Die Neuregelung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung: Bestandsaufnahme sowie kritische Betrachtung der bundes- und landesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots [1 ed.] 9783428551606, 9783428151608

Ungeachtet der wissenschaftlichen Kritik baute der Gesetzgeber das Rechtsinstitut der Sicherungsverwahrung seit Beginn d

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Die Neuregelung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung: Bestandsaufnahme sowie kritische Betrachtung der bundes- und landesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots [1 ed.]
 9783428551606, 9783428151608

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Kriminologische und sanktionenrechtliche Forschungen Band 19

Die Neuregelung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung Bestandsaufnahme sowie kritische Betrachtung der bundes- und landesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots

Von Annemarie Dax

Duncker & Humblot · Berlin

ANNEMARIE DAX

Die Neuregelung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung

Kriminologische und sanktionenrechtliche Forschungen Begründet als „Kriminologische Forschungen“ von Prof. Dr. Hellmuth Mayer

Band 19

Die Neuregelung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung Bestandsaufnahme sowie kritische Betrachtung der bundes- und landesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots

Von Annemarie Dax

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen hat diese Arbeit im Wintersemester 2016/2017 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 21 Alle Rechte vorbehalten

© 2017 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0933-078X ISBN 978-3-428-15160-8 (Print) ISBN 978-3-428-55160-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-85160-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kriminologie, Straf- und Sanktionenrecht von Herrn Prof. Dr. Jörg Kinzig. Sie wurde im Wintersemester 2016/2017 von der Juristischen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen als Dissertation ­angenommen. Da die Anfertigung der Dissertation mit der besonderen Unterstützung bestimmter Personen steht und fällt, möchte ich das Vorwort nutzen, um genau diesen Menschen Dank auszusprechen: Mein besonderer Dank gilt zunächst meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Jörg Kinzig, insbesondere für die konstruktiv-kritische Begleitung bei der Entstehung dieser Arbeit und die sehr aufwendige Korrektur. Ebenfalls herzlich bedanken möchte ich mich bei Herrn Junior-Professor Dr. Tillmann Bartsch für die freundliche Übernahme des Zweitgutachtens und die vielen hilfreichen und motivierenden Anmerkungen. Ein herzlicher Dank gebührt weiterhin neben dem Institutsdirektor, Herrn Prof. Dr. Jörg Kinzig, meinen Lehrstuhl- und Institutskollegen, durch die ich meine Promotionszeit in schöner Erinnerung behalten werde. Insbesondere möchte ich Dr. Lara Steiger und Ulrike Hunger für das sorgfältige und sehr aufwendige Korrekturlesen und den motivierenden Zuspruch danken. Von ganz besonderem Wert ist für mich die Freundschaft, die sich während der gemeinsamen Lehrstuhlzeit zu meiner ehemaligen Kollegin Dr. Lara Steiger entwickelt hat. Meinem Mann Florian möchte ich danken, da er mich durch die mit der Erstellung einer Dissertation verbundenen Höhen und Tiefen begleitet und stets motiviert hat. Durch seinen Rückhalt und seine Liebe hat er im wesentlichen Maße zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen. An dieser Stelle sei auch meiner Schwester Angelika für ihr großes Interesse an meiner Dissertation gedankt. Mein Vater wäre sicherlich sehr stolz auf mich. Meiner Mutter danke ich von ganzem Herzen. Sie hat es mir ermöglicht, meine Ziele zu verwirklichen und mich in jeder Lebenslage liebevoll unterstützt. Meinen Eltern widme ich diese Arbeit. Stuttgart, im Januar 2017

Annemarie Dax

Inhaltsübersicht A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 II. Rechtliche Entwicklung des Sicherungsverwahrungsvollzugs . . . . . . . . . . . . . . . 34 B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs . . . . . . . . . 101 I. Zahlenmäßige Entwicklung der Sicherungsverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 II. Vollzugsrealität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 III. Erkenntnisse zur Behandelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 I. Entwicklung und Inhalt des Abstandsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 II. Gesetzgebungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 III. Das SichVAbstUmsG: Überblick und Ablauf der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . 176 IV. Vorgaben für den Sicherungsverwahrungsvollzug nach § 66 c Abs. 1 StGB . . . . 182 V. Vorgaben für den vorausgehenden Strafvollzug nach § 66 c Abs. 2 StGB . . . . . . 224 VI. Absicherung der Wirksamkeit des neuen Vollzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder – Interregional vergleichende Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 I. Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 II. Übersicht und Ablauf der Vergleichsuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 III. Grundsätze und Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 IV. Therapeutische Ausrichtung, vollzugsöffnende Maßnahmen und Entlassungsvorbereitung sowie soziale Hilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 V. Beteiligung Dritter und der Untergebrachten sowie Personalsituation . . . . . . . . . 396 VI. Unterbringung und Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 VII. Tagesstruktur durch Freizeit und Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 E. Abstandsgebot als Problemlöser? – Zusammenfassendes Fazit und Forderungen 492 I. Rechtliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 II. Tatsächliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495

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Inhaltsübersicht III. Grundsätzliche Forderungen an eine rationale Kriminalpolitik im Bereich der Sicherungsverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 IV. Umsetzung des „neuen“ Abstandsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 V. Problemlöser Abstandsgebot oder wirkliches Problem? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 VI. Konsequenz aus den Problemen des Abstandsgebots bei der Umsetzung . . . . . . 523

Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 637 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 646

Inhaltsverzeichnis A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1. Problemstellung und Ziel der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 2. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 II. Rechtliche Entwicklung des Sicherungsverwahrungsvollzugs . . . . . . . . . . . . . . . 34 1. Von den Anfängen bis zum StVollzG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 a) Einführung der Sicherungsverwahrung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 b) Nach dem Zweiten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 c) Nach Einführung des StVollzG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 2. Rechtslage seit Mitte der 1990er Jahre bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 a) Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Höchstfrist . . . . . . . . 51 b) Sachverhalt und Inhalt der Höchstdauerentscheidung vom 5.2.2004 . . . . 52 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 aa) Grundprinzipien und Menschenwürde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 bb) Abstandsgebot und praktische Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 d) Reaktionen der Rechtsprechung und des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . 59 3. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17.12.2009 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 a) Aufbau und Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 aa) Autonome Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 bb) Bindungswirkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 cc) Rückwirkung und praktische Ausgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 dd) Opferschutz und mehrpoliges Grundrechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . 71 c) Reaktionen der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 d) Reaktionen des Gesetzgebers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 4. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4.5.2011 . . . . . . . . . . . . . . . . 78 a) Sachverhalte und Entscheidungsformel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 b) Entscheidungsgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

12

Inhaltsverzeichnis aa) Neukonzeption und Schwierigkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (1) Paradigmenwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 (2) Doppelmandat und praktische Umsetzungsschwierigkeiten . . . . 89 bb) Kompetenz, Gewaltenteilung und Verfassungswidrigkeit . . . . . . . . . . 94 cc) Opferschutz und mehrpoliges Grundrechtsverhältnis . . . . . . . . . . . . . 96

B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs . . . . . . . . . 101 I. Zahlenmäßige Entwicklung der Sicherungsverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 1. Zahl der Anordnungen und Anzahl der Untergebrachten . . . . . . . . . . . . . . . . 103 2. Merkmale des Vollzugs und der Verwahrten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 a) Verweildauer und Ländervergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 b) Geschlechterverteilung, Familienstand, Ausländeranteil und sonstige Belastungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 c) Altersstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 d) Anlasstaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 e) Vorstrafen und Rückfallgefahr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 II. Vollzugsrealität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 1. Im Dritten Reich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 2. Nach dem Zweiten Weltkrieg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 3. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Unterbringungssituation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 b) Lockerungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 c) Therapeutische Betreuung und Personal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 d) Sozialtherapie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 e) Viktimisierungserfahrungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 III. Erkenntnisse zur Behandelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 1. Besondere Situation und Persönlichkeitsstruktur der Verwahrten . . . . . . . . . . 146 2. Zur Straftäterbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 3. Zur Behandlung von Tätern mit entsprechenden kriminogenen Risikofaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 I. Entwicklung und Inhalt des Abstandsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 1. Weg zur Konkretisierung und Maßstab . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 2. Gegenüberstellung mit dem Strafvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163

Inhaltsverzeichnis

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II. Gesetzgebungskompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 1. Leitlinienkompetenz des Bundes und Reaktionen der Literatur . . . . . . . . . . . 167 2. Vergleichbare Bundeskompetenzen und Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 III. Das SichVAbstUmsG: Überblick und Ablauf der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . 176 1. Inhalt des SichVAbstUmsG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. Untersuchung des Bundesrechts und Erkenntnisquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 IV. Vorgaben für den Sicherungsverwahrungsvollzug nach § 66 c Abs. 1 StGB . . . . 182 1. Behandlung und Betreuung nach Nr. 1 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 a) Psychiatrisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 b) Therapieoptimismus und „hoffnungslos Verwahrte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 aa) Realität und Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 bb) Forderungen zum Umgang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 c) Ruhestufe und Therapie bei Geeigneten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 aa) Meinungsstreit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 bb) Kriminologische Rechtfertigung und tatsächliche Anforderungen . . . 196 cc) Zusammenwirken mehrerer Bedingungen bei Therapie und Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 d) Drohende Zwangsbehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 2. Unterbringung nach Nr. 2 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 a) Unterschiedliche Relevanz der Neuregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 b) Ausnahmen vom Trennungsgebot aus behandlerischen Gründen . . . . . . . 206 3. Vollzugsöffnende Maßnahmen, Entlassungsvorbereitung und nachsorgende Betreuung nach Nr. 3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 a) Bedeutung der vollzugsöffnenden Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 b) Normative Besserstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 213 4. § 2 ThUG und Therapieunterbringung im Sicherungsverwahrungsvollzug . . 216 5. Fazit und Vergleich zum Strafvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 V. Vorgaben für den vorausgehenden Strafvollzug nach § 66 c Abs. 2 StGB . . . . . . 224 1. Sonderbehandlung und Rechtfertigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 2. Einbeziehung in ein vikariierendes System . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 3. Nachbesserungsbedarf aufgrund fehlender Verweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 229 4. Hervorhebung der sozialtherapeutischen Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 232 VI. Absicherung der Wirksamkeit des neuen Vollzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233

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Inhaltsverzeichnis 1. Unverhältnismäßigkeit der Sicherungsverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 a) Aussetzung zur Bewährung nach § 67 c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB und § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 b) Differenzierungen bei der Gesamtbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 237 c) Rechtsfolgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 d) Nachbesserungsbedarf wegen fehlender Verweise auf § 66 c Abs. 1 Nr. 2 b und Nr. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 2. Umsetzung des Kontroll-, Rechtsschutz- und Unterstützungsgebots . . . . . . . 247 a) Strafvollzugsbegleitende gerichtliche Kontrolle bei latenter Sicherungsverwahrung nach § 119 a StVollzG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 b) Vollstreckbarkeit gerichtlicher Entscheidungen nach § 120 StVollzG . . . . 249 c) Beiordnung eines Pflichtverteidigers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 d) Überprüfungsfrist in § 67 e StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 e) Zwingende Begutachtungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder – Interregional vergleichende Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 I. Gesetzgebungsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 1. Föderalismusreform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 2. Übertragung auf die SVVollzGe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 II. Übersicht und Ablauf der Vergleichsuntersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 1. Aufbau der SVVollzGe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 2. Methodisches Vorgehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 a) Notwendigkeit einer interregional vergleichenden Analyse . . . . . . . . . . . 271 b) Beschränkung auf zentrale Themenbereiche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 c) Ablauf der Untersuchung und Erkenntnisquellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 III. Grundsätze und Ziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 1. Bisherige Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 2. Ziele und Aufgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 a) Überblick und verwendete Begriffe (Aufgabe oder Ziel) . . . . . . . . . . . . . . 285 b) Gefährlichkeitsminimierung als kleinster Nenner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 c) Schutz der Allgemeinheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 d) Besonderheiten des BaySvVollzG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 3. Vollzugsgrundsätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 b) Charakter als Programmsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 297 c) Abstufung in der Ausrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299

Inhaltsverzeichnis

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d) Angleichungs- und Öffnungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 e) Gegensteuerungsgrundsatz und besondere Zusätze einiger Länder . . . . . . 302 4. Stellung und Rechte der Sicherungsverwahrten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 a) Generalklausel und rechtsstaatliche Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 b) Besonderheiten des Nds. SVVollzG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 c) Ordnungsklauseln der anderen SVVollzGe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 308 d) Problematische Vorschriften im Zusammenhang mit Sicherheit und Ordnung 310 e) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 311 f) Disziplinarmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 5. Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 a) Freiheit und Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 b) Disziplinarmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 IV. Therapeutische Ausrichtung, vollzugsöffnende Maßnahmen und Entlassungsvorbereitung sowie soziale Hilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 1. Bisherige Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 a) Betreuung und Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 b) Lockerungen, Urlaub und Entlassungsvorbereitung sowie soziale Hilfe . . 324 2. Therapeutische Ausrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 a) Anspruch auf Betreuung und Behandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 b) Anzubietende Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 c) Konkretisierung der Behandlungsmethoden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 d) Übergangsprozess und Unterstützungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 e) Eingangsuntersuchung und anschließende Behandlungsuntersuchung . . . 337 f) Vollzugs- und Eingliederungsplan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 3. Fristenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 a) Grundsätzliche Vorgehensweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 b) Fristen der Vollzugsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 c) Vorbild: Konzept JVA Brandenburg a. d. H. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 d) Fristen der Eingliederungsplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 4. Mitwirkung, Motivierung und Anreizsysteme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 a) Mitwirkungsappell . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 b) Zusammenhang zwischen Mitwirkung und Motivierung . . . . . . . . . . . . . 349 c) Sinn und Zulässigkeit eines Anreizsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 d) Umsetzung des Anreizsystems . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355 aa) Fehlende Konkretisierung und unabwägbare Standards . . . . . . . . . . . 355 bb) Monetäre Anreize . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357

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Inhaltsverzeichnis 5. Vollzugsöffnende Maßnahmen und Entlassungsvorbereitung . . . . . . . . . . . . . 361 a) Anspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 b) Zwingende Ausführungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 c) Beteiligte an der Entscheidung über die Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 aa) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369 bb) Strafvollstreckungskammer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 370 cc) Aufsichtsbehörde und Sachverständige . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 372 d) Vorbereitung der Entlassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 373 e) Übergangsmanagement und nachgehende Betreuung . . . . . . . . . . . . . . . . 376 6. Soziale Hilfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 378 7. Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 a) Behandlungsmaßnahmen und -setting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 380 aa) Gemeinsamkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 bb) Unterschiede . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 384 b) Motivierung, Therapiepausen und konkrete Ausgestaltung des Anreizsystems 385 c) Vollzugsöffnende Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 d) Übergangsmanagement und Nachsorge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 8. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 V. Beteiligung Dritter und der Untergebrachten sowie Personalsituation . . . . . . . . . 396 1. Bisherige Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 396 2. Kooperation mit Dritten außerhalb des Vollzugs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 a) Grundregel und verschiedene Beteiligungsphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 b) Ziele, Probleme und Änderungsvorschläge . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 399 3. Einbeziehung der Untergebrachten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 4. Opferbezogene Vollzugsgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 a) Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405 b) Allgemeines Prinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 408 c) Berücksichtigung bei vollzugsöffnenden Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . 410 d) Beschränkungen der Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 411 e) Opferinformationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 5. Bedienstete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 a) Personalausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 b) Belastungen und gesetzgeberische Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 416 c) Dokumentationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 418 d) Finanzielle Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420 e) Anstaltsleitung und Trennungsgebot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422

Inhaltsverzeichnis

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6. Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 a) Einbeziehung Dritter und Untergebrachter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 423 b) Dokumentation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 425 c) Personalausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 7. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 430 VI. Unterbringung und Versorgung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 1. Bisherige Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 431 2. Räumlich-bauliche Unterbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 433 a) Vergleichsmaßstab und Ausstattung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 b) Raumgröße . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 3. Wohngruppenvollzug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 4. Einschlusszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 5. Selbstverpflegung und (Haft-)Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 6. Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 a) Räumlich-bauliche Unterbringung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 452 b) Binnendifferenzierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 c) Einschlusszeiten und Selbstverpflegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459 7. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 VII. Tagesstruktur durch Freizeit und Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 1. Bisherige Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 2. Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 a) Überblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 b) Arbeitspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 466 c) Taschengeld und soziale Absicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 d) Erhöhte Vergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 471 3. Kommunikation und Besitz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 a) Telekommunikation und Internet . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 b) Heranführung an Neue Medien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 475 c) Besitz am Bsp. des Computers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477 d) Schriftwechsel und Pakete . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 480 4. Besuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 482 5. Umsetzung in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 6. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 490

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Inhaltsverzeichnis

E. Abstandsgebot als Problemlöser? – Zusammenfassendes Fazit und Forderungen 492 I. Rechtliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 492 II. Tatsächliche Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 495 III. Grundsätzliche Forderungen an eine rationale Kriminalpolitik im Bereich der Sicherungsverwahrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 1. Rückbesinnung auf den Ultima-Ratio-Gedanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 498 2. Rückbesinnung auf empirische Erkenntnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 501 IV. Umsetzung des „neuen“ Abstandsgebots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 502 1. Bundesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 2. Landesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 506 V. Problemlöser Abstandsgebot oder wirkliches Problem? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 1. Zweifelhafte Legitimationsgrundlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 a) Zweispurigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 510 b) Sonderopfer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 512 c) Gefährlichkeitsprognose . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 515 d) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 517 2. Praktische Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 518 VI. Konsequenzen aus den Problemen des Abstandsgebots bei der Umsetzung . . . . 523 1. Eigene Sicherungsanstalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 524 2. Alternativen zum Abstandsgebot und der Sicherungsverwahrung . . . . . . . . . 526 3. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 529 Anhang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 533 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 585 Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 637 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 646

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis Tabelle 1:

Anzahl der Vorstrafen (in 10-Jahresschritten) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117

Tabelle 2:

Synopse zu § 66 c Abs. 1 Nr. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219

Tabelle 3:

Synopse zu § 66 c Abs. 1 Nr. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221

Tabelle 4:

Synopse zu § 66 c Abs. 1 Nr. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222

Tabelle 5:

Aufbau von StVollzG, ME-SVVollzG und GE-SVVollzG im Vergleich 267

Tabelle 6:

Synopse der Ziele und Aufgaben vor und nach dem 1.6.2013 . . . . . . . . 286

Tabelle 7:

(Unterschiedliche) Konkretisierungen der Behandlungsmethoden . . . . 332

Tabelle 8:

Anspruch auf vollzugsöffnende Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363

Tabelle 9:

Beteiligung an der Entscheidung über die Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 369

Tabelle 10:

Berücksichtigung des Opfers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406

Tabelle 11:

Räumlich-bauliche Ausgestaltung in den SVVollzGen . . . . . . . . . . . . . 437

Tabelle 12:

Räumlich-bauliche Unterbringung in den Konzepten . . . . . . . . . . . . . . 454

Tabelle 13:

Einschlusszeiten und Aufenthalt im Freien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 459

Abbildung 1:

Vergleich der Anordnungen und Anzahl der Untergebrachten von 1961– 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106

Abbildung 2:

Untergebrachte am 31.3.2016 im Ländervergleich . . . . . . . . . . . . . . . . 110

Abbildung 3:

Alter der Sicherungsverwahrten in den letzten zehn Jahren . . . . . . . . . 112

Abbildung 4:

Altersverteilung der Sicherungsverwahrten im Vergleich 1995 und 2015 113

Abbildung 5:

Anlasstaten der Sicherungsverwahrten 1995 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

Abbildung 6:

Anlasstaten der Sicherungsverwahrten 2015 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115

Abbildung 7:

Vollzugslockerungen im Strafvollzug und in der Sicherungsverwahrung 135

Abbildung 8:

Therapeutische Maßnahmen im Vergleich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140

Abbildung 9:

Art, Durchführung und Verlauf therapeutischer Maßnahmen . . . . . . . . 142

Abbildung 10: Wechselwirkungen bei Therapie und Motivation . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200

20

Tabellen- und Abbildungsverzeichnis

Anhang Tabelle A1:

SVVollzGe, Gesetzgebungsverfahren, Abteilungen und Konzepte . . . . 533

Tabelle A2:

Beschränkungen der Rechte der Verwahrten nach dem Nds. SVVollzG 544

Tabelle A3:

Umgang mit dem Begriff der Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 545

Tabelle A4:

Überblick über zulässige Disziplinarmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . 548

Tabelle A5:

Gegenüberstellung der Behandlungsansprüche sowie -methoden . . . . . 550

Tabelle A6:

Ausnahmen vom Trennungsgrundsatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 551

Tabelle A7:

Fristenregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 553

Tabelle A8:

Finanzielle Zusatzleistungen für Mitarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 557

Tabelle A9:

Regelungen zur Entlassungsvorbereitung und Eingliederung . . . . . . . . 560

Tabelle A10:

Kooperationen in verschiedenen Stadien des Vollzugs . . . . . . . . . . . . . 563

Tabelle A11:

Einbeziehung der Untergebrachten in ausgewählten Bereichen . . . . . . 571

Tabelle A12:

Ausgewählte Regelungen zu Personal und Anstaltsleitung . . . . . . . . . . 575

Tabelle A13:

Verwahrte und vorhandene Stellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 578

Tabelle A14:

Vergleich der Vorschriften zur Beschäftigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 581

Tabelle A15:

(Nicht-)Finanzielle Anerkennung vor und nach dem 1.6.2013 . . . . . . . 582

Abkürzungsverzeichnis a. A. am Anfang Abb. Abbildung Abg. Abgeordnete/r Abs. Absatz am Ende a. E. AE Alternativentwurf ähnl. ähnlich ÄndG Änderungsgesetz a. F. alte/r Fassung AJDG Ausschuss für Justiz, Datenschutz und Gleichstellung Hamburg Ad Legendum AL allg. allgemein and. anders Anm. Anmerkung APr Ausschussprotokoll APr A/RA 18/18 Ausschussprotokoll der 18. Sitzung des Rechtsausschusses der Bremischen Bürgerschaft der 18. Wahlperiode am 6. März 2013, Anhörung zum BremSVVollzG-E Protokoll der 45. Sitzung des Verfassungs-, Rechts- und Apr 5/1–45 A-2 Europaausschusses der 5.  Wahlperiode des Sächsischen Landtags am 27.2.2013 zum SächsSVVollzG-E Kurzprotokoll der 34. Sitzung des Europa- und RechtsausAPr 6/34 schuss der 6. Wahlperiode am 6. März 2013 zum SVVollzG M-V-E Protokoll der 19. Sitzung des rheinland-pfälzischen RechtsAPr 16/19 ausschusses der 16. Wahlperiode am 26.2.2013 u. a. zum LSVVollzG-E APr 16/167 Ausschussprotokoll über die 12.  Sitzung des Rechtsausschusses der 16. Wahlperiode am 20. Februar 2013 zum SVVollzG NRW-E Art. Artikel ARV Ausschuss für Rechts- und Verfassungsfragen Niedersachsen ARV Pr 16/123&124 Niederschrift über die 123. – öffentliche – und die 124. – öffentliche – Sitzung des Ausschusses für Rechts- und Verfassungsfragen am 5. September 2012 der 16. Wahlperiode zum Nds. SVVollzG-E AT Allgemeiner Teil ausdrückl. ausdrücklich ausführl. ausführlich

22

Abkürzungsverzeichnis

Allgemeinverfügung; Allgemeine Verfügung Allgemeiner Vollzugsdienst Ausschuss für Verfassungs- und Rechtsangelegenheiten, Verbraucherschutz, Geschäftsordnung Berlin Bay Bayern/bayerisch BayStVollzG Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der Jugendstrafe Gesetz über den Vollzug der Sicherungsverwahrung und BaySvVollzG der Therapieunterbringung Bayerischer Verfassungsgerichtshof Bay. VGH Brandenburg; brandenburgisch Bbg Brandenburg an der Havel Bbg a. d. H. Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe, der JugendBbJVollzG strafe und der Untersuchungshaft im Land Brandenburg Verordnung über die Vergütungsstufen der AusbildungsBbgJVollzSVVergO beihilfe, des Arbeitsentgelts und der finanziellen Anerkennung nach dem Brandenburgischen Justizvollzugsgesetz und nach dem Brandenburgischen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz Gesetz über den Vollzug der Unterbringung in der SicheBbgSVVollzG rungsverwahrung im Land Brandenburg Bd. Band BeckOK Beck’scher Online-Kommentar Begr. Begründung BePr Beschlussprotokoll Beschl. Beschluss BeschlEmpf Beschlussempfehlung BewHi Bewährungshilfe Bf. Beschwerdeführer BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHSt Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen (zitiert nach Band und Seite) BJM Bundesjustizminister/in BlfGfk Blätter für Gefängniskunde Berlin/er; berlinerisch Bln BlStVK Blätter für Strafvollzugskunde, Beilage zum Vollzugsdienst Bundesjustizministerium, seit 17.12.2013 BMJV BMJ BMJV Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz BRAK Bundesrechtsanwaltskammer BRat Bundesrat BRD Bundesrepublik Deutschland BR-Drs. Bundesratsdrucksache (zitiert nach Wahlperiode und Nummer) Bremen/er; bremisch Brem BremStVollzG Bremisches Strafvollzugsgesetz BremSVVollzG Bremisches Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz

AV AVD AVRVG

Abkürzungsverzeichnis

23

BReg Bundesregierung BR-PlPr Bundesrat-Plenarprotokoll (zitiert nach Sitzungsnummer) BSBD Bund der Strafvollzugsbediensteten Deutschland, Gewerkschaft Strafvollzug Bsp./Bspe./Bspen. Beispiel/Beispiele/Beispielen bsph. beispielhaft bspw. beispielsweise Deutscher Bundestag BT BT-Drs. Bundestagsdrucksache (zitiert nach Wahlperiode und Nummer) Bundestag-Plenarprotokoll (zitiert nach Wahlperiode und BT-PlPr Nummer) Bundesvereinigung der Anstaltsleiter und AnstaltsleiteBVAJ rinnen im Justizvollzug e. V. BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (zitiert nach Band und Seite) BVerfGK Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (zitiert nach Band und Seite) Baden-Württemberg; baden-württembergisch BW bzgl. bezüglich BZRG Bundeszentralregister bzw. beziehungsweise ca. circa Commissioner for Human Rights CommDH CPT Committee for the Prevention of Torture Deutscher Anwaltverein DAV DDR Deutsche Demokratische Republik ders. derselbe DGPPN Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde das heißt d. h. dies. dieselbe/n diesbzgl. diesbezüglich/e/r DÖV Die Öffentliche Verwaltung Deutsche Polizeigewerkschaft DPolG DRB Deutscher Richterbund DRiZ Deutsche Richterzeitung DVBl. Deutsches Verwaltungsblatt Dienst- und Vollzugsordnung DVollzO E Entwurf E 1962 Entwurf eines Strafgesetzbuchs mit Begründung, Bonn 1962 ebda. ebenda ebso. ebenso Eckpunktepapier BMJ Erste Vorschläge („Eckpunkte“) des Bundesministeriums der Justiz für die Umsetzung des BVerfG-Urteils vom 4. Mai 2011 vom 19.7.2011

24

Abkürzungsverzeichnis

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte EGMR EGStGB Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch Einl. Einleitung EKMR Europäische Kommission für Menschenrechte EMRK Europäische Menschenrechtskonvention EPR Europäische Strafvollzugsgrundsätze des Europarates (European Prison Rules) et alii, et aliae, et alia et al. Europäische Grundrechte Zeitschrift EuGRZ f. folgende (Seite oder Randnummer) FA Führungsaufsicht FamFG Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Frankfurter Allgemeine Zeitung FAZ Fortschritte der Neurologie und Psychiatrie FDN ff. fortfolgende (Seite oder Randnummer) Fn. Fußnote/n Forens Psychiatr Psychol Kriminol Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie Forum Strafvollzug FS Forensisch-therapeutische Nachsorge-Ambulanz Berlin FTA Goltdammer’s Archiv für Strafrecht GA Gewerkschaft der Polizei GdP GE-SVVollzG Ergebnisse der Länderarbeitsgruppe: Grundlagenentwurf SVVollzG Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über GewVbrG Maßregeln der Besserung und Sicherung Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland GG ggf. gegebenenfalls ggü. gegenüber GPA/GPAen Gefangenenpersonalakte/n grds. Grundsatz/grundsätzlich GroKo Große Koalition GStA Generalstaatsanwalt/Generalstaatsanwälte Gesetz- und Verordnungsblatt GVBl. GVG Gerichtsverfassungsgesetz H Hessen/hessisch h. A. herrschende Ansicht Haftkostenbeiträge-Bek. 2015 Bekanntmachung der Feststellung der Haftkostenbeiträge im Kalenderjahr 2015 hins. hinsichtlich HK Handkommentar h. M. herrschende Meinung Hmb Hamburg/hamburgisch Hamburgisches Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe HmbStVollzG Hamburgisches Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe HmbStVollzG 2007 vom 14. Dezember 2007 Hamburgisches Gesetz über den Vollzug der SicherungsHmbSVVollzG verwahrung

Abkürzungsverzeichnis

25

HRR-Strafrecht.de, Online-Zeitschrift und Rechtsprechungsdatenbank Hrsg. Herausgeber Hs. Halbsatz HStVollzG Hessisches Strafvollzugsgesetz HSVVollzG Hessisches Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz in der Fassung i. d. F. in der Regel i. d. R. in dem Sinn, in diesem Sinne i. d. S. i. E. im Ergebnis im engeren Sinne i. e. S. insbes. insbesondere i. R. d./i. R. v./i. R. e. im Rahmen des/im Rahmen von/im Rahmen eines im Sinne des/im Sinne von/im Sinne eines i. S. d./i. S. v./i. S. e. im Übrigen i. Ü. i. V. m. in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter JA JGG Jugendgerichtsgesetz JMBl. Justizministerialblatt Juristische Rundschau JR JStVollzG Jugendstrafvollzugsgesetz/e JuMi Justizminister/in, Justizministerium JuMiKo Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister JuS Juristische Schulung JVA/JVAen Justizvollzugsanstalt/en JVB Organ des Landesverbandes der bayerischen Justizvollzugsbediensteten e. V. JVollzGB (I–V) Justizvollzugsgesetzbuch Baden-Württemberg (Buch 1– Buch 5) JZ Juristenzeitung keine Angabe k. A. KD Kriminologischer Dienst KfN Kriminologisches Institut Niedersachsen e. V. Kritische Justiz KJ KommE Kommissionsentwurf Kriminologische Gesellschaft KrimG KrimJ Kriminologisches Journal KrimPäd Kriminalpädagogische Praxis KrimZ Kriminologische Zentralstelle Wiesbaden krit. kritisch Kriterienkatalog Kriterienkatalog für die Neuausrichtung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung vom 30.11.2010 einer Länderarbeitsgruppe mit Ausnahme Bremens, unveröffentlicht Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und RechtKritV sprechung KZ Konzentrationslager LfD Landesbeauftragter für Datenschutz LG Landgericht HRRS

26

Abkürzungsverzeichnis

Lit. Literatur LJVollzG Landesjustizvollzugsgesetz LK Leipziger Kommentar LReg Landesregierung Ls. Leitsatz LSA Sachsen-Anhalt LStVollzG/e/en Landesstrafvollzugsgesetz/e/en Landessicherungsverwahrungsvollzugsgesetz RheinlandLSVVollzG Pfalz LT Landtag LT-Drs.  Landtagsdrucksache LTO Legal Tribune Online Landesverordnung über die Vergütungsstufen in JustizLVergVollzVO vollzug und Sicherungsverwahrung (LVergVollzVO) vom 24. Mai 2013, GVBl. 2013, S. 155 Landesverband soziale Rechtspflege LVSR mit anderen Worten m. a. W. Ministerium der Justiz MdJ ME-SVVollzG Musterentwurf eines Landessicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes vom 11.6.2012 mind. mindestens MonKrimBiol Monatsschrift für Kriminalbiologie und Strafrechtsreform MPräs Ministerpräsident/in MschrKrim Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform Münchener Kommentar MüKo M-V Mecklenburg-Vorpommern mit weiteren Nachweisen m. w. N. m. W. v. mit Wirkung vom Nds.  Niedersachsen/niedersächsisch Nds. SVVollzG Niedersächsisches Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz neuer Fassung n. F. NJ Neue Justiz NJVollzG Niedersächsisches Justizvollzugsgesetz Neue Juristische Wochenschrift NJW Nomos Kommentar NK Neue Osnabrücker Zeitung NOZ Nr. Nummer NRV Neue Richtervereinigung e. V., Zusammenschluss von Richterinnen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwälten e. V. NRW Nordrhein-Westfalen NStZ Neue Zeitschrift für Strafrecht NStZ-RR Neue Zeitschrift für Strafrecht – Rechtsprechungsreport nSV nachträgliche Sicherungsverwahrung Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht NVwZ o. oben o. ä. oder ähnliches OG Oberstes Gericht der DDR

Abkürzungsverzeichnis

27

OLG Oberlandesgericht PKH Psychiatrisches Krankenhaus PlPr Plenarprotokoll (jeweils mit Landeskürzel) Pr Protokoll P-RA 5/38 Protokoll der Anhörung u. a. zum BbgSVVollzG-E des Rechtsausschusses des Landtags von Brandenburg in der 38. Sitzung der 5. Wahlperiode am 21.2.2013 Wortprotokoll/Protokoll der öffentlichen Sitzung des AusPr AJDG Nr. 20/22 NEUF schusses für Justiz, Datenschutz und Gleichstellung der Anhörung der 20. Wahlperiode zum HmbSVVollzG-E am 2. April 2013 Periodischer Sicherheitsbericht PSB Psychiat Prax Psychiatrische Praxis Rechtsausschuss; Rechtsanwalt/wältin RA Protokoll des Rechtsausschusses des Bundestages (WahlRAPr periode/Protokollnummer) Arbeitskreis zur Sicherungsverwahrung (Rechtsstaatliche RASV Alternativen zur Sicherungsverwahrung) Republikanischer Anwältinnen- und Anwälteverein e. V. RAV RegBl. Regierungsblatt RegE Regierungsentwurf REV Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung des Landes Sachsen-Anhalt Textdokumentation über die öffentliche Anhörung in der 6/REV/22 22.  Sitzung des Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung der 6.  Wahlperiode am 25.  Januar 2013 zum SVVollzG LSA-E RGBl. Reichsgesetzblatt RGSt Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen (zitiert nach Band und Seite) Rechts- und Integrationsausschuss RIA RIA/18/48-UJV/18/37 Öffentliche mündliche Anhörung zum HSVVollzG-E im RIA (48 Sitzung) und UJV (37. Sitzung) der 20. Wahl­ periode am 28.11.2012 RiOLG Richter am Oberlandesgericht Referentin beim Justizvollzugsbeauftragten RJB RJM Reichsjustizministerium, Reichsjustizminister RlP Rheinland-Pfalz/rheinland-pfälzisch Rn.  Randnummer/n RNR Risk Need Responsibility RP Rheinische Post R&P Recht und Psychiatrie Rpfleger Der deutsche Rechtspfleger RP JBl. Justizblatt Rheinland-Pfalz Rspr. Rechtsprechung RStGB Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich RuP Recht und Praxis RuStAnz Reichs- und Staatsanzeiger

28

Abkürzungsverzeichnis

s./S. siehe/Seite s. a. siehe auch S/Sächs Sachsen/sächsisch SächsStVollzG Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und des Strafarrests im Freistaat Sachsen SächsSVVollzG Gesetz über den Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im Freistaat Sachsen Schleswig-Holsteinische Anzeigen SchlHA SexualdelBekämpfG Gesetz zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten SH Schleswig-Holstein/schleswig-holsteinisch SH RA 18/28 Niederschrift der 28. Sitzung des Innen- und Rechtsausschusses Schleswig-Holsteins der. 18. Wahlperiode zum SVVollzG SH-E am 10.4.2013 Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des AbstandsSichVAbstUmsG gebots im Recht der Sicherungsverwahrung Gesetz zur Neuordnung der Sicherungsverwahrung SichVNOG SK Systematischer Kommentar SL Saarland/saarländisch/e Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe im Saarland SLStVollzG Gesetz Nr. 1807 zum Vollzug der Sicherungsverwahrung SLSVVollzG im Saarland siehe oben s. o. sog. sogenannte Sozialtherapie; Sozialtherapeutische Anstalt/en SothA StA Staatsanwaltschaft StÄndG Strafrechtsänderungsgesetz StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozessordnung StraFo Strafverteidigerforum StRG Strafrechtsreformgesetz StRR Strafrechtsreport st. Rspr. ständige Rechtsprechung StrUBG Straftäter-Unterbringungsgesetz StrVerfSta Strafverfahrensstatistik Allgemeinverfügung des Reichsjustizministers zur VerStrVollzO einheitlichung der Dienst- und Vollzugsvorschriften für den Strafvollzug im Bereich der Reichsjustizverwaltung StV Strafverteidiger StVK Strafvollstreckungskammer/n StVollstrO Strafvollstreckungsordnung StVollzG Strafvollzugsgesetz StVollzG M-V Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe in Mecklenburg-Vorpommern Gesetz zur Regelung des Vollzuges der Freiheitsstrafe in StVollzG NRW Nordrhein-Westfalen StrVollzSta Strafvollzugsstatistik s. u. siehe unten

Abkürzungsverzeichnis

29

Sicherungsverwahrung; Sicherungsverwahrte/r Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe bei Gefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung in Schleswig-Holstein SVV Sicherungsverwahrungsvollzug SVVollzG/e/en Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz/e/en Gesetz über den Vollzug der Sicherungsverwahrung in Berlin SVVollzG Bln SVVollzG LSA Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz Sachsen-Anhalt Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz Mecklenburg-VorSVVollzG M-V pommern Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz Nordrhein-WestfaSVVollzG NRW len Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz Schleswig-Holstein SVVollzG SH Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch ThUG gestörter Gewalttäter (Therapieunterbringungsgesetz) Thüringen; thüringisch Thür ThürErgVollzG Thüringer Strafvollzugs- und Jugendstrafvollzugsergänzungsgesetz Thüringer Justizvollzugsgesetzbuch ThürJVollzGB ThürSVVollzG Thüringer Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz u.  unten u. a. unter anderem Unterausschuss Justizvollzug Hessen UJV umstr.  umstritten Urt. Urteil/e und so weiter usw. u. U. unter Umständen v. von; vom vor allem v. a. VerfGH Verfassungsgerichtshof VF Ausschuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz Bayern Protokoll der Anhörung zum BaySvVollzG-E im Aus16/92. VF schuss für Verfassung, Recht, Parlamentsfragen und Verbraucherschutz, 92.  Sitzung in der 16.  Wahlperiode am 7.2.2013 (Bayern) VGH Verfassungsgerichtshof vgl. vergleiche VLN Vereinigung der Leiter und Leiterinnen der Einrichtungen des Justizvollzuges des Landes Niedersachsen e. V. VNSB Verband Niedersächsischer Strafvollzugsbediensteter e. V. VollzD Der Vollzugsdienst VollzVO Verordnung über den Vollzug von Freiheitsstrafen und von Maßregeln der Sicherung und Besserung, die mit Freiheitsentziehung verbunden sind Vorbem. Vorbemerkung Vorgänge Vorgänge. Zeitschrift für Bürgerrechte und Gesellschaftspolitik SV SVStVollzG SH

30

Abkürzungsverzeichnis

Ausschuss für Justiz, Verfassungs- und Rechtsfragen sowie Wahlprüfung des Saarlandes Protokoll der Anhörung im Ausschuss für Justiz, VerfasVR 15/21 sungs- und Rechtsfragen sowie Wahlprüfung des Land­ tages des Saarlandes in der 15. Wahlperiode am 11.4.2013 in der 21. Sitzung zum SLSVVollzG-E Sächsischer Verfassungs-, Rechts- und Europaausschuss VREA vs. versus VV Verwaltungsvorschrift/en; Verwaltungsvorschriften zum Strafvollzugsgesetz VwGO Verwaltungsgerichtsordnung wg. wegen Wortprotokoll Recht 17/19 Wortprotokoll in der 17. Wahlperiode und der 19. Sitzung des AVRVG am 13.2.2013 zur Anhörung zum Gesetz über den Vollzug der Sicherungsverwahrung in Berlin (Berliner Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz – SVVollzG Bln) zum Beispiel z. B. ZD Zeitschrift für Datenschutz ZfRSoz Zeitschrift für Rechtssoziologie Zeitschrift für Strafvollzug ZfS Zeitschrift für Strafvollzug und Straffälligenhilfe ZfStrVo Zentrum für Integrative Psychiatrie gGmbH Kiel ZIP Zeitschrift für das Internationale Strafrecht ZIS ZJJ Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe Zeitschrift für das Juristische Studium ZJS ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft ZStW z. T. zum Teil zusätzl. zusätzlich/e/r z. Z. zur Zeit zzgl. zuzüglich VR

A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung „… Gesetzgeberische Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem im Rahmen des Vollzugs …?“1

I. Einleitung 1. Problemstellung und Ziel der Arbeit Nachdem Ende der 1990er Jahre noch die Abschaffung der Sicherungsverwahrung diskutiert wurde, erlebte sie seit Beginn des 21. Jahrhunderts eine regelrechte Renaissance.2 Ungeachtet der wissenschaftlichen Kritik baute der Gesetzgeber das Rechtsinstitut in materiell-rechtlicher Hinsicht umfassend aus.3 Das Strafrecht und im Speziellen die Maßregel der Sicherungsverwahrung wurden und werden allem Anschein nach von der Öffentlichkeit und Politik als „Problemlösungsmittel“4 schlechthin und nicht „nur“ als Ultima Ratio begriffen. Dem haben die Urteile des EGMR vom 17.12.20095 sowie des BVerfG vom 4.5.20116 ein vorläufiges Ende bereitet. In der Argumentation des EGMR spielte die tatsächliche Situation im Vollzug der Sicherungsverwahrung eine wesentliche Rolle. Die Richter des BVerfG erklärten weite Bereiche des Rechts der Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig.7 Sie konkretisierten ihr bereits in einem Urteil von 20048 auf 1

Köhne, JR 2009, 274 krit. zur Rspr. des BVerfG aus dem Jahre 2004. Laubenthal, ZStW 2004, 703 ff.; s. a. Feest, Vorgänge 2014, 34; Fischer 2016, § 66 Rn. 21 sowie Einl. Rn. 12 ff.; Pollähne, GRR 2007, 69 m. w. N.; Argumente zur Abschaffung bei Weber/ Reindl, NK 2001, 16 ff.; Blau 1998, 759, 761: „Die Sicherungsverwahrung – ein Nekrolog?“ 3 Vgl. zur Kritik Kreuzer, NK 2010, 89. 4 Mushoff  2008, 584; krit. zur Politik s. Greiner, Kriminalistik 2001, 650; Rautenberg, NJW 2001, 2608 f.; Kreuzer, KrimPäd 2004, 6; Dünkel/Maelicke, NK 2004, 131 ff.; zu populistischen Äußerungen Dollinger/Lampe et al., KrimJ 2015, 7 ff.; Möllers 2012, 106 ff. insbes. Fn. 321. 5 EGMR, Urt. vom 17.12.2009 – 19359/04, M ./. Deutschland – bei juris; die englische Version ist online abrufbar unter hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-96389; ab­ gedruckt in NJW 2010, 2495. 6 BVerfG, Urt. vom 4.5.2011  – 2 BvR 2333/08, 2 BvR 2365/09, 2 BvR 571/10, 2 BvR 740/10, 2 BvR 1152/10, BVerfGE 128, 326. 7 Ausgespart blieben der vollstreckungsrechtliche § 67 a Abs. 2 StGB, die besondere richterliche Überprüfungspflicht nach § 67 c StGB, das Eintreten der FA gemäß § 67 d Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 S. 2 StGB, die Regelung über den Widerruf nach § 67 g StGB sowie die Übergangsvorschrift des Art. 316 e Abs. 3 EGStGB. Zudem wurde die Überprüfungsfrist von zwei Jahren des § 67 e Abs. 2 Fall 3 StGB in den Gründen als verfassungswidrig eingestuft (vgl. BVerfGE 128, 384), nicht jedoch in den Tenor (vgl. BVerfGE 128, 329 ff.) aufgenommen. 8 BVerfG, Urt. vom 5.2.2004 – 2 BvR 2029/01, BVerfGE 109, 133 ff. 2

32

A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung

gestelltes Abstandsgebot und gaben dem Bund und den Ländern auf, bis zum 31.5.2013 ein Gesamtkonzept der Sicherungsverwahrung zu entwickeln und normativ festzuschreiben, welches diesem verfassungsrechtlichen Gebot Rechnung trägt. In der seither um die Sicherungsverwahrung umso mehr geführten Debatte kann auf der einen Seite zwischen der Thematisierung des Anwendungsbereichs und der Frage nach ihrer Berechtigung an sich und den konkreten Vollzugsbedingungen auf der anderen Seite unterschieden werden. Die Vollzugsseite war bisher wissenschaftlich wie rechtspolitisch deutlich „unterbelichtet“9 und soll daher Gegenstand dieser Arbeit sein. Es stellt sich die Frage, ob für optimistische Äußerungen wie diejenige der ehemaligen Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger Raum bleibt und das „Gesetz zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstands­ gebots im Recht der Sicherungsverwahrung“ vom 5.12.201210 „das Recht der Sicherungsverwahrung nunmehr wieder auf eine grundrechtlich und rechtsstaatlich solide Basis gestellt“ und das „Rechtsprechungschaos“ beseitigt hat.11 Dafür sollen die genannten gesetzgeberischen Aktivitäten, die ihnen vorausgehenden rechtlichen und tatsächlichen Entwicklungen des Vollzugs und insbesondere das vom BVerfG postulierte und mit der jüngsten Entscheidung ausgebaute Abstandsgebot auf einen kritischen Prüfstand gestellt werden. Es ist zu ermitteln, inwiefern dem eingangs erwähnten Zitat Recht zu geben ist, dass dogmatisch-theoretisch Ungleiches auf Vollzugsgesetzesebene gleich behandelt, ob dieser Gleichbehandlung ggf. abgeholfen wurde oder das Gebot des Abstands trotz neuer Bundes- und Landesgesetzgebung nur eine „Illusion“12 bleibt. Auf die Sicherungsverwahrung als Rechtsinstitut im zweispurigen System bzw. ihrer Anordnungsmodalitäten an sich geht diese Arbeit nicht im Grundsatz, sondern vorwiegend zur besseren Nachvollziehbarkeit der Entwicklung des Abstandsgebots und des Sicherungsverwahrungsvollzugs ein.13 Wie ein Blick in die gängigen Kommentare vor den §§ 61 ff. bzw. zum § 66 StGB zeigt, ist die Frage nach Sinn und Zweck der Maßregeln der Besserung und Sicherung, der Sinnhaftigkeit der Zweispurigkeit sowie der allgemeinen Kritik am Rechtsinstitut der Sicherungsverwahrung v. a. eine Frage des Straf- bzw. Sanktionenrechts und nicht des hier v. a. interessierenden Vollzugsrechts.

9

Dazu Frisch, ZStW 1990, 708 f.; ähnl. Krahl, KritV 2009, 311; vgl. ebso. das Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 6: „Was … inzwischen als Konsens erscheint, war über Jahrzehnte hinweg in der rechtswissenschaftlichen Erörterung und der Vollzugspraxis wenig präsent.“ 10 BGBl. I 2012, S. 2425, im Folgenden: SichVAbstUmsG. 11 Leutheusser-Schnarrenberger, RuP 2013, 68. 12 Feest, LTO vom 9.11.2012. 13 Lediglich zum abschließenden Fazit (vgl. dazu Teil E.VI.) wird die Frage nach Alternativen zur SV aufgeworfen, wobei eine vertiefte Auseinandersetzung anderen Arbeiten vorbehalten bleibt.

I. Einleitung

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2. Gang der Untersuchung In fünf Schritten erfolgt eine Auseinandersetzung mit dem Vollzug der Sicherungsverwahrung und insbesondere der dazu ergangenen bundes- und landesrechtlichen Gesetze im Vergleich zur bisherigen Regelung des Sicherungsverwahrungsvollzugs. Da erst seit den Entscheidungen des BVerfG und EGMR überhaupt „der Sicherungsverwahrungsvollzug“ als eigenständiger Vollzug neben demjenigen der Freiheitsstrafe existiert, ist eine solche Auseinandersetzung speziell mit dem Vollzug bisher nicht erfolgt. Die meisten Regelungen der Sicherungsverwahrung erklärte das BVerfG am 4.5.2011 wegen Nichteinhaltung des Abstandsgebots im Vollzug der Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig. Daher kommt man nicht umhin, sich mit diesem Gebot kritisch auseinanderzusetzen. In Teil A. wird zuerst die Geschichte der rechtlichen Entwicklung des Sicherungsverwahrungsvollzugs aufgearbeitet. Dabei wird im Besonderen der Blick auf die einschlägige verfassungsgerichtliche Rechtsprechung sowie die Entscheidung des EGMR aus dem Jahre 2009 gelegt. Der Unterschied zu diversen anderen Arbeiten liegt darin, dass hier vorwiegend der Geschichte des Vollzugs und nicht der generellen Entwicklung der Sicherungsverwahrung in den Fokus gerückt wird. Der Ausbau auf Anordnungsebene wird insoweit erläutert, als es zum Verständnis der jüngsten Entwicklungen des Vollzugs der Sicherungsverwahrung vonnöten ist. Der zweite Teil B. gibt die empirischen Erkenntnisse zum Vollzug der Sicherungsverwahrung seit deren Einführung bis hin zur Entscheidung des BVerfG im Jahre 2011 wieder und schließt mit einer zusammenfassenden Darstellung der bisherigen Vollzugswirklichkeit. Diese Erkenntnisse werden in den beiden darauffolgenden Teilen verwendet, da sich die Frage stellt, ob und wie der Gesetzgeber diese i. R. d. neuesten Reformen umsetzte und daher seine Entscheidungen kriminologisch gerechtfertigt sind oder nicht. Der Begriff „Gesetzgeber“ soll der Einfachheit und Lesbarkeit halber für eine Vielzahl an einem Gesetzgebungsprozess beteiligten Personen und Institutionen verwendet werden.14 Teil C. widmet sich der Frage, wie das Abstandsgebot auf Bundesebene durch das SichVAbstUmsG und allen voran durch den neuen § 66  c StGB sowie voll­ streckungsrechtliche Neuerungen, welche Rückwirkungen auf den Vollzug haben, umgesetzt wurde. Teil D. geht der Frage der Umsetzung auf Landesebene in Form der am 1.6.2013 in allen 16 Bundesländern in Kraft getretenen SVVollzGe nach, wobei ein Vergleich anhand ausgewählter Regelungsaspekte mit der bisherigen Rechtslage des Vollzugs der Sicherungsverwahrung, der Gesetze untereinander sowie mit dem

14 Kertai 2014, 13, der Bezug nimmt auf Noll 1973, 44. Beteiligte sind etwa BT/LT, BRat und BReg/LReg.

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A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung

aktuellen Recht des Strafvollzugs erfolgt. Dabei soll gleichfalls ein erster Blick auf die Auswirkungen der Neuregelungen für die Praxis geworfen werden, wobei die Behandlungskonzepte der Anstalten mit einer Sicherungsverwahrungsabteilung von zentraler Bedeutung sind. In diesem Zusammenhang werden sowohl in Teil C. und D. Vorschläge zur Verbesserung unterbreitet. Am Ende stehen in Teil E. zusammenfassend die wichtigsten Ergebnisse sowie eine abschließende Bewertung des Abstandsgebots.

II. Rechtliche Entwicklung des Sicherungsverwahrungsvollzugs Die Sicherungsverwahrung ist eine präventiv wirkende Maßregel der Besserung und Sicherung und daher im deutschen zweispurigen Strafrechtssystem von der dem Schuldprinzip unterworfenen Strafe abzugrenzen.15 Zweck der Maßregel ist es, die Allgemeinheit vor dem immer noch als gefährlich eingestuften Täter nach Verbüßung seiner Strafe zu beschützen – sie soll hingegen nicht wie die Strafe das von ihm begangene Unrecht sühnen.16 Erst auf Vollzugsebene und de facto erst seit der neuerlichen verfassungsgerichtlichen Entscheidung und den folgenden Gesetzesänderungen spielt der Besserungsgedanke vermehrt eine Rolle (vgl. § 66 c StGB). Die allgemeine historische Entwicklung dieses (bisher) in erster Linie sichernden Rechtsinstituts – in Abgrenzung zu den vornehmlich therapeutisch ausgerichteten Unterbringungen nach §§ 63 und 64 StGB – ist häufiger thematisiert worden.17 Diese Arbeit widmet sich daher der Geschichte des Sicherungsverwahrungsvollzugs. Weil dieser jedoch ohne Kenntnis zentraler Entwicklungsschritte des Rechtsinstituts im Allgemeinen, insbesondere der Anordnungsmöglichkeiten und -voraussetzungen sowie des Justizvollzugs, nicht nachvollziehbar ist, kann auf deren Darstellung nicht vollständig verzichtet werden.

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Dazu § 46 StGB sowie BVerfGE 91, 27; ebso. S/S-Kinzig 2014, vor § 38, Rn. 17 ff.; Meier 2015, 185 ff.; Roxin 2009, 601 ff.; Streng 2012, Rn. 19 f., 34 ff. 16 BVerfGE 109, 174; 128, 377; vgl. Radtke, GA 2011, 636; S/S-Stree/Kinzig 2014, vor § 61 Rn. 3, § 66 Rn. 2; s. a. Meier 2015, 345 zur Anordnungsebene: „Die Maßregel verfolgt ausschließlich das Ziel der Sicherung der Allgemeinheit; der Besserungsgedanke spielt auf der Anordnungsebene keine Rolle und kommt erst auf der Vollzugsebene zum Tragen (vgl. § 66c StGB).“; zum bisherigen und neuen Verständnis Dessecker 2016, 473 f. 17 S. bspw. Bartsch 2010, 29 ff.; Jansing 2004, 7 ff.; Kinzig 1996, 7 ff.; Milde 2006, 75 ff.; Mushoff 2008, 9 ff.

II. Rechtliche Entwicklung des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

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1. Von den Anfängen bis zum StVollzG a) Einführung der Sicherungsverwahrung durch die Nationalsozialisten im Jahr 1933 In § 42  e RStGB führten die Nationalsozialisten mit dem „Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Besserung und Sicherung“ vom 24.11.193318 neben anderen z. T. stationären Maßregeln die Sicherungsverwahrung von unbestimmter Dauer ein.19 Damit war es zu einem „Wechsel der Grundanschauungen“20 gekommen, weil der Schutz der Volksgemeinschaft und des Staates über das einzelne Individuum gestellt wurde. Der nationalsozialistische Gesetzgeber hat hier den ersten „Etikettenschwindel“21 begangen, indem er das Schuldprinzip dadurch umgehen wollte, dass er sich gegen eine Sicherungsstrafe und für ein zweispuriges System von vergeltender Strafe und sichernder Maßregel entschied. Man hat den deutschen Richtern nicht zugetraut, „gegen gefährliche Täter bei geringer Schuld langjährige Strafen zu verhängen“.22 Daraus ergibt sich heute noch der Hauptvorwurf an dem zweispurigen System, dass aus dieser vermeintlichen praktischen Not heraus eine Theorie schuldab- und schuldunabhängiger Sanktionen geschaffen worden sei.23 Täter, deren Taten vor der Einführung der Sicherungsverwahrung lagen, konnten rückwirkend in die Verwahrung geschickt werden.24 Diese Rechtskraftdurchbrechung wurde damit gerechtfertigt, dass es sich nicht um eine Strafe, sondern 18 RGBl. I 1933, S. 995, im Folgenden: GewVbrG; ergänzt durch das Ausführungsgesetz zum GewVbrG vom 24.11.1933, RGBl. I 1933, S. 1000. Es handelt sich nicht um ein Parlamentsgesetz, da sich der Reichstag vorher selbst entmachtet hatte, vgl. dazu Mushoff  2008, 25; zur Geschichte vor 1933 s. Rudmann 1935, 28 ff.; Steinberg, StV 2013, 227 ff.; Zintel 1936, 5 ff. 19 Vgl. § 42 e RStGB i. d. F. vom 1.1.1934–1.4.1970: „Wird jemand nach § 20a als ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher verurteilt, so ordnet das Gericht neben der Strafe die Sicherungsverwahrung an, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert.“ Zum Ursprung im Marburger Programm vgl. Blau 1998, 761; Finger 2008, 30; Georgi, ZStW 1936, 613; Knauer, StraFo 2014, 46; Müller-Metz, StV 2003, 42; s. a. Ebner 2015, 23 f. zu weiter davor liegenden Ansätzen; Streng, StV 2013, 236 („alles andere als ein genuin nationalsozialistisches Projekt“). Zur unbegrenzten Dauer vgl. die amtl. Begründung, Deutscher Reichsanzeiger Nr. 227 vom 27.11.1933, S. 3; AV des RJM vom 3.3.1938 unter I. Nr. 5, DJ 1938, 324; ebso. Urt. des RG DJ 1935, 522. 20 So der spätere Ministerialrat des RJM Rietzsch, DJ 1933, 746. 21 Fischer 2016, § 66 Rn. 21; vgl. auch Lüderssen, KJ 2006, 361; v. Liszt 1905, 165, 169 f.: Sicherungsstrafe; Kerrl 1933, 138: einspurige Sicherungsstrafe; das heutige System der Zweispurigkeit entwickelte Stooss, dazu Eser 2001, 226 f.; Frisch, ZStW 1990, 346 f.; Kaenel 1981, 97 ff.; Steinberg, StV 2013, 233 ff. 22 Rietzsch 1935, 151; s. a. die Begründung zum GewVbrG, abgedruckt im RuStAnz Nr. 227 vom 27.11.1933; RGSt 68, 149, 249: Aufforderung zur restriktiven Auslegung des GewVbrG. 23 Krit. insofern Fischer 2016, § 66 Rn. 21 m. w. N.; s. zudem Teil A., Fn. 61. 24 Vgl. nach Art. 5 Nr. 2 S. 1 GewVbrG (RGBl. I 1933, S. 999): „Verbüßt jemand der schon zweimal rechtskräftig verurteilt worden ist, nach dem 1. Januar 1934 auf Grund eines weiteren, vor diesem Zeitpunkt ergangenen Urteils eine Freiheitsstrafe und ergibt die Gesamtwürdigung

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A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung

eine Sicherungsmaßnahme zum Schutz der Allgemeinheit handle, deren Wirkung sich sofort entfalten sollte.25 Diesen Unterschied betonte das Reichjustizministerium gleichfalls im Hinblick auf den Vollzug, indem es das zweispurige System zumindest auf dem Papier hervorhob. In erster Linie müssten sich die verschiedenen Zwecke von Strafe und Maßregel im Vollzug auswirken, so dass „beim Vollzug der Sicherungsverwahrung … daher der Gesichtspunkt der Sühne und Vergeltung ausscheiden“26 müsse. Darüber hinaus hatte sich der Gesetzgeber vor Einführung der Sicherungsverwahrung mit der Frage nach der Ausgestaltung des Vollzugs nicht sonderlich auseinandergesetzt.27 So verwundert es nicht, dass sich im RStGB lediglich in § 42 i Abs. 1 RStGB eine Regelung zum Vollzug fand.28 Näheres regelte eine Verordnung aus dem Jahre 1934.29 Ergänzend erließen die einzelnen Länder Verordnungen über den Vollzug der Sicherungsverwahrung, die im Wesentlichen damit übereinstimmten.30 Zudem setzte immer mehr eine „Verreichlichung der Justiz“ ein, d. h. ab 1934/35 überführte man die Justizverwaltung von den Ländern auf das Reich und beseitigte regionale Besonderheiten.31 Die dennoch vorhandenen Lücken füllte teilweise die Strafvollzugsordnung vom 22.8.1940,32 wobei die VollzVO für die Gesetzgebung, Rechtsprechung, Lehre und Verwaltungspraxis weiterhin bestehen blieb.33

seiner Taten, daß er ein gefährlicher Gewohnheitsverbrecher ist, so kann das Gericht die Sicherungsverwahrung des Verurteilten nachträglich anordnen, wenn die öffentliche Sicherheit es erfordert.“ Zu den Voraussetzungen der nachträglichen Anordnung s. Rudmann 1935, 86 ff.; Zintel 1936, 46 ff.; Jansing 2004, 33 ff.; Mushoff 2008, 20 ff.; Werle 1989, 90. 25 Exemplarisch dazu Schäfer/v. Dohnanyi 1936, 124 f.; ähnl. Zintel 1936, 46. S. a. Freisler, zitiert bei Strube, BlfGfk 1938, 302: „wenn der Sicherung gegen Gefahren Opfer im Interesse der Allgemeinheit gebracht werden müssen, es für gerecht halten, diese Opfer nicht den anständigen Volksgenossen aufzuerlegen, sondern denen, von deren Persönlichkeit die Gefahren für die Allgemeinheit ausgehen.“ 26 Zitiert nach Gütt/Rüdin/Ruttke 1934, 187; bereits Exner 1914, 153 ff., 164. 27 Befürwortend Georgi, ZStW 1936, 613. 28 Zur in S. 1 enthaltenen Arbeitspflicht im Denken des Nationalsozialismus vgl. Schäfer/ v. Dohnanyi 1936, 94 f.; allg. Eichler, DJ 1938, 261 f.; später Eßig 1964, 26 ff. 29 „Verordnung über den Vollzug von Freiheitsstrafen und von Maßregeln der Sicherung und Besserung, die mit Freiheitsentziehung verbunden sind“ vom 14.5.1934, RGBl. I 1934, S. 383, im Folgenden: VollzVO. Vgl. dazu Eßig 1964, 7; Forderung nach einer Verordnung allein für den Vollzug der SV bei Georgi, ZStW 1936, 614. 30 S. bspw. die AV vom 28.9.1934 in Preußen, DJ 1934, 1233; zur „Verordnung des Sächsi­ schen Justizministeriums über den Vollzug der Sicherungsverwahrung“ (SVVO) vom 13.6.1934 s. Schiefer, BlfGfk 1937/38, 448 ff. 31 Gruchmann 1988, 84 ff.; Hellmer 1961, 340 zur Neueinteilung der SV-Anstalten i. R. d. Verreichlichung. 32 Erlass einer AV des RJM zur „Vereinheitlichung der Dienst- und Vollzugsvorschriften für den Strafvollzug im Bereich der Reichsjustizverwaltung“ (Strafvollzugsordnung), veröffentlicht als „Amtliche Sonderveröffentlichung der Deutschen Justiz“ Nr. 21, Berlin 1940. Im Folgenden: StrVollzO. 33 Quedenfeld 1971, 42 ff., ebso. Depenbrock 1960, 22 ff.; Müller-Dietz 1970, 22 f.

II. Rechtliche Entwicklung des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

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Bemerkenswert ist, dass gleich zu Beginn in der VollzVO (§ 17 des Art.  334) und der StrVollzO (Nr. 211 Abs. 2) trotz vorher betonter Unterschiede der Vollzugformen grds. auf weite Teile der Vorschriften des Vollzugs der Freiheitsstrafe verwiesen wurde. Damit war eines der heute immer noch bekannten Probleme des Regelungssystems zur Sicherungsverwahrung „geboren“: Die im materiellen Recht mühevoll herausgearbeiteten zwei Spuren wurden in den Vorschriften zum Vollzug durch derart grundsätzliche Verweise deutlich angeglichen. Ob sich dieses Phänomen durch die geschichtliche Entwicklung der Regelungen zum Vollzug der Sicherungsverwahrung zieht, soll im weiteren Verlauf dargestellt werden. Dabei ist zunächst das Augenmerk auf die wenigen vorhandenen, spezifisch auf den Vollzug der Sicherungsverwahrung ausgerichteten, Vorschriften zu richten. So stellte § 16 VollzVO das kriminalpolitische Ziel der Sicherungsverwahrung vor, die unbedingte Sicherheit „rücksichtslos durchzuführen.“35 Soweit es dem Zweck der Sicherungsverwahrung nicht zuwiderlief, sollten laut Gesetzes­ begründung des GewVbrG den Verwahrten jedoch weitergehende Vergünstigungen als im Vollzug der Freiheitsstrafe zugebilligt werden.36 So konnte den Verwahrten nach der VollzVO gestattet werden, eigene Bücher und Zeitschriften zu beziehen, Tabak in mäßigem Umfang zu genießen und Zusatznahrungsbzw. Genussmittel zu kaufen.37 § 23  VollzVO ermöglichte darüber hinaus eine freie, im Ermessen der Anstalt stehende, Gestaltung des Verwahrungsvollzugs, indem die sonstigen Vergünstigungen dann gewährt werden konnten, wenn damit „dem Ernst der Sicherungsverwahrung und ihrem Zweck und Ziel“ nicht widersprochen wurde und die zusätzliche Voraussetzung „guter Führung und fleißiger Arbeit“ erfüllt worden sei.38 Die Vergünstigungen drückten weniger eine wirkliche Besserstellung der präventiv Verwahrten im Unterschied zu den Strafgefangenen aus; mehr fungierten sie als Disziplinarmittel gegenüber dem jeweiligen Verwahrten.39 Darüber hinaus gab es einige wenige gesetzlich geregelte­

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Im Folgenden sind die §§-Angaben der VollzVO allesamt Art. 3 entnommen. So § 16 VollzVO, ebso. geregelt in Nr.  212 StrVollzO; ähnl. Forderungen bei Fiselius 1945, 122; Jung, DJ 1938, 259; Rudmann 1935, 20. Dem Ziel nach absoluter Sicherheit dienten gleichermaßen andere Vorschriften wie bspw. Nr. 213 Abs. 5 StrVollzO, wonach die Hafträume täglich gründlich durchgesehen wurden. 36 Gütt/Rüdin/Ruttke 1934, 187: „die bei dem Vollzug der Zuchthausstrafe um der Sühne und Vergeltung willen ausgeschlossen sind.“ 37 § 21 VollzVO sowie Nr. 211 Abs. 2 StrVollzO (Bezug von Büchern und Zeitungen), eingeschränkt durch Nr. 213 Abs. 4 StrVollzO: nur als Leistungsbelohnung vor der Entlassung; § 19 VollzVO, teilweise bestätigt durch Nr. 213 Abs. 4 a. E. StrVollzO (Tabbakkonsum); Nr. 211 Abs. 2 i. V. m. Nr. 97 Abs. 3 S. 5 StrVollzO: eingebrachtes Geld kann nicht zur Beschaffung von Zusatznahrungsmitteln benutzt werden; die Regelungen für Strafgefangene, insbes. §§ 59, 60, 107 ff. der Grundsätze für den Vollzug von Freiheitsstrafen vom 7.6.1923 (RGBl. II 1923, S. 269, 273; s. a. Änderungen in RGBl. II 1923, S. 384). 38 § 42  i RStGB: Arbeitspflicht; Pendant dazu in § 20 VollzVO i. V. m. Nr.  213 Abs.  1 StrVollzO. 39 Schiefer, BlfGfk 1937/35, 454: zur „Aufrechterhaltung und Förderung von Zucht und Ordnung“ je nach „Fleiß und Führung“; ähnl. Eichler, DJ 1938, 262. 35

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A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung

Beschränkungen im Vergleich zum Vollzug der Freiheitsstrafe, weil man dies aus Sicherheitsgründen für notwendig erachtete  – schließlich handelte es sich nach verbreiteter Ansicht um die „Auslese der Schlechtesten aller Verbrecher“, welche „einer besonders strengen Zucht“ bedurften.40 § 1 Abs.  2 VollzVO ordnete an, dass die Sicherungsverwahrung in besonderen Strafanstalten der Justizverwaltung reichseinheitlich zu vollziehen sei. Es sollte nach Abs. 3 der Norm auf eine getrennte „Haltung“41 der Sicherungsverwahrten und Strafgefangenen geachtet werden. In der Praxis wurden deshalb allerdings keine neuen „Sicherungsanstalten“ gebaut.42 Mit der 5. Änderung der StrVollzO vom 22.12.194243 organisierte man die Sicherungsanstalten und -abteilungen in Zuchthäuser um, in denen die Sicherungsverwahrten und die Zuchthausgefangenen mit angeordneter Verwahrung untergebracht wurden. Die Trennung von Häftlingen und Verwahrten wurde nicht konsequent durchgeführt. Zunehmende Verschärfungen fanden sich daher bald nicht mehr nur in der Strafhaft, sondern ebenfalls in der Sicherungsverwahrung.44 Die absolute Sicherheit ging vor und „bedingte bereits zuchthausähnliche Verhältnisse des Vollzugs der Sicherungsverwahrung“.45 Im Jahre 1938 erließ das Reichsjustizministerium die AV „Strafsachen gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher“, in der es zum „rücksichtslosen“ Einsatz der Sicherungsverwahrung aufforderte.46 Eine Entlassung, die nach § 42 h Abs. 1 S. 1 RStGB ohnehin „nur“ eine „bedingte Aussetzung der Unterbringung“ war, wurde damit immer unwahrscheinlicher. Dem folgte eine Aufsatzreihe des Reichsjustizministeriums. Diese enthielt einen klaren Appell an die Justiz, dabei „mitzuhelfen an der Erhaltung und Sicherung des Volkes vor jenen Elementen, die sich als Asoziale entweder den gemeinsamen Verpflichtungen entziehen trachten oder sich an diesen gemeinsamen Interessen versündigen“.47 Im Zuge der Vernichtungspolitik wollte man die Gewohnheitsverbrecher nicht mehr „nur“ unschädlich machen, sondern scharf bekämpfen und 40 Eichler, DJ 1938, 261 f. Die Beschränkungen fanden sich in §§ 18, 20 Abs. 2, 22 VollzVO; krit. dazu Mayer 1953, S. 379 f. 41 Gängige Formulierung, s. bspw. Eichler, DJ 1938, 261. 42 Bis 1941 lediglich sieben Anstalten, die ausschließlich für den SV zuständig waren, Übersicht bei Haidinger, DJ 1935, 224; Möhler 1996, 70 f.; dazu Jung DJ 1938, 260 f: „kann … bei gutem Willen und Geschick mit den vorhandenen Häusern und Lagern durchgeführt werden“; für Preußen Stolzenburg, DJ 1934, 1379. 43 DJ 1943, 22: „Als Sicherungsanstalten gelten besondere Zuchthäuser, die zugleich für den Vollzug an Zuchthausgefangenen bestimmt werden, die im Anschluss an die Strafe in Sicherungsverwahrung zu bringen sind.“ 44 Dazu Jung/Müller-Dietz 1996; Kosthorst/Walter 1983, 1282 ff.; C. Müller 1997, 82; Wachsmann 2006, 239. 45 Freisler, DJ 1938, 626 ff.; ähnl. Exner zitiert bei Wingler, BlfGfk 1938, 310: „Im ganzen … zuchthausmäßiger“; ebso. Georgi, ZStW 1936, 615; Blau, GA 1959, 143 und Hellmer 1961, 291 für die Nachkriegszeit. 46 AV vom 3.3.1938, DJ 1938, 323 ff., im Folgenden: AV des RJM vom 3.3.1938; ebso. Freisler, DJ 1938, 626 ff.; Rietzsch, DJ 1938, 178 ff. 47 Rietzsch, DJ 1938, 192.

