 Der römische Neubürger durfte die Funktion allerdings erneut erst zu einem Zeitpunkt übernehmen, als sich die anderen Bürger nicht bereitfanden, die mit der kostspieligen Renovierung des Gymnasions verbundene Aufgabe zu erfüllen. Die ausführliche Erzählung berichtete dabei bis ins Detail von den finanziellen und materiellen Leistungen des Zosimos und beschrieb etwa die ganztägige Bereitstellung des Öls, den Ankauf von neuen Sportgeräten, die Anstellung eines Grammatiklehrers, die Stiftung von Wettkämpfen und Siegespreisen und die Beheizung des καπνιστήριον – vermutlich ein Dampfbad – während der Wintermonate.153 Daneben engagierte sich Zosimos in der Funktion als Gymnasiarch bei den Panathenäen und trug zur baulichen Ausgestaltung des Gymnasions bei. Durch die öffentliche Anerkennung der Verdienste wollte die Polis auch andere Personen zu vergleichbaren Leistungen motivieren (128–131). Mit dem Ehrendekret verfolgte die Stadt demnach – vielleicht insbesondere vor dem Hintergrund der zunehmenden Probleme bei der Besetzung von öffentlichen Funktionen – auch hortative Absichten.154 Die Ansprüche, die an einen herausragenden Bürger gestellt wurden, beschränkten sich jedoch weitgehend auf finanzielle Leistungen. Allgemeine Tugendkonzepte oder bürgerliche Wertvorstellungen präsentierte der Beschluss nicht. In Anerkennung seiner Leistungen sollte Zosimos eine Belobigung, einen goldenen Kranz sowie ein gemaltes Bild und drei Statuen aus Bronze, Gold und Marmor mit jeweils der gleichen Ehreninschrift am prominentesten Platz der Stadt erhalten (131–146).155 Damit erhielt Zosimos bereits für die Tätigkeiten als γραμματεύς und als Gymnasiarch mehr Bildnisse als die meisten Bürger in früheren Zeiten für das gesamte Lebenswerk. Die Ehrungen verloren dabei allmählich den Bezug zu den erbrachten Leistungen und dienten vornehmlich der individuellen Inszenierung von herausragenden Einzelpersonen. Das Ehrendekret scheint mit der ausführlichen und detaillierten Beschreibung der Tätigkeiten ebenfalls zu einem großen Teil dem persönlichen Prestige und der Überhöhung des Zosimos gedient zu haben – auch

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Grandinetti 2007, 17 f. Curty 2015, 148. Zu den Leistungen als Gymnasiarch s. Ziebarth 21914, 60. 114 f. 121. 139. Quaß 1993, 287–289. Ferrary 1997, 202. Riaño Rufilanchas 2000. Dreyer 2004, 218 Anm. 35. Kah 2004, 63. 66. Scholz 2004b, 113. Schuler 2004, 183. 186. Fröhlich 2005, 238–240. 244– 247. Hamon 2005, 128. Grandinetti 2007, 15. Kah 2012a, 57. Boulay 2014, 31. 95 f. Beck 2015, 252. 293 f. 314. 354. Curty 2015, 148–150. Zur Vermittlung von Werten durch den Literaturunterricht s. Wörrle 1995, 249. Vgl. Scholz 2004b, 124. Scholz 2008, 96. Zur Verbindung von Sport und Literatur s. Gehrke 2003, 243. Zur Gymnasiarchie in Priene s. Fröhlich 2005, 234 f. Auf eine Publikation des Beschlusses scheinen Rat und Volk dennoch verzichtet zu haben. Zur Bezeichnung des Ortes verwendete der Beschluss den Ausdruck ἐπισημότατος τόπος (140) anstatt der üblicheren Wendung ἐπιφανέστατος τόπος. Das Begriffspaar ist in Inschriften zunehmend für das 1. Jhdt. v. Chr. bezeugt und deutet demnach ebenfalls auf eine späte Datierung der Beschlüsse. Zu den Ehrungen s. auch Kah 2015, 392.

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wenn der Beschluss daneben weiterhin auf die eigene Vorbildhaftigkeit verwies.156 Die Funktion eines allgemeingültigen Tugendbeispiels konnte die Erzählung, die zunächst zudem vermutlich nur für den einmaligen Vortrag in der Volksversammlung konzipiert gewesen war und erst durch explizite Bestimmungen im zweiten Ehrendekret eine Aufzeichnung erfahren sollte, nicht erfüllen, zumal sich Ehre und öffentliche Anerkennung zunehmend über finanzielles Engagement definiert zu haben scheinen. Das zweite Ehrendekret für Zosimos war von Beginn an zur dauerhaften Aufzeichnung vorgesehen und wurde vermutlich kurze Zeit nach der Verabschiedung zusammen mit dem ersten Beschluss an der Westwand der Nordhalle publiziert.157 Die Inschrift suchte dabei neben der räumlichen Nähe auch die inhaltliche Anlehnung an die vorangegangenen Beschlüsse. So setzte bereits der einleitende Abschnitt nach der Überschrift die Anstrengungen des Zosimos in die Tradition der herausragenden Persönlichkeiten aus früheren Zeiten (11–15). Zur Orientierung für das eigene Handeln dienten dem römischen Neubürger die erinnerungswürdigen Taten von großen Helden aus der Vergangenheit, deren Verdienste etwa in den ausführlichen Leistungsberichten der Inschriften aus der Nordhalle festgehalten wurden. Nach Darstellung des Beschlusses hatte sich Zosimos demnach erst beim Anblick der veröffentlichten Ehrendekrete zum Engagement für die Stadt entschieden.158 Die Beispiele von Bürgern aus früheren Generationen dienten dabei als Inspiration für das gegenwärtige Engagement und werden nicht zuletzt auch die Hoffnung auf vergleichbare Anerkennungen geweckt haben. Die ausführlichen Tugendkataloge hatten die hortative Funktion also nicht verfehlt. Gleichzeitig scheint sich in der eigenmächtigen Entscheidung des Zosimos ein reziprokes Wechselverhältnis zwischen Polis und Bürger als gleichberechtigten Partnern und damit zugleich ein Bedeutungsverlust der Polis gegenüber dem einzelnen Bürger anzudeuten. Der anschließende Tatenbericht begann zunächst mit der Zusammenfassung von früheren Leistungen des Zosimos und verwies in diesem Zusammenhang auch auf vorangegangene Auszeichnungen durch die Polis (15–34). Nach den Tätigkeiten als γραμματεύς und Gymnasiarch, die den Gegenstand des ersten Ehrendekrets gebildet hatten, hatte sich Zosimos als Paidonomos engagiert und von der Stadt ein schrift-

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Für eine dauerhafte Publikation war der Beschluss wie das erste Ehrendekret für Apollonios aus Metropolis jedoch auch nicht vorgesehen. Vgl. Kah 2012a, 67. Zum Ehrendekret für Apollonios s. ausführlich o. S. 258–265. Die Konzentration der Erzählung auf die konkreten Leistungen mag demnach zu einem Teil auch der ursprünglichen Konzeption der Beschlussvorlage für einen einmaligen Vortrag in der Volksversammlung geschuldet gewesen sein. I. Priene 113 = I. Priene2 69. Zur Aufzeichnung des Beschlusses s. auch Kah 2012a, 67. 14–15: καὶ ἄρ[ξ]ασθαι πρῶτος τῆς εἰς [τὴν π]όλιν χάριτος, ἐσκέψατο δι’ ὧν πλῆθος τὴν | πρὸς τοὺς εὖ διατιθέντας φυλάσσε.[ι] μ[ν]ήμην.

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liches Zeugnis über seine Leistungen erhalten.159 Eine dauerhafte Form hatten die entsprechenden Dokumente vermutlich nicht gefunden.160 Den eigentlichen Anlass des zweiten Ehrendekrets bildete die Übernahme der eponymen Stephanephorie (34–94).161 Die prestigeträchtige Tätigkeit war der Höhepunkt der Laufbahn und wird letztlich den Ausschlag für die umfangreichen Ehrungen des Zosimos sowie zur Aufzeichnung des entsprechenden Ehrendekrets gegeben haben. Innerhalb des Motivberichts nahm die ausführliche Beschreibung der Leistungen als Stephanephoros, die zudem mit rhetorischen Mitteln ausgestaltet war, demgemäß den meisten Platz ein.162 Die Erzählung berichtete dabei zunächst von den Versprechungen des Zosimos vor der Wahl und widmete sich erst im zweiten Abschnitt der konkreten Durchführung der Pläne nach der Übernahme der Funktion. In der Hauptsache bestanden die erbrachten Leistungen aus aufwendigen Opferfesten und der mehrfachen Bewirtung von breiten Schichten der Bevölkerung zu verschiedenen Anlässen. Den üblichen Rahmen des Engagements, das von einem Stephanephoros zu erwarten war, scheint Zosimos in der Ausgestaltung der Feste – etwa durch die Anstellung von Schauspielern wie dem Pantomimen Ploutogenes oder durch den Auftritt eines Sängers, eines Flötenspielers mit Chorbegleitung sowie eines Kitharöden – verlassen zu haben.163 Auch die Wiederbelebung von alten Festen zum ersten Mal nach «dem» Krieg verdeutlichte das außergewöhnliche Engagement des Zosimos und zeigte dessen Bemühen um Prestige innerhalb der Bürgerschaft sowie das Streben nach Anerkennung durch die Stadt.164 Für die Zukunft hatte der ehrgeizige Bürger zudem die obligatorische und durch ein Gesetz vorgeschriebene Weihung der φιέλη | [στεφανη]φορική (92–93) für Zeus Olympios in Aussicht gestellt. Insgesamt scheinen 159

Zur Tätigkeit als Paidonomos s. Ziebarth 21914, 115. 121. 139. Dreyer 2004, 218 Anm. 34. Scholz 2004b, 109 Anm. 24. Boulay 2014, 46. Curty 2015, 149. 160 Im Zusammenhang mit der schriftlichen Dankesbekundung durch die Stadt deutet sich erneut das reziproke Wechselverhältnis zwischen der Polis und dem engagierten Bürger an. Die Stadt hatte die Erwartungen des Zosimos nicht enttäuscht. 31–34: τυχὼν δὲ ἐπὶ τούτοις τῆς ἐνγράφου μ[αρτυ]|ρίας τὸν μὲν δῆμον εὗρεν εἰς τὴν τῶν ὁμοίων ἀμοιβὴν οὐκ ἀ[λλ]έ|τριον, αὐτὸς δὲ τὴν πεῖραν ἔλαβεν οὐ ψευδῆ τῶν ἐννοηθέντω[ν κ]α|λῶς. 161 Grandinetti 2007, 18. 162 Die Erzählung arbeitete etwa mit Gegensatzkonstruktionen und mit ausgefallenen Formulierungen. Mit rhetorischem Geschick ließ die Darstellung zudem auf die Ankündigungen und Versprechen die konkreten Taten folgen (57–59/70–72). Zur literarischen Qualität der Beschlüsse s. auch u. S. 436 f. 163 Zu den Aufwendungen des Zosimos als Stephanephoros s. Ziebarth 21914, 155. Quaß 1993, 294. Gehrke 2003, 230. 241. Fröhlich 2005, 241–245. 247 f. 253. Hamon 2005, 128. Kah 2012a, 57. 64. Boulay 2014, 393. Kah 2014, 164. Beck 2015, 252 f. 294 f. 314 f. 343. 354. 164 Zur Unterbrechung des Festes s. Fröhlich 2005, 245. 248. Allgemein Quaß 1993, 284. 291 Anm. 1218. Zur historischen Einordnung des Krieges und den entsprechenden Konsequenzen für die Datierung der Beschlüsse s. zuletzt Kah 2012a, 63. S. bereits ausführlich o. S. 302 Anm. 140.

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die Übernahme der Stephanephorie und insbesondere die zahlreichen Feste im Fall des Zosimos vornehmlich der persönlichen Selbstdarstellung gedient zu haben.165 Vielleicht aus diesem Grund verwies die Hortativformel auch nicht auf die Vorbildfunktion des Beschlusses und brachte stattdessen lediglich den Anspruch eines verdienten Bürgers auf angemessenen Ehrungen zum Ausdruck (94–95). Für seine Leistungen sollte Zosimos erneut eine Belobigung, einen goldenen Kranz, sowie ein gemaltes Bildnis und drei Statuen aus Bronze, Gold und Marmor mit festgelegten Ehreninschriften an den prominentesten Plätzen der Stadt erhalten (95–110).166 Neben der jährlichen Bekränzung durch den Festspielleiter und den γραμματεύς von Rat und Volk bei den großen Dionysien während der Opfer an Dionysos beim Wettkampf der Paides sollte Zosimos auch bei seinem Begräbnis, das in der üblichen Weise vom Gymnasiarch mit den Epheben und den Neoi, dem Paidonomos mit den Paides sowie den Strategen mit den anderen Bürgern begleitet werden sollte, auf der Agora eine Bekränzung erhalten (110–118).167 Zusätzlich zum offiziellen Goldkranz der Stadt konnten dabei auch Privatleute eigene Kränze ausrufen lassen. Um die wechselseitige Anerkennung von Zosimos und der Polis zu verdeutlichen, war der Beschluss an einem geeigneten Platz in der ἱερὰ στοά auf dem Marktplatz zusammen mit dem früheren Ehrendekret aufzuzeichnen (118–122).168 Die Formulierung stellte den römischen Neubürger als herausragende Persönlichkeit auf eine Ebene mit der Stadt und deutete damit erneut das reziproke Verhältnis von Bürger und Polis an. Zosimos und die Polis Priene waren gleichberechtigte Partner auf Augenhöhe. 165

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Die einzelnen Leistungen wie die Bewirtung von breiten Bevölkerungsschichten oder die Wiederbelebung der alten Feste erinnern an die Leistungen des Epaminondas im frühkaiserzeitlichen Akraiphia. S. auch u. S. 385–389. Wie der reiche Euerget aus der Kleinstadt in Boiotien scheint auch Zosimos in Priene den normalen Rahmen bürgerlichen Engagements verlassen zu haben. «Die Selbstdarstellung in Form privater Munifizenz» blieb Zosimos gerade nicht verwehrt. So jedoch Kah 2012a, 68. Die privaten Spenden und das finanzielle Engagement scheinen geradezu den Kern der Leistungen ausgemacht zu haben. Zum goldenen Kranz für die herausragenden Leistungen s. Gauthier 1985, 59. Zu Statuen und Speisung s. auch Kah 2015, 392. Die Verteilung der Bildnisse auf mehrere Plätze ist in anderen Ehrendekreten nicht bezeugt und mag mit der Vielzahl der an Zosimos verliehenen Statuen und Bilder – bis zum Ende der Karriere sollte es ein ganzes Dutzend werden – zu erklären sein. Zum Begräbnis des Zosimos s. Ziebarth 21914, 152. Gauthier 1985, 61. Chiricat 2005, 222. Fröhlich 2005, 237. Grandinetti 2007, 18–21. Zur Agora als Ort der Begräbnisfeierlichkeiten s. Bielfeldt 2012, 104–106. Der Abschnitt zu den postumen Ehrungen ist knapp gehalten und scheint eine Vertrautheit der Leser und Zuhörer mit den Vorgängen vorauszusetzen. 118–122: ἕνεκεν δὲ τοῦ τήν τε Αὔλου εἰς τὸν δῆ.[μον εὔ]νοιαν | καὶ φιλαγαθίαν φανερὰν ὑπάρχειν καὶ τὴν ἐκ τῆς [πόλεως] εἰς αὐτὸν | ἀμοιβήν, ἀναγράψαι {δὲ} τόδε ψήφισμα οὗ ἂν συνκριθῇ ἐν τῆι ἱερᾶι | στοᾶι τῆι ἐν τῆι ἀγορᾶι ἐν τῶι εὐθέτωι τόπῳ· ἀναγράψαι δ[ὲ] καὶ τὰς | πρότερον δεδομένας αὐτῶι ὑπὸ τοῦ δήμ[ο]υ τιμάς.

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Das zweite Ehrendekret war von Beginn an für eine dauerhafte Publikation vorgesehen und diente mit dem der ausführlichen Leistungsberichte zu einem großen Teil mit Sicherheit der Selbstdarstellung des verdienten Bürgers. Die hortative Funktion des Ehrendekrets oder die Beispielhaftigkeit der erbrachten Leistungen arbeitete die Erzählung, die mit dem individuellen Tatenbericht über außergewöhnliche Einzelverdienste zudem nur wenige Anknüpfungspunkte zur Nachahmung bot, kaum heraus. Selbstverständlich zeigte sich auch in den Leistungen des Zosimos das vorbildliche Engagement eines Bürgers um die Polis. Die einzelnen Tätigkeiten beschränkten sich jedoch weitgehend auf finanzielle Wohltaten und wurden zunehmend in den Dienst von persönlichen Interessen gestellt. Selbst die dauerhafte Publikation des Beschlusses, die vielleicht bereits eine aus der Mode gekommene Praxis darstellte, mag vornehmlich auf den persönlichen Wunsch des römischen Neubürgers zurückgegangen sein. Über die Anbringung der entsprechenden Inschriften an der Westwand der Nordhalle suchte Zosimos – wie das Ehrendekret selbst in der Einleitung formuliert – die Anbindung an die früheren Generationen von verdienten Bürgern aus alten und angesehenen Familien. Insbesondere die umfangreichen Ehrungen im Anschluss an die Stephanephorie werden den römischen Neubürger dabei endgültig auf eine Stufe mit seinen Vorgängern gestellt haben. Den verdienten Bürgern der früheren Generationen waren die Ehrungen in der Regel jedoch für ihre gesamte Lebensleistung und nicht für eine einzelne Tätigkeit verliehen worden – auch wenn die eponyme Stephanephorie vermutlich stets den Höhepunkt der Karriere bedeutete und den Anlass für die ausführlichen Ehrendekrete darstellte.169 Bei den Auszeichnungen des Zosimos und insbesondere bei der ausufernden Aufstellung von Statuen und Bildnissen war diese frühere Korrelation zwischen den erbrachten Leistungen und den anschließenden Ehrungen jedoch nicht mehr gegeben. Öffentliches Engagement und entsprechende Anerkennungen hatten sich demnach in Priene zum Ende des Hellenismus zunehmend individuellen Interessen und persönlichem Ehrstreben unterzuordnen. Die Ehrungen nach der Stephanephorie waren mit Sicherheit der wichtigste Erfolg im Leben des Zosimos. Das letzte Ehrendekret sollte der entsprechende Beschluss jedoch nicht bleiben. Im Anschluss an eine zweite Tätigkeit als γραμματεύς von Rat und Volksversammlung verabschiedete die Polis für den inzwischen etablierten Neubürger ein drittes Ehrendekret, dessen Aufzeichnung neben den voran-

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Moschion und Herodes erhielten das jeweilige Ehrendekret während der Tätigkeit als Stephanephoros. Auch der Beschluss für Zosimos erwähnte frühere Verdienste und verwies als Begründung der Ehrungen am Ende des Motivberichts neben der Aussicht auf künftige Leistungen allgemein auf das Engagement des herausragenden Bürgers. Ein Lebenswerkdekret war der Beschluss dennoch nicht.

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gegangenen Beschlüssen auf der Westwand der Nordhalle erfolgte.170 Nach der üblichen Überschrift und der allgemeinen Einleitung rekapitulierte die knappe Inschrift zunächst die früheren Verdienste des Zosimos als γραμματεύς von Rat und Volk, als Gymnasiarch, als Paidonomos und als Stephanephoros und ging dabei zum Teil in einzelnen Details auf die erbrachten Leistungen ein (1–28).171 So würdigte der Beschluss etwa das Engagement als Stephanephoros als Maßstab für alle nachfolgenden Funktionsträger.172 Über die Tätigkeit als γραμματεύς von Rat und Volk als eigentlichen Anlass der Ehrung wusste die Erzählung bis auf die schon von der ersten Übernahme der Funktion bekannte doppelte Aufzeichnung der Dokumente auf Pergament und Papyrus wenig zu berichten (28–32).173 Auch die anschließende Hortativformel beschränkte die Aussage lediglich auf die Verpflichtung der Stadt zur angemessenen Ehrung von verdienten Männern (32–34). An Auszeichnungen erhielt Zosimos neben der Belobigung durch Rat und Volk zum dritten Mal ein gemaltes Bildnis sowie drei Statuen aus Bronze, Gold und Marmor mit festgelegten Ehreninschriften (34–39).174 Mit den tatsächlichen Leistungen des Zosimos als γραμματεύς scheinen die verliehenen Ehrungen demnach erneut nicht korrespondiert zu haben.175 Die Anbringung des knappen Ehrendekrets, dessen Aufzeichnung zum Ende der Resolution bestimmt wurde (40–41), erfolgte vermutlich lediglich als Ergänzung zu den früheren Beschlüssen und wird erneut auf eine persönliche Initiative des Neubürgers zurückgegangen sein. Literarische Ambitionen verfolgte der Beschluss

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I. Priene 114 = I. Priene2 70. Zur seltenen Iteration von Polisfunktionen s. Fröhlich 2005, 230. Zur Aufzeichnung des Beschlusses s. Grandinetti 2007, 19. Zum Ausdruck ἀμεταμελήτως (8) s. Wörrle 1995, 243. Zur Tätigkeit als Paidonomos s. Ziebarth 21914, 114 f. Scholz 2004b, 109. Schuler 2004, 186. Boulay 2014, 28 f. Curty 2015, 149. Zur Wiederbelebung der Gymnasiarchie nach einem Krieg s. Ziebarth 21914, 114. Schuler 2004, 184 Anm. 126. Vgl. Fröhlich 2005, 239. 27–28: δι’ ὧν ἑτέρους [εἰς τὰ με]τὰ ταῦτα | [δέ]δεικται τῶι δήμ[ωι πρ]οσ[φ]έρεσθαι φιλοδόξ[ως]. Einen wirklichen Beispielcharakter hatte die Erzählung dennoch nicht. Das kostspielige Engagement des unerreichbaren Überpoliten konnte im Gegensatz zu politischen Leistungen, die zumindest in der Theorie von allen Bürgern erbracht werden konnten, nicht als Vorbild zur Nachahmung dienen. Insgesamt war die Erzählung zudem – vermutlich auch dem begrenzten Platz an der nahezu komplett mit Beschlüssen bedeckten Westwand geschuldet – um Kürze bemüht. Zur erneuten Tätigkeit als γραμματεύς s. Quaß 1993, 297 f. Gehrke 2003, 234. Fröhlich 2005, 235. 249. Die doppelte Aufzeichnung der Urkunden zur Verbesserung der Rechtsicherheit erfolgte bereits während der ersten Tätigkeit. S. o. S. 304 Anm. 151. Nutzen und Notwendigkeit der Maßnahme stehen weiterhin in Frage. Kah 2015, 392. Zudem mag der Beschluss Privatleuten die Bekränzung des Zosimos gestattet haben. Zur Ergänzung der letzten Zeilen s. jetzt Blümel/Merkelbach 2 2014, 204. Einen deutlichen Kontrast zu den Ehrungen des Zosimos bilden etwa die bescheidenen Privilegien des Apellis für die zwanzigjährige Tätigkeit als γραμματεύς aus dem späten 4. Jhdt. v. Chr. S. o. S. 100.

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kaum.176 Die Erzählung rekapitulierte stattdessen nach der chronologischen Reihenfolge die früheren Tätigkeiten und trug damit wie schon die Motivberichte in den vorangegangenen Ehrendekreten vornehmlich zur Erinnerung an die einzelnen Leistungen des Zosimos bei.177 Die Gründe für die dauerhafte Publikation der drei Ehrendekrete werden in der Summe vornehmlich in persönlichen Motiven gelegen haben. Die Polis Priene scheint kaum Interesse an der Veröffentlichung gehabt zu haben. Die Aufzeichnung von entsprechenden Beschlüssen war zur Zeit des Zosimos zudem vermutlich schon eine unzeitgemäße Praxis und bedeutete einen Rückgriff auf überkommene Traditionen. Durch die – wohl von ihm selbst orchestrierte – Anbringung der eigenen Ehrendekrete an der Westwand der Nordhalle versuchte der römische Neubürger zunächst an die bürgerlichen Traditionen der Stadt anzuknüpfen und über die Anbindung an die verdienten Persönlichkeiten aus früheren Generationen Akzeptanz und Prestige zu erwerben oder zumindest zu reklamieren. Neben der räumlichen Nähe suchten die Inschriften auch in Aussehen und Gestaltung den Anschluss an die vorangegangenen Ehrendekrete. Auch in der Darstellung dienten die drei Beschlüsse vornehmlich den persönlichen Interessen und der Selbstdarstellung des herausragenden Bürgers. Allgemeine Wertvorstellungen oder Tugendbeispiele zur Nachahmung boten die Erzählungen nur in begrenztem Rahmen. Die Vorstellungen der Stadt von einem guten Bürger scheinen zudem zwischen dem späten 2. Jhdt. v. Chr. und der Zeit des Zosimos einen allmählichen Wandel vollzogen zu haben. Die Motivberichte passten sich in der Folge den neuen Verhältnissen an. Eine umfassende Gesamtdarstellung vom Leben eines herausragenden Bürgers als Verwirklichung der idealen Bürgertugenden boten die drei Ehrendekrete für Zosimos dementsprechend nicht. Stattdessen hatten die Beschlüsse trotz der Rekapitulation von früheren Verdiensten stets einen konkreten Anlass.178 Das Individuum mit seinen persönlichen Leistungen und Erfolgen stand im Zentrum der Erzählungen. Auch die rhetorische Ausarbeitung diente vornehmlich der individuellen Erhöhung. Demokratische Ideale oder allgemeine Tugendvorstellungen transportierten die Beschlüsse im Gegensatz zu früheren Ehrendekreten nicht. Vorbildliches Engagement um die Polis definierte sich vornehmlich über finanzielle Leistungen. Zosimos stand sowohl mit den eigenen Anstrengungen als auch mit den erhaltenen Ehrungen über den meisten Mitbürgern. Die allmähliche Verschiebung der Kräfteverhältnisse innerhalb der Stadt zu Gunsten von reichen Einzelpersonen

176

177 178

Die Inschrift zeigt zudem ein flüchtiges Schriftbild. Hiller von Gaertringen 1906, 103. Große Sorgfalt ließ die Polis demnach weder bei der literarischen Ausarbeitung noch bei der optischen Gestaltung walten. Zur Rekapitulation der früheren Verdienste s. allgemein Quaß 1993, 38. Einen ausführlichen Überblick über die Lebensleistung ergibt sich höchstens aus der Zusammenschau der drei Beschlüsse.

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scheint zum Ende des Hellenismus weit fortgeschritten gewesen zu sein.179 Statt der alten Familien, die zumindest im Ansatz die traditionellen Ideale der Polisdemokratie vertreten hatten, dominierte in der Polis Priene möglicherweise zunehmend eine Schicht von reichen – zumeist wohl römischen – Neubürgern ohne direkten Bezug zu den alten Traditionen und den bürgerlichen Wertvorstellungen.180 Ein großes Vermögen bedeutete für die neue Elite vermutlich ein hinreichendes Qualifikationsmerkmal und ermöglichte den Zugang zu prestigeträchtigen Polisfunktionen wie der Stephanephorie. 8.2.4 Die Ehrendekrete der Polis Priene als Beispiel für die allgemeine Entwicklung der Ehrenpraxis in der griechischen Welt Die Polis Priene ließ beinahe während des gesamten Hellenismus vom Ende des 4. Jhdts. v. Chr. bis in das späte 1. Jhdt. v. Chr. Ehrendekrete für eigene Bürger aufstellen.181 Die Publikation der Beschlüsse scheint dennoch keine Routine gewesen zu sein und erfolgte zumeist in Verbindung mit Krisen oder in Zeiten von politischen Umwälzungen.182 Lange Zeit diente die Veröffentlichung zudem nicht ausschließlich als zusätzliche Auszeichnung für die jeweiligen Personen. Im frühen Hellenismus konzentrierte sich die Aufstellung der Beschlüsse um die erste Hälfte des 3. Jhdts. v. Chr. Der Schwerpunkt der Erzählungen lag auf militärischen Leistungen wie der Verteidigung der Stadt oder der Übernahme des Kommandos über die Teloneia. Zum Teil veranlassten erst krisenhafte Ereignisse wie der Einfall der Kelten in Kleinasien die Stadt zur Aufstellung von Ehrendekreten. In deutlichen Worten formulierten die Beschlüsse aus dem frühhellenistischen Priene die Ideale von Freiheit und Demokratie. In Abhängigkeit von mächtigen Einzelpersonen befand sich die Polis im frühen Hellenismus noch nicht. Bedrohungen der eigenen Freiheit versuchte die Stadt etwa durch die Kontrolle der Kommandanten in der Stadtfestung vorzubeugen. In den Jahren um 200 v. Chr. scheinen Probleme bei der Lebensmittelversorgung vereinzelt die dauerhafte Publikation von Beschlüssen bewirkt zu haben. Einen erneuten Aufschwung erlebte die öffentliche Aufzeichnung von Ehrendekreten in der Polis Priene allerdings erst in den Jahren um 130 v. Chr. Neues Zentrum der öffentlichen Ehrung 179

180 181 182

Vgl. Fröhlich 2005, 247: «(…) un des exemples les plus anciens, qui annonce l’époque impérial.» In den Ehrendekreten für Moschion, Herodes, Krates oder auch Herakleitos hatten sich die entsprechenden Entwicklungen bereits angedeutet. Zum gesellschaftlichen Wandel in Priene s. auch Kah 2012a, 68. Kah 2015, 393. Vgl. Ferrary 1997, 202. Durch den guten Erhaltungszustand der Stadt ist der epigraphische Befund ein Sonderfall. S. auch o. S. 97 f. Anm. 4. Ein Zufall der Überlieferung können die Schwerpunkte in der zeitlichen Verteilung vor dem Hintergrund der umfangreichen Gesamtdokumentation nicht sein. S. auch o. S. 283.

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von eigenen Bürgern war an Stelle des im Frühhellenismus für die Aufstellung von Stelen genutzten Athenatempels die Agora mit den als Gesamtensemble konzipierten Statuenreihen und den zahlreichen Ehrendekreten an den Wänden der Nordhalle. Eine routinemäßige Veröffentlichung der entsprechenden Beschlüsse entwickelte sich jedoch auch im späthellenistischen Priene nicht. Die meisten Inschriften scheinen – zumindest an der Westwand der Nordhalle – im Abstand von einigen Jahrzehnten angebracht worden zu sein. Für jede Bürgergeneration sind umfangreiche Ehrungen mit Aufzeichnung der entsprechenden Ehrendekrete demnach vermutlich nur für wenige Personen anzunehmen und werden nicht an der Tagesordnung gewesen sein – auch wenn die umfangreiche Dokumentation aus dem späthellenistischen Priene zunächst den Eindruck der ständigen Vergabe von Ehrungen durch die Polis erwecken mag. Großen Einfluss auf das erneute Aufkommen der entsprechenden Praktiken nahmen mit Sicherheit die politischen Entwicklungen um die Einrichtung der römischen Provinz sowie die damit verbundenen Umwälzungen in Politik und Gesellschaft.183 So mag etwa die neuerliche Beschwörung der bürgerlichen Tugenden eine Reaktion auf die veränderten Umstände gewesen sein. Das Hochhalten der traditionellen Werte entsprang dem Bemühen um Selbstvergewisserung und Identitätsfindung. In Umfang und Inhalt zeigten die späthellenistischen Ehrendekrete aus der Polis Priene eine neue Qualität. Unter dem Einfluss von literarischen Vorbildern entwarfen die Beschlüsse ausführliche und idealisierende Lebensdarstellungen und umspannten mit Erzählungen, die in der Regel auch einen rhetorischen Anspruch verfolgten, das gesamte Leben der herausragenden Bürger von Jugend und Ausbildung bis zu Tod und öffentlichem Staatsbegräbnis.184 In der inhaltlichen Gestaltung zeigten einzelne Erzählungen sogar Bezüge zu den vorangegangenen Beschlüssen. Im Zentrum der Motivberichte standen die politische Karriere und das öffentliche Engagement der Bürger. Zumindest im späten 2. Jhdt. v. Chr. dienten die ausführlichen Erzählungen der Polis daneben stets auch als Beispiele für eine ideale Lebensgestaltung. Das Ehrendekret für Athenopolis und möglicherweise auch der Beschluss für Menedemos verzichteten sogar auf konkrete Bezüge zu den erbrachten Leistungen der ausgezeichneten Personen und boten stattdessen theoretische Abhandlungen über Bürgertugend und vorbildliches Verhalten. Die individuellen Tatenkataloge zeig183

184

Auch die Unruhen im Zuge der Kriege zwischen Rom und Mithradates VI. werden im frühen 1. Jhdt. v. Chr. Niederschlag in den Ehrendekreten der Stadt gefunden haben. So mögen die Probleme, die in den Ehrendekreten für Krates und Herakleitos beschrieben wurden, zumindest zum Teil Folgen der Konflikte gewesen sein. Direkte Anspielungen auf die Auseinandersetzungen enthielten die Beschlüsse jedoch nicht. Zum Zusammenhang zwischen einem inhaltlichen Wandel der Ehrendekrete und politischen Veränderungen s. auch Kah 2015, 394. Zu den sprachlichen und literarischen Qualitäten der Beschlüsse s. ausführlich u. S. 432– 434. 449–455. Vgl. allgemein Kah 2015, 389.

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ten jedoch auch die große Bedeutung der bürgerlichen Eliten für das Überleben der Polis und rückten die Einzelperson als wichtiges Element der individuellen Selbstdarstellung zunehmend in das Zentrum der Erzählungen. Teilweise mag die Aufzeichnung der Beschlüsse daneben auch der gegenseitigen Konkurrenz von mehreren Personen entsprungen sein.185 Zunächst bewahrten die Ehrendekrete – so etwa die Beschlüsse für Moschion und Herodes – jedoch noch den Bezug zu bürgerlichen Werten und demokratischen Idealen.186 Die ausführlichen Lebensbeschreibungen dienten ebenso zur Verbreitung von allgemeinen Wertvorstellungen wie zur persönlichen Überhöhung von verdienten Bürgern. Erst im Verlauf des Späthellenismus gewannen individuelle Leistungen von Einzelpersonen in den Darstellungen zunehmende Bedeutung.187 In diesem Zusammenhang wandelte sich auch der Inhalt der ausführlichen Leistungsberichte. Bereits in den Ehrendekreten für Moschion und Herodes waren finanzielle Leistungen und Festveranstaltungen wichtige Bestandteile des Engagements. Im Zentrum der Erzählungen standen jedoch weiterhin politische Verdienste um das Wohl der bedrohten Polis. In der Folge scheint eine zunehmende «Verhäuslichung» des öffentlichen Bereichs durch reiche Bürger eingesetzt zu haben.188 Schon die Ehrendekrete für Krates und Herakleitos berichteten neben politischen Leistungen vermehrt von Festveranstaltungen und privaten Feiern. Reiche Bürger vereinnahmten allmählich das öffentliche Leben der Stadt und erwarben sich öffentliche Anerkennung weitgehend über finanzielle Leistungen. Die Ehrendekrete verloren in diesem Zusammenhang mit der politischen Bedeutung zugleich einen wichtigen Teil der ursprünglichen Funktionen. Im Zuge der Entwicklungen steigerten sich auch die an Einzelpersonen verliehenen Privilegien. Mit der Zeit verloren die Ehrungen weitgehend den Bezug zu den erbrachten Leistungen und dienten lediglich der individuellen Erhöhung von Ausnahmebürgern. Von besonderen Anerkennungen für herausragende Leistungen in Politik und Krieg entwickelten sich die Ehrungen zunehmend zu Kompensationen für finanzielles Engagement. Den Endpunkt der Entwicklung bildeten in Priene die Ehrendekrete für den römischen Neubürger A. Aemilius Zosimos. Durch hohe Ausgaben in verschiedenen Polisfunktionen hatte sich der reiche Euerget für umfangreiche Auszeichnungen durch Rat und Volksversammlung qualifiziert. Die Aufzeichnung der entsprechenden Beschlüsse griff vermutlich auf eine bereits aus der Mode gekommene Praxis zurück und sollte dem Neubürger durch die 185 186 187 188

Zur Konkurrenz von einzelnen Bürgern im Späthellenismus s. allgemein Hamon 2007, 83. Vgl. Fröhlich 2005, 254: «Priène est toujours une cité au fonctionnement démocratique.» S. auch Gauthier 1985, 74. Migeotte 2014, 298. Kah 2015, 393. Zur Gesellschaft im späthellenistischen Priene s. Gauthier 1985, 74. Fröhlich 2005, 254– 256. Zuletzt auch Kah 2015, 391–394. Zur «Verhäuslichung» des öffentlichen Bereichs s. Wörrle 1995, 245. Vgl. Kah 2015, 389 f. S. auch u. S. 325.

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Verbindung zu den großen Helden der Vergangenheit Akzeptanz und Prestige in der Polisgemeinschaft sichern. Die beschriebenen Verschiebungen innerhalb der Bürgerschaft scheinen insgesamt jedoch eine allmähliche Entwicklung gewesen zu sein. In eine weitgehende Abhängigkeit von den individuellen Leistungen und Wünschen von herausragenden Einzelpersonen geriet die Polis Priene möglicherweise erst in der Mitte des 1. Jhdts. v. Chr. – dem Abfassungszeitpunkt der Beschlüsse für Zosimos.

8.3 Bewährung in der Krise – Das Ehrendekret für den zweimaligen Gymnasiarchen Menas aus Sestos Die Polis Sestos auf der thrakischen Chersones scheint während des Hellenismus insgesamt nur wenige Inschriften und mit dem Beschluss für Menas lediglich ein Ehrendekret für einen eigenen Bürger aufgestellt zu haben.189 Die Publikation des Beschlusses erfolgte im Zusammenhang mit tiefgreifenden Veränderungen in der politischen Landschaft der Region und stand wie in vielen Städten aus dem ehemaligen Königreich der Attaliden im Zusammenhang mit dem Ende der pergamenischen Monarchie im Jahr 133 v. Chr.190 Eine aktuelle Notsituation, die eine zeitweise Bedrohung für die Existenz der Polis bedeutet haben wird, mag zudem einen konkreten Anlass für die Errichtung des Monuments gegeben haben. Der offizielle Grund für die Verabschiedung des Ehrendekrets war jedoch die zweite Gymnasiarchie des Menas. Der Beschluss stellte die Leistungen als Gymnasiarch als Höhepunkt der Karriere prominent an das Ende des Motivberichts und räumte der Darstellung der Verdienste innerhalb der Erzählung mit Abstand den meisten Platz ein. Auch bei der Ausrufung des Menas sowie in der Ehreninschrift auf dessen Bronzestatue wurde auf die zweimalige Gymnasiarchie als Anlass der Ehrung verwiesen (97–98/99–100). Zunächst präsentierte die Beschlussvorlage des Menandros nach einem knappen Präskript jedoch unterschiedlichste Leistungen und Erfolge aus dem Leben des herausragenden Bürgers. Die Erzählung spannte dabei einen Bogen von der frühesten Kindheit bis zu den aktuellen Leistungen und ordnete die einzelnen Tätigkeiten nach thematischen Kategorien, deren Binnengliederung wiederum einem chronologischen Schema folgte.191 189 190

191

GIBM 1000 = I. Sestos 1. Der genaue Abfassungszeitpunkt des Ehrendekrets für Menas lässt sich nicht ermitteln. Vermutlich datiert der Beschluss in die Jahre 133–120 v. Chr. Krauss 1980, 43. Gauthier 2000a, 50. Zu den historischen Hintergründen des Beschlusses s. Krauss 1980, 22–24. Vgl. Potter 1988, 293 f. Quaß 1993, 291. Daubner 2 2006, 15. 72 f. Eine chronologische Anordnung der Ereignisse ist auszuschließen. Die erste Gymnasiarchie des Menas ist sicher in die Jahre vor 133 v. Chr. zu datieren. Einzelne Ereignisse der diplomatischen Tätigkeit fallen in die Jahre nach 133 v. Chr. Queyrel 2003, 37. Der

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Seine Beschlussvorlage begann Menandros zunächst jedoch mit allgemeinen und ausführlichen Reflexionen über die Tugendhaftigkeit und die persönliche Einstellung des Menas und betonte in diesem Zusammenhang insbesondere das stete Bemühen um das Wohl der Polis (2–10).192 Der anschließende Abschnitt thematisierte diplomatische Erfolge und zeigten den herausragenden Bürger bei zahlreichen Gesandtschaften zu den pergamenischen Königen, in Verhandlungen mit einem Straton, der als Stratege über die Chersones und die Grenzgebiete zu Thrakien eingesetzt worden war, sowie auf Reisen zu Verhandlungen mit den römischen Feldherren und anderen römischen Abgesandten in der unsicheren Situation nach dem Ende der Monarchie (10–26).193 Unter den zahlreichen Gefahren für die Polis berichtete der Beschluss dabei etwa auch über eine Bedrohung durch thrakische Stämme und rekapitulierte zum Ende des Abschnitts als zusammenfassende Würdigung noch einmal alle außenpolitischen Verdienste (24–26). Der zweite Abschnitt der Erzählung widmete sich öffentlichen Funktionen in der Heimatstadt Sestos (26–53). Als Priester des Königs Attalos übernahm Menas alle mit der Funktion verbundenen Kosten und kümmerte sich um die Bürger, die übrigen Stadtbewohner sowie die anwesenden Fremden.194 Für die erste Gymnasiarchie verzeichnete der Beschluss zahlreiche Bemühungen um die bauliche Ausgestaltung der Einrichtung wie die Errichtung eines Badehauses mit Anbau oder die Aufstellung eines Marmorstandbilds. Daneben organisierte Menas monatliche Opfer am Geburtstag des Königs, veranstaltete Wettkämpfe, stiftete Öl und konnte die jungen Männer in der Folge für das Training begeistern.195 Für Beschluss berichtete zunächst jedoch von den außenpolitischen Ereignissen und erst im Anschluss von städtischen Funktionen wie der Gymnasiarchie. Mit dem ausführlichen Motivbericht und der gleichzeitigen Zuspitzung auf die zweite Gymnasiarchie als Höhepunkt der Ehrzählung war der Beschluss für Menas möglicherweise eine Zwischenstufe in der Entwicklung zu den ausführlichen Lebenswerkdekreten des Späthellenismus. Die entsprechenden Beschlüsse scheinen auch in der Folgezeit weiterhin an einem wichtigen Punkt in der Karriere eines Bürgers gefasst worden zu sein. Vorangegangene Beschlüsse aus dem gleichen Zeitkontext wie die Ehrendekrete für die Gymnasiarchen aus Pergamon hatten sich noch auf ein Ereignis beschränkt. S. o. S. 209 f. 192 Zur allgemeinen Einleitung s. Quaß 1993, 32. Wörrle 1995, 243 f. Zur literarischen Funktion s. auch u. S. 320 f. 193 Zur außenpolitischen Tätigkeit s. Hirschfeld/Marshall 1916, 146. Krauss 1980, 46–50. Potter 1988, 293 f. Quaß 1993, 109 Anm. 146. 112. 124. 126. Gauthier 2000a, 50. Briant/Brun/Varinlioğlu 2001, 252 f. Habicht 2001, 9. Brun 2004, 31. 33. 35. Schuler 2004, 186. Die Unruhen mögen zum Teil von antirömischen Gruppen ausgelöst worden sein. Daubner 2 2006, 160 Anm. 770. Die Inschrift lässt entsprechende Zusammenhänge nicht erkennen. 194 Zur Tätigkeit als Priester des Attalos s. Hirschfeld/Marshall 1916, 146. Krauss 1980, 50 f. Daubner 2 2006, 73. 195 Zur ersten Gymnasiarchie s. Hirschfeld/Marshall 1916, 146. Ziebarth 21914, 70 f. 153. Krauss 1980, 51–54. Quaß 1993, 207. 287–289. Queyrel 2003, 37. Aneziri/Damaskos 2004, 262 Anm. 107. Kah 2004, 87 f.

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seine Leistungen erhielt der Gymnasiarch durch Beschlüsse der Stadt Ehrungen in Form von Belobigung und bemalten Schilden mit Ehreninschriften und wurde zudem gemeinsam mit dem Ephebarchen durch Epheben und Neoi bekränzt. Seine Ehrungen bezahlte der Gymnasiarch stets selbst.196 Auf die Aufstellung eines entsprechenden Ehrendekrets scheint die Stadt jedoch verzichtet zu haben. Als Sestos zu einem späteren Zeitpunkt eigene Münzen prägen wollte und geeignete Männer für die Leitung des Vorhabens suchte, entschieden sich Rat und Volk ein weiteres Mal für Menas.197 Der nachfolgende Bericht über weitere Leistungen bei der Übernahme von öffentlichen Funktionen und Liturgien erfüllte für den zweiten Abschnitt die Funktion eines zusammenfassenden Abschlusses (49–53).198 Den eigentlichen Anlass des Ehrendekrets bildete jedoch die zweite Gymnasiarchie des Menas (53–86). Auch wenn die Tätigkeit als innenpolitische Funktion eigentlich noch zur zweiten Kategorie von Leistungen zählte, schufen die abschließende Zusammenfassung der früheren Leistungen sowie eine einleitende Beschreibung der historischen Umstände, die als retardierende Elemente einen klaren Einschnitt in der Erzählung markierten und der nachfolgenden Darstellung einen Sonderstatus verliehen, doch eine eindeutige Trennung zu den vorangegangenen Teilen des Motivberichts. Auch Länge und Ausführlichkeit des Tatenkatalogs, der zudem als Höhepunkt an das Ende der Erzählung gesetzt war, unterschieden die zweite Gymnasiarchie in der inneren Hierarchie von den anderen Leistungen des Menas.199 Die einleitende Beschreibung der historischen Umstände berichtete zunächst noch von den Problemen der Stadt durch Kriege und Überfälle von benachbarten Thrakern sowie den damit verbundenen Versorgungsengpässen – insbesondere in Form von Getreidemangel durch Ernteausfall (53–58).200 Obwohl auch Menas von der Krise nicht verschont geblieben war, übernahm er auf Aufforderung des Volkes im Anschluss dennoch zum zweiten Mal die Gymnasiarchie und übertraf sich im Vertrauen auf die Dankbarkeit der Stadt selbst in seinen Anstrengungen.201 Mit dem 196

Gauthier 2000a, 51. Zur Zuständigkeit für das Münzwesen s. Hirschfeld/Marshall 1916, 146 f. Krauss 1980, 54 f. Daubner 2 2006, 74 f. 198 Zur Zusammenfassung s. Krauss 1980, 55. Zur Verbindung von Funktionen und Liturgien s. Quaß 1993, 270. 199 Vgl. Gauthier 1982, 226. 200 Zur Beschreibung der historischen Umstände s. Hirschfeld/Marshall 1916, 147. Krauss 1980, 55 f. Quaß 1993, 126. 232. 234. Briant/Brun/Varinlioğlu 2001, 246. Brun 2004, 31. 33. Dreyer 2004, 228 Anm. 89. Schuler 2004, 188. Daubner 2 2006, 75. 201 61: [ὑ]περέθετο ἑαυτὸν ταῖς τε δαπάναις καὶ τῆι λοιπῆι φιλοδοξίαι. Das Übertreffen der eigenen Leistungen ist gerade in späthellenistischen Ehrendekreten oftmals ein Kernmotiv der Erzählungen. S. allgemein u. S. 439 f. Ein ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός sollte im Engagement für die Stadt niemals nachlassen und sich nach Möglichkeit immer weiter steigern. Daneben deuten die entsprechenden Passagen auch die überragende Bedeutung von einzelnen Bürgern an. Andere Personen konnten nicht an deren Leistungen heranreichen und 197

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Überbieten der eigenen Erfolge stilisierte der Motivbericht die Funktion in einem weiteren Aspekt zum Höhepunkt der Karriere. Im Anschluss berichtete der Beschluss bis ins Detail von den zahlreichen Leistungen des Menas wie der Veranstaltung von Opferfesten, der Einladung von Bürgern und fremden Besuchern des Gymnasions zu den anschließenden Speisungen, der Organisation von Wettkämpfen und der Stiftung von Siegespreisen – etwa in Form von bemalten Rundschilden der siegreichen Athleten.202 Daneben lud der engagierte Gymnasiarch auch Vortragsreisende in die Stadt ein und sorgte sich um die Ausstattung der Einrichtung mit ξύστραι und Öl. Eine ausführliche Hortativformel erörterte zum Abschluss des Motivberichts die Gründe der Stadt für die erneute Auszeichnung des verdienten Bürgers (86–92): Das Volk wollte Personen, die sich seit der frühesten Jugend um das Gemeinwesen verdient gemacht hatten, ehren und durch deren Beispiel sowie durch die Aussicht auf vergleichbare Ehrungen auch andere Leute zu öffentlichem Engagement veranlassen. In der Folge sollte das Gemeinwesen durch den Einsatz von einzelnen Bürgern für die Heimatstadt insgesamt eine Stärkung erfahren.203 Die Beispielhaftigkeit der Leistungen scheint demnach für die Entscheidung über die erneuten Ehrungen eine zentrale Rolle gespielt zu haben. Menas erhielt für seinen Einsatz umfangreiche Ehrungen (92–106): So erteilten Rat und Volk im Zusammenhang mit der üblichen Belobigung zunächst eine Erlaubnis zur Anbringung der Porträtschilde mit Ehreninschriften, die schon aus Anlass der ersten Gymnasiarchie beschlossen worden waren. Daneben verlieh die Stadt einen goldenen Kranz, der jährlich beim gymnischen Agon der Panegyris durch den jeweiligen Wettkampfleiter auszurufen war, sowie eine Bronzestatue mit Ehreninschrift im Gymnasion.204 Zudem erhielten Menas und seine Nachkommen einen Ehrensitz bei den Wettkämpfen der Stadt. Die dementsprechend auch nicht Maßstab für das Engagement sein. Das Vertrauen auf die Dankbarkeit der Stadt deutet zudem gleichsam ein reziprokes Verhältnis von Bürger und Polis an. 202 Zu den Leistungen als Gymnasiarch s. Hirschfeld/Marshall 1916, 146 f. Ziebarth 21914, 117. 136 f. 142. 155. Krauss 1980, 56–61. Gauthier 1982, 226–231. Quaß 1993, 287–289. Gehrke 2003, 243. Ameling 2004, 151 Anm. 137. 152. Dreyer 2004, 221 f. 230. Kah 2004, 87 f. Mango 2004, 275 f. 294. Scholz 2004b, 119. Schuler 2004, 174 Anm. 64. 186. Boulay 2014, 34. 37. 114. In einzelnen Formulierungen entsprach die Erzählung wörtlich dem Bericht über die erste Gymnasiarchie. Ein außergewöhnliches Engagement für die militärische Ausbildung der jungen Männer vor dem Hintergrund von drohenden Auseinandersetzungen beschrieb der Beschluss nicht. Vielmehr blieb Menas mit seinen Initiativen im Rahmen der üblichen Tätigkeit von Gymnasiarchen. «Den entscheidenden Beitrag zur Rettung der Stadt» werden «das Gymnasium und der Gymnasiarch Menas» nicht geleistet haben. So jedoch Krauss 1980, 25. Vgl. auch ebd. 24. Ähnlich Dreyer 2004, 228 Anm. 89. Daubner 2 2006, 75. 203 Zur Hortativformel s. Krauss 1980, 61 f. Quaß 1993, 30–32. Wörrle 1995, 241. Vgl. Schuler 2004, 189 Anm. 156. 204 Zu den verliehenen Ehrungen s. Krauss 1980, 62. Gauthier 2000a, 50. Über den Grund für die verspätete Anbringung der Porträtschilde schweigt der Beschluss.

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Kosten für das Standbild übernahm der ausgezeichnete Bürger, der auch das Ehrendekret auf eine weiße Marmorstele aufzeichnen und im Gymnasion aufstellen lassen sollte, in Anbetracht der angespannten Finanzlage der Polis selbst.205 Während Ausrufung und Ehreninschrift die zweimalige Gymnasiarchie des Menas dabei als Anlass der Ehrung erwähnten (97–98/99–100), erfolgte die Belobigung ausdrücklich für alle im Motivbericht genannten Leistungen (93). Insgesamt scheint die dauerhafte Publikation von Ehrendekreten in der Polis Sestos eine Ausnahme gewesen zu sein und wird demnach – insbesondere mit der detailreichen Darstellung – zunächst eine besondere Auszeichnung für die Verdienste in den Krisenjahren nach 133 v. Chr. bedeutet haben. Neben der individuellen Erinnerung betonte die Erzählung jedoch stets auch die Beispielhaftigkeit des Menas und präsentierte in den exemplarischen Erzählungen allgemeine Vorstellungen von einem ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός. Gerahmt von allgemeinen Abschnitten zu Tugend und bürgerlichen Werten zeigte der Motivbericht die Karriere des Menas trotz der Zuspitzung auf die Gymnasiarchie als ideale Verwirklichung eines beispielhaften Lebens im Dienst der Polis. Im Zentrum des Engagements standen stets die Stadt und das Allgemeinwohl. Auch die Hortativformel benannte die Stärkung des Gemeinwesens durch den Einsatz von einzelnen Bürgern als idealen Zustand.206 Die Aufzeichnung des Ehrendekrets wurde demnach vermutlich erneut erst durch das Zusammentreffen der unterschiedlichen Bedeutungsebenen – Dankbarkeit für besondere Leistungen und Verbreitung von Bürgerideologien – in der außergewöhnliche Krisensituation in den Jahren nach 133 v. Chr. veranlasst.207 Daneben zeigte sich im Zusammenhang mit den politischen Umwälzungen des Späthellenismus auch in der Polis Sestos der allmähliche Wandel der Gesellschaftsstrukturen. Insbesondere die Darstellungsweise des Ehrendekrets changierte zunehmend zwischen demokratischen Idealen und realpolitischen Zwängen. Menas übte seine Funktionen gemäß der demokratischen Tradition stets nach Wahl durch die Volksversammlung aus. Rat und Volk waren demnach nicht nur bei der Vergabe

205

102–105: ἐπεὶ δὲ | β. ουλόμενος διὰ τὴν ὑπάρχουσαν περὶ τὰ κοινὰ στενοχωρίαν χαρίζεσθαι καὶ ἐν τούτοις. | τῆι πόλει ἀναδέχεται ἐκ τῶν ἰδίων τὸ ἀνήλωμα τὸ εἰς τὸν ἀνδριάντα, προνοηθήτωι | ἵνα ὡς κάλλιστος σταθῆ. Zur Übernahme der Kosten s. Quaß 1993, 295. Gauthier 2000a, 51. 59. Eine Parallele zum Verhalten des Menas findet sich im Ehrendekret für Menippos aus Kolophon. S. o. S. 275 f. 206 Quaß 1993, 32. Wörrle 1995, 241. 247. Vielleicht bildete die zweite Gymnasiarchie aus diesem Grund auch den eigentlichen Anlass des Ehrendekrets – bot doch gerade das Gymnasion in der hellenistischen Zeit einen zentralen Ort für bürgerliche Selbstfindung und Identitätsstiftung. Zur Bedeutung des Gymnasions s. o. S. 189. Vgl. auch Wörrle 1995, 249. 207 Ausschließlich der individuellen Erinnerung diente das Ehrendekret entgegen der Darstellung von Scholz (2008, 88) nicht. Im Anschluss beschreibt Scholz selbst die idealisierenden Tendenzen der Ehrendekrete.

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von Ehrungen weiterhin die entscheidenden Instanzen in der Polis.208 Nach Darstellung des Beschlusses hatte sich die Stadt bei der Suche nach einem geeigneten Kandidaten für anstehende Aufgaben jedoch immer wieder für Menas entschieden. Auch wenn die Passage sicherlich eine rhetorische Zuspitzung enthielt, mag der Polis in der Praxis dennoch in vielen Fällen tatsächlich nur eine begrenzte Auswahl an geeigneten Personen zur Verfügung gestanden haben. Obwohl die politische Initiative demnach auch zu anderen Zeiten stets bei den bürgerlichen Eliten gelegen haben wird, scheint sich der entsprechende Personenkreis zum Ende des Hellenismus im Vergleich mit den früheren Jahrhunderten doch allmählich verkleinert zu haben. Gerade in Krisensituationen war die Stadt zunehmend auf das Engagement von einzelnen Bürgern angewiesen. Die einflussreichen Personen scheinen in der Folge – wie exemplarisch bereits an den etwa zur gleichen Zeit einsetzenden Ehrendekreten aus Kolophon und Priene gezeigt – weitgehend das politische Feld okkupiert zu haben und agierten auf Augenhöhe mit der Polis. Öffentliches Engagement stand in der Folge vornehmlich im Dienst von persönlichen Interessen und individuellem Prestigebedürfnis. Zunächst unterstützten die Städte vermutlich noch das Ruhmstreben von Einzelpersonen und versuchten den erbrachten Leistungen einen Nutzen für die Gemeinschaft abzugewinnen. So scheint sich auch Menas – gleichsam im reziproken Austausch von Leistung und Ehrungen – zum Teil erst durch die Aussicht auf angemessene Anerkennungen zu einem Engagement entschieden zu haben. Daneben gewannen auch in Sestos Reichtum und finanzielle Leistungen im Rahmen von öffentlichen Tätigkeiten im Späthellenismus an Bedeutung und erleichterten in der Folge insbesondere vermögenden Personen den Aufstieg in der Polis, die erst als Folge der politischen Veränderungen in eine zunehmende Abhängigkeit vom Wohlwollen eines kleinen Kreises an reichen Bürgern geraten sein wird.209 Zum Ende des 2. Jhdts. v. Chr. standen die Entwicklungen jedoch noch am Beginn. So zeigte sich die Stadt im Ehrendekret für Menas noch als starkes und selbstbewusstes Gemeinwesen mit politischen Konzepten und eindeutigen Erwartungshaltungen. Zentrum im Leben eines Bürgers hatte stets das Wohlergehen der Polis zu sein. Die inhaltlichen Konzepte verstand der Beschluss auch mit den Mitteln von Sprache und Stil umzusetzen. Die allgemeine Einleitung und die ausführliche Hortativformel, die am Ende der Erzählung in Ringkomposition auf die zu Beginn gleichsam als Grundkonstituenten für das gesamte Leben des Menas formulierten Motive wie den seit der frühesten Kindheit gezeigten Einsatz für die Polis oder das Streben

208 209

Vgl. Wörrle 1995, 248. Zu den Veränderungen im Inhalt der Beschlüsse s. allgemein u. S. 401 f. Vgl. auch Dreyer 2010, 352–354.

Bewährung in der Krise

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nach Ruhm und Ansehen rekurrierte, rahmten die Erzählung (2–10/86–92).210 Die beiden Passagen waren durch ähnliche Formulierungen auch in Sprache und Wortwahl aufeinander abgestimmt und als bewusste Einheit komponiert. Ein Musterbeispiel für eine typische Hortativformel enthielt der Beschluss demnach gerade nicht.211 Stattdessen hatten die allgemeinen Abschnitte in Komposition und Gesamtanlage des Ehrendekrets eine spezifische Funktion zu erfüllen und boten mit den grundsätzlichen Überlegungen sowohl den formalen Rahmen als auch die inhaltlichen Klammern für die Erzählung. Mit Verweisen auf die κακοπαθία (23) sowie die φιλοδοξία (38/61/70) oder die φιλοτιμία (49) griff die Beschlussvorlage daneben auch in den erzählenden Passagen immer wieder die programmatischen Motive der Einleitung auf. Das selbstlose Engagement für die Polis sowie das Streben nach Ehre waren in der inneren Logik des Beschlusses die zentralen Antriebe für die Leistungen des Menas und zogen sich dementsprechend auch auf der literarischen Ebene als Leitmotive durch die gesamte Erzählung. Entsprechend der zentralen Bedeutung für die Gesamtkomposition des Motivberichts zeigten der einleitende Abschnitt und die abschließende Hortativformel auch in Sprache und Stil eine aufwendige Gestaltung. Die Abschnitte arbeiteten etwa mit μὲν – δέ Konstruktionen oder langen Reihen an Verneinungen sowie mit den Stilmitteln Chiasmus und doppelte Verneinung. Auch die anderen Episoden des Ehrendekrets zeigten eine literarische Gestaltung. So formulierte etwa der Bericht über die Verdienste um die Münzprägung in Sestos die enthaltene Würdigung als indirektes Lob (43–48).212 Da der Demos gewissenhafte und gerechte Männer für die Verwaltung des Geldes suchte, wurde Menas mit einem Kollegen, den die tendenziöse Erzählung lediglich am Rand erwähnte, in die entsprechende Position gewählt. Es blieb dabei den Zuhörern und Lesern überlassen, die positiven Eigenschaften auf die ausgezeichnete Person zu übertragen. Der Beschluss selbst traf keine Aussage über die charakterliche Eignung des Menas.213 Durch die Verwendung von Stilmitteln wie Parallelismus, Chiasmus oder Hyperbaton rundete Menandros seinen Motivbericht zusätzlich ab. Die darstellenden Abschnitte

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Teilweise scheint die Hortativformel daneben auch philosophische Vorstellungen von der erzieherischen Vorbildfunktion der Ehrendekrete reflektiert zu haben. Gray 2013, 250– 252. So jedoch Quaß 1993, 30 f. «Formeln dieser Art (…) sind in den meisten der oben angeführten Beschlüsse (…) enthalten. Es finden sich bei ihnen in mehr oder weniger ausführlicher Form die gleichen Elemente wieder wie in der Hortativformel des Menasdekrets; nur dass diese Momente hier besonders weitschweifig formuliert vorliegen». Vgl. auch Wörrle 1995, 241. Gehrke 2003, 231 f. 43–48: (vac.) τοῦ τε δήμου προελομέ|νου νομίσματι χαλκίνῳ χρῆσθαι ἰδίωι χάριν τοῦ νομειτεύεσθαι μὲν τὸν τῆς π[ό]|[λ]εως χαρακτῆρα, τὸ δὲ λυσιτελὲς τὸ περιγεινόμενον ἐκ τῆς τοιαύτης προσόδου | λαμβάνειν τὸν δῆμον, καὶ προχειρισαμένου τοὺς τὴν πίστιν εὐσεβῶς τε καὶ | δικαίως τηρήσοντας, (vac.) Μηνᾶς αἱρεθεὶς μετὰ τοῦ συναποδειχθέντος τὴν κα|θήκουσαν εἰσηνέγκατο ἐπιμέλειαν. Hortativformeln arbeiteten oftmals mit ähnlichen Konstruktionen.

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Kolophon, Priene, Sestos

der langen Erzählung, deren Gesamtstrukturen zunächst auch durch die thematische ­ liederung verdeutlicht wurden, waren zudem im Hinblick auf die mündliche VerG lesung des Antrags in der Volksversammlung auch durch sprachliche Mittel strukturiert. So kennzeichnete die enklitische Partikel τε jeweils den Beginn eines neuen Abschnitts. Die Enden von Episoden oder Teilsätzen waren durch Prosaklauseln rhythmisch gestaltet und erleichterten den geschulten Zuhörern zusätzlich die Rezeption der langen Rede.214 Zum Abschluss der einzelnen Kategorien bot der Beschluss zudem noch einmal allgemeine Zusammenfassungen der jeweiligen Verdienste und markierte damit zugleich das Ende der Abschnitte (24–26/49–53). Späteren Lesern der Inschrift wurde die Orientierung innerhalb des Beschlusses daneben auch durch kleine Leerstellen zwischen den einzelnen Sinnabschnitten erleichtert.215 Selbst innerhalb der einzelnen Erzählungen zeigte sich durch den Einsatz von sprachlichen Mittel wie μὲν – δέ Konstruktionen, Gegensatzpaaren wie οὐ μόνον – ἀλλὰ καί und Aufzählungen mit den Verknüpfungen τε, καί oder δὲ καί das Bemühen um eine Strukturierung der Beschlussvorlage. Die Berichte über die beiden Gymnasiarchien des Menas zählten in parallelen Reihungen, die für die Zuhörer zudem vermutlich leicht nachzuvollziehen waren, einzelne Leistungen und Verdienste während der jeweils einjährigen Tätigkeit auf (31–38/62–85).216 So präsentierte etwa der dreigliedrige Ausdruck ἔθηκεν δὲ καὶ (…) ἔθηκεν δὲ καὶ (…) ἔθηκεν δὲ κα[ί] (81–83) zum Ende des zweiten Abschnitts mehrere Verdienste des Gymnasiarchen in sich steigernder Abfolge. Viele Verben waren zudem programmatisch an den Beginn der einzelnen Perioden gesetzt und betonten damit zugleich die aktiven Handlungen des Menas. Die lange Reihe an Verdiensten versinnbildlichte daneben noch einmal den enormen Umfang des Engagements und sollte vermutlich auch Eindruck auf die Zuhörer machen.

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Neben Klauseln wie Doppelkretikus (15: γείνεσθαι τῆι πόλει/20: συνφέροντα τῆι πόλει) und katalektischem Doppelkretikus (26: περὶ τὸν δῆμον) verwendeten die Verfasser vereinzelt auch Rhythmen wie Ditrochäus (4: φειδόμενος) und Doppelspondeus (22: πεμπομένους πρεσβευτάς). 215 Die modernen Editionen zeigen die Leerstellen bis auf die Datenbank des PHI jedoch nicht. Zu erkennen sind die Auslassungen lediglich in der Umzeichnung des Steins bei Hirschfeld/Marshall 1916, 142–145. 216 Auf Dauer mögen die langen Reihungen auf die Zuhörer freilich auch etwas ermüdend gewirkt haben.

Lebenswerkdekrete im Kontext des gesellschaftlichen Wandels

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8.4 Lebenswerkdekrete im Kontext des gesellschaftlichen Wandels im Späthellenismus Unter dem Einfluss der gesellschaftlichen und politischen Veränderungen im Zusammenhang mit dem Ende des pergamenischen Königreichs begannen die Städte Kolophon und Sestos im späten Hellenismus zum ersten Mal mit der Publikation von ausführlichen Ehrendekreten für eigene Bürger. Auch die Polis Priene ließ entsprechende Traditionen nach über 100 Jahren erneut aufleben und passte die epigraphische Praxis zugleich den neuen Entwicklungen sowie den allgemeinen Zeitumständen an. Die Inschriften waren jedoch stets Ausnahmeerscheinungen und blieben vornehmlich Reaktionen auf besondere Ereignisse. Die Städte Kolophon und Sestos scheinen außer den jeweiligen Beschlüssen keine Ehrendekrete publiziert zu haben. Rat und Volk von Priene ließen ab den Jahren um 130 v. Chr. insbesondere an den Seitenwänden der Nordhalle auf der Agora zahlreiche Beschlüsse zu Ehren von eigenen Bürgern aufzeichnen. Neben ausführlichen Lebenswerkdekreten publizierte die Polis auch allgemeine Beschlüsse ohne ausführliche Tatenkataloge sowie Ehrendekrete zu einzelnen Anlässen. Nichtsdestotrotz blieb die dauerhafte Aufzeichnung von Ehrendekreten für eigene Bürger – zumal von ausführlichen Lebenswerkdekreten – selbst im späthellenistischen Priene eine Ausnahme. So konnten je Generation vermutlich nur wenige Personen bei günstigen Umständen auf eine entsprechende Anerkennung der eigenen Leistungen hoffen.217 Im Vergleich zu den frühhellenistischen Lebenswerkdekreten aus anderen Städten hatten die Städte Kolophon und Priene die eigenen Beschlüsse – vermutlich auch unter dem Einfluss von literarischen Strömungen – im Hinblick auf den Gesamtumfang und die inhaltliche Breite erweitert.218 Das Ehrendekret für Menas aus Sestos stand mit dem ausführlichen Motivbericht und der gleichzeitigen Zuspitzung auf eine Einzelleistung möglicherweise an der Übergangsphase der Entwicklung. Ebenso mag die Polis Sestos mit dem Beschluss für Menas jedoch auch einen Sonderweg gegangen sein. Vorangegangene Beschlüsse wie Ehrendekrete für die Gymnasiarchen aus Pergamon hatten sich noch auf ein Ereignis beschränkt.219 In der Regel waren die Erzählungen mit

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Hinweise auf eine Altersgrenze für den Erhalt eines Lebenswerkdekrets – eine schon für das frühhellenistische Athen in Zweifel zu ziehende Vorstellung – enthalten die Beschlüsse nicht. In der Regel werden die jeweiligen Personen die Auszeichnungen jedoch zum Ende der Karriere erhalten haben. S. auch o. S. 93 f. Die Beschlüsse aus Kolophon und Priene behaupten im Hinblick auf Umfang und inhaltliche Breite eine Sonderstellung unter den Ehrendekreten der griechischen Städte. Die frühhellenistischen Lebenswerkdekrete aus Athen, Samos, Erythrai, Olbia oder Histria bewahren stets einen geringeren Umfang. Teilweise beschränken sich die frühhellenistischen Lebenswerkdekrete zudem auf die politische Tätigkeit. S. auch o. S. 209 f.

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Kolophon, Priene, Sestos

rhetorischem Aufwand gestaltet und verfolgten eine inhaltliche Gesamtkonzeption.220 Die veröffentlichten Lebenswerkdekrete entsprachen demnach vermutlich in weiten Teilen den ursprünglichen Anträgen, die den Volksversammlungen nach der mündlichen Verlesung zur Abstimmung vorgelegen hatten. Die Beschlüsse bemühten sich zunehmend um umfangreiche Gesamtdarstellungen vom Leben der ausgezeichneten Personen und umspannten – etwa im Gegensatz zu den Ehrendekreten aus dem frühhellenistischen Athen mit der weitgehenden Beschränkung auf die politische Tätigkeit – in verschiedenen Kategorien weite Teile der persönlichen Biographien von der Kindheit bis zum Tod. Durch die Konzentration auf die individuellen Lebensläufe rückten die Beschlüsse – gleichsam in aristokratischen Traditionen der Selbstdarstellung – die herausragenden Einzelpersonen zunehmend in den Vordergrund und trugen damit vermutlich auch der gestiegenen Bedeutung der städtischen Eliten Rechnung. Ebenso dienten die Ehrendekrete den Städten in den unruhigen Zeiten nach dem Ende des pergamenischen Königreichs zunächst jedoch auch weiterhin zur Selbstvergewisserung sowie zur Rückbesinnung auf die eigenen Werte. Die späthellenistischen Ehrendekrete aus Kleinasien spiegelten zugleich einen grundlegenden Wandel in den Gesellschaftsstrukturen der griechischen Städte. Etwa ab der Mitte des 2. Jhdts. v. Chr. – vermutlich im Zusammenhang mit der allmählichen Ausbreitung der römischen Macht im östlichen Mittelmeerraum – begannen sich der Einfluss und die politischen Kräfte in den Städten zu Gunsten von einzelnen Bürger zu verschieben.221 Spätestens mit dem Ende des pergamenischen Königreichs und den anschließenden Umwälzungen scheint sich in Kleinasien endgültig der Wandel von der «haute époque hellénistique» zur «basse époque hellénistique» vollzogen zu haben.222 Die Städte in der neuentstandenen Provinz mussten den eigenen Status durch Verhandlungen mit Magistraten vor Ort sowie mit dem Senat in Rom neu austaxieren. Zu Beginn gab die römische Herrschaft vermutlich noch Anlass zur Hoffnung auf ein erneutes Aufleben von Freiheit und Selbstbestimmung. Langfristig führte die Eingliederung in das römische Herrschaftssystem jedoch zum

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Zur literarischen Qualität der Beschlüsse sowie zur Nähe der ausführlichen Lebensbeschreibungen zu Rhetorik und Biographie s. zusammenfassend u. S. 457–459. 221 Zu den Veränderungen im späthellenistischen Priene s. Gauthier 1985, 74: «La cité n’est pas morte, mais l’influence des grands bienfaiteurs y est plus importante et s’y exerce autrement qu’à la haute époque hellénistique.» Vgl. Fröhlich 2005, 254–256. Hamon 2005, 143 f. Hamon 2007, 93–96. Kah 2015, 393 f. Zur allmählichen Hierarchisierung der städtischen Führungsschichten s. auch allgemein Dreyer/Weber 2011, 35–40. Vgl. Wiemer 2013, 64–67. Zum zunehmenden Reichtum von einzelnen Bürgern im späten Hellenismus s. Arrayás Morales 2010, 373. 222 Insbesondere gesellschaftliche Veränderungen lassen sich in der Regel selbstverständlich nicht an einem einzelnen Ereignis festmachen. Nichtsdestotrotz scheinen die politischen Umwälzungen der Jahre nach 133 v. Chr. entscheidenden Einfluss auf die weiteren Entwicklungen in Kleinasien genommen zu haben.

Lebenswerkdekrete im Kontext des gesellschaftlichen Wandels

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politischen Bedeutungsverlust der griechischen Städte. Einzelne Bürger konnten die neuen Verhältnisse nutzen und die persönliche Machtstellung sowie den politischen Einfluss in der Heimat allmählich ausbauen.223 Mit der Zeit entwuchsen die jeweiligen Personen dem bürgerlichen Rahmen und standen über der zumindest in der Theorie egalitären Gemeinschaft aus freien und gleichen Polisbürgern. Im Zuge der politischen Veränderungen gewannen Leistungen aus dem privaten Bereich wie Spendenverteilungen oder private Bankette gegenüber politischem Engagement zunehmend an Bedeutung und hatten eine «Verhäuslichung» des öffentlichen Bereichs zur Folge.224 Am Ende der Entwicklung stand das für die Städte in der römischen Kaiserzeit typische Honoratiorenregime.225 Der gesellschaftliche Wandel und der politische Bedeutungsverlust der Städte führten auch zu Veränderungen in der inhaltlichen Gestaltung der Ehrendekrete.226 Zum Ende des 2. Jhdts. v. Chr. dienten die ausführlichen Tatenkataloge neben der ehrenden Erinnerung an herausragende Verdienste stets auch zur Verbreitung von Tugendidealen und Wertvorstellungen. Die umfangreichen Lebensbeschreibungen präsentierten in diesem Zusammenhang zugleich ideale Karrieren von herausragenden Bürgern und verstanden sich als Beispiele für ein vorbildliches Leben im Dienst der Polis. Unter dem allmählichen Wandel der Gesellschaft im späten Hellenismus änderten sich auch die inhaltlichen Konzeptionen der Ehrendekrete. Die Beschlüsse verloren in der Folge die politischen Konnotationen und dienten zunehmend der Selbstdarstellung von herausragenden Einzelpersönlichkeiten. In den Beschlüssen für Moschion, Herodes, Menippos und Menas aus den Jahren nach 130 v. Chr. spielten Tugend und bürgerliche Werte dementsprechend trotz der gesteigerten Bedeutung des Individuums immer noch eine zentrale Rolle. Finanzielles Engagement und Privatveranstaltung traten allmählich jedoch bereits neben die politischen Erfolge. Die entsprechenden Leistungen bezeichneten die Beschlüsse zudem zum ersten Mal als Euergesien. In den Ehrendekreten für Krates und Herakleitos aus dem frühen 1. Jhdt. v. Chr. sowie teilweise schon im Beschluss 223

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225 226

Zur Pax Romana als entscheidendem Faktor für die Entwicklung s. Gauthier 1985, 74. Zum Einfluss der Römer s. auch Savalli-Lestrade 2003b, 62–64. Hamon 2005, 121–123. Dreyer 2010, 349. 363–365. Dreyer/Weber 2011, 25. Wiemer 2013, 56. 65–67. Mit einem Schwerpunkt auf interne Faktoren vgl. auch Hamon 2007, 87–91. Oftmals suchten die Römer bevorzugt den Kontakt mit prominenten Bürgern aus den städtischen Eliten. Rhodes/Lewis 1997, 549. Vgl. Schuler/Zimmermann 2012, 587. Wiemer 2013, 66. Wörrle 1995, 245. Vgl. Gauthier 1985, 74. Habicht 1995b, 88. Fröhlich 2005, 240. Hamon 2007, 93–96. 99. Scholz 2008, 85. Ein ähnliches Phänomen zeigt sich im Verlauf des Hellenismus auch in der Zunahme an privaten Ehrenstatuen in den Städten. Zur Aufstellungspraxis von Ehrenstatuen s. Ma 2013, 293–297. Zu privaten Ehrenmonumenten s. auch Biard 2017, 105–116. Zu den Honoratioren der Kaiserzeit s. Scholz 2008, 98 f. Insbesondere die Polis Priene bietet durch die reichhaltige Dokumentation einen Einblick in die beschriebenen Phänomene. Im Ansatz zeigen sich die Entwicklungen etwa auch in den Beschlüssen aus Kolophon.

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Kolophon, Priene, Sestos

für Polemaios scheint die Bedeutung von prächtigen Festveranstaltungen und privatem Engagement gewachsen zu sein. Die «Verhäuslichung» des politischen Bereichs war im Vergleich zum späten 2. Jhdt. v. Chr. fortgeschritten. Die Polis präsentierte in den Erzählungen weiterhin vorbildliches Engagement um die Gemeinschaft. Vorbildliches Verhalten und öffentliche Anerkennung definierten sich jedoch zunehmend über finanzielle Leistungen im privaten Bereich. Den Endpunkt der Entwicklung bildeten die Ehrendekrete für A. Aemilius Zosimos. Der römische Neubürger nutzte sein immenses Vermögen zur prächtigen Ausübung der höchsten Funktionen in der Polis Priene und ließ seine Leistungen durch Ehrendekrete erinnern. Rat und Volk scheinen das Interesse an der Aufstellung von entsprechenden Beschlüsse bereits verloren zu haben – zielten die Monumente doch vornehmlich auf die Überhöhung des Individuums und nicht auf die Verbreitung von allgemeinen Werten und Idealen. Als Folge der gesellschaftlichen Entwicklungen, die zugleich einen Rückgang der ideologischen Momente in den Erzählungen bedeuteten, kam die dauerhafte Publikation von Ehrendekreten aus der Mode. Knappe Ehreninschriften, die in der Regel zur persönlichen Erinnerung an herausragende Leistungen ausgereicht haben werden, ersetzten allmählich die ausführlichen Volksbeschlüsse.227

227

S. ausführlich u. S. 381. 402 f.

9. Eine Randregion der griechischen Welt – Ehrendekrete für eigene Bürger aus den griechischen Städten am Schwarzen Meer

Thraker, Geten, Skythen – die griechischen Städte an der Schwarzmeerküste sahen sich durch die exponierte Lage am Rand der Oikumene während des Hellenismus permanent der Bedrohung durch indigene Bevölkerungsgruppen ausgesetzt.1 Diplo­ matische Beziehungen zu lokalen Stammesfürsten sowie die militärische Sicherung des Stadtgebiets – etwa durch den Neubau oder die Renovierung von Befestigungen – hatten für die Politik der Gemeinwesen dementsprechend stets große Bedeutung. Im 1. Jhdt. v. Chr. geriet die Region als Nebenschauplatz zudem in die Auseinandersetzungen zwischen den römischen Bürgerkriegsparteien. Einzelne Städte an der Schwarzmeerküste wie Histria oder Olbia waren bereits im Zuge der «Großen Kolonisation» in der archaischen Zeit gegründet worden und besaßen dementsprechend zu Beginn des Hellenismus bereits eine lange Polistradition. Die Publikation von Ehrendekreten für eigene Bürger begann in diesen Städten zum Teil bereits zum Ende des 4. Jhdts. v. Chr. und konnte mit Unterbrechungen sogar bis in die römische Kaiserzeit fortdauern. Die Beschlüsse standen in vielen Fällen in Verbindung mit militärischen Bedrohungen durch die Einfälle von benachbarten Stämmen aus dem Landesinneren oder im Zusammenhang mit Ernteausfällen und Versorgungskrisen – in der Regel vermutlich ebenfalls eine Folge der Auseinandersetzungen. Eine vermehrte Aufstellung von Ehrendekreten erfolgte in den Jahrzehnten zum Ende des 3. Jhdts. v. Chr. – eine in der Schwarzmeerregion offensichtlich außergewöhnlich unruhige Zeit. Im Folgenden wird auch für die griechischen Städte an der Schwarzmeerküste nach den genauen Verbindungen zwischen den politischen Entwicklungen in der Region und der Publikation von Ehrendekreten zu fragen sein. Wann und in welchen Situationen errichteten die Gemeinwesen solche Monumente? Was wollten die Städte mit den Beschlüssen bewirken?

9.1 Versorgungskrisen und außenpolitische Konflikte – Die Ehrendekrete der Polis Histria Die Polis Histria an der Westküste des Schwarzen Meeres war eine milesische Gründung vom Ende des 7. Jhdts. v. Chr. und ließ nahezu während des gesamten Hellenis1

Zur Situation der griechischen Städte an der Schwarzmeerküste s. Moretti 1975, 148 f. Krauss 1980, 14–20. Gauthier 1985, 35 f. Avram 2015, 21–27. 41–46.

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Eine Randregion der griechischen Welt

mus von der Mitte des 3. Jhdts. v. Chr. bis in die Kaiserzeit Ehrendekrete für eigene Bürger aufstellen. Dabei riefen jedoch insbesondere die Ereignisse in den Jahrzehnten vor dem Ende des 3. Jhdts. v. Chr. eine verstärkte Publikation von Beschlüssen hervor. Im Zuge der öffentlichen Ehrungen ließ die Polis die eigenen Bürger zudem öffentlich als Euergeten einschreiben – eine in anderen Städten meist nur in Verbindung mit fremden Wohltätern geübte Praxis.2 9.1.1 Versorgungskrisen und Poliskulte Mit dem Beschluss für Diogenes, von dem in der Stadt an verschiedenen Orten mindestens zwei Abschriften nach dem im Archiv hinterlegten Originaldokument aufgestellt waren, publizierte die Polis Histria in den Jahren um 250 v. Chr. vermutlich zum ersten Mal ein Ehrendekret für einen eigenen Bürger.3 Der knappe Motivbericht beschränkte sich dabei weitgehend auf finanzielle Leistungen des Diogenes zur Entlastung der Heimatstadt bei bedrohlichen Versorgungskrisen (3–10) – möglicherweise eine weitere Folge der außenpolitischen Konflikte.4 Die Erzählung scheint dabei zunächst über eine bereits einige Zeit zurückliegende Spende berichtet zu haben und wandte sich erst in einem zweiten Abschnitt dem aktuellen Engagement des herausragenden Bürgers zu (10–25).5 Von der Stadt erhielt Diogenes, der selbst Sohn eines Wohltäters war, deshalb eine Belobigung, eine schriftliche Aufnahme in das Verzeichnis der Wohltäter des Volkes, einen goldenen Kranz, der bei allen Wettkämpfen zu verkünden war, sowie eine Bronzestatue auf der Agora.6 Während der gleichnamige Vater des Diogenes das Museion der Stadt errichtet und dem zugehörigen Musenkult durch eine Stiftung für die Opfer und die Zusammenkünfte des Demos eine langfristige Finanzierung gesichert hatte, sollte dessen Sohn das zugehörige Priestertum, das sich aus der privaten Initiative zu einem Poliskult entwickelt hatte, übernehmen und das Opfer anlässlich des Musenfestes leiten 2 3

4 5 6

Zu den «citoyens inscrits comme euergétai» in Histria s. Gauthier 1985, 33–36. Vgl. Avram 2015, 19 f. Eine Inschrift ist bis auf einige Lücken im oberen Bereich des Steins in weiten Teilen erhalten. IScM I 1. Vgl. Migeotte 1984 Nr. 40. Die andere Abschrift ist bis auf zwei kleine Fragmente der Resolution komplett verloren. IScM I 2 + 3. Zur Zusammengehörigkeit der beiden ursprünglich als zwei unterschiedliche Abschriften angesprochenen Fragmente s. Robert/Robert, BE 1966, 399 f. Migeotte 1984, 124 f. Avram 2000/2001, 337–339. Dana 2007, 195. Sichere Aussagen über den Inhalt des Motivberichts erlaubt der lückenhafte Erhaltungszustand jedoch nicht. Zu den Leistungen s. Robert/Robert, BE 1955, 238 f. Migeotte 1984, 125 f. Gauthier 1985, 33. Quaß 1993, 246. Zu den Ehrungen s. Robert/Robert, BE 1955, 239. Migeotte 1984, 125. Gauthier 1985, 33.

Versorgungskrisen und außenpolitische Konflikte

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(18: προθύειν).7 Daneben bekam der verdiente Bürger eine Einladung auf einen Ehrenplatz bei allen öffentlichen Opfern der Stadt und teilte als Kranzträger alle Privilegien der anderen Priester. Der jeweils älteste Nachkomme sollte das Priestertum übernehmen und – so die Erwartung der Stadt – auch im Engagement den herausragenden Vorfahren nacheifern.8 Zum Abschluss der Resolution traf die Polis zudem noch Bestimmungen zur Aufzeichnung des Beschlusses. Neben den persönlichen Erfolgen und den Privilegien des Diogenes spielten der Vater und die Nachkommen in allen Teilen des Ehrendekrets, das damit wiederum besondere Bedeutung für die Selbstdarstellung der gesamten Familie gewann, eine wichtige Rolle.9 So bedeuteten etwa auch die Vergabe des Priestertums der Musen, deren Kult spätestens seit der Initiative des Vaters in der Familie eine bedeutende Tradition besaß, auf Lebenszeit sowie das Privileg der Vererbbarkeit an die Nachkommen zunächst eine besondere Ehre für Diogenes und dessen Familienangehörige. Zugleich versuchte die Stadt durch die Übertragung der Zuständigkeiten jedoch auch die Ausübung des Kultes langfristig zu gewährleisten und für die Zukunft abzusichern. Die dauerhafte Aufzeichnung des Ehrendekrets diente dabei neben der persönlichen Ehre wohl ebenso der Festschreibung der Zuständigkeiten sowie der öffentlichen Dokumentation der getroffenen Bestimmungen und bot im Gegenzug auch der Familie und den Nachkommen des Diogenes, deren Prestige innerhalb der Polis sich durch die Ehrungen mit Sicherheit erhöhte, eine zusätzliche Garantie für den Fortbestand der Privilegien. Auch wenn das Ehrendekret die Vorrechte ausschließlich als Dank für erbrachte Leistungen präsentierte, bedeuteten die Ehrungen zugleich jedoch auch eine dauerhafte Verpflichtung. Erworben hatte sich Diogenes den Anspruch auf die besonderen Auszeichnungen letztlich durch seine Spende. Finanzielle Leistungen im kultischen Kontext spielten demnach in der Polis Histria im Kontext von Ehre und Anerkennung offensichtlich bereits im 3. Jhdt. v. Chr. eine Rolle. Zugleich verstanden Rat und Volk das Engagement von Einzelpersonen jedoch auch durch eigene Maßnahmen wie die lebenslängliche Verpflichtung für einen Kult einzufordern. Gegen Ende des 3. Jhdts. v. Chr. publizierte die Polis Histria ein Ehrendekret für einen Dionysios.10 Der Beschluss berichtete zunächst von früheren Leistungen   7  8

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Zum Priestertum s. Robert/Robert, BE 1955, 239 f. Chiekova, 2008, 265 f. Zum Museion s. auch Dana 2007, 195 f. Zur Übertragbarkeit auf die Nachkommen s. Robert/Robert, BE 1955, 240. Vgl. allgemein Quaß 1993, 36. Das Privileg war demnach zugleich Ehre und moralische Verpflichtung. Im Zusammenhang mit den Leistungen des Diogenes scheint auch die Rede von einem Enkelkind gewesen zu sein. In der anschließenden Resolution fand der Sohn der Tochter jedoch keine explizite Erwähnung. Vgl. Migeotte 1984, 125. IScM I 19. Vgl. Pippidi 1961b. Migeotte 1984 Nr. 42. Die Marmorstele mit dem Ehrendekret ist in zwei Fragmente gebrochen. Die Inschrift ist an den Rändern beschädigt. Der Anfang des Beschlusses mit der Resolution und dem ersten Teil des Motivberichts

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Eine Randregion der griechischen Welt

im Dienst der Polis (1–3) und erwähnte in diesem Zusammenhang auch mehrere Ehrungen, die wohl noch ohne dauerhafte Aufzeichnung des jeweiligen Beschlusses erfolgt waren.11 Den Anlass für die erneute und gesteigerte Anerkennung durch die Polis gab eine finanzielle Leistung (3–10). Wie Diogenes hatte Dionysios durch eine großzügige Spende von 1000 Goldmünzen maßgeblich zur Behebung von akuten Versorgungsproblemen, die möglicherweise ebenfalls infolge der außenpolitischen Konflikte der Zeit aufgetreten waren, beigetragen.12 Die knappe Erzählung enthielt dabei im Ansatz sogar szenische Elemente und ließ den herausragenden Bürger selbst vor Rat und Volksversammlung auftreten, um seine Vorhaben zu verkünden (5–7). Das vorliegende Ehrendekret könnte vor diesem Hintergrund die unmittelbare Antwort der Polis auf die berichtete Rede gewesen sein und mag auch noch in der gleichen Sitzung diskutiert worden sein. Für seine Verdienste erhielt Dionysios ähnliche Ehrungen wie Diogenes (10–23): Neben der Belobigung, der Einschreibung als Wohltäter, der Bronzestatue auf der Agora neben der Statue des Demos und der Bekränzung mit einem goldenen Kranz bei allen Wettkämpfen der Stadt verlieh der Demos auf Lebenszeit das Priestertum der Götter von Samothrake, das zudem an den ältesten Nachkommen zu vererben war.13 Ebenso durfte Dionysios wie die anderen Priester einen Kranz tragen. Auf die anschließende Hortativformel – durch die Ehrung sollten sich auch die übrigen Bürger im Wissen um die Anerkennung des Demos für verdiente Wohltäter um die Stadt bemühen – folgten die Bestimmungen zur Aufzeichnung des Ehrendekrets auf eine Marmorstele sowie zur Aufstellung neben dem Altar der Götter aus Samothrake (23–33). Die hortative Funktion wollte die Stadt offensichtlich nicht zuletzt auch durch die dauerhafte Publikation des Ehrendekrets erreichen. Die Aufzeichnung des Ehrendekrets bedeutete demnach vermutlich erneut nicht nur eine zusätzliche Auszeichnung für Dionysios, sondern diente ebenso den Interessen der Polis und sollte – ähnlich dem Beschluss für Diogenes – auch die verliehenen Privilegien auf Dauer festhalten und dokumentieren. Für die Polis mag daneben insbesondere die Verpflichtung von Dionysios und dessen Nachkommen

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ist verloren. Ein Proxeniedekret bezeugt daneben auch ein Engagement des Dionysios in der Polis Olbia. IOSPE I2 21 = I. Olbia 15. S. auch Robert/Robert, BE 1967, 514. Moretti 1975, 148. Migeotte 1984, 130. Als Sohn des Strouthion war Dionysios ­vermutlich ein Bruder des ebenfalls mit einem Ehrendekret ausgezeichneten Dioskourides. S. auch u. S. 331 f. Migeotte 1984, 130. Zu den finanziellen Leistungen s. Pippidi 1961b, 309–313. Robert/Robert, BE 1963, 156. Robert/Robert, BE 1966, 401. Moretti 1975, 148. Migeotte 1984, 130. Gauthier 1985, 34. Quaß 1993, 246. Zu den verliehenen Ehrungen s. Pippidi 1961b, 313–316. Robert/Robert, BE 1963, 156 f. Robert/Robert, BE 1966, 401. Migeotte 1984, 130. Gauthier 1985, 34. Chiekova 2008, 201 f. Zur Einschreibung als Wohltäter s. auch Avram 2015, 19 f.

Versorgungskrisen und außenpolitische Konflikte

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für das Priestertum der Götter aus Samothrake, neben deren Altar deshalb wohl auch die Errichtung der Stele erfolgte, von Interesse gewesen sein. Neben den anderen Ehrungen verhalf die Funktion, für die sich Dionysios vermutlich insbesondere durch seine großzügige Spende empfohlen hatte, dem Bürger und dessen Familie jedoch mit Sicherheit auch zu Ansehen und Prestige und war dementsprechend erneut sowohl Ehre als auch Pflicht. Finanzielle Leistungen konnten in Histria – möglicherweise als Variante des Verkaufs von Priestertümern – demnach bereits im frühen Hellenismus insbesondere im kultischen Kontext eine wichtige Rolle bei der Auszeichnung von Bürgern spielen. Durch die lebenslange Verpflichtung von reichen Personen verstand die Stadt Engagement von Einzelnen zum Teil auch aus eigenem Antrieb einzufordern. 9.1.2 Gesandtschaftsreisen und militärische Bedrohungen Etwa zeitgleich mit dem Beschluss für Dionysios publizierte die Polis Histria zum Ende des 3. Jhdts. v. Chr. auch ein Ehrendekret für dessen Bruder Dioskourides und fasste dabei im Motivbericht ohne erkennbaren Anlass in allgemeinen Worten Verdienste um die Heimatstadt zusammen (3–14).14 Im Gegensatz zu Dionysios scheint sich Dioskourides nicht durch finanzielles Engagement, sondern vornehmlich mit außenpolitischen Tätigkeiten – so etwa bei zahlreichen Gesandtschaften zu Griechen und Barbaren – für die Belange der Polis eingesetzt zu haben.15 Vor dem Hintergrund eines drohenden Krieges betonte die Erzählung insbesondere den Einsatz für den Frieden sowie die mit den Reisen verbundenen Gefahren.16 Daneben übernahm der Ausnahmebürger auch verschiedene Funktionen in der Stadt und zeigte sich dabei stets ehrliebend und gerecht.17 Für die erbrachten Verdienste beschloss die Polis in der Folge eine Belobigung, die Einschreibung als Wohltäter, einen goldenen Kranz, der bei allen Wettkämpfen zu verkünden war, sowie eine Bronzestatue (14–21).18

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IScM I 12. Vgl. Pippidi 1983a. Die Inschrift ist nahezu komplett erhalten. Lediglich die letzten Zeilen mit dem Ende der Resolution fehlen. Oberhalb der Inschrift ist auf der Marmorstele ein Kranzrelief zu erkennen. Dioskourides war ebenfalls Sohn eines ­Strouthion und damit wohl ein Bruder des Dionysios. Zu den Leistungen s. Gauthier 1985, 34. 4–11: ἀνὴρ ἀγαθὸς | ὢν περὶ τὴν πόλιν καὶ τοὺς πολί|τας πρόθυμον ἑαυτὸν παρείσχη|ται τῶι δήμωι ἔν τε τοῖς κινδύνοις | τῆς πόλεως πρεσβείας Ἑλληνικὰς | καὶ βαρβαρικὰς πολλὰς ὑπὲρ τῆς εἰ|ρήνης πεπρέσβευκεν οὐδένα κίνδυ|νον ὑπολογισάμενος. 11–14: εἴς τε τὰς ἀρ|χὰς καὶ ἐπιμελείας τασσόμενος ἐμ | πάσαις αὐτὸν φιλότιμον καὶ δίκαιον παρέ|σχηται. Weitere Bestimmungen, die vermutlich die Aufzeichnung des Beschlusses betrafen, sind verloren.

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Eine Randregion der griechischen Welt

Insgesamt konzentrierte sich der Motivbericht im Gegensatz zum Beschluss für Dionysios demnach nicht auf eine bestimmte Leistung als konkreten Anlass der Ehrung, sondern umspannte in wenigen Sätzen – wenn auch auf eine allgemeine Art und Weise – die gesamte öffentliche Tätigkeit des herausragenden Bürgers. Im Ansatz war der Beschluss damit gleichsam ein «Lebenswerkdekret» – auch wenn die Darstellung noch eines ausführlichen Tatenberichts ermangelte und auch nicht auf konkrete Aktivitäten des Dioskourides einging. Der individuellen Erinnerung an erbrachte Leistungen konnte das Ehrendekret demnach kaum dienen. Stattdessen zeichneten die ἄρχοντες mit der Beschlussvorlage ein allgemeines Idealbild eines allen Gefahren trotzenden Bürgers im unermüdlichen Einsatz für das Wohlergehen der Polis, zu deren Rettung auch Dioskourides bereit war, sein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen. In der Summe überwogen dabei in der Darstellung die idealisierenden Aspekte noch deutlich gegenüber den konkreten persönlichen Details. Doch welche Absichten verfolgte die Polis mit der Veröffentlichung des Ehrendekrets? Am Beispiel des Vorzeigepolitikers, für den der Beschluss daneben sicherlich auch persönliches Prestige brachte, verdeutlichten Rat und Volk die eigenen Idealvorstellungen von einem vorbildlichen Leben im Dienst der Stadt. In Zeiten der außenpolitischen Bedrohungen, die eine Beschwörung der überkommenen Ideale durch die Aufstellung eines Ehrendekrets vermutlich erst hatten erforderlich erscheinen lassen, sollte der Beschluss die traditionellen Wertvorstellungen bekräftigen und zur moralischen Stärkung des Gemeinwesens beitragen. Als Mitglied der städtischen Elite wird Dioskourides die offiziellen Ansichten der Polis geteilt und mitgestaltet haben. Vielleicht stellte der erfahrene Politiker aus diesem Grund auch das eigene Ehrendekret zumindest zu einem Teil in den Dienst der traditionellen Polisideologie und verzichtete in der Folge – etwa im Gegensatz zu seinem Bruder Dionysios – zu Gunsten der idealisierenden Darstellung auf die öffentliche Selbstdarstellung durch einen individuellen Tatenbericht. Wohl ebenfalls noch im 3. Jhdt. v. Chr. ließen Rat und Volk von Histria auf eine Marmorstele das gemeinsame Ehrendekret für die drei Gesandten Diodoros, Prokritos und Klearchos einschreiben.19 Der Motivbericht beschränkte sich – wie bei der kollektiven Ehrung von mehreren Personen zu erwarten – auf eine gemeinsame Großtat.20 Auf der gefahrvollen und erfolgreichen Gesandtschaftsreise zum lokalen Potentaten Zalmodegikos erreichten Diodoros, Prokritos und Klearchos in Verhandlungen die Freilassung von über 60 gefangenen Mitbürgern und überredeten

19 20

IScM I 8. Vgl. Pippidi 1961a. Die Inschrift ist bis auf wenige Buchstaben komplett erhalten. Zur Beschränkung von kollektiven Ehrendekreten auf einzelne Ereignisse s. auch o. S. 123–126.

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den Machthaber zudem zu finanziellen Zugeständnissen (1–13).21 Für ihren außergewöhnlichen Erfolg erhielten die herausragenden Bürger deshalb von der Polis gemeinsam mit den jeweiligen Nachkommen die Einschreibung als Wohltäter sowie eine Bekränzung mit einem goldenen Kranz bei allen Veranstaltungen im Theater der Stadt (13–18).22 Im Anschluss betonte die Resolution zudem die hortative Funktion der Ehrung, die auch andere Bürger zu vergleichbaren Leistungen motivieren sollte (18–21), und beauftragte die ἡγεμόνες der Stadt, den Beschluss auf zwei Stelen auf der Agora sowie beim Altar des Zeus Polieus aufzuzeichnen (21–24).23 Bei der Entscheidung zur dauerhaften Publikation des Ehrendekrets, in dessen Zentrum die gefahrvolle Reise zu Zalmodegikos stand, spielten dabei vermutlich erneut mehrere Faktoren eine Rolle: So trug der kollektive Beschluss für die drei Gesandten bereits individuellere Züge als manches Ehrendekret für eine Einzelperson und bedeutete demnach zunächst mit Sicherheit eine besondere persönliche Ehre. Gerade im Hinblick auf die Befreiung von zahlreichen Mitbürgern aus der Gefangenschaft des Zalmodegikos als zentralem Element bürgerlichen Engagements für die Gemeinschaft mag dabei auch die Dankbarkeit der Stadt eine wichtige Rolle gespielt haben. Ebenso diente das Ehrendekret durch den ausführlichen Tatenbericht jedoch auch dem kollektiven Gedächtnis der Polisgemeinschaft an einen wichtigen politischen und diplomatischen Erfolg aus der jüngsten Vergangenheit. Allgemeine Tugendvorstellungen, die etwa im zeitgleichen Ehrendekret für Dioskourides einen Kern der Erzählung ausgemacht hatten, präsentierte der Motivbericht hingegen nicht – auch wenn Diodoros, Prokritos und Klearchos in ihrem Engagement selbstverständlich Vorbild und Inspiration für andere Personen waren. In den Jahren vor 200 v. Chr. hatte die Polis Histria auf Initiative der Archonten vermutlich auch das Ehrendekret für Meniskos veröffentlichen lassen.24 Der Motivbericht begann mit einem allgemeinen Abschnitt über Charaktereigenschaften 21

22 23 24

Zur Gesandtschaftsreise s. Pippidi 1961a, 57–63. Moretti 1975, 142 f. Krauss 1980, 17. Pippidi 1981, 257. Pippidi 1983b, 111–113. Gauthier 1985, 33. Quaß 1993, 122 f. Die unkonkrete Zahlenangabe war ein literarisches Mittel und sollte die Leistung der herausragenden Bürger hervorheben. Eine ähnliche Vorgehensweise findet sich auch im Ehrendekret für Hegesippos und Antipappos von der Insel Aigiale. IG XII 7, 386. S. auch u. S. 428. Gerade die Rettung von Mitbürgern zählte zudem vermutlich zu den ehrenvollsten Leistungen eines guten Bürgers. Zu den verliehenen Ehrungen s. Pippidi 1961a, 63–65. Gauthier 1985, 33 f. Quaß 1993, 37. Neben der Veröffentlichung der Ehrendekrete konnten auch andere Ehrungen wie die Ausrufung der Kränze eine hortative Funktion erfüllen. S. etwa o. S. 104. Milčev 2002. Für eine Neuedition s. Avram 2015. Zur Datierung der Inschrift in die Jahre 215–210 v. Chr. s. ebd. 27–34. Der Beschluss ist in der vollen Länge erhalten. Insbesondere der rechte Randbereich der Inschrift ist jedoch durch Beschädigungen gestört. Oberhalb der Inschrift waren auf der Marmorstele nebeneinander vier Kranzreliefs angebracht. Die Herkunft der Inschrift ist nicht mit Sicherheit zu klären.

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und Verdienste und scheint die einzelnen Formulierungen dabei dem rhetorischen Standardrepertoire an Tugendbegriffen und Wertvorstellungen entlehnt zu haben (3–9). So hatte sich Meniskos als ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός fortwährend bereitwillig und ehrgeizig sowie stets im rechten Augenblick in Wort und Tat für Stadt und Bürger eingesetzt.25 Auch in den anschließenden Abschnitten, die von konkreten Erfolgen des herausragenden Bürgers berichteten (10–45), bemühten sich die Archonten im Hinblick auf Sprache und Stil um eine ansprechende Gestaltung mit rhetorischen Mitteln.26 Der Gesamtbericht scheint sich dabei in der Anordnung der einzelnen Verdienste an Sachkategorien orientiert zu haben und widmete die ersten Abschnitte etwa den militärischen und diplomatischen Erfolgen des Meniskos, der sich neben der Tätigkeit als Kommandant der Reiterei auf Gesandtschaftsreisen nach Ate und zum germanischen Stamm der Skiren begeben hatte und zudem bei der Aufdeckung eines Hinterhalts der Germanen half (10–20).27 In einem zweiten Sachkomplex thematisierten die Archonten im Anschluss innenpolitische Verdienste (21–45): Meniskos gab in verschiedenen Versammlungen Ratschläge und überzeugte die Polisgremien von den finanziellen Vorteilen bei der Erneuerung eines Bündnisses. Zudem berichtete die Erzählung von der Erneuerung oder dem Neubau eines Heiligtums und erwähnte daneben auch eine Zuständigkeit für die Getreideversorgung der Stadt und die ausreichende Versorgung der Bürger.28 Durch sein Engagement trug Meniskos stets zum Wohlergehen und Nutzen der Heimatstadt bei. Eine Betonung legte der Beschluss in diesem Zusammenhang insbesondere auf die demokratischen Qualitäten. Dem traditionellen Ideal eines Polisbürgers entsprechend beteiligte sich der engagierte Politiker vornehmlich durch nützliche Ratschläge an den politischen Entscheidungen (25/32). In Anerkennung der Leistungen erhielt Meniskos eine Belobigung, eine Einschreibung als Wohltäter, eine Bekränzung mit einem goldenen Kranz bei den Wettkämpfen für sich und seine Nachkommen sowie eine Bronzestatue, auf deren Basis das Ehrendekret anzubringen war, auf der Agora (46–56).29 Zusätzlich hatten die ἡγεμόνες der Stadt im Heiligtum des Apollon eine Stele mit dem Beschluss zu errichten. Im Anschluss traf die Stadt eine ungewöhnliche Entscheidung: Meniskos sollte eine Entschädigung in Höhe von 300 Goldstateren erhalten. Auch wenn die finanzielle Kompensation – etwa in Form von wertvollen Goldkränzen – bei der Vergabe von 25

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3–9: ἀνὴρ καλὸς κα[ὶ ἀγαθὸς] | ὢν διατελεῖ περὶ τὴμ πόλιν καὶ τοὺς πολίτ[ας καὶ] | πρόθυμον ἑαυτὸμ παρεχόμενος ἐμ πᾶ[σι τοῖς] | τῆς πόλεως καιροῖς, ἔν τε ταῖς ἀρχαῖς κ[αὶ ταῖς]| ἐπιμελείαις καὶ [πα]ρ.εδ.ρείαις, ἔτι δὲ πρε.[σβείαις] | καὶ συνεδρείαις φιλότιμός ἐστι λέγω[ν καὶ] | πράσσων διὰ παντὸς τὰ βέλτιστα τ[ῶι δήμωι]. Den formalen Beginn der einzelnen Abschnitte markierte jeweils die enklitische Partikel τε (6/10/14/18/31/42). Zum aufzählenden Gebrauch der Partikel τε s. auch u. S. 408. Zu den außenpolitischen Verdiensten s. Avram 2015, 35–40. Zu den Skiren s. ebd. 21–27. Zu den einzelnen Leistungen s. ebd. 20 f. Zu den Ehrungen des Meniskos s. ebd. 21.

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Ehrungen im Hintergrund stets eine wichtige Rolle gespielt haben mag, versuchten die Beschlüsse die monetären Aspekte der Auszeichnungen in der Regel doch zu verschleiern und zumindest den Anschein eines ideellen Austausches von Leistung und Ehre zu wahren. Im Fall des Meniskos mag sich die ungewöhnliche Ehre deshalb vielleicht schlicht aus der persönlichen Finanzlage des Bürgers erklären lassen.30 Zum Abschluss der Resolution bekräftigte die Polis zudem durch eine Hortativformel noch einmal die ideologische Funktion des Ehrendekrets – auch andere Personen sollten sich durch das Beispiel des Meniskos und die Hoffnung auf Anerkennung durch die Stadt zu Leistungen motivieren lassen (56–58). Den hortativen Anspruch verwirklichte der Beschluss dabei insbesondere im Motivbericht, dem die Verdienste des Meniskos in Verwirklichung des am Beginn der Erzählung gleichsam als Programm formulierten Tugendkonzepts als Folie für die Idealvorstellungen von einem patriotischen Bürger mit demokratischen Gesinnungen dienten.31 An Stelle eines schlichten Berichts über die persönlichen Leistungen eines bedeutenden Politikers präsentierte der Beschluss, der vermutlich ohne konkreten Anlass das gesamte Leben des Meniskos umspannt zu haben scheint, dessen Karriere als idealen Lebensweg eines ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός. Im Kern erfüllte das Ehrendekret, das als weitere Anerkennung für die zahlreichen Verdienste um die Polis daneben mit Sicherheit auch eine persönliche Auszeichnung bedeutete, damit alle Voraussetzungen eines «Lebenswerkdekrets». In den Jahren um 200 v. Chr. und damit etwa zeitgleich mit den Auszeichnungen für Meniskos publizierte die Polis Histria auf Antrag eines Apollonios mit dem Beschluss zu Ehren eines Agathokles ein weiteres Ehrendekret für einen verdienten Bürger.32 Dessen Motivbericht begann nach einem knappen Präskript ebenfalls mit der allgemeinen Würdigung von Persönlichkeit und Verdiensten und stimmte dabei in einzelnen Formulierungen nahezu im Wortlaut mit dem Ehrendekret für Meniskos überein (3–8).33 Für die Einleitung eines Ehrendekrets mag demnach ein auf gesellschaftlichen Konventionen beruhendes Standardrepertoire an Tugendvor30

31 32

33

Ebd. Meniskos gehörte mit Sicherheit zur politischen Elite der Stadt und besaß vermutlich ein beträchtliches Privatvermögen. Den finanziellen Spielräumen scheinen jedoch auch Grenzen gesetzt gewesen zu sein. Ebd.: «Méniskos était le citoyen exemplaire, prêt à aider sa patrie dans des circonstances dramatiques (…).» IScM I 15. Vgl. auch Lambrino 1960. Bengtson 1962. Die Giebelstele mit Akroterverzierungen, auf der die Inschrift angebracht ist, ist im unteren Bereich gebrochen. Das Ende des Beschlusses mit den letzten Abschnitten des Motivberichts sowie die gesamte Resolution fehlen. Zu möglichen Ehrungen des Agathokles s. Gauthier 1985, 34. Die ursprüngliche Länge des Beschlusses lässt sich nicht rekonstruieren. Insgesamt ist sicherlich mit einem beträchtlichen Textverlust zu rechnen. 4–8: ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθὸς ὢν διατελεῖ περὶ τὴν π[ό]|λιν καὶ τοὺς π[ο]λίτας, πρόθυμον ἑαυτὸν παρεχόμενο[ς] | [ἐ]μ πᾶσι τοῖς τῆς πόλεως και[ρ]οῖς ἔν. τε ταῖς ἀρχαῖς κα[ὶ] | ταῖς ἐπιμελείαις καὶ συνεδ[ρ]είαις λέγων καὶ πράσσ[ων] | ἀεὶ τὰ βέλτ[ισ]τα δι[α]τελεῖ τῶι δήμωι. Zur allgemeinen Einleitung s. Gauthier 1985, 34.

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stellungen zur Verfügung gestanden haben. Die inhaltlichen Übereinstimmungen entsprangen dabei vermutlich einem allgemeinen Konsens über das richtige Verhalten eines engagierten und um die Heimat bemühten ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός und offenbarten damit zugleich einen festen Wertekanon der Polis. Die Verfasser der jeweiligen Beschlussvorlagen waren daneben selbst Teil der Bürgergemeinschaft und hatten die entsprechenden Wertvorstellungen, die sie seit der Jugend durch Erziehung und Ausbildung vermittelt bekommen hatten, mit den Jahren verinnerlicht. Wie das Ehrendekret für Meniskos bot auch der Beschluss für Agathokles im Anschluss gleichsam als konkrete Verwirklichung der theoretischen Konzepte einen ausführlichen Bericht über einzelne Leistungen (8–58). Erst entsprechende Abschnitte mit originellen Erzählungen über einzigartige Leistungen jenseits der in der Einleitung abgearbeiteten Standarderwartungen an das politische Engagement eines Bürgers werden die dauerhafte Aufzeichnung eines Ehrendekrets veranlasst haben. Fabelhafte Erfolge auf der diplomatischen Ebene bildeten demnach auch den eigentlichen Gegenstand des Beschlusses. Als der wahre ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός konnte sich Agathokles erst in der Krise (8–9: τῆς τε [πόλεως] | οὔσης ἐν τα[ρ]αχῆι) bewähren. Die Erzählung beschränkte sich dabei in weiten Teilen vermutlich auf einen chronologischen Bericht über politische und militärische Leistungen bei der Verteidigung der Polis Histria in Konflikten mit benachbarten Volksstämmen wie den Thrakern, deren Raubzüge unter lokalen Anführern der Stadt in den Jahren um 200 v. Chr. die größten Probleme bereiteten.34 Die einzelnen Abschnitte leitete der Antragsteller Apollonios dabei jeweils durch knappe Exkurse zu den historischen Umständen ein und baute die Berichte somit zu kleinen Einzelerzählungen aus.35 Agathokles setzte sich sowohl mit militärischen Mitteln als auch auf der diplomatischen Ebene für seine Heimatpolis ein, verteidigte als τοξάρχης oder als alleinverantwortlicher στρατηγός Land und Ernte, veranlasste die Rückgabe und den Rückkauf von geraubten Gütern, verhandelte mit Anführern wie Rhemaxos und Zoltes

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Die Plünderungszüge waren für die Polis eine ähnliche Belastung wie die Piratenüberfälle für die Städte auf den Inseln der Ägäis. So umschreibt der Beschluss die Angriffe sogar mit der Wendung πειρατευ[όν]των Θραικῶν (9). Vgl. 20–21: ὑπ[ὸ πει]|ρατῶν. 37: συναγωγήν τινα γινομένη[ν πειρ]ατῶν πλειό[ν]ων. Zu den Piratenüberfällen in der Ägäis s. o. S. 156 f. 183. In den verlorenen Abschnitten mag der Beschluss auch von Leistungen aus anderen Bereichen des öffentlichen Lebens berichtet haben. Eine ausschließliche Konzentration der Erzählung auf die außenpolitischen und militärischen Verdienste entsprach auf der anderen Seite vielleicht jedoch auch der individuellen Karriere des Agathokles und spiegelte die persönliche Lebensausrichtung des verdienten Bürgers. Vgl. Chaniotis 2005, 169. Zu historischen Darstellungen in Ehrendekreten – so etwa im Beschluss für Kallias aus Athen – s. allgemein u. S. 422–427. Auf der sprachlichen Ebene markieren die Partikeln τε und δέ in aufzählendem Gebrauch jeweils den Beginn eines neuen Abschnitts. Garbrah 1993, 198–200. S. allgemein u. S. 408.

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und konnte die Fürsten – allerdings nur gegen aufgezwungenen Tribut – zum Teil sogar als Beschützer der Stadt gewinnen.36 Die einzelnen Erzählungen verzichteten dabei weitgehend auf die üblichen Verweise auf herausragende Charaktereigenschaften und vorbildliches Verhalten und konzentrierten sich stattdessen auf detailreiche Berichte von den jeweiligen Erfolgen. Durch die effektvolle Aneinanderreihung von Fakten, die mit Sicherheit nur eine selektive Auswahl der Ereignisse bot und ein eindrückliches Gesamtbild generieren sollte, wird sich die Polis für den Motivbericht wohl noch eine größere Wirkung erhofft haben als durch die übliche Ausschmückung mit Floskeln und Allgemeinplätzen. Eine individuelle Charakterisierung der Person generierte das Ehrendekret, dessen Faktengerüst stets die historischen Exkurse über die jüngsten Ereignisse der Stadtgeschichte bildeten, lediglich aus dem indirekten Kontrast zum Verhalten von anderen Bürgern.37 Gerade über die Einbindung der Leistungen in die Zeitgeschichte versuchte der Antragsteller Apollonios den einflussreichen Staatsmann Agathokles entsprechend seines Status als Mitglied der städtischen Führungsschicht jedoch zugleich auch als eine zentrale Persönlichkeit der städtischen Politik zu präsentieren. Die Verankerung der einzelnen Leistungen und Erfolge im Zeitgeschehen verlieh dem Ehrendekret, das daneben sicherlich auch der individuellen Erinnerung an die großartigen Erfolge des Ausnahmebürgers gedient haben wird, zudem die Funktion eines historischen Berichts. Insbesondere auf lange Sicht präsentierte die Stele statt der Einzelperson Agathokles vornehmlich einen großen Helden der Vergangenheit als gemeinsame Symbolfigur und wurde späteren Generationen somit zu einem Erinnerungsmonument für die gesamte Stadt. Daneben versinnbildlichten sich im Leben des herausragenden Bürgers als konkrete Umsetzung der in der Einleitung beschriebenen Tugendvorstellungen – wie schon im Beschluss für Meniskos – nicht zuletzt der vorbildliche Einsatz eines ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός für die Heimat und damit auch entsprechende Erwartungen der Polis, die sich jedoch gerade vor dem Hintergrund der außenpolitischen Konflikte allmählich gewandelt zu haben scheinen. Agathokles hatte sich durch seine diplomatischen Verbindungen zu einem unverzichtbaren Protagonisten der städtischen Politik entwickelt und wurde dementsprechend in seinem Ehrendekret zunehmend als der strahlende Retter der schwachen Polis präsentiert.

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Zu den einzelnen Leistungen s. Bengtson 1962, 23–25. Moretti 1975, 158–160. Krauss 1980, 16 f. Pippidi 1981, 257 f. Erhardt 1988, 296. Quaß 1993, 123. Chaniotis 2005, 169. 178. Avram 2015, 34–36. 45. Zur indirekten Charakterisierung s. Chaniotis 2005, 169. Während die anderen Bürger im Angesicht der drohenden Gefahren in Panik gerieten, behielt einzig Agathokles einen kühlen Kopf. S. etwa 8–10: τῆς τε [πόλεως] | οὔσης ἐν τα[ρ]αχῆι καὶ πειρατευ[όν]των Θραικῶν οὐκ [ὀλί]|γων τήν τ.[ε χ]ώραν καὶ τὴν [πόλ]ι[ν].

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9.1.3 Veränderungen im Verhältnis von Bürger und Polis – Ehrendekrete aus dem späten Hellenismus und der mittleren Kaiserzeit Vielleicht erst 150 Jahre nach den Beschlüssen für Meniskos und Agathokles ließen Rat und Volk von Histria mit dem Beschluss für Aristagoras aus den Jahren um 40 v. Chr. erneut ein Ehrendekret für einen eigenen Bürger aufzeichnen.38 Zum Zeitpunkt der Ehrung, die von einem Xenochares beantragt worden war, bekleidete Aristagoras in der Polis zum vierten Mal die Funktion des eponymen Jahrespriesters (1) – wohl zugleich der Anlass für die Ehrung.39 Gerade der religiöse Bereich spielte zudem im gesamten Beschluss, der schon in der Einleitung von den zahlreichen in der Familie ausgeübten Priesterschaften berichtete (3–5) und sich nicht mit dem üblichen Verweis auf die Leistungen der Vorfahren begnügte, eine bedeutende Rolle. In der anschließenden Erzählung nahmen dann selbstverständlich auch die kultischen Funktionen des Aristagoras großen Raum ein. Einzelne Abschnitte des nach Sachkategorien geordneten Ehrendekrets, das sich bei der inneren Ordnung der Themenkomplexe wiederum an der Chronologie der Ereignisse orientierte, erwähnten jedoch auch andere Verdienste des herausragenden Bürgers um die Polis Histria. Der Tradition der Vorfahren verpflichtet übernahm Aristagoras in schwierigen Zeiten zahlreiche öffentliche Aufgaben und sorgte sich um das Wohl von Stadt und Bürgern (5–46).40 Als Beauftragter für den Mauerbau organisierte der engagierte Politiker zudem den Wiederaufbau der Stadtmauern. Starke Beschädigungen erlitten hatten die Befestigungen insbesondere durch die Einfälle von benachbarten Barbarenstämmen, die zeitweise auch die Chora besetzten und Teile der Bevölkerung vertrieben. In diesem Kontext kümmerte sich Aristagoras, der für eine gewisse Zeit ebenfalls aus der Stadt geflüchtet war, um die Rückführung der geflohenen Mitbürger und leistete Unterstützung bei der Zahlung von Lösegeld. Für die folgenden Jahre berichtete der Beschluss von der Bekleidung des Priestertums des Zeus Polieus sowie der mehrfachen Übernahme der eponymen Priesterschaft des Apollon Iatros. Andere

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IScM I 54. Vgl. Maier 1959 Nr. 80. Bielman 1994 Nr. 53. Die Giebelstele aus Marmor ist im unteren Bereich gebrochen. Das Ende des Motivberichts sowie weite Teile der Resolution fehlen. Lediglich ein kleines Fragment aus dem unteren Bereich der Stele lässt im Ansatz Reste der Resolution erkennen. Der Giebel ist mit dem «Stadtwappen» von ­Histria verziert. Oberhalb der Inschrift befinden sich fünf Kranzreliefs. Zur Gestaltung der Stele s. Maier 1959, 257. Tafel 35. Bielman 1994, 192. Sichere Aussagen erlaubt der fragmentarische Zustand der Inschrift jedoch nicht. Zu den Leistungen des Aristagoras s. Maier 1959, 261 f. Krauss 1980, 18. Pippidi 1981, 260 f. Gauthier 1985, 34. Quaß 1993, 124 f. 209. 252. 292. Bielman 1994, 192 f. Wörrle 1995, 246. Avram 2005, 165 f. Migeotte 2005, 297. Avram/Bîrzescu/Zimmermann 2008, 110. Chiekova 2008, 16 f. 159 f. 178 f. Zur Verpflichtung gegenüber den Vorfahren s. Quaß 1993, 43. 48. Die Aufstellung des Ehrendekrets scheint ein weiteres Mal mit existentiellen Bedrohungen für die Polis zusammenzufallen.

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Bürger fanden sich insbesondere während der Besetzung der Chora durch die Barbarenstämme offensichtlich nicht zur kostspieligen Bekleidung der Stephanephorien bereit.41 Im ersten Jahr als Agoranomos zeigte Aristagoras bei der Erfüllung der Aufgaben erneut ein außergewöhnliches Engagement und wurde dementsprechend zum Ende der einjährigen Tätigkeit mit einem als ἐγκώμιον bezeichneten Ehrendekret, das vermutlich keine dauerhafte Aufzeichnung erfuhr, bedacht. Zur gleichen Zeit begann der Ausnahmepolitiker zudem mit dem Bau eines neuen Agoranomion und ließ sich in der Folge für zwei weitere Jahren als Marktaufseher einsetzen. Nachdem die Erzählung zum Abschluss auch noch über erfolgreiche Gesandtschaftsreisen berichtet hatte, verliehen Rat und Volk an Ehrungen vermutlich die üblichen Privilegien wie Belobigung, Kranz und Einschreibung als Wohltäter (52–57).42 Der Beschluss für Aristagoras war dabei insgesamt mit sprachlichem und stilistischem Aufwand gestaltet und bemühte sich zudem um einen originellen Ausdruck. Gleich zu Beginn des Leistungsberichts wählte Xenochares mit τοῖς ἐκείνων ἴχνεσιν ἐπιβαίνειν (6) eine metaphorische Umschreibung für die Orientierung am Vorbild der Vorfahren. Der anschließende Teilsatz griff das Bild auf und blieb mit der Umschreibung κατελθών (6) für die Rückkehr in die Polis im Wortfeld «gehen». Aristagoras wollte in die Fußstapfen der Vorfahren treten und ging zurück in die Heimat.43 Die Strukturierung des Leistungsberichts offenbarte daneben auch allgemeine Vorstellungen vom idealtypischen Karriereverlauf eines führenden Politikers: Aufreibende und körperlich anspruchsvolle Tätigkeiten (11: σωματικῶν πόνων) im außenpolitischen Bereich standen am Beginn der Tätigkeit. In fortgeschrittenem Alter sollte die Hinwendung zu religiösen Funktionen wie Priestertümern und damit zu repräsentativen Aufgaben, die vornehmlich eine finanzielle Belastung bedeuteten, erfolgen.44 Im Zusammenhang mit der erstmaligen Übernahme der Priesterschaft des Apollon gewährte die Erzählung zudem einen scheinbaren Einblick in die inneren Antriebe und die Überzeugungen des Aristagoras: Die besten Bürger sollten sich stets an der Gunst der Götter orientieren und zugleich den Empfängerkreis der Wohltaten berücksichtigen.45 Mit literarischem Geschick schuf Xenochares damit

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45

Quaß 1993, 292. Wörrle 1995, 243. Avram/Bîrzescu/Zimmermann 2008, 110. Scholz 2008, 86. Zu den Ehrungen des Aristagoras s. Gauthier 1985, 34. Bielman 1994, 193. 5–7: καὶ αὐτὸς στοιχεῖν βουλό|μενος καὶ τοῖς ἐκείνων ἴχνεσιν ἐπιβαίνειν, κατελθὼν εἰς τὴν πατρί|δα μετὰ τὴν κατασχοῦσαν τὴν πόλιν περίστασιν. 17–19: [τῇ] | τε ἡλικίᾳ προκόπτων καὶ προαγόμενος εἰς τὸ θεοσεβεῖν ὡς ἔπρεπεν αὐ|τῷ πρῶτον μὲν ἐτείμησεν τοὺς θεούς. Die systematische Darstellung ignorierte sogar chronologische Brüche. So stand die zweite Tätigkeit als Priester des Apollon im Kontext der Okkupation der Chora durch die Barbaren (26–31) und fiel damit in die gleiche Zeit wie das Engagement für den Mauerbau und die geflohenen Mitbürger (6–17). 24–26: τοῦτο βουλόμενος ἐμφαίνειν, ὅτι τοῖς εὐσεβέστατα καὶ κάλλιστα | πολειτευομένοις καὶ παρὰ θεῶν τις χάρις καὶ παρὰ τῶν εὐεργετηθέν|των ἐπακολουθεῖ.

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über die präsentierten Ansichten des Aristagoras zugleich eine indirekte Charakterisierung des Politikers.46 In der inhaltlichen Gestaltung scheint sich das Ehrendekret demnach zunächst kaum von den Beschlüssen vom Ende des 3. Jhdts. v. Chr. unterschieden zu haben – bildeten das ideologische Grundgerüst der Erzählung doch weiterhin die Vorstellungen der Stadt von einem ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός. Die Verweise auf die Tugend und die guten Charaktereigenschaften dienten jedoch zunehmend der persönlichen Überhöhung des Aristagoras und ließen moralische Intentionen in den Hintergrund treten. Das Wohlergehen von Stadt und Volk präsentierte die Erzählung weiterhin als Zentrum der Bemühungen.47 In der Darstellung gerieten Polis und Bürger allerdings – sogar auf der grammatikalischen Ebene – zunehmend zu passiven Empfängern der Wohltaten (25–26: εὐεργετηθέν|των). Auch demokratische Werte wie das Engagement in der Volksversammlung spielten in der Erzählung keine Rolle. Stattdessen gewann die Einbindung in eine lange Familientradition – ein aristokratisches Element der Selbstrepräsentation – in der Darstellung an Bedeutung.48 Zudem definierten sich Ehre und Ansehen neben der Rettung von Bürgern oder politischen Erfolgen zunehmend über finanzielle Leistungen. Großzügige Spenden und die prächtige Ausgestaltung von religiösen Festen gehörten bei Aristagoras zum festen Bestandteil des öffentlichen Engagements und scheinen mit der Zeit zu privaten Wohltaten geworden zu sein. Zurückzuführen sein werden die allmählichen Veränderungen in den Gesellschaftsstrukturen der Polis Histria insbesondere auf die außenpolitische Lage in der Region. Die Stadt, die sich wie andere Städte an der Schwarzmeerküste im Hellenismus vermehrt militärischen Bedrohungen ausgesetzt sah, hatte in wiederkehrenden Abständen unter wirtschaftlichen Problemen und finanziellen Notlagen zu leiden und war zur Bewältigung der Krisen oftmals auf den Einsatz von einflussreichen und wohlhabenden Bürgern wie Aristagoras angewiesen.49 Eine Abhängigkeit von mächtigen Einzelpersonen, die allerdings erst im Verlauf des Hellenismus zu Tage getreten zu sein scheint, konnte unter den gegebenen Umständen kaum ausbleiben. Obwohl es zur Rettung aus existentiellen Bedrohungen bereits in den Krisen der Jahre um 200 v. Chr. des Einsatzes von herausragenden Einzelpersonen wie Meniskos oder Agathokles bedurft hatte, scheint sich die Vormachtstellung von einzelnen Mit46 47 48

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Auch an anderen Stellen bevorzugt die Erzählung indirekte Charakterisierungen. S. etwa 38–39: ἠγορανόμησεν ὡ[ς] | ἔπρεπεν ἀνδρὶ καλῷ καὶ ἀγαθῷ. Die Polis blieb durch die Abbildung des «Stadtwappens» im Giebelfeld der Stele sogar an einem prominenten Platz auf dem Monument vertreten. Während sich die früheren Beschlüsse in der Regel mit kurzen Verweisen auf den Vater begnügten, erwähnte das Ehrendekret für Aristagoras nicht nur die Bedeutung der Vorfahren im religiösen Bereich, sondern präsentierte die Leistungen zugleich als zentrales Vorbild für den jüngsten Spross der Familie. Maier 1959, 260 f. Bielman 1994, 192 f. Avram/Bîrzescu/Zimmermann 2008, 110. Zur herausragenden Stellung der Bürger in der Stadt s. Wörrle 1995, 245.

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gliedern der Elite in der Folge zunehmend ausgeweitet zu haben. Aristagoras zählte – wie schon seine Vorfahren – auf den Ebenen von Gesellschaft und Politik zu den führenden Persönlichkeiten im späthellenistischen Histria und scheint die öffentlichen Funktionen der Polis insbesondere im religiösen Bereich nicht zuletzt durch seine finanziellen Möglichkeiten über mehrere Jahre dominiert zu haben.50 Im 2. Jhdt. n. Chr. fassten und publizierten Rat und Volk von Histria auf Antrag eines Ulpius Demetrios ein Ehrendekret für die engagierte Bürgerin Aba – im kaiserzeitlichen Histria wohl bereits eine unübliche Praxis.51 Anlass des Beschlusses, der zunächst jedoch ausführlich von den Verdiensten der Vorfahren bei der Übernahme von Liturgien, Stephanephorien, Priesterschaften, öffentlichen Funktionen, Epimelien und Choregien berichtete (4–13), waren die Leistungen der Aba als Priesterin der Μήτηρ θεῶν (Kybele).52 Bei der Ehrung von Frauen war der Blick auf die – in der Regel männlichen – Verwandten in vielen Fällen ein wichtiges Element der entsprechenden Beschlüsse. Zudem hatte eine lange Familientradition (18: τοῦ παλαιο[ῦ αἰῶν]ος) für die Repräsentation der kaiserzeitlichen Eliten im Vergleich zum Hellenismus an Bedeutung gewonnen. In der glorreichen Familientradition sah Demetrios auch den entscheidenden Grund für das öffentliche Engagement der Aba. Um nicht nur den Ruhm der Vorfahren zu genießen, sondern auch selbst Anerkennung durch Leistung zu erwerben, bekundete die Bürgerin von sich aus die Bereitschaft zur Übernahme des Priestertums der Kybele (13–17). Der Maßstab sollten jedoch nicht die Leistungen von anderen Frauen und Priesterinnen sein. Stattdessen wollte Aba das eigene Engagement an den normalerweise von Männern übernommenen [ἀρ]χιερωσύναι und χορηγίαι messen lassen (17–22).53 Im Anschluss bot das Ehrendekret eine ausführliche und sprachgewandte Beschreibung der Tätigkeit als Kybelepriesterin (22–37). Anlässlich des Neujahrsfestes mit Opfer und Gebet bedachte Aba 50 51

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Maier 1959, 260. IScM I 57. In ausgewählten Bereichen des öffentlichen Lebens konnten sich im Hellenismus und in der Kaiserzeit auch Frauen als Wohltäterinnen betätigen und für herausragende Verdienste Ehrungen durch die jeweilige Stadt erhalten. S. ausführlich u. S. 357–379. In der Schwarzmeerregion blieb das Ehrendekret für Aba jedoch ein Einzelfall. Mit den Beschlüssen für Epie auf Thasos ist die Auszeichnung von engagierten Bürgerinnen durch eine Polis jedoch zumindest für eine Nachbarregion gut bezeugt. S. u. S. 369–372. Für einen Vergleich der beiden Wohltäterinnen s. auch Van Bremen 1996, 298 f. Die Stele mit dem Ehrendekret trug dementsprechend als Verzierung eine thronende Kybelefigur sowie zwei Löwenakrotere. Zur Gestaltung der Stele s. Chiekova 2008, 129. Zu den Leistungen der Vorfahren s. Van Bremen 1996, 297. Zur Familie der Aba s. auch Dana 2007, 192 f. Chiekova 2008, 129. 17–22: οὐ μό[ν]ον ὅσα σεμνῶν γυναικῶν καὶ | [ἱερειῶ]ν καὶ τοῦ παλαιο[ῦ αἰῶν]ος ἦν ἴδια {ν} μεγαλο|φρόνως καὶ εὐγενῶς καὶ ε[ὐ]σ[εβῶ]ς ἐτέλεσεν, | ἀλλὰ καὶ ὅσαι μεγάλαι τῶν ἀνδρῶν φιλοτ[είμων ἀρ]|χιερωσύναι ἢ καί τινες ἄλλαι χορηγίαι καὶ τα[ύ]τας [μι]|μήσασθαι σπουδάσασα. Zu den Ansprüchen der Aba an die eigenen Leistungen s. Van Bremen 1996, 9. 297–299. Die [ἀρ]χιερωσύναι umschrieben vermutlich eine Funktion im Rahmen des Kaiserkultes.

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Eine Randregion der griechischen Welt

die prominenten Gruppen der Bürgerschaft – angefangen mit den Mitgliedern von Rat und Gerusie – mit einem Geldgeschenk, während die einfachen Leute immerhin in den Genuss eines Weinbanketts kamen.54 Daneben zeigte die Bürgerin aber auch bei den eigentlichen Kernaufgaben des Priestertums wie den monatlichen Festen und Opfern stets ein außergewöhnliches Engagement (37–48). Die Verdienste um die Polis definierten sich dabei – zumal das politische Feld Frauen in der Regel verwehrt blieb – in der Summe über finanzielle Leistungen. Daneben kümmerte sich Aba aber auch um die Verwendung der bereitgestellten Geldmittel im Rahmen von Festen und zeigte ein aktives Engagement bei den Kulten sowie bei deren Organisation. Als Anerkennungen durch die Stadt erhielt die Ausnahmebürgerin eine Belobigung, eine öffentliche Bekränzung sowie vermutlich auch Bildnisse (48–52).55 Als Hauptmotivation der Aba nannte der Beschluss mehrfach die Konkurrenz mit anderen Wohltätern. Im Umfang der Leistungen versuchte die herausragende Bürgerin sogar mit den großen Männern der Zeit zu konkurrieren.56 Das gesamte Engagement war in der Folge ausschließlich den Interessen und dem Wettbewerbsgedanken der Priesterin untergeordnet und – zumindest nach Aussage des Ehrendekrets – zu einem großen Teil einem persönlichen Antrieb entsprungen. Öffentliche Belange standen im Dienst der Konkurrenz zwischen Aba und anderen Wohltätern. Polis und Stadtbevölkerung zeigten als vornehmlich passive Empfänger der Wohltaten zumindest nach Darstellung des Beschlusses kaum aktive Beteiligung an den politischen Prozessen und dienten lediglich als dankbares Publikum für die Veranstaltungen der Priesterin. So beruhte etwa die Bestellung der Aba zur Priesterin auf der persönlichen Entscheidung der Bürgerin (16–17: αὐτεπάγγελ|[τος ἀν]αλαβοῦσα) und nicht auf der Initiative der Polis. Auch die Aufstellung der Stele mit dem Ehrendekret mag demnach – wie die gesamte Ehrung – vornehmlich durch persönliche Interessen der verdienten Bürgerin motiviert gewesen sein. In der Summe hatte sich die Priesterin durch finanzielle Leistungen für die Auszeichnung qualifiziert und sich die Ehrung damit gleichsam «erkauft». Zudem räumte der Beschluss durch die Aufzählung der ausgeübten Funktionen zu Beginn der Erzählung auch Verwandten und Vorfahren einen prominenten Platz ein und trug damit neben der persönlichen Ehre der Aba auch wesentlich zur Selbstdarstellung der gesamten Familie bei.57 54 55 56 57

Zu den Leistungen s. Kraemer 1992, 84 f. Van Bremen 1996, 154. Dana 2007, 188. 192. Chiekova 2008, 128 f. Zu den Ehrungen s. Van Bremen 1996, 143. Vgl. Kraemer 1992, 85. Zu Antrieb und möglichen Motiven der Aba s. Van Bremen 1996, 297–299. Vgl. Van Bremen 1996, 299. Dana 2007, 192 f. Zum intendierten Kontrast zu anderen Familien s. Kraemer 1992, 86. Die indirekte Selbstdarstellung von Familien durch die Ehrung eines weiblichen Mitglieds begegnet als Phänomen auch in anderen Städten. S. zusammenfassend u. S. 379. Dass Aba als Frau mit den großen Taten der männlichen Vorfahren mithalten konnte, erhöhte aus Sicht des männlichen Verfassers vermutlich noch einmal die Leistungen der Priesterin.

Versorgungskrisen und außenpolitische Konflikte

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Die hohen Ansprüche der Wohltäterin an eine angemessene Außendarstellung wurden daneben auch auf der sprachlichen Ebene umgesetzt und führten insbesondere in den erzählenden Abschnitten des Ehrendekrets, das als ausgefeilte Lobrede zugleich mit Sicherheit auch eine zusätzliche Ehre für die Priesterin bedeutete, zu einer rhetorisch aufwendigen Gestaltung. Eine ansprechende Form versuchte der Antragsteller Demetrios dem Beschluss dabei etwa durch ausgewählte Satzkonstruktionen und eine gehobene Ausdrucksweise zu verleihen. So verdeutlichte eine lange Gegensatzkonstruktion die besonderen Motive für die Übernahme des Priestertums der Kybele (17–22), während der anschließende Bericht über den Beginn der Tätigkeit durch Stilmittel wie Alliteration und Synonymie ausgeschmückt war.58 Gegensatzkonstruktion und doppelte Verneinung verdeutlichten die Motive für die besonderen Leistungen der Bürgerin, deren Charakterisierung zudem zumeist über Superlative wie δ[αψιλέστ]ατα καὶ ἱεροπρεπέστατα (36) oder φιλο|τειμοτάτη (47–48) erfolgte, bei den nachfolgenden Opferhandlungen unter dem Jahr.59 9.1.4 Die Ehrendekrete der Polis Histria im Wandel der Zeit Die Publikation von Ehrendekreten für eigene Bürger erfolgte in der Polis Histria während des Hellenismus vornehmlich in Zeiten von Krisen und militärischen Konflikten. Ein Großteil der Monumente konzentrierte sich auf das Ende des 3. Jhdts. v. Chr. Die entsprechenden Beschlüsse – so etwa die Ehrendekrete für Dioskourides, Meniskos und Agathokles sowie der gemeinsame Beschluss für die drei Gesandten Diodoros, Prokritos und Klearchos – standen in den meisten Fällen in Zusammenhang mit militärischen Konflikten. Die Plünderungszüge von indigenen Bevölkerungsgruppen wie Thrakern, Geten oder Skythen bedeuteten zugleich eine ökonomische Belastung für die Polis und hatten oft gravierende Auswirkungen auf Wirtschaft und Finanzen der Stadt. Dementsprechend lagen möglicherweise auch die Ursachen für die Auszeichnungen von Diogenes und Dionysios, deren Ehrendekrete im Kontext von Versorgungskrisen entstanden waren, in den militärischen Konflikten der Zeit. Auch das späthellenistische Ehrendekret für Aristagoras stand im Zusammenhang von Auseinandersetzungen mit feindlichen Barbarenstämmen. Die Forschung postulierte für die griechischen Städte an der Schwarzmeerküste während des Hellenismus eine durchgängige Bedrohung durch indigene Bevölkerungsgruppen aus dem Hinterland. Zumindest in der Polis Histria scheinen die außenpolitischen Unruhen jedoch lediglich in den letzten Jahrzehnten des 3. Jhdts. v. Chr. die Publikation von Ehrendekreten hervorgerufen zu haben und mögen in diesem 58 59

22–25: πρῶτον μὲν εὐθὺς τὰς πρώτας | προσόδους καὶ θυσίας καὶ εὐχὰς τοῖς θεοῖς ποιου|μένη τὴν τοῦ ἔτους ἀρχὴν μετ’ εὐφροσύνης καὶ εὐ|ωχίας μεγαλοπρεποῦς ἐποιήσατο. 39–41: τῶν μὲν ἀ|ναλωμάτω[ν κατ]αφρονήσασα, τῆς δὲ εὐδοξίας οὐ|χ ὀλιγωρήσα[σα τ]έλει.

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Zeitraum dementsprechend – vielleicht auch durch eine zunehmende Häufung an Konflikten – in besonderem Maß als Problem wahrgenommen worden sein. Das Moment der individuellen Auszeichnung scheint vor diesem Befund als alleinige Begründung für das Aufkommen der Monumente nicht auszureichen – auch wenn die Inschriften mit Sicherheit stets auch eine außergewöhnliche Anerkennung für besondere Leistungen bedeuteten. Entsprechende Funktionen hätte eine Stele jedoch zu allen Zeiten erfüllen können. Zunächst boten gerade Krisen und Konflikte auch den Bürgern in Histria eine günstige Gelegenheit zu besonderen Verdiensten um die Rettung der Polis und erzeugten als existentielle Bedrohungen in der Gemeinschaft zugleich ein allgemeines Bedürfnis nach Selbstvergewisserung sowie zur Beschwörung von kollektiven Idealen und Wertvorstellungen. Den beschriebenen Erfordernissen versuchte die Polis – wie zahlreiche Städte der griechischen Welt – durch besondere Auszeichnungen wie der Publikation von Ehrendekreten entgegenzukommen. Die Monumente erfüllten in diesem Kontext auch eine ideologische Funktion und sollten als Beispiele für die Verwirklichung eines vorbildlichen Lebens im Dienst der Bürgergemeinschaft zugleich Werte und Idealvorstellungen der Stadt verbreiten. Die Beschlüsse dienten daneben in vielen Fällen zugleich der kollektiven Erinnerung an die jüngste Vergangenheit und werden demnach in der Summe erneut erst im Zusammentreffen von unterschiedlichen Aspekten vor dem Hintergrund von existentiellen Bedrohungen entstanden sein. Die Beschlüsse gewähren daneben auch einen Einblick in die Gesellschaftsstrukturen der Stadt und beleuchten den Wandel der Bürgergemeinschaft im Verlauf des Hellenismus. Zur Bewältigung der außenpolitischen Krisen und Konflikte war die Polis – wie andere Städte in vergleichbaren Situationen – bereits zum Ende des 3. Jhdts. v. Chr. in vielen Fällen auf das Engagement von reichen und mächtigen Einzelpersonen angewiesen. Bürger wie Meniskos und Agathokles gewannen durch diplomatische Kontakte entscheidendes Gewicht für die städtische Außenpolitik. Bis zum späten Hellenismus konnte sich die Stadt jedoch noch neben den überragenden Einzelpersönlichkeiten behaupten. Zumindest die Ehrendekrete präsentierten die Polis als starkes und selbstbewusstes Gemeinwesen und betonten zudem stets die demokratischen Qualitäten der ausgezeichneten Personen. Erst im späten Hellenismus zeigten sich in den Beschlüssen nachhaltige Veränderungen im Verhältnis zwischen einzelnen Bürgern und der Polis. Im Ehrendekret für Agathokles, für dessen öffentliches Auftreten und Beurteilung finanzielle Leistungen eine entscheidende Rolle spielten, gewannen in den Jahren um 40 v. Chr. individuelle Leistungen und private Selbstdarstellung gegenüber dem Wohl von Polis und Bürgerschaft zunehmend an Bedeutung. Der herausragende Bürger und seine Familie scheinen die Geschicke der Stadt maßgeblich bestimmt zu haben und zeigten die eigene Dominanz insbesondere in der Ausübung von religiösen Funktionen. Auch wenn sich einzelne Personen bereits im 3. Jhdt. v. Chr. vornehmlich über großzügige Spenden für öffentliche Auszeichnungen qualifiziert hatten, scheint die Bedeutung von finanziellem Enga-

Die Ehrendekrete der Polis Olbia

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gement und öffentlichen Festen für die Beurteilung von Einzelpersonen im späten Hellenismus noch gestiegen zu sein. Ein großes Vermögen entwickelte sich in der Folge zu einem entscheidenden Faktor für den Erhalt von öffentlichen Ehrungen. Bis zur mittleren Kaiserzeit hatte sich die Polis vermutlich weitgehend in die Rolle der passiven Empfängerin von Wohltaten gefügt und zeigte die Stadtbevölkerung zumindest im Ehrendekret für Aba vornehmlich als das dankbare Publikum bei den Veranstaltungen der Priesterin.

9.2 Die Ehrendekrete der Polis Olbia Die Polis Olbia an der nördlichen Schwarzmeerküste war wie die Polis Histria eine milesische Gründung aus dem späten 7. Jhdt. v. Chr. und scheint bis zum Ende des Hellenismus nur wenige Beschlüsse zu Ehren von eigenen Bürgern publiziert zu haben.60 Ein erstes Ehrendekret ließ die Stadt mit dem Beschluss für Kallinikos jedoch bereits in den Jahren 325–320 v. Chr. aufstellen und auf der Basis der als weitere Auszeichnung verliehenen Ehrenstatue anbringen.61 Das Wirken des engagierten Bürgers fiel dabei ein weiteres Mal in eine Zeit von äußeren wie inneren Bedrohungen, deren historischen Hintergrund möglicherweise die Belagerung der Stadt durch Zopyrion, einen Feldherrn Alexanders des Großen, im Jahr 331 v. Chr. bildete.62 Kallinikos reformierte in diesem Zusammenhang das städtische Münzwesen und konnte durch eine Entschuldung zugleich die Eintracht innerhalb der Bürgerschaft gewährleisten (1–8).63 Zum Ende des Motivberichts erwähnte der Beschluss bereits ein erstes Mal die für Kallinikos vorgesehenen Ehrungen (8–10) und leitete durch eine anschließende Hortativformel – mit der Aussicht auf eine angemessene 60

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IOSPE I2 25 + 31. 32. 34. Bei weiteren Fragmenten verbietet der Erhaltungszustand sichere Aussagen über Art und Inhalt der jeweiligen Beschlüsse. S. etwa IOSPE I2 26. 29. 33. IOSPE I2 25 + 31. Die Inschrift ist in mehrere Fragmente gebrochenen und lediglich in Teilen erhalten. Zumindest im Ansatz lässt sich der Beschluss dennoch in der vollen Länge rekonstruieren. Der genaue Inhalt oder der exakte Wortlaut sind jedoch nicht mehr zu gewinnen. Zu Forschungsgeschichte und Zusammengehörigkeit der Fragmente s. ausführlich Vinogradov/Karyškovskij 1982 (1997), 278–283. Die Zählung der Zeilen richtet sich im Folgenden nach der Rekonstruktion von Vinogradov/Karyškovskij. Für wichtige Verbesserungen s. Robert/Robert, BE 1984, 458. Zu möglichen Hintergründen des Beschlusses s. ausführlich Vinogradov/Karyškovskij 1983 (1997), 298–321. Berechtigte Kritik bei Robert/Robert, BE 1984, 458. Vgl. auch Braund 2007, 69. In jedem Fall erfolgte die Aufstellung des Beschlusses jedoch im Zusammenhang mit politischen Problemen in der Polis. Zu den einzelnen Leistungen s. Vinogradov/Karyškovskij 1982 (1997), 285–294. Robert/ Robert, BE 1984, 457 f. Braund 2007, 68 f.

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Eine Randregion der griechischen Welt

Anerkennung sollten durch die Auszeichnung auch andere Personen zu öffentlichem Engagement motiviert werden (10–13) – zur Resolution über.64 Kallinikos erhielt für seine Verdienste eine Belobigung, einen goldenen Kranz im Wert von 1000 Goldstücken, dessen Verkündung bei den Dionysien im Theater zu erfolgen hatte, sowie ein Standbild (13–16).65 Durch seinen außergewöhnlichen Einsatz hatte Kallinikos die Polis Olbia aus einer existentiellen Notlage gerettet und konnte in der Folge innerhalb der Bürgerschaft eine Sonderstellung, die auch durch das hohe Kranzgeld und die Ehrenstatue zum Ausdruck kam, beanspruchen. Passend zum Aspekt der Rettung hatte der Demos zudem die Basis der verliehenen Ehrenstatue an Zeus Σωτήρ geweiht (17).66 Auch den Ausschlag zur dauerhaften Aufzeichnung des Ehrendekrets – im 4. Jhdt. v. Chr. insgesamt noch eine seltene Praxis – werden letztlich erst die herausragenden Leistungen gegeben haben. Neben der Funktion als öffentliche Dankbarkeitsbezeugung gegenüber Kallinikos diente das Ensemble aus Beschluss und Statue jedoch auch der Erinnerung an ein bedeutendes Ereignis der Stadtgeschichte. Da mit der Entschuldung zudem vermutlich die demokratischen Kräfte in der Polis Olbia die eigene Politik durchgesetzt hatten, sollte das Ensembledenkmal in der Folge möglicherweise auch demokratische Ideale wie die Eintracht des Volkes versinnbildlichen.67 Vermutlich in den Jahrzehnten um 200 v. Chr. ließ die Polis Olbia auf zwei Seiten eines hohen quadratischen Pfeilers ein ausführliches Ehrendekret für den prominenten Ausnahmebürger Protogenes aufzeichnen.68 Die Publikation des Beschlusses erfolgte dabei – wie schon die Aufstellung des Ehrendekrets für Kallinikos im späten 4. Jhdt. v. Chr. – vermutlich im Kontext von Krisen und poli­ tischen Unruhen und stand vor dem Hintergrund der zum Ende des 3. Jhdts. v. Chr. in der gesamten Schwarzmeerregion zu beobachtenden Konflikte mit indigenen Bevölkerungsgruppen. Den Motivbericht begannen die Initiatoren der Ehrung (1–2: οἱ ἄρχο[ν]|[τ]ες καὶ οἱ ἑπτά) nach einem kurzen Präskript zunächst jedoch mit 64 65 66 67 68

Zur Erwähnung der Ehrungen s. Vinogradov/Karyškovskij 1982 (1997), 284. Robert/ Robert, BE 1984, 458. Zu den Ehrungen s. Vinogradov/Karyškovskij 1982 (1997), 294–298. Robert/Robert, BE 1984, 457. Vinogradov/Karyškovskij 1982 (1997), 297. Vgl. Vinogradov/Karyškovskij 1983 (1997), 316–318. IOSPE I2 32. Der Pfeiler ist im unteren Bereich gebrochen und hat trotz der Beschädigung immer noch eine Höhe von 1,74 m. Ein Abschnitt aus dem Motivbericht des Beschlusses sowie das Ende des Ehrendekrets mit der gesamten Resolution fehlen. Die übrigen Teile der Inschrift sind nahezu komplett erhalten. Die Datierung schwankt zwischen den letzten Jahrzehnten des 3. Jhdts. v. Chr. und dem Beginn des 2. Jhdts. v. Chr. Maier 1959, 268. Migeotte 1984, 137. Braund 2007, 70 f. Walser 2008, 278 Anm. 19. Meier 2012, 349. Avram 2015, 27–29. In Länge und Ausführlichkeit reicht der Beschluss für Protogenes beinahe an die Ehrendekrete aus Kolophon und Priene heran und wird damit ebenfalls eine Ausnahmeerscheinung geblieben sein.

Die Ehrendekrete der Polis Olbia

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der allgemeinen Würdigung von Charaktereigenschaften und Verdiensten als Einleitung der Erzählung (A 2–9). Nachdem sich bereits der Vater großzügig und engagiert für die Polis Olbia eingesetzt hatte, bewahrte auch Protogenes sein Leben lang das Wohlwollen gegenüber dem Volk und bewirkte in Wort und Tat stets das Beste für die Stadt.69 Der eigentliche Tatenbericht verzichtete im Gegensatz zur allgemeinen Einleitung nahezu vollständig auf ehrende Adjektive oder Verweise auf die vorbildliche Einstellung und die herausragenden Charaktereigenschaften und bot stattdessen gerade zu Beginn der Erzählung eine schematische Aufzählung von Einzelereignissen, die auf den ersten Blick wie eine monotone Aneinanderreihung von Fakten wirken musste (A 9–82).70 Der Beschluss orientierte sich dabei vermutlich an der chronologischen Abfolge der Ereignisse und berichtete ausführlich von großzügigen Finanzhilfen für die Stadt, die zumindest in der Darstellung des Ehrendekrets stets als klammes und bedürftiges Gemeinwesen präsentiert wurde.71 So gewährte Protogenes der Polis Darlehen, übernahm Tributzahlungen an feindliche Stämme, streckte Geld für den Getreideankauf vor und verkaufte das eigene Getreide unter dem Marktpreis an die Stadt.72 Obwohl diese Teile der Erzählung auf den ersten Blick wie eine schematischen Aneinanderreihung von Einzelereignissen wirkten, scheinen die Verfasser bei der Gestaltung zumindest in Teilen literarische Ambitionen verfolgt zu haben und berichteten etwa im Abschnitt über den diplomatischen Konflikt mit König Saitaphernes auch über die Emotionen der Akteure (A 82–96).73 Als die Finanzen der Polis erschöpft waren und sich der Demos in Angst vor dem Zorn und den Forderungen des Königs befand, trat Protogenes am Höhepunkt der Krise gleichsam als deus ex machina in Erscheinung und rettete die Stadt 69 70

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5–9: Πρωτο|γένης τε διαδεξάμενος τὴμ παρὰ τοῦ πα|τρὸς εὔνοιαν πρὸς τὸν δῆμον διὰ βίου δια|τετέλεκεν λέγων καὶ πράττων τὰ βέλ|τιστα. Vgl. Quaß 1993, 43 Anm. 118. 46 Anm. 140. Wie in anderen Ehrendekreten markierten die Partikeln τε und δέ in aufzählendem Gebrauch oder die Verbindungspartikel καί – sicherlich stets auch mit Rücksicht auf die Bedürfnisse der Zuhörer in der Volksversammlung bei der mündlichen Verlesung des langen Antrags – den Beginn eines neuen Absatzes. Zur sprachlichen Gliederung der Ehrendekrete durch aufzählende Partikeln s. allgemein u. S. 408. Eine thematische Zusammenstellung der einzelnen Episoden zu gemeinsamen Sachkategorien ist nicht zu erkennen. Einzig der finanzielle Aspekt scheint bei den Leistungen stets eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Zu den einzelnen Leistungen s. Maier 1959, 268 f. Veyne 1976, 235. Krauss 1980, 17 f. Migeotte 1984, 137–140. Gauthier 1985, 70. Quaß 1993, 119–121. 244–246. 369. Chaniotis 2005, 169. Braund 2007, 68. 70–72. Walser 2008, 298 Anm. 32. 304–306. Meier 2012, 249. 253. Avram 2015, 45 f. Das primäre Handlungsmotiv des Protogenes muss jedoch nicht in jedem Fall reine Selbstlosigkeit gewesen sein. Die Getreidegeschäfte mit der Stadt warfen vermutlich sogar Gewinn ab. Walser 2008, 306 Anm. 53. Meier 2012, 249. Vgl. Müller 2011, 353. 357. Zur literarischen Gestaltung sowie zur «dramatic quality» der von Emotionen gerahmten Erzählung s. Chaniotis 2013a, 210. Im Hinblick auf die rhetorische Ausarbeitung ist das Ehrendekret der Stilrichtung des Asianismus zuzuordnen. Papanikolaou 2012, 148.

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durch eine großzügige Spende. Bei der Abfassung der Erzählung hatten sich die Autoren für diesen Abschnitt vermutlich auch vom Aufbau und von den gestalterischen Elementen der antiken Tragödien inspirieren lassen. Der Bericht über das Engagement des Protogenes für die umfangreichen Erneuerungen an der Stadtbefestigung begann mit einem ausführlichen Exkurs zur Lage der Polis (B 1–21) und sollte den Zuhörern über die detailreiche Situationsbeschreibung im Sinne der literarischen enargeia ein eindrückliches und glaubwürdiges Bild der Ereignisse vermitteln und die Größe der Gefahren verdeutlichen.74 Die anschließende Szene in der Volksversammlung berichtete erneut von der Angst der Bevölkerung und gipfelte in einem emotionalen Appell an alle Bürger (B 21–27). Als sich keine Freiwilligen für die anstehenden Aufgaben fanden, trat Protogenes, dessen Erscheinen den Höhepunkt der Erzählung bildete und die Wende zum Guten markierte, erneut als der rettende deus ex machina vor die Volksversammlung und versprach, alle anfallenden Kosten zu übernehmen (B 27–31).75 Die literarische Gestaltung des Abschnitts, der dennoch wie der gesamte Beschluss in weiten Teilen einen nüchternen und sachlichen Stil wahrte, sollte dabei zugleich auch die überragende Stellung des Ausnahmebürgers innerhalb der Polis unterstreichen.76 Im Zuge der anschließenden Baumaßnahmen ließ Protogenes neben den Befestigungsanlagen auch andere Gebäude der Stadt erneuern und übernahm zusätzlich die Kosten für den Transport der Baumaterialien (B 31–55).77 Für dieses finanzielle Engagement verlieh die Polis dem herausragenden Bürger, der bereits zu früheren Zeitpunkten Kranzehrungen erhalten zu haben scheint, einen weiteren Kranz (B 55–57). Im Anschluss berichtete die Erzählung, die jedoch auch in diesem letzten Abschnitt nicht über einen schlichten Tatenbericht hinauskam, ausführlich von den Erfolgen des Protogenes als Beauftragtem der Stadt für Wirtschaft und Finanzen (B 57–95).78 Ein Schwerpunkt der Tätigkeit lag dabei auf dem Abbau von öffentlichen Schulden und privaten Anleihen, wobei Protogenes als Geldgeber seinen Schuldnern immer wieder großzügig einen Teil der Verpflichtungen erließ. Eine Stilisierung des Protogenes zum Idealbild eines vorbildlichen Musterbürgers, die vielleicht auch schlicht nicht in der Intention der Verantwortlichen lag, unternahm das Ehrendekret zumindest in den erhaltenen Teilen nicht. Stattdessen diente die Erzählung vornehmlich der Erinnerung an die Verdienste und die Ausgaben des Protogenes, der in der Polis schon durch seine immense Finanzkraft einen Sonder74 75 76 77

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Zu den Darstellungsabsichten des Abschnitts s. Chaniotis 2013a, 211. Chaniotis 2014, 155. Zur Bedrohung der Schwarzmeerstädte durch die Skiren s. Avram 2015, 21–27. Zur szenischen Gestaltung des Berichts s. Chaniotis 2013a, 212. Chaniotis 2014, 156. Chaniotis 2014, 157. Zur Bautätigkeit in der Polis s. Maier 1959, 269–272. Veyne 1976, 235. Krauss 1980, 18. Migeotte 1984, 139. Gauthier 1985, 71. Quaß 1993, 121. 369. Chaniotis 2005, 169. Braund 2007, 68. Walser 2008, 151 Anm. 160. 278. Meier 2012, 249–253. Zur Tätigkeit im Bereich von Wirtschaft und Finanzen s. Maier 1959, 269. Migeotte 1984, 139. Quaß 1993, 121 f. 271. 234. Walser 2008, 198 Anm. 4. 300–302.

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status gehabt haben wird. Einzelnen Passagen insbesondere am Beginn der Erzählung waren möglicherweise sogar aus den Rechnungsbüchern des reichen Bürgers oder der Polis entnommen worden und mögen im Hinblick auf eine korrekte und detaillierte Darstellung der Ausgaben im Anschluss durch den Finanzmagnaten persönlich überprüft worden sein.79 Daneben enthielt der Motivbericht auch Einzelerzählungen mit literarischem Anspruch. Die inhaltlichen Aussagen beschränkten sich jedoch vornehmlich auf eine persönliche Erhöhung und präsentierten Protogenes als strahlenden Retter der Polis. Auf die Stilisierung zu einem Idealbild an demokratischen Bürgertugenden scheint der Beschluss weitgehend verzichtet zu haben. Auch die dauerhafte Aufstellung des Ehrendekretes – in der Polis Olbia wohl grundsätzlich eine seltene Praxis – diente demnach in der Hauptsache vermutlich der persönlichen Überhöhung des Protogenes und mag zugleich eine kleine Kompensation für dessen finanzielle Aufwendungen bedeutet haben. Auch das Pfeilermonument, das im ursprünglichen Zustand vielleicht eine Höhe von etwa 2,00 m erreicht haben wird, war in jedem Fall eine Ausnahmeerscheinung und erfüllte in der besonderen Gestaltung vielleicht auch persönlichen Wünsche des herausragenden Bürgers, der allein durch seine Finanzkraft in der Polis Olbia eine führende Rolle eingenommen haben wird.80 Die Stadt, die über einen längeren Zeitraum mehrfach unter Geldnot gelitten zu haben scheint, wird sich dabei zumindest in der weitgehenden Abhängigkeit von den finanziellen Zuwendungen des reichen Wohltäters befunden haben.81 Auch die Auszeichnungen durch die Polis wie die Aufstellung des Ehrendekrets werden in diesem Zusammenhang vornehmlich den persönlichen Interessen und der Selbstdarstellung des Ausnahmebürgers entsprochen haben. Große Handlungsspielräume hatten Rat und Volk in der politischen Praxis vermutlich nicht – auch wenn die demokratischen Entscheidungsstrukturen in den formalen Abläufen gewahrt blieben. Im Vergleich mit den Verhältnissen in anderen Städten am Ende des 3. Jhdts. v. Chr. scheint die Schwäche der Polis Olbia, die für die Erfüllung der öffentlichen Aufgaben in vielen Fällen auf private Zuwendungen angewiesen war, jedoch eine Ausnahme gewesen zu sein. Zumindest in den eigenen Ehrendekreten präsentieren sich viele Städte bis in den späten Hellenismus als selbständige Gemeinwesen, deren demokratische Verfassungen auch in der Praxis funktionierten.82 In der Polis Olbia mag die führende Stellung des finanzkräftigen Protogenes – begünstigt durch die außenpolitischen Bedrohungen – ebenfalls ein temporäres Phänomen geblieben

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Für eine Übernahme von einzelnen Passagen aus den Wirtschaftsbüchern des Protogenes spricht auch die schwierige und technische Diktion in Teilen des Beschlusses. Maier 1959, 268. Veyne 1976, 235 f. Migeotte 1984, 136. Gauthier 1985, 70. Quaß 1993, 120. Walser 2008, 306 Anm. 53. Müller 2011, 357. Meier 2012, 249. Für eine relativierende Sichtweise auf den Einfluss des Protogenes s. Gauthier 1985, 70– 72. Ebd. 72.

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sein. Auch die Stadt mag mit dem Abhängigkeitsverhältnis auf Dauer nicht zufrieden gewesen sein und präsentierte sich etwa im Bericht über den Konflikt mit Saitaphernes dementsprechend entgegen den realen Begebenheiten als unabhängiges und autonomes Gemeinwesen.83 Vermutlich in den ersten Jahrzehnten des 1. Jhdts. v. Chr. publizierten Rat und Volk von Olbia das postume Ehrendekret für Neikeratos.84 Anlass des Beschlusses war der Tod des verdienten Bürgers im Kampf mit feindlichen Stämmen aus dem Umland der Polis. Die Erzählung scheint zunächst jedoch auf frühere Leistungen des Verstorbenen, der für die Wiederherstellung des Friedens nach einem Konflikt bereits eine Statue und ein Bildnis erhalten hatte, eingegangen zu sein (1–12).85 In diesem Zusammenhang verwies der Beschluss auch auf das politische Engagement des Neikeratos und traf eine implizite Aussage über die allgemeinen Vorstellungen von guten Polisbürgern. Dem Idealbild eines guten Politikers entsprechend hatte sich der Verstorbene zu Lebzeiten nicht nur durch Ratschläge in der Volksversammlung eingebracht, sondern im Anschluss auch eine möglichst gute Umsetzung der Beschlüsse angestrebt.86 Zum Abschluss berichtete die Erzählung ausführlich über die aktuellen Auseinandersetzungen der Stadt mit feindlichen Barbaren sowie das – letztlich tödliche – Engagement des Neikeratos während der Kämpfe (13–20).87 Die sprachliche Gestaltung des Abschnitts zielte dabei erneut auf eine implizite Charakterisierung des herausragenden Bürgers. Durch den vermehrten Einsatz von Begriffen aus dem Wortfeld «sehen/vorhersehen» wurde Neikeratos zu einem vorausschauenden und umsichtigen Retter der Polis stilisiert.88 Drohende Gefahren konnten in der Folge schon im Vorfeld abgewendet werden.89 So erhöhte sich schon durch die bloße Anwesenheit des Ausnahmebürgers die Sicherheit der Bevölkerung.90 Durch seine besonderen Begabungen war Neikeratos zudem am Tag nicht zu täuschen und konnte von den Feinden deshalb erst in einem nächtlichen Hinterhalt überwunden werden.91 Einblicke in Gedanken und Einstellung des Ausnahmebürgers, der bis zu 83 84 85 86 87 88 89 90 91

Zur beschönigenden Wortwahl des Abschnitts s. Chaniotis 2013a, 210. Vgl. Avram 2015, 46. IOSPE I2 34. Die Marmorplatte mit der Inschrift ist oben und links gebrochen. Der Beschluss ist bis auf das Ende des Motivberichts und die Resolution verloren. Braund 2007, 60. 12: [σωφρό]νως μὲν βουλευόμενος ἕκαστα, ἄμεινον δὲ ἐπιτ[ελ]ῶν τὰ δοχθέντα. Zu Engagement und Tod des Neikeratos s. Krauss 1980, 17. Quaß 1993, 125. Braund 2007, 60 Anm. 84. 13: προνοεῖν. 16: [ἰδὼν]. 17: προυνόει. 18: [φρ]οντίσειεν. An den ergänzten Stellen sind in jedem Fall sinnverwandte Ausdrücke zu erwarten. 15: [κ]αὶ τῆς καθηκούσης ἀκολουθίας παραγενόμενος αὐτόθι προεφύλασσεν. 14–15: [οἰόμενο]ς γὰρ τῆι ἑαυτοῦ παρουσίᾳ τοὺς ὄχλους εὐφυλακτοτέ[ρου]ς ἔσεσ|[θαι]. 18–20: διὸ καὶ οἱ πολέμιοι, τὸ ἀνυπόστατον αὐτοῦ τῆς ἀρετῆς δείσα[ν]|[τες, ἐκ μὲν τοῦ φανεροῦ] οὐκ [ἐθ]άρρησαν ἐπιβαλεῖν, ἐνεδρεύσαντες δὲ αὐτὸν νύκτρ ἐδο[λοφ]όνη|[σαν]. Vgl. Chaniotis 2014, 158. Durch den feigen Überfall in der Nacht versuchte der Beschluss die hinterlistigen Feinde zugleich in deren eigenem Verhalten zu diskreditieren.

Die Ehrendekrete der Polis Olbia

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seinem Tod aus der Masse der einfachen Bürger herausragte, dienten ebenfalls der indirekten Charakterisierung.92 Mit sprachlichen Mitteln schuf die Erzählung damit in der Summe das Bild eines großen Helden im steten Einsatz für das Wohl der Polis. Insgesamt mag die Erzählung die gesamte Karriere des Neikeratos umspannt haben und auch im Hinblick auf die ideologischen Intentionen die Funktion eines «Lebenswerkdekrets» erfüllt haben.93 Durch den besonderen Anlass markierte der Beschluss – auch wenn die Hinterbliebenen nicht explizit angesprochen wurden – zugleich den allmählichen Übergang zu den Trostdekreten der Kaiserzeit. Um die Trauer der Stadt über den unerwarteten Tod des guten Bürgers zum Ausdruck zu bringen und dem Verstorbenen die herausragendsten Ehrungen zu verleihen, erhielt Neikeratos ein Staatsbegräbnis, einen goldenen Kranz bei der Bestattungszeremonie sowie ein Reiterstandbild mit Ehreninschrift an einem von den Hinterbliebenen zu bestimmenden Platz (20–32).94 Die Bekränzung war jährlich bei der Wahlversammlung sowie beim Wettkampf zu Ehren des Achilles zu wiederholen, wobei der Herold den Text der Ehreninschrift zu verkünden hatte.95 Die Aufzeichnung des Beschlusses, für dessen Publikation die Hinterbliebenen erneut einen Platz in der Polis bestimmen durften, verknüpfte die Resolution mit der hortativen Funktion des Monuments – das Ehrendekret sollte auch andere Bürger durch die Aussicht auf Anerkennung in der Stadt zu Leistungen motivieren (32–34) – und benannte damit bereits einen wichtigen Grund für die Veröffentlichung.96 Neben der ehrenden Erinnerung an den Verstorbenen und dem Trost der Hinterbliebenen diente der Motivbericht mit Neikeratos als Idealbeispiel an bürgerlichen Tugenden damit insbesondere der Verbreitung von allgemeinen Wertvorstellungen der Polis. Den Ausschlag zur Errichtung des Monuments wird in der Summe ein weiteres Mal erst das Zusammentreffen der verschiedenen Aspekte vor dem Hintergrund von existentiellen Konflikten – diesmal der unerwartete Tod des Neikeratos beim militärischen Einsatz für die Heimatstadt – gegeben haben. Allein die außergewöhnlichen Umstände machten den postumen Beschluss vermutlich zu einer Ausnahmeerscheinung. Die Polis Olbia scheint im Hellenismus insgesamt große Zurückhaltung bei der öffentlichen Publikation von Ehrendekreten geübt zu haben. Die dauerhafte Aufstellung der entsprechenden Beschlüsse erfolgte vermutlich nur in seltenen Fällen 92

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14: [οἰόμενο]ς. 17: ἡγεῖτο. 18: [φρ]οντίσειεν. Der Gegensatz zwischen Neikeratos und der Masse wurde ebenfalls durch sprachliche Mittel verdeutlicht. 16–17: τοὺς μὲν πολείτας ἐξέστειλεν εἰς τὴν πόλιν, αὐτὸς δ’ ὑ[π]έμε[ι]|[νε]. Sichere Aussagen über Form und Inhalt erlaubt der schlechte Erhaltungszustand jedoch nicht. Zu Reiterstandbild und Ehreninschrift s. Gauthier 1985, 59. Zur Integration der Inschrift in die Gedächtnisfeiern s. Chaniotis 2014, 158. Auch einzelne Ehrendekrete aus anderen Städten betonten die hortative Funktion der Stelen. S. etwa o. S. 100.

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sowie zumeist im Abstand von einigen Jahrzehnten oder ganzen Jahrhunderten. Auch die Aufzeichnung folgte keinen festen Mustern. So blieben etwa das Statuenensemble für Kallinikos oder das Pfeilermonument für Protogenes einzigartige Erscheinungen. Erst in der römischen Kaiserzeit errichtete die Polis in großem Umfang ähnliche Monumente – in der Regel vermutlich postume Trostbeschlüsse.97 Die jeweiligen Beschlüsse erfüllten alle formalen Kriterien eines Volksbeschlusses und standen in Inhalt und Gestaltung in der Tradition der hellenistischen Ehrendekrete.98 Sprache und Stil zeigten daneben auch Einflüsse der kaiserzeitlichen Rhetorik.99 Die dauerhafte Publikation von Volksbeschlüssen war im griechischen Raum inzwischen eigentlich weitgehend aus der Mode gekommen. In den meisten Städten hatten kurze Ehreninschriften die Ehrendekrete verdrängt.100 Das Fortleben der entsprechenden Praktiken mag mit dem besonderen Status und der politischen Stellung der Stadt in Zusammenhang gestanden haben. Die Polis Olbia lag an der nördlichen Schwarzmeerküste und befand sich damit am Rand der antiken Welt. In der Folge gehörte die Stadt möglicherweise nicht zum römischen Herrschaftsbereich und stand lediglich in einem engen Bündnisverhältnis mit dem Imperium Romanum.101 Als autonomes Gemeinwesen traf die Polis noch weit bis in die Kaiserzeit eigenständige Entscheidungen und ließ die entsprechenden Volksbeschlüsse als Inschriften publizieren. Die dauerhafte Veröffentlichung der Entscheidungen mag in diesem Zusammenhang auch als sichtbares Zeichen für die Autonomie der Polis gedacht gewesen sein. Im Hellenismus scheinen in der Regel lediglich herausragende Verdienste in bedrohlichen Krisensituationen Rat und Volk von Olbia zur Publikation von Ehrendekreten für eigene Bürger veranlasst zu haben. Die seltenen Monumente, die als Aus  97

IOSPE I2 39–76. Gemessen an der Vielzahl an bekannten Beschlüssen – wenn auch in einigen Fällen lediglich kleine Fragmente – muss die Stadt mindestens vom frühen 2. Jhdt. n. Chr. bis ins 3. Jhdt. n. Chr. immer wieder Beschlüsse für verstorbene Personen verabschiedet und publiziert haben. Der fragmentarische Zustand der Inschriften erschwert die genaue Einordnung der Beschlüsse.  98 So erinnern etwa die postumen Beschlüsse für Karzoazos und Theokles in ausführlichen Motivberichten an die politischen Leistungen der beiden Bürger in städtischen Funktionen und auf Gesandtschaftsreisen. IOSPE I2 39. 40. Zum Beschluss für Theokles s. auch Heinen 2009, 21–29.  99 So kombinierte etwa der Beschluss für Karzoazos aus den 2. Jhdt. n. Chr. alte Konzepte mit originellen Formulierungen. IOSPE I2 39, 35–36: ζήσαντα κα|λῶς καὶ δημωφελῶς. Das Adverb δημωφελῶς ist vornehmlich in kaiserzeitlichen Ehreninschriften bezeugt. S. etwa Avram 1996/1997. MAMA 4, 125. Mitchell 1985 Nr. 4. MAMA 7, 11. CIG 4415. Der Beschluss für Theokles findet – ein typisches Element der kaiserzeitlichen Beschlüsse – eine euphemistische Umschreibung für den Tod des Bürgers, der «von einem heimtückischen Dämon geraubt wurde». IOSPE I2 40, 31–32: ὑπὸ τοῦ βασκάνου δαίμονος ἀφῃρέθη, μὴ διατελέσας | τὴν ἀρχήν. 100 Zur Ehrenpraxis in der Kaiserzeit s. allgemein u. S. 381. 402 f. 101 Zur besonderen politischen Stellung der Städte an der nördlichen Schwarzmeerküste in der Kaiserzeit s. Haensch 2005, 267.

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nahmeerscheinung sicherlich stets auch eine persönliche Auszeichnung bedeuteten, dienten als Erinnerungsmonumente für herausragende Ereignisse in der Geschichte der Stadt und erfüllten als Beispiele für vorbildliches Verhalten zudem hortative Funktionen. Durch die Zuspitzung auf die Leistungen von einzelnen Bürgern boten die Beschlüsse eine personalisierte Form der historischen Erinnerung. Kallinikos trug in den Jahren um 325 v. Chr. entscheidend zur Rettung der Stadt im Konflikt mit dem makedonischen Feldherrn Zopyrion bei. Protogenes scheint in den Jahrzehnten zum Ende des 3. Jhdts. v. Chr. durch seine Finanzkraft über einen längeren Zeitraum die Geschicke der Stadt bestimmt zu haben. Hintergrund des Engagements waren die zur selben Zeit auch in der Polis Histria zu beobachtenden Konflikte mit indigenen Bevölkerungsgruppen. Obwohl die Erzählung in weiten Teilen einen nüchternen und sachlichen Stil wahrte, charakterisierte das Ehrendekret den Wohltäter in ausgefeilten Einzelepisoden immer wieder als herausragenden Retter in der Not. Schon im frühen Hellenismus scheint die Polis demnach zumindest in Krisensituationen von reichen Einzelpersonen abhängig gewesen zu sein. Finanzielles Engagement spielte für die Beurteilung der Leistungen bereits eine wichtige Rolle. Zu Beginn des 1. Jhdts. v. Chr. verabschiedete die Polis ein Ehrendekret für den im Kampf für die Heimat gefallenen Neikeratos. Die Erzählung erinnerte an herausragende Leistungen des Politikers und stilisierte den Verstorbenen zugleich zum Idealbild eines Polisbürgers.

9.3 Im Konflikt mit der indigenen Bevölkerung – Die Ehrendekrete der griechischen Städte an der Schwarzmeerküste Die griechischen Städte in der Schwarzmeerregion hatten als Koloniegründungen der archaischen Zeit in der Regel eine lange Polistradition und publizierten bereits seit dem frühen Hellenismus Ehrendekrete für eigene Bürger. Die Polis Histria ließ insbesondere zum Ende des 3. Jhdts. v. Chr. zahlreiche Beschlüsse für verdiente Personen aufstellen. Rat und Volk von Olbia wahrten bei der Errichtung von entsprechenden Monumenten während des gesamten Hellenismus noch große Zurückhaltung. Erst ab der mittleren Kaiserzeit publizierte die Polis zahlreiche Trostbeschlüsse für verstorbene Personen. In der Polis Histria blieb das kaiserzeitliche Ehrendekret für die Wohltäterin Aba aus dem 2. Jhdt. n. Chr. lediglich ein Einzelfall. Auch die Städte Dionysopolis und Chersonesos veröffentlichten im Hellenismus vereinzelte Beschlüsse zu Ehren von eigenen Bürgern.102 Insgesamt blieb die Aufstellung von Ehrendekreten in den Städten am Schwarzen Meer – wie in ande-

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IGBulg 13. IOSPE I2 344. 355. S. ausführlich u. S. 491–493.

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ren Regionen der griechischen Welt – eine Ausnahmeerscheinung und konzentrierte sich in der Regel auf kurze Zeiträume von wenigen Jahrzehnten. Als seltene Auszeichnung für außergewöhnliche Leistungen bedeuteten die Monumente zunächst stets eine besondere Ehre für die jeweiligen Personen. Ebenso erinnerten die ausführlichen Erzählungen jedoch auch an bedeutende Ereignisse aus der jüngsten Geschichte der Städte und propagierten – gleichsam als allgemeine Leitkonzepte für künftige Generationen – Tugendvorstellungen und bürgerliche Ideale. Insbesondere die Polis Histria nutzte die Veröffentlichung von entsprechenden Beschlüssen in vielen Fällen zur Selbstvergewisserung sowie zur Verbreitung von Tugendidealen und Wertvorstellungen. Die Polis Chersonesos errichtete noch am Beginn der Kaiserzeit ein Ehrendekret als Monument für die Freiheit der Stadt.103 Gleichzeitig setzten Rat und Volk mit dem Beschluss ein eindeutiges Statement gegen die Herrschaft eines Tyrannen. In der Regel wird demnach auch in den Städten der Schwarzmeerregion erst das Zusammentreffen von unterschiedlichen Faktoren in Krisensituationen zur Publikation von Ehrendekreten geführt haben.104 Die meisten Monumente aus der Region standen in Zusammenhang mit politischen Konflikten oder militärischen Auseinandersetzungen. Zum Ende des 3. Jhdts. v. Chr. veranlassten die Kämpfe mit indigenen Bevölkerungsgruppen die Städte Olbia und Histria zur Publikation von zahlreichen Beschlüssen. Auch die zeitgleichen Versorgungskrisen scheinen oftmals mit den militärischen Konflikten in Zusammenhang gestanden zu haben. Indigene Bevölkerungsgruppen bildeten vermutlich während des gesamten Hellenismus eine potentielle Bedrohung für die griechischen Küstenstädte am Schwarzen Meer. Eine außergewöhnliche Periode der Unruhe, die von zahlreichen Auseinandersetzungen geprägt war, scheinen für die Region jedoch insbesondere die Jahrzehnte um das Ende des 3. Jhdts. Chr. bedeutet zu haben.105 Zu anderen Zeiten sahen Städte wie Olbia oder Histria zumindest kaum Veranlassung zur dauerhaften Publikation von Volksbeschlüssen. Lediglich in den Jahrzehnten um die Mitte des 1. Jhdts. v. Chr. verabschiedeten die Städte Olbia, Histria, Dionysopolis und Chersonesos vereinzelt Ehrendekrete für eigene Bürger. Hintergründe der Beschlüsse waren neben lokalen Konflikten die römischen Bürgerkriege sowie die allgemeinen Beziehungen der Städte zu Rom. Wie in anderen Regionen der griechischen Welt verschoben sich unter römischem Einfluss auch in der Schwarzmeerregion im späten Hellenismus allmählich die Kräfte innerhalb der Städte zu Gunsten von einzelnen Bürgern. Parallel zu den gesellschaftlichen Entwicklungen

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IOSPE I2 355. S. auch u. S. 492 f. In den Grundzügen zeigt der Befund aus den griechischen Städten an der Schwarzmeerküste somit kaum Unterschiede zu anderen Regionen der griechischen Welt. Zumindest der Befund der Ehrendekrete steht damit gegen das allgemeine Bild der Forschung von der permanenten Bedrohung der griechischen Städte in der Schwarzmeerregion.

Im Konflikt mit der indigenen Bevölkerung

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tendierten auch die Erzählungen in den Ehrendekreten zunehmend zu individuellen Darstellungen. Finanzielle Aspekte gewannen bei der Beurteilung von öffentlichem Engagement und der anschließenden Vergabe von Ehrungen ebenfalls an Bedeutung. Teilweise scheinen die entsprechenden Entwicklungen an der Schwarzmeerküste bereits im frühen Hellenismus eingesetzt zu haben. In Einzelfällen konnten reiche Personen wie Protogenes aus Olbia schon im späten 3. Jhdt. v. Chr. zumindest über einen gewissen Zeitraum maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Städte ausüben. Auch in Histria spielten finanzielle Leistungen in einzelnen Beschlüssen eine zentrale Rolle.106 Öffentliches Engagement verstanden die Gremien der Stadt zunächst jedoch noch als verpflichtende Leistungen von reichen Bürgern einzufordern. Spätestens in der Kaiserzeit wurde die Polis endgültig zur passiven Empfängerin von Wohltaten. Öffentliche Anerkennung konnten sich einzelne Bürger durch finanzielle Leistungen gleichsam «erkaufen».

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Aus der großen Bedeutung von finanziellen Aspekten für die Beurteilung von Einzelpersonen mag sich auch die frühe Verwendung des Begriffs εὐεργέτης zur Bezeichnung von eigenen Bürgern erklären – machen doch gerade Spenden und Stiftungen einen traditionellen Kern des Euergetismus aus. S. o. S. 328. Vgl. allgemein o. S. 19. 43 f. In an­ deren Regionen begegnet die Bezeichnung εὐεργέτης im Kontext von eigenen Bürgern vornehmlich im Späthellenismus.

10. Großzügige Priesterinnen und reiche Bauherrinnen – Ehrendekrete für wohltätige Frauen

Die soziale Stellung und die gesellschaftliche Bedeutung von Frauen in Hellenismus und Kaiserzeit rückten in den vergangenen Jahrzehnten vermehrt in den Blick der Forschung, die als Ausgangsbasis in der Hauptsache archäologische Befunde und epigraphische Zeugnisse nutzte.1 Eine Veränderung im Auftreten und in der Außenwahrnehmung von Bürgerinnen, deren öffentliches Engagement sich bis in späthellenistische Zeit in griechischen Städten nahezu ausschließlich auf religiöse Funktionen wie die Tätigkeit als Priesterinnen beschränkte, konnte dabei erst im Verlauf des Hellenismus festgestellt werden.2 Erst ab dem 2. Jhdt. v. Chr. übernahmen Frauen allmählich auch Aufgaben im profanen Leben der Städte.3 Religion und Kult blieben jedoch noch bis in die Kaiserzeit wichtige Betätigungsfelder für einflussreiche Bürgerinnen – so etwa in der Region um Antigoneia/Mantineia und Megalopolis.4 Daneben ehrte etwa auch die Polis Histria die Bürgerin Aba im 2. Jhdt. n. Chr. für Verdienste um den Kult der Kybele, während Rat und Volk auf der Insel Syros wohl zur gleichen Zeit ein postumes Ehrendekret für die mehrfache Priesterin Berenike verabschiedeten und deren lebenslanges Engagement für die Kulte der Stadt würdigten.5 Im späten Hellenismus und in der römischen Kaiserzeit betätigten sich wohlhabende Frauen in einzelnen Städten zugleich jedoch auch vermehrt als großzügige Spenderinnen oder stifteten öffentliche Gebäude.6 So ließ etwa die prominente Bürgerin Archippe in der zweiten Hälfte des 2. Jhdts. v. Chr. in Kyme ein neues Bouleuterion errichten.7 Bereits in der Mitte des 3. Jhdts. v. Chr. hatte sich schon die Bürgerin Eutelistrate – allerdings noch gemeinsam mit ihrem Ehemann Aratokritos – auf der Insel Kalymna für den Neubau des Theaters enga-

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S. etwa Van Bremen 1996. Ferrandini Troisi 2000. Bielman 2002. Van Bremen 1996, 6. Gauthier 1985, 74. Van Bremen 1996, 6. Scholz 2008, 84. Zur Bedeutung von Frauen für die Kulte in der Region um Antigoneia/Mantineia und Megalopolis s. ausführlich u. S. 358–368. Einzelne Städte begannen im späten Hellenismus zudem mit der Aufstellung von Ehrenstatuen für Priesterinnen. So ließen etwa Rat und Volk von Pergamon im späten 2. Jhdt. v. Chr. zahlreiche Ehrenstatuen für die Priesterinnen der Stadtgöttin Athena aufstellen. Mathys 2009, 232–234. Mathys 2014, 25 f. IScM I 57. S. o. S. 341–343. IG XII 5, 655. Gauthier 1985, 74. Van Bremen 1996, 6. Scholz 2008, 84. Zum öffentlichen Engagement von Frauen als Spenderinnen s. auch Savalli-Lestrade 2003a, 254–260. Der Aufsatz ist ursprünglich auf Italienisch erschienen. Savalli-Lestrade 1993. Im Folgenden wird stets nach der aktuellen Version auf Französisch zitiert. Zum Engagement der Archippe s. ausführlich u. S. 372–377.

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Großzügige Priesterinnen und reiche Bauherrinnen

giert.8 Einzelne Frauen wie Timessa aus Arkesine oder Aba aus Histria stießen mit dem eigenen Engagement auch in traditionell von Männern dominierte Bereiche vor oder weiteten das Engagement wie die in Korinth lebende Iunia Theodora über den lokalen Rahmen aus.9 Ab dem 2. Jhdt. v. Chr. erinnerten einzelne Städte in diesem Zusammenhang auch durch die dauerhafte Aufzeichnung von Ehrendekreten an die Leistungen der herausragenden Bürgerinnen. Die Errichtung von entsprechenden Monumenten bestand als Praxis bis in die Kaiserzeit – auch wenn solche Stelen in den griechischen Städten stets Ausnahmen geblieben zu sein scheinen.10 Den genauen Gründen für das Aufkommen der Beschlüsse in einzelnen Regionen wird im Folgenden nachzugehen sein. Ein Augenmerk soll in diesem Kontext insbesondere auf die gesellschaftlichen Entwicklungen gelegt werden.

10.1 Weibliches Engagement im Kontext von Religion und Kult Die Städte in der Region um Antigoneia/Mantineia und Megalopolis auf der Peloponnes begannen vermutlich erst um die Mitte des 1. Jhdts. v. Chr. mit der dauerhaften Publikation von Ehrendekreten und beschränkten sich dabei nahezu ausschließlich auf die Auszeichnung von herausragenden Bürgerinnen, während Männer in der Regel lediglich gemeinsam mit den Ehefrauen in Erscheinung traten und in den meisten Beschlüssen zudem nur eine untergeordnete Rolle spielten.11 Gemeinsame Ehrendekrete für Ehepaare erfuhren zudem vornehmlich in den späten Regierungsjahren des Augustus eine dauerhafte Aufzeichnung. Da sich die ausgezeichneten Personen oftmals als Priesterinnen und Priester betätigten, konzentrierte sich das Engagement in den meisten Fällen auf finanzielle Leistungen in den Bereichen von Religion und Kult und konnte neben der Polis auch von anderen Institutionen wie Priestergremien honoriert werden.

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Das Engagement der Eutelistrate ist lediglich durch eine monumentale Bauinschrift bezeugt. Segre 1944/1945 Nr. 105. Der Ehemann Aratokritos erhielt ein Ehrendekret und eine Bauinschrift. Segre 1944/1945 Nr. 52. 106. IG XII 7, 36. IScM I 57. Pallas/Charitonidis/Venencie 1959. Vgl. Pleket 1969 Nr. 8. Wie bei der Ehrung von herausragenden Bürgern war die dauerhafte Aufzeichnung von entsprechenden Beschlüssen auch bei der Anerkennung von verdienten Frauen nicht in jedem Fall zwingend vorgesehen. So begnügten sich etwa die Polis Priene sowie die Bewohner der Insel Kalymna vermutlich mit der Anbringung von Bauinschriften. Die Polis Antigoneia/Mantineia trug nach der Eroberung durch Antigonos Doson im Jahr 221 v. Chr. bis ins Jahr 125 n. Chr. offiziell den Namen Antigoneia.

Weibliches Engagement im Kontext von Religion und Kult

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10.1.1 Ehrendekrete für wohltätige Ehepaare In den Jahren um die Zeitenwende verabschiedeten die Bürger von Antigoneia/Mantineia ein Ehrendekret für Euphrosynos und dessen Frau Epigone und legten dabei explizite Betonung auf den Bürgerstatus der Eheleute (7: πολίτης ἡμέτερος/31: πολῖτις ἀπὸ γένους).12 Obwohl eine Überschrift, die dem eigentlichen ψήφισμα vorangestellt war und zudem neben der Polis auch die in der Stadt ansässigen Römer als Initiatoren der Ehrung angab, lediglich Epigone als Wohltäterin nannte (1–5), konzentrierte sich der anschließende Motivbericht zunächst ausschließlich auf die Leistungen des Euphrosynos (7–30) und würdigte erst in einem längeren zweiten Abschnitt das Engagement der Epigone (34–53).13 Die Tätigkeit des Euphrosynos erstreckte sich von Verdiensten um die Versorgung der Stadt über die Renovierung von öffentlichen Gebäuden bis zu Gesandtschaftsreisen.14 Dessen Hochzeit mit Epigone beschrieb die Erzählung im Anschluss als perfekte Verbindung von zwei gleichgesinnten Personen mit einem Interesse für Wohltaten (32–35). Stilmittel wie Metapher, Chiasmus und Alliteration setzten die eheliche Eintracht dabei auch auf der rhetorischen Ebene in Szene.15 Gemeinsam unternahmen die Eheleute mehrere Bauprojekte und errichteten oder renovierten öffentliche Gebäude (34–38).16 Daneben entfaltete Epigone – möglicherweise nach dem Tod des Euphrosynos – auch ein eigenständiges Engagement (39–53). Nach der freiwilligen Übernahme eines Priestertums ver-

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IG V 2, 268. Vgl. Fougères 1896 Nr. 2. Zur Datierung des Beschlusses s. auch Wilamowitz-Möllendorff 1900b, 537. Papanikolaou 2012, 137. Euphrosynos wurde lediglich als πολίτης ἡμέτερος – und nicht wie seine Frau als πολῖτις ἀπὸ γένους – bezeichnet und mag das Bürgerrecht in der Stadt dementsprechend erst im Verlauf seines Lebens erlangt haben. Das Ehrendekret mag ursprünglich gemeinsam für die beiden Eheleute konzipiert worden sein. Da die Überschrift Epigone als alleinige Empfängerin der Ehrungen nannte, war Euphrosynos zum Zeitpunkt der Beschlussfassung möglicherweise schon verstorben. Zur Familiensituation s. auch Hiller von Gaertringen 1913, 55. In jedem Fall nahm Epigone neben ihrem Ehemann eine bedeutende Position als Wohltäterin der Polis ein. Die Überschrift war daneben möglicherweise auch die Widmungsinschrift für eine im Kontext des Gesamtmonuments errichtete Ehrenstatue der Epigone. Fougères 1896, 127. Zu den Leistungen des Euphrosynos s. Fougères 1896, 128–130. Wilamowitz-Möllendorff 1900b, 539. 32–34: ἐζεύγνυν|το γὰρ βίοι [βιότοι]ς [κ]αὶ σώμασιν ψυχαὶ καὶ παρ’ ἀμφοτέροις | ἀμέρι[στος ὁ]μόνοια. Die Ergänzungen folgen Papanikolaou 2012, 137–139. Der Beschluss verwendet insgesamt ein ausgewähltes Vokabular und ist mit Stilmitteln ausgeschmückt. Die Satzenden sind rhythmisch gestaltet. Für zahlreiche Beispiele s. ebd. 139–148. Zu den sprachlichen und stilistischen Qualitäten des Beschlusses s. auch Fougères 1896, 128–130. ­Wilamowitz-Möllendorff 1900b, 536–542. Zu den gemeinsamen Bauten s. Fougères 1896, 131. Wilamowitz-Möllendorff 1900b, 539. Van Nijf 2003, 310.

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Großzügige Priesterinnen und reiche Bauherrinnen

anstaltete die reiche Bürgerin eine öffentliche Speisung und baute, um die früheren Leistungen noch zu übertreffen, ein Macellum in der Stadt.17 Mit der ausführlichen und detaillierten Beschreibung der einzelnen Leistungen konzentrierte sich das Ehrendekret auf die individuellen Erfolge der Eheleute und wird damit nicht zuletzt auch durch die dauerhafte Aufzeichnung vornehmlich zur Erinnerung an die Verdienste von Euphrosynos und dessen Frau Epigone beigetragen haben. In deren Engagement zeigte sich daneben aber selbstverständlich auch ein beispielhaftes Verhalten, das sich allerdings vornehmlich über Spenden und Baustiftungen definierte. Ehre und öffentliche Anerkennung konnten demnach in Antigoneia/Mantineia um die Zeitenwende – zumal die Polis selbst lediglich als passive Empfängerin der Wohltaten in Erscheinung trat – insbesondere über finanzielles Engagement erreicht werden. Die Darstellung der ehelichen Eintracht verwischte zudem die Grenzen zwischen öffentlichem und privatem Leben und mag auch in diesem Fall Resultat der zunehmenden «Verhäuslichung» des öffentlichen Bereichs im späten Hellenismus gewesen sein.18 In der ausdrücklichen Betonung des Bürgerstatus der beiden Eheleute manifestierte sich daneben jedoch auch weiterhin der Stolz der Polis auf die Leistungen von eigenen Bürgern. Euphrosynos war immer noch ὁ πολίτης ἡμέτερος – auch wenn er der Bürgergemeinschaft durch seine zahlreichen Verdienste ein Stück weit entwachsen gewesen sein mag. Epigone kümmerte sich sowohl durch eigene Initiativen als auch bei gemeinsamen Projekten mit dem Ehemann um die bauliche Ausgestaltung der Stadt. Als alleinige Empfängerin des Ehrendekrets spielte die Wohltäterin, die zumindest einen Teil der Leistungen als öffentliche Priesterin der Stadt erbrachte, im Beschluss der Polis möglicherweise sogar eine bedeutendere Rolle als der Ehemann – auch wenn der besondere Zuschnitt der Erzählung möglicherweise erst durch den verfrühten Tod des Euphrosynos zu Stande gekommen war. Die Nachbarpolis Megalopolis verabschiedete in den Jahren nach dem Tod des Augustus im Jahr 14 n. Chr. gemeinsam mit den in der Stadt ansässigen Römern ein Ehrendekret für einen Xenarchos und schloss dabei auch dessen Frau Nikippa sowie die gemeinsamen Kinder mit in die verliehenen Privilegien ein.19 Zuvor waren 17 18 19

Zu den einzelnen Leistungen s. Wilamowitz-Möllendorff 1900b, 539 f. 131. Van Nijf 2003, 311. Zu den Priesterschaften s. auch Fougères 1896, 130 f. Strubbe 2001, 37. Zur «Verhäuslichung» s. bereits o. S. 325. Allgemein Wörrle 1995, 245. IG V 2, 515. Der Beschluss war gemeinsam mit anderen Inschriften – darunter vermutlich ein Beschluss der Polis Lykosoura für Xenarchos und dessen Frau Nikippa – an der Ante des Tempels für Despoina angebracht. Der Beginn des Ehrendekrets aus Megalopolis ist verloren. Die folgende Analyse beschränkt sich auf den gut erhaltenen Teil des mittleren Steines (B, b). Für die anderen Fragmente (A/B, a/C) verbietet der Erhaltungszustand sichere Aussagen. Insgesamt scheint das Ensemblemonument mehrere Ehrendekrete für Xenarchos aus verschiedenen Städten der Region enthalten zu haben. Zum Phänomen der Ensemblemonumente s. u. S. 381 f.

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schon die Bauarbeiten des Xenarchos zur Instandsetzung eines heiligen Hains, von denen der Beschluss zu Beginn ausführlich berichtete, ausdrücklich im Namen der gesamten Familie erfolgt (3–10).20 Daneben erwähnte das Ehrendekret auch andere Aktivitäten wie eine Geldspende in Höhe von 10.000 Denaren, den Verkauf von verbilligtem Getreide in Notzeiten oder die Übernahme der Gymnasiarchie und der Damiourgie (10–18) und legte den Fokus damit ein weiteres Mal insbesondere auf die finanziellen Aspekte des Engagements.21 Daneben spielte – wie bei den meisten Beschlüssen aus der Region – auch der kultische Bereich sowohl in der Darstellung als auch bei den Privilegien, die an den herausragenden Bürger ebenso wie an dessen Familie verliehen wurden, eine wichtige Rolle. Xenarchos und seine Frau Nikippa sollten für die Wohltaten (26: [εὐ]εργετοῦντας) ebenso wie die gemeinsamen Kinder Kultbildnisse (23: ἀγάλματα) und vergoldete Porträtschilde mit Ehreninschriften in verschiedenen Heiligtümern und Hainen erhalten (21–29).22 Xenarchos hatte die heiligen Bezirke jedoch erst zum Teil renovieren lassen und eine entsprechende Instandsetzung für andere Bereiche bislang lediglich angekündigt.23 Das Ehrendekret sollte in diesem Kontext – insbesondere durch die dauerhafte Publikation – wohl nicht zuletzt auch an die eingegangenen Verpflichtungen erinnern und war somit vermutlich ebenso wie die aufgestellten Bildnisse zugleich eine Aufforderung, die gegebenen Versprechen einzuhalten. Als weitere Auszeichnung ernannte die Stadt Xenarchos zum Kaiserpriester auf Lebenszeit, befreite ihn von Liturgien und gestand ihm einen Ehrensitz bei den Lykaia und den Kaisareia zu (29–33). Zunächst waren die zahlreichen Privilegien wie das prestigeträchtige Kaiserpriestertum oder auch die Stele mit dem Ehrendekret mit Sicherheit besondere Auszeichnungen für eine Ausnahmepersönlichkeit. Im öffentlichen Auftreten des Xenarchos spielten daneben auch Ehefrau und Kinder stets eine wichtige Rolle. Die zahlreichen Bildnisse, die von allen Familienmitgliedern in mehreren Heiligtümern der Polis aufgestellt waren, verliehen dem öffentlichen Auftreten der Familie gleichsam dynastische Züge. Der Bürgergemeinschaft und den Strukturen der Polis scheinen Xenarchos und seine Familie weit entwachsen. Als großzügige Euergeten begegneten sie der Stadt als gleichberechtigte Partner auf Augenhöhe. Zum Beginn der Kaiserzeit scheint privates Engagement von reichen Bürgern in der Polis Megalopolis zumindest in Teilbereichen des öffentlichen Lebens eine wichtige Rolle gespielt zu haben. Mit bescheidenen Mitteln versuchte die Stadt dabei Einfluss auf die jeweiligen Personen zu nehmen und sie zu öffentlichen Leistungen zu verpflichten. So

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Zur Instandsetzung des heiligen Hains s. auch Thériault 2006, 815. Zum Verkauf von verbilligtem Getreide s. Quaß 1993, 243 Anm. 969. In den zahlreichen Bildnissen scheint sich erneut die allgemeine Tendenz zur Ausweitung von Ehrungen im späten Hellenismus abzuzeichnen. S. allgemein u. S. 383. 402. Zum Engagement für die heiligen Bezirke s. Thériault 2006, 815. Vgl. bereits Jost 1985, 172. 174. Quaß 1993, 204 Anm. 723.

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Großzügige Priesterinnen und reiche Bauherrinnen

war das lebenslange Anrecht auf den Kult des Augustus, das zudem auch auf die Nachkommen zu übertragen war, sicherlich nicht nur ein Privileg und verpflichtete trotz der allgemeinen Befreiung von Liturgien zugleich auf Lebenszeit zu öffentlichem Engagement. Über die Vergabe des prestigeträchtigen Kaiserpriestertums wollten Stadt und ansässige Römer Xenarchos und dessen Nachkommen demnach auch auf lange Sicht für öffentliche Leistungen gewinnen und somit den Fortbestand des Kaiserkultes sicherstellen. Zudem spielten gerade im Kaiserkult Ehepaare stets eine wichtige Rolle. Die Stele mit dem Ehrendekret sollte den verdienten Bürger ebenso an gegebene Versprechen erinnern. Daneben mag die Erwähnung des prestigeträchtigen Kaiserpriestertums, das zugleich große politische Bedeutung besaß, auch im Hinblick auf die Außenwirkung des Monuments ein positives Licht auf die gesamte Stadt geworfen haben. Im Jahr 1/2 n. Chr. verabschiedete die Polis Lykosoura – eine kleine Nachbarstadt der Polis Megalopolis – ein gemeinsames Ehrendekret für Nikasippos und dessen Frau Timasistrata.24 Die beiden Eheleute hatten das wichtige Priestertum der Despoina, für dessen Besetzung sich wegen der aktuellen Olympiade niemand bereitgefunden hatte, übernommen und sich in diesem Zusammenhang Verdienste um die Stadt und insbesondere um den Kult und das Heiligtum erworben (12–21).25 Nachdem die öffentlichen Einnahmen aus dem Mysterienkult ausgeblieben waren, beglich Nikasippos die fälligen Zahlungen an den Provinzialfiskus und unterstützte die Polis zudem bei zeitgleichen Problemen bei der Getreideversorgung.26 Im Kern lag der Schwerpunkt des Engagements demnach stets auf finanziellen Leistungen im Bereich von Religion und Kult. Auch die beschlossenen Ehrenporträts für Nikasippos und Timasistrata ließ die Polis dementsprechend ebenso wie die Stele mit dem Ehrendekret im Heiligtum der Despoina aufstellen (21–33), während das Originaldokument des Volksbeschlusses von den zuständigen Polisbeauftragten im Archiv (31: γραμματοφυλάκιον) der Nachbarstadt Megalopolis zu hinterlegen war.27 Die Publikationsverordnung verknüpfte der Beschluss zugleich mit einer Hortativformel (33–36) – durch die Veröffentlichung des Ehrendekrets im Heiligtum sollten alle Menschen die Wohltaten von guten Männern sowie die Dankbarkeit der Stadt vor Augen haben – und richtete an die beiden Eheleute zudem die deutliche Aufforderung, die 24

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IG V 2, 516. Zur Datierung der Inschrift s. ausführlich Alpers 1995, 266 f. Vgl. bereits Thür/Taeuber 1994, 339. Zur Polis Lykosoura s. Paus. 8, 38, 1. Vgl. Jost 1985, 172–179. Zur Autonomie der Polis s. auch Jost 1973, 254. Durie 1984, 138–141. Van Bremen 1996, 135. Zum Kult der Despoina, der Tochter von Demeter und Poseidon, s. ausführlich Stiglitz 1967, 30–46. Jost 1985, 326–337. Vgl. auch Durie 1984, 137. Zu den Zahlungen an den Fiskus s. Quaß 1993, 177 Anm. 567. Alpers 1995, 267–269. Zu den finanziellen Problemen der Kleinstadt Lykosoura s. auch Robert 1935b, 447 f. Jost 1973, 254. Zur Getreideknappheit s. Quaß 1993, 315 Anm. 1345. Zur Aufstellung der Bildnisse und des Ehrendekrets s. Durie 1984, 140 f.

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herausragende Gesinnung auch für die Zukunft zu bewahren (26–30). Im Gegenzug versprach die Stadt, auch künftiges Engagement angemessen zu honorieren. Durch die dauerhafte Aufstellung des Ehrendekrets sollten Nikasippos und Timasistrata demnach – gleichsam in einem reziproken Austausch von Ehrung und Leistung – auch für die Zukunft zu öffentlichem Engagement verpflichtet werden. Obwohl die Polis Lykosoura zur Erfüllung der öffentlichen Aufgaben zumindest zum Teil auf die Leistungen von einzelnen Bürgern angewiesen war, verstand es die Stadt dabei durchaus selbstbewusst – ähnlich der Polis Megalopolis – mit bescheidenen Mitteln öffentliches Engagement von reichen Bürgern einzufordern. Vorbildliches Verhalten und ehrenvolles Engagement scheinen sich in diesem Kontext jedoch erneut vornehmlich über finanzielle Leistungen definiert zu haben. Auch das aristokratische Element der Herkunft scheint zumindest bei der Beurteilung des Nikasippos, dem der Beschluss berühmte Vorfahren attestierte, eine wichtige Rolle gespielt zu haben.28 10.1.2 Ehrendekrete für Priesterinnen aus Antigoneia/Mantineia In den Jahren nach 60/59 v. Chr. verabschiedete die Versammlung der Priesterinnen für Persephone/Kore (26–27: ἁ σύνοδος τῶν Κοραγῶν) in Antigoneia/Mantineia ein Ehrendekret für die Priesterin Nikippa, da diese die Funktion auf Lebenszeit übernommen und sich um die Ausrichtung der Feierlichkeiten und Opfer verdient gemacht hatte.29 Zunächst begann die Erzählung jedoch mit einem allgemeinen Abschnitt über Herkunft und charakterliche Anlagen der Nikippa (2–6), die als Erbe der Vorfahren nach den aristokratischen Vorstellungen der Verfasserinnen gleichsam eine zwangsläufige Folge der vornehmen Abstammung waren. Im Anschluss konzentrierte sich der detaillierte Motivbericht auf das Engagement der Priesterin für das Heiligtum und den Kult (6–26), der zu den zentralen Poliskulten zählte und in der Regel von Frauen ausgeübt wurde.30 So führte Nikippa etwa den Festumzug der Persephonepriesterinnen an und nahm das Kultbild der Göttin in ihrem Privathaus auf.31 Die Grenzen zwischen der öffentlichen Funktion und dem privaten Bereich begannen sich dabei allmählich zu verwischen, während daneben auch 28

29 30 31

9–12: ἀπὸ προγόνων καλῶν καὶ ἐνδόξων καὶ πεποιηκότων | τᾶι τε πόλει τῶν Λυκουρασίων καὶ τοῖς θεοῖς τὰ δίκαια ἔν τε | συνδικίαις καὶ ἱερατείαις καὶ τέκνων Κορειτήαις καὶ ἐν ταῖς λοι|παῖς δαπάναις πάσαις ἐκτενῶς καὶ μεγαλοψύχως. IG V 2, 265. Zur Datierung s. Jost 1996, 193. Zum Kult der Persephone/Kore s. ausführlich Stiglitz 1967, 72–81. Vgl. auch Jost 1996, 199 f. Zur Tätigkeit der Nikippa s. Van Bremen 1996, 27. Zu verschiedenen Kultdetails s. Stiglitz 1967, 74. Vgl. Jost 1985, 127. 346–348. Jost 1996, 195 f. Der erwähnte Naos ist vermutlich mit dem Κοράγιον aus dem Ehrendekret für Phaena zu identifizieren. IG V 2, 266, 41. S. u. S. 365.

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Großzügige Priesterinnen und reiche Bauherrinnen

finanzielle Aspekte zunehmend eine wichtige Rolle spielten. Mit dem Ehrendekret erhielt Nikippa zugleich zahlreiche Rechte und Pflichten im Kultbetrieb (26–50), deren Einhaltung durch Strafverordnungen garantiert werden sollte (33–36).32 In der Festlegung der Privilegien sowie der langfristigen Verpflichtung für den Kult mögen bereits wichtige Gründe für die dauerhafte Aufstellung des Beschlusses gelegen haben.33 Gleichzeitig war die Aufstellung der Stele, die daneben sicherlich auch eine persönliche Auszeichnung bedeutete, vermutlich Ausdruck des Funktionierens und der Vitalität des Kultbetriebs in Antigoneia/Mantineia. Das Ehrendekret war dementsprechend ebenso ein Zeichen für religiöse Kontinuität wie für den Fortbestand von überkommenen Traditionen.34 Frauen spielten im Betrieb des Heiligtums für Persephone/Kore entsprechend der generellen Ausrichtung des Kultes offensichtlich eine entscheidende Rolle. Nikippa konnte durch die Verdienste um den Kult, deren Basis vermutlich der private Reichtum der Bürgerin bildete, eine führende Stellung innerhalb der Priesterschaft einnehmen und die Politik des Heiligtums mitbestimmen.35 Mit einem Beschluss aus dem Jahr 42/41 v. Chr. ehrte das Kollegium der Demeterpriesterinnen (37–38: τὸ κοινὸν τᾶν ἱερειᾶν τᾶς Δάματρος) in Antigoneia/Mantineia die Wohltäterin Phaena, die selbst zum Kreis der Demeterpriesterinnen gehörte, für einen herausragenden Einsatz für Kult und Heiligtum.36 In einem ausführlichen Abschnitt lobte die Erzählung zunächst die Frömmigkeit der engagierten Priesterin und berichtete von allgemeinen Verdiensten um die zentralen Poliskulte für Demeter und Persephone/Kore (1–18).37 Um den Fortbestand des Kultbetriebs auch nach dem eigenen Tod, den die Erzählung euphemistisch mit ἐάν τι ἀνθρώπινον πάθῃ (20) umschrieb, zu sichern, hatte Phaena bereits ihre Tochter Theodora und deren Tochter Phaena Damasila zu einem Engagement für die Göttin verpflichtet (18–23).38 Den

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Zu den Strafbestimmungen s. Thür/Taeuber 1994, 115–118. Vgl. Jost 1996, 198. Die Aufzeichnung des Beschlusses sollte in zwei Ausfertigungen auf eine steinerne Stele sowie auf eine Holztafel erfolgen. 41–46: καταστασά|τωσαν δὲ οἱ ἱερεῖς τοὺς ἀναγράψοντας τοῦ|δε τοῦ δόγματος τὸ ἀντίγραφον ἐν στάλαι | λιθίναι καὶ ἀναθήσοντας ἐν τῶι ἐπιφα|νεστάτωι τοῦ ἱεροῦ τόπωι· ὁμοίως δὲ καὶ | εἰς τὰν κοινὰν πινακίδα. Zu den Publikationsvorschriften s. auch Wilhelm 1909, 253 f. Vgl. Jost 1996, 200. Van Bremen 1996, 28. Vgl. Jost 1996, 194. IG V 2, 266. Zur Datierung des Beschlusses s. Jost 1996, 193 f. Zum Priestertum der Phaena s. Stiglitz 1967, 73. Zum Kult der Demeter s. Jost 1985, 346. Zur Verpflichtung von Tochter und Enkelin s. Jost 1996, 197. Van Bremen 1996, 28. 219 Anm. 43. In einzelnen Familien konnte das Engagement für einen Kult und ein Heiligtum eine generationenübergreifende Tradition werden. Oftmals vererbten sich die Priestertümer innerhalb von einzelnen Familien. Die Unternehmungen der Phaena müssen – zumal sich zur gleichen Zeit offensichtlich mehrere Priesterinnen um den Kult kümmerten – jedoch noch nicht eine generelle Vererbbarkeit des Priestertums der Demeter in Antigoneia/Mantineia bedeuten.

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entscheidenden Ausschlag für die öffentliche Ehrung durch die Polis scheinen jedoch eine großzügige Spende für das Heiligtum der Demeter und damit erneut finanzielle Leistungen gegeben zu haben (23–29).39 Zum Ende des Motivberichts nannten die Verfasserinnen zudem noch zwei weitere Gründe für die Verabschiedung des Beschlusses: Durch die Anerkennung der zahlreichen Verdienste wollten die Priesterinnen sowohl die eigene Dankbarkeit bekunden als auch die erbrachten Leistungen dauerhaft erinnern (29–32).40 Als Ehrungen erhielt Phaena vornehmlich Privilegien im Bereich des Kultes (32–45), deren Nichtbeachtung der Beschluss wie im Ehrendekret für Nikippa durch Strafandrohungen sanktionierte (43–45).41 Die dauerhafte Festschreibung der Privilegien mag ebenfalls einen wichtigen Grund für die Publikation des Ehrendekrets gegeben haben und sollte die zugestandenen Vorrechte durch die Aufstellung im Persephoneheiligtum (Κοράγιον) auch für die Zukunft garantieren.42 Wie das Monument für Nikippa war die Stele mit dem Ehrendekret für Phaena neben der persönlichen Auszeichnung zugleich auch ein Symbol für Fortbestand und Vitalität der traditionellen Kulte in Antigoneia/Mantineia.43 Im religiösen Leben der Polis Antigoneia/Mantineia spielte demnach auch Phaena – wie zuvor bereits Nikippa – insgesamt wohl eine bedeutende Rolle. Priesterinnen aus reichen Familien trugen mit ihrem Einsatz entscheidend zum Funktionieren und zum Fortbestand der Kulte bei und konnten auf diese Weise im religiösen Bereich großen Einfluss gewinnen.44 Die große Bedeutung von finanziellen Aspekten bei den Tätigkeiten wird reichen Frauen den Zugang zu wichtigen Positionen und damit den Erwerb von Ehre und öffentlichem Ansehen dabei ebenso erleichtert haben, wie die grundsätzliche Ausrichtung der Kulte für Demeter und Persephone/Kore in der Polis. In einzelnen Familien konnte sich das Engagement für eine bestimmte Gottheit – vielleicht sogar in Form eines erblichen Priestertums – zudem sogar in der weiblichen Linie vererben. So verpflichtete Phaena schon zu Lebzeiten Tochter und Enkelin für den Kult der Demeter. In diesem Zusammenhang sollte vermutlich auch die dauerhafte Publikation des Ehrendekrets zusätzlich dazu dienen, die Nachkommen der Priesterin, durch deren Fürsorge der Fortbestand des Heiligtums für Demeter sogar für die Zukunft gesichert war, an die ererbten Pflichten zu erinnern. Daneben waren die Monumente für die beiden Priesterinnen zugleich Zeichen für das Funktionieren und die Stärke der traditionellen Kulte in Antigoneia/Mantineia. Ebenso bedeuteten die seltenen Stelen jedoch mit Sicherheit auch 39 40 41 42

43 44

Zur Spende der Phaena s. Van Bremen 1996, 28. Zum Verhältnis von Priestertum und Euergetismus s. Dignas 2006, 84. Zu den Strafbestimmungen s. Thür/Taeuber 1994, 119–121. Vgl. Jost 1996, 198. Das Κοράγιον ist vermutlich mit dem Naos aus dem Ehrendekret für Nikippa zu identifizieren. IG V 2, 265, 24. Stiglitz 1967, 74. Vgl. Jost 1985, 127. Jost 1996, 197. S. auch o. S. 363 Anm. 31. Vgl. Jost 1996, 200. Vgl. Jost 1996, 194. Van Bremen 1996, 28.

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besondere Auszeichnungen für die engagierten Priesterinnen und werden demnach in der Summe ein weiteres Mal sowohl Ehre als auch Verpflichtung gewesen sein. Im 1. Jhdt. n. Chr. initiierten zwei Priesterkollegien aus Antigoneia/Mantineia jeweils ein Ehrendekret für die großzügige Stifterin Iulia Eudia.45 Der erste Beschluss, der von den Priestern des Asklepios gefasst worden war, ehrte die mehrfach als μεγαλόψυχος (4–5/6/12) charakterisierte Bürgerin gemeinsam mit dem Ehemann C. Iulius Strobilos für die Übereignung eines Weinbergs an das Heiligtum.46 Ehre und Anerkennung wurden demnach erneut im Austausch für eine großzügige Stiftung vergeben. Während der Ehemann C. Iulius Strobilos im Beschluss lediglich eine untergeordnete Rolle spielte, stellten die Autoren Iulia Eudia sowohl im knappen Motivbericht (2–12) als auch in der anschließenden Resolution (12–37) ins Zentrum der Erzählung und akzentuierten in aristokratischen Traditionen zudem deren hervorragende Abstammung.47 Auch die zahlreichen Privilegien verliehen die Priester dementsprechend zunächst an die herausragende Bürgerin und deren Nachkommen und erst in einem Nebensatz an den Ehemann (22–26).48 Sanktionen sollten die Beachtung der Privilegien zusätzlich garantieren (27–32) – in Antigoneia/Mantineia vermutlich einen übliche Praxis.49 Die dauerhafte Festschreibung der Eigentumsrechte mag – wie schon in den Beschlüssen für Nikippa und Phaena – einen wichtigen Anlass für die Aufstellung des Ehrendekrets gegeben haben. Die Resolution betonte daneben vermutlich auch die Erinnerungsfunktion des Monuments, das zunächst jedoch mit Sicherheit vornehmlich eine besondere Anerkennung für die großzügige Spende an das Heiligtum bedeutete.50 Die Priester des Zeus Epidotos dankten Iulia Eudia ebenfalls mit einem knappen Ehrendekret für Verdienste um das Heiligtum (2–12) und verliehen der Bürgerin, die der Motivbericht ebenfalls mehrfach als μεγαλόψυχος (5/7/12) charakterisierte, vermutlich ein gemaltes Bildnis (13–16).51 Anlass des Beschlusses, in 45

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Die Datierung der Beschlüsse in das 1. Jhdt. n. Chr. ist lediglich über das Schriftbild möglich. Der lateinische Name der Wohltäterin weist jedoch ebenfalls auf einen römischen Kontext. IG V 2, 269. Zu den Verdiensten der Iulia Eudia s. Van Bremen 1996, 28 Anm. 66. 4: προγόνων τ[ῶν ἀρίστων]). Zu den verliehenen Privilegien im Zusammenhang mit dem Asklepioskult s. Jost 1985, 504–506. Zu den Strafbestimmungen s. Thür/Taeuber 1994, 122–124. Sichere Aussagen erlaubt der fragmentarische Zustand des entsprechenden Abschnitts jedoch nicht. IG V 2, 270. In Inhalt und Gestaltung erinnert der Beschluss an eine Ehreninschrift. Formal weist das Ehrendekret jedoch alle Bestandteile eines Beschlusses auf. Die Verknappung des Motivberichts und die Annäherung an die Formen von Ehreninschriften sind typische Phänomene von Ehrendekreten aus der Kaiserzeit. In vielen Städten lösten die knappen Ehreninschriften mit der Zeit die langen Ehrendekrete ab. Dem Beschluss für Iulia Eudia zu vergleichen ist etwa das in Megalopolis aufgestellte ψήφισμα des Achaii-

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dem der Ehemann C. Iulius Strobilos wie schon bei der Ehrung durch die Asklepiospriester lediglich eine untergeordnete Rolle spielte, scheint erneut die Übereignung eines Weinbergs gewesen zu sein.52 Zudem verwiesen auch die Priester des Zeus Epidotos im knappen Motivbericht auf die herausragende Familientradition der engagierten Bürgerin.53 Für das religiöse und kultische Leben in Antigoneia/Mantineia scheinen Frauen demnach auch noch in der Kaiserzeit große Bedeutung besessen zu haben. In den Ehrendekreten der beiden Priesterschaften, die daneben wie die Beschlüsse für Nikippa und Phaena zu einem Teil vermutlich auch Monumente für den Fortbestand von lokalen Kulten und regionalen Traditionen waren, spielte Iulia Eudia sogar eine prominentere Rolle als der Ehemann C. Iulius Strobilos.54 Einen entscheidenden Anlass für die besonderen Auszeichnungen werden jedoch erneut insbesondere die großzügigen Spenden an die beiden Heiligtümer gegeben haben. 10.1.3 Einflussreiche Familien und engagierte Priesterinnen Religiöses Leben und Verdienste im kultischen Bereich spielten beim öffentlichen Engagement von einflussreichen Familien aus der Region um Antigoneia/Mantineia und Megalopolis stets eine bedeutende Rolle und werden insbesondere im Hinblick auf die Verbindung zu bestimmten Gottheiten zudem eine lange Tradition besessen haben. Die Ehrendekrete, deren Aufstellung vermutlich im 1. Jhdt. v. Chr. begann und stets eine seltene Ehre geblieben zu sein scheint, publizierten die Städte dementsprechend ebenfalls vornehmlich für finanzielle Leistungen im kultischen Bereich wie Spenden oder Baustiftungen. Die Monumente waren dabei zum Teil wohl auch sichtbare Zeichen für die Kontinuität der lokalen Kulte und sollten den Traditionalismus und religiösen Konservatismus der jeweiligen Polis zum Ausdruck bringen. Neben der Garantie der verliehenen Privilegien, die auch durch die Androhung von Strafsanktionen sichergestellt wurden, sollten die Ehrendekrete reiche Euergeten zudem an gegebene Versprechen erinnern und zu dauerhaftem Engagement verpflichten. Die aufgezeichneten Beschlüsse scheinen demnach in den meisten Fällen

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schen Bundes zu Ehren der Herakleia aus dem 2. Jhdt. n. Chr. IG V 2, 518. Zur Ehrung der Iulia Eudia s. auch Van Bremen 1996, 190 Anm. 170. Zum Kult des Zeus Epidotos s. Jost 1985, 276. Auch für die zweite Inschrift verhindert der erneut schlechte Erhaltungszustand jedoch sichere Aussagen über die erbrachten Leistungen. Zu den Verdiensten s. Van Bremen 1996, 28 Anm. 66. Die Einbeziehung des C. Iulius Strobilos mag vornehmlich rechtliche Gründe gehabt haben. Thür/Taeuber 1994, 123 Anm. 6. Vgl. Van Bremen 1996, 277 Anm. 11. Möglicherweise stammten die Grundstücke aus dem Eigenvermögen der Iulia Eudia. 3–4: [γο]|νέων τῶν ἀρ.ίστων. Zum Fortbestand der Kulttraditionen vgl. Jost 1996, 200.