II. Rechtliche Entwicklung des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

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vernichten.48 Bezeichnend ist insoweit ein „Richterbrief“ des damaligen Reichsjustizministers Thierack aus dem Jahre 1943, wonach die Sicherungsverwahrung die Gemeinschaft trotz des Arbeitseinsatzes nur belaste und der Krieg „nicht an dem asozialen Verbrecher spurlos vorübergehen“49 dürfe. Hinzu kommt, dass die Polizei nach der Machtübernahme ihre davor bestehende Zuständigkeit für bestimmte Freiheitsentziehungen parallel zu den Gerichten nach Erlass des GewVbrG hinaus in Anspruch nahm.50 Neben der von der Strafjustiz verhängten Sicherungsverwahrung konnte die Polizei eine der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik entgegenkommende polizeiliche Verwahrung institutionalisieren.51 Mit der „Verreichlichung der Polizei“ durch den „Grunderlaß Vorbeugende Verbrechensbekämpfung“ vom 14.12.193752 wurden neue Bestimmungen zur Schutz- bzw. vorbeugenden Polizeihaft getroffen und in den folgenden Jahren kontinuierlich ausgebaut.53 Oft entschied der Zufall, ob ein Betroffener von einem Richter oder aufgrund einer polizeilichen Maßnahme verwahrt wurde.54 Insofern entwickelte sich hier eine zusätzliche „eigenartige Zweispurigkeit“55. Nahezu unmöglich wurde die Entlassung aus der Sicherungsverwahrung schließlich mit einer Rundverfügung des Reichsjustizministeriums vom 4.5.1940 und dem „Gesetz zur Änderung des Strafgesetzbuchs“ vom 4.9.1941, wodurch neben Einführung der Todesstrafe für gefährliche Gewohnheitsverbrecher die StA mit der Frage der Entlassung betraut wurde.56 Formal wurde die Entlassungsentscheidung ein Verwaltungsakt, wodurch einerseits die zentralisierte vorbeugende polizeiliche Verbrechensbekämpfung sowie andererseits die spätere

48 Georgi, ZStW 1936, 613; zur Radikalisierung im Zuge der Vernichtungspolitik s. C. Müller 1997, 89 ff. 49 „Richterbrief“ Nr. 4 vom 1.1.1943, abgedruckt bei Boberach 1975, 57 f. und Ayaß 1998, Nr. 138, 320 ff. 50 Zuständigkeit gestützt auf die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ vom 28.2.1933, RGBl. I, S. 83, s. dazu Steinberg, StV 2013, 235; A. Wagner 1968, 301. 51 Ayaß 1998, Nr. 61, 123, Nr. 63, 128 und Nr. 74, 143 f.: „strafrechtliche Bewahrung“, daneben „fürsorgliche Bewahrung“ für alle sozialgefährlichen Asozialen; zur Praxis anhand­ einzelner Fallbeispiele P. Wagner 1996, 205 ff., 299 ff., 330 ff., 343: „Explosion der Zahl der Vorbeugungshäftlinge“. 52 Abgedruckt und Nachweise bei Ayaß 1998, 94 ff., 216; s. a. Hellmer 1961, 363; Würtenberger/Heckmann 2005, A  III, Rn.  14; Leonhard 1952, 22 ff., 75; Schaffstein, ZStW 1939, 307 ff.; P. Wagner 1996, 258 ff. 53 Zu Sonderaktionen vgl. Leonhard 1952, 46 ff.; krit. zur Arbeit Leonhards s. I. Baumann 2006, 198 f. 54 Frommel 1991, 58 f.; zum Vollzug in derselben Anstalt Schiefer, BlfGfk 1937/38, 449. 55 Treffend A. Wagner 1968, 301; s. a. Frommel 1991, 55 f. 56 Rundverfügung abgedruckt bei Krug et al. 1943, 356; RGBl. I 1941, S. 549: ÄndG vom 4.9.1941; RGBl. I 1941, S. 581: § 42 f VI i. d. F. des § 1 DVO zum ÄndG vom 24.9.1941; dazu Werle 1989, 347 f.); Mushoff 2008, 25; Wacker 1966, 14: „reine Sicherungstötung“; zur Rolle der StA Eichler, BlfGfk 1938/39, 265 ff.; ders., DJ 1938, 263; zur Entlassungspraxis Hellmer 1961, 364 ff.

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A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung

Überstellung an die Polizei zur „Vernichtung durch Arbeit“57 in Konzentrationslagern vorbereitet und gefördert wurden. b) Nach dem Zweiten Weltkrieg In den Jahren nach Kriegsende hoben die Alliierten spezifisch nationalsozialistische Gesetze auf, wobei die Sicherungsverwahrung und die Zweispurigkeit des Sanktionensystems trotz heftiger Kritik bestehen blieben.58 Man scheute sich aus kriminalpolitischen Gründen wegen steigender Kriminalität und fehlendem strafrechtlichen Schutz der Demokratie, die Sicherungsverwahrung abzuschaffen.59 Die Sicherungsverwahrung hielt nach Ansicht der Alliierten dem Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit stand. Dies wird hauptsächlich daran gelegen haben, dass die Grundidee der Zweispurigkeit bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickelt und zum Teil umgesetzt worden war.60 Dennoch wurde teilweise das GewVbrG als typisch nationalsozialistisches Unrecht eingeordnet, woraus heute noch ein „Geburtsfehler“ der Sicherungsverwahrung abgeleitet wird.61 Lediglich die nachträgliche Sicherungsverwahrung bzw. die rückwirkende Übergangsvorschrift des Art. 5 Nr. 2 GewVbrG schaffte man aufgrund „ethischer und verfassungsrechtlicher Bedenken“ ab.62 1953 wurde die Sicherungsverwahrung schließlich in das StGB übernommen.63 Insgesamt setzte sich der Gesetzgeber der BRD im Zuge 57

Thierack im Bericht über seine Besprechung mit Himmler vom 18.9.1942, abgedruckt bei Egbert/Joosten 1947, 201 f.; vgl. auch Ayaß 1992, 321; C. Müller 1997, 93; Möhler 1996, 97 ff.; speziell zur Vernichtung i. R. d. polizeilichen Verbrechensbekämpfung Leonhard 1952, 38 ff.; P. Wagner 1996, 191 ff.; Wachsmann 2006, 310 ff.; zur sog. Jugendbewahrung und Verlegung schwer Erziehbarer in KZ’s Laue, Vorgänge 2014, 44 f. 58 Zur Kritik der Alliierten s. Bender 2007, 23; Etzel 1992, 177 ff.; s. a. Neu 1976, 12; Weitergeltung der Regelungen aber nach der Stellungnahme des Rechtsuntersuchungsausschusses der Britischen Zone vom 26.7.1946, abgedruckt bei Sellert/Rüping 1994, 338 f.; Kritik in den 1950er/1960er Jahren bei F. Bauer 1957, 164: Zweispurigkeit sei eine „Mißgeburt siamesischer Zwillinge“; Grünwald, ZStW 1964, 633 ff., 647 f., 667 m. w. N.; Hall, ZStW 1958, 53 ff.; Mayer 1953, S. 380; Röhl, JZ 1955, 146. 59 Dazu Etzel 1992, 178; zum Bedeutungsverlust des Kontrollrats Bender 2007, 23. 60 Dazu Bender 2007, 23; Werle 1989, 16 ff., 27 ff.; zur Grundidee Frisch, ZStW 1990, 347: kein nationalsozialistisches Gedankengut; Eser 2001, 227 ff.; Leonhard 1952, 14; Sellert/­ Rüping 1994, 298; Terhorst 1985, 40; and. Schönberger/Eisenberg, GA 1998, 248; zum Meinungsstreit allg. Jansing 2004, 42 ff. 61 Jansing 2004, 42 bezogen auf Krebs 1966, 642; Bredlow, FS 2013, 255; Feest, Vorgänge 2014, 34; Hellmer 1961, 293; Meyer-Velde 1976, 65; Möllers 2012, 98: „geistige Umfeld“ der Entstehung belastet; Riebe 2009, 10; Sturm 2010, 16; aktuell Konzept der JVA Bbg a. d. H., S. 6: „Makel seiner gesetzlichen Erschaffungsstunde“; Schewe 1999, 12 ff., 43, 80; allg. zur (Nicht-)Befreiung des Strafrechts G. Wolf, JuS 1996, 189 ff. 62 Laubenthal, ZStW 2004, 735; Rzepka, R&P 2003, 192; krit. zur Einführung in der NSZeit Jansing 2004, 47. 63 StGB vom 4.8.1953, BGBl. I 1953, S. 735, 1083; weitere Änderungen auf Anordnungsebene mit dem 1. StRG, BGBl. I 1969, S. 680, 649 f.; 2. StRG, BGBl. I 1969, S. 717 ff.; vgl. den Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT-Drs. 5/4094, S. 19: Ziel SV als

II. Rechtliche Entwicklung des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

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der Großen Strafrechtsreform der 1960er Jahre ausführlich mit der Frage auseinander, ob und wie er die von den Nationalsozialisten eingeführte Sicherungsverwahrung beibehalten könne, so dass der angesprochene Vorwurf eines Makels aus Nazizeiten pauschal nicht berechtigt ist.64 Trotz vorher heftigen Diskurses wurde mit dem 2. StRG die Dauer der primären Sicherungsverwahrung bei erstmaliger Anordnung auf höchstens zehn Jahre begrenzt.65 Zuvor war die Dauer gem. § 42 f Abs. 1 S. 2 StGB a. F. an keine Frist gebunden gewesen. Mit Einführung einer Frist sollte für den Verwahrten das Vollzugsende erkennbar werden, was zugleich ein Ansporn sein sollte, nicht wieder rückfällig zu werden. Der Gesetzgeber gab den Sicherheitsbedenken der Landesjustizverwaltungen nicht nach, weil das Risiko nicht derart groß sei, „daß es dazu drängen würde, die nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und aus dem Bedürfnis nach einer Beschränkung staatlicher Gewalt“66 folgenden Notwendigkeit einer zeitlichen Begrenzung der erstmaligen Sicherungsverwahrung wieder aufzuheben. Jedoch offenbart der Blick in die Gesetzesmaterialien auch, dass man sich davon ebenfalls eine erhöhte Anordnung der Sicherungsverwahrung erhoffte67 – die dahinter stehende Absicht war daher nicht derart als Wohltat gedacht, wie es vielleicht heute eingeschätzt wird. Die Gesetzgebung speziell zum Vollzug der Sicherungsverwahrung nach 1945 sah karg aus. Ein einheitliches Bundesgesetz für den Sicherungsverwahrungsvollzug wurde nicht geschaffen.68 Insgesamt behandelte man den Verwahrungsvollzug äußerst stiefmütterlich. Symptomatisch dafür ist die kaum vorhandene Auseinandersetzung in juristischen Standardkommentaren der damaligen Zeit.69 Gründe für die fehlenden Regelungen liegen zum einen in der Lehre vom besonderen Gewaltverhältnis, wonach keine Notwendigkeit für eine gesetzliche Eingriffsgrundlage für Maßnahmen gegen Inhaftierte und so auch Sicherungsverwahrte bestand.70 Zum anderen widmete sich der Gesetzgeber verstärkt den Reformen im materiellen Strafrecht auf Anordnungsebene.71 Die erste Rechtsquelle zum Voll„Notmaßnahme der Kriminalpolitik“; aufgegriffen von BGHSt 24, 154; 30, 222; BGH NJW 1999, 3724; NStZ 2012, 32; zur Großen Strafrechtsreform ausführl. I. Baumann 2006, 280 ff.; Jansing 2004, 59 ff.; Neu 1976, 15 ff.; Schewe 1999, 82 f. 64 MüKo-Ullenbruch/Drenkhahn/Morgenstern 2012, § 66 Rn. 8 f.; Ebner 2015, 38; im Zusammenhang mit der Großen Strafrechtsreform LK/Hanack 1992, § 66 Rn 11 f. mit Fundstellen zu den Materialien. 65 Vgl. BT-Drs. 7/2222, S. 3; s. a. BR-Drs. 270/60, S. 208; BR-Drs. 200/62, S. 218. 66 BT-Drs. 7/2222, S. 3. 67 Vgl. BT-Drs. 3/2150 zum StGB-E 1960, S. 208: „Die Befristung der erstmaligen Sicherungsverwahrung mag dazu beitragen, der Zurückhaltung entgegenzuwirken, welche die Praxis in den letzten Jahren bei der Anwendung der Sicherungsverwahrung gezeigt hat.“ S. a. Milde 2006, 75 ff.; Möllers 2012, 98. 68 Verwaltungsvorschriften als Übergangslösung, vgl. BT-Drs. 4/750, S. 103. 69 Z. B. Grunau 1972, Nrn. 244–255, 216–221; Blau, GA 1959, 145: „Stiefkind des Vollzugs“. 70 Dazu J. Baumann, MschrKrim 1964, 60 ff.; Blau 1988, 20; Calliess/Müller-Dietz 1977, Einl. Rn. 21 ff. 71 Möllers 2011, 186 f. m. w. N.; J. Baumann, MschrKrim 1964, 57; zweifelnd Grünwald, ZStW 1964, 647 f. und E. Schmidt, ZStW 1957, 367.

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A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung

zug nach dem Krieg, die Kontrollrats-Direktive Nr.  19 vom 12.11.1945, wurde ab 1947 von Landesvollzugsvorschriften der einzelnen Landesverwaltungen abgelöst.72 Bezeichnend für die Regelung des Sicherungsverwahrungsvollzugs war der allen Verordnungen gemeinsame pauschale Verweis auf die Vorschriften zum Vollzug der Freiheitsstrafe.73 Zudem stand weiter der Sicherungszweck des Verwahrvollzugs im Vordergrund.74 1951 beschlossen die Justizminister eine gemeinsame „Richtlinie betreffend die Behandlung von Sicherungsverwahrten“, welche besondere Regelungen über die Arbeitszeit, Entlohnung, Zellenausstattung und Besitz von Gegenständen sowie den Besuch enthielt.75 Die fehlenden Unterschiede im Vollzug und Probleme dabei, „dem Vollzug der Strafe ein ausgeprägtes anderes Gesicht zu geben als dem der Maßregel“,76 führten dazu, dass sich das neu gegründete BVerfG im Jahre 1953 das erste Mal mit dem Vollzug der Sicherungsverwahrung beschäftigte.77 Der verwahrte Bf. sah in seinem Vollzug aufgrund der landesrechtlichen Strafvollzugsbestimmungen (Nordrhein-Westfalen) keinen Unterschied zum Vollzug der Zuchthausstrafe, weshalb er einen Verstoß gegen § 42 e StGB a. F. und den Gesetzesvorbehalt des Art. 104 Abs. 1 GG rügte. Das höchste deutsche Gericht stellte knapp fest, dass die Art und Weise des Vollzugs der Sicherungsverwahrung verfassungsrechtlich nicht gewährleistet sei.78 Zwar sei es richtig, dass sich der Vollzug der Zuchthausstrafe und derjenigen der Sicherungsverwahrung nach der landesrechtlichen Vollzugsordnung weitgehend entsprächen. Stichhaltige Gründe rechtfertigten es, die beiden Vollzugsformen anzugleichen. Denn im Interesse der Sicherheit sei die Durchführung der Sicherungsverwahrung mit gleicher Strenge wie die der Strafe zu handhaben. Da es sich um denselben Täterkreis handle, müsste ihm mit denselben Mit-

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Amtsblatt des Kontrollrats in Deutschland, S. 46 f.; dazu Depenbrock 1960, 25 ff.; zum umstr. Verhältnis der VollzVO sowie StrVollzO Müller-Dietz 1970, 23; Quedenfeld 1971, 95 und 98 f. Ausdrückl. Ablösung der StrVollzO durch die StrVollzO BW vom 16.8.1947 und 2.4.1953, RegBl. 1947, S.  133 ff.; StrVollzO Bay vom 20.1.1949, Bay. JMBl. 1949, S.  1 ff.; DVollzO Brem vom 2.5.1949 und Ordnung für das Gefängniswesen H vom 23.5.1949, beide nicht veröffentlicht; vgl. zum Ganzen Eßig 1964, 8 f.; I. Baumann 2006, 121. 73 Bspw. Nr. 209 Abs. 1 S. 2 BayStrVollzO: „soweit Eigenart und Zweck der Maßregeln der Sicherung und Besserung nicht entgegenstehen“. 74 Z. B. Nr. 175 Abs. 1 BWStrVollzO: „Die Sicherungsverwahrung wird so vollzogen, daß ihr Zweck, der Schutz der menschlichen Gesellschaft vor dem Verurteilten, durch sichere Verwahrung erreicht wird.“ 75 Abgedruckt in JR 1951, 702 f.; krit. Blau, GA 1959, 144; dazu ebso. Eßig 1964, 9 f. 76 Dreher, ZStW 1953, 485; Krebs 1961, 268; Röhl, JZ 1955, 145; Rudolph, ZfStrVo 1966, 36; bereits Kohlrausch, ZStW 1924, 33: „Etikettenschwindel“; zur Diskussion über einspuriges Strafrecht Jansing 2004, 51 ff. 77 BVerfGE 2, 118; ebso. Bay. VerfGH vom 20.1.1961 bei Streicher, ZfS 1961, 369, insbes. 371; dazu Blau, GA 1959, 143 f.; zu weiteren den Vollzug betreffende Entscheidungen Des­ secker, ZIS 2011, 706. 78 BVerfGE 2, 119 ff.: Darüber hinaus verpflichte der Gleichheitssatz des Art. 3 GG den Gesetzgeber nicht dazu, „unter allen Umständen Ungleiches ungleich zu behandeln.“ S. a. OLG Hamm NJW 1967, 217.

II. Rechtliche Entwicklung des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

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teln begegnet werden. Für eine Unterscheidung des Vollzugs bliebe daher „nur ein verhältnismäßig bescheidener Raum“.79 Bei dieser bescheidenen Unterscheidung der Vollzugsformen beließ es die von den Justizministern vereinbarte und am 1.7.1962 in Kraft getretene „Dienst- und Vollzugsordnung“80, welche an die Stelle der landesrechtlichen Verordnungen trat. So enthielt sie nur wenige vom Strafvollzug abweichende und speziell für die Sicherungsverwahrung abgestimmte bzw. diese begünstigende Regelungen.81 Im Wesentlichen galten durch den Verweis in Nr. 244 Abs. 2 DVollzO die Vorschriften des Vollzugs der Freiheitsstrafe, so dass die Unterscheidung im materiellen Recht dadurch „bis auf geringe Reste wieder beseitigt“ wurde.82 Eine klare (bereits) normative Trennung der Vollzugsformen und nähere Ausgestaltung der Vorschriften zur Sicherungsverwahrung blieb insgesamt aus. Erkannt wurde das Problem, wie eine solche Trennung der Vollzugsformen insbesondere angesichts eines liberaler werdenden Strafvollzugs überhaupt bewerkstelligt werden sollte.83 Dass es sich bei der Sicherungsverwahrung nicht nur um eine Maßnahme der Sicherung, sondern gleichfalls der Besserung handelte, wurde nicht deutlich. Die in § 42 i StGB gesetzlich geregelte Arbeitspflicht fand ihr Pendant in Nr. 247 DVollzO, jedoch sorgte die geringe Entlohnung, auf die der Verwahrte noch nicht einmal einen Anspruch hatte, für heftige Kritik.84 Der Anstaltsleiter konnte neben den ohnehin kaum vorhandenen Vergünstigungen „andere verständige Wünsche erfüllen, die sich auf die Lebensführung in der Anstalt beziehen und dem Zweck der Sicherungsverwahrung nicht widersprechen“ (vgl. Nr. 249 Abs. 1 DVollzO). Verwahrte, deren Entlassung in Frage kam, konnten in eine Art Übergangsvollzug überstellt werden (vgl. Nr. 245 Abs. 3 DVollzO).85 Die 79 BVerfGE 2, 120; Bay. VerfGH vom 20.1.1961 bei Streicher, ZfS 1961, 371; OLG Hamm NJW 1967, 217; and. die Lit., vgl. J.  Baumann 1964, 366; ders., MschrKrim 1964, 69;­ Brauneck 1974, 140; Grünwald, ZStW 1964, 647 f.; zu den verschiedenen Ansichten Eßig 1964, 46 f. 80 Im Folgenden: DVollzO, abgedruckt bei Egner 1968/69, 163 ff.; ergänzt durch Durchführungsverordnungen der Länder, z. B. AV des JuMi BW, Die Justiz 1962, 1; dazu Quedenfeld 1971, 113; Schüler-Springorum 1969, 70 ff.; Tiedemann 1963, 57 f.; zur Ablösung der VollzVO vgl. Calliess/Müller-Dietz 1977, Einl. Rn. 9 f. 81 Nr. 245 Abs. 1 DVollzO: Hauptzweck, die Allgemeinheit zu schützen; Nr. 245 Abs. 2, Abs.  4, Nr.  246 DVollzO: kein Urlaub, das Tragen eigener Kleidung unzulässig, häufiges Durchsehen der Zellen; krit. Meyer-Velde 1969, 69; zur Überwachung des Briefverkehrs Bay. VerfGH bei Streicher, ZfS 1961, 372, vgl. Eßig 1964, 51 ff.; Grunau 1972, Nr. 250, 220 zu geringfügigen Privilegien. 82 Wacker 1966, 19, 22 f.; Meyer-Velde 1969, 65: „verderblichen Trend …, den Vollzug … dem der Strafe anzugleichen“; Steinhilper 1971, 34. 83 Brauneck 1974, 129; Meyer-Velde 1969, 65; Nowakowski 1963, 111; Wacker 1966, 90 ff.; ähnl. Röhl, JZ 1955, 145 f. 84 Grünwald, ZStW 1964, 647; J. Baumann, MschrKrim 1964, 79 f.; zur Vergütung VerfGH München bei Streicher, ZfS 1961, 373; die Arbeitspflicht bekräftigend OLG Hamm NJW 1967, 217; Meyer-Velde 1969, 68; zu Forderungen nach Lohnangleichung Eßig 1964, 38 ff. m. w. N. 85 Grunau 1972, Nr. 245, 218 f.

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A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung

Einrichtung eigener Anstalten war nicht vorgesehen.86 Beim Vollzug der anderen Maßregeln nach §§ 63 und 64 StGB entschied sich der Gesetzgeber demgegenüber bewusst gegen eine Unterbringung im Strafvollzug.87 Denn mit deren therapeutischer Ausrichtung solle weniger in die Rechte des Betroffenen eingegriffen werden, wie es beim strengeren Strafvollzug der Fall sei.88 Im Gegensatz dazu werde mit der Sicherungsverwahrung kein Behandlungszweck verfolgt. Zwar sei der Sicherungsverwahrungsvollzug milder als der Strafvollzug, dennoch hielt man es für unangemessen, den Gewohnheitsverbrecher gleich zu Beginn größere Privilegierungen zuteilwerden zu lassen.89 Aufgrund des Ultima-Ratio-Charakters sei darüber hinaus das Vikariieren nicht ­zulässig.90 c) Nach Einführung des StVollzG Die erste bundeseinheitliche Vollzugsregelung trat mit dem „Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe und der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung“ am 1.1.1977 in Kraft.91 Ergänzt wurde es von Beginn an durch bundeseinheitliche „Verwaltungsvorschriften zum Strafvollzugsgesetz“92 sowie von einem diffizilen Regelwerk auf Landesebene, das von Allgemein- und Rundverfügungen, Ausführungsvorschriften und Verwaltungsvorschriften über einzelne Ministerialerlasse bis hin zu den Hausordnungen der jeweiligen Anstalten bzw. für einzelne Bereiche des Vollzugs reichte.93 Dennoch blieb die Sicherungsverwahrung „die umstrittenste Maßregel, deren dogmatische Rechtfertigung ebenso wie die praktische Ausgestaltung nach wie vor Schwierigkeiten“94 bereitete. 86 So die Ansicht der Rspr., vgl. VerfGH München bei Streicher, ZfS 1961, 371 f.; Röhl, JZ 1955, 145; krit. Meyer-Velde 1969, 63 ff.; zum AE 1966 J. Baumann 1966, 129; Ausnahme bildete die JVA Schwalmstadt in Ziegenhain, dazu Krebs 1975, S. 170; zur räumlich häufig nicht vorhandenen Trennung Eßig 1964, 17 ff. 87 Müller-Dietz, NStZ 1983, 146 f.; Mushoff 2008, 299; s. a. Maurach 1960, Gutachten 43. DJT, 18. 88 Zweiter Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BTDrs. 5/4095, S. 31. 89 Zweiter Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT-Drs. 5/4095, S. 31; ähnl. Neu 1976, 150: „zunächst einmal die Schwere ihrer Tat vor Augen“. 90 Zweiter Schriftlicher Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform, BT-Drs. 5/4095, S. 31; krit. Mushoff 2008, 295 ff.; zum vikariierenden System s. u. Teil C. V.1. 91 BGBl. I 1976, S. 581, im Folgenden: StVollzG; Beschluss: BT-PlPr 7/200; BR-Drs. 685/75; Begründung: BT-Drs. 7/918, S. 38 ff.; vgl. die „Strafgefangenenentscheidung“: BVerfGE 33, 9 ff. 92 Abgedruckt bei Calliess/Müller-Dietz 1977, Anhang 1; im Folgenden: VV; Geltung in allen Bundesländern, seit 1990 in den neuen Bundesländern, dazu Bölter, ZfStrVo 1990, 323; daneben z. B. AV des JuMi NRW vom 1.7.1976, VollzD 1976/6, S. 22. 93 VwV BW JuMi vom 13.12.2004 (4456/0006), Die Justiz 2005, 59; Richtlinie für den SV in der JVA Werl vom 27.7.1972 i. V. m. d. Hausverfügung vom 29.8.1972, vgl. Neu 1976, 170; Erlass des JuMi vom 28.3.1985, 4427 – IV/1 – 297/85 i. V. m. der Verfügung des Leiters der JVA Schwalmstadt vom 29.10.1985. 94 AK-StVollzG-Seibert 1980, vor § 129 Rn. 1; ebso. Kern, ZfStrVo 1997, 19.

II. Rechtliche Entwicklung des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

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Einzug fand der Vollzug der Sicherungsverwahrung abschließend in wenige Vorschriften des StVollzG – genauer in §§ 129–135 StVollzG. Damit war die künftige Entwicklung der Sicherungsverwahrung vorgezeichnet. Die normative Ausgestaltung ihres Vollzugs verlief in der Folgezeit spiegelverkehrt zum Ausbau der Anordnungsvoraussetzungen. Wo dort zahlreiche, inzwischen kaum noch nachvollziehbare und ineinander verschachtelte Normen entstanden sind, ist der Vollzug der Maßregel bis zum Urteil des BVerfG und der darin festgelegten Übergangsfrist des 31.5.2013 in gerade einmal sieben speziellen Paragraphen geregelt gewesen. Der Gesetzgeber versuchte die Differenzierung zwischen Sicherungsverwahrung und Freiheitsstrafe durch ein bekanntes Mittel zu lösen: Einerseits verwies er in § 130 StVollzG ganz generell auf die Vorschriften des Vollzugs der Freiheitsstrafe, andererseits normierte er lediglich einige wenige Abweichungen.95 Mit dem pauschalen Verweis brachte der Gesetzgeber letztlich zum Ausdruck, dass er grundlegende Unterschiede der beiden Vollzugsformen nur in wenigen Bereichen anerkannte. Auffallend ist, dass die wenig vorhandenen Vergünstigungen für die Verwahrten stets unter dem Vorbehalt des Möglichen standen.96 Zur Begründung wurde dabei noch in den Entwürfen zu den LStVollzGen die Entscheidung des BVerfG aus dem Jahre 1953 herangezogen. Danach sei „eine partielle Übereinstimmung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung mit dem der Strafe“ gerechtfertigt, weil Strafe und Sicherung „nur mit dem Mittel der Freiheitsentziehung durchgeführt werden können“.97 Positiv ausgedrückt, sah man dadurch die Rechtsposition der Verwahrten insofern gefestigt, als sie „zumindest“ die identischen Rechte wie Strafgefangene hatten und daher ihre Grundrechte nur aus denselben Gründen eingeschränkt werden konnten.98 In der Gesetzesbegründung zum StVollzG heißt es, dass ein Verweis auf den Vollzug der Freiheitsstrafe möglich sei, da dort keine Festlegung auf die Behandlungsmethodik erfolge. Diesbzgl. müsse man Raum für Fortentwicklung lassen und Beschränkungen ohnehin auf das Nötigste reduzieren.99 Unterschiede zum „normalen“ Vollzug ergeben sich aus dem Zweck der Maßregel und der Eigenart der Behandlungsmethode.100 Gesetzlich wollte man sich jedoch aus Gründen der Rechtssicherheit nicht festlegen.101 95

Krit. Köhne, ZRP 2007, 111; ders., NStZ 2009, 130 f.; ders., JR 2011, 198 ff.; ders., JR 2012, 15; ähnl. AK-StVollzG-Feest/Köhne 2006, § 130 Rn. 1; Flaig 2009, 196; Laubenthal, ZStW 2004, 735; Mushoff 2008, 96; and. Arloth, GA 2008, 134. 96 Etwa in Art. 161 S. 2 BayStVollzG a. F.; § 95 S. 2 HmbStVollzG a. F.; § 68 Abs. 2 S: 1 HStVollzG a. F. 97 Bay LT-Drs. 15/8101, S. 87, Bezug nehmend auf BVerfGE 2, 119 f. 98 AK-StVollzG-Feest/Köhne 2006, § 130 Rn. 1; s. a. Finger 2008, 99; Mushoff 2008, 96. 99 BT-Drs. 7/918; S. 87 und S. 41. 100 BT-Drs. 7/918, S. 87; ebso. AK-StVollzG-Feest/Köhne 2006, § 130 Rn.  1; klingt ebso. in BVerfGE 42, 229 an. Abzulehnen die Ansicht von Arloth 2011, § 130 Rn. 2: „Im übrigen ist auch bei einer entsprechenden Anwendung der Zweck der Sicherungsverwahrung zu be­ achten.“ 101 BT-Drs. 7/918, S. 87; ebso BR-Drs. 71/73, S. 85; entgegen dem KommE 1971, § 115 vom Januar 1971.

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A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung

Innerhalb dieses Rahmens könne man es der Praxis überlassen, die Maßregeln so auszugestalten und fortzuentwickeln, wie es ihrem Zweck und modernen Behandlungsmethoden entspreche.102 Dementsprechend gab es zugunsten des Sicherungsverwahrten nur geringfügige Unterschiede im Vergleich zum Vollzug der Freiheitsstrafe.103 Darüber hinaus mussten die Privilegien und Interessen der Verwahrten immer am Sicherheitsgedanke gemessen bzw. mit den Interessen der Anstalt sorgfältig abgewogen werden.104 Negativ fällt auf, dass neben den pauschal geltenden Regelungen zum Strafvollzug viele Vergünstigungen nicht im StVollzG selbst, sondern vorwiegend in den Verwaltungsvorschriften zum StVollzG (VV) enthalten waren. Diese blieben allerdings eher theoretischer Natur, da die VV nur verwaltungsinterne Wirkung entfalteten und daher keinen Außenstehenden binden konnten.105 Sobald es um Beschränkungen bspw. auf Ebene der vollzugsöffnenden Maßnahmen ging, wurden die VV dennoch strikt befolgt. Einige Vergünstigungen galten entweder genauso für Gefangene oder brachten keine spürbare Erleichterung.106 Dass dem Sicherungsverwahrungsvollzug damit insgesamt keine scharfen Konturen verliehen wurden, zeigt bspw. § 131 S. 2 StVollzG. Wegen befürchteter praktischer Schwierigkeiten sah sich der Gesetzgeber nicht in der Lage, den Anstalten die Berücksichtigung der persönlichen Bedürfnisse darin konkret vorzuschreiben.107 Zeitweise legte die Rechtsprechung diese Bedürfnisse lediglich als „objektivierbare Bedürfnisse“ aus und vertrat, dass die Eigenart der Maßregel hinter den Möglichkeiten der Anstalt zurücktreten müsse.108 Dem wurde vehement entgegengetreten, da die Vollzugsbehörde nach S. 1 des § 131 StVollzG die besondere Verpflichtung treffe, den Vollzug der Sicherungsverwahrung weniger belastend auszugestalten. Jedenfalls sollte der gesetzlich angestrebten Bedürfnisentfaltung nicht durch re­ striktive Handhabe der VV entgegen gewirkt werden.109 Letztlich blieb mit dem Zusatz in § 131  S.  2 StVollzG, dass den Bedürfnissen nur „nach Möglichkeit“ Rechnung zu tragen sei, sowie der Tatsache, dass § 131 StVollzG dem Verwahr-

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BT-Drs. 7/918; S. 87. AK-StVollzG-Seibert 1980, vor § 129 Rn. 6; SB-Rotthaus 1983, § 131 Rn. 1: „Etikettenschwindel“. 104 LG Hamburg ZfStrVo 1978, 71; OLG Karlsruhe ZfStrVo 1979, 70; OLG Karlsruhe Die Justiz 1978, 371 ff. 105 Z. B. die verlängerten Besuchszeiten in Nr. 1 zu § 131 StVollz; vgl. dazu Laubenthal 2011, Rn. 42 f.; K/S-Schöch 2003, § 7 Rn. 8 f.; AK-StVollzG-Seibert 1980, vor § 129 Rn. 6; Abweichungsmöglichkeit der Anstalten, hervorhebend SBJ-Rotthaus 1999, § 131 Rn. 2; krit. dazu Köhne, BewHi 2005, 279. 106 Bspw. der zusätzliche Paketempfang nach VV zu § 130 Nr. 5, von dem die meisten nicht profitieren konnten. 107 Dazu SBJL-Koepsel 2013, § 131 Rn. 3; ebso. BT-Drs. 7/918, S. 89 f. 108 OLG Hamburg, Beschl. vom 22.3.1978 – Vollz [Ws] 5/78; dem zunächst folgend Calliess/ Müller-Dietz 1979, § 130 Rn.  2; später krit. Calliess/Müller-Dietz 1986, § 130 Rn.  2; AKStVollzG-Feest 1990, § 131 Rn. 3. 109 SBJL-Koepsel 2009, § 131 Rn. 4. 103

II. Rechtliche Entwicklung des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

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ten keinen Rechtsanspruch gewährte, die Verweigerung von Privilegien und Angleichung der Vollzugsformen vorbestimmt.110 Die Ähnlichkeiten zeigten sich schließlich nicht zuletzt darin, dass Anträge der Verwahrten mit derselben Argumentation wie Anträge von Strafgefangenen abgelehnt wurden.111 Eigene Sicherungsanstalten wurden nach Einführung des StVollzG nicht mehr geschaffen. Denn der Unterschied zur Freiheitsstrafe sei schwierig herzustellen, wenn die Sicherungsverwahrung als einzige Maßregel im Justizvollzug vollzogen und bei gemeinsamer Unterbringung mit mehr Restriktionen als nötig gerechnet werden müsse.112 Der Gesetzesentwurf zum StVollzG führte als Begründung für die Unterbringung in getrennten Abteilungen auf, dass den Verwahrten dadurch i. E. aufgrund einer heimatnahen Unterbringung mehr Resozialisierungschancen geboten und Nachteile wegen der geringen Anzahl der Verwahrten z. B. hinsichtlich der Möglichkeit, zu arbeiten, beseitigt würden.113 In der ehemaligen DDR gab es keine Sicherungsverwahrung, sondern nur ein einspuriges System mit Strafschärfungen bei mehrfach rückfällig gewordenen Tätern.114 Im Jahre 1952 hatte das Oberste Gericht der Zone die Vorschrift des § 20 a StGB für unanwendbar erklärt, da sie eine Folge der faschistischen Herrschaft der Nationalsozialisten und deren Tätertypenlehre sei.115 Sogar im Einigungsvertrag sah man davon ab, die Sicherungsverwahrung auf dem Gebiet der ehemaligen DDR wieder einzuführen. Gestützt wurde dies auf die nationalsozialistische Abstammung und vorwiegend auf die negativen Erfahrungen unter dem Regime der DDR.116 Erst mit dem „Gesetz zur Rechtsvereinheitlichung bei der Sicherungsverwahrung“ vom 16.6.1995117 wurde die „Rechtsungleichheit“118 zwischen alten und neuen Bundesländern aufgehoben, so dass die Sicherungsverwahrung seither in den neuen Bundesländern angeordnet und v. a. vollzogen werden kann. Wegen des „strafähnlichen Charakters“119 der Vorschriften 110 Bsph. für die Frage des Alkoholgenusses Riebe 2009, 36; SBJL-Koepsel 2009, § 131 Rn. 3. 111 Vgl. dazu mit nachvollziehbarer Begründung Riebe 2009, 37. 112 A. Böhm 1986, 239; Neu 1976, 176; SB-Rotthaus 1983, § 131 Rn. 3; Wacker 1966, 95 ff.; später Kretschmer 1999, 220; s. a. Fennel 2006, 263: zentrale Vollzugsanstalt; vgl. noch im Jahr 1975: BT-Drs. 7/918, S. 92. 113 Regierungsentwurf vom 23.7.1973, BT-Drs. 7/918, S. 92; darauf abstellend OLG Hamm ZfStrVo 1988, 61. 114 Kinzig 1996, 24 f.; W. Müller, ZStW 1991, 904; krit. dazu Reuter, NJ 1990, 190. 115 OG, Urt. vom 23.12.1952, 3 Ust III 28/52, NJ 1953, 54, insbes. Ls. Nr. 2; vgl. dazu Renne­ berg 1956, 119 f. 116 Vgl. BT-Drs. 13/116, S. 4; s. a. W. Müller, ZStW 1991, 904. 117 SichVG vom 16.6.1995, BGBl. I 1995, S. 818 ff.; erste Gesetzesinitiative dem Jahre 1993, BR-Drs. 763/93 vom 22.10.1993; Gesetzentwurf des BRat vom 4.3.1994 in der 12. Wahlperiode, BT-Drs. 12/6969. 118 BT-Drs. 13/116, S. 4; eine vorher angemahnte Diskussion über die Maßregel blieb hingegen aus. 119 BR-Drs. 763/93, S. 7 f.: Rückwirkung könnte „im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip auf Bedenken stoßen“.

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A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung

zur Sicherungsverwahrung verzichtete man zunächst auf die Rückwirkung der Vorschriften. Aus demselben Jahr wie das SichVG stammt die Entscheidung des BVerfG, welche erstmalig die Vereinbarkeit der „Sanktion“ als solcher sowie der Zweispurigkeit mit dem GG konstatierte.120 Insbesondere wegen der (damals geltenden) Höchstfrist von zehn Jahren bei erstmaliger Anordnung der Sicherungsverwahrung in § 67 d Abs. 1 StGB a. F. verbleibe danach dem Untergebrachten wie bei der lebenslangen Freiheitsstrafe eine „realisierbare Chance“121, zu einem späteren Zeitpunkt entlassen zu werden. In erster Linie wegen der Begrenzung der erstmaligen Unterbringung auf zehn Jahre war es nämlich umso mehr die Aufgabe des Vollzugs, von vornherein auf das Leben in Freiheit vorzubereiten. Außerdem traf das Gericht fast beiläufig die Feststellung, dass die §§ 129 ff. StVollzG auf die Resozialisierung des Untergebrachten abzielten und daher „ersichtlich“ nicht dem Verbot nach Art. 104 Abs. 1 S. 2 GG entgegenstünden, festgehaltene Personen zu misshandeln.122 2. Rechtslage seit Mitte der 1990er Jahre bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Bis in die 1990er Jahre räumte man der Sicherungsverwahrung nur noch geringe Bedeutung ein.123 Dennoch scheiterten Initiativen zur Beschränkung oder gar Abschaffung der Maßregel.124 Substanziellen (normativen) Änderungen des Vollzugs der Sicherungsverwahrung gab es keine. Nicht nur der (Bundes-)Gesetzgeber hielt sich zurück, sondern auch die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Vollzug war unterfrequentiert.125 Anzumerken ist, dass den Strafgefangenen immer mehr Vergünstigungen eingeräumt wurden, die bis dato nur den Sicherungsverwahrten zu Teil geworden waren. Die Gefangenen durften bspw. oftmals eigene Kleidung tragen und waren in der sonstigen Zellengestaltung relativ frei

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BVerfG NStZ-RR 1996, 122. BVerfG NStZ-RR 1996, 122 anknüpfend an BVerfGE 45, 187, 228 f., 245 (lebenslange Freiheitsstrafe). 122 BVerfG, Beschl. vom 27.9.1995 – 2 BvR 1734/90, Rn. 23 – bei juris. 123 H.-J. Albrecht 1994, 462: „fast vergessene Maßregel“; Blau 1998, 759 ff.: „Nekrolog“; Boetticher 2010, 715: SV war „stark zurückgedrängt“; ähnl. Kinzig 1996, 4; s. a. Schöch, ZStW 1982, 874. 124 Antrag der Abg. Beck, Häfner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 5.4.1995, BT-Drs. 13/1095, S. 1 zur Beschränkung der Höchstdauer auf 5 Jahre; Gesetzentwurf der Abg. Jelpke, Heuer und der PDS, BT-Drs. 13/2859 zur Abschaffung; dazu Kretschmer 1999, 213; Milde 2006, 42. 125 Symptomatisch die spärliche Kommentierung, z. B. in Calliess/Müller-Dietz 1994, §§ 129 ff.; ebso. der Verweis in StGB-Standardkommentaren auf die Lit. der 1930–1940er Jahre, krit. C. Müller 1997, 96. 121

II. Rechtliche Entwicklung des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

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(vgl. § 19 StVollzG).126 Konsequenterweise wurde daher wieder vermehrt auf eine Annäherung von Strafhaft und Sicherungsverwahrung hingewiesen.127 Ganz im Gegensatz zur nicht vorhandenen Gesetzgebung des Bundes auf Vollzugsebene verhielten sich jedoch die Landesgesetzgeber seit der Herbstkonferenz der Justizminister und -ministerinnen im Jahr 1996 auf Verwaltungsebene. Bei dieser Tagung hatten die Politiker beschlossen, den straf- und strafvollzugsrechtlichen Schutz der Gesellschaft vor Gefahren, die von rückfälligen Sexualstraftätern ausgingen, zu verbessern. Neben die Beschränkungen durch die VV zum StVollzG traten einige Landes-Verwaltungsvorschriften. So sollten bei den Locke­r ungen, die eine der elementaren Gegensteuerungs- und Behandlungsmaßnahmen des Vollzugs darstellen, möglichst alle Fälle erfasst werden, bei denen „ein Lockerungsversagen mit größeren Risiken oder besonderer Publizität zu erwarten wäre“.128 D. h. erst recht waren (potentielle129) Sicherungsverwahrte fortan von einem besonders gründlichen Prüfungsverfahren solcher Lockerungsentscheidungen betroffen. Ende der 1990er Jahre kam es jedoch zu einem unerwartet heftigen Umschwung, mitverursacht durch mehrere erschütternde Sexualmorde an Kindern durch teilweise vorbestrafte Täter.130 Plötzlich empfand man den damals seit über einem Vierteljahrhundert unveränderten § 66 StGB a. F. als eine unerträgliche Sicherheitslücke. Weil sich darin gezeigt habe „daß der Schutz der Bevölkerung vor Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten verbessert werden“ müsse,131

126 § 20 Abs. 2 StVollzG (Kleidung); § 19 StVollzG (Zellengestaltung); § 69 Abs. 2 StVollzG (Fernsehgeräte nicht mehr nur in Ausnahmefällen, so noch BGBl. I, S. 2461); weitere Bspe. bei Köhne, BewHi 2005, 279 f.; Bartsch 2010, 277; Rösch, ZfStrVo 2004, 133. 127 Kinzig 1996, 121; Rösch, ZfStrVo 2004, 133; s. a. A. Böhm 2006, 540 zum fehlenden Bewusstsein der Rspr. 128 Boetticher, NStZ 2005, 421. 129 Strafgefangene mit angeordneter/vorbehaltener SV werden aufgrund der Belastung sowie drohenden Maßregel als „potentielle Sicherungsverwahrte“ (Bartsch, FS 2012, 258; ders., NK 2013, 203 ff.); „Rucksackstrafgefangene“ (ähnl. Kröber et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 167: nachträgliche SV sei „Rucksack“; Lückemann in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 9: „Rucksackgefangenen“; ähnl. Kreuzer, Schriftliche Stellung­ nahme zum HSVVollzG-E, S.  8) oder „latente Sicherungsverwahrte“ (AK-StVollzG-Feest/ Köhne 2006, vor § 129 Rn. 7: „latente Sicherungsverwahrung“; Sprung 2009, 94; Köhne, JR 2015, 255) oder „Strafgefangene mit notierter Sicherungsverwahrung“ (Bartsch 2010, 245) bezeichnet. 130 Z. B. der Fall Dutroux in Belgien, die Ermordung der siebenjährigen Natalie und der zehnjährigen Kim in der BRD; dazu Kinzig 2010, 9 f.; Nedopil 2012b, 11; D. Seebode 2011, 24 ff. Einen Zusammenhang stellen der damalige BJM Schmidt-Jortzig, NStZ 1998, 441 und die damaligen Regierungsfraktionen in BT-Drs. 13/7163, S. 1 her; krit. dazu H. J. Albrecht, ZStW 1999, 863 ff.; ders. 2006, 200. Baltzer, StV 2010, 602: 1998; Böllinger, Vorgänge 2007, 74: „punitive Wende der 90er Jahre“; Ullenbruch, NStZ 2001, 293; NK-StGB-Pollähne 2013, § 61 Rn. 30: „Klimaveränderung“ im 23. StrÄndG. 131 Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und FDP vom 11.3.1997, BT-Drs. 13/7163, S. 1, 5; mit Recht krit. Dünkel, NK 1997, 8 f.; Goldmann, KJ 2009, 282; Kreuzer 2008, 79; Meier 1999, 446 ff.

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A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung

reagierte der Gesetzgeber daraufhin mit dem Erlass des „Gesetzes zur Bekämpfung von Sexualdelikten und anderen gefährlichen Straftaten“.132 Kernstück des SexualdelBekämpfG war der Ausbau der Sicherungsverwahrung.133 Weitere Verschärfungen bis hin zu einem unüberschaubaren System an materiellen Voraussetzungen der Anordnungsebene bescherte die folgende, bisweilen aktionistische und angestrengte Gesetzgebung.134 Zunächst erließen einige Länder Unterbringungsgesetze, welche die nachträgliche Unterbringung besonders rückfallgefährdeter Straftäter ermöglichen sollten.135 Weitere einzelne, emotional von den Medien aufbereitete Sexualstraftaten an Kindern136 und letztlich die anstehende Bundestagswahl im September 2002137 veranlassten die Bundesregierung als Zugeständnis zu den geführten Diskussionen und Entwürfen der Länder die vorbehaltene Sicherungsverwahrung in § 66 a StGB einzuführen.138 Die letzte Ausweitung der

132 BGBl. I 1998, S. 160, im Folgenden: SexualdelBekämpfG. Ausgangspunkt war ein Entwurf der Regierungsfraktionen CDU/CSU und FDP (BT-Drs. 13/7163), darauf folgten Entwürfe des BRat (BT-Drs. 13/7559) sowie der BReg (BR-Drs. 163/97, BT-Drs. 13/8586) und eine öffentliche Anhörungen im RA (BT-Drs.  13/8989; BT-Drs.  13/9062 und darauf beruhende Änderungen in BT-PlPr 13/204, S. 18431 ff.); zu den Neuerungen im Bereich der SV s. Alex, StV 2006, 105 ff.; Dünkel/van Zyl Smit, KrimPäd 2004, 48; Hammerschlag/Schwarz, NStZ 1998, 321 ff.; Jansing 2004, 67 ff.; Milde 2006, 44 ff.; Kinzig, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2010, 49 ff. 133 BVerfG NJW 2004, 756: „Ausbau der Sicherungsverwahrung …  ‚Kernstück‘ der Reform“. Die Erkenntnisse zur Legalbewährung rechtfertigten die mit diesem Gesetz eingeleiteten Verschärfungen der SV allerdings nicht, zur fehlenden empirischen Grundlage MüKoRenzikowski 2012, vor §§ 174 ff., Rn. 70 f.; Düx, ZRP 2006, 82; Meier 2015, 370 ff.; Neubacher 2014, Kapitel 25 Rn. 5; Kinzig, NStZ 2004, 655. 134 Allg. Brüggemann 2013, 116; Kreuzer, KrimPäd 2004, 6; speziell zur SV H.-J. Albrecht 2006, 191: legislativer Aktionismus als Reaktion auf Einzelfälle; Feltes/Alex 2010, 741: „spektakuläre Einzelereignisse“; Sack/Schlepper, KrimJ 2011, 257; Leutheusser-Schnarrenberger, RuP 2013, 67: „gesetzgeberische[n] Schnellschüsse[n]“; angemessen krit. Jung, GA 2010, 639, Ullenbruch NStZ 2001, 292. Einwände gegen Gesetzgebung als Reaktion auf Einzelfälle allg. bei Kertai 2014, 217 ff.; konkret bzgl. des SexualdelBekämpfG bei Dünkel, NK 1997, 9: „als blinder Aktionismus entlarvt“; Walter 2001, 8 f.: „der Ausnahmefall als Musterfall“; ebso. Kinzig, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2010, 49; Nedopil 2012b, 11 f.; krit. Knauer, StraFo 2014, 47; Rzepka, KrimJ 2003, 237: Freiheitsrechte von Sexualstraftätern gelten „über alle Parteigrenzen hinweg – als ohne weiteres verfüg- und damit einschränkbar“. 135 Bspw. „Straftäterunterbringungsgesetz“, GBl. BW 5/2001, S.188 f.; zu den landesrechtli­ chen Unterbringungsgesetzen Alex 2013, 11 ff.; Kinzig 2010, 17 ff.; Rzepka, R&P 2003, 127 ff., 191 ff.; Ullenbruch, NStZ 2001, 293 ff. 136 Dazu Boetticher 2010, 722, 725 f.; zur emotional geführten Diskussion J. L.  Müller/ Stolpmann et  al., MschrKrim 2011, 162; Pfister, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2011, 82 ff.; allg. Blau 1998, 764; Keßler 2014, 7: „sex panics“; Konrad, R&P 2012, 2: „mediale Dramatisierung“; Walter 2001, 8; Kötter, KJ 2003, 71: „Geisterdebatten“; Kreuzer, ZRP 2011, 8: „Phantomdebatte ohne jeglichen empirischen Nachweis“. 137 Kreuzer 2006, 146; Böllinger, Vorgänge 2007, 73; Rzepka, R&P 2003, 129; zum SexualdelBekämpfG Asbrock, Betrifft Justiz 2002, 371. 138 Auch hier lässt sich die empirische Grundlage bezweifeln, vgl. BT-PlPr 14/228, S. 22697; krit. Böllinger, Vorgänge 2007, 75; Bock 2015, 107; zum Umgang des Gesetzgebers mit der Empirie Naucke, GA 1984, 217.

II. Rechtliche Entwicklung des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

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Sicherungsverwahrung vor den Entscheidungen des BVerfG aus dem Jahre 2004 erfolgte mit dem „Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und zur Änderung anderer Vorschriften“ vom 27.9.2003 und zeugt von einer „Sicherungsstrategie“ des Gesetzgebers, der die bis dato geltenden Zurückhaltung ggü. jungen Menschen ablegte.139 Wie der Vollzug der Verwahrung ausgestaltet war und ob sich Verwahrte jemals wieder in der Gesellschaft zu Recht finden würde, blieb dabei unbeachtet. Ein Anspruch auf Wiederaufnahme in der Gesellschaft wurde und wird von der Öffentlichkeit, einigen Politikern und von (seriöser) Berichterstattung anscheinend sorglos abgelehnt.140 Nicht vergessen werden sollte, dass „der Sicherungsverwahrungsvollzug“ erst seit dem EGMR-Urteil vom 17.12.2009 überhaupt in das „Rampenlicht“ der Kriminalpolitik (und der Strafrechtswissenschaft) rückte: Bisher wurde das Sicherheitsargument i. d. R. als Begründung für Verschärfungen auf Anordnungsebene und hinsichtlich Regelungen zur Dauer der Verwahrung genutzt. a) Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Höchstfrist Das BVerfG beschäftigte sich bis zum Jahre 2004 noch einige Male mit der unbestimmten Dauer in § 67 d Abs. 3 StGB a. F. Noch im selben Jahr der Aufhebung der Höchstfrist bei Erstanordnung der Sicherungsverwahrung hatte es über einen Eilantrag eines seit über zehn Jahren verwahrten Sexualstraftäter zu entscheiden, der mit diesem seine Entlassung bzw. zumindest die Rückverlegung in den offenen Vollzug anstrebte.141 Das höchste deutsche Gericht lehnte jedoch die einstweilige Anordnung ab, ohne in der Sache auf den gerügten Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot142 bzw. den Vollzug der Sicherungsverwahrung einzugehen. Denn eine nachträgliche Ablehnung der Verfassungsbeschwerde als unbegründet würde einen nicht hinnehmbaren erheblichen Nachteil für das Wohl der All­gemeinheit bedeuten. Insgesamt wiege die vom Antragsteller ausgehende Gefahr viel schwerer als der nicht wieder gutzumachenden Nachteil des Eingriffs in das Recht auf Freiheit der Person143 bei verweigerter einstweiliger Anordnung und nachträglicher Begründetheit der Verfassungsbeschwerde.

139

BGBl. I 2003, S. 3007 ff.; dazu Kinzig 2010, 35 ff.; zur „Sicherungsstrategie“ s. Schöch 2011, 1208; krit. Boetticher 2010, 727 ff.; Kinzig, NStZ 2004, 658; and. Grosse-Brömer/Klein, ZRP 2010, 174. 140 S. dazu Alex 2013, 55 ff.; krit. ebso. Möllers 2012, 106 f. 141 BVerfG NStZ 1999, 156 f.; Beschl. vom 28.5.2003 – 2 BvR 765/03, bei juris. 142 BVerfGE 74, 126: „Offenbleiben kann hier, ob sich das Gebot der gesetzlichen Bestimmtheit nach Art. 103 Abs. 2 GG nicht nur auf die Voraussetzungen der Strafe …, sondern ob es … auch für Maßregeln und Nebenfolgen, gilt.“ Siehe bereits BVerfG NStZ 1999, 156; BVerfGE 83, 128. 143 BVerfGE 15, 226; 18, 147; 22, 180; 84, 344.

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A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung

Im Jahr 2000 gelangte dieselbe Sache als Verfassungsbeschwerde zum BVerfG, wo sie aufgrund einer Verletzung des Subsidiaritätsgrundsatzes nicht angenommen wurde.144 Inhaltlich entschied das BVerfG erstmals in der Höchstdauerentscheidung vom 5.2.2004145 über die Verfassungsmäßigkeit der Abschaffung der zehnjährigen Höchstfrist. Dabei ging es insbesondere um die Frage, ob durch diese Verschlechterung nicht ein Verstoß gegen das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Vertrauensschutzgebot und das Rückwirkungsverbot des Art.  103 Abs. 2 GG vorlag und der Gesetzgeber insbesondere zum Schutz der Menschenwürde dazu verpflichtet war, eine Obergrenze für die Dauer der Sicherungsverwahrung festzulegen. Ihre grundlegende Bedeutung verdankt diese Entscheidung v. a. der Tatsache, dass sie zur Sicherungsverwahrung, deren Ausgestaltung und Stellung im zweispurigen System, Position bezieht. Relevanz besitzt sie für die vorliegende Arbeit deshalb, weil sie als „Geburtsstunde des Abstandsgebots“ bezeichnet werden kann und zumindest am Rande den Vollzug anspricht.146 Es handelte sich um die Verfassungsbeschwerde desjenigen Sicherungsverwahrten aus Hessen, der fünf Jahre später mit seiner Individualbeschwerde vor dem EGMR Erfolg haben sollte, weshalb neben den Entscheidungsgründen kurz auf den Sachverhalt eingegangen wird. b) Sachverhalt und Inhalt der Höchstdauerentscheidung vom 5.2.2004 Der Entscheidung lag eine für Sicherungsverwahrte fast charakteristische Lebensgeschichte147 des Bf. M. zugrunde, die ihr vorläufiges Ende im Jahre 1986 in einer Verurteilung zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung fand. Ab 1991 wurde die Sicherungsverwahrung in der hessischen JVA Schwalmstadt vollzogen, wobei zu diesem Zeitpunkt die Höchstfrist für die erste Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 67 d Abs. 1 S. 1 StGB a. F. noch bei zehn Jahren lag. Das LG Marburg lehnte am 10.4.2001148 die Aussetzung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung ab, weil bei M. weiterhin der Hang zu erneuten Straftaten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt würden, bestehe und nach § 67 d Abs. 3 StGB in der damals geltenden Fassung keine Höchstfrist mehr bestand. Angesichts der drohenden schweren Straftaten sei die weitere Unterbringung in der Sicherungsverwahrung verhält 144

BVerfG NStZ-RR 2000, 281 f.; krit. Kinzig, StV 2000, 331 f. BVerfGE 109, 133; krit. Kinzig, NJW 2004, 911 ff.; and. Rösch, ZfStrVo 2004, 131 ff. 146 Höffler/Kaspar, ZStW 2012, 108. 147 Zum Sachverhalt s. BVerfGE 109, 141 ff.; sowie EGMR, Urt. vom 17.12.2009 – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn. 6 ff. – bei juris; zu dieser „typischen“ Lebensgeschichte Kinzig, NStZ 2010, 233; Dünkel/van Zyl Smit, KrimPäd 2004, 50; weitere ähnl. Sachverhalte bei Kinzig 2010, 174 ff.; Bamberger 2012, 213 f. 148 LG Marburg, Beschl. vom 10.4.2001  – 7 StVK 50/01; bestätigt durch OLG Frankfurt a. M., Beschl. vom 26.10.2001 – 3 Ws 543/01, 3 Ws 544/01 – bei juris. 145

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nismäßig, obwohl bereits zehn Jahre verstrichen waren. M. legte noch im Jahre 2001 Verfassungsbeschwerde ein. Diese wurde hinsichtlich des Rückwirkungsverbots des Art. 103 Abs. 2 GG mit einer Mehrheit von 6:2 Stimmen und im Übrigen einstimmig zurückgewiesen. Einleitend hob das Gericht hervor, dass für Sicherungsverwahrte und deren Vollzug ebenso wie für Gefangene im Strafvollzug das aus der Menschenwürde abzuleitende Resozialisierungsgebot gelte. Damit erstmals und grds. zur Vereinbarkeit der Maßregel mit Art.  1 Abs.  1  GG Stellung beziehend, stellte das Gericht auf das gemeinschaftsbezogene Menschenbild der Sicherungsverwahrung sowie die „Gemeinschaftsgebundenheit des Individuums“ ab.149 Der Verwahrte müsse aber in Anlehnung an die Rechtsprechung zur lebenslangen Freiheitsstrafe „allgemein nicht nur rechtlich, sondern auch tatsächlich eine konkrete und realisierbare Chance haben, die Freiheit wieder zu erlangen“150, da die Sicherungsverwahrung andernfalls zu einem gegen die Menschenwürde verstoßenden Verwahrvollzug verkomme. Um die Menschenwürde zu schützen, bedürfe es „gesetzliche[r] Vorgaben sowie Vollzugskonzepte, die den Untergebrachten eine reelle Chance auf Wiedergewinnung ihrer Freiheit einräumen“151. Zwar erreichten die Therapie- und Arbeitsangebote nur einen Teil der Verwahrten, dennoch könne man zu dem Ergebnis kommen, die Sicherungsverwahrung trage in ihrer Ausgestaltung dem Gesagten ausreichend Rechnung.152 Die Sicherungsverwahrung verstoße nicht wegen möglicher Haftschäden gegen die Menschenwürde, zudem sei sie normativ und tatsächlich am Resozialisierungsgedanken ausgerichtet.153 Auch die Abschaffung der im Jahr 1975 eingeführten Höchstfrist verstoße nicht gegen Art. 1 Abs. 1 GG. Des Weiteren sei darin weder ein Verstoß gegen das in der Verfassung einen hohen Rang einnehmende Freiheitsgrundrecht des Verwahrten aus Art. 2 Abs. 2 S. 2 GG noch gegen das Rückwirkungsverbot des Art. 103 Abs. 2 GG zu sehen. Der Eingriff in das Freiheitsgrundrecht sei zulässig, da dieser unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes dem Schutz der Allgemeinheit vor Rechtsgutsverletzungen durch gefährliche Straftäter diene und dem Gesetzgeber diesbzgl. ein Beurteilungsspielraum zukomme.154 Die Sicherungsverwahrung sei als „rein präventive Maßnahme“ weder eine Strafe i. S. d. Art. 103 Abs. 2 GG noch müsse sie aufgrund der Art und Weise ihres Voll 149 BVerfGE 109, 151; zur dogmatischen Fragwürdigkeit dieses Menschenbildes Tanneberger 2014, 125 ff.; ebso. Mushoff 2008, 320 ff.; Köhne, BewHi 2005, 278 f.; Hörnle, StV 2006, 384. 150 BVerfGE 109, 155 f. sowie 150 ff. unter Bezugnahme auf BVerfGE 45, 229; krit. Elsner/ Schobert, DVBl. 2007, 278 ff.: Unabwägbarkeitsdogma der Menschenwürde indirekt durchbrochen; ebso. Steinhilber 2012, 126; bzgl. der Einführung der vorbehaltenen SV Böllinger, Vorgänge 2007, 74. 151 BVerfGE 109, 151. 152 BVerfGE 109, 155 f. mit Forderungen nach Resozialisierungsangeboten (Behandlung, Therapie und Arbeit). 153 BVerfGE 109, 153 f. 154 BVerfG 109, 157 ff.

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zugs darunter subsumiert werden.155 Denn dadurch werde die Sicherungsverwahrung nicht zu einem Übel, welches ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten vergelte. Ein Verstoß gegen das Vertrauensschutzgebot – eingeschränkt durch den Vorbehalt einer Gesetzesänderung in § 2 Abs. 6 StGB – müsse angesichts der zugunsten dem Schutz der Allgemeinheit ausfallenden Abwägung mit den Individualinteressen des Verwahrten verneint werden.156 Schließlich sei der Vollzug der Freiheitsstrafe nicht repressiv bzw. schuldausgleichend ausgestaltet, was erst recht für den Sicherungsverwahrungsvollzug gelte.157 Weiterhin betonte das Gericht die unterschiedliche Konzeption von Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung im deutschen zweispurigen System und stellte erstmals das Abstandsgebot auf. Es forderte einen gewissen, für die Verwahrten und die Allgemeinheit äußerlich erkennbaren Abstand158 zwischen dem Strafvollzug und dem Vollzug der Sicherungsverwahrung i. S. e. Besserstellung der Verwahrten. Bisher hatte es sich darauf festgelegt, dass die Sicherungsverwahrung „nach den gleichen Maßstäben wie die Strafe zu vollziehen sei“.159 Eine solche Privilegierung ggü. dem Strafvollzug sei bereits in den §§ 131–134 StVollzG angelegt und notwendig, da der Verwahrte aus kollektiven Interessen vorbeugend zur Verhinderung weiterer Straftaten, welche zudem regelmäßig nicht sicher zu prognostizieren seien, im Vollzug „behalten“ werde. Orientiert am Gebot der Verhältnismäßigkeit bedeute dies sodann, dass bei besonders langer Unterbringung über weitere Vergünstigungen nachzudenken sei, um den „hoffnungslos Verwahrten“ einen Rest an Lebensqualität zu bieten.160 Durch diesen Abstand werde der allein spezialpräventive Charakter der Maßregel deutlich. Im Sicherungsverwahrungsvollzug stehe der ihn bestimmende Sicherungszweck im Vergleich zur Besserungsfunktion klar im Vordergrund.161 Allerdings müssten die Landesjustizverwaltungen selbst – sprich die Praxis und nicht das BVerfG, dessen Aufgabe es nicht sei, konkrete Richtlinien vorzugeben – für einen solchen privilegierten Vollzug sorgen.162 Dabei stellte das Gericht fest, 155

BVerfGE 109, 167 ff. BVerfGE 109, 180 ff.; BVerfG, Beschl. vom 14.9.2005  – 2 BvR 882/05, bei juris; s. a. Dünkel/van Zyl Smit, KrimPäd 2004, 51. 157 BVerfGE 109, 176 mit Verweis auf BVerfGE 2, 118, 119 ff.; s. a. BVerfGE 109, 166 f. 158 BVerfGE 109, 167: „Im Ergebnis muss jedoch sichergestellt sein, dass ein Abstand zwischen dem allgemeinen Strafvollzug und dem Vollzug der Sicherungsverwahrung gewahrt bleibt, der den allein spezialpräventiven Charakter der Maßregel sowohl dem Verwahrten als auch für die Allgemeinheit deutlich macht.“ Zu Recht Höffler/Kaspar, ZStW 2012, 109: „kursorische[n] Ausführungen“. 159 BVerfGE 42, 232; BVerfGE 2, 188; s. dazu Arloth 2013, 204; MüKo-Ullenbruch/Drenkhahn/Morgenstern 2012, § 66 Rn. 36. 160 BVerfGE 109,167; vgl. zur aktuellen Diskussion insbes. Teil C.IV. 161 BVerfGE 109, 166. 162 Überspitzt Wolf 2011, 112: „das BVerfG hatte schon im Urteil von 2004 … nachdrücklich auf das Abstandsgebot und die entsprechenden Handlungsverpflichtungen hingewiesen, wurde [aber] nicht ernstgenommen …“ 156

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dass es trotz dem ähnlich ausgestalteten Vollzug der Sicherungsverwahrung und der Freiheitsstrafe nichts gegen den generellen Verweis in § 130 StVollzG einzuwenden gebe.163 Schließlich könnten Strafe und Sicherung beide nur mit den Mitteln der Freiheitsentziehung durchgeführt werden. Die Verhältnismäßigkeit stellte es im Jahre 2004 (noch) vermeintlich „abschließend“ fest.164 c) Stellungnahme aa) Grundprinzipien und Menschenwürde Bedeutung ist der Entscheidung v. a. deshalb beizumessen, weil sie zu allen Aspekten der Sicherungsverwahrung Stellung bezieht. Zudem klärte das BVerfG (vorerst) die allgemeinen verfassungsrechtlichen Problemfelder der Maßregel sowie ihre Grundprinzipien, insbesondere im Vergleich zur Strafe.165 Darüber hinaus spiegelt sie das seit Ende der 1990er Jahre entstandene Klima einer allgegenwärtigen diffusen Angst vor Sexual- und Gewaltstraftätern wider. Denn die Verfassungsrichter selbst betonen, dass „der Freiheitsentzug durch unbefristete Sicherungsverwahrung … im Einzelfall offensichtlich einen höheren Schutz als jede denkbare Behandlungsmaßnahme unter gelockerter Aufsicht“ biete.166 Zwar wird einerseits erfreulich klar betont, dass das Resozialisierungsgebot gleichermaßen in der Sicherungsverwahrung zu gelten habe.167 Andererseits blieb es mit dieser Aussage im Kern dabei, dass es bei der Sicherungsverwahrung nicht um die Besserung, sondern alleine um die Sicherheitsinteressen der Gesellschaft gehe. Die häufig verwendeten Begrifflichkeiten rund um die Sicherheit und den Schutz der Allgemeinheit bringen dies deutlich zum Ausdruck.168 Die Sicherungsverwahrung wurde in der Höchstdauerentscheidung „in erster Linie als Menschenwürdeproblem gehandelt“, ohne dass sich die Richter tiefer­ gehend mit Art. 1 Abs. 1 GG auseinandersetzten.169 Vielmehr versäumten sie es, die allgemeinen Interessen näher zu konkretisieren i. d. S., dass auf zentrale potentiell betroffene Rechte der möglichen Opfer wie Leben, Leib oder sexuelle Selbstbestimmung sowie eine diesbzgl. schwerwiegende Verletzungsgefahr verwiesen 163

BVerfGE 109, 173 f. Hörnle, StV 2006, 385 resignierend aus Sicht der anwaltlichen Praxis. 165 Hörnle, StV 2006, 384: „aus der Perspektive des Gerichts … Frage abschließend geklärt“; ähnl. Dünkel, NK 2004, 42 f.; Dünkel/van Zyl Smit, KrimPäd 2004, 49, 52; Goerdeler, ZJJ 2004, 191: „Verfassungskonsistenz“. 166 BVerfGE 109, 160. 167 Dünkel, NK 2004, 44; Dünkel/van Zyl Smit, KrimPäd 2004, 52; Laubenthal, ZStW 2004, 731; ähnl. Steinhilber 2012, 126 ff.; and. Kreuzer, ZIS 2006, 148; Landau, FS 2011, 132. 168 Vgl. dazu unten Teil A..II.4.c); zur Betonung der Sicherung s. a. Hömig 2013, 291. 169 Krit. Tanneberger 2014, 124, 127 ff. m. w. N.; s. a. Kretschmer 1999, 213; ebso. Bartsch 2010, 315 ff.; Goerdeler, ZJJ 2004, 193; Düx, ZRP 2006, 84 f.; Hörnle, StV 2006, 385. 164

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worden wäre.170 Es mit einer insgesamt als angemessen bezeichneten Vollzugsgestaltung zu rechtfertigen, dass der Verwahrte durch die jahrzehntelange schuldunabhängige Verwahrung nicht „zum bloßen Objekt der Verbrechensbekämpfung“ des Staates werde, greift zu kurz.171 Denn das Gericht hätte auf das einzelne Opfer und nicht pauschal auf die Allgemeinheit der Bürger abstellen müssen.172 Konkret für den Sicherungsverwahrungsvollzug interessiert die Aussage des Gerichts, dass die Sicherungsverwahrung nicht wegen möglicher Haftschäden gegen Art. 1 Abs. 1 GG verstoße, wobei es sich dabei auf seine eigene Lebenslänglichenentscheidung aus dem Jahre 1977 bezog. In dieser Entscheidung hatte das Gericht dem Gesetzgeber eine Beobachtungspflicht aufgegeben, ob durch den langandauernden Vollzug einer (lebenslangen) Freiheitsstrafe Schäden entstehen.173 Ohnehin treffe diesen die Verpflichtung, neuere empirische Erkenntnisse zu berücksichtigen und Gesetze falls notwendig daran anzupassen.174 Diese Pflicht scheint der Gesetzgeber nicht nur bei der lebenslangen Freiheitsstrafe, sondern genauso bei der anschließenden Sicherungsverwahrung zu ignorieren.175 ­Allein Dauer und Gründe der Beendigung interessieren ihn. Umso verwirrender ist es, wenn das BVerfG in der Entscheidung vom 5.4.2004176 behaupten kann, dass eine lange Entziehung der Freiheit keine Veränderungen oder Schäden verursache, welche die Menschenwürde berühren können, und zur Begründung die Untersuchung von Weber heranzieht.177 Weber zufolge hätte der Senat im Jahre 1977 bereits zu dem Ergebnis gelangen müssen, dass eine (lebens)lange Freiheitsentziehung „i. d. R. zu zumindest schweren, wenn nicht gar irreparablen Schäden am Menschen in seiner Eigenart als personales und soziales Wesen führt“.178 Allerdings beruhen derartige Schäden meist auf verschiedenen Faktoren und erfolgen nicht zwingend. Auch Weber spricht von „i. d. R.“, aber nicht „zwangsläufig“.179 Es fehlt daher der empirische Nachweis für die Behauptung, ein lange Jahre dau 170 Ähnl. aktuell Fischer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 151 ff.: Fraglich, wessen Sicherheitsbelange betroffen sein sollen. 171 BVerfGE 109, 50 f. mit ersten krit. Tönen; s. a. Hörnle, StV 2006, 384. 172 Hörnle, StV 2006, 384; ähnl. Grünwald, ZStW 1964, 643; Kretschmer 1999, 216; Ebner 2015, 141. 173 BVerfGE 45, 237 f.; zur Beobachtungspflicht s. a. Hillenkamp 2009, 316; Kett-Straub 2011, 341; Kinzig, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2015, 207 f. 174 Eisenberg 2000, § 23 Rn. 49; LNNV/Neubacher 2015, Einl. A. Rn. 36; vgl. auch BVerfGE 116, 90. 175 Hins. der lebenslangen Freiheitsstrafe s. Hillenkamp 2009, 316; Kett-Straub 2011, 341; s. a. Kinzig, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2015, 207 f.; zur Übertragbarkeit auf die SV s. u. Teil A., Fn. 181. 176 BVerfGE 109, 153; i. Ü. BVerfGE 117, 90 f. zur lebenslangen Freiheitsstrafe. 177 Hillenkamp 2009, 316: Warum das Gericht die fehlende Beobachtung nicht rügt, „bleibt im Dunkeln“; krit. bzgl. der Rspr. zur lebenslange Freiheitsstrafe Kinzig, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2015, 207 f. 178 Weber 1999, 105 mit dem bezeichnenden Titel „Die Abschaffung der lebenslangen Freiheitsstrafe“. 179 Dazu Kett-Straub 2011, 341; Weber 1999, 105.

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ernder Freiheitsentzug verursache (k)eine die Menschenwürde berührenden Veränderungen. Unbefriedigend ist dennoch, dass das BVerfG die Haftschäden derart kurz abhandelte. Inzwischen kommen in erster Linie internationale Studien – zwar für den Strafvollzug, aber in dieser Hinsicht auf die Sicherungsverwahrung übertragbar – zu dem Ergebnis, „dass Bewältigungsmechanismen wie Prisonisierung und Institutionalisierung mit der Dauer der Gefangenschaft“ zunehmen und besondere Probleme insbesondere mit der Unbestimmtheit der Dauer des Vollzuges und Ungewissheit einer vorzeitigen Entlassung zusammenhängen.180 Letztlich hätte das BVerfG die Beobachtung beim Gesetzgeber und damit die empirische Nachforschung einfordern müssen. Wenn das Gericht wie hier davon absieht, „verkommt die Beobachtungspflicht des Gesetzgebers zu einer Naturalobligation, deren Nichtbeachtung folgenlos bleibt“.181 bb) Abstandsgebot und praktische Umsetzung Den knappen Aussagen des BVerfG zum Abstandsgebot entspricht es, dass sich das Schrifttum in der Folgezeit kaum damit auseinandersetzte. Erst in neuerer Zeit wurde der Vorwurf laut, das Gericht habe versäumt, neben der Feststellung, dass ein privilegierter Vollzug notwendig sei, das Gebot des Abstandes mit Leben zu füllen, weil es sich mit Allgemeinplätzen zufrieden gegeben habe, ohne konkret auf Einzelheiten einzugehen.182 In der Tat: Das Abstandsgebot wird in Abkehr von der bisherigen Rechtsprechung festgestellt und in erster Linie mit dem dogmatischen Abstand zwischen Strafe und Sicherungsverwahrung begründet. In nur wenigen Sätzen wird im Weiteren auf den „privilegierten Vollzug“ und die Notwendigkeit des Abstands eingegangen. Dabei auf nahezu banale Freiheiten wie das Recht, eigene Kleidung tragen zu dürfen, abzustellen, wo es um die jahrzehntelange Entziehung der Fortbewegungsfreiheit sowie die autonome Lebensgestaltung auf drastische Art und Weise geht, ist nicht ausreichend, um damit eine menschenwürdige und privilegierte Ausgestaltung darzulegen. Gleiches gilt für das 180 Snacken/van Zyl Smit, NK 2009, 60 f. in Bezug auf die lebenslange Freiheitsstrafe, nichts anderes kann für die insofern noch unbestimmtere SV gelten. Aus Deutschland stammt die letzte fundierte empirische Untersuchung zu möglichen Haftschäden aus dem Jahre 1912 von Liepmann. Die Gutachten, welche das BVerfG in seiner Lebenslänglichenentscheidung nutzte, auf die sich die Höchstdauerentscheidung bezog, wiesen Widersprüche auf (Bresser und Rasch nehmen übereinstimmend irreparable Persönlichkeitsschädigungen an, wohin­ gegen Einsele und Stark zum gegenteiligen Ergebnis gelangen). 181 Das zu Recht sehr krit. Fazit von Hillenkamp 2009, 316 zu BVerfGE 117, 90 f.; da es in der SV, der eine Strafhaft vorausging, ebso. um langjährige Freiheitsentziehung geht und daher hier genauso Haftschäden zu befürchten sind, ist die Beobachtungspflicht des Gesetz­gebers hier genauso gegeben und das Urt. des BVerfG vom 5.2.2004 gleichermaßen zu kritisieren. 182 Etwa Arloth 2013, 205 f.; Bartsch, FS 2011, 274: Höffler/Kaspar, ZStW 2012, 109; Kinzig 2010, 44; Köhne, JR 2015, 256; Kreuzer/Bartsch, StV 2011, 476; s. a. Hömig 2013, 291.

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Argument des Gerichts, dass die wiederkehrenden Aussetzungs- und Erledigungsregelungen sicherstellten, dass der Untergebrachte irgendwann wieder freigelassen werden könne. Missachtet wird damit, dass der Verwahrte zuvor aufgrund der Unbestimmtheit der Maßregel den härtesten Eingriff183 in sein Freiheitsgrundrecht, den das deutsche Strafrecht zu bieten hat, erdulden musste. Die Ausgestaltung der Praxis zu überlassen, beurteilte Rösch dennoch als eine weise Entscheidung, da sich die Rechtsprechung damit nicht in den Vollzugsalltag einmische, die unterschiedlichen Verhältnisse in Justizvollzugsanstalten berücksichtige und Raum für unterschiedliche Vollzugskonzepte lasse.184 Dem ist zu widersprechen: Denn die vom BVerfG bei „allen“ Bundesländern durchgeführte Umfrage, auf die lediglich fünfzehn Bundesländer und dazu noch in unterschiedlichem Umfang bisweilen sehr vage bis Mitte 2002 Auskunft erteilten, hätte als eine solch partielle Erhebung in einem sehr begrenzten Zeitraum nicht die alleinige Grundlage der Entscheidung sein dürfen, um den Abstand der Praxis zu überlassen, zumal sie sich mit Recht methodischen Vorwürfen ausgesetzt sah.185 Dass selbst die Richter gewisse Zweifel an der Validität der eigenen Umfrage hatten, zeigt die zurückhaltende Formulierung, dass die Angaben der Landesregierungen zur tatsächlichen Durchführung der Sicherungsverwahrung ebenfalls nicht den Schluss zuließen, es handle sich bei der Sicherungsverwahrung um einen reinen Verwahrvollzug gefährlicher Straftäter.186 Das klingt nicht danach, als sei das BVerfG davon überzeugt gewesen, dass die Untergebrachten wie gefordert, „eine konkrete und realisierbare Chance haben, aus der Sicherungsverwahrung entlassen zu werden.“187 Mit dieser Begründung stufte es jedoch die zweijährige Überprüfung als ausreichend ein, um eine etwa nachlassende Gefährlichkeit rechtzeitig erkennen und damit den Prognoseunsicherheiten zu begegnen. Dass sich damit im Wesentlichen die Auseinandersetzung des BVerfG mit der Prognoseproblematik erübrigt, ist angesichts der Fülle an kritikwürdigen Punkten, die seit langem heftig diskutiert wurden,188 nicht nachvollziehbar. Zwar war die Obergrenze zum damaligen Zeitpunkt erst fünf Jahre abgeschafft, so dass eventuell nicht genügend Fälle zur Erstellung einer einheitlichen Statistik ab diesem Zeitpunkt vorhanden gewesen sind.189 Allerdings ging es eher um die Frage der konkreten Lebensbedingun 183 Zur Härte des Eingriffs der präventiven Maßregel Feltes, StV 2000, 281; Kinzig, NJW 2004, 913; Rzepka, R&P 2003, 197; s. a. Hörnle, StV 2006, 384. 184 Rösch, ZfStrVo 2004, 133. 185 Zur Umfrage ausführl. Bartsch 2010, 171 ff.: Da Angaben z. T. fehlen, ist eine universelle Aussage nicht möglich; krit zu Recht Dünkel, KrimPäd 2004, 5: „unsystematisch und unzulänglich“; Kinzig, NJW 2004, 912; Steinhilber 2012, 125; allg. zu fehlenden rechtstatsächlichen Erkenntnissen zum SVV Dünkel, NK 2004, 44; Dünkel/van Zyl Smit, KrimPäd 2004, 52; ähnl. Boetticher, NStZ 2005, 418, 420. 186 BVerfGE 109, 154 f.; auf die Zurückhaltung abstellend Laubenthal, ZStW 2004, 731. 187 BVerfGE 109, 153. 188 Zur Kritik etwa Boetticher, MschrKrim 1998, 354; Dünkel/Kunkat, NK 2001, 16; Eisenberg/Schlüter, NJW 2001, 188; Kinzig, NJW 2001, 1455; ders., NJW 2002, 3204. 189 So der berechtigte Einwand von Passek, GA 2005, 105.

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gen im Vollzug der Sicherungsverwahrung, so dass es nicht einleuchtet, wieso nur die Fälle ab der Abschaffung der zehnjährigen Höchstfrist mitumfasst sein sollten. Es reicht also entgegen der Aussage Röschs nicht aus, dass das Gericht künftige Erhebungen forderte und dennoch seine Entscheidung auf die von ihm unzureichend „festgestellte“ Praxis stützte.190 Angesichts der Defizite der Erkenntnisse des Gerichts zur tatsächlichen Situation hätte es in dieser Pauschalität auch keine Aussage zur Überprüfung und Validität der Prognose treffen dürfen, zumal die resozialisierungsfeindliche Wirkung der entfallenen Höchstdauer bekannt war.191 Daher überzeugt aufgrund einer unzureichenden sachlichen Grundlage in Form der Länderumfrage die Argumentation des Gerichts nicht, die Ausgestaltung der Praxis zu überlassen. Kritikwürdig ist, dass trotz eigener Zweifel an der Vollzugsrealität nicht etwa ein eigenes Vollzugsgesetz nur für die Sicherungsverwahrung gefordert wurde.192 Die Richter verlangten lediglich, ohne dabei sonderlich überzeugt zu klingen, dass die Landesjustizverwaltungen „dafür Sorge zu tragen [hätten], dass Möglichkeiten der Besserstellung im Vollzug soweit ausgeschöpft werden, wie sich dies mit den Belangen der Justizvollzugsanstalten verträgt.“193 Dass das BVerfG 2004 den falschen Weg wählte, zeigt sich nicht zuletzt daran, dass 2009 der EGMR eingreifen musste. Über die Frage der praktischen Umsetzung des Abstandsgebots und die Tat­ sache, dass dem Vollzug der Sicherungsverwahrung und demjenigen der Freiheitsstrafe stets identische Lebensbedingungen „vorgeworfen wurden“, setzte sich das Gericht „souverän“194 hinweg. Die Frage, wieso nur bei der Sicherungsverwahrung und nicht bei langstrafigen Gefangenen entsprechende Privilegien zu gelten hätten, stellte es sich ebenfalls nicht. d) Reaktionen der Rechtsprechung und des Gesetzgebers Bis zur EGMR-Entscheidung bestätigte das BVerfG mehrmals seine im Urteil vom 5.2.2004 getroffenen Aussagen. Bemerkenswert ist die Vorgehensweise im Zuge seines Urteils zu den landesrechtlichen Unterbringungsgesetzen vom 10.2.2004195, welche es in erster Linie wegen einer fehlenden Gesetzgebungskom 190 Rösch, ZfStrVo 2004, 131 weist die Kritik als „nicht sehr einsichtig“ zurück, da das BVerfG ausdrückl. künftige Erhebungen gefordert habe; ähnl. Passek, GA 2005, 105. 191 Ebso. Dölling, StV 1996, 543. 192 Forderungen im Nachhinein bei Kinzig, NJW 2004, 913 und Köhne, JR 2009, 273 ff.; ders., StV 2009, 215 ff.; ders., NStZ 2009, 130 ff.  – jeweils für ein Bundessicherungsverwahrungsvollzugsgesetz; später Kreuzer/Bartsch, FS 2010, 134 für Landessicherungsverwahrungsvollzugsgesetze. 193 BVerfGE 109, 166 f. 194 Laubenthal, ZStW 2004, 732; auf die Umsetzungsschwierigkeiten richtigerweise hinweisend Rösch, ZfStrVo 2004, 133; ähnl. Steinhilber 2012, 124 f. 195 Kurioserweise verwies das BVerfG am 5.2.2004 (vgl. BVerfGE 109, 170) auf das zu diesem Zeitpunkt noch nicht existierende Urt. vom 10.2.2004 (BVerfGE 109, 190 ff.).

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petenz als verfassungswidrig einstufte.196 Dennoch erklärte eine Mehrheit von fünf zu drei Richtern die Gesetze nicht für sofort nichtig, sondern lediglich für unvereinbar mit dem GG und damit übergangsweise weiterhin für anwendbar.197 Denn andernfalls könne man den Schutz der Allgemeinheit „vor solchen Verurteil­ten, von denen auch nach Verbüßung ihrer Freiheitsstrafen schwere Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit oder die sexuelle Selbstbestimmung anderer mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten“ seien, nicht gewährleisten.198 Faktisch erteilte es im Jahre 2004 damit dem Bund einen Gesetzesauftrag zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung.199 Die ebenfalls im Jahr 2004 in Kraft getretene200 nachträgliche Unterbringungsmöglichkeit fand sodann am 23.8.2006 ihren Weg zur 1.  Kammer des Zweiten Senats des BVerfG.201 Die Karlsruher Richter gingen wie in der Höchstdauerentscheidung bei der nachträglichen Sicherungsverwahrung nur von einer „unechten Rückwirkung“ aus.202 Zudem räumten sie abermals dem Schutz der Allgemeinheit bei der Abwägung den Vorrang vor dem Freiheitsinteresse des einzelnen hochgefährlichen Täters ein und verneinten somit einen Verstoß gegen das Vertrauensschutzgebot des Art. 2 Abs. 2 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG. Dieser Auslegung blieb das Gericht zwei Jahre später in einem Beschluss zur nachträglichen Sicherungs 196 BVerfGE 109, 170, 190 ff. m. Anm. H. Baier, JURA 2004, 552 ff.: Die unterschiedliche Auslegung der Begriffe „Strafe“ und „Strafrecht“ i. R. d. Art. 103 Abs. 2 GG und „Strafrecht“ i. R. d. Art. 74 Abs.1 Nr. 1 GG stünden nicht im Widerspruch zueinander. Dieser Kompetenztitel umfasse nämlich im Gegensatz zum Rückwirkungsverbot auch die Maßregeln der Besserung und Sicherung als „zweite Spur“ des Sanktionensystems. Dem zustimmend ­Rosenau 2006, 296; krit. zur Argumentation, i.  E. zustimmend Pestalozza, JZ 2004, 606 ff.; krit.­ Waterkamp, StV 2004, 270. 197 Abgewichen sind die Richter Broß, Gerhardt und Osterloh, NJW 2004, 759 ff.; krit. Gruß, GRR 2005, 200 ff.: Verwahrung aufgrund der Senatsmehrheit; Pestalozza, JZ 2004, 609. 198 BVerfGE 109, 235 f.; zustimmend Grosse-Brömer/Klein, ZRP 2010, 174, die ein identisches Vorgehen nach dem EGMR-Urt. forderten. 199 BVerfGE 109, 237: Der Bundesgesetzgeber müsse entscheiden, „ob und inwieweit Anlass zu gesetzgeberischem Einschreiten besteht, und ggf. ein Verfahren gestalten, das der überragenden Bedeutung des Freiheitsgrundrechts angemessen Rechnung trägt.“ Kritik dazu wg. Unvereinbarkeit mit dem geordneten Gesetzgebungsverfahren die abweichenden Richter Broß, Gerhardt und Osterloh, NJW 2004, 759 a. E. 200 „Gesetz zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung“, BGBl. I 2004, S.  1838. Krit. zu fehlenden empirischen Nachweisen Dünkel, NK 2004, 43; s. a. Böllinger, Vorgänge 2007, 78 m. w. N.: „Erneut handelte die rot-grüne Regierungskoalition ohne Not und gegen den Rat verfassungsrechtlicher sowie kriminologischer Experten und offenbar unter dem Druck des die Realität verleugnenden, symbolisch verselbstständigten Sicherheitsdiskurses.“ Krit. zur Einführung der nachträglichen SV Boetticher 2010, 723; Kreuzer 2011, 374 ff.; speziell zur Belastung im Strafvollzug durch die nachträgliche SV ders. 2008, 81: Kürzel „f.V.n.SV.“ als Stigma; für die Sonderbehandlung im Jugendstrafvollzug s. O. Möller, ZJJ 2011, 459; Ullenbruch, NJW 2008, 2611 f. 201 BVerfG NJW 2006, 3483 ff. m.  Anm. Milde, HRRS 2006, 380 f.; Ullenbruch, NStZ 2007, 64. 202 BVerfG NJW 2006, 3484.

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verwahrung sowie grds. in einer Entscheidung zur nachträglichen Sicherungsverwahrung nach einer Unterbringungserledigung nach § 63 StGB aus dem Jahre 2009 treu.203 Denn die Sicherungsverwahrung diene nicht dazu, „begangenes Unrecht zu sühnen“, sondern schütze präventiv die „überragenden Interessen des Gemeinwohls“, welche ggf. verbleibende Nachteile überragten.204 Insofern stehe das Rechtsstaatsprinzip i. V. m. dem Freiheitsgrundrecht des Verwahrten der nachträglichen Sicherungsverwahrung in diesem Fall nicht entgegen. Der Vollzug der Sicherungsverwahrung wurde konkret erst wieder durch die viel kritisierte Veränderung durch die Föderalismusreform I,205 die am 1.9.2006 in Kraft trat, betroffen. Damit ging die Gesetzgebungskompetenz für den gesamten Strafvollzug und damit ebenfalls den Vollzug der Sicherungsverwahrung, auf die Länder über. Nach der ursprünglichen Regelung in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG a. F. hatte der Strafvollzug wie das Strafrecht zur ausschließlichen Gesetzgebung des Bundes gezählt. Den Besonderheiten des Sicherungsverwahrungsvollzugs konnten die wenigen Paragraphen und der pauschale Verweis auf die Vorschriften zum Vollzug der Freiheitsstrafe in § 130 StVollzG nicht gerecht werden. Dennoch übernahmen alle seit der Föderalismusreform geschaffenen LStVollzGe diese Vorgehensweise.206 Eigene SVVollzGe wurden nicht etabliert. In den restlichen Ländern, die von ihrer neuen Kompetenz keinen Gebrauch machten, galt das StVollzG nach Art. 125 a GG fort. Damit kann nicht von einer Reform des Sicherungsverwahrungsvollzugs gesprochen werden.

203 BVerfG NJW 2009, 980 ff.; krit. dazu Ullenbruch, StraFo 2009, 52 ff.; ebso. BVerfG NJW 2010, 1514 ff.: In der Entscheidung stellte das Gericht fest, dass es bei der Regelung des § 66 b Abs. 3 StGB a. F. (nachträgliche SV nach Erledigung der Unterbringung im PKH) im Einzelfall zu einer „echten Rückwirkung“ i. S. e. Rückbewirkung von Rechtsfolgen kommen könne, da der Richter bei Altfällen unter Umständen die Möglichkeit habe, rechtskräftig festgesetzte Rechtsfolgen abzuändern. 204 BVerfG NJW 2009, 981; ebso. BVerfG NJW 2010, 1515 und 1517: Die nachträglich angeordnete SV bringe „verfassungsrechtlich relevante Nachteile jedoch nur in begrenztem Ausmaß mit sich“, denn durch die Unterbringung in der SV seien die Bf. nicht schlechter, sondern anders gestellt als bei der Unterbringung im PKH. 205 „Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes“ vom 28.8.2006, BGBl. I 2006, S. 2034 ff., im Folgenden: Föderalismusreform. 206 Vgl.  identisch mit § 130 StVollzG: § 98 JVollzGB III a. F.; Art.  160  BayStVollzG a. F.; § 94 HmbStVollzG a. F.; § 68 Abs.  1 HStVollzG a. F. und § 112 NJVollzG a. F. Die Anzahl der eigenen Paragraphen im Abschnitt zum Vollzug der SV in den Landesgesetzen variierte: Im BayStVollzG a. F. (gültig vom 1.1.2012–31.5.2013): 6; im HmbStVollzG a. F. (gültig vom 1.9.2009–31.5.2013): 5; im HStVollzG a. F. (gültig vom 1.1.2010–31.5.2013): 3; im NJVollzG a. F. (gültig vom 1.4.2009–31.5.2013): 9 und im JVollzGB III a. F. (gültig vom 28.2.2012– 31.5.2013): 7.  Bis zum Urt. des BVerfG gab es insgesamt fünf LStVollzGe, im Folgenden jeweils mit „a. F.“ gekennzeichnet, um zu verdeutlichen, dass es sich jeweils um die bis zum 31.5.2013 gültige Fassung handelt. Krit. zu den fehlenden Unterschieden zum StVollzG Kreuzer/Bartsch, FS 2010, 89 ff.; Bartsch 2010, 128 ff.; Köhne, JR 2009, 275.

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A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung

3. Die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 17.12.2009 Der Koalitionsvertrag der Parteien CDU/CSU und FDP vom Herbst 2009 sah vermutlich ungewollt treffend eine Reform der Regelungen zur Sicherungsverwahrung vor, „die rechtsstaatlich und europarechtskonform“ sein solle.207 Dass bedeutende Teile der bestehenden Regelungen tatsächlich nicht menschenrechtskonform waren, stellte der EGMR nur einige Wochen später am 17.12.2009 im Verfahren M. gegen Deutschland fest und traf damit den „Nerv der allgemeinen Sicherheitsdebatte“.208 Der vor dem BVerfG mit seiner Verfassungsbeschwerde am 5.2.2004 noch gescheiterte Bf. M. rügte mit seiner kurz darauf im Mai 2004 nach Art. 34 EMRK eingelegten Individualbeschwerde einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 EMRK und Art. 7 Abs. 1 EMRK durch die über die noch im Zeitpunkt der Anordnung geltende Höchstgrenze von zehn Jahren hinaus aufrechterhaltene­ Sicherungsverwahrung. a) Aufbau und Inhalt Regelmäßig enthalten EGMR-Urteile vor den eigentlichen Urteilsgründen eine umfassende Materialsammlung, so auch die Entscheidung vom 17.12.2009.209 In den anschließenden Urteilsgründen stellten die Richter fest, dass die Entziehung der persönlichen Freiheit nur dann gerechtfertigt und damit konventionskonform sei, wenn einer der Haftgründe des Art. 5 Abs. 1 S. 2 EMRK vorliege, sie „rechtmäßig“ i. S. d. Art. 5 Abs. 1 S. 2. lit. a bis f EMRK sei und auf die „gesetzlich vorgeschriebene Weise“ (Art. 5 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 EMRK) entzogen werde.210 Der ständigen Rechtsprechung des EGMR zufolge bedeuteten die Worte „nach Verurteilung“ in Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. a EMRK nicht nur eine zeitliche Abfolge.211 Vielmehr sei ein hinreichender Kausalzusammenhang („sufficient causal connection“212) zwischen Freiheitsentziehung und Verurteilung in der Form, dass die Verurteilung der Rechtsgrund für die Entziehung der Freiheit darstelle, erforderlich. Weiter müsse eine Verurteilung in diesem Sinne ein Verfahren abschließen, 207 „Wachstum. Bildung. Zusammenhalt.“  – Koalitionsvertrag der 17.  Legislaturperiode zwischen CDU, CSU und FDP vom 26.10.2009, S. 107. S. dazu Bode, Das Parlament vom 23.8.2010, Nr. 34–35 2010; Leutheusser-Schnarrenberger, DRiZ 2013, 74. 208 Jung GA 2010, 639; dies., GA 2006, 729 f.; s. a. Pfister 2011, 61: Urt. „wirkte … wie eine Bombe“ 209 Vgl. EGMR, Urt. vom 17.12.2009 – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn. 7 ff. – bei juris; ausführl. dazu Drenkhahn/Morgenstern, ZStW 2012, 141 ff.; Kinzig, NStZ 2010, 234 f. 210 EGMR, Urt. vom 17.12.2009 – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn. 86 ff. – bei juris. 211 D. h. das Urt. muss nicht rechtskräftig, aber bereits gesprochen sein, vgl. Karpenstein/ Mayer-Elberling 2015, Art. 5 Rn. 33; zum Urt. allg. ebda., Rn. 17 ff. 212 Vgl. den Originaltext der Entscheidung (s. o. Fn. 5): Application no. 19359/04, Rn. 88; s. a. Laue, JR 2010, 200 („causal link“); s. dazu Rosenau 2006, 308.

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in dem die Schuld wegen einer Straftat festgestellt und eine Strafe oder andere Freiheitsentziehung angeordnet werde. Dass die Anordnung der Sicherungsverwahrung gegen M. im Jahre 1986 durch das LG Marburg diesen Anforderungen genügte, bezweifelte die Kammer nicht.213 Bei der Maßregel der Sicherungsverwahrung könne die Verknüpfung zwischen Verurteilung und Inhaftierung mit der Zeit hingegen schwächer werden und aufbrechen. Die Fortdauer über die zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Verurteilung geltende Höchstfrist von zehn Jahren beruhe damit nicht auf der erstinstanzlichen Entscheidung, sondern lediglich auf der Gesetzesänderung von 1998. Damit verneinte der EGMR den Kausalzusammenhang mit der Vollstreckung über das Jahr 2001 hinaus.214 Da die Sicherungsverwahrung im Urteil von 1986 nur auf zehn Jahre angeordnet werden konnte, habe sich die „Verurteilung“ nur auf die Inhaftierung von dieser Dauer bezogen.215 Die nachträglich verlängerte und grds. unbegrenzte Sicherungsverwahrung befand sich somit außerhalb des durch das Urteil aus dem Jahre 1986 gesetzten Rahmens. Auch sei die erstinstanzliche Entscheidung nicht deshalb maßgebend, weil das Gericht bei der Anordnung nicht über die Dauer der Sicherungsverwahrung entschieden habe. Denn hierüber entscheide im Einzelfall nie das erkennende Gericht, sondern die StVK nach § 67 d StGB. Dies sei jedoch keine Verurteilung i. S. d. Art. 5 Abs. 1 S. 1 lit. a EMRK, weil die Entscheidung der StVK anders als bei der Freiheitsstrafe zusammen mit der Anordnung der Sicherungsverwahrung keine Schuldfeststellung enthalte.216 Die potentielle Rechtfertigung der über zehn Jahre andauernden Sicherungsverwahrung aus Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. c oder e EMRK217 handelte das Gericht kür 213 M. a. W., die primäre Anordnung der SV nach § 66 StGB ist demnach eine grds. konventionsgemäße Freiheitsentziehung nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. a EMRK, vgl. EGMR NJW 2010, 2496, bestätigt durch weitere Urt. des EGMR in der Folgezeit, z. B. EGMR EuGRZ  2011, 20 ff.; NJW 2011, 3423 ff.; w.  N. bei SK-StGB/Sinn 2014, vor § 66 StGB Rn.  2 und Fn. 7. 214 EGMR, Urt. vom 17.12.2009 – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn. 97–200 – bei juris; deutliche Kritik von Hörnle 2011, 246 ff.; wg. eines fehlenden Kausalzusammenhangs Zweifel an der nachträgl. und vorbehaltenen SV bei Brandt 2008, 13 ff.; Karpenstein/Mayer-­Elberling 2015, Art.  5, Rn.  36; Kinzig, NJW 2011, 180; Römer, JR 2006, 6; Sprung 2009, 246 ff., 257; MüKo-Ullenbruch 2012, § 66b Rn. 52 f.; zusammenfassend Rzepka, R&P 2003, 207 ff.; and. Kreuzer, NStZ 2010, 479; Remde 2012, 65 f.; Würtenberger/Sydow, NVwZ 2001, 1204;­ Jansing 2004, 467 f. 215 EGMR, Urt. vom 17.12.2009 – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn. 99–101; bestätigt durch die Urt. des EGMR vom 13.1.2011: Kallweit ./. Deutschland, Nr. 17792/07; Mautes ./. Deutschland, Nr. 20008/07, Rn. 44 f.; Schummer ./. Deutschland, Nr. 27360/04 u. a., Rn. 54 f. sowie das Urt. vom 24.11.2011, O. H. ./. Deutschland, Nr. 4646/08 – jeweils bei juris. 216 EGMR, Urt. vom 17.12.2009 – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn. 96 – bei juris; s. a. die Kommissionsentscheidungen EKMR X ./. Deutschland vom 4.2.1971 – 4324/69; Dax ./. Deutschland vom 7.7.1992 – 19969/92: Die Feststellung einer schuldhaft begangenen Straftat sei nach § 66 StGB für die Verhängung der SV notwendig. 217 Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. c EMRK: „… rechtmäßige Festnahme oder rechtmäßiger Freiheitsentziehung zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde, wenn hinreichender Ver-

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A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung

zer ab. Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. c EMRK sei nur Mittel zur Verhinderung einer konkreten Tat, d. h. eine hinreichend auf Ort und Zeit der Begehung und ihre Opfer konkretisierte und bestimmte Straftat.218 Diese „Präventionshaft“, die vorwiegend der Durchführung oder Vorbereitung eines Strafverfahrens diene, umfasse daher nicht die Sicherungsverwahrung.219 Den Eingriffsgrund des Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. e EMRK sah der EGMR nicht gegeben, da M. im Verfahren um die Aussetzung der Sicherungsverwahrung von den deutschen Gerichten als nicht psychisch krank erachtet worden und daher kein „psychisch Kranker“ gewesen sei.220 Des Weiteren müsse autonom die Frage geklärt werden, ob die Sicherungsverwahrung eine Strafe i. S. v. Art. 7 Abs. 1 EMRK darstelle.221 Als Ausgangspunkt diente dem Gericht der Wortlaut des Art. 7 Abs. 1 EMRK 222, wonach eine Strafe nach einer Verurteilung wegen einer Straftat verhängt werde. Weitere heranzuziehende Aspekte seien die Einordnung der Maßnahme nach innerstaatlichem Recht, Art und Zweck der Maßnahme sowie das Verfahren. Darüber hinaus müsse die

dacht besteht, daß die betreffende Person eine Straftat begangen hat, oder wenn begründeter Anlaß zu der Annahme besteht, daß es notwendig ist, sie an der Begehung einer Straftat oder an der Flucht nach Begehung einer solchen zu hindern …“. Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. e EMRK: „… rechtmäßige Freiheitsentziehung mit dem Ziel, eine Verbreitung ansteckender Krankheiten zu verhindern, sowie bei psychisch Kranken, Alkohol- oder Rauschgiftsüchtigen und Landstreichern …“ 218 Auf den Singular in der Formulierung stützt sich die Begründung, vgl. Laue, JR 2010, 204; krit. Freund, GA 2010, 207: So konkret könne die Gefahr nur bei einer vorherigen Ankündigung der Tat sein. 219 EGMR, Urt. vom 17.12.2009 – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn. 102 – bei juris: Der Verweis in Art. 5 Abs. 3 EMRK auf Art. 5 Abs. 1 S. 2 lit. c EMRK sowie die Formulierung „zur Vorführung vor die zuständige Gerichtsbehörde“ zeige, dass es dabei nicht um die Situation der SV gehe; grundlegend auch EGMR, Urt. vom 6.11.1980, Guzzardi ./. Italien, EGMRE-1, 492, 507 f., Rn.  102; allg. dazu Drenkhahn/Morgenstern, ZStW 2012, 152; Kinzig, NStZ 2010, 236; Möllers, 2011, 193 ff.; Jaeger 2010, 40: Präventivvorschrift in der EMRK kann nicht als Rechtfertigung für die SV dienen; schon früher Esser 2002, 220 ff., 232 („briding detention“); Rosenau 2006, 307 f. m. w. N.; sehr krit. hingegen Grosse-Brömer/Klein, ZRP 2010, 173. 220 EGMR, Urt. vom 17.12.2009  – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn.  103  – bei juris. Abschließend äußerte der Gerichtshof, unabhängig vom Vorliegen eines Eingriffsgrundes i. S. d. Art. 5 Abs. 1 EMRK, grds. und ernsthafte Zweifel daran, dass M. im Zeitpunkt seiner Strafhaft hätte vorhersehen können, dass die Vorschrift über die Höchstfrist in § 67 d Abs. 1 StGB a. F. rückwirkend, für ihn nachteilig, aufgehoben werde. 221 EGMR, Urt. vom 17.12.2009 – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn. 120 – bei juris: „Um den durch Art. 7 gewährleisteten Schutz wirksam werden zu lassen, muss es dem Gerichtshof freistehen, … seine eigene Würdigung der Frage vorzunehmen, ob eine bestimmte Maßnahme im Wesentlichen eine „Strafe“ im Sinne dieser Bestimmung darstellt …“. Im Fall wurde aber nicht nur der Begriff der „Strafe“, sondern daneben die „Verurteilung“ autonom ausgelegt; dazu Renzikowski, JR 2004, 272; aktuell ders., AL 2010, 222. 222 Art. 7 Abs. 1 EMRK: „Niemand darf wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach innerstaatlichem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Es darf auch keine schwerere als die zur Zeit der Begehung angedrohte Strafe verhängt werden.“

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Schwere der Maßnahme, wenn auch nicht allein ausschlaggebend, beachtet und zwischen der Strafe an sich, ihrer Vollstreckung und ihrem Vollzug differenziert werden.223 Für die deutsche Sicherungsverwahrung gelte bei Anwendung dieser Grundsätze folgendes: Die Sicherungsverwahrung werde wie die Freiheitsstrafe von den Strafgerichten in einer Verurteilung wegen einer Straftat angeordnet.224 An die innerstaatliche Charakterisierung als Maßregel sei der EGMR nicht gebunden, da andernfalls unterschiedliche innerstaatliche Qualifikation die Geltung von Art.  7 EMRK beeinflussten.225 Die Sicherungsverwahrung sei ihrer Natur nach eine Freiheitsentziehung, die, wie die Freiheitsstrafe im Gefängnis vollzogen werde. Es sei kein entscheidender Unterschied ausfindig zu machen. Insbesondere gebe es für Sicherungsverwahrte keine besonderen Maßnahmen, Instrumente oder Einrichtungen, die nicht auch anderen Langzeitgefangenen zur Verfügung stünden bzw. die das Ziel hätten, die von den Verwahrten ausgehende Gefahr zu verringern und somit die Verwahrung auf das Nötigste zu reduzieren. Die geringfügigen Unterschiede „können nicht darüber hinwegtäuschen, dass es keinen wesentlichen Unterschied zwischen dem Vollzug einer Freiheitsstrafe und dem Vollzug einer angeordneten Sicherungsverwahrung gibt“.226 Diesen fehlenden wesentlichen Unterschied sah der EGMR durch die nur sehr wenigen Vorschriften im StVollzG und der Geltung der Vorschriften für den Vollzug der Freiheitsstrafe über § 130 StVollzG „veranschaulicht“227. Da die Sicherungsverwahrung aufgrund ihrer unbegrenzten Dauer als zusätzliche Bestrafung empfunden werden könne, habe sie statt alleine präventive vielmehr abschreckende Wirkung.228 Abschließend gelangte die Kammer zu dem Schluss, „dass es sich bei dieser Maßnahme offenbar um eine der schwersten – wenn nicht die schwerste“ handle, die das StGB vorsehe.229 Der EGMR zieht entgegen der Bundesregierung und dem BVerfG in seiner Höchstdauerentscheidung den Schluss, dass die Sicherungsverwahrung eine Strafe i. S. d. Art.  7 Abs.  1 EMRK sei. Der Wegfall der Höchstfrist betreffe nicht nur die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung, sondern mache die Sicherungsverwahrung zu einer zusätzlichen Bestrafung, die rückwirkend auf Grundlage eines Gesetzes erst nach Begehung der Straftat verhängt werde.230 223

Mit Blick auf zahlreiche schwerwiegende präventive Maßnahmen, die keine Strafe darstellen: EGMR, Urt. vom 17.12.2009 – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn. 120 f., 134 – bei juris. 224 Außerdem werde wie bei der Freiheitsstrafe ihre Vollstreckung überwacht: EGMR Urt. vom 17.12.2009 – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn. 131 – bei juris. 225 EGMR, Urt. vom 17.12.2009 – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn. 126 – bei juris. 226 EGMR, Urt. vom 17.12.2009 – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn. 127 f. – bei juris. 227 EGMR, Urt. vom 17.12.2009 – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn.127 – bei juris; s. a. Jung, GA 2010, 640. 228 EGMR, Urt. vom 17.12.2009 – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn. 130 – bei juris; s. Schroer 2012, 151: Sogar der Vollzugsplan habe von Strafe statt von SV gesprochen. 229 EGMR, Urt. vom 17.12.2009 – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn. 132 – bei juris. 230 So hatte es aber die BReg vertreten, vgl. EGMR, Urt. vom 17.12.2009  – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn. 113 ff., 135 und zum Unterschied zur Rechtssache Kafkaris ./. Zypern Rn. 136 – bei juris.

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Daraus leitete der EGMR schließlich den Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 EMRK ab. Der darin enthaltene Grundsatz „nulla poena sine lege“ (Rückwirkungsverbot) sei durch die rückwirkende Geltung des § 67 d StGB a. F. i. V. m. Art. 1 a Abs. 3 EGStGB a. F. verletzt.231 b) Stellungnahme aa) Autonome Begriffsbestimmung232 Das Recht des EGMR zur autonomen Begriffsbestimmung sowie die Bindungswirkung seiner Urteile wurden in der Folge kontrovers diskutiert.233 Vorgeworfen wurde dem EGMR, er berücksichtige die deutsche Zweispurigkeit zu wenig und beschränke damit den Spielraum der nationalen Parlamente und Regierungen Europas.234 Einerseits ist diese Kritik gut nachvollziehbar, weil der EGMR das bis dato in der deutschen Tradition des Straf- und Maßregelrechts Unvorstellbare entschieden hat: Die Sicherungsverwahrung ist (konventionsrechtlich) eine Strafe. Dem Vorwurf, das Gericht habe dabei das deutsche Rechtssystem übergangen, ist aber entgegen zu halten, dass hier zwei verschiedene Kontexte zur Bestimmung des Strafbegriffs aufeinander treffen. Auf der einen Seite steht der auf die faktischen Wirkungen statt den Zweck abstellende EGMR („Wirkungsthese“235), der bei Bestimmung eines Begriffs unabhängig von jeweiliger Rechtsordnung und Praxis

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EGMR, Urt. vom 17.12.2009 – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn. 118 und 137 – bei juris. Entwickelt durch EKMR, Entscheidung vom 6.4.1968, Twenty-one detained persons ./. Deutschland (abrufbar unter: echr.ketse.com/doc/3134.67-3172.67-3188.67-3189.67-etc-en19680406/view/): „… even though the general principles of the domestic law of the High Contracting Parties must necessarily be taken into consideration in any such interpretation …“; präzisiert durch EGMR EuGRZ 1976, 221 (Engel u. a. ./. Niederlande). Entsprechend seines Selbstverständnisses sieht sich der EGMR nicht dazu veranlasst, die autonome Begriffsauslegung zu rechtfertigen; dazu Heckötter 2007, 74 f.; Meyer-Ladewig 2011, Einl. Rn. 44. 233 Zur Diskussion v. Arnim, KrimPäd 2013, 11 ff.; Drenkhahn/Morgenstern, ZStW 2012, 171 ff.; Laue, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2010, 283 ff.; Payandeh/Sauer, JURA 2012, 294 ff.; Quarthal, JURA 2011, 495 ff.; Renzikowski, ZIS 2011, 532: autonome Begriffsbestimmung notwendig, um Missverständnisse zu vermeiden; krit. Hörnle 2011, 242; Landau/­ Trésoret, DVBl. 2012, 1332 f. Die in anderen Fällen zu hörende Kritik (vgl. Matscher im Sondervotum EGMR, Urt. vom 21.2.1984  – 8544/79, Ötztürk ./. Deutschland, Rn  2, abrufbar unter hudoc.echr.coe.int), der EGMR stelle nicht ausreichend rechtsvergleichende Erwägungen an, greift angesichts der umfassenden Materialsammlung im vorliegenden Fall nicht (vgl. EGMR, Urt. vom 17.12.2009 – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn. 69–75 – bei juris). 234 Leutheusser-Schnarrenberger, zitiert in Die Welt vom 13.1.2010 („Deutschland will Sicherungsverwahrung einklagen“) zur Begründung, warum die BReg einen Antrag auf Verweisung an die Große Kammer nach Art. 43 EMRK stellte; krit. auch C. Böhm, FS 2010, 158; Hörnle 2011, 242 ff.; ähnl. Vogel 2012, 27. 235 Laue, JR 2011, 202 f.; i. Ü. s. u. Teil A., Fn. 241. 232

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agiert. Auf der anderen Seite steht das BVerfG mit einer in erster Linie normativtheoretischen Betrachtungsweise.236 Die autonome Begriffsauslegung ist deshalb begrüßenswert, da sie für eine einheitliche und vorhersehbare Rechtsanwendung sorgt und andernfalls den Vertragsstaaten zu viel Freiheit hinsichtlich der Nicht-/Anwendung der Konventionsgarantien eingeräumt wäre.237 Dahingestellt sei, ob eine solche Auslegung stets gelingt bzw. der Konvention bestmöglich zur Geltung verhilft.238 Für den Begriff der Strafe würde ein anderes Vorgehen bedeuten, dass Maßnahmen nur durch die Wahl einer anderen Bezeichnung dem Schutzbereich der Konvention entzogen werden könnten. Nur so kann der durch Art. 7 EMRK gewährleistete Schutz wirksam und ein Unterlaufen der Menschenrechte verhindert werden.239 Jedenfalls folgt aus der Autonomie der Strafbegriffe nach EMRK und GG bzw. StGB, dass einerseits der EGMR den Begriff eigenständig definieren kann und darin deshalb keine Missachtung des deutschen Systems liegt. Andererseits ist das BVerfG nicht automatisch an die Aussagen des EGMR gebunden. Vielmehr kann in der Entscheidung des EGMR ein wichtiger Beitrag für die Verrechtlichung des Sicherungsverwahrungsvollzugs gesehen werden.240 Überzeugend ist es, dass der EGMR nicht in theoretischen Erwägungen verharrt und für ihn nicht der Begriff oder die sanktionstheoretische Einteilungen des deutschen Gesetzgebers für das tatsächliche Wesen der Sicherungsverwahrung allein entscheidend sind. Dies gilt umso mehr, als auch das höchste deutsche Gericht mit dem in der Höchstdauerentscheidung aufgestellten Abstandsgebot die tatsächlichen Auswirkungen zumindest nicht ganz außen vorgelassen hat. Auch ist es der deutschen Strafrechtsdogmatik nicht völlig fremd, die Abgrenzung von Strafe und Sicherungsverwahrung „wirkungsbezogen“ vorzunehmen.241

236 Daher seien rein faktische Wirkungen nicht konventions- oder grundrechtsrelevant, in diesem Sinne Renzikowski, ZIS 2011, 533; Satzger, StV 2013, 246; ebso. zweifelnd Hörnle 2011, 243; Windoffer, DÖV 2011, 594. 237 v. Arnim, KrimPäd 2013, 6; Drenkhahn/Morgenstern ZStW 2012, 146; Meyer-Ladewig 2011, Einl. Rn. 44. 238 Zweifel bei Frowein/Peukert 2009, Einf. Rn. 8 ff.; Drenkhahn/Morgenstern, ZStW 2012, 148 insbes. Fn. 54. 239 EGMR, Urt. vom 17.12.2009  – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn.  120  – bei juris; s. a. Frowein/Peukert 2009, Einf. Rn. 9; Drenkhahn/Morgenstern, ZStW 2012, 148: „keine ‚Flucht in die Maßregel‘ …“ 240 Ähnl. Jung, GA 2010, 643: Dass der EGMR die faktischen Wirkungen betrachte, sei ein wichtiger „Beitrag zur Konstitutionalisierung des Maßregelrechts“; zur Verrechtlichung des Vollzuges im Bereich der Freiheitsstrafe Dessecker 2013a, 118 und zur neuen Bedeutung im SVV ebda., 123. 241 Drenkhahn/Morgenstern, ZStW 2012, 148, 197 mit Kritik am BVerfG, da es nur auf theoretische Aspekte abstelle; ebso. Gaede, HRRS 2010, 335; Kinzig, NStZ 2010, 237; ders. 1996, 121: dogmatische Unterscheidung setze sich nicht im Vollzug fort; Knauer, NK 2014, 166 ff.; Volkmann, JZ 2011, 838: „das zentrale Argument“. SK/Sinn 2014, vor § 66 Rn. 25: EGMR; ähnl. Peglau, NJW 2011, 1925; Finger 2008, 110 f.

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A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung

Neben dem zentralen Argument der gleichlaufenden Sanktionspraxis zieht der EGMR außerdem mehrere Kriterien als nur die konkrete Ausgestaltung der Unterbringung heran.242 Der EGMR folgert die weitreichende Übereinstimmung von Sicherungsverwahrung und Strafe daneben aus den Anordnungsvoraussetzungen, den Zwecken sowie der Gefährlichkeitsprognose und damit insbesondere im Zusammenhang stehender Eingriffsschwere der Maßregel.243 bb) Bindungswirkung Die Frage nach der Bindungswirkung gilt es v. a. im vorliegenden Fall zu klären, da das BVerfG in seiner Höchstdauerentscheidung am Maßstab der Grundrechte in derselben Sache zu einem anderen Ergebnis gelangt war.244 Geregelt wird das Verhältnis zwischen nationaler und EGMR-Rechtsprechung zuvorderst durch Art. 46 EMRK. Daraus folgt eine beschränkte Rechtskraftwirkung. Dies bedeutet, dass die Bindungswirkung nur inter partes zwischen dem am Verfahren beteiligten Mitgliedsstaat und dem Bf. sowie nur in Bezug auf die entschiedene Sache reicht.245 Aus dem festgestellten Konventionsverstoß folgt eine ergebnisorientierte Verpflichtung Deutschlands, das völkerrechtswidrige Verhalten unverzüglich zu beenden und einen mit der Konvention vereinbaren Rechtszustand herzustellen.246 Dem deutschen Staat verbleibt jedoch ein Beurteilungsspielraum.247 Grenzen für

242 EGMR, Urt. vom 17.12.2009 – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn. 120 – bei juris; dazu Gaede, HRRS 2010, 335; Eisenberg, NJW 2010, 1509; Satzger, StV 2013, 244, 246: „der Strafbegriff des EGMR [ergibt sich] aus mehreren, alternativ heranzuziehenden Kriterien.“ 243 EGMR, Urt. vom 17.12.2009 – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn. 128 (Zwecke), Rn. 131 (Anordnungsvoraussetzungen) und Rn. 132 (Schwere und Dauer) – bei juris. 244 Zweifelhaft ist nach den jüngsten Entwicklungen daher, ob man so wie Voßkuhle, NVwZ 2010, 1 ff., von einem „europäischen Verfassungsgerichtsverbund“ sprechen kann; ähnl. Kirchhof, NJW 2011, 3683. 245 Zur Bindungswirkung und beschränkten Rechtskraftwirkung Finger 2008, 222; Graben­ warter, EuGRZ 2012, 861; allg. Heckötter 2007, 111 ff.; Quarthal, JURA 2011, 498. 246 EGMR-Urt. sind Feststellungsurteile, weshalb sie die Rechtsverletzung nicht beseitigen; s. Pache, EuR 2004, 402. Um künftige Verstöße gegen die Konvention zu verhindern, sind ggf. Rechtsänderungen vorzunehmen; Meyer-Ladewig 2011, Art. 46 EMRK Rn. 39; MeyerLadewig/Ladewig/Petzold, NJW 2005, 18 f.; Renzikowski, ZIS 2011, 540 m. w. N.; vgl. auch BVerfGE 111, 307, 321; 128, 370; s. a. Grabenwarter, EuGRZ 2012, 859; Volkmann, JZ 2011, 838. Zudem kann aus Art. 1 EMRK abgeleitet werden, dass die eigene Rechtsordnung des Mitgliedstaates im Einklang mit der Konvention stehen muss, wie sie vom EGMR konkretisiert worden ist. Daneben besteht eine Wiedergutmachungspflicht des Mitgliedstaates aus Art. 41 EMRK; dazu Grabenwarter, JZ 2010, 860. Gem. Art. 20 Abs. 3 GG sind alle deutschen Gerichte und Behörden zur Berücksichtigung der EMRK in der Auslegung durch den EGMR verpflichtet. 247 BVerfGE 128, 370: „Die Konvention überlässt es den Vertragsparteien, in welcher Weise sie ihrer Pflicht zur Beachtung der Vertragsvorschriften genügen.“ Innerstaatlich dient die EMRK trotz ihres Verfassungsrangs „nur“ als einfaches Bundesgesetz (vgl. Art. 59 Abs. 2 GG), dem BVerfG zufolge als Auslegungshilfe zur Bestimmung des Inhalts und der Reichweite der

II. Rechtliche Entwicklung des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

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die völkerrechtsfreundliche bzw. konventionskonforme Auslegung ergeben sich mitunter aus dem Verfassungsrecht selbst, dessen Grundrechtsschutz nicht eingeschränkt werden darf, sowie aus dem eindeutig entgegenstehenden gesetzgeberischen Willen. Die EMRK kann daher den Schutzbereich von Grundrechten nicht beschränken, aber erweitern.248 Darüber hinaus besitzt das Urteil des EGMR eine jedenfalls faktische „Orientierungswirkung“. Denn der EGMR ist dasjenige Organ, welches primär mit der Interpretation der Konvention beschäftigt ist. Andernfalls würde die BRD zudem weitere Verurteilungen riskieren.249 Umso fraglicher ist es, weshalb das BVerfG nicht schon in seiner Höchstdauerentscheidung diese Auslegungshilfe herangezogen hat. Zwar lässt sich dies hinsichtlich der Beurteilung als Strafe i. S. d. Art. 7 EMRK noch mithilfe der insofern festgefahrenen Tradition der Zweispurigkeit erklären. Hinsichtlich der Kerngedanken des Art. 5 EMRK lässt sich dies jedoch nicht nachvollziehen. Bemerkenswert ist, dass sich der EGMR aufgrund der in der Folgezeit des Urteils vom 17.12.2009 ergangenen divergierenden Entscheidungen, in einem weiteren Urteil zur deutschen Sicherungsverwahrung gezwungen sah, für seine Verhältnisse recht kritisch in Richtung Deutschlands festzustellen, welche Konsequenzen für den beschwerdegegnerischen Staat aus Art. 46 EMRK folgten. Danach sei es im vorliegenden Fall zwar noch nicht erforderlich gewesen, der Bundesrepublik eine bestimmte Maßnahme zur Umsetzung des Urteils aufzugeben. Der EGMR forderte allerdings „die nationalen Behörden und insbesondere die Gerichte … dringend auf, ihrer Verantwortung für die Anwendung und Durchsetzung des Rechts des Beschwerdeführers auf Freiheit, eines der durch die Konvention garantierten Kernrechte, nachzukommen.“250

Grundrechte. St. Rspr.: BVerfGE 74, 370; 111, 316 f. und insbes. BVerfGE 128, 367; dazu ­Esser 2002, 868 ff.; Grabenwarter, EuGRZ 2012, 508 ff.; Heckötter 2007, 92 ff.; Quarthal, JURA 2011, 496 ff. Der EMRK wird jedoch nicht der Charakter eines unmittelbar verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstabs zuteil, wegweisend der Görgülü-Beschluss des BVerfG; BVerfGE 111, 307, 317; zuvor BVerfGE 74, 358 ff.; jetzt BVerfGE 128, 367 ff.; ebso. BVerwG NVwZ 2000, 81; s. a. Kramer, MLR 2012, 90. 248 BVerfGE 111, 307, 325 ff.; 128, 371; krit. Grabenwarter, EuGRZ 2012, 509: „Berücksichtigung der EMRK mit angezogener Handbremse“; Heckötter 2007, 199 ff.; Meyer-Ladewig/ Petzold, NJW 2005, 19 f.; and. Vogel 2012, 28 f.: „vernünftige[n] Mittelkurs“; Zabel, JR 2011, 468: Keine Europäisierung des Grundrechtsschutzes. 249 BVerfGE 128, 368: „faktischen Orientierungs- und Leitfunktion“; vgl. Meyer-Ladewig/ Petzold, NJW 2005, 18 f.; Quarthal, JURA 2011, 498. Die Bezeichnung (z. B. „Urteilsvorwirkung“, „indirekte Wirkung“ usw., vgl. dazu Heckötter 2007, 84 f. m. w. N.) ist jedoch nebensächlich. Jedenfalls folgt die Zuständigkeit des EGMR zur Auslegung und Anwendung der Konvention aus Art. 32 Abs. 1 EMRK. 250 EGMR, Urt. vom 13.1.2011, Kallweit ./. Deutschland, EuGRZ 2011, 263.

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A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung

cc) Rückwirkung und praktische Ausgestaltung Eng verknüpft mit der praktischen Ausgestaltung ist die aufgrund der abgeschafften Höchstfrist existierende potentielle Unbegrenztheit der Freiheitsentziehung folgende Eingriffsschwere. I. E. folgt für den EGMR aus dem Strafcharakter der Sicherungsverwahrung ein Verstoß gegen das Verbot rückwirkender Bestrafung. Daher kann nicht nur in der Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung, sondern v. a. auch in der deutschen Rückwirkung der Stein des Anstoßes für die Entscheidung des EGMR erblickt werden.251 Dem EGMR zufolge gilt: Wenn Deutschland verfassungsrechtlich die Rückwirkung bei Strafe ausschließt, bei Sicherungsverwahrung aufgrund des Maßregelcharakters nicht, dann darf der Vollzug nicht (nahezu) identisch verlaufen. Dass es dem EGMR um die Rückwirkungsproblematik ging, legt folgende Erwägung nahe: Seit einigen Jahren ist ein Gleichklang im europäischen Ausland feststellbar. Die Schweiz und Frankreich führten erst in den letzten Jahren eine „nachträgliche Verwahrung“ bzw. „rétention de sûreté“ ein. Vermuten könnte man, dass die am 17.12.2009 angemahnte fehlende kausale Verbindung im Zusammenhang mit Art. 5 Abs. 1 lit. a EMRK bei erneuter Prüfung anders beurteilt würde.252 Dafür spricht die Entscheidung des Gerichts einige Jahre zuvor zur norwegischen Sicherungsverwahrung, in der der erforderliche Bezug zur Verurteilung nicht durch eine Verlängerung des Freiheitsentzugs automatisch verloren ging.253 Zudem wies das Gericht im rechtsvergleichenden Teil254 der Materialsammlung vom 17.12.2009 darauf hin, dass der französische Verfassungsrat in der „rétention de sûreté“, einer der Sicherungsverwahrung vergleichbaren Sanktion, zwar denselben Standpunkt hinsichtlich der Kategorisierung vertreten und darin keine Strafe gesehen habe.255 Die Rückwirkung hatte er jedoch wegen deren intensiven Wirkung abgelehnt. Daraus darf aber nicht den Schluss gezogen werden, alleine die Rückwirkung für die Maßregel abzuschaffen, wäre ausreichend, um von einer menschenrechts 251

Ähnl. Pfister 2011, 58 und 61: Weil der EGMR die SV als Strafe gewertet habe, habe er die rückwirkende Verschärfung als konventionswidrig gewertet; ders., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2011, 87; treffend auch Stefanopoulou, ZIS 2013, 355; Eller, BRJ 2010, 20; Matt/Renzikowski-Basak, 2013 § 2 Rn. 11 m. w. N. 252 So etwa Schöch 2011, 1209 f. m. w. N. 253 Dazu Schöch 2011, 1204 f.; eine Verurteilung wg. Verstoßes gegen Art. 5 EMRK hatte etwa Meyer-Ladewig 2011, Einl. Rn. 35 geradezu erwartet, and. hingegen MüKo-Ullenbruch 2005, § 66 Rn. 51, 53; Renzikowski, JR 2004, 272 f.; Kinzig, NStZ 2004, 660. 254 EGMR, Urt. vom 17.12.2009 – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn. 70, 74 – bei juris: In Europa gebe es nur sieben weitere „Sicherungsverwahrungssysteme“, teils ebso. mit unbestimmter Dauer (Dänemark, Italien, San Marino, Schweiz, Slowakei) und rückwirkend (Dänemark, San Marino). 255 Conseil Constitutionnel vom 21.2.2008, Nr. 2008–562 DC, Journal officiel vom 26.2.2008, 3272, Nr. 9, 10 (online abrufbar unter: legifrance.gouv.fr); krit. Eller, BRJ 2/2010, 23 f. m. w. N.; Stefanopoulou, ZIS 2013, 357; s. a. Möllers 2011, 180; MüKo-Ullenbruch/Drenkhahn 2012, § 66 b Rn. 20.

II. Rechtliche Entwicklung des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

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konformen Ausgestaltung des Sicherungsverwahrungsvollzugs auszugehen. Im Gegenteil bringt das Urteil deutlich einen Gleichlauf statt einen Unterschied zum Strafvollzug zum Ausdruck. Insbesondere im therapeutischen Bereich wird ein desolater Zustand des deutschen Sicherungsverwahrungsvollzugs aufgedeckt. Daher wurde das Urteil mit Recht als „als Zäsur empfunden, die Ausgestaltung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung zu überprüfen und ggf. zu verändern“.256 Dem EGMR kommt es weniger auf einen (theoretisch) positiven Abstand, sondern mehr auf die Unterbringungssituation und Einhaltung gewisser Mindestvollzugsstandards in Bezug auf die Resozialisierung und ganz i. S. d. Opferschutzes hinsichtlich ausreichender psychologischer bzw. insgesamt therapeutischer Betreuung der Sicherungsverwahrten an.257 Damit war die Grundlage für den verfassungsgerichtlichen Therapieoptimismus gelegt. Schon aus dem EGMR-Urteil wäre den für den Vollzug zuständigen Landesgesetzgebern die Aufgabe erwachsen, „dass das Instrument der Sicherungsverwahrung in der Vollzugspraxis auch faktisch dazu gemacht wird“258, was es im zweispurigen System unter Geltung des Schuldprinzips sein soll: Keine Strafe und keine bloße Verwahrung oder ausschließlich die Sicherung verfolgende Maßregel. So dringend notwendig und begrüßenswert das EGMR-Urteil aufgrund der Verfehlungen der deutschen Kriminalpolitik war, um den bis dahin ungehörten und ohnehin nur vereinzelten Forderungen259 nach eigenen Vollzugsgesetzen zur Geltung zu verhelfen, so problematisch dürfte die Umsetzung der Reform sein. Denn: Sie ist nicht wie bisher kriminal- bzw. gesellschaftspolitisch bestimmt, sondern fremdbestimmt und von außen dem deutschen System vorgegeben.260 dd) Opferschutz und mehrpoliges Grundrechtsverhältnis Anlass zur Kritik am EGMR war darüber hinaus eine angeblich fehlende Beachtung des staatlichen Auftrags des Allgemeinschutzes. Die Äußerungen des EGMR zu Art.  7 EMRK und insbesondere zu den Rechtfertigungsgründen aus Art.  5  Abs.  1  EMRK ließen „die gebotene Berücksichtigung jedes präventiven 256

Kriterienkatalog 2011, S. 2; S/S-Kinzig 2014, § 66 Rn. 1: „längst fällige Gesamtreform des Rechts der Sicherungsverwahrung“; ebso. NK-StGB-Böllinger/Dessecker 2013, § 66 Rn. 47; Eller, BRJ 2010, 24; Feest, Vorgänge 2014, 34; Leygraf, Der Nervenarzt 2010, 870 ff.; Peglau 2011, 445 ff.; Schroer 2012, 158. 257 Forderungen bei Möllers, ZRP 2010, 155; ders. 2011, 197; ebso. Kinzig, NStZ 2010, 239; Nachbaur, Die Polizei 2011, 116. Drenkhahn/Morgenstern, ZStW 2012, 156; krit. Renzikowski, ZIS 2011, 533. 258 Nachbaur, Die Polizei 2011, 116; s. a. Drenkhahn/Morgenstern, ZStW 2012, 198; Pollähne, KJ 2010, 255. 259 Etwa bei Köhne, JR 2009, 273 ff.; ders., StV 2009, 215 ff.; ders., NStZ 2009, 130 ff.; ähnl. Radtke, zitiert bei Alex, MschrKrim 2011, 269; zudem o. Fn. 192. 260 Volkmann, JZ 2011, 835: „Fremdbestimmung“; ähnl. Meier 2015a, 177; ders.  2015, 345 ff.

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A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung

Schutzauftrags vermissen“.261 Wenn der EGMR die bipolare Beziehung zwischen Staat und Bürger betrachte, vernachlässige er den Opferschutz durch ein altmodisch-schlichtes Grundrechtsverständnis.262 In der Tat hält sich der EGMR bei der Prüfung der Rechtfertigungsgründe des Art. 5 EMRK strikt an den Wortlaut. Jedoch kann ihm angesichts eines der elementaren Rechtsgüter der EMRK, dem Freiheitsrecht des Einzelnen und dem Schutzzweck der Art. 5 und 7 EMRK, wonach willkürliche Freiheitsentziehungen zu verhindern sind, kein Vorwurf gemacht werden. Wie der Gerichtshof richtigerweise feststellte, kann es angesichts der Bedeutung des Freiheitsrechts nicht überzeugen, einen hinreichenden Kausalzusammenhang darin sehen zu wollen, dass das Ausgangsgericht nicht die Dauer der Verwahrung festlegt, sondern dies Aufgabe des Vollstreckungsgerichts sei.263 Andernfalls wäre der Verwahrte endgültig seiner Rechte entkleidet. Nicht angezeigt ist es, dem EGMR zu unterstellen, er erkenne die Schutzpflicht des Staates ggü. potentiellen Opfern nicht an. Diese konnten und können zunächst im Verfahren vor dem EGMR durch den mit ihrem Schutz beauftragten Staat (potentiell) Gehör finden.264 Art. 5 Abs. 1 S. 1 EMRK erwähnt zwar die Sicherheit, gewährt aber keinen Anspruch darauf.265 Außerdem kann von Art. 7 EMRK nicht einmal im Notstandsfall abgewichen werden, vgl. dazu Art. 14 Abs. 2 EMRK.266 Darüber hinaus hat der EGMR in erster Linie i. R. d. nachgehenden Entscheidungen zur rückwirkenden Verlängerung der Sicherungsverwahrung im Zusammenhang mit Art. 3 EMRK (Folterverbot) deutlich anerkannt, dass der Staat potentielle Opfer zu schützen habe.267 Jedoch stellte er gleichermaßen an den Staat einige Anforderungen, die dieser beim Schutz potentieller Opfer zu erfüllen habe. Es geht also auch hier um die sicherlich größte Herausforderung, nämlich den Ausgleich zwischen Allgemeinschutz und Freiheitsrecht des Verwahrten. Dem EGMR zufolge sei es dem Staat dabei nicht erlaubt, die Allgemeinheit „vor Straftaten einer Person durch Maßnahmen zu schützen, die gegen die Konventionsrechte dieser Person, insbesondere gegen das in Artikel 5 Abs. 1 garantierte Recht auf Freiheit, verstoßen.“268 Daher ist die Kritik am EGMR verfehlt. 261

Grosse-Brömer/Klein, ZRP 2010, 173; ebso. Böttcher, FS 2011, 283 f.; Möllers, ZRP 2010, 154; ders. 2011, 184 ff.; Volkmann, JZ 2011, 842: „Aufwertung der Täter- und Verkürzung der Opferperspektive“; Windoffer, DÖV 2011, 594 ff.: unterkomplexer, konventions- und verfassungswidriger Prüfungsansatz des EGMR; zur vorgebrachten Kritik s. a. Kreuzer/Bartsch, StV 2011, 472 ff.; ebso. BGH StV 2010, 515. Dagegen mit Recht Pyhrr 2015, 62 f., 144 ff.; Renzikowski, ZIS 2011, 538 f.; Zabel, JR 2011, 473. 262 Hörnle, NStZ 2011, 489; ähnl. Hoffmann-Riem, EuGRZ 2006, 496 ff. 263 Weiterführend Jung, GA 2010, 641. 264 Mit Recht Gaede, HRRS 2010, 334; s. a. OLG Frankfurt/M. NStZ 2010, 573 f. m. Anm. Boetticher, jurisPR-StrafR 15/2010 Anm. 4. 265 Renzikowski, ZIS 2011, 539; Pösl, ZJS 2011, 144; and. Grosse-Brömer/Klein, ZRP 2010, 173. 266 Pösl, ZJS 2011, 145; Grosse-Brömer/Klein, ZRP 2010, 173 übersehen dies. 267 EGMR, Urt. vom 14.4.2011, Jendrowiak ./. Deutschland, Nr. 30060/04, Rn. 36 f. – bei juris. 268 EGMR, Urt. vom 14.4.2011, Jendrowiak ./. Deutschland, Nr. 30060/04, Rn. 37 – bei juris.