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erneut mehrere Funktionen erfüllt zu haben. In der Wahrnehmung der öffentlichen Aufgaben und der dauerhaften Fortführung der Poliskulte waren die Städte in der Region um Antigoneia/Mantineia und Megalopolis im 1. Jhdt. v. Chr. vermutlich weitgehend auf den Einsatz von reichen Bürgern angewiesen und scheinen allmählich in die Abhängigkeit von einzelnen Honoratiorenfamilien geraten zu sein – auch wenn Rat und Volk die nötigen Leistungen zum Teil noch mit bescheidenen Mitteln von den jeweiligen Personen einzufordern verstanden. Ehre und öffentliches Ansehen definierten sich dabei jedoch vornehmlich über Reichtum und großzügige Spenden und ließen die Grenzen zwischen öffentlichem Bereich und privaten Leistungen zunehmend verwischen. Die Beschlüsse aus der Polis Antigoneia/Mantineia ehrten ausschließlich Frauen – sowohl als Einzelpersonen als auch gemeinsam mit den Ehemännern.55 Männer traten in den Ehrendekreten nicht an prominenten Stellen in Erscheinung und blieben auch in den gemeinsamen Beschlüssen für Ehepaare gegenüber den Frauen teilweise im Hintergrund. Ehrendekrete für verdiente Bürger, die es auch in Antigoneia/Mantineia gegeben haben wird, scheinen in der Regel keine dauerhafte Aufzeichnung erfahren zu haben. Großen Einfluss besaßen Frauen in Antigoneia/ Mantineia insbesondere im religiösen Bereich. Reiche Priesterinnen wie Nikippa und Phaena ließen sich zu dauerhaftem Engagement verpflichten und sicherten in der Folge den Fortbestand der Kulte. Während Priesterinnen in den wichtigen Poliskulten von Demeter und Persephone/Kore vermutlich generell eine wichtige Rolle spielten, mag die zunehmende Bedeutung von Reichtum und finanziellen Leistungen für die Bewertung von öffentlichem Engagement wohlhabenden Frauen den Erwerb von Ehre und Ansehen zusätzlich erleichtert haben. Durch großzügige Spenden konnten auch Bürgerinnen in der Polis an Einfluss gewinnen und sich für besondere Auszeichnungen wie die Aufstellung eines Ehrendekrets qualifizieren. In Megalopolis und Lykosoura traten männliche Wohltäter, obwohl deren Leistungen im Zentrum der Beschlüsse standen, ebenfalls stets gemeinsam mit den Ehefrauen oder sogar mit der gesamten Familie in Erscheinung. Auch die Ehrungen erhielten die Familien gemeinsam. Wie in Antigoneia/Mantineia scheinen Frauen demnach auch in Megalopolis und Lykosoura sowohl im öffentlichen Leben der Polis als auch bei der Selbstdarstellung von einzelnen Familien eine wichtige Rolle gespielt zu haben.

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Zur prominenten Rolle von Frauen in den Ehrendekreten aus Antigoneia/Mantineia s. Fougères 1896, 131.

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10.2 Reiche Frauen als großzügige Baustifterinnen – Die Ehrenmonumente für Epie aus Thasos und Archippe aus Kyme Auch wenn sich einzelne Frauen wie Eutelistrate von der Insel Kalymna bereits seit dem Frühhellenismus als Baustifterinnen betätigten, blieben entsprechende Leistungen zunächst noch seltene Ausnahmeerscheinungen.56 Erst ab dem späten 2. Jhdt. v. Chr. traten wohlhabende Bürgerinnen vermehrt als Stifterinnen von öffentlichen Gebäuden in Erscheinung und ließen einzelne Städte bis in die Kaiserzeit immer wieder von ihrem Engagement profitierten. Zum Teil erbrachten die Frauen die Leistungen dabei gemeinsam mit ihren Ehemännern – so etwa Epigone und Euphrosynos aus Megalopolis oder Eutelistrate und Aratokritos auf Kalymna.57 In der Mehrzahl der Fälle traten wohlhabende Bürgerinnen jedoch als alleinige Stifterinnen von öffentlichen Gebäuden in Erscheinung. So engagierte sich etwa die Bürgerin Theodosia in der Polis Arkesine im 1. Jhdt. v. Chr. um die Ausgestaltung der Agora, während sich [Phil]e aus Priene und Zosime auf Samos im Späthellenismus und in der frühen Kaiserzeit Verdienste um die Wasserversorgung erwarben.58 Die dauerhafte Anerkennung der entsprechenden Leistungen erfolgte jedoch nicht in jedem Fall durch die Aufzeichnung eines Ehrendekrets und konnte sich etwa in der Polis Priene und im Demos von Kalymna auf die Anbringung von Bauinschriften auf den gestifteten Gebäuden beschränken. 10.2.1 Epie aus Thasos – Eine baufreudige Priesterin Die Bewohner der Insel Thasos scheinen erst ab dem späten Hellenismus mit der dauerhaften Aufzeichnung von Ehrendekreten für eigene Bürger begonnen zu haben und honorierten dabei insbesondere Leistungen im Zusammenhang von Religion und Kult.59 Daneben konnte die Ehrung von verdienten Bürgern selbstverständlich auch für besondere Leistungen in anderen Kontexten – so etwa in Verbindung mit der Übernahme der Gymnasiarchie und der Bereitstellung von Öl – erfolgen, wobei 56 57

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Segre 1944/1945 Nr. 105. S. bereits o. S. 357 f. Zu Epigone und Euphrosynos s. ausführlich o. S. 359 f. Eutelistrate und Aratokritos hatten sich gemeinsam für die Ausgestaltung des Theaters engagiert. Segre 1944/1945 Nr. 52. 105. 106. S. auch o. S. 357 f. Theodosia: IG XII 7, 49. S. auch o. S. 150 f. Vgl. Savalli-Lestrade 2003a, 261. Zosime: IG XII 6, 1, 16. S. auch o. S. 142 f. [Phil]e: I. Priene 208. Vgl. Savalli-Lestrade 2003a, 261. Zu den Beschlüssen auf Thasos s. allgemein Rhodes/Lewis 1997, 296. Die ältesten Ehrendekrete für eigene Bürger datieren in das 1. Jhdt. v. Chr. Einlassungsspuren an den Gebäudewänden auf der Agora bezeugen daneben für den gesamten Hellenismus die Anbringung von Bronzetafeln. Die Tafeln, die zumeist mit stilisierten Giebeln verziert waren, enthielten vermutlich jedoch Beschlüsse zu Ehren von fremden Wohltätern.

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finanzielle Aspekte sowohl für die erbrachten Leistungen als auch für die anschließende Vergabe von Ehre und Anerkennung stets eine wichtige Rolle gespielt zu haben scheinen.60 Wie in der Gegend um Antigoneia/Mantineia und Megalopolis engagierten sich auch auf Thasos im späten Hellenismus zunehmend Frauen für die Kulte und das religiöse Leben der Insel und konnten dabei wie bei der Renovierung eines Heiligtums durch Stilbon und dessen Frau im 1. Jhdt. v. Chr. zum Teil auch Unterstützung von ihren Ehemännern bekommen.61 Reiche Frauen konnten daneben jedoch auch als alleinige Wohltäterinnen in Erscheinung treten. So engagierte sich etwa die Priesterin Epie in mehreren Kulten insbesondere für die Renovierung und Ausstattung von verfallenen Heiligtümern. Die Tätigkeit fiel wie bei Stilbon und dessen Frau in das 1. Jhdt. v. Chr. und stand möglicherweise mit einem einschneidenden politischen Ereignis in der Geschichte der Insel Thasos – entweder dem Mithradatischen Krieg der Jahre 87–85 v. Chr. oder der Schlacht bei Philippi im Jahr 42 v. Chr. – in Verbindung.62 Rat und Volk verabschiedeten in der Folge vier einstimmige Beschlüsse zu Ehren der Priesterin und ließen die Ehrendekrete auf einem gemeinsamen Monument aufzeichnen (1–18/18–33/33–42/42–54).63 In unterschiedlichen Priesterämtern hatte sich Epie um die thasischen Kulte für Artemis, Aphrodite, Demeter und Athena bemüht und durch großzügige Spenden insbesondere die Renovierung und Ausstattung von Heiligtümern und Kultplätzen, die möglicherweise infolge von kriegerischen Auseinandersetzungen zum Teil verfallen waren, vorangetrieben.64 Die Anordnung der Beschlüsse auf der Stele folgte dabei offensichtlich nicht der Chronologie der Ereignisse, sondern orientierte sich an der Bedeutung der Leistungen. So scheint das oberste Ehrendekret an der prominentesten Position der jüngste und zugleich wichtigste Beschluss gewesen zu sein.65 Die Erzählungen waren trotz der

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Für entsprechende Leistungen erhielten etwa die Brüder Euphrillos und Mikas im 1. Jhdt. n. Chr. neben anderen Ehrungen einen Heroenkult mit eigenem Heroon und postumen Opfern und Feierlichkeiten. Dunant/Pouilloux 1958 Nr. 192. Vgl. Grandjean/Salviat 2 2000, 63. Zur Feier der Ἡρωιξεινία auf Thasos s. Grandjean/Salviat 2 2000, 233. Eckroth 2002, 136. Der Beschluss für einen unbekannten Bürger aus dem 1. Jhdt. v. Chr. stand vermutlich ebenfalls im Kontext von Gymnasion und Gymnasiarchie. Dunant/Pouilloux 1958 Nr. 166 a. Fournier/Prêtre 2006. Bei der Durchführung der Baumaßnahmen vermischten sich öffentliche und private Unternehmungen. S. insbesondere ebd. 494–496. Zum historischen Kontext s. Salviat 1959, 372. Meier 2012, 312. Für eine mögliche Datierung in die frühe Kaiserzeit s. Picard 2001, 282 Anm. 12. Vgl. Ferrandini Troisi 2000, 79. Fournier/Prêtre 2006, 491 Anm. 18. Salviat 1959. Vgl. Pleket 1969 Nr. 7. Die einzelnen Beschlüsse waren durch Leerstellen getrennt. Auch die Binnengliederung erfolgte zum Teil durch kleine Leerstellen. Zur Renovierung der Heiligtümer s. Ferrandini Troisi 2000, 79. Grandjean/Salviat 2 2000, 90. Meier 2012, 312 f. Zum Engagement der Epie s. auch Quaß 1993, 203 f. Van Bremen 1996, 35. Salviat 1959, 372 Anm. 2.

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Kürze mit rhetorischem Anspruch gestaltet und berichteten in allgemeinen Formulierungen etwa von den Tugenden und der hervorragenden Abstammung der Bürgerin.66 Als wichtige Eigenschaften nannten die vier Beschlüsse etwa σωφποσύνη (14) – eine insbesondere in Ehrendekreten für Frauen typische Charakterisierung – gepaart mit ἀρετή (15) und μεγαλοψυχία (15/30) sowie φιλανθρωπία (3/9).67 In Anerkennung des gezeigten Engagements erhielt Epie neben Lob und Dank der Stadt das Recht, sich mit Inschriften auf den renovierten Gebäuden und den gespendeten Gegenständen zu verewigen (15–18/41–42). Sofern sich keine anderen Bürgerinnen engagieren wollten, hatte die herausragende Priesterin als zusätzliche Ehre zudem einen lebenslangen Anspruch auf die Neokorie der Athena (53–54).68 Durch die dauerhafte Verpflichtung der Bürgerin wollte die Polis – zumal sich andere Frauen nach Aussage des Beschlusses lediglich in seltenen Fällen zur Übernahme der mit der Neokorie verbundenen Belastungen bereitfanden – zugleich vermutlich auch die Ausübung des Kultes für die Zukunft absichern.69 Da kultisches Engagement zudem zunehmend ein großes Privatvermögen voraussetzte, scheinen die Bereiche von Religion und Kult wie in der Polis Antigoneia/Mantineia demnach auch auf der Insel Thasos einzelnen Frauen mit entsprechendem Vermögen im späten Hellenismus zahlreiche Möglichkeiten für ein öffentliches Engagement eröffnet zu haben. So konnte auch Epie durch die Übernahme von Priesterämtern und insbesondere durch die damit verbundenen Baumaßnahmen in den Heiligtümern Ansehen und Einfluss in der Stadt erwerben.70 Die anschließende Publikation der Ehrendekrete sowie die Zusammenstellung zu einem Monument waren – zumal die dauerhafte Aufzeichnung von Beschlüssen zu Ehren von eigenen Bürgern auf der Insel Thasos im Allgemeinen eine seltene Praxis gewesen zu sein scheint – demnach ebenfalls besondere Auszeichnungen und werden vornehmlich der persönlichen Ehre der Priesterin gedient haben. Vielleicht erfolgte die Aufzeichnung sogar auf den eigenen Wunsch der herausragenden Bürgerin. Eine weitere Ehre für Epie bedeutete daneben sicherlich auch die auffällige Betonung der Einstimmigkeit der Beschlüsse.71 Ebenso

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Zur Rhetorik der Ehrendekrete s. auch Salviat 1959, 372: «un bon exemple de la phraséologie et du stile en usage à pareil époque.» Zu den Tugenden s. auch Wörrle 1995, 247 Anm. 63. Van Bremen 1996, 29. Zur Charakterisierung von Wohltäterinnen s. allgemein Gauthier 1985, 74. Zum lebenslangen Anrecht auf die Neokorie der Athena s. Wörrle 1995, 243. Van Bremen 1996, 26. Zur Verpflichtung der Epie vgl. auch Quaß 1993, 338 Anm. 1442. 48–49: διὰ δὲ τὸ δαπανηρὰν εἶναι ταύτην τὴν λει|τουργίαν δυσκόλως βούλονται νεωκορεῖν αἱ γυναῖκες. Auch in anderen Städten gab es im späten Hellenismus Probleme bei der Besetzung von öffentlichen Funktionen. S. etwa die Ehrendekrete für Zosimos aus Priene. I. Priene 112–114 = I. Priene2 68–70. S. o. S. 302–312. Vgl. allgemein Scholz 2008, 86. Van Bremen 1996, 28. Ferrandini Troisi 2000, 79. Zur Angabe der Einstimmigkeit s. Ferrandini Troisi 2000, 79. Allgemein Quaß 1993, 360 f. Flaig 2013, 309–311.

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sollte die Formulierung συνευδοκούντων πάντων (1/18–19/33–34/43) vielleicht jedoch auch die Eintracht innerhalb der Stadt zum Ausdruck bringen und die Einigkeit und das Funktionieren der Polisgesellschaft propagieren. Demokratischen Prinzipen mögen diese gleichsam akklamatorischen Verfahren in der Volksversammlung nicht entsprochen haben – auch wenn die Polis Thasos zum Zeitpunkt der Beschlussfassung sicherlich noch eine demokratische Verfassung besaß.72 Daneben waren die Bemühungen der Epie um die Kulte der Stadt sowie die Renovierung der Heiligtümer möglicherweise auch ein Zeichen für einen allmählichen Aufschwung nach Krisenzeiten. Eine wichtige Symbolfunktion für die wirtschaftliche Erholung der Stadt mag in diesem Zusammenhang insbesondere auch der Stele mit den vier Ehrendekreten zugekommen sein. Für eine Wiederbelebung des öffentlichen Lebens bedurfte es im 1. Jhdt. v. Chr. zumindest zum Teil jedoch der Hilfe von wohlhabenden Einzelpersonen. So traten auch in den Ehrendekreten für Epie die finanziellen Probleme der Polis an zahlreichen Stellen zu Tage. Da Rat und Volk von Thasos die Pflege der Heiligtümer und die Ausübung der Kulte aus eigenen Mitteln nicht in jedem Fall garantieren konnten, erfolgten die notwendigen Renovierungsmaßnahmen in zahlreichen Heiligtümern erst auf private Initiativen.73 Durch die Vergabe von Privilegien wie dem Recht zur dauerhaften Bekleidung der Neokorie versuchte die Polis, die demnach insbesondere im Bereich der öffentlichen Ehrungen in begrenztem Umfang einen gewissen Einfluss gewahrt zu haben scheint, Bürgerinnen wie Epie zu dauerhaftem Engagement zu verpflichten und somit den Fortbestand der Kulte zu sichern. Vorbildliches Engagement definierte sich jedoch zunehmend über finanzielles Engagement. Der aktive Teil der Bürgerschaft wird sich in der Folge vornehmlich auf einen kleinen Kreis an vermögenden Personen begrenzt haben. 10.2.2 Archippe aus Kyme – Eine engagierte Bauherrin Die kleinasiatische Polis Kyme scheint bis zum Beginn der Kaiserzeit weitgehend auf die Publikation von Ehrendekreten verzichtet zu haben.74 Einzig die prominente Bürgerin Archippe erhielt in der zweiten Hälfte des 2. Jhdts. v. Chr. das Recht zur Publikation von mehreren die eigene Person betreffenden Volksbeschlüssen.75 72 73 74 75

Vgl. Picard 2001, 282. Gauthier 1985, 74. Quaß 1993, 371. Trotz der insgesamt dünnen Befundlage haben sich für die ersten Jahre des 1. Jhdts. n. Chr. gleich zwei Ehrendekrete erhalten S. ausführlich u. S. 391–397. I. Kyme 13 + Malay 1983. Zur umstrittenen Datierung der Beschlüsse s. ausführlich Van Bremen 2008, 358–376. Vgl. auch Meier 2012, 347 f. Biard 2017, 44. Entgegen der bisherigen Datierung in die Jahre um 130 v. Chr. mögen zumindest die ersten Aktivitäten der Archippe in die Mitte des 2. Jhdts. v. Chr. gefallen sein. Zwischen Abfassungszeitpunkt und Aufzeichnung werden bei den ersten Beschlüssen jedoch einige Jahre gelegen haben.

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Die insgesamt acht Beschlüsse bildeten ein auch im Vergleich mit anderen Städten exzeptionelles Ensemble und waren auf zwei Pfeilern, die jeweils an der Frontseite sowie auf der nach innen gewandten Seite beschrieben waren, vor dem Eingang des von Archippe finanzierten Bouleuterions der Stadt angebracht (A/B).76 Die dauerhafte Aufzeichnung der Beschlüsse, die mit zeitlichen Abständen gefasst worden waren, erfolgte zeitgleich im Zuge der Errichtung des Gesamtmonuments.77 Die einzelnen Inschriften waren vermutlich Kopien der Originaldokumente aus dem Archiv und dementsprechend jeweils mit einem Aktenvermerk überschrieben. Zusammenstellung und Präsentation beruhten auf der persönlichen Entscheidung der Archippe.78 Nur vier Beschlüsse waren Ehrendekrete für die herausragende Bürgerin.79 Zwei weitere Beschlüsse mit nahezu identischem Wortlaut von den beiden beschriebenen Seiten des rechten Pfeilers (A) beinhalteten keine Ehrungen und setzten lediglich ein öffentliches Dankopfer für die Genesung der verdienten Bürgerin von einer schweren Krankheit fest.80 Zwei Volksbeschlüsse von der Innenseite des linken Pfeilers (B) regelten technische Details zu Bauvorhaben und Stiftungen der Archippe.81 Den Anlass für die Ehrendekrete bildeten neben Stiftungen und öffentlichen Banketten die umfangreichen Baumaßnahmen der engagierten Bürgerin. Die

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Zur ursprünglichen Datierung s. etwa Robert/Robert, BE 1968, 506. Engelmann 1976, 27. Für eine direkte Verbindung zum Aristonikosaufstand s. Savalli-Lestrade 2003a, 267 f. Vgl. auch Hamon 2005, 126. Für einen Rekonstruktionsversuch des Ensembles s. Van Bremen 2008, 379 Fig. 1. Pfeiler A trägt fünf Beschlüsse I. Kyme 13. Pfeiler B ist mit drei weiteren Beschlüssen beschrieben. Malay 1983. Vgl. Meier 2012, 347. Zur widerlegten Vermutung der Aufstellung vor dem Heroon der Archippe s. Savalli-Lestrade 2003a, 251. Van Bremen 2008, 379. Eine sukzessive Aufzeichnung ist wohl auszuschließen. So jedoch Picard 2006, 86. Nr. 1, 26–28: συγκεχωρῆσθαι δὲ Ἀρχίππηι καὶ | ἐάν τινα προαίρηται τῶν γεγονότων αὐτῇ ψηφισμά|των ἐγχαράξαι εἰς τὰ μαρμάρινα τοῦ βουλευτηρίου. Zur Auswahl der Dokumente s. Savalli-Lestrade 2003a, 251. I. Kyme 13 I–III. Malay 1983 Nr. 2. I. Kyme 13 IV–V. Vgl. Robert/Robert, BE 1968, 505. Engelmann 1976, 39. Van Bremen 1996, 15. Savalli-Lestrade 2003a, 273 f. Van Bremen 2008, 382. Savalli-Lestrade vergleicht das Vorgehen der Polis mit dem Verhalten gegenüber Königen. Die beiden Inschriften scheinen mit dem Antrag der Strategen sowie dem anschließenden Beschluss der Volksversammlung zwei unterschiedliche Phasen der Entscheidungsfindung wiedergegeben zu haben. Auf eine indirekte Weise trugen die beiden Inschriften selbstverständlich ebenfalls zur persönlichen Ehre sowie zur Überhöhung der herausragenden Bürgerin bei. Der Motivbericht explizierte das Wohlwollen des Volkes gegenüber der verdienten Mitbürgerin. Den deutlichsten Ausdruck fand die Haltung der Stadt in den Dankesopfern aus Freude über die Genesung der Archippe. Malay 1983 Nr. 1. Nr. 3. Beide Beschlüsse sprachen in der Resolution lediglich ein knappes Lob aus. Zusätzlich erhielt Archippe im Zusammenhang mit den getroffenen Regelungen das Recht, alle die eigene Person betreffenden Volksbeschlüsse auf den Marmorflächen des Bouleuterions aufzeichnen zu lassen. Picard 2006, 85.

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Ehrendekrete des rechten Pfeilers (A) berichteten vom Neubau des Bouleuterions (I/II/III).82 Im Rahmen der Feiern zur Einweihung des Gebäudes sowie zur teilweisen Errichtung der beschlossenen Ehrenstatuen veranstaltete Archippe zudem Festbankette für die Bürgerschaft (III 68–76).83 Die beiden Beschlüsse auf der Innenseite des linken Pfeilers (B) standen ebenfalls im Kontext von Baumaßnahmen (Nr. 1/ Nr. 3). So finanzierte Archippe zu einem späteren Zeitpunkt die notwendige Renovierung des Bouleuterions (Nr. 1, 1–14) und übereignete der Stadt zudem mehrere Grundstücke (Nr. 3, 128–140), aus deren Verkaufserlös die Polis weitere Gebäude auf der Agora wie etwa ein Heiligtum für Ὁμόνοια errichten sollte.84 Ursprünglich waren die erneuten Baumaßnahmen erst für die Zeit nach dem Tod der Bürgerin, die vermutlich eine ernste Krankheit befallen hatte, vorgesehen und werden von Archippe demnach in Erwartung ihres baldigen Ablebens geregelt worden sein.85 Nach ihrer überraschenden Genesung wollte die Bürgerin die geplanten Baumaßnahmen jedoch nicht auf unbestimmte Zeit verschieben und ließ die Arbeiten noch zu Lebzeiten durchführen. Die ausführliche Inschrift der Vorderseite (Nr. 2) enthielt zahlreiche Bestimmungen und Anfragen der Archippe und traf insbesondere Regelungen zu Baumaßnahmen und Stiftungskapital (Nr. 2, 82–126).86 Ein wirkliches Ehrendekret scheint der Beschluss demnach nicht gewesen zu sein – auch wenn die lange Resolution zunächst noch mit den verliehenen Ehrungen begann (Nr. 2, 49–82). Schon für die Errichtung des Bouleuterions erhielt Archippe einen einmalig bei den Dionysien zu verkündenden Goldkranz, eine durch eine Personifikation des Demos bekränzte Kolossalstatue aus Bronze sowie einen Ehrensitz bei den Veranstaltungen der Stadt (I 1–11).87 Das Statuenensemble, dessen Errichtung der Bruder zu besorgen und zu finanzieren hatte, wurde zudem durch ein Standbild des Vaters

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Zum Neubau des Bouleuterions s. Robert/Robert, BE 1968, 505 f. Gauthier 1985, 74. Quaß 1993, 209. 295. Van Bremen 1996, 14. 154. Ferrandini Troisi 2000, 48. Savalli-Lestrade 2003a, 261–265. Hamon 2005, 126 f. Van Bremen 2008, 371–373. 381. Arrayás Morales 2010, 381. Meier 2012, 349. Beck 2015, 244. 339. Biard 2017, 44. Zu den Feierlichkeiten bei der Errichtung der Statuen s. Ma 2013, 246. Vgl. mit besonderem Blick auf die teilnehmenden Gruppen Beck 2015, 245. 301–305. 310 f. 327. 339. Zu den weiteren Aktivitäten s. Malay 1983, 10–12. Quaß 1993, 209. Thériault 1996, 45– 47. 216 f. Van Bremen 1996, 14–16. Savalli-Lestrade 2003a, 265–268. Hamon 2005, 126. Van Bremen 2008, 370–373. 381 f. Meier 2012, 350–353. Migeotte 2014, 193 f. 297 f. Beck 2015, 244. Biard 2017, 44. Vgl. Van Bremen 1996, 17. Malay 1983, 10 f. Zu den ersten Ehrungen s. Robert/Robert, BE 1968, 505. Engelmann 1976, 30 f. Van Bremen 1996, 143 Anm. 3. 157 Anm. 43. 181. Ferrandini Troisi 2000, 48. Savalli-­Lestrade 2003a, 269–271. Scholz 2008, 87. Bresson 2012, 212. Ma 2013, 47. 236. Beck 2015, 244. Biard 2017, 44. 167. Insbesondere das Statuenensemble war ein außergewöhnliches Monument. S. ausführlich u. S. 376 Anm. 94.

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ergänzt und gewann damit den Charakter eines Familienmonuments88. Für das spätere Begräbnis der Archippe bestimmte das Ehrendekret eine erneute Bekränzung mit einem goldenen Kranz sowie eine Bestattung an einem Ort, der den Wohltätern der Stadt vorbehalten war (I 11–20). Die Polis Kyme scheint bei der Vergabe von Ehrungen zumindest zum Teil jedoch auch weiterhin nach den erbrachten Leistungen differenziert zu haben: So erhielt die großzügige Spenderin für die Veranstaltung der Festbankette lediglich eine schlichte Belobigung (II 51–54/III 77–79). Aus Anlass der Renovierungsarbeiten am Bouleuterion beschlossen Rat und Volk für Archippe hingegen wiederum eine Belobigung, einen goldenen Kranz sowie eine goldene Statue im Innenraum des Gebäudes (Nr. 2, 49–76).89 Kranz und Statue, deren Kosten die Polis erneut der privaten Initiative der Archippe überließ, waren zudem bei den Dionysien und zusätzlich bei den Μεγάλα Σωτήρια sowie bei den Ῥωμαία auszurufen, wobei die Bekanntmachung bei den Dionysien im Gegensatz zur ersten Ehrung jährlich wiederholt werden sollte.90 Zudem erhielt die verdiente Bürgerin – vermutlich ebenfalls in Erweiterung der früheren Privilegien – das Recht auf einen Ehrensitz bei allen Wettkämpfen der Stadt und wurde von künftigen Liturgieleistungen befreit.91 Wie schon bei der ersten Ehrung regelte der Beschluss erneut auch die künftige Bestattung der Wohltäterin (Nr. 2, 76–82). Die Bestimmungen entsprachen dem früheren Beschluss und waren lediglich um einzelne Details im Hinblick auf den Leichenzug ergänzt worden. In Sprache und Inhalt zeigten die Beschlüsse für Archippe die typischen Formen eines späthellenistischen Ehrendekrets.92 In allgemeinen Formulierungen verwiesen die Erzählungen auf vorbildliche Eigenschaften wie καλοκἀγαθία (II 25/II 34/III 61/III 66/IV 87/V 104/Nr. 1, 16) und φιλοδοξία (II 26/III 62/Nr. 2, 45/Nr. 3, 136) oder lobten εὐταξία (Nr. 2, 50) und σωφροσύνη (Nr. 2, 44/Nr. 2, 49–50/Nr. 3, 142) der Bürgerin – gerade in Ehrendekreten für engagierte Frauen nahezu obligatorische Charakterisierungen.93 Daneben boten die Beschlüsse für Archippe jedoch auch eine Vielzahl an Details und trafen in nüchternen Formulierungen konkrete Bestimmungen zu technischen Einzelheiten. Auch die vier Ehrendekrete verließen in diesem Zusammenhang den üblichen Rahmen von Lobreden und beschränkten sich im Inhalt zudem meist auf einen Vorgang aus Anlass eines bestimmten Ereig88 89 90

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Zur Finanzierung der Statue s. Savalli-Lestrade 2003a, 279. Vgl. Gauthier 2000a, 51 f. Zu den erneuten Ehrungen s. Van Bremen 1996, 143 Anm. 3. 157 Anm. 53. Savalli-­Lestrade 2003a, 270. Die Verwendung des Präsens (Nr. 2, 65: στεφανοῦσθαι) brachte die jährliche Wiederholung zum Ausdruck. Der erste Beschluss hatte für die einmalige Bekränzung noch den Aorist (I 5: στεφανωσάτω) gebraucht. Zur Finanzierung der Statue s. Gauthier 2000a, 52. Schon das erste Standbild hatte der Bruder zu finanzieren gehabt. Zur Befreiung von Liturgieleistungen s. ausführlich Van Bremen 1996, 13–18. Vgl. Quaß 1993, 273 Anm. 1116. Savalli-Lestrade 2003a, 271–273. Van Bremen 2008, 359. Wörrle 1995, 249 Anm. 77. Savalli-Lestrade 2003a, 275.

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Großzügige Priesterinnen und reiche Bauherrinnen

nisses. Frühere Leistungen erwähnten die Erzählungen – wenn überhaupt – nur am Rande. Einzig die Zusammenstellung der Dokumente verlieh dem Gesamtensemble gerade im Zusammenhang mit dem Bouleuterion als der vermutlich größten Lebensleistung der Archippe den Charakter eines Lebenswerkmonuments. Konzeption und Ausführung der beiden Inschriftenpfeiler blieben der selbstbewussten Bürgerin überlassen und werden deren eigenen Vorstellungen entsprochen haben (Nr. 1, 26–28). Sowohl die Publikation der Beschlüsse als auch die verliehenen Ehrungen waren im hellenistischen Kyme Ausnahmefälle und entsprachen  – zumal bei der Auszeichnung von Frauen – mit Sicherheit nicht der gängigen Praxis.94 Die Finanzierung der aufwendigen Ehrenstatuen überließ die Polis dementsprechend der Familie der Archippe. Von Ankündigungen zur freiwilligen Übernahme der Kosten berichteten die Beschlüsse dabei nicht.95 Auch die dauerhafte Aufzeichnung der Ehrendekrete nach den Originaldokumenten aus dem Archiv erfolgte lediglich auf Wunsch und auf persönliche Initiative der Archippe und diente insbesondere durch die Anbringung am Eingang zum Bouleuterion demnach wie der gesamte Bau vornehmlich dem persönlichen Prestige und der Selbstdarstellung der Bürgerin, die sich durch die großzügigen Spenden und die umfangreichen Baumaßnahmen mit dauerhaften Monumenten in der Polis verewigt hatte.96 Daneben spielten auch Ehre und Ansehen der Familie eine wichtige Rolle für das öffentliche Auftreten der Wohltäterin. So war etwa die Statuengruppe, die zu Ehren von Archippe errichtet worden war, zugleich ein Familienmonument.97 Auch die einzelnen Beschlüsse verwiesen an mehreren Stellen auf die Vorfahren und die hervorragende Herkunft der Bürgerin, wobei sich die Bedeutung der entsprechenden Wendungen vermutlich nicht in der Ausgestaltung der Erzählungen mit rhetorischen Allgemeinplätzen erschöpfte.98 Stattdessen sollten die jeweiligen Formulierungen eine inhaltliche Aussage vermitteln und die herausragende Stellung der gesamten Familie innerhalb der Polis unterstreichen. So diente Archippe – gerade vor dem Hintergrund der offensichtlichen Zurückhaltung der Stadt Kyme bei der Ehrung 94

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Savalli-Lestrade 2003a, 269. Van Bremen 2008, 374. Vgl. Beck 2015, 247. Biard 2017, 44. Entsprechende Auszeichnungen waren in der griechischen Welt insgesamt Ausnahmeerscheinungen. Allein die Zusammenstellung der acht Dokumente auf zwei Pfeilern vor dem Bouleuterion war eine außergewöhnliche Praxis. S. u. S. 381 f. Vergleichbare Statuenensembles erhielten nur wenige Bürger wie Diodoros Pasparos aus Pergamon. Zu Diodoros Pasparos s. o. S. 233–243. Zur Kolossalstatue der Archippe s. Engelmann 1976, 30. Wörrle 1995, 247. Savalli-Lestrade 2003a, 269. Biard 2017, 44. 167. Den Statuenensembles zu Vergleichen ist auch das Relief für Zoilos aus Aphrodisias. Smith 1993. Einzelne Personen in anderen Städten wie Menippos aus Kolophon oder Menas aus Sestos finanzierten zur gleichen Zeit die eigenen Statuenmonumente auf eigenen Wunsch. S. o. S. 275 f. 318 f. Savalli-Lestrade 2003a, 269. Van Bremen 1996, 17. Vgl. Beck 2015, 248. Zum Verweis auf die Vorfahren s. Van Bremen 1996, 18. Vgl. allgemein Gauthier 1985, 74. Quaß 1993, 46–48.

Ehrendekrete für engagierte Bürgerinnen

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von männlichen Bürgern – möglicherweise zugleich auch als Exponent der Familie zur Verwirklichung der eigenen Selbstdarstellung.99 Die Rolle als reiche Wohltäterin der Stadt wird Archippe, die von den Beschlüssen zudem stets als die handelnde Person gezeigt wird, jedoch auch durch eine aktive Anteilnahme an den Geschehnissen ausgefüllt haben – gerade für eine Frau in der hellenistischen Poliswelt keine Selbstverständlichkeit.100 Allein das außergewöhnliche Ehrenmonument im politischen Zentrum der Stadt verdeutlichte die herausragende Position der Archippe – wenn auch beschränkt auf finanzielle Wohltaten und eine umfangreiche Bautätigkeit – innerhalb der Polis Kyme.101 Ansehen und Akzeptanz sowie vermutlich auch die Beliebtheit der Bürgerin in der Heimat zeigten sich daneben insbesondere auch in den öffentlichen Dankesopfern für die Genesung nach der schweren Krankheit.102 Grundsätzlich hatten Rat und Volk von Kyme an der öffentlichen Inszenierung von Bürgern durch Monumente und Inschriften vermutlich jedoch nur wenig Interesse und überließen die entsprechenden Maßnahmen bis auf das Staatsbegräbnis und die Kränze demnach auch im Fall von Archippe der Eigeninitiative der Bürgerin, die sich Ehre und Ansehen in der Stadt in der Summe vornehmlich durch ihren großen Reichtum erworben zu haben scheint. Sowohl die Statuen und die Inschriften als auch das gesamte Bauprogramm trugen in der Folge die Züge von Privatmonumenten und werden in der individuellen Inszenierung kaum demokratischen Polisidealen entsprochen haben. Rat und Volk von Kyme ließen die ehrgeizige Wohltäterin jedoch in Dankbarkeit gewähren und scheinen die Ambitionen zum Teil auch unterstützt zu haben.

10.3 Ehrendekrete für engagierte Bürgerinnen Insgesamt blieb die öffentliche Auszeichnung von engagierten Bürgerinnen in den griechischen Städten ein Ausnahmephänomen. Auch die Aufzeichnung von entsprechenden Beschlüssen war stets eine äußerst seltene Praxis und war – wie bei der Auszeichnung von männlichen Bürgern – auch bei der Ehrung von Bürgerinnen nicht in jedem Fall erforderlich. In vielen Fällen mögen sich die Städte mit performativen Ehrungen wie der Verleihung eines Kranzes oder mit der Anbringung von knappen Ehreninschriften – etwa auf Statuenbasen oder an gestifteten Gebäuden – begnügt haben. Schon das Engagement von Frauen für die eigene Polis wird – trotz der zunehmenden Bedeutung von einzelnen Wohltäterinnen in Späthellenismus und  99 100 101 102

Zur Selbstdarstellung der Familie s. auch Scholz 2008, 84. Zum eigenständigen Auftreten der Archippe sowie zur Ausnahmestellung in Polis und Familie s. Savalli-Lestrade 2003a, 276–281. Vgl. Beck 2015, 247. Zu den eingeschränkten Betätigungsfeldern der Archippe s. Picard 2006, 85. Wörrle 1995, 245.

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Großzügige Priesterinnen und reiche Bauherrinnen

Kaiserzeit – in der Summe eine Seltenheit gewesen sein. Zum Teil betätigten sich Bürgerinnen zudem gemeinsam mit den Ehemännern für das Wohl der eigenen Stadt. Die Ehrendekrete konnten die Ehen zu idealen Verbindungen von wohltätigen Personen stilisieren. In vielen Fällen erbrachten die herausragenden Bürgerinnen die Leistungen für die jeweilige Polis jedoch auch ohne ersichtliche Unterstützung von Ehemännern oder anderen männlichen Verwandten. Die entsprechenden Beschlüsse unterschieden sich auf den ersten Blick nicht von anderen Ehrendekreten des späten Hellenismus. Mit Ausnahme des politischen Bereichs erbrachten Frauen und Männer in den meisten Fällen ähnliche Leistungen, die sich zunehmend auf finanzielles Engagement beschränkten, und erhielten in der Regel die gleichen Privilegien wie Kranz und Statue. Eine spezifische Gemeinsamkeit der Ehrendekrete für herausragende Bürgerinnen bildeten die propagierten Tugendkonzepte. So verbreiteten die Erzählungen etwa die Ideale von Ehe und Familie und zeigten die spezifischen Vorstellungen der Städte über das richtige Verhalten von Frauen. Zahlreiche Beschlüsse lobten Eigenschaften wie εὐταξία und μεγαλοψυχία sowie insbesondere σωφροσύνη als vorbildliche Tugenden. Das Ehrendekret für Euphrosynos und Epigone aus Antigoneia/Mantineia beschrieb die Ehe des Bürgers und der Bürgerin als ideale Verbindung von zwei wohltätigen Personen. Rat und Volk von Syros thematisierten in einem Beschluss den Kinderreichtum der mehrfachen Mutter Berenike.103 Eine wichtige Rolle im öffentlichen Leben scheinen Frauen während eines längeren Zeitraums einzig in den Städten der Region um Antigoneia/Mantineia und Megalopolis gespielt zu haben. Große Bedeutung besaßen in diesem Zusammenhang insbesondere religiöse Tätigkeiten wie das Engagement für die Kulte von Demeter und Persephone/Kore. In Antigoneia/Mantineia scheint sich das Priestertum von einzelnen Gottheiten sogar in der weiblichen Linie vererbt zu haben. Religion und Kult waren allgemein wichtige Betätigungsfelder für Bürgerinnen und boten Frauen auch in anderen Städten wie Arkesine, Samos, Syros oder Thasos immer wieder Möglichkeiten zu öffentlichem Engagement. Daneben widmeten sich einige Frauen wie Epie auf Thasos, Archippe in Kyme, Zosime auf Samos oder [Phil]e in Priene der baulichen Ausgestaltung der jeweiligen Heimatstädte. Daneben konnten Frauen Stiftungen einrichten oder – meist im Zusammenhang mit Kultfesten – öffentliche Speisungen und Bankette veranstalten. In Einzelfällen erstreckte sich die Tätigkeit von Bürgerinnen auch in traditionelle Bereiche männlichen Engagements wie Politik und Diplomatie. Durch Verhandlungen und Geldzahlungen erreichte Timessa aus Arkesine die Freilassung von Mitbürgern aus der Gefangenschaft von Piraten. Aba aus Histria ernannte das Engagement von männlichen Euergeten zum Maßstab für die Beurteilung der eigenen Leistungen. Auch wenn Bürgerinnen wie Archippe in Kyme öffentliche Gebäude wie das Bouleuterion errichten ließen, waren politische Themen in den

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IG XII 5, 655.

Ehrendekrete für engagierte Bürgerinnen

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Ehrendekreten insgesamt jedoch kaum von Bedeutung. In den meisten Fällen scheinen für das öffentliche Engagement von Frauen insbesondere finanzielle Leistungen wie Spenden und Baustiftungen eine bedeutende Rolle gespielt zu haben. Entsprechende Aspekte verzeichneten für das öffentliche Engagement von Einzelpersonen in der späthellenistischen Polisgesellschaft einen allgemeinen Bedeutungszuwachs. Vorbildliches Verhalten und ehrenvolles Engagement definierte sich zunehmend über finanzielle Leistungen. Die beschriebenen Veränderungen im Wertesystem der Städte werden reichen Bürgerinnen in vielen Fällen den Erwerb von Ehre und Anerkennung erleichtert haben und mögen in der Folge eine wichtige Voraussetzung für die Zunahme von Ehrendekreten für Frauen ab dem 2. Jhdt. v. Chr. gewesen sein. In der Summe erweckten auch die Ehrendekrete für Frauen – wie die meisten Beschlüsse des Späthellenismus – in vielen Fällen den Eindruck der zunehmenden Dominanz von Einzelpersonen und der gleichzeitigen Abhängigkeit der Gemeinwesen von reichen Bürgern. Zum Teil versuchten Städte wie Thasos oder Antigoneia/ Mantineia durch besondere Maßnahmen – etwa durch die Vergabe von Priestertümern auf Lebenszeit – wohlhabende Bürgerinnen zu einem dauerhaften Engagement zu verpflichten und somit zumindest in begrenztem Rahmen Einfluss auf die eigenen Geschicke zu nehmen. Dennoch wird auch die dauerhafte Aufzeichnung der Ehrendekrete in diesen Zusammenhängen vornehmlich eine persönliche Ehre für die verdienten Bürgerinnen bedeutet haben. Zum Teil hatten sich die Frauen – so etwa Archippe in Kyme – in der Folge selbst um die Errichtung der Monumente zu kümmern. Auch die Verantwortung für die Aufstellung der Ehrenstatuen konnte den Bürgerinnen oder deren Verwandten obliegen. Neben der individuellen Ehre der engagierten Frauen konnte die dauerhafte Publikation der Ehrendekrete wie bei Archippe aus Kyme vermutlich auch zu Ansehen und Prestige der jeweiligen Familien beitragen.104 Ehrungen wie Inschriften erfüllten Stellvertreterfunktionen und wurden von den männlichen Verwandten gleichsam als Familienmonumente zur eigenen Selbstdarstellung sowie zur öffentlichen Selbstrepräsentation genutzt.

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Zur Bedeutung der Ehrendekrete für das Ansehen der Familien s. allgemein Van Bremen 1996. Vgl. auch Scholz 2008, 84. Auch die postumen Ehrendekrete für Apphia und Tatia aus Aphrodisias werden vornehmlich den Familien der Verstorbenen zu Ehre und Ansehen gereicht haben. MAMA 8, 407. Reinach 1906 Nr. 9. In den Beschlüssen für Atalante aus Termessos sowie für Aba aus Histria spielten Familie und Vorfahren der Bürgerinnen ebenfalls eine wichtige Rolle. TAM III 4. IScM I 57. Zu Atalante s. Migeotte 2014, 333. Zu Aba s. o. S. 341–343. Ein ähnliches Phänomen begegnet im spätrepublikanischen Rom in der Errichtung des monumentalen Grabbaus für Caecilia Metella an der Via Appia. CIL VI 1274. Der prächtige Rundbau diente neben der Erinnerung an die Verstorbene vermutlich auch als Symbol für die Macht und den Reichtum der gesamten Familie.

11. Ehrendekrete für eigene Bürger in der römischen Kaiserzeit

Die dauerhafte Publikation von Beschlüssen zu Ehren von eigenen Bürgern war vornehmlich ein Phänomen der hellenistischen Zeit und scheint spätestens mit dem Beginn der römischen Kaiserzeit allmählich aus der Mode gekommen zu sein. Nach dem frühen 1. Jhdt. n. Chr. verzichteten die meisten Städte vollständig auf die Errichtung von Ehrendekreten. Weite Verbreitung fanden derartige Monumente entgegen der Behauptung von F. Quaß demnach in der Kaiserzeit gerade nicht.1 Vielmehr scheinen bereits zahlreiche Ehrendekrete aus dem späten 1. Jhdt. v. Chr. wie die Beschlüsse für A. Aemilius Zosimos aus Priene Rückgriffe auf überkommene Traditionen und veraltete Praktiken gewesen zu sein.2 In der Kaiserzeit verdrängten schließlich in vielen Städten knappe Ehreninschriften die ausführlichen Ehrendekrete, die als unbedingte Voraussetzung für eine durch die Polis gesetzte Ehreninschrift freilich auch weiterhin in großen Zahlen verabschiedet worden sein müssen.3 Mit dem Ende des Hellenismus verzichteten die meisten Städte – Ausnahmen bildeten etwa Aphrodisias und Olbia oder die samische Bürgergemeinde auf der Insel Amorgos – jedoch auf eine dauerhafte Aufzeichnung.4 In der Regel waren die Beschlüsse der Kaiserzeit postume Trostdekrete und unterschieden sich demnach bis auf den formalen Rahmen kaum von Ehreninschriften.5 Unter dem Einfluss der zeitgenössischen Rhetorik hatten die späthellenistischen Beschlüsse zudem sowohl in Sprache und Stilistik als auch in der inhaltlichen Gestaltung im Vergleich zu den Ehrendekreten der früheren Jahrhunderte einen deutlichen Wandel vollzogen.6 Zum Ende der hellenistischen Zeit entwickelte sich daneben eine weitere Form der öffentlichen Ehrung von eigenen Bürgern durch eine Polis. So ließen einzelne Städte mehrere Dokumente – neben Ehrendekreten auch andere Volksbeschlüsse sowie Briefe von Städten oder Herrschern – zu Ensemblemonumenten zusammenstellen.7 Bereits zum Ende des 2. Jhdts. v. Chr. wurden Stasias in Perge

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Quaß 1993, 29. S. auch o. S. 48. Zu den Ehrendekreten für A. Aemilius Zosimos s. ausführlich o. S. 302–312. Quaß 1993, 29 f. Im kaiserzeitlichen Olbia entsprang die Praxis der dauerhaften Publikation von Volksbeschlüssen möglicherweise der besonderen politischen Stellung der Polis am Rand des Imperium Romanum. S. o. S. 352. Zu den postumen Trostdekreten s. auch o. S. 39. 47 f. Zu den sprachlichen Veränderungen durch den Einfluss des Asianismus s. auch u. S. 434– 441. So etwa Korinth, Kyaneai, Kyme, Megalopolis, Milet, Pergamon, Perge, Rhodiapolis, Sardis oder Thasos. Vgl. Chaniotis 2014, 143. Die Dokumentenwände von der Agora in Priene sind mit den Zusammenstellungen von Beschlüssen in anderen Städten nicht zu

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Ehrendekrete für eigene Bürger in der römischen Kaiserzeit

und Archippe in Kyme mit entsprechenden Pfeilern ausgezeichnet.8 Die fragmentarische Dokumentensäule für Diodoros Pasparos aus Pergamon enthielt eine nachträgliche Zusammenstellung von Beschlüssen, die vorher zum Teil sogar schon auf eigenen Monumenten veröffentlicht worden waren.9 Das Ensembledenkmal für Epie aus Thasos versammelte im 1. Jhdt. v. Chr. vier Ehrendekrete für die herausragende Bürgerin.10 Die Städte Milet und Sardis publizierten um die Jahre der Zeitenwende an öffentlichen Gebäudewänden jeweils mehrere Beschlüsse für die herausragenden Bürger C. Iulius Epikrates und Menogenes.11 Auch das zeitgleiche Ehrendekret für Xenarchos und Nikippa aus Megalopolis war Teil eines Monuments mit mehreren Beschlüssen.12 Die Polis Akraiphia ließ um die Mitte des 1. Jhdts. n. Chr. für den prominenten Staatsmann Epaminondas neben einem Ehrendekret eine Stele mit mehreren Beschlüssen und Briefen aufstellen.13 Die in Korinth wohnende Iunia Theodora erhielt in den Jahren nach 43 n. Chr. ein ähnliches Monument mit Briefen und Ehrendekreten.14 In der lykischen Polis Rhodiapolis zierte ab der ersten Hälfte des 2. Jhdts. n. Chr. eine große Vielzahl von Dokumenten das imposante Heroon des Opramoas.15 Etwa zur gleichen Zeit ließ auch die Polis Kyaneai an eine Felswand eine ähnliche – wenn auch bedeutend kürzere – Dokumentensammlung für den Lykiarchen Iason aufzeichnen.16 Zunächst bedeuteten die Ensemblemonumente mit Sicherheit vornehmlich eine besondere Auszeichnung für die jeweiligen Personen und unterstrichen deren herausragende Stellung in der Polis. Daneben erfüllte die Zusammenstellung von wichtigen Dokumenten in den genannten Städten – so etwa in Akraiphia oder in Korinth – in den meisten Fällen jedoch auch eine historische Erinnerungsfunktion und konnte zu einem Bestandteil der Lokalgeschichte werden.

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vergleichen. I. Priene 107–130 = I. Priene2 63–85. Die Beschlüsse aus Priene ehrten zumeist unterschiedliche Personen. Die Anbringung der einzelnen Dokumente erfolgte zudem über einen längeren Zeitraum – zum Teil vermutlich mit einem beträchtlichen Zeitabstand. Auch die Exedra des Thrasyboulos aus Priene war als Familienmonument nicht auf eine Person beschränkt. I. Priene 99–103 = I. Priene2 56–60. Zu den Ehrendekreten aus Priene s. o. S. 283 f. I. Perge 14. Zu Archippe aus Kyme s. ausführlich o. S. 372–377. Zu Diodoros Pasparos s. o. S. 233–243. Zu den Beschlüssen für Epie aus Thasos s. o. S. 369–372. I. Milet 7. I. Sardis 7, 8. IG V 2, 515. S. o. S. 360–362. IG VII 2711. S. auch die Verbesserungen und Ergänzungen von Oliver 1971, 221–225. Vgl. Oliver 1989, 69–77. S. auch u. S. 385. Pallas/Charitonidis/Venencie 1959. Vgl. Pleket 1969 Nr. 8. Zur Datierung der Inschrift s. ausführlich Reitzenstein 2011, 32–34. TAM II 905. Zur Inschrift auf dem Heroon des Opramoas s. ausführlich Kokkinia 2000. Zur Person des Opramoas s. zuletzt Reitzenstein 2011, 192–195. Heberdey/Kalinka 1896. Vgl. zuletzt Reitzenstein 2011, 9. 196–198.

Ehrendekrete für eigene Bürger in der römischen Kaiserzeit

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Ein weiteres Phänomen des späten Hellenismus war die allmähliche Ausweitung der Ehrungen für einzelne Personen, deren Umfang zunehmend das Verhältnis zu den tatsächlichen Verdiensten verlor.17 Insbesondere die Zahl der Ehrenstatuen verzeichnete dabei einen signifikanten Anstieg. So verliehen Städte wie Athen oder Samos im frühen Hellenismus an herausragende Bürgern in der Regel lediglich bei besonderen Leistungen eine Ehrenstatue und begnügten sich in vielen Fällen sogar mit der Vergabe von bescheidenen Privilegien wie Kranz und Belobigung. Bereits im 2. Jhdt. v. Chr. steigerte sich allmählich der Umfang der verliehenen Auszeichnungen und wurde in einzelnen Städten etwa um eine zweite Statue erweitert. Ab dem späten Hellenismus waren herausragende Persönlichkeiten wie Polystratos in Apameia, Artemidoros in Knidos, Diodoros Pasparos in Pergamon, A. Aemilius Zosimos in Priene oder Iollas in Sardis dann mit zahlreichen Standbildern in den Städten allgegenwärtig.18 Städte wie Epidauros, Olbia, Pergamon oder Sardis ließen sogar Reiterstatuen errichten.19 Daneben konnten einzelne Personen wie Archippe in Kyme oder Diodoros Pasparos in Pergamon auch Kolossalstatuen, die von Personifikationen des Demos bekränzt wurden, erhalten.20 Ebenso konnte verdienten Bürgern nach dem Tod und zum Teil auch schon zu Lebzeiten eine heroische Verehrung in den jeweiligen Heimatstädten widerfahren.21 Sowohl die Statuen als auch die Heroenkulte standen in der Tradition der Herrscherverehrung und waren im Rahmen der Ehrung von hellenistischen Königen in zahlreichen Städten schon seit dem frühen Hellenismus bekannt.22 In der Summe trug die Ausweitung der verliehenen Privilegien maßgeblich zur persönlichen Erhöhung der Einzelpersonen bei und festigte deren herausgehobene Stellung in der jeweiligen Polis.

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Zur Zunahme der Ehrungen im späten Hellenismus s. Gauthier 1995, 59–63. Habicht 1995b, 90–92. Van der Vliet 2011, 162. Bresson 2012, 213–215. Vgl. Scholz 2008, 83. Wiemer 2013, 67. Mit einem besonderen Fokus auf die Ehrenstatuen Ma 2013, 7. Zu Polystratos aus Apameia s. Drew-Bear/Fillon 2011. Verbesserungen durch Bresson 2012. Zu Artemidoros aus Knidos s. I. Knidos 59. Zu Diodoros Pasparos s. ausführlich o. S. 233–243. Zu A. Aemilius Zosimos s. ausführlich o. S. 302–312. Zu Iollas aus Sardis s. I. Sardis 7, 27. Menippos und Polemaios aus Kolophon scheinen im späten 2. Jhdt. v. Chr. ähnliche Leistungen wie Diodoros Pasparos erbracht zu haben. Im Vergleich zur heroischen Verehrung des Ausnahmebürgers wahrten die Auszeichnungen einen bescheidenen Rahmen. Ferrary 1997, 203. IG IV2 1, 65. 66. IOSPE I2 34. S. auch o. S. 351. Hepding 1907 Nr. 4. S. auch o. S. 235. I. Sardis 7, 27. Zu Archippe s. ausführlich o. S. 372–377. Zu Diodoros Pasparos s. ausführlich o. S. 233– 243. Zur Aufstellung von Kolossalstatuen s. auch Bresson 2012, 209–213. Zur Bekränzung durch eine Personifikation des Demos s. auch das Relief für C. Iulius Zoilos aus Aphrodisias. Smith 1993. Zum Aufkommen von Heroenkulten von einzelnen Bürgern s. Scholz 2008, 83 f. Vgl. Ma 2013, 88. Bresson 2012, 216. Ma 2013, 7.

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Ehrendekrete für eigene Bürger in der römischen Kaiserzeit

Vollzogen zu haben scheint sich zum Ende des Hellenismus im Zusammenhang mit der Ausbreitung der römischen Macht im östlichen Mittelmeerraum und der allmählichen Provinzialisierung der griechischen Gebiete auch eine allmähliche Veränderung in der hellenistischen Polisgesellschaft, in deren Folge sich auch die gesellschaftliche Stellung und das öffentliche Ansehen von einzelnen Mitgliedern der städtischen Eliten wandelten. In Anspruch und Auftreten überstrahlten die jeweiligen Personen zunehmend die Bürgergemeinschaft der Polis. Zur gleichen Zeit verschoben sich in Wechselwirkung mit den Veränderungen in den politischen Verhältnissen auch die Kriterien für die Bewertung eines vorbildlichen Bürgers. An die Stelle von politischem Engagement in Krieg und Diplomatie traten zunehmend finanzielle Leistungen wie großzügige Stiftungen oder prächtige Festveranstaltungen. Den Auswirkungen des gesellschaftlichen Wandels auf die Ehrendekrete des Späthellenismus und der frühen Kaiserzeit wird im Folgenden ein weiteres Mal nachzugehen sein. In diesem Zusammenhang wird auch die Frage nach den Gründen für das allmähliche Verschwinden der Monumente zu stellen sein.

11.1 Eine Stadt im Wandel – Die Ehrendekrete aus der Polis Akraiphia vom späten Hellenismus bis zur frühen Kaiserzeit Die Polis Akraiphia ließ zwischen der zweiten Hälfte des 2. Jhdts. v. Chr. und der frühen Kaiserzeit immer wieder einzelne Ehrendekrete für eigene Bürger aufstellen.23 In den Jahrzehnten nach der endgültigen Auflösung des Boiotischen Bundes im Jahr 146 v. Chr. ehrten Rat und Volk auf Antrag der ἄρχοντες und der σύνεδροι aus Anlass von mehreren Getreidespenden (8–10) den engagierten Bürger Xenokleas, der sich seine besondere Auszeichnung demnach vornehmlich durch finanzielle Leistungen erworben zu haben scheint.24 Die Erzählung verzichtete dabei jedoch weitgehend auf eine konkrete Beschreibung der Verdienste und zeichnete stattdessen in Übereinstimmung mit der Bürgerideologie der Polis das allgemeine Idealbild eines tugendhaften Mannes (5–17). Xenokleas war das Beispiel für einen Idealbürger, der sich in den drängendsten Notlagen stets um Rettung und Wohlergehen der Polis bemühte, und diente damit auch als Vorbild für andere Personen. Das ausführliche Präskript sollte zudem die Rechtmäßigkeit der Beschlussfassung betonen und die demokratischen Prinzipien der Polis verdeutlichen (1–5). Am Beginn des 1. Jhdts. v. Chr. entwarfen ἄρχοντες und σύνεδροι in einem Ehrendekret für Ariston erneut in allgemeinen Formulierungen das Idealbild eines tugendhaften Polisbürgers und 23 24

Die Stadt bietet nach der Polis Athen die frühesten Belege für die dauerhafte Publikation von Ehrendekreten auf dem griechischen Festland. IG VII 4132. Zur Datierung des Beschlusses s. Dittenberger 1892, 707.

Eine Stadt im Wandel

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erwähnten dabei als vermutlich einziges Detail die Sorge um Wettkämpfe in der Stadt (13).25 Erneut auf Antrag von ἄρχοντες und σύνεδροι verabschiedete die Polis Akraiphia um die Mitte des 1. Jhdts. v. Chr. auch ein Ehrendekret für den Festspielleiter Aischriondas.26 Der knappe Motivbericht beschränkte sich auf Verdienste bei der Organisation der penteterischen Ptoia zu Ehren des Apollon (2–5) und scheint insgesamt individuellere Züge als die Erzählungen in den Beschlüssen für Xeno­ kleas und Ariston getragen zu haben. Die Darstellung der persönlichen Leistungen scheint demnach zum Ende des Hellenismus gegenüber den kollektiven Idealen der Polisgemeinschaft allmählich an Bedeutung gewonnen zu haben. Zudem mag sich im inhaltlichen Wandel der Ehrendekrete auch eine veränderte Stellung der Einzelperson andeuten. Vermutlich in den Jahren kurz nach 37 n. Chr. publizierte die Polis Akraiphia einen ausführlichen Beschluss für den herausragenden Bürger Epaminondas.27 Ein zweites Monument aus denselben Jahren verzeichnete daneben in chronologischer Reihenfolge insgesamt fünf Briefe und drei Ehrendekrete, deren gemeinsamen Rahmen eine Gesandtschaftsreise des Epaminondas nach Rom zum Regierungsantritt des Kaisers Caligula bildete.28 Obwohl diese diplomatische Mission sicherlich zu den wichtigen Erfolgen des herausragenden Bürgers gehörte, spielte die Reise im Ehrendekret der Polis Akraiphia keine prominente Rolle und fand lediglich im zusammenfassenden Abschnitt über frühere Leistungen neben der Veranstaltung von Festen

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IG VII 4133. Der Beschluss ist lediglich in Fragmenten erhalten. Die Datierung richtet sich nach IG VII 4147. Die Siegerliste aus der Mitte des 1. Jhdts. v. Chr. führt einen Chrysippos, Sohn des Ariston, aus Akraiphia als erfolgreichen ἐπῶν ποιητής. Das Ehrendekret für Ariston scheint auf Grund des Schriftbilds vor der Siegerliste aufgezeichnet worden zu sein. Ariston, selbst Sohn eines Chrysippos, könnte demnach der Vater des in der Siegerliste erwähnten Chrysippos gewesen sein. S. auch Dittenberger 1892, 708. 715. IG VII 4148. S. bereits Holleaux 1890 Nr. 20. Zur Datierung des Textes s. Dittenberger 1892, 715. Im Anschluss an das Ehrendekret folgte auf der Stele beginnend mit ἐπειδὴ entweder eine ausführliche Version des Motivberichts oder ein zweites Ehrendekret aus gleichem Anlass ohne Präskript (14–18). Vgl. Holleaux 1890, 190. Den Beschlüssen war zudem eine Siegerliste der Ptoia vorangestellt. IG VII 4147. IG VII 2712. S. auch die Verbesserungen und Ergänzungen von Oliver 1971, 225–233. IG VII 2711. S. auch die Verbesserungen und Ergänzungen von Oliver 1971, 221–225. Vgl. auch Oliver 1989, 69–77. Weitere Ehrendekrete aus anderen Städten in Boiotien fanden aus Platzgründen lediglich am Ende der Stele eine knappe Erwähnung. Der allgemeine Hinweis wird auch eine ideologische Komponente erhalten haben. Die Ehrendekrete für Epaminondas waren zu zahlreich, als dass sie auf einem Monument Platz finden könnten, und symbolisierten damit gleichsam die große Anerkennung und die zahlreichen Verdienste des Ausnahmebürgers. Zum historischen Hintergrund des Monuments s. auch Quaß 1993, 173 f.

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Ehrendekrete für eigene Bürger in der römischen Kaiserzeit

und der Ausrichtung von Opfern knappe Erwähnung (1–53).29 Der erzähltechnische Spannungsbogen des Motivberichts war stattdessen auf die Agonothesie des Epaminondas mit der Veranstaltung der Ptoia und Kaisareia als eigentlichem Anlass des Beschlusses ausgerichtet (53–89). Die Tatenberichte, die durch die Partikeln τε und δέ in einzelne Abschnitte unterteilt wurden, waren dabei durch allgemeine Formulierungen ausgeschmückt und legten den Fokus insbesondere auf die herausragende Persönlichkeit und die vorbildlichen Eigenschaften des Epaminondas.30 In mehreren Abschnitten verwies die Erzählung zudem auf die Neuartigkeit der Veranstaltungen und die Einmaligkeit der Ereignisse und beschrieb daneben bis ins Detail die zahlreichen Feste, Bankette und Opfer anlässlich der seit 30 Jahren nicht mehr veranstalteten Festspiele.31 Epaminondas stand dabei als Gastgeber stets im Zentrum des Geschehens und traf wichtige Entscheidungen in der Regel eigenmächtig.32 Der Demos und die anderen Festteilnehmer mussten sich hingegen weitgehend auf die passive Rolle als Empfänger der Wohltaten beschränken. Zugleich traten im Ablauf der Feierlichkeiten auch die sozialen Unterschiede zwischen den einzelnen Gruppen der Bürgerschaft zu Tage (78–86).33 Epaminondas und die anderen Honoratioren speisten oben auf dem Hügel im Tempel des Apollon, während das einfache Volk die Bewirtung unten in der Stadt erhielt. Nach dem Festmahl stieg Epaminondas vom Hügel hinab in die Stadt, wo das Volk nur darauf wartete, dem prominenten Bürger mit einem jubelnden Empfang für seine Großzügigkeit zu danken, woraufhin der Festspielleiter in Reaktion auf die Sympathiebekundungen noch einen weiteren Stier für Zeus opferte. In Ablauf und Inszenierung des Festes manifestierte sich demnach deutlich die Distanz zwischen den einfachen Bürgern und einzelnen Angehörigen der städtischen Elite. Von den Idealen der griechischen Polis als Gemeinschaft von freien und gleichen Bürgern hatte sich die Polis 29

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Zum zusammenfassenden Abschnitt s. ausführlich Chaniotis 2008, 71–80. Stavrianopoulou 2009, 161–165. Vgl. auch Robert 1935b, 442 Anm. 5. Veyne 1976, 285 f. Quet 1981, 52–56. Quaß 1993, 312 f. Müller 1997, XX. 28–29: ι[ὰ] τὸ φιλόδοξον | ἦθος. 53–55: ὑπερ[εβάλλετο] δὲ τῇ μεγαλοψυχίᾳ καὶ ἀρετῇ πάντας τοὺς | [προτέρους, τρέψας] ἑαυτὸν πρὸς τὸ φιλόδοξον [καὶ] φιλάγαθον ταῖς [ἐπαλ]|λή[λ]οις δαπάναις, εἷς φιλόπατρις καὶ εὐεργέτης νομ[ιζ]όμενος. Zum aufzählenden Gebrauch der Partikel τε s. auch u. S. 408. 24: μόνο[ς κ]αὶ πρῶτος ἀπὸ [τοῦ] παντὸς αἰῶνος. 55–59: ἐγ[λε]λοιπό|τος γὰρ ἤδη τριάκοντα ἔτη τοῦ τῶν Πτωΐων ἀγῶνος, κατασταθὶς ἀγωνοθέ|της προθυμότατα ἐπεδέξατο φιλοδοξήσας τὸ ἀνανεώσασθαι τὴν ἀρχα[ι]|ότητα τοῦ ἀγῶνος, τῶν μεγάλων Πτωΐων καὶ Καισαρήων κτίστης ἄνωθε | γενόμενος. Das Thema der Restauration von Kulten findet sich im Späthellenismus auch in anderen Ehrendekreten – so etwa bei Zosimos aus Priene oder bei Epie aus Thasos. Zu Zosimos s. o. S. 302–312. Zu Epie s. o. S. 369–372. Zu den Leistungen des Epaminondas s. Mango 2004, 274. 296. Habicht 2006, 164. Vgl. Quaß 1993, 305 f. Zur Einmaligkeit des Ereignisses s. Chaniotis 2008, 71. Quet 1981, 54. Stavrianopoulou 2009, 164. Quet 1981, 55. Stavrianopoulou 2009, 172–174.

Eine Stadt im Wandel

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Akraiphia in der politischen Realität zunehmend entfernt.34 Nicht mehr die Stadt war Gastgeberin eines Festes für den exklusiven Kreis aus männlichen Polisbürgern. Stattdessen lud Epaminondas nahezu wie ein Privatmann zu seinem persönlichen Polisfest ein und erweiterte oder beschränkte den Kreis der Teilnehmer an den einzelnen Festbanketten weitgehend nach eigenem Belieben.35 Die Veränderungen im sozialen Gefüge der Bürgerschaft hatten auch Auswirkungen auf Gestaltung und Aussageintention des Ehrendekrets. Individuum und persönliche Leistungen rückten in der Erzählung zunehmend in den Vordergrund. Selbstverständlich präsentierte der Beschluss Epaminondas weiterhin als Idealbild eines Bürgers und betonte auch in der Resolution noch einmal die Beispielhaftigkeit der Leistungen. Die Maßstäbe für vorbildliches Handeln hatten im Vergleich zur hellenistischen Zeit jedoch einen drastischen Wandel erfahren. Reiche Einzelpersonen hatten das eigene Verhalten den neuen Rahmenbedingungen der frühen Kaiserzeit und insbesondere den Anforderungen eines aristokratisch dominierten Gesellschaftsmodells angepasst.36 Macht und Einfluss beruhten neben Herkunft und persönlichen Beziehungen insbesondere auf einem großen Privatvermögen. Auch Epaminondas war den bürgerlichen Sphären zunehmend entwachsen und übernahm stattdessen die Rolle eines patronus der Stadt, der vornehmlich aus eigenem Antrieb und persönlichem Interesse handelte und nicht auf einen offiziellen Auftrag der Stadt wartete.37 Um sein persönliches Prestige in der Polis zu erhöhen, veranstaltete der reiche Euerget unter großem Aufwand zahlreiche Feste, die zum Teil vermutlich sogar nur zu diesem Zweck ins Leben gerufen worden waren. Seine herausragende Stellung in der Polis hatte sich Epaminondas damit gleichsam durch seinen großen Reichtum «erkauft». Ob auch die weitgehend zur Passivität verdammte Polisgemeinschaft von dem Engagement profitierte, war dabei vornehmlich von den persönlichen Entscheidungen des ambitionierten Bürgers abhängig.38 Die Stadt hatte im Gegenzug lediglich Anerkennung und Dankbarkeit in Form von öffentlichen Ehrungen anzubieten (89–106). So erhielt Epaminondas für seine Leistungen einen goldenen Kranz, ein gemaltes Porträtbild sowie einen Ehrensitz bei den städtischen Festspielen. In diesem Zusammenhang verwies der Beschluss auch auf die hortative Funktion der Ehrungen: Der öffentliche Dank der Polis gegenüber den Euergeten sollte potentiellen Wohltätern einen Antrieb zu vergleichbaren Leistungen bieten (97–100). Des Weiteren waren für Epaminondas im Heiligtum des Apollon Ptoios sowie auf der Agora jeweils eine Statue sowie ein goldenes Standbild mit fest-

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Stavrianopoulou 2009, 165. Quet 1981, 56. Vgl. auch Stavrianopoulou 2009, 174. Zu den Euergeten der Kaiserzeit s. Stavrianopoulou 2009, 177–179. Ebd. 167. Quet 1981, 55. Stavrianopoulou 2009, 172 f.

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Ehrendekrete für eigene Bürger in der römischen Kaiserzeit

gelegten Ehreninschriften aufzustellen sowie auch das Ehrendekret aufzuzeichnen.39 Der Polis Akraiphia galten die Leistungen des Epaminondas dabei nach Aussage der Ehreninschriften auf den Statuenbasen als vorbildliche Bürgertätigkeit.40 Einem klassischen Bürgerideal entsprachen die politischen Realitäten und insbesondere die herausragende Stellung des Einzelnen freilich nicht. Die Stadt hatte sich demnach im 1. Jhdt. n. Chr. vermutlich weitgehend mit der neuen Rolle als passive Empfängerin von Wohltaten abgefunden – oder zumindest abfinden müssen. Reiche Honoratioren konnten sich Anerkennung und Prestige in Form von öffentlichen Ehrungen in der Folge durch Spenden und Festveranstaltungen erwerben. Daneben unterschied sich das Ehrendekret für Epaminondas auch in der persönlichen Ausrichtung von den Beschlüssen der hellenistischen Zeit. So scheinen Rat und Volk insbesondere bei der Auszeichnung des Xenokleas im späten 2. Jhdt. v. Chr. zu Gunsten der allgemeinen Tugenddarstellung in weiten Teilen auf eine individuelle Würdigung verzichtet zu haben. In der Kaiserzeit hatte die Polis Akraiphia den Anspruch der selbstbewussten und eigenständigen Bürgergemeinde hingegen weitgehend aufgegeben und begnügte sich zunehmend mit der Rolle des passiven Kollektivs. Die Kontrolle über das öffentliche Engagement von Einzelpersonen befand sich nicht mehr in der Zuständigkeit der Gemeinschaft. Stattdessen lagen Großveranstaltungen und kostspielige Projekte in den Händen von reichen Bürgern und waren zunehmend deren persönlichen Entscheidungen unterworfen.41 Zugleich zeigten sowohl die Stele mit dem Ehrendekret als auch die Zusammenstellung der Briefe und Beschlüsse über die Gesandtschaft nach Rom jedoch mit Sicherheit auch den Stolz der Polis auf Epaminondas, der trotz der selbständigen Handlungen und der weitgehenden Eigenständigkeit bei seinen Tätigkeiten stets auch Bürger von Akraiphia blieb. Leistungen der gesamten Polis waren die persönlichen Erfolge freilich dennoch nicht – auch wenn die Gesandtschaft nach Rom sicherlich im offiziellen Auftrag der Stadt erfolgte und zu einem guten Verhältnis zum Kaiser beigetragen haben wird.42 Aus Stolz auf die großen Erfolge, die Epaminondas sowohl für die Stadt als auch für den Boiotischen Bund errungen hatte, sowie auf das internationale Ansehen des eigenen Bürgers erwähnte die Polis Akraiphia daneben auch die in anderen Städten vorhandene Bewunderung für die Leistungen des Ausnahmepolitikers.43 Gesandtschaften nach Rom und ein gutes Verhältnis zum Kaiser – zunehmend ein Monopol von einzelnen Mitgliedern der Elite – waren seit dem 39

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Auf die Art der Statuen – «einfache» Statuen oder Kultstatuen – wollte oder konnte sich der Beschluss im Gegensatz zu den goldenen Standbildern noch nicht festlegen. 100–103: στῆσαι δὲ καὶ ἀν|δριάντας αὐτοῦ ἢ ἀγάλματα, ἕνα μὲν ἐν τῷ ἱερῷ Ἀπόλλωνος | τοῦ Πτωΐου, τὸν δ’ ἕτερον ἐπὶ τῆς πόλεως ἐν τῇ ἀγορᾷ, καὶ εἰκόν[α]ς | ὁμοίως ἐπιχρύσους. 104–105: ἄριστα πολειτευσάμε|νον. Vgl. Quet 1981, 61. Stavrianopoulou 2009, 173. Vgl. Stavrianopoulou 2009, 170. Chaniotis 2008, 72–74.

Eine Stadt im Wandel

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späten 1. Jhdt. v. Chr. allgemein ein zentrales Politikfeld der griechischen Städte.44 In Akraiphia blieben die guten Beziehungen zu den Kaisern in Rom Dank Epaminondas auch in den folgenden Jahren bestehen. Als Kaiserpriester auf Lebenszeit beantragte der engagierte Bürger im Jahr 67 n. Chr. Ehrungen der Stadt für Nero als Zeus Eleu­ therios anlässlich der Freiheitserklärung des Kaisers für Griechenland.45 Dem Volksbeschluss vorangestellt waren das Einladungsschreiben des Nero nach Korinth sowie der Text der Freiheitserklärung und machten das Monument damit sicherlich zu einem zentralen Erinnerungsort der Polis. In der Realität werden der ausgeprägte Patriotismus und die selbstlose Liebe zur Heimatstadt nicht die ausschlaggebenden Motive für das Engagement des Epaminondas gewesen sein. So dienten die einzelnen Aktivitäten vermutlich nicht zuletzt auch individuellen Interessen und sollten zum Ausbau der eigenen Macht und des persönlichen Ansehens beitragen. Auf der anderen Seite war Epaminondas aber mit Sicherheit auch nicht gezwungen, sich für seine Heimat zu engagieren, und mag seinen persönlichen Nutzen demnach zum Teil mit Lokalpatriotismus verbunden haben. Stadt und Demos werden in jedem Fall gerne von der Prominenz und den guten Beziehungen des Ausnahmebürgers profitiert haben. In den Jahren um 42 n. Chr. verabschiedete die Polis Akraiphia auf Antrag von ἄρχοντες und σύνεδροι zwei kollektive Beschlüsse zu Ehren von drei wohlhabenden Bürgern und ließ die beiden Ehrendekrete auf eine gemeinsame Stele einschreiben.46 Unabhängig von der Dominanz des Epaminondas bot sich demnach auch anderen Bürgern weiterhin Platz zu öffentlichem Engagement. Trotz der knappen Motivberichte hatten sich die Verfasser in beiden Beschlüssen mit rhetorischen Mitteln um eine ansprechende Gestaltung der Erzählungen bemüht.47 Das erste Ehrendekret galt lediglich den beiden Bürgern Demetrios und Empedon und berichtete von der Durchführung der Opferfeste für Apollon Ptoios und den Kaiser (9–24). Die Stele mag in diesem Zusammenhang zu einem Teil auch eine Loyalitätsbekundung für den Herrscher gewesen sein. Der wichtigste Bestandteil der Feierlichkeiten war jedoch nicht das eigentliche Opfer, sondern – wie schon bei den Festen des Epaminondas – die anschließende Speisung.48 Als Ehrung hatte der Beschluss lediglich die Aufzeichnung

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Eine Monopolisierung der Kontakte zum Herrscher in Rom ist zur Zeit des Kaisers Claudius etwa auch in der Polis Maroneia zu beobachten. Wörrle 2005. IG VII 2713. S. jetzt auch Kantiréa 2007, 81–84. Vgl. Oliver 1989, 572–575. Robert 1935b. Zur rhetorischen Gestaltung s. allgemein Robert 1935b, 446. Der zweite Beschluss berichtete zu Beginn etwa von der allgemeinen Einstellung der drei Personen und brachte die aktuelle Leistung im Anschluss als umgehenden Beleg für die anfängliche Behauptung. 37–45: τῆς ὀφιλομένης ἅπασι τιμῆς τοῖς | εἰς τὴν πατρίδα εὐψύχως διατηθῖσιν | καὶ τῆς δεούσης φιλανθρωπίας ἀξίου[ς] | ὄντας μεταλαμβάν[ι]ν, ὅπερ ἐστὶν Ἀκρηφιεῦσιν | ἀκοπίατον, καὶ ἐν τῷ πάροντι καιρῷ [τ]ὴν κα|θήκουσαν ἐποιησάμεθα πρόνοιαν ἵνα. [τ]ό. τε | ἀρχαῖον τῆς εὐγενίας σῴζομεν τῇ | τε καλοκαγαθίᾳ τῶν ἀνδρῶν μαρτυρήσ[ο]|μεν. Robert 1935b, 442. Vgl. auch Quaß 1993, 307 Anm. 1293. Habicht 2006, 164.

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Ehrendekrete für eigene Bürger in der römischen Kaiserzeit

des Ehrendekrets im Gymnasion vorgesehen (26–34). Zusätzlich war auf der Stele gleichsam als Überschrift eine erklärende Ehreninschrift anzubringen. Das zweite Ehrendekret hatte ebenfalls ein Engagement für die öffentlichen Feste der Polis zum Anlass (45–65). Nachdem Demetrios und Empedon gemeinsam mit einem Pamphilos zusätzlich zur Polemarchie freiwillig auch noch die Agonothesie übernommen hatten, sorgten die drei Kollegen für die Beteiligung von Bäckern, Metzgern und Kleinhändlern an den Opferfeiern, die ohne die Hilfe von engagierten Einzelpersonen nicht hätten stattfinden können.49 Die Stadt war offensichtlich nicht in der Lage, die Beteiligung der Berufsgruppen, die für die Durchführung der Polisfeste relevant waren, zu garantieren. Ausführlich beschrieb die Erzählung daneben auch die Verteilung von besonderen und qualitätvollen Ölen.50 Die reguläre Funktion von Gymnasiarchen scheinen die drei herausragenden Bürger jedoch nicht bekleidet zu haben.51 Die Probleme der Stadt bei der Erfüllung von öffentlichen Aufgaben wie der Finanzierung von Festen, die sich im Hellenismus zunehmend zu kostspieligen Veranstaltungen entwickelt hatten, resultierten in der allmählichen Abhängigkeit von wohlhabenden Einzelpersonen.52 Wie der Beschluss für Epaminondas zeigten die beiden Ehrendekrete die Polis als schwaches und passives Gemeinwesen, dessen Wohl vornehmlich von persönlichen Entscheidungen abhängig war.53 Erwerben konnten sich reiche Einzelpersonen Ehre und öffentliche Anerkennung im Gegenzug über finanzielle Anstrengungen, die als individuelle Leistungen gerade in den Erzählungen der beiden Ehrendekrete im Vordergrund standen. Auch der freie Umgang mit den Formularbestandteilen scheint den politischen Verhältnissen der Zeit entsprochen zu haben. So hatte insbesondere der demokratische Vorgang der Beschlussfassung in der kaiserzeitlichen Polis zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung vermutlich nur noch geringe Bedeutung. Für die herausragenden Leistungen erhielten Demetrios, Empedon und Pamphilos vergoldete Porträtschilde mit Ehreninschriften im Gymnasion und an einem anderen Platz in der Stadt sowie eine Stele mit dem Ehrendekret im Gymnasion (67–78). Über die Orte für die Anbringung der Bildnisse sowie für die Aufstellung der Stele ließ die Polis die drei Kollegen selbst entscheiden und scheint damit zu Gunsten von Einzelpersonen erneut auf Kompetenzen verzichtet zu haben. In der Summe scheint das Verhältnis der Polis Akraiphia zu den eigenen Bürgern und insbesondere zu den Mitgliedern der städtischen Elite im ausgehenden Hellenismus einen grundlegenden Wandel vollzogen zu haben. Auch wenn finanzielle Leis-

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Vgl. Robert 1935b, 448 f. Quaß 1993, 261. Stavrianopoulou 2009, 171. S. ausführlich Robert 1935b, 450–452. Ebd. 449. Ebd. 446–448. Mit Überschwemmungen der Ebene standen die finanziellen und wirtschaftlichen Probleme der Polis Akraiphia vermutlich nicht in Verbindung. So jedoch Kahrstedt 1954, 90. Vgl. auch Oliver 1971, 236. Habicht 2006, 164. Robert 1935b, 447. Oliver 1971, 236.

Feste und Baustiftungen

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tungen bereits im 2. Jhdt. v. Chr. einen wichtigen Bestandteil des bürgerlichen Engagements gebildet hatten, zeigten Rat und Volk in den Ehrendekreten zunächst noch eine gewisse Zurückhaltung bei der individuellen Erhöhung von Einzelpersonen. Die Beschlüsse verbreiteten stattdessen in allgemeinen Wendungen die Idealvorstellungen der Polis vom Verhalten eines ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός, in dessen Lebensgestaltung die Bürgergemeinde weiterhin der wichtigste Bezugspunkt bleiben sollte. Bereits ab der Mitte des 1. Jhdts. v. Chr. begannen sich die Gewichte innerhalb der Stadt jedoch allmählich zu Gunsten des Individuums zu verlagern, bis die Bürgergemeinde in der frühen Kaiserzeit schließlich weitgehend im Schatten von überragenden Einzelpersönlichkeiten stand. Insbesondere Vermögen und Reichtum verschafften ambitionierten Bürgern dabei eine dominierende Position im öffentlichen Leben der Polis. Zu Tage traten die neuen Verhältnisse etwa im Ehrenbeschluss für Epaminondas, der auch über die Grenzen der Polis hinaus große Macht und politischen Einfluss besaß. In der Stadt festigte der reiche Euerget seine Ausnahmestellung zudem durch Spenden und prächtige Festveranstaltungen, die als individuelle Leistungen dementsprechend auch im Ehrendekret in den Vordergrund rückten. Die Bürgergemeinschaft war in diesem Szenario vornehmlich auf die Rolle der passiven Empfängerin von Wohltaten beschränkt. Die beiden Monumente für Epaminondas entsprangen daneben vermutlich aber auch dem Stolz der Stadt auf die außergewöhnlichen Leistungen des Vorzeigebürgers und sollten die Erfolge zumindest in Teilen für die gesamte Polis reklamieren – trug das Engagement des Epaminondas doch stets auch zu Ruhm und Ansehen der Heimatstadt bei. Die besondere Konstellation verstärkte auf der anderen Seite jedoch die Abhängigkeit der Polis vom Wohlwollen und den Entscheidungen eines kleinen Kreises an einflussreichen Bürgern. Als selbstbewusstes und eigenständiges Gemeinwesen trat Akraiphia zumindest in den kaiserzeitlichen Ehrendekreten nicht mehr in Erscheinung. Das politische Leben in der Stadt mag demnach tatsächlich einem Honoratiorenregime gleichgekommen sein. Eingesetzt haben werden die entsprechenden Entwicklungen wohl allerdings erst zum Ende des Hellenismus um die Mitte des 1. Jhdts. v. Chr.

11.2 Feste und Baustiftungen – Zwei Ehrendekrete aus der Polis Kyme Die Polis Kyme verzichtete im Hellenismus weitgehend auf die dauerhafte Aufzeichnung von Ehrendekreten für eigene Bürger und erlaubte einzig der reichen Bürgerin Archippe – wie bereits diskutiert – die eigenen Beschlüsse im späten 2. Jhdt. v. Chr. nachträglich zu einem Monument zusammenstellen.54 Die dauer-

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Zu den Beschlüssen für Archippe s. ausführlich o. S. 372–377.

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Ehrendekrete für eigene Bürger in der römischen Kaiserzeit

hafte Publikation der Dokumente erfolgte in der besonderen Form eines Ensembledenkmals und stand im Kontext des von der Bürgerin errichteten Bouleuterions, wobei Archippe sowohl auf die Auswahl der aufzuzeichnenden Beschlüsse als auch auf die grundsätzliche Entscheidung zur Errichtung des Monuments maßgeblichen Einfluss genommen haben wird. Wie nicht zuletzt die ursprünglich wohl im Stadtarchiv hinterlegten Beschlüsse für Archippe belegen, mag die Polis Kyme im Hellenismus demnach zahlreiche Beschlüsse verabschiedet haben. Eine dauerhafte Aufzeichnung erfuhren zumindest die Ehrendekrete in der Regel jedoch nicht. Erst in den späten Regierungsjahren des Augustus ließen Rat und Volk in Kyme zwei Beschlüsse zu Ehren von eigenen Bürgern aufzeichnen. Da die entsprechenden Monumente jedoch erneut Einzelfälle blieben, scheint die Publikation von Ehrendekreten in der Polis Kyme in der Summe weder im Hellenismus noch in der Kaiserzeit eine gebräuchliche Praxis geworden zu sein. 11.2.1 Privatveranstaltungen und Polisfeste – Der Prytane Kleanax und seine Familie Vermutlich in den Jahren zwischen 2 v. Chr. und 2 n. Chr. publizierten Rat und Volk der Polis Kyme das Ehrendekret für den Prytanen Kleanax, dessen aktuelle Tätigkeit zugleich den eigentlichen Anlass für die Auszeichnung bildete.55 In den ersten Abschnitten des Motivberichts widmete sich der ausführliche Beschluss zunächst jedoch den früheren Leistungen des vermutlich bereits betagten Bürgers sowie den entsprechenden Anerkennungen durch die Stadt (4–30).56 Eine dauerhafte Aufzeichnung scheinen diese schriftlichen Dankesbekundungen und Volksbeschlüsse allerdings noch nicht erfahren zu haben. In der Summe beschränkten sich die früheren Tätigkeiten, bei denen insbesondere finanzielle Aspekte stets eine wichtige Rolle spielten, vornehmlich auf die Übernahme von kultischen Funktionen und die Ausrichtung von Festen. Von politischem Engagement im engeren Sinn wusste das Ehrendekret nicht zu berichten. Durch die Verwendung des äolischen Dialekts pflegte die Erzählung dabei einen archaisierenden Duktus und zeigte in den einzelnen Abschnitten zudem eine rhetorische Gestaltung. So waren die Berichte etwa mit

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Hodot 1982. S. auch Merkelbach 1983. Die Marmorstele mit der Inschrift ist in einem guten Erhaltungszustand und hat den Beschluss bis auf Teile der Resolution nahezu komplett bewahrt. Zum Anlass des Beschlusses s. Merkelbach 1983, 33. Gordon 1990, 226. Kearsley 1994, 238. Zu den früheren Leistungen des Kleanax vgl. Quaß 1993, 395 Anm. 200.

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den üblichen Formeln und Wendungen zur ehrenden Charakterisierung eines guten Bürgers ausgeschmückt.57 Den Beginn des Motivberichts bildete eine allgemeine Würdigung der Tugendhaftigkeit und des Charakters sowie der hervorragenden Abstammung des Kleanax (4–9).58 An früheren Leistungen berichtete der Beschluss im Anschluss von der Tätigkeit als Priester des Dionysos Pandemos (12–19). Mit der Funktion verbunden war die Ausrichtung der neu eingerichteten Mysterienfeiern, die offensichtlich erst durch öffentliche Anschläge beworben werden mussten und eine Prozession sowie eine anschließende Speisung von großen Teilen der Bevölkerung von Bürgern über Römer und ansässige Nichtbürger (πάροικοι) bis hin zu Fremden beinhalteten.59 Als weitere Wohltat des Kleanax nannte die Erzählung eine Bewirtung der Bevölkerung anlässlich der Vermählung der eigenen Tochter (19).60 In diesem Zusammenhang lobte der Beschluss Kleanax auch für die Erziehung und die rhetorische Ausbildung des Sohnes Sarapion (21–28). In Nachfolge des Vaters erwies sich der junge Mann ebenfalls als Euerget für die Stadt und bekam wegen seines guten Betragens gegenüber dem Vater auf Volksbeschluss den offiziellen Beinamen Φιλοπάτωρ verliehen.61 Öffentliches Engagement und entsprechende Ehrungen scheinen nach der Darstellung des Ehrendekrets allmählich eine Privatangelegenheit von Kleanax und dessen Familie geworden zu sein. Leistungen für die Polis waren eine Familientradition und übertrugen sich als gleichsam verpflichtendes Erbe auf die Nachkommen. Kleanax «verhäuslichte» in der Folge zunehmend den öffentlichen Bereich und integrierte das Volk in die Sphäre der persönlichen Belange. Für die früheren Leistungen hatte das Volk bereits eine erste Belobigung ausgesprochen (28–30). Im Anschluss wandte sich die Erzählung mit dem Bericht über 57 58

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Zu Sprache, Aufbau und Gestaltung des Beschlusses s. Hodot 1982, 168–170. S. auch u. S. 438 f. Zu den allgemeinen Wertbegriffen s. auch Kearsley 1994, 238–241. 4–9: Ἔπει Κλεάναξ Σαραπίωνος, φύσει δὲ Φιλοδάμω, ὀ πρύτανις, ἀμφιθά|λεα τὰν ἐκ πατέρων ἔχων εὐγένηαν καὶ τὰν ἀνυπέρβλητον εἰς φιλοδοξί|αν εἰς τὰν πάτριν ἀρέσκηαν, πόλλα μὲν καὶ μέγαλα τῷ διηνέκει βίῳ τᾷ πό|λει παρέσχηται, οὔδενα καῖρον ὐφέμενος ἐν ᾦ τὰν ὐπὲρ τῶ δάμω κα|δεμονίαν παραλέλοιπεν, πολειτευόμενος τὰ κράτιστα τᾷ πόλει καὶ | λόγῳ καὶ ἔργῳ. Zur allgemeinen Einleitung s. mit Übersetzung auch u. S. 438. Hodot 1982, 171 f. Robert/Robert 1983, 132 f. Gordon 1990, 226. Kearsley 1994, 236 f. Zu den Leistungen des Kleanax s. Hodot 1982, 172–174. Merkelbach 1983, 33. Robert/ Robert 1983, 133. Gordon 1990, 226 f. Schmitt Pantel 1992, 257–260. 406 f. Quaß 1993, 315 Anm. 1343. Kearsley 1994, 237. Papazoglou 1997, 170 f. Strubbe 2001, 32. Chaniotis 2008, 76. 78. Beck 2015, 295 f. 317. 355. Zur Hochzeit der Tochter s. Robert/Robert 1983, 133. Schmitt Pantel 1992, 259. 407. Kearsley 1994, 237. Strubbe 2001, 32. Vgl. allgemein Quaß 1993, 327 f. Zu den Ehrungen für Sarapion s. Hodot 1982, 174 f. Merkelbach 1983, 33. 36. Robert/ Robert 1983, 133. Kearsley 1994, 237 f. Hamon 2007, 97. Der Beiname Φιλοπάτωρ hatte seine Ursprünge in der monarchischen Selbstdarstellung. Durch die Übernahme von entsprechenden Beinamen traten reiche Aristokratenfamilien in einem weiteren Feld die Nachfolge der hellenistischen Könige an und entrückten dem bürgerlichen Milieu.

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Ehrendekrete für eigene Bürger in der römischen Kaiserzeit

die Leistungen als Prytane dem eigentlichen Anlass des Ehrendekrets zu (30–45). Während des gesamten Jahres bewirtete Kleanax zu unterschiedlichen Festanlässen breite Teile der Stadtbevölkerung von Bürgern über Römer und ansässige Nichtbürger (πάροικοι) bis hin zu Fremden und Sklaven mit Wein und Speisen.62 An konkreten Feiern nannte der Beschluss dabei das Neujahrsfest, die Totenopfer, das Fest der Lerche, die Prozession mit dem Lorbeer – vermutlich für Apollon – sowie die städtischen Opfer für Augustus und dessen Söhne am Festtag der Provinz Asia.63 Im Gegenzug für das gezeigte Engagement erhielt Kleanax von der Polis einen Goldkranz, der bei verschiedenen Zusammenkünften religiösen wie politischen Charakters von einem Herold in der Stadt auszurufen war und die Prytanie als Anlass der Ehrung benannte (46–52).64 Insgesamt trug das Ehrendekret vornehmlich individuelle Züge und mag demnach auch durch die Aufzeichnung zunächst der Selbstdarstellung des herausragenden Bürgers und der gesamten Familie gedient haben. Nach den Maßstäben der Polis waren die einzelnen Tätigkeiten natürlich ebenso Beispiele für vorbildliches Verhalten – auch wenn sich ehrenvolles Engagement zunehmend über Spenden und Feste definierte und politische Tätigkeiten im engen Sinn an Bedeutung verloren hatten. Indem die Erzählung zunehmend von persönlichen Wohltaten und finanziellen Leistungen berichtete, begannen die Grenzen zwischen öffentlichen Funktionen und dem häuslichen Bereich allmählich zu verwischen.65 So bewirtete Kleanax als Prytane breite Teile der Bevölkerung wie ein Privatmann und gestaltete daneben selbst die private Hochzeitsfeier der Tochter zu einem öffentlichen Polisfest. Auftreten und Engagement glichen dabei dem Verhalten von anderen Aristokraten der Kaiserzeit wie Epaminondas aus Akraiphia.66 Die Anfänge der beschriebenen Entwicklung reichten jedoch bis in den Späthellenismus zurück.67 Das 62

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Zur Tätigkeit als Prytane s. Hodot 1982, 175–180. Merkelbach 1983, 33. 36 f. Robert/Robert 1983, 133–137. Gordon 1990, 227 f. Schmitt Pantel 1992, 257–260. 406 f. Quaß 1993, 324 Anm. 1384. 325 Anm. 1388 f. Kearsley 1994, 238. Papazoglou 1997, 170 f. Strubbe 2001, 32. Chaniotis 2008, 78. Beck 2015, 296. 317. Zu den städtischen Feiern zu Ehren von Augustus und dessen Söhnen s. Hodot 1982, 179 f. Robert/Robert 1983, 137. Wörrle 1988, 243 Anm. 95. Beck 2015, 317 f. Durch die Erwähnung der Feiern mag das Monument mit dem Ehrendekret ein weiteres Mal auch eine Loyalitätsbekundung zum Kaiser in Rom enthalten haben. Zu den Ehrungen für Kleanax s. Hodot 1982, 180. Robert/Robert 1983, 137 f. Schmitt Pantel 1992, 259. Kearsley 1994, 239 f. Über mögliche weitere Privilegien erlaubt der Erhaltungszustand der Inschrift keine Aussage. Zur «Verhäuslichung» des öffentlichen Bereichs s. bereits o. S. 325. Grundlegend Wörrle 1995, 245. Vgl. Strubbe 2001, 35–39. Der Höhepunkt der Entwicklung ist in der Kaiserzeit und nicht schon im späten Hellenismus zu verordnen. So jedoch Strubbe 2001, 38. Zur Bedeutung von Vorfahren und Familie – allerdings weitgehend ohne chronologische Differenzierung – s. auch Quaß 1993, 40–56. Scholz 2008, 89–94. Zum Vergleich mit Epaminondas aus Akraiphia s. Chaniotis 2008, 75. Vgl. auch Kearsley 1994, 236. Für Vergleichsbeispiele etwa aus Priene s. zusammenfassend o. S. 323–326.

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öffentliche Leben und die Politik der Polis Kyme wird Kleanax durch seinen Einfluss und insbesondere durch seine finanziellen Möglichkeiten in jedem Fall maßgeblich geprägt haben. In der Summe scheint das politische System der Stadt demnach in der Kaiserzeit durch die Vorherrschaft eines kleinen Kreises an einflussreichen Honoratioren bestimmt gewesen zu sein. 11.2.2 Heroische Ehren für eine großzügige Baustiftung – Das Ehrendekret für L. Vaccius Labeo Etwa zeitgleich mit dem Beschluss für Kleanax ließ die Polis Kyme in den Jahren zwischen 2 v. Chr. und 14 n. Chr. das Ehrendekret für L. Vaccius Labeo publizieren.68 Anlass des Beschlusses waren die Errichtung eines Badehauses sowie die Stiftung von Ländereien zum Unterhalt des Gebäudes (1–3).69 Daneben hatte der römische Bürger, der seine Leistungen in der offiziellen Funktion als Gymnasiarch erbrachte, vermutlich auch Renovierungsarbeiten im Gymnasion unternommen und scheint demnach auch das Bürgerrecht der Polis Kyme besessen zu haben.70 In der Stadt wird Labeo dabei jedoch allein durch seine privilegierte Rechtsstellung eine herausragende Position eingenommen haben. Ursprünglich wollten Rat und Volk für den herausragenden Bürger zudem gottgleiche Ehrungen beschließen (3–11). So sollte Labeo neben goldenen Statuen einen Tempel im Gymnasion sowie die Bezeichnungen κτίστης und εὐεργέτης erhalten und nach dem Tod im Gymnasion bestattet werden. Vermutlich nach dem Vorbild der beispielhaften modestia des Augustus verzichtete der reiche Euerget jedoch auf die göttlichen Ehrungen (12–20).71 Durch die Erwähnung im Ehrendekret erinnerte die Stadt allerdings trotzdem an die entsprechenden Vorschläge und betonte, dass sich Labeo der göttlichen Ehrungen als würdig erwiesen und die entsprechenden Privilegien nur aus Bescheidenheit – gleichsam der erneute Beleg für den guten Charakter – abgelehnt hatte. Trotz der Zurückweisung der heroischen Überhöhung statteten Rat und Volk von Kyme den verdienten Gymnasiarchen entsprechend den Praktiken der frühen Kaiserzeit mit umfangreichen Privilegien aus 68

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I. Kyme 19. Der Beschluss ist bis auf das Ende des Motivberichts und die Resolution verloren. Über Inhalt und Aufbau der Erzählung lässt der fragmentarische Zustand der Marmorstele kaum Aussagen zu. Bereits die erhaltenen Abschnitte zeigen jedoch eine aufwendige Gestaltung in Sprache und Stil. Zu den Leistungen des Labeo s. auch Ferrary 1997, 207. Savalli-Lestrade 2003a, 268. In den verlorenen Abschnitten muss der Beschluss noch von weiteren Verdiensten berichtet haben. Die Renovierungsmaßnahmen lassen sich jedoch lediglich aus den beschlossenen Ehreninschriften erschließen. Vgl. Engelmann 1976, 68. Price 1984, 49 Anm. 116. Fagan 1999, 330. 347. Strubbe 2004, 328. Zur Rechtsstellung des Labeo s. Engelmann 1976, 70. Engelmann 1976, 65. Price 1984, 51. Ferrary 1997, 207. Strubbe 2004, 328 f.

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Ehrendekrete für eigene Bürger in der römischen Kaiserzeit

(20–60). Labeo erhielt eine Belobigung, einen Ehrensitz bei den Wettkämpfen, einen goldenen Kranz, der bei den jeweiligen Opferzeremonien zu verleihen war, sowie einen vergoldeten Porträtschild und drei Statuen aus Bronze, Marmor und Gold, die mit Ehreninschriften zu versehen und im Gymnasion der Stadt aufzustellen waren.72 Die Inschriften unter den vier Bildnissen boten dabei zugleich jeweils eine Kurzzusammenfassung der verschiedenen Anlässe für die Auszeichnungen. Für die Zeit nach dem Tod beschlossen Rat und Volk im Anschluss trotz der zumindest scheinbaren Bescheidenheit des herausragenden Bürgers öffentliche Begräbnisfeierlichkeiten mit der Verleihung eines goldenen Kranzes und der anschließenden Bestattung im Gymnasion der Stadt.73 Zudem war das Ehrendekret, dessen Abschluss eine Datierung nach den Eponymen der Provinz und der Stadt bildete, auf eine Marmorstele neben den Statuen aufzuzeichnen. Im Jahr der Ehrung war Labeo – vermutlich direkt im Anschluss an die Gymnasiarchie – Prytane in Kyme und könnte in dieser Funktion maßgeblichen Anteil an den eigenen Ehrungen gehabt haben. Den entscheidenden Ausschlag zur Verabschiedung sowie zur Publikation des Ehrendekrets werden jedoch die großzügigen und umfangreichen Baumaßnahmen am Gymnasion der Stadt gegeben haben. Auch wenn Labeo im Anschluss aus Bescheidenheit auf eine heroische Verehrung der eigenen Person verzichtete, wollte die Polis im verabschiedeten Beschluss dennoch nicht auf eine Erwähnung der angetragenen Ehrungen verzichten. Die Bereitschaft der Stadt zur Vergabe von entsprechenden Privilegien, die auch in Späthellenismus und Kaiserzeit nur in seltenen Fällen zugestanden wurden, unterstrich den Ausnahmecharakter der Leistungen und verdeutlichte die herausragende Stellung des römischen Bürgers in der Stadt. In den Überlegungen zur Heroisierung des Labeo zeigten sich daneben erneut auch die Verschiebungen in den Gesellschaftsstrukturen zu Beginn des Prinzipats sowie ein verändertes Wertesystem der Stadt. Bis zum Späthellenismus hatten sich Polisbürger in der Regel nur durch einen selbstlosen Opfertod für die Heimat die Stellung eines Bürgerheros erwerben können. Ab dem 1. Jhdt. v. Chr. konnten einzelne Personen einen entsprechenden Status zunehmend auch durch ein umfangreiches Bauprogramm erreichen.74

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Zu den verliehenen Privilegien s. Engelmann 1976, 66–68. Strubbe 2004, 328. Zur postumen Ehrung s. Ziebarth 21914, 152. Engelmann 1976, 68 f. Strubbe 2004, 328. Chiricat 2005, 214. 223. Auch Diodoros Pasparos in Pergamon hatte sich seine Stellung als der heroische κτίστης der Polis zum Teil durch umfangreiche Baumaßnahmen im Gymnasion verdient. S. o. S. 236–241.

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11.2.3 Die Gesellschaftsstrukturen der Polis Kyme am Beginn der Kaiserzeit Die Zeitgenossen Kleanax und L. Vaccius Labeo werden führende Positionen innerhalb der Polis Kyme eingenommen haben und waren den bürgerlichen Sphären in der Folge vermutlich weitgehend enthoben. Ein Monopol auf die Entscheidungen der Stadt werden die beiden Politiker, deren Wirken etwa in den gleichen Zeitraum fiel, jedoch nicht besessen haben. In den Jahren um die Zeitenwende und vermutlich auch noch in späteren Zeiten existierte in der Polis Kyme demnach immer noch eine ganze Gruppe von herausragenden Bürgern im gegenseitigen Konkurrenzkampf  – sowohl um politischen Einfluss und die Ausübung von öffentlichen Funktionen als auch um Ansehen und Prestige in Form von Ehrungen. Ein Mittel in diesem Wettstreit waren dabei auch weiterhin die Ehrendekrete mit den ausführlichen und individuellen Tatenberichten. Gemeinsam nahmen Aristokraten wie Kleanax und L. Vaccius Labeo in der frühen Kaiserzeit vermutlich maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Polis Kyme. Ähnliche Verhältnisse mögen in der Stadt schon seit dem späten 2. Jhdt. v. Chr. geherrscht haben. So beherrschten einzelne Honoratioren zu diesem Zeitpunkt bereits große Bereiche des öffentlichen Lebens und überließen der Bürgerschaft weitgehend die Rolle der passiven Empfängerin von Wohltaten. Basis für die dominierende Stellung der einzelnen Honoratioren war dabei stets ein großes Privatvermögen. Reiche Bürger wie Kleanax sicherten sich das Wohlwollen und die Zustimmung der Bevölkerung in der Folge durch üppige Feste und integrierten die Bürgerschaft gleichsam in den privaten Oikos, wobei selbst Familienfeiern wie eine Hochzeit die Gestalt von öffentlichen Polisfesten annehmen konnten. In der Familie des Kleanax wurde das wohltätige Engagement für die Polis – ähnlich wie schon in der Familie der Archippe – daneben sogar eine generationenübergreifende Tradition und vererbte sich vom Vater auf den Sohn. L. Vaccius Labeo engagierte sich für die bauliche Ausgestaltung der Polis und sorgte durch Stiftungen zugleich für den dauerhaften Erhalt der errichteten Gebäude. Die Polis hätte für den kostspieligen Unterhalt der Einrichtungen – so zumindest der durch das Ehrendekret erweckte Eindruck – vermutlich nicht aufkommen können und war auf das private Engagement von Einzelpersonen angewiesen. Unabhängig von der tatsächlichen Finanzkraft der Städte besetzten reiche Bürger jedoch auch zunehmend entsprechende Räume und präsentierten das eigene Handeln als politische Notwendigkeit. In der Folge gewannen Reichtum und finanzielles Engagement im bürgerlichen Wertesystem der Polis zunehmend an Bedeutung.

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Ehrendekrete für eigene Bürger in der römischen Kaiserzeit

11.3 Die Polisgesellschaft am Beginn der Kaiserzeit im Spiegel der Ehrendekrete Die dauerhafte Publikation von Ehrendekreten für eigene Bürger war – wie die Aufzeichnung von Volksbeschlüssen im Allgemeinen – in den meisten Städten spätestens zum Ende des Hellenismus aus der Mode gekommen. Maßgeblichen Anteil an den Veränderungen in der epigraphischen Praxis hatten politische und soziale Umwälzungen in den Gemeinwesen, deren Gesellschaftsstrukturen im Vergleich zum frühen Hellenismus einen grundlegenden Wandel vollzogen hatten.75 Einzelpersonen oder ganze Familien scheinen ab dem 1. Jhdt. v. Chr. weite Teile des politischen Lebens in den griechischen Städten bestimmt zu haben. Im Beschluss für Kleanax aus Kyme spielten die Familie des herausragenden Bürgers und insbesondere der Sohn Sarapion eine wichtige Rolle. Auch in der Polis Halikarnassos trat in den Jahren um die Zeitenwende eine prominente Familie in den Vordergrund.76 Drei Ehrendekrete aus dem Ensembledenkmal für Menogenes aus Sardis weiteten die verliehenen Ehrungen ebenfalls auf den Sohn Isodoros aus.77 Die herausragende Stellung von einzelnen Personen oder ganzen Familien scheint sich dabei zunehmend auf ein großes Privatvermögen gegründet zu haben. Zugleich hatten die entsprechenden Entwicklungen auch Auswirkungen auf die Ehrenpraxis in den griechischen Städten. Während die Aufzeichnung eines Ehrendekrets weiterhin eine seltene Auszeichnung für besondere Verdienste blieb, veränderten sich mit der Zeit die Maßstäbe für die Beurteilung eines Bürgers. So definierten sich herausragende Leistungen, die für die Städte die Aufzeichnung eines Ehrendekrets rechtfertigten, bis zum 2. Jhdt. v. Chr. vornehmlich über politisches Engagement oder Verdienste im Krieg. Zum Ende des Hellenismus beschränkte sich die öffentliche Tätigkeit von einzelnen Bürgern mit Ausnahme von seltenen Gesandtschaften zu den Kaisern in Rom hingegen zunehmend auf finanzielle Leistungen wie Baustiftungen oder Festveranstaltungen. Selbst die Reisen nach Rom trugen durch die hohen Kosten jedoch zur Verkleinerung der städtischen Eliten bei, indem sich der Kreis an möglichen Gesandten auf wenige Ausnahmepersönlichkeiten beschränkte. Statt erfolgreichen Feldherrn oder vorbildlichen Politikern ehrten die Städte in der Summe vornehmlich reiche Euergeten. Die veränderten Vorstellungen von vorbildlichem Engagement werden in der Folge auch eine weitere Verkleinerung der Elite auf einen exklusiven Kreis an vermögenden Personen bewirkt haben.

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Zu den veränderten Rahmenbedingungen im späten Hellenismus s. Habicht 1995b, 87–89. 92. Vgl. Ferrary 1997, 204. Zu den Honoratioren der Kaiserzeit s. auch Scholz 2008, 98 f. Die Angehörigen der Familie erhielten mehrere Ehrendekrete. S. etwa GIBM 892. 893. Cousin/Diehl 1890 Nr. 4. S. auch u. S. 399–401. Zu den Familienverhältnissen s. auch Hirschfeld/Marshall 1916, 58. I. Sardis 7, 8.

Die Polisgesellschaft am Beginn der Kaiserzeit im Spiegel der Ehrendekrete

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Im Gegensatz zu den herausragenden Persönlichkeiten der früheren Jahrhunderte entwuchsen die Honoratioren in Späthellenismus und Kaiserzeit durch Reichtum und überregionale Beziehungen zunehmend den bürgerlichen Strukturen der Städte.78 Die Polis verlor in der Folge die Stellung des ausschließlichen Bezugspunkts im Leben der herausragenden Persönlichkeiten, bei denen im Gegenzug zum Teil auch das Interesse an der Auszeichnung durch die jeweilige Stadt in Form eines Ehrendekrets geschwunden sein wird. Spätestens mit dem Beginn der Kaiserzeit waren prominente Griechen zudem um einen Aufstieg in die Reichsaristokratie bemüht und strebten nach Funktionen in der Verwaltung des Imperium Romanum.79 Das lokale Engagement für die Polis sowie die regionale Verwaltung der Städte verloren für die jeweiligen Personen allmählich an Bedeutung – auch wenn die Polis weiterhin eine wichtige Rolle in der Reichsorganisation behielt. Die beschriebene Entwicklung hatte ihre Ursprünge im 2. Jhdt. v. Chr. und stand vermutlich mit der allmählichen Ausbreitung der römischen Macht im östlichen Mittelmeerraum in Zusammenhang. So gewannen in den neuen Machtverhältnissen persönliche Beziehungen zu römischen Senatoren sowie zu den späteren Kaisern in Rom für die Städte zunehmend an Bedeutung und erlaubten einzelnen Personen mit entsprechenden Verbindungen in der Folge großen Einfluss auf die diplomatischen Bemühungen der Städte auszuüben.80 Bereits in den zahlreichen Ehrendekreten aus den Jahrzehnten nach 133 v. Chr. hatten persönliche Verhältnisse zu den römischen Machthabern einen wichtigen Platz eingenommen.81 Auch in der frühen Kaiserzeit übernahm ein Bürger aus Halikarnassos trotz Alter und Krankheit noch Gesandtschaftsreisen zu römischen Magistraten.82 Die Formulierungen des Beschlusses werden dabei trotz der rhetorischen Übertreibung einen realen Kern enthalten haben: Der herausragende Bür-

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Zum zunehmenden Reichtum von einzelnen Bürgern im späten Hellenismus s. Arrayás Morales 2010, 373. Für einen zeitgenössischen Kommentar zu den entsprechendes Entwicklungen s. etwa Plu. Moralia 466 C. 470 C. 814 C-E. Plutarch favorisiert das politische Engagement in der Polis und warnt griechische Bürger vor Karrieren in Rom. Zur politischen Einstellung s. auch Swain 1996, 168–172. Zur Bevorzugung von reichen Aristokraten durch Rom s. Rhodes/Lewis 1997, 549. Wiemer 2013, 66. Zu den Veränderungen durch die römische Herrschaft s. auch Savalli-Lestrade 2003b, 62–64. Hamon 2007, 87–91. Dreyer 2010, 349. 363–365. Dreyer/Weber 2011, 25. Van der Vliet 2011, 160–162. Wiemer 2013, 56. 64–67. Für das Beispiel des kaiserzeitlichen Maroneia vgl. auch Wörrle 2005. Zum Verhältnis der lokalen Eliten zu Rom s. Schulz 2008. Schulz 2011. Schulz bleibt in seinen Ausführungen jedoch stark dem – zumindest für die hellenistische Zeit – überholten Bild von der Herrschaft der Honoratioren verhaftet. Zu den Ehrendekreten des späten 2. Jhdts. v. Chr. s. o. S. 323–326. Die meisten Beschlüsse blieben jedoch noch weitgehend in den Traditionen der Polisdemokratien verhaftet. S. auch Ferrary 1997, 203. Cousin/Diehl 1890 Nr. 4.

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ger dominierte die städtische Politik und besaß über seine persönlichen Kontakte immense Bedeutung für den erfolgreichen Ausgang der diplomatischen Missionen, so dass Rat und Volk den Ausnahmepolitiker aus Alternativlosigkeit bis ins hohe Alter mit entsprechenden Aufgaben betrauen mussten. Auch Epaminondas aus Akraiphia stand in der Mitte des 1. Jhdts. n. Chr. vermutlich in bestem Kontakt zu den römischen Kaisern, während Menogenes aus Sardis und C. Iulius Epikrates aus Milet gute Beziehungen zu Augustus pflegten.83 In der Folge konnten die jeweiligen Personen die eigene Vormachtstellung in den Städten ausbauen und festigen. Eine direkte Herrschaft über die Städte übten die einflussreichen Honoratioren dabei in der Regel vermutlich jedoch nicht aus.84 Oftmals werden sich die führenden Persönlichkeiten allerdings auf einem schmalen Grat zwischen einem weitgehend informellen Einfluss als reiche Euergeten und der direkten Ausübung von Macht in den öffentlichen Bereichen der Polis bewegt haben. Eine offene Herrschaft konnte schnell in den negativen Ruf der Tyrannis geraten.85 Auch wenn sich neben der politischen Praxis in Teilen zugleich die Verfassungswirklichkeit geändert haben mag, blieben die demokratischen Strukturen der Polis weiterhin der Resonanzboden für öffentliches Engagement.86 Reiche Einzelpersonen wie Kleanax und L. Vaccius Labeo in Kyme oder Epaminondas in Akraiphia übernahmen in zunehmendem Umfang die Kosten für öffentliche Feste oder große Baumaßnahmen und organisierten daneben zugleich vermehrt private Festveranstaltungen oder halbprivate Feiern für die gesamte Bürgerschaft. Die Grenzen zwischen öffentlichen Aufgaben und privatem Engagement begannen in diesen Zusammenhängen allmählich zu verschwimmen.87 Die herausragenden Bürger integrierten die Polis in der Folge in den privaten Oikos und entwuchsen in der Rolle als reiche Spender und Patrone zugleich dem bürger-

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I. Sardis 7, 8. I. Milet 7. Zur Stellung der herausragenden Bürger s. Habicht 1995b, 92: «(…) aber sie regieren nicht und sie herrschen nicht. Sie wollten eher populär als mächtig sein.» Vgl. Van der Vliet 2011, 162. Direkte Macht über die griechischen Städte übten einflussreiche Bürger auch im späten Hellenismus nicht aus. Die Erzählungen der zeitgleichen Ehrendekrete erwecken im Vergleich zu den Beschlüssen des frühen Hellenismus dennoch den Eindruck der zunehmenden Einflussnahme auf das öffentliche Leben der Städte. Zur allmählichen Hierarchisierung der städtischen Führungsschichten s. auch Dreyer/Weber 2011, 35–40. Wiemer 2013, 64–67. Zwischen der Herrschaft des Nikias auf Kos, die mit dem negativen Stigma der Tyrannis versehen war, und der Vormachtstellung von mächtigen Bürgern in anderen Städten wie der machtvollen Position des Diodoros Pasparos in Pergamon werden lediglich geringe Unterschiede bestanden haben. Zur Tyrannis des Nikias s. etwa Sherwin-White 1978, 141–145. Um die Mitte des 1. Jhdts. n. Chr. erhielt der kaiserliche Leibarzt C. Stertinius Xenophon, obwohl er auf Kos vermutlich einen ähnliche Stellung wie Nikias besaß, in der Polis große Wertschätzung für seine politischen Erfolge. S. ebd. 149–152. 283–285. Zur Volksversammlung in der Kaiserzeit vgl. allgemein auch Fournier 2010. Die Anfänge der Entwicklung lagen bereits im späten 2. Jhdt. v. Chr. S. o. S. 323–326.

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lichen Rahmen der Städte. Die sozialen Ungleichheiten innerhalb der Polis manifestierten sich etwa auch in der Ausgestaltung der Feste. Festspielleiter wie Epaminondas aus Akraiphia konnten den Teilnehmerkreis nach persönlichem Ermessen ausweiten oder beschränken, wobei einzelne Feiern einem exklusiven Kreis von Bürgern vorbehalten blieben. Auch unter den Kollegen in öffentlichen Polisfunktionen konnten entgegen dem überkommenen Gleichheitsideal Unterschiede bestehen. Der Stratege Philodemos hatte sich etwa in Halikarnassos durch besondere Leistungen vor den anderen Funktionsträgern ausgezeichnet. Einen Beschluss, der ursprünglich als gemeinsames Ehrendekret für die Strategen konzipiert worden war, gestaltete die Polis deshalb gleichsam zu einem persönlichen Ehrendekret für den herausragenden Bürger um.88 Eine wichtige Voraussetzung für die privilegierte Stellung des Philodemos unter den Kollegen wird dabei nicht zuletzt auch seine lange und bedeutsame Familientradition gewesen sein. Die beschriebenen Veränderungen in den Gesellschaftsstrukturen spiegelten sich nicht zuletzt auch in den Motivberichten der Ehrendekrete. So konzentrierten sich die Erzählungen zum Ende des Hellenismus zunehmend auf individuelle Leistungen und dienten mit der Zeit vornehmlich der ehrenden Erinnerung an die Verdienste der herausragenden Einzelpersonen.89 Die Tatenberichte präsentierten auf diese Weise selbstverständlich auch weiterhin vorbildliches Verhalten und ideale Bürgertugend. Beispielhafte Leistungen definierten sich nach den neuen Wertvorstellungen jedoch zunehmend über ein finanzielles Engagement der reichen Euergeten und bewirkten in der Folge vermutlich auch eine weitere Einschränkung der Elite auf einen kleinen Kreis an vermögenden Bürgern. In diesem Zusammenhang werden die Beschlüsse auch einen Teil der Vorbildfunktion für andere Personen verloren haben. So eigneten sich reiche Euergeten – etwa im Gegensatz zu tapferen Kriegshelden – nur für einen kleinen Personenkreis als wirkliche Beispiele, die zumindest theoretisch nachgeahmt werden konnten. Auch die überkommenen Bürgerideale der freien und autonomen Polisdemokratien spielten in den Beschlüssen – wenn überhaupt – lediglich eine untergeordnete Rolle. Frühere Funktionen wie die Verbreitung von politischen Ansichten und die Vermittlung von Tugendkonzepten und Wertvorstellungen oder die Darstellung von historischen Ereignissen hatten die ausführlichen Motivberichte mit der Zeit verloren. Noch zum Beginn der römischen Herrschaft in Kleinasien in den Jahren um 130 v. Chr. hatten Städte wie Kolophon oder Priene in den Ehrendekreten für eigene Bürger die Ideale von δημοκρατία, ἐλευθερία und αὐτονομία propagiert – auch wenn die intensive Beschwörung der überkommenen Wertvorstellungen zu diesem Zeit88 89

GIBM 893. Eine ähnliche Entwicklung zeigte sich auch bei den Ehrenstatuen. Im Verlauf des Hellenismus nahm die Errichtung von Ehrenstatuen auf private Initiative zu. Ma 2013, 293–297. Vgl. Biard 2017, 105–116.

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Ehrendekrete für eigene Bürger in der römischen Kaiserzeit

punkt bereits eine erste Reaktion auf den befürchteten Verlust der alten Ordnung gewesen sein mag.90 Mit der Festigung der römischen Herrschaft und dem allmählichen Bedeutungsverlust der Städte auf der politischen Ebene verschwanden entsprechende Konzepte in den nachfolgenden Jahrzehnten dann allerdings zunehmend auch aus den Erzählungen der Beschlüsse. Da bei den meisten Ehrendekreten der hellenistischen Zeit jedoch erst ein Zusammentreffen von unterschiedlichen Aspekten die Städte zur dauerhaften Publikation der Beschlüsse veranlasst hatte, gingen mit dem inhaltlichen Wandel der Ehrendekrete vermutlich auch wichtige Motive zur Aufstellung der Beschlüsse verloren. Die veränderten politischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen werden vor diesem Hintergrund wichtige Faktoren für den allmählichen Verzicht der Städte auf die dauerhafte Publikation von Ehrendekreten in der Kaiserzeit gewesen sein – lagen die entscheidenden Gründe für die Aufstellung der jeweiligen Beschlüsse ab dem späten Hellenismus in vielen Fällen doch vornehmlich in den persönlichen Interessen von herausragenden Bürgern. Während sich ambitionierte Personen öffentliche Anerkennung in Form von Ehrendekreten und anderen Privilegien durch finanzielle Leistungen gleichsam «erkaufen» konnten, traten politische Statements oder allgemeine Darstellungen von Tugendkonzepten und Wertvorstellungen vor den individuellen Leistungen und den persönlichen Auszeichnungen zunehmend in den Hintergrund. In der Summe werden der gesellschaftliche Wandel und die veränderten Ehrenpraktiken in Verbindung mit der inhaltlichen Neuausrichtung der Ehrendekrete zum weitgehenden Verzicht auf die dauerhafte Aufzeichnung der Beschlüsse in der Kaiserzeit geführt haben. Das gestiegene Interesse an der persönlichen Selbstdarstellung führte dabei gerade nicht zur häufigeren Publikation von Ehrendekreten, sondern verringerte zunehmend das Interesse an entsprechenden Volksbeschlüssen mit langen Erzählungen und ideologischen Zielsetzungen. Die knappen Ehreninschriften, die ab dem Ende des Hellenismus an Stelle der Ehrendekrete aufkamen, trugen den neuen Entwicklungen Rechnung. So reduzierten die Inschriften den Tatenbericht auf eine kurze Zusammenfassung oder eine schematische Auflistung und stellten damit zugleich die Einzelperson und deren individuelle Verdienste in den Vordergrund. Große Bedeutung gewannen zudem in zunehmendem Maß die umfangreichen Ehrungen. Zum Teil verzichteten die knappen Angaben auf Statuenbasen sogar auf die Nennung der Gründe für die Ehrung und lenkten den Fokus auf die verliehenen Auszeichnungen. Auch die Ehreninschrift für Iollas aus Sardis präsentierte zunächst die zahlreichen Ehrungen (1–6) und berichtete erst im Anschluss in knappen Worten von der Tätigkeit

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Zu den Ehrendekreten aus dem späthellenistischen Kleinasien s. o. S. 323–326. Zum allgemeinen Wandel der Ehrendekrete im späten 2. Jhdt. v. Chr. vgl. auch Habicht 1995b, 88.

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des Ausnahmebürgers (6–22).91 Die Ehrungen, die an den prominenten Beginn der Inschrift gesetzt worden waren, standen demnach in der Bedeutung offensichtlich über den erbrachten Leistungen.92 Ehreninschriften mit ausführlichen Tatenberichten – so etwa auf dem Monument für M. Antonius Idagras aus der lykischen Polis Patara aus den Jahren 40–30 v. Chr. – markierten vermutlich eine Übergangsphase bei der zunehmenden Verdrängung von ausführlichen Beschlüssen durch kurze Inschriften.93 Die Ehreninschrift, die zudem den Konsens des Demos bei der Beschlussfassung betonte, enthielt noch einzelne Präskriptelemente und stand daneben auch in Inhalt und Aussageintention den hellenistischen Ehrendekreten nahe.94 So diente die Zusammenfassung der politischen Erfolge sowie der sportlichen Leistungen als Pankratist neben der persönlichen Ehre des Idagras auch den Interessen der Polis (5–23).95 Rat und Volk nutzten die Ehrung des herausragenden Bürgers, der gleichsam als Aushängeschild der Stadt zu fungieren hatte, dabei zugleich zur Selbstdarstellung und Selbstrepräsentation sowie zur Verortung der Polis in der griechischen Staatenwelt und im römischen Reich. In der Heimat wird Idagras innerhalb der Bürgerschaft insbesondere durch die guten Kontakte zu den römischen Machthabern eine herausragende Stellung eingenommen haben.96 Zum Ende des Hellenismus scheint sich demnach auch in Patara allmählich das Kräfteverhältnis zwischen reichen Einzelpersonen und der Polis verschoben zu haben.

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I. Sardis 7, 27. Zu den Leistungen des Iollas s. Boulay 2014, 115. 375 f. Mit zwei goldenen Kränzen für herausragende Leistungen, einem goldenen Standbild, einer goldenen Kolossalstatue, einem goldenen Reiterstandbild, vier Bronzestatuen, drei Kultbildern aus Marmor sowie vier gemalten Bildern übertraf Iollas in Anzahl und Ausarbeitung der Ehrenstatuen sogar Personen wie Diodoros Pasparos aus Pergamon oder Zosimos aus Priene. Zu den umfangreichen Ehrungen des Iollas s. Gauthier 1985, 59. Habicht 1988, 217. Gauthier 1989, 117. 119. Haake 2007, 214. Thériault 2007 Abs. 6. Boulay 2014, 375 f. Zur allgemeinen Zunahme an Ehrungen in Späthellenismus und Kaiserzeit s. auch o. S. 383. 402. Schuler/Zimmermann 2012 Nr. 4. Ein weiteres Beispiel für eine späthellenistische Ehreninschrift mit ausführlichem Tatenbericht ist die Ehreninschrift des Polykles aus dem frühen 1. Jhdt. v. Chr. von der Insel Rhodos. Maiuri 1925 Nr. 18. Der Befund scheint mit der großen Zahl an Ehreninschriften und dem vollständigen Ausbleiben von Ehrendekreten auf Polisebene jedoch ein Sonderfall zu sein. S. auch o. S. 95 Anm. 209. In Stratonikeia finden sich ausführliche Ehreninschriften bis in die Jahre um 200 n. Chr. S. etwa I. Stratonikeia 16. 17. 293. Für weitere Beispiele s. Quaß 1993, 30 Anm. 70. Teilwiese bewahrten die Inschriften sogar noch die formalen Kriterien eines Volksbeschlusses. I. Stratonikeia 15. Schuler/Zimmermann 2012, 584. Zu den Erfolgen in Politik und Sport s. ebd. 590–597. Zur herausragenden Position sowohl in der Polis als auch auf der internationalen Ebene s. ebd. 584–590.

12. Die literarische Qualität der Ehrendekrete

Durch die Publikation auf Stein wurden Ehrendekrete zu dauerhaften Monumenten im öffentlichen Raum der Städte und ermöglichten einem breiten Rezipientenkreis einen permanenten Zugang zu den jeweiligen Volksbeschlüssen.1 Über die optische Gestaltung – etwa durch Leerstellen an Sinneinschnitten – versuchten einzelne Städte potentiellen Lesern die Orientierung im Text zu erleichtern. Auch sprachliche Mittel der Textgestaltung wie Verbindungspartikeln oder wiederkehrende Schlüsselbegriffe werden die Lesbarkeit der Inschriften erhöht haben. Die permanente Rezeption durch eine breite Öffentlichkeit war jedoch nicht die ursprüngliche Kommunikationssituation der Beschlüsse, denen stets Diskussionen in Rat und Volksversammlung vorausgingen.2 Von den Antragstellern wurde in diesem Zusammenhang vermutlich eine schriftliche Version der Beschlussvorlage in den jeweiligen Gremien der Polis vorgetragen und zur Diskussion gestellt.3 Die meisten Ehrendekrete waren demnach – auch wenn bei der Abfassung der Beschlussvorlagen in vielen Fällen bereits eine spätere Veröffentlichung intendiert gewesen sein mag – zunächst für einen mündlichen Vortrag konzipiert. Der Formularbestandteil ὁ δεῖνος εἶπεν bewahrte in den gefassten Beschlüssen die Erinnerung an die mündliche Präsentation der Anträge, die gerade vor dem Hintergrund eines stets anzunehmenden Anteils an Analphabeten unter den Bürgern bei den öffentlichen Zusammenkünften der Städte zu allen Zeiten eine bedeutende Rolle gespielt haben wird.4 Die angenommenen Beschlüsse ließen die zuständigen Polisfunktionäre im Anschluss auf Papyrus und in seltenen Fällen zusätzlich auch auf Pergament aufzeichnen und im Stadtarchiv hinterlegen.5 Eine dauerhafte Publikation war in den meisten Fällen nicht vorgesehen und blieb 1 2 3 4 5

Vgl. Chaniotis 2014, 134. 143–147. Zum Zustandekommen von Beschlüssen s. ausführlich Rhodes/Lewis 1997, 502–527. Bielfeldt 2012, 113–119. Vgl. Samons 2013, 268. Zu den öffentlichen Reden in Rat und Volksversammlung s. Samons 2013, 269–272. Zu den Antragstellern der Beschlüsse s. Rhodes/Lewis 1997, 491–497. Zur Alphabetisierung im Hellenismus s. Harris 1989, 116–146. Vgl. auch allgemein Thomas 1992. Zu Aufzeichnung und Aufbewahrung von Beschlüssen s. ausführlich Wilhelm 1909, 229–299. Klaffenbach 21966, 52–55. Robert 1970, 15. Thomas 1992, 132–144. Rhodes/ Lewis 1997, 3. 525–527. McLean 2002, 9. 215. Migeotte 2014, 74–82. Von der zusätzlichen Aufzeichnung der Archivdokumente auf Pergament berichten etwa die Ehrendekrete für Zosimos aus Priene. I. Priene 112–114 = I. Priene2 68–70. S. o. S. 304. 310. Der Beschluss für Nikasippos und Timasistrata aus Lykosoura berichtet von der Hinterlegung des Originaldokuments im Archiv (γραμματοφυλάκιον) der Polis. IG V 2, 516, 31. S. o. S. 362. Ein Ehrendekret aus dem frühkaiserzeitlichen Halikarnassos bezeichnet die Abschrift auf Stein als ἀντίγραφον. Cousin/Diehl 1890 Nr. 4, 12.

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stets eine seltene Ausnahme. In der Regel werden sowohl die Originaldokumente im Archiv als auch die Abschriften auf Stein oder Bronze weitgehend im Wortlaut den angenommenen Beschlussvorlagen entsprochen haben.6 Die verschriftlichten Ehrendekrete bewahrten dementsprechend in den Motivberichten zahlreiche Elemente eines mündlichen Vortrags. Sprachliche Qualität und rhetorische Ausgestaltung der Beschlussvorlagen werden je nach Anlass variiert haben und müssen stets auch von den Fähigkeiten und Ambitionen des jeweiligen Antragstellers abhängig gewesen sein. Zumindest die publizierten Beschlüsse dürften in der Regel jedoch den Ansprüchen und Erwartungen der jeweiligen Polis an eine gelungene Rede genügt haben.7 Verfasst wurden die jeweiligen Anträge in den meisten Fällen zudem von Mitgliedern der städtischen Oberschicht, die in Vorbereitung auf eine politische Karriere bereits in jungen Jahren eine rhetorische Ausbildung genossen hatten und damit den Anforderungen bei der Abfassung von Beschlussvorlagen in der Regel auch intellektuell gewachsen waren.8 Bei der Gestaltung der Beschlussvorlagen mussten zudem die mündliche Vortragssituation und die Bedürfnisse der Zuhörer in der Volksversammlung Berücksichtigung finden. Verbindende Partikeln oder wiederkehrende Satzstrukturen zeigten – wie in anderen Prosatexten – das Bemühen um eine Strukturierung der Erzählungen. Die Enden der Satzperioden konnten zudem durch Prosaklauseln eine rhythmische Gestaltung erfahren und werden damit gerade einem Publikum, das an die Vortragstechniken der Zeit gewöhnt war, die Rezeption der langen Beschlussvorlagen während der

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Gerade bei knappen Inschriften ist in Einzelfällen jedoch stets auch mit Überarbeitung und Kürzung der Vorlage für die Publikation auf Stein zu rechnen. S. auch o. S. 37. Manche Inschriften scheinen zudem auf einzelne Formularbestandteile der ursprünglichen Beschlüsse verzichtet zu haben. Eine eingehende Analyse von Rhetorik und Erzählstrukturen der Motivberichte sowie von Sprache und Form der Beschlüsse im Allgemeinen erlauben selbstverständlich nur Ehrendekrete in gutem Erhaltungszustand. Im Ansatz zeigen jedoch auch zahlreiche Inschriftenfragmente die literarische Qualität der jeweiligen Beschlüsse. Ausführliche Beschlüsse lassen in vielen Fällen eine grobe Strukturierung der Erzählungen nach thematischen Kategorien erkennen. Der aufzählende Gebrauch der Partikel τε scheint ebenfalls ein beliebtes Mittel zur Gliederung der Motivberichte gewesen zu sein. S. allgemein Garbrah 1993. Zu den Antragstellern s. Samons 2013, 269–271. Vgl. Rhodes/Lewis 1997, 491–497. Chaniotis 2014, 134. Zur rhetorischen Ausbildung als Voraussetzung für eine politische Karriere s. Scholz 2008, 81. 94–97. Vgl. Samons 2013, 267. Zur Elementarbildung im Hellenismus s. auch Harris 1989, 129–139. Einblick in den Bildungsweg von einzelnen Bürgern bieten die Ehrendekrete für Polemaios und Menippos aus Kolophon oder der erste Beschluss für Apollonios aus Metropolis. Robert/Robert 1989. I. Metropolis I B. S. o. S. 258. 272. 277 f.

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Verlesung der Anträge zusätzlich erleichtert haben.9 Viele Verfasser von Ehrendekreten waren zudem um eine rhetorische Gestaltung der Textvorlagen bemüht und verwendeten etwa gorgianische Stilfiguren zur sprachlichen Ausschmückung der Erzählungen.10 Die ansprechende Gestaltung der Vorträge wird dabei zunächst im Allgemeinen die Chancen auf die Annahme der jeweiligen Beschlussvorlagen in der Volksversammlung verbessert haben. Ebenso wird sich die Polis insbesondere bei Ehrendekreten um einen ansprechenden Rahmen in Form eines Motivberichts mit rhetorischen Qualitäten bemüht haben – sollten die Beschlüsse doch stets auch eine besondere Auszeichnung für herausragende Leistungen bedeuten. Im Hinblick auf die dauerhafte Publikation der Beschlüsse mögen die Städte daneben auch Eigeninteressen an der literarischen Gestaltung der Inschriften gehabt haben – dienten doch gerade solche Monumente in vielen Fällen auch der öffentlichen Selbstdarstellung und der Außenrepräsentation der jeweiligen Polis. Zudem nutzten die Städte zahlreiche Ehrendekrete zur Verbreitung von eigenen Vorstellungen und Ideen und versuchten die jeweiligen Konzepte dabei stets auch mit sprachlichen Mitteln wie wiederkehrenden Leitgedanken oder der stilistischen Untermalung von Kerngedanken zu verdeutlichen. Inhaltliche Aussagen und literarische Form bildeten dementsprechend in vielen Beschlüssen eine Einheit.11 In der Summe waren die Inschriften mit den ausführlichen Erzählungen demnach ein eigener Teilbereich der hellenistischen Kunstprosa.12 Neben der zeitgenössischen Rhetorik nahmen auch Biographie und Historiographie Einfluss auf die Gestaltung von einzelnen Beschlüssen. In Anlehnung an literarische Strömungen vollzogen die Ehrendekrete in Sprache und Rhetorik im Verlauf des Hellenismus einen Wandel und passten die Ausdrucksformen – wie schon den Inhalt und die Wertkonzepte – an den aktuellen Geschmack und die jeweiligen Zeitumstände an.13  9

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Zur Verwendung von Prosaklauseln in Inschriften s. Norden 21909, 140–145. Papanikolaou 2012, 142–148. Die beliebtesten Klauseln waren der Doppelkretikus und der katalektische Doppelkretikus. Daneben verwendeten die Verfasser vereinzelt auch andere Rhythmen wie Ditrochäus und Doppelspondeus. Zur Verwendung von Stilmitteln in Inschriften s. Papanikolaou 2012, 140–142. Zu den gorgianischen Redefiguren s. auch Norden 21909, 16–29. Auch einfache sprachliche Mittel wie der bewusste Einsatz der Aspekte von Aorist und Präsens halfen, die inhaltlichen Aussagen zu verdeutlichen. Vgl. neben den bereits besprochenen Beispielen etwa auch den Beschluss der Polis Chalkis für Archenous aus dem 2. Jhdt. v. Chr. IG XII 9, 899. Die Ausrufung des Kranzes sollte einmalig beim gymnischen Agon der Ῥωμαία des euboiischen Koinons erfolgen (b 11–12: ποιήσασθαι δὲ καὶ τὴν | [ἀναγόρευσιν] τοῦ στεφάνου) und war jährlich bei Festzug und Opfer anlässlich der Dionysien in Chalkis zu wiederholen (b 13: ἀναγορεύεσθαι δὲ τὸν στέφανον). Die dauerhafte Aufzeichnung des Ehrendekrets war ebenfalls eine einmalige Handlung (c 5: ἀναγράψαι). Zur Feier der Ῥωμαία s. auch Erskine 1994, 81. Vgl. Wörrle 1995, 241. Zum inhaltlichen Wandel der Ehrendekrete s. zusammenfassend o. S. 398–403.

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Die Forschung schenkte der literarischen Qualität der hellenistischen Volksbeschlüsse meist nur am Rande Beachtung und erschöpfte sich in den meisten Fällen in der Analyse von einzelnen Beschlüssen. So widmete schon E. Norden der literarischen Gestaltung von Inschriften in der zweiten Auflage der zweibändigen Untersuchung zur antiken Kunstprosa aus dem Jahr 1909 lediglich einen kurzen Abschnitt.14 Am Beispiel des monumentalen Tatenberichts des Antiochos von Kommagene aus dem 1. Jhdt. v. Chr. konnte die Studie jedoch die Rhythmisierung von Inschriften bis hin zur Verwendung von Klauseln als Abschluss der einzelnen Satzperioden aufzeigen. In der Folge verwiesen insbesondere epigraphische Publikationen auf die literarische Gestaltung und die rhetorischen Qualitäten von griechischen Volksbeschlüssen – in der Regel Ehrendekrete mit ausführlichen Motivberichten. Die Untersuchungen beschränkten sich in den meisten Fällen jedoch auf Fallstudien oder einzelne Phänomene und gelangten kaum zu allgemeinen Aussagen. Lediglich in den Überlegungen von M. Wörrle bildete die Rhetorik der Erzählungen den zentralen Ausgangspunkt für allgemeine Ausführungen zum Bürgerbild der Ehrendekrete.15 Eine Untersuchung von K. A. Garbrah zum aufzählenden Gebrauch der Partikel τε erleichterte das Verständnis für die formalen Strukturen der Beschlüsse.16 Die Strukturierung von Erzählungen durch Partikeln scheint gerade im Kontext von mündlichen Vortragssituationen jedoch ein übliches Mittel gewesen zu sein und war in der Funktion mit Sicherheit nicht auf die Aufzählung von mythischen Heldentaten oder auf die entsprechenden Darstellungen in den Ehrendekreten beschränkt.17 D. Papanikolaou betrachtete in einem Aufsatz die literarischen Qualitäten des Ehrendekrets der Polis Antigoneia/Mantineia für Euphrosynos und Epigone aus den Jahrzehnten um die Zeitenwende.18 Eine eingehende Untersuchung von Sprache und Stil konnte den Beschluss als Musterbeispiel der Stilgattung des Asianismus ausweisen und den Einfluss von stilistischen Kriterien wie Rhythmisierung oder Hiatvermeidung bis in Wortstellung und Satzbau des Beschlusses nachvollziehen. A. Chaniotis analysierte in mehreren Aufsätzen aus den Jahren 2013 und 2014 die rhetorischen Qualitäten der hellenistischen Volksbeschlüsse und betrachtete zugleich die mnemopoetische Funktion der Inschriften als Medien der Erinnerung.19 Die Schwerpunkte der Untersuchungen lagen dabei auf der sprachlichen Gestaltung sowie den Erzählmustern und Überzeugungsstrategien der Darstellungen.

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Norden 21909, 140–146. Wörrle 1995, 241: «Die Euergetenporträts der Ehrendekrete (…) sind Artefakte aus Rhetorik (…).» Garbrah 1993. So jedoch ebd. 210. IG V 2, 268. Papanikolaou 2012. Zu den sprachlichen und stilistischen Qualitäten des Beschlusses s. bereits Fougères 1896, 128–130. Wilamowitz-Möllendorff 1900b, 536–542. Chaniotis 2013a. Chaniotis 2013b. Chaniotis 2014.

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Daneben thematisierte die Forschung in einzelnen Untersuchungen auch das Verhältnis der Ehrendekrete zum zeitgenössischen Literaturbetrieb. Überlegungen zum allgemeinen Verhältnis von Inschriften und Rhetorik bot zuletzt etwa E. A. ­Judge.20 Eine ausführliche Einzelanalyse von Inschriften enthielt die Untersuchung jedoch nicht. K. Rosen und R. M. Errington untersuchten die Verbindungen der Ehrendekrete zu den literarischen Gattungen Biographie und Historiographie und konzentrierten sich dabei insbesondere auf den Zeitraum vom Übergang der spätklassischen Zeit zum Hellenismus.21 K. Rosen versuchte die Beschlüsse der Städte in den allgemeinen Rahmen der zeitgenössischen Literaturströmungen einzuordnen und bot zudem Überlegungen zum Aufkommen der neuen Inschriftengattung. Der Aufsatz von R. M. Errington war vornehmlich auf die biographischen Elemente der Ehrendekrete beschränkt und stellte die Inschriften auf eine Stufe mit literarischen Biographien. Voraussichtlich im Jahr 2019 werden Ch. Schuler und F. R. Forster einen allgemeinen Beitrag zum Verhältnis von Inschriften und Biographie vorlegen. Im Folgenden sollen die rhetorischen Qualitäten und die literarische Gestaltung von hellenistischen Ehrendekreten am Beispiel ausgewählter Beschlüsse untersucht werden. In diesem Zusammenhang wird insbesondere auf den Einsatz von sprachlichen Mitteln zur Verdeutlichung von Inhalt und Aussageintentionen zu achten sein. Eine eingehende Betrachtung werden zudem die Verbindungen zwischen ausführlichen Lebenswerkdekreten und literarischen Biographien erfahren. Zunächst soll jedoch eine Einordnung der Ehrendekrete als Lobreden nach den Kategorien der antiken Rhetorik erfolgen.

12.1 ἔπαινος, ἐγκώμιον, μακαρισμός/εὐδαιμονισμός – Ehrendekrete als Lobreden Die verschriftlichten Texte der Ehrendekrete beruhten in der Regel auf den in den Volksversammlungen eingereichten Beschlussvorlagen und entsprachen demnach in weiten Teilen den auf die jeweiligen Personen gehaltenen Lobreden. In der Folge bewegten sich vermutlich auch die jeweiligen Inschriften zwischen den literarischen Ausprägungen der lobenden Rede wie den aristotelischen Kategorien von ἔπαινος und ἐγκώμιον. Eine eigene Begrifflichkeit für solche Beschlüsse scheinen die grie­chischen Städte neben der allgemeinen Bezeichnung ψήφισμα sowie den synonymen Ausdrücken δόγμα und γνώμη nicht entwickelt zu haben.22 Lediglich in

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Judge 1997. Rosen 1987. Errington 2005. S. auch o. S. 41. Zu den antiken Begrifflichkeiten s. o. S. 36.

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Εinzelfällen wurden Ehrendekrete auch mit dem terminus technicus ἔπαινος bezeichnet.23 Für K. Rosen waren die Beschlüsse dementsprechend der aristotelischen Kategorie des ἔπαινος zuzuordnen – auch wenn einzelne Ehrendekrete daneben mit dem Begriff ἐγκώμιον charakterisiert wurden.24 Der genauen Unterscheidung der verschiedenen Kategorien der Lobrede in der antiken Literaturtheorie ist im Folgenden nachzugehen. Im Anschluss wird die Übertragbarkeit der Begrifflichkeiten auf die Ehrendekrete zu überprüfen sein. 12.1.1 Kategorien der lobenden Rede in den Schriften des Aristoteles Die antike Literaturtheorie kannte grundsätzlich verschiedene Kategorien der lobenden Rede. Aristoteles unterschied in mehreren Schriften zwischen ἔπαινος und ἐγκώμιον und führte zusätzlich noch die dritte Kategorie des μακαρισμός/εὐδαιμονισμός ein. Zum Ausdruck kamen die theoretischen Überlegungen etwa in der Abhandlung über die Rhetorik:25 ἔστιν δ᾽ ἔπαινος λόγος ἐμφανίζων μέγεθος ἀρετῆς. δεῖ οὖν τὰς πράξεις ἐπιδεικνύναι ὡς τοιαῦται. τὸ δ᾽ ἐγκώμιον τῶν ἔργων ἐστίν (τὰ δὲ κύκλῳ εἰς πίστιν, οἷον εὐγένεια καὶ παιδεία· εἰκὸς γὰρ ἐξ ἀγαθῶν ἀγαθοὺς καὶ τὸν οὕτω τραφέντα τοιοῦτον εἶναι) διὸ καὶ ἐγκωμιάζομεν πράξαντας. τὰ δ᾽ ἔργα σημεῖα τῆς ἕξεώς ἐστιν, ἐπεὶ ἐπαινοῖμεν ἂν καὶ μὴ πεπραγότα, εἰ πιστεύοιμεν εἶναι τοιοῦτον. μακαρισμὸς δὲ καὶ εὐδαιμονισμὸς αὑτοῖς μὲν ταὐτά, τούτοις δ᾽ οὐ ταὐτά, ἀλλ᾽ ὥσπερ ἡ εὐδαιμονία τὴν ἀρετήν, καὶ ὁ εὐδαιμονισμὸς περιέχει ταῦτα. Die Lobrede ist eine Rede, um die Größe der Tugend zu veranschaulichen. Man muss demnach die Handlungen als solche aufzeigen. Das Enkomion behandelt die Taten. (Die Umstände tragen zum Beweis bei, so etwa edle Herkunft und Erziehung: denn es ist wahrscheinlich, dass von guten Eltern gute Kinder kommen und dass Personen, die so erzogen worden sind, auch solche bleiben.) Und deswegen machen wir Enkomien auf Leute für vollbrachte Taten. Die Werke sind Zeichen der Fähigkeiten, weil wir auch eine Person loben könnten, die noch nichts vollbracht hat, wenn wir glauben, dass sie solche Eigenschaften hat. Selig23

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Die Polis Athen wollte im Jahr 325/324 v. Chr. neben dem aktuellen Beschluss auch die anderen Ehrendekrete für den fremden Wohltäter Herakleides aus Samos aufzeichnen lassen. IG II/III2 360, 21–24: ἀναγράψαι δὲ τόδ|ε τὸ ψήφισμα τὸν γραμματέα τὸν κατὰ πρυτανείαν | καὶ τοὺς ἄλλους ἐπαίνους τοὺς γεγενημένους αὐ|τῶι ἐν στήληι λιθίνει καὶ στῆσαι ἐν ἀκροπόλει. S. auch Rosen 1987, 286. Rosen 1987, 286. Der Agoranomos Aristagoras erhielt zum Ende der Tätigkeit ein ἐγκώμιον. IScM I 54, 40–41: κα[ὶ] | τυχὼν ἐνκωμίου διὰ ταῦτα. Arist. Rh. 1367 b 28–36. Zum Inhalt der Stelle s. auch Rapp 2002b, 423 f.

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preisung und Glücklichpreisung sind zwar das gleiche, aber nicht das gleiche wie diese beiden, sondern so, wie das Glück die Tugend, umfasst auch die Glücklichpreisung diese beiden. Ein ἔπαινος hatte in der Hauptsache die Größe der Tugend zum Gegenstand und sollte die Handlungen von Personen dementsprechend als Ausdruck der Tugend und des guten Charakters präsentieren.26 Die Charaktereigenschaften waren dabei im Menschen angelegt und wurden durch entsprechendes Handeln lediglich zum Vorschein gebracht. Wichtige Faktoren der Konstituierung waren Herkunft und Erziehung. Aus diesem Grund konnten Personen auch ohne vorherige Leistungen und lediglich auf Grund eines guten Charakters gelobt werden (ἐπαινοῖμεν).27 Ein ἐγκώμιον behandelte im Gegensatz zur Lobrede ausschließlich vollbrachte Taten. Demnach konnten Personen auch nur für konkrete Verdienste mit einem Enkomion bedacht werden (ἐγκωμιάζομεν). Bei einem ἔπαινος steht der Leistungsbericht für Aristoteles demnach im Dienst eines übergeordneten Ziels – der Charakterisierung einer Person durch ihre Handlungen. Demgegenüber enthält ein ἐγκώμιον keine weiteren Implikationen und dient ausschließlich der Würdigung von vollbrachten Taten. Als weitere Kategorie führte Aristoteles den μακαρισμός/εὐδαιμονισμός ein. Die dritte Möglichkeit der lobenden Rede war den anderen Kategorien übergeordnet und stand demnach nicht in einem direkten Gegensatz zu ἔπαινος und ἐγκώμιον. Wie das Glück die Tugend umfasste, so umfasste der εὐδαιμονισμός die anderen Arten der lobenden Rede und war als Würdigung eines vollendeten Lebens in Tugend den beiden anderen Kategorien gleichsam übergeordnet.28 Die explizite Unterscheidung zwischen ἔπαινος und ἐγκώμιον traf Aristoteles in derselben Weise auch in der Eudemischen Ethik:29 ἔτι δ᾽ οἱ ἔπαινοι τῆς ἀρετῆς διὰ τὰ ἔργα, καὶ τὰ ἐγκώμια τῶν ἔργων· καὶ στεφανοῦνται οἱ νικῶντες, ἀλλ᾽ οὐχ οἱ δυνάμενοι νικᾶν, μὴ νικῶντες δέ· καὶ τὸ κρίνειν ἐκ τῶν ἔργων ὁποῖός τις ἐστίν· ἔτι διὰ τί ἡ εὐδαιμονία οὐκ ἐπαινεῖται; ὅτι διὰ ταύτην τἆλλα, ἢ τῷ εἰς ταύτην ἀναφέρεσθαι ἢ τῷ μόρια εἶναι αὐτῆς. διὸ ἕτερον εὐδαιμονισμὸς καὶ ἔπαινος καὶ

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Zur Verbindung von Handlungen und Charaktereigenschaften vgl. auch Arist. EE 1219 b 11. 1228 a 18. EN 1103 a 26–b 25. 1105 a 17–b 18. 1178 a 28–36. MM 1190 a 34–b 6. Das Bewusstsein für die Möglichkeit der Ehrung ohne vorhergehende Leistung scheint im Denken des Aristoteles stets präsent gewesen zu sein und tritt auch an anderen Stellen des Werkes zum Vorschein. S. etwa Arist. Rh. 1361 a 27–30. Zur Interpretation des Abschnitts s. o. S. 16–18. Die Zugehörigkeit des Abschnitts zur ursprünglichen Textfassung ist in der Forschung jedoch umstritten. Ebenso mag die Passage auch durch einen späteren Zusatz hinzugekommen sein. Dieselbe Unterscheidung trifft Aristoteles jedoch auch an anderen Stellen seines Werkes. Arist. EE 1219 b 8–16. EN 1101 b 10–35. Zur Authentizität der Stelle s. ausführlich Rapp 2002b, 424–427. Arist. EE 1219 b 8–16. S. auch Dirlmeier 31979, 228–230.

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ἐγκώμιον. τὸ μὲν γὰρ ἐγκώμιον λόγος τοῦ καθ᾽ ἕκαστον ἔργου· ὁ δ᾽ ἔπαινος τοιοῦτον εἶναι καθόλου· ὁ δ᾽ εὐδαιμονισμὸς τέλους. Ferner behandeln die Lobreden die Tugend durch die Taten und die Enkomien die Taten. Und bekränzt werden die Sieger, aber nicht die Personen, die siegen können, aber keine Sieger sind. Und das Beurteilen, wie jemand beschaffen ist, erfolgt aus den Taten. Weshalb wird ferner das Glück nicht gelobt? Weil wegen diesem die anderen sind, entweder wegen dem Bezug zu diesem oder wegen dem Anteil an diesem. Deswegen sind die Glücklichpreisung und die Lobrede und das Enkomion verschiedene Dinge. Denn das Enkomion behandelt als Rede die einzelnen Taten. Und die Lobrede die Eigenschaften insgesamt. Und die Glücklichpreisung die Vollendung. Zentrales Thema des Aristoteles war auch in diesem Abschnitt die Unterscheidung zwischen ἐγκώμιον, ἔπαινος und εὐδαιμονισμός:30 Ein ἐγκώμιον bezog sich auf eine einzelne Tat, ein ἔπαινος auf eine Gesamtqualität und ein εὐδαιμονισμός auf einen vollendeten Zustand. Ein ἔπαινος hatte die Tugend als Ausdruck der Taten (ἡ ἀρετὴ διὰ τὰ ἔργα) zum Gegenstand, während ein ἐγκώμιον den Blick stattdessen ausschließlich auf die einzelnen Werke (τὰ ἔργα) richtete. Ebenso betonte Aristoteles zudem noch einmal den Gegensatz zwischen tatsächlichen Leistungen und potentiellem Engagement: Einen Siegeskranz konnten Personen nur für konkrete Erfolge erhalten. Qualität und Charaktereigenschaften eines Menschen zeigten sich hingegen vor allem in dessen Taten. In der Nikomachischen Ethik thematisierte Aristoteles ein weiteres Mal das Verhältnis von Glück und den Arten der lobenden Rede. Ausgangspunkt der Überlegungen war die Frage nach der Einordnung des Glücks:31 διωρισμένων δὲ τούτων ἐπισκεψώμεθα περὶ τῆς εὐδαιμονίας πότερα τῶν ἐπαινετῶν ἐστὶν ἢ μᾶλλον τῶν τιμίων· δῆλον γὰρ ὅτι τῶν γε δυνάμεων οὐκ ἔστιν. φαίνεται δὴ πᾶν τὸ ἐπαινετὸν τῷ ποιόν τι εἶναι καὶ πρός τι πῶς ἔχειν ἐπαινεῖσθαι· τὸν γὰρ δίκαιον καὶ τὸν ἀνδρεῖον καὶ ὅλως τὸν ἀγαθόν τε καὶ τὴν ἀρετὴν ἐπαινοῦμεν διὰ τὰς πράξεις καὶ τὰ ἔργα, καὶ τὸν ἰσχυρὸν δὲ καὶ τὸν δρομικὸν καὶ τῶν ἄλλων ἕκαστον τῷ ποιόν τινα πεφυκέναι καὶ ἔχειν πως πρὸς ἀγαθόν τι καὶ σπουδαῖον. δῆλον δὲ τοῦτο καὶ ἐκ τῶν περὶ τοὺς θεοὺς ἐπαίνων· γελοῖοι γὰρ φαίνονται πρὸς ἡμᾶς ἀναφερόμενοι, τοῦτο δὲ συμβαίνει διὰ τὸ γίνεσθαι τοὺς ἐπαίνους δι᾽ ἀναφορᾶς, ὥσπερ εἴπομεν. εἰ δ᾽ ἐστὶν ὁ ἔπαινος τῶν τοιούτων, δῆλον ὅτι τῶν ἀρίστων οὐκ ἔστιν ἔπαινος, ἀλλὰ μεῖζόν τι καὶ βέλτιον, καθάπερ καὶ φαίνεται· τούς τε γὰρ θεοὺς μακαρίζομεν καὶ εὐδαιμονίζομεν καὶ τῶν ἀνδρῶν τοὺς θειοτάτους μακαρίζομεν. ὁμοίως δὲ καὶ τῶν ἀγαθῶν· οὐδεὶς γὰρ τὴν εὐδαιμονίαν ἐπαινεῖ καθάπερ τὸ δίκαιον, ἀλλ᾽ ὡς θειότερόν τι καὶ βέλτιον μακαρίζει. δοκεῖ δὲ καὶ Εὔδοξος 30 31

Im Gegensatz zur Passage aus der Rhetorik ist der Text unumstritten. Arist. EN 1101 b 10–35. S. auch Dirlmeier 61974, 290 f.

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καλῶς συνηγορῆσαι περὶ τῶν ἀριστείων τῇ ἡδονῇ· τὸ γὰρ μὴ ἐπαινεῖσθαι τῶν ἀγαθῶν οὖσαν μηνύειν ᾤετο ὅτι κρεῖττόν ἐστι τῶν ἐπαινετῶν, τοιοῦτον δ᾽ εἶναι τὸν θεὸν καὶ τἀγαθόν· πρὸς ταῦτα γὰρ καὶ τἆλλα ἀναφέρεσθαι. ὁ μὲν γὰρ ἔπαινος τῆς ἀρετῆς· πρακτικοὶ γὰρ τῶν καλῶν ἀπὸ ταύτης· τὰ δ᾽ ἐγκώμια τῶν ἔργων ὁμοίως καὶ τῶν σωματικῶν καὶ τῶν ψυχικῶν. ἀλλὰ ταῦτα μὲν ἴσως οἰκειότερον ἐξακριβοῦν τοῖς περὶ τὰ ἐγκώμια πεπονημένοις· Nach diesen Definitionen wollen wir in Bezug auf das Glück untersuchen, ob es zu den lobenswerten Dingen oder eher zu den ehrenhaften Dingen gehört. Denn offensichtlich gehört es nicht zu den Möglichkeiten. Alle lobenswerten Dinge scheinen wegen einem bestimmten Zustand oder dem Bezug zu etwas gelobt zu werden. Denn den Gerechten und den Tapferen und insgesamt den Guten und die Tugend loben wir wegen den Handlungen und den Taten und den Kräftigen und den Laufenden und die anderen wegen der natürlichen Begabung und dem Bezug zum Guten und zur Tüchtigkeit. Offensichtlich ist dies auch aus den Lobreden auf die Götter. Lächerlich erscheinen sie in Bezug zu uns. Das geschieht, weil die Lobreden aus Bezügen entstehen, wie wir gesagt haben. Wenn es eine Lobrede auf diese Dinge gibt, gibt es offensichtlich keine Lobrede auf die besten Dinge, sondern etwas Größeres und Besseres, wie sich auch zeigt. Denn die Götter preisen wir selig und glücklich und auch die gottähnlichsten Menschen preisen wir selig. Und ebenso das Gute. Denn niemand lobt das Glück wie das Gerechte, sondern er preist es selig wie etwas Göttlicheres und Besseres. Auch Eudoxos scheint insbesondere für die Lust in Bezug auf die besten Dinge zu sprechen. Denn als Teil des Guten nicht gelobt zu werden hielt er für ein Zeichen, dass sie besser sei als die lobenswerten Dinge, und so seien der Gott und das Gute beschaffen. Denn in Bezug zu diesen werden auch die anderen Dinge gesetzt. Denn die Lobrede behandelt die Tugend. Und die Personen, die gute Dinge tun, beziehen sich auf diese. Die Enkomien behandeln die Taten sowohl des Körpers als auch der Seele. Aber für diese beiden die genauere Verwandtschaft zu bestimmen ist vielleicht Sache von Leuten, die mit Enkomien arbeiten. Mit seinen Argumenten bewegte sich Aristoteles in den bereits aus der Rhetorik und der Eudemischen Ethik bekannten Bahnen. Ein Mensch, der nach ethischen Maßstäben gut ist, werde auf Grund der Tugend gelobt. Der herausragende Charakter zeige sich insbesondere in den Taten. Auch körperliche und sportliche Leistungen, die auf Grund von natürlichen Konstitutionen erbracht werden und ebenfalls zu Wert und Leistung in Beziehung stehen, könnten Gegenstand des Lobes sein. Am Beispiel der Lobeshymnen auf Götter zeige sich der Unterschied zwischen ἔπαινος und μακαρισμός/εὐδαιμονισμός. Für Götter sowie für gottgleiche Menschen reiche ein einfaches Lob nicht mehr aus. Gleiches gelte für die höchsten Werte wie das Gute an sich (τὸ ἀγαθόν). Auch das Gute werde nicht nur – wie etwa die Gerechtigkeit – gelobt (ἐπαινεῖ), sondern auf das Höchste gepriesen (μακαρίζει). Gelten könne das

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Lob dementsprechend auch nicht dem Guten (τὸ ἀγαθόν), sondern nur der Tugend (ἡ ἀρετή), die wiederum zum sittlichen Handeln befähige. Der ἔπαινος sei demnach vom ἐγκώμιον zu unterscheiden. Gegenstand eines ἐγκώμιον seien nicht die Tugend, sondern körperliche und geistige Leistungen. Eine genaue Unterscheidung zwischen den beiden Bereichen wollte Aristoteles allerdings professionellen Verfassern von Enkomien (τοῖς περὶ τὰ ἐγκώμια πεπονημένοις) überlassen, unterließ in der Folge jedoch eine nähere Spezifizierung der entsprechenden Personengruppe. In jedem Fall existierte zur Zeit des Aristoteles offensichtlich ein Bewusstsein für die feinen Unterschiede zwischen ἔπαινος und ἐγκώμιον.32 Zumindest für die Abfassung von Enkomien muss es sogar Spezialisten wie etwa die professionellen Redner der Zeit gegeben haben. Je nach Anlass und Leistungen bestanden zudem vermutlich mehrere Möglichkeiten der lobenden Rede – auch wenn für eine Lobrede auf Einzelpersonen in der Regel wohl nur ein ἔπαινος oder ein ἐγκώμιον in Frage gekommen sein werden. 12.1.2 Zwei antike Enkomien – Der Euagoras des Isokrates und der Agesilaos des Xenophon Die literarische Tradition bietet im Hinblick auf die hellenistische Redepraxis kaum Belege für die theoretischen Überlegungen des Aristoteles und überliefert lediglich für den frühen Hellenismus einzelne Enkomien auf reale Personen.33 Beispiele für die Kategorie des ἔπαινος existieren nicht. Schon am Übergang von der spätklassischen Zeit zum Hellenismus verfasste Isokrates eine lobende Rede auf den zypriotischen König Euagoras und bezeichnete die Schrift, die zugleich eine bedeutende Zäsur in der Entwicklung der entsprechenden Redegattung markierte, im Proömium als ἐγκώμιον.34 Der Gegenstand der lobenden Rede hatte sich von mythischen Personen wie Helena gelöst und nahm mit dem zypriotischen König Euagoras stattdessen eine historische Persönlichkeit und zugleich einen Zeitgenossen in den Blick. Eine weitere Neuerung war die Verbindung von Elementen der epideiktischen Rede mit der

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Zu den zitierten Stellen vgl. zusätzlich auch Arist. MM 1383 b 20–35. Teilweise mag das weitgehende Fehlen von Belegen für die Gattungen ἔπαινος und ἐγκώμιον jedoch auch der schlechten Überlieferungslage für die hellenistische Literatur im Allgemeinen geschuldet sein. Isoc. IX 8: οἶδα μὲν οὖν ὅτι χαλεπόν ἐστιν ὃ μέλλω ποιεῖν, ἀνδρὸς ἀρετὴν διὰ λόγων ἐγκωμιάζειν. Der Kategorie des ἔπαινος ist der Text demnach nicht zuzuordnen. So jedoch Errington 2005, 15. Die antike Literaturtheorie wusste – wie an den Werken des Aristoteles gezeigt – zwischen ἔπαινος und ἐγκώμιον zu unterscheiden. Zum Teil scheinen die Autoren den Ausführungen jedoch unterschiedliche Definitionen zu Grunde gelegt zu haben. Zur literarischen Bedeutung des Euagoras s. Alexiou 2010, 28–30. Vgl. auch Rosen 1987, 286. Errington 2005, 15. Reichel 2007, 29–31. Zur Inhaltlichen Analyse der Schrift s. jetzt auch Blank 2014, 277–286.

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moralischen Erziehung des Adressaten. Zum Ausdruck kam das innovative Element des Isokrates auch in der im Proömium geäußerten Kritik an der zeitgenössischen Redepraxis.35 Statt der Verdienste von eigenen Mitbürgern rühmten andere Autoren ausschließlich die Taten und Leistungen von mythischen Helden aus der Vorzeit. Vorbildliche Zeitgenossen würden demgegenüber nie als Beispiele für tugendhaftes Verhalten herangezogen. Den Grund für die Zurückhaltung sah Isokrates vor allem im Neid (φθόνος) gegenüber den eigenen Mitbürgern. Auch wenn die Schrift nicht das erste ἐγκώμιον auf einen Zeitgenossen gewesen sein mag, nahm der Euagoras des Isokrates durch die große Nachwirkung auf die weitere Entwicklung des rhetorischen Enkomions nachhaltigen und prägenden Einfluss. Autoren wie Xenophon und Pseudo-Demosthenes nahmen in Werken wie dem Agesilaos und der Kyroupaideia oder dem Erotikos Einflüsse des Isokrates auf.36 Xenophon verwies im Agesilaos zudem auf die Nähe der Schrift zur Totenklage (θρῆνος) und verwehrte sich gegen eine Verwechslung. So sollte der Text trotz gewisser Gemeinsamkeiten mit der Totenklage als ἐγκώμιον rezipiert werden:37 ἀλλὰ γὰρ μὴ ὅτι τετελευτηκὼς ἐπαινεῖται τούτου ἕνεκα θρῆνόν τις τοῦτον τὸν λόγον νομισάτω, ἀλλὰ πολὺ μᾶλλον ἐγκώμιον. πρῶτον μὲν γὰρ ἅπερ ζῶν ἤκουε ταὐτὰ καὶ νῦν λέγεται περὶ αὐτοῦ· ἔπειτα δὲ τί καὶ πλέον θρήνου ἄπεστιν ἢ βίος τε εὐκλεὴς καὶ θάνατος ὡραῖος; ἐγκωμίων δὲ τί ἀξιώτερον ἢ νῖκαί τε αἱ κάλλισται καὶ ἔργα τὰ πλείστου ἄξια; δικαίως δ᾽ ἂν ἐκεῖνός γε μακαρίζοιτο ὃς εὐθὺς μὲν ἐκ παιδὸς ἐρασθεὶς τοῦ εὐκλεὴς γενέσθαι ἔτυχε τούτου μάλιστα τῶν καθ᾽ ἑαυτόν· φιλοτιμότατος δὲ πεφυκὼς ἀήττητος διετέλεσεν, ἐπεὶ βασιλεὺς ἐγένετο. Aber es soll nicht, weil eine verstorbene Person gelobt wird, deshalb jemand diese Rede für eine Totenklage halten, sondern vielmehr für ein Enkomion. Zunächst nun, weil er das zu seinen Lebzeiten gehört hat, was jetzt über ihn gesagt wird: denn was ist denn mehr entfernt von einer Totenklage als ein ruhmvolles Leben und ein schöner Tod? Und was ist würdiger für ein Enkomion als die schönsten Siege und herausragende Taten? Zu Recht dürfte jener glückselig gepriesen werden, der gerade seit der Kindheit – strebend danach ruhmvoll zu werden – dies am meisten unter seinen Zeitgenossen erreichte: zum Ehrvollsten herangewachsen blieb er unbesiegt, nachdem er König geworden war.

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Isoc. IX 5–7. S. auch Rosen 1987, 286. Errington 2005, 15. Vgl. Culasso Gastaldi 2003, 89. X. Ages. Cyr. D. 61. Vgl. Reichel 2007, 30. X. Ages. 10, 3. S. auch Errington 2005, 15. Zum Agesilaos des Xenophon s. allgemein Reichel 2007, 28–31.

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In der literarischen Praxis scheinen die Gattungsgrenzen – zumal Aristoteles keine alleinige Autorität war – demnach zum Teil verschwommen zu sein und ließen sich wohl auch für die antiken Rezipienten nicht in jedem Fall eindeutig ziehen.38 Zumindest in der Theorie existierten jedoch feste – wenn auch zum Teil vermutlich abweichende – Definitionen der einzelnen Gattungen. Herausragende Siege und große Leistungen bildeten für Xenophon dementsprechend den Kern eines jeden Enkomions. Wie Aristoteles unterschied der Autor zwischen ἐγκώμιον und μακαρισμός. Nur wer sein ganzes Leben glücklich in Ruhm und Ehre verbracht hatte, konnte am Ende als glückselig gepriesen werden. 12.1.3 Ehrendekrete im Kontext der literarischen Kategorien der lobenden Rede Ehrendekrete für eigene Bürger scheinen in den griechischen Städten nach der Publikation auf dauerhaftem Material in der Regel nicht mit den Begriffen ἔπαινος oder ἐγκώμιον bezeichnet worden zu sein.39 Die vorangegangenen Anträge, die zudem in der Volksversammlung verlesen worden waren, wurden jedoch mit Sicherheit auch als rhetorisches Phänomen wahrgenommen. Zumindest die Beschlussvorlagen bewegten sich demnach in den literarischen Kategorien der lobenden Rede und werden in den meisten Fällen in der aristotelischen Kategorie des ἔπαινος zu verorten gewesen sein.40 So nutzten die Städte zahlreiche Ehrendekrete zur Illus­ tration von bürgerlichen Werten und vorbildlichen Charaktereigenschaften und vermittelten über die ausführlichen Tatenberichte – also an Hand der ἔργα – die eigenen Idealvorstellungen von guten Bürgern. Die umfassenden Lebensdarstellungen der Ehrendekrete verwirklichten zum Teil sogar die aristotelischen Vorstellungen von der menschlichen Charakterentwicklung.41 Tugend und Charaktereigenschaften eines Menschen konnten auf Basis der angeborenen und durch die Erziehung gefestigten Anlagen erst in konkreten Handlungen zum Vorschein kommen.42

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Zu den Unklarheiten bei den Gattungsgrenzen s. insbesondere Errington 2005, 16 f. Für einzelne Ausnahmen wie das Ehrendekrete der Polis Athen für Herakleides aus Samos s. o. S. 410 Anm. 23. Zur Nähe der Ehrendekrete zu den aristotelischen Kategorien von ἔπαινος und ἐγκώμιον s. auch Rosen 1987, 286. Die Ausführungen bleiben jedoch – sicherlich auch dem knappen Gesamtumfang des Aufsatzes geschuldet – an der Oberfläche und beschränken sich auf allgemeine Beobachtungen. S. u. S. 444. Vgl. allgemein Gehrke 2003, 228. Die beiden Ehrendekrete für Polemaios und Menippos aus Kolophon berichteten in ausführlichen Abschnitten von der Jugend und den guten Charakteranlagen. Zahlreiche Beschlüsse aus anderen Städten führten die guten Eigenschaften ebenfalls bis auf die früheste Kindheit zurück.

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Die ideologischen Komponenten spielten jedoch nicht in allen Ehrendekreten für herausragende Bürger eine zentrale Rolle. Insbesondere Beschlüsse, die sich vornehmlich auf eine Einzelleistung beschränkten, begnügten sich oft weitgehend mit einem schlichten Tatenbericht und standen damit der aristotelischen Kategorie des ἐγκώμιον nahe. So konzentrierten sich etwa die Ehrendekrete für Sotas aus Priene oder für Hegesippos und Antipappos aus Aigiale auf die jeweiligen Taten im Kontext von existentiellen Krisen. Auch zahlreiche Beschlüsse für einzelne Tätigkeiten in der Polis wie die Ehrendekrete für die Gymnasiarchen Elpinikos aus Eretria, Chares aus Themisonion und Zosimos aus Priene oder für den Agoranomos Aristomenes aus Samos beschränkten sich weitgehend auf die Verdienste der ausgezeichneten Bürger. Die Polis Histria bezeichnete einen Beschluss, der sich ausschließlich auf die einjährige Tätigkeit eines Agoranomos beschränkt zu haben scheint, sogar explizit als ἐγκώμιον.43 Durch die Vergabe von postumen Ehrungen oder die Heroisierung von herausragenden Bürgern mögen sich einzelne Ehrendekrete insbesondere im späten Hellenismus daneben auch der Kategorie des μακαρισμός/εὐδαιμονισμός angenähert haben. Der bürgerlichen Sphäre entrückt hatten die ausgezeichneten Personen gleichsam die Vollendung der Tugenden erreicht. So sprach ein Ehrendekret für Diodoros Pasparos etwa von der ἀκμὴ ἐπ’ εὐεργεσίαι.44 Auch allgemeine Beschlüsse ohne konkreten Bezug zu einzelnen Leistungen zeigten mit den Tugendkatalogen Eigenschaften eines μακαρισμός/εὐδαιμονισμός. In der Summe gehörten die meisten Beschlussvorlagen vermutlich in die aristotelischen Kategorien von ἔπαινος und ἐγκώμιον.45 Lediglich in seltenen Fällen näherten sich einzelne Anträge daneben auch dem Bereich von μακαρισμός/εὐδαιμονισμός an. In der Praxis scheinen die Grenzen zwischen den einzelnen Kategorien der lobenden Rede jedoch schon bei den antiken Autoren nicht in jedem Fall eindeutig gezogen gewesen sein. Selbst Aristoteles zeigte im praktischen Umgang mit lobenden Reden Unsicherheiten bei der Zuweisung und wollte die Unterscheidung der einzelnen Bereiche professionellen Rednern überlassen. Dementsprechend mag in der Folge auch nicht jedes Ehrendekret eine konsequente Entscheidung zwischen ἔπαινος und ἐγκώμιον getroffen haben. Die Beschlussvorlagen, die den Ehrendekreten zu Grunde lagen, waren jedoch in jedem Fall Lobreden auf herausragende Persönlichkeiten und verwirklichten damit zugleich die Forderung des Isokrates aus der spätklassischen Zeit.46 An Stelle der Leistungen von mythischen Helden stellten 43 44 45

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IScM I 54, 41. S. auch o. S. 339. VI δ: Hepding 1907 Nr. 8 a II 61. Die sorgfältige Analyse von Form und Inhalt erlaubt in der Regel eine Zuweisung der Ehrendekrete an die verschiedenen Kategorien. Zuweilen ist sicherlich auch mit Mischformen zu rechnen. Eine vornehmliche Beschränkung der Ehrendekrete auf die Kategorie des ἔπαινος – wie etwa die Darstellung von Rosen (1987, 286) suggeriert – zeigen die erhaltenen Beschlüsse nicht. S. o. S. 415. Vgl. Rosen 1987, 286.

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die Städte in den Beschlüssen die Verdienste der eigenen Zeitgenossen ins Zentrum ausführlicher Lobeshymnen. Im frühen Hellenismus begegnete dementsprechend auch das Substantiv ἔπαινος in der Polis Athen zum ersten Mal als terminus technicus zur Bezeichnung für die Ehrendekrete eines fremden Wohltäters.47 12.1.4 Inhaltliche Unterschiede zwischen den Motivberichten der Ehrendekrete – Eine moderne Kategorisierung In der modernen Forschung fanden die antiken Kategorien der lobenden Rede im Kontext der hellenistischen Ehrendekrete bislang wenig Beachtung. Stattdessen erfolgte zumeist eine quantifizierende Beschreibung der Inschriften. Für Beschlüsse mit ausführlichen Motivberichten prägte die Forschung die Begriffe «Lange Ehrendekrete» und «Große Ehrendekrete».48 Eine genaue Definition der unpräzisen Beschreibungen, die in der Regel in einem deskriptiven Sinn verwendet wurden, erfolgte jedoch nicht. Ehrendekrete mit ausführlichen Lebensbeschreibungen konnten in der Forschung zudem als «Lebenswerkdekrete» oder «Karrieredekrete» umschrieben werden.49 Auch eine kategorische Trennung zwischen eigenen Bürgern und fremden Wohltätern erfolgte nicht und ergab sich in den meisten Fällen lediglich aus praktischen Begebenheiten.50 Da die modernen Begriffe zudem auch keine Entsprechung im antiken Sprachgebrauch finden, hat die vorliegende Arbeit auf den Gebrauch der Umschreibungen «Lange Ehrendekrete» und «Große Ehrendekrete» verzichtet. Die Kategorie der «Lebenswerkdekrete» wird hingegen durch den Vergleich mit antiken Biographien eine präzise Eingrenzung erfahren. Für eine allgemeine Kategorisierung der hellenistischen Ehrendekrete für eigene Bürger soll im Folgenden zunächst eine Unterscheidung nach inhaltlichen Kriterien vorgeschlagen werden. Insgesamt lassen sich die entsprechenden Beschlüsse in fünf Kategorien unterteilen: 1.) Ehrendekrete zu einem bestimmten Anlass ohne ausführlichen Motivbericht 2.) Ehrendekrete zu einem bestimmten Anlass mit ausführlichem Motivbericht

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IG II/III2 360, 23. S. bereits o. S. 410 Anm. 23. Vgl. Rosen 1987, 286. Rosen wählt jedoch den unpräzisen Begriff «Ehreninschriften». Quaß (1993) verwendet in der Regel die Bezeichnung «Lange Ehrendekrete». Einzelne Beschlüsse werden jedoch auch als «Große Ehrendekrete» bezeichnet. S. etwa ebd. 93 Anm. 64. Zur Charakterisierung von ausführlichen Ehrendekreten als «Lebenswerkdekrete» s. etwa Gehrke 2003, 228. Haake 2007, 223. Zum Begriff der «Karrieredekrete» s. erneut Quaß 1993, 16. S. auch o. S. 42. 44.

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3.) Ehrendekrete zu einem bestimmten Anlass mit Rekapitulation von früheren Leistungen 4.) Ehrendekrete ohne einen bestimmten Anlass mit Rekapitulation von früheren Leistungen 5.) Ehrendekrete ohne einen bestimmten Anlass mit allgemeinem Motivbericht Die erste Kategorie an Ehrendekreten für eigene Bürger bilden Beschlüsse mit kurzen Motivberichten, die sich in der Regel auf eine konkrete Leistung beziehen. Obwohl die Grenzen zur reinen Ehreninschrift dabei fließend sind, wahren die Ehrendekrete trotz der knappen Form alle formalen Bestandteile eines Volksbeschlusses.51 Entsprechende Ehrendekrete sind ein seltenes Phänomen und scheinen in den meisten Fällen nicht für eine dauerhafte Aufzeichnung bestimmt gewesen zu sein. Einzelne Beispiele sind vermutlich schlicht als Variation zu Ehreninschriften zu sehen. Beschlüsse, die sich ausschließlich auf ein Ereignis beschränken, bilden die zweite Kategorie an Ehrendekreten. In der Regel honorieren die Beschlüsse Verdienste der jeweiligen Personen in öffentlichen Funktionen – etwa als Gymnasiarchen, als Agoranomen, als Agonotheten, als Strategen oder auch als öffentliche Ärzte. Als weitere Anlässe begegnen umfangreiche Baumaßnahmen, herausragende Leistungen im Krieg oder andere Verdienste um das öffentliche Wohl. Gerade im Späthellenismus zeichnen sich entsprechende Ehrendekrete in einigen Städten durch umfangreiche Darstellungen aus und beschreiben die jeweiligen Leistungen bis in kleinste Details. Im Kontext von Ehrungen für militärische Verdienste können sich die Motivberichte in Einzelfällen jedoch bereits im 3. Jhdt. v. Chr. zu langen Einzelerzählungen auswachsen. Die meisten Beschlüsse begnügen sich in der Regel jedoch mit knappen Tatenberichten und sind durch die Konzentration auf die Leistungen der Kategorie des ἐγκώμιον zuzuordnen. Ehrendekrete der dritten Kategorie haben ebenfalls eine bestimmte Leistung zum Anlass. Die ausführlichen Motivberichte rekapitulieren zudem jedoch frühere Verdienste der jeweiligen Personen und zählen dabei teilweise eine große Zahl an unterschiedlichen Tätigkeiten auf. Andere Erzählungen beschränken sich in Anpassung an den eigentlichen Anlass der Ehrung auf bestimmte Kategorien von Leistungen. Durch die umfassende Rekapitulation von früheren Verdiensten rücken einzelne Ehrendekrete dieser Kategorie in die Nähe von «Lebenswerkdekreten» und erfüllen zudem in vielen Fällen die Anforderungen eines ἔπαινος. Die Ehrendekrete der vierten Kategorie bieten 51

S. etwa das Ehrendekret für Menekrates aus Lissa. TAM II 158, 1–6: βασιλεύοντος Πτολεμαίου το[ῦ] Πτολ[εμ]α[ί]ου ἔτους | ὀγδόου μηνὸς Ἀρτεμισίου ἔδοξε Λισσατῶν τ[ῶι] δ.[ή] μω[ι] κυρί|ας ἐκκλησίας γενομένης· ἐπειδὴ Μενεκράτ[η]ς Θ[․․]ώ[․]δους | Λισσάτης ἀνὴρ ἀγαθὸς ὢν διατελεῖ εἰς τὸν δῆμ. ον τὸν Λισσατῶν, | στεφανῶσαι αὐτὸν θαλλοῦ στεφάνωι ἀνδ[ραγα]θίας ἕνεκεν καὶ | εὐνοίας ἧς [ἔχ]ω[ν διατελεῖ] εἰς τὸν δῆ[μον τὸν Λισσ]ατῶν (…). Zu den formalen Unterschieden zwischen Ehrendekreten und Ehreninschriften s. o. S. 39.

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in den langen Motivberichten ebenfalls eine ausführliche Rekapitulation von früheren Verdiensten. Anlass der Beschlüsse, die spät im Leben der engagierten Bürger oder zum Teil sogar erst postum verabschiedet worden sind, ist damit gleichsam die gesamte Lebensleistung der jeweiligen Personen. In vielen Fällen scheinen die entsprechenden Ehrendekrete dennoch an einem besonderen Höhepunkt in der Karriere wie etwa in Priene zum Ende der eponymen Stephanephorie gefasst worden zu sein. In der Forschung hat sich für entsprechende Beschlüsse, die während des gesamten Hellenismus in allen Städten eine sehr seltene Erscheinung bleiben, der Begriff der «Lebenswerkdekrete» ausgeprägt. Die Erzählungen legen den Schwerpunkt in der Regel auf die öffentliche Tätigkeit der ausgezeichneten Personen, deren Verdienste in den meisten Fällen in thematische Kategorien wie Gesandtschaftsreisen, außenpolitisches Engagement, städtische Funktionen und finanzielle Leistungen unterteilt werden, und rücken durch die umfassende Darstellung von vorbildlichen Lebensentwürfen in die Nähe von literarischen Biographien. Insbesondere die postumen Beschlüsse changieren zudem zwischen den Kategorien von ἔπαινος und μακαρισμός/εὐδαιμονισμός. Die Ehrendekrete der fünften Kategorie zeichnen sich durch einen allgemeinen Motivbericht aus. Die Erzählungen verzichten auf konkrete Leistungsberichte und transportieren stattdessen – soweit zu erkennen meist ohne konkreten Anlass – Idealvorstellungen der Städte von vorbildlichen Bürgern. Zum Teil nehmen die Motivberichte ähnlich den «Lebenswerkdekreten» das gesamte Leben der ausgezeichneten Personen in den Blick und rücken in die Nähe der Kategorie des μακαρισμός/εὐδαιμονισμός. Entsprechende Beschlüsse, die insgesamt ein seltenes Phänomen bleiben, scheinen vornehmlich im Späthellenismus aufzutreten und sind möglicherweise auch als originelle Variante zu den detailreichen Erzählungen der anderen Beschlüsse verstehen. Die vorgeschlagene Kategorisierung der Ehrendekrete bleibt selbstverständlich ein modernes Konstrukt und ist lediglich als Versuch zu verstehen, die große Zahl an Beschlüssen für eigene Bürger nach bestimmten Kriterien zu unterscheiden. Im Gegensatz zu ausschließlich quantitativen Unterscheidungskriterien hat die Unterteilung den Vorteil, insbesondere Inhalt und Anlass der erhaltenen Dokumente in den Blick zu nehmen. Auch wenn eine entsprechende Unterscheidung nach inhaltlichen Kriterien in den griechischen Städten nicht existiert zu haben scheint, waren der formale Aufbau und die inhaltliche Gestaltung der Beschlüsse dennoch das Ergebnis eines überlegten Redaktionsprozesses, bei dem die jeweiligen Verfasser stets auch die eigenen Aussageintentionen im Blick gehabt haben werden. Ehrendekrete mit ausführlichen Lebensbeschreibungen eigneten sich in besonderem Maß als Folien für die bürgerlichen Idealvorstellungen der Städte. Die Konzentration auf einzelne Ereignisse in anderen Beschlüssen erlaubte präzise Aussagen zum vorbildlichen Verhalten in bestimmten Funktionen oder konnte der Erinnerung an bestimmte Ereignisse dienen. Mit den ausführlichen Berichten über einzelnen Taten entsprachen die Ehrendekrete zu einem bestimmten Anlass dabei in vielen Fällen der aristotelischen

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Kategorie des ἐγκώμιον. Mit der Rekapitulation von früheren Verdiensten gewannen entsprechende Beschlüsse zum Teil jedoch auch eine Beispielfunktion und erfüllten damit ebenso wie die ausführlichen Lebensbeschreibungen mit den Idealbiographien von herausragenden Bürgern die Anforderungen eines ἔπαινος. Einzelne «Lebenswerkdekrete» sowie Beschlüsse ohne konkrete Leistungsberichte bewegten sich mit den allgemeinen Reflektionen über Tugend und vorbildliches Verhalten zum Teil in der Kategorie von μακαρισμός/εὐδαιμονισμός. Eine direkte Beziehung zwischen der formalen Gestaltung der Ehrendekrete und dem Inhalt der Motivberichte scheint jedoch nicht existiert zu haben. Auch die Anerkennung von bestimmten Verdiensten, die selbst innerhalb von einzelnen Städten mit Ehrendekreten aus unterschiedlichen Kategorien honoriert werden konnten, war in der Regel nicht auf eine einzelne Kategorie an Beschlüssen festgelegt. Regionale Schwerpunkte lassen sich im Befund ebenfalls nicht festmachen. Die verschiedenen Kategorien von Ehrendekreten sind in allen Regionen der griechischen Welt gleichermaßen bezeugt und lassen lediglich in der zeitlichen Verteilung der Beschlüsse einzelne Schwerpunkte erkennen. So war die Tendenz zur Publikation von allgemeinen Beschlüssen ohne konkrete Bezüge zu einzelnen Leistungen ein allgemeines Phänomen des Späthellenismus, während sich eine besondere Form von «Lebenswerkdekreten» mit biographischem Anspruch wohl vornehmlich im späthellenistischen Kleinasien entwickelte. Im Folgenden werden diese theoretischen Überlegungen an ausgewählten Beispielen zu veranschaulichen sein. Die sorgfältige Analyse von einzelnen Inschriften soll neben der inhaltlichen Einordnung insbesondere deren rhetorische Gestaltung aufzeigen und zudem die Hinweise auf die ursprüngliche Mündlichkeit der Vortragssituation aufdecken.

12.2 Die literarische Gestaltung von Ehrendekreten – Einzelne Fallbeispiele aus verschiedenen Regionen der hellenistischen Welt Entstanden aus Lobreden vor der Volksversammlung bewahrten die Ehrendekrete auf Stein zahlreiche Elemente der Mündlichkeit und zeigten dabei auch in der sprachlichen Gestaltung – wie im Folgenden an verschiedenen Beispielen zu zeigen sein wird – zahlreiche Gemeinsamkeiten. Schlüsselworte wie die verbindenden Partikeln τε, δέ oder καί kennzeichneten als sprachliche Markierungen – oftmals in Verbindung mit einem genetivus absolutus – den formalen Beginn von Teilsätzen oder neuen Abschnitten und erleichterten den Zuhörern die Orientierung. Der Abschluss von einzelnen Sinneinheiten oder Teilsätzen konnte zudem rhythmisch gestaltet sein. Daneben strukturierten sprachliche Hilfsmittel wie μὲν – δέ Konstruktionen und Gegensatzpaare die Motivberichte. Auch wiederkehrende Satzstrukturen oder parallele Reihungen verdeutlichten den Aufbau der Erzählungen. Die Wiederholung von Eigennamen wird ebenfalls ein Zugeständnis an die mündliche Vortragssituation gewesen sein.

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Ebenso sollte die Ausgestaltung der Beschlussvorlagen mit rhetorischen Mitteln in vielen Fällen die inhaltlichen Grundaussagen unterstreichen. Leitkonzepte und allgemeine Zusammenfassungen – zum Teil in Ringkomposition – verdeutlichten die Kernaussagen und bildeten den Rahmen der Erzählungen.52 Charakterisierende Adjektive oder Verben aus bestimmten Wortfeldern wie «sehen/vorhersehen» konnten die Aussageintentionen zusätzlich unterstützen.53 Die meisten Autoren scheinen sich durch den Einsatz von Stilmitteln und einen gewählten Ausdruck zugleich um einen ansprechenden Vortrag bemüht zu haben. Zahlreiche Ehrendekrete mit ausführlichen Leistungsberichten hatten zudem einen beträchtlichen Umfang und bedurften dementsprechend insbesondere in Hinblick auf die mündliche Verlesung der Beschlussvorlagen in der Volksversammlung der Strukturierung in Form und Inhalt. So ordneten die Ehrendekrete die Darstellungen nach inhaltlichen Kategorien wie außenpolitischen Verdiensten, städtischen Funktionen oder finanziellen Leistungen. Auf die Chronologie der Ereignisse nahmen die meisten Erzählungen dabei keine Rücksicht. Die inhaltliche Gliederung mag zudem für einen mündlichen Vortrag zumeist größere Vorteile gehabt haben als eine chronologische Anordnung der Verdienste, deren zeitliche Abfolge den Zuhörern vielleicht nicht einmal im Detail bekannt gewesen sein wird. Lediglich innerhalb der einzelnen Kategorien scheinen die berichteten Leistungen in der Regel die Zeitfolge beachtet zu haben. 12.2.1 Kallias aus Sphettos als Idealbild eines überzeugten Demokraten Die Polis Athen nutzte die Aufstellung von Ehrendekreten im Frühhellenismus in den meisten Fällen zur Verbreitung von eigenen Wertkonzepten.54 Zur Illustration der Idealvorstellungen präsentierten die Beschlüsse in den Motivberichten zahlreiche Einzelepisoden aus dem Leben der ausgezeichneten Bürger als Beispiele für vorbildliches Verhalten. Insbesondere demokratische Gruppierungen innerhalb der Bürgerschaft propagierten in Phasen der politischen Unabhängigkeit über die Beschlüsse für bekennende Demokraten die eigenen Ideen von δημοκρατία, ἐλευθερία und αὐτονομία. Die Erzählungen hatten eine ideologische Färbung und trafen demnach vermutlich eine Auswahl an passenden Leistungen aus dem Leben der jeweiligen Personen. Da sich zudem auch die objektiven Tatsachenberichte zum Teil den Aussageintentionen unterzuordnen hatten, waren die Beschlüsse, die zugleich auch

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S. etwa o. S. 135. 174. 197–199. 207. 290. 298. 320 f. S. bereits o. S. 175. 350. Zur inhaltlichen Analyse der Ehrendekrete aus dem frühhellenistischen Athen s. zusammenfassend o. S. 85–90.

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historische Berichte darstellten, eine Form der «intentionalen Geschichte».55 Zugleich dienten die Beschlüsse daneben auch der Selbstvergewisserung der Polis und sollten in Zeiten der Bedrohung die eigenen Werte und Ideale bekräftigen. Das Verhalten eines vorbildlichen Bürgers illustrierten Rat und Volk von Athen etwa an der Karriere des überzeugten Demokraten Kallias aus Sphettos. Der Motivbericht des Ehrendekrets, das im Jahr 270/269 v. Chr. von einem Euchares beantragt worden war, setzte sich ohne Einleitung und direkten Schluss aus sieben Einzelepisoden zusammen.56 Eine inhaltliche Abrundung der gesamten Erzählung erreichte der Antragsteller Euchares zum Teil jedoch durch den achten und zugleich letzten Abschnitt des Motivberichts. Die verbindende Partikel καί (27/32/43– 44/55/64/70/78) markierte jeweils den Beginn der einzelnen Episoden, die stets dem gleichen Aufbauschema folgten und durch die klare Strukturierung insbesondere auch den Zuhörern in der Volksversammlung als Orientierungshilfe dienten.57 Nach einem kurzen Abriss über die historischen Umstände, der stets als genetivus absolutus mit temporalem Aspekt kons­truiert war, berichteten die Abschnitte jeweils von einzelnen Leistungen des Kallias in Reaktion auf die akuten Bedrohungen der Polis. In Länge und Ausführlichkeit zeigten die einzelnen Episoden, deren einleitende Situationsbeschreibungen zum Teil auch aus der Aneinanderreihung von mehreren Genetivkonstruktionen bestehen konnten, jedoch erhebliche Unterschiede.58 Die als Partizipialkonstruktionen gestalteten Leistungsberichte standen in Abhängigkeit von der einleitende Konjunktion ἐπειδή (11), die am Beginn des zweiten Abschnitts noch einmal wiederholt wurde (27), und hatten stets Kallias, dessen Name im Anschluss an jede Genetivkonstruktion nochmals wiederholt wurde (18/29/37/50/59/66/72/79), zum Subjekt.59 Die ständige Wiederholung des Eigennamens, die auch noch an drei weiteren Stellen des Motivberichts erfolgte (11/45/57), erleichterte den Zuhörern

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Luraghi 2010, 252–260. Zum Konzept der «intentionalen Geschichte» s. auch o. S. 41 Anm. 140. IG II/III3 1, 4, 911. Vgl. Shear 1978, 2–4. S. auch o. S. 72–75. Auch den späteren Lesern mag die Strukturierung des Beschlusses eine Hilfe gewesen sein. Optische Orientierungshilfen – etwa in Form von kleinen Leerstellen – bot die Inschrift vermutlich nicht. Über die Möglichkeit der farblichen Gestaltung lassen sich keine Aussagen treffen. Zur Konstruktion der historischen Abrisse s. Shear 1978, 14–55. Entsprechend dem beschriebenen Aufbau der einzelnen Episoden ist die Lücke in Z. 78 als Beginn eines neuen Abschnitts vermutlich mit καί und einem knappen Verweis auf die Lage der Heimat zu ergänzen. 78–80: κ.α.ὶ τ[ῶν ὀλίγων ὄντων ἐ]|ν τεῖ πατρίδι Καλλίας οὐδεπώποθ’ ὑομείνας [ἄρχ]ε[σθαι κ]|αταλελυμένου τοῦ δήμου. Zur Ergänzung von Z. 79 s. Habicht 1979, 30. Kritisch Gauthier 1982, 222. Für eine Zusammenfassung der Forschungsdiskussion s. zuletzt Knoepfler 2002, 189.

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die Orientierung in der überlangen Satzperiode.60 Der erste Abschnitt stellte den Namen Kallias zusätzlich an den Beginn der Episode und damit zugleich an den prominenten Anfang des gesamten Motivberichts (11). Im Anschluss an den ausführlichen Exkurs zu den historischen Umständen musste der Beschluss den Namen zur Verdeutlichung der Satzstruktur wiederholen (18).61 Die Anordnung der Abschnitte innerhalb des Motivberichts folgte weitgehend der zeitlichen Abfolge der erbrachten Leistungen. Einzig der letzte Abschnitt verließ – möglicherweise zur allgemeinen Abrundung der Erzählung – die Chronologie der Ereignisse. Die inhaltlichen Aussagen der Beschlussvorlage verstand Euchares in seinem Motivbericht auch mit stilistischen Mitteln wie dem Einsatz von gorgianischen Stilfiguren herauszuarbeiten. So verdeutlichte etwa im ersten historischen Abschnitt eine μὲν – δέ Konstruktion in Verbindung mit einem parallelen Satzaufbau den Unterschied zwischen der befreiten Stadt und der immer noch besetzten Festung am Mouseion und unterstrich zugleich den Zusammenhang der beiden Situationen.62 Den Einsatz des Kallias bei den anschließenden Kämpfen gegen Demetrios überhöhte Euchares durch doppelte Verneinung und Litotes. Trotz Verletzung scheute Kallias kein Risiko – nicht in einem einzigen Augenblick – für die Rettung des Demos.63 Auch an anderen Stellen unterstrich der Beschluss mit Formulierungen wie εἰς τὰ συμφέροντα τεῖ πόλει (33–34/38–39/43) oder ἕνεκα τῆς τοῦ δήμου σωτηρίας (31–32) den Einsatz des herausragenden Bürgers für Wohl und Rettung der Stadt. Die gesamte Erzählung war zudem durch Klauseln rhythmisch gestaltet und nahm dazu auch in der Wortstellung zum Teil Rücksicht auf den Rhythmus.64 Formen wie τεῖ πόλει (34/39/43) und τὴν πόλιν (13/19/47) oder auch τοῦ δήμου (38/42/54–55/62/80) und τῶι δήμωι (52/61) standen dementsprechend bevorzugt am Ende von einzelnen Satzperioden.

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Elemente eines mündlichen Vortrags wie die Wiederholung von Eigennamen wären bei einem Beschluss, der ausschließlich zur schriftlichen Publikation vorgesehenen war, vermutlich nicht nötig gewesen. Die namentliche Erwähnung des Kallias rief auch unaufmerksamen Zuhören immer wieder den Gegenstand der aktuellen Debatte in Erinnerung. Späteren Lesern gab bereits die zentriert gesetzte Überschrift des Beschlusses Auskunft über den Inhalt. 1–4: ὁ δῆμος | Καλλίαν | Θυμοχάρου | Σφήττιον. Die Überschrift mag von einem gemalten Kranz umgeben gewesen sein. Reste haben sich auf dem Stein jedoch nicht erhalten. Die korrekte Satzstruktur hatte die Erzählung durch die doppelte Nennung des Eigennamens streng genommen verlassen. Bei der mündlichen Verlesung des Antrags mag der Fehler jedoch nicht aufgefallen sein und sogar zum besseren Verständnis beigetragen haben. 13–15: τοὺς μὲν ἐκ τοῦ ἄστεως | στρατιώτας ἐγβαλόντος, τοῦ δὲ φρουρίου τοῦ ἐν τῶι | Μουσείωι ἔτι κατεχομένου. 30–32: τραυματίας γενόμενος κίνδυ|νον οὐθένα ὑποστελλόμενος οὐδὲ ἐν ἑνὶ καιρῶι ἕνεκα | τῆς τοῦ δήμου σωτηρίας. Der Beschluss verwendete etwa beliebte Klauseln wie den Doppelkretikus (33–34: πράξοντ|α τεῖ πόλει) und den katalekischen Doppelkretikus (23: δῆμον εὐνοίαι).

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Der letzte Abschnitt des Motivberichts bot eine Zusammenfassung der zentralen Kernaussagen und bildete auch den rhetorischen Höhepunkt des Beschlusses. Zum krönenden Abschluss der Rede wurde Kallias durch den Einsatz von zahlreichen Stilmitteln wie figura etymologica und Parallelismus in Verbindung mit doppelten Verneinungen zu einem idealen Demokraten stilisiert. Den programmatischen Endpunkt bildete dabei das basisdemokratische Selbstverständnis der Polis Athen (80–83):65 (80) ἀλλὰ καὶ τὴν οὐσίαν τὴν ἑ[αυτοῦ] προέμενος δόσιν δοθῆναι ἐν τεῖ ὀλιγαρχίαι ὥστε μ[ηδὲν ὑ]|πεναντίον πρᾶξαι μήτε τοῖς νόμοις μήτε τεῖ δημοκ[ρατί]|αι τεῖ ἐξ ἁπάντων Ἀθηναίων· (…) wobei er es sogar zuließ, dass sein eigenes Vermögen als Schenkung vergeben wurde unter der Oligarchie, sodass er nichts tat weder gegen die Gesetze noch gegen die Demokratie, die von allen Athenern ausgeht. In der Summe präsentierte die Beschlussvorlage des Euchares zur Illustration der Kernaussagen verschiedene Einzelepisoden aus dem Leben des Kallias. Der Beschluss nutzte das Leben des Politikers dabei als Faktenhintergrund für die Darstellung und enthielt in der Folge zahlreiche Elemente aus dessen Biographie. Euchares präsentierte jedoch lediglich eine beschränkte Auswahl an Ereignissen, die sich vornehmlich auf den Bereich der politischen Tätigkeit konzentrierten, und gewährte in der Summe lediglich einen beschränkten Einblick in das Leben des herausragenden Bürgers. Eine ausführliche Lebensdarstellung oder gar eine Biographie des Kallias war die Erzählung nicht. Die Kriterien für die Auswahl der Leistungen werden sich stattdessen vornehmlich an den Aussageintentionen der Polis orientiert haben. Die berichteten Episoden beschränkten sich dementsprechend weitgehend auf die bürgerlichen Tugenden und den Patriotismus des herausragenden Bürgers. Andere Aspekte aus der Karriere wie die guten persönlichen Beziehungen zu König Ptolemaios passten vermutlich nicht in das Bild eines Vorzeigedemokraten und fanden dementsprechend in der Beschlussvorlage lediglich am Rand sowie ausschließlich in Bezug auf den Nutzen für die Polis Erwähnung. In der Summe hatte sich die individuelle Lebensdarstellung demnach vermutlich den ideologischen Aspekten 65

Ein ähnliches Demokratieverständnis findet sich bereits bei Thukydides (2, 37, 1) in der fiktiven Kriegsrede des Perikles aus dem Winter 431/430 v. Chr.: καὶ ὄνομα μὲν διὰ τὸ μὴ ἐς ὀλίγους ἀλλ᾽ ἐς πλείονας οἰκεῖν δημοκρατία κέκληται. Auch andere Ehrendekrete wie die Beschlüsse für Lykourgos, Demosthenes oder Demochares propagierten die demokratischen Ideale der Polis Athen und lobten den Einsatz der ausgezeichneten Personen für das Wohl und die Rettung der Stadt. Programmatische Abschnitte bildeten als zusammenfassende Kernaussagen an prominenten Stellen in der Regel das Ende der Motivberichte und unterstrichen die Aussagen auch mit stilistischen Mitteln. S. etwa Plu. Moralia 851 C. F. 852 D. S. auch o. S. 61. 69. 71.

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der Erzählung unterzuordnen und diente vornehmlich zur Propagierung der Idealvorstellungen von einem Vorzeigedemokraten im unermüdlichen Einsatz für die Heimat. Die Polis präsentierte den eigenen Wertekanon – vermutlich in Anpassung an rhetorische Praktiken der Zeit – jedoch nicht in Form eines direkten Statements. Stattdessen vermittelte die Erzählung die entsprechenden Idealvorstellungen durch eine ideologische Überformung der Ereignisse an verschiedenen Beispielen aus dem Leben des Kallias. Durch die zeitgeschichtlichen Exkurse gewann die Erzählung zusätzlich den Charakter eines historischen Berichts und erinnerte als ὑπόμνημα (104) an wichtige Ereignisse aus der jüngsten Vergangenheit der Stadt.66 Die Instrumentalisierung von öffentlichen Monumenten zur Verbreitung von Werten und Idealen wie δημοκρατία, ἐλευθερία und αὐτονομία lässt sich im frühhellenistischen Athen auch an anderen Ehrendekreten beobachten. Während Sprache und Stil die inhaltlichen Aussagen zu unterstützen hatten, bildeten programmatische Abschnitte in der Regel den Höhepunkt der Reden und fassten zum Ende der Motivberichte zugleich die Kernaussagen noch einmal zusammen. Die ausgearbeiteten Motivberichte verfolgten – wie am Ehrendekret für Kallias exemplarisch vorgeführt – daneben stets auch ein inhaltliches Konzept und trafen die Auswahl der präsentierten Leistungen und Erfolge, die zugleich politische Aussagen transportierten und zur Selbstdarstellung der Stadt beitrugen, auch nach ideologischen Kriterien.67 Ein Gesamteindruck vom Leben der einzelnen Personen, das als Grundlage der Darstellungen jeweils lediglich die Folie für das Idealbild eines guten Bürgers bildete, entstand durch die selektive Auswahl der Episoden jedoch nicht.68 Als Lobreden auf verdiente Personen hatten die Beschlüsse in Strukturierung und Aufbau stets auch eine mündliche Präsentation im Blick und bewegten sich durch die ideologische Zielsetzung in der aristotelischen Kategorie des ἔπαινος. Die erzieherischen Ansätze teilten die Ehrendekrete mit literarischen Lebensdarstellungen und Geschichtswerken – zählte doch gerade die moralische Belehrung der Leser stets zu den zentralen Aufgaben von Biographie und Historiographie.69 Die meisten Motivberichte in den athenischen Beschlüssen beschränkten den selektiven Einblick in das Leben der herausragenden Personen mit Blick auf die Kernaussage vornehmlich auf den politischen Bereich. Andere Elemente von antiken Biographien wie etwa Jugend und Erziehung als Grundlagen für die Entwicklung

66 67 68 69

Boffo 1988, 10. Luraghi 2010, 255. Zur Erinnerungsfunktion von Inschriften s. auch Chaniotis 2014, 137 f. Errington 2005, 24. Luraghi 2010, 258–260. Rosen 1987, 287. Zur selektiven Vermittlung von Vergangenheit s. auch Chaniotis 2014, 159. Rosen 1987, 288. Errington 2005, 20. S. zuletzt auch Schepens 2007, 347–349.

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des Charakters fehlten.70 Richtige Biographien waren die Ehrendekrete aus dem frühhellenistischen Athen – auch gemessen an antiken Maßstäben – demnach nicht.71 Nichtsdestotrotz boten die ausführlichen Motivberichte biographische Informationen. So nutzte Pseudo-Plutarch die Ehrendekrete für Lykourgos, Demosthenes und Demochares für seine Darstellungen.72 Die ausgezeichneten Personen waren jedoch sowohl in Athen als auch in anderen Städten nur selten an der Ausarbeitung der eigenen Ehrendekrete beteiligt. Zumindest den offiziellen Antrag stellten in den meisten Fällen andere Personen. Autobiographien waren die Ehrendekrete aus dem frühhellenistischen Athen mit den idealisierenden Lebensdarstellungen und den politischen Statements demnach mit Sicherheit nicht – auch wenn einzelne Honoranden über Freunde und Verwandte indirekten Einfluss auf die jeweiligen Beschlüsse genommen haben werden.73 Ebenso wenig waren die Beschlüsse Geschichtswerke. Mit den historischen Abrissen konnten die Motivberichte nichtsdestotrotz einzelne Elemente der Historiographie aufgreifen und leisteten somit auch einen Beitrag zur Geschichte der Stadt.74 Historische Exkurse verorteten die Tätigkeiten der herausragenden Personen zudem im Zeitgeschehen und positionierten zugleich die Polis Athen im politischen Machtgefüge der Zeit. Zumindest auf die Darstellungsweise der Ehrendekrete aus dem frühhellenistischen Athen übten demnach sowohl Historiographie als auch Biographie großen Einfluss aus – auch wenn die Beschlüsse weder ausführliche Lebensbeschreibungen noch Geschichtswerke waren.

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Vgl. Errington 2005, 23 f. Die Untersuchung exemplifiziert die Beobachtungen am Beschluss für Lykourgos. Die gleichen Phänomene sind auch an anderen Ehrendekreten aus dem Frühhellenismus zu beobachten. Die späthellenistischen Lebenswerkdekrete aus Kleinasien scheinen die Bedingungen von Biographien jedoch weitgehend zu erfüllen. S. u. S. 455–457. Zum Inhaltlichen Wandel der Beschlüsse s. auch Dreyer 2010, 352–354. Die dokumentarische Lücke in der politischen Biographie zwischen Spätklassik und Kaiserzeit – namentlich von Isokrates und Xenophon bis Plutarch – können die hellenistischen Ehrendekrete biographischen Inhalts demnach nur bedingt schließen. So jedoch Errington 2005, 27 f. Zur antiken Biographie s. u. S. 441–443. S. o. S. 59 Anm. 42. 68 Anm. 88. 70 Anm. 96. So jedoch Errington 2005, 26. Die Darstellung zeichnet die Ehrendekrete als Autobiographien und unterschätzt den Einfluss von Antragstellern und Polis auf den Inhalt der Beschlüsse. Die Initiatoren der Anträge hatten für die aufwendigen Beschlussvorlagen mit Sicherheit nicht einfach die autobiographischen Selbstdarstellungen der auszuzeichnenden Personen übernommen und für den formalen Antrag «umgemodelt». Ähnlich jedoch auch Hamon 2012, 62. Nichtsdestotrotz erkennt Errington (2005, 20–25) die politischen Intentionen der Beschlüsse. Luraghi 2010, 252–260.

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12.2.2 Spannende Einzelerzählungen – Piraten in Aigiale und Kelten in Priene Ehrendekrete boten nicht in jedem Fall eine ausführliche Lebensdarstellung. Manche Beschlüsse konzentrierten sich stattdessen unter Verzicht auf eine Rekapitulation von früheren Verdiensten auf einen bestimmten Anlass und konnten sich durch die Beschränkung auf ein Ereignis zu spannenden Einzelerzählungen auswachsen. Die Beschlüsse boten dabei ausführliche Situationsbeschreibungen und konzentrierten sich auf das Eingreifen der ausgezeichneten Personen als Höhepunkt und Peripetie der jeweiligen Erzählungen. In den Grundstrukturen entsprachen die Darstellungen damit weitgehend den Einzelepisoden in Ehrendekreten mit mehreren Abschnitten zu verschiedenen Ereignissen.75 Die Anlage der Einzelerzählungen hatte im Kern zudem Ähnlichkeiten mit den Strukturen der Tragödie, wobei die Peripetie naturgemäß die Wende zum Guten bedeutete und nicht den Umsturz in die Katastrophe brachte. Die meisten Motivberichte waren zudem auf die ausgezeichneten Personen, deren persönliche Verdienste im Zentrum der Darstellungen standen, zugeschnitten und entsprachen durch die Konzentration auf die vollbrachten Taten der aristotelischen Kategorie des ἐγκώμιον. Zusätzlich präsentierten die Monumente über die Leistungen von einzelnen Bürgern in vielen Fällen jedoch auch bedeutende Episoden aus der jüngsten Vergangenheit der jeweiligen Polis. Das bereits besprochene Ehrendekret der Polis Aigiale vom Ende des 3. Jhdts. v. Chr. würdigte den Einsatz der Brüder Hegesippos und Antipappos für die Freilassung von zahlreichen Stadtbewohnern aus der Gefangenschaft von Piraten.76 Bei einem nächtlichen Überfall hatten die Seeräuber über 30 Personen – darunter auch die beiden Söhne des Hegesistratos – als Geiseln genommen und verschleppt. Die ausführliche Beschreibung des Überfalls bildete den Anfang des Motivberichts (4–12). Der Antragsteller Philoxenos begann die Situationsbeschreibung als genetivus absolutus mit temporalem Aspekt und wechselte im Abschnitt über die Flucht der Piraten in den Aorist. Der Bericht über den Pirateneinfall setzte dabei so unvermittelt und überraschend ein wie der nächtliche Überfall. Gleich das erste Wort der Erzählung war πειρατῶν (4). Durch Details wie die Tageszeitangabe νυκτός (5) entwarf Philoxenos zudem eine anschauliche Szenerie. Die lange Aufzählung der entführten Personen (6–8: παρθένων τε καὶ γυναικῶν | [κ]αὶ ἄλλων σωμάτων καὶ ἐλευθέρων καὶ δού|(8)[λ]ων) sowie die zusammenfassende und absichtlich unpräzise gelassene Zahlenangabe τῶμ πάντων πλειόνων ἢ τριάκοντα (8) sollten daneben die Schwere des Verlustes verdeutlichen. Als die Piraten auch noch die Schiffe im Hafen zerstörten und mit dem Schiff des Dorieus flohen, erreichte die Krise nach allmählichem Anstieg ihren Höhepunkt 75 76

Für die Analyse von Einzelepisoden am Beispiel des Ehrendekrets für Kallias aus Athen s. o. S. 422–426. IG XII 7, 386. S. auch o. S. 151–153.

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(9–12). Der Polis blieb nicht einmal die Möglichkeit, die Piraten zu verfolgen. Über das Schiff des Dorieus (10) konnte der Beschluss zudem einen konkreten Bezug zum Alltag der Zuhörer herstellen und die Erzählung in der Lebenswelt der Polis verankern. Mit der retardierenden und zusammenfassenden Wendung τούτων δὲ συμβάντω[ν] (12–13) setzte Philoxenos am Höhepunkt der Erzählung eine Pause, erzeugte damit Spannung und markierte zugleich den Beginn eines neuen Abschnitts. Hegesippos und Antipappos, die selbst Gefangene der Piraten waren, fanden im Motivbericht am Höhepunkt der Krise zum ersten Mal namentliche Erwähnung (13) und markierten Parallel zu πειρατῶν (4) am Anfang des Motivberichts den Beginn des zweiten Abschnitts der Erzählung. Im ersten Abschnitt gingen alle Handlungen von den Piraten aus. Jede Maßnahme der Seeräuber bewirkte eine Zuspitzung der Ereignisse. Ab dem Höhepunkt der Krise übernahmen Hegesippos und Antipappos, deren Auftreten zugleich die Wende zum Guten einleitete, bis zum Ende der Erzählung die Initiative und konnten die Situation entschärfen. Die Brüder verhandelten mit dem Piratenkapitän Sokleidas und erreichten die Freilassung von zahlreichen Gefangenen (13–20). Der grammatikalische Aufbau des zweiten Abschnitts verlief mit genetivus absolutus und anschließenden Hauptverben im Aorist parallel zur Gestaltung des ersten Teilabschnitts. Durch einen Subjektwechsel brachte Philoxenos den Umschwung zudem auch auf der sprachlichen Ebene zum Ausdruck. Als Höhepunkt der Erzählung würdigte der Beschluss den Einsatz der beiden Brüder (20–26): (20) ἐνδεικνύμενοι πᾶσαν | [φι]λοτιμίαν, ὅπως μήτε τῶμ πολιτίδω | μήτε τῶμ πολιτῶν μηθεὶς ἀχθεῖ ἐπ[ὶ] | [τ]ὸ λάφυρον μηδὲ πραθεῖ μηδὲ ἐν ἀ|(24)νάγκαις καὶ κακοπαθίαις γένηται, | μηδὲ διαφωνήσει σῶμα μηθὲν πο|λιτικόν. Sie bewiesen ihre ganze ehrenvolle Einstellung, so dass – weder von den Bürgerinnen noch von den Bürgern – niemand als Beute behandelt wurde und auch nicht verkauft wurde und auch nicht in Not und Unglück geriet, und dass auch nicht ein Bürger starb. Die zahlreichen Verneinungen sowie die kontrastierenden Gegenüberstellungen verdeutlichten die inhaltliche Aussage mit sprachlichen Mitteln und sollten dem abschließenden Höhepunkt der Erzählung damit auch unter formalen Aspekten einen angemessenen Rahmen bieten.77 Am versöhnlichen Ende der Erzählung stand schließlich die glückliche Heimkehr der unversehrten Geiseln (26–28). Durch den gekonnten Einsatz von sprachlichen und gestalterischen Mitteln schuf Philoxenos

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Frauen stehen in der Aufzählung noch vor den Männern an erster Stelle. Die geraubten Sklaven finden keine Erwähnung und mögen – sollten sie sich nicht den Piraten angeschlossen haben – im Gegensatz zu den Bürgern durchaus verkauft worden sein.