II. Rechtliche Entwicklung des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

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Ein moderner Rechtsstaat muss erkennen, dass beim Ausgleich zwischen den Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit und den Grund- und Menschenrechten des Verwahrten rechtsstaatliche und konventionsrechtliche Prinzipien nicht aufgegeben werden dürfen. Die Berufung auf multipolare Verhältnisse ist in der Sicherungsverwahrung seit 1998 allgegenwärtig, wobei die Abwägung stets zu Lasten des Täters ausfällt und insgesamt zu einem Vollzug der Sicherungsverwahrung geführt hat, der vom höchsten europäischen Gericht berechtigterweise mit dem Strafvollzug gleichgesetzt wurde. Auch und gerade wenn vor der herrschenden kriminalpolitischen Stimmung, die eine Härte ggü. Schwerstkriminellen einfordert und die Abwägung im mehrpoligen Grundrechtsverhältnis zu Gunsten der Allgemeinheit als Patentrezept für den Umgang mit der hier interessierenden Klientel ansieht, sicherlich schwierig und unpopulär sein dürfte, muss man dem EGMR zustimmen, wenn er überwiegend einer bipolaren Sichtweise folgt. Letztlich beruht die Entscheidung des EGMR auf den Versäumnissen des deutschen Gesetzgebers und nicht auf einem „altmodisch-schlichten Grundrechtsverständnis“269. Dieser hätte seit Einführung der Maßregel bzw. mindestens seit den Zeiten der Großen Strafrechtsreform ein Vollzugssystem etablieren können und müssen, das „den allein präventiven Charakter der Maßregel sowohl gegenüber dem Untergebrachten als auch gegenüber der Allgemeinheit deutlich macht.“270 c) Reaktionen der Rechtsprechung Bis zum klärenden Urteil des BVerfG, welches erst über ein Jahr nach der Rechtskraft des EGMR-Urteils im Mai 2011271 ergehen sollte, folgte eine uneinheitliche272 Aufnahme des Straßburger Richterspruchs durch die deutsche strafgerichtliche Rechtsprechung. Dies überrascht nicht, weil das im Widerspruch zur Höchstdauerentscheidung stehende Urteil deren Rechtskraft nicht zu beseitigen vermochte, so dass die erst einmal zu bewältigende Situation von Verfassungsmäßigkeit und Konventionswidrigkeit vorlag.273 Der Gesetzgeber hielt sich hingegen zurück, was wohl auf dem Ergebnis des von Grabenwarter der Bundesregierung erstatteten Gutachtens für Parallelfälle geschuldet sein dürfte, welches letztlich eine Erledigung im Zuge einer konventionskonformen Auslegung des StGB für gangbar erachtete.274 269

Hörnle, NStZ 2011, 489, s. o. Fn. 262. Vgl. BVerfGE 128, 375. 271 Dazu Möllers 2012, 83; krit.  Grosse-Brömer/Klein, ZRP 2010, 173; ähnl.  Schmaltz, EuGRZ 2012, 615. 272 Vgl. die Darstellung bei BVerfGE 128, 343 und CPT/Inf (2012) 6, Rn. 102, S. 43; krit. Pollähne, KJ 2010, 258 ff.: „OLG-Renitenz im Interesse des Gemeinwohls“. 273 Zur beschränkten Rechtskraftwirkung vgl. BVerfGE 111, 325; s. o. Fn. 245. Krit. Laue, JR 2010, 202: rechtsstaatliches Dilemma; H. Müller, StV 2010, 207: „Irritationen“; Pollähne, KJ 2010, 262. 274 Grabenwarter, JZ 2010, 857 ff.; s. a. Pfister, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2011, 88. 270

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A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung

Die Zivilgerichte – und insbesondere die Öffentlichkeit – waren mit der Frage beschäftigt, ob den vom EGMR-Urteil betroffenen Personen Schadensersatz nach Art. 5 Abs. 5 EMRK zustünde.275 Der EGMR selbst gewährte aufgrund überschrittener gesetzlicher Frist im Zusammenhang mit der (weiteren) Unterbringungsentscheidung Schadensersatz.276 Unterschiedliche Ansichten zwischen dem 4. und 5. Strafsenat des BGH und der obergerichtlichen Rechtsprechung stellten sich in Bezug auf die Frage heraus, ob § 2 Abs. 6 StGB277 konventionsgemäß auszulegen sei.278 Die Vollzugsseite war davon insoweit betroffen, als teilweise einige wenige Verwahrte freigelassen279 wurden, weil man die Vollstreckung für erledigt oder gar unzulässig erklärte.280 Eine rückwirkende Anwendung des § 67 d Abs. 3 S. 1 StGB a. F. (keine Zehnjahresgrenze mehr) sei konventionswidrig und auf den 1998 in Art. 1 a Abs. 3 EGStGB a. F. geäußerten Willen des Gesetzgebers dürfe man nicht abstellen, weil dieser eine solche konventionswidrige Regelung bewusst nicht habe treffen wollen.281 Andere Gerichte lehnten eine Freilassung der betroffenen Personen u. a. in Anlehnung an die Entscheidung des BVerfG aus dem Jahre 2004 ab, da mit Art. 1 a Abs. 3 EGStGB a. F. bezweckt gewesen sei, die Änderung des § 67 d StGB a. F. (Zehnjah-

275 Z. B. BGH, Urt. vom 19.9.2013 – III ZR 407/12 – bei juris; dazu und zu diversen weiteren Verfahren Schöch 2011, 1203. Entsprechende mediale Begleitung, etwa BILD vom 24.4.2012: „So viel Schmerzensgeld bekommen die Sex-Verbrecher“ und „Sexverbrecher bekommen Schmerzensgeld“. 276 EGMR, Urt. vom 19.9.2013, 17167/11  – bei juris; s. a. Elz 2014, 216 ff. zur Fristüber­ schreitung. 277 § 2 Abs. 6 StGB: „Über Maßregeln der Besserung und Sicherung ist, wenn gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nach dem Gesetz zu entscheiden, das zur Zeit der Entscheidung gilt.“ 278 Erstmalig BGH NStZ 2010, 567 (4. Senat): konventionsgemäße Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB, da Art. 7 EMRK eine andere gesetzliche Bestimmung sei (in Bezug auf § 66 b Abs. 3 StGB a. F.); dagegen BGH NStZ 2010, 565 (5. Senat): Art. 7 EMRK sei keine andere gesetzliche Bestimmung i. S. d. § 2 Abs.  6 StGB, aber eine „konventionsgemäße Ermessensausübung“ innerhalb von § 66 b StGB a. F. sei angezeigt; dazu die ausführl. Darstellung bei SK/ Sinn 2014, vor § 66 Rn. 7–16 m. w. N. 279 Dazu BGH NStZ 2010, 568 (4. Senat); zustimmend Grabenwarter, JZ 2010, 869; Pösl, ZJS 2011, 145; Nachweise zur OLG-Rspr. bei BT-Drs. 17/3404, S. 14; zur problematischen anschließenden polizeilichen Überwachung s. Amann/Steinle, Kriminalistik 2011, 21 ff.; Drenkhahn/Morgenstern, ZStW 2012, 180 m. w. N.; Dünkel 2010, S. 2; zu Problemen darüber hinaus S. Müller, NRV-Info 2012, 28. 280 Erledigung: OLG Hamm StRR 2010, 352 f.; OLG Hamm R&P 2010, 163; OLG Karlsruhe Die Justiz 2010, 352; NStZ-RR 2010, 322. Unzulässigkeit: OLG Frankfurt/M. NStZ 2010, 573; R&P 2010, 154; in der Begründung ähnl. OLG Frankfurt/M. NStZ-RR 2010, 321; OLG Schleswig SchlHA 2010, 296. 281 OLG Hamm, Beschl. vom 6.7.2010 – 4 Ws 157/10, III-4 Ws 157/10 Rn. 13 – bei juris; ebso. OLG Frankfurt NStZ 2010, 573; OLG Karlsruhe Die Justiz 2010, 352. Dem zustimmend Gaede, HRRS 2010, 336 f. m. w. N.; Pösl, ZJS 2011, 144. Art 1 a EGStGB a. F. wurde 2004 zwar gestrichen, allerdings weil der Gesetzgeber die Regelung angesichts der BVerfG-Entscheidungen vom 5.2.2004 und 10.2.2004 als obsolet empfand.

II. Rechtliche Entwicklung des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

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resgrenze) „uneingeschränkt rückwirkend in Kraft zu setzen“282. Dass man diese Norm später entfernt habe, berühre diesen Willen nicht, weil sie lediglich angesichts der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung für überflüssig erachtet worden sei. Eine schematische Entlassung aller „Zehnjahresfälle“ erachtete man zudem im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip und den Schutz der Allgemeinheit als äußerst fragwürdig.283 Dieser uneinheitlichen Rechtsprechung begegnete der Gesetzgeber damit, dass er mit Wirkung ab dem 30.7.2010 eine Divergenzvorlagepflicht an den BGH etablierte.284 Aufgrund mehrerer daraufhin an den BGH gerichtete Vor­ lagebeschlüsse der OLGe Stuttgart, Celle und Koblenz285 lehnte der 5. Strafsenat des BGH mit Beschluss vom 9.11.2010 letztlich die konventionsgemäße Auslegung des § 2 Abs. 6 StGB ab.286 Eine Entscheidung des Großen Strafsenats des BGH wurde angesichts der BVerfG-Entscheidung vom 4.5.2011 ­überflüssig. Abschließend ist anzumerken, dass insgesamt nur wenige Sicherungsverwahrte in direkter Anwendung oder Folge des EGMR-Urteils entlassen wurden. Zu Entlassungen kam es damit rechtlich unabhängig vom EGMR-Urteil in verschiedenen Phasen.287 So ergab die i. R. e. Projekts der KrimZ durchgeführte Untersuchung von 84 betroffenen sog. „Altfällen“, dass nur bei rund 21 % (n=18) dieser Gruppe konkret das Kammerurteil relevant wurde. Bei rund 23 % (n=19) dauerte die Unterbringung fort und bei den restlichen 56 % (n=47) wurde die Verwahrung in den verschiedenen Phasen nach dem EGMR-Urteil beendet.288 Ungeachtet der gegensätzlichen nationalen Rechtsprechung bestätigte der EGMR sein Urteil in Sachen M. gegen Deutschland in zahlreichen weiteren Fällen.289 V. a. 282 OLG Stuttgart R&P 2010, 160, das Bezug nimmt auf BT-Drs. 13/9062, S. 12; OLG Celle NStZ-RR 2010, 322; OLG Koblenz R&P 2010, 154 ff.; OLG Nürnberg, Beschl. vom 21.6.2010 – 1 Ws 315/10Nr. 15 – bei juris; NStZ 2010, 574. Dem i. E. zustimmend Greger, NStZ 2010, 679; Hörnle 2011, 253 f.; krit. Gaede, HRRS 2010, 336; ablehnend ebso. BGHSt 56, 83. 283 OLG Stuttgart R&P 2010, 160 f.; OLG Koblenz R&P 2010, 156; ablehnend auch Böttcher, FS 2011, 281 ff. 284 „Viertes Gesetz zur Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes“ vom 24.7.2010, BGBl. I 2010, S. 976. Befürwortet von Bachmann/Goeck, NJ 2010, 460; krit. Ullenbruch, LTO vom 12.8.2010; Gaede, HRRS 2010, 337. 285 OLG Stuttgart Die Justiz 2010, 401; OLG Celle, Beschl. vom 9.9.2010 – 2 Ws 270/10; OLG Koblenz, Beschl. vom 30.9.2010 – 1 Ws 108/10 – bei juris; krit. Pollähne, KJ 2010,258 ff. m. w. N.; Laue, JR 2010, 198 ff. 286 Vgl.  BGHSt 56, 73; dazu SK/Sinn 2014, vor § 66 Rn.  13. Daraufhin antworteten der 1. und 2. Senat i. S. d. 5. Senats (vgl. BGH, Beschl. vom 15.12.2010 – 1 ARs 22/10; Beschl. vom 22.12.2010 – 2 ARs 456/10 – jeweils bei juris) sowie der 3. und 4. Senat (vgl. BGH NStZRR 2011, 139) i. S. d. des 4. Senats. 287 Angelehnt an Elz 2014, 51 ff., 209 f. könnte man neben der Phase des EGMR-Urt., der Divergenzvorlage und der OLG/BGH-Phase von einer BVerfG-Phase sprechen. Von den insgesamt 65 Entlassenen wurden 13 (drei davon nur vorläufig) nach dem ThUG untergebracht; vgl. Elz 2014, 241, 51 ff., 209 f.; dies., FS 2014, 399. 288 Elz 2014, 209, Tabelle 6; dies., FS 2014, 399; aus polizeilicher Sicht Amann/Steinle, Kriminalistik 2011, 21 ff. 289 Zu den weiter ergangenen Entscheidungen des EGMR, vgl. v.  Arnim, KrimPäd 2013, 7 ff.; Esser/Gaede/Tsambikakis, NStZ 2012, 555 ff.; Grabenwarter, JZ 2010, 868 f.

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A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung

hatte sich der Gerichtshof mit der rückwirkenden Verlängerung der Maßregel zu befassen290, wobei die Entscheidungsgründe nahezu identisch mit der ursprünglichen Entscheidung ausgestaltet wurden. Geändert hat sich jedoch, dass die Bf. auch auf Art. 3 EMRK abstellten, weil sie aufgrund der Unterbringung einer unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung ausgesetzt seien. Dies verneinte der EGMR i. E., da das Mindestschweremaß der Misshandlung291 bei der Sicherungsverwahrung nicht erreicht sei. Dem Bf. werde nicht jegliche Hoffnung auf Wiedererlangung der Freiheit genommen.292 Kurz vor dem Urteil des BVerfG vom 4.5.2011 dehnte der EGMR seine Entscheidung bzgl. der Verletzung von Art. 5 EMRK auf Fälle der nachträglichen Sicherungsverwahrung aus293 – wohingegen das Gericht zuletzt am 7.1.2016 nach der gesetzlichen Neugestaltung der Sicherungsverwahrung die Übergangsregelungen der nachträglichen Sicherungsverwahrung billigte.294 Das BVerfG selbst hingegen lehnte mehrere Eilanträge mit dem Ziel der sofortigen Entlassung aufgrund der EGMR-Entscheidung ab, weil bei einem offenen Ausgang des Verfassungsbeschwerdeverfahrens die erforderliche Folgenabwägung stets zu einem Überwiegen des Sicherungsbedürfnisses der Allgemeinheit führe.295 d) Reaktionen des Gesetzgebers Unter Federführung der Regierungsfraktionen von CDU/CSU und FDP trat als letzte gesetzgeberische Aktion vor der verfassungsgerichtlichen Klärung das „Gesetz zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Regelungen“ am 1.1.2011 in Kraft.296 Dabei wurde das SichVNOG eilig durch das 290 Vier Entscheidungen vor dem BVerfG-Urt. vom 4.5.2011: Mautes ./. Deutschland (Nr. 20008/07, Urt. vom 13.1.2011 – bei juris); Schummer ./. Deutschland (Nrn. 27360/04, 42225/07, Urt. vom 13.1.2011  – bei juris); Kallweit ./. Deutschland (EuGRZ 2011, 255); Jendrowiak ./. Deutschland (Nr. 30060/04, Urt. vom 14.4.2011 – bei juris). Zwei Entscheidungen danach: O. H. ./. Deutschland (Nr. 4646/08, Urt. vom 24.11.2011 – bei juris) und Kron­ feldner ./. Deutschland (NJW 2013, 1791); s. dazu Pyhrr 2015, 57 ff. 291 EGMR, Urt. vom 13.1.2011, Schummer ./. Deutschland, Nrn. 27360/04, 42225/07, Rn. 77 – bei juris. 292 EGMR, Urt. vom 13.1.2011, Schummer ./. Deutschland Nrn. 27360/04, 42225/07, Rn. 79 f. – bei juris. 293 EGMR NJW 2011, 3423 (Haidn ./. Deutschland) m. Anm. Kotz, ZAP 2011, Fach 22, 557; krit. dazu, dass kein Verstoß gegen Art. 7 EMRK festgestellt wurde, Schöch 2011, 1205; s. a. Pyhrr 2015, 64 f. 294 EGMR, Urt. vom 7.1.2016, B ./. Deutschland, Nr. 23279/14. 295 BVerfG, Beschl. vom 22.12.2009  – 2 BvR 2365/09 (allerdings erklärten die Richter hier die SV unter Anwendung des Art. 316 e Abs. 3 EGStGB für erledigt); NJW 2010, 2501; EuGRZ 2010, 536. 296 Gesetz vom 22.12.2010, BGBl. I 2010, S.  2300; im Folgenden: SichVNOG; zu beachten aber Art. 316 e Abs. 1 S. 2 EGStGB; krit. zu Übergangsvorschriften Sonnen, NK 2011, 43; zu den Änderungen Pyhrr 2015, 67 ff.; zur „aufgeheizten“ rechtspolitischen Situation Drenkhahn/Morgenstern, ZStW 2012, 180; zur Kritik seitens der Sachverständigen Alex, MschrKrim 2011, 267 ff.

II. Rechtliche Entwicklung des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

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Gesetzgebungsverfahren „gepeitscht“.297 Im Wesentlichen konsolidierte der Gesetzgeber dadurch die primäre Sicherungsverwahrung, baute die vorbehaltene Sicherungsverwahrung aus und schränkte die nachträgliche weitgehend ein bzw. beseitigte sie sogar für nach dem 1.1.2011 begangene Taten.298 Angesichts der kaum durchschaubaren Übergangsvorschriften (Art. 316 e EGStGB a. F.), welche hauptsächlich dafür sorgen sollten, die nachträgliche Sicherungsverwahrung noch jahrelang weiter anzuwenden, konnte damit eine nennenswerte Vereinfachung nicht erzielt werden.299 Außerdem gab es keine Änderungen auf Vollzugsebene bzw. speziell in Bezug auf die Betreuung und Behandlung der Verwahrten. Daher äußerte die BRAK Bedenken, dass es nach dem SichVNOG in Bezug auf die Gruppe der als hochgefährlich gekennzeichneten potentiellen Sicherungsverwahrten weiterhin beim Ausschluss von Lockerungen oder Vergünstigungen bleibe.300 Vonnöten sei eine Klarstellung in den Strafvollzugsgesetzen von Bund und Ländern, dass potentielle Verwahrte Resozialisierungsangebote, Vollzugslockerungen und Urlaub unter denselben Voraussetzungen wie Gefangene erhielten. Für die infolge der Rechtsprechung des EGMR bereits entlassenen oder noch zu entlassenen301 Verwahrten beschloss der Gesetzgeber sodann ein neues zivilrechtliches Unterbringungsverfahren nach dem „Gesetz zur Therapierung und Unterbringung psychisch gestörter Gewalttäter“ vom 22.12.2010.302 Die vom BVerfG in seinem Urteil vom 4.5.2011 als eine „weitere Unterbringungsart für psychisch gestörte, für die Allgemeinheit gefährliche Personen“303 bezeichnete Therapieunterbringung, ermöglicht seither die unbegrenzte Unterbringung in geschlossenen thera 297

Krit. Alex, MschrKrim 2011, 278; ebso. die Abg. Wawzyniak der Fraktion DIE LINKE i. R. d. zweiten Lesung es SichVNOG-E im Parlament am 2.12.2010, BT-PlPr 17/78, S. 8589 ff. 298 Zu den Änderungen im Einzelnen BT-Drs. 17/3403, S. 14 ff.; Drenkhahn/Morgenstern, ZStW 2012, 180 ff.; Kinzig, NJW 2011, 178 ff.; Kreuzer, StV 2011, 127 ff.; Mosbacher, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2011, 219 ff.; zu den in diesen Fällen tätigen Gutachtern; Pollähne ZJS 2011, 216 f.; krit. zum Ausbau der vorbehaltenen SV Beukelmann, NJW-Spezial 2010, 697; Pollähne, KJ 2010, 264 f. 299 Kreuzer, NStZ 2010, 473: „gesetzgeberischer Flickschusterei“; ähnl. H.-J.  Albrecht 2012, 183 ff. Krit. zur Problematik der Altfälle Meier 2015, 364; Renzikowski, NJW 2013, 1642; Zimmermann, HRRS 2013, 173 ff.; s. a. Ebner 2015, 64; Sonnen, ZJJ 2011, 324. 300 BRAK-Stellungnahme-Nr. 33/2010, S. 6 f. 301 Vgl. die Gesetzesbegründung BT-Drs. 17/3403, S.  14: Mit dem ThUG solle „für bestimmte Fälle eine Rechtsgrundlage geschaffen werden, die eine sichere Unterbringung der betroffenen Straftäter ermöglicht, ohne dabei gegen die Vorgaben der EMRK zu verstoßen.“ Deutlich die Intention der polizeilichen Praxis: Amann/Steinle, Kriminalistik 2011, 23, die unter der Überschrift „Wegsperren für immer?“ den ThUG-E als „eine weitere Möglichkeit die kräftezehrende Aufgabe zu beenden“ bezeichnen. Krit. mit Recht z. B. Alex 2013, 175 f.; Feest, Vorgänge 2014, 33; Ullenbruch, LTO vom 13.1.2011. 302 Therapieunterbringungsgesetz, BGBl. I 2010, S. 2305, in Kraft seit 1.1.2011; im Folgenden: ThUG. Dieser Teil  des SichVNOG ist sehr umstr., dazu etwa Kinzig, NJW 2011, 177, 181 f.; ders.  2012, 25 f.; Kreuzer, StV 2011, 131 f.; Pfister, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2011, 88 f.; Feest, Vorgänge 2014, 36 m. w. N.; Höffler/Stadtland, StV 2012, 239 ff.; wenig überzeugend hingegen Böttcher, FS 2011, 283. 303 BVerfGE 128, 406 f.

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A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung

peutischen Einrichtungen zum Schutz der Allgemeinheit. Voraussetzung hierfür ist, dass von der zuständigen Zivilkammer des Landgerichts festgestellt werden kann, dass der Betroffene an einer psychischen Störung leidet und von ihm infolgedessen mit hoher Wahrscheinlichkeit weitere schwere Straftaten zu erwarten sind.304 Dass damit ganz unterschiedliche Interpretationsmöglichkeiten heraufbeschworen wurden, zeigt(e) sich anhand der seitdem insbesondere um eine „Psychiatrisierung“ der Betroffenen geführten Diskussionen in Rechtsprechung und Literatur.305 Trotz der sehr umfassenden Kritik an der Interpretation des Begriffs der psychischen Störung hat das BVerfG die von der Rechtsprechung vertretene Ansicht inzwischen unter der Prämisse einer verfassungskonformen Auslegung306 gebilligt und dem Gesetzgeber damit bescheinigt, dass er neben der Unterbringung im psychiatrischen Krankenhaus wegen §§ 20, 21 StGB bzw. der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung eine dritte Form der Unterbringung, nämlich derjenigen aufgrund einer psychischen Störung schaffen durfte, um dem Schutz der Allgemeinheit gerecht zu werden.307 Dem kann aber nicht gefolgt werden, weil die Psychiatrie schlicht insoweit „missbraucht“ wird, als bis zum EGMR-Urteil als schuldfähig und gesunde von der nachträglichen Sicherungsverwahrung Betroffene dadurch mit dem Label der psychischen Störung versehen wurden.308 4. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4.5.2011 Es dauerte nicht einmal fünf Monate, bis die Regelungen zur Sicherungsverwahrung in der Gestalt, die sie durch das SichVNOG erhalten hatten, in einer der bedeutendsten Entscheidungen der letzten Jahre, dem „Tsunami aus Karlsruhe“309, 304

Vgl. § 1 Abs. 1 ThUG. Zwar hat der EGMR sich selbst nicht eindeutig dazu geäußert, weil sich der Begriff „mit dem Fortschreiten der psychiatrischen Forschung ständig verändert“ (vgl. EGMR NJW 2013, 1793; Urt. vom 24.11.2011, O. H. ./. Deutschland, Nr. 4646/08, Rn. 78 – bei juris), jedoch reiche alleine der Hang zu bestimmten Straftaten nicht aus, zumal bei der Prüfung der Anordnung der SV auch nicht geprüft werde, ob der Verurteilte psychisch krank sei (vgl. EGMR, Urt. vom 13.1.2011, Mautes ./. Deutschland, Nr. 20008/07, Rn. 45; EGMR, Urt. vom 13.1.2011, Schummer ./. Deutschland Nrn. 27360/04, 42225/07, Rn. 56; EGMR, Urt. vom 14.4.2011, Jendrowiak ./. Deutschland, Nr. 30060/04, Rn. 35 – jeweils bei juris). 305 Vgl. BGHSt 56, 261 m. Anm. Schöch, JR 2012, 173. Kritik v. a. seitens der Psychiatrie, allen voran von J. L. Müller et.al., Der Nervenarzt 2011, 382 f.; J. L. Müller, NK 2012, 56 ff.; Mandera 2014, 20; Nußstein, NJW 2011, 1194; MüKo-Ullenbruch/Drenkhahn/Morgenstern 2012, § 66 Rn. 45 ff., 343. 306 BVerfGE 134, 59 ff. I. E. gilt daher der identische Maßstab wie bei der Unterbringung in der SV in Altfällen, dazu Leipold, NJW-Spezial 2012, 760 f.; s. a. Elz, FS 2014, 400. 307 BVerfGE 134, 33 m. krit. Anm. Höffler, StV 2014, 168 ff.; ausführl. Pyhrr 2015, 122 ff. 308 Zu Recht die Kritik von Konrad 2013, 198 309 Skirl 2012, 191: „Tsunami aus Karlsruhe. Rundumschlag: alles verworfen“; ähnl. Alex 2013, 76: „Bombe“; Jehle 2015, 66: „bahnbrechend“; Kilchling, MschrKrim 2011, Editoral H. 4, I: „Paukenschlag“; Kinzig 2012, 17: „das gesamte Recht der Sicherungsverwahrung kollabiert“; SK/Sinn 2014, § 66 Rn. 20: „den gordischen Knoten der Sicherungsverwahrung zerschlagen“.

II. Rechtliche Entwicklung des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

79

als verfassungswidrig erklärt wurden. Dasselbe Schicksal erlitten die an das EGMR-Urteil anknüpfenden wissenschaftlichen Überlegungen310, inwiefern der festgestellte Verstoß gegen die EMRK nicht nur für den Fall des M., sondern das gesamte System der Sicherungsverwahrung Folgen haben müsste: mit der Entscheidung des BVerfG vom 4.5.2011311 waren sie Geschichte. Von längerer Überlebensdauer sind hingegen die hier interessanten Überlegungen zum Vollzug der Verwahrung, da sie als Grundlage für die späteren Gesetze zu dienen hatten. a) Sachverhalte und Entscheidungsformel Insgesamt verband das BVerfG fünf verschiedene Verfahren mit vier betroffenen Bf. zur gemeinsamen Entscheidung. Allen gemeinsam ist, dass die Bf. insgesamt nur kurze Zeit ihres Lebens in Freiheit verbrachten bzw. seit langem inhaftiert und verwahrt waren. Die Verfahren der Bf. I. und II.312 lassen sich als Parallelfall zur Entscheidung des EGMR (M ./. Deutschland) bezeichnen, da sie sich gegen die über zehn Jahre dauernde Sicherungsverwahrung mit einer Anlasstat vor der Gesetzesänderung von 1998 richteten (d. h. gegen die nachträgliche Verlängerung nach § 67 d Abs. 3 S. 1 StGB). Bf. III.313 griff die Anordnung der Sicherungsverwahrung nach § 7 Abs. 2 JGG, Bf. IV.314 diejenige nach § 66 b StGB an.

310

Einerseits wurde die Berücksichtigung i. R. d. Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Frage der Erledigung nach § 67 d Abs. 3 StGB a. F. gefordert (z. B. Kinzig, NStZ 2010, 238), andererseits die Berücksichtigung wg. des klaren gesetzgeberischen Willens verneint (z. B. Greger, NStZ 2010, 678 f.; Radtke, NStZ 2010, 541). 311 BVerfGE 128, 326; zur Verhandlung Sonnen, NK 2011, 43 f.; zu Folgeentscheidungen Ebner 2015, 74 ff. 312 Vgl. BVerfGE 128, 345–351: Bf. I. war seit 1978 fast ununterbrochen u. a. wg. Wohnungseinbruchsdiebstählen i. V. m. Sexualstraftaten in Erscheinung getreten, hatte mehrjährige Freiheitsstrafen verbüßt und zudem einige Zeit im Maßregelvollzug nach § 63 StGB verbracht. 1995 wurde neben einer Gesamtfreiheitsstrafe die anschließende SV nach § 66 StGB angeordnet. Bf. II. befand sich wg. mehrerer Sexualstraftaten, die sich durch ihre sadistische und brutale Begehungsweise auszeichneten, seit Oktober 1999 im SVV. Mehrmals wurde, gestützt auf die „fehlende therapeutische Aufarbeitung der Straftaten“, die Fortdauer angeordnet. Aus demselben Grund lehnte man die Erledigung ab. 313 Vgl.  BVerfGE 128, 351–355: Das Verfahren betraf v. a. die Vorschrift des § 7 Abs.  2 JGG, nach der im Jahre 2009 die nachträgliche SV anordnet wurde. 1997 hatte Bf. III im Heranwachsendenalter einen (Sexual-)Mord begangen. Die Revision verwarf der BGH, weil § 7 Abs.  2 JGG nicht gegen das Rückwirkungs-, Doppelbestrafungs-, das rechtsstaatliche Vertrauensschutzgebot oder gar die EMRK verstoße, s. BGH NJW 2010, 1539. 314 Vgl. BVerfGE 128, 355–359: Bf. IV beging seit den 1970er Jahren eine Vielzahl brutaler Sexualstraftaten sowie einen Mord. Neben zahlreichen Verurteilungen wurde wiederholt die Unterbringung im PKH angeordnet. Nachdem die Unterbringung nach § 63 StGB im Jahr 1993 für erledigt erklärt wurde, der Bf. bis 2009 seine restliche Strafe absaß, entschied dasselbe Gericht, dass der Bf. nachträglich in der SV unterzubringen sei. Vgl. dazu auch BGH StRR 2010, 189; BVerfG EuGRZ 2010, 536.

80

A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung

Wie sich aus den Sachverhalten ergibt, waren zwar „nur“ alle rückwirkenden Normen im Bereich der Sicherungsverwahrung (vgl. §§ 66 b Abs. 2, 67 d Abs. 3 StGB und § 7 JGG  – jeweils a. F.) Entscheidungsgrundlage. Das BVerfG beschränkte sich jedoch nicht darauf, sondern machte von seiner Kompetenz nach § 78 S. 2 BVerfGG Gebrauch und dehnte seinen Ausspruch auf weitere Bestimmungen nach alter und neuer Rechtslage aus.315 I. E. hielt das Gericht weite Bereiche316 des Rechts der Sicherungsverwahrung (Vorschriften des StGB und JGG über die Dauer und Anordnung der Sicherungsverwahrung) für verfassungswidrig317. Dabei stützte es sich nicht wie der EGMR auf das Rückwirkungsverbot und bestätigte daher in diesem Punkt die Höchstdauerentscheidung, wonach die Sicherungsverwahrung nicht unter Art.  103 Abs.  2 GG subsumiert werden kann. Vielmehr hielt es die genannten Vorschriften für nicht vereinbar mit dem Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 GG i. V. m. Art. 104 Abs. 1 GG, dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und dem rechtsstaatlichen Vertrauensschutzgebot aus Art. 2 Abs. 2 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG. Trotzdem erklärten die Verfassungsrichter die Regelungen zur Anordnung und Dauer der Sicherungsverwahrung nur als mit dem GG unvereinbar. Andernfalls, so die Richter, entstünde ein „rechtliches ­Vakuum“ und die Regelungslücken führten zu einem „Chaos“.318 Mithin ordnete das BVerfG an, dass die Normen bis spätestens zum 31.5.2013 weitergelten sollten, wobei die Sicherungsverwahrung „nur nach Maßgabe einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung“ angeordnet werden durfte.319 In den Parallel- und Altfällen, bei denen aufgrund der Rückwirkung zusätzlich zur Missachtung des Abstandsgebots noch ein Verstoß gegen den Vertrauensgrundsatz zu bejahen war, sollte hingegen die Sicherungsverwahrung nur fortdauern bzw. angeordnet werden, „wenn eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten“ sei und

315 Vgl. § 78 S. 2 BVerfGG: „Sind weitere Bestimmungen des gleichen Gesetzes aus denselben Gründen mit dem Grundgesetz oder sonstigem Bundesrecht unvereinbar, so kann sie das Bundesverfassungsgericht gleichfalls für nichtig erklären.“ Gemeint ist die Zeit vor und nach Inkrafttreten des SichVNOG, s. o. Fn. 296. 316 Hervorzuheben sind die zur Überprüfung gestellte rückwirkende Aufhebung der Zehnjahresgrenze (§ 67 d Abs. 3 StGB) sowie die Vorschriften der nachträglichen SV nach § 66 Abs. 2 StGB und 7 Abs. 2 JGG. Ausgespart blieben neben § 67 a Abs. 2 StGB die richterliche Überprüfungspflicht nach § 67 c StGB, das Eintreten der FA gemäß § 67 d Abs. 2 S. 2 und Abs. 3 S. 2 StGB, die Widerrufsregel des § 67 g StGB sowie die Übergangsvorschrift in Art. 316 e Abs. 3 EGStGB. Zudem wurde die gesetzliche Überprüfungsfrist von zwei Jahren während der Vollstreckung nach § 67 e Abs. 2 Fall 3 StGB in den Entscheidungsgründen als verfassungswidrig angesehen (vgl. BVerfGE 128, 384), nicht jedoch in den Urteilstenor (vgl. BVerfGE 128, 329 ff.) aufgenommen. 317 Eine verfassungskonforme Auslegung der Normen lehnte der Senat ab, vgl. BVerfGE 128, 400 ff.; s. a. BVerfG, Beschl. vom 16.4.2012 – 2 BvR 1940/10, 2 BvR 1396/10; Beschl. vom 17.4.2012 – 2 BvR 1762/10 – jeweils bei juris; NJW 2013, 3161. 318 BVerfGE 128, 404 mit Verweis auf BVerfGE 37, 260 f.; 73, 42, 101 f.; zur Weitergeltung Übersicht bei SK/Sinn 2014, vor § 66 Rn. 29 ff.; Pyhrr 2015, 184 f.; Ebner 2015, 92 ff. 319 BVerfGE 128, 372, v. a. in Bezug auf die Gefahrenprognose und betroffenen Rechtsgüter.

II. Rechtliche Entwicklung des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

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wenn dieser an einer psychischen Störung i. S. d. ThUG leide.320 Obwohl keine allgemeingültige Definition existiere, müsse eine psychische Störung zuverlässig nachgewiesen werden.321 b) Entscheidungsgründe Zu Beginn der Begründung i. R. d. Zulässigkeit sendet das BVerfG ein eindeutiges Signal an den EGMR: Zwar seien allein die betroffenen Grundrechte Prüfungsmaßstab für das BVerfG; diese bzw. das GG an sich seien dennoch völkerrechtsfreundlich auszulegen.322 Deshalb könnten die Entscheidungen des EGMR „einer rechtserheblichen Änderung gleichstehen“.323 Somit hat die EMRK in der Auslegung des EGMR das Potential, die Sach- und Rechtslage in Deutschland zu ändern. Im Folgenden räumten die Richter dem europäischen Menschenrechtsschutz ausdrücklicher als früher eine Orientierungswirkung ein, um zugleich deren Grenzen, die sich wiederum aus dem GG ergeben, zu benennen.324 EMRK und die EGMR-Entscheidungen genießen danach in Deutschland einen Sonderstatus, indem Art. 1 Abs. 2 GG und der darin enthaltene garantierte Kernbestand an Menschenrechten eine verfassungsrechtliche Ebene zur Beachtung des (einfachgesetzlichen) Völkerrechts bereithalte.325 Ausschlaggebend für die Fälle, welche parallel zur EGMR-Entscheidung vom 17.12.2009 verliefen, sei jedoch das Verhältnismäßigkeitsprinzip des GG, welches das Mittel zur Integration der EMRK darstelle.326 Auf diesem Wege könnten die Wertungen des EGMR in die Abwägung kollidierender Interessen bei „mehrpoligen Grundrechtsverhältnissen“327 wie hier (Freiheitsgrundrecht des Untergebrachten einerseits und Sicherungsbedürfnis der 320

Entscheidungsformel III. 2. a., BVerfGE 128, 332. Angemerkt sei, dass das BVerfG die gegen das ThUG vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken in seiner Entscheidung aus dem Jahre 2011 nicht aufnahm, obwohl dies in einem obiter dictum durchaus i. R. d. Möglichen gelegen hätte. Inzwischen für vereinbar mit der Verfassung erklärt in BVerfGE 134, 33; die Zahl der Personen, deren Unterbringung in der SV über die frühere Zehnjahresfrist fortdauert, wird mit bis zu 70 Personen angegeben, vgl. Zabel, JR 2011, 472. 321 BVerfGE 128, 396 f., 406 f.; zum Begriff BT-Drs. 17/3403, S. 54; krit. Pfister 2012, 9;­ Zabel, JR 2011, 471; zu den Schwierigkeiten der Bestimmung s. RP vom 8.2.2011: Mitarbeiter des BMJ konnte „nicht klar schildern …, was genau unter diese Kategorie fällt“; dazu ebso. Sonnen, NK 2011, 44 322 BVerfGE 128, 366–372, ebso. LS. 1 ebda., 326. 323 BVerfGE 128, 365, 367, Ls. Nr. 1. 324 BVerfGE 128, 368 ff.; Volkmann, JZ 2011, 837: BVerfG habe dem EGMR „Reverenz“ erwiesen; krit. Zabel, JR 2011, 469. 325 BVerfGE 128, 369. 326 Zum Verhältnismäßigkeitsprinzip BVerfGE 128, 371 f. 327 Radtke, NStZ 2010, 537. Der EGMR ist im Unterschied zum BVerfG bipolar ausgerichtet, d. h. er problematisiert nicht die Rechtspositionen Dritter, sondern lediglich den Eingriff des Staates in die Rechte konkret Betroffener, dazu Hoffmann-Riem, EuGRZ 2006, 497 f.; krit. Hörnle, NStZ 2011, 489; dies. 2011, 239, 243, 248.; ähnl. Renzikowski, ZIS 2011, 532 f.

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A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung

Allgemeinheit bzw. noch nicht bestimmbarer potentieller Opfer andererseits) eingestellt werden.328 Ausgangspunkt für das zentrale Argument der Entscheidung – das im Gegensatz zum Jahre 2004 konkretisierte Abstandsgebot  – war, dass der EGMR die Sicherungsverwahrung als Strafe interpretiert hatte.329 Besonders betonte das höchste deutsche Gericht, dass die präventive, an die Gefährlichkeit des Täters anknüpfende, Maßregel der Sicherungsverwahrung „nicht der Vergeltung zurückliegender Rechtsgutsverletzungen, sondern der Verhinderung zukünftiger Straf­ taten“ diene und daher ein äußerst schwerwiegender Eingriff sei.330 Der Verurteilte habe das sog. „Sonderopfer“331 im Interesse der Allgemeinheit zu erbringen. Es handle sich bei der Verwahrung also nicht um eine repressive Strafe. Da sich der Maßregelvollzug alleine mit dem „Prinzip des überwiegenden Interesses“ rechtfertigen lasse, müsse die Unterbringung beendet werden, sobald „die Interessen der Allgemeinheit das Freiheitsinteresse des Untergebrachten nicht länger überwiegen“.332 Außerdem gelte das Resozialisierungsgebot für den Straf- und den Maßregelvollzug – der Untergebrachte dürfe daher alleine solchen Beschränkungen ausgesetzt sein, „die zur Reduzierung der Gefährlichkeit erforderlich sind“.333 Künftig müsse die Wiedererlangung der Freiheit sichtbar die Unterbringungs­ praxis bestimmen.334 Die derzeitige Vollzugspraxis trage dem Abstandsgebot wegen des vorhandenen „normativen Defizits“ nicht ausreichend Rechnung, so dass die Sicherungsverwahrung in dieser Form nicht mit dem Freiheitsgrundrecht des Untergebrachten zu vereinbaren sei.335 Konkret an der praktischen Ausgestaltung kritisierten die Richter vorwiegend die unzureichende psychologische oder psychiatrische Betreuung im Vollzug der Sicherungsverwahrung, welche hauptsächlich auf die mangelhafte personelle und sachliche Ausstattung der Einrichtungen zurückzuführen sei. Trotz des großen Potentials für die Wiedererlangung der Freiheit bestünden „erhebliche Probleme bei der Unterbringung von Sicherungsverwahrten in sozialtherapeutischen Einrichtungen“, da einerseits Plätze und 328 BVerfGE 128, 368. Die Orientierungswirkung der EMRK und des EGMR betonte das BVerfG ebenfalls in anderen Verfahren, etwa BVerfG NJW 2013, 3292; NJW 2013, 3715; krit. Ullenbruch, NStZ 2007, 68; ders., StraFo 2009, 54. 329 In diesem Sinne Volkmann, JZ 2011, 837. 330 BVerfGE 128, 374; zuvor BVerfGE 109, 158: „Die Prognose ist und bleibt als Grundlage jeder Gefahrenabwehr unverzichtbar, mag sie auch im Einzelfall unzulänglich sein.“ 331 Erstmals Dreyer, MonKrimPsych 1910/11, 33: „Preisgabe, Opferung des Privatinteres­ ses für das Allgemeinwohl“; ebso. Mittelbach 1929, 8.  Einleuchtende Erklärung von Wolf 2011, 93: Ein „einfaches Opfer“ erbringe jeder Straftäter, indem er die Strafe für auf sich geladene Schuld verbüßt. Folgerichtig stellt die SV ein „Sonderopfer“ dar. Kritisieren lässt sich die vorprogrammierte und i. d. R. verfehlte Selbstwahrnehmung durch die SV und damit verbundene schwere Nachvollziehbarkeit durch das tatsächliche Opfer, so J. Schäfer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 159. 332 BVerfGE 128, 376 f.; MüKo-Radtke 2012, vor §§ 38 ff. Rn. 68. 333 BVerfGE 128, 377. 334 BVerfGE 128, 374 f. 335 BVerfGE 128, 383 f., 388.

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andererseits die Motivation zur Aufnahme fehlten.336 Von Vollzugslockerungen werde nur „äußerst restriktiv Gebrauch gemacht“.337 Der Gesetzgeber habe bisher die Sicherungsverwahrung stetig ausgeweitet, ohne ein „freiheitsorientiertes und therapiegerichtetes Gesamtkonzept“338 zu entwickeln. In Deutschland würden die Sicherungsverwahrten daher „gleichsam ‚sehenden Auges‘ einer verfassungswidrigen Freiheitsentziehung unterworfen“.339 Zur Lösung des aufgezeigten Problems gab das BVerfG dem Gesetzgeber auf, schnellstmöglich, spätestens bis zum 1.6.2013 ein solches an Freiheit und Therapie orientiertes Gesamtkonzept zu entwickeln.340 Dieses Konzept brauche dann eine gesetzliche Regelungsdichte, bei der sichergestellt sei, dass keine relevanten Fragen hinsichtlich der Realisierung des Freiheitsgrundrechts des Untergebrachten für die Praxis – damit meinen die Verfassungsrichter die Strafgerichte und Vollzugsverwaltungen – offen blieben und i. E. das Abstandsgebot leerlaufe.341 Die Richter beließen es nicht bei dieser allgemeinen Forderung, sondern stellten insgesamt sieben konkrete Anforderungen an das neue gesetzgeberische Gesamtkonzept.342 Hervorzuheben ist die abschließende Zuweisung der diesbzgl. Zuständigkeiten: Trotz der seit der Föderalismusreform bei den Ländern liegenden Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug nach Art. 70 Abs. 1 GG solle der Bund für die Regelung der „wesentlichen Leitlinien“ des an Therapie und Freiheit orientierten Gesamtkonzepts nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zuständig sein.343 Die rückwirkend verlängerte (vgl. § 67 d Abs. 3 S. 1 StGB) oder nachträglich angeordnete (vgl. § 66 b Abs. 2 StGB und § 7 Abs. 2 JGG) Sicherungsverwahrung sei aufgrund des Eingriffs in das Vertrauensschutzgebot sowie das Freiheitsrecht nur in eng begrenzten Ausnahmefällen bei strikter Verhältnismäßigkeitsprüfung zulässig.344 Im Übrigen habe sich aufgrund der unzulänglichen Ausgestaltung des Vollzugs und unter Beachtung der Wertungen des Art. 7 EMRK nun der Schutz des Vertrauens der Verwahrten einem absoluten Schutz angenähert. Zur Problematik 336

BVerfGE 128, 385 f. BVerfGE 128, 386, zu deren allg. Bedeutung ebda., 381 f. 338 BVerfGE 128, 383 und 388. Für die Übergangszeit bis zum 31.5.2013 machte es jedoch keine konkreteren Angaben. Jedenfalls sollten die Länder die Mindestanforderungen derart sichern, dass Beschränkungen bzw. Eingriffe in der Übergangszeit nur zulässig seien, „als sie unerlässlich sind, um die Sicherheit und Ordnung des betroffenen Lebensbereichs aufrechtzuerhalten“, so OLG Nürnberg StV 2011, 694; OLG Frankfurt NStZ-RR 2012, 223. Weitergehend hatte das OLG Naumburg FS 2012, 55 auch für die Übergangszeit schon sehr konkrete Anforderungen an den Vollzug, insbes. die bauliche Ausstattung, gestellt. 339 BVerfGE 128, 387. 340 BVerfGE 128, 378. 341 BVerfGE 128, 378, bezugnehmend auf BVerfGE 83, 142. 342 BVerfGE 128, 379–383, ausführl. Teil C. I. 343 BVerfGE 128, 387; zur Kompetenzproblematik Teil C.II. 344 BVerfGE 128, 388 f.: Zulässig sei die Rückwirkung nur noch, wenn der gebotene Abstand zur Strafe gewahrt werde, eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- oder Sexualstraftaten aus konkreten Umständen in der Person oder dem Verhalten des Untergebrachten abzuleiten sei und die Voraussetzungen des Art. 5 Abs. 1 S. 2 EMRK erfüllt seien. 337

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A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung

der Gefahrprognose betonte der Senat nur kurz im Zusammenhang mit § 7 Abs. 2 JGG, dass „die bestehenden Unsicherheiten der Prognose, die Grundlage der Unterbringung ist, weder die Eignung noch die Erforderlichkeit des Freiheitsentzugs beseitigen“.345 c) Stellungnahme aa) Neukonzeption und Schwierigkeiten Zukünftig soll sich dieser wie der sonstige Maßregelvollzug im „Spannungsfeld des Doppelmandats von Besserung und Sicherung“346 bewegen, wo es sich bisher in erster Linie nur um die Sicherung gedreht hat. Letztlich kommt es in Folge des Urteils zu einer sich schon im EGMR-Urteil abzeichnenden deutlichen Verrechtlichung des Sicherungsverwahrungsvollzugs. Konkret geht es um die Feststellungen des BVerfG, die Sicherungsverwahrung sei wegen eines Verstoßes gegen das Abstandsgebot insgesamt verfassungswidrig. Die Inkonsistenz zur früheren Rechtsprechung löste das Gericht damit, dass eine Rechts- und Gesetzeskraft dann entfalle, „wenn später rechtserhebliche Änderungen der Sach- und Rechtslage eintreten“.347 Nicht nur, dass das höchste deutsche Gericht in seiner Entscheidung für seine Verhältnisse ungewöhnlich ausführlich die rechtstatsächliche Situation und v. a. empirische Ergebnisse in seiner Begründung heranzog. Ebenso kann die Entscheidung angesichts des Ausmaßes der über den Vollzug und die verlängerte und nachträgliche Sicherungsverwahrung hinausgehenden verfassungsgerichtlichen Kehrtwende mit gutem Recht als epochal im Straf- und Sanktionsrecht umschrieben werden.348 Um den Paradigmenwechsel der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung und die verlangte Neugestaltung des Sicherungsverwahrungsvollzugs zu verdeutlichen, werden im Folgenden einige Stellen der Entscheidungen aus dem Jahre 2004 und 2011gegenübergestellt.

345

BVerfGE 128, 373 ff. Kritik das Jugendstrafrecht betreffend bei Eisenberg, StV 2011, 480 ff.; allg. zur Prognoseproblematik Höffler/Kaspar, ZStW 2012, 109 ff.; Kinzig 2010, 145 ff.; Schöch, GA 2012, 30 f.; ders., NK 2012, 53 m. w. N.; Streng, JZ 2011, 828 ff.; ders. 2015, 349; zur überschätzten Gefährlichkeit Teil B.II.3. 346 Für den Maßregelvollzug Müller-Isberner/Eucker 2012, 121; ähnl. Jescheck, ZStW 1968, 83; Dessecker 2004, 206; aktuell: NK-StGB-Böllinger/Pollähne 2013, § 61 Rn. 56: „Besserung ist das einzige legitime Mittel zum Zweck der Sicherung.“ 347 BVerfGE 128, 365; dazu Sachs, JuS 2011, 855 f.; allg. Ebner 2015, 74. 348 Schöch, NK 2012, 50: „Paukenschlag“; ders., GA 2012, 20: „von grundsätzlicher und rechtsfortbildender Bedeutung“; ähnl. Bamberger 2012, 217; Kotz, ZAP 2011, Fach 22, 570: „Soweit ersichtlich gibt es keine Rechtsmaterie, bei der das BVerfG auf einen Streich so reinen Tisch gemacht hätte …“; Volkmann, JZ 2011, 839: „Befreiung“; zu früheren Grds. s. Sachs, JuS 2011, 855 m. w. N.

II. Rechtliche Entwicklung des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

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(1) Paradigmenwechsel In der Höchstdauerentscheidung hob das BVerfG hervor, dass der Verwahrte im gesamten „normativ wie tatsächlich am Resozialisierungsgedanken ausgerichtet[en]“ System der Verwahrung eine vorherseh- und realisierbare Chance auf Entlassung habe.349 Es lobte sogar den Gesetzgeber dafür, dass dieser „ein System regelmäßiger Überprüfung von Aussetzungs- oder Erledigungsreife sowie die Voraussetzungen für eine sorgfältige Aufklärung der Prognosegrundlage geschaffen“ habe.350 Die Art und Weise des Vollzugs der Verwahrung wurde damals ebenso wie die den privilegierten Vollzug vorzeichnenden Vorschriften der §§ 131–134 StVollzG kaum beanstandet.351 Aktuell rügte das Gericht die bisher stets verschärfende Gesetzgebung auf Anordnungsebene, ohne dass der Gesetzgeber zugleich ein „freiheitsorientiertes und therapiegerichtetes Gesamtkonzept“ für den Vollzug entwickelt habe.352 Im Jahre 2004 sah es das BVerfG nicht als seine Sache an, konkrete Richtlinien vorzugeben. Die Landesjustizverwaltungen hätten „dafür Sorge zu tragen, dass Möglichkeiten der Besserstellung im Vollzug soweit ausgeschöpft werden, wie sich dies mit den Belangen der Justizvollzugsanstalten verträgt.“ Nur ein Abstand zwischen „normalem“ Strafvollzug und privilegiertem Sicherungsverwahrungsvollzug müsse sichergestellt sein. Vor allen Dingen die fehlende Konkretisierung des Abstandsgebots kann mit Recht dafür verantwortlich gemacht werden, dass Gesetzgebung und Praxis es nicht umsetzten.353 Das stuft das BVerfG inzwischen anders ein, was sich u. a. in seinen Forderungen nach einer Regelungsdichte ohne (zu) weite Spielräume für die Praxis zeigt.354 Außerdem kritisierte es die Praxis für ihre Versäumnisse und nicht mehr, wie es in der Höchstdauerentscheidung den Eindruck machte, alleine den Verwahrten für das Scheitern von (Behandlungs-) Maßnahmen.355 Die Vorschriften des StVollzG seien für die Umsetzung eines am Abstandsgebot und Resozialisierungsgedanken ausgerichteten Sicherungsverwah-

349

BVerfGE 109, 152 ff. BVerfGE 109, 162. Die im Jahr 2004 als ausreichend erachtete, regelmäßig alle zwei Jahre stattfindende Überprüfung der Vollstreckung muss nunmehr jährlich erfolgen, vgl. BVerfGE 109, 162 f., BVerfGE 128, 382. 351 BVerfGE 109, 162 ff., 166. 352 BVerfGE 128, 382 f.; berechtigte Kritik von Sonnen, ZJJ 2011,324; Bartsch FS 2011, 271; Verwunderung bei Kreuzer/Bartsch, StV 2011, 476 f. über Kehrtwende zur Höchstdauerentscheidung. 353 Köhne, JR 2015, 256; s. a. Höffler/Kaspar, ZStW 2012, 108 f. 354 BVerfGE 128, 385, 388. 355 Vgl. BVerfGE 109, 151: „Dies mag angesichts verfestigter krimineller Neigungen der­ Betroffenen schwieriger sein als bei Strafgefangenen.“ und BVerfGE 109, 155: „Als Gründe dafür, dass Therapie-, Beschäftigungs- oder Ausbildungsmöglichkeiten von einem Teil der Sicherungsverwahrten nicht wahrgenommen werden, werden Alter, Krankheit, Verweigerung und fehlende Motivation genannt. Darüber hinaus wird auf fehlende Eignung der Unter­ gebrachten, Leugnen der Tat oder Sicherheitsgründe hingewiesen.“ 350

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A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung

rungsvollzugs untauglich.356 Letztlich verlieh das Gericht damit dem Resozialisierungsgrundsatz für den Sicherungsverwahrungsvollzug noch eine deutlichere verfassungsrechtliche Verankerung als bisher. Inzwischen könnte man von einem verfassungsgerichtlich vorgegebenen „Abstandsgebot 2.0“ sprechen – dieses wurde „zum Dreh- und Angelpunkt der weiteren rechtspolitischen Entwicklung“357 und Namensgeber für das in Teil C. näher behandelte SichVAbstUmsG. Mit ihm soll sichergestellt werden, dass die Sicherungsverwahrung Bestand hat.358 Von dem vollzuglichen Gesamtkonzept hängt nun die Verfassungsmäßigkeit der Anordnungsseite ab. Dies stellt eine Verlagerung vielerlei Problemfelder eines insgesamt krankenden Systems allein auf den Vollzug dar. In erster Linie wird es dem BVerfG darum gegangen sein, die Maßregel zu „retten“, damit Deutschland nicht erneut vom EGMR verurteilt wird. Gerade die Entscheidungen des EGMR aus den Jahren 2009 bis 2011 haben zwar nicht die Sicherungsverwahrung an sich als konventionswidrig eingestuft, dennoch deutlich gezeigt, dass sich das gesamte System grundlegenden Zweifeln ausgesetzt sieht. In Folge des EGMR-Urteils stellte zunächst der BGH darauf ab, dass zwingend die Vollzugsausgestaltung grundlegend derart zu verändern sei, dass künftig die strafgleiche Wirkung der Sicherungsverwahrung und damit ein Verstoß gegen Art. 7 EMRK verhindert werde. Dies könne „insbesondere durch verstärkte Therapieorientierung, ferner durch deutliche Vollzugserleichterungen im Vergleich zum Strafvollzug“ erreicht werden. Gleichzeitig könne man damit „das bereits vom Bundesverfassungsgericht ansatzweise verlangte ‚Abstandsgebot‘ … effektiv machen.“359 War hier noch die Rede davon, damit das Abstandsgebot „effektiver“ zu machen, sind die genannten Aspekte mit dem Urteil vom 4.5.2011 zum Bestandteil des Abstandsgebots geworden. So stellte das Gericht ganz im Gegensatz zum Jahre 2004 nur noch rudimentär auf die Menschenwürde ab.360 Von Art. 1 Abs. 1 GG verlagerte sich die Argumentation des Gerichts v. a. auf das Freiheitsgrundrecht aus Art. 2 Abs. 2 S. 2, 104 Abs. 1 S. 1 GG. Ohne Wahrung des Abstandsgebots, so die an die Gesetzgeber gerichtete Warnung des BVerfG, sei die Sicherungsverwahrung insgesamt nicht mit diesem Grundrecht vereinbar.361 Mit 356

BVerfGE 128, 382 ff.; i. Ü. ist hier ein Unterschied zur Entscheidung des EGMR zu sehen, die u. a. Defizite des deutschen SVV zur Begründung der Wesensgleichheit zur Freiheitsstrafe benutzt, nicht aber, um die Konventionswidrigkeit der SV an sich festzustellen. 357 Treffend Pollähne, StV 2013, 256. 358 So die Abg. Voßhoff (CDU/CSU), BT-PlPr 17/204, S. 24805; and. Pollähne, StV 2013, 256: „Kuckucksei“. 359 Im Folgenden BGHSt 56, 92 ff.; zu den Reaktionen auf das EGMR-Urt. vom 17.12.2009 s. o. Teil A..II.3.c). 360 Der Begriff der Menschenwürde taucht nur noch zweimal im Urt. auf: Davon einmal im Zusammenhang mit dem Urt. vom 5.2.2004 (vgl. BVerfGE 128, 339) und einmal im Zusammenhang mit der dogmatisch fragwürdigen Verwendung des Menschenbildes (vgl. BVerfG 128, 376), krit. dazu Tanneberger 2014, 128 f. 361 BVerfGE 128, 388.

II. Rechtliche Entwicklung des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

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Blick auf das EGMR-Urteil stellte das BVerfG sehr viel differenziertere und „erhöhte Anforderungen“362 an die Ausgestaltung des Gesamtkonzepts des Sicherungsverwahrungsvollzugs als noch in seiner Höchstdauerentscheidung. So müsse es zwar der Interpretation des EGMR zur Sicherungsverwahrung als Strafe i. R. d. Art. 7 Abs. 1 EMRK nicht folgen, jedoch spreche dies dafür, „das Abstands­gebot noch deutlicher zu konturieren“363, was, wie Teil C. zeigt, im Zuge von sieben Geboten erfolgte. Das Abstandsgebot birgt zudem die Gefahr, die i. R. d. Sicherungsverwahrung ohnehin stetig vorgebrachten Legitimationsschwierigkeiten zu verstärken, wobei das Gericht selbst darauf nicht eingeht. Zunächst ist unabhängig von den verfolgten Strafzwecktheorien zu konstatieren, dass das BVerfG selbst die Gemeinsamkeit von Straf- und Sicherungsverwahrungsverwahrungsvollzug, welcher in der zwangsläufig sowohl mit der Freiheitsstrafe als auch der Maßregel verbundenen Freiheitsentziehung liegt, betonte.364 Weitere Ausführungen hielten die Verfassungsrichter nicht für notwendig. Dies ist problematisch. Denn einerseits ist umstritten, was unter Freiheitsstrafe, nicht im materiellrechtlichen Sinne, sondern in der Umsetzung des Strafvollzugs genau zu verstehen ist. In der Freiheitsstrafe wird z. T. lediglich die Entziehung der Fortbewegungsfreiheit365 oder präziser auch die sich zwangsläufig damit ergebenden hinausgehenden Beschränkungen,366 gesehen. Eine andere Ansicht geht dahin, dass von Anfang an Freiheitsstrafe stets auch weitreichender Beschränkungen der Individualrechte der Gefangenen mit sich bringt.367 362

OLG Köln OLGSt StGB § 66 c Nr. 1, 3. BVerfGE 128, 392; auf den Zusammenhang zwischen EGMR-Rspr. und Abstandsgebot hinweisend Hömig 2013, 300; Satzger, StV 2013, 244; ebso. Kotz, ZAP 2011, Fach 22, 566. 364 BVerfGE 109, 166: Eine partielle Übereinstimmung mit dem Strafvollzug sei gerechtfertigt, da beides nur mit dem Mittel der Freiheitsentziehung durchgeführt werden könne; ebso. BVerfGE 128, 391: „Die konventionsrechtliche Einordnung der Sicherungsverwahrung stützt sich unter anderem darauf, dass diese wie eine Freiheitsstrafe eine Freiheitsentziehung zur Folge hat und in regulären Strafvollzugsanstalten vollzogen wird.“ Auf Strafzwecktheorien abstellend Fischer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 154: Gesetzgeber müsse zwischen Strafzwecken und Maßregelzwecken unterscheiden, wenn es in der SV weiterhin eine Maßregel, für die die Rückwirkung nicht gelte, erblicken wolle; sehr krit. Kaspar 2015, 100 f. m. w. N.: Das BVerfG kehre so langsam aber sicher zum Schuldausgleich als Selbstzweck­ zurück. 365 AK-StVollzG-Feest/Lesting 2012, § 2 Rn. 1; ebso. Eisenberg 2005, § 36 Rn. 1; Wawzyniak, KritV 2012, 200 f.; s. a. EGMR NJW 2009, 973. 366 Walter 1999, Rn. 22 f.; ähnl. A. Böhm 2006, 535; Meier 2015, 87; nicht eindeutig Laubenthal 2015, Rn. 1: „Jedoch bedeutet Strafvollzug für die Betroffenen – trotz sozial integrativer Zielsetzungen – eine Übelszufügung mittels institutioneller Beschränkungen der Fortbewegungsfreiheit.“ 367 Bleckmann, DVBl. 1984, 995; ähnl. ebenfalls Grunau/Tiesler 1982, Einleitung Rn. 5; OLG Bbg a. d. H. ZfStrVo 2004, 116; s. aber BT-Drs. 7/918, S. 45 zum Risiko, dass am Gesetzgeber vorbei Beschränkungen etabliert werden könnten; um diese Beschränkung aufgeladen würde der Freiheitsbegriff aber ein deutliches Signal in Richtung Wiedereinführung des besonderen Gewaltverhältnisses abgeben, vgl. dazu Knauer 2006, 36; Wawzyniak, KritV 2012, 200 f. 363

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Andererseits hat das Gericht den Resozialisierungsgedanken auch für die Sicherungsverwahrung zwingender betont als je zuvor. Die beiläufig erwähnten faktischen Grenzen kann man in der Theorie nur mittels der bewusst einfach gehaltenen Überlegung überwinden, indem der Sicherungsverwahrungsvollzug ein Mehr an Rechten und qualitativ bessere Bedingungen bereithalten muss. Das Strafübel würde im „Freiheitsentzug in einer Justizvollzugsanstalt zu den im Strafvollzugsgesetz festgelegten Bedingungen“ liegen.368 Damit müssen die Rechtsprechung und die Praxis lernen, dass Sicherungsverwahrten und Strafgefangenen nicht in gleichem Umfang alles zumutbar ist, solange die Menschenwürde nicht tangiert ist.369 Für erstere sind die Lebensbedingungen im Vollzug besser zu gestalten. Daraus folgt zugleich, dass die Sicherungsverwahrten nur soweit beschränkt werden dürfen, wie es für die Freiheitsentziehung erforderlich ist oder m. a. W. liegt hier das „Übel“ – eher als bei der Freiheitsstrafe – allein in der Entziehung der Fortbewegungsfreiheit. Deutlich wird damit, dass die faktischen Grenzen vom BVerfG verharmlost werden und es mehr darauf hinausläuft, dass ein Gleichlauf geradezu angezeigt sein könnte. Problematisch in diesem Zusammenhang ist auch der Umgang auf legislativer bzw. kriminalpolitischer Ebene. So war man bereits in Folge der aufgrund des EGMR-Urteils notwendigen Änderungen im Innenausschuss des Bundestages um Schutzlücken besorgt.370 Die neueste Reform durch das SichVAbstUmsG lässt diesbezüglich bisher keine Trendwende erwarten: Zwar werden die vom BVerfG berücksichtigten empirischen Erkenntnisse erwähnt. An seit langem kritisierten Stellen, wie zur gemeinhin als überschätzt zu bezeichnenden Gefährlichkeit der Verwahrten, fehlt jedoch eine fundierte Auseinandersetzung.371 Ebenfalls zeigt sich in den Gesetzgebungsverfahren eine gewisse Geringschätzung der angehörten Sachverständigen.372 Zwar fand im Juni 2012 eine Anhörung von insgesamt neun Sachverständigen im Rechtsausschuss statt.373 Allerdings wurde daran kein Psychiater beteiligt, was angesichts des umstrittenen Themas, inwiefern es einer medizinisch-therapeutischen bzw. psychiatrischen Ausrichtung der Sicherungsverwahrung bedürfe, durchaus angebracht gewesen wäre.374 Gerade von der Fachwissenschaft war außerdem erstmals bereits Anfang 2010 die Bildung einer Ex 368 A. Böhm 2006, 535, 542, 545 mit Bsp.: Würde man das Strafübel im bloßen Entzug der Fortbewegungsfreiheit sehen, dann „darf sich Strafe von dem Vollzug der Sicherungsverwahrung nicht … unterscheiden“; dem folgend Pyhrr 2015, 160 ff., 401 ff.; ähnl. Meier 2015, 87; J. Schäfer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 159; Walter 1999, Rn. 22 f. 369 Krit. mit Recht A. Böhm 2006, 543: Es gelte bisher fälschlicherweise, dass „alles allen … zumutbar“ sei. 370 Pollähne, KJ 2010, 266. 371 Dazu BT-Drs. 17/9874, S. 25 f.; krit. Meier 2015a, 176. 372 Bartsch/Höffler, NK 2015, 215; Boetticher 2010, 722. 373 Vgl. RAPr 17/90 vom 27.6.2012. 374 Endres, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 5 f.; ebso. die Erklärung des DGPPN vom 26.6.2012: „Neuregelung der Sicherungsverwahrung ohne medizinischen Sachverstand“.

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pertenkommission angeregt worden.375 Jedoch kam sie nicht zustande, obwohl in Anbetracht der vorherigen deutlichen Kritik an der Vollzugspraxis seitens des EGMR und BVerfG die Beteiligung der „vollen Bandbreite“ der Praxis in einer solchen Expertenrunde angezeigt war.376 Weshalb diese nicht möglich gewesen sein soll, bleibt fraglich. Die Vermutung, dass eine grundlegende Diskussion über das Rechtsgebiet der Sicherungsverwahrung verhindert werden sollte, liegt nahe.377 Denn das Zeitargument kann nicht überzeugen, weil der Gesetzgeber den angehörten Sachverständigen regelmäßig – so auch hier – nur einige wenige Tage Zeit zur Abgabe einer Stellungnahme einräumt.378 Zudem gilt: Trotz eines vom BVerfG durch die Übergangsfrist erzeugten Zeitdrucks darf aus Sachverständigenanhörungen keine „Rechtsstaatsshow“ werden.379 (2) Doppelmandat und praktische Umsetzungsschwierigkeiten Nicht nur, dass das Gericht erstmals den Besserungsgedanken unmissverständlich auch für die Vollzugsebene aufgriff.380 Darüber hinaus bewegte sich das BVerfG fort vom alleinigen Abstellen auf den Sicherheitsgedanken. Betonte die Entscheidung zur Höchstdauer, dass auch im Sicherungsverwahrungsvollzug der Resozialisierungsgedanke gelte, so verwendeten die Verfassungsrichter bezogen auf die Entscheidungsgründe (ohne Sachverhalt) und im Vergleich zum Jahre 2011 häufig Begriffe rund um das Thema Sicherung, Sicherheit sowie den Allgemeinschutz381 und blieben im Kern dabei, dass es im Sicherungsverwahrungsvoll 375 Nedopil 2012a, 233 f.; ebso. Bamberger 2012, 225; Kinzig 2012, 21, der den Landesministerien die „Einrichtung von Expertenkommissionen“ riet und in der Anhörung zum SichVAbstUmsG-E RAPr  17/90, S.  16 auf entsprechend frühzeitige Forderungen Anfang 2010 hinwies; Renzikowski, NJW 2013, 1644; krit. zur fehlenden fachlichen „Beratung aus dem Kreis der Justiz und der forensischen Psychiatrie“ Boetticher 2015, 85; ebso. der späte Antrag der Fraktion DIE LINKE vom 22.11.2012, BT-Drs. 17/7843, S. 5. 376 Vgl. BT-Drs. 17/7843, S. 5; unpassend Kauder in RAPr 17/90, S. 1: „Phalanx von Sachverständigen“. 377 Kinzig, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 4. 378 Krit. Kinzig, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 1: nur sechs Tage zwischen Bitte um Stellungnahme und Anhörung im BT: „Ausreichende Zeit zu einem Nachdenken der übermittelten Vorschläge stand … somit nicht zur Verfügung.“ S.  a. Radtke, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 2. 379 Caesar, RuP 1998, 209, 213 bzgl. des 6. StRG. 380 BVerfGE 109, 151, 154; 128, 377 f. 381 Vgl. BVerfG, Urt. vom 5.4.2004, 2 BvR 2029/01 (zum erleichterten Auffinden im Folgenden die Darstellung anhand von Rn. bei juris), zu Sicherung/Sicherheit: Rn. 98 („Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit“); Rn.100 („Sicherungsbelange“); Rn. 119 f. („Sicherungszweck“; „Sicherung“); Rn. 157 („Qualität der Sicherungsverwahrung als eines reinen Sicherungsinstruments“); Rn. 181 („schuldunabhängige Sicherungsmaßnahme“); Rn. 188 („demokratisch zu verantwortenden Sicherheitspolitik“). Zum Allgemeinschutz: Rn. 74 („zum Schutz der Allgemeinheit“); Rn. 84 („Gebot des Allgemeinschutzes“); Rn. 92–95 („gewichtige Schutzinteressen Dritter“; „Schutzgüter“; „Schutz anderer oder der Allgemeinheit“; „Schutz der Allgemeinheit“), Rn. 99 ff. („Sicherungsverwahrung bietet im Einzelfall offensichtlich einen höheren

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zug primär um die Sicherung als die Besserung gehe. In den Entscheidungsgründen des Jahres 2011 ist hingegen nur noch an zwei Stellen von Sicherung382 bzw. an wenigen weiteren Stellen vom Schutz der Allgemeinheit383 die Rede. Dies ist vorwiegend dann der Fall, wenn es um die Theorie, d. h. die Abgrenzung der präventiven Maßregel zur schuldausgleichenden Freiheitsstrafe geht. Der Sicherungsverwahrungsvollzug soll eine bessernde Maßregel in sicherer Umgebung werden.384 Dies ist einerseits ein zusätzlicher Hinweis dafür, dass die Sicherungsverwahrung künftig „nur“ noch den Entzug der „äußeren Freiheit“ bedeuten darf und ansonsten den Verhältnissen, der in Freiheit lebenden Menschen angeglichen werden muss. Aufgrund der schon im Strafvollzug umstrittenen Auslegung des Angleichungsgrundsatzes lässt sich vermuten, dass hier viel Raum für Interpretation besteht.385 Erste Entscheidungen nach dem EGMR-Urteil deuten darauf hin, dass es ein langer Weg ist, bis auch die Rechtsprechung ein solches vom BVerfG angestoßenes Umdenken umsetzen wird. So richteten bspw. die Begründungen einiger Entscheidungen des OLG Hamm aus dem Jahre 2011 ihr Hauptaugenmerk auf Sicherheit und Kontrolle, weniger auf die berechtigten Interessen des Verwahrten, die längerfristige Unterbringung durch persönliche Gegenstände zu verbessern.386 Vielmehr, so das OLG Hamm, sei eine gleichbleibende Schutz als jede denkbare Behandlungsmaßnahme unter gelockerter Aufsicht“; „staatlichen Schutzauftrag für die Rechtsgüter des Einzelnen und der Allgemeinheit“), Rn. 145 („die Allgemeinheit vor dem Täter zu schützen“); Rn. 185 („Staat hat die Aufgabe, die Grundrechte potentieller Opfer vor Verletzungen durch potentielle Straftäter zu schützen“; „Schutzpflicht“; „staatliche Schutz vor Gefährdungen und Beeinträchtigungen“; „dass potentielle Opfer … geschützt werden können“); Rn.  188 f. („zum Schutz von Leben, Gesundheit und sexueller Integrität der Bürgerinnen und Bürger“; „umfassenden Schutz vor drohenden schwersten Rückfalltaten bereits als gefährlich bekannter, in der Sicherungsverwahrung untergebrachter Gewalt- und Sexualstraftäter zu gewährleisten“). 382 Vgl. BVerfG, Urt. vom 4.5.2011, 2 BvR 2333/08 u. a.: Rn.  98 („Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit“); Rn. 104 f. („Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit“; „zukünftige Sicherung“) – jeweils bei juris. 383 Vgl.  BVerfG, Urt. vom 4.5.2011, 2 BvR 2333/08 u. a.: Rn.  98 („Schutz hochwertiger Rechtsgüter“); Rn. 101 („Verhinderung zukünftiger Straftaten“; „im Interesse der Allgemeinheit … ein Sonderopfer auferlegt“); Rn. 107 („Schutzinteressen der Allgemeinheit“); Rn. 132 f. („Schutz höchster Verfassungsgüter“; „Schutz höchstwertiger Rechtsgüter“); Rn. 156 („die Allgemeinheit vor gefährlichen Straftätern zu schützen“) – jeweils bei juris. 384 Treffend Morgenstern/Drenkhahn, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2011, 202; ähnl. Bamberger 2012, 221; Böttcher, FS 2011, 282; Kinzig in der Anhörung des AJDG am 2.4.2013, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 28: Schutz der Allgemeinheit im Vollzug nur „sekundäre An­ gelegenheit“. 385 Zum Meinungsstand s. Matthey 2011, 48 ff. 386 OLG Hamm, Beschl. vom 5.8.2010 – 1 Vollz (Ws) 246/10 (Rechtsschutzbedürfnis abgelehnt bzgl. Antrag des Verwahrten, Beschränkungen von Büchern zur Ausbildung wg. Sicherheit und Ordnung aufzuheben); OLG Hamm, Beschl. vom 17.8.2010 – 1 Vollz (Ws) 255/10 (Ablehnung Computernutzung im Haftraum, weil Gegenstand sicherheits- und ordnungsgefährdend verwendet werden kann) sowie OLG Hamm, Beschl. vom 1.2.2011 – III-1 Vollz (Ws) 807/10 (Verweigerung der Ausstattung des Haftraums mit Gegenständen, weil Unter­ gebrachter Bezugsquelle, Fabrikat und Typ nicht nannte, rechtmäßig) – jeweils bei juris.

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Gefährdungseinschätzung ggü. Gefangenen und Sicherungsverwahrten nicht zu beanstanden.387 Das BVerfG beim Wort genommen, dürfen Untergebrachte „im Vollzug allein solchen Beschränkungen unterworfen werden …, die zur Reduzierung der Gefährlichkeit“ bzw. aus Sicherheitsgründen notwendig sind.388 Bleibt zu untersuchen, wie die Landesgesetzgeber und der Bund in § 66 c Abs. 1 Nr. 2 StGB die Freiheitsorientierung interpretiert haben und welche Beschränkungsmöglichkeiten der Untergebrachten sie vorsehen. Den Aussagen des Gerichts zur Freiheitsorientierung und den alleine zulässigen Beschränkungen kommt entscheidende Bedeutung für die Abgrenzung zum Strafvollzug zu. Hinsichtlich des Ausschlusses des Strafübels für die Sicherungsverwahrung ergibt sich dort ein Problem, wo nicht allein aus Gründen der Sicherheit oder des Vollzugsziels, d. h. über den bloßen Freiheitsentzug hinaus, den Verwahrten Beschränkungen auferlegt werden. Jedenfalls gilt festzuhalten, dass es aus dieser Sichtweise der richtige Ansatzpunkt ist, bei den Vollzugsbedingungen und dem Gesamtkonzept des Sicherungsverwahrungsvollzugs für die Unterscheidung zwischen Maßregel und Freiheitsstrafe anzuknüpfen, den Etikettenschwindel des Vollzugs also beseitigen zu wollen. Ob die Gesetzgeber gewillt und fähig waren, die normative Grundlage für eine Maßregel zu schaffen, die kein vergleichbares Strafübel aufweist, ist mithilfe der vergleichenden Gegenüberstellung in Teil C. und D. nachzugehen. Der Erfolg oder Misserfolg des Abstandsgebots wird nicht alleine von Urteilen oder neuen Gesetzen abhängen, welche nur die Basis liefern können. Schließlich nützt der optimale gesetzliche oder vom BVerfG beschriebene Sollzustand nichts, wenn dieser praktisch nie erreicht werden kann.389 Die Kernproblematik, inwiefern das Abstandsgebot zwischen den Vollzugsformen auch praktisch umgesetzt werden kann, ist jedoch aus verschiedenen Gründen problematisch.390 Ein weiteres Problem dürfte das Trennungsgebot darstellen. Zwar kann man den BVerfG-Urteilen von 2004 und 2011 entnehmen, dass die räumliche Trennung vom Strafvollzug eines der wichtigsten und zugleich äußerlich erkennbaren Aspekte des Abstandsgebots darstellt. Auch waren aufgrund des EGMR-Urteils Forderungen nach einer Unterbringung in „besonderen, behandlungsorientierten Einrichtungen … am besten … außerhalb des Strafvollzugs“ wieder hochaktuell geworden.391 387

Zu Recht krit. Beck, HRRS 2013, 13 ff. BVerfGE 128, 377, 380. 389 Dies wird nicht nur im Bereich der Therapieausrichtung, sondern bspw. in der Entlassungsvorbereitung immer wieder beanstandet, allen voran von Wolf 2012, 72 ff. 390 Z. B. Asprion, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 6: „Neuen Wein in alten Schläuchen. Die wesentlichen Formulierungen dieser Eckpunkte sind aus dem Strafvollzugsgesetz bekannt, das seit 1977 in Kraft ist.“ Ähnl. Drenkhahn i. R. d. Anhörung zum SVVollzG Bln-E, Wortprotokoll Recht 17/19, S. 11; s. a. Höffler/Kaspar, ZStW 2012, 117 f. S. dazu Teil Teil C. I. 391 Peglau 2011, 445 ff.; krit. zur Aufweichung des Trennungsgebots Eisenberg, StV 2011, 481; Kreuzer/Bartsch, StV 2011, 477 f. 388

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Allerdings hat das Gericht im Urteil vom 4.5.2011 entschieden, dass die Unterbringung der Sicherungsverwahrten nur noch in abgetrennten Abteilungen des Strafvollzugs erfolgen soll. Ein weiterer neuralgischer Punkt ist darin zu sehen, dass das Gericht nicht nur die Praxis des Sicherungsverwahrungsvollzugs anspricht, sondern auch diejenige des der Sicherungsverwahrung vorausgegangenen Strafvollzugs vertieft. Denn auch dieser Vollzug ist nach den für die Sicherungsverwahrung aufgestellten Grundsätzen zu betreiben. Damit wurde das Spannungsverhältnis insbesondere zu denjenigen Strafgefangenen, die lange bis lebenslange Strafen „abzusitzen“ haben, deutlich verstärkt.392 Wollte man es positiv sehen, könnte man davon sprechen, dass daraus eine Art Signalwirkung für alle langen Strafen ausgehen könnte.393 Dem wiederum ist die Frage, inwiefern das Abstandsgebot dadurch erneut eingeebnet würde, entgegen zu halten. Jedenfalls zeigt sich damit, dass zu klären ist, ob und für wen genau es überhaupt zu einer Besserstellung kommt und wie diese zu rechtfertigen ist. Zu befürchten ist, dass die Verbesserungen des Sicherungsverwahrungsvollzugs zu Lasten des Strafvollzugs ausfallen.394 Weitere Schwachstelle in puncto der praktischen Umsetzung könnten die neuen Maßstäbe zur Therapie und Behandlung sein, welche dem BVerfG den Vorwurf eines überzogenen „Optimismus“ einbrachten.395 Die hohen Therapieerwartungen gingen an der Realität der Verwahrung vorbei.396 Das Urteil biete Anknüpfungspunkte für den Vorwurf einer „Psychiatrisierung“ der Sicherungsverwahrung, was sich bspw. in der Reihenfolge der Behandlungsmaßnahmen zeige.397 Trotz dieser noch näher zu behandelnden Kritik ist festzuhalten, dass das BVerfG damit die Verantwortung des Staates ggü. seinen „Maßregelinsassen“ zum Ausdruck brachte. Diese dürfen nicht mehr nur weggesperrt, sondern müssen zielgerichtet behandelt werden. Zudem erscheint es nahezu zwingend, dass man nicht „von der psychischen und sozialen Pathologie“ ausgeht, sondern „das Augenmerk insbesondere auf die intakten Bereiche und Funktionen und auf die positiven Entwicklungsmöglichkeiten“ der Verwahrten richtet.398 Wenn man glaubt, Siche 392

Mit Recht Wolf 2012, 73; ähnl. Kinzig 2012, 19. Bamberger 2012, 218; Merkel, R&P 2011, 212 hofft auf Strafvollzug i. S. e. befristeten Behandlungsvollzugs. 394 Schöch, GA 2012, 18; Streng, JZ 2011, 831; i. Ü. Teil E. V.1. 395 Etwa Arloth 2013, 212; Bartsch, FS 2011, 274; Eisenberg, StV 2011, 481: „Mythologisierung von Therapie“; J. L. Müller et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2011, 118; Pyhrr 2015, 190; Schöch, GA 2012, 18; Streng, JZ 2011, 831; Urbaniok, Kriminalistik 2012, 275 ff.: „Alibibehandlung“; ausführl. dazu Teil C.IV.1. 396 Volkmann, JZ 2011, 841; ähnl. Kröber in der Anhörung zum SVVollzG Bln-E, Wortprotokoll Recht 17/19, S. 19; Fischer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 152. 397 Vgl.  zur Reihenfolge BVerfGE 128, 379; krit. Fischer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 156; v. Hagen in der Anhörung zum HSVVollzG-E am 28.11.2012, RIA/18/48UJV/18/37, S. 28; s. u. Teil C.IV.1.a). 398 So Rauchfleisch 2012, 368 zum Umgang mit persönlichkeitsgestörten Tätern; ähnl. zur Notwendigkeit von Behandlungsoptimismus Meischner-al-Mousawi/Hinz, FS 2011, 304. 393

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rungsverwahrte seien nicht oder nur schwer zu behandeln, dann sind sie es auch.399 Im Umgang mit schwierigen Persönlichkeiten muss man geradezu behandlungsoptimistisch sein, soll heißen Bestandteil einer Therapie oder Behandlung ist der Glaube an eine positive Beeinflussung des Behandelten. Was mit diesen Überlegungen deutlich wird, ist, dass ein neues Spannungsfeld nicht mehr nur zum Strafvollzug, sondern immer mehr zum Maßregelvollzug durch das Doppelmandat der Sicherungsverwahrung entsteht. Zu konstatieren ist eine gewandelte Darstellung des Behandlungspotentials durch das Gericht. Konkretisierte die Höchstdauerentscheidung den Abstand lediglich dadurch, dass sich das Ausmaß der Besserstellung an der Verhältnismäßigkeit auszurichten habe und daher bei besonders langer Unterbringung „dem hoffnungslos Verwahrten“ ein Rest an Lebensqualität v. a. durch „zusätzliche Vergünstigungen“ zu gewährleisten sei, wurde der Begriff des „hoffnungslos Verwahrten“ in der Folge nicht mehr ausdrücklich verwendet.400 Im Urteil aus dem Jahre 2011 sucht man die Gruppe der „Hoffnungslosen“ vergeblich, woraus teilweise der Rückschluss gezogen wurde, das Gericht meine, man könne letztlich jeden mit Therapien erreichen.401 Es wäre jedoch zu weit gegriffen, den Richtern zu unterstellen, dass sie nur wegen der nicht nochmaligen Erwähnung der „hoffnungslos Verwahrten“ von einer Therapieerfolgsgarantie ausgingen. Auf den ersten Blick bleibt unklar, ob die Richter die Existenz hoffnungsloser Fälle inzwischen negieren oder mehr ein Zeichen dafür setzen wollten, dass niemand, auch nicht im Vollzug der Sicherungsverwahrung, aufgegeben werden dürfe.402 Eine Gesamtschau des Urteils legt eher die zweite Variante nahe, denn die Idee eines aktiven Anreizsystems deutet darauf hin, dass das höchste deutsche Gericht um die Probleme mit therapeutischer Behandlung wusste und die Behandlungswirkung nicht in dem Maße überschätzt hat, wie es ihm teils vorgeworfen wurde. Zudem pochten die Richter i. R. d. erfolgreichen freiheitsorientierten therapeutischen Behandlung „für die Motivation Therapieunwilliger“ auf einen besonderen personellen Aufwand.403 Das Urteil deutet darauf hin, dass es dem Gericht mehr um die sorgfältige Einhaltung von und Orientierung an gewissen therapeutischen Standards denn um eine absolute Erfolgsgarantie von Therapie ging. Im Zusammenhang mit den Forderungen nach 399 Angelehnt an Fiedler 1997, 392, der mit Recht einen übertriebenen Therapiepessimismus im Zusammenhang mit der Behandelbarkeit von Persönlichkeitsstörungen, die in besonderem Maße bei SV anzutreffen sind mit folgenden Worten kritisierte: „Wenn man glaubt, Persönlichkeitsstörungen seien schwer zu behandeln, dann sind sie dies auch!“ Ihm folgend bspw. Kury 2004, 162. 400 BVerfGE 109, 167; 109, 384 f. Lediglich das OLG Hamburg bezog sich in einer Entscheidung vom 21.8.2008 zum „Besserstellungsgebot“, d. h. der Frage, ob das Abstandsgebot eingehalten worden sei, darauf, indem es die Passage der Höchstdauerentscheidung übernahm (OLG Hamburg StV 2009, 371, insbes. 373). 401 Kritik bspw. von Skirl in der Anhörung zum SVVollzG NRW-E am 20.2.2013, APr 16/167, S. 11. 402 Ähnl. Bartsch in der Anhörung zum SVVollzG LSA-E, 6/REV/22, S. 19. 403 BVerfGE 128, 385.

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einer für die Behandlung ausreichenden Personalausstattung sowie erforderlichen multidisziplinären Teams, welche unabhängig von Kosten und Aufwand die Verwahrten wenn nötig individuell betreuen sollen, fällt jedoch auf, dass das BVerfG die damit verbundenen Probleme verschwieg.404 So dürften die Finanzierung und ein bis dato festzustellender Mangel an willigen Fachkräften Hauptschwierigkeiten sein. Das Gericht klammerte dies aus.405 bb) Kompetenz, Gewaltenteilung und Verfassungswidrigkeit Mit den konkreten Forderungen nach einem freiheitsorientierten und therapiegerichteten sowie für alle staatliche Gewalt bindenden Gesamtkonzept erklärte das BVerfG, dass die flexible Umsetzung des Abstandsgebots durch die Praxis und damit seine Vorstellung in der Höchstdauerentscheidung gescheitert sind. Den Spielraum zur Umsetzung steckte das Gericht dabei sehr eng ab.406 Der Auftrag an den Gesetzgeber kann insofern als positiv beurteilt werden, als er eine eigene gesetzliche Regelung für den Sicherungsverwahrungsvollzug notwendig machte und daher dessen Eigenständigkeit zum Ausdruck brachte. Optimistisch wurde daher von einer Kehrtwende der Praxis nach über 60 Jahren GG zu einem moderneren, vernünftigen und humanen Vollzug der Sicherungsverwahrung, d. h. zu einer Abkehr vom Verwahr- hin zum Behandlungsvollzug gesprochen.407 Damit verbunden ist zugleich eine Problematik: Ist ein so konkreter Gesetzgebungsauftrag – 2004 hatte das Gericht noch festgestellt, es sei nicht seine Sache, konkrete Richtlinien vorzugeben – überhaupt mit der Gewaltenteilung vereinbar? Und wie ist die Gesetzgebungskompetenz von Bund und Ländern zu beurteilen? Gelingt es den Gesetzgebern trotz der Strenge, die Vorgaben des BVerfG weiterzuentwickeln? Hier gehen die Meinungen weit auseinander: Teils wird in den ganz engen und konkreten Vorgaben für beide Gesetzgeber der „einzig richtige Weg“408 gesehen, andererseits kritisieren viele409 die Bundeskompetenz für Leitlinien und damit die Aufspaltung der Gesetzgebungszuständigkeit, aber auch die Gesetzgebungskompetenz der Länder für den Vollzug im Allgemeinen sowie die als zu

404 Nachholbedarf hins. (neuer) Therapiemethoden und der Personalebene erkannten EGMR (EGMR Urt. vom 17.12.2009 – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn. 129 – bei juris) und BVerfG (BVerfGE 128, 385, 378 f.) 405 Wolf 2012, 75 berichtet von einem aktuellen Fall, bei dem über 40 Therapeuten die Behandlung eines Sexualstraftäters ablehnten, „weil sie ‚so einen‘ nicht im Wartezimmer haben wollen“. 406 Vgl.  Bamberger 2012, 215; DAV, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E Nr. 56/2012, S. 3 f. 407 Bamberger 2012, 215, 218; ähnl. Bartsch, FS 2011, 270 f. Fraglich bleibt der Unterschied zum Strafvollzug. 408 Bamberger 2012, 219; ähnl. Schöch, GA 2012, 15 f. 409 Allen voran Hörnle, NStZ 2011, 493; ebso. Zabel, JR 2011, 472; ausführl. Teil C. I.2.

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konkret empfundenen Vorgaben des BVerfG. Die angesprochenen Fragen sind in Teil C. und D. zu klären. In diesem Kontext irritiert es zu Recht, dass das Gericht nahezu alle Normen des Rechts der Sicherungsverwahrung, insbesondere diejenigen auf Anordnungsebene und zur Dauer, für verfassungswidrig erklärte, obwohl es in erster Linie auf die Reformierung des Vollzugs abstellte. Zwar stimmt es, dass Regelungen der Anordnung, Dauer und des Vollzugs bei der Sicherungsverwahrung wie bei der Freiheitsstrafe untrennbar zusammenhängen.410 Dennoch ist nicht nachvollziehbar, wieso bspw. die scharf kritisierten §§ 109 ff. StVollzG nicht ausdrücklich in die Verfassungswidrigkeit einbezogen wurden – unabhängig davon, dass sich aus dem Urteil die Notwendigkeit neuer vollzuglicher Normen ergibt. Darüber hinaus machte das BVerfG in seinem Urteil aus der unzureichenden Vollzugspraxis einen Vorwurf an den Gesetzgeber insgesamt.411 Damit zurückgekehrt zum Vorwurf, die in Teil C. ausführlich dargestellten sieben Gebote seien nicht viel mehr als das im StVollzG Enthaltene,412 hätte man auf die Idee kommen können, allein die verfassungskonforme Auslegung, wie bspw. beim ThUG, reiche aus. Ein derart eingriffsintensives Rechtsinstitut wie die Sicherungsverwahrung erfordert jedoch die Bestimmtheit und Beachtung des Gesetzesvorbehalts. Das Gericht hatte zudem die Vorstellung eines Gesamtkonzepts vor Augen und wollte sich nicht mit Forderungen nach einer entsprechenden verfassungsrechtlich gebotenen Auslegung der vorhandenen Normen zufrieden geben.413 Dass es nun eigene Vollzugsgesetze für die Maßregel gibt, ist darüber hinaus das deutlichste Zeichen der Anerkennung von der Selbstständigkeit und der Andersartigkeit dieser Vollzugsform und damit vorzugswürdig. Kritik verdient aber das parallel zu seiner Entscheidung i. R. d. Unterbringungsgesetze vom 10.2.2004 ablaufende Vorgehen des höchsten deutschen Gerichts, trotz eigentlicher Verfassungswidrigkeit die Weitergeltung der Normen anzuordnen. Zwar wurde dies mit einer besonderen Verhältnismäßigkeitsprüfung verbunden, dennoch blieben die Verwahrten trotz des festgestellten Vertrauensverstoßes nicht mehr aufgrund eines Gesetzes, sondern aufgrund des Willens der Senatsmehrheit im Gefängnis. Dieser Vorwurf gilt verschärft bei von §§ 7 Abs. 2, 106 Abs. 3–6 JGG Betroffenen, weil die Lebenszeit in Freiheit bei ihnen sehr viel geringer war als bei erwachsenen Verurteilten und daher der Eingriff schwerer wiegt.414 Dass der Senat in ­diesem 410

Bartsch, KrimPäd 2013, 16. Krit. Volkmann, JZ 2011, 840; zurückhaltender Peglau, NJW 2011, 1925; Schöch, NK 2012, 51. 412 Lederer (DIE LINKE), Wortprotokoll Recht 17/21 vom 13.3.2013, S. 6: Das BVerfG sei „auf die Anleihen aus dem Strafvollzugsrecht zurückgegangen“; ähnl. Alex 2013, 77; Wolf 2012, 80; dazu Teil C. I. 413 Leitbild sei ähnl. zu den Entscheidungen zur Pendlerpauschale und Hartz IV, einer sinkenden Qualität der Gesetzgebung entgegen zu wirken, so Volkmann, JZ 2011, 840. 414 Eisenberg, StV 2011, 481; s. a. Satzger, StV 2013, 249; ebso. bereits der Vorwurf bei Gruß, GRR 2005, 200. 411

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Zusammenhang darauf abstellte, dass ohne die Weitergeltung trotz des Vertrauensschutzverstoßes die „Gerichte, Verwaltung und Polizei vor kaum lösbare Probleme“415 gestellt worden wären, ist lösungsorientiert. Jedoch handelt es sich nicht um eine verfassungsrechtlich überzeugende Argumentation. Der EGMR billigt zwar grds. eine solche Vorgehensweise, weil man „unter gewissen Umständen in Anbetracht des Grundsatzes der Rechtssicherheit akzeptiert  …, dass ein Verfassungsgericht dem Gesetzgeber für die Verabschiedung neuer Rechtsvorschriften eine Frist setzt, woraus sich ergibt, dass eine verfassungswidrige Bestimmung für eine Übergangszeit anwendbar bleibt“.416 Er stellte aber für die Sicherungsverwahrung kritisch fest, dass es sich beim Eingriff in das betroffene Freiheitsgrundrecht des Verwahrten um einen unumkehrbaren handle und zudem die Rechtssicherheit nicht derart in Gefahr gewesen sei, weil andere Möglichkeiten zur Unterbringung in Betracht gekommen seien (z. B. Überweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus oder Unterbringung nach ThUG bei Vorliegen der Voraussetzungen). Jedoch versäumte der EGMR wiederum, das BVerfG deutlich(er) für diese Vorgehensweise zu rügen. cc) Opferschutz und mehrpoliges Grundrechtsverhältnis Angesichts dessen, dass die Perspektive der Wiedererlangung der Freiheit nun den gesamten Vollzug bestimmen soll, verwundert es nicht, dass hier schnell Befürchtungen laut wurden, dies könne zu Lasten des Opferschutzes gehen. So forderte Böttcher den Schutz potentieller Opfer als oberstes Ziel ein. Dementsprechend sollten Vollzugslockerungen nach dem Urteil vom 4.5.2011 nur „mit großer Vorsicht und gewissenhafter Prüfung der Risiken“ umgesetzt werden.417 Dem kann nicht zugestimmt werden. Weder der Schutz der Allgemeinheit noch das Freiheitsrecht des Verwahrten stellen absolute Rechtspositionen dar.418 Vielmehr sind beide Aspekte zu seinem sachgerechten Ausgleich zu bringen.419 Bisher wurde die Grenze zwischen dem Allgemeinschutz und dem Freiheitsrecht des Verurteilten allen voran durch diverse Gesetzgebungsaktivitäten zu Lasten des Täters verschoben.420 Dies ist angesichts der Unsicherheiten bei der Feststellung der Gefährlichkeit sowie angesichts der Aussagen des BVerfG so nicht hinnehmbar. Die Sicherheit ist nicht (mehr) alleinige oder alles überstrahlende Leitlinie. Das Gericht selbst wollte der „Gefahr übervorsichtiger oder voreingenommener Beurteilungen“ bei den Vollzugslockerungen vorbeugen und betonte wie im Jahre 2004, 415

BVerfGE 128, 404 f.: zur Vermeidung „rechtlichen Vakuums“; dazu Streng, JZ 2011, 832. EGMR, Urt. vom 28.11.2013 – 7345/12, G ./. Deutschland, Rn. 101–104 – bei juris. 417 Böttcher, FS 2011, 281 ff.; ähnl. Bedenken bei Windoffer, DÖV 2011, 593. 418 Mit gutem Recht insoweit Streng, JZ 2011, 829. 419 Bspw. BVerfGE 70, 311 zur Unterbringung im PKH. 420 Vgl. Meier 2015, 349: Die einseitige Verschiebung sei aber so nicht mehr hinnehmbar gewesen, da sich nicht eindeutig sagen ließe, welche Tätergruppe der Gesetzgeber genau meine. 416

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welche herausragende Bedeutung den Vollzugslockerungen für die Prognoseentscheidung zukomme.421 Die Aussage Böttchers verhält sich geradezu gegensätzlich zu der vom BVerfG nun hervorgehobenen Bedeutung der Vollzugslockerungen. Allerdings könnte dies der bisherigen Lockerungspraxis der Justizverwaltungen und Anstalten sowie insbesondere dem vorherrschenden „Klima von Ängstlichkeit und Übersicherung“422 entsprechen, was es in Teil B. zu untersuchen gilt. Dabei scheint Böttcher zu vergessen, dass die Resozialisierung, welche nur mit solchen Lockerungen gelingen kann, den besten Schutz vor solch gefährlichen Inhaftierten, wie den in der Verwahrung sitzenden, bedeutet und, dass es sich bei der Sicherungsverwahrung trotz ihres Namens423 und ihres Ursprungs als rein sichernde Maßnahmen nicht (mehr) lediglich um eine Maßregel der Sicherung, sondern gleichermaßen der Besserung handelt. Das Urteil ist kein Verzicht auf Opferschutz: Selbstverständlich ist der Opferschutz „grundgesetzlich fundiert“424, das Freiheitsrecht des Verwahrten jedoch ebenso. Weder das eine noch das andere gehen grds. immer vor. Damit einher geht der Unterschied zwischen der Rechtsprechung des EGMR und des BVerfG. Das BVerfG interpretiert die kollidierenden Interessen in einem „mehrpoligen Grundrechtsverhältnis“425, wohingegen der EGMR bipolar (StaatBürger) ausgerichtet ist. Mit diesem Unterschied ist es zu erklären, dass das höchste deutsche Gericht die Allgemeinheit, d. h. noch nicht bestimmbare, „nur“ potentielle Opfer in seine Abwägung von Freiheit und Sicherheit einbezog und so von der EGMR-Entscheidung abweichen konnte. Grds. ist dagegen nichts einzuwenden, dass die zwei verschiedenen Gesetzestexte der EMRK und des GG der unterschiedlichen Normgeber von BVerfG und EGMR nicht deckungsgleich ausgelegt werden.426 Rückwirkungen hat die Ausdehnung des aus Privatrechtsfällen bekannten mehrpoligen Grundrechtsverhältnisses v. a. für das Verhältnis von EGMR und BVerfG, weil dadurch Raum für abweichende flexiblere Lösungen eröffnet ist.427 Das BVerfG „löste“ den Konflikt zwischen bipolar und mehrpolig, indem es im Urteil zur Sicherungsverwahrung die Einschränkung der EMRKkonformen Auslegung vom Zivilrecht ins Strafrecht just für den Fall solcher mehrpoligen Verhältnisse übertrug. Das zu beachtende EGMR-Urteil dürfe nicht dazu führen, dass der vom GG gewährte Grundrechtsschutz potentieller Opfer gravierend eingeschränkt werde. D. h. trotz der Völkerrechts- und Konventionsfreundlichkeit könne man der Rechtsauffassung des EGMR in solchen mehrpoligen 421

BVerfGE 128, 381 und BVerfGE 109, 164. Kreuzer/Bartsch, StV 2011, 478; ebso. Bartsch 2010, 224 f. 423 Krit. zum Begriff der SV trotz therapeutischer Ausrichtung Dessecker, ZIS 2011, 712. 424 Böttcher, FS 2011, 283. 425 Sich für dieses aussprechend Hörnle, NStZ 2011, 489; Hoffmann-Riem, EuGRZ 2006, 496 ff.; Radtke, NStZ 2010, 543; ebso. Böttcher, FS 2011, 283 f.; Satzger, StV 2013, 245; Drenkhahn/Morgenstern, ZStW 2012, 191 f. werfen dem BVerfG vor, dass es hins. der zu schützenden Güter nicht konkreter wurde. 426 Zu Recht Volkmann, JZ 2011, 836; ähnl. Satzger, StV 2013, 246. 427 Dazu Grabenwarter, EuGRZ 2012, 511; Zabel, JR 2011, 469. 422

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A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung

Verhältnissen nicht folgen, in denen das „Mehr“ an Freiheit für den einen Grundrechtsträger zugleich ein „Weniger“ für einen anderen bedeuten würde.428 Allerdings wäre von einem mehrpoligen Grundrechtsverhältnis im Strafrecht nur dann auszugehen „wenn bei der vorliegenden Entscheidung die subjektiven Rechtspositionen mehrerer Grundrechtsinhaber in Einklang gebracht werden müssten“ und der eine als Subjekt im Verfahren in Erscheinung hat treten können und der andere nicht.429 Der Schutz der Allgemeinheit ist jedoch die Aufgabe des Staates, der beteiligt gewesen ist und seine Position hat einbringen können. Würde man dies anders sehen wollen, liefe es auf eine Volksbeteiligung hinaus.430 Das BVerfG nahm keine abschließende Fallgruppe mehr an, in der besondere, verfassungsrechtliche Schranken der völkerrechtsfreundlichen Auslegung stets zu beachten seien. Vielmehr gilt: Wenn keine verfassungsrechtlichen Auslegungsspielräume gegeben sind, um völkerrechtsfreundlich zu sein, ist es das BVerfG nicht.431 Das Gericht machte damit die Ausnahme von der EGMR-Rechtsprechung im Strafrecht zur Regel, weil regelmäßig in den Straftatbeständen ein Dritter das Opfer der Straftat.432 Zu fragen ist zudem, wieso strafrechtliche Schutzprinzipien wie das Schuldprinzip, Rückwirkungs- und Doppelbestrafungsverbot sowie der Anspruch auf rechtliches Gehör überhaupt einer Abwägung offen stehen und nicht absolut gelten.433 Diese Prinzipien müssen auch und gerade angesichts eines weitreichenden präventiven Opferschutzes unverbrüchlich sein. Das BVerfG leistete daher einer einseitigen Berücksichtigung Vorschub. Deshalb kann man insgesamt mit guten Gründen ein sog. mehrpoliges Grundrechtsverhältnis für das Strafrecht ablehnen.434 Zu begrüßen ist, dass der EGMR dem Staat und insbesondere 428

BVerfGE 128, 371; zur OLG-Rspr. s. die folgende Fn. OLG Karlsruhe Die Justiz 2010, 350 ff.; and. OLG Celle NStZ-RR 2010, 322; OLG Koblenz R&P 2010, 154 ff.; OLG Stuttgart R&P 2010, 157 ff. 430 Gaede, HRRS 2010, 334.; ähnl. Esser, StV 2005, 351: Unterschied zum Zivilrecht, dass im Strafrecht der Staat beteiligt sei und ausführl. zu dem geltend gemachten Konventionsverstoß vortragen könne. 431 BVerfGE 128, 364 f.; krit. mit Recht Drenkhahn/Morgenstern, ZStW 2012, 190 f. 432 So der berechtigte Vorwurf von Pösl, ZJS 2011, 144. 433 Kreuzer/Bartsch, StV 2011, 472; ebso. Kreuzer, NStZ 2010, 476 f.; ders., NK 2010, 91; Pollähne, KJ 2010, 262: „… öffnet schwersten – und (sic!) sogar menschenrechtswidrigen – staatlichen Grundrechtseingriffen Tür und Tor.“ 434 Gaede, HRRS 2010, 334; Kinzig, NStZ 2010, 238 (im Strafrecht fehlende mehrpolige Rechtsverhältnisse)  unter Bezugnahme auf Esser, StV 2005, 351 f.; krit. ebso. Kötter, KJ 2003, 64 ff., 74 ff.; Pollähne, KJ 2010, 262 m. w. N.; Pösl, ZJS 2011, 144; s. a. Kreuzer, NStZ 2010, 476 f.; Kreuzer/Bartsch, StV 2011, 4721 ff.; Pyhrr 2015, 144 ff.; Renzikowski, ZIS 2011, 538 f. Dem zustimmend OLG Frankfurt NStZ 2010, 574: Es sei „nicht der Schluss zu ziehen, diese Schutzpflicht müsse in eine ‚Abwägung‘ mit dem gegenläufigen Freiheitsgrundrecht des Untergebrachten und dem grundrechtsgleichen Rückwirkungsverbot mit einbezogen werden und erst Recht nicht, dass dieser Schutzpflicht der Vorrang zukommen müsse.“ Noch deutlicher OLG Karlsruhe Die Justiz 2010, 350 ff.: „Da das Rückwirkungsverbot des Art. 7 EMRK absolut gilt, bleibt für eine Abwägung mit dem Schutz der Allgemeinheit im vorliegenden­ Zusammenhang kein Raum … Ein sog. mehrpoliges Grundrechtsverhältnis, das einer konventionskonformen Auslegung Grenzen setzen könnte, ist vorliegend nicht gegeben …“ 429

II. Rechtliche Entwicklung des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

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dem Gesetzgeber, der sich zu sehr von einer kriminalpolitischen Sicherheitshysterie hatte leiten lassen, eine Konzentration auf das bipolare Verhältnis im Hinblick auf das Freiheitsgrundrecht von Staat und Untergebrachtem aufzeigte. Die seit 1998 gängige Rechtfertigung der Verschärfungen in erster Linie auf Anordnungsebene und der Restriktionen auf Vollzugsebene stützten sich immer auf eine unausgewogene Abwägung der Multipluralität, die letzten Endes die hier besprochenen Entscheidungen notwendig machten und die Grundrechtseingriffe ggü. dem Unter­gebrachten ermöglichten. Dringend notwendig wäre ein Dialog der beiden Gerichte dazu, wie die verschiedenen Auffassungen in die jeweilige Ordnung besser implementiert werden können.435 Zur Relativierung lässt sich anführen, dass sich, wie bereits beschrieben, die Grundrechtsverhältnisse im BVerfG-Urteil von 2011 zugunsten des Verwahrten verschoben haben, was sich in der Betonung des Freiheitsgrundrechts ganz im Unterschied zur Höchstdauerentscheidung zeigt. Zwar erkannte das Gericht hinsichtlich des Motivierungsgebots selbst an, dass „die unbestimmte Dauer der Siche­rungsverwahrung … schwerwiegende psychische Auswirkungen haben, den Untergebrachten demotivieren und ihn in Lethargie und Passivität führen“436 könne. Zum wiederholten Male versäumte es jedoch, eine Pflicht des Gesetzgebers, zur Beobachtung der Frage, ob und wie derartige irreparable Haftschäden durch langjährige Freiheitsentziehungen zwangsläufig entstehen, einzufordern. Es vermied, das Wort „Haftschäden“, geschweige denn derartige Schäden in den Kontext mit Art. 1 Abs. 1 GG zu bringen. Auch dachte es in diesem Zusammenhang nicht ernsthaft über die Höchstfrist nach. Dies obwohl deren Abschaffung das Sonderopfer deutlich verstärkt hat, weil eine Perspektivlosigkeit und damit zusätzliche Belastung hinzugekommen ist.437 Kaum befriedigend ist der damit verbundene folgende Kunstgriff des BVerfG: Die faktischen Wirkungen der Maßregel und das entsprechende Empfinden des Verwahrten könnten zwar keine Auswirkungen auf den normativen Begriff des Art. 103 Abs. 2 GG („bestraft werden“) i. d. S. haben, dass sie eine Art konstitutiver Bestandteil würden. Dennoch seien sie i. R. d. in Art. 20 Abs. 3 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 2 GG garantierten Vertrauensschutzes zu beachten. Aus dem in Art. 20 Abs. 3 GG verankerten Rechtsstaatsprinzip ließe sich damit ein Quasi-Rückwirkungsverbot ableiten.438 Das große Aber lautet: Dieser Vertrauensschutz ist bei der nachträglichen oder rückwirkenden Sicherungsverwahrung nur einem absoluten Vertrauensschutz „angenähert“, insgesamt bleibt er der Abwägung zugänglich.439 Zwar nur noch in Ausnahmefällen, dennoch kann auf diese Weise weiterhin das Sicherheitsargument

435

Kirchhof, NJW 2011, 3681 f., i. E. Pyhrr 2015, 152 f.; krit. Zabel, JR 2011, 469. BVerfGE 128, 380. 437 Skirl, ZfStrVo 2005, 323 ff.; ders. 2012, 162 ff.; zur fehlenden Auseinandersetzung mit der Wiedereinführung der Höchstfrist s. Schöch 2011, 1198 f.; Streng, StV 2013, 239. 438 Renzikowski, AL 2011, 408; Zabel, JR 2011, 470. 439 BVerfGE 128, 391; krit. Ullenbruch, NStZ 2014, 541. 436

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A. Ziel der Untersuchung und rechtliche Entwicklung

Vorrang genießen. Die ungefähre Stoßrichtung zeigt einerseits das ThUG sowie die Tatsache, dass nach EGMR- und BVerfG-Urteil nicht alle betroffenen Altfälle entlassen wurden, d. h. die Position des BVerfG bleibt vorsichtig ausgedrückt­ „dynamisch“.440 Dem Gericht ist jedoch nicht viel anderes übrig geblieben: Es riskierte hier entweder einen Widerspruch zu seiner eigenen Rechtsprechung oder zum EGMR.441 Dies hat letztlich keine direkten Auswirkungen auf die neuen Gesetze zur Vollzugsgestaltung der Sicherungsverwahrung und soll daher der ausführlichen Diskussion an anderer Stelle vorbehalten bleiben. Festzuhalten ist, dass unabhängig davon, wie man sich i. R. d. hier notwendigen Grundsatzdiskussion über das Rückwirkungsverbot entscheiden mag, darf der Gesetzgeber nicht sehenden Auges den Grundrechtsschutz einer einseitigen Berücksichtigung des Opferschutzes preis­ geben und sich allein an formalen Unterscheidungen festhalten. Immerhin hat das BVerfG die tatsächlichen Vollzugsbedingungen im Urteil ausführlich im Zuge des Freiheitsrechts erörtert und kritisiert. Letztlich, und diese Erkenntnis ist ebenso wichtig, wird der Vertrauensschutz weitaus höher eingeschätzt, als noch im Urteil von 2004.

440

Zabel, JR 2011, 470. SK/Sinn 2014, vor § 66 Rn. 27, 25; Satzger, StV 2013, 246; s. a. Pyhrr 2015, 183: „Zwickmühle“.

441

B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs „Falls die Sicherungsverwahrung tatsächlich in der Praxis nicht anders aussieht … als eine Strafe, so ist es ungerecht und unehrlich, dieses Institut einzuführen und beizubehalten.“1

Wie wichtig die Zusammenschau der zur Verfügung stehenden empirischen Daten zur Sicherungsverwahrung und zu dem hier vorrangig interessierenden Vollzug ist, zeigt das Vorwort der Untersuchung Manderas aus dem Jahre 2014. Dort heißt es, dass man einen „nüchternen empirischen Beitrag“ zu einer Diskussion leisten wolle, welche „weithin weniger auf Erfahrungen und überprüfbare Daten Bezug genommen hat als auf skandalisierbare Einzelfälle und aus aktuellem Anlass plötzlich zutage tretende Ängste“.2 Die Wissenschaft und zum Teil die Praxis selbst haben seit langem einerseits einen kontinuierlichen Rückgang von schwerster Kriminalität konstatiert und zeitgleich einen rational nicht begründbaren Ruf nach Verschärfungen und Ausbau der Sicherungsverwahrung (in ers­ inie auf Anordnungsebene) moniert sowie den Vollzug mit dem Vorwurf des­ ter L Etikettenschwindels angeprangert. Für die Beurteilung der neuen bundes- und landesrechtlichen Regelungen ist die Frage entscheidend, wie der Vollzug in der Realität aussieht.3 Die in Teil C. und D. zu analysierende Bundes- und Landesgesetzgebung sind daher einer kriminologisch-empirischen Rechtfertigungsprüfung zu unterziehen. Als Basis der Überlegung werden im Wesentlichen die Strafverfolgungsstatistik (StrVerfSta), Strafvollzugsstatistik (StrVollzSta) sowie Bestandsstatistik4 aber auch die Erkenntnisse aus einer Übersicht der jährlich erhobenen Daten der KrimZ zur Vollstreckung von lebenslanger Freiheitsstrafe, Sicherungsverwahrung und Unterbringung und die Ergebnisse der Rückfallstatistik ausgewertet. Darüber hinaus sieht man sich der Problematik ausgesetzt, dass empirischen Untersuchungen schwerpunktmäßig zum Sicherungsverwahrungsvollzug „Mangelware“ sind. Gab es in Bezug auf die 1

Exner, DJ 1934, 1403. Vorwort von Dessecker in Mandera 2014, Vii. 3 v. Liszt 1905, 328: nicht der Gesetzgeber verleihe den „leeren Strafdrohungen des Gesetzbuchs Leben und Kraft“, sondern der Anstaltsleiter. Diese Aussage kann auf den SVV übertragen werden. 4 Berichtsjahr 1984–1989 Strafvollzug Reihe 4; seit 1990 Fachserie 10: Rechtspflege, Reihe 4.2: Bestand der Gefangenen und Verwahrten in den deutschen Justizvollzugsanstalten nach ihrer Unterbringung auf Haftplätze des geschlossenen und offenen Vollzugs, jeweils zu den Stichtagen 31. März, 31. August und 30. November eines Jahres; im Folgenden: Bestandsstatistik. 2

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B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

Anordnungsvoraussetzungen und die Klientel seit Kinzigs Untersuchung aus dem Jahr 1996 vermehrt empirisches Interesse, beschränkte sich bisher die Aufarbeitung der Vollzugspraxis in neuerer Zeit auf die Studie von Bartsch aus dem Jahre 2010 sowie der Untersuchung der KrimZ zu den in Folge des EGMR-Urteils Entlassenen aus dem Jahre 2014. Dass kaum aktuellere Untersuchungen vorhanden sind, die sich zentral mit dem Thema beschäftigen, ist angesichts dessen, dass es „den Sicherungsverwahrungsvollzug“ ohnehin erst seit den Urteilen des EGMR und BVerfG zu geben scheint, kaum verwunderlich. Stattdessen existier(t)en viele, zum Teil eher persönlich gehaltene, Einzelberichte und sonstige Stellungnahmen zum jeweiligen Tätigkeitsbereich oder kleinere Umfragen und Aktenstudien aus der Praxis zum Sicherungsverwahrungsvollzug im Allgemeinen und der Vollzugssituation der Verwahrten im Speziellen. Nicht immer deutlich ist jedoch, auf welche Art und Weise hier Erkenntnisse gewonnen wurden. Dadurch kann „nur jeweils eine Praxis“ aufgezeigt werden.5 Dennoch soll dieses Material, kontrastiert durch Äußerungen Verwahrter, genutzt werden, um eine „Einführung in die Realitäten und Probleme“ des Vollzugs der Sicherungsverwahrung und dafür ein möglichst umfassendes Bild zu erstellen.6 Bei der Interpretation der in diesem Teil B. vorgestellten statistischen Daten sowie Untersuchungen und Beiträge muss man sich im Klaren darüber sein, dass zum Teil sehr geringe Probandenzahlen vorliegen und sich Aussagen oft nur auf wenige bzw. einzelne Anstalten beziehen – dies ist bei der Sicherungsverwahrung der Natur der Sache wegen kaum vermeidbar. Bewusst wird der Vollzug seit der Einführung der Maßregel dargestellt, um der Frage nachzugehen, inwieweit eine Entwicklung seither stattgefunden hat. Ein Einblick auf die Auswirkungen der Neuregelungen in der Praxis soll hingegen im Zusammenhang mit den Behandlungskonzepten der Sicherungsverwahrungsabteilungen i. R. d. vergleichenden Analyse in Teil D. der Untersuchung erfolgen.7

I. Zahlenmäßige Entwicklung der Sicherungsverwahrung Neben einem Blick auf die Anordnungszahlen interessieren v. a. die Anzahl der tatsächlich Untergebrachten sowie deren Struktur in kriminologischer und demographischer Hinsicht sowie Merkmale des Sicherungsverwahrungsvollzugs seit Einführung der Sicherungsverwahrung. 5 Der „Makel“ einer subjektiven Darstellung, die nicht immer Raum für Verallgemeinerungen zulässt, kann daher nicht vollständig von der Hand gewiesen werden; zu diesem Problem Feige, ZfStrVo 1977, 187. 6 Vgl. den Untertitel von Schwind/Blau 1976: „Strafvollzug in der Praxis. Eine Einführung in die Probleme und Realitäten des Strafvollzugs und der Entlassenenhilfe“; s. a. Drenkhahn/Dudeck, NK 2007, 136. In der Masse können die Daten, Untersuchungen und Einzelberichte richtungsweisend sein. 7 Somit bleiben die Erkenntnisse aus der „Länderübergreifende Bestandsaufnahme zur Ausgestaltung der Situation des Vollzugs der Sicherungsverwahrung“ des KD von Nds. und des letzten Besuchs des CPT im Jahre 2013 Teil D. überlassen.

I. Zahlenmäßige Entwicklung der Sicherungsverwahrung

103

1. Zahl der Anordnungen und Anzahl der Untergebrachten Die Nationalsozialisten machten von ihrem „schneidige[n] Schwert im Kampf gegen das Berufs-, Gewohnheits- und Veranlagungsverbrechen“ regen Gebrauch.8 So fiel die Zahl der Anordnungen weitaus höher aus, als man es noch vor der Einführung der Sicherungsverwahrung vermutet hatte.9 Zwischen 1934–1945 unter­ lag die Zahl der Anordnungen immensen Schwankungen, offiziell wurde sie gegen etwa 16.000 Personen10 angeordnet. Das RG ermahnte angesichts der hohen Anordnungszahl11 des ersten Jahres nach Einführung zu einer einschränkenden Auslegung des GewVbrG und insgesamt zu einer restriktiven Handhabung.12 Viele Gewohnheits- bzw. Berufsverbrecher wurden zudem in polizeiliche Vorbeugungshaft genommen.13 Folglich sanken die Zahlen in den Folgejahren stark – immerhin um rund 66 %–80 % zwischen 1934 (n = 3.723) und dem Tiefpunkt im Jahre 1937 (n = 765). Der danach wieder einsetzende Anstieg kann auf die AV. d. RJM. vom 3.3.1938 sowie die damit einsetzende Propaganda des Reichsjustizministeriums, das GewVbrG „rücksichtslos“ anzuwenden, zurückgeführt werden.14 Der leichte Rückgang ab dem Jahr 1941 hängt vermutlich mit Einführung der Todesstrafe für gefährliche Gewohnheits- und Sittlichkeitsverbrecher im September 1941 zusammen.15 Allein die 8

So der damalige Staatssekretär Freisler 1938, 7 ff.; vgl. ebenfalls Finger 2008, 29. Hagemann, Handbuch Krim, 140 (2.100–2.800 Personen); Heindl 1928, 193 f. (700– 1.000 Personen). 10 Hellmer, ZStW 1961, 442 f.; ders. 1961, 296: 15–16.000 Personen zwischen 1934–1945; s. a. Gruchmann 1988, 731; Terhorst 1985, 71; Weihrauch 1968, 1 f. Die Anordnungszahlen stellten sich entsprechend Exner, DJ 1943, 377 f. und Hellmer 1961, 16 wie folgt dar: 1934: 3.723; 1935: 1.464; 1936: 946; 1937: 765; 1938: 964; 1939: 1.827; 1940: 1.916; 1941: 1.651; 1942: 1.423; 1943: 1.130. Für die Jahre 1934–1937, 1940–41 leicht abweichende Angaben bei Sieverts, MonKrimBiol 1936, 431. Die Zahlenangabe für das gesamte Jahr 1942 beruht auf der Berechnung Wachsmanns (Wachsmann 2006, Diagramm 5, 448 f.) auf Grundlage unveröffentlichten statistischen Materials, wohingegen die Zahl für 1943 anhand der statistischen Daten für das erste Halbjahr 1943 (n=1.130) geschätzt wurde mit der Anm., dass die Zahl unvollständig sei. Ergebnisse der Reichskriminalstatistik wurden ab 1940 „nur noch intern aufbereitet und maschinenschriftlich vervielfältigt“, so Heinz 1990, 30 f. 11 Die hohe Anordnungszahl im Jahre 1934 (n=3.723) erklärt sich vorwiegend mit der damaligen Möglichkeit, die SV nach Art. 5 Nr. 2 GewVbrG rückwirkend anwenden zu können; zum rückwirkenden Gebrauch vgl. E. Schmidt, DJ 1938, 192; Statistik des Deutschen Reichs, Bd.  507, S.  174 ff.; Bd.  577, S.  259 ff., 100 ff.; Wingler, BlfGfk 1938, 307; s. a. I.  Baumann 2006, 86 f., Wachsmann 2006, 126; Freisler, DJ 1938, 626 ff. 12 RGSt 68, 149, 297; vgl. dazu Wingler, BlfGfk 1938, 309; Sauerlandt, MonKrimBiol 1938, 310 ff.; später Pauli 1992, 91 ff.; Steinhilper 1971, 45; C. Müller 1997, 56, 63. 13 Zur polizeilichen Vorbeugungshaft und Verbringung ins KZ vgl. C. Müller 1997, 57 f. m. w. N.; Terhorst 1985, 72 ff.; Wachsmann, Journal of Modern History 1999, 628 ff. 14 Dazu oben ausführl. Teil A.II.1.a) m. w. N.; zur ausufernden polizeilichen Praxis s. Ayaß 1988, 43 ff.; P. Wagner 1996, 279 ff. S. a. Möhler 1996, 97; zum Verhältnis Judikative – Exekutive C. Müller 1997, 58 ff. 15 Vgl. o. Teil A., Fn. 56; zur Todesstrafe für „asoziale Gewohnheitsverbrecher“ s. Evans 2001, 817 ff. Trotz fehlenden statistischen Materials ist während des Krieges von einer hohen Anordnungszahl auszugehen, so Geisler 1967, 205; Hellmer, ZStW 1961, 443; i. E. auch­ Wetterich 1963, 287. 9

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B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

Anordnungszahlen führen vor Augen, wie die Sicherungsverwahrung als Instrument gegen „Volksschädlinge“16 missbraucht wurde und erklären, warum ihr heute noch in der Diskussion um die Zweispurigkeit ein „Geburtsfehler“ angelastet wird. Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschte eine große Abneigung der Alliierten ggü. dem GewVbrG, ferner eine große Verunsicherung seitens der Gerichte. Die Folge war, dass die Sicherungsverwahrung nur selten angeordnet wurde.17 Deutlich wird dies in einem Vergleich der Anordnungszahlen im Zeitraum von 1934 bis 1941, die sich durchschnittlich bei über 1.50018 Anordnungen bewegten und den Zahlen der ersten Hälfte der 1950er Jahre, seitdem die Daten zur Anordnung der Sicherungsverwahrung im alten Bundesgebiet wieder einheitlich in der SVerfSta19 erfasst wurden. Hier wurde in unter 150 Fällen pro Jahr Sicherungsverwahrung angeordnet, worauf die Frage der Wissenschaft zur damaligen Zeit gründete, ob die Sicherungsverwahrung „im Sterben liege“.20 In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre ordneten die Gerichte die Maßregel wieder öfter an,21 so dass 1968 der vorläufige Höchststand von 268 Anordnungen erreicht war. Aufgrund der Einschränkungen des Anwendungsbereichs der Sicherungsverwahrung Anfang der 1970er Jahre gingen jedoch die Anordnungszahlen merklich zurück,22 um ab dem Jahre 1978 sogar auf einen Wert konstant von unter oder nur wenig über 50 zu sinken. Die nächste bedeutende Änderung leiteten erst die Strafverhärtungswelle und im Speziellen die Gesetzesänderungen beginnend mit dem SexualdelBekämpfG im Jahre 1998 ein.23 Seitdem wurden die Hürden, die zur Anordnung der Sicherungsverwahrung überwunden werden müssen, immer niedriger, so dass sich eine gegenläufige Entwicklung zu derjenigen der Nachkriegsjahre und insbesondere zu den 1970er- und Folgejahren zeigt.24 Rein quantitativ stellt die Sicherungsverwahrung (zuletzt nur noch 44 im Jahr 2014) im Vergleich zu allen erfassten jährlichen Aburteilungen (2014: 923.384 Personen), einen verschwindend geringen Anteil von nur rund 0,005 % dar.25 16

Schmitz-Berning 1964, 202 ff.; dies. 1998, 671 ff. Wetterich 1963, 287 ff. mit Vergleich der Anordnungspraxis der Nachkriegszeit; krit. Mayer, Krim. Gegenwartsfragen 1962, 147, da die Zahl der wirklich gefährlichen SV immer noch überraschend klein geblieben sei. 18 Eigene Berechnung anhand der Angaben in Teil B., Fn. 10, Durchschnitt: 1.657 Anordnungen pro Jahr. 19 1950–1953: Statistik der BRD, Die Kriminalität; 1954–1958: Statistik der BRD, Abgeurteilte und Verurteilte; 1959–1974: Fachserie A: Bevölkerung und Kultur, Reihe 9: Rechtspflege II. Strafverfolgung; ab 1975: Fachserie 10: Rechtspflege, Reihe 3: Strafverfolgung, im Folgenden: StrVerfSta. 20 Dreher, DRiZ 1957, 51. 21 I. Baumann 2006, 229: zurückzuführen auf das kriminalpolitische Leitbild seit Anfang der 1950er Jahre. 22 I. Baumann 2006, 287; Elz 2011, 66; Meyer-Velde 1976, 66 f. 23 Leichte Anstiege für 1995 und 1996 i. R. d. BZRG-Analyse von B. Böhm 2010, 755 f. Zum Anstieg nach 1998 vgl. Dessecker, ZfRSoz 2012/2013, 270 m. w. N. 24 Jung 1985, 880; Boetticher, NStZ 2005, 418. 25 StrVerfSta 2014, Tab. 1 und 5; ähnl. Bild in den Vorjahren. 17

I. Zahlenmäßige Entwicklung der Sicherungsverwahrung

105

In einem nächsten Schritt interessiert die Zahl der tatsächlich im Sicherungsverwahrungsvollzug Untergebrachten. Im Dritten Reich folgte dem extensiven Gebrauch der Sicherungsverwahrung auf Anordnungsebene schnell eine hohe Zahl an Verwahrten. So wurden für den Sommer 1934 lediglich 631, für den 30.6.1935 hingegen schon 2.018 Sicherungsverwahrte gemeldet.26 Die Zahl stieg unaufhörlich weiter, so dass es im September 1942 laut Thierack sogar 7.600 Unter­ gebrachte gewesen sein sollen.27 Soweit die Untergebrachten nicht im Konzentrationslager verstarben, entließ man nach Kriegsende nahezu alle.28 Folge der weitreichenden Entlassungen, die als kriminalpolitischer Fehler bezeichnet wurden, war eine stark zurückgegangene Anzahl an Untergebrachten von nur 150 im Jahre 1951.29 Nach dem Höchststand im Jahre 1964 mit 905 Untergebrachten ist in den Folgejahren ein deutlicher Abfall festzustellen, der hauptsächlich auf die Strafrechtsreform der 1970er Jahre zurückzuführen ist.30 Seit Anfang der 1980er Jahre pendelte sich der Wert relativ – mit einer kurzen Unterbrechung Mitte der 1980er Jahre – konstant bei einem Wert annähernd um die 200 Untergebrachten ein. Ein Aufwärtstrend der Anzahl der Untergebrachten lässt sich aufgrund des Vorwegvollzugs der Freiheitsstrafe sehr zeitverzögert mit Beginn des 21. Jahrhunderts feststellen, der im Jahre 2010 seinen Höhepunkt mit 536 Untergebrachten erreichte.31 Setzt man diese Zahl der Verwahrten ins Verhältnis zur Gesamtzahl der Inhaftierten, machten Sicherungsverwahrte im Jahre 2014 einen Anteil von ca. 0,9 % aller im Vollzug Befindlichen aus, wohingegen ihr Anteil bzgl. der langzeitig Inhaftierten bei rund 7,6 % lag.32 26 Dies stellt einen Anstieg von über 200 % dar. Im Deutschen Reich existierte keine einheitliche „Statistik des Gefängniswesens“, vgl. Heinz 1990, 33. Für den Sommer 1934 vgl. Möhler 1996, 70 f., für das Jahr 1935 vgl. den Vermerk Heckers vom 31.7.1937, BA R 22–1261, abgedruckt in Kosthorst/Walter 1983, 1291 f. 27 Vgl. Angaben von Thierack im Vortrag im RJM vom 29.9.1942, abgedruckt bei Möhler 1996, 73; für 1936 und 1937: Sieverts, MonKrimBiol 1936, 431; Möhler 1996, 70; für 1938 und 1939: Wachsmann 2006, 127; Winkler, BlfGfk 1938/39, 133; Semler, Monatsblätter 1939, 164; Gribbohm, DRiZ 1971, 152 ff.; für 1943 und 1944: Möhler 1996, 156; Wachsmann, Journal of Modern History 1999, 637 f., 645. 28 Zur Verwahrung im KZ Wachsmann, Journal of Modern History 1999, 650; ders. 2006, 315. Zur Entlassung nach Kriegsende s. Dreher, DRiZ 1957, 51; ebso. Binnewies 1970, 132; Hellmer 1961, 374 ff.; Rudolph, DRiZ 1956, 176. 29 Hartung, NJW 1951, 427; dazu ebso. Hellmer, ZStW 1961, 444; Wahl, DRiZ 1951, 97; krit. zur „Kontinuität im Denken von Kriminalisten“ P. Wagner 1996, 406 f.; zum Umgang vor Gericht mit ehemaligen SV s. das Bsp. bei I. Baumann 2006, 222. 30 Meyer-Velde 1976, 66; s. a. Elz 2011, 75; Habermeyer/Vohs 2012, 86. 31 Dessecker, ZfRSoz 2012/2013, 271: „mit mehreren Jahren Verzögerung“; Elz 2011, 75; Kinzig, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2010, 59; zu den Gesetzesänderungen vgl. Bartsch, ZIS 2008, 284, 291. 32 StrVollzSta 2014, S. 12, 15 (Strafgefangene und SV: n=54.515; langzeitig Inhaftierte, d. h. Gefangenen mit einer voraussichtlichen Vollzugsdauer von mehr als fünf Jahren bis lebenslänglich und SV: n=6.734), eigene Berechnung. Zur Entwicklung der absoluten („rückläufig“) und den relativen („kaum verändert“) Häufigkeiten aktuell Ansorge, KrimPäd 2013, 49. Zur

106

B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

Das Verhältnis von Anordnungen zu den tatsächlich Untergebrachten zeigt Abbildung 1. Mehrjährige Unterbringungsdauer sowie die immer späteren und selteneren Entlassungen lassen die Anzahl der Untergebrachten im Vergleich zur Zahl der Anordnungen immer höher werden, worauf nicht zuletzt die zweite Rückfallstatistik aus dem Jahre 2010 hinweist.33 1000 905

900

Zahl der Untergebrachten

Zahl der Anordnungen

800 700 668 600 448 382

400 300

536

502

500

350 301

268 222

299 206

200

202

182

110

100

508 491 466

60

57

1976

1981

36

61

27

111

74

64

32

0 1961

1966

1971

1986

1991

1996

2001

Quellen: StrVerfSta 1961–2014, jeweils Tabelle 5, und StrVollzSta 1961–2014, jeweils Tabelle 2.

2006

2011

34

Abbildung 1: Vergleich der Anordnungen und Anzahl der Untergebrachten von 1961–2014

Im Ansatz lässt sich der Rückgang der Entlassungen gleichfalls der Bestandsstatistik entnehmen. Diese erfasst neben dem Bestand der Gefangenen und Untergebrachten seit 1984 die „Abgänge“, welche auch danach aufgeschlüsselt sind, ob die Entlassung aus der Sicherungsverwahrung in Freiheit erfolgte. Danach lag die Entlassungsquote zwischen 1984 und 1996 bei niedrigstenfalls 15 % und höchstenfalls 24 %, wohingegen der Wert bis 2002 bei regelmäßig 4 % bis 11 % und höchstens bei 16 % lag. Seit dem Jahr 2003 bewegt sich die Quote bei 4 % bis 5 %, zuletzt unterbrochen durch die jüngsten Entwicklungen: Waren es 2009 noch 4 % Entlassungen, lag 2010 die Quote bei beeindruckenden 15,6 %, 2011 hingegen nur Entwicklung der Zahl der Verwahrten im Verhältnis zur Zahl der Strafgefangenen (ohne Jugendstrafe) in den Jahren 1961–1991 s. Kinzig 1996, 131. 33 Dazu Bartsch 2011, 299; ders. 2010, 236; Rückfallstatistik 2010, S. 86; s. a. Dessecker, ZfRSoz 2012/2013, 272; ders. 2005, 55. 34 Ähnlich wie bei der StrVerfSta ist bei der StrVollzSta von einer gewissen Unterrepräsentierung der Verwahrten auszugehen, dazu und zu den Gründen s. weiterführend Bartsch 2010, 154 f.; Heinz 2013, 10; ebso. B. Böhm 2010, 766 ff.; Dessecker, ZfRSoz 2012/2013, 270; Kinzig 1996, 158.

I. Zahlenmäßige Entwicklung der Sicherungsverwahrung

107

bei 7,6 %, die dann bis 2012 auf 12,5 % anstieg, um 2013 wieder auf einen Wert von rund 5,8 % zu sinken.35 Ähnliches zeichnet sich bei der KrimZ-Studie, welche seit 2002 Daten zu Dauer und Gründe der Beendigung der lebenslangen Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung erhebt, sowie der „Länderübergreifenden Bestandsaufnahme“ des Kriminologischen Dienstes Niedersachsen ab.36 Kröniger und Dessecker wiesen für die Jahre 2002 bis 2009 ähnliche Entlassungsquoten von 4 % bis 7 % nach.37 Seit dem Jahr 2010 zeigte sich ein Anstieg der Entlassungsquoten mit dem Höchststand von 22,6 % im Jahre 201138. Angesichts der ergangenen Urteile weniger überraschend, im Ausmaß doch sehr deutlich ist die Zunahme der Entlassungen, welche Ansorge mit um „das 6,7 fache“ angab.39 Allein die Erledigungserklärung im Hinblick auf das EGMR-Urteil haben danach zwischen 2010–2012 im Schnitt ein Drittel der Entlassungen eingenommen. Wurden im Jahre 2009 nur 16 Sicherungsverwahrte entlassen (3,2 %), waren es 2012 bereits 107 (23,0 %).40 Zur Frage, ob sich die Verschärfung des Maßregelrechts durch die Aufhebung der Höchstfrist des § 67  d Abs.  1StGB a. F. seit dem SexualdelBekämpfG aus dem Jahre 1998 ebenfalls in der zahlenmäßigen Entwicklung der Untergebrachten widerspiegelt, kann ergänzend auf die Umfrage des BVerfG anlässlich seiner Höchstdauerentscheidung aus dem Jahre 2004 bei den Landesjustizverwaltungen zurückgegriffen werden.41 15 Bundesländer erteilten bis Mitte 2002 Auskunft: Im Ganzen waren danach 84,7 % (n=238) Sicherungsverwahrte von der Aufhebung betroffen.42 Im Urteil vom 5.2.2004 sprach das BVerfG von über 165 betroffenen Untergebrachten.43 Der EGMR wies in seiner Entscheidung aus dem Jahre 2009 35 Methodische Bedenken sind deshalb angebracht, weil sich der Bestand an einem Stichtag orientiert, während die Abgänge sich bis 2002 auf das gesamte Jahr bezogen. Seit 2003 beziehen sich die Abgänge auf den jeweiligen Berichtsmonat. Dennoch können sie einen ersten Anhaltspunkt der Entlassungspraxis liefern. Zur Berechnung: Zunächst wird aus den drei Angaben zum Bestand ein durchschnittlicher Bestand berechnet, anschließend die Zahl der Abgänge mit vier multipliziert, so dass man auf einen Jahreswert kommt. 36 KrimZ: Kröniger 2004–2006; Dessecker 2008–2013; KfN: Ansorge, KrimPäd 2013, 43; dies. 2013, 11. 37 Kröniger 2004, 16 (4,3 %); 2005, 16 (4,2 %); 2006, 16 (4,9 %); Dessecker, 2008, 15 (6,3 %); 2008 a, 17 (6,9 %); 2009, 23 (3,7 %); 2010, 25 (3,8 %); 2011, 25 (5,1 %), für die Jahre 2002–2007 jeweils eigene Berechnung. 38 Dessecker 2012, 25 (11,2 %); 2013, 42 (22,6 %); zu den jüngsten Entwicklungen ders. 2013, 48. Da die die KrimZ-Studie noch sehr jung ist, kann sie nicht uneingeschränkt als Beleg für eine restriktive Entlassungspraxis dienen; weitere Bedenken bei Elz 2011, 80. 39 Ansorge, KrimPäd 2013, 43, Tab 7 sowie zu Merkmalen der Entlassenen 43 f.; nicht alleine auf die Urt. zurückführend dies. 2013, 11; and. Dessecker, ZfRSoz 2012/2013, 273. 40 Vgl. dazu oben Teil B., Fn. 39, jeweils in Bezug auf die SV am Stichtag laut StrVollzSta 2009 und 2012, S. 13 sowie StrVollzSta 2013, S. 12, jeweils eigene Berechnung. 41 Krit. dazu Bartsch 2010, 152, 169 ff. m. w. N., da die Untersuchung unsystematisch und unzureichend sei. 42 Zur genauen Verteilung in den Ländern vgl. Tab. 1 bei Bartsch 2010, 170; nur Hessen gab keine Antwort. 43 BVerfGE 109, 147 (ohne NRW).