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damit in der Summe eine spannende Einzelerzählung.78 Die beiden Abschnitte des Motivberichts folgten weitgehend einem symmetrischen Aufbau und bildeten zugleich einen inhaltlichen Kontrast nach dem Schema «böse» gegen «gut». Der Überfall der Piraten stand am Auftakt der Erzählung und spitzte sich bis zum Höhepunkt der Krise zu. Hegesippos und Antipappos leiteten die Peripetie der Ereignisse ein und brachten die Geiselnahme zu einem glücklichen Ende. Die dramatische Handlungsstruktur des Beschlusses war demnach auf das beherzte Engagement der beiden Brüder als Höhepunkt der Erzählung ausgerichtet. Mit diesem Aufbau orientierte sich der Motivbericht an den Strukturen eines Theaterstücks. Als besondere Auszeichnung sollte das Ehrendekret passenderweise beim Tragödienwettbewerb der Dionysien einmalig in der gesamten Länge verlesen werden (34–36).79 Wenn vielleicht auch nicht im vollen Wortlaut folgte das aufgezeichnete Ehrendekret zumindest in Anordnung und Erzählstruktur vermutlich der ursprünglichen Beschlussvorlage. Gerade vor dem Hintergrund der mündlichen Verlesung des Antrags in der Volksversammlung und im Theater wird sich der Antragsteller Philoxenos um eine ausgefeilte Präsentation mit rhetorischem Anspruch bemüht haben. Daneben verdeutlichte die literarische Gestaltung der Erzählung die Kernaussagen des Ehrendekrets. Durch die individuelle Zuspitzung schuf Philoxenos mit seinem Antrag zunächst eine große Heldenerzählung, die damit sicherlich der ehrenden Erinnerung an den besonderen Einsatz der beiden Brüder diente. Zugleich gedachte die Erzählung jedoch auch eines einschneidenden Ereignisses aus der jüngsten Vergangenheit der Polis und hatte in der Folge einen festen Platz in der städtischen Lokalgeschichte.80 Mit ihrem beispielhaften Einsatz hatten Hegesippos und Antipappos zudem eine Vorbildfunktion für andere Bürger: Obwohl die beiden Brüder durch das Ehrendekret als große Helden über die anderen Personen in der Stadt erhoben wurden, konnten die berichteten Leistungen grundsätzlich doch von allen Bürgern erbracht werden. Hegesippos und Antipappos waren also zugleich «bürgerliche» Helden und wurden durch die Erzählung in die Polisgemeinschaft eingebunden. Mit dem Ehrendekret für Sotas, das militärische Verdienste um die Verteidigung der Stadt während der Überfälle der keltischen Galater zum Anlass hatte, publizierte auch die Polis Priene in den Jahren nach 278/277 v. Chr. eine große Helden-

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Neben dem Einsatz von Stilmitteln zeigten sich die sprachlichen Qualitäten des Beschlusses auch in der Rhythmisierung der Erzählung durch Prosaklauseln wie dem Doppelkretikus (5: ἐμβαλόντων νυκτὸς/12: [ἄ]λλα ἃ ἔλαβον) oder dem katalektischen Doppelkretikus (18: ἐξελευθέρων καὶ τῶν δούλων). Die Aoristform ἀνειπεῖν (34) bezeichnet in der Regel eine einmalige Handlung. S. auch o. S. 407 Anm. 11. Die spätere Verlesung von Beschlüssen ist selten bezeugt und begegnet etwa auch bei Verträgen wie dem Abkommen zwischen Hierapytna und Priansos. CIG 2556. Zum historiographisch-literarischen Charakter des Textes s. auch Robert 1970, 23. Boffo 1988, 15.

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erzählung.81 Nach einem knappen Resümee über frühere Leistungen (2–4) begann der Motivbericht zunächst mit der Beschreibung der Lage in Kleinasien. In perspektivischer Verdichtung – gleichsam im Stil von Landschaftsdarstellungen oder Stadtbeschreibungen – zoomte die Erzählung von der allgemeinen Situation in Kleinasien (4–15) über die Reaktionen in der Polis Priene (15–19) auf die Maßnahmen des herausragenden Bürgers (19–38). Ähnlich dem Beschluss für Hegesippos und Antipappos aus Aigiale entwarf das Ehrendekret für Sotas damit zunächst ein «tableau cruel» als allgemeinen Rahmen der Erzählung.82 Die Kelten hinterließen während des Raubzugs eine lange Spur der Verwüstung und schreckten nicht einmal vor der Plünderung von Heiligtümern zurück. Die sprachliche Gestaltung der Erzählung unterstrich die Gottlosigkeit der Barbaren etwa durch den Gegensatz οὐ μόνον δὲ ἐν τῆι χώραι – [ἀλλὰ . . . κ]αὶ τὸ θεῖον (9–10) oder durch die Reihung κείρο[ν]τες τ[ὰ] τεμένη καὶ [τοὺς] | [βωμοὺς] καὶ τοὺς ναούς (10– 11) und verdeutlichte dadurch zugleich die Größe der Bedrohung.83 Vor dem präsentierten Schreckensszenario mussten die nachfolgenden Verdienste des Sotas und der Polis Priene um die Abwehr der Kelten an Größe und Bedeutung gewinnen. Am Höhepunkt der Krise breiteten sich zudem vermehrt Hilflosigkeit und Verzweiflung unter den Einwohnern von Asien aus (13–15). Die unspezifische Lokalisierung [τῶν Ἑλ]λήνων τῶν τὴν Ἀσίαν κατοικούντων (14) sollte dabei erneut das gewaltige Ausmaß der Bedrohung unterstreichen. Insbesondere die Landbevölkerung war den Plünderungen der Kelten nahezu schutzlos ausgesetzt. Erst das Eingreifen des Sotas und der Bürger von Priene brachte die Wende zum Guten. Die Peripetie folgte einem zweistufigen Aufbau.84 So berichtete die Erzählung zunächst vom engagierten Eingreifen der Polis Priene, die als einzige Stadt in Kleinasien den Widerstand gegen die frevelhaften und gesetzlosen Kelten organisierte (15–19), und inszenierte den Unterschied zwischen dem Demos von Priene und den anderen Einwohnern von Asien dabei auch mit sprachlichen Mitteln wie dem kontrastierenden Satzbeginn ὁ δὲ δῆμος | (16) [ὁ Πριηνέ]ων αὐτός τε ἀντετά[ξ]ατο (15–16) oder der chiastischen Wortstellung πρὸς τοὺς βαρβάρους ἀνταγωνίζεσθαι – ἀντετά[ξ]ατο πρὸς τοὺς βαρβάρους (15–16).85 Erst in 81

82 83 84 85

I. Priene 17 = I. Priene2 28. Die Stele mit dem Ehrendekret der Polis Priene ist beinahe komplett erhalten. Das Inschriftenfeld ist jedoch teilweise verwaschen oder beschädigt. Der genaue Wortlaut oder die Satzstrukturen des Beschlusses lassen sich demnach nicht in allen Abschnitten rekonstruieren. Der Aufbau und die Struktur der Erzählung sind dennoch zu erkennen. S. auch o. S. 109–112. Zur literarischen Funktion des «tableau cruel» s. Bielman 1994, 89. Der Ausdruck [τοὺς] | [βωμοὺς] (10–11) ist freilich komplett ergänzt. An der entsprechenden Stelle ist jedoch in jedem Fall ein sinnverwandtes Wort zu erwarten. Zum doppelten Widerstand durch Sotas und die Polis Priene s. Bielman 1994, 89 f. 13–18: [ὅθεν συ]νέβ[η] πολ[λοὺς] | [τῶν Ἑλ]λήνων τῶν τὴν Ἀσίαν κατοικούντων φθαρῆναι, [μὴ δυ]|ν[αμέν]ος πρὸς τοὺς βαρβάρους ἀνταγωνίζεσθαι· ὁ δὲ δῆμος | [ὁ Πριηνέ]ων αὐτός τε ἀντετά[ξ]ατο πρὸς τοὺς βαρβάρους ἀ[μυν]ό[με]|[νος τοὺς] καὶ εἰς τὸ θεῖον ἀσ[ε]βοῦντας καὶ εἰς τοὺς Ἕλληνας πα[ρα]|νομοῦ[ντ]ας.

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einem zweiten Schritt wandte sich der Motivbericht den eigentlichen Leistungen des Sotas zu. Wie Hegesippos und Antipappos griff der Held der Erzählung, mit dessen Auftreten erneut die endgültige Wende im Geschehen verbunden war, erst nach einem langen Vorlauf am Höhepunkt der Krise in das Geschehen ein und bestimmte im Anschluss bis zum Ende des Motivberichts den Ereignisverlauf: Sotas versammelte neben den tapfersten Bürgern auch mutige Bewohner des Umlands gegen die Barbaren und rettete durch seine Unternehmungen Menschen und Besitz in Polis und Umland (19–38). Die Erzählung griff dabei zweimal das Motiv der Rettung von Kindern und Frauen auf (23/36) und berichtete zudem mehrmals im Allgemeinen von Rettung und Hilfe für die Stadt (31/35). Obwohl Sotas den zweiten Abschnitt des Motivberichts dominierte, rettete der strahlende Held die Polis jedoch nicht im Alleingang. So betonte der Beschluss daneben stets auch die Bedeutung des gesamten Freiwilligenaufgebots aus kampfbereiten Bürgern. Den programmatischen Schlusspunkt der Erzählung setzte ebenfalls der Demos (37–38).86 Auch wenn erst die Initiative des Sotas dem Demos neuen Mut zum Krieg gegen die Galater gegeben hatte, übernahm den Kampf gegen die Barbaren letztlich das gesamte Volk von Priene. Wie schon in der Mitte der Erzählung betonte der Beschluss, der demzufolge nicht ausschließlich der persönlichen Überhöhung des Sotas diente, zum Ende des Motivberichts die Bedeutung der Polis Priene bei der Abwehr der Kelten und trug damit ebenso zur Selbstdarstellung der Stadt bei. Während der strahlende Held der Erzählung als Einzelperson gleichsam stellvertretend für die gesamte Bürgerschaft stand, betonte die Stadt stets auch die eigenen Verdienste bei der Abwehr der gottlosen Barbaren und stilisierte sich in scharfem Kontrast zu anderen Städten der Region zur Vorkämpferin für die Griechen in Asien.87 Zusätzlich erinnerte das Ehrendekret an ein bedeutendes Ereignis in der Geschichte der Stadt und bewahrte damit auch das Andenken an die erfolgreiche Überwindung der Kelten als einen Teil der Polisidentität.

12.2.3 Der ideale Lebensweg eines ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός – Das Ehrendekret für Athenopolis aus Priene als allgemeine Tugenddarstellung Einzelne Ehrendekrete verzichteten zu Gunsten der ideologischen Aussageintentionen weitgehend auf konkrete Bezüge zum Leben und zu den individuellen Leistungen der ausgezeichneten Bürger. Stattdessen präsentierten die Motivberichte gleichsam als theoretische Abhandlungen allgemeine Reflexionen über Moral und Tugend und zeigten zugleich Wünsche und Erwartungen an das Verhalten eines ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός. Auch die Publikation der entsprechenden Beschlüsse, die als theore86 87

37–38: ὧγ γενομένων ὁ δῆ|μος εὐθαρσῶς ἐπετέθη πρὸς τὸν τῶγ Γαλατῶμ πόλεμον. Vgl. Bielman 1994, 90.

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tische Traktate überkommene Normen und bürgerliche Traditionen beschworen und den Bürgern somit Orientierungspunkte und Leitkonzepte für das eigene Verhalten boten, scheint vornehmlich auf die dauerhafte Verbreitung der entsprechenden Wertvorstellungen gezielt zu haben. Eine solche Abhandlung über den idealen Lebensweg eines Polisbürgers bot etwa das Ehrendekret für Athenopolis aus Priene.88 Mit dem theoretischen Anspruch der umfassenden Lebensdarstellung näherte sich die Lobrede der aristotelischen Kategorie von μακαρισμός/εὐδαιμονισμός an. Beginnend mit den Vorfahren und der herausragenden Familientradition sowie früheren Verdiensten und Ehrungen führte der Beschluss über die aktuellen Leistungen zur grundsätzlichen Einstellung des Athenopolis. Der ausgezeichnete Bürger hatte sich wie schon seine Vorfahren das ganze Leben seit der Jugend ohne Ruhe für die Heimatstadt eingesetzt und wollte sich der erhaltenen Anerkennungen auch durch seine gegenwärtigen Leistungen als würdig erweisen. Des Weiteren beabsichtigte Athenopolis das Bemühen um die Stadt auch in Zukunft beizubehalten und das eigene Engagement nach Möglichkeit sogar noch zu steigern. Die inhaltliche Gliederung setzte der Antragsteller Lykinos dabei auch auf der sprachlichen Ebene um. So teilte sich die Erzählung im Kern in zwei lange Teilsätze mit finiten Verben, die in Abhängigkeit von der einleitenden Konjunktion ἐπειδὴ standen und jeweils um mehrere Partizipkonstruktionen erweitert waren. Der erste Abschnitt berichtete im Aorist von vergangenen Leistungen und anschließenden Ehrungen (8–13) und wurde durch die Partizipkonstruktion ἀνὴρ καλὸς [καὶ ἀγαθὸς ὑ]πάρχω[ν] (9) und das Nomen καλοκἀγαθ[ία]ν (13) in Ringkomposition gerahmt. Der zusammenfassende Ausdruck καὶ μετὰ ταῦτα (13) korrespondierte als inhaltliche Brücke mit dem vorangegangenen Adverb [πρό]τερον (10) und markierte zugleich den Beginn des zweiten Abschnitts der Erzählung. Der Beschluss wechselte das Tempus zu Präsens und berichtete in zahlreichen Partizipkonstruktionen von den aktuellen Bemühungen des Athenopolis. Zum Ende des Abschnitts gewährte Lykinos sogar noch einen Ausblick auf in der Zukunft zu erwartende Leistungen (13–22). Der Motivbericht umspannte dabei auch grammatikalisch alle drei Zeitstufen von der Vergangenheit über die Gegenwart bis zur Zukunft. Das Tempus der Erzählung wechselte von den finiten Verben in Aorist (11: [ἔ]λαβεν) und Präsens (14: ἀφίσταται) bis zum Partizip Futur (21: προσεπαύξοντος). Ein ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός wie Athenopolis ließ in seinen Bemühungen nie nach und stellte das ganze Leben in den Dienst der Polis. Er war schon immer gut, er ist gut und er wird auch in Zukunft immer gut sein. Nach Möglichkeit versuchten vorbildliche Bürger die eigenen Leistungen zudem stetig zu steigern und sich selbst zu übertreffen – auf der sprachlichen Ebene verdeutlicht durch einen Superlativ. So war Athenopolis nicht mehr schlicht ein ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός (9), sondern wollte in Zukunft nach dem κάλλιστον (22) streben. 88

I. Priene 107 = I. Priene2 63. Zur Aufzeichnung des Beschlusses in der Nordhalle der Agra sowie zur inhaltlichen Gesamtkonzeption der Inschriftenwand s. o. S. 286 f.

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Das Kompositum προσεπαύξοντος (21) verlieh den entsprechenden Bemühungen des Athenopolis durch die Doppelung der Präpositionen – ein typisches Element der hellenistischen Sprache – weiteren Nachdruck.89 Stilmittel wie Litotes (15–16: οὐ|δεμιᾶς λειπόμενος φιλαγαθίας/17–18: [ο]ὐκ ἐπιλανθανόμε|νος) und Hyperbaton (18–19: τὴν πρὸς | τοὺς πολίτας εὔνοιαν/20–21: τὸ τὴν πρὸς τοὺς συν.α.ναστρ[ε]φ.ο.[μέν]ους ἐκτένειαν συν|τηρεῖν) verdeutlichen die Satzstrukturen und die Aussageintentionen und verliehen der Erzählung – wie auch ein gewählter Ausdruck wie τοὺς συν.α.ναστρ[ε]φ.ο.[μέν]ους (20) – eine ansprechende Form.90 Die Satzschlüsse waren zudem durch Prosaklauseln rhythmisch gestaltet.91 Durch den Einsatz von sprachlichen Mitteln wie der Gegensatzkonstruktion [καὶ ο]ὐκ ἐπιλανθανόμενος – πολὺ δὲ μᾶλλο[ν συ]ντηρῶν (17–18) oder dem zusammenfassenden Satzanschluss καὶ μετὰ ταῦτα (13) erleichterte Lykinos zugleich auch das Verständnis für den Gesamtaufbau des Motivberichts. Das Adjektiv ἄξιος erschien leitmotivisch in beiden Abschnitten der Erzählung und begegnete mit einem anderen Bedeutungsschwerpunkt auch in der Hortativformel (10/16/23). Gute Bürger zeigten ein angemessenes Verhalten und sollten dementsprechend auch angemessene Ehrungen erhalten. Mit rhetorischem Können präsentierte Lykinos im Ehrendekret für Athenopolis in der Summe eine theoretische Abhandlung über den idealen Lebensweg eines Polisbürgers und stilisierte den Sohn des Kydimos gleichsam zum Sinnbild für einen ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός.92

12.2.4 Kontinuität und Wandel – Sprachliche Veränderungen in den Ehrendekreten des späten Hellenismus und der Kaiserzeit unter dem Einfluss des Asianismus Als rhetorische Phänomene folgten die Beschlussvorlagen der Ehrendekrete den zeitgenössischen Strömungen des Literaturbetriebs, die den meisten Antragstellern aus den Städten durch die Ausbildung im Gymnasion oder gar durch Bildungsreisen in Zentren der hellenistischen Kultur bekannt gewesen sein werden. So dominierte 89 90

91 92

Zur Steigerung als typischem Motiv des Hellenismus s. auch allgemein Chaniotis 2007, 155–157. Zur Neulesung des Wortes τοὺς συν.α.ναστρ[ε]φ.ο.[μέν]ους s. Blümel/Merkelbach 2 2014, 130. Die Erstedition liest noch das nach LSJ lediglich beim späthellenistischen Historiographen Konon bezeugte Wort τοὺς συν.α.νατρ[ε]φ.ο.[μέν]ους. Der Ausdruck [τῶν συνα]ν.αστρεφομένων πολι[τ]ῶν ist für Priene auch durch das Ehrendekret für Herodes belegt. I. Priene 109 = I. Priene2 65, 35. Eine gebräuchliche Formulierung war der seltene Ausdruck in keinem Fall. So jedoch Gehrke 2003, 232. Der Beschluss verwendete etwa Klauseln wie Doppelkretikus (10: προγόνων ἀρε[τῆς]/18: τῶν προειρημένων) oder Doppelspondeus (17: αὐτῶι τιμῶν). Zur καλοκἀγαθία des Athenopolis s. auch Wörrle 1995, 246.

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die hellenistische Rhetorik ab dem 3. Jhdt. v. Chr. in Abgrenzung zur attischen Redepraxis die Stilrichtung des Asianismus, als deren Urheber in der Antike der in den Jahrzehnten um den Beginn des Hellenismus tätige Hegesias aus Magnesia am Sipylos galt.93 Der Asianismus teilte sich dabei in zwei Strömungen:94 Der «zierliche Stil» pflegte kurze Sätze und war um einen rhythmischen Wortklang bemüht. Die Ausdrucksweise prägten Metaphern und weitschweifige Umschreibungen. Den «bombastischen Stil» kennzeichneten neben Pathos gehobene Formulierungen und eine poetische Ausdrucksweise. Das Bemühen um eine rhythmische Gestaltung der Satzperioden bewirkte in vielen Fällen eine freie Wortstellung. In Reaktion auf den Asianismus entwickelte sich im späten Hellenismus die Stilrichtung des Attizismus, der auch in der Kaiserzeit das prägende Ideal bleiben sollte.95 Die Beschlussvorlagen der Ehrendekrete folgten dabei selbstverständlich nicht in jedem Fall den gleichen Stilvorbildern – zumal sich manche Autoren vermutlich nicht ausschließlich einem bestimmten Stil verpflichtet fühlten. Noch weitgehend in der Tradition der attischen Rhetorik des 4. Jhdts. v. Chr. standen insbesondere die Ehrendekrete aus dem frühhellenistischen Athen. Typische Merkmale des Asianismus zeigten hingegen etwa die späthellenistischen Ehrendekrete aus Kleinasien, die sich um einen gehobenen Stil und eine poetische Ausdrucksweise bemühten oder nach weitschweifigen und originellen Formulierungen suchten.96 Ein Musterbeispiel für den Asianismus bot etwa das Ehrendekret der Polis Antigoneia/Mantineia für Euphrosynos und Epigone aus den Jahrzehnten um die Zeitenwende.97 So glänzte die Beschlussvorlage durch ausgefallene Wendungen und poetische Ausdrücke und war zusätzlich mit gorgianischen Stilfiguren wie Parallelismus und Antithese ausgearbeitet. Neben der aufwendigen Gestaltung in Sprache und Form hatte die Erzählung, die zudem zur Hiatvermeidung tendierte, durch verschiedene Prosaklauseln, die insbesondere im Asianismus Anwendung fanden, eine rhythmische Gestaltung erfahren und passte zu diesem Zweck selbst die Wortstellung in vielen Fällen der Rhythmisierung an.

93 94 95 96

97

Zum Asianismus s. Wilamowitz-Möllendorff 1900a. Vgl. Norden 21909, 131–134. Papanikolaou 2012, 148–150. Zu den beiden Stilrichtungen des Asianismus s. Norden 21909, 134–149. Zum Aufkommen des Attizismus s. ebd. 149–152. Zur «geschraubten Rhetorik» der Ehrendekrete s. auch Habicht 1995b, 88. Vgl. Wörrle 1995, 241. Die gleichen Phänomene begegnen freilich auch in anderen Regionen der griechischen Welt. Zum Einfluss des Asianismus auf die Gestaltung von Ehrendekreten insbesondere im späten Hellenismus s. Papanikolaou 2012, 148–150. Vgl. Dreyer 2010, 355. IG V 2, 268. S. auch o. S. 359 f. Zu den sprachlichen und stilistischen Qualitäten des Beschlusses s. ausführlich Papanikolaou 2012. Vgl. Fougères 1896, 128–130. Wilamowitz-Möllendorff 1900b, 536–542. Auf eine detaillierte Analyse des Beschlusses soll nach der Untersuchung von Papanikolaou, die auch eine ausführliche Analyse der Rhythmisierung durch Prosaklauseln bietet, verzichtet werden.

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Eindeutige Einflüsse des Asianismus zeigen – insbesondere durch das Bemühen um einen poetischen Ausdruck – auch die Ehrendekrete für A. Aemilius Zosimos aus Priene aus dem späten 1. Jhdt. v. Chr.98 Den Ruhm bei den Lebenden und die Erinnerung bei den Späteren bewahrte Zosimos wie einen Schatz.99 Neben der Verwendung des seltenen und poetischen Ausdrucks θησαυρίζω zeigte der Abschnitt auch eine stilistische Ausarbeitung. Für die ganztägige Ausgabe von Öl in der Funktion als Gymnasiarch – im Grunde eine simple Tatsache – fand der Beschluss erneut eine ausgesuchte und poetische Formulierung (58–62): [συ]λλογισάμενος δὲ τὸ πρὸς ὥραν [τεθ]ησόμενον | [ἄ]λ.ειμμα τῆς τε ἰδίας οὐκ ἄξιον ἔσεσ[θ]αι κρίσεως καὶ | (60) πολλοὺς διακλείσειν τῆς φιλανθρωπίας, τοῦτο μὲν | ἀπεδοκίμασεν, ἔθηκεν δὲ τὸ ἄλειμμα ἀπὸ ἀνατολῆς ἡλί|ου δι’ ἡμέρας μέχρι πρώτης τῆς νυκτὸς ὥρας. Weil er glaubte, dass die stundenweise Bereitstellung des Öls der eigenen Überzeugung nicht würdig sei und viele ausschließe von seiner Menschenfreundlichkeit, verwarf er dies und stellte stattdessen das Salböl zur Verfügung vom Aufgang der Sonne den ganzen Tag hindurch bis zur ersten Stunde der Nacht. Die Stelle spielte mit dem Gegensatz von Tag und Nacht, der zudem durch die μὲν – δέ Konstruktion und den chiastischen Satzbau zum Ausdruck gebracht wurde, und schmückte den Abschnitt zusätzlich durch das Stilmittel der Alliteration. Daneben verwies die Erzählung auf die persönliche Lebenseinstellung des herausragenden Bürgers und suchte durch den Ausdruck κρίσεως (59) die bewusste Anknüpfung an eine Formulierung aus der Einleitung (11: [κ]ρίσιν δὲ τιμῆς [ἀ]ξίαν). Eine nur stundenweise Ölverteilung hätte Zosimos nicht im Einklang mit seinem eigenen Lebensentwurf gesehen. Das dritte Ehrendekret wählte in der Rückschau auf die erste Gymnasiarchie eine ähnliche Formulierung für die ganztägige Bereitstellung des Salböls.100 Der Beschluss war erneut um einen poetischen Ausdruck bemüht und verdeutlichte den allumfassenden Ansatz der Verteilung durch das ausgefallene Verb κοινοποιέω (14).

 98 99

100

I. Priene 112–114 = I. Priene2 68–70. Zur sprachlichen Gestaltung der Beschlüsse s. auch Curty 2015, 149. I. Priene 112 = I. Priene2 68, 15: ἐθησαύρισεν ἑαυτῶι παρὰ μὲν τῶν ζώντων ἔ[παινον, παρ]ὰ δὲ τῶν ἐπεσομένων μνήμην. Die μὲν – δέ Konstruktion verdeutlichte den Gegensatz in der Aussage. Zugleich verwies der parallelistische Aufbau auf die Vergleichbarkeit der erzielten Erfolge. I. Priene 114 = I. Priene2 70, 14–15: καὶ τὴν τοῦ ἀλείμματος θέσ[ιν κ]οινοποησάμενος πᾶσιν ἀπὸ ἀνατολῆς μέχρι δ[ύσε]|ως ἡλίου.

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Das zweite Ehrendekret gebrauchte den gleichen Ausdruck im Kontext der Feiern zum Beginn der Tätigkeit als Stephanephoros (55–56):101 τὴ[ν π]ρώτην τ[ῆς ἀρχῆς ἡμέρ]αν κοινοποησάμενος πᾶσιν | (56) ἐπ’ ἴσον, ἐν ᾗ καὶ δούλου τύχη[ν] καὶ ξένου χρ[ηματισμὸ]ν ἦν ἐν ἐλαχίστῳ τίθεσθαι. Indem er den ersten Tag der Tätigkeit für alle gemeinsam gleich gemacht hat zu einem Tag, an dem sowohl des Sklaven Schicksal als auch des Fremden Rechtsstellung die geringste Bedeutung haben sollte. Der Sprachgebrauch unterstrich durch die Häufung von Ausdrücken aus dem Bereich gleich/gemeinsam die intendierte Aussage. Stilmittel wie Hyperbaton und Parallelismus sowie der Ausdruck ἐν ἐλαχίστῳ τίθεσθαι (56) verdeutlichten den Ausnahmecharakter der Leistungen. Mit dem zweiten Ehrendekret traf die Polis zudem Vorkehrungen für das unvermeidliche Ableben des Zosimos und regelte das öffentliche Staatsbegräbnis. Den Tod des herausragenden Bürgers umschrieb der Beschluss euphemistisch mit dem auch in der Prosa üblichen Ausdruck ὅταν τε μεταλλάξῃ (110–111). In den Ehrendekreten für Moschion und Herodes hatte die Polis Priene bereits eine ähnliche Formulierung gewählt.102 Auch in anderen Städten waren die Beschlussvorlagen im Kontext von Tod und Bestattung um poetische Ausdrücke und euphemistische Wendungen bemüht. Die Polis Kyme beschrieb den Tod in den Ehrendekreten für Archippe abwechselnd mit ἐπεὶ δέ κε τελευτάσῃ (I 11), ἐπὰν δὲ τελευτήσῃ (Nr. 2, 76) und ἐπὰν μεταλλάξῃ (Nr. 3, 157). Eine ausgefallene Wendung fanden die Autoren des postumen Ehrendekrets für Attalos aus der frühkaiserzeitlichen Polis Iulia Gordos.103 Die Erzählung umschrieb den Tod mit einem alle Dinge niedertrampelnden Daimon (13–15: ὑ[πὸ] | [τοῦ] τὰ πάντα καταπατοῦντος δαί[μο]|[νος] μεθέσταται τοῦ ζῆν). Schon der Beschluss für den gleichnamigen Großvater Attalos hatte mit dem Ausdruck τὰ νῦν εἰς τὸ χρεὼ μεθέστη (30) für den Tod eine euphemistische Wendung gewählt.104 In der kaiserzeitlichen Polis Olbia hatte der neidische Daimon verhindert, dass Theokles seine öffentliche Funktion zu Ende bringen konnte (31–32: ὑπὸ τοῦ βασκάνου δαίμονος ἀφῃρέθη, μὴ διατελέσας | τὴν ἀρχήν).105 Etwa zur gleichen Zeit wurde auch Poseides von einem unerbittlichen Daimon geraubt (10–11: [ὑ]πὸ τοῦ ἀπαραιτήτου δαί(μ)ο|[νος ἀφηρπάγ]η).106 101 102 103 104 105 106

I. Priene 113 = I. Priene2 69. Zu diesem Abschnitt vgl. Fröhlich 2005, 241: «(…) un passage très rhétorique.» I. Priene 108 = I. Priene2 64, 345–346: τῆς εἰς | τὸ χρεὼ μεταστάσεως. I. Priene 109 = I. ­Priene2 65, 265: [τῆς εἰς τὸ] χρεὼ μεταστάσεως. Ricl/Malay 2012 Nr. 2 B. Ricl/Malay 2012 Nr. 1. IOSPE I2 40. IOSPE I2 51.

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Die literarische Qualität der Ehrendekrete

Einflüsse des Asianismus zeigte daneben etwa auch das Ehrendekret der Polis Kyme für den Prytanen Kleanax aus den Jahren um die Zeitenwende.107 So bemühte sich der Beschluss um originelle Formulierungen und wollte durch zahlreiche Superlative die herausragende Stellung des Bürgers unterstreichen. Entsprechend der zunehmenden Bedeutung von Familie und privaten Wohltaten würdigte die Erzählung Kleanax als καλλίτεκνος (22) und lobte die Ausbildung des Sohnes (21–28) sowie die Hochzeitsfeierlichkeiten der Tochter (19). Kleanax stammte zudem aus zwei herausragenden Familien und hatte sich sein ganzes Leben für die Polis eingesetzt (4–9): (4) Ἔπει Κλεάναξ Σαραπίωνος, φύσει δὲ Φιλοδάμω, ὀ πρύτανις, ἀμφιθα|λεα τὰν ἐκ πατέρων ἔχων εὐγένηαν καὶ τὰν ἀνυπέρβλητον εἰς φιλοδοξί|αν εἰς τὰν πάτριν ἀρέσκηαν, πόλλα μὲν καὶ μέγαλα τῷ διηνέκει βίῳ τᾷ πό|λει παρέσχηται, οὔδενα καῖρον ὐφέμενος ἐν ᾦ τὰν ὐπὲρ τῶ δάμω κα|(8)δεμονίαν παραλέλοιπεν, πολειτευόμενος τὰ κράτιστα τᾷ πόλει καὶ | λόγῳ καὶ ἔργῳ· Weil Kleanax, der Sohn des Sarapion, von Geburt Sohn des Philodamos, der Prytane, der noch beide Eltern und von den Vätern von beiden Seiten die edle Abkunft hat und den unübertrefflichen Wunsch nach Ruhmstreben in Bezug auf die Heimat, während des ganzen Lebens fortwährend Vieles und Großes für die Polis bereitet hat, wobei er keinen Augenblick, in dem er die Fürsorge für den Demos ausgelassen hätte, zuließ und als Bürger das Beste für die Stadt in Wort und Tat bewirkte. Der Abschnitt war insgesamt um eine gewählte und poetische Ausdrucksweise bemüht und hatte durch Stilmittel wie Parallelismus, Hyperbaton und Hendiadyoin eine zusätzliche Gestaltung erfahren. Das Engagement erfolgte zudem stets zum rechten Augenblick, während der herausragende Bürger in seinem Ruhmstreben unübertroffen bleiben wollte. Kleanax war in der Folge der Einzige und der Erste (16: μόνος καὶ πρῶτος), der sich als Priester für den neugeschaffenen Dionysoskult engagierte. Durch den Verweis auf den καιρός (15) und die φιλοδοξία (15) im Zusammenhang mit den Feiern schlug die Erzählung zugleich eine eindeutige Brücke zur Einleitung. Daneben versuchte der Beschluss den verdienten Bürger auch in den anderen Abschnitten mit sprachlichen Mitteln wie bekräftigenden Komposita oder Superlativen zu überhöhen. In einem zusammenfassenden Abschnitt lobte die Erzählung etwa den stetigen Einsatz bis ins Alter.108 Das Verb συνενγεγήρακεν (21) verdeutlichte 107 108

Hodot 1982. 20–21: ἐφ᾽ οἷς ὀ δᾶμος, περὶ τῶν ἀγάθων ἔχων μνάμαν καὶ διάγνωσιν, οὐδὲ τῶν λοίπων οἷς | συνενγεγήρακεν ἐπιτευγμάτων ἐπιλέλασται. – Deshalb hat der Demos, der die Wohltaten erinnert und einschätzt, bis jetzt auch nicht die übrigen Leistungen, bei denen er alt geworden ist, vergessen.

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dabei durch Präpositionen und Perfekt das fortwährende Engagement des Kleanax während des ganzen Lebens bis zum Abfassungszeitpunkt des Beschlusses. Der eigentliche Anlass des Ehrendekrets waren jedoch die Leistungen des betagten Bürgers als Prytane. Wie schon in der Zeit als Priester des Dionysos veranstaltete Kleanax als der Erste und Einzige (37: πρῶτος καὶ μόνος) neue Feste. Der Beschluss griff damit eine den Zuhörern bekannte Wendung auf und zielte erneut auf die Überhöhung der Einzelperson. Die jeweiligen Veranstaltungen ließ der engagierte Prytane schon im Vorfeld durch öffentlichen Anschlag ankündigen (17: ἐκ προγράφας/37–38: ἀπὸ καρύγματος) und erfüllte im Anschluss – wie von einem guten Bürger zu erwarten – auch stets seine Versprechen (41: κάθως ἐπανγείλατο).109 Parallel zur allmählichen Ausweitung der verliehenen Ehrungen zeigten die Motivberichte der Ehrendekrete zudem im späten Hellenismus insgesamt eine allgemeine Tendenz zur steten Überhöhung von individuellen Leistungen und sprachen von den Tugenden und den Verdiensten der ausgezeichneten Personen zunehmend in Superlativen. So erreichte etwa Diodoros Pasparos aus Pergamon als Gymnasiarch im frühen 1. Jhdt. v. Chr. die ἀκμὴ ἐπ’ εὐεργεσίαι (VI δ 61) und erlangte durch seine Verdienste die Stellung eines δεύτερος κτίστης (VI δ 62–63) der Polis.110 Der Beschluss wandelte dabei das ursprüngliche Konzept der ἀκμή als körperlichen wie geistigen Schaffenshöhepunkt ab und übertrug die Vorstellungen aus dem literarischen Kontext auf das wohltätige Wirken eines Bürgers im öffentlichen Leben. Nach dem Willen der späthellenistischen Städte sollten sich die engagierten Bürger zudem stets um neue und einzigartige Leistungen bemühen und vorangegangene Erfolge sowohl in Konkurrenz mit sich selbst als auch mit anderen Personen nach Möglichkeit noch übertreffen. Bereits im späten 2. Jhdt. v. Chr. hatte sich Menippos aus Kolophon in seinem Engagement um den Tempel des Apollon selbst übertroffen.111 Auch Athenopolis in Priene versprach seine Bemühungen in Zukunft noch zu steigern.112 Epaminondas aus Akraiphia überragte im 1. Jhdt. n. Chr. durch sein umfangreiches Engagement alle vorangegangenen Festspielleiter und schuf neben der Wiederbelebung von alten Festspielen nach 30 Jahren Unterbrechung wie Kleanax in Kyme

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Die Erfüllung von angekündigten Leistungen war als Thema gerade im Späthellenismus in zahlreichen Ehrendekreten wie etwa im Beschluss für Athenopolis aus Priene oder in den Beschlüssen für Polemaios und Menippos aus Kolophon präsent. S. auch o. S. 274 f. 280. 433. Ebenso u. S. 446. 448. Gute Bürger hatten sich stets an gegebene Versprechen zu halten und sollten die eigenen Leistungen nach Möglichkeit noch übertreffen. Zu Diodoros Pasparos s. ausführlich o. S. 233–243. Robert/Robert 1989, 63–66, 81–82: ὑπερθέμενος δὲ ἑ|αυτὸν μείζονα τῆς ἐπαγγελίας κατεσκεύακεν. I. Priene 107 = I. Priene2 63, 21–22: προσεπαύξοντος | δὲ τὴν κατὰ τὸ κάλλιστον προθυ[μίαν].

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Die literarische Qualität der Ehrendekrete

als κτίστης (58) zwei neue Feiern.113 T. Aelius Alkibiades aus Nysa befand sich um die Mitte des 2. Jhdts. n. Chr. nur noch in einem steten Wettstreit mit seinen eigenen Leistungen (B 15–21):114 κ[αί]|(16)[π]ερ αὐτὸς πρὸς [ἑ]αυτὸν ἀ[γωνι]|ζόμενος τοῖς δευτέροις ὑπε[ρ]|βάλλει τὰ [πρό]τερα καὶ τὴν τοῦ | [δ]ήμου προθυμίαν εἰς αὐτὸν [ἀ]|νανταγώνιστον οὖσαν ἐλά[σσω] | τῆς αὐτοῦ μεγαλοψυχίας Und selbst mit sich selbst im Wettstreit liegend übertraf er mit den späteren Leistungen seine früheren Erfolge und die unbesiegliche Zuneigung des Demos zu ihm war geringer als seine Großherzigkeit. Andere Bürger konnten mit den Leistungen des Alkibiades, der von allen Menschen der liebste Bürger seit ältester Zeit war, zumindest nach Darstellung der Erzählung nicht mithalten.115 Alkibiades selbst ließ in seinem Engagement niemals nach und hatte in seinem Leben bereits so viele Erfolge erzielt, dass sich die einzelnen Leistungen schon nicht mehr aufzählen ließen (B 29–33): πρὸς δὲ | τοῖς ἄλλοις ἅπασιν ὧν εἰ καθ’ ἓ[ν]| ἕκαστον ἐπιχειροίη τις διεξε[λ]|(32)θεῖν, οὐκ ἂν ὁ σύμπας αὐτῷ βίος | ἀρκέσειεν Und bei allen seinen anderen Leistungen, wenn jemand versuchen würde sie nacheinander aufzuzählen, würde diesem das ganze Leben nicht ausreichen. Noch in der Mitte des 2. Jhdts. n. Chr. bemühten sich Rat und Volk von Nysa demnach, einen herausragenden Bürger durch ausgesuchtes Lob und originelle Formulierungen im Stil der asianischen Rhetorik angemessen zu würdigen. Die bürgerlichen Ideale der Polisdemokratien fanden in dem individuellen Lobpreis, das vornehmlich auf die Erhöhung der Einzelperson ausgerichtet war, im Gegensatz zu früheren Jahrhunderten jedoch kaum noch Platz. Als überragende Einzelpersönlichkeit mag Alkibiades das öffentliche Leben der Polis zudem in Teilen vielleicht sogar weitgehend ohne Konkurrenten dominiert haben. Insgesamt scheinen sich die Ehrendekrete ab dem späten Hellenismus demnach auch in Sprache und Rhetorik allmählich an die 113

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IG VII 2712, 53–55: ὑπερ[εβάλλετο] δὲ τῇ μεγαλοψυχίᾳ καὶ ἀρετῇ πάντας τοὺς | [προτέρους, τρέψας] ἑαυτὸν πρὸς τὸ φιλόδοξον [καὶ] φιλάγαθον ταῖς [ἐπαλ]|λή[λ]οις δαπάναις, εἷς φιλόπατρις καὶ εὐεργέτης νομ[ιζ]όμενος. Clerc 1885. Das Ehrendekret befindet sich auf der rechten Seite des Steins (Face B). Die Vorderseite (Face A) wird von einem Beschluss der dionysischen Techniten von Ephesos sowie einem in Rom gefassten Beschluss der Techniten eingenommen. Zum Beschluss der dionysischen Techniten aus Ephesos s. auch I. Ephesos 22. B 10–12: φιλοστοργότατος πολεί|[τη]ς τῶν ἐκ παλαιοτάτου γε[γε]|[νη]μένων ἀνθρώπων.

Ehrendekrete und Biographie

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Veränderungen in Politik und Gesellschaft angepasst zu haben.116 So konzentrierten sich die Erzählungen zur individuellen Erhöhung des Einzelnen zunehmend auf persönliche Leistungen und hatten daneben kaum Platz für traditionelle Polisideologien oder die Verbreitung von allgemeinen Wertvorstellungen.

12.3 Ehrendekrete und Biographie – Biographische Elemente in Ehrendekreten mit ausführlichen Lebensbeschreibungen Ausführliche Lebensbeschreibungen konnten hellenistische Ehrendekrete in verschiedenen Formen enthalten: So rekapitulierten die jeweiligen Beschlüsse aus Anlass von einzelnen Tätigkeiten frühere Verdienste der ausgezeichneten Personen oder berichteten ohne konkreten Schwerpunkt über die gesamte Lebensleistung. Auch die allgemeinen «Lebenswerkdekrete» scheinen jedoch meist an einem besonderen Punkt in der Karriere der herausragenden Bürger – wie etwa in Priene zum Ende der eponymen Stephanephorie – beschlossen worden zu sein. Bei entsprechenden Beschlüssen blieben zudem sowohl die dauerhafte Aufzeichnung sowie vermutlich auch die Verabschiedung, bei der eine Regelmäßigkeit ebenfalls nicht festzustellen ist, in jedem Fall seltene Phänomene und gehörten niemals zu den Routinegeschäften der Volksversammlungen. Die allgemeine Vorstellung von «haufenweise (…) sub-literarischen Biographien» im öffentlichen Raum scheint demnach nicht zuzutreffen.117 Neben der persönlichen Erinnerung an die Leistungen der jeweiligen Personen dienten die umfangreichen Tatenkataloge auch als Beispiele für vorbildliches Handeln und sollten zur Vermittlung von Idealen und Wertvorstellungen beitragen. Durch die ausführlichen Lebensbeschreibungen in Verbindung mit moralischen Intentionen rückten die Ehrendekrete in die Nähe von biographischen Darstellungen. Im Gegensatz zu anderen Literaturzweigen fand die Biographie in der Antike jedoch zu keinem Zeitpunkt eine feste Form mit einem eindeutig umrissenen Gattungsbegriff und firmierte in der Regel unter den Bezeichnungen βίος oder vita.118 Der griechische Ausdruck βιογραφία scheint erst im 6. Jhdt. n. Chr. aufgekommen zu sein. Trotz des Fehlens von einheitlichen Definitionen existierte bei den antiken Autoren jedoch ein Bewusstsein für die Gattungsgrenzen der literarischen Bio-

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Zu den gesellschaftlichen Veränderungen im späten Hellenismus s. zusammenfassend o. S. 398–403. So jedoch Errington 2005, 27. S. auch o. S. 44 f. 48–50. Zu den Problemen der exakten Definition der Gattung Biographie für die Antike s. mit aktuellem Forschungsüberblick Pausch 2004, 42–45.

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Die literarische Qualität der Ehrendekrete

graphie.119 In engerem Sinn widmete sich eine Biographie der Gesamtdarstellung eines Lebens und legte den Schwerpunkt auf die moralische Bewertung des Charakters («Kerngattung Biographie»).120 Losgelöst von einem strengen Gattungsbegriff, der sich vornehmlich auf die moralischen Aspekte der Erzählung konzentrierte, konnte eine Biographie vermutlich auch schlicht die Gesamtdarstellung eines Lebens sein.121 Neben der «Kerngattung Biographie» existierten in der Antike demnach auch weitere Formen von Lebensbeschreibungen.122 Auch die Grenzen zu literarischen Gattungen wie ἔπαινος oder ἐγκώμιον waren fließend.123 Für die darstellerische Präsentation der Lebensläufe hatten sich die Autoren von Biographien grundsätzlich zwischen einem chronologischen Ansatz und der Ordnung des Materials nach Sachkategorien zu entscheiden. F. Leo entwarf aus diesen Beobachtungen eine formale Dichotomie zwischen chronologischen Lebensbeschreibungen für bedeutende Staatsmänner und kategorisierenden Darstellungen für Philosophen und Literaten.124 Der schematische Ansatz konnte den antiken Realitäten jedoch – insbesondere im Hinblick auf die Verbindung von unterschiedlichen Darstellungsweisen mit inhaltlichen Kriterien – nicht gerecht werden und stieß dementsprechend auch in der Forschung auf vielfache Kritik.125 So gliederten etwa auch die Ehrendekrete die politischen Karrieren zumeist nach Sachkategorien. Im Kern beschrieb F. Leo mit der Unterscheidung zwischen Chronologie und Kategorisierung jedoch die beiden grundsätzlichen Möglichkeiten der biographischen Darstellung.126 Insbesondere in den moralischen Intentionen zeigen viele Ehrendekrete mit ausführlichen Lebensdarstellungen große Gemeinsamkeiten mit der «Kerngattung Biographie».127 Dennoch erfüllen die Beschlüsse auch in einem weiten Sinn nur in seltenen Fällen die Ansprüche von literarischen Biographien. So behandelten etwa die Ehrendekrete aus dem frühhellenistischen Athen nicht das gesamte Leben der 119

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Zur Unterscheidung zwischen Geschichtsschreibung und Biographie s. etwa Plb. 10, 21. Vgl. Dihle 1987, 10. Die Geschichtsschreibung legte den Schwerpunkt der Darstellung in der Regel auf die historischen Ereignisse und konzentrierte sich im Gegensatz zur Biographie nicht auf einzelne Personen. Dihle 1987, 8–10. Vgl. bereits Dihle 1956, 9–11. Zum Begriff der «Kerngattung Biographie» s. Pausch 2004, 43. Momigliano 1993, 11. Vgl. bereits Momigliano 1971, 11. Für Kritik an der offenen Definition s. Dihle 1987, 8. Zur Problematik der Definitionen von Dihle und Momigliano s. Pausch 2004, 43–45. Beide Definitionsversuche scheinen der antiken Realität nur in Teilen gerecht zu werden. Zu Gemeinsamkeiten und Unterschieden von Enkomion und Biographie s. Dihle 1956, 10. Dihle 1987, 9–13. Leo 1901, 315–323. Zu den Thesen von Leo s. mit knappem Forschungsüberblick Pausch 2004, 233–235. Vgl. Reichel 2007, 28. Reichel 2007, 29. Zum «quasi biographischen Charakter» der Lebenswerkdekrete s. auch Gehrke 2003, 228.

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jeweiligen Personen und präsentierten stattdessen lediglich ausgewählte Episoden aus den politischen Laufbahnen. Auch Beschlüsse mit ausführlichen Lebensdarstellungen und einem kategorisierenden Ordnungsschema wie das Ehrendekret für Boulagoras aus Samos kamen in den meisten Fällen kaum über eine Zusammenstellung von Einzelepisoden hinaus. Manche Ehrendekrete für eine Einzelleistung konnten hingegen wie der Beschluss für Menas aus Sestos durch die Rekapitulation von früheren Verdiensten zum Teil ausführliche Lebensbeschreibungen enthalten. Biographische Lebensdarstellungen waren die entsprechenden Beschlüsse durch die Ausrichtung auf eine Episode jedoch ebenfalls nicht. Durch den umfassende Darstellungsansatz in Verbindung mit dem einleitenden Abschnitt über Tugend und Charaktereigenschaften, die schon in der Jugend zum Vorschein kamen und als Leitmotive das gesamte Leben durchzogen, rückte gerade das Ehrendekret für Menas jedoch zumindest in die Nähe von literarischen Lebensbeschreibung.128 Als mündliche Vorträge vor den Volksversammlungen waren grundsätzlich allerdings auch die Ehrendekrete mit ausführlichen Lebensdarstellungen nach Form und Inhalt zunächst den rhetorischen Gattungen von ἔπαινος und ἐγκώμιον zugehörig und zeigten dementsprechend lediglich eine enge Verwandtschaft zu biographischen Darstellungen.129 Im Hinblick auf die moralische Zielsetzung ordneten sich die Beschlüsse zumeist in die aristotelische Kategorie des ἔπαινος ein. Lediglich einzelne Ehrendekrete aus Kolophon und Priene aus dem späten 2. Jhdt. v. Chr. scheinen auch in einem engeren Sinn die Anforderungen von literarischen Biographien erfüllt zu haben. Nach Kategorien geordnet präsentierten die Beschlüsse für Polemaios und Menippos aus Kolophon sowie die Beschlüsse für Moschion und Herodes aus Priene ausführliche Lebensdarstellungen der ausgezeichneten Personen.130 Die jeweiligen Motivberichte beleuchteten zahlreiche Aspekte der Tätigkeit von der frühesten Kindheit bis ins hohe Alter und reichten in Priene sogar noch bis über den Tod hinaus. Der genauen Verortung der Ehrendekrete im Spannungsfeld von Rhetorik und Biographie ist die folgende Darstellung gewidmet. 12.3.1 Erziehung und Ausbildung als Voraussetzungen für ein Leben im Dienst der Polis Die Ehrendekrete für Polemaios und Menippos aus Kolophon zeigten sowohl im strukturellen Aufbau als auch in der inhaltlichen Konzeption große Ähnlichkeiten und enthielten in einzelnen Abschnitten sogar nahezu identische Formulierun128 129 130

S. auch o. S. 315–322. Rosen 1987, 286. Zu ἔπαινος und ἐγκώμιον s. ausführlich o. S. 409–421. Die fragmentarischen Ehrendekrete für Krates und Herakleitos scheinen ebenfalls biographische Gesamtdarstellungen enthalten zu haben. S. auch u. S. 450.

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gen.131 Den Beginn der Motivberichte bildeten in beiden Ehrendekreten ausführliche Beschreibungen von Jugend und Ausbildung (M: I 1–10. P: I 1–46). Schon in frühen Jahren zeigten sich bei den jungen Männern die herausragenden Anlagen und Begabungen. Eigenschaften, die in der Jugend zum Vorschein gekommen waren, griffen die Beschlussvorlagen ebenso wie Fähigkeiten, die bei der Ausbildung erlernt worden waren, als Leitmotive im Hauptteil der Erzählungen auf. Der junge Polemaios ließ sich in Rhetorik und politischem Handeln ausbilden und bewirkte dementsprechend im Erwachsenenalter in Wort und Tat das Beste für die Polis.132 Durch zusätzliche Erfolge im sportlichen Bereich verwirklichte sich zudem das Konzept von einem ausgewogenen Training von Körper und Geist.133 Menippos konnte die erlernten Fähigkeiten gleich nach der Ausbildung in der politischen Praxis auf Gesandtschaftsreisen und durch Vorschläge in der Volksversammlung anwenden.134 Letztlich kamen die herausragenden Anlagen – entsprechend der aristotelischen Vorstellung vom Menschen als ζῷον πολιτικόν – erst in der politischen Tätigkeit zur vollen Geltung.135 Die in den Beschlüssen enthaltenen Konzepte spiegelten in diesem Zusammenhang vermutlich auch philosophische Überlegungen über Erziehung und Charakterentwicklung von jungen Männern – verwirklichte sich Tugend etwa im Denken des Aristoteles doch erst in den Handlungen der Menschen.136 Für eine gute Ausbildung hielten sich Polemaios und Menippos daneben zeitweise auch in Nachbarstädten wie Smyrna oder in Bildungszentren wie Rhodos und Athen auf. Die Studienaufenthalte in Smyrna und in Athen verbrachten die jungen Männer dabei jeweils im Anschluss an eine Festgesandtschaft und erhielten in Anerkennung ihres vorbildlichen Verhaltens zudem jeweils Ehrungen durch die gastgebende Stadt. Menippos gab in Athen ein Beispiel für seine Lebensweise und seine Erziehung.137 Polemaios verhielt sich auf seinen Studienreisen auf eine Weise, die der Würde der gastgebenden Polis und der Heimatstadt Kolophon entsprach, und zeigte in Smyrna 131

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Robert/Robert 1989, 11–17. 63–66. S. auch o. S. 270–283. Parallel zu den inhaltlichen Übereinstimmungen waren die beiden Ehrenmonumente auch im äußeren Erscheinungsbild nahezu identisch. S. o. S. 276. 281. I 21–22: λόγω καὶ πράξει πολιτι|κῇ. III 22–23: λέ|γων καὶ πράσσων. Zur Bedeutung der sportlichen Erfolge s. Robert/Robert 1989, 19. Vgl. Van Bremen 2007, 354. I 10–14: παραγενηθεὶς δὲ ἀπὸ τῆς σχολῆς ἀκόλουθον | ἑαυτὸν τοῖς προειρημένοις εὐθὺς ἐγ νέου παρέσ|χετο πρεσβεύων τε καὶ συμβουλεύων τὰ κράτισ|τα καὶ φιλοτιμίας οὐθενὸς λειπόμενος τῶν πο|λιτῶν. Zur praktischen Anwendung der erlernten Fähigkeiten s. Robert/Robert 1989, 69. Haake 2007, 221. S. etwa Arist. Pol. 1253 a 1–11. S. etwa Arist. EE 1219 b 11. 1228 a 18. EN 1103 a 26–b 25. 1105 a 17–b 18. 1178 a 28–36. MM 1190 a 34–b 6. Rh. 1367 b 28–30. S. auch Gray 2013, 239. 241–243. Vgl. Gehrke 2003, 228. Zu den peripatetischen Tugendvorstellungen s. ausführlich Dihle 1956, 57–87. I 4–5: δοὺς δὲ δεῖγμα τὸ κάλλιστον τοῦ βίου καὶ | τῆς παιδείας. Zur Beispielhaftigkeit der Leistungen s. Robert/Robert 1989, 67–69. Haake 2007, 219–221. Scholz 2008, 97.

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ἀρετή (43–44) und εὐταξία (44).138 Das Adjektiv ἄξιος als Verweis auf angemessenes und normkonformes Verhalten war ein Schlüsselbegriff in den Erzählungen über Jugend und Erziehung und zog sich leitmotivisch durch die gesamten Motivberichte.139 Auch die Polis selbst spielte bei der Ausbildung von Jugendlichen eine wichtige Rolle und übernahm eine erzieherische Funktion.140 In der Folge warf das gute und in den Agonen vorgeprüfte Betragen von eigenen Bürgern zugleich wiederum ein positives Licht auf deren jeweilige Heimatstadt. Durch herausragende Leistungen waren Personen wie Polemaios und Menippos als Erwachsene zudem selbst Tugendbeispiele und Vorbilder für die nachfolgenden Generationen. Die Hortativformel im Beschluss für Polemaios betonte dementsprechend insbesondere die protreptischen Aspekte der Ehrung.141 Die Abschnitte über Ausbildung und Studienreisen erfüllten in beiden Ehrendekreten eine einleitende Funktion und bildeten den Auftakt der Erzählungen. Im Anschluss berichteten die Beschlussvorlagen nach einem thematischen Ordnungsschema über öffentliche und private Leistungen.142 Die Festgesandtschaften als Beginn der politischen Karrieren fungierten dabei als Überleitung zu Außenpolitik und Gesandtschaftsreisen als den ersten Kategorien an Verdiensten. Das Ehrendekret für Menippos berichtete im Anschluss in zwei Abschnitten von innenpolitischen Funktionen und von privatem Engagement. Der Beschluss für Polemaios bot zunächst einen ausführlichen Bericht über finanzielle Leistungen und konzentrierte sich in der dritten Kategorie auf die Tätigkeit als Festspielleiter. Das politische Engagement brachte nach den philosophischen Vorstellungen der Zeit sowohl die guten Charaktereigenschaften als auch die besonderen Fähigkeiten, die in der Jugend erlernt worden waren, zur vollen Entfaltung und festigte die Tugenden zudem durch stete Wiederholung. Die Ehrendekrete für Polemaios und Menippos griffen dementsprechend in den Erzählungen an verschiedenen Stellen leitmotivische Schlüsselbegriffe wie φιλοτιμία und φιλανθρωπία auf und betonten Nützlichkeit und Bedeutung von Gesandtschafts-

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Zum Verhalten des Polemaios s. Robert/Robert 1989, 23–27. Haake 2007, 224–226. Scholz 2008, 96. M: I 2/I 6/II 33/III 8/III 17. P: I 27/I 33/III 5/V 22. Zur erzieherischen Rolle der Polis s. Gray 2013, 248–253. Vgl. auch Robert 1960, 213. Entsprechende Vorstellungen existierten in der griechischen Welt seit der klassischen Zeit. S. etwa Arist. EN 1179 b 30–1180 a 30. Pol. 1337 a 14–18. Zur erzieherischen Rolle des Philosophen im Staat aus Sicht der Stoa s. auch D. L. 7, 121. V 18–25: ὅπως οὖν | ἡ βουλὴ καὶ ὁ δῆμος φαίνηται τοὺς ἀγαθοὺς | ἄνδρας καὶ πολλὰ δείγματα τῆς ἀρετῆς | τεθικότας καὶ εἰς τὸν μέλλοντα χρόνον | τὰς ἀρίστας ἐλπίδας διδόντας καὶ ἀξί|ως τειμῶντες καὶ προτρεπόμενοι διὰ | τῶν {π}οιού{ν}των ἐπὶ τὰς εὐεργεσίας τὰς | κοινάς. Zu diesem Abschnitt s. Gray 2013, 252. S. auch o. S. 280 f. Das Verb προτρέπεσθαι findet sich in zahlreichen Ehrendekreten. Robert 1960, 213. Eine Sammlung von Belegen bietet Gray 2013, 248 Anm. 85. 249 Anm. 93. Zu Struktur und Aufbau der Erzählungen s. auch o. S. 272–274. 277–280.

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reisen und Ratschlägen.143 Menippos stand bei seinen Bemühungen zudem sowohl mit den Mitbürgern als auch mit sich selbst in stetem Konkurrenzverhältnis und versuchte die eigenen Leistungen für die Polis nach Möglichkeit noch zu steigern.144 Den Endpunkt der beiden Beschlussvorlagen bildete jeweils ein Ausblick in die Zukunft: So versprachen die beiden Bürger insbesondere, das jeweilige Engagement für die Polis auch weiterhin zu bewahren.145 Menippos konnte die Gültigkeit dieser Zusage durch die Übernahme der Kosten für die eigene Ehrenstatue dabei sogar bereits ein erstes Mal unter Beweis stellen.146 Die Erzählungen in den beiden Ehrendekreten reichten damit – ähnlich dem allgemeinen Motivbericht im Beschluss für Athenopolis aus Priene – von der Vergangenheit bis in die Zukunft und umspannten mit der ausführlichen Darstellung von Jugend und Erziehung sowie dem Ausblick auf künftige Leistungen zugleich das gesamte Leben der ausgezeichneten Personen.147 Dazwischen präsentierten die beiden Beschlüsse zudem einen umfassenden Überblick über öffentliche und private Verdienste und waren damit als ausführliche Lebensbeschreibungen gleichsam zwei Biographien von herausragenden Bürgern. Auch die Ausrichtung der Erzählungen auf Tugend und Ethos entsprach den Tendenzen von antiken Biographien zur moralischen Bewertung des Charakters.148 Historische Exkurse betteten die Beschlussvorlagen zudem in den zeitgeschichtlichen Hintergrund ein und gewährten in der Folge einen Einblick in die jüngste Vergangenheit der Polis. Nichtsdestotrotz blieben die Ehrendekrete für Polemaios und Menippos weiterhin Lobreden auf zwei herausragende Persönlichkeiten und sollten zudem auch Wertvorstellungen und Ideale der Polis vermitteln. So mag etwa die Gliederung der Erzählung nach Kategorien zunächst vornehmlich den Zuhörern in der Volksversammlung eine Orientierungshilfe geboten haben. Politische Erfolge bildeten dabei als wichtigstes Betätigungsfeld wie in den meisten Beschlüssen den Auftakt der 143

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Zur φιλοτιμία s. M: I 13/III 5. P: I 46/II 4/IV 14/42. Zur φιλανθρωπία s. M: I 21–22/II 40. P: III 35–36/46–47. Zur Nützlichkeit von Gesandtschaftsreisen s. M: I 12–13: πρεσβεύων τε καὶ συμβουλεύων τὰ κράτισ|τα. P: II 3–4: πρεσβεύων μὲν καὶ συμβουλεύ|ων τὰ συνφορώτατα. I 13–14: φιλοτιμίας οὐθενὸς λειπόμενος τῶν πο|λιτῶν. II 17–28: ὑπερθέμενος δὲ ἑ|αυτὸν. M: III 13–15: ἐπαγγέλλεται | δὲ καὶ εἰς τὸν λοιπὸν χρόνον τὴν αὐτὴν αἵρεσιν | εἰς τὰ τῆι πατρίδι συμφέροντα τηρήσειν. P: V 11–18: ἐπανγέλλεται κ[αὶ] εἰς τὸ λοιπὸν | χρόνον τὴν αὐτὴν αἵρεσιν σ[υ]νφυλάξειν | πρὸς τὰ τοῦ δήμου συνφέροντα μηθένα και|ρὸν παραλείπων μήτε τῶν πρὸς δόξαν μήτε | τῶν πρὸς τειμὴν μήτε τῶν πρὸς τὰς χρήας | τὰς πολιτικὰς τῶι δήμωι διαφερόντων, ἀλ|λὰ πειρᾶσθαι καθ’ ὑπέρθεσιν ἀνέλλιπτον πα|ρέξεσθαι τὴν ἑαυτοῦ σπουδήν. S. auch u. S. 448. III 34–41: ἐπαινέσαι δὲ αὐτὸν καὶ διότι θλιβομένης τῆς | πόλεως τὴν τιμὴν αὐτὴν ἀποδεχόμενον | παρὰ τοῦ δήμου καὶ τοῖς προγεγραμένοις ἀκόλου|θον γινόμενον ἐπαγγέλλεσθαι τελέσειν παρ’ ἑ[αυ]|τοῦ τὴν ἐσομένην δαπάνην εἰς τὴν εἰκόν[ος] | ἀνάθεσιν καίτοι γε τοῦ δήμου καὶ τὴν δαπάνην ἡ|δέως ἀναδεχομένου διὰ τὴν πρὸς Μένιππον ἐ|κτένειαν. Zum Ehrendekret für Athenopolis s. o. S. 285–287. 432–434. Zur moralischen Tendenz von literarischen Biographien s. zuletzt etwa Schepens 2007, 347–349.

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Darstellungen. Daneben strukturierten auch sprachliche Mittel wie μὲν – δέ Konstruktionen oder Gegensatzpaare in der Form οὐ μόνον – ἀλλὰ καί sowie die aufzählenden Partikeln τε, καί oder δὲ καί die Erzählungen. Das Ehrendekret für Menippos gliederte den Abschnitt über die fünf Gesandtschaften nach Rom – zugleich die wichtigsten Erfolge im außenpolitischen Bereich – in Anpassung an die mündliche Vortragssituation in drei Stufen. Zunächst sprach die Erzählung in allgemeinen Worten von den bedeutendsten Reisen im Auftrag der Polis (I 17–19). In einem zweiten Schritt zählte der Beschluss die verschiedenen Gegenstände der diplomatischen Missionen im Einzelnen auf.149 Der dritte Abschnitt rekurrierte auf die verschiedenen Anlässe, die den Zuhörern inzwischen bekannt waren, und berichtete von den Ergebnissen der einzelnen Reisen (I 31–50). Neben der formalen Strukturierung der Erzählungen zeigten die Beschlüsse auch auf den Ebenen von Sprache und Stil eine anspruchsvolle Gestaltung. So berichtete das Ehrendekret für Polemaios in einem allgemeinen Abschnitt von den Mühen während der Gesandtschaftsreisen und konstruierte einen Gegensatz zwischen dem engagierten Staatsmann und den übrigen Bürgern (II 16–24):150 (16) τοὺς μὲν λοιποὺς | τῶν πολιτῶν ἀπαρενοχλήτους | ἐῶν μένειν ἐπὶ τῶν ἰδίων, | αὐτὸς δὲ τὸν ὑπὲρ ἁπάντων | (20) κίνδυνον ἀναδεχόμενος | καὶ κατὰ γῆν καὶ κατὰ θάλασ|σαν σώματι κ{η}ὶ ψυχῆι καὶ | τῶι παντὶ βίωι περὶ τοῦ δήμου | (24) παραβαλλόμενος Die übrigen Bürger ließ er ungestört bei den eigenen Angelegenheiten bleiben, selbst aber nahm er die Gefahr für alle auf sich sowohl auf dem Land als auch auf dem Meer mit Leib und Seele und setzte sich mit der ganzen Existenz für den Demos ein.

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I 20–31: δὶς μὲν (…) τρίτον (…) τέταρτον (…) πέμπτον (…) ἐμ πάσαις δὲ. Die Erzählung gliedert sich in die Abschnitte αὐτὸς δὲ τὸν ὑπὲρ ἁπάντων | κίνδυνον ἀναδεχόμενος | καὶ κατὰ γῆν καὶ κατὰ θάλασ|σαν σώματι κηὶ ψυχῆι (19–22) und καὶ | τῶι παντὶ βίωι περὶ τοῦ δήμου | παραβαλλόμενος (22–24). Die bisherige Forschung hat ein gegensätzliches Verständnis der Stelle. S. etwa Robert/Robert 1989, 28. Lehmann 1998, 61. Parallel zu κατὰ γῆν καὶ κατὰ θάλασσαν ist σώματι κῆι ψυχῆι vermutlich als σώματι κ{η}ὶ ψυχῆι und nicht als σώματι κῆι ψυχῆι aufzulösen. So jedoch Robert/Robert 1989, 13. Die vorgeschlagene Ergänzung wird auch durch die – sogar von Robert/Robert als Parallele zitierte – Formulierung im Ehrendekret für Akornion aus Dionysopolis gestützt. IG Bulg 13, 38–40: καθόλου δὲ κατὰ πᾶσν περίστασιν κ[αι]|[ρ]ῶν ψυχῇ καὶ σώματι παραβαλλόμενος καὶ δαπάναις χρώμ[ε]|νος ταῖς ἐκ τοῦ βίου. Vgl. Robert/Robert 1989, 28. Zum Inhalt der Passage s. auch Wörrle 1995, 242–244. Haake 2007, 224.

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Mit rhetorischem Geschick stilisierte der Beschluss Polemaios in Abgrenzung von den übrigen Bürgern gleichsam zu einem «altruistischen Übermensch».151 Der Ausdruck ἐπὶ τῶν ἰδίων bildete den inhaltlichen Gegensatz zu den Formulierungen ὑπὲρ ἁπάντων und περὶ τοῦ δήμου. Die μὲν – δέ Konstruktion verdeutlichte in Verbindung mit dem parallelen Satzbau die kontrastierende Gegenüberstellung der unterschiedlichen Lebensentwürfe. Zudem verstärkte die Passage durch die rhetorische Gestaltung die Trennung zwischen Polemaios und den anderen Bürgern. Die Wortpaare γῆ/ θάλασσα und σῶμα/ψυχή verdeutlichen dabei das umfassende Engagement des herausragenden Bürgers in allen Bereichen. Einen weiteren rhetorischen Höhepunkt setzte die Erzählung daneben auch mit dem auf die Zukunft gerichteten Versprechen des Polemaios zum Ende des Motivberichts (V 11–18): ἐπανγέλλεται κ[αὶ] εἰς τὸ λοιπὸν | (12) χρόνον τὴν αὐτὴν αἵρεσιν σ[υ]νφυλάξειν | πρὸς τὰ τοῦ δήμου συνφέροντα μηθένα και|ρὸν παραλείπων μήτε τῶν πρὸς δόξαν μήτε | τῶν πρὸς τειμὴν μήτε τῶν πρὸς τὰς χρήας | (16) τὰς πολιτικὰς τῶι δήμωι διαφερόντων, ἀλ|λὰ πειρᾶσθαι καθ’ ὑπέρθεσιν ἀνέλλιπτον πα|ρέξεσθαι τὴν ἑαυτοῦ σπουδήν. Er verspricht auch für die übrige Zeit dieselbe Einstellung zu bewahren in Bezug auf den Nutzen für das Volk, wobei er keine Gelegenheit auslassen will weder bei den Dingen bezüglich des Ansehens noch bezüglich der Ehre noch bezüglich der politischen Notwendigkeiten für das Volk, und ebenso zu versuchen, gemäß seinem Vorsatz den eigenen Eifer unermüdlich unter Beweis zu stellen. Die lange Aneinanderreihung von Verneinungen bekräftigte gemeinsam mit der Gegensatzkonstruktion, die durch die kontrastierende Konjunktion ἀλλὰ verstärkt wurde, die Vorsätze des Polemaios. Stilmittel wie Litotes und Trikolon unterstützten die Aussageintention und verliehen dem Abschnitt eine dem Inhalt entsprechende Form. Auch das Ehrendekret für Menippos arbeitete mit Stilmitteln wie Allitera-

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Wörrle 1995, 244. Zum Inhalt der Passage s. o. S. 280. Die Forschung verwendet im Zusammenhang mit den entsprechenden Leistungen oftmals das Nomen φιλοπονία – im Ursprung ein Begriff aus dem gymnasialen Kontext. S. etwa Wörrle 1995, 244. 246. Zum Ursprung des Begriffs s. ausführlich Van Bremen 2007, 356–359. Zur Beschreibung eines herausragenden Bürgers scheinen die Ehrendekrete den Ausdruck in der Regel jedoch nicht verwendet zu haben. So jedoch Van Bremen 2007, 357: «(…) the word philoponia (…) entered the mainstream of honorific political vocabulary and became one of the civic politician’s much-praised qualities.» Der Begriff scheint im Gegenteil weitgehend auf den sportlichen Kontext beschränkt. S. etwa den Beschluss für Menas aus Sestos. I. Sestos 1, 71. 83. Die Verwendung des Begriffs in Ehrendekreten zur Charakterisierung der jeweiligen Personen scheint eine Ausnahme gewesen zu sein – auch wenn das Konzept in den Erzählungen durchaus präsent gewesen sein mag. Für seltene Beispiele s. etwa IG XII 5, 129, 10. I. Metropolis I B 6.

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tion und Litotes und betonte Aussagen durch eine Aneinanderreihung von Verneinungen.152 Die Motivberichte in den Ehrendekreten für Polemaios und Menippos waren somit sowohl Reden, die für einen mündlichen Vortrag konzipiert waren, als auch – zumindest im Ansatz – literarische Biographien auf Stein. Als Lobreden lieferten die Beschlüsse die Begründungen für die Auszeichnung der beiden herausragenden Personen. Sprache und Gestaltung orientierten sich an den Bedürfnissen der Zuhörer in der Volksversammlung und waren zugleich Teil der rhetorischen Überzeugungsstrategien. Gleichsam als literarische Werke boten die beiden Motivberichte zudem ausführliche Lebensdarstellungen mit biographischem Anspruch und präsentierten am Beispiel der Karrieren von Polemaios und Menippos zugleich das Leben von vorbildlichen Idealbürgern, deren persönliche Einstellung ebenso wie deren Taten stets auf das Wohl von Polis und Bürgern ausgerichtet waren. 12.3.2 Vorbilder bis über den Tod hinaus – Politische Biographien aus dem späthellenistischen Priene Im Zuge der Neuerrichtung der Nordhalle auf der Agora um die Mitte des 2. Jhdts. v. Chr. entwickelte die Polis Priene auch eine einheitliche Konzeption für die Aufzeichnung von Ehrendekreten an den Hallenwänden.153 So bot der Beschluss für Athenopolis zunächst theoretische Überlegungen zu Bürgertugenden sowie zur vorbildlichen Lebensgestaltung im Dienst der Polis, während die anschließenden Ehrendekrete für Moschion und Herodes mit der vorangegangenen Darstellung korrespondierten und in ausführlichen Erzählungen, die als umfassende Lebensbeschreibungen gestaltet waren, praktische Umsetzungen der theoretischen Überlegungen präsentierten.154 In den Karrieren der beiden herausragenden Bürger verwirklichten sich demnach die Wertvorstellungen und Tugendideale der Polis. Gemeinsam bildeten die drei Beschlüsse an der Westwand der Nordhalle, deren ursprüngliche Konzeption möglicherweise sogar lediglich die Anbringung der beiden Ehrendekrete für die Brüder Athenopolis und Moschion als sich ergänzende Darstellungen von Bürgertugend in Theorie und Praxis vorgesehen hatte, daneben auch ein optisches Ensemble. Das Aussehen von «Dokumentenwänden» gewannen die Wände der Nordhalle demnach in jedem Fall erst durch die Aufzeichnung von weiteren Ehrendekreten

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I 4: δοὺς δὲ δεῖγμα. I 13: φιλοτιμίας οὐθενὸς λειπόμενος. II 50: οὐκ ὀλία. III 2–3: καιρὸν οὐθένα | παριεὶς οὐδὲ χρείαν οὐδεμίαν ἀνανκαίαν. Zur planvollen Anbringung der Inschriften durch die Polis s. Fröhlich 2005, 251 f. Vgl. auch Bielfeldt 2012, 108. S. auch o. S. 286 f. Verantwortlich für die Anbringung der Inschriften war der ἀρχιτέκτων der Polis. I. Priene 107 = I. Priene2 63. I. Priene 108 = I. Priene2 64. I. Priene 109 = I. Priene2 65. S. auch o. S. 285–295. 432–434.

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im Verlauf der folgenden Jahrzehnte. Wie die Beschlüsse für Moschion und Herodes boten dabei vermutlich auch die späteren Ehrendekrete für Krates und Herakleitos ausführliche Lebensbeschreibungen der ausgezeichneten Personen.155 So war insbesondere der ausführliche Motivbericht im Beschluss für Krates, der sowohl bei außenpolitischen Tätigkeiten wie der Übernahme von Gesandtschaftsreisen als auch bei den städtischen Funktionen als Festspielleiter oder als Kranzträger sein Engagement für die Polis gezeigt hatte, mit Sicherheit nicht auf einen einzelnen Themenkomplex beschränkt.156 Im Umfang erreichte der Beschluss die Lebenswerkdekrete für Moschion und Herodes und wird demnach ebenfalls einen ausführlichen Tatenbericht mit biographischem Anspruch enthalten haben.157 Gerade in den beiden Ehrendekreten für die Brüder Athenopolis und Moschion beschränkte sich die einheitliche Konzeption zudem nicht auf Form und Layout. So zeigten die Beschlüsse im Hinblick auf Tugendkonzepte und Wertvorstellungen als sich ergänzende Darstellungen eines vorbildlichen Lebens in Theorie und Praxis auch auf der inhaltlichen Ebene große Parallelen – zugleich ein weiteres Indiz für die planvolle Gestaltung des Ensembles. Die Beschlussvorlage des Zotion umfasste dabei das gesamte Leben des Moschion seit der frühesten Kindheit und spannte durch die prospektiv verliehenen postumen Ehrungen gemäß dem Anspruch der ganzheitlichen Lebensdarstellung einen Bogen bis zum Tod des herausragenden Bürgers. Insgesamt bewegte sich das Ehrendekret damit in derselben Vorstellungswelt wie der Beschluss für Athenopolis. Der «wahre» ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός setzte sich von der Jugend an das ganze Leben für Polis und Demos ein und ließ auch für die Zukunft bis zum Tod nicht im Engagement um die Stadt nach. Die Vergabe von postumen Ehrungen, die neben Verpflichtung und Ansporn selbstverständlich auch eine zusätzliche Anerkennung sowie die Aussicht auf dauerhafte und fort155

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I. Priene 111 = I. Priene2 67. I. Priene 117 + 86 = I. Priene2 71. S. auch o. S. 296–301. Vgl. Fröhlich 2005, 228: «décrets (…) votés au terme d’une carrière.» Definitive Aussagen über Inhalt und Aufbau der Ehrendekrete für Krates und Herakleitos erlaubt der schlechte Erhaltungszustand der beiden Beschlüsse jedoch nicht. Weitere Beschlussfragmente von den Wänden der Nordhalle lassen sich ebenfalls nicht mit Sicherheit bestimmten Kategorien von Ehrendekreten zuordnen. So jedoch Wallace 2014, 39–42. Wallace vergleicht den Beschluss für Krates mit den Ehrendekreten für Zosimos. Die Beschlüsse unterscheiden sich jedoch sowohl in der inhaltlichen Konzeption als auch in der Länge der Motivberichte. Zur unterschiedlichen Gestaltung der Ehrendekrete s. etwa Fröhlich 2005, 228. Die explizite Kritik von Wallace an Ferrary (2000) ist unberechtigt. S. auch o. S. 297. 299 f. Die Länge des Ehrendekrets für Krates mit den breiten Kolumnen und dem gedrängten Schriftbild spricht gegen eine Beschränkung des Motivberichts auf einen einzelnen Themenkomplex. Die Beschlüsse für Zosimos erreichen im Vergleich trotz der breiten Kolumnen weder in Länge noch in Umfang die Lebenswerkdekrete für Moschion und Herodes. S. auch Ager 1996, 508: «(…) an extremely lengthy honorary decree for ­Krates (…).»

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währende Erinnerung bedeuteten, spiegelte daneben vermutlich auch philosophische Vorstellungen von einem erfüllten Leben. Erst nach einem guten Tod ließ sich das bis zum Ende glückliche und geglückte Leben eines Menschen in der Gesamtheit angemessen beurteilen.158 In Analogie konnte sich der wahrhafte ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός, der sein Engagement während des gesamten Lebens beibehalten hatte, erst mit dem Tod zeigen. Mit dem Ansatz der ganzheitlichen Lebensbeschreibung war das Ehrendekret für Moschion gleichsam eine biographische Darstellung, die mit literarischen Biographien zudem die moralischen Intentionen sowie die Vorstellung von der angemessenen Beurteilung des Lebens im Tod teilte. Der Motivbericht begann die Darstellung dementsprechend auch mit einer allgemeinen Betrachtung der guten Charaktereigenschaften, die schon in der frühesten Kindheit zu Tage getreten waren (14–23): [ἐ]πειδὴ Μοσχίων Κυδίμου γεγονὼς ἀπὸ τῆς πρ[ώ]|[της ἡλικίας ἀ]νὴρ κα[λ]ὸς καὶ ἀγαθὸς καὶ βεβιωκὼς εὐσ[ε]|(16)[βῶς μὲ]ν πρὸς θεούς, ὁ[σ]ίως δὲ πρὸς τοὺς γονεῖς καὶ τοὺ[ς] | [συμ]β[ι]οῦντας ἐν οἰκ[ε]ιότηιτι καὶ χρήσει καὶ τοὺς λοιπο[ὺς] | πολίτας πάντας, δικαίως δὲ καὶ φιλοδόξως προσε[νη]|[ν]εγμένος τῆι πατρίδι καὶ καταξίως τῆς τῶν πρ[ογόνων] | (20) ἀρετῆς τε καὶ δόξης, διαμαρ[τ]υρουμένην ἐσχηκ[ὼς διὰ παν]|τὸς τοῦ βίου τὴν παρὰ τῶν θεῶν εὐμένεια[ν] κα[ὶ τὴν παρὰ] | [τ]ῶν [σ]υμπολιτευομένων καὶ τῶν κατοικού[ντων εὔνοι]|[α]ν ἐπὶ τοῖς κατὰ τὸ κάλλιστον πρασσο[μένοις]. Da Moschion, der Sohn des Kydimos, der seit der frühesten Jugend ein ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός ist und der lebt fromm gegenüber den Göttern, pflichtbewusst gegenüber den Eltern und denen, die in Verwandtschaft und Bekanntschaft zusammenleben, und allen übrigen Bürgern, der sich gerecht und ehrliebend verhält zur Heimat und würdig der Tüchtigkeit und dem Ruhm der Vorfahren, der als Zeugnis hat während des ganzen Lebens das Wohlwollen von den Göttern und die Gunst von den Mitbürgern und den anderen Bewohnern der Stadt für die, die nach dem Besten handeln. Neben den inhaltlichen Parallelen suchte die Einleitung sogar in einzelnen Formulierungen die Anlehnung an das Ehrendekret für Athenopolis. Zotion erzeugte demnach auch durch die Wortwahl, die über zufällige Gemeinsamkeiten in Anklang an allgemeine Tugendvorstellungen hinausging, eine Verbindung zwischen den beiden als Gesamtensemble gestalteten Beschlüssen. Wie sein Bruder Athenopolis war auch Moschion seit der Jugend ein ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός, erwies sich würdig der Tugend der Vorfahren, setzte sich für die Polis und die Mitbürger ein und strebte nach dem

158

Entsprechende Vorstellungen begegnen bereits im Geschichtswerk des Herodot (1, 30–33) in einem fiktiven Gespräch zwischen Solon und Kroisos.

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Die literarische Qualität der Ehrendekrete

κάλλιστον.159 Durch den Superlativ wurde zudem ein weiteres Mal die allmähliche Steigerung der Leistungen angedeutet. In einzelnen Aspekten der Darstellung wie der Frömmigkeit gegenüber den Göttern ging das Ehrendekret für Moschion daneben auch über den vorangegangenen Beschluss hinaus.160 Die allgemeine Einleitung diente jedoch nicht ausschließlich der Anknüpfung an den Beschluss für Athenopolis, sondern bildete zugleich den programmatischen Auftakt des Motivberichts, der auf Vorstellungen und Konzeptionen des leitmotivischen Prologs zurückgriff und die Leistungen des Moschion als konkrete Verwirklichung der guten und seit der Jugend in Ansätzen zu erkennenden Charakteranlagen präsentierte. Ähnlich dem Ehrendekret für Menas aus Sestos oder den Beschlüssen für Polemaios und Menippos aus Kolophon rekurrierte der Tatenbericht dementsprechend in einzelnen Formulierungen oder auch in zusammenfassenden Abschnitten auf die allgemeinen Vorstellungen der Einleitung oder verwies auf die grundsätzliche Einstellung des Moschion.161 Zotion hatte seine Beschlussvorlage nach thematischen Kategorien geordnet. Den Auftakt der politischen Karriere des Moschion bildete wie bei Polemaios und Menippos in Kolophon eine Festgesandtschaft, die im Rahmen der Erzählung zugleich den ersten Beleg für die herausragende Einstellung des Moschion bot (28–30). Entsprechende – vornehmlich repräsentative – Aufgaben waren in griechischen Städten ein politisches Einstiegsamt und boten eine erste Möglichkeit, die Kommunikation mit Politikern aus anderen Städten einzuüben und erste Freundschaftsbeziehungen zu knüpfen. Im Anschluss berichtete Zotion von den zahlreichen Verdiensten des Moschion in verschiedenen Bereichen des öffentlichen Lebens und thematisierte dabei neben finanziellen und materiellen Leistungen auch außenpolitische Erfolge und städtische Funktionen. Höhepunkt der Karriere war die Übernahme der eponymen Stephanephorie. Letztlich wird diese Tätigkeit, die zugleich das Erreichen des höchsten Lebensziels bedeutete, den Anlass zur Verabschiedung des Ehrendekrets gegeben haben. Der Beschluss war in der Darstellung jedoch – etwa im Gegensatz zum Ehrendekret für Menas aus Sestos – nicht ausschließlich auf diese Einzelleistung zugespitzt, sondern präsentierte in weiten Teilen einen ausgewogenen Bericht vom gesamten Leben des herausragenden Bürgers. Innerhalb der einzelnen Abschnitte folgten die Leistungen der chronologischen Ordnung und waren durch die Nennung der eponymen Stephanephoren sogar auf 159

160 161

Zum Ehrendekret für Athenopolis s. o. S. 285–287. 432–434. Zur allgemeinen Würdigung des Moschion s. Gauthier 1985, 58 f. Gehrke 2003, 229. Zu einem Verhalten καταξίως τῆς τῶν προγόνων | ἀρετῆς τε καὶ δόξης (19–20) s. allgemein Quaß 1993, 47. Zur Erweiterung des Tugendkonzepts s. auch Wörrle 1995, 247. 28–30: ἦ[ν γὰρ] π.[ρο]|ελόμενος ἀρχῆς ὑποστήσασθαι καλὸν ἀπόδειγμα τῆς | τε πρὸς θεοὺς ὁσιότητος καὶ τῆς πρὸς τὴν πόλιν αρέσεως. 32–33: βουλόμενος | ἐμ παντὶ καιρῶι μὴ προλείπειν τὸ τῆς πατρίδος ἐπεῖγον. 251–253: εὐσεβῶς μὲν πρὸς θεοὺς διακείμενον, | [ὁσίως δὲ πρ]ὸς γονεῖς προσενηνεγμένον, δικαίως δὲ πρὸς | [τὸν δ]ῆμον ἀεί ποτε καὶ φιλαγάθως ἔχοντα. Zur grundsätzlichen Einstellung des Moschion s. auch Wörrle 1995, 243 f.

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das Jahr genau datiert, wodurch insbesondere der Abschnitt über die finanziellen und materiellen Leistungen des Moschion beinahe wie eine annalistische Chronik wirkte.162 Zusätzlich zur Datierung kennzeichneten die Partikeln τε und δέ jeweils den Beginn eines neuen Abschnitts und strukturierten damit den gesamten Motivbericht. Daneben verdeutlichten auch andere Mittel der Darstellung wie Konstruktionen mit μὲν – δέ oder die Wendung οὐ μόνον – ἀλλὰ καί den Aufbau der Erzählung. Zugleich sollte die formale Strukturierung auch die inhaltlichen Aussagen unterstützen. Im einleitenden Abschnitt (14–23) bemühte sich der Verfasser in Wortstellung und Satzbau um eine sprachliche Trennung der einzelnen Tugendbegriffe und unterschied zudem zwischen Bedeutungsnuancen der präsentierten Eigenschaften wie εὐσεβῶς (15–16) und ὁσίως (16). Stilmittel wie Parallelismus und Hyperbaton unterstützten die Aussageintentionen und rundeten die Einleitung ab. Ebenso bemühte sich Zotion auch mit rhetorischen Mitteln oder durch ausgefallene Formulierungen um eine ansprechende Gestaltung der Beschlussvorlage. Für den Tod des Moschion fand die Erzählung etwa die euphemistische Umschreibung als Übertreten in das Unvermeidliche.163 Obwohl das Ehrendekret für Moschion demnach in der Summe zunächst als Rede vor der Volksversammlung konzipiert gewesen zu sein scheint, wird Zotion die Beschlussvorlage daneben vermutlich schon von Beginn an auch im Hinblick auf die dauerhafte Aufzeichnung an der Westwand der Nordhalle komponiert haben. So waren die Leitmotive des Beschlusses an die Konzepte aus dem Ehrendekret für Athenopolis angelehnt und sollten eine praktische Ergänzung zu den theoretischen Wertvorstellungen und Tugendkonzepten der Polis bieten. Dabei bot das Ehrendekret für Moschion, das in thematischen Kategorien das ganze Leben von der Jugend bis zu den postumen Ehrungen umspannte, in der Gesamtkomposition auch eine umfassende Biographie eines idealen Bürgers, in dessem langen Karriereweg die Übernahme der Stephanephorie als höchstes Ziel eines Lokalpolitikers den vorläufigen Höhepunkt markierte. Die endgültige Erfüllung eines tugendhaften Lebens im Dienst der Polis bildeten jedoch erst die postumen Ehrungen. Durch die jahrweise Aufzählung von Ereignissen lehnte sich die Erzählung in einzelnen Abschnitten zudem an annalistische Darstellungen an und rückte im Hinblick auf die literarischen Elemente auch insgesamt in die Nähe von Biographie und Historiographie. In der Summe blieb der Beschluss dabei jedoch nichtsdestotrotz stets eine Lobrede vor der Volksversammlung. Mit der Anbringung des Ehrendekrets für Herodes schloss die Polis Priene die Gestaltung der Westwand vorerst ab und sollte die Publikation von entsprechenden Inschriften in der Folge mit den Beschlüssen für Menedemos und Krates, die vermutlich bereits der nächsten Bürgergeneration angehörten, auch erst im frühen 1. Jhdt. v. Chr. fortsetzen. Der Beschluss für Herodes suchte dabei sowohl in der Form 162 163

31. 39. 51. 57. 63. 68. 79. 89. 102. 213. 217. 219. 345–346: τῆς εἰς | τὸ χρεὼ μεταστάσεως.

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Die literarische Qualität der Ehrendekrete

als auch im Inhalt noch die enge Anlehnung an die vorangegangenen Ehrendekrete und glich, während die drei Inschriften schon in der äußeren Gestalt einen einheitlichen Eindruck erweckt haben müssen, in Aufbau und Gliederung insbesondere dem Beschluss für Moschion. So war der Motivbericht ebenfalls nach Kategorien geordnet und umspannte das gesamte Leben bis zu den postumen Ehrungen. Ebenso vermittelte die ausführliche Darstellung einen Eindruck von der idealtypischen Karriere eines ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός. Den verlorenen Auftakt der Erzählung mögen erneut allgemeine Reflexionen zu Tugend und Charaktereigenschaften, deren Anlagen sich seit der frühesten Kindheit gezeigt hatten, gebildet haben. Im Anschluss berichtete der Beschluss über die Zuneigung gegenüber dem verstorbenen Vater (32–37): (32) ἅμα τῆι πρὸς τὸν πατέρα συναυξηθείσῃ | μέχρι τέλους εὐνοίᾳ τε καὶ προμηθίᾳ{ον} τῆς ἑαυτοῦ | καλοκἀγαθίας ἀπόδ[ε]ιγμα τὸ κάλλιστον διδοὺς εὐσε|βείαι, οὐ μόνον τῆ[ς πάντων τῶν συνα]ναστρεφομένων | (36) πολι[τ]ῶν [τε καὶ ξένων εὐνοίας, ἀλλὰ καὶ τῆς τ]ῶν θεῶν | χάριτος [ἔτυχε]. Indem er zugleich mit dem bis zum Ende gegenüber dem Vater gemehrten Wohlwollen wie auch mit der Fürsorge den schönsten Beweis der eigenen καλοκἀγαθία gegeben hat durch Frömmigkeit, hat er nicht nur das Wohlwollen von allen mit ihm lebenden Bürgern und Fremden, sondern auch die Gunst der Götter erlangt. Herodes war demnach im Kontext der Beerdigung des Vaters vermutlich zum ersten Mal im politischen Leben der Stadt in Erscheinung getreten und hatte zu diesem Ereignis bereits seine herausragenden Charaktereigenschaften wie καλοκἀγαθία, εὐσέβεια und εὔνοια, die der Abschnitt zugleich als allgemeine Leitmotive für die anschließende Lebensbeschreibung präsentierte, unter Beweis stellen können.164 In der Folge berichtete die Erzählung dann in mehreren Kategorien, die durch zusammenfassende Würdigungen der jeweiligen Verdienste abgerundet wurden, neben Festgesandtschaften und politischen Gesandtschaftsreisen von städtischen Funktionen in Verbindung mit privatem Engagement.165 Obwohl die Bekleidung der Stephanephorie dabei erneut den inhaltlichen wie kompositorischen Höhepunkt der Karriere bildete, war die ausgewogene Lebensdarstellung, die zudem von leitmotivischen Verweisen auf Tugend und Charaktereigenschaften des Herodes durchzogen war, nicht ausschließlich auf die bedeutende Einzelleistung ausgerichtet. Am Ende des Motivberichts rekapitulierte der Beschluss dementsprechend die Gesamtleistung des Herodes und griff dabei vermutlich erneut auch die Leitmotive der 164

165

Auch in der römischen Aristokratie waren Leichenreden auf die verstorbenen Väter für viele Söhne die erste Bewährungsprobe im öffentlichen Leben. Zur laudatio funebris in Rom s. ausführlich Flower 1996, 128–158. Zur thematischen Gliederung des Motivberichts s. auch o. S. 292 f.

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Erzählung auf.166 Konjunktionen wie τε und δέ sowie τε καί und δὲ καί verdeutlichten ebenso wie μὲν – δέ Konstruktionen oder die Wendung οὐ μόνον – ἀλλὰ καί zudem den Aufbau der Erzählung. Die sprachliche Gestaltung orientierte sich demnach erneut an den Bedürfnissen der Zuhörer in der Volksversammlung. Einzelne Ereignisse datierte daneben auch das Ehrendekret für Herodes zusätzlich im Stil eines annalistischen Geschichtswerks durch die Nennung des eponymen Stephanephoros.167 Der Beschluss war dabei vermutlich erneut von Anfang an sowohl als Rede vor der Volksversammlung als auch im Hinblick auf eine dauerhafte Publikation an der Westwand konzipiert und knüpfte dementsprechend auch im Inhalt an die vorangegangenen Beschlüsse an. So präsentierte die Erzählung in thematischen Kategorien ebenfalls die ideale Biographie eines herausragenden Bürgers und ließ auch Herodes durch die prospektiv ausgesprochenen postumen Ehrungen bis zum Ende den Anspruch eines vorbildlichen Lebens im Dienst der Polis erfüllen. In den zahlreichen Parallelen zum Ehrendekret für Moschion mag zudem eine Konkurrenz der beiden Zeitgenossen um Ehre und Ansehen in Priene zum Ausdruck gekommen sein. Während die formale Übereinstimmung der Beschlüsse dabei für beide Bürger vermutlich die gleiche Anerkennung bedeutete, konnte Herodes seinen mutmaßlichen Konkurrenten Moschion im Umfang der verliehenen Privilegien sogar noch übertreffen. In jedem Fall boten die ausführlichen Tatenberichte die Möglichkeit zum Vergleich der Leistungen und dienten dabei ebenso der Distinktion gegenüber anderen Bürgern. Zu einem großen Teil werden die beiden Inschriften dementsprechend zunächst mit Sicherheit auch zur individuellen Ehre der herausragenden Persönlichkeiten beigetragen haben. Insbesondere in Verbindung mit den theoretischen Konzepten aus dem Ehrendekret für Athenopolis waren die langen Erzählungen in den Beschlüssen für Moschion und Herodes jedoch auch Beispiele für die praktische Verwirklichung eines vorbildlichen und tugendhaften Lebens im Dienst der Polis. Mit dem ganzheitlichen Darstellungsanspruch und den moralischen Intentionen war auch das Ehrendekret für Herodes eine biographische Darstellung. Dennoch blieb die ausführliche Lebensbeschreibung ebenso wie der Beschluss für Moschion in Form und Umfang eine Lobrede vor der Volksversammlung. 12.3.3 Ehrendekrete und Biographie Den verschriftlichten Lebenswerkdekreten aus Kolophon und Priene müssen in der Summe auch im späten 2. Jhdt. v. Chr. stets die üblichen Diskussionen in der Volksversammlung vorausgegangen sein. Die Beschlussvorlagen waren dementsprechend 166 167

225–227: [κα]|θόλου τε καὶ λέγων [καὶ πράσσων τὰ τῆι πόλει] συμφέ[ροντα δια]|τελεῖ. 53. 141. 142–143. In den verlorenen Abschnitten mag der Beschluss weitere Datierungen nach eponymen Stephanephoren erhalten haben.

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zunächst für eine mündliche Präsentation konzipiert und orientierten sich in der Folge in Sprache und Gestaltung zunächst an den Bedürfnissen der Zuhörer während der Verlesung der langen Anträge. Die Gliederung der Motivberichte nach Kategorien oder die Zusammenfassungen am Ende der einzelnen Abschnitte verdeutlichten dabei die Strukturen der Erzählungen und vermittelten zusammen mit den leitmotivischen Tugendbegriffen die Kernaussagen der Beschlüsse. Sprachliche Mittel wie aufzählende Partikeln oder Gegensatzkonstruktionen erleichterten den Zuhörern zusätzlich die inhaltliche Orientierung während der langen Vorträge. Gleichzeitig zielten die Beschlussvorlagen jedoch von Anfang an auch auf eine dauerhafte Publikation und scheinen in Priene im Hinblick auf die literarische Gestaltung zum Teil sogar als zusammenhängendes Ensemble konzipiert gewesen zu sein. Neben der persönlichen Ehre der herausragenden Bürger diente die Veröffentlichung der Ehrendekrete dabei auch zur Verbreitung von bürgerlichen Wertvorstellungen. Bei der literarischen Umsetzung der Aussageintentionen offenbarten die Erzählungen stets einheitliche Konzeptionen und zeichneten damit ein zusammenhängendes Bild von den Tugendidealen der jeweiligen Polis. So verwirklichten sich in den individuellen Karrieren zugleich auch allgemeine Vorstellungen von der vorbildlichen Lebensgestaltung eines herausragenden Bürgers.168 Die Ehrendekrete umspannten zu diesem Zweck das gesamte Leben der Protagonisten, deren wahre Persönlichkeit sich erst in der Rückschau auf das gesamte Leben zeigte, und propagierten das Ideal eines fortwährenden und dauerhaften Engagements von der Jugend über die aktuellen Ehrungen hinaus bis zum Tod. Die Einforderung eines steten Einsatzes für die Polis mag dabei zum Teil auch eine Reaktion auf grundsätzliche Strukturprobleme gewesen sein – scheinen viele Städte in der Praxis doch oftmals Schwierigkeiten bei der dauerhaften Verpflichtung von Bürgern zu öffentlichen Leistungen gehabt zu haben.169 In den meisten Fällen wird erst ein besonderes Ereignis wie die Übernahme der Stephanephorie den Anlass zur Verabschiedung der Lebenswerkdekrete gegeben haben. Die entsprechenden Tätigkeiten bildeten dazu auch auf der literarischen Ebene den Höhepunkt der Darstellungen – zumal die rhetorischen Usancen für eine gelungene Lobrede einen strahlenden Höhepunkt als krönenden Abschluss verlangten. Insgesamt präsentierten die Beschlüsse jedoch ausgewogene Lebensbeschreibungen und waren – etwa im Gegensatz zum Ehrendekret für Menas aus Sestos – nicht auf eine Einzelleistung ausgerichtet. Mit den als Inschriften publizierten Ehrendekreten, die insbesondere den Anspruch der umfassenden Lebensdarstellung sowie die moralischen Intentionen mit literarischen Lebensbeschreibungen teilten, stellten die Städte Kolophon und Priene demnach in der Summe idealisierende Biographien von herausragenden Bürgern in 168 169

Zur Vermittlung von bürgerlichen Idealbildern durch die Ehrendekrete s. Wörrle 1995, 241. Vgl. auch Gehrke 2003, 228. Dreyer 2010, 352–354. Zu Problemen der Städte bei der Verpflichtung von Bürgern s. etwa o. S. 304 f. 371.

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den öffentlichen Raum.170 Da die Beschlüsse in Inhalt und Konzeption jedoch auch weiterhin Lobreden auf verdiente Persönlichkeiten blieben, waren auch die späthellenistischen Lebenswerkdekrete, die in der Darstellung insbesondere negativer Aspekte sowie einer distanzierten Analyse ermangelten, keine Biographien in einem literarischen Sinn. In der griechischen Literatur begegneten vergleichbare Lobreden mit ausführlichen Biographien zum ersten Mal in der spätklassischen Zeit. So verfassten Xenophon und Isokrates um die Mitte des 4. Jhdts. v. Chr. Enkomien auf den spartanischen König Agesilaos und den zypriotischen Monarchen Euagoras. Beide Texte beinhalteten jeweils eine ausführliche Lebensbeschreibung der Herrscher und waren als «Fürstenspiegel» durch die starke Idealisierung gleichsam «biographische Enkomien» – vermutlich auch für die späthellenistischen Lebenswerkdekrete aus Kolophon und Priene eine zutreffende Beschreibung.171 Durch ihre moralischen Intentionen gehörten die Beschlüsse streng genommen jedoch zur aristotelischen Kategorie des ἔπαινος und lassen sich demnach – der präzisen Begriffstrennung des Aristoteles folgend – auch als biographische ἔπαινοι bezeichnen.172 Die literaturgeschichtliche Lücke in der politischen Biographie von Isokrates und Xenophon bis zu Plutarch können dabei allerdings selbst die späthellenistischen Ehrendekrete nicht vollständig schließen – blieben die Beschlussvorlagen mit der Volksversammlung als der primären Kommunikationsebene doch stets Lobreden auf herausragende Einzelpersönlichkeiten.173 Auf Inhalt und Gestaltung der Erzählungen werden zeitgleiche Entwicklungen im Feld der literarischen Biographien ebenso wie in den Bereichen von Historiographie und Rhetorik jedoch großen Einfluss genommen haben.

12.4 Hellenistische Ehrendekrete im Spannungsfeld von Rhetorik, Biographie und Geschichtsschreibung Die Motivberichte in den verschriftlichten Ehrendekreten entsprachen in vielen Fällen weitgehend den ursprünglichen Beschlussvorlagen aus den Volksversammlungen. In Aufbau und Gestaltung sowie in Sprache und Stil orientierten sich die Erzählungen an den Bedürfnissen der Zuhörer während der mündlichen Vorträge. Aufzählende Partikeln halfen bei der sprachlichen Strukturierung. Wiederholungen und Zusammenfassungen sowie Ringkompositionen und Leitmotive verdeutlichten die Kernaussagen und dienten den Zuhörern als inhaltliche Orientierungshilfen. Manche 170 171 172 173

Zu den moralischen Intentionen von Historiographie und Biographie s. zuletzt Schepens 2007, 347–349. Zum Agesilaos des Xenophon als «biographischem Enkomion» s. Reichel 2007, 28–31. Zu den aristotelischen Kategorien der Lobrede s. o. S. 410–414. So jedoch Errington 2005, 28.

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Die literarische Qualität der Ehrendekrete

Inschriften nahmen durch optische Mittel zusätzlich Rücksicht auf die Bedürfnisse der Rezipienten und kennzeichneten etwa Sinneinschnitte durch Leerstellen. Überschriften konnten durch große Buchstaben hervorgehoben werden. Als Lobreden auf herausragende Persönlichkeiten bedienten sich die Beschlussvorlagen daneben auch der Mittel der zeitgenössischen Rhetorik und verwendeten etwa gorgianische Stilfiguren oder Prosaklauseln. Je nach Anlass und Ausgestaltung waren die Ehrendekrete dabei in den meisten Fällen den literarischen Gattungen von ἔπαινος und ἐγκώμιον zuzuordnen. Einzelne Beschlüsse wie das Ehrendekret für Athenopolis aus Priene glichen sogar einem μακαρισμός/εὐδαιμονισμός. Daneben zeigten die ausführlichen Beschlussvorlagen auch Einflüsse von Biographie und Historiographie.174 So konnten sich etwa die ausführlichen Lebenswerkdekrete aus Kolophon und Priene als biographische ἔπαινοι zu moralischen Lebensbeschreibungen von tugendhaften Idealbürgern auswachsen. Ausführliche Situationsbeschreibungen, die gelegentlich in einzelne Erzählungen eingebaut wurden, boten daneben historische Exkurse zu den Hintergründen der berichteten Leistungen und trugen zugleich zur «intentionalen Geschichte» der Städte bei, wobei die Aufstellung der Ehrendekrete dabei aus ähnlichen Gründen erfolgt sein mag wie die Publikation der ebenfalls als Inschriften im öffentlichen Raum der hellenistischen Städte positionierten Geschichtswerke.175 Als Lobreden vor der Volksversammlung blieben die Ehrendekrete, deren Initiatoren in der Regel aus der städtischen Oberschicht stammten und im Gymnasion und auf Bildungsreisen neben körperlichem Training auch eine literarische Ausbildung in Rhetorik sowie zum Teil wohl auch in Philosophie genossen hatten, stets eigenständige literarische Werke.176 Im Inhalt der Beschlüsse, deren sprachliche Gestaltung daneben auch vom Talent und vom Geschmack des jeweiligen Verfassers abhängig gewesen sein wird, spiegelten sich demnach zugleich auch das Wissen und die Fähigkeiten der Autoren. Manche Beschlüsse verarbeiteten in den Erzählungen zudem sogar populärphilosophische Gedanken und allgemeine Wertvorstellungen, während sich die Form der Erzählungen stets auch an Anlass und Art der Ehrungen orientierte.177 Daneben nahmen auch allgemeine Entwicklungen in der zeit-

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Zur Verbindung der Ehrendekrete zur «epigraphischen Historiographie» s. Chaniotis 1987, 233. Ebd. Zur dauerhaften Publikation der Geschichtswerke s. auch Chaniotis 1988, 4. 112– 123. Zu den Autoren der Beschlussvorlagen vgl. Dreyer 2010, 358–360. Einen Eindruck von der Ausbildung der städtischen Oberschicht vermitteln etwa die Ehrendekrete für Polemaios und Menippos aus Kolophon. S. o. S. 272. 277 f. 443–445. Auch die Ehrendekrete für Gymnasiarchen geben in einigen Fällen Einblick in den Bildungsbetrieb der Gymnasien. S. o. S. 192–196. 210–221. Zu den Tugendbildern als «Anlehnung an eine popularisierte stoische Ethik» s. Wörrle 1995, 246. Vgl. bereits Robert 1960, 213. Zum Einfluss von philosophischen Vorstellungen auf die Ehrendekrete s. auch Dreyer 2010, 352–355. 364. S. auch o. S. 206–208. 444.

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genössischen Rhetorik Einfluss auf Sprache und Stil der Erzählungen. Je nach Zeitstellung und Region zeigten die Ehrendekrete dementsprechend Unterschiede in der literarischen Ausarbeitung. So entsprach die Gestaltung der athenischen Beschlüsse im 3. Jhdt. v. Chr. weitgehend den rhetorischen Idealen der klassischen Zeit. Zahlreiche Ehrendekrete aus Kleinasien wie auch aus anderen Regionen der griechischen Welt zeigten insbesondere im späten Hellenismus hingegen typische Merkmale des Asianismus. Die Städte nutzten die Lobreden auf herausragende Personen daneben in vielen Fällen auch zur Verbreitung von kollektiven Idealen und verdeutlichten die Aussageintentionen dabei auch über die rhetorischen Gestaltungsmittel. In diesem Zusammenhang konnten die Motivberichte auch an die Vergangenheit der jeweiligen Polis erinnern und deren politische Haltung in aktuellen Konflikten illustrieren. Eine literarische Ausarbeitung muss daneben nicht zuletzt auch im Hinblick auf eine spätere Publikation der Beschlüsse im Interesse der Städte gelegen haben – waren die entsprechenden Monumente doch stets auch ein Aushängeschild für die jeweilige Polis.

13. Ehrendekrete für eigene Bürger im Kontext der hellenistischen Polisgesellschaft

Verschiedene Formen der Auszeichnung von eigenen Bürgern in Form von öffentlichen Ehrungen existierten in den griechischen Städten bereits seit dem späten 6. Jhdt. v. Chr. und überdauerten mit zahlreichen Veränderungen bis in die Spätantike. Während Anerkennungen wie Kranz oder Statue dabei stets eines offiziellen Beschlusses durch Rat und Volksversammlung bedurften, blieb die dauerhafte Publikation der jeweiligen Ehrendekrete jedoch nahezu ausschließlich ein Phänomen der hellenistischen Zeit. Die Anfänge der Praxis lagen im späten 4. Jhdt. v. Chr. in den griechischen Kerngebieten und werden vornehmlich mit allgemeinen Veränderungen in der epigraphischen Praxis in Verbindung gestanden haben. So scheinen einzelne Städte zum Beginn des Hellenismus die kommemorativen Potentiale von langen Motivberichten als Mittel zur dauerhaften Verbreitung von wichtigen Beschlüssen entdeckt zu haben. Neben der Polis Athen publizierten zu Beginn vornehmlich ionische Städte an der kleinasiatischen Küste sowie griechische Kolonien am Schwarzen Meer ausführliche Ehrendekrete für eigene Bürger. Ab dem frühen 3. Jhdt. v. Chr. begegneten entsprechende Monumente dann auch auf den griechischen Inseln. Parallel zu den Entwicklungen in den ionischen Küstenstädten begannen zunächst insbesondere die Inseln in der Nähe der kleinasiatischen Küste mit der Publikation von Ehrendekreten. Zum späten Hellenismus breiteten sich die Beschlüsse auch in den Randregionen der griechischen Welt aus. So entschieden sich zahlreiche Städte in Kleinasien, die erst unter dem Einfluss der hellenistischen Monarchien in den griechischen Kulturkreis integriert worden waren, nicht vor dem 2. Jhdt. v. Chr. zur Aufstellung von Ehrendekreten. Die Übernahme der griechischen Praktiken mag in diesem Zusammenhang stets auch ein Indiz für die Hellenisierung und das Selbstbewusstsein der jeweiligen Polis gewesen sein. Im Späthellenismus ging die Veröffentlichung von Beschlüssen zu Ehren von eigenen Bürgern allmählich zurück. Ab der Kaiserzeit ersetzten in den meisten Städten knappe Ehreninschriften die ausführlichen Beschlüsse. Die dauerhafte Publikation der zugrundeliegenden Ehrendekrete hatte offensichtlich an Bedeutung verloren. Auch im Hellenismus blieben die entsprechenden Monumente stets nur eine mögliche Form der öffentlichen Auszeichnung. Die Errichtung erfolgte in der Regel in Kombination mit anderen Ehrungen wie Ausrufungen oder Kranzverleihungen. Entsprechende Formen der Anerkennung bildeten den üblichen Standard bei der Auszeichnung von Einzelpersonen.1 Insbesondere Personen in öffentlichen Polisfunk1

Zu Bedeutung und Funktion der Ehrungen s. Gehrke 2003, 244. Vgl. auch Bielfeldt 2012, 93–97. Eine Unterscheidung zwischen den eigentlichen Ehrungen und der dauerhaften Publikation der Ehrendekrete treffen die Untersuchungen nicht. Die Bedeutung der Stelen

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tionen wie Gymnasiarchen, Agoranomen, Stephanephoren oder Strategen erhielten zum Ende der jeweiligen Tätigkeit in den meisten Fällen Ehrungen wie Ausrufungen und Kränze.2 Die Aufzeichnung von entsprechenden Ehrendekreten blieb – auch im Gegensatz zur Praxis bei anderen Beschlussgattungen wie den Proxeniedekreten – während des Hellenismus insgesamt ein seltenes Phänomen. Neben der Archivierung eines Beschlusses zu Ehren eines eigenen Bürgers entschied sich eine Polis lediglich in besonderen Ausnahmefällen zur zusätzlichen Publikation auf einem dauerhaften Material. Eine solche Anerkennung scheinen pro Generation nur wenige Personen erreicht zu haben. Bis in den Späthellenismus blieben die Monumente zumeist besondere Auszeichnungen für herausragende Leistungen in Krisensituationen. Die Beschlüsse entstanden in der Regel im Zusammenhang von existentiellen Bedrohungen wie Kriegen oder gesellschaftlichen Problemen und konzentrierten sich dementsprechend in einzelnen Regionen stets auf kurze Zeiträume. Als seltene Auszeichnungen bedeuteten die publizierten Ehrendekrete zunächst mit Sicherheit eine besondere Anerkennung und mehrten wie die anderen Ehrungen das Prestige der jeweiligen Personen. Die meisten Formen der öffentlichen Anerkennung hatten jedoch mehrere Aspekte und konnten unterschiedliche Funktionen erfüllen.3 Die Aufstellung der idealisierten Ehrenstatuen konnte neben der individuellen Ehre auch der Vermittlung von allgemeinen Wertvorstellungen dienen.4 Bei der Ausrufung der Kränze fasste der Herold in vielen Fällen die Kernaussagen der zugrundeliegenden Beschlüsse zusammen und konzentrierte sich auf die Bürgertugenden der herausragenden Personen. Die verdienten Bürger auf den Ehrensitzen werden als lebendige Verkörperung des Bürgerideals ebenfalls ein positives Bild der Polis vermittelt haben. Auch die publizierten Ehrendekrete erfüllten in der Regel mehrere Funktionen. Durch die gestalterischen Möglichkeiten im Rahmen der ausführlichen Motivberichte überstiegen die ideologischen Potentiale die anderen Formen der öffentlichen Auszeichnung. Zum Beginn des Hellenismus scheinen die griechischen Städte ein verstärktes Bewusstsein für die unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten der

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mit den Beschlüssen reduzierte sich jedoch gerade nicht auf die Verkündung von Ruhm und Ehre. Zur öffentlichen Ausrufung von Ehrungen s. auch Biard 2017, 24–27. Zu den Gründen für die Aufstellung von Ehrenstatuen s. Ma 2013, 307. Personen in öffentlichen Funktionen, die zum Ende ihrer Tätigkeit eine Auszeichnung erhalten hatten, konnten in Listen verzeichnet werden. So publizierte etwa die Polis Kos zwei Listen von Archonten und Phylarchonten, die zum Ende der jeweiligen Tätigkeit einen Kranz erhalten hatten. IG XII 4, 2, 456. 457. Selbst der individuelle Ruhm von Bürgern wie dem Gymnasiarchen Polystratos aus Apameia konnte auf die Stadt zurückstrahlen. Drew-Bear/Fillon 2011, 279: «À travers leur gloire personnelle, c’est la gloire de la cité toute entière qui transparait.» Zu den ideologischen Aspekten der Ehrenstatuen als idealisierte Bürgerporträts s. Zanker 1995. Ma 2013, 62 f. 291–293. Vgl. Oliver 2007, 199 f. Krumeich/Witschel 2009, 197–209.