108

B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

die etwas höhere Anzahl von 261 Betroffenen aus, wohingegen 2008 der Bundesregierung zufolge „nur“ „mindestens 80 Personen“44 von dieser Gesetzesänderung betroffen gewesen seien. Der Unterschied lässt sich wohl damit erklären, dass die zuletzt genannte Zahl nur die mehr als zehn Jahre Verwahrten betraf.45 2. Merkmale des Vollzugs und der Verwahrten a) Verweildauer und Ländervergleich Weiter von Interesse ist, wie lange die erste Unterbringung in der Sicherungsverwahrung durchschnittlich dauert. Dies beantwortete der EGMR in seinem Urteil vom 17.12.2009 für das Jahr 2002: Je nach Bundesland dauere die erste Unterbringung zwischen zwei Jahren und drei Monaten und sieben Jahren.46 Das BVerfG kam zu demselben Ergebnis.47 In einigen Untersuchungen wurde ebenso die durchschnittliche Verwahrdauer berechnet. So geht Hellmer für den Zeitraum bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges von einer Verwahrdauer von 56 Monaten (4,7 Jahre) aus, wohingegen die späteren Untersuchungen zur Nachkriegszeit allesamt einen niedrigeren Wert ausweisen.48 Nach der Strafrechtsreform schwankten die Angaben von mehr als drei bis hin zu vier bis fünf Jahren.49 Aus neuerer Zeit stammen die Ergebnisse von Kinzig, der 1996 zunächst eine durchschnittliche Verwahrdauer von 50,5 Monaten (4,2 Jahre)50 und im Jahre 2010 einen deutlich angestiegenen Durchschnittswert von 68,1 Monaten (5,7 Jahre)51 ermittelte. Elz wies jüngst daraufhin, dass bei nahezu 10 % der von ihr untersuchten „Altfälle“ (erstmalige Anordnung vor der Entfristung im Jahr 1998) die Unterbringungsdauer nur deshalb (über) zehn Jahre betragen habe, weil die gesetzlichen Überprüfungsfristen bis zu 18 Monate überschritten worden waren.52 Feest/Köhne zeich 44 Antwort der BReg. vom 15.6.2010 auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, BT-Drs. 17/2205, S.  2; vgl. aber EGMR, Urt. vom 17.12.2009  – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn. 67 – bei juris: 70 Personen; ebso. Kinzig, NStZ 2010, 234. 45 And. Mandera 2014, 25 f.: Zahlen zu den tatsächlich Betroffenen weichen je nach Zeitpunkt und Genauigkeit ihrer Ermittlung voneinander ab. 46 EGMR, Urt. vom 17.12.2009 – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn. 67 – bei juris. 47 BVerfGE 109, 147; ebso. Bartsch 2010, 174, Tab. 4; Konzept JVA Fuhlsbüttel, S. 15 Tab. 4. 48 Hellmer 1961, 345. Für 10 % der Verwahrten, die wg. Zweckerreichung entlassen wurden, geht er von einer unter drei Jahren liegenden Verwahrzeit aus; Stolzenburg 1938, 83 ff.: 55,8 % bis zu zwei Jahren und nur 24,2 % bis zu drei Jahren verwahrt; s. a. Mayr, BlfGfk 1936, 405; später Dreher, DRiZ 1957, 52; Schachert 1963, 102: Nur bei jeweils 5 % drei bis vier Jahre bzw. länger als vier Jahre; ebso. Grünwald, ZStW 1964, 641; Engelhardt 1964, 20 f. Durchschnittswert von 2 Jahren und 11 Monaten; Binnewies 1970, 154 hingegen von 3,1 Jahren. 49 Blau 1977, 522; LK/Horskotte 1985, § 67 d Rn. 62; A. Böhm 1986, 239; Schäfer-Eikermann 1992, 14. 50 Kinzig 1996, 468; ders., ZStW 1997, 157 ff. 51 Kinzig 2010, 205, 307; Dessecker 2013, 94; ders., ZfRSoz 2012/2013, 273; s. a. Heinz, BewHi 2013, 326. 52 Elz 2014, 127, 276 ff.; ähnl. Alex 2013, 141 bzgl. Strafgefangener mit letztlich abgelehnter nachträglicher SV.

I. Zahlenmäßige Entwicklung der Sicherungsverwahrung

109

neten zumindest in „qualitativer“ Hinsicht ein düsteres Bild – so würde bspw. von der Aussetzung zur Bewährung nahezu kein Gebrauch gemacht.53 Jedoch wird regelmäßig seitens der Praxis die Vermutung geäußert, dass es (mehr oder weniger) viele Langzeitverwahrte gibt.54 Laut der Gutachtensanalyse von Habermeyer et al. könne die lange Dauer der Unterbringung (seit der Anlasstat) einerseits auf eine „besondere kriminelle Gefährdung“ und andererseits auf eine besondere Vorsicht seitens der Gutachter und Justiz bei der Entlassung der Sicherungsverwahrten hindeuten.55 Neben eine durchschnittlich recht lange Verwahrdauer treten noch die Jahre, die vor der Unterbringung in Unfreiheit verbracht wurden. Diese lagen nach Habermeyer et al. bei durchschnittlich 12,12 Jahren, wobei regelmäßig 3,95 Inhaftierungen der Sicherungsverwahrung vorausgingen.56 Dass von einer langen Verwahrdauer ausgegangen werden kann, ist ein Aspekt, den es bei der Beurteilung der SVVollzGe zu beachten gilt. Da in allen Bundesländern zum 1.6.2013 ein SVVollzG in Kraft trat, soll zunächst mithilfe der Bestandsstatistik dargestellt werden, ob die Sicherungsverwahrung derzeit überhaupt in allen Bundesländern vollzogen wird. Die regional unterschiedliche Verteilung mit dem Spitzenreiter (und zugleich bevölkerungsreichsten Bundesland)  Nordrhein-Westfalen mit 111 Untergebrachten zum 31.3.2016 (21,2 %) zeigt die folgende Abbildung 2.57 Zum 31.3.2014 waren danach insgesamt 498 Sicherungsverwahrte in 15 Bundesländern sowie 639 Gefangene mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung im Vollzug der Freiheitsstrafe aller Bundesländer untergebracht.58 Damit ist die Gruppe der potentiellen Verwahrten rund 1/5 größer.59 Bisher bildeten Bremen und das Saarland eine Ausnahme, da sie ihre Verwahrten jeweils regelmäßig in Niedersachsen bzw. Rheinland-Pfalz untergebracht hatten.60 Neuerdings weist die Bestandsstatistik allerdings für das Saarland einen Verwahrten aus. 53 AK-StVollzG-Feest/Köhne 2006, vor § 129 Rn. 13; ebso. Suhling, FS 2011, 276; für das Jahr 2011 vgl. Dessecker 2013, 50. 54 Elz, FS 2014, 398: Zehn der untersuchten 84 Verwahrten mit Unterbringung von 20 Jahren und länger; Skirl 2010, 133 für die JVA Werl; Dessecker 2013, 45: „die längste fast 21 Jahre“; ders., BewHi 2013, 315. 55 Habermeyer/Mokros/Vohs, R&P 2012, 76; Habermeyer/Vohs 2012, 87 m. w. N. 56 Habermeyer/Vohs 2012, 88 f. 57 Zu den Veränderungen der letzten Jahre vgl. Kinzig, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2010, 53; s. a. Dessecker, ZfRSoz 2012/2013, 271; ders. 2016, 478; für NRW Skirl 2010, 132; ders., BewHi 2013, 349. 58 Dazu auch Ansorge 2013, 17 ff., Abb. 2 und Tab. 14. Schätzungen zu potentiell von § 66 b StGB a. F. (formell) Betroffenen liegen allerdings weitaus höher bei 6.000–10.000 Gefangenen, s. dazu Alex 2013, 93 m. w. N. 59 Dessecker 2016, 477 m. w. N. und Übersicht. 60 Zu den Anstalten für das Jahr 1936 s. die Übersicht bei Hellmer 1961, 340; für die Nachkriegszeit s. StrVollzSta 1958, Zeitschrift für Strafvollzug 1958/59, 47; aktuell Ansorge 2013, 21; Bartsch, ZIS 2008, 290.

110

B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

120

111 21,2%

100

80

60

58 11,1%

62 11,8%

56 10,7%

49 9,4%

44 8,4%

46 8,8%

40

30 5,7%

26 5,0%

20

14 2,7%

12 2,3 %

9 1,7%

3 0,6%

3 0,6%

0 BW

Bay

Bln

Bbg

Hmb

H

M-V

Nds NRW

RlP

SL

S

LSA

SH

1 0,2%

Thür

Quelle: Bestandsstatistik 2016, S. 8.

Abbildung 2: Untergebrachte am 31.3.2016 im Ländervergleich

b) Geschlechterverteilung, Familienstand, Ausländeranteil und sonstige Belastungen Da es für die Untersuchung der Umsetzung des Abstandsgebots durch Bund und Länder nicht zuletzt angesichts der in Teil A. zum Ausdruck gebrachten Vor(be)halte einer zu optimistischen Sichtweise des BVerfG hinsichtlich der Behandelbarkeit von Sicherungsverwahrten entscheidend darauf ankommt, welche Personen sich im Vollzug befinden, soll dieser Frage hier ebenfalls nachgegangen werden. Die Vollzugspraxis betont stets, dass es sich nicht um eine homogene Gruppe handelt.61 Demographische und kriminologische Merkmale weisen die Bestandsstatistik und StrVollzSta aus, welche durch Ergebnisse verschiedener empirischer Untersuchungen sowie einzelner Berichte aus der Praxis ergänzt werden können. Die Geschlechterverteilung stellt sich von Beginn an ähnlich wie im Strafvollzug62 so dar, dass vorwiegend Männer verwahrt sind. Allerdings war der Anteil der Frauen bis zur Reform Anfang der 1970er Jahre noch sehr viel höher als es 61

Aktuell z. B. Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 16 f.; Konzept JVA Bützow, S. 19: „keine homogene Gruppe“. 62 Ein Überblick zum Frauenstrafvollzug findet sich bei Funk, NK 2009, 50 ff.; Zolondek, FS 2008, 36 ff.

I. Zahlenmäßige Entwicklung der Sicherungsverwahrung

111

heute der Fall ist (Stand 31.3.2015: 528 Männer, 1 Frau – 0,2 %63). Zu erklären ist dies hauptsächlich mit der gewandelten Deliktsstruktur. Ein erster kleiner Hinweis hinsichtlich der sozialen Kontakte außerhalb der Anstalt kann die Frage nach dem Familienstand geben. Die meisten Verwahrten im Jahre 2015 sind ledig (57,5 %, n=304) oder geschieden (30,4 %, n=161).64 Der langen Unterbringungsdauer, welcher i. d. R. eine lange Freiheitsstrafe vorausging, ist es vermutlich auch geschuldet, dass im Jahre 2015 nur 11,0 % (n=58) verheiratet waren.65 Gegensätzlich zum Strafvollzug verhält es sich mit dem Ausländeranteil – dieser ist im Strafvollzug (1995: 21,6 %; 2015: 25,7 %) deutlich größer als in der Sicherungsverwahrung (1995: 4,4 %; 2015: 4,2 %).66 Zusätzliche Belastungen in der Vorgeschichte stellten bspw. auch Habermeyer et al. in ihrer Gutachtenanalyse fest: So gebe es bei rund 80 % der sicherungsverwahrten Probanden Auffälligkeiten in der Herkunftsfamilie (z. B. Scheidung) bzw. über 40 % seien in Heimen untergebracht gewesen.67 Darüber hinaus ist der Studie zu entnehmen, dass bei Sicherungsverwahrten eher von einer durchschnittlichen Intelligenz auszugehen sei im Unterschied zu im Maßregelvollzug untergebrachten Straftätern mit Sexualdelikten, bei denen eine verminderte Intelligenz überrepräsentiert sei.68 Dennoch sei aufgrund ungünstiger Aufwuchsbedingungen eine unterdurchschnittliche Bildungssituation festzustellen.69 Letztlich zeige sich „eine Klientel, die durch ungünstige Milieueinflüsse geprägt wurde und frühzeitig, letztlich aber auch hartnäckig eine mangelhafte soziale Integration und robuste delinquente Verhaltensstile gezeigt“ habe.70 63 StrVollzSta 2015, S. 13, eigene Berechnung; dazu auch Bartsch 2010, 157; Bericht des CPT vom 24.7.2014, CPT/Inf (2014) 23, Rn. 26–29; zum Frauenanteil während des Dritten Reichs s. Sauerlandt, MonKrimBiol 1938, 348; E. Schmidt, DJ 1938, 192 ff.; H. Möller 1939, 11; Wachsmann 2006, 130 f. 64 StrVollzSta 2015, S.  14, jeweils eigene Berechnung. Z. Z. der Nationalsozialisten vgl. Heinke, Monatsblätter 1939, 22: 53 % ledig; 20 % verheiratet; 27 % geschieden und 20 % verheiratet (Sicherungsanstalt Gräfentonna); Semler, Monatsblätter 1939, 165: 62 % ledig; 17 % verheiratet; 17 % geschieden oder getrennt (Sicherungsanstalt Werl). Für Nachkriegsjahre: Krebs 1966, 639: 56,2 % ledig; 4,8 % verheiratet; 31,2 % geschieden (JVA Ziegenhain);­ Rudolph, DRiZ 1956, 176: jeweils 25–30 % (JVA Bruchsal). 65 StrVollzSta 2015, S. 14, verwitwet: 1,3 % (n=7), eigene Berechnung. Zu Daten im Längsschnitt s.  Bartsch 2010, 160 und Kinzig, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2010, 54. Zu den persönlichen Verhältnissen der SV machte man sich von Beginn an Gedanken, so bspw. H. Möller 1939, 57 ff. 66 StrVollzSta 1992–1995, Teil B 1995, S. 85 (Strafvollzug: n=8.925; SV: n=8); StrVollzSta 2015, S. 13: „Ausländer oder Staatenlose“ (Strafvollzug: n=12.199; SV: n=22), eigene Berechnung; s. a. Bartsch 2010, 158 f. 67 Habermeyer/Vohs 2012, 87; s. a. Kinzig 1996, 176 ff.; Kern 1997, 97 ff.; Meischner-alMousawi/Hinz, FS 2011, 305 f.; zu Auswirkungen negativer Vorgeschichten s. Rauchfleisch 2012, 366 f. 68 Habermeyer/Vohs 2012, 93; zur Situation der Maßregelpatienten hingegen D.  Seifert 2006, 288 ff. 69 Habermeyer/Vohs 2012, 87 f., 93; s. a. Müller-Isberner/Eucker 2012, 82. 70 Eine Schlussfolgerung aus der Gutachtenanalyse von Habermeyer/Vohs 2012, 93.

112

B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

c) Altersstruktur Auffallend stark geändert hat sich die Insassenstruktur bzgl. des Alters. Waren im Jahr 1938 insgesamt 46,3 % der Verwahrten noch der Altersgruppe der 30–40-Jährigen zuzurechnen, sah das Bild mit Beginn der statistischen Erfassung in der StrVollzSta im Jahre 1961 anders aus.71 Die Altersgruppe der 30– 40 Jahre alten Verwahrten machte nur noch 24,1 % (n=162) aus, wohingegen die 50–60-Jährigen den Hauptanteil von 34,9 % (n=235) darstellten.72 Vorwiegend in den letzten zwei Jahrzehnten zeichnete sich der demographische Wandel – Kinzig sprach pointiert von einer „Vergreisung der Sicherungsverwahrten“73 – ganz deutlich im Sicherungsverwahrungsvollzug ab. Abbildung 3 zeigt die Entwicklung der Altersstruktur der letzten zehn Jahre. 250

200

150

100

50

0 2005

2006

20–30 Jahre

2007

2008

30–40 Jahre

2009

2010

40–50 Jahre

2011

2012

50–60 Jahre

2013

2014

2015

60 Jahre und älter

Quellen: StrVollzSta 2005–2015, jeweils Tabelle 2, Altersgruppe von … bis.74

Abbildung 3: Alter der Sicherungsverwahrten in den letzten zehn Jahren 71

E. Schmidt, DJ 1938, 192: 30 bis 35 Jahre (26,6 %), 35 bis 40 Jahre (19,7 %); Semler, Monatsblätter 1939, 164. 72 StrVollzSta 1961, S.  31; Schachert 1963, 102: 13,6 % 30–40 Jahre alt sowie 34,2 % 50 und älter; Engelhardt 1964, 21: 18,0 % 28–33 Jahre alt, 36,5 % 34–40 Jahre alt und 10,4 % 52–64 Jahre – jeweils für die Sicherungsanstalten Hameln und Celle; s. a. Binnewies 1970, 153; StrVollzSta 1963, S. 29, jeweils eigene Berechnung. 73 Kinzig, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2010, 54; Durchschnittsalter von 50 Jahren, so Kinzig, ZStW 1997, 160; Kröber et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 167 („Seniorenvollzug“); Gorzel/Lefering, FS 2010, 136; Meyer-Velde 1976, 69: „recht ordentlichen Altersheim“; Bartsch 2011, 300 „Bösen-Altenheim“. 74 S. a. Ansorge, KrimPäd 2013, 41, Tab. 2; dies. 2013, 8, Tab. 4; Elz 2011, 82; Konzept JVA Fuhlsbüttel, S. 15 Tab. 4: „Durchschnittsalter: 57,3 Jahre“; Konzept JVA Schwalmstadt, S. 13.

113

I. Zahlenmäßige Entwicklung der Sicherungsverwahrung

Der Altersdurchschnitt steigt bis heute, wobei Minimum und Maximum zunehmend auseinander driften. Aufschlussreich ist der Vergleich der Anteile innerhalb der jeweiligen Altersgruppen im Jahre 1995 und 2015 in Abbildung 4: Innerhalb von 20 Jahren sind die Zahlen der Verwahrten ab 50 prozentual deutlich angestiegen, wohingegen der Anteil der 20–50-Jährigen gesunken ist (1995: 49,7 %, n=91 und 2015: 35,0 %, n=185). Mittlerweile (31.3.2015) haben 65,0 % (n=344) der Insassen das Alter 50plus erreicht, was den Sicherungsverwahrungsvollzug erheblich von demjenigen der Freiheitsstrafe unterscheidet.75 Hier sind über 50-jährige Strafgefangene trotz der auch dort bemerkbaren demographischen Veränderungen (noch) die Seltenheit.76 250

227 42,9%

200

135 25,5%

150

116 21,9%

100 50 9,5%

50

0

66 36,0%

61 33,3% 31 16,9%

24 13,1% 1 0,5%

0

20–30

30–40

40–50

Altersgruppe von … bis …

50–60 1995

60 und älter

2015

Quellen: StrVollzSta 1992–1995, Teil B 1995; StrVollzSta 2015, jeweils Tabelle 2, eigene Berechnung.

Abbildung 4: Altersverteilung der Sicherungsverwahrten im Vergleich 1995 und 2015

Vergleicht man die Altersstruktur beider Sanktionen weiter, zeigt sich, dass im Jahre 2015 nur 4,3 % (n=2.049) der wegen einer Freiheitsstrafe Gefangenen älter als 60 Jahre war, wohingegen diese Altersgruppe bei den Verwahrten den inzwischen beträchtlichen Anteil von 21,9 % (n=116) ausmacht.77 Zurückgeführt werden kann der Anstieg der alten Menschen in der Verwahrung auf eine Mischung verschiedener Gründe: Insbesondere spielten die Aufhebung der 10-Jahresgrenze der 75 StrVollzSta 1992–1995, Teil B 1995, S. 84, StrVollzSta 2015, S. 13, jeweils eigene Berechnung; s. a. Skirl 2010, 133; Kühne 2011, 392; zum Unterschied zum Strafvollzug s. Bartsch/ Baier/Wollinger, FS 2013, 84. 76 Zum demographischen Wandel vgl. Görgen/Greve, BewHi 2005, 117 ff.; Langenhoff, BewHi 2005, 109 ff. 77 StrVollzSta 2015, S. 13, jeweils eigene Berechnung.

114

B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

Sicherungsverwahrung im Jahre 1998 sowie die immer längere Unterbringungsdauer eine Rolle.78 Bartsch stellt darüber hinaus die statistisch nicht belegbare und dennoch plausible Vermutung an, dass mehr ältere Menschen zur Sicherungsverwahrung verurteilt worden seien.79 d) Anlasstaten Unter den Nationalsozialisten sowie in den Nachkriegsjahren gelangten die meisten Täter wegen gewaltfreie Eigentums- und Vermögensdelikte in die Sicherungsverwahrung.80 Nach der Strafrechtsreform von 1970 sank die Zahl der Eigentumsdelinquenten und blieb gleichwohl auf einem nach wie vor hohen Niveau.81 Zu Beginn der 1990er Jahre wurde im Vergleich zu heute (Abbildung 5 und 6) die Sicherungsverwahrung sehr viel häufiger bei gewaltlosen Eigentums- und Vermögensdelikten (§§ 242–248 c; 263–266 b StGB) angeordnet.82 Diese werden im Vergleich zu Raub und schweren Gewaltdelikten relativ häufig(er) auch von Frauen begangen.83 Des Weiteren werden seit Ende der 1990er Jahre bei den für die Sicherungsverwahrung kriminalpolitisch „neu entdeckten“ Anlasstaten aus dem Bereich der §§ 174 ff. StGB beständige Anstiege verzeichnet.84 Diese werden – zumindest im Hellfeld85 – vorwiegend von Männern begangen. Laut Elz lagen im Jahr 2011 bei etwajeder zweiten Anordnung Sexualdelikte zugrunde, wohingegen es 1980 noch bei lediglich jeder vierten der Fall war.86 Bei den im Anschluss an das EGMR-­Urteil 78

Dazu Bartsch 2010, 296. Bartsch 2010, 296. 80 Vor 1945: E. Schmidt, DJ 1938, 112 (86,1 % wg. Diebstahls oder Betrugs verurteilt); ebso. Mayr, MonKrimBiol 1936, 212; ders., MonKrimBiol 1938, 22; Hellmer 1961, 44; Krebs 1966, 637. Nachkriegsjahre: Binnewies 1970, 118, 141 (1958–1966: 90,9 % der Anlasstaten der aus Celle Entlassenen wg. Straftaten gegen das Vermögen); Lemberger 1962, 23 (1946–1959: im OLG-Bezirk München 72,8 % wg. Diebstahl, Betrug oder Unterschlagung); Rudolph, DRiZ 1956, 176 (83 % Vermögenstäter im Zuchthaus Bruchsal); Schachert 1963, 94 ff., 99 (1945–1959: 55,8 % in Hameln und Celle wg. Diebstahls, 19,3 % wg. Betrugs). Vergleiche sind schwer möglich, da nicht immer von Anordnungsdelikten ausgegangen wurde; so Kinzig, BewHi 1996, 31 ff. 81 Dazu Meyer-Velde 1976, 66; s. a. Mayerhofer 1987, 37. Die StrVollzSta weist dazu Folgendes in Zehn-Jahres-Schritten aus: 1964 war bei 74,5 % (n=648) der Verwahrten ein Eigentumsbzw. Vermögensdelikt die Anlasstat, 1974 bei 62,8 % (n=236) und 1984 nur noch bei 48,4 % (n=88). Gemeint sind Diebstahl und Unterschlagungsdelikte sowie Betrugs- und Untreuedelikte. Quelle: StrVollzSta 1964, S. 42; 1974, S. 37, 39; 1984, S. 29, 31, jeweils eigene Berechnung. Daher äußerte man wiederholt die Vermutung, dass immer noch nicht die wirklich gefährlichen Täter verwahrt würden. So Weichert, StV 1989, 268 f.; Schäfer-Eikermann 1992, 16. 82 Zur Entwicklung von 1980 bis 2010 s.  Elz 2011, 81; Kinzig, BewHi 1996, 33 f.; ders., ZStW 1997, 145. 83 Neubacher 2014, Kapitel 7 Rn. 4; zur Deliktsstruktur auch Schwind 2013, § 3 Rn. 41 f. 84 Dazu Kinzig, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2010, 53. 85 Zur Frauenkriminalität im Hell- und Dunkelfeld vgl. Hermann 2004, 567 f.; Schwind 2013, § 3 Rn. 40 ff.; Neubacher 2014, Kapitel 7 Rn. 4 ff. 86 Elz 2011, 76 f., insbes. Abb. 2. 79

I. Zahlenmäßige Entwicklung der Sicherungsverwahrung §§267 ff. 3 (1,6%)

1995

115

andere 8 (4,4%)

§§263 ff. 13 (7,1%)

§§174ff. 85 (46,4%)

§§249 ff. 28 (15,3%) §§242 ff. 19 (10,4%) §§223–230: 6 (3,3%) §§211–222: 21 (11,5%)

Quellen: StrVollzSta 1992–1995, Teil B 1995, S. 91; StrVollzSta 2015, S. 22.87

Abbildung 5: Anlasstaten der Sicherungsverwahrten 1995

§§263–266b: 0 (0%)

§§267–281: 0 (0%)

2015

andere: 24 (4,5%)

§§249–255, 316a: 88 (16,6%) §§242–248c 1 (0,2%)

§§174–184f: 323 (61,1%)

§§223–230: 35 (6,6%) §§211–222: 58 (11%) Quellen: StrVollzSta 1992–1995, Teil B 1995, S. 91; StrVollzSta 2015, S. 22 – s. a. Fn. 87.

Abbildung 6: Anlasstaten der Sicherungsverwahrten 2015

untersuchten „Altfällen“ kam sie zu dem Schluss, dass bei über Dreiviertel zumindest eine Sexualstraftat Anlassdelikt für die Sicherungsverwahrung war.88 Hinzu kommt, was in Zusammenhang mit der oben behandelten Entlassungsquote stehen dürfte, dass Sexualstraftäter verhältnismäßig wenig aus der Sicherungsverwahrung in Freiheit entlassen werden. Dies ist der KrimZ-Studie von Kröniger und Dessecker zu entnehmen.89 Danach wiesen zwischen 2002 und 2009 nur 29,3 % der entlassenen Sicherungsverwahrten ein Anlassdelikt im Bereich der Sexualstraftaten auf. Ver87

87

Jeweils Verwahrte nach Art der Straftat und prozentualer Anteil, eigene Berechnung. §§-Angaben der Schaubilder stammen allesamt aus dem StGB, jeweils aktueller Stand berücksichtigt. 88 Elz, FS 2014, 397; dies. 2014, 117. 89 Eigene Berechnung anhand der Angaben von Kröniger 2004, 59 (4); 2005, 62 (1); 2006, 65 (5) und Dessecker, 2008 a, 59 (11); 2008 b, 65 (2); 2009, 53 (6); 2010, 56 (6); 2011, 56 (9);

116

B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

gleicht man die Anlasstaten Sicherungsverwahrter mit denen der wegen einer Freiheitsstrafe Inhaftierten, fällt auf, dass sich 2015 nur 6,7 % (n=3.188) der Strafgefangenen (mit Freiheitsstrafe) und im Vergleich dazu 61,1 % (n=323) der Verwahrten wegen einer Sexualstraftat (§§ 174–184 g StGB) im Strafvollzug befanden.90 Im Gegensatz dazu, dass die Verurteilungen im Bereich der Sexualdelinquenz, insbesondere in Bezug auf §§ 176–178 StGB seit den 1970er Jahren relativ konstant geblieben und im Bereich der Tötungsdelikte (§§ 211–222 StGB) sogar abgenommen haben, ist es bemerkenswert, dass sich die Verteilung der Anlass­taten der Sicherungsverwahrung nicht parallel entwickelte.91 Elz errechnete für den Zeitraum von 1980 bis 2009 im Bereich der Sexualdelikte seit 1980 eine Steigerungsrate von insgesamt 190 % bei den angeordneten Sicherungsverwahrungen und einen Anstieg des Anteils an allen Anordnungen von rund 34 % auf 44 %.92 Konsequenterweise stellt sich die Situation bei den Diebstahls- und Betrugsdelikten umgekehrt zu den Sexualstraftaten dar: Hier ist der Anteil bei den Strafgefangenen im Jahr 2015 mit 35,1 % (n=16.705) deutlich höher als der Anteil bei den Verwahrten mit 0,2 % (n=1).93 Die Gewaltdelikte (§§ 211–222; 223–231; 249–255, 316a StGB) sind mehr oder weniger gleich vertreten: So waren wegen derartiger Delikte im Jahr 2015 rund 31,4 % (n=14.931) der Strafgefangenen (mit Freiheitsstrafe) und 34,21 % (n=181) der Verwahrten in Unfreiheit.94 Auch die Anteile an allen Anordnungen sind im Bereich der (nicht-sexuellen) Gewaltdelikte und gewaltsamen Eigentumsdelikte relativ konstant geblieben.95 Letztlich stellen die veränderten Anlasstaten den Vollzug vor schwierige (Resozialisierungs-)Aufgaben: Bei Gewalt- und Sexualstraftätern ist von einem intensiveren Betreuungs- und Behandlungsbedarf auszugehen, als es bei (gewalt­losen) Eigentums- und Vermögensstraftätern der Fall sein dürfte. Im Grundsatz ist es also nachvollziehbar, dass das BVerfG genau hierauf den Schwerpunkt legte.96 Verschärfend kommt hinzu, dass von der Möglichkeit der Unterbringung im offenen Vollzug bei solchen Straftätergruppen nur äußerst zurückhaltend Gebrauch gemacht wird.97 2012a, 58 (28); 2013a, 90 (37) und 49, Tab. 7, wonach seit 2002 insgesamt 324 Verwahrte entlassen wurden (davon 174 allein im Jahr 2010 und 2011). Seit 2010 ist auch hier ein deutlicher Anstieg zu verzeichnen. 90 StrVollzSta 2015, S. 21, eigene Berechnung: insgesamt 49.097 Gefangene (wg. Freiheitsstrafe) und 508 SV; s. a. Bartsch/Baier/Wollinger, FS 2013, 84; Elz 2011, 67 ff.; Gairing et al., MschrKrim 2011, 246; Habermeyer et al., MschrKrim 2007, 317, 320 f.; Habermeyer et al.; FDN 2008, 672, 674 (insbes. Tab. 1); Habermeyer/Vohs 2012, 93; aus praktischer Sicht Kühne 2011, 392 f.; Rösch zitiert bei Kilchling, ZStW 1997, 178 f. 91 Vgl. dazu Abb. 3 bei Kinzig 2011a, 81. 92 Elz 2011, 72 f., jeweils in Dekaden für fünf aufeinander folgende Jahre. 93 StrVollzSta 2014, jeweils S. 20 f., eigene Berechnung: insgesamt 49.097 Gefangene und 508 Verwahrte. 94 StrVollzSta 2014, jeweils S. 20 f., eigene Berechnung. 95 Vgl. dazu Tabelle 1 und die Berechnung von Elz 2011, 72 f. 96 Darauf hinweisend Dünkel, FS 2008, 78; Suhling/Wischka, KrimPäd 2013, 53; ähnl. Meyer-Velde 1976, 66 f. 97 Dazu Dünkel/Fritsche, ZfStrVo 2005, 211 f.; Feest/Lesting, ZfStrVo 2005, 79 f.

117

I. Zahlenmäßige Entwicklung der Sicherungsverwahrung

e) Vorstrafen und Rückfallgefahr Die Anzahl der Vorstrafen der Verwahrten veränderte sich im Lauf der Zeit erheblich. Unter den Nationalsozialisten hatten die Sicherungsverwahrten durchschnittlich fast 14 Vorstrafen vor ihrer Verurteilung.98 Die Untersuchungen der Nachkriegsjahre ermittelten Durchschnittswerte der Anzahl an Vorstrafen zwischen 10 (dabei waren 11,2 % 1–4-mal; 58,5 % 5–12-mal vorbestraft)99 und 13,4 (23,6 % waren 5–10-mal vorbestraft)100. Die weitere Entwicklung des Umfangs an Vorstrafen stellt Tabelle 1 in 10-Jahresschritten bis zum aktuellen Stand vom 31.3.2015 anhand der StrVollzSta dar. Tabelle 1 Anzahl der Vorstrafen (in 10-Jahresschritten) Anzahl

1965

1975

1985

1995

2005

0

3 (0,3 %)

5 (1,5 %)

1 (0,5 %)

6 (3,3 %)

13 (3,7 %)

49 (9,3 %)

1

3 (0,3 %)

2 (0,6 %)

6 (3,2 %)

6 (3,3 %)

28 (8 %)

54 (10,2 %)

2

29 (3,2 %)

16 (4,7 %)

9 (4,7 %)

12 (6,6 %)

25 (7,1 %)

43 (8,1 %)

3

45 (5,0 %)

22 (6,5 %)

9 (4,7 %)

17 (9,3 %)

34 (9,7 %)

50 (9,5 %)

4

51 (5,7 %)

27 (8,0 %)

15 (7,9 %)

19 (10,4 %) 36 (10,3 %)

50 (9,5 %)

5–10

442 (49,0 %)

149 (44,2 %)

81 (42,6 %)

78 (42,6 %)

147 (42 %)

203 (38,4 %)

11–20

272 (30,2 %)

110 (32,6 %)

64 (33,7 %)

42 (23,0 %)

57 (16,3 %)

74 (13,9 %)

57 (6,3 %)

6 (1,8 %)

5 (2,6 %)

3 (1,6 %)

10 (2,9 %)

6 (1,1 %)

902

337

190

183

350

529

21+ Gesamt

2015

Quelle: StrVollzSta 1965, S. 29 und 39; 1975, S. 33 und 35; 1985, S. 27; 1994 (Band 1992–1995), S. 89; 2005, S. 15; 2015, S. 20, jeweils eigene Berechnung.101

Seit Mitte der 1990er Jahre ist eine deutliche Veränderung der Anzahl der Verwahrten mit nur einer oder nur wenigen Vorstrafen festzustellen, was man auf die herabgesetzten Anordnungsvoraussetzungen zurückführen kann. Waren es 1995 98 Exner, DJ 1943, 377; E. Schmidt, DJ 1938, 195; Sauerlandt, MonKrimBiol 1938, 308; Roesner, MonKrimBiol 1937, 43; Heinke, BlfGfk 1941/43, 25: nur ca. 2 % fünf oder mehr Vorstrafen auf; s. a. Hellmer 1961, 114: 13,8 Vorstrafen; ders. ZStW 1961, 443, 450. 99 Engelhardt 1964, 18, der 239 SV untersuchte, die sich nach 1945 bis zum 31.12.1960 in Nds. in der SV befanden; Lemberger 1962, 14 f.: durchschnittlich 11,5 Vorstrafen. 100 Schachert 1963, 23; Binnewies 1970, 131: geringerer Wert von durchschnittlich 12,4 Vorstrafen. 101 Die Gruppe der 5–10-mal Vorbestraften jeweils am Größten; zu legalbiographischen Aspekten Anfang der 1990er Jahre s. Kinzig, BewHi 1996, 37 ff.; ders., ZStW 1997, 135 ff.; aktuell Konzept JVA Schwalmstadt, S. 14 f.: Nur zwei der insgesamt 41 Verwahrten haben keine Voreintragung.

118

B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

noch insgesamt jeweils 3,3 % (n=6) der Verwahrten, die nicht bzw. einmal vorbestraft waren, stiegen diese Werte bis zum Jahre 2005 an. In diesem Jahr waren insgesamt 3,7 % (n=13) der Untergebrachten nicht und 8 % (n=28) lediglich einmal vorbestraft. Dieser Trend hat sich bis heute fortgesetzt, so dass mittlerweile (Stand 31.3.2015) jeweils 9,3 % (n=49) der Verwahrten nicht bzw. 10,2 % einmal (n=54) vorbestraft sind. Die 5–10-mal vorbestraften Verwahrten stellen den Hauptanteil im Sicherungsverwahrungsvollzug dar – im Strafvollzug sind es nur halb so viele. Dort weist zuletzt die knappe Mehrheit der Gefangenen keine Vorstrafen auf.102 Auch aus der Gutachtenstudie von Habermeyer et al. lassen sich Erkenntnisse zu den Vorstrafen entnehmen.103 Demzufolge lag die durchschnittliche Anzahl der Vorstrafen bei 224 Probanden bei 8,69; maximal waren 30 Vorstrafen zu verzeichnen. Zudem seien 92,4 % mit einem Gewalt- bzw. Sexualdelikt vor ihrer Verwahrung straffällig geworden. Bemerkenswert sind neuere Untersuchungen, welche vermuten lassen, dass die Gefahr von mit Sicherungsverwahrung bedrohten Strafgefangenen bzw. Sicherungsverwahrten überschätzt wird.104 Zwar sind bei allen diesbzgl. vorliegenden Studien relativ niedrige Fallzahlen bzw. zum Teil (sehr) knappe Legalbewährungszeiträume hinsichtlich der Aussagekraft einschränkend zu beachten.105 Dennoch weisen sie allesamt ebenso wie die aktuelle Rückfallstatistik106, auf eine deutliche Überschätzung der Gefährlichkeit ihrer Probanden hin (Stichwort: „false positives“ oder „falsch Positive“).107 102 StrVollzSta 2015, S. 18: 24,4 % (11.603) 5–10-mal vorbestrafte und 26,9 % (12.772) nicht vorbestrafte Gefangene im Jahr 2015, jeweils eigene Berechnung. 103 Habermeyer/Vohs 2012, 88. 104 Ein Überblick über Legalbewährungsstudien bei Kinzig 2012, 23 m. w. N.; Meier 2015, 370 ff.; zur Überschätzung der Gefährlichkeit s. Kinzig 2010, 161 ff.; ders., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2010, 555 ff.; bzgl. der nSV s. die „Bochumer Studie“ von Alex 2010; ders. 2013; ders., NK 2013, 357 f.; ebso. Feltes/Alex 2010, 741 ff.: Gefährlichkeit werde weit überschätzt, Gefährlichkeitsprognose sei unzureichend; J. L. Müller/Stolpmann et al., MschrKrim 2011, 254 ff.; dies., Der Nervenarzt 2013, 345; J. L. Müller/Stolpmann 2012, 117, 122; inzwischen in aktualisierter Form J. L. Müller/Stolpmann MschrKrim 2015, 37 ff. 105 Darauf und auf andere methodische Einschränkungen weisen die Studien i. d. R. selbst hin, z. B. Kinzig 2011a, 84; J. L. Müller/Stolpmann et al., Der Nervenarzt 2013, 349; krit. Endres/Breuer, FS 2011, 296. 106 Rückfallstatistik 2003, 128: In der ersten Rückfallstatistik wurden im 4-Jahreszeitraum noch 12 % der 60 aus der SV Entlassenen rückfällig und mit einer über zweijährigen Strafe belegt. Rückfallstatistik 2010, 84 ff.: In der zweiten Rückfallstatistik wurde von 16 nach positiver Prognose entlassenen SV im Zeitraum von drei Jahren hingegen nur einer schwer rückfällig. Rückfallstatistik 2013, 81, 198: „moderate Rückfallrate“ im dreijährigen Risikozeitraum von 31 % bei niedriger Personenzahl (n=29), im sechsjährigen Risikozeitraum von 17 % bei niedriger Personenzahl (n=30). Die Erhöhung hänge mit dem verlängerten Risikozeitraum zusammen. 107 Vgl. o. Teil B., Fn. 104; i. Ü. Schätzungen: Alex, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2011, 251 (Fehlerquote von 60 %–80 %); Flaig 2009, 158 f. m. w. N. (60–70 %); Kunz 2011, § 27 Rn. 18 ff. m. w. N.; Schöch, NK 2012, 53 (von 100 sind 90 zu Unrecht als hochgefährlich beurteilt); Singelnstein, ZJS 2012, 129 (Hälfte–65 %); Sprung 2009, 157 (40–56 %); zusammen-

II. Vollzugsrealität

119

Primär bei den häufig in die Verwahrung gelangenden Sexual- und Gewaltstraftätern besteht das Problem einer geringen Basisrate. D. h. schwere Sexual- und Gewaltstraftaten sind ein vergleichsweise seltenes Ereignis.108 Je geringer die Häufigkeit, mit der das zu prognostizierende Ereignis auftritt ist, desto höher ist die Gefahr, „falsch Positive“ zu produzieren.109 Damit gemeint sind Personen, die trotz einer negativen Prognose nicht rückfällig werden. Da die fälschlicherweise positiv gefährlich Prognostizierten i. d. R. (außer bspw. bei einer Erledigung110) in der Verwahrung bleiben (müssen) und ihre Ungefährlichkeit im Übrigen nicht beweisen können, bleibt dieser Fehler regelmäßig unbemerkt. Anders ausgedrückt: Im Unterschied zu dem anderen, denkbaren Prognosefehler des „falsch Negativen“, der selbstredend großes Aufsehen insbesondere der Medien nach sich zieht, interessiert dieser Fehler die Allgemeinheit nicht. Der Gesetzgeber wies im Zusammenhang mit dem SexualdelBekämpfG angesichts einer geringen Tatsachenbasis auf die Problematik treffsicherer Prognosen hin.111

II. Vollzugsrealität 1. Im Dritten Reich Den Vollzug der Sicherungsverwahrung erachtete man seit Einführung der Maßregel als ein „nicht befriedigend gelöstes Problem“.112 Es fällt auf, dass die Anfangszeit des Sicherungsverwahrungsvollzugs durchaus etwas liberaler113 gestaltet war und von den nach der VollzVO nur sehr wenig vorhandenen Vergünstigungen „weitgehend Gebrauch“ gemacht wurde, was die Häftlinge als „eine große Erleichterung der Haft“ empfunden hätten.114 Als Freizeitbeschäftigung wurden nach einer gewissen Bewährungszeit zwei Beschäftigungsarten zugelassen, z. B.

fassend Eschelbach, NJW 2010, 2500; allg. zu den Schwierigkeiten der Prognose bei der SV s. a. Eisenberg/Schlüter, NJW 2001, 188 (rechtspolitisch disponible Prognosekriterien). 108 Darunter versteht man den Anteil derjenigen, die bei ihrer hypothetischen Entlassung schwer rückfällig würden im Vergleich zur Gesamtpopulation der Verwahrten, dazu Alex 2012, 79; Ebner 2015, 214 f.; S/S-Kinzig 2014, § 66 Rn. 38; Steinhilber 2012, 129; anschaulich Kinzig 2015, 161; zur Problematik des Alters s. ders. 2008, 153; Volckart, R&P 2002, 106. 109 Dazu Meier 2010, § 7 Rn.  12; ders. 2015, 113 f. und 349; s. a. Kinzig 1996, 85 f.; ders. 2010, 145 ff.; Nedopil, NStZ 2002, 346; Volckart, R&P 2002, 108. 110 Heering/Konrad, R&P 2007, 80: nur die Chance, ihre Ungefährlichkeit über den Weg der Erledigung zu beweisen; zu daraus folgenden Problemen für die Forschung J. L. Müller/Stolpmann, MschrKrim 2015, 36. 111 BT-Drs.  13/9062, S.  9; krit. Hammerschlag/Schwarz, NStZ 1998, 322; Schöch, NJW 1998, 1261; ders. 2007, 388 f.; s. a. Alex, NK 2013, 358. 112 Sauerlandt, MonKrimBiol 1938, 318; ebso. Sieverts 1936, 595. 113 Etwa Georgi, ZStW 1936, 618: Die Würde der Verwahrten sei „nicht ohne Notwendigkeit“ herabzusetzen. 114 Mayr, BlfGfk 1936, 403; s. a. Fratzscher, BlfGfk 1937/38, 466; zum sparsamen Gebrauch von Vergünstigungen s. Schiefer, BlfGfk 1937/38, 456.

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B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

Rechnen oder Schreiben.115 Da die Pflichtarbeitszeit im Unterschied zum Strafvollzug zwei Stunden weniger betrug, wurde den Verwahrten noch „eine zweite tägliche Bewegungsstunde im Freien“ gewährt.116 Das Tragen eigener Kleidung wurde hingegen sicherheitshalber strikt abgelehnt.117 Die grds. Verweigerung von Tabak sei einem „reibungslosen Verwahrungsvollzug“ hinderlich, weshalb auch diese Vergünstigung, genauso wie im Strafvollzug, gewährt wurde.118 Angemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass Hafterleichterungen zur Disziplinierung der Inhaftierten, als „Führungs- und Fleißprämie“, eingesetzt wurden.119 Ziel der Praxis war es folglich nicht, mittels der Vergünstigungen einen Unterschied zum Vollzug der Freiheitsstrafe herzustellen.120 Letztlich setzte sich eine härtere Linie gegen die verwahrten Gewohnheitsverbrecher durch, was nicht verwundert. So forderte man, bei dieser Klientel das Gesetz unerbittlich anzuwenden, um deren verbrecherischen Willen zu brechen. Denn der „häufigste Typus des sicherungsverwahrten Gewohnheitsverbrechers“ sei geistig minderwertig, hemmungslos, energielos, amoralisch und asozial, rein egoistisch und ethisch minderwertig sowie nicht fähig aus „trüben Lebenserfahrungen“ eine Lehre zu ziehen.121 Eine individuelle Behandlung i. S. v. besonderen Vergünstigun­ gen verdiene der Verwahrte nicht, vielmehr sei eine besondere Strenge erforderlich und dem Leitgedanken der „unbedingte[n] Sicherheit“ seien „alle übrigen Pro­ bleme der SV unterzuordnen“.122 Insofern lastete nicht nur auf den Verwahrten, sondern auch auf den Bediensteten ein erhöhter Druck, „besonders sorgfältig“ auf die Sicherheit der Anstaltseinrichtungen zu achten, um somit ihrer „Verantwortung gegenüber der Volksgemeinschaft“ und den Vorgaben des Gesetzgebers (vgl. dazu § 16 VollzVO) gerecht zu werden.123 Die „ehrlich gebliebene[n] Volksgemeinschaft“ sollte nicht mehr als unbedingt notwendig finanziell belastet werden.124 Forderungen nach einem Vollzug mit Selbstverwaltung durch die Verwahrten, bei dem es „ein gewisses Vergnügen sei, darin zu leben und erzogen zu werden“, wurden als Utopie abgetan.125 Wegen der ungewissen Dauer und meistens damit 115

Schiefer, BlfGfk 1937/38, 456. Schiefer, BlfGfk 1937/38, 457. 117 Schiefer, BlfGfk 1937/38, 457; ähnl. Georgi, ZStW 1936, 618. 118 Bsp. bei Schiefer BlfGfk 1937/38, 457 119 Fratzscher, BlfGfk 1937/38, 466; ebso Schiefer, BlfGfk 1937/38, 455 bzgl. des Kautabaks. 120 Dies wird in den Äußerungen von Schiefer, BlfGfk 1937/38, 454 deutlich. 121 Schiefer, BlfGfk 1937/38, 459 f., 463; s. a. Wachsmann 2006, 128 zur mitunter anzutreffenden problematischen Einstellung der Beamten zu den Verwahrten: „Abschaum des Verbrechertums“. 122 Schiefer, BlfGfk 1937/38, 450; ebso. Fratzscher, BlfGfk 1937/38, 465; Heinke, BlfGfk 1939/40, 267 f.; Mayr, BlfGfk 1936, 403; Semler, Monatsblätter 1939, 167: „oberster Leitsatz die Sicherheit der Anstalt“. 123 Schiefer, BlfGfk 1937/38, 450 f. 124 Sauerlandt, MonKrimBiol 1938, 319; gemäßigter Georgi, ZStW 1936, 614; Mayr, MonKrimBiol 1938, 22. 125 Rietzsch, DJ 1938, 140; über „utopische Pläne“ erstaunt Sauerlandt, MonKrimBiol 1938, 319. 116

II. Vollzugsrealität

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einhergehenden vollständigen Vereinsamung der Verwahrten führe der Sicherungsverwahrungsvollzug „zwangsläufig“126 zu einer Härte für die Verwahrten: „Das Gefühl der Erleichterung, das der Strafgefangene empfindet, wenn er Tag für Tag seine Strafe zusammenschmelzen sieht, fehlt dem Verwahrten.“127 Aufgrund derselben in der Verwahrung und Strafhaft inhaftierten Täterkreise und demselben äußeren Rahmen der Freiheitsentziehung unterscheide sich die Ausgestaltung des Vollzugs nicht sonderlich von derjenigen der Strafhaft.128 Vielmehr sei der Vollzug der Sicherungsverwahrung gewollt „zuchthausmäßig“129  – von den Verwahrten würde er eher als „verschärfte Zuchthausstrafe“130 empfunden. Aus dieser „Unlogik der Sicherungsverwahrung im Vollzug“ folgte retrospektiv betrachtet häufig die Resignation der Verwahrten.131 Bereits im Jahre 1936, also drei Jahre nach der Einführung der Sicherungsverwahrung, erachtete man es als die „schwierigste Aufgabe im Vollzug der Sicherungsverwahrung“132, für den Verwahrten einen fühlbaren Unterschied zum Vollzug der Freiheitsstrafe herzustellen. Obwohl die Einzelunterbringung als sicherste Unterbringungsform erachtet wurde, war der überwiegende Teil der Verwahrten wegen explodierender Anordnungszahlen und nur wenigen Entlassungen gemeinschaftlich, vorwiegend in abgetrennten Sicherungsabteilungen der Strafanstalten, ab Dezember 1936 daneben auch in den rein zur Verwahrung bestimmten Anstalten Gräfentonna, Rendsburg und Werl, untergebracht.133 Die Trennung von den Strafgefangenen wurde mal mehr, mal weniger streng umgesetzt: Gemeinsame Gottesdienste, Kost-, Wäscheund Bibliotheksherausgaben und Nutzung von Anstaltseinrichtungen wie bspw. das Krankenhaus waren die Regel.134 Dennoch herrschte ein eher schlechteres Klima zwischen Gefangenen und Verwahrten: Es bestehe eine „Kluft“ zwischen den Ge 126

Georgi, ZStW 1936, 616; F. Weber, BlfGfk 1937/38, 442: „Sicherungsanstalt als Wartburg“; Mayr, MonKrimBiol 1936, 211 warnte daher vor „Widersetzlichkeiten oder Querulanz“; s. a. Mayer, Krim. Gegenwartsfragen 1962, 152: „Vollzug … für Verwahrte und Vollzugsbeamte gleich unerträglich ist …“; zur Vereinsamung Wachsmann 2006, 128 f.; Heinke, Monatsblätter 1939, 22. 127 Freisler wiedergegeben bei Strube, BlfGfk 1938, 303; ebso. F. Weber, BlfGfk 1937/38, 442 f., treffend Exner zitiert bei Wingler, BlfGfk 1938, 310,: „Es gibt nirgends mehr Hoffnung und Verzweiflung als in diesem Haus.“ 128 Exner, DJ 1934, 1403: SV könne sich nicht unterscheiden; Fiselius 1945, 122; Mayr, MonKrimBiol 1938, 22; Sauerlandt, MonKrimBiol 1938, 319 ff.; Schafheutle/Hauptvogel 1936, 597 f., 604 f. 129 Exner zitiert bei Wingler, BlfGfk 1938, 310; ähnl. Georgi, ZStW 1936, 617. 130 C. Müller 1997, 85, ähnl. Hellmer 1961, 360 f., jeweils mit konkreten Verwahrten-Bspen; ebso. F. Weber, BlfGfk 1937/38, 441, Wachsmann 2006, 131 f., demzufolge härter „bestraft“ wurde als im Zuchthaus. 131 Hellmer 1961, 356, 360; Wachsmann 2006, 133 spricht schärfer von einem „geistigem Zusammenbruch“. 132 Georgi, ZStW 1936, 617. 133 Schiefer, BlfGfk 1937/38, 449: ¼ in Zellenhaft, ¾ in Gemeinschaftshaft; dazu auch Georgi, ZStW 1936, 615 f.; Hellmer 1961, 339; vgl. die Auflistung des RJM: Gefängniswesen in Deutschland 1935, 35 ff.; ebso. Möhler 1996, 71; Wachsmann 2006, 127. 134 Mayr, MonKrimBiol 1936, 209; Schiefer, BlfGfk 1937/38, 452.

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B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

fangenen, die „mit Gewohnheits- und Berufsverbrechern nicht auf eine Stufe gestellt sein wollen“ und den Verwahrten, welche ihrer eigenen Meinung nach Anspruch auf bevorzugte Behandlung hätten.135 Die Beschäftigung der Verwahrten erachtete man als eines der wichtigsten Hilfsmittel des Vollzugs, um sie von inneren Spannungen abzulenken und den Alltag in geordnete Bahnen zu lenken.136 Im Großen und Ganzen fehlten aber genügend Arbeitsmöglichkeiten. Zudem waren die Verwahrten oft nicht oder schlecht ausgebildet. Ihr Gesundheitszustand war schlecht bzw. sie waren insgesamt arbeitsunfähig.137 Alles änderte sich mit dem Krieg, währenddessen die meisten Verwahrten körperlich sehr hart arbeiten mussten.138 Ab 1942 wurden sie vermehrt in Konzentrationslager überstellt.139 Zusammenfassend war der Vollzug der Sicherungsverwahrung unter den Nationalsozialisten einerseits von einem erhöhten Sicherheitsdenken und andererseits von einem großen Leidensdruck der Verwahrten geprägt.140 Der Trennungsgedanke wurde nicht konsequent durchgezogen und eine (individuelle) Behandlung des Einzelnen – nicht zuletzt, weil man von den in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten das Bild eines minderwertigen Menschen hatte – abgelehnt, so dass viele Verwahrte die Sicherungsverwahrung schlimmer als die Strafhaft empfanden. Letztlich kann der Sicherungsverwahrungsvollzug damit als folgenschwerste Freiheitsentziehung im Dritten Reich bezeichnet werden, die mit der Überführung der Verwahrten in die Konzentrationslager völlig entartete. 2. Nach dem Zweiten Weltkrieg Im Jahre 1953 stellte das BVerfG eher beiläufig fest, dass der Vollzug der Sicherungsverwahrung demjenigen der Zuchthausstrafe „in der Tat weitgehend entspricht“.141 Ob tatsächlich kein wesentlicher Unterschied zum Strafvollzug festzustellen sei, wollte Geisler, der sich im dritten Teil seiner 1967 veröffentlichten Untersuchung mit dem Alltag im Sicherungsverwahrungsvollzug beschäftigte, mit seinen Besuchen der JVA Straubing und Verwahranstalt (Anstalt VIII) Ham-

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Schiefer, BlfGfk 1937/38, 452: Mayr, BlfGfk 1936, 404; F. Weber, BlfGfk 1937/38, 446 f. Freisler bei Strube, BlfGfk 1938, 303; Fratzscher, BlfGfk 1937/38, 466; Hildebrandt, BlfGfk 1937/38, 427; Schiefer, BlfGfk 1937/38, 458; F. Weber, BlfGfk 1937/38, 442. 137 Schiefer, BlfGfk 1937/38, 458 (25 %); Mayr, BlfGfk 1936, 404 (nur 5 %); zu mangelnden Beschäftigungsmöglichkeiten C. Müller 1997, 82; Wachsmann 2006, 132 f. 138 Vgl. dazu Hellmer 1961, 350, insbes. Fn. 27 zur belastenden Arbeit im Moorlager. 139 Zur Abgabe der Verwahrten an die KZ’s vgl. Kárný 1983, 133 ff.; Wachsmann 2006, 314 ff.; Hellmer 1961, 372 vermutete, dass neben der „kriminellen Karriere“ die Persönlichkeit sowie geistige und politische Haltung ausschlaggebend für die Überführung ins KZ gewesen sein könnten. 140 Hellmer 1961, 356, 357: „Seelenqualen“; „Hölle auf der Welt“. 141 BVerfGE 2, 118; ebso. Blau GA 1959, 143; ähnl. Hellmer 1961, 359. 136

II. Vollzugsrealität

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burg-Fuhlsbüttel im Jahre 1962 herausfinden.142 Dabei führte er mehrere Befragungen sowohl der Verwahrten als auch des Personals durch und beobachtete den Vollzugsalltag. Typischerweise werde die Sicherungsverwahrung in geschlossenen Anstalten mit einem hohen Sicherheitsgrad vollzogen, wobei „der gefährlichste Insasse, ohne Rücksicht auf sogenannte harmlose Gefangene, das Ausmaß der Sicherheitseinrichtungen in den Anstalten“ bestimme.143 Sicherheit und Ordnung seien auch die Gründe für weniger Freiheiten innerhalb der Anstalt gewesen.144 Zwar würden die Vorschriften zur Ausgestaltung der eigenen Zelle nicht streng gehandhabt, so dass es den Verwahrten möglich gewesen sei, ihre Zelle individuell einzurichten. Dies habe jedoch mit kleineren Einschränkungen für Strafgefangene ebenfalls gegolten.145 Zum Gemütszustand der Inhaftierten nahm Geisler nicht direkt Stellung, merkte aber i. R. d. Kontakts mit der Außenwelt an, dass die meisten ohnehin „vereinsamt“ seien bzw. „keinerlei Kontakt mehr zu Angehörigen oder Freunden“ hätten.146 In der reinen Verwahrungsanstalt Hamburg (Belegungsfähigkeit von 96 Insassen, wobei am 1.6.1964 die Anstalt mit 132 Verwahrten deutlich überbelegt war) seien die Arbeitsmöglichkeiten schlechter als bei Zuchthausgefangenen.147 In Straubing (Anstalt für über 1000 Gefangene, davon am 17.8.1964 insgesamt 145 Sicherungsverwahrte) sei es „grundsätzlich möglich, jeden Gefangenen seiner Leistungskraft und Fähigkeit entsprechend sinnvoll und produktiv einzusetzen“.148Allerdings fehle eine Trennung, weil die Verwahrten dort mit den Strafgefangenen zusammen arbeiteten. Ähnlich unterschiedliche Verhältnisse habe es beim Freizeitangebot gegeben. Aus seinen Beobachtungen schloss er, dass den Verwahrten nur in sehr bescheidenem Maße besondere Vergünstigungen oder Rechte im Vergleich zu den Gefangenen zu Teil  würde. Sein Ergebnis: Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung unterschieden sich in der Praxis nicht wesentlich voneinander. Wenn, dann gebe es nur Unterschiede in Einzelheiten oder aufgrund unterschiedlicher Führungsstile der Anstaltsleiter.149 Geisler forderte daher eine Neuordnung des Sicherungsverwahrungsvollzugs sowie vom Strafvollzug getrennte Anstalten, um die geforderten Vergünstigungen praktisch umsetzen zu können.150 142

Geisler 1967, 24, der daneben die englische Anstalt in Parkhurst/Isle of Wight besuchte; zur Praxis in dieser Anstalt daneben Eßig 1964. 143 Meyer-Velde 1969, 62; ebso. Geisler 1967, 186. 144 Geisler 1967, 154 ff., 165; ebso. Eßig 1964, 56; Neu 1976, 175 m. w. N.; s. aber MeyerVelde 1969, 62. Geisler 1967, 158. 145 Geisler 1967, 155; s. a. Eßig 1964, 57. 146 Geisler 1967, 157, 164; Eßig 1964, 58; zur Reformbedürftigkeit Bieler 1968, 80 ff. 147 Geisler 1967, 152; zur Arbeitspraxis in Hamburg ebso. Eßig 1964, 32 ff., 40 ff. 148 Geisler 1967, 162 f.: Fehlende Trennung werde bei der Bezahlung deutlich; s. a. Binnewies 1970, 149. 149 Geisler 1967, 154, 158, 164, 167, 189; Meyer-Velde 1976, 67 warnte davor, „die Unzuläng­ lichkeiten dieser ‚Maßnahme der Besserung und Sicherung‘ und ihr Versagen … dem jeweiligen Anstaltsleiter allein“ anzulasten. 150 Geisler 1967, 200 f.

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B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

Nach dem Zweiten Weltkrieg lieferten Schachert und Binnewies lediglich Teilberichte. Deren Untersuchungen betrafen den Sicherungsverwahrungsvollzug in Niedersachsen.151 Beachtenswert daran ist die Feststellung beider, dass sich ein großer Prozentsatz der Sicherungsverwahrten jahrelang beanstandungsfrei im Vollzug verhalten habe.152 Den Vollzug der Sicherungsverwahrung in Hessen stellten Krebs im Jahre 1966 sowie einige Zeit später im Jahre 1976 Meyer-Velde vor.153 Primär ging Krebs der Frage nach, wie der Verwahrte die Sicherungsverwahrung im Unterschied zur schuldabhängigen Freiheitsstrafe annehme. Er meinte, der Verwahrte stehe unter enormer psychologischer Belastung und lehne „unter allen Umständen die ‚doppelte Strafe‘ der ‚Maßregeln‘ ab, er ist nicht in der Lage, sich ihr innerlich zu fügen.“154 Die Verwahrten – so ähnlich lautende Äußerungen Meyer-Veldes – empfänden die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe mit anschließender Sicherungsverwahrung als „Rucksack mit Hammer“.155 Im Vollzug beobachteten die Bediensteten die fehlende Bereitschaft der Untergebrachten, die Sicherungsverwahrung anzuerkennen, vielmehr sei ein innerer Widerstand und eine Verschlechterung der Gesamtatmosphäre in der Anstalt über die Jahre hinweg zu spüren.156 Besonders in den ersten Monaten der Verwahrung resignierten viele. Schachert berichtete von Arbeitsverweigerung, Selbstverstümmelung und Suizidversuchen vorwiegend in der ersten Zeit und anschließenden Depressionen, die „aus der Erkenntnis der Lage“ resultierten.157 Hellmer und Mayer konnten psychischen Auffälligkeiten der Sicherungsverwahrten feststellen, welche überwiegend willensschwache Personen seien.158 Die Verwahrten wüssten genau, „daß ihre Führung in der Anstalt von entscheidender Bedeutung für ihre Entlassung sein“ könne.159 Hinsichtlich deren Einstellung war sich die Praxis nämlich einig: Im „Alltag der Freiheitsentziehung [könne] wohl vom Gefangenen Einsicht in seine Schuld, kaum aber vom Verwahrten Einsicht in seine Gefährlichkeit erwartet werden“.160 Man dürfe nicht den Fehler begehen, aus diesem 151 Schachert 1963 (Sicherungsanstalten Celle und Hameln); Binnewies 1970 (Sicherungsanstalt Celle). 152 Binnewies 1970, 159 kam aufgrund einer Auswertung von 123 Gefangenenakten zum Ergebnis, dass bei 86,7 % der Verwahrten in Celle das Verhalten in der Anstalt über mehrere Jahre beanstandungsfrei gewesen sei. Schachert 1963, 104: Mehrzahl habe sich „unauffällig und zufriedenstellend geführt“. 153 Krebs 1966; ders. 1974; ergänzt durch Meyer-Velde 1969, 63 f.; ders. 1976, 65 ff. 154 Krebs 1966, 632, 642, 652; ebso. Rudolph, ZfStrVo 1966, 35; zur Belastung Meyer-Velde 1969, 61. 155 Meyer-Velde 1976, 65; Kinzig, ZStW 1997, 122: „Hammer mit Rucksack“ als Knast­ jargon. 156 Krebs 1966, 647; ähnl. zur ablehnenden Einstellung Schachert 1963, 107. 157 Schachert 1963, 104; zur Resignation vieler SV vgl. Krebs 1974, 123. 158 Krebs 1974, 125: „Der Kern der Menschen im Freiheitsentzug dieser Art faule“; s. a., Hellmer, ZStW 1961, 441; ähnl. Mayer, Krim Gegenwartsfragen 1962, 137 ff.; später Habermeyer/Saß, Der Nervenarzt 2004, 1063. 159 Binnewies 1970, 157; s. a. Kinzig 1996, 427; ders., ZStW 1997, 155; Brandt 2008, 215 ff. 160 Krebs 1974, 123; ähnl. Rudolph, ZfStrVo 1966, 35 f.