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Ehrendekrete entwickelt zu haben. Auch bei der Entscheidung über die dauerhafte Publikation der Beschlüsse werden die verschiedenen Bedeutungsebenen in der Folge stets in Betracht gezogen worden sein. Für eine zusammenfassende Antwort auf die Frage nach Bedeutung und Funktion der Ehrendekrete für die hellenistischen Städte sollen im Folgenden zunächst noch einmal die Ergebnisse der Detailuntersuchungen zu Städten und Regionen sowie zu einzelnen Themenkomplexen zusammengefasst werden. Abschließend können die Folgen für das Verständnis der hellenistischen Polisgesellschaft diskutiert werden. Die Polis Athen publizierte Ehrendekrete für eigene Bürger lediglich im frühen Hellenismus. Bis zum Ende des 3. Jhdts. v. Chr. nutzten insbesondere demokratische Kreise die entsprechenden Beschlüsse zur Verbreitung der eigenen Ansichten. Die Errichtung der Monumente fiel aus diesem Grund zumeist in Zeiten der weitgehenden Unabhängigkeit von den makedonischen Königen. Die Motivberichte propagierten die Ideale von δημοκρατία, ἐλευθερία und αὐτονομία und würdigten Verdienste um den Widerstand gegen die makedonische Fremdherrschaft. Unter dem ideologischen Einfluss der demokratischen Kreise stilisierten die Beschlussvorlagen Personen wie Lykourgos, Philippides, Demosthenes, Demochares und Kallias zu idealen Demokraten. Insbesondere die postumen Ehrendekrete verbreiteten auf Basis von idealisierten Lebensbeschreibungen vornehmlich demokratische Wertvorstellungen. Konservative Gruppierungen, deren Unterstützung den makedonischen Herrschern galt, scheinen lediglich in Einzelfällen ideologische Gegenentwürfe in Form von Ehrendekreten für Freunde der auswärtigen Könige publiziert zu haben. Mit dem Abklingen der politischen Unruhen zu Ende des 3. Jhdts. v. Chr. verschwand in Athen auch die Praxis der dauerhaften Publikation von Ehrendekreten für eigene Bürger. Gesetzliche Regelungen für die Vergabe der entsprechenden Ehrungen («megistai timai») scheint es in der Stadt zu keinem Zeitpunkt gegeben zu haben. Sowohl die Verleihung der Auszeichnungen als auch die Aufstellung der jeweiligen Beschlüsse blieben Einzelentscheidungen in Reaktion auf aktuelle Ereignisse und politische Entwicklungen. Freiheit und politische Unabhängigkeit waren auch außerhalb von Athen zentrale Motive der Polisidentität und spielten dementsprechend in vielen Städten lange Zeit eine wichtige Rolle für die Idealvorstellungen von vorbildlichen Bürgern. Einzelne Städte propagierten in den eigenen Ehrendekreten noch bis in den Späthellenismus die Ideale von δημοκρατία, ἐλευθερία und αὐτονομία. Die Polis Priene erinnerte schon zu Ende des 4. Jhdts. v. Chr. bei der Aufstellung von Ehrendekreten an die neugewonnene Autonomie der Stadt. Die Beschlüsse für die Festungskommandanten vom Beginn des 3. Jhdts. v. Chr. sollten zudem ein positives Gegenbeispiel zum individuellen Machtstreben von Einzelpersonen bieten und konnten somit auch einen Beitrag zur Bewahrung der demokratischen Grundordnung leisten. In der Summe scheinen demnach erst die Möglichkeiten zur Verbindung der persönlichen Auszeichnungen mit ideologischen Funktionen die Aufstellung der meisten Beschlüsse

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veranlasst zu haben. Rat und Volk von Erythrai nutzten neben den Ehrendekreten für Einzelpersonen auch Beschlüsse für Personengruppen wie die zehn Strategen eines Jahresdrittels zur Verbreitung der Ideale von Freiheit und Demokratie und gaben in den Erzählungen positive Beispiele für die Bewährung der Polisorgane in Krisensituationen. Daneben veranlassten auch existentielle Bedrohungen wie die Kelteneinfälle im frühen 3. Jhdt. v. Chr. sowohl in Erythrai als auch in Priene die Aufstellung von Ehrendekreten. Die Monumente dienten über die Würdigung von individuellen Verdiensten in den meisten Fällen zugleich dem kollektiven Gedenken an die Überwindung der existentiellen Bedrohung durch die Barbarenstämme. Die Erzählungen betonten die Stärke und Leistungsfähigkeit der jeweiligen Polis und erinnerten – gleichsam als historische Erinnerungsmonumente – an wichtige Ereignisse aus der jüngsten Vergangenheit der Städte. Die griechischen Inseln in der Ägäis zeigten sowohl im Hinblick auf kulturelle Phänomene als auch in der politischen Organisation große Unterschiede. Die meisten Inseln bildeten zudem eigene Mikrokosmen. Insbesondere Inseln in Küstennähe werden die entscheidenden Einflüsse für neue Entwicklungen vornehmlich vom benachbarten Festland erhalten haben. So mag die Aufstellung von Ehrendekreten für eigene Bürger auf den Inseln vor der kleinasiatischen Küste im 3. Jhdt. v. Chr. zum Teil mit dem Aufkommen der entsprechenden Praktiken in den benachbarten Städten auf dem Festland in Zusammenhang gestanden haben. Insgesamt zeigten sich in den Beschlüssen aus dem Ägäisraum die unterschiedlichsten Phänomene. Im frühen Hellenismus erkannten jedoch auch viele Inselstädte allmählich die ideologischen Potentiale der Monumente und verbanden die entsprechenden Ehrungen in der Folge zunehmend mit der Verbreitung von Wertvorstellungen und politischen Ansichten. So zeichnete die Insel Samos mit dem Ehrendekret für Boulagoras um die Mitte des 3. Jhdts. v. Chr. das demokratische Idealbild vom Leben eines herausragenden Bürgers im steten Einsatz um das Wohl von Stadt und Bürgerschaft. Spätere Beschlüsse für andere Personen propagierten ebenfalls die Wertvorstellungen der Polis und illustrierten vorbildliches Verhalten. Im Verlauf des Hellenismus scheinen sich beispielhafte Leistungen auf der Insel jedoch zunehmend über finanzielle Leistungen definiert zu haben. Ehre und öffentliche Anerkennung konnten in der Folge vornehmlich durch Spenden und Baustiftungen erreicht werden. Die Städte Arkesine und Minoa auf der Insel Amorgos trugen über die Aufstellung von Ehrendekreten die Konkurrenz um die Veranstaltung der alljährlichen Feierlichkeiten im gemeinsamen Heiligtum der Athena Itonia aus. Über die Erinnerung an besondere Leistungen des eigenen Festspielleiters profilierte sich stets auch die jeweilige Polis – hatte das eigene Fest doch die Konkurrenzveranstaltung der Nachbarstadt an Aufwand und Pracht übertroffen. Im späten 2. Jhdt. v. Chr. errichte die Polis Minoa über einen kurzen Zeitraum zudem mehrere Ehrendekrete für Gymnasiarchen. Die gleichförmigen Monumente scheinen ein temporäres Phänomen geblieben zu sein und mögen auch auf eine kurzzeitige Konkurrenz zwi-

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schen mehreren Bürgern zurückgegangen sein. In der Nachbarstadt Aigiale stand die dauerhafte Aufstellung von Ehrendekreten zumeist in Verbindung mit besonderen Leistungen im Kontext von außergewöhnlichen Ereignissen. Den Bericht über den selbstlosen Einsatz der Brüder Hegesippos und Antipappos nach einem Piratenüberfall gestaltete die Polis als spannende Einzelerzählung. Zugleich erinnerte das Ehrendekret an ein bedeutsames Ereignis der jüngsten Vergangenheit. In anderen Beschlüssen würdigten Rat und Volk finanzielle und materielle Verdienste um die Polis. So hatten sich etwa die Brüder Kritolaos und Parmenion als χορηγοί um die Ausstattung des Theaters gekümmert. Wie die Beschlüsse aus den Städten auf Amorgos zeigten auch die Ehrendekrete von der Insel Kos regionale Besonderheiten. So spiegelten sich in den zahlreichen Beschlüssen der Demenversammlungen die föderalen Strukturen der Polis. Durch die Aufzeichnung der entsprechenden Dokumente versuchten die Demen die eigene Bedeutung zu unterstreichen und die lokale Identität innerhalb der Polis Kos auch nach dem Synoikismos in der Mitte des 4. Jhdts. v. Chr. zu bewahren. Der spätere Zusammenschluss mit der Insel Kalymna scheint von den Demen als erneute Bedrohung der lokalen Identität aufgefasst worden zu sein und führte in der Folge ebenfalls zur vermehrten Publikation von Beschlüssen. Die zahlreichen Ehrendekrete für einheimische Ärzte resultierten aus dem Status der Insel als Zentrum der Medizin. Zum Teil scheint die Veröffentlichung der Beschlüsse auf aktuelle Krisen reagiert zu haben. Andere Beschlüsse standen vermutlich im Kontext der Konkurrenz der Demen um die Gunst der öffentlichen Ärzte. Auch die regionalen Konflikte mit Kreta und Philipp V. in den Jahren um 200 v. Chr. veranlassten sowohl auf Kos als auch auf der Nachbarinseln Kalymna die Aufstellung von Ehrendekreten. Die Berichte von den herausragenden Leistungen der jeweiligen Personen dienten ebenso der Selbstdarstellung der Gemeinden wie der kollektiven Erinnerung an die Erfolge während der Auseinandersetzungen. Auf anderen Inseln wie Astypalaia und Paros oder in der Polis Karthaia auf Keos sowie in den Städten Methymna und Eresos auf Lesbos erhielten einzelne Personen vornehmlich Ehrendekrete für herausragende Leistungen in Polisfunktionen. Die Aufzeichnung der Beschlüsse fiel in den meisten Fällen ebenfalls mit besonderen Ereignissen zusammen. Bei kleinen Ehrungen konnte die dauerhafte Publikation der Beschlüsse den ausgezeichneten Bürgern überlassen bleiben und wird in der Folge vornehmlich aus persönlichen Interessen erfolgt sein. Das Gymnasion gewann in den griechischen Städten im Verlauf des Hellenismus an Bedeutung und entwickelte sich zu einem zentralen Ort der bürgerlichen Identität. Ab dem 2. Jhdt. v. Chr. begannen zahlreiche Städte in der Folge mit der Publikation von Ehrendekreten für Gymnasiarchen. Der Aufschwung der entsprechenden Einrichtungen konnte in Städten wie Eretria oder Minoa zu einem punktuellen Auftreten von entsprechenden Beschlüssen führen. Daneben mag auch eine Konkurrenz zwischen einzelnen Bürgern die Aufzeichnung der jeweiligen Ehrendekrete veranlasst haben. Entsprechend der ideologischen Bedeutung des Gymnasions dien-

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ten die Beschlüsse für Gymnasiarchen in vielen Städten der Identitätsstiftung und Selbstvergewisserung sowie der Rückbesinnung auf traditionelle Werte. So zeichnete das Ehrendekret für Diodoros aus Ephesos das Idealbild eines Gymnasiarchen. Der Beschluss für Melanion aus Iasos stilisierte den jungen Mann zu einem idealen Ephebarchos. Insbesondere ab dem 1. Jhdt. v. Chr. nutzten reiche Bürger die Übernahme der Gymnasiarchie jedoch zunehmend auch zur Profilierung und Selbstdarstellung. Die entsprechenden Beschlüsse – so etwa die Ehrendekrete für Elpinikos und Mantidoros aus Eretria oder der Beschluss für Chares aus Themisonion – konzentrierten sich vornehmlich auf die individuellen Leistungen der jeweiligen Personen und berichteten über einzelne Details der Tätigkeit wie Sachspenden oder Festveranstaltungen. Die Berichte über die Gymnasiarchie in den Ehrendekreten für Zosimos aus Priene legten den Schwerpunkt ebenfalls auf die persönlichen Verdienste des herausragenden Bürgers. Die Beschlüsse boten zudem weiterhin Idealbeispiele für die Ausübung der bedeutenden Polisfunktion. Im Zusammenhang mit gesellschaftlichen Veränderungen wandelten sich im Späthellenismus jedoch allmählich die Vorstellungen der Städte von Bürgertugend und vorbildlichem Verhalten. In der Folge konzentrierten sich auch die Erzählungen der Ehrendekrete zunehmend auf finanzielle Leistungen. In Pergamon werden einflussreiche Personen aus der bürgerlichen Elite nach dem unmittelbaren Ende der Königsherrschaft die Übernahme der Gymnasiarchie in Verbindung mit der Aufstellung eines entsprechenden Ehrendekrets ebenfalls als neue Möglichkeit zur Selbstdarstellung sowie zum Ausbau der eigenen Machtstellung genutzt haben. Ebenso gewannen die Ehrendekrete für Gymnasiarchen nach dem Ende der attalidischen Monarchie jedoch zentrale Bedeutung für die Neukonstituierung der Polis und trugen zur Entstehung eines bürgerlichen Wertesystems bei. Die Beschlüsse definierten vorbildliche Verhaltensweisen und hatten in der Folge Anteil an der Selbstfindung der Stadt. Neben den Beschlüssen für Gymnasiarchen publizierte die Polis in den Jahren nach 133 v. Chr. auch ein umfangreiches Ehrendekret für politische Verdienste. Der entsprechende Beschluss scheint ebenfalls ein wichtiges Element bei der politischen Neuausrichtung der Stadt gewesen zu sein. Im frühen 1. Jhdt. v. Chr. erinnerte die Polis in zahleichen Ehrendekrete an die herausragenden Leistungen des Ausnahmebürgers Diodoros Pasparos. Der verdiente Staatsmann hatte sich über außenpolitische Erfolge eine herausragende Position erworben und wurde von der Stadt im Anschluss mit kultischen Ehren bedacht. In der Folge nutzte der neue Heros insbesondere die mehrfache Übernahme der Gymnasiarchie zur öffentlichen Inszenierung der eigenen Person und suchte in der Selbstdarstellung – gleichsam als der neue König von Pergamon – die bewusste Anknüpfung an die Traditionen der Königszeit. Das Ende des pergamenischen Reiches im Jahr 133 v. Chr. und die anschließende Umwandlung des Herrschaftsgebiets in eine römische Provinz hatten jedoch nicht nur Auswirkungen auf die ehemalige Residenzstadt. Für zahlreiche Städte in Klein-

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asien gehörten die Veränderungen ebenfalls zu den prägenden Ereignissen der eigenen Geschichte. Im Kontext der anschließenden Kämpfe zwischen den Römern und Aristonikos um die Vormachtstellung in der Region boten sich einzelnen Bürgern zugleich zahlreiche Möglichkeiten zur Bewährung. Die herausragenden Verdienste in den Kämpfen konnten neben anderen Privilegien auch durch die Aufstellung eines Ehrendekrets honoriert werden. Mit der Errichtung der Monumente verknüpften die Städte in der Regel ebenso ideologische Intentionen. Die Beschlüsse erinnerten an die eigenen Leistungen in den erfolgreichen Kämpfen gegen Aristonikos und betonten zugleich die Treue und Verbundenheit der jeweiligen Polis gegenüber Rom. Die dauerhafte Publikation der Ehrendekrete war in diesem Zusammenhang nicht zuletzt ein politisches Statement und diente der öffentlichen Selbstdarstellung. Erneut mag in den meisten Fällen erst eine Verbindung von unterschiedlichen Aspekten die Errichtung der Monumente veranlasst haben. Gerade im Kontext der Auseinandersetzungen in Kleinasien scheint der ideologische Gehalt der Ehrendekrete für die Helden im Kampf gegen Aristonikos jedoch eine besondere Bedeutung besessen zu haben. Die entsprechenden Aspekte werden demnach zum Teil sogar den entscheidenden Ausschlag für die Veröffentlichung der Beschlüsse gegeben haben. Durch die Aufstellung der Monumente leisteten die Städte ein öffentliches Bekenntnis zu den Römern. Die ausgezeichneten Personen standen als Romfreunde stellvertretend für die Einstellung der gesamten Polis. Zum Teil versuchten die Städte durch die Errichtung von entsprechenden Monumenten vielleicht sogar Einfluss auf die öffentliche Wahrnehmung der eigenen Vergangenheit zu nehmen und die eigene Beteiligung an den vorangegangenen Kämpfen durch eine intentionale Darstellung in das richtige Licht zu rücken. Die kleinasiatischen Städte Kolophon und Priene veröffentlichten in den Jahrzehnten nach 133 v. Chr. mehrere Ehrendekrete mit ausführlichen Lebensbeschreibungen der ausgezeichneten Personen. Die besonderen Beschlüsse blieben jedoch Ausnahmeerscheinungen und wurden vermutlich nur wenigen Bürgern zugestanden. Die Polis Sestos publizierte zur gleichen Zeit ebenfalls ein Ehrendekret mit einem ausführlichen Lebensbericht. Der Beschluss hatte mit der zweiten Gymnasiarchie des verdienten Bürgers jedoch einen konkreten Anlass und unterschied sich damit in einem entscheidenden Punkt von den «Lebenswerkdekreten» aus Kolophon und Priene. Die Ereignisse um die Einrichtung der römischen Provinz sowie die diplomatischen Kontakte zu den Römern bildeten in allen Beschlüssen ein zentrales Feld für die politische Tätigkeit der ausgezeichneten Personen. In einem direkten Zusammenhang mit den Kämpfen gegen Aristonikos standen die Ehrungen jedoch nicht. Die engagierten Bürger vertraten die Belange der Heimatstädte stattdessen vor dem Senat in Rom und handelten den Status der jeweiligen Polis in der neuen Provinz aus. Zentrale Schlagworte der Auseinandersetzungen waren ἐλευθερία und αὐτονομία. Daneben übernahmen die prominenten Bürger innenpolitische Funktionen und engagierten sich durch Spenden und Feste im öffentlichen Leben der

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Städte. Bereits in den ältesten Beschlüssen zeigte sich in diesem Zusammenhang die zunehmende «Verhäuslichung» des politischen Bereichs. Die ausführlichen Motivberichte umspannten trotz der unterschiedlichen Gesamtkompositionen in der Regel das gesamte Leben der jeweiligen Personen und zeichneten über die umfassenden Darstellungen zugleich das Idealbild der Städte von engagierten Polisbürgern. Die Polis Priene verdeutlichte die eigenen Vorstellungen zusätzlich durch theoretische Überlegungen zur richtigen Lebensgestaltung eines ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός. Durch die Fokussierung auf die Karrieren der Einzelpersonen flossen in die Erzählungen jedoch auch zunehmend aristokratische Elemente ein. Die Darstellungen der «Lebenswerkdekrete» orientierten sich stets an aktuellen Verhaltensnormen. Mit den allmählichen Veränderungen in Gesellschaft und Politik wandelte sich dementsprechend auch das propagierte Wertesystem. Noch in den Jahren nach 133 v. Chr. entwarfen die Beschlüsse im weitesten Sinn demokratische Idealvorstellungen von engagierten Politikern und patriotischen Polisbür­gern. Daneben gewannen jedoch schon in den frühesten Beschlüssen private Leistungen und finanzielles Engagement zunehmend an Bedeutung. Mit der Zeit scheinen die herausragenden Einzelpersonen das öffentliche Leben der Städte monopolisiert zu haben. Die beschriebenen Entwicklungen – nachzuvollziehen insbesondere an den zahlreichen Beschlüssen aus Priene – setzten sich im 1. Jhdt. v. Chr. fort und führten allmählich zur weitgehenden Abhängigkeit von reichen Honoratioren. Ehre und Anerkennung definierten sich zunehmend über Feste und finanzielle Leistungen. An die Stelle von Feldherrn und Politikern traten in der Kaiserzeit reiche Euergeten. Die Veränderungen in den politischen Rahmenbedingungen und insbesondere der Bedeutungsverlust der griechischen Städte in Kleinasien infolge der römischen Herrschaft trieben die Veränderungen zusätzlich voran und werden in der Konsequenz auch in Kolophon und Priene den Aufstieg der neuen Überpoliten begünstigt haben. An den Schwarzmeerküsten existierten bereits seit den Anfängen der «Großen Kolonisation» im 7. Jhdt. v. Chr. griechische Gemeinwesen. Einzelne Städte wie Chersonesos oder Histria ließen bereits im 3. Jhdt. v. Chr. Beschlüsse zu Ehren von eigenen Bürgern aufstellen. Die Polis Olbia begann sogar schon im späten 4. Jhdt. v. Chr. mit der Aufstellung von Ehrendekreten und veröffentlichte in Rückgriff auf die hellenistischen Traditionen noch bis ins 3. Jhdt. n. Chr. einzelne Trostbeschlüsse. Insgesamt blieben die Monumente in den Städten an der Schwarzmeerküste jedoch während des gesamten Hellenismus Ausnahmeerscheinungen. Die Errichtung der Stelen stand in den meisten Fällen zudem in Zusammenhang mit politischen Ereignissen oder äußeren Bedrohungen. Ein weiteres Mal scheinen demnach erst die besonderen Umstände in Krisensituationen den entscheidenden Ausschlag zur Aufzeichnung von Ehrendekreten gegeben zu haben. Die Städte Olbia und Histria publizierten im späten 3. Jhdt. v. Chr. mehrere Beschlüsse für herausragende Leistungen im Kontext der Kämpfe gegen indigene Bevölkerungsgruppen. Vereinzelt ließen die beiden Städte auch im späten Hellenismus Ehrendekrete für Verdienste um die Verteidigung

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der Heimat publizieren. Die römischen Bürgerkriege scheinen demnach ebenfalls Einfluss auf die Errichtung der entsprechenden Monumente genommen zu haben. Wie in anderen Regionen wandelten sich auch an der Schwarzmeerküste zum späten Hellenismus allmählich die Gesellschaftsstrukturen der Städte. Die Beschlüsse honorierten in der Folge zunehmend finanzielle Leistungen und präsentierten den Bürgern reiche Euergeten als Vorbild zur Nachahmung. Neben allgemeinen Veränderungen in den Gesellschaftsstrukturen der Städte bot im späten Hellenismus insbesondere die zunehmende Bedeutung von privaten Leistungen und finanziellen Wohltaten auch reichen Frauen vermehrte Möglichkeiten zu öffentlichem Engagement. Ab dem 2. Jhdt. v. Chr. führten die Entwicklungen auch zur vereinzelten Publikation von Ehrendekreten für herausragende Bürgerinnen. In den meisten Städten blieben entsprechende Monumente jedoch eine Ausnahmeerscheinung. Einzig in der Region um Antigoneia/Mantineia und Megalopolis nahmen Beschlüsse für verdiente Bürgerinnen ab dem 1. Jhdt. v. Chr. einen prominenten Platz in der epigraphischen Landschaft der Städte ein. Ehemänner traten in den Beschlüssen aus der Region in der Regel nur gemeinsam mit ihren Frauen in Erscheinung und scheinen teilweise sogar eine nachgeordnete Rolle gespielt zu haben. Insbesondere durch die Übernahme von Priesterämtern – so etwa in den lokalen Kulten für Demeter und Persephone/Kore – in Verbindung mit finanziellen Anstrengungen konnten reiche Frauen in der Region zu Bedeutung und Anerkennung gelangen. Auch in anderen Städten wie Thasos, Syros oder Termessos spielten die Bereiche von Religion und Kult eine wichtige Rolle für das öffentliche Engagement von Bürgerinnen. Daneben traten Frauen vornehmlich als großzügige Spenderinnen – etwa bei der Finanzierung von Festen oder beim Bau von öffentlichen Gebäuden – in Erscheinung. In Einzelfällen konnten Bürgerinnen auch politischen Einfluss in den jeweiligen Heimatstädten gewinnen. Spätestens zum Beginn der römischen Kaiserzeit verschwand die Praxis der dauerhaften Aufzeichnung von Ehrendekreten allmählich aus den griechischen Städten und wurde von anderen Formen der öffentlichen Anerkennung wie Ehreninschriften oder Dokumentensammlungen ersetzt. Schon im 1. Jhdt. v. Chr. hatten die publizierten Beschlüsse zunehmend als unzeitgemäße Rückgriffe auf überkommene Praktiken gewirkt. In der Kaiserzeit entschieden sich die meisten Städte in Anlehnung an vergangene Traditionen nur noch in Einzelfällen zur Errichtung von entsprechenden Monumenten. Die wenigen Beschlüsse der Kaiserzeit zeigten zugleich auch die grundlegenden Veränderungen im Wertesystem der griechischen Städte – insbesondere im Hinblick auf die Idealvorstellungen von einem ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός. Wie schon im Späthellenismus präsentierten die Erzählungen zunehmend finanzielles Engagement und prächtige Festveranstaltungen als vorbildliche Verhaltensweisen eines guten Bürgers aus der Führungsschicht. Großzügiges Euergetentum galt als anzustrebendes Ideal. Doch warum verzichteten die Städte in der Kaiserzeit zunehmend auf die Aufzeichnung von Ehrendekreten? Zunächst müssen sowohl die auszeichnenden Organe

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als auch die ausgezeichneten Personen allmählich das Interesse an entsprechenden Formen der Ehrung verloren haben. Offensichtlich hatten die jeweiligen Monumente schon zum Ende des Hellenismus die ursprüngliche Bedeutung eingebüßt. Die Frage nach dem allmählichen Verschwinden der Ehrendekrete in der Kaiserzeit scheint demnach in engem Zusammenhang mit dem beschriebenen Wandel im Wertesystem der Städte zu stehen und muss in der Folge stets in Verbindung mit der grundsätzlichen Frage nach Bedeutung und Funktion der öffentlichen Monumente in den hellenistischen Städten beantwortet werden. Die dauerhafte Aufzeichnung von Ehrendekreten für eigene Bürger blieb – wie die vorangegangene Untersuchung zeigen konnte – in den hellenistischen Städten stets eine Ausnahmeerscheinung. Die entsprechenden Beschlüsse bedeuteten eine besondere Auszeichnung für außergewöhnliche Leistungen und standen in den meisten Fällen in Zusammenhang mit entscheidenden Ereignissen in der Geschichte der Städte. Viele Beschlüsse entstanden aus spontanen Reaktionen auf besondere Situationen und blieben Einzelstücke. Eine regelmäßige Aufzeichnung nach festen Vorschriften erfolgte nicht. Auch die Vergabe von bestimmten Ehrungen bei entsprechenden Leistungen im Sinne der von Ph. Gauthier für Athen postulierten «megistai timai» scheint in den hellenistischen Städten – gerade bei umfangreichen Auszeichnungen – nicht durch Gesetze geregelt gewesen zu sein. Wie bei der spontanen Entscheidung über die Abfassung der Ehrendekrete wird sich die Stadt auch bei den jeweiligen Ehrungen nicht an ein festes Schema gehalten haben. So konnte eine Polis vermutlich bei jedem Beschluss je nach Anlass aus einem Pool an möglichen Ehrungen auswählen und die Privilegien nach individuellen Kriterien zusammenstellen.5 Gesetzliche Vorschriften scheint es lediglich für einzelne Ehrungen gegeben zu haben. So gab es etwa goldene Kränze κατὰ τὸν νόμον – teilweise vermutlich mit einem Maximalgewicht – sowie Regelungen für den Zugang zum Prytaneion oder für die Vergabe von Ehrensitzen. Die dauerhafte Publikation eines Ehrendekrets wird als seltene Auszeichnung zunächst stets eine zusätzliche Ehre für die ausgezeichneten Personen bedeutet haben. Zudem bedurften Ehre und Anerkennung schon von der grundsätzlichen Ausrichtung in jedem Fall der Öffentlichkeit.6 Eine weitere Funktion der Beschlüsse wird dementsprechend in der ehrenden Erinnerung an erbrachte Leistungen gelegen haben. Als öffentliche Monumente waren die Ehrendekrete zugleich jedoch auch ein Statement der jeweiligen Polis und positionierten die Städte im Zeitgeschehen. Mit den Berichten über die vorbildlichen Leistungen von einzelnen Bürgern definier-

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Insgesamt waren die Möglichkeiten der öffentlichen Ehrung freilich begrenzt. Zum «ziemlich festen und einheitlichen Set» an Ehrungen s. Gehrke 2003, 244. Vgl. Scholz 2008, 88.

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ten die griechischen Städte einen Wertekanon an «richtigen» Verhaltensweisen.7 Die ausgezeichneten Personen standen in diesem Zusammenhang stellvertretend für die gesamte Polis. Durch die getroffene Auswahl bezogen die Städte in der Öffentlichkeit eine eindeutige Position und gaben über die jeweiligen Begründungen zudem Einblick in die eigenen Wertvorstellungen. Zum Teil werden politische Zwänge die Städte in den Entscheidungen eingeschränkt haben. So verbot sich etwa nach dem Sieg der Römer in Kleinasien eine öffentliche Ehrung von bekennenden Unterstützern des Aristonikos. In der Regel begriffen die Städte die ideologischen Potentiale der Ehrendekrete jedoch als Chance und nutzten insbesondere die Publikation der Beschlüsse als willkommene Möglichkeit zur subtilen Verbreitung der eigenen Vorstellungen und Ideale. Insbesondere durch die Ausweitung der Motivberichte zu langen Erzählungen werden sich die ideologischen Potentiale der Ehrendekrete zu Beginn des Hellenismus erweitert haben. Die ausführlichen Darstellungen boten Rat und Volk in vielen Fällen mannigfaltige Möglichkeiten zur Verbreitung von Wertvorstellungen und politischen Ansichten. In der Folge leisteten die Beschlüsse einen wichtigen Beitrag zu Selbstdarstellung und Selbstvergewisserung der jeweiligen Polis.8 Zugleich sollten die jeweiligen Tatenberichte anderen Bürgern Beispiele für das eigene Handeln bieten. Zum Ausdruck kam die Beispielfunktion der Beschlüsse insbesondere in den Hortativformeln.9 Zum Teil scheint das Moment der persönlichen Auszeichnung vor den ideologischen Komponenten der veröffentlichten Ehrendekrete sogar in

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Wörrle 1995, 241: «(…) jedes dieser Porträts erklärt ausdrücklich, als Modell werthafter bürgerlicher Existenz gemeint zu sein und Maßstäbe für eine Nachfolge zu setzen.» Vgl. Gehrke 2003, 228. Kah 2015, 388. Zu den idealisierenden Tendenzen der Ehrendekrete s. auch Oliver 2007, 199. Scholz 2008, 88–90. Eine weitgehende Reduktion der Beschlüsse auf den Aspekt der individuellen Erinnerung wird den unterschiedlichen Funktionen der Monumente nicht gerecht. So jedoch Scholz 2008, 87 f. Eine ähnliche Funktion konnten auch die von der Polis in Auftrag gegebenen Ehrenstatuen erfüllen. Die idealisierten Porträts vermittelten bürgerliche Werte und allgemeine Tugendvorstellungen. Zur ideologischen Funktion der Ehrenstatuen s. auch o. S. 41 Anm. 138. 462 Anm. 4. In der Regel scheinen die Hortativformeln nicht zu leeren Floskeln verkommen zu sein. Die entsprechenden Abschnitte korrespondierten mit dem Inhalt der Beschlüsse und konnten in der Gesamtkomposition der Erzählungen auch literarische Funktionen erfüllen. Die Formulierungen zeigten zudem inhaltliche Unterschiede und verfolgten zum Teil verschiedene Aussageintentionen. So betonten die Hortativformeln nicht in jedem Fall die Vorbildfunktion der Beschlüsse. In manchen Beschlüssen beschränkten sich die entsprechenden Absätze auf die intendierte Öffentlichkeit und verwiesen lediglich in einem indirekten Sinn auf die eigene Beispielfunktion. Andere Ehrendekrete verzichteten auf hortative Formulierungen oder bezogen die Vorbildfunktion auf einzelnen Privilegien. Zu den verschiedenen Arten von Hortativformeln s. am Beispiel von Athen auch Miller 2016, 387–394.

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den Hintergrund getreten zu sein.10 Neben den politischen Aussagen enthielten die zahlreiche Beschlüsse auch historische Berichte und erfüllten über die Einbindung in zeitgeschichtliche Ereignisse in vielen Fällen eine historische Erinnerungsfunktion.11 Über die Leistungen von prominenten Bürgern dokumentieren die Ehrendekrete wichtige Momente aus der jüngsten Vergangenheit und trugen zugleich zu Ruhm und Ehre der jeweiligen Polis bei – galten die herausragenden Erfolge von Einzelpersonen doch stets auch als Verdienste der Heimatstadt.12 Ebenso versuchten Rat und Volk durch tendenziöse Darstellungen in den Ehrendekreten vermutlich auch Einfluss auf die historische Erinnerung zu nehmen und die Berichte über die eigene Vergangenheit – gleichsam als Form der «intentionalen Geschichte» – nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten. In der Regel erfüllten die öffentlichen Monumente demnach verschiedene Funktionen. Die ursprünglichen Kommunikationssituationen der Ehrendekrete scheinen zunächst die Diskussionen in Rat und Volksversammlung gewesen zu sein. Die ausführlichen Motivberichte boten die Begründungen für die Anträge und entsprachen in den meisten Fällen vermutlich den in der Volksversammlung verlesenen Beschlussvorlagen. Viele Erzählungen offenbarten dementsprechend in Sprache und Form zahlreiche Charakteristika eines mündlichen Vortrags. Bei den meisten Ehrendekreten, die eine öffentliche Publikation durch die Polis erfuhren, war die dauerhafte Aufzeichnung vermutlich jedoch schon zum Abfassungszeitpunkt intendiert. Neben der mündlichen Vortragssituation hatten die Autoren dementsprechend bei Anlage und Konzeption der Beschlussvorlagen stets auch die Langzeitwirkung der Monumente zu berücksichtigen. Die inhaltlichen Anforderungen der unterschiedlichen Kommunikationssituationen werden sich in vielen Fällen jedoch auch ergänzt haben.

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Andere Ehrendekrete, die wie der erste Beschluss für Apollonios aus Metropolis ursprünglich nicht für eine Veröffentlichung vorgesehen waren, verfolgten im Vergleich lediglich in eingeschränktem Rahmen politische oder ideologische Aussageintentionen und gingen in der Darstellung nur in seltenen Fällen über eine schlichte Aufzählung der individuellen Verdienste hinaus. In anderen Städten konnte die Aufzeichnung von entsprechenden Beschlüssen auch den ausgezeichneten Bürgern überlassen bleiben. Vgl. Chaniotis 2014, 134. Die politischen Intentionen sowie die ideologische Ausrichtung teilten die Ehrendekrete mit den ebenfalls als Inschriften veröffentlichten Geschichtswerken. Chaniotis 1987, 233. Stadtchroniken oder Lokalgeschichten trugen durch eine entsprechende Darstellung der Vergangenheit ebenfalls zu Ruhm und Ansehen der jeweiligen Städte bei und dienten zugleich der moralischen Belehrung der Leser. Zu den Gründen für die dauerhafte Publikation der Geschichtswerke s. Chaniotis 1988, 4. 112–123. Vgl. Chaniotis 1987, 233. Die Verfasser der Geschichtswerke – meist fremde Wanderautoren – erhielten für die bedeutenden Beiträge zur positiven Selbstdarstellung der Stadt oftmals Ehrungen durch die Polis. Zu den Verfassern der Geschichtswerke s. Chaniotis 1988, 4. 124–131. Zu den Gründen für die Ehrung von Historikern s. ebd. 4. 362–365. Teilweise erfolgte sogar die dauerhafte Aufzeichnung der entsprechenden Ehrendekrete. S. etwa IOSPE I2 344.

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Insbesondere politische Vorstellungen und ideologische Inhalte besaßen sowohl im Hinblick auf die mündlichen Vorträge als auch vor dem Hintergrund der späteren Publikation große Bedeutung. Die entsprechenden Anforderungen versuchten die Erzählungen etwa durch sprachliche Gestaltungsmittel wie Leitmotive oder durch allgemeine Reflexionen über Moral und Tugend umzusetzen. Auch einzelne Hortativformeln erfüllten literarische Funktionen und waren für die Gesamtkomposition der Erzählungen von Bedeutung. Als Lobreden auf herausragende Personen zeigten die Ehrendekrete zudem Einflüsse der zeitgenössischen Rhetorik. Im Späthellenismus orientierten sich zahlreiche Autoren an der neuen Stilrichtung des Asianismus und bemühten sich in der Folge um kreative Wortneuschöpfungen oder ausgefallene Formulierungen. Nach formalen Gesichtspunkten werden sich die Beschlussvorlagen in der Regel in den aristotelischen Kategorien von ἔπαινος und ἐγκώμιον bewegt haben. Daneben übernahmen die Beschlüsse auch Elemente aus den literarischen Gattungen von Biographie und Historiographie. Mit Blick auf den Inhalt lassen sich – wenn auch nur als modernes Hilfskonstrukt – fünf Kategorien an Beschlüssen von Ehrendekreten zu einem bestimmten Anlass mit Motivberichten in verschiedenem Umfang über «Lebenswerkdekrete» ohne konkreten Anlass bis hin zu allgemeinen Würdigungen ohne konkrete Leistungsberichte unterscheiden. In der Summe waren die meisten Motivberichte literarische Werke mit eigenständigem Anspruch und zeigten in Form und Inhalt eine individuelle Gestaltung. Die Qualität der Anträge wird in diesem Zusammenhang stets auch vom Können und von den individuellen Fähigkeiten der jeweiligen Autoren abhängig gewesen sein. In der Regel scheinen die entsprechenden Personen jedoch zumindest eine rhetorische Grundausbildung genossen zu haben. Eine unmittelbare Verbindung zwischen den Antragstellern und den ausgezeichneten Personen – etwa in Form eines Verwandtschaftsverhältnisses – scheint in den meisten Fällen nicht bestanden zu haben.13 Auch Ehrendekrete auf eigene Initiative blieben eine seltene Ausnahme. Auf informellen Ebenen mögen die ausgezeichneten Personen als Teil der politischen Führungsschicht gerade in kleinen Städten dennoch großen Einfluss auf die eigenen Ehrungen genommen und in der Folge Inhalt und Aussageintention der Beschlüsse mitbestimmt haben. Die Polis bezog durch die Auswahl der auszuzeichnenden Personen auf der anderen Seite jedoch ebenfalls stets eine eindeutige Position im politischen Geschehen. Eine große Zahl der publizierten Ehrendekrete entsprach in den ideologischen Aussagen demnach den Interessen der Polis – respektive der politischen Führungsschicht – oder vertrat zumindest die Ansichten von einzelnen Bevölkerungsgruppen, die wie die demokratischen Kreise in Athen oder die Römerfreunde im späthellenistischen Kleinasien in den aktuellen Situationen das politische Leben bestimmten. Eine eindeutige Trennung zwischen privaten In13

Mögliche Freundschaftsverbindungen sind aus den Beschlüssen in der Regel jedoch nicht zu ersehen.

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teressen der ausgezeichneten Personen und der politischen Haltung der Stadt wird in den meisten Fällen nicht existiert haben. Die Honoranden spielten – etwa über die Ausübung von öffentlichen Funktionen – in der Regel eine wichtige Rolle in der städtischen Politik und werden dementsprechend entscheidenden Einfluss auf die öffentliche Haltung der Polis genommen haben. In der Summe beruhte die Definition von vorbildlichem Verhalten und damit in der Konsequenz auch die Entscheidung über die Vergabe von Ehrungen stets auf einem Konsens von politischen Entscheidungsträgern in den Städten. Doch was galt den hellenistischen Städten als «richtiges» Verhalten? Und welche Aussagen lassen sich in der Folge über Zustand und Verfassung der hellenistischen Städte treffen? Die publizierten Ehrendekrete waren seltene Auszeichnungen und verbanden eine persönliche Anerkennung für herausragendes Engagement mit ideologischen Aussageintentionen. In der Regel zeigten die Beschlüsse demnach besondere Ausnahmeleistungen und nicht die alltäglichen Vorgänge in der Polis. Die propagierten Vorstellungen gaben zudem lediglich einen idealisierenden Einblick in Tugendkonzepte und Wertesystem der ehrenden Gemeinschaften.14 Eine Abbildung der politischen Realitäten lag nicht im primären Interesse der Beschlüsse. Stattdessen zeigten die Erzählungen in den meisten Fällen überformte Idealbildnisse von tugendhaften Überbürgern. Unmittelbare Einblicke in die politischen Realitäten geben die Ehrendekrete in der Summe nicht. Auf der anderen Seite enthalten die Darstellungen jedoch wichtige Informationen über das Wertesystem und die politischen Idealvorstellungen der Städte und erlauben in der Folge mittelbare Rückschlüsse auf die Verfassungswirklichkeit.15 Für belastbare Aussagen über Zustand und Wertesystem der hellenistischen Polisgesellschaften sollen demnach in einem ersten Schritt zunächst noch einmal die ideologischen Aussagen und das Bürgerbild der Beschlüsse zusammenfassend betrachtet werden. Ein besonderes Augenmerk wird auf die allmählichen Veränderungen in der öffentlichen Präsentation der herausragenden Personen sowie in den entsprechenden Definitionen von vorbildlichem Verhalten zu richten sein. Im Anschluss können aus den gewonnenen Erkenntnissen über Wertvorstellungen und Ideale der hellenistischen Städte zum Abschluss der Untersuchung Rückschlüsse auf die politischen Realitäten und den Zustand der hellenistischen Polisgesellschaften gezogen werden. Auf den ersten Blick vertraten die meisten Beschlüsse ähnliche Wertvorstellungen. Die Städte benutzten in den Darstellungen während des gesamten Hellenismus die gleichen Tugendbegriffe wie καλοκἀγαθία, κακοπαθία, φιλοτιμία, φιλοδοξία, φιλανθρωπία, ἀρετή, μεγαλοψυχία, σωφροσύνη – eine insbesondere in Ehrendekreten für Frauen

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Zu den Idealen der Ehrendekrete als «gesellschaftliches Kunstprodukt» s. Wörrle 1995, 250. Vgl. Kah 2015, 388.

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häufig erwähnte Tugend – oder εὔνοια.16 Die Erzählungen konnten die Nomen mit entsprechenden Adjektiven wie καλὸς καὶ ἀγαθός oder φιλότιμος variieren und die einzelnen Begriffe je nach Anlass und Aussageintention unterschiedlich kombinieren. In der Regel verkamen die Tugendbegriffe trotz der häufigen Verwendung jedoch nicht zu Floskeln oder leeren Worthülsen. Stattdessen setzten die Beschlüsse über die entsprechenden Ausdrücke bewusste Akzente und trafen inhaltliche Aussagen.17 Je nach Anlass konnten die Erzählungen auch feste Begriffe modifizieren. So wandelten einzelne Beschlüsse den Ausdruck λέγειν καὶ πράττειν zu λέγειν καὶ γράφειν und betonten damit die aktive Beteiligung eines Bürgers an der Volksversammlung durch das Schreiben von Anträgen. Doch wie waren die allgemeinen Tugendbegriffe mit konkretem Inhalt zu füllen? Welche Idealvorstellungen verbanden die hellenistischen Städte mit einem ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός? Eine Grundvoraussetzung für Ehren und öffentliche Anerkennung war – wie in einem Beschluss von Rat und Volksversammlung zu erwarten – bis in den späten Hellenismus der selbstlose Einsatz für das Wohl von Polis und Bürgerschaft.18 Ein entsprechendes Engagement stand demnach in den meisten Ehrendekreten im Zentrum der Erzählungen. Konkrete Vorgaben für öffentliches Engagement scheint es nicht gegeben zu haben. Letztlich mussten die Leistungen eines Bürgers – sofern sie eine öffentliche Ehrung durch Rat und Volksversammlung zur Folge haben sollte – lediglich dem Wohl und dem Nutzen von Polis und Bürgerschaft dienen.19 Nur eine engagierte und um die Bürgergemeinschaft verdiente Person galt vielen Städten als der wahre ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός.20 Vermutlich waren die zahlreichen Parallelen in den Karrieren der ausgezeichneten Personen wie die Übernahme von Gesandtschaften oder die Ausübung von städtischen Funktionen demnach vornehmlich praktischen Bedürfnissen und nicht einem festen Kanon an Leistungen geschuldet. Trotz der prinzipiellen Gemeinsamkeiten zeigten die entsprechenden Ehrendekrete demzufolge in der inhaltlichen Ausgestaltung große Unterschiede und griffen die unterschiedlichsten Thematiken auf. Sofern eine Tätigkeit dem Nutzen der Gemeinschaft diente, konnten die ausgezeichneten Personen je nach Situation die unterschiedlichsten Leistungen erbringen. Die Beschlüsse waren in der Regel zudem direkte Reaktionen auf aktuelle Ereignisse. Die Leistungen, die als vorbildliches Engagement empfundenen wurden, korrespondierten dementsprechend mit der aktuellen Situation der jeweiligen Stadt und zeigten im Hinblick auf den konkreten Inhalt 16 17 18 19

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Zu Bürgerbild und Wertvorstellungen der Ehrendekrete s. allgemein Wörrle 1995. ­Gehrke 2003. Vgl. Wörrle 1995, 241. Gauthier 1985, 73. Wörrle 1995, 244. Gehrke 2003, 229. 249. Scholz 2008, 97. Im Kern teilten die griechischen Städte vermutlich in vielen Fällen ähnliche Vorstellungen von Moral und Tugend. Zur griechischen Identität im Hellenismus s. Gehrke 2003, 246– 249. Zum Konzept der καλοκἀγαθία bei den Autoren der klassischen Zeit s. Bourriot 1995.

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eine große Bandbreite. Die Tätigkeiten von engagierten Bürgern mussten sich in den meisten Fällen vermutlich an die äußeren Gegebenheiten anpassen. Zu einem Teil hatten sich die Beschlüsse trotz der idealisierenden Darstellungstendenzen selbstverständlich auch an den individuellen Karrieren und der persönlichen Lebensgestaltung der ausgezeichneten Personen zu orientieren. Die Städte kannten bei der Auswahl der auszuzeichnenden Personen jedoch eine prinzipielle Wahlfreiheit und werden demnach in der Regel lediglich Personen mit einem passenden Lebenslauf für eine öffentliche Auszeichnung ausgesucht haben. In der Summe spiegelten die Ehrendekrete durch die inhaltliche Vielfalt der Beschlussvorlagen die unterschiedlichen Entstehungshintergründe der Beschlüsse und zeigten die vielfältigen Möglichkeiten eines ehrenhaften Engagements um die Polis. Eine idealtypische Karriere eines Euergeten entwarfen die abwechslungsreichen Darstellungen nicht.21 Zahlreiche Ehrendekrete berichteten über besondere Verdienste bei der Ausübung von öffentlichen Polisfunktionen wie Gymnasiarchie oder Agoranomie. Andere Beschlüsse konzentrierten sich in den Berichten auf militärische Leistungen wie die Verteidigung der Polis gegen Angriffe und Plünderungen oder berichteten von diplomatischen Erfolgen nach Krisen und Konflikten. Ausführliche Lebenswerkdekrete deckten in den Darstellungen unterschiedliche Bereiche des öffentlichen Lebens ab und präsentierten Idealbiographien von herausragenden Bürgern. Mit der Ausübung von Polisfunktionen ohne finanzielle Sonderleistungen oder dem Einsatz im Krieg bewegten sich die Tätigkeiten der herausragenden Bürger in vielen Fällen lange Zeit nicht in den klassischen Kategorien des Euergetismus.22 Erst zum Späthellenismus honorierten Städte in den Ehrendekreten zunehmend finanzielles Engagement und materielle Leistungen wie Feste und Baustiftungen. In Einzelfällen hatten entsprechende Leistungen bereits in früheren Beschlüssen Eingang in die Erzählungen gefunden. Zum Ende des Hellenismus scheinen sich Ehre und öffentliche Anerkennung jedoch vornehmlich über finanzielle Leistungen definiert zu haben. Zugleich löste sich das öffentliche Engagement von einzelnen Personen zunehmend von konkreten Ereignissen und geriet allmählich in den Dienst von individuellen Interessen. Statt an einem Nutzen für die Polis scheinen sich Leistungen vornehmlich am persönlichen Geltungsbedürfnis von reichen Bürgern orientiert zu haben. Die Verwendung von identischen Tugendbegriffen musste demzufolge in den einzelnen Städten nicht auf identischen Vorstellungen von Inhalt und Bedeutung der Ausdrücke beruhen. Je nach Polis und Zeitstellung werden sich auch die inhaltlichen Konnotationen von Ausdrücken wie καλοκἀγαθία oder ἀρετή im Verlauf des Hellenismus verändert haben. Die Idealvorstellungen von der konkreten Tätigkeit eines ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθὸς im Dienst der Polis waren so unterschiedlich wie die Ent21 22

Die Konstruktion des idealtypischen Euergeten versucht etwa Scholz (2008, 89 f.) in Anlehnung an Quaß (1993, 81–83). Zu den klassischen Kategorien des Euergetismus s. auch o. S. 19. 43 f.

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stehungshintergründe der Ehrendekrete und werden sich in der Regel den aktuellen Bedürfnissen sowie den allgemeinen Zeitumständen angepasst haben. Neben den historischen Entwicklungen nahmen in vielen Fällen auch regionale Besonderheiten Einfluss auf den Inhalt der Ehrendekrete. Die Polis Athen vertrat im 3. Jhdt. v. Chr. eine antimakedonische Haltung und propagierte in den Ehrendekreten die Ideale von δημοκρατία, ἐλευθερία und αὐτονομία. Zahlreiche Städte in Kleinasien präsentierten in den Beschlüssen aus den Jahren nach der Provinzeinrichtung bekennende Römerfreunde als ideales Vorbild. Im Prinzip ist die Frage nach Wertesystem und Verfassung der griechischen Städte je nach Zeitstellung und politischen Rahmenbedingungen für jede Polis als Einzelfall zu behandeln. Nichtsdestotrotz zeigen zahlreiche Beschlüsse während des Hellenismus Gemeinsamkeiten in den politischen Ansichten und scheinen allgemeine Grundtendenzen in der Entwicklung der Polisgesellschaften zu spiegeln. Freiheit und Autonomie spielten in den Wertvorstellungen der Ehrendekrete bis in den späten Hellenismus in zahlreichen Städten eine zentrale Rolle. Die Beschlüsse propagierten die Ideale von δημοκρατία, ἐλευθερία und αὐτονομία und präsentierten demokratische Verhaltensweisen als Maßstab für die Beurteilung eines vorbildlichen Bürgers.23 Ein ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός setzte sich in öffentlichen Funktionen sowohl in der Stadt als auch bei außenpolitischen Missionen für die Belange der Polis ein und engagierte sich in Wort und Tat durch Beschlussvorlagen und Abstimmungen in der Volksversammlung. Sowohl gegenüber den hellenistischen Königen als auch gegenüber den römischen Machthabern bemühten sich die Städte um Selbstbestimmung und politische Unabhängigkeit.24 Eine demokratische Verfassung galt in der Vorstellungswelt der Beschlüsse bis in den späten Hellenismus als alternativlose Staatsform. Erst zum Ende des Hellenismus begannen sich die grundlegenden Wertkonzepte der Ehrendekrete zu verändern. Private Leistungen und finanzielles Engagement spielten bei der Beurteilung von ehrenvollem Verhalten eine zunehmende Rolle und rückten verstärkt ins Zentrum der Beschlüsse. Andere Aspekte der Beschlüsse wie die Verbreitung von politischen Ansichten oder die Vermittlung von demokratischen Polisidealen traten allmählich in den Hintergrund. Statt engagierten Politikern und erfolgreichen Feldherrn präsentierten die späthellenistischen Ehrendekrete zunehmend reiche Euergeten als vorbildliches Ideal eines ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός. Im inhaltlichen Wandel der Beschlüsse scheinen sich demnach zum Ende des Hellenismus grundlegende Veränderungen in den Gesellschaftsstrukturen der griechischen Städte anzudeuten. In diesem Kontext kann auch

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Zum Auftreten von Begriffen wie Demokratie und Freiheit in den Ehrendekreten der hellenistischen Städte s. allgemein Rhodes/Lewis 1997, 531–536. Die einzelnen Begriffe konnten dabei freilich je nach Polis immer auch mit unterschiedlichen Konnotationen aufgeladen sein. Vgl. Dreyer 2010, 358. Dreyer/Weber 2011, 26–31. Zum Bemühen der Städte um Freiheit und Demokratie sowie um eine funktionierende Verfassungsordnung s. Gehrke 2003, 234–237. 249.

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die Frage nach dem Zusammenhang der gesellschaftlichen Entwicklungen mit dem gleichzeitigen Verschwinden der Ehrendekrete gestellt werden. Doch welche Aussagekraft über die Lebenswirklichkeiten der hellenistischen Polis konnten die Ehrendekrete nun eigentlich besitzen – präsentierten die Motivberichte in der Regel doch Idealbildnisse in ideologischen Überformungen und zeigten als seltene Auszeichnungen für besondere Leistungen zudem stets Ausnahmephänomene? Die Beschlüsse konzentrierten sich auf die Verdienste von herausragenden Einzelpersonen und berichteten von großen Kriegshelden, erfolgreichen Diplomaten und engagierten Politikern – im Späthellenismus vermehrt auch von großzügigen Spendern und reichen Stiftern. Den politischen Alltag und das Tagesgeschäft der Polis bildeten die idealisierenden Erzählungen damit in der Regel vermutlich nicht ab. In der Folge erlauben die Ehrendekrete lediglich einen verzerrten Einblick in das alltägliche Leben in der Polis. Die Ehrendekrete zeigen – auch in Hinblick auf den Euergetismus – die großen Ausnahmen und gleichsam die extremen Ausprägungen von allgemeinen Phänomenen. Am Beispiel von herausragenden Einzelfällen illustrierten die Städte gleichsam Idealfälle von bürgerlichem Engagement, die den eigenen Vorstellungen und Wünschen entsprachen, und nicht den realen Alltag der Polis. Durch die grundsätzliche Ausrichtung werden die Ehrendekrete zudem nicht in jedem Fall um eine objektive Darstellung bemüht gewesen.25 Als primäres Ziel wollten die meisten Erzählungen nach Möglichkeit die zentrale Bedeutung des einzelnen Bürgers für die Stadt in den Vordergrund rücken. Zum Teil mögen die Beschlüsse die Stellung des Einzelnen in der Polis demnach in der Tendenz auch überbewertet haben. Mit den realen Machtverhältnissen werden die Darstellungen zumindest nicht in jedem Fall in Einklang gestanden haben – auch wenn die Behauptungen auf der anderen Seite nicht im völligen Wiederspruch zu den historischen Tatsachen, die den Zeitgenossen mit Sicherheit bekannt waren, gestanden haben können. Die idealisierenden Darstellungen der Ehrendekrete waren demnach vornehmlich ein zentrales Element in der Selbstwahrnehmung und der intendierten Außendarstellung der jeweiligen Städte.26 Für Aussagen über die politischen Realitäten der hellenistischen Polis – so etwa über das Ausmaß der Abhängigkeit von reichen Bürgern – besitzen die Beschlüsse lediglich eine mittelbare Aussagekraft. Die Erzählungen zeigen vornehmlich die Selbstwahrnehmung und die intentionale Außendarstellung der Polis und nicht die ungeschönte Wirklichkeit des politischen Tagesgeschäfts.27 Gerade die Wertvorstellungen und das Selbstbild der Städte erlauben auf der ande-

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26 27

Zur selektiven Auswahl an Fakten s. Chaniotis 2014, 159. In Berichten von Gesandtschaftsreisen marginalisierten die meisten Ehrendekrete etwa die Beteiligung von anderen Bürgern. Wörrle 1995, 250. Gehrke 2003, 250. Vgl. Bielfeldt 2012, 92. Zum Zustandekommen der Ehrendekrete sowie zu den «two publics of the polis» s. Bielfeldt 2012, 113–119.

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ren Seite jedoch Rückschlüsse auf die politischen Realitäten der Zeit. Zumindest in der Theorie scheinen viele Städte bis in den späten Hellenismus immer noch dem Ideal der autonomen Polis als demokratische Bürgergemeinschaft verhaftet gewesen zu sein. Eine Vormachtstellung von einzelnen Bürgern oder von kleinen Gruppen an einflussreichen Personen im Sinn eines «Honoratiorenregimes» zeigte sich in den hellenistischen Ehrendekreten lange Zeit nicht. Grundlegende Veränderungen in Gesellschaft und Politik vollzogen sich in den griechischen Städten vermutlich erst im späten Hellenismus. Zunächst propagierten die meisten Beschlüsse das Ideal der demokratischen Polisgesellschaft und versuchten führende Personen trotz der Sonderstellung in die Bürgergemeinschaft einzubinden. Ein ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός engagierte sich sein ganzes Leben für die Polis und gestaltete in den Rollen des patriotischen Bürgers sowie des guten Demokraten durch Initiativen und Beschlussvorlagen das politische Leben der Stadt. Individuellem Machtstreben versuchten die Beschlüsse durch positive Gegenentwürfe vorzubeugen. Ein Indiz für den allmählichen Werteverfall der hellenistischen Gesellschaft war das Aufkommen der Ehrendekrete im Frühhellenismus somit gerade nicht.28 Stattdessen zeugten die Beschlüsse zunächst von den bürgerlichen Werten und den demokratischen Idealen der Polisgemeinschaften.29 Trotz der steten Gefährdung der traditionellen Ordnung versuchten die Städte die Grundlagen der griechischen Polisgesellschaft bis in den späten Hellenismus zu wahren.30 Als idealisierende Darstellungen bildeten die Ehrendekrete in der Regel selbstverständlich nicht die vollen Realitäten in den jeweiligen Städten ab.31 Insbesondere die Betonung von Werten und Idealen mag stets ein erstes Indiz für die Gefährdung der überkommenen Gesellschaftsordnung gewesen sein – ließen in den meisten Fällen doch erst konkrete Probleme eine Reaktion der Polis als Notwendigkeit erscheinen. Die Publikation von zahlreichen Ehrendekreten erfolgte demnach vermutlich im Zusammenhang mit Bedrohungen der bürgerlichen Tugendvorstellungen und Wertkonzepte. Zahlreiche Beschlüsse standen im Kontext von äußeren Gefährdungen wie Kriegen und Naturkatastrophen oder inneren Konflikten wie Versorgungskrisen und innerstädtischen Auseinandersetzungen. Gerade in den entsprechenden Krisensituationen scheinen die Städte auf die Hilfe von herausragenden Einzelpersonen angewiesen gewesen zu sein.32 Einzelne Personen konnten zudem durch den Auf28 29 30 31 32

So jedoch Rosen 1987, 290–292. Wörrle 1995, 250. Eine grundlegende Veränderung im Wertesystem der griechischen Städte setzte erst im Kontext der römischen Eroberung ein. S. allgemein o. S. 398–403. Wörrle 1995, 250. Ebd. 244. Gehrke 2003, 250. Vgl. Scholz 2008, 84–87. Schulz 2011, 258–261. Bielfeldt 2012, 91. Zur zunehmenden «Aristokratisierung» der Gesellschaft ab dem 4. Jhdt. v. Chr. s. auch Dreyer 2010, 350–360. Dreyer/Weber 2011, 31–46. Der entscheidende Wandel beginnt jedoch erst im Späthellenismus. Hamon 2007, 98–100.

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stieg im Gefolge der hellenistischen Könige den Sphären der Polis entwachsen.33 In der politischen Praxis werden Mitgliedern der städtischen Führungsschicht in der Folge bereits im frühen Hellenismus immer wieder Schlüsselpositionen in der Politik und im öffentlichen Leben der Städte zugekommen sein. Die Existenz von Eliten musste jedoch nicht das automatische Ende der demokratischen Polistraditionen bedeuten. Auch durch die Aufstellung von Ehrendekreten versuchten die Städte zunächst den neuen Entwicklungen entgegenzuwirken. Die Beschlüsse propagierten die Ideale von Gemeinschaftssinn und öffentlichem Engagement und sollten herausragende Einzelpersonen durch die Aussicht auf Ehre und Anerkennung zum Einsatz für die Polis begeistern. Gleichzeitig versuchten die Städte die führenden Persönlichkeiten durch die Vergabe von Privilegien in die Bürgergemeinschaft einzubinden. Als ehrende Instanz konnte eine Polis zunächst vermutlich noch die Suprematie gegen den Einzelnen verteidigen. Das außergewöhnliche Engagement und die anschließenden Ehrungen erhoben die jeweiligen Personen jedoch zugleich über die Gemeinschaft aus gleichen Mitbürgern und entrückten die städtischen Eliten zunehmend dem bürgerlichen Rahmen. Mit der Zeit mögen die Ehrenpraktiken dementsprechend – möglicherweise entgegen den ursprünglichen Intentionen – die Ungleichheiten in den Polisgesellschaften noch verstärkt haben. Überragende Einzelpersonen wie Diodoros Pasparos in Pergamon blieben jedoch selbst zum Ende des Hellenismus seltene Ausnahmeerscheinungen. Bis in den späten Hellenismus scheinen die griechischen Städte weitgehend die Balance zwischen den persönlichen Interessen und dem individuellen Machtstreben von einzelnen Bürgern und dem politischen Anspruch und den Bedürfnissen der Gemeinschaft gewahrt zu haben.34 Trotz Krisen und Problemen erfüllten die Gemeinwesen zumindest in den Grundzügen die eigenen Anforderungen an eine demokratische Grundordnung. Herausragende Einzelpersonen waren trotz Sonder33

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Zu den Freunden der Könige s. Paschidis 2008. Vgl. Hamon 2007, 79–81. Scholz 2008, 76–79. Zum Verhältnis der Könige zu den städtischen Eliten s. Dreyer 2010, 360–363. Dreyer/Weber 2011, 16–25. Großen Einfluss in den Heimatstädten werden die Freunde der Könige jedoch nicht in jedem Fall gehabt haben. In der Regel hielten sich die jeweiligen Personen in der Nähe der Herrscher auf und waren damit von der Tagespolitik der Städte ausgeschlossen. Zudem blieben entsprechende Karrieren eine seltene Ausnahme. Vgl. Dreyer 2010, 349. Grundlegend Gauthier 1985, 66–75. Vgl. Wörrle 1995, 250. Gehrke 2003, 250. Dreyer/ Weber 2011, 39. Bielfeldt 2012, 91. Kah 2015, 386 f. 393 f. Zum demokratischen Charakter der hellenistischen Städte s. auch Rhodes/Lewis 1997, 531–536. Thornton 2013, 29. Wiemer 2013, 56–59. Das Bild eines passiven und «auf das Geschäft des Ehrens beschränkten» Demos trifft vermutlich auch für den späten Hellenismus nicht zu. So jedoch Scholz 2008, 84–87. Für Kritik s. auch Dreyer/Weber 2011, 28 Anm. 42. Vgl. jedoch Dreyer 2010, 350–360. Der Aufsatz betont den Wandel der Gesellschaft im frühen Hellenismus und übersieht dabei – insbesondere für das Fallbeispiel Athen – die Kontinuitäten zur klassischen Zeit.

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stellung und Ehrungen auf die Polis genauso angewiesen wie die Polis auf das Engagement von eigenen Bürgern. Die bürgerlichen Eliten des Frühhellenismus konnten eine Polis – im Gegensatz zu manchen Überpoliten in Späthellenismus und Kaiserzeit – in der Regel vermutlich nur gemeinsam am Laufen halten.35 Am politischen Tagesgeschäft wird eine breite – wenn vielleicht auch nicht allzu große – Schicht an Bürgern beteiligt gewesen sein. Im frühhellenistischen Erythrai übten pro Jahr 30 Personen die Funktion eines Strategos aus. Auch im Späthellenismus wurden wichtige Polisfunktionen von herausragenden Mitgliedern der bürgerlichen Eliten höchstens ein zweites Mal bekleidet. Zumindest nach dem Selbstverständnis der Städte waren auch herausragende Ausnahmepersönlichkeiten an die Entscheidungen der Volksversammlung gebunden und sollten sich über Beschlussvorlagen und öffentliche Funktionen für die Polis engagieren.36 Die Existenz von politischen Eliten ließ sich in den meisten Städten vermutlich mit der demokratischen Grundordnung verbinden und bedeutete nicht das Ende der überkommenen Verfassung. Zudem hatten einzelne Personen aus der Führungsschicht schon in der klassischen Zeit in vielen Fällen großen Einfluss auf die Politik der Städte genommen. Auch in den hellenistischen Städten werden die politischen Realitäten demnach in der Regel nicht im völligen Gegensatz zu den in den Ehrendekreten propagierten Idealen von Freiheit und Demokratie gestanden haben. So fühlte sich etwa im frühhellenistischen Athen zumindest eine Gruppe an Bürgern immer noch den Werten der klassischen Polisdemokratie verpflichtet. Auch in Kleinasien propagierten Städte wie Priene und Erythrai im 3. Jhdt. v. Chr. die Ideale von Freiheit und Autonomie und versuchten sich gegen die mögliche Bedrohung durch Tyrannen abzusichern. Selbst nach der Ankunft der Römer in den Jahren nach 133 v. Chr. scheinen zahlreiche Städte der Region zumindest für kurze Zeit auf eine Erneuerung von Freiheit und Autonomie sowie auf die Stärkung der traditionellen Polisdemokratie gehofft zu haben. Auch die griechischen Städte auf den Inseln im Ägäisraum und an der Schwarzmeerküste scheinen lange Zeit an den klassischen Werten von Freiheit und Demokratie festgehalten zu haben. In der politischen Praxis unterschieden sich die hellenistischen Städte somit lange Zeit vermutlich kaum von den klassischen Vorbildern.37 Grundlegende Veränderungen in den Gesellschaftsstrukturen und im politischen Alltag der griechischen Städte scheinen sich erst zum Ende des Hellenismus vollzogen zu haben. Eine kleine Schicht an reichen Bürgern okkupierte allmählich die wichtigen Bereiche der städtischen Politik. Einzelne Aristokratenfamilien bestimmten über Generatio-

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Zusammenfassend am Beispiel der Polis Priene s. Kah 2014, 165. Zu Diskussionen in der Volksversammlung als Indizien für eine lebendige Demokratie s. Thornton 2013, 22. Bereits im klassischen Athen scheinen zudem Reichtum und Herkunft eine politische Karriere zumindest begünstigt zu haben. Rhodes/Lewis 1997, 36. 532. Vgl. auch Hamon 2007, 81–83. Scholz 2008, 79.

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nen die Geschicke der jeweiligen Heimatpolis und instrumentalisierten die Verwandtschaftsverhältnisse zugleich als Mittel der Selbstrepräsentation. Zunehmende Teile des öffentlichen Engagements verlagerten sich zudem auf Privatveranstaltungen. In der Summe gewannen finanzielle Leistungen und private Wohltaten in Späthellenismus und Kaiserzeit an Bedeutung und resultierten in der allmählichen «Verhäuslichung» des öffentlichen Bereichs.38 Die gesellschaftlichen Veränderungen zeigten sich auch im Inhalt der Ehrendekrete. Individuelle Leistungen und finanzielles Engagement rückten im späten Hellenismus zunehmend ins Zentrum der Beschlüsse. Einen vorbildlichen ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός definierten die Städte in der Folge als reichen Euergeten und Stadtpatron. Die jeweiligen Personen entschieden zudem in den meisten Fällen selbst über Art und Umfang der eigenen Leistungen und nutzten die Auszeichnungen vornehmlich zur eigenen Selbstdarstellung. Öffentliches Engagement orientierte sich vor diesem Hintergrund in vielen Fällen nicht an praktischen Gegebenheiten und war stattdessen von den persönlichen Interessen sowie vom Gutdünken der reichen Euergeten abhängig. Einen entscheidenden Antrieb oder zumindest eine wichtige Beschleunigung scheinen die beschriebenen Entwicklungen durch die Ausbreitung der römischen Macht im östlichen Mittelmeerraum ab dem 2. Jhdt. v. Chr. erfahren zu haben. Unter der römischen Herrschaft erfuhren die griechischen Städte eine dauerhafte Einschränkung der Privilegien von Autonomie und Selbstbestimmung. Zum Teil hatten auch die vorangegangenen Monarchien die Freiheit von einzelnen Städten beschnitten.39 Durch die Umgestaltung der ehemaligen Königreiche zu römischen Provinzen sowie durch die allmähliche Munizipalisierung der griechischen Städte verloren die Polisgemeinden jedoch auf lange Sicht an Einfluss und büßten insbesondere im Hinblick auf eine eigenständige Außenpolitik an Bedeutung ein. Die Möglichkeiten für öffentliches Engagement werden sich in der Folge ab dem späten Hellenismus in vielen Städten schon aus praktischen Zwängen weitgehend auf Spenden sowie die Finanzierung von Festen und Gebäuden beschränkt haben. Entsprechende Leistungen waren stets ein wichtiges Betätigungsfeld von reichen Bürgern. Nachdem die Städte jedoch in weiten Teilen die politische Bedeutung verloren hatten, beschränkten sich die Möglichkeiten zu öffentlichem Engagement in vielen Fällen ausschließlich auf finanzielle Wohltaten. Der Wandel von verdienten Politikern und 38

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Ähnliche Entwicklungen zeigten sich auch bei der Aufstellungspraxis von Ehrenstatuen. Im Verlauf des Hellenismus gewannen private Initiativen bei der Errichtung von entsprechenden Standbildern in den öffentlichen Räumen der Städte zusehends an Bedeutung. S. auch o. S. 325 Anm. 224. Zum Einfluss der hellenistischen Monarchien sowie der Römer auf die griechischen Städte s. Rhodes/Lewis 1997, 542–549. Dreyer/Weber 2011, 16–25. Wiemer 2013, 61–67. Vgl. Dreyer 2010. Zum Verhältnis der lokalen Eliten zu Rom s. Schulz 2008. Schulz 2011. Dreyer und Schulz bleiben in den Ausführungen jedoch stark dem zumindest in Teilen überholten Bild der Honoratiorenherrschaft verhaftet.

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erfolgreichen Feldherrn zu reichen Euergeten scheint demnach zu einem großen Teil auch den Veränderungen in den politischen Rahmenbedingungen geschuldet gewesen zu sein. Die Kontakte und der Austausch mit Rom boten einzelnen Bürgern zudem neue Möglichkeiten zur individuellen Ausweitung von Macht und Einfluss. Insbesondere persönliche Beziehungen zu einflussreichen Senatoren in Rom gewannen ab dem 2. Jhdt. v. Chr. zusehends an Bedeutung und führten in der Konsequenz zur weiteren Konzentration der Macht in den Händen von kleinen Eliten. In Verbindung mit der zunehmenden Bedeutung von finanziellen Leistungen werden die politischen Gegebenheiten in der Folge eine weitere Verkleinerung der städtischen Führungsschichten zu einem elitären Kreis an Bürgern bewirkt haben. Insbesondere im Vergleich zum Frühhellenismus wird sich die Zahl an Angehörigen der politischen Elite nochmals verringert haben. Mit der Kaiserzeit verlagerten sich die Interessen der städtischen Führungsschichten zudem von der politischen Tätigkeit in der Polis auf die Übernahme von einflussreichen Stellungen in der Reichsverwaltung. Die gesellschaftlichen Veränderungen mögen zugleich einen entscheidenden Impuls für das allmähliche Verschwinden der Ehrendekrete zum Beginn der Kaiserzeit gegeben haben. Zusammen mit allgemeinen Veränderungen im Repräsentationsbedürfnis der aristokratischen Eliten mag der inhaltliche Wandel der Beschlüsse die dauerhafte Publikation der ausführlichen Motivberichte mit der Zeit überflüssig gemacht haben. Im Hellenismus verfolgten die griechischen Städte mit der Errichtung der öffentlichen Monumente stets mehrere Ziele und wollten über die persönliche Anerkennung von verdienten Bürgern auch eigene Ideale und Wertvorstellungen vermitteln oder politische Stellungnahmen veröffentlichen. Mit dem politischen Bedeutungsverlust der Städte durch die römische Vormachtstellung beschränkten sich die Beschlüsse zunehmend auf finanzielle Leistungen und dienten vornehmlich der individuellen Auszeichnung von verdienten Personen. Für das persönliche Repräsentationsbedürfnis der Eliten scheinen zugleich insbesondere die zahlreichen Privilegien sowie die persönlichen Aufwendungen an Bedeutung gewonnen zu haben. Zur Vermittlung der neuen Inhalte reichten in der Regel vermutlich auch knappe Ehreninschriften, deren Gestaltung sich in besonderem Maß für die veränderten Anforderungen eignete. Zugleich verloren die formalen Prozesse beim Zustandekommen der Beschlüsse an Bedeutung und machten die detaillierte Aufzeichnung von Volksbeschlüssen damit in einem weiteren Punkt obsolet. In der Konsequenz lösten knappe Ehreninschriften mit der Zeit die ausführlichen Ehrendekrete ab.40 Die althistorische Forschung – insbesondere im französischsprachigen Raum – versuchte die beschriebenen Wandlungsprozesse durch eine Unterteilung des Hellenismus in eine «haute époque hellénistique» und eine «basse époque hellénisti­ que» zu fassen. Die grundlegenden Veränderungen scheinen sich jedoch nicht in allen 40

Ein lateinisches Pendant zu den griechischen Ehreninschriften der Kaiserzeit mag in den römischen Kursusinschriften zu sehen sein.

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Regionen zur gleichen Zeit vollzogen zu haben und folgten auch nicht schematischen Entwicklungsmustern. Auf die Frage nach Auslösern und Beginn des gesellschaft­ lichen Wandels ist – wie die vorliegende Untersuchung an verschiedenen Fallstudien zu zeigen versucht hat – auf Basis der vorhandenen Quellen für jede Stadt eine neue Antwort zu finden. Auch die Verfassungswirklichkeit in den einzelnen Städten wird sich je nach Zeitstellung und politischen Rahmenbedingungen unterschieden haben. Die idealtypische Polis existierte selbstverständlich nicht. Einen zentralen Punkt in den Wandlungsprozessen von der «haute époque hellénistique» zur «basse époque hellénistique» mag in zahlreichen Städten die zunehmende Einflussnahme der römischen Autoritäten in der jeweiligen Region gebildet haben. In Kleinasien scheinen die grundlegenden Veränderungen durch das Ende des pergamenischen Königreichs und die anschließende Einrichtung der römischen Provinz in Gang gesetzt worden zu sein. In Athen endete die dauerhafte Publikation von Ehrendekreten am Beginn des 2. Jhdts. v. Chr. mit dem zunehmenden Einfluss von Rom auf das griechische Festland. Trotz der fallspezifischen Unterschiede zeigten sich in den hellenistischen Städten in der Summe dennoch die gleichen Entwicklungen.41 Bis in den späten Hellenismus existierte in den meisten Städten zumindest in der Theorie das gemeinsame Idealbild der freien Polisdemokratie. Erst mit der Zeit gerieten die Städte in zunehmende Abhängigkeit von reichen Bürgern. Der Hellenismus war somit gleichsam die Epoche des allmählichen Wandels von den spätklassischen Polisdemokratien zu den «Honoratiorenregimen» der römischen Kaiserzeit.

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Die Ehrendekrete der einzelnen Städte verfolgten selbstverständlich nicht im selben Maß ideologische Intentionen. Zahlreiche Beschlüsse präsentierten neben den Aspekten der persönlichen Auszeichnung allgemeine Tugendbeispiele. Insbesondere ab dem Späthellenismus beschränkte sich eine zunehmende Zahl an Ehrendekreten jedoch auch auf die individuelle Erhöhung der jeweiligen Personen. Der Auswertbarkeit der Monumente im Hinblick auf die Fragen nach Bürgerbild und Verfassung der jeweiligen Städte stehen diese Einschränkungen nicht im Weg. Die ausgezeichneten Personen werden stets den Idealvorstellungen der Stadt von einem ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός entsprochen haben – gleich ob die Städte mit den Ehrendekreten ideologische Intentionen verfolgten oder vornehmlich auf eine persönliche Auszeichnung zielten. Aus den getroffen Aussagen ist in der Folge stets ein Einblick in Zustand und Verfassung der jeweiligen Polis zu gewinnen.

Anhang

1. Geographische Inschriftenliste Die vorliegende Inschriftenliste versammelt alle bekannten Ehrendekrete für eigene Bürger. Die regionale Ordnung folgt den Prinzipien des SEG. Neben den Beschlüssen von Rat und Volksversammlung enthält die Liste für einzelne Städte mit besonderen Strukturen wie Kos oder Mylasa auch Ehrendekrete von unteren Verwaltungseinheiten wie Demen oder Phylen. Daneben sind in Einzelfällen auch Beschlüsse von anderen Gruppierungen wie Priestergremien oder Versammlungen von Epheben und Neoi aufgenommen. Für einzelne Städte enthält die Inschriftenliste zudem Aufzählungen der kaiserzeitlichen Trostdekrete. Absolute Vollständigkeit wurde sowohl bei den Beschlüssen der unteren Verwaltungseinheiten und der verschiedenen Gruppierungen als auch bei den kaiserzeitlichen Trostdekreten nicht angestrebt. Die entsprechenden Inschriften dienen lediglich als Vergleichsgrößen oder illustrieren besondere Regionalphänomene. Die Zitate folgen stets den aktuellen Ausgaben der gängigen Corpora. Inschriften, die noch nicht Eingang in ein Corpus gefunden haben, werden nach der Erstedition zitiert. Zwei Konkordanzlisten im Anhang sollen den Zugang zu abgelegenen Publikationen erleichtern. Die Kategorisierung der Inschriften erfolgt nach inhaltlichen Kriterien und richtet sich nach der vorgeschlagenen Unterteilung in fünf Typen: Typ 1  Ehrendekrete zu einem bestimmten Anlass ohne ausführlichen Motivbericht Typ 2  Ehrendekrete zu einem bestimmten Anlass mit ausführlichem Motivbericht Typ 3 Ehrendekrete zu einem bestimmten Anlass mit Rekapitulation von früheren Leistungen Typ 4 Ehrendekrete ohne einen bestimmten Anlass mit Rekapitulation von früheren Leistungen Typ 5  Ehrendekrete ohne einen bestimmten Anlass mit allgemeinem Motivbericht Zur inhaltlichen Unterteilung der Inschriften s. ausführlich o. S. 418–421. Kaiserzeitliche Trostdekrete werden im Folgenden mit dem Kürzel «Trost» gekennzeichnet.

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Anhang

Athen

Euphron (323/322 v. Chr.) IG II/III2 448, 1–35    = II/III3 1, 2, 378. Euphron (318/317 v. Chr.) IG II/III2 448, 35–88. Lykourgos (307/306 v. Chr.) Plu. Moralia 852 A–E.1 Philippides (293/292 v. Chr.) IG II/III2 649    = II/III3 1, 4, 857. Philippides (283/282 v. Chr.) IG II/III2 657    = II/III3 1, 4, 877. Demosthenes (280/279 v. Chr.) Plu. Moralia 850 F–851 C. Demochares (271/270 v. Chr.) Plu. Moralia 851 D–F. Kallias (270/269 v. Chr.) IG II/III3 1, 4, 911.2 Phaidros (um 250 v. Chr.) IG II/III2 682    = II/III3 1, 4, 985. Eurykleides (229–200 v. Chr.) IG II/III2 834    = II/III3 1, 5, 1160. Kephisodoros (196/195 v. Chr.) IG II/III3 1, 5, 1292.3 Miltiades (nach 144/143 v. Chr.) IG II/III2 968.

Typ 2 Typ 3 Typ 4 Typ 4 Typ 4 Typ 4 Typ 4 Typ 4 Typ 4 Typ 4 Typ 4 Frag.

Zu den Ehrendekreten aus Athen s. ausführlich o. S. 51–95. 422–427. Ägina

Diodoros (82 v. Chr.) Gymnasiarch (1. Jhdt. n. Chr.) Gymnasiarch (1. Jhdt. n. Chr.)

IG IV2 2, 750. IG IV2 2, 751. IG IV2 2, 752.

Typ 2 Frag. Frag.

Die Insel Ägina unterstand ab dem Jahr 211 v. Chr. den pergamenischen Königen. Bis zum Ende der Monarchie verzichteten Rat und Volk auf die Aufstellung von Ehrendekreten für eigene Bürger und publizierten lediglich einzelne Beschlüsse für die Könige oder deren Vertreter.4 Im Zuge der attalidischen Erbschaft fiel die Insel im Jahr 133 v. Chr. dem römischen Reich zu. In der Zeit der römischen Herrschaft scheint die Polis erstmals Beschlüsse zu Ehren von eigenen Bürgern veröffentlicht zu haben. Die Aufstellung des Ehrendekrets für den Agoranomos Diodoros erfolgte 1 2 3 4

Fragmente der ursprünglichen Inschrift auch in IG II/III2 457 + 513. S. auch Shear 1978, 2–4. S. auch Meritt 1936 Nr. 15. IG IV2 2, 747. 748. 749.

Geographische Inschriftenliste

487

im Zusammenhang mit dem zweiten Mithradatischen Krieg.5 Während der Tätigkeit hatte der engagierte Marktaufseher als Folge der militärischen Auseinandersetzungen mehrere Krisen zu bewältigen. Neben verschiedenen Problemen bei der Getreideversorgung durch Finanznot und Überbevölkerung hatte die Polis auch an den Folgen eines Pirateneinfalls zu leiden. Daneben scheinen Rat und Volk im 1. Jhdt. n. Chr. auch zwei Beschlüsse für verdiente Gymnasiarchen aufgestellt zu haben.6 Argos

Aristokrates (Ende 2. Jhdt. v. Chr.)

Curty/Piérart 2009.

Typ 2

Die Polis Argos scheint selbst keine Ehrendekrete für eigene Bürger publiziert zu haben. Einzig die Vereinigung der Δελφιδ[ῶται] – vermutlich die Besucher des Gymnasions – ließen einen Beschluss für den Gymnasiarchen Aristokrates für Verdienste um die Einrichtung sowie für die Bereitstellung von Öl aufstellen.7 Epidauros

Archelochos (112/111 v. Chr.) IG IV2 1, 63. Mehrere Gesandte (Ende 2. Jhdt. v. Chr.) IG IV2 1, 64. Aristoboulos (Anfang 1. Jhdt. v. Chr.) IG IV2 1, 65. Euanthes (74 v. Chr.) IG IV2 1, 66.

Typ 2 Frag. Typ 4 Typ 4

Die Polis Epidauros ließ lediglich in der kurzen Phase zwischen dem Ende des 2. Jhdts. v. Chr. und der Mitte des 1. Jhdts. v. Chr. Ehrendekrete für eigene Bürger publizieren. Die aufgestellten Beschlüsse hatten stets eine politische Dimension oder waren vor dem Hintergrund von existentiellen Krisen entstanden. Das Ehrendekret für Archelochos berichtete vom Bündnisvertrag zwischen Rom und Epidauros und sollte zugleich die guten Beziehungen der Polis zu den neuen Machthabern dokumentieren. Die Leistungen des Bürgers gerieten vor diesem Hintergrund beinahe zur Nebensache. Der kollektive Beschluss für die Gesandtschaftsreisenden scheint ebenfalls im Zusammenhang mit einem Aufenthalt in Rom gestanden zu haben. Die zahlreichen Kriege in der ersten Hälfte des 1. Jhdts. v. Chr. brachten für die Polis Epi5

6 7

Zur Datierung und den zeitgeschichtlichen Rahmenbedingungen des Ehrendekrets s. Hallof 2 2007, 24. Polinskaya 2009, 194. In den Fasti des IG-Bandes wird die Inschrift jedoch in das Jahr 69 v. Chr. datiert. Hallof 2 2007, 17. Zum Gymnasion auf Ägina s. Delorme 1960, 210 f. Curty/Piérart 2009, 184–194. Zur Identifikation der Δελφιδ[ῶται] s. ebd. 194–199.

488

Anhang

dauros erneut große Belastungen. So berichten die Ehrendekrete für Aristoboulos und Euanthes vornehmlich von mehreren Versorgungskrisen – etwa im Zusammenhang mit den militärischen Unternehmungen des römischen Feldherrn Marcus Antonius im Krieg gegen Kreta im Jahr 74 v. Chr.8 Vor dem Hintergrund der existentiellen Bedrohungen bedeuteten die publizierten Beschlüsse zunächst besondere Anerkennungen für außergewöhnliche Leistungen und brachten die Dankbarkeit für die Rettung der Stadt zum Ausdruck. Aristoboulos erhielt mit einem Reiterstandbild aus Bronze zudem eine seltene und dementsprechend herausragende Anerkennung. Insbesondere der Beschluss für Aristoboulos zeigte jedoch auch eine ideologische Komponente und zeichnete in der Erzählung das Idealbild eines Bürgers im steten Engagement um die Heimat. Die Errichtung der beiden Ehrendekrete erfolgte zudem im bedeutenden Heiligtum des Apollon und des Asklepios und zielte damit auf eine breite Öffentlichkeitswirkung. Ehrendekrete und Ehreninschriften betonten die Herkunft der beiden Bürger und unterstrichen in der Folge ebenso die Bedeutung der Polis Epidauros. Nach der mehrfachen Verwüstung der Kultstätte durch Sulla sowie durch die Einfälle von Piraten waren die Monumente zudem vermutlich auch ein Zeichen für die Wiederbelebung des Heiligtums und eine Erneuerung der Kultfeste.9 Messene

Aristokles (Mitte 1. Jhdt. v. Chr.) Aristokles (Mitte 1. Jhdt. v. Chr.)

IG V 1, 1432, 1–21. IG V 1, 1432, 22–45.

Typ 2 Typ 3

Die beiden Ehrendekrete der Polis Messene für den Schreiber Aristokles waren auf eine gemeinsame Stele aufgezeichnet worden und erinnerten als Ensemble an ein außergewöhnliches Ereignis in der Stadtgeschichte. Die öffentliche Publikation von entsprechenden Beschlüssen war demnach auch in Messene eine Ausnahme und erfolgte vornehmlich bei herausragenden Leistungen in Ausnahmesituationen. Aristokles hatte sich als Schreiber um die Erhebung von acht Obolen pro Person, die von den Römern als Sonderabgabe gefordert worden waren, zu kümmern und sorgte für den reibungslosen Ablauf der Einziehung.10 Die Errichtung des Ehren 8

 9 10

Vgl. Quaß 1993, 132. 251. Zum außerordentlichen Kommando des Prätors Marcus Antonius im Jahr 74 v. Chr. s. Cic. Verr. 2, 2, 8. 2, 3, 213. Vell. 2, 31, 3. Sall. hist. 3, 3. Erst in der Kaiserzeit belegt ist der Beiname Creticus. Plu. Ant. 1. App. Sic. 6, 1–2. Zur Plünderung durch Sulla s. Plu. Sull. 12, 3. Zu den Pirateneinfällen s. Plu. Pomp. 24, 5. Zur Sondersteuer s. Wilhelm 1914, 27–29. Quaß 1993, 131. Die Abrechnung der Achtobolensteuer ist ebenfalls als Inschrift erhalten. IG V 1, 1433. Das Verzeichnis geht vermutlich auf die Aufzeichnungen des Aristokles zurück. Zur Erhebung der Abgabe s. jetzt ausführlich Migeotte 2008, 232–240. Vgl. Rostovtzeff 1941, 750–754. Grandjean 2003, 251–256.

Geographische Inschriftenliste

489

monuments sollte vor diesem Hintergrund vermutlich auch die guten Beziehungen der Stadt zu den Römern dokumentieren und zugleich an den finanziellen Beitrag der Polis erinnern. Aristokles selbst scheint beste Beziehungen zu einzelnen Römern unterhalten zu haben und konnte durch die persönlichen Verbindungen vermutlich einen entscheidenden Beitrag zur Verständigung zwischen Messene und Rom leisten.11 In der Polis wird der Römerfreund in der Folge eine Ausnahmestellung eingenommen haben.12 Im Zusammenspiel von σύνεδροι und Volksversammlung bei den unterschiedlichen Stufen der Beschlussfassung zeigte der Beschluss daneben zumindest den formalen Fortbestand der politischen Entscheidungsstrukturen – auch wenn einflussreiche Personen wie Aristokles vermutlich zunehmend Einfluss auf die städtische Politik nahmen. Lykosoura

Nikasippos/Timasistrata (1/2 n. Chr.)

IG V 2, 516.

Typ 3

Zum Beschluss aus Lykosoura s. o. S. 362 f. Antigoneia/Mantineia

Nikippa (60/59 v. Chr.) Phaena (42/41 v. Chr.) Euphrosynos/Epigone   (10 v. Chr.–10 n. Chr.) Iulia Eudia (1. Jhdt. n. Chr.) Iulia Eudia (1. Jhdt. n. Chr.)

IG V 2, 265. IG V 2, 266. IG V 2, 268.

Typ 2 Typ 3 Typ 4

IG V 2, 269. IG V 2, 270.

Typ 1 Typ 1

Zu den Ehrendekreten aus Antigoneia/Mantineia s. o. S. 359 f. 363–367.

11 12

Zu den guten Beziehungen des Aristokles zu einzelnen Römern s. Quaß 1993, 141. Vgl. Wilhelm 1914, 46 f. Hennig 1997, 365 mit Anm. 57. Die Beschlüsse verdeutlichen damit auch den großen Einfluss von römischen Statthaltern und anderen Funktionären auf das innenpolitische Machtgefüge der Städte. Vgl. Migeotte 2008, 233.

490

Anhang

Megalopolis

Philopoimen (183 v. Chr.) Xenarchos/Nikippa/Kinder   (nach 14 n. Chr.) Saon (Ende 2. Jhdt. n. Chr.) Herakleia (Ende 2. Jhdt. n. Chr.)

IG V 2, 432. IG V 2, 515.

Frag. Typ 4

IG V 2, 517. IG V 2, 518.

Typ 5 Typ 1

Zu den Inschriften der Kaiserzeit o. S. 360–362. Philopoimen hatte in seinem Leben internationales Ansehen erworben. Für die Polis Megalopolis wird der berühmte Sohn der Stadt ein Aushängeschild gewesen sein. Mit dem öffentlichen Begräbnis und den [τ]ιμαῖς ἰσοθέοις wollten Rat und Volk demnach vermutlich nicht zuletzt die eigene Bedeutung unterstreichen und die Stellung der Stadt im Achaiischen Bund stärken.13 Die Aufstellung des Ehrendekrets wird die Ambitionen untermauert haben. Pagai

Soteles (64/63–56/55 v. Chr.)

IG VII 190.

Typ 4

Um die Mitte des 1. Jhdts. v. Chr. publizierte die Polis Pagai das Ehrendekret für Soteles.14 Die Inschrift scheint sich jedoch nicht auf eine Wiedergabe des ursprünglichen Originaldokuments beschränkt zu haben. Stattdessen hatten die Verantwortlichen die ursprüngliche Erzählung nachträglich um weitere Leistungen des Soteles wie die Verdienste um die Errichtung der beschlossenen Ehrenstatue erweitert.15 Insgesamt erstreckte sich das Engagement des herausragenden Bürgers auf den innerstädtischen Bereich und die Veranstaltung von Festen im Rahmen von kultischen Funktionen. Die Leistungen griffen zunehmend auch auf den privaten Bereich aus.16 Die erhaltenen Ehrungen scheint Soteles weitgehend aus eigenen Mitteln bezahlt zu haben. Die Aufzeichnung des erweiterten Ehrendekrets mag ebenfalls auf die persönliche Initiative des Bürgers zurückgehen. Auch in Pagai scheinen reiche Einzelpersonen demnach im Späthellenismus durch finanzielle Leistungen zunehmend das öffentliche Leben der Polis dominiert zu haben. 13 14

15 16

Zum Begräbnis des Philopoimen s. zuletzt Kato 2006. Zur Datierung des Beschlusses s. zuletzt Gauthier 2000a, 56. Gauthier 2000b, 105. Vgl. Wilhelm 1909, 114. Der Beitrag revidiert einen ursprünglichen Datierungsansatz. Wilhelm 1907a, 18–22. Gauthier 2000a, 57. Die Statuenbasis mit Ehreninschrift ist ebenfalls erhalten. IG VII 193. Die Leistungen des Soteles scheinen ein typisches Beispiel für die allmähliche «Verhäuslichung» des öffentlichen Bereiches zu sein. Für einen Vergleich mit Epaminondas aus Akraiphia s. Wilhelm 1907a, 25.

Geographische Inschriftenliste

491

Akraiphia

Xenokleas (2. Hälfte 2. Jhdt. v. Chr.) Ariston (Anfang 1. Jhdt. v. Chr.) Aischronidas (Mitte 1. Jhdt. v. Chr.) Epaminondas (nach 37 n. Chr.) Demetrios/Empedon (um 42 n. Chr.) Demetrios/Empedon/Pamphilos   (um 42 n. Chr.)

IG VII 4132. IG VII 4133. IG VII 4148. IG VII 2712. Robert 1935b, 1–34. Robert 1935b, 35–78.

Typ 5 Typ 5 Typ 2 Typ 2 Typ 2 Typ 2

Zu den Ehrendekreten aus Akraiphia s. o. S. 384–391. Dionysopolis

Akornion (48 v. Chr.)

IGBulg 13.

Typ 3

In der unruhigen Zeit der römischen Bürgerkriege publizierte die Polis Dionysopolis das Ehrendekret für Akornion. Neben diplomatischen Verdiensten im Austausch mit König Burebista und Cn. Pompeius berichtete die Erzählung von der prächtigen Ausrichtung von religiösen Polisfesten. Auch in Dionysopolis scheinen finanzielle Leistungen zum Ende des Hellenismus im Kontext von Ehre und Anerkennung zunehmend an Bedeutung gewonnen zu haben. Durch die politischen Erfolge sowie die persönlichen Verbindungen zu mächtigen Zeitgenossen entwuchs Akornion zudem dem bürgerlichen Rahmen der Polis und dominierte zunehmend das politische Geschehen. Das Ehrendekret illustrierte auch weiterhin Idealvorstellungen der Polis – im Vergleich zum Frühhellenismus hatte sich jedoch die Definition vom vorbildlichen Verhalten eines guten Bürgers verändert. Durch die Errichtung des Monuments wollten Rat und Volk daneben vermutlich auch die guten Beziehungen zu Burebista sowie zu den Römern dokumentierten und vor dem Hintergrund des anstehenden Bürgerkriegs insbesondere die Sympathien der Stadt für Pompeius bekunden.17 Ebenso erinnerte der Beschluss an bedeutende Ereignisse aus der jüngsten Vergangenheit der Stadt. Erneut mögen die unterschiedlichen Aspekte des Monuments erst in der Summe die dauerhafte Aufstellung durch die Polis veranlasst haben.

17

Avram 2005, 178. Zum Ansehen des Pompeius im Osten s. allgemein Suceveanu 1998, 241–243. Für eine – insbesondere in den Fußnoten abweichende – Version des Aufsatzes s. jetzt auch Suceveanu 2000/2001, 328–332.

492

Anhang

Sestos

Menas (133–120 v. Chr.)

GIBM 1000 = I. Sestos 1.

Typ 3

Zum Beschluss aus Sestos s. o. S. 315–322. Histria

Diogenes (um 250 v. Chr.) Diogenes (um 250 v. Chr.) Dionysios (Ende 3. Jhdt. v. Chr.) Dioskourides (Ende 3. Jhdt. v. Chr.) Diodoros/Prokritos/Klearchos   (Ende 3. Jhdt. v. Chr.) Meniskos (um 200 v. Chr.) Agathokles (um 200 v. Chr.) Aristagoras (40 v. Chr.) Aba (2. Jhdt. n. Chr.)

IScM I 1. IScM I 2 + 3. IScM I 19.18 IScM I 12.19 IScM I 8.20

Typ 3 Typ 3 Typ 3 Typ 5 Typ 2

Milčev 2002.21 IScM I 15.22 IScM I 54. IScM I 57.

Typ 4 Typ 4 Typ 3 Typ 2

Zu den Ehrendekreten aus Histria s. o. S. 327–345. Bei einzelnen Beschlussfragmenten verbietet der Erhaltungszustand eine sichere Unterscheidung zwischen der Ehrung eines eigenen Bürgers oder der Auszeichnung eines fremden Wohltäters. Manche Inschriftenfragmente sind demnach möglicherweise als weitere Beschlüsse zu Ehren von eigenen Bürgern anzusprechen. Chersonesos

Syriskos (3. Jhdt. v. Chr.) Anonymus (Frühe Kaiserzeit)

IOSPE I2 344. IOSPE I2 355 = IV 68.

Typ 4 Typ 2

Bereits im 3.  Jhdt. v. Chr. dankten Rat und Volk von Chersonesos dem Lokalhistoriographen Syriskos für seine Bemühungen um die Stadtgeschichte. Dessen Stadtgeschichte formte die berichteten Ereignisse zu zentralen Identifikations18 19 20 21 22

S. auch Pippidi 1961b. S. auch Pippidi 1983a. S. auch Pippidi 1961a. Für Verbesserungen an der ursprünglichen Edition s. auch Avram 2015. S. auch Lambrino 1960.

Geographische Inschriftenliste

493

momenten und schuf über die Aufbereitung der Vorkommnisse für den diplomatischen Gebrauch zugleich eine Grundlage für außenpolitische Erfolge. Über die Erinnerung an das bedeutende Geschichtswerk trug in der Folge auch der Beschluss einen Teil zur positiven Selbstdarstellung der Stadt bei. Noch am Beginn der römischen Kaiserzeit setzte die Polis – gleichsam in der Tradition der klassischen Polisdemokratien – mit dem Ehrendekret für eine unbekannte Person ein politisches Statement für die Freiheit und polemisierte gegen die Herrschaft eines Tyrannen. Das Monument stand vermutlich im Kontext von innerstädtischen Parteikämpfen. In den Konflikten scheint sich letztlich die pro-römische Partei durchgesetzt zu haben. Mit dem Ehrendekret errichteten die verantwortlichen Personen ein Monument für die eigene Politik und versuchten den Anführer der innenpolitischen Gegenbewegung als «Tyrannen» zu diffamieren. Olbia

Kallinikos (325–320 v. Chr.) Protogenes (ca. 230 v. Chr.) Neikeratos (Anfang 1. Jhdt. v. Chr.) Karzoazos (2. Jhdt. n. Chr.) Theokles (2. Hälfte 2. Jhdt. n. Chr.) Anonymus (Ende 2. Jhdt. n. Chr.) Kallisthenes (193–211 n. Chr.) Kallisthenes (Anfang 3. Jhdt. n. Chr.) Sohn des [Kal]listhenes (3. Jhdt. n. Chr.) Anonymus (3. Jhdt. n. Chr.) Anonymus (3. Jhdt. n. Chr.) Kall[isthenes] (3. Jhdt. n. Chr.) Poseides (Ende 2. Jhdt. n. Chr.) Dados (Ende 2. Jhdt. n. Chr.) Anonymus (Ende 2. Jhdt. n. Chr.) Anonymus (3. Jhdt. n. Chr.)

IOSPE I2 25 + 31. IOSPE I2 32. IOSPE I2 34. IOSPE I2 39. IOSPE I2 40. IOSPE I2 41. IOSPE I2 42. IOSPE I2 43. IOSPE I2 44. IOSPE I2 45. IOSPE I2 46. IOSPE I2 47. IOSPE I2 51. IOSPE I2 52. IOSPE I2 53. IOSPE I2 54.

Typ 2 Typ 4 Typ 3 Trost Trost Frag. Trost Trost Frag. Frag. Frag. Frag. Trost Trost Frag. Frag.

Zu den Ehrendekreten aus Olbia s. o. S. 345–353. Rhodos

Die Polis Rhodos scheint weitgehend auf die Aufstellung von Beschlüssen zu Ehren von eigenen Bürgern verzichtet zu haben. Stattdessen publizierte die Stadt in Hellenismus und Kaiserzeit zahlreiche Ehreninschriften. Lediglich einzelne Phylen oder

494

Anhang

abhängige Städte im rhodischen Herrschaftsgebiet publizierten in Krisenzeiten vereinzelte Ehrendekrete für herausragende Personen. Kamiros

Philokrates (um 180 v. Chr.) Segre/Carratelli 1949/1951   Nr. 110.

Typ 4

Philokrates kümmerte sich in schwierigen Zeiten als «Verwaltungsfachmann» um die Angelegenheiten von Kamiros und regelte etwa das öffentliche Archivwesen und die Baufinanzierung.23 Höhepunkt der außergewöhnlichen Karriere war die Tätigkeit als δαμιουργός. Das Ehrendekret umspannte das gesamte Leben des Philokrates und nutzte den ausführlichen Leistungsbericht stets auch als Folie für eigene Idealvorstellungen. Karpathos/Potidaion

Pamphylidas (um 153 v. Chr.)

I. Lindos II 1007–1010.

Typ 3

Im Zentrum des Ehrendekrets für Pamphylidas standen die Verdienste im zweiten Kretischen Krieg. Als ἐπιστάτας der Polis Rhodos kümmerte sich der engagierte Bürger zunächst um die Instandsetzung der Festung in Potidaion. Im Anschluss wehrte Pamphilidas in heftigen Kämpfen den Ansturm der Feinde auf den Küstenort ab. Andere Leistungen fanden im Beschluss nur am Rande Erwähnung. Für die Verkündung des Kranzes und die Publikation des Beschlusses auf zwei Stelen im Heiligtum des Poseidon in Porthmos sowie im Heiligtum der Athena Lindia in Potidaion musste die κτοίνα der Bürger aus Potidaion durch einen gewählten Vertreter in der Polis Rhodos um Erlaubnis bitten lassen.24 Die Aufstellung der Beschlüsse für den als Καρπαθιοπολίτας bezeichneten Pamphilidas sollte ebenso wie die Anfrage in der Polis Rhodos zu einem großen Teil vermutlich auch die Bedeutung und Leistungsfähigkeit von Karpathos unterstreichen. Eresos

Agemortos (Mitte 3. Jhdt. v. Chr.) Damon (221–205 v. Chr.) 23 24

IG XII 2, 529. IG XII 2, 527 = S 527.

Frag. Typ 4

Zum «Verwaltungsfachmann» Philokrates s. Meier 2012, 273. Zur Anfrage s. Maier 1959, 191. Rhodes/Lewis 1997, 273. Ein ähnliches Vorgehen ist für die Demen der Polis Kos bezeugt. S. etwa o. S. 162 Anm. 120. 165 f. 181 f.

Geographische Inschriftenliste

Aglanor (209–204 v. Chr.) Hyperochidas (1. Hälfte 2. Jhdt. v. Chr.) Euchelaos (Mitte 2. Jhdt. v. Chr.) Anonymus (2. Hälfte 2. Jhdt. v. Chr.) Anonymus/Ammion   (Anfang 1. Jhdt. n. Chr.)

IG XII S 122. IG XII S 125. IG XII 2, 528 = S 528. IG XII S 692. IG XII S 124.

495

Typ 2 Typ 2 Typ 4 Typ 4 Typ 4

Die Polis Eresos auf der Insel Lesbos scheint im Verlauf des Hellenismus – insbesondere von der Mitte des 3. Jhdts. v. Chr. bis zur Mitte des 2. Jhdts. v. Chr. – immer wieder einzelne Beschlüsse zu Ehren von eigenen Bürgern veröffentlicht zu haben. Nichtsdestotrotz blieben die Ehrendekrete stets seltene Auszeichnungen für besondere Leistungen. Mit der Publikation verknüpfte die Stadt in den meisten Fällen zudem politische Ziele oder ideologische Intentionen. Viele Darstellungen legten daneben großen Wert auf das formale Zustandekommen der Beschlüsse. Im Zusammenhang mit dem Ehrendekret für Agemortos publizierte die Polis Regelungen und Verbote für die Durchführung und Finanzierung von Opfern.25 Das Ehrendekret für den Gesandten Damon berichtete ausführlich von dessen zahlreichen Reisen im Dienst der Stadt und stilisierte den engagierten Politiker, der sich auch durch Reden und Anträge in der Volksversammlung einbrachte, zum Idealbild eines guten Bürgers.26 Das Ehrendekret für den Gymnasiarchen Aglanor berichtete ausführlich über das Engagement für den Königskult und sollte nicht zuletzt die Treue und Verbundenheit der Polis gegenüber den ptolemäischen Herrschern dokumentieren. Mit dem Beschluss für Hyperochidas verbreitet die Polis vornehmlich allgemeine Idealvorstellungen von einem guten Agoranomos. Die ausführlichen Ehrendekrete für Euchelaos und einen unbekannten Arzt berichteten von Gesandtschaftsreisen und städtischen Funktionen und nahmen vermutlich das gesamte Leben der beiden Personen in den Blick. Die Leistungsberichte scheinen daneben erneut als Idealbeispiele für vorbildliches Verhalten und bürgerliche Tugenden gedient zu haben und sollten die Stadt zudem in der politischen Landschaft der Zeit – etwa im Verhältnis zu den als allgemeine Euergeten bezeichneten Römern – positionieren.27 Das Ehrendekret für einen Anonymus und dessen Frau Ammion vom Beginn der Kaiserzeit berichtete ausführlich von zahlreichen Aktivitäten im Kontext des Herrscherkultes und sollte zugleich die Loyalität der Stadt gegenüber dem Kaiser und dessen Familie bezeugen.

25 26

27

Labarre 1996, 180. Migeotte 2006, 86. Parallel zu [λέ]|[γ]ων καὶ γράφων (15–16) ist vermutlich auch eine entsprechende Formulierung in der Resolution mit [λέγοντα] | [καὶ γράφ]οντα (22–23) und nicht mit [λέγοντα] | [καὶ πράττ]οντα (22–23) zu ergänzen. IG XII S 692, 13–14: πρὸς τοὶς κοινο[ὶς] | [εὐεργέταις Ῥω]μαίοις.

496

Anhang

Methymna

Damos (267–260 v. Chr.) Simminas/[– – –]atos   (Ende 3. Jhdt. v. Chr.) Aristophanes (2. Jhdt. v. Chr.)

IG XII S 115. IG XII S 114.

Frag. Typ 2

IG XII 2, 505.

Typ 2

Durch die Aufstellung des Ehrendekrets für den Königspriester Damos wollte die Polis Methymna in der Zeit der ptolemäischen Herrschaft über die Insel Lesbos vornehmlich die eigenen Treue und Verbundenheit gegenüber den ägyptischen ­Monarchen bekunden. Der Beschluss für die beiden Agoranomen Simminas und [– – –]atos scheint im Zusammenhang mit Problemen bei der Getreideversorgung der Stadt veröffentlicht worden zu sein. Großen Wert legte das Ehrendekret auf die formalen Bestandteile des Volksbeschlusses sowie auf das rechtmäßige Zustandekommen der Entscheidung. Das Koinon der Phyle Aiolis dankte dem Phylarchen Aristophanes in allgemeinen Worten für dessen Einsatz. Neben Polis und Phlyen ließen auch die Koina der Πρωτέοι, der Φωκέοι und der Σαμοθρᾳκιασταί einzelne Ehrendekrete aufstellen.28 Pordoselene/Nasos

Thersippos (Anfang 3. Jhdt. v. Chr.)

IG XII 2, 654.29

Typ 4

Thersippos hatte vermutlich an den Alexanderzügen teilgenommen und unterhielt auch in der Folge beste Beziehungen zu Diadochen und Heerführern. Die guten Kontakte scheint der Ausnahmebürger stets auch zum Wohl der Heimat­polis ­Pordo­selene/Nasos eingesetzt zu haben. Den politischen Strukturen der kleinen Insel war ­Thersippos durch die glänzende Karriere jedoch weitgehend enthoben.30 Das Ehrendekret war damit gleichsam ein Beschluss für eine «fremde» Person aus dem königlichen Umfeld. Daneben mag in Verabschiedung und Publikation des Beschlusses auch der Stolz der Stadt auf die Leistungen des eigenen Bürgers zum Ausdruck gekommen sein. Ebenso dokumentierte das Monument die guten Beziehungen der Polis im Machtgefüge der Zeit.

28 29 30

Πρωτέοι: IG XII 2, 500. Φωκέοι: IG XII 2, 502. 503. Σαμοθρᾳκιασταί: IG XII 2, 506 = S 506. 507. S. auch I. Adramytteion II 34. Zu den Leistungen des Thersippos vgl. Beck 2015, 239–241. Zur Insel Pordoselene/ Nasos s. auch Stauber 1996, 198–208.

Geographische Inschriftenliste

497

Astypalaia

Damoteles (um 200 v. Chr.) Arkesilas (um 200 v. Chr.) Anonymus (2. Jhdt. v. Chr.)

IG XII 3, 169. IG XII 3, 170. IG XII 3, 167.

Typ 2 Typ 2 Frag.

Die Polis Astypalaia ließ in den Jahren um 200 v. Chr. zwei Ehrendekrete mit nahezu identischem Wortlaut für die Agoranomen Damoteles und Arkesilas auf der φλιά des ἀγορανόμιον anbringen. Einen Einblick in die individuellen Leistungen der beiden Personen boten die Beschlüsse damit vermutlich nicht. Stattdessen publizierte die Stadt mit den Ehrendekreten, die am Eingang zum Amtsgebäude der Agoranomen angebracht worden waren, die eigenen Vorstellungen von der idealen Ausübung der Funktion. Die Beschlüsse mögen auf eine Standardvorlage zurückgegriffen haben. Möglicherweise erhielten die Agoranomen um Ende der Tätigkeit stets eine obligatorische Auszeichnung nach gesetzlichen Regelungen. Eine dauerhafte Publikation scheinen die entsprechenden Beschlüsse in der Regel jedoch nicht erfahren zu haben. Telos

Aristomenes (Ende 3. Jhdt. v. Chr.)

IG XII 3, 30.

Typ 2

Die Verabschiedung des Ehrendekrets für Aristomenes, der zum ἱεραπόλος gewählt worden war, fiel vermutlich bereits in die Zeit der rhodischen Vorherrschaft über die Insel Telos. Anlass des Beschlusses waren das Engagement und vermutlich nicht zuletzt auch die finanziellen Anstrengungen des herausragenden Bürgers beim Wiederaufbau der Stadt nach einem Erdbeben. Andere Leistungen fanden vermutlich nur eine summarische Erwähnung und spielten für den Beschluss keine zentrale Rolle. Die Aufzeichnung eines Ehrendekrets wurde damit erneut erst durch besondere Leistungen zu einem außergewöhnlichen Ereignis veranlasst. Thera

Baton (153/152 v. Chr.)

IG XII 3, 331.

Typ 3

Die Polis Thera scheint selbst keine Ehrendekrete für eigene Bürger publiziert zu haben. Lediglich die als ἀλειφόμενοι bezeichneten Besucher des Gymnasions errichteten ein Ehrendekret für den fünffachen Gymnasiarchen Baton. Einen Kranz hatte der herausragende Bürger bereits zum Ende der zweiten Tätigkeit erhalten.

498

Anhang

Kos

Xenotimos (Mitte 3. Jhdt. v. Chr.) Kaphisophon (Mitte 3. Jhdt. v. Chr.) Kaphisophon (Mitte 3. Jhdt. v. Chr.) Philinos (Ende 3. Jhdt. v. Chr.) Unbekannter Richterwerber   (Mitte 2. Jhdt. v. Chr.) Unbekannter Richterwerber   (Mitte 2. Jhdt. v. Chr.) Theugenes (2. Hälfte 2. Jhdt. v. Chr.) Anonymus (2. Hälfte 2. Jhdt. v. Chr.) Mikon (Ende 2. Jhdt. v. Chr.) Anaxippos (Anfang 2. Jhdt. v. Chr.) Philippos/Nikias (um 190 v. Chr.) Anonymus (1. Hälfte 2. Jhdt. v. Chr.) Anonymus (1. Hälfte 2. Jhdt. v. Chr.) Perikles (Mitte 2. Jhdt. v. Chr.) Eukrates (Ende 2. Jhdt. v. Chr.) Symmachos (nach Mitte 3. Jhdt. v. Chr.) Herodotos (2. Hälfte 3. Jhdt. v. Chr.) Diokles (Ende 3. Jhdt. v. Chr.) Diokles (um 200 v. Chr.) Theukles (um 200 v. Chr.) Anonymus (1. Hälfte 2. Jhdt. v. Chr.) Antipatros (1. Hälfte 2. Jhdt. v. Chr.) Onasandros (Mitte 2. Jhdt. v. Chr.) Anonymus (2. Hälfte 2. Jhdt. v. Chr.) Anonymus (1. Jhdt. v. Chr.) Thrasym[brotos] (1. Jhdt. v. Chr.) Nikias (1. Jhdt. v. Chr.)

IG XII 4, 1, 30. [Polis] IG XII 4, 1, 31. [Polis] IG XII 4, 1, 32. [Polis] IG XII 4, 1, 48. [Polis] IG XII 4, 1, 57. [Polis]

Typ 2 Typ 3 Typ 3 Typ 4 Typ 2

IG XII 4, 1, 58. [Polis]

Typ 2

IG XII 4, 1, 59. [Polis] IG XII 4, 1, 64. [Polis] IG XII 4, 1, 66. [Polis] IG XII 4, 1, 101. [Aigele] IG XII 4, 1, 102. [Antimachia] IG XII 4, 1, 105. [Antimachia] IG XII 4, 1, 106. [Antimachia] IG XII 4, 1, 110. [Antimachia] IG XII 4, 1, 114. [Antimachia] IG XII 4, 1, 92. [Halasarna] IG XII 4, 1, 93. [Halasarna] IG XII 4, 1, 95. [Halasarna] IG XII 4, 1, 98. [Halasarna] IG XII 4, 1, 99. [Halasarna] IG XII 4, 1, 107. [Halasarna] IG XII 4, 1, 108. [Halasarna] IG XII 4, 1, 109. [Halasarna] IG XII 4, 1, 113. [Halasarna] IG XII 4, 1, 116. [Halasarna] IG XII 4, 1, 117. [Halasarna] IG XII 4, 1, 115. [Isthmos]

Typ 2 Typ 4 Frag. Typ 2 Typ 2 Typ 2 Frag. Typ 2 Frag. Typ 2 Typ 2 Typ 2 Typ 3 Typ 3 Frag. Frag. Typ 4 Typ 2 Frag. Typ 2 Frag.

Zu den Ehrendekreten der Polis Kos s. o. S. 157–182. Kalymna

Aratokritos (Mitte 3. Jhdt. v. Chr.) Lysandros (205–202 v. Chr.)

Segre 1944/1945 Nr. 52. Segre 1944/1945 Nr. 64.

Zu den Beschlüssen aus Kalymna s. o. S. 158 f. 177–180. 357 f.

Typ 3 Typ 2

Geographische Inschriftenliste

499

Paros

Killos (2. Jhdt. v. Chr.) Timesiphon (1. Hälfte 2. Jhdt. v. Chr.) Timesiphon (Ende 1. Jhdt. v. Chr.)

IG XII 5, 129, 1–49. Ὀρλάνδος 1973. IG XII 5, 130.

Typ 3 Typ 3 Frag.

Rat und Volk der Insel Paros scheinen erst im 2. Jhdt. v. Chr. mit der vereinzelten Publikation von Ehrendekreten für eigene Bürger begonnen zu haben. Die Aufstellung der entsprechenden Beschlüsse blieb eine seltene Auszeichnung für besondere Leistungen und mag daneben zum Teil auch auf die persönliche Initiative der ausgezeichneten Personen oder der Familienangehörigen zurückgegangen sein. Der zweimalige Agoranomos Killos hatte während der zweiten Ausübung der Funktion mehrere Probleme zu bewältigen und erhielt für die außergewöhnlichen Leistungen zum Ende der Tätigkeit umfangreiche Ehrungen. Die Finanzierung der beschlossenen Statue übernahm sein Sohn Dexiochos. Im Anschluss verzeichnete die Stele einen weiteren Beschluss.31 Auf Anfrage des Killos, der zum Polemarchos gewählt worden war, gaben Rat und Volk die Erlaubnis zur Veranstaltung eines öffentlichen Festes im Rahmen von Kultveranstaltungen. Ein Ehrendekret war der Beschluss damit nicht – auch wenn die dokumentierte Leistungsbereitschaft zu Ehre und Ansehen des Killos beigetragen haben wird. Durch Leerstellen an Sinneinschnitten erleichterte die Inschrift den späteren Rezipienten die Orientierung. Das Ehrendekret für Timesiphon erinnerte an drei Gesandtschaftsreisen nach Kreta. Der Beschluss war auf Initiative der Archonten von dessen Bruder Epianax formuliert worden und entwarf am Beispiel der Karriere ein allgemeines Idealbild eines guten Bürgers. Zum Ende der hellenistischen Zeit wurde eine weitere Person mit Namen Timesiphon – vermutlich ein Nachkomme des im 2. Jhdt. v. Chr. ausgezeichneten Bürgers – ebenfalls für Verdienste auf Gesandtschaftsreisen mit einem Ehrendekret bedacht.32 Der Beschluss zeichnete vor dem Hintergrund der erbrachten Leistungen erneut das Idealbild eines guten Bürgers. Karthaia

Timophanes (3. Jhdt. v. Chr.) Akous[ilas] (3. Jhdt. v. Chr.) Aristokydes (3. Jhdt. v. Chr.) 31 32

IG XII 5, 597. [Ioulis] IG XII 5, 601. [Ioulis] IG XII 5, 602. [Ioulis]

Typ 2 Typ 2 Typ 2

IG XII 5, 129, 50–65. Zu den Familienverhältnissen s. Lambrinudakis/Wörrle 1983, 290 Anm. 14. BerrangerAuserve 2000, 186. Eine Gleichsetzung der Personen ist auszuschließen. So jedoch noch Ὀρλάνδος 1973, 200.

500

Anhang

Archeboulos (3. Jhdt. v. Chr.) Theokles (1. Hälfte 3. Jhdt. v. Chr.)

IG XII 5, 529 = 1064. Μενδώνη 2009.

Typ 2 Typ 2

Auf der Insel Keos scheinen lediglich im frühen Hellenismus bei besonderen Leistungen einzelne Ehrendekrete für Archonten aufgestellt worden zu sein. Die frühhellenistischen Ehrendekrete für die drei Archonten Timophanes, Akous[ilas] und Aristokydes wurden bislang immer der Polis Ioulis zugeordnet. Der Neufund eines Ehrendekrets für den Archon Theokles aus dem Nachbarort Karthaia legt jedoch – zumal die ursprünglichen Aufstellungsorte der fragmentarischen Stelen nicht zu ermitteln sind – auch für die drei Inschriften eine Zuweisung an die Polis Karthaia nahe. So verwenden die Inschriften für Akous[ilas] und Aristokydes, die verschiedene mit der Funktion verbundene Aufgaben auch durch private Zuschüsse finanzierten, in weiten Teilen die gleichen Formulierungen wie der Beschluss für Theokles und mögen demnach auf einer Standardvorlage beruhen.33 Eine in K ­ arthaia gefundene Ehreninschrift war möglicherweise ebenfalls ein Bruchstück der Stele mit dem Ehrendekret für Akous[ilas] und scheint die Zuordnung der Ehrendekrete an die Polis Karthaia weiter zu stützen.34 Vor dem Hintergrund des neuentdeckten und nahezu vollständig erhaltenen Ehrendekrets für Theokles aus Karthaia sind zudem auch die alten Ergänzungen der Beschlüsse für Akous[ilas] und Aristokydes zu überdenken und zum Teil vermutlich zu revidieren. Auch das Ehrendekret für den Archon Archeboulos, das Rat und Volk von Karthaia zusammen mit anderen Beschlüssen an der rechten Ante des Apollontempels hatten anbringen lassen, stimmt in einzelnen Formulierungen im Wortlaut mit den anderen Ehrendekreten überein. Einzig der Beschluss für Timophanes, der als Archon Bühne und Bühnenhaus im Theater hatte errichten lassen, fällt in den Formulierungen aus der Reihe. Für die besondere Leistung verabschiedete die Polis offensichtlich auch einen besonderen Beschluss. Das Ehrendekret wird jedoch wie die anderen Beschlüsse vermutlich aus Karthaia stammen. Die Polis Karthaia scheint somit als einzige Stadt auf der Insel zumindest im Frühhellenismus – in den Formulierungen oftmals weitgehend identische – Ehrendekrete publiziert zu haben.

33 34

Zur Rekonstruktion des Namens Akous[ilas] s. Hiller von Gaertringen 1903/1909, 333. IG XII 5, 1079.

Geographische Inschriftenliste

501

Syros

Berenike (Ende 2. Jhdt. n. Chr.)

IG XII 5, 655.

Trost

Rat und Volk von Syros publizierten in der mittleren Kaiserzeit ein postumes Ehrendekret für die herausragende Bürgerin Berenike und würdigten das lebenslange Engagement für die Heimatstadt. Zumindest die dauerhafte Aufzeichnung eines entsprechenden Beschlusses scheint – zumal in der römischen Kaiserzeit – eine Ausnahme geblieben zu sein. Die Publikation mag dem persönlichen Wunsch der Bürgerin oder der Hinterbliebenen entsprungen sein und wird eine eigentlich schon aus der Mode gekommene Form der öffentlichen Ehrung aufgegriffen haben.35 Andros

Heroides (2. Jhdt. v. Chr.) Artemidoros (2. Jhdt. v. Chr.) Unbekannter Gymnasiarch   (Mitte 2. Jhdt. v. Chr.) Anonymus (2. Jhdt. v. Chr.) Anonymus (2. Jhdt. v. Chr.) Damon (2. Jhdt. v. Chr.) Anonymus (1. Jhdt. v. Chr.) Akesanor/[Ph]eidola (1. Jhdt. n. Chr.)

IG XII S 249. IG XII 5, 719. IG XII S 250.

Typ 3 Typ 3 Typ 2

IG XII S 254. IG XII S 255. IG XII S 257. IG XII 5, 721. IG XII S 260.

Frag. Frag. Typ 1 Typ 4 Frag.

Rat und Volk der Kykladeninsel Andros begannen ab dem 2. Jhdt. v. Chr. eine vermehrte Publikation von Ehrendekreten. Dennoch erfolgte die Aufstellung der beschriebenen Stelen vermutlich erneut nur bei besonderen Leistungen. Der Arzt Heroides hatte auf Auslandsreisen Wissen und Ansehen erworben und scheint sein Können nach der Rückkehr zum Wohl der Bürger auf Andros eingesetzt zu haben. Auch das Ehrendekret für den Arzt Artemidoros berichtete vom Engagement für die Bürger der Insel. Beide Beschlüsse mögen über die konkreten Verdienste auch Idealvorstellungen von einem guten Arzt verbreitet haben. Der unbekannte Gymnasiarch aus der Mitte des 2. Jhdts. v. Chr. hatte sich um die bauliche Ausgestaltung des Gymnasions bemüht und zudem ein besonderes Engagement für den Königskult der Attaliden an den Tag gelegt. Die Publikation des Beschlusses sollte dementsprechend vermutlich auch die Loyalität der Polis gegenüber den Monarchen 35

Zum «hellenistischen Stil» des Ehrendekrets für Berenike s. auch Stavrianopoulou 2006, 313.

502

Anhang

in Pergamon bekunden. Das knappe Ehrendekret für den Isthmiensieger Damon unterschied sich lediglich in den formalen Bestandteilen von den üblichen Ehreninschriften zur Auszeichnung von Athleten. Das Ehrendekret für den Anonymus aus dem 1. Jhdt. v. Chr. berichtete von zahlreichen Tätigkeiten und mag die gesamte Karriere umspannt haben. Leerstellen in der Inschrift sollten zudem die Rezeption des aufgezeichneten Beschlusses erleichtern. Der ausgezeichnete Bürger profilierte sich insbesondere durch die Finanzierung von Festen. Finanzielles Engagement scheint demnach auch auf der Insel Andros im Späthellenismus im Kontext von Ehre und Anerkennung an Bedeutung gewonnen zu haben. Samos

Straton (Ende 4. Jhdt. v. Chr.) Boulagoras (nach 243/242 v. Chr.) Diodoros (um 198/197 v. Chr.) Aristomenes (Anfang 2. Jhdt. v. Chr.) Sosistratos (2. Hälfte 2. Jhdt. v. Chr.) Anonymus (2. Jhdt. v. Chr.) Zosime (23/24 n. Chr.)

IG XII 6, 1, 9. IG XII 6, 1, 11. IG XII 6, 1, 12. IG XII 6, 1, 13. IG XII 6, 1, 14. IG XII 6, 1, 15. IG XII 6, 1, 16.

Frag. Typ 4 Typ 3 Typ 2 Typ 2 Typ 5 Typ 2

Zu den Ehrendekreten der Insel Samos s. o. S. 132–144. Aigiale

Hegesippos/Antipappos   (Ende 3. Jhdt. v. Chr.) Timok[– – –] (Ende 3. Jhdt. v. Chr.) Kritolaos/Parmenion   (1. Hälfte 2. Jhdt. v. Chr.) Anonymus (2. Jhdt. v. Chr.) Peithagoras (2. Jhdt. v. Chr.)

IG XII 7, 386.

Typ 2

IG XII 7, 387. IG XII 7, 389.

Typ 2 Typ 2

IG XII 7, 390. IG XII 7, 391.

Frag. Frag.

Zu den Beschlüssen aus Aigiale s. o. S. 151–155. 428–430. Arkesine

Kleophantos (3. Jhdt. v. Chr.) Alexion (3. Jhdt. v. Chr.)

IG XII 7, 22. IG XII 7, 24.

Typ 2 Typ 2

Geographische Inschriftenliste

Agathinos (2. Jhdt. v. Chr.) Agathinos (2. Jhdt. v. Chr.) Anonymus (2. Jhdt. v. Chr.) Timessa (2. Jhdt. v. Chr.) Theodosia (1. Jhdt. v. Chr.)

IG XII 7, 33. IG XII S 330. IG XII 7, 35. IG XII 7, 36. IG XII 7, 49.

503

Typ 2 Typ 2 Frag. Typ 2 Typ 2

Zu den Beschlüssen aus Arkesine s. o. S. 145–149. 150 f. Minoa

Epinomides (3. Jhdt. v. Chr.) Lanikos (2. Jhdt. v. Chr.) Unbekannter Gymnasiarch   (Ende 2. Jhdt. v. Chr.) Ision (Ende 2. Jhdt. v. Chr.) Unbekannter Gymnasiarch   (Ende 2. Jhdt. v. Chr.) Eunomides (Ende 2. Jhdt. v. Chr.) Onesikrates (Ende 2. Jhdt. v. Chr.)

IG XII 7, 241. IG XII 7, 229. IG XII 7, 232.

Typ 2 Frag. Frag.

IG XII 7, 233. IG XII 7, 234.

Typ 3 Typ 3

IG XII 7, 235. Μαραγκού 1981.

Frag. Typ 2

Zu den Beschlüssen aus Minoa s. o. S. 149–151. Thasos

Epie (1. Jhdt. v. Chr.) Epie (1. Jhdt. v. Chr.) Epie (1. Jhdt. v. Chr.) Epie (1. Jhdt. v. Chr.) Stilbon/Ehefrau (1. Jhdt. v. Chr.) Anonymus (1. Jhdt. v. Chr.) Euphrillos/Mikas (1. Jhdt. n. Chr.)

Salviat 1959, 1–18. Salviat 1959, 18–33. Salviat 1959, 33–42. Salviat 1959, 42–54. Fournier/Prêtre 2006. Dunant/Pouilloux 1958 Nr. 166 a. Dunant/Pouilloux 1958 Nr. 192.

Typ 2 Typ 2 Typ 2 Typ 2 Typ 2 Typ 2 Frag.

Zu den Ehrendekreten aus Thasos – insbesondere zu den Beschlüssen für Epie – s. o. S. 369–372.

504

Anhang

Chalkis

Archenous (2. Jhdt. v. Chr.) Charidamos (2. Jhdt. v. Chr.)

IG XII 9, 899. IG XII 9, 904.

Frag. Typ 2

Das Ehrendekret für Archenous scheint von einer Gesandtschaft und der an­schließenden Ehrung durch die römischen Euergeten berichtet zu haben und legte neben anderen Ehrungen die einmalige Ausrufung des Kranzes bei den Ῥωμαία fest.36 Die Aufstellung des Beschlusses mag dementsprechend nicht zuletzt auch eine Loyalitätsbekundung gegenüber den Römern gewesen sein. Charidamos scheint als Gymnasiarch neben dem üblichen Engagement auch finanzielle Zusatzleistungen erbracht zu haben. Eretria

Elpinikos (Ende 2. Jhdt. v. Chr.) Mantidoros (Ende 2. Jhdt. v. Chr.) Sohn des [Bo]u[l]archos   (Ende 2. Jhdt. v. Chr.) Theopompos (Ende 2. Jhdt. v. Chr.) Theopompos (Ende 2. Jhdt. v. Chr.) Hippostenes/Aischylos (100 v. Chr.)

IG XII 9, 234. IG XII 9, 235. IG XII S 554.

Typ 2 Typ 2 Typ 2

IG XII 9, 236. IG XII S 553. IG XII 9, 237.

Typ 5 Typ 5 Frag.

Zu den Ehrendekreten aus Eretria s. o. S. 191–202. Alabanda

Pyrrha[kos]   (um 160 v. Chr./um 80 v. Chr.)

Diehl/Cousin 1886 Nr. 1. 

Typ 4

Das postume Ehrendekret der Polis Alabanda für den Gesandten Pyrrha[kos] stand im Zusammenhang mit militärischen Konflikten.37 In schweren Zeiten hatte der engagierte Politiker im Namen der Stadt mehrere Reisen nach Rom sowie zu einem 36 37

b 1–2: τιμηθεὶς ἐν τοῖς προγεγραμ|[μένοις ὑπὸ τῶν ε]ὐεργετῶν Ῥωμαίων. Zur Ausrufung des Kranzes s. auch o. S. 192 Anm. 24. 407 Anm. 12. Zur umstrittenen Datierung des Beschlusses sowie zur Bestimmung der beschriebenen Konflikte s. zuletzt Errington 2010. Die Aufzeichnung des Ehrendekrets fiel in jedem Fall in eine Zeit von Konflikten und politischen Krisen.

Geographische Inschriftenliste

505

hellenistischen König unternommen und war auf der letzten Mission verstorben. Zu einem früheren Zeitpunkt hatte Pyrrha[kos] für die erbrachten Leistungen eine Statuenehrung – vermutlich ohne Aufzeichnung des entsprechenden Ehrendekrets – erhalten. Die dauerhafte Publikation des aktuellen Beschlusses diente neben der ehrenden Erinnerung an den Verstorbenen vermutlich auch der politischen Positionierung der Polis und sollte insbesondere die guten Beziehungen nach Rom in der Öffentlichkeit bekunden. Zudem wollte die Polis Alabanda mit der Errichtung des Monuments vermutlich auch an die auf den Gesandtschaftsreisen erreichten Privilegien erinnern und damit zugleich den eigenen Status im römischen Macht­gefüge festschreiben – war mit Pyrrha[kos] doch der wichtigste Garant der Privilegien soeben verstorben. Aphrodisias

Hermogenes (1. Jhdt. v. Chr.) Kallikrates (1. Jhdt. v. Chr.) Kallikrates (1. Jhdt. v. Chr.) Kallikrates (1. Jhdt. v. Chr.) Dionysios (1. Jhdt. n. Chr.) Tatia (1. Hälfte 2. Jhdt. n. Chr.) Praxiteles (222/235 n. Chr.) T. Antonius Lysimachos Grypos   (Kaiserzeit) Dionysios (Kaiserzeit) Zenon (Kaiserzeit) Kallias (Kaiserzeit) Eudamos (Kaiserzeit) Menippos (Kaiserzeit) Menandros Glykon (Kaiserzeit) Aristokles (Kaiserzeit) Anonymus (Kaiserzeit) Anonymus (Kaiserzeit) Apphia (Kaiserzeit) Attinas (Kaiserzeit)

38 39 40 41 42 43

Chaniotis 2004 Nr. 1. Paris/Holleaux 1885 Nr. 5. CIG 2796 = MAMA 8, 406. Reynolds 1982 D 30. MAMA 8, 410.38 Reinach 1906 Nr. 9. MAMA 8, 414.39 MAMA 8, 408.40

Typ 4 Typ 4 Typ 4 Typ 4 Typ 3 Trost Trost Trost

Doublet/Deschamps 1890 Nr. 1. Trost MAMA 8, 412 a. Trost MAMA 8, 412 b. Trost MAMA 8, 412 c. Trost 41 Doublet/Deschamps 1890 Nr. 2.  Trost Doublet/Deschamps 1890 Nr. 4 c.42Trost MAMA 8, 409. Trost CIG 2837.43 Trost Paris/Holleaux 1885 Nr. 6. Typ 2 MAMA 8, 407. Trost Reinach 1906 Nr. 14. Typ 4

S. auch Reinach 1906 Nr. 8. S. auch Reinach 1906 Nr. 7. S. auch Reinach 1906 Nr. 15. S. auch die Verbesserungen bei Paton 1900 Nr. 1. S. auch die Verbesserungen bei Paton 1900 Nr. 3. Robert 1937, 99–102. S. auch Robert 1965, 164–166.

506

Anhang

Der Aufstieg zur Polis vollzog sich in Aphrodisias erst im 2. Jhdt. v. Chr. durch einen Zusammenschluss mit der Nachbarstadt Plarasa.44 In der Folge gewann Aphrodisias als Stadtzentrum zunehmend an Bedeutung. Zum Beginn der Kaiserzeit scheint Plarasa in der Polis Aphrodisias aufgegangen zu sein. Die dauerhafte Aufzeichnung von Ehrendekreten begannen Rat und Volk von Aphrodisias erst im 1. Jhdt. v. Chr. In der Folgezeit ließ die Polis bis ins 3. Jhdt. n. Chr. immer wieder Ehrendekrete für eigenen Bürger – meist postume Trostbeschlüsse – publizieren. Die späthellenistischen Beschlüsse – so etwa die Ehrendekrete für Hermogenes und Kallikrates – berichteten zunächst noch in allgemeinen Worten von herausragenden Lebensleistungen im Dienst der Polis und scheinen seltene Auszeichnungen für besondere Verdienste gewesen zu sein.45 Die knappen Trostbeschlüsse aus der Kaiserzeit unterschieden sich in den meisten Fällen lediglich durch den formalen Rahmen von Ehreninschriften. Die Aufstellung diente in der Regel der ehrenden Erinnerung an die Verstorbenen und trug stets auch zu Ruhm und Ansehen der jeweiligen Familien bei. Zahlreiche Beschlüsse verwiesen zudem auf die Abstammung der ausgezeichneten Personen von den Gründern der Polis.46 In den meisten Fällen verliehen Rat und Volk umfangreiche Ehrungen – neben den obligatorischen Kränzen etwa Bildnisse und Statuen. Apollonia

Pamphilos (nach 188 v. Chr.)

La Carie II Nr. 167.

Typ 4

Den zeitgeschichtlichen Hintergrund des Ehrendekrets für Pamphilos bildeten die Niederlage des Antiochos III. und die anschließenden Gebietsregelungen mit Rom im Frieden von Apameia.47 Die Aufzeichnung eines Ehrendekrets wird demnach auch in Apollonia eine besondere Auszeichnung für herausragende Leistungen in Krisen44

45 46

47

Zur Geschichte der Stadt s. Reynolds 1982, 1–6. Chaniotis 2004, 382 f. Savalli-Lestrade 2005, 15–22. Die Form des Zusammenschlusses der beiden Städte  – entweder als Synoikismos oder als Sympolitie – ist umstritten. Zu den epigraphischen Zeugnissen zu Leben und Karriere des Kallikrates s. Reynolds 1982, 150–156. Robert 1965, 213. Chaniotis 2004, 381 f. Chaniotis 2005, 41. Savalli-Lestrade 2005, 17–22. Die postulierten Verwandtschaftsverhältnisse beruhten nicht auf fiktiven Rekonstruktionen von Verbindungen zu mythischen Städtegründern. Die führenden Familien konnten sich stattdessen auf eine tatsächliche Herkunft von Bürgern, die am Zusammenschluss von Plarasa und Aphrodisias im 2. Jhdt. v. Chr. maßgeblichen Anteil gehabt hatten, berufen. Die politische Macht der prominenten Familien der Kaiserzeit resultierte dementsprechend neben Reichtum und persönlichen Leistungen auch aus der realen Beteiligung der Vorfahren an der Gründung der Stadt. Gemeinsam trugen die Faktoren zur Herausbildung der aristokratischen Führungsschicht in der Stadt bei. Robert/Robert 1954, 304. Schuler 2005, 396.

Geographische Inschriftenliste

507

situationen gewesen sein. Ebenso trug die Publikation des Beschlusses zu Ruhm und Ansehen der Stadt bei und erinnerte als Monument der kollektiven Erinnerung an einschneidende Ereignisse in der Geschichte der Stadt wie die erfolgreichen Verhandlungen in Apameia und auf Rhodos. Daneben diente die Karriere des Pamphilos auch als Beispiel für bürgerliche Tugenden und einen vorbildlichen Einsatz im Dienst der Stadt. Bargasa

Apollonios (nach 129 v. Chr.)

Briant/Brun/Varinlioğlu 2001.

Typ 3

Zum Ehrendekret für Apollonios s. o. S. 248–250. Bargylia

Poseidonios (nach 129/127 v. Chr.)

I. Iasos 612.

Typ 4

Zum Ehrendekret für Poseidonios s. o. S. 250–254. Euromos

Anonymus (Späthellenismus)

Hula/Szántó 1895 Nr. 1.

Typ 3

Mit dem Ehrendekret für einen Anonymus erinnerte die Polis Euromos an die erfolgreiche Beilegung eines existentiellen Konflikts mit der Nachbarstadt Mylasa und honorierte die herausragenden Leistungen des Ausnahmebürgers während der Auseinandersetzungen.48 Durch die Aufstellung des Beschlusses sollten zudem vermutlich die erzielten Erfolge in der Öffentlichkeit festgeschrieben werden.

48

Der Beschluss kann demnach nicht in die Phase der kurzzeitigen Sympolitie von Euromos und Mylasa fallen. Zur Sympolitie der beiden Städte s. Robert 1978, 517 f. Blümel 1987, 27. Blümel 1988, 13. Reger 2004, 168 f. Zur umstrittenen Datierung der Inschrift s. Ager 1996, 344 f. Canali de Rossi 2001, 131 f. Vgl. auch Robert/Robert 1983, 204. Blümel 1988, 13.

508

Anhang

Halikarnassos

Diodotos (275–250 v. Chr.) Drakon (nach 4 n. Chr.) Strategen/Philodemos   (Anfang 1. Jhdt. n. Chr.) Anonymus (Frühe Kaiserzeit)

Paton 1894, 217. GIBM 892. GIBM 893.

Typ 2 Typ 4 Typ 2

Cousin/Diehl 1890 Nr. 4.

Typ 4

Diodotos leistete im frühen 3. Jhdt. v. Chr. durch großzügige Spenden einen entscheidenden Beitrag zum Bau des Gymnasions in Halikarnassos und wurde neben goldenem Kranz und Bronzestatue durch die Aufstellung des entsprechenden Ehrendekrets ausgezeichnet. In der Folge scheint sich die Polis erst wieder zum Beginn der Kaiserzeit zur Publikation von Beschlüssen zu Ehren von verdienten Bürgern entschlossen zu haben. Die aufgestellten Monumente galten vermutlich den Mitgliedern derselben Familie und werden zum Teil der Selbstrepräsentation der Honoratiorenfamilie gedient haben. Das Ehrendekret für Drakon berichtete von Gesandtschaftsreisen und finanziellen Leistungen und mag weite Teile der Karriere umspannt haben. Daneben sollte der Beschluss die guten Beziehungen nach Rom und die Loyalität gegenüber dem Kaiserhaus bekunden. Das gemeinsame Ehrendekret für die Strategen berichtete von Gesandtschaftsreisen und militärischen Unternehmungen in Kriegszeiten. Der Beginn eines neuen Abschnitts war jeweils durch die Einfügung von ἄλλο gekennzeichnet.49 Durch die Heraushebung des Philodemos gegenüber den Kollegen, die sich auch in der individuellen Auszeichnung in Form von drei Statuen manifestierte, erweckte der Beschluss gleichsam den Eindruck eines Ehrendekrets für eine Einzelperson.50 Ein unbekanntes Mitglied aus der Familie von Drakon und Philodemos scheint gute Beziehungen nach Rom unterhalten zu haben und musste deshalb bis ins hohe Alter Gesandtschaften im Namen der Stadt übernehmen. Das politische Feld in der Polis Halikarnassos scheint die prominente Familie in der frühen Kaiserzeit weitgehend dominiert zu haben. Hydai

Chrysippos (Späthellenismus)

I. Mylasa 909.

Typ 3

Das späthellenistische Ehrendekret der Polis Hydai – seit dem Jahr 246 v. Chr. durch eine Sympolitie mit der Polis Mylasa verbunden – berichtete von den Leistungen des zweimaligen Paidonomen Chrysippos und bot eine ausführliche Beschreibung 49 50

S. auch Hirschfeld/Marshall 1916, 61. Zu den außergewöhnlichen Ehrungen des Philodemos s. ebd. 62.

Geographische Inschriftenliste

509

des Engagements. Die detaillierte Erzählung wird zu einem großen Teil der Selbstdarstellung und dem persönlichen Ansehen des herausragenden Bürgers gedient haben. Daneben zeigte das Ehrendekret für Chrysippos auch das beispielhafte Verhalten eines guten Paidonomen. Vorbildliche Leistungen scheinen sich jedoch auch im späthellenistischen Hydai zunehmend über Festveranstaltungen und finanzielle Leistungen definiert zu haben. Iasos

Gorgos und Minnion (333–323 v. Chr.) Kritios (1. Jhdt. v. Chr.) Melanion (1. Jhdt. v. Chr.) C. Iulius Kapiton (Frühe Kaiserzeit)

I. Iasos 24 + 30. I. Iasos 93. I. Iasos 98. I. Iasos 99.

Typ 2 Typ 4 Typ 2 Typ 2

Zu den Ehrendekreten aus Iasos – insbesondere zum Beschluss für Melanion – s. o. S. 205–209. Keramos

Anonymus (167–133 v. Chr.) Lykiskos (1. Jhdt. v. Chr.) Sohn des Drakon (Späthellenismus) [Di]ophantos/[Herm]ophantos   (14–37 n. Chr.)

I. Keramos 6. I. Keramos 7. I. Keramos 9. I. Keramos 14.

Typ 4 Frag. Frag. Typ 3

Die Polis Keramos scheint erst ab der Mitte des 2. Jhdts. v. Chr. mit der vereinzelten Publikation von Ehrendekreten begonnen zu haben. Der Beschluss für einen Anonymus erinnerte an diplomatische Verdienste um die Stadt und mag das ganze Leben des Ausnahmebürgers rekapituliert haben. Die fragmentarischen Beschlüsse für Lykiskos und einen unbekannten Sohn des Drakon verliehen umfangreiche Ehrungen und beschlossen neben Kränzen und verschieden Privilegien jeweils eine Statue. Das Ehrendekret für den Sohn des Drakon verzeichnete auch das Abstimmungsergebnis mit 9[.]1 Stimmen zu vermutlich 44 Gegenstimmen.51 [1]44 Gegenstimmen – eine ebenfalls in der Forschung diskutierte Zahl – wären vermutlich nicht in einem Ehrendekret vermerkt worden. Der Beschluss für [Di]ophantos oder [Herm]ophantos enthält trotz der Rekapitulation von verschiedenen Leistungen – Gymnasiarchie 51

Zur Aufzeichnung von Abstimmungsergebnissen s. bereits o. S. 164. 171. 276. S. auch u. S. 515. 529 Anm. 111.

510

Anhang

und Stephanephorie mit Reise zu Kaiser Tiberius – keine Ehrungen und entscheidet lediglich über die Verwendung des während der Stephanephorie zu Ehren des Kaisers gestifteten Geldes zum Bau einer doppelten Säulenhalle. Ein Ehrendekret im engen Sinn war der Beschluss nicht. In der Kürze der Ausführungen spielgelte sich zudem der – in zahlreichen Städten am Beginn der Kaiserzeit zu beobachtende – Übergang von langen Beschlüssen zu kurzen Inschriften. Knidos

Artemidoros (Augusteische Zeit) Lykaithion (1./2. Jhdt. n. Chr.)

I. Knidos 59. I. Knidos 73 + 74.

Frag. Frag.

Die Polis Knidos scheint in der hellenistischen Zeit keine Ehrendekrete für eigene Bürger publiziert zu haben. Erst mit dem Beginn der Kaiserzeit ließen Rat und Volk neben Ehreninschriften und Trostdekreten auch einzelne Ehrendekrete aufzeichnen. Die entsprechenden Beschlüsse scheinen jedoch lediglich eine Variante zu den üblichen Ehreninschriften gewesen zu sein. Artemidoros erhielt von der Stadt umfangreiche Auszeichnungen und sollte nach dem Tod wie ein Heros verehrt werden. Mylasa

Ouliades (Anfang 2. Jhdt. v. Chr.) I. Mylasa 101. [Polis] Typ 4 Moschion (Ende 2. Jhdt. v. Chr.) I. Mylasa 102. [Polis] Typ 4 Amyntas (2. Jhdt. v. Chr.) I. Mylasa 105. [Ὀτωρκονδεῖς] Typ 3 Diophantos (2. Jhdt. v. Chr.) I. Mylasa 108. [Ὀτωρκονδεῖς] Typ 3 Menekrates (2. Hälfte 2. Jhdt. v Chr.) I. Mylasa 111. [Ὀτωρκονδεῖς] Frag. Antiochos (Ende 2. Jhdt. v. Chr.) I. Mylasa 106. [Ὀτωρκονδεῖς] Typ 3 Antiochos (Ende 2. Jhdt. v. Chr.) I. Mylasa 107. [Ὀτωρκονδεῖς] Typ 4 Limnaios (Ende 2. Jhdt. V. Chr.) I. Mylasa 110. [Ὀτωρκονδεῖς] Typ 3 Anonymus (Ende 2. Jhdt. v. Chr.) I. Mylasa 157. [Ὀτωρκονδεῖς] Frag. Iatrokles (nach 76/75 v. Chr.) I. Mylasa 109. [Ὀτωρκονδεῖς] Typ 4 Anonymus (Späthellenismus) I. Mylasa 112. [Ὀτωρκονδεῖς] Frag. Anonymus (Späthellenismus) I. Mylasa 113. [Ὀτωρκονδεῖς] Frag. Anonymus (Späthellenismus) I. Mylasa 114 + 115.52  Frag.   [Ὀτωρκονδεῖς] 52

Die beiden Inschriften befinden sich auf demselben Stein und sind lediglich durch eine schmale Lücke getrennt. Die Beschlussfragmente scheinen dem Inhalt nach zwei Ausschnitte eines in mehreren Kolumnen aufgezeichneten Ehrendekrets gewesen zu sein. Die

Geographische Inschriftenliste

Anonymus (Späthellenismus) Anonymus (Späthellenismus) Anonymus (Späthellenismus) Dionysios (2. Jhdt. v. Chr.) Unbekannter Gymnasiarch   (Späthellenismus) Anonymus (Späthellenismus) Anonymus (Späthellenismus) Anonymus (Späthellenismus) Antiphanes (2. Jhdt. v. Chr.) Iatrokles/Iason/Aristeas   (2. Jhdt. v. Chr.) Anonymus (2. Jhdt. v. Chr.) Anonymus (Späthellenismus) Anonymus (Späthellenismus) [St]ephanion (Späthellenismus) Unbekannter Agoranomos   (Späthellenismus) Anonymus (Späthellenismus)

511

I. Mylasa 116. [Ὀτωρκονδεῖς] I. Mylasa 117. [Ὀτωρκονδεῖς] I. Mylasa 118. [Ὀτωρκονδεῖς] I. Mylasa 119. [Κονοδωρκονδεῖς] I. Mylasa 120. [Κονοδωρκονδεῖς]

Typ3 Frag. Typ3 Frag. Frag.

I. Mylasa 134. [Phyle] I. Mylasa 136. [Phyle] I. Mylasa 142. [Phyle]  I. Mylasa 121. [Ἀγανιτεῖς] I. Mylasa 123. [Ὀγονδεῖς]

Typ 4 Frag. Frag. Frag. Frag.

I. Mylasa 139. I. Mylasa 132. I. Mylasa 137. I. Mylasa 138. I. Mylasa 140.

Frag. Typ 4 Frag. Frag. Frag.

I. Mylasa 141.

Frag.

Die Polis Mylasa bewahrte – ähnlich der Polis Kos – während des gesamten Hellenismus föderale Strukturen. Das Territorium der Stadt scheint sich zudem in zwei Phasen durch Eroberungen sowie durch den Zusammenschluss mit Nachbarstädten in Form von Sympolitien erweitert zu haben.53 Die lokalen Untergliederungen behielten während des gesamten Hellenismus große Bedeutung für die Organisation der Polis und werden gerade vor dem Hintergrund der steten Erweiterung der Bürgerschaft auf die Wahrung der eigenen Identität bedacht gewesen sein.54 Noch im 4. Jhdt. v. Chr. mussten Volksbeschlüsse von den drei ursprünglichen Phylen – Κονοδωρκονδεῖς, Ὀτωρκονδεῖς, Ὑαρβεσοταί – bestätigt werden.55 Die Praxis der dauerhaften Aufzeichnung von Ehrendekreten scheint in der Stadt erst im 2. Jhdt. v. Chr. aufgekommen zu sein. Die Polis selbst publizierte kaum Beschlüsse zu Ehren von

53 54 55

rechte Kolumne mit dem Ende eines Beschlusses enthält die Fortsetzung der linken Kolumne. Der Platz im unteren Bereich des Steins scheint für die Anbringung des gesamten Beschlusses nicht ausgereicht zu haben. Das Ende des Ehrendekrets musste deshalb in eine schmale Kolumne neben dem ursprünglichen Inschriftenfeld ausweichen. Die Erstedition durch Blümel (1987) sieht in den beiden Inschriften noch unterschiedliche Beschlüsse. Zum Territorium der Polis Mylasa s. ausführlich Jones 1987, 328. Reger 2010. Zur politischen Struktur s. bereits Robert 1935a, 335–337. Vgl. Reger 2004, 174. Reger 2004, 174. I. Mylasa 1–3. S. auch Jones 1987, 328–330. Rhodes/Lewis 1997, 344. Wörrle 2003, 128 Anm. 28. Reger 2004, 174. Meier 2012, 415.

512

Anhang

eigenen Bürgern. Die ausführlichen Ehrendekrete für Ouliades und den Zeuspriester Moschion scheinen in Kategorien wichtige Episoden aus den Karrieren der beiden prominenten Persönlichkeiten berichtet zu haben. Neben der Polis ließen auch die Phylen sowie die als Syngeneia bezeichneten Verwaltungseinheiten Ehrendekrete aufzeichnen. Insbesondere die Phyle der Ὀτωρκονδεῖς – vermutlich die bedeutendste Phyle in der Polis Mylasa – scheint im späten Hellenismus zahlreiche Beschlüsse veröffentlicht zu haben.56 Die Ehrendekrete hatten in den meisten Fällen einen konkreten Anlass und konnten in diesem Zusammenhang auch frühere Leistungen rekapitulieren. Einzelne Beschlüsse boten daneben auch ausführliche Zusammenfassungen der gesamten Lebensleistung. Nysa

T. Aelius Alkibiades (Antoninus Pius)

Clerc 1885.

Typ 4

Zum kaiserzeitlichen Ehrendekret aus Nysa s. o. S. 440. Olymos

[Phaidros] (2. Hälfte 2. Jhdt. v. Chr.) Phaidros (2. Hälfte 2. Jhdt. v. Chr.) [Sibilos] (2. Hälfte 2. Jhdt. v. Chr.)

I. Mylasa 869. I. Mylasa 870. I. Mylasa 871.

Frag. Frag. Frag.

Die Polis Olymos lag in der Nähe von Mylasa und war nach dem Jahr 246 v. Chr. durch eine Sympolitie mit der großen Nachbarstadt verbunden.57 Neben zahlreichen Urkunden über Kauf und Pacht von Tempelland des Heiligtums für Apollon und Artemis sowie einigen Beschlüssen aus Anlass von Bürgerrechtsverleihungen publizierte der Demos in der zweiten Hälfte des 2. Jhdts. v. Chr. vermutlich auch wenige Ehrendekrete für eigene Bürger.58 Die knappen Beschlüsse scheinen sich – passend 56

57 58

Zur Bedeutung der Phyle der Ὀτωρκονδεῖς s. Reger 2004, 174. Zum Teil scheinen sich die zahlreichen von Blümel (1987) publizierten Inschriftenfragmente zu einzelnen Beschlüssen zusammenfügen zu lassen. S. etwa o. S. 510 f. Anm. 52. Die Gesamtzahl der erhaltenen Ehrendekrete mag sich in der Folge verringern. Zur Sympolitie von Mylasa und Olymos s. ausführlich Reger 2004, 164–168. Vgl. Reger 2010, 53–57. Pachturkunden: I. Mylasa 801–854. Zur Datierung der Inschriften s. Blümel 1988, 29. Bürgerrechtsverleihungen: I. Mylasa 866–868. 872–879. Eine regelmäßige oder sys­ tematische Aufzeichnung der Ehrendekrete für eigene Bürger scheint nicht erfolgt zu sein. So jedoch Reger 2004, 167.

Geographische Inschriftenliste

513

zur großen Bedeutung des religiösen Lebens und insbesondere des Heiligtums für Apollon und Artemis – in der Regel auf die Tätigkeit der herausragenden Personen als Priester beschränkt zu haben.59 Wie die Phylen und die anderen Verwaltungseinheiten in der Polis Mylasa versuchte vermutlich auch der Demos von Olymos nach der Sympolitie durch die Verabschiedung und anschließende Publikation von eigenen Beschlüssen Selbstständigkeit zu beweisen und die eigene Identität zu wahren.60 Sekköy

Hermokrates/Drakon (2. Jhdt. v. Chr.) Bresson/Brun/Varinlioğlu 2001   Nr. 92 B.

Typ 2

Eine unbekannte Polis auf dem Gebiet des türkischen Dorfes Sekköy verabschiedete im 2. Jhdt. v. Chr. ein gemeinsames Ehrendekret für die ἐπίτροποι Hermokrates und Drakon.61 Die seltene Auszeichnung bedeutete zunächst vermutlich eine besondere Anerkennung für herausragende Verdienste in der Krise. In der einflussreichen Stellung als eponyme ἐπίτροποι konnten Hermokrates und Drakon zudem vermutlich entscheidenden Einfluss auf die eigene Ehrung nehmen. Daneben mag zu einem Teil auch die Beispielhaftigkeit der Leistungen eine wichtige Rolle bei der Entscheidung der Polis zur Publikation des Beschlusses gespielt haben. Stratonikeia

Tib. Flavius Menandros/Flavia Leontis I. Stratonikeia 15.   (Ende 2. Jhdt. n. Chr.)

Typ 4

Die Eheleute Tib. Flavius Menandros und Flavia Leontis hatten sich bei der Übernahme von zahlreichen Priesterschaften sowie durch ein Engagement im Gymnasion Verdienste um die Polis erworben.62 Der vorbildliche Einsatz beschränkte sich vornehmlich auf Festveranstaltungen und finanzielle Leistungen. Das publizierte Ehrendekret unterschied sich lediglich in der äußeren Form von zeitgleichen Ehreninschriften.

59 60 61 62

Zum erneuten Aufleben des Kultes für Apollon und Artemis nach der Sympolitie von Mylasa und Olymos s. Reger 2004, 167. Zum Selbstbild des Demos von Olymos s. ebd. Zu den Problemen bei der Identifizierung der Polis s. Bresson/Brun/Varinlioğlu 2001, 227. Zu den beiden Eheleuten s. auch I. Stratonikeia 185–187. 192–199. 663–664. Vgl. den Familien­stammbaum zu 183–188.

514

Anhang

Didyma

Eirenias (160–150 v. Chr.)

I. Didyma 142.

Typ 3

Um die Mitte des 2. Jhdts. v. Chr. errichtete die Polis Milet im Heiligtum von Didyma eine Ehrenstatue für den bedeutenden Staatsmann Eirenias und publizierte auf der Statuenbasis im Anschluss an die Ehreninschrift auch das zugehörige Ehrendekret.63 Neben dem Engagement um das Heiligtum mag der Beschluss auch von politischen Tätigkeiten berichtet haben. Ein weites Ehrendekret für Eirenias ließ die Polis im Stadtgebiet aufstellen. S. u. S. 516. Ephesos

Diodoros (2. Jhdt. v. Chr.) Skythes (Hellenismus)

I. Ephesos 6. I. Ephesos 1390.

Typ 2 Frag.

Zu den Ehrendekreten aus Ephesos s. o. S. 203 f. Erythrai

Phanes (334–332/nach 323 v. Chr.) Neun Strategen (277/275 v. Chr.) Hekatas (um 275/274 v. Chr.) Polykritos (um 275/274 v. Chr.) Neun Strategen (270–260 v. Chr.) Kallikrates (3. Jhdt. v. Chr.) Epistaten (Frühhellenismus) Strategen (Frühhellenismus)

I. Erythrai 21. I. Erythrai 24. I. Erythrai 27. I. Erythrai 28. I. Erythrai 29. I. Erythrai 114. I. Erythrai 115. Engelmann 1987 Nr. 6.

Zu den Ehrendekreten aus Erythrai s. o. S. 115–129.

63

Zur Bedeutung des Eirenias s. Hermann/Günther/Ehrhardt 2006, 21 f.

Typ 2 Typ 2 Typ 2 Typ 4 Typ 2 Typ 2 Typ 2 Frag.

Geographische Inschriftenliste

515

Kolophon

Menippos (nach 120/119 v. Chr.) Polemaios (Ende 2. Jhdt. v. Chr.)

Robert/Robert 1989, 63–66. Robert/Robert 1989, 11–17.

Typ 4 Typ 4

Zu den Beschlüssen aus Kolophon s. o. S. 270–283. 443–449. Magnesia am Mäander

Anonymus (Anfang 2. Jhdt. v. Chr.) Apollophanes (Anfang 2. Jhdt. v. Chr.) Euphemos (Anfang 2. Jhdt. v. Chr.) Tib. Claudius Tyrannos   (2. Hälfte 1. Jhdt. n. Chr.)

I. Magnesia am Mäander 92 a. I. Magnesia am Mäander 92 b. I. Magnesia am Mäander 94. I. Magnesia am Mäander 113.

Typ 2 Typ 2 Typ 2 Typ 2

Die beiden Ehrendekrete für Apollophanes und einen Anonymus – vermutlich dessen Sohn Demetrios – waren auf den Basen der beschlossenen Ehrenstatuen angebracht.64 Die beiden Ensemblemonumente standen auf den πάροδοι im Theater und waren zur Orchestra ausgerichtet. Gegenstand der Beschlüsse war – passend zum Ort der Aufstellung – das finanzielle Engagement der beiden Personen um den Neubau des Theaters. Als Monumente für Vater und Sohn bildeten die Statuen mit den Ehrendekreten ein Ensembledenkmal für Verdienste der Familie um den Neubau des Theaters. Das Ehrendekret für den Neokoros Euphemos ließ die Polis im Heiligtum des Anax publizieren. Im Zentrum der Erzählung scheinen Verdienste um das Heiligtum gestanden zu haben. Daneben regelte der Beschluss Details zur Aufstellung der Ehrenstatue in Heiligtum – vermutlich ebenfalls ein Grund für die dauerhafte Aufzeichnung.65 Die hellenistischen Ehrendekrete aus Magnesia am Mäander verzeichneten zudem die Abstimmungsergebnisse aus der Volksversammlung (4678/2113/3580).66 In der frühen Kaiserzeit publizierten Rat und Volk ein Ehrendekret für den kaiserlichen Freigelassenen Tib. Claudius Tyrannos und lobten die Verdienste Arztes, den die Polis mit Stolz als πολείτης ἡμέτερος bezeichnete, um die Heimat. Dem bürgerlichen Rahmen war der Arzt durch den Dienst am Kaiserhof vermutlich weitgehend entwachsen.

64

65 66

Zur Identifizierung des unbekannten Bürgers s. Holleaux 1901, 220. Vgl. Migeotte 1984, 293. Meier 2012, 377 Anm. 752. Zu Aufstellung und Gestaltung der Monumente s. Kern 1900, 75. Biard 2017, 168. Aufriss und Grundriss bei Hiller von Gaertringen 1894, 5 f. Vgl. Quaß 1993, 33 Anm. 86. Zur Aufstellung der Statue und vermutlich auch des Ehrendekrets im Heiligtum des Anax s. Kern 1900, 80. Quaß 1993, 33 Anm. 86. Zu den Abstimmungsergebnissen aus Magnesia am Mäander s. auch Gauthier 1990, 90 f.

516

Anhang

Metropolis

Apollonios (145–143 v. Chr.) Apollonios (130 v. Chr.)

I. Metropolis I B. I. Metropolis I A.

Typ 3 Typ 3

Zu den Ehrendekreten für Apollonios s. o. S. 258–265. Milet

Eirenias (167/166–164 v. Chr.) C. Iulius Epikrates (6/5 v. Chr.)

I. Milet 1039. I. Milet 7 a-c.

Typ 3 Typ 4

Im Verlauf des Hellenismus scheint sich die Polis Milet lediglich bei den Ehrungen für Eirenias aus der die Mitte des 2. Jhdts. v. Chr. zur dauerhaften Publikation des entsprechenden Beschlusses entschieden zu haben.67 Der bedeutende Staatsmann unterhielt beste Verbindungen zu hellenistischen Königen wie Eumenes II. oder Antiochos IV. und setzte die persönlichen Kontakte auf Gesandtschaftsreisen zum Vorteil für die Stadt ein. In der Polis Milet muss Eirenias in der Folge eine überragende Position eingenommen haben.68 Die Aufzeichnung des Ehrendekrets auf der Basis der beschlossenen Ehrenstatue mag dementsprechend ebenfalls ein der besonderen Stellung geschuldetes Einzelphänomen geblieben zu sein.69 Ein ähnliches Monument ließ die Polis für Eirenias auch im Heiligtum von Didyma errichten. S. o. S. 514. Erst zum Ende des 1. Jhdts. v. Chr. entschieden sich Rat und Volk der Stadt erneut zur Publikation eines Ehrendekrets für einen eigenen Bürger. Der Beschluss für C. Iulius Epikrates war zusammen mit anderen Inschriften an der Rathauswand angebracht und berichtete von finanziellen Leistungen und diploma-

67

68 69

Die Aufstellung des Ehrendekrets für den milesischen Bürger Hippostratos im Jahr 289/288 v. Chr. beruhte auf der Initiative des ionischen Koinons. I. Milet 10. Der Beschluss war zudem in allen Städten des Koinons aufzuzeichnen. Erhalten haben sich die Inschriften aus Smyrna und Chios. I. Smyrna 577. Forrest 1985 Nr. 1. Für eine verbesserte Neuedition der Inschrift aus Chios s. Petzl 2006. Zu den beiden Abschriften vgl. auch Rehm/Hermann 1997, 157. Zur Stellung des Eirenias s. Hermann/Günther/Ehrhardt 2006, 21 f. Zur Interpretation des Beschlusses s. auch Herrmann 1965, 71–90. Die Anbringung des Ehrendekrets erfolgte auf der Basis der Ehrenstatue. In den Dimensionen übertraf das Ensemble sogar das ebenfalls in der Stadt aufgestellte Rundmonument für Eumenes II. Zur Gestaltung des Rundmonuments für Eirenias s. Herrmann 1965, 71–73. Hermann/Günther/Ehrhardt 2006, 22: «ein wahrhaft »königliches« Denkmal». Vgl. auch Grieb 2008, 233.

Geographische Inschriftenliste

517

tischen Missionen.70 Die persönlichen Verbindungen des Ausnahmebürgers zu Kaiser Augustus brachten der Stadt immer wieder Vorteil und Nutzen. Epikrates muss auch über die Grenzen der Polis Milet hinaus großen Einfluss besessen haben und war den bürgerlichen Sphären vermutlich weitgehend entwachsen. Die Aufstellung des Ehrendekrets wird zudem die guten Beziehungen der Stadt zu Augustus sowie allgemein die Treue gegenüber dem Kaiserhaus dokumentiert haben. Priene

Apellis (332/331 v. Chr.) Apellis (327/326 v. Chr.) Sotas (nach 278/277 v. Chr.) Helikon (1. Hälfte 3. Jhdt. v. Chr.) Nymphon (270–262 v. Chr.). Nymphon (270–262 v. Chr.). Nymphon (270–262 v. Chr.). Bias (1. Hälfte 3. Jhdt. v. Chr.) [Me]nares (Anfang 3. Jhdt. v. Chr.) Hegesias/Philiskos/Zoilos   (vor 200 v. Chr.) Diokles (um 200 v. Chr.) Hegesias (um 190 v. Chr.) Aristippos (nach 130 v. Chr.) Athenopolis (um 130 v. Chr.) Moschion (nach 129 v. Chr.) Herodes (um 120 v. Chr.) Anonymus (Ende 2. Jhdt. v. Chr.) Isod[oros] (Ende 2. Jhdt. v. Chr.) Thrasyboulos (um 100 v. Chr.) Thrasyboulos (um 100 v. Chr.) [– – –]peitos (um 100 v. Chr.) Unbekannter Stephanephoros   (um 100 v. Chr.)

70

I. Priene 4, 1–48 = I. Priene2 19. I. Priene 4, 49–59 = I. Priene2 20. I. Priene 17 = I. Priene2 28. I. Priene 19 = I. Priene2 25. I. Priene 20 = I. Priene2 21. I. Priene 21 = I. Priene2 22. I. Priene 22 = I. Priene2 23. I. Priene 23 = I. Priene2 24. I. Priene 26 = I. Priene2 32. I. Priene 81 = I. Priene2 34.

Typ 2 Typ 2 Typ 2 Typ 2 Typ 2 Typ 2 Typ 2 Typ 2 Typ 2 Typ 2

I. Priene 82 = I. Priene2 46. I. Priene 66 = I. Priene2 47. I. Priene 83 = I. Priene2 48. I. Priene 107 = I. Priene2 63. I. Priene 108 = I. Priene2 64. I. Priene 109 = I. Priene2 65. I. Priene 132 = I. Priene2 92. I. Priene 133 = I. Priene2 93. I. Priene 103 = I. Priene2 56. I. Priene 99 = I. Priene2 57. I. Priene 102 = I. Priene2 60. I. Priene 46 = I. Priene2 55.

Typ 2 Frag. Frag. Typ 5 Typ 4 Typ 4 Frag. Frag. Frag. Frag. Frag. Typ 2

C. Iulius Epikrates ist auch aus Ehreninschriften bekannt. I. Milet 1130. 1131. Vgl. Günther 1989, 177. Herrmann 1994, 206–219. Der Name des Bürgers im Ehrendekret ist dementsprechend als C. Iulius Ἐ[πι]κράτης und nicht – wie in der Erstedition der Inschrift angenommen – mit C. Iulius Ε[ὐ]κράτης zu ergänzen. Zur Ergänzung der Inschrift s. Herrmann 1994, 219–221. Hermann 1997, 156. Die Person des C. Iulius Ε[ὐ]κράτης ist aus dem Familienstammbaum zu streichen.

518

Anhang

Menedemos (Anfang 1. Jhdt. v. Chr.) Krates (nach 92–89 v. Chr.) Herakleitos (Anfang 1. Jhdt. v. Chr.) Anonymus (Anfang 1. Jhdt. v. Chr.). Anonymus (Anfang 1. Jhdt. v. Chr.) Theon (Anfang 1. Jhdt. v. Chr.) Thrasyboulos (1. Jhdt. v. Chr.) Anonymus (1. Jhdt. v. Chr.) Anonymus (1. Jhdt. v. Chr.). Unbekannter Gymnasiarch/   Dioskourides (1. Jhdt. v. Chr.) Anonymus (Anfang 1. Jhdt. v. Chr.) A. Aemilius Zosimos (nach 84 v. Chr.) A. Aemilius Zosimos (nach 84 v. Chr.) A. Aemilius Zosimos (nach 84 v. Chr.)

I. Priene 110 = I. Priene2 66. Typ 5 I. Priene 111 = I. Priene2 67. Typ 4 I. Priene 117 + 86 = I. Priene2 71. Typ 4 I. Priene 120 = I. Priene2 74. Frag. I. Priene 121 = I. Priene2 75. Frag. I. Priene 119 = I. Priene2 73. Typ 4 2 I. Priene 104 = I. Priene 42. Frag. I. Priene 115 = 131 = I. Priene2 84. Frag. I. Priene 118 = I. Priene2 72. Frag. I. Priene 123 = I. Priene2 41. Typ 2 I. Priene 124 = I. Priene2 77. I. Priene 112 = I. Priene2 68. I. Priene 113 = I. Priene2 69. I. Priene 114 = I. Priene2 70.

Frag. Typ 3 Typ 3 Typ 3

Zu den frühhellenistischen Ehrendekreten s. o. S. 97–115. 430–432. Zu den späthellenistischen Ehrendekreten aus der Nordhalle der Agora s. o. S. 283–315. 432–434. 436 f. 449–455. Iulia Gordos

Sohn des Anaximbrotos   (um 130 v. Chr.) Stratonike (Frühes 1. Jhdt. n. Chr.) Attalos (1. Viertel 1. Jhdt. n. Chr.) Attalos (69/70 n. Chr.) Theophilos (75/76 n. Chr.)

Malay/Petzl 1984.

Typ 4

TAM V 1, 688. Ricl/Malay 2012 Nr. 1. Ricl/Malay 2012 Nr. 2. TAM V 1, 687.

Trost Trost Trost Trost

Zu den Ehrendekreten für den Sohn des Anaximbrotos s. o. S. 254–256. Im 1. Jahrhundert n. Chr. ließ die Polis postume Ehrendekrete für Personen aus führenden Familien aufstellen.71 Neben der ehrenden Erinnerung an die Verstorbenen scheinen die Beschlüsse auch stets zu Ruhm und Ansehen der Familien beigetragen zu haben. Zu sprachlichen Details s. auch o. S. 437.

71

Zur Familie um die Eheleute Attalos und Stratonike sowie deren Enkel Attalos s. den Stamm­ baum bei Ricl/Malay 2012, 87.

Geographische Inschriftenliste

519

Sardis

Heliodoros (nach 188 v. Chr.) Timarchos (um 155 v. Chr.) Menogenes (5 v. Chr.) Menogenes (5 v. Chr.) Menogenes (5 v. Chr.) Menogenes (5 v. Chr.) Menogenes (1 v. Chr.)

Gauthier 1989. I. Sardis 7, 4. I. Sardis 7, 8, 28–38. I. Sardis 7, 8, 39–51. I. Sardis 7, 8, 52–62. I. Sardis 7, 8, 63–74. I. Sardis 7, 8, 120–131.

Typ 3 Typ 3 Typ 2 Typ 2 Typ 2 Typ 2 Typ 3

Das Ehrendekret für Heliodoros berichtete von außenpolitischen Verdiensten und zeichnete zugleich ein allgemeines Idealbild an bürgerlichen Tugenden. Die Erfolge des herausragenden Bürgers trugen stets auch zu Ruhm und Nutzen für die Stadt bei. Daneben warfen insbesondere die Verdienste und Ehrungen in der Funktion eines fremden Richters auch ein positives Licht auf die Polis und trugen zum Ansehen der Stadt in der griechischen Staatenwelt bei.72 Timarchos, der vermutlich ebenfalls aus der Polis Sardis stammte, unterhielt beste Verbindungen zum pergamenischen Königshaus und war den bürgerlichen Sphären weitgehend enthoben.73 Dementsprechend ehrten Rat und Volk mit dem Beschluss vornehmlich eine einflussreiche Person aus dem königlichen Gefolge.74 Bei der Verabschiedung des Ehrendekrets sowie insbesondere bei der dauerhaften Publikation des Beschlusses wird jedoch auch der Stolz der Stadt auf die Erfolge des eigenen Bürgers eine große Rolle gespielt haben. Ebenso sollte die Ehrung vermutlich das gute Verhältnis und die Treue der Stadt zu den pergamenischen Herrschern in der Öffentlichkeit dokumentieren. Den eigentlichen Anlass der Ehrung bildete mit der Neokorie der Artemis in Sardis eine städtische Funktion.75 Die Stele für Menogenes aus den Jahren nach 1 v. Chr. versammelte unterschiedliche Dokumente – neben Ehrendekreten auch andere Beschlüsse und Briefe – zur öffentlichen Tätigkeit des prominenten Politikers. Die Zusammenstellung mag zunächst dem persönlichen Andenken und der ehrenden Erinnerung an die herausragenden Erfolge des Ausnahmebürgers gedient haben. Daneben war das Ensemble freilich auch ein Monument für die Geschichte der Polis Sardis und positionierte die Stadt im politischen Zeitgeschehen. Über seine

72 73 74

75

Zur Bedeutung der Entsendung von fremden Richtern vgl. Gauthier 1989, 121. Knoepfler 1993, 39. Zur Herkunft des Timarchos s. Savalli-Lestrade 1996, 174. Savalli-Lestrade 1998, 154. Zur Ehrung eines königlichen Funktionärs in Sardis s. auch den Beschluss für den Makedonen Zeuxis aus den Jahren 209–193 v. Chr. Robert 1964 Nr. 1. Vgl. Gauthier 1989, 39–45. Savalli-Lestrade 1998, 36–38. Zur Neokorie der Artemis s. Gauthier 1989, 119. Savalli-Lestrade 1996, 173. Savalli-Lestrade 1998, 154.

520

Anhang

persönlichen Kontakte und seine Ausnahmestellung wird Menogenes die städtische Politik in weiten Teilen bestimmt haben. Silandos

Philomelos (Ende 2. Jhdt. v. Chr.)

Malay/Petzl 2003.

Typ 5

Das postume Ehrendekret der abbaitischen Myser aus der Polis Silandos für Philomelos vom Ende des 2. Jhdts. v. Chr. spannte einen Bogen von der frühesten Kindheit bis zum Tod und berichtete in allgemeinen Worten von öffentlichen Tätigkeiten und privaten Leistungen.76 Über die Darstellung entwarfen Rat und Volk damit zugleich das eigene Idealbild vom Leben eines vorbildlichen Bürgers. Konkrete Informationen über einzelne Tätigkeiten enthielt die allgemeine Darstellung nicht. Kyme

Archippe (2. Hälfte 2. Jhdt. v. Chr.) Archippe (2. Hälfte 2. Jhdt. v. Chr.) Archippe (2. Hälfte 2. Jhdt. v. Chr.) Archippe (2. Hälfte 2. Jhdt. v. Chr.) Kleanax (2 v. Chr.–2 n. Chr.) L. Vaccius Labeo (2 v. Chr.–14 n. Chr.)

I. Kyme 13 I. I. Kyme 13 II. I. Kyme 13 III. Malay 1983 Nr. 2. Hodot 1982.77 I. Kyme 19.

Typ 2 Typ 2 Typ 2 Typ 2 Typ 2 Typ 2

Auf den beiden Pfeilern mit den vier Ehrendekreten für Archippe waren auch noch vier andere Beschlüsse mit Bezug auf die Tätigkeiten der engagierten Bürgerin angebracht.78 Zum Ensemblemonument für Archippe s. o. S. 372–377. 437. Zu den Ehrendekreten für Kleanax und L. Vaccius Labeo s. o. S. 391–397. 438–440. Lampsakos

Pythonax (Frühhellenismus) Hegesias (nach 196/195 v. Chr.)

76 77 78

I. Lampsakos 2. I. Lampsakos 4.

Frag. Typ 2

Zur politischen Organisation der abbaitischen Myser – vermutlich als Koinon – s. Debord 1985, 349. Malay/Petzl 2003, 20. S. auch Merkelbach 1983. I. Kyme 13 IV. V. Malay 1983 Nr. 1. Nr. 3.

Geographische Inschriftenliste

521

Das Ehrendekret für Pythonax scheint zu Beginn des Motivberichts frühere Ehrungen wie Kranz und Bronzestatue rekapituliert zu haben. Der Beschluss für Hegesias bot einen ausführlichen und detaillierten Bericht über eine Gesandtschaftsreise nach Massalia und Rom und honorierte den Einsatz des engagierten Bürgers um die Heimatstadt.79 Erneut scheinen letztlich erst besondere Leistungen zu einem außergewöhnlichen Ereignis die Aufzeichnung eines Ehrendekrets veranlasst zu haben. Zugleich diente die Stele der Polis Lampsakos zur Erinnerung an ein bedeutendes Ereignis aus der eigenen Stadtgeschichte. Das Monument sollte demnach zugleich die Stärke und das Selbstbewusstsein der Stadt zum Ausdruck bringen und die erzielten Erfolge sowie insbesondere die freundschaftlichen Beziehungen nach Rom in einem dauerhaften Monument festschreiben.80 Kyzikos

Machaon (nach 129 v. Chr.) Demetrios (Augusteische Zeit)

Cichorius 1889 Nr. 2. Lolling 1884, 28–34.

Typ 3 Frag.

Zum Ehrendekret für Machaon s. o. S. 256 f. Zum Ende des Hellenismus verliehen die Polis und die ansässigen Römer umfangreiche Ehrungen an den herausragenden Bürger Demetrios und ließen den entsprechenden Beschluss in der Stoa vor dem Gymnasion, die von dessen Bruder errichtet worden war, auf eine Stele aufzeichnen.81 Zahlreiche Personen aus der prominenten Familie scheinen sich demnach zum Beginn der Kaiserzeit um die Polis verdient gemacht zu haben. Pergamon

Μη[– – –] (138–133 v. Chr.) Agias (138–133 v. Chr.) Straton (133–130 v. Chr.) Metrodoros (133–130 v. Chr.)

79

80

81

Jacobsthal 1908 Nr. 1. Jacobsthal 1908 Nr. 2. Hepding 1907 Nr. 11. Hepding 1907 Nr. 10.

Typ 3 Typ 3 Typ 2 Typ 2

Zur diplomatischen Mission des Hegesias s. Frisch 1978, 21–27. Elwyn 1993, 273 f. Quaß 1993, 133 f. Curty 1995, 80–82. Canali de Rossi 1997, 197 f. Canali de Rossi 2001, 197 f. Habicht 2001, 9. Zur Abhängigkeit der griechischen Städte von der neuen «Schutzmacht» Rom s. Frisch 1978, 27. Zu den realen und konstruierten Verwandtschaftsbeziehungen von Lampsakos s. Frisch 1978, 25. Sherk 1984, 6. Elwyn 1993, 273. Curty 1995, 80–82. Canali de Rossi 1997, 198. Canali de Rossi 2001, 197 f. Zum Beschluss für Demetrios s. auch Hasluck 1903, 89–91. Chiricat 2005, 214–222.

522

Anhang

Unbekannter Gymnasiarch Jacobsthal 1908 Nr. 3. Typ 2   (nach 129 v. Chr.) Athenaios (125/121 v. Chr.) Hepding 1910 Nr. 1. Typ 3 Menodoros (nach 125 v. Chr.) Wörrle 2000. Typ 4 Diodoros Pasparos (85–73 v. Chr.) V: Hepding 1907 Nr. 4. Typ 2 Diodoros Pasparos (nach 85–73 v. Chr.) XI: Hepding 1910 Nr. 2. Typ 3 Diodoros Pasparos (nach 69. v. Chr.) III: I. Pergamon 256. Typ 2 Diodoros Pasparos (nach 69 v. Chr.) VII: Hepding 1910 Nr. 5. Typ 2 Diodoros Pasparos (nach 69 v. Chr.) I: Schröder 1904 Nr. 1. Typ 2 Diodoros Pasparos (nach 69 v. Chr.) II: Hepding 1910 Nr. 3. Typ 2 Diodoros Pasparos (nach 69 v. Chr.) VI: Hepding 1907 Nr. 8 + 1910 Nr. 4: VI α: a I 1–53. Typ 2 VI β: b+c I 1–10. Frag. VI γ: a II 1–42. Typ 2 VI δ: a II 44–78. Typ 2 VI ε: b+c II 1–10. Frag. VI ζ: b+c II 11–24. Typ 2 Zu den Ehrendekreten aus Pergamon s. o. S. 209–224. 229–245. Die Nummerierung der Ehrendekrete für Diodoros Pasparos folgt Kienast 1970. Die chronologische Anordnung orientiert sich an Chankowski 1998. Drei kleine Inschriftenfragmente scheinen zum ältesten Beschluss (V) zu passen.82 Die Ehrensäule (VI) ist in mehrere Fragmente zerbrochen und enthielt auf zwei Kolumnen mindestens fünf Ehrendekrete (VI α. VI γ. VI δ. VI ε. VI ζ). Weitere Buchstabenreste (VI β) lassen sich nicht zuordnen. Ein Beschluss der Säule (VI γ) ist auch als eigenständige Inschrift (VII) erhalten. Damit sind insgesamt zehn verschiedene Ehrendekrete für Diodoros Pasparos bekannt. Neben den Beschlüssen sind auch vier Ehreninschriften erhalten.83 Für eine Ehreninschrift (IV) ist zudem der Beschluss zur Errichtung der entsprechenden Statue (III) erhalten.84 Zu den Beschlüssen für Diodoros Pasparos s. o. S. 233–243. 439.

82 83 84

Hepding 1907 Nr. 5. Nr. 6. Nr. 7. IV: Hepding 1907 Nr. 36. VIII: Hepding 1907 Nr. 37. IX: Hepding 1907 Nr. 38 + Hepding 1910 Nr. 50. X: Hepding 1907 Nr. 39. S. zuletzt Mathys 2014, 53. Vgl. Mathys 2014, 53.

Geographische Inschriftenliste

523

Apameia

Kephisodoros (168–158 v. Chr.)

MAMA 6, 173.

Typ 2

Kephisodoros machte sich als Gymnasiarch um den Königskult verdient und ließ zwei Statuen für Eumenes II. und dessen Bruder Attalos – den späteren Attalos II. – aufstellen.85 Daneben stockte der reiche Bürger die Zuwendungen, die während eines Krieges vom König an die Stadt gezahlt worden waren, durch eigenes Geld auf. Die Aufstellung des Ehrendekrets mag demnach erneut eine besondere Auszeichnung für außergewöhnliche Verdienste gewesen sein. Daneben sollte die Stele vermutlich auch die Treue und Verbundenheit der Polis Apameia gegenüber den attalidischen Monarchen bekunden. Im Zusammenhang mit dem Einsatz im Krieg betonte der Beschluss dementsprechend erneut das Wohlwollen gegenüber dem Königshaus. Frühere Ehrendekrete, die im Beschluss Erwähnung fanden, scheinen keine Aufzeichnung erfahren zu haben. Synnada

Philonides (2. Jhdt. v. Chr.)

Ramsay 1883 Nr. 24.

Typ 5

Das postume Ehrendekret der Polis Synnada für Philonides umspannte das gesamte Leben des jungen Mannes und berichtete in allgemeinen Worten von der guten Erziehung und den vorbildlichen Charaktereigenschaften.86 In der idealisierenden Darstellung fanden dementsprechend insbesondere allgemeine Tugendvorstellungen der Stadt einen Niederschlag. Besondere Leistungen mag der junge Philonides jedoch auch noch nicht erbracht haben. Der Beschluss erinnerte ebenso an die Verdienste von einzelnen Vorfahren und bezeugte gleichsam die Stärke und Bedeutung der gesamten Familie. Die Verwandten trugen vermutlich auch die Kosten der Ehrung und werden das Monument zur öffentlichen Selbstdarstellung genutzt zu haben.87 Die Errichtung der Stele mag dementsprechend vornehmlich auf privaten Wunsch der Familie erfolgt sein und beruhte nicht auf gängigen Praktiken in der Polis. Der Beginn der Inschrift scheint nicht das Ende eines anderen Ehrendekrets für einen verdienten Bürger gewesen zu sein.88 Stattdessen war das Ehrendekret vermutlich mit der knappen Zusammenfassung der verliehenen Ehren überschrieben. Insbesondere das Schriftbild sowie der nahtlose Übergang zwischen den beiden Abschnitten sprechen 85 86 87 88

Zur Datierung des Beschlusses s. zuletzt Thonemann 2003, 105. Für eine mögliche Zuweisung an den Nachbarort Prymnessos s. Michel 1900, 410. Zur Finanzierung der Ehrungen s. Ramsay 1883, 302. Wilhelm 1911, 61. So jedoch Ramsay 1883, 301. Wilhelm 1911, 55. 59. Strubbe 2004, 318 f.

524

Anhang

für die Einheitlichkeit des Dokuments. Auch die am Beginn der Inschrift erwähnten Ehrungen lassen sich mit den an Philonides verliehenen Privilegien in Übereinstimmung bringen.89 Termessos

Atalante (Ende 2. Jhdt. n. Chr.)

TAM III 4.90

Typ 3

Das Ehrendekret für Atalante lobte das vorbildliche Verhalten der Bürgerin und erinnerte an die zahlreichen Verdienste um die Stadt. Ehrenvolles Engagement definierte sich auch in der kaiserzeitlichen Polis Termessos vornehmlich über finanzielle Leistungen. Daneben trug der Beschluss durch die Erwähnung der Vorfahren vermutlich auch zur öffentlichen Selbstdarstellung der Familie bei. Gründe für die dauerhafte Aufzeichnung mögen zudem auch die in der Resolution getroffenen Bestimmungen zum Ort für die Aufstellung der Statue sowie die an die Techniten erteilte Erlaubnis zur Errichtung eines eigenen Standbilds der Atalante gewesen sein. Themisonion

Chares (67/66 v. Chr.)

Cousin/Diehl 1889 Nr.4.

Typ 3

Das späthellenistische Ehrendekret für Chares konzentrierte sich nach einem kurzen Bericht über die Tätigkeit als Paidonomos auf die Leistungen als Gymnasiarch.91 Mit dem individuellen Tatenbericht diente der Beschluss vornehmlich der Erinnerung an das persönliche Engagement des herausragenden Bürgers. Daneben transportierte der Beschluss in einzelnen Formulierungen auch allgemeine Vorstellungen von idealen Bürgertugenden und betonte insbesondere in der Hortativformel die Beispielhaftigkeit der Leistungen. Vorbildliches Engagement definierte sich jedoch vornehmlich über finanzielle Leistungen wie kostspielige Bauten oder Festveranstaltungen. Selbst die eigenen Ehrungen finanzierte Chares aus eigenen Mitteln. Bei der Errichtung von Statue und Ehrendekret werden die persönlichen Wünsche des reichen Bürgers dementsprechend eine entscheidende Rolle gespielt haben.

89 90 91

Für einen ähnlichen Befund aus der Polis Iulia Gordos s. o. S. 254 Anm. 27. S. auch Lanckoroński 1892 Nr. 34. Zur Datierung des Beschlusses s. Gauthier 2000a, 55.

Geographische Inschriftenliste

525

Perge

Asklepiades (Hellenistische Zeit) Stasias (2. Jhdt. v. Chr.) Stasias (2. Jhdt. v. Chr.) Stasias (2. Jhdt. v. Chr.) Stasias (2. Jhdt. v. Chr.) Agoranomoi (1. Jhdt. v. Chr.)

I. Perge 12, 3–21. I. Perge 14 A 1–14. I. Perge 14 A 14–33. I. Perge 14 B 34–60.  I. Perge 14 B 61–74.  I. Perge 11. 

Typ 4 Typ 3 Typ 3 Typ 3 Frag. Typ 2

Im Anschluss an ein eigenes Ehrendekret für den Arzt Asklepiades ließen Rat und Volk von Perge auch die Beschlüsse, die in anderen Städten zu Ehren des herausragenden Bürgers gefasst worden waren, verzeichnen.92 Die Stele diente damit vermutlich zu einem Teil auch dem Ruhm der Polis – strahlte das Ansehen des berühmten Arztes doch sicherlich stets auch auf dessen Heimatstadt aus. Der Beschluss der Polis Perge betonte dementsprechend den Bürgerstatus und lobte den Ruhm des Arztes.93 Die vier Ehrendekrete für Stasias waren in zwei Schmalen Kolumnen auf der Vorderseite (A) sowie der rechten Nebenseite (B) eines eckigen Pfeilers angebracht.94 Vom ursprünglichen Monument sind lediglich zwei jeweils oben und unten gebrochene und in der Mitte nicht zusammenpassende Fragmente erhalten. Zwischen den beiden Fragmenten ist mit einem beträchtlichen Textverlust zu rechnen. Der zweite Beschluss auf der Vorderseite (A) bricht auf dem oberen Fragment in der Mitte des Motivberichts ab und setzt auf dem unteren Fragment erst wieder mit dem Ende der Resolution ein. Eine Vertiefung auf der Oberseite des oberen Blockes haben die Bearbeiter des Monuments stets als Einarbeitung für eine Ehrenstatue oder eine Büste des Stasias interpretiert.95 Die Inschriften auf dem oberen Block beginnen jedoch mit der Resolution des ersten Beschlusses (A) und dem Ende vom Motivbericht des dritten Beschlusses (B). Für beide Seiten ist mit einem erheblichen Textverlust oberhalb der erhaltenen Abschnitte zu rechnen. Das ursprüngliche Monument muss dementsprechend aus zwei Blöcken bestanden haben. Die Einarbeitung auf der Oberseite des erhaltenen Blocks – ursprünglich vermutlich der untere Block – scheint demnach eine Einlassung für einen inzwischen verlorenen oberen Block gewesen zu sein. Eine Statue oder eine Büste wird der insgesamt schmale und hohe Pfeiler nicht getragen haben.96 Das Monument scheint ausschließlich für die Aufzeichnung 92 93 94 95 96

Erhalten hat sich lediglich der Beschluss aus Seleukeia. I. Perge 12, 21–50. 4: Περγαῖος πολίτης ἡμῶν. 19: τῆι εὐφημίαι αὐτοῦ. Zur Gestaltung des Monuments s. Lanckoroński 1890, 164. Viale 1925/1926, 374. Şahin 1999, 17 f. Vgl. zuletzt auch Curty 2015, 198–203. Lanckoroński 1890, 164. Şahin 1999, 18. Vgl. zuletzt auch Curty 2015, 194. 198. Vgl. Lanckoroński 1890, 164: «auf einer reichlich hohen und schlanken Basis». Die beiden erhaltenen Fragmente haben zusammen bereits eine Höhe von 1,485 m. Der zweite Block mag eine ähnliche Höhe gehabt haben.

526

Anhang

der Ehrendekrete gedient zu haben und mag in der Nähe eines Standbilds des Stasias aufgestellt gewesen sein. Die einzelnen Ehrendekrete waren ursprünglich vermutlich nicht für eine Publikation vorgesehen und wurden erst zu einem späteren Zeitpunkt zu einem Monument zusammengestellt.97 Gegenstände der Beschlüsse waren jeweils einzelne Verdienste des herausragenden Bürgers. Erst die Zusammenstellung der Ehrendekrete zu einem Monument vermittelte einen – in den einzelnen Beschlüssen nicht intendierten – Eindruck von der gesamten Lebensleistung. Neben politischen und militärischen Tätigkeiten scheint sich Stasias insbesondere im Bereich des städtischen Gymnasions engagiert zu haben.98 Daneben betonen die Ehrendekrete stets auch ihre hortative Funktion und verbreiteten die Idealvorstellungen der Polis von idealen Bürgertugenden.99 Das gemeinsame Ehrendekret für die Agoranomen eines Jahres scheint ebenfalls in weiten Teilen ein allgemeines Idealbild der Tätigkeit gezeichnet zu haben. Im Zusammenhang mit den Publikationsbestimmungen betonte der Beschluss dementsprechend die Vorbildfunktion für die künftigen Agoranomen. Araxa

Orthagoras (nach 167 v. Chr.)

Bean 1948 Nr. 11.

Typ 4

Orthagoras hatte sich bei lokalen Konflikten sowohl auf militärischen Missionen als auch bei Gesandtschaftsreisen für seine Heimatstadt Araxa eingesetzt.100 Die Aufzeichnung eines Ehrendekrets fiel demnach erneut mit existentiellen Krisen zusammen. Der ausführliche Tatenbericht umspannte weite Teile der Karriere und konzentrierte sich vornehmlich auf die individuellen Leistungen des Ausnahmebürgers.101 Orthagoras war jedoch zugleich ein Exponent der Polis Araxa. Die Erfolge auf der lokalen Ebene und in der internationalen Politik fielen stets auf die

97 98 99 100

101

Zur Vorderseite des Pfeilers (A) s. bereits Lanckoroński 1890 Nr. 29. Zur Kombination von militärischem Engagement und Gymnasiarchie s. Chaniotis 2005, 34 f. Zu den einzelnen Leistungen des Stasias s. auch Curty 2015, 190–194. Zum hortativen Charakter der Beschlüsse s. Chaniotis 2005, 38. Zur Datierung des Ehrendekrets s. Bean 1948, 51–56. Errington 1987, 114–118. Kritisch Behrwald 2000, 90–99. Für eine mögliche Datierung in die Jahre 130–120 v. Chr. s. jetzt Bresson 1999, 116. Einzelne Ereignisse der langen Karriere mögen noch in die Zeit der rhodischen Vorherrschaft über Lykien gefallen sein. Zimmermann 1993, 126. Behrwald 2000, 96. In der Polis Araxa muss Orthagoras eine herausragende Stellung eingenommen haben. Der prominente Bürger scheint das einzige durch eine Inschrift gekennzeichnete Felsgrab vor der Stadt besessen zu haben. TAM II 705. S. auch Bean 1948, 48. Zur besonderen Stellung des Orthagoras s. auch Chaniotis 2014, 148.

Geographische Inschriftenliste

527

Heimatstadt zurück. Durch die zahlreichen Verdienste sowie insbesondere durch die guten Kontakte nach Rom hatte Orthagoras auch für die Polis Einfluss und Prestige erworben. Mit der dauerhaften Publikation des Ehrendekrets errichtete die Stadt demnach zugleich ein Erinnerungsmonument für die eigenen Erfolge der jüngsten Vergangenheit und konnte die eigene Sichtweise auf die Ereignisse propagieren.102 Lissa

Menekrates (239 v. Chr.)

TAM II 158.103

Typ 1

Der Beschluss für Menekrates beschränkte den Motivbericht auf die nötigsten Angaben. Das knappe Ehrendekret wahrte jedoch den formalen Rahmen eines Volksbeschlusses. Die Datierung nach der Regierung des Ptolemaios III. Εὐεργέτης brachte die Loyalität der Polis zum Ausdruck. Zugleich zeigte die Formel vermutlich jedoch auch die Abhängigkeit vom König. Xanthos/Letoon

Lyson (196 v. Chr.) Anonymus (1. Jhdt. v. Chr.)

Gauthier 1996 Nr. 1. Gauthier 1996 Nr. 2.

Typ 2 Frag.

Das Ehrendekret für Lyson hatten die Neoi aus Xanthos im Letoon aufstellen lassen. Der Beschluss konzentrierte sich auf die Leistungen im Gymnasion und scheint weitgehend ein allgemeines Idealbild eines vorbildlichen Gymnasiarchen entworfen zu haben. Den Beschluss für den unbekannten Bürger scheinen die Neoi und der Gymnasiarch aus Kandyba im Letoon errichtet zu haben. Anisa/Hanisa

Apollonios (Späthellenismus)

Curtius 1880.

Typ 2

Apollonios hatte die Polis Anisa/Hanisa als Archon in einem Rechtsstreit um das Vermögen des Sindenos, der ohne Erben verstorben war, vertreten und den Prozess zu

102 103

Zur «propagandistischen Qualität der Darstellung» – insbesondere vor dem Hintergrund der Konflikte mit Rhodos – s. Zimmermann 1993, 127 f. Vgl. Behrwald 2000, 96. S. auch Hicks 1888 Nr. 1.

528

Anhang

einem erfolgreichen Ausgang gebracht.104 Im Zusammenhang mit den Bestimmungen zur dauerhaften Aufzeichnung des Beschlusses auf eine Bronzetafel betonte die Polis die hortative Funktion des Ehrendekrets.105 Daneben diente die Publikation vermutlich auch zur öffentlichen Erinnerung an den erfolgreichen Ausgang des Erbstreits. Das gefällte Urteil mag zugleich eine wichtige Grundsatzentscheidung für den Status und die Rechtsstellung der Polis gewesen sein. Theben

Kallimachos (18. März 39 v. Chr.)

Hutmacher 1965.106

Typ 3

Das Engagement des Kallimachos fiel mit der Krise des ägyptischen Königtums in den turbulenten Jahren nach der Ermordung Caesars zusammen.107 Als Stratege der Thebais scheint der einflussreiche Grieche gleichsam die Stelle des Königs eingenommen zu haben. Neben einem Engagement für den Tempel des Amonrason­ ther kümmerte sich Kallimachos um den Wiederaufbau des zerstörten Theben und bekämpfte Hungersnöte und Seuchen.108 Der Beschluss, den die Priester des Amonrasonther und die übrigen Bevölkerung der Stadt verabschiedet hatten, griff in Inhalt und Gestaltung die Formen eines griechischen Ehrendekrets auf.109 Zugleich zeigte das Monument die Vermischung von griechischen und ägyptischen Elementen. So erfolgte die Aufzeichnung des Beschlusses in Demotisch und in Griechisch. Für die Anbringung wählten Priester und Volk eine halbkreisförmig abgerundete Granitstele der 18. Dynastie mit Hieroglyphen.110 Auch in den verliehenen Ehrungen mischten sich griechische Praktiken mit Elementen des ägyptischen Königskults.

104

105 106 107 108 109

110

Zur Lokalisierung des Ortes Anisa/Hanisa s. Cumont 1932, 136–138. Robert 1963, 460– 469. Zur Datierung der Inschrift s. Robert 1963, 479–481. Die Polis scheint erst im Späthellenismus entstanden zu sein und lediglich kurze Zeit Bestand gehabt zu haben. Cumont 1932, 138. Robert 1963, 482–486. Zur Hellenisierung von Kappadokien s. auch Cumont 1932, 135. Zur Gestaltung der Bronzetafel s. Robert 1963, 498 f. Planche I. S. auch Bernand 1992 Nr. 46. Zur Datierung des Beschlusses s. Hutmacher 1965, 28 f. Bernand 1992, 113 f. Heinen 2006, 27. Hutmacher 1965, 31–64. Bernand 1992, 114 f. Quaß 1993, 234 Anm. 902. Van Minnen 2000, 444 f. Blasius 2001, 95. Heinen 2006, 30 f. 33 f. Die griechische Praxis der Publikation von Ehrendekreten scheint sich im Späthellenismus bis ins ägyptische Kernland ausgewirkt zu haben. Bernand 1992, 113. Heinen 2006, 27 f. Zu den Antragstellern s. Hutmacher 1965, 30 f. Van Minnen 2000, 444. Heinen 2006, 31 f. Hutmacher 1965, 14–16. Bernand 1992, 109. Heinen 2006, 22 f.

Konkordanz Inschriftensammlungen

529

Arsinoe

Aleximachos (Anfang 1. Jhdt. v. Chr.)

Reynolds 1973/1974.

Typ 3

Im Zusammenhang mit den Konflikten um den allmählichen Zerfall des ptolemäischen Königreichs verabschiedeten Ältestenrat und Rat der Stadt Arsinoe in der Kyrenaika im frühen 1. Jhdt. v. Chr. das Ehrendekret für Aleximachos.111 Der Beschluss begann mit der allgemeinen Würdigung von Tugend und Charaktereigenschaften und berichtete im Anschluss vom finanziellen Leistungen und politischem Engagement in unterschiedlichen Konflikten.112 Den eigentlichen Anlass des Beschlusses bildeten vermutlich die Leistungen des Aleximachos während Auseinandersetzungen mit den Libyern. Mit Verabschiedung und Publikation des Ehrendekrets knüpfte die Stadt Arsinoe an griechische Traditionen an. Die dauerhafte Aufzeichnung blieb jedoch ein Einzelfall und war zunächst ein weiteres Mal eine besondere Auszeichnung für herausragende Leistungen in der Krise. Zugleich zeichnete der Beschluss ein allgemeines Idealbild eines tugendhaften Bürgers im steten Bemühen um die Heimat und betonte die Beispielhaftigkeit der Leistungen. Ebenso erinnerte das Monument an entscheidende Ereignisse der jüngsten Vergangenheit.

2. Konkordanz Inschriftensammlungen Meritt 1936 Nr. 15. IG V 2, 26. IG Bulg 13. GIBM 1000 = I. Sestos 1. IScM I 19. IScM I 8. IScM I 15. IScM I 54. IOSPE I2 355 = IV 68. IOSPE I2 32. IOSPE I2 34. IG XII S 692. 111

ISE 33. Syll3 783. IGR I 662. Syll3 762. Michel 327. OGIS 339. ISE 128. ISE 125. ISE 131. Syll3 708. IGR I 864. ISE 149. Michel 338. Syll3 495. Syll3 730. ISE 158.

Zu den historischen Hintergründen des Beschlusses s. auch Moretti 1976, 385. Laronde 1987, 478 f. Im Anschluss an den Beschluss verzeichnet die Inschrift das positive Abstimmungsergebnis mit 109 weißen Stimmsteinen. Vgl. Quaß 1993, 419 Anm. 320. 112 Zu den einzelnen Leistungen s. Moretti 1976, 390–398. Laronde 1987, 476. Quaß 1993, 246. Dobias-Lalou 2003, 13. Chaniotis 2005, 169.

530

Paton 1894, 217. IG XII 2, 654. Segre 1944/1945 Nr. 64. Diehl/Cousin 1886 Nr. 1. I. Mylasa 134. I. Erythrai 21. I. Erythrai 24. I. Erythrai 29. Hula/Szántó 1895 Nr. 1. Robert/Robert 1989, 63–66. Robert/Robert 1989, 11–17. Malay/Petzl 1984. Fabricius 1913. I. Kyme 19. I. Lampsakos 4. Cichorius 1889 Nr. 2. Lolling 1884, 28–34. Hepding 1907 Nr. 4. Hepding 1907 Nr. 8. Schröder 1904 Nr. 1. Ramsay 1883 Nr. 24. Cousin/Diehl 1889 Nr. 4. Heberdey/Kalinka 1896. TAM II 705. Curtius 1880. Hutmacher 1965.

Anhang

Michel 456. Michel 363. OGIS 4. Syll3 567. ISE 169. ISE 175. Michel 505. Syll3 285. Michel 503. Syll3 410. Michel 504. Syll3 442. ISE 174. ISE 178. ISE 179. ISE 187. IGR IV 1692. ISE 186. Syll3 694. IGR IV 1302. ISE 188. IGR IV 134. ISE 184. IGR IV 159. IGR IV 292. IGR IV 293. IGR IV 294. Syll3 764. Michel 545. Michel 544. IGR III 704. Michel 548. OGIS 57. Michel 546. OGIS 194.

3. SEG-Konkordanz Πετράκος 1967. Robert 1935b. IScM I 15. IScM I 19. Milčev 2002. Avram 1996/1997. Ὀρλάνδος 1973. IG XII 5, 597. Μενδώνη 2009. Petzl 2006.

24, 154. 15, 333. 24, 1095. 24, 1099. 52, 724. 47, 1196. 32, 825. 39, 869. 59, 930. 56, 999.

SEG-Konkordanz

Μαραγκού 1981. Fournier/Hamon 2007. Miranda 1988/1989. Chaniotis 2004 Nr. 1. Briant/Brun/Varinlioğlu 2001. Hula/Szántó 1895 Nr. 1. I. Mylasa 909. Bresson/Brun/Varinlioğlu 2001   Nr. 92 B. Şahin 1982. Şahin 1987 Nr. 3. Engelmann 1987 Nr. 15. Engelmann 1987 Nr. 5. Engelmann 1987 Nr. 6. Şahin 1987 Nr. 4. Robert/Robert 1989, 11–17. Robert/Robert 1989, 63–66. Gauthier 2005b. I. Milet 1039. I. Milet 1130. I. Milet 1131. Forrest 1985 Nr. 1. Malay/Petzl 1984. Malay/Petzl 2003. I. Kyme 13 I. I. Kyme 13 II. I. Kyme 13 III. I. Kyme 13 IV. I. Kyme 13 V. Malay 1983 Nr. 2. Malay 1983 Nr. 1. Malay 1983 Nr. 3. Hodot 1982. Mitchell 1985 Nr. 4. Bean 1948 Nr. 11. Gauthier 1996 Nr. 1. Gauthier 1996 Nr. 2. Hutmacher 1965. Reynolds 1973/1974.

33, 696. 57, 820. 39, 1054. 54, 1020. 51, 1495. 33, 861. 38, 1072. 51, 1554. 33, 963. 37, 927. 37, 932. 37, 934. 37, 935. 37, 957. 39, 1243. 39, 1244. 55, 1251. 36, 1046. 39, 1255. 44, 938. 35, 926. 34, 1198. 53, 1357. 33, 1035. 33, 1036. 33, 1037. 33, 1038. 33, 1038. 33, 1039. 33, 1040. 33, 1041. 32, 1243. 35, 1407. 18, 570. 46, 1721. 46, 1723. 24, 1217. 26, 1817.

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Die verwendeten Literaturtitel werden in der Arbeit stets nach dem Autor-JahrPrinzip zitiert. Kommentare in Inschriftencorpora folgen demselben Schema. Die verwendeten Kürzel sind in der nachfolgenden Konkordanzliste aufgeführt. Die Abkürzung von Zeitschriften im Literaturverzeichnis folgt den Konventionen der année philologique. Einträge im bulletin épigraphique sind nicht im Literaturverzeichnis aufgeführt. Entsprechende Verweise sind in der Arbeit stets mit dem Zusatz BE gekennzeichnet. Inschriftencorpora und antike Autoren sind ebenfalls nicht im Literaturverzeichnis aufgeführt. Die Inschriftenkürzel folgen den Konventionen der vierten Auflage des guide de l’épigraphiste. Antike Autoren werden nach den Vorgaben des LSJ und des TLL zitiert. Die zitierten Passagen orientieren sich stets an den aktuellen textkritischen Ausgaben.

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Register 1. Stellenregister 1.1 Antike Autoren Appian (App.) Sic. 6, 1–2: 488 Anm. 8. Aristoteles (Arist.) EE 1219 b 8–16: 411 Anm. 28 f. 1219 b 11: 411 Anm. 26. 444 Anm. 136. 1228 a 18: 411 Anm. 26. 444 Anm. 136. EN 1101 b 10–35: 411 Anm. 28. 412 Anm. 31. 1103 a 26–b 25: 207 Anm. 86. 411 Anm. 26. 444 Anm. 136. 1104 b 3–1106 a 13: 206 Anm. 80. 1105 a 17–b 18: 207 Anm. 86. 411 Anm. 26. 444 Anm. 136. 1105 a 26–33: 208 Anm. 92. 1140 b 16–18: 206 Anm. 80. 1178 a 28–36: 411 Anm. 26. 444 Anm. 136. 1179 b 4–10: 206 Anm. 80. 1179 b 30–1180 a 30: 445 Anm. 140. MM 1190 a 34–b 6: 411 Anm. 26. 444 Anm. 136. 1383 b 20–35: 414 Anm. 32. Pol. 1253 a 1–11: 444 Anm. 135. 1291 b: 33 Anm. 99. 1337 a 14–18: 445 Anm. 140. Rh. 1361 a 27–30: 16 Anm. 4. 411 Anm. 27. 1367 b 28–30: 410 Anm. 25 1367 b 28–36: 444 Anm. 136.

Artemidor (Artem.) 1, 63: 217 Anm. 133. Cicero (Cic.) Verr. 2, 2, 8: 488 Anm. 8. 2, 3, 213: 488 Anm. 8. Demosthenes (D.) 20, 69: 51 Anm. 4. 20, 70: 51 Anm. 3. 61: 415 Anm. 36. Diogenes Laertios (D. L.) 7, 121: 445 Anm. 140. Dion Chrysostomos (D. Chr.) 31, 20: 95 Anm. 209. 31, 59: 95 Anm. 209. 31, 61: 95 Anm. 209. Herodot (Hdt.) 1, 30–33: 451 Anm. 158. Isokrates (Isoc.) IX 5–7: 415 Anm. 35. IX 8: 414 Anm. 34. Livius (Liv.) 33, 44, 4–6: 77 Anm. 131. Pausanias (Paus.) 1, 36, 5 f.: 81 Anm. 154. Plutarch (Plu.) Ant. 1: 488 Anm. 8. Demetr. 12, 4: 67 Anm. 85. 12, 5: 67 Anm. 79. Moralia 466 C: 399 Anm. 79. 470 C: 399 Anm. 79.

560 814 C–E: 399 Anm. 79. 847 D–E: 68 Anm. 89. 847 E: 70 Anm. 96. 850 F–851 C: 68 Anm. 88. 486. 851 C: 425 Anm. 65. 851 D–F: 70 Anm. 96. 486. 851 F: 425 Anm. 65. 852 A–E: 57 Anm. 42. 486. 852 D: 425 Anm. 65. Pomp. 24, 5: 488 Anm. 9. Sull. 12, 3: 488 Anm. 9.

Register Sallust (Sall.) hist. 3, 3: 488 Anm. 8. Thukydides (Th.) 2, 37, 1: 74 Anm. 116. 425 Anm. 65. 3, 82, 2: 176 Anm. 187. Velleius Paterculus (Vell.) 2, 31, 3: 488 Anm. 8. Xenophon (X.) Ages.: 415 Anm. 36. 10, 3: 415 Anm. 37. Cyr.: 415 Anm. 36. HG 7, 3: 57 Anm. 33.

1.2 Inschriften Avram 1996/1997 352 Anm. 99. Avram 2015 S. Milčev 2002. Bean 1948 Nr. 11: 247 Anm. 3. 526. Bernand 1992 Nr. 46: s. Hutmacher 1965. Bielman 1994 Nr. 53: s. IScM I 54. Bresson/Brun/Varinlioğlu 2001 Nr. 92 B: 513. Briant/Brun/Varinlioğlu 2001 248 Anm. 7. 507. Chaniotis 2004 Nr. 1: 505. Cichorius 1889 Nr. 2: 256 Anm. 33. 521. CIG 2556: 430 Anm. 79. 2796: 505. 2837: 505.

4415: 352 Anm. 99. CIL VI 1274: 379 Anm. 104. Clerc 1885 440 Anm. 114. 512. Cousin/Diehl 1889 Nr. 4: 224 Anm. 161. 524. Cousin/Diehl 1890 Nr. 4: 398 Anm. 76. 399 Anm. 82. 405 Anm. 5. 508. Curtius 1880 527. Curty/Piérart 2009 191 Anm. 17. 487. Diehl/Cousin 1886 Nr. 1: 267 Anm. 82. 504. Doublet/Deschamps 1890 Nr. 1: 505. Nr. 2: 505. Nr. 4 c: 505. Drew-Bear/Fillon 2011. 228 Anm. 173. 383 Anm. 18.

Register Dunant/Pouilloux 1958 Nr. 166 a: 370 Anm. 60. 503. Nr. 192: 156 Anm. 97. 370 Anm. 60. 503. Engelmann 1987 Nr. 5: 115 Anm. 71. Nr. 6: 115 Anm. 71. 125 Anm. 108. 514. Nr. 15: 115 Anm. 71. Fabricius 1913 266 Anm. 78. FD III 1 330: 92 Anm. 196. FD III 4 82: 92 Anm. 196. Forrest 1985 Nr. 1: 516 Anm. 67. Fournier/Hamon 2007 + Hamon 2010 94 Anm. 206. Fournier/Prêtre 2006 268 Anm. 82. 370 Anm. 61. 503. Gauthier 1989. 519. Gauthier 1996 Nr. 1: 190 Anm. 13. 527. Nr. 2: 527. GIBM 892: 398 Anm. 76. 508. 893: 398 Anm. 76. 401 Anm. 88. 508. 1000: s. I. Sestos 1. Hamon 2010 S. Fournier/Hamon 2007 + Hamon 2010. Heberdey/Kalinka 1896 382 Anm. 16. Hepding 1907 Nr. 4: 92 Anm. 196. 235 Anm. 26. 522. Nr. 5: 522 Anm. 82. Nr. 6: 522 Anm. 82. Nr. 7: 522 Anm. 82. Nr. 8 + Hepding 1910 Nr. 4: 233 Anm. 20. 383 Anm. 19. 522.

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a I 1–53: 239 Anm. 43. 522. b+c I 1–10: 522. a II 1–42: 234 Anm. 20. 236 Anm. 31. 522. a II 44–78: 240 Anm. 47. 417 Anm. 44. 522. b+c II 1–10: 522. b+c II 11–24: 237 Anm. 35. 522. Nr. 10: 217 Anm. 132. 521. Nr. 11: 215 Anm. 122. 521. Nr. 36: 237 Anm. 33. 522 Anm. 83. Nr. 37: 522 Anm. 83. Nr. 38. + Hepding 1910 Nr. 50: 522 Anm. 83. Nr. 39: 522 Anm. 83. Hepding 1910 Nr. 1: 220 Anm. 145. 522. Nr. 2: 233 Anm. 19. 522. Nr. 3: 240 Anm. 51. 522. Nr. 4: s. Hepding 1907 Nr. 8 + Hepding 1910 Nr. 4. Nr. 5: 234 Anm. 20. 522. Nr. 50: s. Hepding 1907 Nr. 38 + Hepding 1910 Nr. 50. Hicks 1888 Nr. 1: s. TAM II 158. Hodot 1982 392 Anm. 55. 438 Anm. 107. 520. Holleaux 1890 Nr. 20: 385 Anm. 26. Holleaux 1919 S. I. Iasos 612. Hula/Szántó 1895 Nr. 1: 507. Hutmacher 1965 528. I. Adramytteion II 34: s. IG XII 2, 654. I. Didyma 142: 514.

562 I. Ephesos 6: 190 Anm. 14 203 Anm. 67. 514. 8: 268 Anm. 82. 22: 440 Anm. 114. 1390: 203 Anm. 68. 514. 1391: 203 Anm. 68. 1407: 203 Anm. 68. I. Erythrai 21: 46 Anm. 162. 116 Anm. 72. 514. 24: 118 Anm. 79. 119 Anm. 82. 85. 123 Anm. 101. 514. 25: 123 Anm. 101. 27: 118 Anm. 80. 514. 28: 119 Anm. 84. 86. 514. 29: 124 Anm. 107 f. 514. 114: 126 Anm. 113. 514. 115: 128 Anm. 120. 514. 503: 126 Anm. 112. I. Iasos 24 + 30: 156 Anm. 97. 186 Anm. 223. 205 Anm. 75. 509. 84–97: 205 Anm. 77. 93: 205 Anm. 76. 509. 98: 191 Anm. 18. 205 Anm. 76. 206 Anm. 79. 509. 99: 191 Anm. 18. 205 Anm. 76. 224 Anm. 162. 226 Anm. 168. 228 Anm. 172. 509. 100–106: 205 Anm. 77. 112–124: 205 Anm. 77. 612: 250 Anm. 14. 507. 613: 250 Anm. 16. I. Keramos 6: 509. 7: 509. 9: 509. 14: 509. I. Knidos 51–55: 92 Anm. 196. 59: 383 Anm. 18. 510. 73 + 74: 510.

Register I. Kyme 13: 372 Anm. 75. 373 Anm. 76. I: 373 Anm. 79. 520. II: 373 Anm. 79. 520. III: 373 Anm. 79. 520. IV: 373 Anm. 80. 520 Anm. 78. V: 373 Anm. 80. 520 Anm. 78. 19: 224 Anm. 161. 395 Anm. 68. 520. I. Kyzikos I 256 Anm. 40. I. Lampsakos 2: 520. 4: 247 Anm. 1. 270 Anm. 7. 520. I. Lindos II 1007–1010: 183 Anm. 215. 494. I. Magnesia am Mäander 92: 258 Anm. 42. a: 515. b: 515. 94: 515. 113: 515. I. Metropolis I 103 Anm. 25. 258 Anm. 41. A: 516. B: 406 Anm. 8. 448 Anm. 151. 516. I. Milet 7: 382 Anm. 11. 400 Anm. 83. a-c: 516. 10: 516 Anm. 67. 107: 271 Anm. 11. 1039: 516. 1130: 517 Anm. 70. 1131: 517 Anm. 70. I. Mylasa 1–3: 511 Anm. 55. 101: 264 Anm. 71. 510. 102: 510. 105: 510. 106: 510. 107: 510. 108: 510.