II. Vollzugsrealität

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„einwandfreien Anstaltsverhalten der Verwahrten auf eine eingetretene Besserung, eine charakterliche Festigung und innere Wandlung zu schließen“.161 Ferner würden die anfangs von den Verwahrten noch gewürdigten Lockerungen schnell als selbstverständlich erachtet.162 Vergünstigungen, die den Verwahrten ggü. den Zuchthausgefangenen gewährt wurden, waren bspw. tagsüber geöffnete Zellen, Bewegungsfreiheit nach Innen und Besuchsmöglichkeiten der anderen Verwahrten.163 Urlaub hingegen wurde aus Sicherheitsgründen nicht gewährt.164 Daneben beschränkten sich die Bemühungen vorwiegend auf die Arbeit in der Anstalt, welche regelmäßig zusammen mit den Strafgefangenen verrichtet wurde, sowie auf gewisse Anstrengungen, vor der Entlassung einen Arbeitsplatz und Unterkunft zu finden.165 Das zum Teil hohe Alter und die damit verbundene Arbeitsunfähigkeit wurden problematisiert.166 Krebs wagte darüber hinaus einen Blick auf die „Öffentlichkeit und SV“, wobei er dieses Verhältnis mit den folgenden Worten umschrieb: „… gekennzeichnet durch völlige Ablehnung des aus der SV-Anstalt kommenden Personenkreises.“167 Er sah es als Aufgabe der Behörden, Parlamente und Massenmedien, diese Auffassung zu verändern. Dies müsse umso mehr gelten, als Krebs aus den Personalakten der in Ziegenhain Verwahrten entnommen hatte, dass neben der öffentlichen Ausgrenzung und den Eingliederungsschwierigkeiten ohnehin nur sehr geringe familiäre Bindungen bestünden.168 Die Besuchszeiten und der Kontakt mit der Außenwelt unterlagen unterschiedlichen Begrenzungen, was möglich war, da die DVollzO keine bestimmte Besuchsfrist und -dauer festlegte.169 So durften die Verwahrten teils genauso viel, teils häufiger und länger Besuch empfangen als die Zuchthausgefangenen. Mancherorts unterlagen nur die Briefe an den Verteidiger der Zensur, anderenorts „die abgehenden Briefe“.170 Nicht gelungen sei es, „erhebliche Unterschiede zum Vollzug der Freiheitsstrafe herauszuarbeiten“. Vielmehr seien die Vollzugsformen „einander ähnlich, ja gleich“.171 Die Verwahrung sei „eine Strafe ohne Ende gewesen“, was nicht nur die Sicherungsverwahrten selbst, sondern gleichermaßen die Bediensteten an ihrer Arbeit in der Sicherungsverwahrung zweifeln ließ, die keinem ein ganzes Be 161

Binnewies 1970, 158 bezeichnet einen solchen Schluss sogar als „abwegig“. Krebs 1974, 125; ders. 1966, 642. 163 Binnewies 1970, 148 f.: „gewisse Vergünstigungen“; Schachert 1963, 101: nur begrenzt vorhandene Lockerungen; Krebs 1966, 642; ders. 1974, 125; Meyer-Velde 1969, 63; Neu 1976, 171 ff.. 164 Eßig 1964, 59 für die Sicherungsanstalt Fuhlsbüttel; dagegen Meyer-Velde 1969, 67. 165 Binnewies 1970, 148. 166 Krebs 1966. 643 ff.; s. a. Schachert 1963, 101. 167 Krebs 1966, 650 ff.; ders. 1974, 124. 168 Krebs 1966, 643; Rudolph, DRiZ 1956, 176: 50 % seien ohne jede familiäre oder sonstige Bindung. 169 Eßig 1964, 58. 170 Binnewies 1970, 149; s. a. Geisler 1967. 171 Krebs 1966, 629 ff. 162

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B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

rufsleben lang zugemutet werden könne.172 Meyer-Velde empfand die personelle Situation des Vollzugs als „die große Unzulänglichkeit“.173 So habe es in Ziegenhain bspw. nur einen Sozialarbeiter, aber keinen Psychologen oder einen dringend erforderlichen Psychiater gegeben. Krebs und Meyer-Velde erkannten zudem die vielfachen Grenzen, die das „Finanzproblem der Länder“ in organisatorischer, technischer und personeller Hinsicht setzte.174 Dennoch mehrten sich, anders als noch unter den Nationalsozialisten, die Forderungen, der Allgemeinheit höhere Kosten zuzumuten, da schließlich ein „Mensch, der gesühnt hat, wegen der von ihm ausgehenden Gefahr für die Allgemeinheit seine Freiheit opfert“.175 Aus der Äußerung Meyer-Veldes, dass aus der „Sicherungsverwahrungsanstalt“ eine „Sicherungsbehandlungsanstalt“ werden solle,176 kann man schließen, dass zwar ein Bedürfnis eines Resozialisierungs- und Behandlungsvollzugs in Ansätzen erkannt, aber noch nicht in der Praxis angekommen war. In der Zeit nach Einführung des StVollzG und Mitte der 1990er Jahre gab es keine nennenswerten Untersuchungen bzw. Berichte zu den tatsächlichen Bedingungen des Sicherungsverwahrungsvollzugs. Bezeichnend für die Lage der empirischen Forschung zum Vollzug der Sicherungsverwahrung bis dahin war, dass für die Notwendigkeit einer solchen Forschung im Strafvollzug streitende Wissenschaftler wie Dünkel, die Notwendigkeit für die Sicherungsverwahrung nicht problematisierten.177 Lediglich Kinzig merkte in seiner schwerpunktmäßig die Anordnung und Vollstreckung betreffenden Untersuchung von 1996 an, dass sich der dogmatische Unterschied zwischen Maßregel und Strafe nicht in der Art und Weise des Vollzugs fortsetze.178 3. Seit Beginn des 21. Jahrhunderts Die Sicherungsverwahrung rückte nunmehr in das Interesse der empirischen Forschung, wobei der Fokus nicht auf dem Vollzug, sondern auf ihrer Handhabung i. R. d. Anordnung und Vollstreckung sowie der Gefährlichkeit und Rückfälligkeit der Verwahrten lag.179

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Schachert 1963, 107; ebso. Krebs 1974, 123. Meyer-Velde 1976, 69, der auch auf eine unzureichende Ausbildung eingeht; s. a. Neu 1976, 171. 174 Krebs 1974, 124; Meyer-Velde 1976, 66; für die 1990er Jahre krit. Boetticher, MschrKrim 1998, 354 f. 175 J. Baumann, MschrKrim 1964, 59; dem folgend Geisler 1967, 149. 176 Meyer-Velde 1976, 70. 177 Dünkel 1996, 85 ff. 178 Kinzig 1996, 121. 179 Allen voran Kinzig 1996; ders., BewHi 1996, 31 ff.; ZfStrVo 1997, 286 ff.; ders., ZStW 1997, 122 ff.; ders. 2010; zur Rückfälligkeit und Rückfallgefahr vgl. Harrendorf 2007, 243 f.; ders., JR 2008, 6 ff.; J. L. Müller/Stolpmann, MschrKrim 2015, 36. 173

II. Vollzugsrealität

127

Erst über 30 Jahre nach den letzten umfassende(re)n empirischen Bemühungen zum Vollzug der Sicherungsverwahrung startete das Strafvollzugsarchiv zu Beginn des 21. Jahrhunderts zur Vorbereitung des Besuchs des Europäischen Komitees zur Verhütung von Folter und unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe (Anti-Folter-Komitee, CPT) eine Umfrage bei den Justizministerien sowie eine Befragung fünf Sicherungsverwahrter zur Vollzugs­praxis.180 Anknüpfend an Art. 3 EMRK181 besucht(e) das zum Europarat gehörende CPT seit 1991 deutsche Einrichtungen des Freiheitsentzugs, im Jahr 2005 erstmals eine Abteilung des Sicherungsverwahrungsvollzugs. Anzumerken ist, dass die Berichte hinsichtlich der konkret betroffenen Anzahl von Verwahrten durchweg ungenau sind. Außerdem ist bei der Bewertung der Befunde einschränkend zu berücksichtigen, dass es sich nicht um eine systematische Bestandsaufnahme des europäischen, geschweige denn deutschen Vollzugs, sondern um Stichproben handelte.182 Dennoch liefern die Berichte des CPT hilfreiche Erkenntnisse zur Vollzugswirklichkeit, die aufgrund der wenigen umfassenden systematischen Untersuchungen von nicht zu vernachlässigender Bedeutung sind.183 Ergänzt werden die Befragung und im Zusammenhang mit dem CPT-Besuch stehenden Veröffentlichungen durch Erfahrungsberichte aus einzelnen Anstalten bzw. Untersuchungen, die nur am Rande den Vollzug betreffen. Einen Wendepunkt in der Forschung stellt die Untersuchung von Bartsch aus dem Jahre 2010 dar, welche erstmals zentral die Lebensbedingungen der Verwahrten und die Vollzugspraxis der Sicherungsverwahrung sowie die Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben, insbesondere des Abstandsgebots aus dem Jahr 2004, erörterte.184 Die Untersuchung gliedert sich in zwei Abschnitte, wobei als erstes eine schriftliche Befragung aller Justizverwaltungen (n=16) und Anstaltsleitungen der für den Vollzug der Sicherungsverwahrung zuständigen Anstalten (n=14) erfolgte. Danach führte der Autor Befragungen mit unterschiedlichen Personen durch: Er interviewte Anstaltsleiter und vergleichbare Bedienstete in Leitungsposition (n=11), Seelsorger (n=6) und Psychologen (n=8) sowie sonstige Bedienstete (n=10) und Sicherungsverwahrte (n=40).185 180

Die Ergebnisse der Befragung bei AK-StVollzG-Feest/Köhne 2006, vor § 129 Rn.  6 und 9–14. 181 Art. 3 EMRK: „Niemand darf gefoltert, unmenschlich oder auf erniedrigende Weise behandelt und bestraft werden.“ Zu den Aufgaben und Arbeitsweisen des CPT s. Pfäfflin, R&P 2005, 24 ff.; J. Schmidt, FS 2008, 120 f. 182 Kritik insofern von Knauer, NK 2014, 171. 183 Ende 2005 besuchte das CPT die Abteilung für SV in der JVA Tegel, dazu Pollähne, R&P 2007, 128; MK-Ullenbruch/Drenkhahn/Morgenstern, § 66 Rn.  22 f.; der Folgebesuch („Follow-Up“) erfolgte in der JVA Freiburg, Burg und Schwäbisch-Gmünd Ende 2010; der erneute und vorerst letzte Besuch fand Ende 2013 in der JVA Diez, Frankfurt am Main III und Freiburg sowie der SothA Hohenasperg statt, dazu ausführl. Teil D. 184 Bartsch, 2010, 139 f.; ders. 2011, 292 f.; ders., ZIS 2008, 282. Die Bedeutung der Untersuchung lässt sich daran ablesen, dass fast ausschließlich sie vom BVerfG zur Darstellung der SV-Praxis zu Rate gezogen wurde: BVerfGE 128, 385 ff. 185 Zur Methodik ausführl. Bartsch 2010, 140 ff.; ders., BewHi 2007, 403 f.; ders., ZIS 2008, 282 f.

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B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

Aktuellen Datums ist ein Projekt der KrimZ, durchgeführt von Elz und in der Folge von Mandera zu den nach dem EGMR-Urteil (potentiell) von der Entlassung betroffenen „Altfällen“, welche in unterschiedlichem Umfang Rückschlüsse auf den bisherigen Vollzug der Verwahrung zulassen.186 Die mit dem EGMR-Urteil und damit zwar keinesfalls automatisch, aber dennoch einhergehenden Entlassungen eröffnete die Möglichkeit eines „natürlichen Experiments“.187 Die Auswertung, in welcher der Fokus vorwiegend auf der Phase und den Gründen der Entlassungen lag, enthält einen beachtlichen Teil mit dem Titel „Probanden im Vollzug“. Dieser betrifft sowohl den vorausgehenden Straf- als auch den Sicherungsverwahrungsvollzug.188 Elz analysierte angeregt von der Forderung des BVerfG nach einer freiheitsorientierten und therapiegerichteten Ausgestaltung des Vollzugs die GPAen danach, inwiefern die vom EGMR-Urteil betroffenen „Altfälle“ im Vollzug der Verwahrung therapeutisch behandelt wurden und Vollzugslockerungen erhielten.189 Daneben steht eine Studie der KrimZ zum „Vollzug der Sicherungsverwahrung und der vorgelagerten Freiheits- und Jugendstrafe“. Diese Studie soll die seit dem 1.6.2013 in Kraft getretenen Landesgesetze mit einbeziehen, eine bisher unveröffentlichte Erhebung wurde zum Stichtag des 31.3.2014 erstmals durchgeführt.190 a) Unterbringungssituation Bei der Befragung durch das Strafvollzugsarchiv gaben lediglich sechs Bundesländer an, eigene Sicherungsverwahrungsabteilungen in verschiedenen JVAen eingerichtet zu haben, wobei dort die Trennung von den Strafgefangenen nicht konsequent durchgezogen werde.191 Zwar habe man eine räumliche Trennung vorgenommen, die Abteilungen der Verwahrten bildeten aber keine „selbstständige 186 Elz 2014; ergänzt mit der Untersuchung Manderas 2014, welche in erster Linie Bewährungshelfer befragte, die ehemalige SV während der FA betreuten. Der Untersuchung von Mandera 2014 lagen weniger Probanden zugrunde (vgl. Mandera 2014, 26; Elz, FS 2014, 397). Abgefragt wurde von Mandera neben dem Übergangsmanagement und der laufenden Betreuung auch die tatsächliche Lebenssituation der betroffenen Personen und eventuelle Weisungsverstöße bzw. erneute Straftaten. Nicht hingegen handelt es sich dabei um eine Rückfallunter­ suchung, da der Beobachtungszeitraum zu kurz war und sich die Entlassungsphase hinzog, vgl. dazu Elz, FS 2014, 400; zur Anlage und Fragestellung des Forschungsprojekts Mandera 2014, 25 f. 187 Elz, FS 2014, 397: Die „Gelegenheit für ein natürliches Experiment“ genützt. 188 Insgesamt umfasste die Untersuchung letztlich 84 Probanden, was bezogen auf das Jahr 2010 immerhin rund 16 % aller Untergebrachten ausmachte. Analysiert wurden die GPAen von 84 Sicherungsverwahrten mit erstmaliger Anordnung der SV vor der Entfristung im Jahr 1998, die bei Rechtskraft des EGMR-Urt. (10.5.2010) untergebracht waren und bei denen die Zehnjahresfrist spätestens am 31.12.2010 abgelaufen war. Näheres dazu Elz 2014, 105 ff., 306. 189 Elz 2014, 131 (zur Behandlung i. S. v. § 66 c StGB); dies., FS 2014, 397 (zu Lockerungen). 190 S. dazu den Tätigkeitsbericht der KrimZ 2014, S. 18. 191 AK-StVollzG-Feest/Köhne 2006, vor § 129 Rn. 9; zur Bedeutung des Trennungsgebots s. a. Sturm 2010, 123.

II. Vollzugsrealität

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Einheit“192 mit getrennten Zugängen oder einem eigenen Abteilungsleiter. In den übrigen Ländern (mit Ausnahme von Bremen und dem Saarland) wurden die Verwahrten entgegen § 140 Abs. 1 StVollzG zusammen mit Strafgefangenen untergebracht. Eine strikte Trennung von Strafgefangenen sei allein aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich.193 Außerdem dürfe „der resozialisierende Nutzen“ das Bedürfnis nach einer gänzlichen Trennung beider Gruppen deutlich überwiegen.194 Problematisch sei die Furcht der Verwahrten, ihre (restlichen) sozialen Kontakte zu anderen Strafgefangenen zu verlieren bzw. die fehlende Bereitschaft, (nur) mit anderen Verwahrten untergebracht zu werden. Nach einiger Zeit habe sich in der Sicherungsverwahrungsabteilung für die Vollzugsseite ein großes Konfliktpotential gezeigt.195 Auffallend ist, dass das CPT in seinem Bericht zum ersten Besuch 2005 die „materiellen Bedingungen“, womit v. a. die räumlichen Gegebenheiten gemeint waren, lobend hervorhob.196 Die Bediensteten einschließlich der Anstaltsleitung empfänden die getrennte Unterbringung als „kontraproduktiv“.197 Nach dem Folgebesuch im Herbst 2010 stellte das CPT weiter fest, dass die Mehrheit der Insassen die Angebote, Räume und den Freigang aufgrund anhaltender Streitigkeiten mit der Anstaltsleitung nicht nutzten.198 Nicht unerwähnt soll die dazu von der Bundesregierung zwei Jahre nach dem Besuch abgegebene Stellungnahme bleiben, weil sie die Ansicht der Bundesländer bzw. der Vollzugsseite wiedergibt.199 Als besonders nachteilig hob bspw. Hamburg die eingeschränkten Kontaktmöglichkeiten der Verwahrten mit anderen Gefangenen hervor.200 Es finde jedoch i. d. R. keine vollständige Trennung von Gefangenen statt, so z. B. bei Freizeitveranstaltungen, Hofgang, Arbeit oder aus behandlerischen Gründen. Aus Sicht der meisten Bundesländer trage die getrennte Unterbringung aber dem „Abstandsgebot zwischen dem allgemeinen Strafvollzug und dem Vollzug der Sicherungsverwahrung Rechnung“.201 Die Stellungnahme betonte nicht nur in diesem Zusammenhang die Schwierigkeiten im Umgang mit Verwahrten, welche vorwiegend daraus resultierten, dass es sich bei dieser Gruppe nur im rechtlichen Sinne um eine einheitliche handle.202 192

Fennel 2006, 261 (JVA Schwalmstadt). Karras, FS 2010, 141: Umzug habe sogar „in gerichtlichen Verfahren durchgesetzt werden“ müssen. 194 Karras, FS 2010, 139 f., wobei es sich bei der abgetrennten Station nur um „eine vorläufige Lösung handle“. 195 Karras, FS 2010, 139 f.: „Zusammenballung von Verhaltensstörungen ihrer Insassen“. 196 CPT/Inf (2007) 18 bzw. CPT (2006) 36, S. 42 Rn. 94 f. 197 CPT/Inf (2007) 18 bzw. CPT (2006) 36, S. 44 Rn. 101. And. die Äußerungen einiger Verwahrter ggü. Bartsch 2010, 195: Trennung sei „unsinnig“ und „in dieser Form idiotisch“. 198 CPT/Inf (2007) 18 bzw. CPT (2006) 36, S. 44 Rn. 101. 199 Stellungnahme BReg 2007, S. 47 f.: „kohärentes Behandlungskonzept“ werde erarbeitet. 200 Stellungnahme BReg 2007, S. 54. 201 Stellungnahme BReg 2007, S. 54. 202 Stellungnahme BReg 2007, S. 47 f., 55; ebso. Gorzel/Lefering, FS 2010, 137 (JVA Freiburg). 193

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B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

Untergebracht waren die Sicherungsverwahrten im Befragungszeitpunkt der Untersuchung von Bartsch allesamt in Hochsicherheitsanstalten mit der Sicherheitsstufe 1, wobei die Maßregel in der großen Mehrheit der Fälle entweder in einem eigenen Haus (in zwei Fällen) oder (vorwiegend) in vom Strafvollzug durch Gitter und Türen abgetrennten Teilen (in sieben Fällen) vollzogen wurde.203 Immerhin in fünf Anstalten wurden die Verwahrten contra legem in die Strafhaft eingegliedert, was mit sehr geringen Verwahrtenzahlen oder der Unerfahrenheit mit der Sicherungsverwahrung in den neuen Bundesländern in Zusammenhang zu bringen sei.204 Bartsch griff zudem einen von Geisler eruierten Aspekt auf: Der fehlende Abstand zwischen den Vollzugsformen liege in der praktisch nicht durchgehaltenen Trennung.205 Z. B. werde in allen Anstalten zusammen mit Strafgefangenen gearbeitet und in elf der 14 befragten Anstalten finde der Aufenthalt im Freien ebenfalls gemeinsam statt. Mit den Worten eines Anstaltsleiters ausgedrückt: Trennung und Besserstellung seien die „zwei Seiten derselben Medaille“  – je mehr man trennt, je mehr Vergünstigungen könne man im Bereich der Haftraumausstattung gewähren, wobei ein nahezu gleichwertiges Niveau des Strafvollzugs zum Sicherungsverwahrungsvollzug mit der erhöhte Sicherheitsstufe kaum noch Raum für einen Abstand ließe.206 So seien die tatsächlichen Bedingungen (Räumlichkeiten und Sicherheitsstufen) und die sich wegen des finanziellen Aufwands oft quer stellenden Landesjustizverwaltungen verantwortlich dafür, dass von dem in § 131 S. 2 StVollzG aufgestellten Grundsatz, den persönlichen Bedürfnissen „nach Möglichkeit Rechnung zu tragen“ in der Realität nicht viel übrig bleibe.207 Die eng begrenzten oder kaum vorhandenen Privilegien hätten oft keinen Vorteil für den Verwahrten: Das Abstandsgebot werde in Bezug auf die Ausstattung des Haftraumes eng und formal ausgelegt.208 Große Unterschiede seien in den räumlich-baulichen „Haftbedingungen“ zu konstatieren: In den getrennten Sicherungsverwahrungs-Abteilungen herrsche ein „Wohngruppen-Charakter“209, wohingegen die im normalen Vollzug Untergebrachten die viel schlechtere Karte gezogen hätten. Diese verbrächten oft den ganzen Tag nur auf ihrer Zelle.210 Teilweise vorhandene Besserstellungen der Verwahrten ggü. den Strafgefangenen verhinderten jedoch nicht, dass die Situation 203

Bartsch 2010, 185; Schaubild 3 bei Bartsch, ZIS 2008, 291; ebso. Kühne 2011, 389 f., 401 (JVA Celle). 204 Bartsch 2010, 194; ders. 2011, 295. 205 Geisler 1967, 189, 201; s. a. Bartsch 2010, 278. 206 Bartsch 2010, 278; auf die Problematik ebso. hinweisend Rösch, ZfStrVo 2004, 133 (JVA Freiburg). 207 Einerseits in diesem Zusammenhang zur Ablehnung von Angeboten angeführten finanziellen Aspekten s. Bartsch 2011, 298; ebso. Bartsch/Kreuzer, StV 2009, 56. Andererseits zu ebso. vorhandenen Anstrengungen, das Abstandsgebot umzusetzen Bartsch, ZIS 2008, 293, insbes. Schaubild 9. 208 Bartsch 2010, 259 ff.; s. a. Milde 2006, 93. 209 Kinzig 2010, 311: noch am ehesten bessere Haftbedingungen; zurückhaltend Endres/ Breuer, FS 2011, 294. 210 AK-StVollzG-Feest/Köhne 2006, vor § 129 Rn. 10.

II. Vollzugsrealität

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„objektiv wie subjektiv schlecht sei“, weil es keine realistische Aussicht auf eine Entlassung gebe.211 Die rückwirkende Aufhebung der Zehnjahresfrist habe dies noch verstärkt.212 Ähnliches hatte Schönberger in ihrer Untersuchung aus dem Jahre 1998 festgestellt, in der sie u. a. sechs qualitative Interviews mit Berliner Sicherungsverwahrten zum Alltag im Sicherungsverwahrungsvollzug und der Einstellung der Verwahrten zu ihrer Unterbringung führte.213 Zwei der Verwahrten empfanden die Verwahrung als zusätzliche Bestrafung, die Sicherungsverwahrung sei eine „Farce …, da der Vollzug von Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung als Einheit“ zu sehen sei.214 Es gebe keinen Unterschied zwischen Straf- und Sicherungsverwahrungsvollzug. Aufgrund desselben Personals für Strafgefangene und Sicherungsverwahrte bestehe eine „Angleichung der Vollzugsstile“. Letztlich stelle sich daher „sowohl die Anordnung als auch der Vollzug von Sicherungsverwahrung … als Strafverschärfung wegen Rückfalls“ dar.215 Dementsprechend lautete das nahezu vernichtende Urteil des CPT zur Sicherungsverwahrungsabteilung der JVA Freiburg: „Die grundlegende Verpflichtung, zwischen beiden Gruppen von Insassen zu unterscheiden (Abstandsgebot), scheint nicht wirksam umgesetzt worden zu sein“.216 Bestimmte Zugeständnisse wie bspw. die Kleintierhaltung seien in den entsprechenden Anstalten auch den Strafgefangenen erlaubt. Des Weiteren halte sich die Besserstellung der Verwahrten im Vergleich zu den Strafgefangenen in Bezug auf sonstige Freiheiten wie den Aufenthalt im Freien ungefähr die Waage.217 Gewisse gesetzlich normierte Privilegien wie das Tragen eigener Kleidung (§ 132 StVollzG) und der Anspruch auf Gestattung von Selbstbeschäftigung (§ 133 StVollzG) sowie der längere Urlaub (§ 134 StVollzG) hätten in der Praxis nahezu keine Bedeutung.218 Nur bei wenigen Vollzugserleichterungen seien die Verwahrten deutlich bevorzugt – z. B. bei der Anzahl der Besuchsstunden oder dem Empfang von Paketen.219 Diese Besserstellung nütze aber den meisten Verwahrten nichts. So bestätigte Bartsch die in den 1960er Jahren angesprochene Vereinsamung der Inhaftierten.220 Viele Verwahrte verfügten über gar keine oder nur spärliche Kontakte 211

AK-StVollzG-Feest/Köhne 2006, vor § 129 Rn. 13. AK-StVollzG-Feest/Köhne 2006, vor § 129 Rn. 13; dies. 2012, vor § 129 Rn. 15. 213 Schönberger 2002, 183 ff.: Das Hauptziel ihrer Untersuchung war es, festzustellen, ob neben den in der Anordnungsentscheidung genannten Gründen weitere Kriterien für die Maßregelanordnung entscheidend waren. 214 Schönberger 2002, 189. 215 Schönberger 2002, 190. 216 CPT/Inf (2012) 6, S. 45 Rn. 107. Ebso. Angaben bei Fennel 2006, 261 f. und Mönnighoff, FS 2010, 143 für die JVA Schwalmstadt. Zum Umbau nach dem BVerfG-Urt. s. bspw. Die Welt vom 18.4.2013: „JVA Freiburg investiert in die zweite Chance“ sowie Badische Zeitung vom 10.8.2012: „So wird das Freiburger Gefängnis für Sicherungsverwahrte umgebaut“. 217 Bartsch 2010, 262 f., Tab. 20 und 21. 218 Bartsch 2010, 265 f. 219 Dazu Tab. 23 und 24 bei Bartsch 2010, 267 ff. 220 Bartsch 2010, 238 ff.; ders. 2010 a, 129; Steuernagel 2010, 142; ähnl. Karras, FS 2011, 301; Kern 1997, 178. 212

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B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

zur Außenwelt, was angesichts der von Kinzig festgestellten Bedeutung eines sozialen Netzwerkes bzw. überhaupt von Kontakten mit der Außenwelt für die Aussetzung der Sicherungsverwahrung zur Bewährung, als Besorgnis erregend bezeichnet werden kann.221 Potentielle Konflikte befürchtete man für den Umgang mit vermehrt jüngeren sowie mit vermehrt älteren Sicherungsverwahrten. Der Umgang mit der „zweite[n] Generation“ der Jüngeren sei wegen einem erhöhten Sicherungsaufwand problembehaftet.222 Demgegenüber würden sich bei älteren Menschen weniger aus Sicherungsgründen, dafür umso mehr aufgrund deren Pflegebedürfnisses neue Schwierigkeiten ergeben, auf welche die Anstalten nicht eingestellt seien.223 Daher sei es aus Sicht der Praxis ein Trugschluss der Ministerien, dass es sich bei den älteren Verwahrten um „die gefährlichsten Gefangenen handele“.224 Vollzugsbedienstete berichteten von einer fast nicht zu ertragenden Stimmung in der Sicherungsverwahrungsabteilung.225 Nach dem Gesagten verwundert daher die Äußerung eines Verwahrten zur Frage, ob er die Sicherungsverwahrung als Fortsetzung seiner Strafe empfinde, nicht sonderlich: „… letztendlich befindet man sich im Knast, man wird weggesperrt wie im Knast, man hat sich den Gegebenheiten im Knast zu unterwerfen …“226 Wegen ihrer unbestimmten Dauer werde die Maßregel als noch größere Belastung empfunden als die vorangegangene Strafe.227 Durch die rückwirkende Aufhebung der 10-­Jahresbegrenzung sei das Vertrauen in den Rechtsstaat vom Großteil der betroffenen Befragten erheblich beschädigt worden.228 So hätten Gesetzgeber und Verfassungsgericht mit der rückwirkenden Aufhebung „das Licht am Ende des Tunnels einfach so ausgeknipst“.229 Interessant wäre in diesem Zusammenhang gewesen, ob die Verwahrten noch unter Geltung der 10-Jahresgrenze die Verwahrung weniger als ein derartiges Übel empfunden haben. Doch existieren in diesem Bereich keine rechtstatsächlichen Erkenntnisse, so dass die Frage ungeklärt bleiben muss. 221

Kinzig 1996, 429: In 26,9 % der Fälle (n=51) war es für die StVK mitausschlaggebend für die Aussetzung zur Bewährung, dass die Verwahrten einen festen Ansprechpartner außerhalb der Anstalt hatten; in 13,5 % der Fälle, dass sie eine vorhandene stabile Beziehung hatten. Allg. zur Bedeutung s. Köhne, BewHi 2005, 283 m. w. N. 222 Bartsch 2011, 300; dazu ebenfalls Gorzel/Lefering, FS 2010, 138; Kühne 2011, 402; Steuernagel 2010, 142. 223 Positiv zur JVA Werl s. Bartsch 2011, 301; ders. 2010, 297. 224 Bartsch 2011, 301. 225 Bartsch 2010, 196 f.: „unerträgliche Stimmung“. 226 Bartsch 2011, 298; weitere Äußerungen bei Bartsch 2010, 287 ff.; s. a. Eisenberg 2005, § 34 Rn. 65. 227 Bartsch 2011, 299: SV sei „trockene Todesstrafe“, „Endstation Bahnhof“, „Maximal-“, „Super-“, „Total-“ oder „Hyper-Bestrafung“, „Hölle“, s. a. Hackbarth, ZfStrVo 2006, 289. 228 Bartsch 2010, 301. 229 Bartsch BewHi 2007, 405 f.; ders. 2010, 301 f.; ders. 2011, 301; s. a. Hackbarth, ZfStrVo 2006, 287 f.; Leygraf/Leygraf, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2011, 193 ff.; Endres/ Breuer, FS 2011, 287.

II. Vollzugsrealität

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b) Lockerungspraxis Laut Strafvollzugsarchiv kämen Verwahrte kaum in den Genuss von Lockerungen, obschon der Missbrauch dieser Maßnahmen nicht angestiegen sei.230 Dies lässt sich durchaus mithilfe weiterer zahlreicher Berichte und Untersuchungen untermauern: So erhielt im Jahr 2004 in der JVA Werl laut dessen Anstaltsleiter Skirl nur ein Sicherungsverwahrter Urlaub.231 Hackbarth berichtete für dieselbe Anstalt, dass seit 2004 die Ausgänge und Gewährung von Urlaub „auf Null reduziert“ worden seien und zudem oft mehrere Monate („überlange[n] Bearbeitungszeiten“) auf Lockerungsentscheidungen gewartet werden müsse.232 Bender berichtete von einem Besuch der JVA Straubing im Oktober 2006, dass lediglich 2,0 % der Verwahrten lockerungsberechtigt gewesen seien.233 Zusätzlich ließe sich eine verfahrensrechtliche Verschärfung feststellen, so dass es bspw. zu besonders langer Bearbeitungsdauer gerichtlicher Verfahren gekommen sei.234 „Als Fortschritt“ bezeichnete es Kühne, dass im Jahr 2009 „zurzeit fünf Insassen in den Genuss von Ausführungen“ gekommen seien und insgesamt drei der Verwahrten Ausgänge mit sowie einer ohne Begleitung erhalten hätten.235 Die von Ullenbruch bei 13 Landesjustizverwaltungen durchgeführte „Privatumfrage“ ergab, dass die Praxis gegen Null tendiere, wenn es um entlassungsbedeutsame Lockerungen bei Sicherungsverwahrten gehe.236 Zum Stichtag seien 7 % der Verwahrten in Bezug auf Ausführungen lockerungsberechtigt gewesen. Die Ausführungen haben aber „im Sinne des BVerfG keinerlei Aussagewert“.237 Laut Zscherpe gab es in Hamburg eine Verfügung des Strafvollzugsamtes, „wonach Sicherungsverwahrte per se von Lockerungen ausgeschlossen“ seien.238 Zudem argumentiere die JVA Fuhlsbüttel „immer damit, dass sie eine Anstalt mit höchster Sicherheitsstufe sei und daher die beantragten Sonderregelungen für die Sicherungsverwahrten aus Sicherheitsgründen nicht zulassen könne“.239 Auch Bartschs Untersuchung ergibt ein düsteres Bild der Lockerungspraxis: So hätten bspw. die Sicherungsverwahrten in acht der insgesamt dreizehn befragten 230

AK-StVollzG-Feest/Köhne 2006, vor § 129 Rn. 11; Einschränkungen des StVollzG auf Landesebene aufgezeigt von Feest/Lesting, ZfStrVo 2005, 77 ff.; Karras, FS 2010, 142; krit. zur restriktiven Praxis Boetticher, NStZ 2005, 420 f.; Köhne, BewHi 2005, 281. 231 Skirl, ZfStrVo 2005, 325. 232 Hackbarth, ZfStrVo 2006, 289. 233 Bender 2007, 135. 234 MüKo-Ullenbruch/Morgenstern 2012, § 66  a StGB, Rn.  30 m. w. N.; s. a. OLG Köln StV 2010, 200. 235 Kühne 2011, 389, 401; krit. Wischka, KrimPäd 2011, 38; Feest/Lesting, ZfStrVo 2005, 76 ff. 236 Ullenbruch, NStZ 2007, 68. 237 Ullenbruch, NStZ 2007, 68. 238 Zscherpe, Betrifft Justiz 2011, 199: es sei innerhalb von sieben Jahren nur ein oder zweimal ein SV aus dem Strafvollzug entlassen worden – und dazu habe es „sehr risikobereite Sachverständige und Richter“ bedurft. 239 Zscherpe, Betrifft Justiz 2011, 200.

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B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

Anstalten innerhalb eines Jahres keinen Ausgang oder Urlaub erhalten.240 Die ernüchternde Feststellung, es sei „für Sicherungsverwahrte fast unmöglich, derartige Vollzugslockerungen zu bekommen“241, verwundert daher nicht. Einerseits sei diese restriktive (Lockerungs-)Praxis auf immer wieder neue Anforderungen und strenger gewordene Kontrollen der Aufsichtsbehörden zurückzuführen.242 Zudem komme es zur zeitweise fragwürdigen Praxis einiger Landesjustizverwaltungen, welche die Entscheidung über Lockerungen mit wenig nachvollziehbarer Begründung in die Länge zögen.243 Andererseits gestanden einige Anstaltsleiter bzw. Beschäftigte ein, dies sei ebenfalls auf die eigene Angst vor Lockerungsmissbräuchen durch die Verwahrten und auf den damit zusammenhängende öffentliche Druck zurückzuführen.244 Letztlich konnte Bartsch den Aussagen der Bediensteten damit entnehmen, dass im Sicherungsverwahrungsvollzug ein „Klima der Ängstlichkeit und Übersicherung“245 herrsche. Vollzugslockerungen, die nicht nur Lebenstüchtigkeit erhalten, sondern einer sinnvollen und effektiven Entlassungsvorbereitung dienen, sind bei den von Elz nach dem EGMR-Urteil Untersuchten während des Strafvollzugs quantitativ die Ausnahme gewesen. Während des Sicherungsverwahrungsvollzugs sei der Anteil derjenigen mit Lockerungen merklich angestiegen.246 Beachtet werden muss jedoch, um welche Maßnahmen es sich handelte. Dies führt Abbildung 7 vor Augen. Qualitativ werde die Gewährung von Vollzugslockerungen seitens der Anstalten als „das Besondere“ erachtet.247 Dies leitete Elz daraus ab, dass in den GPAen nicht die Versagung sondern vornehmlich die Gewährung von Lockerungen während des Strafvollzugs begründet worden sei.248 Zum Thema der Versagung habe sich nur in rund 60 % (n=44) der GPAen der Probanden ohne Lockerungen „wenigstens ein Satz“ gefunden, individuell sei sie aber nie erörtert worden.249 Laut Mandera habe die Nichtgewährung der Lockerungen häufig (bei rund 44 % der-

240

Bartsch 2010, 219 ff., vgl. Tab. 14 für den Zeitraum zwischen dem 1.9.2005 und 31.8.2006. Bartsch 2011, 297. Insgesamt hätten innerhalb des Jahres 2006 nur 2,4 % der Verwahrten Ausgang und/oder Urlaub erhalten, so Bartsch 2010, 221; ebso. ders., BewHi 2007, 406 f.; StV 2012, 224. 242 Bartsch 2010, 224 f.; ders., StV 2012, 224. 243 Bartsch, StV 2012, 224, der sich auf mehrere OLG-Entscheidungen beruft, vgl. z. B. OLG Köln StV 2012, 223; OLG Hamm R&P 2010, 162; R&P 2011, 52 ff. 244 Bartsch 2010, 226 f.; s. a. Hackbarth, ZfStrVo 2006, 289. 245 Bezogen auf den gesamten Vollzug bereits Boetticher, NStZ 2005, 421; ebso. Bartsch 2010, 228. 246 Elz 2014, 193, 195; Mandera 2014, 35. 247 Elz 2014, 194. 248 Elz 2014, 194. Erwähnenswert ist, dass in nur sechs Fällen derjenigen Probanden, deren GPAen überhaupt einen Begründungssatz zur Ablehnung enthielten, die Versagung auf die entsprechende VV zur Anschluss-SV gestützt worden sei. Wenn individuelle Gründe auf­ geführt wurden, waren daraus in keinem Fall „schlechthin unverantwortbare Gefahren“ ableitbar. 249 Elz 2014, 194, 307: von insgesamt 73 Probanden ohne Lockerungen im Strafvollzug. 241

135

II. Vollzugsrealität

jenigen ohne Lockerungen, n=41) damit zusammengehangen, dass nicht mit einer Entlassung gerechnet worden sei.250 Eine solche erfolgte vielmehr spontan und daher überraschend aufgrund des EGMR-Urteils. Ansonsten habe entweder die Anstalt oder die Aufsichtsbehörde die Lockerungen verweigert. Nur in einem Fall habe der Proband keine Lockerungen gewünscht.

73% (n=8)

74% (n=37)

27% (n=3)

Nur Ausführungen

26% (n=13)

Selbstständige Lockerung StVollzG

SV

Quelle: Elz 2014, 193, 197, 199.251

Abbildung 7: Vollzugslockerungen im Strafvollzug und in der Sicherungsverwahrung

Wenn die JVA ausnahmsweise selbstständige Lockerungen während des Sicherungsverwahrungsvollzugs für geboten erachtet habe, dann nicht um schädlichen Folgen des Vollzugs entgegenzusteuern, sondern um dem Integrationsgrundsatz (bisher § 3 Abs.  3 StVollzG) zu genügen oder um die Entlassung vorzubereiten (bisher § 15 StVollzG).252 Die „Befürchtung“ der Boulevardpresse, hochgefährliche „Monster“ seien in Folge des Urteils auf die Bevölkerung losgelassen worden,253 fanden in der Untersuchung von Elz keine Bestätigung. Einige hätten ohnehin kurz vor der Entlassung gestanden, wenn nicht die von Sachverständigen und

250

Mandera 2014, 37: Insgesamt haben 41 der untersuchten Probanden, gar keine Lockerungen erhalten, davon war bei 18 die überraschende Entlassung der Grund. In zehn Fällen erfolgte die Ablehnung durch die Anstalt, in acht Fällen durch die Aufsichtsbehörde, in 14 Fällen aus unbekanntem Grund. 251 Ausführungen aus wichtigem Anlass bzw. unmittelbar vor der Entlassung sind außen vorgelassen. Mit selbstständigen Lockerungen sind etwa unbeaufsichtigte Ausgänge, Urlaub oder Freigang zur Beschäftigung gemeint. Manderas Untersuchung bestätigte eine restriktive Lockerungspraxis. 69 % (n=41) der von ihr untersuchten entlassenen Probanden seien nicht in den Genuss vollzugsöffnender Maßnahmen gekommen, Mandera 2014, 36 f.; vgl. zur Situation im Strafvollzug allg. Niemz 2013, 26; Kritik ebso. von Rehn, FS 2014, 245 f. 252 Elz 2014, 199. 253 S.  etwa BILD vom 29.7.2010: „Nach dem umstrittenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Deutschlands gefährlichster Sex-Verbrecher auf freiem Fuß“; BILD vom 3.8.2010: „Warum dürfen bei uns Schwer-Verbrecher frei rumlaufen?“; BILD vom 10.8.2010: „Irrsinn Justiz! 5 Polizisten bewachen einen freigelassenen Vergewaltiger. 157 Kriminelle warten auf ihre Entlassung!“; abgeschwächter Böttcher, FS 2011, 281 ff.

136

B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

Gerichten als möglich und notwendig erachteten vollzugsöffnenden Maßnahmen seitens der zuständigen Anstalten blockiert worden bzw. und/oder kontrollierter, strukturierter und betreuter Wohnraum für die Betroffenen zur Verfügung gestanden hätte.254 Ernüchternd stellte sie fest, dass sich die StVK und die Verwahrten mit ihrer Unterbringung abgefunden hätten. Jedenfalls seien kaum Rechtsmittel gegen diese Fortdauerentscheidungen eingelegt worden. Auch ließen sich für den kurzen Zeitraum keine neuen Straftaten i. S. v. „schwersten Gewalt- oder Sexualverbrechen“, welche die weitere Unterbringung in Altfällen erlaubt hätten, feststellen.255 Nach der formalen Entlassung blieben einige der von Elz untersuchten Probanden freiwillig in der JVA bzw. im PKH (9 %, n=6). Unfreiwillig wurden 20 % (n=13) in einer geschlossenen Einrichtung (zumindest vorübergehend nach ThUG) untergebracht. Nur rund 15 % (n=10) hätten eine eigene Wohnung anmieten können, nur bei 18 % (n=12) war die Unterbringung in Übergangsheimen oder Pensionen ein Thema.256 Außerdem berichtet Elz von gescheiterten Entlassungen, weil kein aufnahmebereites Heim gefunden werden konnte. Daran muss folglich dringend gearbeitet werden. c) Therapeutische Betreuung und Personal Die bisherige Praxis wurde bisher als völlig anders beschrieben als das, was das BVerfG im Jahre 2011 mit dem therapiegerichteten Vollzug vorgeschrieben hat.257 Dem CPT zufolge hätten die meisten der Verwahrten eine multiple Persönlichkeitsstörung, seien völlig demotiviert, würden kaum arbeiten oder sich im Freien bewegen und verbrächten ihre Zeit hauptsächlich „träge und alleine in ihren Zellen und beschäftigten sich mit Fernsehen oder Videospielen“.258 Andere machten die Erfahrung, dass auch Freizeit- und Sportangebote eher selten genutzt würden.259 Damit zeige sich: Sicherungsverwahrte seien Einzelgänger.260 Zudem 254 Elz, FS 2014, 399; dies. 2014, 308 bzgl. 19 unmittelbar in Folge des EGMR-Urt. entlassener Probanden. 255 Elz, FS 2014, 400; dies. 2014, 308; Mandera 2014, 31. Die Untersuchungen von Elz und Mandera erheben keinen Anspruch darauf, Rückfalluntersuchungen zu sein. 256 Elz 2014, 309; zu Problemen, denen sich entlassene SV hins. der Wohnungssuche auch seitens der öffentlichen Hand ausgesetzt sehen, gleichfalls Asprion, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 3 ff.; dazu ebso. Mandera 2014, 53, insbes. Tab. 4. 257 Gorzel/Lefering, FS 2010, 136: kein spezielles Behandlungsangebot; ebso. Kühne 2011, 400; and. hingegen das Behandlungskonzept der JVA Schwalmstadt vermitteln, wonach man bei den Verwahrten „von ‚Gescheiterten‘ als von den ‚Vergessenen‘ sprechen“ müsse; vgl. Konzept JVA Schwalmstadt, S. 16. 258 CPT/Inf (2007) 18 bzw. CPT (2006) 36, S. 42 Rn. 96; and. hins. der Arbeitsstation jedoch die BVerfG-Umfrage bei Bartsch 2010, 152, 169 ff.: 60 % bis 76 % der Verwahrten gingen einer Beschäftigung bzw. arbeitstherapeutischen Maßnahme nach; Kern 1997, 165 (80 %); Kühne 2011, 388 (über 60 %); Milde 2006, 98. 259 Karras, FS 2011, 301; ders. FS 2010, 142 zu deren Bedeutung. 260 Endres/Breuer, FS 2011, 294 sowie Kühne 2011, 396 ff.

II. Vollzugsrealität

137

sei eine fehlende Motivation insbesondere in Bezug auf eine Therapieteilnahme festzustellen, was auch die Untersuchung von Bartsch bestätigte.261 „Ein großer Teil  der Verwahrten zeigte sich desinteressiert oder entschieden ablehnend gegenüber Behandlungsangeboten.“262 Braun stellte diesbzgl. einen Zusammenhang mit der völligen Abhängigkeit des Verwahrten von den Entscheidungen des Fachpersonals und den Gutachtern her.263 Dadurch werde den Verwahrten kein motivierender Eindruck vermittelt, sondern vielmehr zum Ausdruck gebracht, dass sie mit ihrem Verhalten keinerlei Einfluss auf ihren Vollzug bzw. gar ihre Entlassung hätten. Hackbarth führte die fehlende Motivierung u. a. auf die Unzuverlässigkeit der Vollzugsplanung zurück.264 Die unbestimmte Dauer der Verwahrung stelle die größte Belastung dar, wodurch jede Betätigung von den Verwahrten nur zum Zeitvertreib, aber ohne jeglichen Zweck durchgeführt würde.265 Betroffene selbst äußerten, dass sie sich selbst aufgegeben hätten und „nur noch darauf warten, zu sterben“.266 Der Umgang mit der unbegrenzten Dauer solle neben der Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und Unterstützung bei einem eigenständigen Leben in Haft die Hauptaufgabe des Personals sein – so die Ansicht des CPT. Zudem kritisierte es eine „äußerst unzureichend[e]“ psychologische Betreuung bzw. nicht vorhandene individuelle Behandlungsangebote.267 Daher könne man das Personal in der Sicherungsverwahrungsabteilung als „wunden Punkt“ bezeichnen. Es wisse oft selbst nicht genau, wie es mit den inhaftierten Verwahrten umgehen solle, was einen eingeschränkten, aufs Minimum reduzierten Kontakt zwischen Personal und Verwahrten zur Folge habe.268 So fiel der Delegation negativ auf, dass kaum (engagiertes) Personal anwesend gewesen sei. Dass den Verwahrten Verantwortung übertragen werde und sie teilweise unabhängig(er) seien, würde es aber nicht 261 Bartsch 2010, 229, ähnl. z. B. Karras, FS 2011, 299, 302; Köhne, BewHi 2005, 282; ders. ZRP 2003, 208 f., der sich allerdings gegen die Begriffe „therapie- oder resozialisierungsunfähig“ wehrt; Kühne 2011, 396; Schmälzger/Skirl, ZfStrVo 2004, 326; Suhling, FS 2011, 277 f.; differenzierter Endres/Breuer, FS 2011, 286, 295. Zur problematischen Klientel der potentiellen SV s. Meischner-Al-Mousawi/Hinz, FS 2011, 303 ff. 262 Kühne 2011, 395 f.; s. a. Kröber et  al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 168; umfassend zu „unbehandelbaren Straftätern“ bereits Lösel 2004, 368 ff.; zu den Ursachen s. Suhling, FS 2011, 277 m. w. N. 263 Braun 2010, 144. 264 Hackbarth, ZfStrVo 2006, 288 f.; and. Karras, FS 2011, 299, der die Verantwortung allein bei den SV sucht. 265 Braun 2010, 143 f.: „ständige Unsicherheit und Abhängigkeit“. 266 CPT/Inf (2012) 6, S. 47 Rn. 111; Stellungnahme BReg 2012, S. 58: „atmosphärische[n] Störungen“. 267 CPT/Inf (2007) 18 bzw. CPT (2006) 36, S. 43 f. Rn. 100, 102. In der Antwort (Stellungnahme BReg 2007, S. 56) stellte man fest, dass es außer in SH keine besonderen Resozialisierungsprogramme gebe. 268 Zur Kritik am Personal vgl. CPT/Inf (2007) 18 bzw. CPT (2006) 36, S. 43, Rn. 97–99 und an der Behandlungsstrategie Rn. 100; s. a. Gorzel/Lefering, FS 2010, 137: Skepsis im Umgang miteinander.

138

B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

rechtfertigen, „dass das Personal die Häftlinge sich selbst“ überließe bzw. seine Fürsorgepflicht ignorierte.269 Erschwerend kommt hinzu, dass bisher vor allem mithilfe von Kürzungen im Personalbereich versucht wurde, die Kosten pro Häftling und umso mehr pro Sicherungsverwahrten zu senken.270 Hinsichtlich des verfassungsgerichtlich eingeforderten Resozialisierungsgebots seien Bartsch zufolge immerhin zehn von fünfzehn Anstalten bemüht, das Angebot an Therapien zu verbessern.271 Der Menschenrechtskommissar Hammarberg rief in seinem Bericht zu dem Besuch dazu auf, dass die Verwahrten, welche „immer wieder ihre Zukunftsperspektive verlieren und sich selbst aufgeben“ eine ihrer Situation gerecht werdende psychologische oder psychiatrische Betreuung bräuchten.272 Letzten Endes scheiterten die Anstalten aber häufig an der Realität. Trotz des bestehenden Therapiebedarfs nahmen nur rund ein Viertel der untersuchten Verwahrten (29,4 %) an einer psychologischen oder psychiatrischen Therapie teil.273 Die Verteilung in den verschiedenen Anstalten sei höchst unterschiedlich ausgefallen: In Werl würden bspw. rund 50 %, in Aachen oder Schwalmstadt hingegen unter 10 % therapeutisch behandelt.274 Da die Ressourcen im therapeutischen Bereich immer knapper würden, verschwinde zusehends die Verwahrung aus den „Therapievisionen“ der Praxis und der Fachdienste.275 Die Untersuchung von Kröber et al. ergab im Jahre 2013, dass nur bei rund der Hälfte (51,5 %) „eine Form von Therapie“ und bei rund 30 % der Verwahrten überhaupt keine Therapie stattfände, wobei 15 % diese explizit ablehnten.276 Bezeichnenderweise habe sich in keiner der von Elz untersuchten Akten „eine eigenständige, fundierte und widerspruchsfreie Dokumentation“ zu den Behandlungsangeboten und -maßnahmen, deren Dauer, Erfolge, Abbrüchen und Versuchen befunden.277 Vielmehr seien über Jahre hinweg Standardformulierungen verwendet oder gar keine bzw. kaum Angaben gemacht worden. Die Aussagen ex-

269 CPT/Inf (2007) 18 bzw. CPT (2006) 36, S. 43 Rn. 98; krit. zur Personalsituation ebso. Köhne, StraFo 2003, 230; ders., BewHi 2005, 281; Meyer-Velde 1988, 102; Kinzig 1996, 119 f. m. w. N.; Bartsch 2010 a, 128. 270 Vgl. zu Kürzungen im Personalbereich auf Eben des Strafvollzugs Lückemann 2006, 195 ff. 271 Zum Sollzustand Bartsch 2010, 203 f., 210 ff.; krit. zur Umsetzung Köhne, BewHi 2005, 279 ff. 272 Im Folgenden: Hammarberg, CommDH (2007) 14, Rn. 206. 273 Bartsch 2010, 228 ff.; ders. ZIS 2008, 292; krit. dazu, dass erst nach Beginn der Vollstreckung der SV über Therapie nachgedacht werde K. M. Böhm, ZfStrVo 2006, 6; K. M. Böhm/ Boetticher, ZRP 2009, 139. 274 Bartsch 2010, 230; hingegen Skirl 2010, 138: In der JVA Werl waren im Jahre 2010 nur rund 20 % (n=13) der Untergebrachten in psychotherapeutischer Behandlung. 275 J. Schäfer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 160: „Kosten-Leistung-Rechnung“. 276 Kröber et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 164 ff.: Vollerhebung der 76 Berliner SV sowie Untersuchung von 44 SV außerhalb von Bln. 277 Elz 2014, 131, 170, 182 f. Zu den unklaren Formulierungen hins. der gestellten Diagnosen in den von Habermeyer untersuchten Gutachten s. Habermeyer/Vohs 2012, 89 f.

II. Vollzugsrealität

139

terner und interner Sachverständiger sowie Therapeuten und der JVA selbst zeichneten sich durch Widersprüchlichkeiten aus.278 Uneinigkeit zwischen den Beteiligten bestehe vorwiegend hinsichtlich eines Behandlungserfolgs, worauf er ggf. zurückzuführen bzw. weshalb er nicht eingetreten sei und ob ein solcher zu Lockerungen führen könne.279 Außerdem stellte Elz fest, dass sich die Bewertung dieser Fragen über die Jahre ändere und allem Anschein nach dadurch bedingt sei, dass die betreuende Person wechsle.280 Der spätere therapeutische Umgang in der JVA mit Strafgefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung zeichne sich häufig schon im Erkenntnisverfahren ab. So treffe nur etwa jedes zweite Urteil des erkennenden Gerichts überhaupt zu Behandlungsbedürftigkeit und/oder -chancen eine Aussage, oft dann sehr dürftig bzw. oberflächlich.281 In über 60 % (n=25) dieser Urteile gingen die Richter aber davon aus, dass eine Behandlung nicht erfolgversprechend sei, wobei der Grund dabei „durchweg“ in der Sphäre der Verurteilten gesucht werde.282 Dementsprechend sei im Strafvollzug der potentiellen Sicherungsverwahrten bei rund 18 % (n=15) der Probanden erst gar kein Behandlungsbedarf in den Akten thematisiert oder verneint worden.283 Hier bestehe ein signifikanter Unterschied zwischen Straf- und Sicherungsverwahrungsvollzug (vgl. dazu Abbildung 8). Denn bei den Untergebrachten werde der Behandlungsbedarf regelmäßig thematisiert. Daraus folge, dass der Behandlungsgedanke auch für den alten Sicherungsverwahrungsvollzug zumindest ein Thema gewesen sei.284 Allerdings ist von einer Thematisierung bis hin zu einer tatsächlich erfolgten oder gar erfolgreichen Therapie ein weiter Weg. Zudem: Über die Intensität oder gar den Erfolg einer Behandlung sagt deren Beginn noch nicht viel. Dies zeigt sich bspw. daran, dass nur „einige wenige Gespräche“, z. B. mit dem psychologischen Dienst der Anstalt, darunter gefasst wurden oder viele Therapien als „nicht (ausreichend) erfolgreich“ seitens der Sachverständigen eingestuft wurden.285

278

Elz 2014, 181: „Eindeutige und zudem übereinstimmende Aussagen [sind] … eher die Ausnahme.“ 279 Elz 2014, 181. 280 So im konkreten Beispielsfall des Probanden T, vgl. Elz 2014, 181 f. 281 Elz 2014, 135. 282 Ablehnung der Erfolgsaussichten erfolgten, weil der Verurteilte „einer Therapie nicht (mehr) zugänglich sei und/oder bei ihm (mangels Leidensdruck) kein Bereitschaft bestünde und/oder frühere Behandlungen … erfolglos geblieben seien“; so Elz 2014, 136 (insgesamt wurden in 42 Urt. die Behandlung thematisiert). 283 Elz 2014, 307: Bei 69 der 84 Probanden wurde ein Behandlungsbedarf gesehen, aber nur 28 begannen eine Maßnahme; zur Therapiebedürftigkeit nach der Entlassung vgl. Mandera 2014, 39. 284 Elz 2014, 152 ff.: Angesichts der Untersuchungsgruppe, worunter sich in den 1980er Jahren Untergebrachte befanden, noch bevor das BVerfG in seiner Höchstdauerentscheidung einen „sinnvollen Behandlungsvollzug“ (BVerfGE 109, 155) gefordert habe. 285 Elz 2014, 178 (insbes. Schaubild 3), 184 f. (insbes. Tab. 5).

140

B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs  76% (n=64) (Abbruch bei 83%, n=53)

42% (n=35)

33% (n=28) (Abbruch bei 79%, n=22)

21% (n=18)

18% (n=15) 7% (n=6)

1% (n=1)

Kein Bedarf/ kein Thema

Beginn Im Strafvollzug

2% (n=2)

Bedarf/ keine Planung

Planung/ kein Beginn

In der SV

Quelle: Elz 2014, 137 und 156 Tab. 2 und Tab. 3, n=84, jeweils eigene Berechnung (Abbruch in Bezug auf die letzte Maßnahme).

Abbildung 8: Therapeutische Maßnahmen im Vergleich

Weiter finden sich in Bezug auf den Therapiebeginn Unterschiede zwischen dem vorausgegangenen Strafvollzug und der Sicherungsverwahrung: Während des Vollzugs der Freiheitsstrafe sei nur bei rund 33 % (n=28) eine Behandlung begonnen worden, obwohl insgesamt 82 % (n=69) der Probanden als behandlungsbedürftig eingestuft worden seien (vgl. die drei rechten Säulenpaare aus Abbildung 8).286 Im Strafvollzug sei es bei einem sehr beachtlichen Teil von über 42 % (n=35) der Probanden trotz Behandlungsbedarfs und Planung zu keiner Behandlung gekommen, wobei darunter bei weit über Zweidrittel der Fälle wie schon im Erkenntnisverfahren die „Verantwortung bei den Probanden“ selbst gesucht wurde.287 Wie Abbildung 8 weiter zeigt, wurde im Strafvollzug bei immerhin 7 % der Probanden eine Behandlung erst gar nicht geplant, obwohl man zuvor einen Behandlungsbedarf gesehen hatte.288 Ähnliches hatte Bartsch in seiner Untersuchung aus dem Jahre 2010 festgestellt: Zwar seien Beschäftigungs- oder Ausbildungsmöglichkeiten, nicht aber Therapien und Vollzugslockerungen während des Vollzugs der Freiheitsstrafe in ausreichendem Maß vorhanden.289 In den Vollzugsplänen der latenten Sicherungsverwahrten sei oft zu lesen: „Keine Maßnahme erforder 286 Elz 2014, 137 ff., 168 f. mit konkreten Bspen., eigene Berechnung; allg. zur Problematik, dass Behandlungsprogramme nicht abgeschlossen würden s. Mokros/Habermeyer 2012, 296 f. 287 Tab. 2 bei Elz 2014, 137 f.: Davon bei rund 23 % (n=8) der Fälle „Verantwortung der JVA“, bei rund 77 % (n=27) der Fälle diejenige des Probanden; jeweils eigene Berechnung. In 7 % der Fälle (n=6) wurde die Behandlung trotz Behandlungsbedarfs laut GPA „ausdrücklich nicht geplant“. 288 Elz 2014, 137 f.; eigene Berechnung. 289 Vgl. Bartsch 2010, 247 ff.

II. Vollzugsrealität

141

lich, da Anschluss-SV“.290 Vermutet wurde, dass ein „nicht kleiner Anteil gerade wegen der späteren SV nicht behandelt“ werde.291 Zudem belaste das „Damoklesschwert“ der (nachträglichen) Sicherungsverwahrung das Verhältnis zwischen Bediensteten und Strafgefangenen.292 Unnötigerweise würden zudem für die Dokumentation und Beobachtung des Verhaltens des Gefangenen im Vollzug personelle Ressourcen beansprucht, welche bei der Therapierung oder allgemein bei Resozialisierungsmaßnahmen besser aufgehoben wären.293 Die Vorstellung des Gesetzgebers, dass die im Strafvollzug manch einem drohende Sicherungsverwahrung besonders zur Mitarbeit motivieren könne, habe sich in der Praxis daher nicht bewahrheitet.294 Zudem würden Therapieabbrüche von der Anstalt häufig mit fehlenden finanziellen und personellen Möglichkeiten begründet.295 Bis zum Jahre 2010 habe man bei („nur“) 21 % (n=18) der von Elz Untersuchten im Sicherungsverwahrungsvollzug „nicht einmal“ mit der an sich geplanten therapeutischen Maßnahme begonnen.296 Den GPAen zufolge habe dies in keinem der Fälle an der Einrichtung gelegen. Tatsächlich konnte Elz für 78 % (n=14) dieser Gruppe feststellen, dass nach deren eigenen Angaben die Motivation zur Therapie gefehlt habe. Für den Rest vermutete sie, dass eine andere Aussage seitens der Anstalt aufgrund des in der Höchstdauerentscheidung geforderten Behandlungsvollzugs kaum möglich gewesen sei. Die fehlende Motivation der Verwahrten überrasche aber nicht sonderlich, da nicht nur keine Motivierungsarbeit geleistet worden sei, sondern sogar zum Teil  solchen Probanden, die laut ihrer eigenen Auskunft für gewisse Behandlungsformen offen gewesen seien, diese nicht ermöglicht worden seien.297 Bei den Probanden, bei denen eine Überweisung in das PKH bzw. die Entziehungsanstalt für notwendig erachtet worden sei, seien bis zu den notwendigen Beschlüssen Jahre vergangen. Im Vollzug der Sicherungsverwahrung sei es währenddessen „zu keinerlei wenigstens motivationserhaltenden Maßnahmen“ gekommen.298 Ferner habe es an qualifiziertem Personal zur Betreuung in der Unterbringung ge 290

Hackbarth, ZfStrVo 2006, 289; zustimmend Elz 2011, 75; s. a. Köhne, JR 2015, 255. Kröber et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 168 f. 292 Bartsch 2011, 302; Kröber et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 167: „Rucksack“; Kreuzer 2011, 372: „Stigma“; ders., ZIS 2006, 150 ff.; ders. ZRP 2011, 8. 293 MüKo-Ullenbruch/Drenkhahn 2012, § 66  b Rn.  21; zur Beobachtungspflicht vgl. die „Checkliste“ der Bund-Länder-Arbeitsgruppe, Die Justiz 2005, 423 ff.; dazu Brandt 2008, 190; Elz 2011, 71; Mushoff 2008, 446; Ullenbruch, NStZ 2007, 70; krit. zur Dokumentation Kreuzer 2011, 372 f., Zscherpe, Betrifft Justiz 2011, 199. 294 BT-Drs.  14/8586, S.  5: „Anreiz erhält, konstruktiv an der Erreichung des Vollzugsziels mitzuwirken und insbesondere in der Behandlung mitzuarbeiten.“ Zur Problematik von Scheinanpassungen vgl. Finger 2008, 101. 295 Elz 2014, 139 (nach Ablauf von zwei Jahren wurde eine Therapie „aus Kostengründen“ abgelehnt), 174. 296 Elz 2014, 157: Aufgrund durchgeführter Explorationen konnte Entsprechendes tatsächlich erhoben werden. 297 Elz 2014, 158, 141 ff., 161 mit konkreten Bspen. 298 Elz 2014, 161. 291

142

B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

fehlt.299 Immer wieder habe es in den GPAen Hinweise dafür gegeben, dass die Anstalt, Fachdienste oder einzelne Therapeuten auf dem Standpunkt gestanden hätten, der (potentielle) Untergebrachte müsse hinsichtlich eines Therapiewunsches selbst aktiv werden.300 Therapie sei eine Art „Holschuld“ gewesen. Elz habe sogar den Eindruck gewonnen, sie sei als „Geschenk“ aufzufassen.301 Dies erscheint insofern problematisch, als die therapeutische Praxis davon ausgeht, dass gerade Straftäter große Schwierigkeiten haben, Betreuung eigeninitiativ in Anspruch zu nehmen.302 Auch Gruppentherapie

45% (n=29)

Auch Einzeltherapie

86% (n=55)

Auch externer Therapeut

59% (n=38)

Nur interner Therapeut

41% (n=26)

Erfolgreiche Beendigung

14% (n=9)

Abbruch Proband

23% (n=15)

Abbruch Therapeut/JVA

48% (n=31)

0%

10%

20%

30%

40%

50%

60%

70%

80%

90%

100%

Quelle: Elz 2014, 156, Tab. 3, n=64 Probanden mit Behandlungsbeginn, jeweils eigene Berechnung.

Abbildung 9: Art, Durchführung und Verlauf therapeutischer Maßnahmen

Elz führt weiter aus, dass es (mehr als) selbstverständlich gewesen sei, teilweise über Jahre hinweg die Therapieunwilligkeit303 der Probanden hinzunehmen, therapeutische Maßnahmen nach kurzer Prüfung abzulehnen oder sie nur deshalb abzulehnen, weil sie von der JVA nicht angeboten worden sei.304 Überdies fanden sich in den GPAen Anzeichen für „die Pathologie der Institution (hinsichtlich Rigidität, Dominanzstreben, Rachsucht, Neigung zu Schikane)“.305 Ebenfalls 299

Elz 2014, 146, 149, ebso. verhalte es sich im vorausgehenden Strafvollzug. Vgl. dazu die Bspe. bei Elz 2014, 144, 147, 149, 178. 301 Elz 2014, 189 mit Zitaten aus den analysierten GPAen. 302 Dazu Lau, Psychiat Prax 2003, 124. 303 Elz 2014, 180, 189 mit konkreten Bspen. aus den GPAen. 304 Elz 2014, 138, 150, 189. 305 Kröber et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 169; Elz 2014, 139 nennt ein entsprechendes Bsp. 300

II. Vollzugsrealität

143

seien regelmäßig widersprüchliche Aussagen von externen Sachverständigen und internen Therapeuten oder Sachverständigen sowie der JVA dokumentiert.306 Insofern gibt Abbildung 9 zu erkennen, sofern eine Therapie im Sicherungsverwahrungsvollzug überhaupt begonnen wurde, erfolgten deutlich mehr einzeltherapeutische Maßnahmen als Gruppentherapien und die Behandlung durch externe Therapeuten überwog.307 Die einzeltherapeutischen Maßnahmen seien weder auf die Gruppentherapie abgestimmt noch seien beide Therapien inhaltlich aufeinander bezogen gewesen, wenn sie in eher seltenen Fällen zusammentrafen.308 Zudem hätten sich Therapien mehr oder weniger durch Zufälle, z. B. durch Zeitablauf, oder auf Drängen der StVK ergeben; weniger habe die JVA diese für die richtige Wahl erachtet.309 Nur bei zwei der ausschließlich in der JVA Behandelten erkannte man einen Behandlungserfolg an, dennoch scheiterte die Entlassung über Jahre hinweg. Zu guter Letzt sei angemerkt, dass der Vorwurf der „Psychiatrisierung“, d. h. dass das BVerfG mit seinem Kriterium der „psychischen Störung“ eigentlich psychisch Gesunde zu Gestörten klassifiziere, nicht mit den Ergebnissen von Elz konform geht.310 Dies bekräftigte sie mit einem Blick auf die 52 % (n=44) der Probanden, für die im Vollzug der Sicherungsverwahrung von einer psychischen Störung ausgegangen werde. Demgegenüber sollte sich lediglich 17 % (n=14) der Probanden im Strafvollzug mit der im Hauptverfahren festgestellten psychischen Störung auseinander setzen.311 d) Sozialtherapie In therapeutischer Hinsicht stellte die Umfrage des Strafvollzugsarchivs einen Rückgang der Überweisung in die Sozialtherapie fest.312 Schwierig sei es, die Sicherungsverwahrten in einer sozialtherapeutischen Anstalt unterzubringen, da es zu wenige Plätze gebe.313 Seitens der Anstaltspsychologen wurde darüber hinaus ein generelles Problem der Unterbringung in der Sozialtherapie zusammen mit 306

Elz 2014, 181: „… eindeutige und zudem übereinstimmende Aussagen [seien] … eher die Ausnahme“. 307 Zum Überwiegen der externen Therapeuten vgl. Tab. 3 bei Elz 2014, 156. 308 Elz 2014, 177. 309 Elz 2014, 178. 310 Elz 2014, 45 f., 153., 276, insbes. Tab. 14: Die GPAen-Analyse ergab, dass bereits im Erkenntnisverfahren bei 45 % (n=38) eine Persönlichkeitsstörung, bei 30 % (n=25) eine Persönlichkeitsauffälligkeit und immerhin bei 14 % sexuelle Deviation diagnostiziert wurde, jeweils eigene Berechnung. Nur bei sechs Probanden [7 %] wurde jede Art von psychischer Störung/ Auffälligkeit verneint/nicht thematisiert. 311 Elz 2014, 136 ff. 312 AK-StVollzG-Feest/Köhne 2006, vor § 129 Rn. 14. 313 Zum ungenügenden Angebot an Therapieplätzen Rehn 2001, 271; ders., NK 2003, 68; ebso. Milde 2006, 95 f.; Karras, FS 2011, 298.

144

B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

Strafgefangenen angesprochen: Da Gefangene häufig schneller Fortschritte machten und bald nach Beginn der Therapie Lockerungen bekämen, führe dies bei den Sicherungsverwahrten zur Frustration bis hin zum Abbruch der Therapie.314 Wegen der Unterschiede der beiden Gruppen und der Befürchtung, dass die „nicht einfach zu handhabenden Sicherungsverwahrten das therapeutische Klima in den sozialtherapeutischen Anstalten belasten könnten“, sei ein fehlender Wille der Anstalten zur Aufnahme von Verwahrten festzustellen.315 Elz gewann in ihrer Aktenanalyse der vom EGMR-Urteil betroffenen Fälle zwar den Eindruck, die JVA sehe therapeutische Maßnahmen „überwiegend als Aufgabe der SothA an“.316 Eine Behandlung bzw. Unterbringung werde seitens der sozialtherapeutischen Anstalt jedoch häufig abgelehnt. Dabei werde der potentiell Verwahrte „oftmals“ nicht wegen der noch anstehenden Sicherungsverwahrung ausgeschlossen, sondern die die Ablehnung werde auf andere Aspekte wie z. B. fehlende Möglichkeiten, an die „Kernproblematik“ des Probanden vorzudringen.317 Die Stichtagserhebung der KrimZ „Sozialtherapie im Strafvollzug“ wies ebenso nur einen geringen Anteil an Verwahrten in den zum 31.3.2015 insgesamt 69 sozialtherapeutischen Einrichtungen nach.318 Die Verwahrten machten bei insgesamt 2.080 Gefangenen in der Sozialtherapie nur einen Anteil von 3,8 % (n=80) aus; bei 4,1 % (n=85) soll im Anschluss an die Freiheitsstrafe noch Sicherungsverwahrung vollzogen werden.319 Laut Wischka sei in den letzten fünf Jahren immerhin bei ca. 16 % aller Sicherungsverwahrten die Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Anstalt vollzogen worden, so dass er zu dem Schluss kommt, dass die Verwahrten bisher nicht völlig unberücksichtigt geblieben sind.320 Eine Erklärung wird auch darin gesucht, dass die Sozialtherapie in der Praxis der meisten Bundesländer als „Königsweg“ zur Entlassung gilt.321 Deshalb stellten die Verwahrten wegen ihres ungewissen Entlassungszeitpunkts eher einen „Fremdkörper“ dar.322 Nahezu die identische Situation stellte Bartsch für die la-

314

Bartsch 2010, 234 ff. Bartsch 2010, 233 ff.; ähnl. Boetticher, MschrKrim 1998, 361 f.; Kröber et  al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 168; Kühne 2011, 395; Schmälzger/Skirl, ZfStrVo 2004, 325; zur Sozialtherapie in den 1990er Jahren vgl. die Synopse bei Egg/Schmitt 1993, 128 ff.; aus neuerer Zeit Egg/Niemz 2012, 15 ff. 316 Elz 2014, 190, 139. 317 Elz 2014, 190. 318 Elz 2015, 9; s. a. Niemz 2013, 8, 16; dies., FS 2014, 213 f.; plausibel Alex i. R. d. Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr. AJDG Nr. 20/22 (NEUF), S. 19: es sei schwierig, Leute mit ungewisser Zukunfts- bzw. Entlassungsperspektive zu therapieren. 319 Elz 2015, 9; zu kaum abweichenden Ergebnissen der Vorjahre Niemz 2011, 7 f., 16; Niemz/ Lauwitz 2012, 7 f. 320 Wischka, FS 2014, 227 f. und insbes. Abb. 1, welche auf der „pers. Mitteilung v. J. Elz, KrimZ“ beruhe. 321 AK-StVollzG-Feest/Köhne 2006, § 129 Rn.  14; Schmälzger/Skirl, ZfStrVo 2004, 325: „Königsweg“. 322 Kreuzer/Bartsch, FS 2010, 91 in Bezugnahme auf die Untersuchung von Bartsch 2010. 315

II. Vollzugsrealität

145

tent von der Sicherungsverwahrung betroffenen Strafgefangenen fest.323 Gestützt wird dies von der Untersuchung von Kern.324 Denn dieser stellte für rund 69 % (n=34) seiner untersuchten potentiellen Sicherungsverwahrten einen sozialtherapeutischen Behandlungsbedarf fest, allerdings hätten sich davon lediglich zwei (rund 6 %) tatsächlich in der sozialtherapeutischen Anstalt befunden. e) Viktimisierungserfahrungen In den Jahren 2011 und 2012 führte das KfN in fünf Bundesländern Befragungen von Inhaftierten des Straf- und Sicherungsverwahrungsvollzugs zu deren Viktimisierungserfahrungen im Vollzug durch, wobei die Autoren Bartsch/ Baier/Wollinger die Antworten von 41 männlichen Sicherungsverwahrten und 2.611 männlichen Strafgefangenen des geschlossenen Vollzugs auswerten und ver­ gleichen konnten.325 Festzuhalten ist für den Bereich physischer Gewalt, dass eine signifikant höhere Viktimisierungsgefahr festgestellt werden konnte (mindestens das 1,6 fache ggü den befragten Strafgefangenen des geschlossenen Vollzugs).326 Obwohl die Sicherungsverwahrten häufiger Viktimisierungserfahrungen im Vollzug machen müssten, als die Gefangenen im geschlossenen Strafvollzug, sei keine erhöhte Motivation, selbst physische Gewalt auszuüben, festzustellen gewesen. Eine Ausnahme stellten lediglich die sexuellen Gewaltdelikte dar. Denn die Rate der Opfer sexueller Gewalt sei genauso wie die Rate an Tätern in der Sicherungsverwahrung signifikant höher.327 Neben den Viktimisierungserfahrungen fragten Bartsch/Baier/Wollinger einige Erklärungsfaktoren ab, wobei sie keinen Zusammenhang der erhöhten Viktimisierungsraten im Bereich physischer und sexueller Gewaltdelikte bzw. Erpressung mit den von den Sicherungsverwahrten begangenen Delikten feststellen konnten. So wiesen die Strafgefangenen, die wegen eines Sexualdelikts inhaftiert waren, grds. genauso wie die anderen Strafgefangenen niedrigere Viktimisierungsraten auf. Im Übrigen könne man die höheren Raten auf persönlichkeitsbezogene Merkmale, wie Gewalterfahrungen in der Familie sowie hauptsächlich auf an­ stalts­bezogene Merkmale zurückführen.328 Insbesondere deshalb stuften die Verwahrten  – rein subjektiv  – das Verhältnis der Gefangenen untereinander als schlechter sowie die Atmosphäre in der SV-Abteilung selbst als weniger entspannt und freundlich ein, als es die Strafgefangenen des geschlossenen Vollzugs machten. Darüber hinaus werde das Verhältnis bzw. die Vertrauensbeziehung zu den 323

Bartsch 2010, 247 f.: „Naturgemäß“ stellten sich hier ähnl. Probleme. Kern 1997, 157, jeweils eigene Berechnung. 325 Bartsch/Baier/Wollinger, FS 2013, 84, 87. 326 Bartsch/Baier/Wollinger, FS 2013, 84 (zu den abgefragten Viktimisierungserfahrungen), 85 (Tab. 1), 87. 327 Bartsch/Baier/Wollinger, FS 2013, 86. 328 Bartsch/Baier/Wollinger, FS 2013, 86 f., insbes. Tab. 3. 324

146

B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

Anstaltsbediensteten seltener als positiv bewertet. Denkbar sei, dass den Sicherungsverwahrten sowohl seitens der Mithäftlinge als auch der Bediensteten ein geringerer Status zugebilligt werde. Daraus ziehen die Autoren den Schluss, dass ein am Präventionsgedanken orientiertes Vorgehen an der Veränderung des Anstaltsklimas ansetzen müsse. Lediglich hinsichtlich der Freizeitmöglichkeiten schätzten die Sicherungsverwahrten die Bedingungen besser ein, als die Straf­ gefangenen.