Register 109: 267 Anm. 82. 510. 110: 510. 111: 510. 112: 510. 113: 510. 114 + 115: 510. 116: 511. 117: 92 Anm. 196. 511. 118: 511. 119: 511. 120: 511. 121: 511. 123: 511. 132: 511. 134: 511. 136: 511. 137: 511. 138: 511. 139: 511. 140: 511. 141: 511. 142: 511. 157: 510. 801–854: 512 Anm. 58. 866–868: 512 Anm. 58. 869: 512. 870: 512. 871: 512. 872–879: 512 Anm. 58. 909: 191 Anm. 18. 224 Anm. 162. 508. I. Olbia 15: s. IOSPE I2 21. I. Pergamon 252: s. Hepding 1907 Nr. 10. 256: 237 Anm. 32. 522. I. Perge 11: 525 12 3–21: 525. 21–50: 525 Anm 92.

563

14: 374 Anm. 8. A 1–14: 525. A 14–33: 525. B 34–60: 525. B 61–74: 525. I. Priene 2: 99 Anm. 12. 3: 99 Anm. 12. 4: 46 Anm. 162. 1–48: 98 Anm. 7. 517. 49–59: 98 Anm. 8. 517. 6: 99 Anm. 12. 7: 99 Anm. 12. 17: 110 Anm. 55. 431 Anm. 81. 517. 18: 187 Anm. 224. 19: 107 Anm. 45. 517. 20: 103 Anm. 27. 517. 21: 104 Anm. 30. 517. 22: 105 Anm. 35. 517. 23: 103 Anm. 29. 106 Anm. 41. 517. 26: 112 Anm. 64. 517. 46: 517. 66: 517. 67: s. IG XII 6, 1, 9. 81: 283 Anm. 60. 517. 82: 283 Anm. 60. 517. 83: 517. 86: s. I. Priene 117 + 86. 99: 284 Anm. 64. 382 Anm. 7. 517. 100: 284 Anm. 64. 382 Anm. 7. 101: 284 Anm. 64. 382 Anm. 7. 102: 284 Anm. 64. 382 Anm. 7. 517. 103: 284 Anm. 64. 382 Anm. 7. 517. 104: 284 Anm. 64. 518. 107: 15 Anm. 1. 285 Anm. 67. 382 Anm. 7. 433 Anm. 88. 439 Anm. 112. 449 Anm. 154. 517. 108: 285 Anm. 68. 287 Anm. 74. 382 Anm. 7. 437 Anm. 102. 449 Anm. 154. 517.

564

Register

109: 290 Anm. 85. 292 Anm. 96. 382 Anm. 7. 434 Anm. 90. 437 Anm. 102. 449 Anm. 154. 517. 110: 295 Anm. 108. 382 Anm. 7. 518. 111: 296 Anm. 113. 382 Anm. 7. 450 Anm. 155. 518. 112: 37 Anm. 110. 224 Anm. 163. 302 Anm. 139. 304 Anm. 147. 371 Anm. 69. 382 Anm. 7. 405 Anm. 5. 436 Anm. 98 f. 518. 113: 37 Anm. 110. 224 Anm. 163. 302 Anm. 139. 306 Anm. 157. 371 Anm. 69. 382 Anm. 7. 405 Anm. 5. 436 Anm. 98. 437 Anm. 101. 518. 114: 37 Anm. 110. 224 Anm. 163. 302 Anm. 139. 310 Anm. 170. 371 Anm. 69. 382 Anm. 7. 405 Anm. 5. 436 Anm. 98. 100. 518. 115: 382 Anm. 7. 518. 117 + 86: 299 Anm. 129. 382 Anm. 7. 450 Anm. 155. 518. 118: 382 Anm. 7. 518. 119: 382 Anm. 7. 518. 120: 382 Anm. 7. 518. 121: 382 Anm. 7. 518. 123: 224 Anm. 163. 302 Anm. 140. 382 Anm. 7. 518. 124: 382 Anm. 7. 518. 131: s. I. Priene 115. 132: 517. 133: 517. 138: 285 Anm. 68. 174: 285 Anm. 68. 177: 285 Anm. 68. 186: 284 Anm. 66. 208: 369 Anm. 58. 236: 284 Anm. 66. 237: 284 Anm. 66. I. Priene2 15: s. I. Priene 2. 16: s. I. Priene 3.

17: s. I. Priene 6. 18: s. I. Priene 7. 19: s. I. Priene 4, 1–48. 20: s. I. Priene 4, 49–59. 21: s. I. Priene 20. 22: s. I. Priene 21. 23: s. I. Priene 22. 24: s. I. Priene 23. 25: s. I. Priene 19. 28: s. I. Priene 17. 29–31: s. I. Priene 18. 32: s. I. Priene 26. 34: s. I. Priene 81. 40: s. I. Priene 138. 41: s. I. Priene 123. 42: s. I. Priene 104. 46: s. I. Priene 82. 47: s. I. Priene 66. 48: s. I. Priene 83. 55: s. I. Priene 46. 56: s. I. Priene 103. 57: s. I. Priene 99. 60: s. I. Priene 102. 63: s. I. Priene 107. 64: s. I. Priene 108. 65: s. I. Priene 109. 66: s. I. Priene 110. 67: s. I. Priene 111. 68: s. I. Priene 112. 69: s. I. Priene 113. 70: s. I. Priene 114. 71: s. I. Priene 117 + 86. 72: s. I. Priene 118. 73: s. I. Priene 119. 74: s. I. Priene 120. 75: s. I. Priene 121. 77: s. I. Priene 124. 84: s. I. Priene 115. 92: s. I. Priene 132. 93: s. I. Priene 133. 144: s. I. Priene 174.

Register 183: s. I. Priene 177. 201: s. I. Priene 186. 229: s. I. Priene 236. 230: s. I. Priene 237. I. Sardis 7 4: 519. 8: 382 Anm. 11. 398 Anm. 77. 400 Anm. 83. 28–38: 519. 39–51: 519. 52–62: 519. 63–74: 519. 120–131: 519. 27: 39 Anm. 128. 383 Anm. 18 f. 403 Anm. 91. I. Sestos 1: 315 Anm. 189. 448 Anm. 151. 492. I. Smyrna 577: 516 Anm. 67. I. Stratonikeia 15: 403 Anm. 93. 513. 16: 92 Anm. 196. 403 Anm. 93. 17: 92 Anm. 196. 403 Anm. 93. 185–187: 513 Anm. 62. 192–199: 513 Anm. 62. 293: 39 Anm. 126. 48 Anm. 170. 403 Anm. 93. 663–664: 513 Anm. 62. I. Tralleis und Nysa 147: 92 Anm. 196. IC I 3: 92 Anm. 196. IG II/III2 360: 410 Anm. 23. 418 Anm. 47. 448: 55 Anm. 21. 1–34: 55 Anm. 23. 486. 35–88: 57 Anm. 29. 486. 457 + 513: 59 Anm. 42. 486 Anm. 1. 467: 95 Anm. 207. 649: s. IG II/III3 1, 4, 857.

657: 66 Anm. 76. 486. 682: 76 Anm. 121. 91 Anm. 191. 486. 832: 94 Anm. 205. 834: 80 Anm. 143. 486. 956–965: 84 Anm. 163. 958: 84 Anm. 166. 966: 84 Anm. 167. 968: 84 Anm. 164. 486. IG II/III3 1, 2 378: s. IG II/III2 448, 1–35. IG II/III3 1, 4 857: 63 Anm. 56. 486. 877: s. IG II/III2 657. 911: 72 Anm. 104. 423 Anm. 56. 486. 985: s. IG II/III2 682. IG II/III3 1, 5 1135: s. IG II/III2 832. 1160: s. IG II/III2 834. 1292: 80 Anm. 149. 486. IG IV 609: 92 Anm. 196. IG IV2 1 63: 487. 64: 487. 65: 383 Anm. 19. 487. 66: 383 Anm. 19. 487. IG IV2 2 747: 486 Anm. 4. 748: 486 Anm. 4. 749: 486 Anm. 4. 750: 268 Anm. 82. 486. 751: 486. 752: 486. IG V 1 37: 92 Anm. 196. 44: 92 Anm. 196. 1432 1–21: 488. 22–45: 488. 1433: 488 Anm. 10.

565

566

Register

IG V 2 265: 363 Anm. 29. 365 Anm. 42. 489. 266: 363 Anm. 31. 364 Anm. 36. 489. 268: 359 Anm. 12. 408 Anm. 18. 435 Anm. 97. 489. 269: 366 Anm. 46. 489. 270: 366 Anm. 51. 489. 432: 490. 515: 360 Anm. 19. 382 Anm. 12. 490. 516: 372 Anm. 24. 405 Anm. 5. 489. 517: 490. 518: 367 Anm. 51. 490. IG VII 190: 490. 193: 490 Anm. 15. 2711: 382 Anm. 13. 385 Anm. 28. 2712: 385 Anm. 27. 440 Anm. 113. 491. 2713: 389 Anm. 45. 3290: 92 Anm. 196. 4132: 384 Anm. 24. 491. 4133: 385 Anm. 25. 491. 4147: 385 Anm. 25 f. 4148: 385 Anm. 26. 491. IG XII 2 500: 496 Anm. 28. 502: 496 Anm. 28. 503: 496 Anm. 28. 505: 496. 506: 496 Anm. 28. 507: 496 Anm. 28. 527: 175 Anm. 184. 494. 528: 495. 529: 494. 654: 183 Anm. 217. 186 Anm. 223. 496. IG XII 3 30: 497. 167: 497. 169: 497. 170: 497. 331: 190 Anm. 16. 497.

IG XII 4, 1 30: 160 Anm. 110. 498. 31: 161 Anm. 114. 168 Anm. 144. 498. 32: 161 Anm. 114. 168 Anm. 144. 498. 48: 169 Anm. 155. 498. 51: 182 Anm. 213. 57: 171 Anm. 162. 498. 58: 171 Anm. 162. 498. 59: 171 Anm. 162. 498. 64: 170 Anm. 158. 498. 66: 498. 75: 172 Anm. 170. 174 Anm. 178. 92: 181 Anm. 208. 498. 93: 181 Anm. 208. 498. 95: 181 Anm. 208. 182 Anm. 213. 498. 98: 172 Anm. 168. 170. 498. 99: 172 Anm. 168. 174 Anm. 178. 498. 101: 166 Anm. 138. 176 Anm. 189. 498. 102: 181 Anm. 208. 498. 103: 37 Anm. 111. 159 Anm. 108. 180 Anm. 204. 104: 159 Anm. 108. 180 Anm. 204. 105: 498. 106: 498. 107: 498. 108: 162 Anm. 118. 498. 109: 162 Anm. 121. 176 Anm. 189. 498. 110: 165 Anm. 136. 181 Anm. 208. 498. 113: 164 Anm. 131. 498. 114: 165 Anm. 134. 498. 115: 498. 116: 498. 117: 498. 129: 92 Anm. 196. 152: 108 Anm. 51. 158 Anm. 100. 104. 163: 162 Anm. 118. IG XII 4, 2 456: 462 Anm. 2. 457: 462 Anm. 2. 461: 159 Anm. 108. 180 Anm. 204. 462: 159 Anm. 108. 180 Anm. 204.

Register 838: 92 Anm. 196. 1149: 165 Anm. 135. IG XII 5 129 1–49: 448 Anm. 151. 499. 50–65: 499 Anm. 31. 130: 499. 529: 500. 597: 499. 601: 499. 602: 499. 655: 357 Anm. 5. 378 Anm. 103. 501. 719: 184 Anm. 219. 501. 721: 501. 823: 92 Anm. 196. 860: 39 Anm. 123. 922: 92 Anm. 196. 945: 92 Anm. 196. 1064: s. IG XII 5, 529. 1079: 500 Anm. 34. IG XII 6, 1 9: 132 Anm. 3. 502. 11: 132 Anm. 4. 190 Anm. 10. 502. 12: 137 Anm. 21. 502. 13: 139 Anm. 31. 502. 14: 142 Anm. 38. 502. 15: 142 Anm. 39. 502. 16: 142 Anm. 41. 369 Anm. 58. 502. 17–41: 132 Anm. 2. 42: 39 Anm. 123. IG XII 6, 2 972: 140 Anm. 34. IG XII 7 22: 145 Anm. 55. 502. 23: 145 Anm. 55. 148 Anm. 68. 24: 147 Anm. 59. 502. 25: 145 Anm. 55. 26: 145 Anm. 55. 27: 145 Anm. 55. 29: 145 Anm. 55. 32: 145 Anm. 55.

33: 147 Anm. 62. 503. 34: 145 Anm. 55. 35: 148 Anm. 66. 503. 36: 150 Anm. 75. 358 Anm. 9. 503. 37–40: 145 Anm. 55. 49: 145 Anm. 51. 151 Anm. 76. 369 Anm. 58. 503. 229: 149 Anm. 73. 503. 231: 144 Anm. 47. 232: 151 Anm. 78. 190 Anm. 16. 503. 233: 151 Anm. 78. 190 Anm. 16. 503. 234: 151 Anm. 78. 190 Anm. 16. 503. 235: 151 Anm. 78. 190 Anm. 16. 503. 241: 149 Anm. 69. 503. 386: 151 Anm. 79. 333 Anm. 21. 428 Anm. 76. 502. 387: 153 Anm. 86. 502. 388: 154 Anm. 89. 389: 145 Anm. 51. 154 Anm. 89. 502. 390: 154 Anm. 90. 502. 391: 155 Anm. 92. 502. 394: 144 Anm. 50. 395–410: 144 Anm. 48. 433: 155 Anm. 93. IG XII 9 187: 191 Anm. 22. 195–206: 191 Anm. 22. 208–222: 191 Anm. 22. 223–233: 191 Anm. 22. 234: 192 Anm. 25 f. 494. 235: 192 Anm. 25. 194 Anm. 36. 504. 236: 192 Anm. 25. 196 Anm. 42. 504. 237: 192 Anm. 25. 199 Anm. 58. 504. 899: 192 Anm. 24. 407 Anm. 11. 504. 900: 192 Anm. 23. 904: 192 Anm. 24. 504. 1187: 192 Anm. 23. IG XII S 114: 137 Anm. 22. 496. 115: 496. 116: 266 Anm. 78.

567

568 122: 190 Anm. 8. 191 Anm. 21. 227 Anm. 170. 495. 124: 495. 125: 495. 249: 184 Anm. 219. 501. 250: 191 Anm. 21. 501. 254: 501. 255: 501. 257: 501. 260: 501. 330: 147 Anm. 62. 503. 506: s. IG XII 2, 506. 527: s. IG XII 2, 527. 528: s. IG XII 2, 528. 551: 191 Anm. 22. 553: 196 Anm. 42. 504. 554: 192 Anm. 25. 195 Anm. 40. 504. 692: 495. IG XIV 256: 191 Anm. 19. IGBulg 13: 353. Anm. 102. 491. IOSPE I2 21: 330 Anm. 10. 25 + 31: 345 Anm. 60 f. 493. 26: 345 Anm. 60. 29: 345 Anm. 60. 31: s. IOSPE I2 25 + 31. 32: 345 Anm. 60. 346 Anm. 68. 493. 33: 345 Anm. 60. 34: 345 Anm. 60. 350 Anm. 84. 383 Anm. 19. 493. 39: 352 Anm. 98 f. 493. 39–76: 352 Anm. 97. 40: 352 Anm. 98 f. 437 Anm. 105. 493. 41: 493. 42: 493. 43: 493. 44: 493. 45: 493. 46: 493.

Register 47: 493. 51: 437 Anm. 106. 493. 52: 493. 53: 493. 54: 493. 344: 353 Anm. 102. 472 Anm. 12. 492. 352: 39 Anm. 123. 355: 353 Anm. 102. 354 Anm. 103. 492. IOSPE IV 68: s. IOSPE I2 355. IScM I 1: 328 Anm. 3. 492. 2 + 3: 328 Anm. 3. 492. 8: 332 Anm. 19. 492. 12: 331 Anm. 14. 492. 15: 183 Anm. 216. 335 Anm. 32. 492. 19: 329 Anm. 10. 492. 54: 338 Anm. 38. 410 Anm. 24. 417 Anm. 43. 492. 57: 341 Anm. 51. 357 Anm. 5. 358 Anm. 9. 379 Anm. 104. 492. Jacobsthal 1908 Nr. 1: 210 Anm. 101. 521. Nr. 2: 212 Anm. 108. 521. Nr. 3: 219 Anm. 141. 522. La Carie II Nr. 167: 506. Lambrino 1960 S. IScM I 15. Lanckoroński 1890 Nr. 29: s. I. Perge 14. Lanckoroński 1892 Nr. 34: s. TAM III 4. Λαζαρίδου 2015 189 Anm. 2. Le Bas/Waddington 1870 Nr. 504: 266 Anm. 78. Lolling 1884 28–34: 257 Anm. 40. 521. Maier 1959 Nr. 80: s. IScM I 54.

Register Maiuri 1925 Nr. 18: 131 Anm. 1. 403 Anm. 93. Malay 1983 Nr. 1: 373 Anm. 81. 520 Anm. 78. Nr. 2: 373 Anm. 79. 520. Nr. 3: 373 Anm. 81. 520 Anm. 78. Malay/Petzl 1984 254 Anm. 27. 518. Malay/Petzl 2003 520. MAMA 4 125: 352 Anm. 99. MAMA 6 173: 227 Anm. 170. 523. MAMA 7 11: 352 Anm. 99. MAMA 8 406: s. CIG 2796. 407: 377 Anm. 104. 505. 408: 505. 409: 505. 410: 505. 412 a: 505. b: 505. c: 505. 414: 505. Μαραγκού 1981 151 Anm. 78. 190 Anm. 16. 503. Μενδώνη 2009 500. Meritt 1936 Nr. 15: s. IG II/III3 1, 5, 1292. Merkelbach 1983 S. Hodot 1982. Migeotte 1984 Nr. 40: s. IScM I 1. Nr. 42: s. IScM I 19. Milčev 2002 333 Anm. 24. 492.

569

Miranda 1988/1989 92 Anm. 196. Mitchell 1985 Nr. 4: 352 Anm. 99. Ὀρλάνδος 1973. 499. Pallas/Charitonidis/Venencie 1959 358 Anm. 9. 382 Anm. 14. Paris/Holleaux 1885 Nr. 5: 505. Nr. 6: 505. Paton 1894 217: 186 Anm. 222. 508. Paton 1900 Nr. 1: s. Doublet/Deschamps 1890 Nr. 2. Nr. 3: Doublet/Deschamps 1890 Nr. 4 c. Πετράκος 1967 66 Anm. 74. Πετράκος 1999 Nr. 3: s. Πετράκος 1967. Petzl 2006 S. Forrest 1985 Nr. 1. Pippidi 1961 a S. IScM I 8. Pippidi 1961 b S. IScM I 19. Pippidi 1983 a S. IScM I 12. Pleket 1969 Nr. 7: s. Salviat 1959. Nr. 8: s. Pallas/Charitonidis/Venencie 1959. Ramsay 1883 Nr. 24: 523. Reinach 1906 Nr. 7: s. MAMA 8, 414. Nr. 8: s. MAMA 8, 410. Nr. 9: 377 Anm. 104. 505. Nr. 14: 505. Nr. 15: s. MAMA 8, 408.

570

Register

Reynolds 1973/1974 529. Reynolds 1982 D 30: 505. Ricl/Malay 2012 Nr. 1: 437 Anm. 104. 518. Nr. 2: 437 Anm. 103. 518. Robert 1935b 389 Anm. 46. 1–34: 491. 35–78: 225 Anm. 166. 491. Robert 1964 Nr. 1: 519 Anm. 74. Robert/Robert 1989 258 Anm. 42. 406 Anm. 8. 11–17: 270 Anm. 9. 444 Anm. 131. 515. 63–66: 270 Anm. 9. 439 Anm. 111. 444 Anm. 131. 515. Şahin 1982 118 Anm. 79. Şahin 1987 Nr. 3: 115 Anm. 71. Nr. 4: 276 Anm. 35. Salviat 1959 268 Anm. 82. 370 Anm. 63. 1–18: 503. 18–33: 503. 33–42: 503. 42–54: 503. Schröder 1904 Nr. 1: 238 Anm. 39. 522.

Schuler/Zimmermann 2012 Nr. 4: 403 Anm. 93. Segre 1944/1945 Nr. 52: 178 Anm. 200. 186 Anm. 222. 358 Anm. 8. 369 Anm. 57. 498. Nr. 64: 172 Anm. 169. 177 Anm. 194. 498. Nr. 78: 162 Anm. 118. Nr. 105: 358 Anm. 8. 369 Anm. 56 f. Nr. 106: 358 Anm. 8. 369 Anm. 57. Segre/Carratelli 1949/1951 Nr. 110: 494. Shear 1978 2–4: s. IG II/III3 1, 4, 911. TAM II 158: 419 Anm. 51. 527. 705: 526 Anm. 101. 905: 382 Anm. 15. TAM III 4: 379 Anm. 104. 524. TAM V 1 687: 518. 688: 518. TAM V 2 1028: 92 Anm. 196. 1229: 92 Anm. 196. Wilhelm 1908 Nr. 6: 266 Anm. 78. Wörrle 2000. 229 Anm. 4. 522.

2. Griechische Begriffe und Wendungen ἀγαθῆι τύχηι: 235. τὸ ἀγαθόν: 413 f. ἅδος: 36 Anm. 108. ἀκμή (ἐπ’ εὐεργεσίαι): 240. 417. 439. ἀμεταμελήτως: 310 Anm. 171.

ἀναγορεύω (ἀνεῖπον): 152 Anm. 84. 405 Anm. 11. 430 Anm. 79. ἀναγράφω: 148 Anm. 68. 152 Anm. 84. 198 Anm. 53. 258 Anm. 43. 308 Anm. 168. 364 Anm. 33. 405 Anm. 11. 410 Anm. 23.

Register ἀνὴρ ἀγαθός: 135 f. ἀνὴρ ἀγαθὸς καὶ φιλότιμος: 123. ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός: 15 f. 127 Anm. 118. 187. 207. 248 Anm. 8. 249. 257. 266. 286 f. 291. 295. 299. 317 Anm. 201. 319. 334–337. 340. 391. 432–434. 450 f. 454. 468 f. 475–477. 479. 482. 484 Anm. 41. ἀντίγραφον: 364 Anm. 33. 405 Anm. 5. ἄξιος: 15. 389 Anm. 47. 434. 436. 445. ἀρετή: 154 Anm. 88. 196 Anm. 43. 197 Anm. 48. 198 Anm. 55. 206. 207 Anm. 84. 88. 230 Anm. 8. 254 Anm. 27. 259 Anm. 46. 264. 300. 350 Anm. 91. 371. 386 Anm. 30. 410–414. 440 Anm. 113. 445. 451. 474. 476. ἀρχηγέτης: 57 Anm. 33. αὐτονομία: 28. 77. 86. 88. 270 Anm. 8. 272. 401. 422. 426. 463. 467. 477. αὐτόνομος: 99 Anm. 12. βασιλεία: 261 Anm. 60. 263. βιογραφία: 441. βίος: 415. 440 f. γνώμη: 36. 409. τὰ (δημόσια) γράμματα: 155 Anm. 91. γυμνασιαρχέω: 189. δαίμων: 352 Anm. 99. 437. δέ (als aufzählende Partikel): 174 Anm. 186. 256. 259. 336 Anm. 35. 347 Anm. 70. 386. 421. 453. 455. δὲ καί (als aufzählende Partikel): 322. 447. 455. δεῖγμα: 281. 444 Anm. 137. 445 Anm. 141. 449 Anm. 152. δημοκρατία: 28. 58 Anm. 35. 61 f. 67. 69. 71 Anm. 100. 74 Anm. 115 f. 77. 82. 86. 88. 89 Anm. 185. 108 Anm. 51. 125. 158 Anm. 100. 231 Anm. 11. 270 Anm. 8. 272. 401. 422. 425 f. 463. 477. δημωφελῶς: 352 Anm. 99. τὸ δίκαιον: 100 Anm. 19. 173 Anm. 177. 196 Anm. 43. 363 Anm. 28.

571

δίκαιος/δικαίως: 17. 61 Anm. 50. 148 Anm. 81. 197 Anm. 44. 230 Anm. 7. 255 Anm. 31. 321 Anm. 212. 331 Anm. 17. 415. 451. 452 Anm. 161. δικαιοσύνη: 204. 230 Anm. 7. 300. δόγμα: 36. 364 Anm. 33. 409. ἐγκωμιάζω: 410 f. 414 Anm. 34. ἐγκώμιον: 339. 409–417. 419. 421. 428. 442 f. 458. 473. ἐκτένεια: 15. 196 Anm. 43. 291. 434. 446 Anm. 146. ἐλευθερία: 28. 61 f. 67. 69. 77. 82. 86. 88. 125. 262 f. 270 Anm. 8. 272. 401. 422. 426. 463. 467. 477. ἐπαινέω: 154 Anm. 88. 410–413. 415. 446 Anm. 146. ἔπαινος: 409–414. 416–421. 426. 442 f. 457 f. 473. ἐπειδή: 15. 38 Anm. 122. 94. 116 Anm. 75. 207 Anm. 84. 385 Anm. 26. 419 Anm. 51. 423. 433. ἐπιμέλεια: 204. 290. 294. 321 Anm. 212. 331 Anm. 17. 334 Anm. 25. 335 Anm. 33. ἐπιμελέομαι: 94. 251. ἐπίσημος: 204. ἐπισημότατος τόπος: 305 Anm. 155. ἐπιφανέστατος τόπος: 150. 234 Anm. 155. 364 Anm. 33. τὰ ἔργα: 410–412. 415 f. εὐδαιμονισμός: 410–413. 417. 420 f. 433. 458. εὐεργεσία: 30 Anm. 87. 248 Anm. 8. 417. 439. 445 Anm. 141. εὐεργετέω: 17. 56 Anm. 24. 166. 173 Anm. 181. 339 Anm. 45. 340. 361. εὐεργέτημα: 56 Anm. 24. 94. 176 Anm. 188. 248 Anm. 8. εὐεργέτης: 19. 30 Anm. 87. 44. 56 Anm. 24. 207 Anm. 84. 248 Anm. 8. 275 Anm. 31. 355 Anm. 106. 386 Anm. 30. 395. 440 Anm. 113.

572

Register

Εὐεργέτης (Ehrenname): 168. 237. 527. εὐεργετικὴ εὐδοξία: 17. εὔνοια: 15. 69 Anm. 92. 196 Anm. 43. 197 Anm. 47. 198 Anm. 50. 55. 220 Anm. 147. 230 Anm. 7. 248 Anm. 8. 249. 257 Anm. 37. 39. 259 Anm. 50. 262. 264. 300. 347 Anm. 69. 419 Anm. 51. 424 Anm. 64. 434. 451. 454. 475. εὐσέβεια: 296. 300. 454. εὐσεβής/εὐσεβῶς: 321 Anm. 212. 339 Anm. 45. 452 Anm. 161. 453. ἐυταξία: 192 Anm. 27. 195 Anm. 37. 212 Anm. 110. 375. 378. 445. ζῷον πολιτικόν: 444. θησαυρίζω: 436. θρῆνος: 415. καί (als aufzählende Partikel): 254. 256. 322. 348 Anm. 70. 421. 423. 447. 455. καιρός: 17 f. 49. 72 Anm. 107. 162 Anm. 122. 163. 215. 262. 275 Anm. 31. 281 Anm. 57. 334 Anm. 25. 389 Anm. 47. 393 Anm. 58. 424 Anm. 63. 438. 449 Anm. 152. 452 Anm. 161. κακοπαθία: 230 Anm. 7. 257 Anm. 37. 321. 429. 474. τὸ κάλλιστον: 15. 207. 433. 439 Anm. 112. 451 f. καλλίτεκνος: 438. καλοκἀγαθία: 15. 16 Anm. 2. 197 Anm. 47. 206 f. 375. 389 Anm. 47. 433. 434 Anm. 92. 454. 474–476. S. auch ἀνὴρ καλὸς καὶ ἀγαθός. καλοκἀγαθικῶς: 207. κατάξιος/καταξίως: 163 Anm. 123. 176 Anm. 188. 451. 452 Anm. 159. κοινοποιέω: 436. κρίσις: 71 Anm. 100. 261 Anm. 60. 436. κτίστης: 255. 386 Anm. 31. 395. 396 Anm. 74. 440. (δεύτερος) κτίστης: 240. 439. λέγειν καὶ γράφειν: 475. 495 Anm. 26.

λέγειν καὶ πράττειν/λέγειν καὶ πράσσειν: 125 Anm. 110. 175. 196 Anm. 43. 207 Anm. 88. 261 Anm. 60. 264 Anm. 71. 278 Anm. 40. 300 Anm. 134. 334 Anm. 25. 335 Anm. 33. 347 Anm. 69. 444 Anm. 132. 455 Anm. 166. 475. 495 Anm. 26. μακαρίζω: 412 f. 415. μακαρισμός: 410 f. 413. 416 f. 420. 433. 458. μεγαλοψυχία: 198 Anm. 50. 371. 378. 386 Anm. 30. 440. 474. μεγαλόψυχος/μεγαλοψύχως: 363 Anm. 28. 366. νυκτός: 350 Anm. 91. 428. 430 Anm. 78. 436. ὁσίως: 452 Anm. 161. 453. παράδειγμα: 281. παρρησία: 231. πειρατεύω: 183 Anm. 216. 336 Anm. 34. 337 Anm. 37. πλῆθος: 69 Anm. 92. 162 Anm. 122. 165 Anm. 137. 171 Anm. 165. 175. 248 Anm. 8. 257 Anm. 37. 306 Anm. 158. πολιτεύω/πολειτεύω: 61 Anm. 49 f. 69 Anm. 92. 71 Anm. 100. 175. 339 Anm. 45. 388 Anm. 40. 393 Anm. 58. 438. πολίτης/πολείτης: 15. 111 Anm. 60. 135 Anm. 14. 136 Anm. 16. 162 Anm. 122. 196 Anm. 43. 198 Anm. 53. 220 Anm. 147. 230 Anm. 8. 248 Anm. 8. 256 Anm. 36. 257 Anm. 39. 274 Anm. 24. 304 Anm. 150. 334 Anm. 25. 351 Anm. 92. 429. 434. 447. 451. ἡμέτερος/ἡμῶν: 359 f. 515. 525 Anm. 93. πολῖτις: 429. ἀπὸ γένους: 359. πράσσειν καὶ γράφειν: 175. πρεσβεύω: 249 Anm. 12. 331 Anm. 16. 444 Anm. 134. 446 Anm. 143. προαισθάνομαι: 173. προθυμία: 15. 116 Anm. 75. 439 Anm. 112. 440.

Register πρόθυμος/προθύμως: 125 Anm. 110. 135 Anm. 14. 163 Anm. 123. 173 Anm. 177. 176 Anm. 188. 259 Anm. 50. 290 Anm. 89. 331 Anm. 16. 334 Anm. 25. 335 Anm. 33. 386 Anm. 31. προθύω: 329. προνοέω: 175 Anm. 186. 192 Anm. 27. 212 Anm 110. 319 Anm. 205. 350 Anm. 88. πρόνοια: 172 Anm. 171. 173. 389 Anm. 47. προοράω: 175 Anm. 186. ῥήτρα: 36 Anm. 108. σπουδή: 142 Anm. 40. 172 Anm. 171. 204. 212 Anm. 110. 259 Anm. 46. 446 Anm. 145. 448. στεφανόω: 146 Anm. 58. 147 Anm. 61. 275 Anm. 31. 375 Anm. 90. 411. 419 Anm. 51. συνευδοκούντων πάντων: 372. σύνθρονος: 239. σωτηρία: 17. 72 Anm. 107. 81. 154 Anm. 88. 215 Anm. 126. 235 Anm. 25. 424. σωφροσύνη: 230 Anm. 8. 375. 378. 474. τε (als aufzählende Partikel): 120. 133. 173 Anm. 175. 174 Anm. 182. 207. 250 Anm. 15. 251. 254. 256. 259. 322. 334 Anm 26. 336 Anm. 35. 347 Anm. 70. 386. 406 Anm. 7. 408. 421. 447. 453. 455. τεθμός: 36 Anm. 108. τιμάω/τειμάω: 17. 94. 100 Anm. 19. 136 Anm. 16. 154 Anm. 88. 162 Anm. 122. 163 Anm. 123. 173 Anm. 177. 176 Anm. 188. 197 Anm. 48. 248 Anm. 8. 253 Anm. 23. 339 Anm. 44. 434 Anm. 91. 445 Anm. 141. 504 Anm. 36. τιμή/τειμή: 15. 17. 92 Anm. 196. 154 Anm. 88. 163 Anm. 123. 194 Anm. 35. 204 Anm. 71. 221 Anm. 153. 226

573

Anm. 168. 248 Anm. 8. 308 Anm. 168. 389 Anm. 47. 436. 446 Anm. 145 f. 448. ἰσόθεος: 234. 490. ὑπόδειγμα: 206 Anm. 81. 301 Anm. 138. ὑπόμνημα: 75. 197 Anm. 47. 426. φθόνος: 415. φιλανθρωπία: 259 Anm. 50. 371. 389 Anm. 47. 436. 445. 446 Anm. 143. 474. τὸ φιλάνθρωπον: 290. 294. φιλοδοξία: 198 Anm. 50. 204. 220 Anm. 147. 317 Anm. 201. 321. 375. 393 Anm. 58. 438. 474. φιλόδοξος/φιλοδόξως: 220 Anm. 147. 230 Anm. 8. 310 Anm. 172. 386 Anm. 30. 440 Anm. 113. 451. φιλόπατρις: 386 Anm. 30. 440 Anm. 113. Φιλοπάτωρ (Ehrenname): 169 Anm. 156. 393. φιλοπονία: 259 Anm. 46. 448 Anm. 151. φιλοπόνως: 259 Anm. 46. φιλοτιμία: 18 Anm. 8. 192 Anm. 27. 193. 195 Anm. 37. 212 Anm. 110. 259 Anm. 46. 264 Anm. 71. 274 Anm. 28. 321. 444 Anm. 134. 445. 446 Anm. 143 f. 449 Anm. 152. 474. φιλότιμος/φιλοτίμως: 17. 123. 162 Anm. 122. 230 Anm. 7. 331 Anm. 17. 334 Anm. 25. 341 Anm. 53. 343. 415. 475. φροντίζω: 175 Anm. 186. 350 Anm. 88. 351 Anm. 92. ψηφίζω/ψαφίζω: 148 Anm. 68. 175. 274 Anm. 24. ψήφισμα: 36. 39 Anm. 126. 48 Anm. 170. 151 Anm. 77. 155 Anm. 91. 198 Anm. 53. 251. 258. 308 Anm. 168. 359. 366 Anm. 51. 373 Anm. 78. 409. 410 Anm. 23.

574

Register

3. Gottheiten/Heroen/Menschen Aba: 341 f. 345. 353. 357 f. 378. 379 Anm. 104. 492. Achilles: 351. T. Aelius Alkibiades: 440. 512. A. Aemilius Zosimos: 224. 297 Anm. 114. 302–311. 314 f. 326. 371 Anm. 69. 381. 383. 386 Anm. 31. 403 Anm. 92. 405 Anm. 5. 417. 436 f. 450 Anm. 156 f. 466. 518. Agathinos (Sohn des Kleophantos und Enkel des Kleophon): 147–149. 503. Agathokles: 183 Anm. 216. 335–338. 340. 343 f. 492. Agemortos: 494 f. Agesilaos: 415. 457. Agias: 212 f. 215. 521. Aglanor: 190. 227 Anm. 170. 495. Aischronidas: 491. Aischylos (Sohn des Hipposthenes): 199– 201. 504. Akesanor (Ehemann der [Ph]eidola): 501. Akornion: 447 Anm. 150. 491. Akous[ilas]: 499 f. Alexander der Große: 47. 53. 61 f. 98 f. 116. 186. 345. Alexandros (Antragsteller): 260. Aleximachos: 529. Alexion: 147. 502. Alkimedon (Vater des Kritolaos und des Parmenion): 154. Alkippos: 120 f. 122 Anm. 98. Ammion (Ehefrau eines Anonymus): 495. Amonrasonther: 528. Amyntas: 510. Anax: 515. Anaxikrates (Archon): 59. Anaximbrotos (Vater eines Anonymus): 254 f. 518.

Anaxippos: 166. 176 Anm. 189. 498. Andron (Großvater des Apollonios aus Metropolis): 264. Anteros: 219. Antigoniden: 53. Antigonos I. Monophtalmos: 57. 66. 87. Antigonos II. Gonatas: 53. 65. 70 Anm. 93. 76. Antigonos III. Doson: 358 Anm. 11. Antiochos I. Soter: 120 f. Antiochos II.: 134. Antiochos III.: 247 Anm. 3. 506. Antiochos IV.: 516. Antiochos I. von Kommagene: 408. Antiochos (Mylasa): 510. Antipappos (Bruder des Hegesippos): 151– 153. 155. 333 Anm. 21. 417. 428–432. 465. 502. Antipatros: 56. 69 Anm. 92. 71. 95. Antipatros (Arzt auf Kos): 162 f. 498. Antiphanes: 511. M. Antonius Creticus: 488. M. Antonius Idagras: 403. T. Antonius Lysimachos Grypos: 505. Apellis: 98–106. 108 Anm. 52. 113 Anm. 66. 114. 118. 130. 310 Anm. 175. 517. Aphrodite: 370. Apollodoros (Großvater des Apollodoros): 284. Apollodoros (Enkel des Apollodoros): 284 Anm. 66. Apollodotos (Antragsteller): 100 Anm. 15. 101. Apollon: 37 Anm. 111. 148. 154. 172. 180 Anm. 204. 251. 334. 394. 488. 500. 512 f. Delios: 154 Anm. 89. 158. Iatros: 338 f. Klarios: 270 f. 273 Anm. 22. 279. 439. Ptoios: 385. 387. 390.

Register Apollonios (Anisa/Hanisa): 527. Apollonios (Bargasa): 248–251. 253. 266. 507. Apollonios (Antragsteller aus Histria): 335– 337. Apollonios (Metropolis): 103 Anm. 25. 258–266. 306 Anm. 156. 406 Anm. 8. 472 Anm. 10. 516. Apollophanes: 515. Apphia: 379 Anm. 104. 505. M’. Aquilius: 231. 235 f. 249. 251. 267 Anm. 80. Aratokritos: 178 Anm. 200. 186 Anm. 227. 357. 358 Anm. 8. 369. 498. Archeboulos: 500. Archelochos: 487. Archenous: 192. 407 Anm. 11. 504. Archippe: 357. 372–379. 382 f. 391 f. 397. 437. 520. Archippos (Archon): 57. Ares: 259 Anm. 52. Ariarathes VI. von Kappadokien: 293. Aristagoras: 338–341. 343. 410 Anm. 24. 492. Aristeas: 509. Aristippos: 517. Aristoboulos: 487 f. Aristogeiton: 51 f. 91. Aristokles (Aphrodisias): 505. Aristokles (Messene): 488 f. Aristokrates: 487. Aristokydes: 499 f. Aristomenes (Samos): 139–144. 184. 186. 417. 502. Aristomenes (Telos): 497. Ariston (Sohn des Chrysippos und Vater des Chrysippos): 384 f. 491. Aristonidas: 238. Aristonikos: 231. 244. 247. 255 f. 260 Anm. 55. 263–271. 273. 275 Anm. 31. 279. 467. 471. Aristophanes: 496. Arkesilas: 497.

575

Artemidoros (Andros): 501. Artemidoros (Knidos): 383. 510. Artemis: 193. 370. 512 f. 519. Amarysia: 198. 200. Kindyas: 250 Anm. 16. Asklepiades: 525. Asklepios: 167. 171. 366. 488. Atalante: 379 Anm. 104. 524. Athena: 98. 100. 103 Anm. 27. 104. 106 f. 112. 357 Anm. 4. 370 f. Itonia: 145–150. 156. 184. 464. Lindia: 494. Nikephoros: 238. Polias: 152. 154. Athenaios (Bruder der Euphemis aus Aigiale): 144. Athenaios (Pergamon): 220 f. 231 Anm. 16. 522. Athe[naios] (Kommandant): 123. Athenopolis (Bruder des Moschion aus Priene): 15 f. 33. 156 Anm. 97. 285–289. 291 f. 295 f. 313. 431 f. 439. 446. 449–453. 455. 458. 517. Attaliden: 47. 210. 213 f. 227. 236–240. 242–244. 247. 248 Anm. 6. 260. 264. 270 Anm. 5. 282 Anm. 57. 297. 315. 466. 501. 523. Attalos II.: 170 Anm. 159. 258 f. 316. 523. Attalos III.: 209–213. 222. 229. 237 f. 243. 263. 265 Anm. 76. 266. 316. Attalos (Großvater des Attalos aus Iulia Gordos): 437. 518. Attalos (Enkel des Attalos aus Iulia ­Gordos): 437. 518. Attalos (Vater des Apollonios aus ­Metropolis): 264. Attinas: 505. Augustus: 358. 360. 362. 392. 394 f. 400. 517. Baton: 497. Berenike (Schwester des Ptolemaios III.): 134. Berenike (Syros): 357. 378. 501.

576

Register

Bias: 103. 106. 517. Boulagoras: 120 Anm. 88. 132–137. 142 f. 183. 190. 443. 464. 502. [Bo]u[l]archos (Vater eines Anonymus): 195 Anm. 40. 504. Burebista: 491. Caecilia Metella: 379 Anm. 104. Q. Caepio: 252. Caligula: 385. Chares: 224. 417. 466. 524. Charibas: 51 Anm. 4. Charidamos: 192. 504. Charikles (Archon): 80. Chrysippos (Vater des Ariston und ­Großvater des Chrysippos aus ­Akraiphia): 385 Anm. 25. Chrysippos (Sohn des Ariston und Enkel des Chrysippos aus Akraiphia): 385 Anm. 25. Chrysippos (Hydai): 224. 508 f. Claudius: 389 Anm. 44. Tib. Claudius Tyrannos: 515. L. Cornelius Sulla: 488. M. Cosconius: 257. Dados: 493. Damon (Andros): 501 f. Damon (Eresos): 175 Anm. 184. 494 f. Damos: 496. Damoteles: 497. Demades: 56. Demeter: 139. 362 Anm. 25. 364 f. 368. 370. 378. 469. Demetrios I. Poliorketes: 53. 60. 63. 65 f. 67 Anm. 85. 71 f. 77. 79. 87. 424. Demetrios II.: 79. Demetrios von Phaleron: 57. 60. Demetrios von Phaleron (Enkel des ­Demetrios von Phaleron): 76. 79. Demetrios (Akraiphia): 225. 389 f. 491. Demetrios (Kyzikos): 521. Demetrios (Sohn des Apollophanes aus Magnesia am Mäander): 515.

Demochares: 68–72. 74 Anm. 115. 75. 77 Anm. 129. 81 Anm. 152. 425 Anm. 65. 427. 463. 486. Demosthenes: 51 Anm. 4. 62 Anm. 52. 68–70. 72. 75. 81 Anm. 152. 85. 87. 93. 136 Anm. 19. 415. (Pseudo-)Demosthenes: 425 Anm. 65. 427. 463. 486. Despoina: 360 Anm. 19. 362. Dexiochos (Sohn des Killos): 499. Diodoros (Ägina): 486. Diodoros (Ephesos): 190. 203 f. 514. Diodoros (Histria): 332 f. 343. 492. Diodoros (Samos): 137–139. 142. 502. Diodoros Pasparos: 233–245. 275 Anm. 30. 32. 376 Anm. 94. 382 f. 396 Anm. 74. 400 Anm. 85. 403 Anm. 92. 417. 439. 466. 480. 522. Diodotos: 186 Anm. 222. 508. Diogenes (Vater des Diogenes): 328. Diogenes (Sohn des Diogenes): 328–330. 343. 492. Diokles (Archon aus Athen): 71. Diokles (Archon für Herakles aus Halasarna): 182 Anm. 213. 498. Diokles (Stratege aus Halasarna): 163 Anm. 123. 165 Anm. 135. 172–174. 176 f. 179. 181. 498. Diokles (Priene): 517. Dionysios (Aphrodisias): 505. Dionysios (Aphrodisias): 505. Dionysios (Homerphilologe aus Athen): 195. Dionysios (Bruder des Dioskourides aus Histria): 329–332. 343. 492. Dionysios (Mylasa): 511. Dionysos: 66 Anm. 76. 139. 285 Anm. 68. 308. 438 f. Pandemos: 393. Diophantos (Athen): 67 Anm. 84. 71 Anm. 100.

Register [Di]ophantos/[Herm]ophantos (Keramos): 509. Diophantos (Mylasa): 510. Dioskourides (Bruder des Dionysios aus Histria): 330 Anm. 10. 331–333. 343. 492. Dioskourides (Priene): 224 Anm. 163. 302 Anm. 140. 518. Cn. Domitius: 251 f. Dorieus: 428 f. Drakon (Halikarnassos): 508. Drakon (Vater eines Anonymus aus ­Keramos): 509. Drakon (Sekköy): 513. Eirenias: 514. 516. Elpinikos: 192–196. 197 Anm. 48 f. 201 f. 417. 466. 504. Empedon: 225. 389 f. 491. Epaminondas: 280 Anm. 47. 308 Anm. 165. 382. 385–391. 394. 400 f. 439. 490 Anm. 16. 491. Epianax (Antragsteller und Bruder des Timesiphon): 499. Epichares (Stratege): 66 Anm. 74. Epie: 341 Anm. 51. 370–372. 378. 382. 386 Anm. 31. 503. Epigone (Ehefrau des Euphrosynos): 359 f. 369. 378. 408. 435. 489. Epinomides: 149. 503. Eros: 219. Euagoras: 414 f. 457. Euanthes: 487 f. Euchares (Antragsteller): 72. 423–425. Euchelaos: 495. Eudamos: 505. Eukrates: 165. 498. Euktemon (Archon): 67. Eumenes II.: 516. 523. Eunomides: 503. Euphemis (Schwester des Athenaios): 144. Euphemos: 515.

577

Euphrillos (Bruder des Mikas): 156 Anm. 97. 370 Anm. 60. 503. Euphron (Großvater des Euphron): 57 Anm. 33. Euphron (Enkel des Euphron): 52. 55–59. 63 f. 68. 75. 79. 98 Anm. 7. 486. Euphrosynos (Ehemann der Epigone): 359 f. 369. 378. 408. 435. 489. Eurykleides (Bruder des Mikion): 79 f. 83. 486. Eutelistrate: 357. 358 Anm. 8. 369. Euthios (Archon): 65. Flavia Leontis (Ehefrau des Tib. Flavius Menandros): 513. Tib. Flavius Menandros (Ehemann der ­Flavia Leontis): 513. Glauketas: 77. Götter aus Samothrake: 230. 330 f. Gorgias (Archon): 68. Gorgos (Bruder des Minnion): 156 Anm. 97. 186. 205. 509. Hagonides (Antragsteller): 57. Harmodios: 51 f. 91. Hegesias (Lampsakos): 247 Anm. 1. 270 Anm. 7. 520 f. Hegesias (Magnesia am Sipylos): 435. Hegesias (Sitophylax aus Priene): 517. Hegesias (Priene): 517. Hegesippos (Bruder des Antipappos): 151– 153. 155. 333 Anm. 21. 417. 428–432. 465. 502. Hegesistratos (Vater des Antipappos und des Hegesippos): 151 f. 428. Hekatas: 118–122. 123 Anm. 101. 130. 514. Helena: 414. Helikon: 103. 107 f. 517. Heliodoros (Archon aus Athen): 94. Heliodoros (Sardis): 519. Hera: 136. 154. Herakleia: 367 Anm. 51. 490. Herakleidas: 191.

578

Register

Herakleides: 410 Anm. 23. 416 Anm. 39. Herakleitos: 299–301. 312 Anm. 179. 313 Anm. 183. 314. 325. 443 Anm. 130. 450. 518. Herakles: 154 Anm. 90. 193. 195. 208 Anm. 89. 239. Hermes: 193. 195. 215. 239. Hermogenes: 505 f. Hermokrates: 513. Herodes (Vater des Diodoros Pasparos aus Pergamon): 234. 237. 241. Herodes (Adoptivvater des Herodes aus Priene): 293. 454. Herodes (Priene): 290 Anm. 85. 292–301. 309 Anm. 169. 312 Anm. 179. 314. 325. 434 Anm. 90. 437. 443. 449 f. 453–455. 517. Herodotos: 498. Heroides: 501. Hieron: 102 Anm. 22. 108. Hippodamas (Antragsteller): 133. 135 f. Hippostenes: 504. Hippostratos: 516 Anm. 67. Homonoia (Ὁμόνοια): 297. 374. Hyperochidas : 495. Iason (Lykiarch): 382. Iason (Mylasa): 511. Iatrokles (Mylasa): 510. Iatrokles (Mylasa): 511. Iollas: 39 Anm. 128. 383. 402 f. Isaios (Archon): 67. Ision: 503. Isod[oros] (Priene): 517. Isodoros (Sohn des Menogenes aus ­ Sardis): 398. Iulia Eudia (Ehefrau des C. Iulius ­Strobilos): 366 f. 489. C. Iulius Caesar (Statthalter in der Provinz Asia 92–89 v. Chr.): 296 Anm. 113. 297. 300. C. Iulius Caesar: 528.

C. Iulius Epikrates: 382. 400. 516. C. Iulius Kapiton: 205 Anm. 76. 224. 226 Anm. 168. 228. 509. C. Iulius Strobilos (Ehemann der Iulia Eudia): 366 f. C. Iulius Zoilos: 376 Anm. 94. 383 Anm. 20. Iunia Theodora: 358. 382. Kallias (Aphrodisias): 505. Kallias (Bruder des Phaidros aus Sphettos): 72–78. 79 Anm. 138. 93. 134 Anm. 10. 156 Anm. 97. 336 Anm. 35. 423–426. 428 Anm. 75. 463. 486. Kallikrates (Aphrodisias): 505 f. Kallikrates (Erythrai): 126 f. 130. 514. Kallimachos: 528. Kallinikos 345 f. 352 f. 493. Kallisthenes (Olbia): 493. Kallisthenes (Olbia): 493. [Kal]listhenes (Vater eines Anonymus aus Olbia): 493. Kall[isthenes] (Olbia): 493. Kaphisophon: 161 Anm. 114. 168 f. 183. 186. 498. Karzoazos: 352 Anm. 98 f. 493. Kassandros: 57. 70. Kephisodoros (Apameia): 227 Anm. 170. 523. Kephisodoros (Athen): 80–84. 92 Anm. 197. 93. 100. 269 Anm. 4. 486. Kephisodoros (Antragsteller aus Athen): 94. Kephisodoros (Archon aus Athen): 55. Killos: 499. Kleanax: 392–395. 397 f. 400. 438 f. 520. Klearchos: 332 f. 343. 492. Kleophantos (Sohn des Kleophon und Vater des Agathinos): 144–147. 502. Kleophon (Vater des Kleophantos und Großvater des Agathinos): 147. Konon (Stratege aus Athen): 51. Konon (Historiograph): 434 Anm. 90. Koroibos (Archon): 95.

Register Krates: 296–301. 312 Anm. 179. 313 Anm. 183. 314. 325. 443 Anm. 130. 450. 453. 518. Kritios: 205 Anm. 76. 509. Kritolaos (Bruder des Parmenion): 154 f. 465. 502. Kroisos: 451 Anm. 158. Kybele (Μήτηρ θεῶν): 341. 343. 357. Kydimos (Vater des Athenopolis und des Moschion): 15. 285 Anm. 67. 287 Anm. 74. 288. 434. 451. Labeo: s. L. Vaccius Labeo Lachares: 67. Laches (Antragsteller und Sohn des ­Demochares): 70. 81 Anm. 152. Lanikos: 149. 503. [Leon]orios: 123. Limnaios: 510. L. Lucilius: 297. Lykaithion: 510. Lykinos (Antragsteller): 15. 285 f. 433 f. Lykiskos: 509. Lykophron (Sohn des Lykourgos): 62 Anm. 52. Lykourgos: 53. 59–64. 67 f. 73. 75. 85. 87. 93. 425 Anm. 65. 427. 463. 486. Lysandros: 172. 177–179. 498. Lysias (Antragsteller): 105. Lysimachos: 57. 66 f. 71. Lyson: 190. 527. Machaon: 256 f. 266. 521. Mantidoros: 194–196. 201 f. 466. 504. Melanion: 205–209. 466. 509. Menandros (Antragsteller): 315 f. 321. Menandros Glykon: 505. [Me]nares: 112 f. 517. Menas: 270. 275 Anm. 32. 315–323. 325. 376 Anm. 95. 443. 448 Anm. 151. 452. 456. 492. Menedemos: 295 f. 299 Anm. 129. 313. 453. 518.

579

Menekrates (Lissa): 419 Anm. 51. 527. Menekrates (Mylasa): 510. Menippos (Aphrodisias): 505. Menippos (Kolophon): 258 Anm. 45. 270–282. 295. 319 Anm. 205. 325. 376 Anm. 95. 383 Anm. 18. 406 Anm. 8. 416 Anm. 42. 439. 443–449. 452. 458 Anm. 176. 515. Meniskos: 333–338. 340. 343 f. 492. Menodoros: 229–232. 243 f. 522. Menogenes: 382. 398. 400. 519 f. Metrodoros: 217–219. 223. 232 Anm. 17. 521. Mikas (Bruder des Euphrillos): 156 Anm. 97. 370 Anm. 60. 503. Mikion (Bruder des Eurykleides): 79 f. Mikon: 498. Miltiades: 84. 86 Anm. 171. 486. Minnion (Bruder des Gorgos): 156 Anm. 97. 186. 205. 509. Mithradates VI.: 29. 234. 267 f. 313 Anm. 183. Moschion (Mylasa): 510. 512. Moschion (Bruder des Athenopolis aus Priene): 156 Anm. 97. 210 Anm. 100. 285 Anm. 67 f. 287–299. 301. 309 Anm. 169. 312 Anm. 179. 314. 325. 437. 443. 449– 455. 517. Musen: 328 f. Neikeratos (Olbia): 350 f. 353. 493. Nero: 389. Nikarchos (Antragsteller): 174. Nikasippos (Ehemann der Timasistrata): 362 f. 405 Anm. 5. 489. Nikeratos (Antragsteller): 66 f. Nikias (Antimachia): 498. Nikias (Isthmos): 498. Nikias (Tyrann aus Kos): 400 Anm. 85. Nikippa (Antigoneia/Mantineia): 374–368. 489. Nikippa (Ehefrau des Xenarchos aus Megalopolis): 360 f. 382. 490. Nikostratos: 173.

580

Register

Nossylos (Antragsteller): 177. Nymphon: 103–106. 113 Anm. 66. 517. Olympiodoros (Archon): 63 f. Onasandros: 162–167. 176 Anm. 189. 498. Onesikrates: 503. Opramoas: 382. Orthagoras: 247 Anm. 3. 526 f. Ouliades (Mylasa): 264 Anm. 71. 510. 512. Ouliades (Samos): 144. Pamphilos (Akraiphia): 225. 390. 491. Pamphilos (Apollonia): 247 Anm. 3. 506 f. Pamphylidas: 494. Parmenion (Bruder des Kritolaos): 154 f. 465. 502. Peithagoras: 155 Anm. 92. 502. Perikles (Athen): 74 Anm. 116. 89 Anm. 185. 425 Anm. 65. Perikles (Kos): 165 Anm. 136. 498. M. Perperna: 289. 293. Persephone/Kore: 363–365. 368. 378. 469. Phaena: 363 Anm. 31. 364–368. 489. Phaena Damasila (Tochter der Theodora und Enkelin der Phaena): 364. Phaidros (Olymos): 512. Phaidros (Bruder des Kallias aus ­Sphettos): 76–79. 82 Anm. 155. 91–93. 156 Anm. 97. 486. Phanes: 116–118. 130. 514. [Ph]eidola (Ehefrau des Akesanor): 501. [Phil]e: 369. 378. Philetairos: 231. 237. Philinos: 169 f. 498. Philipp II.: 53. 69. Philipp V.: 80. 158 f. 170. 172. 174. 183. 465. Philippides (Kephale): 65–68. 74 Anm. 115. 93. 463. 486. Philippides (Paiania): 63 f. 78. 486. Philippos (Antimachia): 498. Philippos (Vater des Kaphisophon aus Kos): 168. Philiskos: 517.

Philitos: 126. Philodemos: 401. 508. Philokrates: 494. Philomelos: 520. Philonides: 523 f. Philopoimen: 490. Philoxenos (Antragsteller): 152. 428–430. Phokion: 56 f. Phyrson (Bruder des Polykritos): 123 Anm. 101. Ploutogenes: 307. Polemaios: 258 Anm. 45. 270–272. 277– 282. 295. 325. 383 Anm. 18. 406 Anm. 8. 416 Anm. 42. 439 Anm. 109. 443–449. 452. 458 Anm. 176. 515. Polykles: 131 Anm. 1. 403 Anm. 93. Polykritos: 118–123. 125. 130. 514. Polystratos: 228. 383. 462 Anm. 3. Cn. Pompeius: 491. Poseides: 437. 493. Poseidon: 362 Anm. 25. 494. Poseidonios: 250–253. 266. 507. Praximenes (Antragsteller): 160. Praxiteles: 505. Prokritos: 332 f. 343. 492. Protogenes: 346–349. 352 f. 355. 493. Ptolemaios I.: 65. 73. Ptolemaios II.: 425. Ptolemaios III.: 134. 168 f. 527. Ptolemaios IV.: 169 Anm. 156. 227 Anm. 170. Ptolemaios V.: 138. 169 Anm. 156. Ptolemaios XII.: 238. Pyrrha[kos]: 504 f. Pytharatos (Archon): 70. Pythonax: 520 f. Rhemaxos: 336. Roma: 265 Anm. 76. 267. Saitaphernes: 347. 350. Saon: 490. Sarapion (Vater des Kleanax): 438. Sarapion (Sohn des Kleanax): 393. 398.

Register [Sibilos]: 512. Simminas: 137 Anm. 22. 496. Sindenos: 527. Skythes: 203 Anm. 68. 514. Sodamos (Antragsteller): 81. Sokleidas: 152. 429. Solon: 451 Anm. 158. Sosistratos (Archon aus Athen): 72. Sosistratos (Samos): 142. 502. Sotas: 109–113. 115. 130. 417. 430–432. 517. Soteles: 490. Stasias: 381. 525 f. [St]ephanion: 511. C. Stertinius Xenophon: 400 Anm. 85. Stilbon: 370. 503. Stratokles: 60–65. 67 Anm. 85. Straton (Stratege über die Chersones): 316. Straton (Pergamon): 215–219. 521. Straton (Samos): 132. 502. Stratonike: 518. Strouthion (Vater des Dionysios und des Dioskourides): 330 Anm. 10. 331 Anm. 14. Symmachos: 498. Syriskos: 492. Tatia: 379 Anm. 104. 505. Telon: 107. Theodora (Tochter der Phaena): 364. Theodosia: 150 f. 154. 369. 503. Theokles (Karthaia): 500. Theokles (Olbia): 352 Anm. 98 f. 437. 493. Theon: 518. Theophilos: 518. Theopompos: 196–203. 504. Thersippos: 183. 186. 496. Theugenes: 498. Theukles: 163 Anm. 123. 172. 174–177. 179. 181. 498. Thrasyboulos (Großvater des Thrasyboulos): 284. 382 Anm. 7. 517. Thrasyboulos (Enkel des Thrasyboulos): 284 Anm. 64. 518.

581

Thrasym[brotos]: 498. Thymochares (Vater des Kallias und des Phaidros aus Sphettos): 76 Anm. 124. Tiberius: 510. Timarchos: 519. Timasikles: 174. Timasistrata (Ehefrau des Nikasippos): 362 f. 405 Anm. 5. 489. Timesiphon: 499. Timesiphon (Nachkomme des Timesiphon): 499. Timessa: 150 f. 358. 378. 503. Timok[– – –]: 153. 502. Timophanes: 499 f. Timosthenes (Großvater des Timosthenes): 94 f. Timosthenes (Enkel des Timosthenes): 94 f. Ulpius Demetrios (Antragsteller): 341. 343. L. Vaccius Labeo: 224. 395–397. 400. 520. Xenarchos (Ehemann der Nikippa): 360– 362. 382. 490. Xenochares (Antragsteller): 338 f. Xenokleas: 384 f. 388. 491. Xenotimos: 160 f. 163. 167. 498. Zalmodegikos: 332 f. Zenon: 505. Zeus: 148 Anm. 66. 386. Eleutherios: 75 Anm. 119. 389. Epidotos: 366 f. Olympios: 238. 307. Polieus: 154. 333. 338. Σωτήρ: 58. 346. Zeuxis: 519 Anm. 74. Zoilos (Aphrodisias): s. C. Iulius Zoilos. Zoilos (Priene): 517. Zoltes: 336. Zopyrion: 345. 353. Zosime: 142 f. 369. 378. 502. Zosimos: s. A. Aemilius Zosimos. Zotion (Antragsteller): 288 Anm. 76. 450– 453.

582

Register

4. Geographisches Register Ägäis(raum): 26. 47. 73 Anm. 113. 97. 131. 182. 336 Anm. 34. 464. 481. Ägina: 47. 131. 184. 268 Anm. 82. 486 f. Aigele: 158. 166 f. 176 Anm. 189. 498. Aigiale: 144. 151–157. 333 Anm. 21. 417. 428. 431. 465. 502. Akraiphia: 47. 225. 280 Anm. 47. 308 Anm. 165. 382. 384 f. 387–391. 394. 400 f. 439. 490 Anm. 16. 491. Alabanda: 48 Anm. 168. 267. 504 f. Amphipolis: 189 Anm. 2. Anaïtis: 133 f. Andros: 47. 184 Anm. 219. 191. 501 f. Anisa/Hanisa: 48 Anm. 168. 527 f. Antigoneia/Mantineia: 47. 142 Anm. 42. 357–360. 363–368. 380 f. 378 f. 408. 435. 469. 489. Antimachia: 158. 165 f. 498. Apameia: 227 f. 247 Anm. 3. 383. 462 Anm. 3. 506 f. 523. Aphrodisias: 48. 376 Anm. 94. 379 Anm. 104. 381. 383 Anm. 20. 505 f. Apollonia: 48 Anm. 168. 247 Anm. 3. 506. Araxa: 48 Anm. 168. 247 Anm. 3. 526. Argos: 47. 190 f. 487. Arkesine: 144–151. 154. 156 f. 184. 358. 369. 378. 464. 502 f. Arsinoe: 48. 529. Asia (Provinz): 247 Anm. 5. 273. 300. 394. Asien: 431 f. Astypalaia: 47. 131. 183 Anm. 218. 465. 497. Ate: 334. Athen: 18 Anm. 6. 24 f. 27 f. 32 Anm. 97. 33 Anm. 99. 38 Anm. 116. 41. 43 Anm. 150 f. 45–47. 49. 51–70. 72–92. 95 f. 98 Anm. 7. 100. 115. 120. 126. 132. 134. 136. 137 Anm. 20. 156 Anm. 97. 267 Anm. 81. 269 Anm. 4. 271 Anm. 14. 272. 276 Anm. 33. 278. 293. 323 Anm. 217 f. 324.

336 Anm. 35. 383. 384 Anm. 23. 410 Anm. 23. 416 Anm. 39. 418. 422 f. 425– 427. 428 Anm. 75. 435. 442. 444. 461. 463. 470. 471 Anm. 9. 473. 477. 480 f. 484. 486. Bargasa: 48 Anm. 168. 248 f. 251. 253. 266. 507. Bargylia: 46. 248. 250–254. 266. 507. Boiotien: 308 Anm. 165. 385 Anm. 28. Chaironeia (Schlacht): 53. 69. Chalkis: 191 f. 407 Anm. 11. 504. (Thrakische) Chersones: 315 f. Chersonesos: 47. 353 f. 468. 492. Didyma: 514. 516. Dionysopolis: 47. 353 f. 447 Anm. 150. 491. Elaia: 266 Anm. 78. Elis: 293. Ephesos: 46. 97 Anm. 4. 190 f. 203. 227. 268 Anm. 82. 440 Anm. 114. 466. 514. Epidauros: 47. 383. 487 f. Eresos: 175 Anm. 184. 190 f. 227. 465. 494 f. Eretria: 191 f. 194–197. 199–202. 216. 224. 226 f. 417. 465 f. 504. Erythrai: 45 f. 97. 115–130. 247. 323 Anm. 218. 464. 481. 514. Euböa: 47. 69. 131. 184. 191. 192 Anm. 23. Euromos: 507. Gela: 191. (Iulia) Gordos: 48 Anm. 168. 248. 254–256. 437. 518. 524 Anm. 89. Halasarna: 37 Anm. 111. 158. 161–166. 172– 177. 179. 180 Anm. 204. 182 Anm. 212 f. 498. Halikarnassos: 46. 73. 186 Anm. 222. 266 Anm. 78. 398 f. 401. 405 Anm. 5. 508. Hierapytna: 178. 430 Anm. 79. Histiaia/Oreos: 77. 192. Histria: 44 Anm. 153. 47. 183 Anm. 216. 323 Anm. 218. 327–329. 331–333. 335 f.

Register 338. 340 f. 343–345. 353–355. 357 f. 378. 379 Anm. 104. 417. 468. 492. Hydai: 191. 224. 227. 508 f. Iasos: 28. 45 f. 156 Anm. 97. 186. 191. 205– 209. 224. 226–228. 466. 509. Ionien: 46. 97. 115. 270 Anm. 7. 461. Ioulis: 499 f. Ipsos (Schlacht): 66. Isthmos: 158. 180 Anm. 204. 498. Kalymna: 28. 47. 158 f. 162. 172. 176–180. 183. 186 Anm. 222. 357. 358 Anm. 10. 369. 465. 498. Kamiros: 494. Kandyba: 527. Kappadokien: 47. 293. 528 Anm. 104 Karien: 47. 250. Karpathos: 183. 494. Karthaia: 465. 499 f. Keos: 47. 183 Anm. 218. 465. 500. Kephale: 65 f. 93. Keramos: 509. Klaros: 270. 276 f. 282. Klazomenai: 126. Kleinasien: 26. 30. 46. 48. 97. 98 Anm. 4. 109 Anm. 53. 110 f. 115. 117. 129 f. 132 Anm. 3. 157. 183 Anm. 216. 232. 235. 247. 248 Anm. 6. 265–267. 269. 271. 293. 302 Anm. 140. 312. 324. 401. 402 Anm. 90. 421. 427 Anm. 70. 431. 435. 459. 461. 467 f. 471. 473. 477. 481. 484. Knidos: 92 Anm. 196. 383. 510. Kolophon: 46. 190. 248 Anm. 6. 254 Anm. 27. 258 Anm. 42. 45. 270. 272–279. 282–284. 292. 295. 319 Anm. 205. 320. 323. 325 Anm. 226. 346 Anm. 68. 376 Anm. 94. 383 Anm. 18. 401. 406 Anm. 8. 416 Anm. 42. 439. 443 f. 452. 455–458. 467 f. 515. Korinth: 357. 381 Anm. 7. 382. 389. Kos: 28. 37 Anm. 111. 47. 49. 108 Anm. 51. 131. 157–185. 247 Anm. 2. 400 Anm. 85.

583

462 Anm. 2. 465. 485. 494 Anm. 24. 498. 511. Kreta: 131. 158 f. 170. 172. 174. 177. 179. 183. 465. 488. 499. Kyaneai: 381 Anm 7. 382. Kyme: 46. 142 Anm. 42. 224. 227. 357. 372. 375–379. 381–383. 391 f. 395–398. 400. 437–439. 520. Kypros: 77. Kyrenaika: 529. Kyzikos: 48 Anm. 168. 248. 256 f. 266. 521. Lampsakos: 247 Anm. 1. 270 Anm. 7. 520 f. Letoon: 190. 527. Lissa: 419 Anm. 51. 527. Lykien: 47. 247 Anm. 3. 526 Anm. 100. Lykosoura: 360 Anm. 19. 362 f. 368. 405 Anm. 5. 489. Mäander: 297. Magnesia am Mäander: 46. 258 Anm. 42. 515. Magnesia am Sipylos: 435. Makedonien: 70. 76 f. 79. 81. 172. 174. Mantineia: s. Antigoneia/Mantineia. Marathon: 84. Maroneia: 27. 389 Anm. 44. 399 Anm. 80. Massalia: 521. Megalopolis: 47. 357 f. 360–363. 366 Anm. 51. 367–370. 378. 381 Anm. 7. 382. 469. 490. Messene: 47. 488 f. Methone (Schlacht): 69. Methymna: 137 Anm. 22. 266 Anm. 78. 465. 496. Metropolis: 46. 103 Anm. 25. 248. 254 Anm. 27. 258–264. 266. 306 Anm. 156. 406 Anm. 8. 472 Anm. 10. 516. Milet: 28. 46. 97 Anm. 4. 112 f. 144. 297. 381 Anm. 7. 382. 400. 514. 516 f. Minoa: 144–151. 154 Anm. 89. 156 f. 186. 190. 196 Anm. 41. 226. 464 f. 503. Mylasa: 48 Anm. 168. 159 Anm. 106. 264 Anm. 71. 267. 485. 507 f. 510–513.

584

Register

Mysien: 47. Nasos: s. Pordoselene/Nasos. Naxos: 144. Nysa: 440. 512. Olbia: 45. 47 f. 323 Anm. 218. 327. 330 Anm. 10. 345–347. 349–355. 381. 383. 437. 468. 493. Olymos: 512 f. Olynthos (Schlacht): 69. Oreos: s. Histiaia/Oreos. Pagai: 47. 490. Paiania: 63. 78. Pamphylien: 47. Paros: 47. 131. 183 Anm. 218. 465. 499. Patara: 403. Pergamon: 46. 49. 191. 209 f. 213–218. 220. 222–227. 229. 231–234. 236. 237 Anm. 32. 241–245. 248 Anm. 6. 260. 267. 270 Anm. 5. 272. 275 Anm. 30. 32. 278 Anm. 42. 289. 293. 316 Anm. 191. 323. 357 Anm. 4. 376 Anm. 94. 381 Anm. 7. 382 f. 396 Anm. 74. 400 Anm. 85. 403 Anm. 92. 439. 466. 480. 502. 521 f. Perge: 48 Anm. 168. 381. 525. Philippi (Schlacht): 370. Phrygien: 47. Piräus: 65. 67. 69. 79 f. 82 Anm. 155. 83. Pisidien: 47. Plarasa: 506. Pordoselene/Nasos: 47. 131. 183. 187. 496. Porthmos: 494. Potidaion: 183. 494. Priansos: 430 Anm. 79. Priene: 15 f. 27. 33. 45 f. 49. 97–99. 101. 103–115. 117 Anm. 77. 118. 129 f. 132. 156 Anm. 97. 186 f. 210 Anm. 100. 224. 227. 247. 248 Anm. 6. 267. 270. 283– 287. 289 f. 292. 295–297. 299. 302 f. 305 Anm. 153. 308 f. 311–315. 320. 323–326. 346 Anm. 68. 358 Anm. 10. 369. 371 Anm. 69. 378. 381–383. 386 Anm. 31.

394 Anm. 67. 401. 403 Anm. 92. 405 Anm. 5. 417. 420. 430–433. 434 Anm. 90. 436 f. 439. 441. 443. 446. 449. 450 Anm. 155. 453. 455–458. 463 f. 466–468. 481. 517 f. Pydna (Schlacht): 69. Rhamnous: 66 Anm. 74. Rhodiapolis: 381 Anm. 7. 382. Rhodos: 28. 47. 95 Anm. 209. 131. 158. 247 Anm. 2. 252. 254. 277 f. 403 Anm. 93. 444. 493 f. 507. 527 Anm. 102. Rom: 29. 81 f. 231–235. 238. 241. 244. 247 Anm. 3. 249. 252. 257. 264. 266. 268 f. 270 Anm. 7. 272 f. 278 f. 283. 297. 313 Anm. 183. 324. 354. 377 Anm. 104. 385. 388 f. 394 Anm. 63. 398 f. 440 Anm. 114. 447. 454 Anm. 164. 467. 482 Anm. 39. 483 f. 487. 489. 504–506. 508. 521. 527. Samos: 39 Anm. 123. 47. 120 Anm. 88. 131 f. 134. 136–139. 141–144. 183 f. 186. 190. 323 Anm. 218. 369. 379. 383. 410 Anm. 23. 416 Anm. 39. 417. 443. 464. 502. Samothrake: 230. 330 f. Sardis: 39 Anm. 128. 48 Anm. 168. 381 Anm. 7. 382 f. 398. 400. 402. 519. Schwarzmeergebiet/Schwarzmeerküste: 27. 44 Anm. 153. 47. 97. 157. 183. 185 Anm. 221. 247 Anm. 2. 327. 340. 341 Anm. 51. 343. 345 f. 348 Anm. 74. 352– 355. 461. 468 f. 481. Sekköy: 513. Sestos: 191. 248 Anm. 6. 270. 275 Anm. 32. 315–317. 319–321. 323. 376 Anm. 95. 443. 448 Anm. 151. 452. 456. 467. 492. Sikyon: 55–57. 59. Silandos: 48 Anm. 168. 520. Sphettos: 72. 76. 92 Anm. 199. 423. Stratonikeia: 252. 403 Anm. 93. 513. Synnada: 48 Anm. 168. 523. Syros: 47. 357. 378. 469. 501.

Register Telos: 497. Termessos: 48 Anm. 168. 379 Anm. 104. 469. 524. Thasos: 47. 94 Anm. 206. 131. 142 Anm. 42. 156 Anm. 97. 266 Anm. 82. 341 Anm. 51. 369–372. 378 f. 381 Anm. 7. 382. 386 Anm. 31. 469. 503. Thebais: 528.

585

Theben (Ägypten): 48. 528. Themisonion: 48 Anm. 168. 191. 224. 227. 417. 466. 524. Thera: 47. 184. 190. 497. Thrakien: 316. Thyateira: 261. Via Appia: 379 Anm. 104. Xanthos: 190. 527.

5. Begriffe und Sachen Abstimmungsergebnis: 164. 171. 276. 509. 515. 529 Anm. 111. Achtobolensteuer: 488. Agon: 56. 153. 230. 318. 407 Anm. 11. 445. Agonothesie: 67. 78. 298. 386. 390. Agonothet (Festspielleiter): 64. 84. 100. 102. 104 f. 107. 150. 183. 216. 273. 280. 291. 294. 297. 301. 308. 385 f. 401. 419. 439. 445. 450. Agora: 52. 57 Anm. 33. 58. 87 Anm. 175. 122. 148 f. 151. 189. 265. 283–285. 287 Anm. 72 f. 291. 298 Anm. 124. 308. 313. 323. 328. 330. 333 f. 369. 374. 381 Anm. 7. 387. 449. 518. Agoranomie: 119. 130. 139. 476. Agoranomion (ἀγορανόμιον): 139 f. 143. 339. 497. Agoranomos/Marktaufseher: 118 f. 121. 130. 137 Anm. 22. 139–141. 143. 183. 184. 218. 339. 411 Anm. 24. 417. 419. 462. 486 f. 495–497. 499. 511. 525 f. ἀκρόαμα: 280. Akropolis (Erythrai): 116. ἀλειφόμενος: 190. 497. Alexanderzüge: 205 Anm. 75. 496. ἀναγραφεύς: 63. ἀντιγραφεύς: 289. 293.

ἀρχή: 71 Anm. 100. 89 Anm. 185. 118 Anm. 81. 125 Anm. 110. 192 Anm. 25. 27. 195 Anm. 37. 196 Anm. 43. 197 Anm. 44 f. 256 Anm. 34. 334 Anm. 25. 335 Anm. 33. 343 Anm. 58. 352 Anm. 99. 437. Archeion: 140. ἀρχιερεὺς: 234. ἀρχιερωσύνη: 341. ἀρχιτέκτων: 287 Anm. 72. 291. 449 Anm. 153. Archiv: 37. 39 Anm. 126. 48 Anm. 170. 59. 151. 155. 206 Anm. 79. 258. 328. 362. 373. 376. 392. 405 f. 462. S. auch Familienarchiv. Archivbeschluss/Archivdokument: 37 Anm. 110. 38 Anm. 116. 59 Anm. 40. 304. 405 Anm. 5. Archivgebäude: 151. 155. Archivvermerk: 285 Anm. 68. Archivwesen: 494. Archon (ἄρχων): 145–150. 156. 183 Anm. 218. 184. 251. 332–334. 384 f. 389. 462 Anm. 2. 499. 500. 527. Eponymer Archon (Athen): 52 Anm. 11. 77. 80. ἄρχων ὑπηρετικοῦ (Kalymna): 177. Archontat: 55. 57. 59. 63. 65. 67 f. 70–72. 94 f.

586

Register

Aristonikosaufstand: 214. 250. 260. 267. 289. 373 Anm. 75. Arzt: 137–139. 144. 159–169. 176 Anm. 189. 180 f. 183 f. 186. 400 Anm. 85. 419. 465. 495. 501. 515. 525. Asianismus: 304 Anm. 146. 347 Anm. 73. 381 Anm. 6. 408. 435 f. 438. 440. 459. 473. Attalidische Erbschaft: 486. Attizismus: 435. Ausrufung/Verkündung von Ehrungen: 18. 32. 33 Anm. 100. 65. 70. 100. 102. 104– 106. 107 Anm. 44. 109. 113 Anm. 68. 117–119. 124. 146. 148 Anm. 67. 152. 153 Anm. 87. 162. 165. 178. 181 f. 200 f. 216. 218. 259. 275. 291. 294. 298. 301. 308. 315. 319. 333. 346. 375. 407. 461 f. 494. 504. Autobiographie: 81 Anm. 151. 427. Autonomie: 53. 61. 65. 73. 82. 86. 98 Anm. 7. 99. 101 f. 114. 130. 186. 266. 269. 272. 276. 279. 352. 362 Anm. 24. 463. 477. 481 f. S. auch αὐτονομία. Badehaus: 316. 395. Bäcker: 390. Bankett: 19. 100. 274. 280. 298. 325. 342. 373–375. 378. 386 f. Barbaren: 110 f. 331. 338 f. 343. 350. 431 f. 464. βασιλεύς: 212. 415. βασιλεύς (Athen): 64. Bauarbeiten/Bauvorhaben: 128. 140 f. 143. 239. 250 Anm. 47. 276. 361. 373. S. auch Neubau. Renovierung. Baustiftung: 19. 139–142. 154. 186. 289 Anm. 81. 357. 360. 367. 369. 373 f. 377. 379. 395. 398. 464. 476. 510. (Öffentliches) Begräbnis: 17 f. 57 Anm. 33. 60. 288. 291. 293 f. 298. 301. 304 Anm. 146. 308. 313. 351. 375. 377. 395 f. 437. 490.

Bewirtung: 146. 238. 300. 307. 308 Anm. 165. 386. 393 f. Bildungsreise: 278. 279 Anm. 45. 434. 458. Biographie: 41. 133. 163 Anm. 128. 231 Anm. 12. 255. 272. 288. 324. 407. 409. 418. 420 f. 425–427. 441–443. 446. 449– 451. 453. 455–458. 473. 476. S. auch βιογραφία. βίος. Boiotischer Bund: 384. 388. Bouleuterion: 357. 373–376. 378. 392. Bronzetafel: 369 Anm. 59. 528. (Römische) Bürgerkriege: 302 Anm. 140. 327. 354. 469. 491. Bürgerrecht: 162. 181. Anm. 211. 186. 302. 359 Anm. 12. 395. Bürgerrechtsverleihung: 18. 30. 42. 55. 144. 164 Anm. 129. 203 Anm. 68. 272. 512. Chora (χώρα): 81. 82 Anm. 155. 123 Anm. 102. 125 Anm. 110. 179 Anm. 201. 251 Anm. 19. 338 f. 431. Choregie (χορηγία): 341. 465. Choregos (χορηγός): 154. Chremonideischer Krieg: 76. δαμιουργός: 494. Δελφιδῶται: 190. 487. Demokratie: 22. 26–29. 32 f. 35. 40. 52 Anm. 8. 53 Anm. 12. 57 f. 60–72. 74–76. 78 Anm. 132. 83. 86 Anm. 173. 87–90. 93. 101. 108 f. 114. 125. 127–130. 158. 186. 224 Anm. 159. 231–233. 244. 253. 270 Anm. 8. 277–279. 312. 399 Anm. 81. 401. 425. 440. 464. 477 Anm. 23 f. 481. 484. 493. S. auch δημοκρατία. Diadochen: 116. 186. 496. Diadochenreiche: 54 Anm. 20. Diaulos: 148. δικασταγωγός: s. Richterwerber. Dokumentenwände: 284 Anm. 65. 381 Anm. 7. 449. Ehrensitz: 17 f. 30. 32. 33 Anm. 102. 44. 50. 62 Anm. 52. 65 Anm. 70. 70 Anm. 94. 91.

Register 93. 100. 113. 118 f. 123. 125. 129. 146. 148. 154. 216. 235. 253 Anm. 25. 276. 281. 290. 294. 318. 361. 374 f. 387. 396. 462. 470. Enkomion: 410–416. 442 Anm. 123. 457. S. auch ἐγκώμιον. Ensemble(denkmal)/Ensemble(monument): 45 Anm. 160. 99. 103 Anm. 25. 163. 200 Anm. 61. 202. 234 Anm. 22. 237. 254 Anm. 27. 258. 260. 262. 264 f. 276. 281. 284 Anm. 65. 313. 346. 352. 360 Anm. 19. 373 f. 376. 381 f. 392. 398. 450 f. 456. 488. 515. 516 Anm. 69. 519 f. ἐπάλλειμα: 195 Anm. 38. Ephebarchengesetz: 189 Anm. 2. Ephebarchos: 191. 205–209. 317. 466. Epheben: 190. 192 Anm. 27. 203 f. 211 f. 217. 219 f. 240. 271 Anm. 9. 291. 298. 301. 308. 317. 485. Ephebenliste: 215. Epidemie: 160. 183. Epimelie: 341. Epistates (ἐπιστάτης): 127–129. 494. 514. ἐπίτροπος: 513. Erdbeben: 138. 183. 497. Erinnerungslandschaft: 54. 222. Erinnerungsmonument: 34. 111. 117. 122. 140. 156. 257. 267. 337. 353. 464. 527. Erinnerungsort: 265. 277. 389. Ernteausfall: 317. 327. Ethnos: Abbaitische Myser: 254–256. 520. Exedra: 192 f. 239 f. 284. 382 Anm. 7. Exetasten: 116. 124. 126. Familienarchiv: 258. Familienmonument: 375 f. 379. 382 Anm. 7. Faustkampf: 148. Feldherr: Griechischer Feldherr: 345. 352. 398. 468. 477. 483. Römischer Feldherr: 42 Anm. 149. 235 f. 248. 267. 316. 488.

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Fest: 19. 80. 84. 145–150. 154. 156. 164. 184. 193–195. 198. 200. 202. 212. 217. 220 f. 227. 235 f. 238–241. 273 f. 277. 280. 282. 289 f. 293. 298. 300. 307 f. 314. 326. 340. 342. 345. 363. 370 Anm. 60. 374. 378. 384–394. 397 f. 400 f. 407 Anm. 11. 437–440. 464. 466–469. 476. 482. 488. 490 f. 499. 502. 509. 513. 524. S. auch Mysterienfeier. Neujahrsfest. Opfer(fest). Artemisien: 198. 200. Demetrieia: 65. Dionysien: 56. 65. 100. 102. 104–106. 111. 116. 128. 136. 152. 161 f. 166. 178. 182. 198. 200. 275. 281. 298. 301. 308. 346. 374 f. 407 Anm. 11. 430. Fest der Lerche: 394. Hermaia (Ἑρμαία): 220. 221 Anm. 150. 217. 237. Ἡρωιξεινία: 370 Anm. 60. Καβείρια: 217. 238. Kaisareia: 361. 386. Klarien: 275. 280 f. Κριοβόλια: 238. Lakinia: 211. Lykaia: 361. Musenfest: 328. Nikephorien: 219 f. 233 Anm. 18. 237 f. Panathenäen: Athen: 84. Priene: 297. 305. Philetaireia: 235. Ptoia: 385 f. Ῥωμαία: 375. 407 Anm. 11. 504. Σωτήρια: 230. (Μεγάλα) Σωτήρια: 375. Festgesandter: 238. 288. 293. Festgesandtschaft: 134. 168 f. 224. 278. 289. 444 f. 452. 454. Festung/Stadtfestung: 67. 80. 101. 104–106. 108. 114. 116. 173 Anm. 176. 251. 424. 494. S. auch περιπόλιον.

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Festungskommandant: 98. 99 Anm. 13. 102 f. 105–109. 113 Anm. 66. 114. 129 f. 186. 289. 312. 463. Flötenspieler: 104. 307. Flötenwettkampf: 301. Freiheit: 28 Anm. 72. 53 f. 56–58. 60 f. 64. 67. 69–72. 75 f. 78 Anm. 132. 79 f. 83. 86. 90. 93 f. 100 f. 107–109. 111. 114. 129 f. 186. 216 Anm. 131. 232 f. 244 f. 263 f. 266. 270 Anm. 8. 272. 276. 279. 312. 324. 354. 463 f. 477. 481 f. 493. S. auch ἐλευθερία. Freiheitsbestrebungen: 55. 57. 60. Freiheitsbewegungen: 54. Freiheitserklärung: 389. Freiheitsversprechungen: 270. Fremder: 18. 25. 30. 36. 42 f. 52. 132. 140. 144–148. 150. 154. 161–163. 193. 217. 280. 316. 393 f. 437. 454. Μειλήσιοι (Amorgos): 144. Σάμιοι (Amorgos): 144. Fremder Richter: 127. 138. 171. 205. 519. Fremder Wohltäter: 18. 20 f. 24. 43 f. 56. 144. 154 Anm. 89. 162. 163 Anm. 123. 167. 192. 269 Anm. 2. 328. 369. 410 Anm. 23. 418. 492. Freund (φίλος) der Könige: 77 f. 186. 463. 480 Anm. 33. Gabentausch: 23–25. 43. Galater: 430. 432. S. auch Kelten(einfall). Gerichtswesen/Gerichtsbarkeit: 71 Anm. 101. 127 f. Germanen: 334. Gerusie: 342. Gesandtschaftsreise: 55 Anm. 20. 64. 71. 73. 81 f. 120. 133 f. 136. 167–170. 192. 224. 231. 234. 238. 247 Anm. 1. 249. 252. 255–257. 259. 264. 270. 272 f. 275 Anm. 31. 278–280. 282. 285 Anm. 68. 288–290. 293. 297. 300. 303. 316. 331– 334. 339. 343. 352 Anm. 98. 359. 385.

388. 398 f. 420. 444–447. 450. 452. 454. 475. 478 Anm. 25. 487. 495. 499. 505 f. 508. 516. 521. 526. S. auch πρεσβεία. πρεσβευτής. Geschichtswerk: 41. 426 f. 451 Anm. 158. 455. 458. 472 Anm. 12. 493. Geten: 327. 343. Getreideankauf: 121. 134 f. 347. Getreideimport: 121. 169. Getreidekrise/Getreideknappheit: 119. 121. 130. 134. 136. 283. 362 Anm. 25. Getreidemangel: 121. 317. Getreidespende: 154. 285 Anm. 68. 289 f. 384. Getreideverkauf: 121. 347. 361. Getreideversorgung: 121. 334. 362. 487. 496. Gottgleiche Ehrungen: 234 f. 395. 490. S. auch τιμή ἰσόθεος. γραμματεύς: 63. 98–102. 113 Anm. 66. 114. 130. 155 Anm. 91. 294. 298. 301. 304– 306. 308–310. 488. Grammatiklehrer: 305. γραμματοφυλάκιον: 362. 405 Anm. 5. Große Kolonisation: 47. 327. 468. Gymnasiarchie: 45. 134. 156 Anm. 96. 183. 184 Anm. 220. 189. 190 Anm. 6. 192 Anm. 25. 197 Anm. 45. 201. 210– 212. 214. 216. 218. 222–227. 229. 231 Anm. 16. 233 f. 236–238. 240. 242. 244 Anm. 59. 304. 310 Anm. 171. 315–319. 322. 361. 369. 370 Anm. 60. 396. 436. 466 f. 476. 509. 526 Anm. 98. Gymnasiarchos: 32 Anm. 97. 134. 151. 156 f. 170. 184. 189–196. 201–204. 210–229. 231 Anm. 12. 232 Anm. 17. 236–244. 270. 271 Anm. 9. 291. 298. 301. 305 f. 308. 310. 315. 317 f. 322 f. 390. 395. 417. 419. 436. 439. 458 Anm. 176. 462. 464– 466. 486 f. 495. 497. 501. 503 f. 511. 518. 522–524. 527.

Register Gymnasion: 140. 156 Anm. 96. 170 Anm. 159. 184 Anm. 220. 186. 189–198. 200–212. 214. 217–221. 223–229. 236– 241. 244. 259. 289 Anm. 81. 305. 318 f. 370 Anm. 60. 390. 395 f. 434. 458. 465. 487. 497. 501. 508. 513. 521. 526. 527. Antiocheion (Iasos): 205 Anm. 78. Ptolemaion (Iasos): 205 Anm. 78. 208. ἡγεμόνες: 333 f. Heiligtum: 58. 64. 75 Anm. 119. 98. 100. 103 Anm. 27. 104. 106 f. 110. 112 f. 136. 142. 145 f. 148–150. 152. 154. 156. 158. 167. 171 f. 184. 198. 200. 202. 270 f. 276 f. 281–283. 334. 361–367. 370–372. 374. 387. 431. 464. 488. 494. 512–516. Asklepieion (Priene): 107. Athenaion (Erythrai): 116. Herakleion (Erythrai): 116. Κοράγιον: 363 Anm. 31. 365. Hellenischer Krieg: 55. 57. Hellenisierung: 47. 48 Anm. 167. 461. 528 Anm. 104. Herme: 195. Heroenkult: 242 Anm. 55. 370 Anm. 60. 383. Herold: 152. 161. 259. 351. 394. 462. Heroon: 236 Anm. 30. 262. 265. 370 Anm. 60. 373 Anm. 76. 382. Diodoreion: 236. Heros: 239. 242–244. 396. 466. 510. ἱεραπόλος: 497. Historiograph: 434 Anm. 90. 492. Historiographie: 152 Anm. 83. 272. 288. 407. 409. 426 f. 430 Anm. 80. 453. 457 f. 473. Hochzeit: 280. 293. 359. 393 f. 397. 438. (Geweißte) Holztafel: 37. 151. 154. 364 Anm. 33. Homerphilologe: 195. Homopolitie: 108 Anm. 51. 158. 178 Anm. 195 f. 179 Anm. 201. 180 Anm. 204.

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Honoratior: 19. 21. 26 f. 30–32. 88. 141. 186. 225. 276. 283. 304 Anm. 146. 325 Anm. 225. 368. 386. 388. 395. 397–400. 468. 508. Honoratiorenregime: 19–21. 26 f. 32. 277 Anm. 37. 325. 391. 479. 482 Anm. 39. 484. ὑπηρέτας: 163. Inschriftenpfeiler: 203. 204 Anm. 73. 346. 349. 352. 373 f. 376. 382. 520. 525. 526 Anm. 97. Intentionale Geschichte (intentional history): 41. 55 Anm. 20. 267. 423. 458. 472. Intentionalität: 63. 71. 467. 478. Isthmiensieger: 502. Kaiserhaus: 508. 517. Kaiserkult: 341 Anm. 53. 362. 495. Kaiserpriester: 361 f. 389. Kaltwaschraum: 239. καπνιστήριον: 305. κάρυγμα: 439. Kelten(einfall): 109–111. 114. 120–125. 129 f. 157. 183 Anm. 216. 247. 312. 431 f. 464. Kitharöde: 307. Kleinhändler: 390. Königskult: 89. 191. 211. 213. 222. 227. 237 Anm. 37. 238. 242. 495. 501. 523. 528. Königspriester: 210 Anm. 101. 211. 316. 496. Koinon: Abbaitische Myser: 255. 520 Anm. 76. Euböisches Koinon: 407 Anm. 11. Ionisches Koinon: 516 Anm. 67. Φωκέοι (Methymna): 496. Πρωτέοι (Methymna): 496. Σαμοθρᾳκιασταί (Methymna): 496. Kolossalstatue: 235. 374. 376 Anm. 94. 383. 403 Anm. 92. κονιστήριον: 239. Krankheit/Erkrankung: 138. 160. 167. 373 f. 377. 399. S. auch Epidemie. Seuche.

590

Register

Kranz (στέφανος): 30. 32. 33 Anm. 102. 44. 48. 50. 60. 62 Anm. 52. 65. 66 Anm. 74. 100. 103 Anm. 27. 105–107. 109. 112. 113 Anm. 66. 126. 140. 178. 182. 200. 215. 221. 237. 253 Anm. 25. 258 f. 272. 276 Anm. 33. 291. 298. 308. 310 Anm. 174. 317. 338 Anm. 38. 339. 342. 348. 377 f. 383. 407 Anm. 11. 412. 424 Anm. 60. 461 f. 494. 497. 504. 506. 509. 521. ἐκ τοῦ νόμου: 93. 100. 102. 105 f. Gold: 18. 56. 61. 91. 95. 102. 104. 106. 107 Anm. 45. 112. 116. 118. 122– 125. 136. 154. 157. 161 f. 165. 168 Anm. 144. 172. 198. 200. 203 Anm. 68. 208. 215–218. 220 f. 235. 239. 255. 275. 281. 282 Anm. 57. 290. 294. 296. 298. 300 f. 305. 308. 318. 328. 330 f. 333 f. 346. 351. 374 f. 387. 394. 396. 403 Anm. 92. 470. 508. κατὰ τὸν νόμον: 93. 470. Lorbeerkranz: 128. Olivenkranz: 111. 146–150. 152 f. 157. 194. 195 Anm. 93. 201. 419 Anm. 51. πρυτανευτικὸς στέφανος: 273 f. Kranzgeld: 346. Kretische Kriege: Erster Krieg: 158 f. 170. 172. 174. 177. 179. 183. 465. Zweiter Krieg: 494. κτοίνα: 494. Kultbezirk: 236. Kultbild (ἄγαλμα): 235–240. 361. 363. 388 Anm. 39. 403 Anm. 92. Kultraum: 239. Kultstätte: 148 f. 488. Lamischer Krieg: s. Hellenischer Krieg. Lebenswerk(dekret): 30. 102. 103 Anm. 24. 109 Anm. 53. 115 Anm. 70. 139. 163 Anm. 128. 169. 181. 182 Anm. 214. 230. 242 f. 250. 255. 256 Anm. 35. 265. 270 f.

277. 284. 286. 296. 300 Anm. 130. 303 Anm. 145. 305. 309 Anm. 169. 316 Anm. 191. 323 f. 332. 335. 351. 376. 410. 418–421. 427 Anm. 70. 441. 442 Anm. 127. 450. 455–458. 467 f. 473. 476. Legat: 231. Leitmotivik: 174. 198 f. 207 f. 230. 321. 407. 434. 443–445. 452–454. 456 f. 473. Libyer: 529. Liturgie: 43. 63 f. 81. 100. 189. 218. 225. 317. 341. 361 f. 375. Lobrede: 231. 343. 375. 409–414. 416–418. 421. 426. 433. 446. 449. 453. 455–459. 473. Lykiarch: 382. (Römische) Magistrate: 42. 236. 241. 270. 272. 274. 278. 324. 399. (Zweiter) Makedonischer Krieg: 77. 137 f. megistai timai (μέγισται τιμαί): 42. Anm. 144. 51 Anm. 2. 61 Anm. 51. 91–95. 463. 470. μητρόπολις: 276 Anm. 33. Metzger: 390. Mithradatische Kriege: 80. 233 f. 241. 244. 268. 281 Anm. 56. Erster Krieg: 302 Anm. 140. 370. Zweiter Krieg: 487. Mündlichkeit (Volksversammlung): 59. 133. 152. 174. 254. 258. 273 Anm. 19. 322. 324. 347 Anm. 70. 405 f. 408. 421 f. 424 Anm. 60 f. 426. 430. 443. 447. 449. 456 f. 472 f. Münzprägung/Münzwesen: 317. 345. Mysterienfeier: 393. Mysterienkult: 362. Naos: 236. 363 Anm. 31. 365 Anm. 42. ναποίας: 173 f. Naturkatastrophe: 180. 183. 479. Nauarchos: 120–122. Neoi: 190. 203 f. 208. 211 f. 216–218. 220. 271 Anm. 9. 291. 298. 301. 308. 317. 485. 527.

Register Neokorie: Athena: 371 f. Artemis: 519. Neokoros: 515. νεοποίης: 132. Neubau: 60. 139 f. 143. 283. 284 Anm. 64. 327. 334. 357. 374. 515. Neujahrsfest: 341. 394. Öl/Salböl: 189 f. 193. 195. 203. 211. 215. 219–221. 225. 227. 238. 240 f. 305. 315. 317. 369. 436. 487. S. auch ἐπάλλειμα. Oikonomos: 294. 301. Oikos: 280. 397. 400. Oligarchie: 52. 53 Anm. 12. 58. 63. 65 Anm. 71. 69. 71 Anm. 100. 74. 77 Anm. 129. 108 Anm. 51. 425. Olympiade: 362. Olympische Spiele: 293. Opfer(fest): 17 f. 84. 138. 145–149. 154 Anm. 90. 156. 193. 195. 215. 219. 224. 236–238. 240 f. 251. 259 Anm. 52. 290 f. 294. 296. 298 Anm. 125. 300 f. 307 f. 316. 318. 328 f. 341–343. 363. 370 Anm. 60. 386. 389 f. 394. 396. 407 Anm. 11. 495. Dankopfer: 252. 373. 377. Rinderopfer: 140. 148 Anm. 66. 149. 154. 217. Totenopfer: 233. 386. Trankopfer: 178. Weihrauchopfer: 235. Orchestra: 515. Originaldokument: 37. 59 Anm. 42. 151. 206 Anm. 79. 258. 328. 362. 373. 376. 405 Anm. 5. 406. 490. Paides: 291. 298. 301. 308. Paidonomos: 191. 205 Anm. 76. 224. 226 Anm. 168. 291. 298. 301. 306–308. 310. 508 f. 524. Palästra: 239 f. Panegyris (πανήγυρις): 216. 218. 318. Panionion: 293. S. auch Speisung.

591

Pankration: 148. Pankratist: 403. Pantomime: 307. Papyrus: 37. 151. 304. 310. 405. παραδρομίς: 218. πάροδος: 515. πάροικος: 162. 164. 393 f. Patron: 274 Anm. 28. 279. 385. 400. 482. Patronat: 22. 279. Pergament: 37. 304. 310. 405. περιπόλιον: 177 f. φιέλη στεφανηφορική: 307. Philosophie: 108. 206–208. 321 Anm. 210. 444 f. 451. 458. φλιά: 497. Phrourarchendekret: 101. 105 f. Phrourarchos: s. Festungskommandant. Phylarchos: 462 Anm. 2. 496. Phyle: 37 Anm. 111. 38 Anm. 118. 180 Anm. 204. 235. 267 Anm. 82. 485. 493. 496. 511–513. Ὑαρβεσοταί (Mylasa): 511. Κονοδωρκονδεῖς (Mylasa): 511. Ὀτωρκονδεῖς (Mylasa): 267 Anm. 82. 510–512. Pasparis (Pergamon): 235. Pirat/Seeräuber (πειρατής): 154–157. 160 f. 187. 342 Anm. 34. 386. 437–439. 475. 497 f. ποιητής (ἐπῶν): 385 Anm. 25. Polemarchie: 390. Polemarchos: 499. Porträtbildnis (gemalt): 157. 208. 300 Anm. 135. 304 Anm. 146. 305. 308. 310. 362. 366. 387. 403 Anm. 92. Porträtschild: 318. 361. 390. 396. πρεσβεία: 81. 256 Anm. 34. 331 Anm. 16. πρεσβευτής: 264 Anm. 72. 322 Anm. 214. πρεσβύτερος: 205 Anm. 76. 217. Priester (ἱερεύς): 210. 230 f. 234 f. 296 Anm. 110. 297. 329 f. 338. 339 Anm. 44.

592

Register

358. 364 Anm. 33. 366 f. 393. 438 f. 512 f. 528. S. auch Kaiserpriester. Königspriester. Priestergremium/Priesterkollegium: 358. 366. 485. Priesterin (ἱέρεια): 150. 341–343. 345. 357 f. 360. 363–366. 368. 370 f. Priesterschaft: 230. 233 Anm. 19. 338 f. 341. 360 Anm. 17. 364. 367. 513. Priestertum/Priesteramt: 279. 328–331. 338 f. 341–343. 359. 362. 364 Anm. 36. 38. 365. 370 f. 378 f. 469. πρόβουλος: 192. 195 f. πρόγραμμα: 193 Anm. 31. προγραφή: 439. prolepctic honour (vorweggenommene Ehrung): 17 Anm. 6. 24 f. 30 Anm. 88. 43. 166. Proskynese: 17 f. προστάτης: 178. Provinzialisierung: 266. 384. Proxenie: 25 Anm. 53. 30. 42. 44 f. 144. Proxeniedekret: 42 f. 191 f. 200. 203 Anm. 68. 330. 462. Proxenos (πρόξενος): 18. 25. 95. 154 Anm. 89. 192. 271 Anm. 11. Prozession mit dem Lorbeer: 394. Prytaneion: 251. S. auch Speisung. Prytanie: 394. Prytanis: 116. 124. 126. 133. 137. 231. 392. 394. 396. 438 f. publicani: 297. 300. Rechtsprechung: 71. 99. 126 Anm. 114. 127. 134. 279. Reiterstatue/Reiterstandbild: 187 Anm. 224. 235. 351. 383. 403 Anm. 92. 488. Renovierung: 273 Anm. 22. 305. 327. 359. 361. 370–372. 373 f. 395. Reziprozität: 18. 23. 26. 43 f. 121. 163 Anm. 123. 176. Anm. 189. 218. 281. 306– 308. 318 Anm. 201. 320. 363.

Rhetorik: 41. 108. Anm. 50. 110. 133. 135 f. 151 f. 160. 201. 207 f. 240 Anm. 49. 249. 261. 269 Anm. 4. 272. 274. 278. 286. 288 Anm. 76. 304 Anm. 146. 307. 311. 313. 320. 324. 334. 343. 347 Anm. 73. 352. 359. 371. 376. 381. 389. 392 f. 399. 406–409. 416. 421 f. 425 f. 430. 434 f. 437 Anm. 101. 440. 443 f. 448 f. 453. 456–459. 473. Rhetoriklehrer: 193. Richter: 115 Anm. 71. 126–128. 130. S. auch Fremder Richter. Richterwerber (δικασταγωγός): 159. 171. 181. 498. Ringkampf: 148. 239. Ringkomposition: 135. 174. 198 f. 207. 290. 294. 298. 320. 422. 433. 457. Römer als allgemeine Wohltäter (κοινοὶ εὐεργέται): 192. 255. 261 Anm. 60. 263. 266. 495. 504. Römerfreund: 256 f. 262. 266 f. 467. 473. 477. 489. Sänger: 307. Salböl: s. Öl. Schauspieler: 221. 307. Seeräuber: s. Pirat. Selbstbestimmung: 53 f. 129 f. 186. 272. 324. 477. 482. Senat: 234. 241. 252. 257. 270. 272. 278 f. 324. 467. Senatoren: 19. 399. 483. Seuche: 160 Anm. 112. 161. 180. 528. Skiren: 334. 348 Anm. 74. Skythen: 183 Anm. 216. 327. 343. Sonnenuhr: 139. 140 Anm. 34. 170. Speerwurf: 148. Speisung: 17 f. 32. 33 Anm. 102. 318. 360. 378. 389. 393. Panionion: 100. 290. 294. 296. 298 Anm. 125. 301. Prytaneion: 18. 30. 50. 61. 62 Anm. 52. 65 Anm. 70. 70. Anm. 94. 71. 94 f. 100.

Register 113. 116. 218. 253 Anm. 25. 276. 281. 290. 294. 296. 298 Anm. 125. 301. 470. Stadionlauf: 148. Stadtarchiv: s. Archiv. Standbild: s. Statue. Statthalter: 42 Anm. 149. 257. 270. 297. 300. 489 Anm. 12. Statthalterschaft: 296 Anm. 113. Statue/Standbild: 18. 30. 32. 33 Anm. 102. 41. 45. 48–51. 52 Anm. 8. 62. 65 Anm. 70. 66 Anm. 76. 68. 70. 72 Anm. 102. 75 Anm. 119. 82 f. 87. 91. 93. 95. 122. 123 Anm. 101. 126. 139. 157. 165 Anm. 135. 191. 198–202. 204. 208. 209 Anm. 97. 211. 213. 214 Anm. 119. 216–218. 221. 223. 235. 237 f. 253 Anm. 25. 254 Anm. 27. 258. 262. 265. 271 Anm. 9. 275 f. 281. 284. 291. 304 Anm. 146. 309. 313. 319. 325 Anm. 224. 345 f. 350. 352. 357 Anm. 4. 359 Anm. 13. 374–379. 383. 387. 388 Anm. 39. 400 Anm. 89. 446. 461 f. 471 Anm. 8. 482 Anm. 38. 490. 499. 505 f. 508 f. 514–516. 522–526. S. auch Kolossalstatue. Kultbild. Reiterstatue/Reiterstandbild. Bronze: 51. 61. 165. 187 Anm. 224. 200. 203 Anm. 68. 215 f. 218. 261. 294– 296. 298. 300. 305. 308. 310. 315. 318. 328. 330 f. 334. 396. 403 Anm. 92. 521. Gold: 275. 281. 290. 294. 305. 308. 310. 375. 387. 395 f. 403 Anm. 92. Marmor: 290. 294. 305. 308. 310. 316. 396. Statuenbasis: 39. 165. 218 Anm. 138. 235. 237 Anm. 33. 239. 248 Anm. 7. 254 Anm. 27. 258. 260–262. 264. 276 Anm. 35. 282 Anm. 57. 290. 294. 345. 377. 388. 402. 490 Anm. 15. 514. Stephanephorie: 183. 290 f. 293. 295. 298. 307 f. 309. 312. 339. 341. 420. 441. 452– 454. 456. 510.

593

Stephanephoros (Kranzträger): 142. 251. 289 f. 292. 298 Anm. 120. 302 Anm. 140. 307. 309 Anm. 169. 310. 329. 437. 450. 452. 455. 462. 517. Steuerfreiheit (ἀτέλεια): 100 Anm. 18. 112. 113 Anm. 66. 146. 150 f. Stiftung: 22. 36. 197–199. 211. 234. 316. 318. 328. 355 Anm. 106. 366. 378. 384. 395. 397. 478. S. auch Baustiftung. Stoa/Säulenhalle: 107. 139. 204. 287. 510. 521. βόρεος στοά (Priene): 284 Anm. 64. ἱερὰ στοά (Priene): 284 Anm. 64. 299 Anm. 126. 303 Anm. 144. 308. Strategie (στρατηγία): 45. 118 Anm. 80. 124. 170 Anm. 168. Strategos (στρατηγός): 51. 64. 66 Anm. 74. 68. 91. 99. 116. 118 Anm. 79. 119. 123– 130. 172. 210. 231. 255. 258. 260 f. 273 f. 291. 294. 298. 301. 308. 316. 336. 373 Anm. 80. 401. 419. 462. 464. 481. 508. 514. 528. Studienreise/Studienaufenthalt: 258. 277 f. 444 f. Sympolitie: 158 f. 506 Anm. 44. 507 Anm. 48. 508. 511–513. σύνεδρος: 197. 200. 231. 384 f. 389. 489. Syngeneia: 512. Ἀγανιτεῖς (Mylasa): 511. Ὀγονδεῖς (Mylasa): 511. σύνοδος (τῶν Κοραγῶν): 363. Synoikismos: 157–159. 184. 465. 506 Anm. 44. ταμίας: 60. Techniten: 440 Anm. 114. 524. Teloneia: 101. 103–109. 114. 312. Tempelland: 512. Tempelpfleger: 175. Theater: 18. 66 Anm. 76. 100. 102. 106. 128. 148. 153 f. 178. 186. 219. 221. 259. 284. 333. 346. 357. 369 Anm. 57. 430. 465. 500. 515.

594

Register

Dionysostheater (Athen): 66 Anm. 76. Theaterbühne: 154. 500. Theseia: 84. Thraker: 183 Anm. 216. 316 f. 327. 336. 343. τοξάρχης: 336. Tragödien(aufführung): 107. 136. 348. 428. 430. Tribut(zahlungen): 123. 337. 347. Trostdekret/Trostbeschluss: 39. 47 f. 144. 351–353. 381. 468. 485. 493. 501. 505 f. 510. 518. Tyrann: 36. 354. 481. 493. Tyrannenmörder: 51. 91. 126. Tyrannis: 52. 67. 101. 102 Anm. 22. 104. 108. 400. Unfreiheit: 53. 77. Verhäuslichung: 272. 293 Anm. 101. 314. 325 f. 360. 394 Anm. 65. 468. 482. 490 Anm. 16. Versorgungskrise: 121. 129. 247. 327 f. 343. 354. 479. 488.

Währungseinheiten: Alexanderdrachme: 251. Alexandergoldstück: 172. Denar: 361. Drachme: 134. 146–149. 197. 199. 220. Goldmünze: 330. Goldstater: 334. Goldstück: 158. 340. Obole: 488. Philippischer Stater: 116. Waffenkampf: 193. 219. Waffentanz: 198. 200. 281. Waffenübung (ὅπλον): 217. Wasserleitung: 142. Wasseruhr: 139. Wasserversorgung: 217. 369. Weinbankett: 154. 342. Weinberg: 366 f. Weinverteilung: 278. 290. 394. Xystra (ξύστρα): 318.