III. Erkenntnisse zur Behandelbarkeit Angesichts des Vorwurfs, das BVerfG sei einem Therapieoptimismus erlegen, stellt sich die Frage, welche empirischen Erkenntnisse es im Bereich der Behandelbarkeit überhaupt gibt. Kröber warf sogar die Frage auf, ob die Therapieorientierung „mit einer diabolischen List die Untauglichkeit von Straftätertherapie in einem Großversuch jedermann vor Augen“329 führen solle, um zu dem Ergebnis zu gelangen, dass beim Großteil der Verurteilten der Beweis der „Unbehandelbarkeit noch keinesfalls erbracht“330 sei. Hier wird zunächst die besondere Situation der Sicherungsverwahrten in Bezug auf den behandlerischen Umgang aus den bereits gewonnenen Erkenntnissen zusammengefasst, um anschließend den Blick auf die Straftäterbehandlung sowie deren Entwicklung zu lenken. Daran schließt ein Überblick – eine Vertiefung bleibt der therapeutischen Fachwissenschaft vorbehalten  – über die Erkenntnisse an, die hinsichtlich der besonderen Problemlagen für den behandlerischen Umgang mit dieser schwierigen Klientel vorliegen. 1. Besondere Situation und Persönlichkeitsstruktur der Verwahrten Die Sicherungsverwahrten weisen, wie hier ermittelt wurde, eine Vielzahl unterschiedlicher Risikofaktoren für künftiges kriminelles Verhalten auf, aus denen eine erhöhte Rückfallgefährdung und entsprechend dem Risikoprinzip ein hoher intensiver Behandlungsbedarf abgeleitet wird.331

329

Kröber, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 150. Kröber et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 168; s. aber die Begründung zum SichVAbstUmsG, BT-Drs. 17/9874, S. 17: Behandlungsunfähigkeit bei sehr beschränkten intellektuellen Fähigkeiten; Bspe. aus der Rspr.: KG Berlin NJW 2001, 1807; OLG Frankfurt a. M. NStZ-RR 2004, 350; OLG Schleswig StV 2006, 148; OLG Celle StV 2015, 375. 331 Zu den Risikofaktoren vgl. Habermeyer/Vohs 2012, 93; Suhling/Wischka, KrimPäd 2013, 53; Rezk/Borchard 2012, 279 f.; vgl. auch die Umschreibung i. R. d. „Kriminalitätsmodells“ der JVA Schwalmstadt, Konzept JVA Schwalmstadt, S. 11 f.: „persönlichkeitsgebundene Risikofaktoren, spezifische Risikofaktoren, Alltagsstrukturierung und -bewältigung, gesellschaftliche Integration, schulische/berufliche Qualifikation“. 330

III. Erkenntnisse zur Behandelbarkeit

147

Die Mehrzahl der Verwahrten, mit über 60 % Sexualstraftäter bzw. über 35 % Gewaltstraftäter, hat mehrheitlich eine größere Anzahl an diversen Vorstrafen zu verzeichnen. Die Bildungssituation ist schlecht.332 Teilweise wird der hohe Anteil älterer Personen (64,0 % im Alter von 50plus) in der Sicherungsverwahrung als Nachteil für deren Behandelbarkeit eingestuft mit dem Gedanken, dass sich die kriminelle Identität mehr als bei Jüngeren bereits gefestigt haben könnte.333 Zudem sei davon auszugehen, dass Jüngere eher auf die Freiheit hinarbeiten möchten, wohingegen es den Älteren mehr um die aktuelle Lebenssituation gehe.334 Es muss aber bedacht werden, dass mit zunehmendem Alter von einer abnehmenden Gefährlichkeit ausgegangen werden kann,335 so dass es sich bei dieser Frage mehr um ein pflegerisches, medizinisches bzw. geriatrisches Behandlungsproblem statt um einen Nachteil von Behandlung handeln dürfte. Insgesamt sei aufgrund der wenig gesundheitsfördernden Lebensweise in und vor der Haft davon auszugehen, dass die alterstypischen Einschränkungen deutlich schneller und ausgeprägter zu Tage träten als bei der durchschnittlichen „Normalbevölkerung“.336 Viele Verwahrte haben außerdem mehrere Jahre in Unfreiheit verbracht, weil sie vor der Verwahrung eine oder mehrere Freiheitsstrafen verbüßt haben, so dass gewisse Hospitalisierungs- und Institutionalisierungseffekte für eine eingeschränkte Behandlungsmotivation sowie Behandelbarkeit sprechen.337 Die erheblichen biographischen Problematiken deuten regelmäßig auf eine subkulturelle Einbindung hin, welche genauso als zusätzliches Behandlungserschwernis338 gesehen wird. Des Weiteren haben Studien wiederholt auf hohe Quoten von 60 bis über 80 % behandlungsbedürftiger Persönlichkeitsauffälligkeiten und -störungen hingewiesen.339 Aufgrund nicht einheitlicher Diagnosen bzw. fehlender Verwendung von 332

S. o. Teil B., Fn. 69; zu Behandlungsansätzen vgl. Müller-Isberner/Eucker 2012, 82 f. Suhling/Wischka, KrimPäd 2013, 52; Meischner-al-Mousawi/Hinz, FS 2011, 303; differenzierend Mößle 2012, 555; Bartsch 2010, 233 zu einer Altersgrenze bei der Verlegung in die SothA. 334 Endres/Breuer, FS 2011, 286. 335 Darauf weisen die Erkenntnisse zum Einfluss des Alters auf die Rückfälligkeit hin, dazu Kinzig 2011a, 82, 85 ff. m. w. N.; ebso. Alex, NK 2013, 359; ähnl. Bartsch/Kreuzer, FS 2008, 32; dies., StV 2009, 54. 336 Görgen, KrimPäd 2007, 5 ff.; Mößle 2012, 554. 337 Habermeyer/Vohs 2012, 95; ebso. Endres/Breuer, FS 2011, 286; Suhling/Wischka, KrimPäd 2013, 52. 338 Dazu Suhling/Pucks/Bielenberg 2012, 233. 339 Habermeyer 2008, 65 ff.; Habermeyer/Vohs 2012, 90 ff. (dort insbes.  Tab.  2, SV können als „Wiederholungstäter mit antisozialen Persönlichkeitsstörungen“ bezeichnet werden); noch höhere Werte bei Habermeyer/Mokros/Vohs, R&P 2012, 75: 80,8 % der SV-Probanden haben eine antisoziale Persönlichkeitsstörung; zusammenfassend Kröber et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 168 f. Gairing et al., Der Nervenarzt 2013, 69 f. untersuchten in den Jahren 2009–2010 u. a. 26 Sicherungsverwahrte der JVA Straubing und stellten bei rund 81 % eine Persönlichkeitsstörung und bei rund 58 % Substanzmissbrauch fest. Krott/Pfäfflin/Ross, MschrKrim 2008, 337 ff.: bei 50 % der untersuchten SV diagnostizierte Persönlichkeitsstörungen. Im Jahre 1996 konstatierte Kinzig 1996, 326 f.: bei rund 60 % der Untersuchten liege eine Persönlichkeitsstörung vor; s. a. Passow 2010, 40: 71,1 %; Voß/Sauter/Kröber 2012, 152 ff. 333

148

B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

gängigen Klassifikationssystemen ist die Rede von (mehrheitlich antisozialen) Persönlichkeitsstörungen oder „nur“ Auffälligkeiten. Z. T. erfolge konkret die Diagnose nach ICD- bzw. DSM-Klassifikation.340 Habermeyer et al. ziehen aus ihrem Vergleich aus Probanden des Sicherungsverwahrungs- und Maßregelvollzugs sogar den Schluss, dass Verurteilte mit diesem Störungsbild, insbesondere wegen bisher geringer Therapieoptionen, häufiger in der Sicherungsverwahrung unter­ gebracht werden als im Maßregelvollzug nach § 63 StGB.341 Wie schwierig die Begrifflichkeiten für die psychiatrisch-medizinische Fachwissenschaft zu sein scheinen, zeigt sich besonders deutlich an dem heftigen Diskurs hinsichtlich des ThUG und der dort normierten „psychischen Störung“. Nicht erst das BVerfG hat die häufig vorkommenden psychischen Auffälligkeiten bei Sicherungsverwahrten aufgegriffen.342 Gleichermaßen enthalten ältere juristische und kriminologische Stellungnahmen Hinweise darauf.343 Das CPT berichtete nach seinen Besuchen von multiplen Persönlichkeitsstörungen bzw. katastrophalen Gemütszuständen der meisten Verwahrten.344 Die Untersuchungen von Bartsch und Elz weisen darauf hin, dass trotz Behandlungsbedürftigkeit kaum eine therapeutische Intervention erfolgte. Außerdem wird seit Jahrzehnten von der Praxis darauf hingewiesen, dass es bei der Mehrheit der Verwahrten an einer Behandlungsmotivation fehle.345 Zudem würden Sicherungsverwahrte im Unterschied zu Strafgefangenen einen hohen Wert für „Psychopathy“346 aufweisen, was für eine noch eingeschränktere therapeutische Erreichbarkeit spreche.347 Nahezu regelhaft seien nicht nur psychische Störungen, sondern auch Probleme im Bereich des Substanzmittelmissbrauchs festzustellen.348 Die Hinweise auf häufig vorliegende Persönlichkeitsstörungen im Sicherungsverwahrungsvoll-

340

Habermeyer/Vohs 2012, 89 f.; Kury 2004, 156 ff.; s. aber Krott/Pfäfflin/Ross, MschrKrim 2008, 337: „weder die Feststellung einer Persönlichkeitsstörung noch die Höhe des Psychopathy-Scores oder das Anlassdelikt bedeutsam für die Auswahl und die Zuweisung der Betroffenen zu einer psychotherapeutischen Behandlung“. 341 Habermeyer/Mokros/Vohs, R&P 2012, 77. 342 BVerfGE 128, 385: „erhöhten personellen Aufwand … auch für die Motivation Therapieunwilliger“. 343 S. o. Teil B.II.2.; ebso. Meyer-Velde 1988, 102; vgl. zum Ganzen Habermeyer/Vohs 2012, 85 f. m. w. N. 344 Dazu CPT/Inf (2007) 18 bzw. CPT (2006) 36, S. 42 Rn. 96. 345 Rauchfleisch 2012, 369. 346 Der kanadische Psychologe Hare entwickelte ein Instrument zur Diagnose der „Psychopathy“, so dass der Wert mit der revidierten Checkliste „Psychopathy Checklist-Revised“ nach Hare 2003 gemessen wird. S. dazu Gairing et al., Der Nervenarzt 2013, 69 m. w. N.; zum Begriff allg. Hare/Neumann 2012, 123 ff.; zu den Unterschieden und Gemeinsamkeiten von „Psychopathy“, dissozialen sowie antisozialen Persönlichkeitsstörungen vgl. Wischka, KrimPäd 2011, 43 f. m. w. N.; ebso. Rezk/Borchard 2012, 282; zur Unterscheidung verschiedener Persönlichkeitsstörungen Habermeyer/Herpertz, Der Nervenarzt 2006, 605 ff. 347 Mokros/Habermeyer 2012, 298; allg. zur Problematik bei Psychopathen Lösel 2004, 380. 348 Habermeyer/Vohs 2012, 92; Kinzig 1996, 326 f.: Anteil substanzbedingter Störungen liege bei 9,7 %; Meischner-al-Mousawi/Hinz, FS 2011, 303; Mokros/Habermeyer 2012, 298

III. Erkenntnisse zur Behandelbarkeit

149

zug fußen im Wesentlichen auf fehlender Erreichbarkeit mittels Strafe bzw. Unfähigkeit, aus Erfahrungen zu lernen sowie einem wiederholt kriminellen Vorverhalten.349 Was man daraus schließen kann ist, dass die Diagnose nicht automatisch einen Leidensdruck oder gar einen Therapiebedarf i. S. e. psychiatrisch-psychotherapeutischen Behandlung notwendig macht.350 Die Gefahr besteht, dass zu häufig die Gefährlichkeit der Täter mit einer psychischen Störung gleich gesetzt wird. 2. Zur Straftäterbehandlung Der besonderen Situation der Sicherungsverwahrten entsprechend stellt sich zunächst die Frage, welche empirischen Erfahrungen es zur Straftäterbehandlung im Allgemeinen gibt. Die Beurteilung der Wirksamkeit von Therapien im Strafvollzug unterlag in den letzten Jahrzehnten einem deutlichen Wandel.351 War man z. Z. der Großen Strafrechtsreformen vom Resozialisierungsgedanken euphorisiert und beurteilte die Wirkungskraft damals positiv, waren die 1980er Jahre von einem „Behandlungspessimismus“ geprägt („nothing works“).352 Abgelöst wurde dieser von einer Forschungsphase in den 1990er Jahren mit der Erkenntnis, dass nicht das „ob“, sondern das „wie bei wem“ der Behandlung die entscheidende Frage sei.353 Zusammenfassend lässt sich eine Entwicklung vom „nothing works“ über das „what works“ zum „making that works work“ feststellen.354 Zu Beginn des 21. Jahrhunderts wurde für den normalen Strafvollzug über standardisierte Behandlungsprogramme z. B. für dissoziale Straftäter bzw. solche mit hoher Psychopathieausprägung sowie deliktsorientiert für Sexual- und Gewaltstraftäter diskutiert.355 Dabei handelt es sich um Tätergruppen, die in der Sicherungsverwahrung anzutreffen sind. Diverse Vergleichsstudien zur Sozialtherapie und deren Erfolge i. S. e. verbesserten Legalbewährung bestätigten wiederholt eine grds. Wirksamkeit, wobei die m. w. N.; vgl. auch die Gesetzesbegründung zum SichVAbstUmsG, BT-Drs.  17/9874, S.  42: „Denn es dürfte … zumindest eine dissoziale Persönlichkeitsstörung oder/und eine Suchtproblematik (Alkohol, Drogen) vorliegen …“ 349 Habermeyer/Vohs 2012, 94; krit. zur Störungsdiagnose Habermeyer/Herpertz, Der Nervenarzt 2006, 606 ff. 350 Habermeyer/Vohs 2012, 94; ähnl. Kröber, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2011, 64 f. 351 Egg, KrimPäd 2015, 27; Lau, Psychiat Prax 2003, 120 ff.; Wischka, KrimPäd 2011, 40 f. 352 Martinson, The Public Interest 1974, 22 ff. 353 Suhling/Wischka, KrimPäd 2013, 48. 354 Angelehnt an Andrews/Bonta 2010, iii; ebso. Lösel 2004, 368 m. w. N.; zur Entwicklung der Straftäterbehandlung vgl. Egg, KrimPäd 2015, 18 ff., 25. 355 Z. B. Wischka 2004, 87 ff.; ders. 2013, 539 ff.: „Behandlungsprogramm für Sexualstraftäter (BPS)“; Eucker/Ross/Young 2007: „Reasoning & Rehabilitation“; Löhr/Wenzlaw 2013: Behandlungsprogramm für lernbehinderte Sexualstraftäter; vgl. auch die Metaanalyse bei Schmucker/Lösel 2007, 300 ff.

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B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

konkreten Bedingungen für eine gelungene Behandlung offen blieben.356 Darüber hinaus wurden bestimmte „Kernprinzipien“ (Risk-Need-Responsibility)357 einer effektiven Behandlung entwickelt, die inzwischen ähnlich wie spezielle Programme für Sexualstraftäter und störungsbezogene Ansätze358 empirisch gesichert sind. Bei Beachtung dieser Prinzipien und einiger Qualitätskriterien könne Behandlung wirksam sein.359 Auf diese Ansätze und Kriterien wird auch in den SVVollzGen sowie teilweise den Konzepten sowie in den forensischen Nachsorgeprogrammen entlassener Verwahrter neuerdings Bezug genommen.360 Veranlasst durch das BVerfG-Urteil vom 4.5.2011 fand hinsichtlich als schwer erreichbar geltender Inhaftierter eine Auseinandersetzung mit anti- bzw. dissozialen Persönlichkeitsstörungen statt, die später allgemein auf „Therapiehemmnisse“ ausgedehnt wurde und in einer Auseinandersetzung mit deren Erreichbarkeit mündete.361 Auch einige Behandlungskonzepte der neuen Sicherungsverwahrungsvollzugsabteilungen sprechen die hohe Rate der persönlichkeitsgestörten sowie sonst behandlungsbedürftigen Untergebrachten der eigenen Sicherungsverwahrungsabteilung an.362

356 Dazu etwa Alex, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2011, 252; Fischer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 156: „signifikant positive Ergebnisse; eine Minderung der Rückfallrate um … [bis zu] 15 %“; Lösel, ZfStrVo 1996, 259 ff.; LNNV/Neubacher 2015, J  Rn.  12; Rehn, FS 2014, 246: „‚Wirkungsbedingungen … empirisch bestätigt“; s. a. Lösel/Köferl/­ Weber 1987, 263: Ergebnisse „nicht einheitlich, aber doch bemerkenswert konsistent“; Ergebnis gestützt durch Lösel 1994, 13 ff.; Egg/Pearson/Cleland/Lipton 2001, 321 ff.; s. a. Dünkel/ Geng 1994, 35 ff.: geringere Rückfallquote von Sexualdelinquenten nach Behandlungsvollzug; Dolde, ZfStrVo 1996, 290 ff.: etwas seltener rückfällig; Seitz/Specht, KrimPäd 2002, 54 ff.; hingegen Spöhr 2009, 145, 150 zu noch offenen Bedingungen; dagegen aber Ortmann 1987, 379 ff.; ders. 2002, 291 ff. 357 Zurück gehen die Kernprinzipien auf Andrews et al., Criminology 1990, 369 ff.; aktuell Andrews/Bonta 2010: RNR bedeutet „risk-, need-, responsibility-principle“; dazu Suhling/ Wischka, KrimPäd 2013, 48; Suhling/Pucks/Bielenberg 2012, 237 f.: Unterscheidung zwischen Risikoprinzip (entscheidend für die behandlerische Maßnahme ist das Rückfallrisiko), Bedürfnisprinzip (Behandlung ausrichten auf die Risikofaktoren für Rückfälligkeit) und Ansprechbarkeitsprinzip (Ansprechbarkeit maximieren und Anpassung der Maßnahme an individuellen Fähigkeiten); Endres/Breuer, FS 2011, 286; Meier 2015, 33 f. 358 Voß et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2015, 40; Egg, KrimPäd 2015, 25 ff. 359 Suhling/Wischka, KrimPäd 2013, 57: „deliktpräventive Effekte“. 360 Z. B. Nds. LT-Drs. 16/4873, S. 56 f. 361 Rauchfleisch 2012, 365 ff. zu anti- bzw. dissozialen Gefangenen; allg. Thalmann, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 172 ff.: „Therapiehemmnisse“; Borchard/Urbaniok 2012, 163 ff.; Huchzermeier 2012, 131 ff.; Suhling/Pucks/Bielenberg 2012, 233 ff. 362 Etwa Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 16 f.; Konzept JVA Bützow, S. 19: beim „Großteil der Untergebrachten … antisoziale Persönlichkeitszüge oder Merkmale der ‚psychopathy‘ …“; ähnl. Konzept JVA Freiburg, S. 12: „76 % … weisen aktuell eine Persönlichkeitsstörung i. e. S. auf …“; s. a. Konzept JVA Fuhlsbüttel, S. 15 Tab. 4.

III. Erkenntnisse zur Behandelbarkeit

151

3. Zur Behandlung von Tätern mit entsprechenden kriminogenen Risikofaktoren Auf die Frage der Behandelbarkeit der beschriebenen schwierigen Klientel folgt zugleich die Ernüchterung: Sicher ist, dass nichts sicher ist. Nur wenige valide empirische Erkenntnisse im Hinblick auf wirksame Behandlungen oder das Überwinden behandlerischer Problematiken sind verfügbar, überhaupt keine zur Abgrenzung von anderen Inhaftierten, die zwar nicht für die Sicherungsverwahrung vorgesehen sind, aber denen eine lange u. U. lebenslange Haftstrafe droht.363 Laut Habermeyer/Vohs hätten mehrheitlich nicht aus dem deutschsprachigen Raum stammende Studien „weder überzeugende psychotherapeutische noch psychopharmakologische Therapieeffekte bei antisozialen Persönlichkeitsstörungen“ erbracht.364 Ohnehin ist angesichts unterschiedlicher institutioneller Bedingungen von vornherein von einer nur bedingten Übertragbarkeit auf die deutsche Sicherungsverwahrung auszugehen, so dass vornehmlich Erkenntnisse aus der Behandlung von Maßregelpatienten bzw. zum Umgang mit gefährlichen Tätern heranzuziehen sind.365 Dies gilt insbesondere für solche Täter mit einer Persönlichkeitsstörung, aber auch für Sexualstraftäter, solche mit intellektuellen Behinderungen oder therapeutisch nicht Erreichbare. Feststellen lässt sich ein großes Meinungsspektrum. So galt die besonders ausgeprägte Form der Persönlichkeitsstörung („Psychopathy“) lange als nicht behandelbar, sogar von paradoxen Wirkungen einer Therapie war die Rede.366 Zumindest wurde jedoch auf Teilerfolge z. B. kognitiver-verhaltenstherapeutischer Behandlungen abgestellt.367 Insgesamt verdeutlichen die folgenden Zitate, welche Extreme vertreten werden: Thalmann bezeichnete die Behandelbarkeit von Persönlichkeitsstörungen als „eine offene Frage – und nicht entschiedene Sache“368, wohingegen laut Habermeyer/Herpertz es entgegen pessimistischer Einschätzungen „empirisch fundierte Hinweise auf die Wirksamkeit psychotherapeutischer 363 Habermeyer/Vohs 2012, 94; Mokros/Habermeyer 2012, 294 ff.; Suhling/Pucks/Bielenberg 2012, 236 ff.; Suhling/Wischka, KrimPäd 2013, 53 ff.; Thalmann, KrimPäd 2007, 55; Wolf, Rpfleger 2011, 415. 364 Habermeyer/Vohs 2012, 94; Habermeyer/Herpertz, Der Nervenarzt 2006, 613. 365 Trotz methodischer Schwierigkeiten möglich, so zu Recht Lau, Psychiat Prax 2003, 120, weil beide Gruppen „häufig Sozialisations- und Bildungsdefizite sowie Persönlichkeitseigenschaften“ aufweisen. 366 Lösel 2004, 375 zur Nichtbehandelbarkeit; Müller-Isberner/Eucker 2012, 84; Thalmann, KrimPäd 2007, 55 ff. zu ambivalenten Untersuchungen; differenzierend Mokros/Habermeyer 2012, 296 m. w. N.: „Die Befunde reichen von paradoxen Wirkungen … bis zu vereinzelten Hinweisen für therapeutische Wirksamkeit“; s. a. Rezk/Borchard 2012, 282 ff. Krit. zum „Therapiepessimismus“ Fiedler 1997, 391 ff. 367 Deutlich für den Strafvollzug Kury 2004, 162 m. w. N.; i. Ü. in erster Linie internationale Studien: Olver/Wong, Journal of Consulting and Clinical Psychology 2009, 328 ff.; dies., Psychology, Crime & Law 2011, 457 ff.; eine Übersicht bei Schmucker/Lösel 2007, 296; Habermeyer/Herpertz, Der Nervenarzt 2006, 613 ff. 368 Thalmann, KrimPäd 2007, 58 in Bezug auf Psychopathen.

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B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

Behandlungsverfahren“ gebe.369 Festhalten lässt sich, dass die bei Sicherungsverwahrten relevanten Persönlichkeitsstörungen trotz unvollständig untersuchter Therapieansätze bzw. aufgrund Erfahrungen der Sozial- und Psychotherapie als schwer370 – auch weil die Betroffenen keinen Leidensdruck empfänden und daher wenig Behandlungsbereitschaft zeigten – aber dennoch als behandelbar gelten.371 Die sehr heterogene Gruppe von nicht erreichbaren Straftätern ist im Maßregelvollzug ebenfalls kaum empirisch untersucht worden.372 Dennoch wurde die Erkenntnis gewonnen, dass die Frage der Behandelbarkeit nicht nur von der Person selbst und ihrer Störung, sondern ebenso von vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten, -einstellungen und -anstrengungen abhängt.373 Selbst, wenn man es pessimistisch(er) sehen möchte, „bedeutet Unbehandelbarkeit nicht Unveränderlichkeit“.374 Lösel stellt darauf ab, dass man zwar nicht immer die Grundpersönlichkeit behandlerisch ändern, aber dafür durch Verbesserung von Behandlungsmerkmalen eine Reduzierung von Rückfällen erreichen könne.375 Letztlich sei bei der längsten kriminellen Karriere immer noch eine Wert- und Präferenzverschiebung möglich.376 Die Behandlungsmotivation wird als (begrenzt) veränderbar eingestuft, zumal es sich dabei nicht um ein Merkmal der Person handle. Vielmehr hänge diese wesentlich vom Behandlungskonzept ab und von der Einschätzung des beurteilenden Personals.377 Ihre Bedeutung für den Beginn einer Behandlung oder aber deren Abbruch wurde empirisch bestätigt, so dass der Motivierungs­ arbeit des Vollzugs vermehrt Aufmerksamkeit zu schenken ist.378 Aus den Erfahrungen zum Umgang mit rückfallgefährdeten Rechtsbrechern und deren Resozialisierung der deutschsprachigen forensischen Psychiatrie wird 369

Habermeyer/Herpertz, Der Nervenarzt 2006, 613. Dazu die Übersicht bei Suhling/Wischka, KrimPäd 2013, 55 ff. m. w. N.; ebso. Suhling/ Pucks/Bielenberg 2012, 247 ff.; Endres/Breuer, FS 2011, 286 ff. mit Konzentration auf sichere Unterbringung und Abstandsgebot. 371 Habermeyer/Vohs 2012, 94 f.; Rauchfleisch 2012, 370 ff.; ebso. Mokros/Habermeyer 2012, 296; übertragbar auch die Erkenntnisse aus dem Maßregelvollzug von Müller-Isberner/ Eucker 2012, 77; Wolf 2011, 108; für Österreich Frottier, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2007, 181 ff. 372 Müller-Isberner/Eucker 2012, 84 f. m. w. N. 373 Leygraf, R&P 2002, S. 3; s. a. das Ergebnis der Metaanalyse von Schmucker/Lösel 2007, 308: Therapien sind überlegen, wenn sie die Besonderheiten des Täters berücksichtigen. 374 Thalmann, KrimPäd 2007, 57. 375 Lösel 2004, 380; ders. 1998, 303 ff.; ebso. Schmucker/Lösel 2007, 310. 376 S. dazu bspw. den aktuellen Fall des KG Berlin, Beschl. vom 26.6.2015 – 2 Ws 133/15, 2 Ws 133/15 – 141 AR 262/15, Rn. 34 – bei juris: ein seit über ein Jahrzehnt Inhaftierter führe erstmals in der neu strukturierten SV dauerhafte Gespräche mit dem Therapeuten, woraus ein „stabiler, tragbarer und belastbarer therapeutischer Kontakt“ entstanden sei. 377 Dazu Suhling/Pucks/Bielenberg 2012, 242 ff. m. w. N.; vgl. zur Bedeutung der Einschätzung durch das Personal Leygraf, R&P 2002, 3; ebso. Wischka, KrimPäd 2011, 42. 378 Vgl. dazu die Metaanalyse von Schmucker/Lösel 2007, 305: Freiwilligkeit könne „einen begünstigenden Einfluss“ haben, sei aber „kein Garant für einen Behandlungserfolg“; zur Bedeutung der Motivation s. a. Suhling/Pucks/Bielenberg 2012, 234 f. 370

III. Erkenntnisse zur Behandelbarkeit

153

daher für den Sicherungsverwahrungsvollzug abgeleitet, dass man sich an den „Kernprinzipien“ einer effektiven Behandlung, dem Risiko-, Bedürfnis- und Ansprechbarkeitsprinzip, zu orientieren habe.379 Überhaupt gilt eine Ressourcenorientierung in der psychotherapeutischen Behandlung und Beratung als zentrales Wirksamkeitsprinzip.380 Demgegenüber setze die Strafvollzugspraxis bisher i. d. R. nicht auf Ermittlung von Stärken und Ressourcen des Verurteilten. Die Stoßrichtung müsse sich ändern. Statt auf vorhandene Behandlungsansätze zu setzen, müssten ausgehend von der Klientel konkret auf diese abgestimmte Programme entwickelt werden.381 Liege eine Persönlichkeitsstörung vor, habe dies Auswirkungen auf die Ansprechbarkeit des Verwahrten, welcher daher besonderer Aufmerksamkeit gebühre.382 Letztlich wird es bei den hier angesprochenen schwer behandelbaren Fällen mit einer entsprechenden Störung darauf ankommen, sich mit „mehr oder weniger geringfügigen Erfolgen“ zufrieden zu geben.383 Behandlungserfolge sind überhaupt nur i. R. v. sehr langfristigen und personalintensiven Betreuungen möglich.384 Daneben wird betont, dass ein sorgfältig geplanter und begleiteter Lockerungsprozess sowie eine engmaschige Nachsorge nicht nur sinnvoll seien, sondern schlicht zu einer wirksamen Behandlung gehöre.385 Insbesondere zur Rückfallvermeidung oder zumindest -reduzierung wird die Bedeutung von (ambulanter) Therapie nach der Entlassung unterstrichen.386 Dabei komme es darauf an, Veränderungen zu stabilisieren, zu überwachen sowie zuverlässige Kriseninterventionsangebote zu machen.387 Im Umkehrschluss kann i. R. d. Nachsorge nicht erst der therapeutische Prozess beginnen.

379

Nedopil 2012a, 235; Suhling/Wischka, KrimPäd 2013, 54; ebso. Endres/Breuer, FS 2011, 288; Mokros/Habermeyer 2012, 298 f.; Suhling, FS 2011, 276 ff. 380 Spätestens seit Grawe/Donati/Bernauer 1994, 750: Aktive Hilfe das „mächtigste Wirkprinzip erfolgreicher Psychotherapie“; ebso. Grawe/Grawe-Gerber, Psychotherapeut 1999, 63 ff.: „Ressourcenaspekt eher wichtiger ist als der Problemaspekt.“ Krit. zu Defizitkonzepten Fiedler 1997, 423; Kury 2004, 163 f. 381 Kury 2004, 163, der sich auf Grawe/Donati/Bernauer 1994, 750 ff. bezieht. 382 Habermeyer/Vohs 2012, 95; Mokros/Habermeyer 2012, 297; Suhling, FS 2011, 275 ff. 383 Rauchfleisch 2012, 375; s. a. Egg, KrimPäd 2015, 27. 384 Dazu auch Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 17. 385 Nedopil 2012a, 235; Dünkel/Pruin, KrimPäd 2015, 30 m. w. N.; Kröber, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2011, 64 f.: Übergangsmanagement statt psychiatrisch-psychotherapeutischer Therapie; ebso. Habermeyer/Mokros/Vohs, R&P 2012, 78; Habermeyer/Vohs 2012, 94: Ausbau ambulanter Nachsorge; Kury 2004, 163; Lau, Psychiat Prax 2003, 119, 121 ff.; Wischka, KrimPäd 2011, 37, 40; ders., FS 2014, 230. 386 Wischka 2004, 97 ff.; ebso. Freese 2004, 175 f.; Pitzing 2004, 66; ders. 2004a, 462; Habermann/Berner 2007, 337; zur Wirksamkeit ambulanter Therapie bereits Müller-Isberner et al., BewHi 1997, 277 ff.; zum noch geringen Forschungsstand Voß et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2015, 38 f. 387 Freese 2004, 180: forensische Nachsorge als sekundäre Prävention; Wischka 2004, 114.

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B. Empirische Bestandsaufnahme des Sicherungsverwahrungsvollzugs 

Ernüchternd lässt sich jedoch das Fazit ziehen, dass sich die Nachsorge und Entlassungsvorbereitung trotz ihrer dringenden Notwendigkeit388 nicht nur für zu entlassende Straftäter, sondern in besonderem Maße für Sicherungsverwahrte über Jahr(zehnt)e hinweg „in der Auf- und Ausbauphase“ befand.389 Insbesondere stellte sich für die Weisung, an einer ambulanten Psychotherapie teilzunehmen, die Verweigerungshaltung von Therapeuten ggü. Sexualstraftätern als Problem dar.390 Angesichts der immer wieder betonten Wirksamkeit von Therapie zur Rückfallvermeidung bestand also schon vor dem Urteil des BVerfG ein immenser Bedarf zum Ausbau von Therapieplätzen zur Nachsorge. Entlassungsvorbereitung war ebenfalls mangelhaft.391 Nicht nur angesichts der Forderungen von EGMR und BVerfG nach multidisziplinären Teams, sondern auch weil bei Persönlichkeitsstörungen eine konstruktiv gestaltete therapeutische Beziehung einen hohen Stellenwert haben soll,392 ist auf Erkenntnisse im Zusammenhang mit dem Behandlungspersonal zurückzukommen. Einigkeit besteht darüber, dass die Arbeit im Sicherungsverwahrungsvollzug „aufwendig, anstrengend und mitunter frustrierend“ sei.393 Typischerweise reagiere der Vollzug auf schwer erreichbare Täter damit, dass er diese von Behandlungsmaßnahmen ausschließe, Lockerungen verweigere und negative Stellungnahmen bspw. zu frühzeitigen Entlassungen abgebe – mehrere Studien bestätigen diese These.394 Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass aufgrund der mitunter schwer umgänglichen Persönlichkeiten in der Sicherungsverwahrung diese mehrheitlich vom Behandlungs- bzw. Vollzugspersonal abgelehnt und allein für das Scheitern einer Therapie verantwortlich gemacht würden.395 Hinzu komme eine Verantwortung der Bediensteten für potentielle Opfer,396 was einen nicht zu verachtenden Druck ausüben dürfte. Es fehlt (bisher) an einer der psychiatrischen Versorgung im Gesundheitswesen vergleichbaren Fachausbildung.397 Teilweise ginge die kollektive Ablehnung sogar soweit, dass Bestrafungen unter dem Deck 388 Dazu Voß et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2015, 38; zuvor Lau, Psychiat Prax 2003, 124; Forderungen zum Ausbau bei Habermeyer/Mokros/Vohs, R&P 2012, 78; Heltzel, R&P 2007, 10 ff.; Peglau, JR 2006, 17; Pitzing 2004a, 460; Sprung 2009, 96 m. w. N.; s. a. BGH NJW 2006, 1445 f. 389 Sprung 2009, 96; allg. für den Justizvollzug Bertram 2004, 430 ff. 390 Pitzing 2004, 68 f.: Im Jahr 2002 bestand im Raum Stuttgart nur bei zwei von insgesamt 251 Therapeuten die Bereitschaft, entlassene ehemalige Sexualstraftäter zu behandeln; ähnl. krit. Pfäfflin et al. 1998, 155. 391 Zu der einer vernetzten Entlassungsvorbereitung entgegenstehenden „ressortegoistisch[en]“ Handlungsweise des Justizvollzugs s. Bertram 2004, 431 ff. 392 Voß et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2015, 41 zum Maßregelvollzug; s. a. Frottier, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2007, 186 f.; Lau, Psychiat Prax 2003, 124. 393 Persönlichkeitsstörung sei immer eine Beziehungsstörung, so Meischner-al-Mousawi/ Hinz, FS 2011, 304; ebso. Suhling/Pucks/Bielenberg 2012, 233; Lösel 2004, 381. 394 Suhling/Pucks/Bielenberg 2012, 233; bestätigt bspw. von Elz 2014, Bartsch 2010. 395 Suhling/Wischka, KrimPäd 2013, 55; Rauchfleisch 2012, 371 ff. 396 Rauchfleisch 2012, 374. 397 Rössner 2004, 409; ebso. Lesting, R&P 1992, 83.

III. Erkenntnisse zur Behandelbarkeit

155

mantel der Therapie erfolgten oder der Untergebrachte vom Personal im Enttäuschungsfall verdeckte Sanktionen zu befürchten habe.398 Selbst wenn dies bei Weitem nicht die Regel sein dürfte, so ist es mindestens so, dass der Vollzug mit den als „schwierig, nicht mitarbeitbereit, uneinsichtig oder auch renitent“ eingestuften Personen, die zur Resozialisierung eigentlich die größte Aufmerksamkeit benötigen würden, nicht sonderlich gut zu Recht zu kommen scheint.399

398

Heltzel, R&P 2007, 10 ff. zu destruktiven Tendenzen des Behandlungspersonals im Maßregelvollzug; allg. zur Abhängigkeit vom Personal sowie deren „verdeckte Sanktionen“ s. Amelung, ZStW 1983, 5. 399 Suhling/Pucks/Bielenberg 2012, 233 f.

C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund „Auf zu neuen Ufern …“1

Nur wenn das alle staatliche Gewalt verpflichtende Abstandsgebot gewahrt wird, steht die Sicherungsverwahrung mit dem GG und der EMRK in Einklang.2 Nicht das Rechtsinstitut der Sicherungsverwahrung an sich, sondern die Regelungen, welche bisher die Anforderungen des verfassungsrechtlichen Abstandsgebots erfüllen sollten, sind laut Verfassungsrichter nicht zufriedenstellend.3 Ein Gesamtkonzept des Sicherungsverwahrungsvollzugs fehlte. Die Sicherungsverwahrung ist nur zulässig, wenn die Vollzugsebene i. S. d. Abstandsgebots geändert wird. Daher wird das Abstandsgebot als Teil  der Legitimation, Oberbegriff oder Kernfrage bzw. unabdingbare Voraussetzung für die Rechtfertigung der Sicherungsverwahrung selbst gewertet.4 Um also in diesem Teil in erster Linie die bundesrechtliche und im nächsten Teil der Untersuchung die landesrechtliche Umsetzung dieser „Zauberformel“5 untersuchen zu können, wird sich nun ihrem genauen Inhalt genähert.

I. Entwicklung und Inhalt des Abstandsgebots 1. Weg zur Konkretisierung und Maßstab Im Jahre 2004 konstatierte das BVerfG, dass dem Spannungsverhältnis zwischen Freiheitsgrundrecht und Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit mit einem Abstand zwischen Sicherungsverwahrungsvollzug und Strafvollzug Rechnung zu tragen sei, „der den allein spezialpräventiven Charakter der Maßregel sowohl dem Verwahrten als auch für die Allgemeinheit deutlich macht.“6 Das Abstandsgebot stellte sich folglich als ein Belang dar, dem besonders bei lange und hoffnungslos Verwahrten Bedeutung zukommen sollte.7 Im Übrigen überließ das Gericht die 1

Bartsch, FS 2012, 355. BVerfGE 128, 378. 3 Drenkhahn, Vorgänge 2014, 9. 4 Streng, StV 2013, 240; ders., JZ 2011, 831; Hörnle, NStZ 2011, 490: „Kernfrage für das gesamte Recht der Sicherungsverwahrung“; s. a. Zimmermann, HRRS 2013, 166: „entscheidende Voraussetzung für das Gelingen einer verfassungskonformen Neuregelung“; ähnl. Bartsch, KrimPäd 2013, 16. 5 Höffler/Kaspar, ZStW 2012, 88; ebso. Zimmermann, HRRS 2013, 166. 6 BVerfGE 109, 167. 7 BVerfGE 109, 167: Bei besonders langer Unterbringung sei über weitere Vergünstigungen nachzudenken, um den „hoffnungslos Verwahrten“ einen Rest an Lebensqualität zu bieten; vgl. dazu oben unter Teil A.II.2. 2

I. Entwicklung und Inhalt des Abstandsgebots

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weitere und damit inhaltliche Ausgestaltung der Praxis. In der Folge beschäftigten sich nur sehr wenige Gerichte mit dem Abstandsgebot, geschweige denn mit dessen inhaltlicher Konkretisierung. Es sei im Zusammenhang mit den Vorschriften zur Arbeitspflicht (§ 41 StVollzG)8 und zu den Haftkosten (§ 50 StVollzG)9 zu beachten. Das Abstandsgebot sei vom BVerfG an die Person des Sicherungsverwahrten und nicht an den Ort seiner Unterbringung geknüpft worden.10 Das Abstandsgebot beanspruchte der Rechtsprechung zufolge jedoch nur Geltung, „soweit dies im Rahmen der Vollzugsorganisation möglich“11 sei bzw. „sich dies mit den Belangen der Justizvollzugsanstalten verträgt“12. Alleine mit organisatorischen bzw. bürokratischen Erwägungen oder einem damit geringeren Arbeitsaufwand für die Anstalt können nunmehr Beschränkungen nicht mehr begründet werden. Hatte das Gericht im Jahre 2004 zurückhaltend einen „teilweise privilegierten“13 Sicherungsverwahrungsvollzug gefordert, drückte es sich 2011 sehr viel konkreter aus. Der neue Sicherungsverwahrungsvollzug müsse umfassend privilegiert, d. h. „in deutlichem Abstand zum Strafvollzug“ ausgestaltet sein, bei dem es um eine umfassende Therapieorientierung, die Gewährung von Vollzugslockerungen und die Ausrichtung auf Resozialisierung (Freiheitsorientierung) insgesamt geht.14 M. a. W. muss es um einen Nachteilsausgleich zugunsten der Sicherungsverwahrten gehen – was selbstredend nicht zum Nachteil der Strafgefangenen gehen darf.15 Hervorzuheben ist, dass das Urteil vom 4.5.2011 deutlich auf einen Unterschied qualitativer Art hinweist, welcher ein vom Strafvollzug abgekoppeltes Denken erfordert.16 Darin liegt aber auch die Problematik, da es in der Natur der Sache lie 8 OLG Karlsruhe Die Justiz 2007, 313: „Dieses verfassungsrechtliche Abstandsgebot haben die Vollzugsbehörden auch bei der Prüfung der Frage zu beachten, ob einem in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten im Einzelfall Arbeit zugewiesen werden soll …“ 9 OLG Karlsruhe NStZ-RR 2007, 389: „Die Resozialisierungsklausel des § 50 Abs. 1 Satz 5 StVollzG ermächtigt und verpflichtet die Vollzugsbehörde dazu, von der Geltend­machung eines Haftkostenbeitrags im Einzelfall abzusehen, um zu vermeiden, dass deren Erhebung in ein Spannungsverhältnis zum Vollzugsziel der Resozialisierung des Strafgefangenen oder Sicherungsverwahrten gerät …“ And. OLG Hmb, Beschl. vom 30.1.2009 – 3 Vollz (Ws) 73/08, Rn. 20 (bei juris) für die Kostentragungspflicht nach § 456 Abs. 1 S. 1 StPO. 10 Vgl. dazu OLG Hamburg StV 2009, 371 ff. 11 So OLG Karlsruhe NStZ-RR 2007, 389 f.; OLG Karlsruhe Die Justiz 2007, 313. 12 So OLG Hamburg StV 2009, 373. 13 BVerfGE 109, 176, 166. 14 BVerfGE 128, 378 ff.; vgl. Rose in der Anhörung zum SVVollzG SH-E, SH RA 18/28, S.  14: Das Bundesverfassungsgericht spreche ausdrückl. von „Besserstellung“ eines Sicherungsverwahrten ggü. einem Strafgefangenen; ebso. Köhne, FS 2014, 178: „Prinzip der Privilegierung“; Kreuzer, NK 2010, 94: Abstandsgebot verlange Besserstellung ggü. Gefangenen qualitativer Art; Laubenthal 2015, Rn. 931: privilegierter Vollzug. 15 Dies ist jedoch die Befürchtung bspw. von Schöch, GA 2012, 18 und Streng, JZ 2011, 831. 16 BVerfGE 128, 374: „Darüber hinaus veranlassen die Wertungen des Art. 7 Abs. 1 EMRK, die ohnehin geltenden verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Ausgestaltung eines schuldunabhängigen präventiven Freiheitsentzugs, der sich von einer ‚Strafe‘ qualitativ unterscheidet, zu präzisieren (sog. Abstandsgebot).“ S. dazu Krahl, KritV 2009, 317; ebso. die Nachweise in Teil C., Fn. 14; bereits zur Höchstdauerentscheidung s. Lackner/Kühl 2014, § 66 Rn. 1.

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

gen dürfte, dass die beiden mit Freiheitsentziehung verbundenen Vollzugsformen eher auf einen Gleichlauf ausgerichtet sind. Diese Neuausrichtung und damit das Abstandsgebot an sich fasste das Gericht in insgesamt sieben Geboten zusammen, die es für ein künftiges freiheitsorientiertes und therapiegerichtetes Gesamtkonzept des Sicherungsverwahrungsvollzugs für erforderlich hält.17 Diese Konkretisierung stieß angesichts des bis dato nur rudimentär umschriebenen Abstandsgebots auf Zustimmung, weil unter der Prämisse, Bund und Länder hielten sich daran, davon auszugehen sei, dass substantielle Unterschiede zwischen Straf- und Maßregelvollzug erreicht werden könnten.18 Zwar ist in den Aussagen des BVerfG ein deutlicher Schwerpunkt zu erkennen, welcher sich auf die Themen Behandlung, Betreuung und Motivierung bezieht. Jedoch kann der sich derzeit abzeichnenden oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung, die das BVerfG so interpretiert, dass sich der Abstand zum Strafvollzug nur auf diese wesentlichen Kernbereiche beziehen müsse, nicht zugestimmt werden. Denn es geht dabei schlicht um die Rechtfertigung von Einschränkungen der Rechte der Verwahrten.19 Freilich gelten Behandlung und Therapie als zentrale Mittel zur Resozialisierung von Sicherungsverwahrten. Nicht umsonst wird das Gesamtkonzept mit den Worten „therapiegerichtet“ umschrieben.20 Aber daneben soll der Vollzug auch freiheitsorientiert sein.21 Außerdem hat das BVerfG „mindestens“ sieben Gebote benannt, welche das Gesamtkonzept ausfüllen, weshalb nicht die anderen Gebote ohne weiteres hinter der Behandlung und Betreuung zurücktreten, selbst wenn einige OLG-Entscheidungen seither diesen Eindruck vermitteln wollen. Nicht überzeugend daher das Konzept JVA Burg, S. 3: Privilegien kämen „auch dem Unter­ gebrachten zugute, der sich mit seinem Verhalten im Vollzug als regelkonform erwiesen hat und von dem keine Gefährdungen zu erwarten sind.“ Grds. kommen dem Verwahrten Privilegien aufgrund seiner Sonderstellung zu und nicht etwa, weil er sich „regelkonform“ verhält. 17 Drenkhahn, Vorgänge 2014, 9; BeckOK JVollzGB V-Dorsch, Stand: 1.8.2014, § 22 Rn. 6: „Hierbei hat das BVerfG konkrete Aspekte genannt, welche mindestens von einem solchen Gesamtkonzept umfasst sein müssen“. Die obergerichtliche Rspr. legt nahe, dass es nicht auf einzelne Details, sondern eine Gesamtbetrachtung zur Beurteilung des Abstandes ankomme, etwa OLG Koblenz, Beschl. vom 6.7.2012, 1 W 266/12, Rn. 3 – bei juris: „Gesamtbewertung“; OLG Hamm NStZ 2014,, 539 f.: „Gesamtbetrachtung“; „Gesamtwürdigung“. 18 Peglau, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 9 f. 19 Z. B. bzgl. des Besitzes eines Computers, vgl. dazu KG Berlin, Beschl. vom 18.6.2014 – 2 Ws 123/14 Vollz, Rn.  23; ebso. OLG Hamm, Beschl. vom 19.11.2012  – 11 C 89/12; LG Aachen, Urt. vom 9.7.2013  – 12 O 520/12, Rn.  21  – jeweils bei juris; OLG Hamburg FS 2013, 260 ff.: Behandlung und Betreuungsmotivation seien die „wesentliche[n] Kernbereiche“ i. d. S., dass alles andere dahinter zurücktrete. 20 Dies zeigt sich nicht nur in den Entscheidungen des BVerfG vom 5.2.2004 und 4.5.2011 sowie des EGMR vom 17.12.2009, sondern ebso. in dem zu verzeichnenden Ausbau der sozialtherapeutischen Einrichtungen sowie spätestens in der mit dem EGMR-Urteil einsetzenden Fachdiskussion in therapeutischen Kreisen. S. zur Bedeutung der Entscheidung des EGMR weitgehend SK/Sinn 2014, vor § 66 Rn. 25; ähnl. Ullenbruch, NStZ 2014, 541; Schroer 2012, 158; ebso. Grosse-Brömer/Klein, ZRP 2010, 174. 21 Wischka, FS 2014, 229; krit. zur bisherigen Situation Drenkhahn/Morgenstern, ZStW 2012, 198.

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Wozu das Gericht und die Literatur schwieg, ist die Frage, welchen Maßstab man überhaupt zur Bestimmung des Abstandes ansetzen soll: Ist ein Abstand zum idealen Strafvollzug oder „nur“ zum tatsächlichen, durchschnittlichen Bundesstrafvollzug oder sogar aller Strafvollzugsanstalten eines Landes herzustellen? Wie man einen solchen durchschnittlichen Strafvollzug bestimmen kann, ist unklar. Sobald in einzelnen JVAen schlechtere Vollzugsbedingungen herrschten, hätte dies geringere Anforderungen an die Ausgestaltung des Abstandsgebots zur Folge. Sinnvollerweise muss es in dieser Untersuchung, die hauptsächlich die Neuregelungen in Augenschein nimmt, darum gehen, ob und wie normativ ein Abstand hergestellt wurde. D. h. es ist von den Bedingungen des Gesetzes und nicht einzelner Anstalten auszugehen. 2. Gegenüberstellung mit dem Strafvollzug Dem Inhalt des sieben Gebote umfassenden Gesamtkonzepts wurde unterstellt, dass damit mehr ein Impuls in Richtung eines „Resozialisierungsvollzug[s] de luxe“ gegeben, statt ein vom Strafvollzug abweichende Form des Maßregelvollzugs mit einem neuen Maßregelvollzugsgesetz angeregt worden sei.22 Diesen Vorwurf stützten die Kritiker darauf, dass das Gericht dem Gesetzgeber nur vorgegeben habe, was bereits so oder zumindest so ähnlich im StVollzG geregelt gewesen sei.23 Um diesem Vorwurf nachzugehen, werden die sieben Gebote in konzentrierter Form zusammengefasst24 und den sich aus StVollzG25 ergebenden Regelungen und Vorgaben zum Strafvollzug gegenübergestellt um im nächsten Abschnitt ein Fazit zu ziehen.

22 Scharmer in der Anhörung zum SVVollzG LSA-E, 6/REV/22, S.  21; Bartsch, KrimPäd 2013, 18: „Chimäre“; Drenkhahn in der Anhörung zum SVVollzG Bln-E, Wortprotokoll Recht 17/19, S. 11: „eher ‚more of the same‘ als etwas völlig anderes“; Feest, LTO vom 9.11.2012: „Illusion“. 23 Ostendorf, StV 2014, 767: Das BVerfG habe das Abstandsgebot kreiert, „obwohl alle wesentlichen Forderungen … auch Forderungen für einen Resozialisierungsstrafvollzug darstellen“; ebso.  Asprion, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S.  6; Bartsch in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 18; Feest, LTO vom 9.11.2012: „Beispiele, die das BVerfG für die spezifische Behandlung von Sicherungsverwahrten aufgezählt hat, schreibt das Strafvollzugsgesetz fast durchweg für Strafgefangene vor“; Ostendorf-JGG/Ostendorf 2016, § 7 Rn. 20; Scharmer in der Anhörung zum SVVollzGLSA-E, 6/REV/22, S. 21; Wischka, FS 2014, 229 zu Parallelen zur Behandlung in der SothA. 24 Zusammenfassungen bei Arloth 2013, 207; Bartsch, FS 2011, 271 ff.; Boesert 2013, 11 ff.; Drenkhahn, Vorgänge 2014, 9 f.; Grote 2015, 184 f.; Kreuzer/Bartsch, StV 2011, 476 ff.; Peglau, JR 2013, 249 f.; Pohlreich 2013, 137; Zimmermann, HRRS 2013, 167; ebso. BeckOK Bbg SVVollzG-Goers, § 1 Rn. 44 ff. 25 Ebso. finden sich in den sieben Geboten z. T. nicht verpflichtende Grundsätze des Europarats zur Behandlung (Langzeit-)Gefangener, insbes. Empfehlung Rec (2003) 23, sowie die EPR wieder. Darauf wird ggf. in den folgenden Fn. hingewiesen; s. zu den bisher geltenden Regelungen vgl. Teil D.

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1. Das Ultima-Ratio-Prinzip: a. Sicherungsverwahrungsvollzug: Die Sicherungsverwahrung darf nur als letztes Mittel angeordnet werden, wenn andere, weniger einschneidende Maßnahmen nicht ausreichen, um dem Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit Rechnung zu tragen (Ultima-Ratio-Prinzip). D. h. es muss alles getan werden, um die Gefährlichkeit des (potentiellen) Sicherungsverwahrten zu minimieren. Daraus folgt, dass mit dem Ultima-Ratio-Prinzip in erster Linie die der Sicherungsverwahrung vorausgehende Strafhaft betroffen ist, darüber hinaus muss aber ebenso jedem Sicherungsverwahrten ein therapeutisches Angebot gemacht werden, das ihm die Möglichkeit eröffnet, die Freiheit wiederzuerlangen.26 b. Strafvollzug: Im Strafvollzug gilt vorrangig das Resozialisierungsziel nach § 2 S.  1 StVollzG. Der Resozialisierungsanspruch ist laut BVerfG Ausfluss der Menschenwürde und des Sozialstaatsprinzips.27 Freiheitsstrafe ist Ultima Ratio für besonders sozialschädli­ ches Verhalten.28 Vereinzelt lassen die Regelungen der LStVollzGe erkennen, dass mit Verlegungen in Sozialtherapeutische Anstalten Maßnahmen ergriffen werden sollen, um (theoretisch) die nachträgliche Sicherungsverwahrung zu vermeiden (vgl. dazu z. B. §§ 103 ff. NJVollzG a. F.).29 2. Das Individualisierungs- und Intensivierungsgebot: a. Sicherungsverwahrungsvollzug: Die Sicherungsverwahrten sind – im Einklang mit der EGMR-Entscheidung vom 17.12.200930 – künftig individuell und intensiv durch ein multidisziplinäres Team von qualifizierten Fachkräften zu betreuen (Individualisierungsund Intensivierungsgebot) und zwar „spätestens“ zu Beginn der Sicherungsverwahrung. Damit im Zusammenhang steht die Verpflichtung zu einer umfassenden Diagnostik und einer eingliederungsorientierten Vollzugsplanung, welche fortlaufend zu aktualisieren ist.31 Notwendige Therapien dürfen, insbesondere mit zunehmender Vollzugsdauer, nicht aufgrund des Aufwands oder der Kosten unterbleiben und müssen ggf. über standardisierte Angebote hinausgehen. Zur Umsetzung des therapiegerichteten und freiheitsorientierten Gesamtkonzepts sind ausreichende Personalkapazitäten zur Verfügung zu stellen.32 26 BVerfGE 128, 379–382; vgl. ebso. Referentenentwurf, S.  19; BT-Drs. 17/9874, S.  15 f. Zu Kritik und Forderungen für die Umsetzung dieses Prinzips auf Anordnungsebene, welche hier nicht vertieft behandelt wird, vgl. Kinzig, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbst UmsG-E, S. 5 ff. 27 Zu Art.  1 GG i. V. m. Art.  2 Abs.  1 GG: BVerfGE  45, 239; BVerfG NStZ 1996, 614; BVerfGE  98, 200; BVerfGE  116, 85. Zu Art.  20 Abs.  1 und 28 Abs.  1 GG: BVerfGE 35, 235 f.; 45, 239. Dieses Prinzip findet sich in vielerlei Hinsicht in den EPR (z. B. im sechsten Grundprinzip: „Jede Freiheitsentziehung ist so durchzuführen, dass sie den betroffenen Personen die Wiedereingliederung in die Gesellschaft erleichtert.“) und der Empfehlung Rec (2203) 23 (z. B. im Prinzip der Verantwortlichkeit, s. dazu Snacken/van Zyl Smit, NK 2009, 64). 28 Vgl. dazu Laubenthal 2015, Rn. 155; allg. Meier 2015, 11. 29 Dazu sowie den Regelungen in Bay und Hmb vgl. R. Schneider 2010, 150 ff. 30 BVerfGE 128, 380 mit ausdrückl. Verweis auf die EGMR-Entscheidung vom 17.12.2009. 31 BVerfGE 128, 379 f. Darin kann man eine Organisations- und eine Behandlungsvorgabe sehen. 32 Genannt werden die Personalkapazitäten vom Gericht direkt beim Trennungsgebot, vgl. BVerfGE 128, 381.

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b. Strafvollzug: § 3 Abs. 3 StVollzG zufolge ist „der Vollzug … darauf auszurichten, dass er dem Gefangenen hilft, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern.“33 Bei langjährig Inhaftierten ist es in besonderem Maße geboten, aktiv den schädlichen Auswirkungen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken und ihre Lebenstüchtigkeit zu erhalten und zu festigen.34 V. a. in sozialtherapeutischen Anstalten gelten erhöhte therapeutische Anforderungen.35 Im StVollzG blieb der Behandlungsbegriff bisher ohne Definition, jedoch sollen die Gestaltungsgrundsätze des § 3 StVollzG als Grundlage für die Behandlung dienen.36 Im Übrigen wurden die Behandlungsmethoden nicht in einem Katalog festgelegt, weil „ohne im Einzelnen in methodische Fragen einzugreifen, die [Behandlungsmaßnahmen] der weiteren Entwicklung in Praxis und Wissenschaft überlassen bleiben müssen“.37 3. Das Motivierungsgebot: a. Sicherungsverwahrungsvollzug: Die Mitwirkungsbereitschaft der Verwahrten an ihrer Behandlung ist zu wecken und zu fördern (Motivierungsgebot). Unterstützend könnte insofern ein Anreizsystem wirken, „das aktive Mitarbeit mit besonderen Vergünstigungen oder Freiheiten honoriert oder auch solche entzieht, um Motivation und Mitarbeit zu erreichen“.38 Den möglichen Schäden durch eine langjährige Freiheitsentziehung ist durch ein entsprechendes Behandlungs- und Betreuungsangebot zu begegnen. b. Strafvollzug: § 4 Abs. 1 StVollzG lautet: „Der Gefangene wirkt an der Gestaltung seiner Behandlung und an der Erreichung des Vollzugszieles mit. Seine Bereitschaft hierzu ist zu wecken und zu fördern.“ Ein auf Resozialisierung (d. h. Reintegration und Rückfallvermeidung) ausgerichteter Strafvollzug kann „unter Umständen auch grundrechtsbeschränkende Maßnahmen rechtfertigen, die erforderlich sind, um die inneren Voraussetzungen für eine spätere straffreie Lebensführung des Gefangenen zu fördern.“39 M. a. W. sind Beschränkungen möglich mit dem Ziel, die fehlende Bereitschaft zur Mitwirkung an Behandlungsmaßnahmen, die dem Vollzugsziel dienen, zu beseitigen.40 4. Das Trennungsgebot: a. Sicherungsverwahrungsvollzug: Der äußere Vollzugsrahmen muss einen deutlichen Abstand zum Strafvollzug erkennen lassen (Trennungsgebot) und ist den allgemeinen Lebensverhältnissen anzupassen, soweit Sicherheitsbelange dem nicht entgegenstehen.41 Einzige Einschränkung – und das kann nicht deutlich genug betont werden – ist daher neben Sicher 33 Ein Individualisierungsgrundsatz lässt sich ebenfalls der Empfehlung Rec (2003) 23 zum Umgang mit Langzeitstrafgefangenen sowie den EPR (z. B. Nr. 103.3: „Strafgefangene sind zu motivieren, an der Erstellung ihrer individuellen Vollzugspläne mitzuwirken.“) entnehmen, vgl. dazu Snacken/van Zyl Smit, NK 2009, 63, 65. 34 Grundlegend BVerfGE 45, 238; ebso. BVerfGE 64, 277; 98, 200; NStZ-RR 2012, 388. 35 Wischka, FS 2014, 229; s. a. Laubenthal 2015, Rn. 585. 36 Dazu LNNV/Neubacher 2015, B. III. Rn. 50. 37 BT-Drs. 7/918, S. 45; s. dazu Laubenthal 2015, Rn. 22. 38 BVerfGE 128, 380. 39 BVerfGE 40, 284 f. 40 Laubenthal 2015, Rn. 148 m. w. N. 41 Kinzig in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 21: „Man kann sagen, die Sicherungsverwahrten stehen unter einem doppelten Angleichungsgrundsatz. Also, das muss offensichtlich besonders ernst genommen werden.“ Dazu auch Dessecker 2016, 475.

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heitsbelangen nur noch die Barriere, „dass das Leben im Vollzug allein solchen Beschränkungen unterworfen werden darf, die zur Reduzierung der Gefährlichkeit erforderlich sind“, d. h. letztlich dem Vollzugsziel dienen.42 b. Strafvollzug: Aus dem Angleichungsgrundsatz des § 3 Abs. 1 StVollzG folgt, dass Unterschiede zwischen dem Leben im Strafvollzug und in Freiheit auf ein Minimum zu reduzieren sind.43 Jedoch gilt dies nur „soweit als möglich“, so dass Einschränkungen ebenfalls aufgrund der Anstaltsbedingungen möglich sind. Verbindlicher ist § 3 Abs. 2 StVollzG formuliert, wonach schädlichen Folgen des Freiheitsentzuges entgegenzuwirken „ist“. Außerdem heißt es in § 4 Abs.  2 StVollzG zur Beschränkungsmöglichkeit, dass bei fehlender Regelung im Gesetz, solche auferlegt werden dürfen, „die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt unerläßlich sind.“ Im Übrigen wird bei der Unterbringung in der sozialtherapeutischen Anstalt auf die strikte Trennung vom Normalvollzug gesetzt (vgl. § 123 StVollzG).44 5. Das Minimierungsgebot: a. Sicherungsverwahrungsvollzug: Das Gesamtkonzept „muss“ Vollzugslockerungen vorsehen sowie Vorgaben zur Entlassungsvorbereitung und eine ausreichende nachsorgende Betreuung enthalten (Minimierungsgebot), wobei der Freiheitsorientierung „möglichst weitgehend Rechnung zu tragen ist“. Sichergestellt sein muss, dass Vollzugslockerungen nicht ohne zwingenden Grund versagt werden; sind unbeaufsichtigte Lockerungen nicht möglich, „müssen“ begleitete Ausführungen gewährt werden. Die Entlassungsvorbereitung ist „mit planmäßigen Hilfen für die Phase nach der Entlassung zu verzahnen. Insbesondere muss ein ausreichendes Angebot an Einrichtungen … gewährleistet sein, die entlassene Untergebrachte aufnehmen, die erforderliche Betreuung sicherstellen und damit einen geeigneten Empfangsraum bieten können“. Vonnöten ist dazu der Aufbau von „Netzwerken und geeigneten Organisationsstrukturen, um eine durchgängige nachsorgende Betreuung“ sicherzustellen.45 b. Strafvollzug: Bei der Gewährung von Vollzugslockerungen steht der Anstalt nach § 11 Abs. 1 StVollzG ein Ermessen zu, wenn weder konkrete Flucht- noch Missbrauchsgefahren vorliegen.46 Die Formulierung des § 11 Abs. 2 StVollzG („wenn nicht zu befürchten ist“) 42 BVerfGE 128, 377.; ebso. LG Aachen, Urt. vom 9.7.2013 – 12 O 520/12, Rn. 18 – bei juris: „… nur dann zu rechtfertigen, wenn der Gesetzgeber bei ihrer Ausgestaltung dem besonderen Charakter des in ihr liegenden Eingriffs hinreichend Rechnung und dafür Sorge trägt, dass über den unabdingbaren Entzug der ‚äußeren‘ Freiheit hinaus weitere Belastungen vermieden werden.“ S. a. Kinzig in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 10: „einzige Schranke der Sicherheit der Allgemeinheit …“ 43 Ebso. enthält die Empfehlung Rec (2003) 23 den „Grundsatz der Normalisierung“ (s. dazu Snacken/van Zyl Smit, NK 2009, 63 f.); die Angleichung entspricht darüber hinaus dem fünften Grundprinzip der EPR: „Das Leben in der Justizvollzugsanstalt ist den positiven Aspekten des Lebens in der Gesellschaft so weit wie möglich anzugleichen.“ Außerdem nimmt das dritte Grundprinzip der EPR Bezug zum „Kostenargument“: „Mittelknappheit kann keine Rechtfertigung sein für Vollzugsbedingungen, die gegen die Menschenrechte von Gefangenen verstoßen …“ 44 Wischka, FS 2014, 229; s. a. Laubenthal 2015, Rn. 587. 45 BVerfGE 128, 382. 46 Vgl. etwa BVerfG StV 2011, 488; NStZ-RR 2012, 387: insbes. bei zu lebenslanger Haft Verurteilten haben Lockerungen besondere Relevanz. Eine Verweigerung wg. Personalknappheit verletze jedenfalls den Betroffenen in seinem Resozialisierungsanspruch, so BVerfG StraFo

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zeigt, dass keine eindeutig positive Prognose verlangt, sondern ein „Restrisiko“ akzeptiert wird.47 Regelmäßig wird im Einzelfall gestuft zu prüfen sein, bei welcher Art von Vollzugslockerung welche Gefahr besteht.48 6. Das Rechtsschutz- und Unterstützungsgebot: a. Sicherungsverwahrungsvollzug: Darüber hinaus gibt es verfahrensrechtliche Vorgaben (Rechtsschutz- und Unterstützungsgebot), wonach der Gesetzgeber dem Verwahrten einen effektiv durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Durchführung der Maßnahmen einräumen muss, die zur Reduktion der Gefährlichkeit geboten sind. Weiter sind ihm „ein geeigneter Beistand beizuordnen oder andere Hilfestellungen anzubieten, die ihn in der Wahrnehmung seiner Rechte und Interessen unterstützen“.49 b. Strafvollzug: Der Zweck der §§ 109 ff. StVollzG liegt darin, einen effektiven Rechtsschutz gegen Maßnahmen des Strafvollzugs innerhalb kurzer Fristen zu garantieren. Sie konkretisieren den grundrechtlich verbürgten gerichtlichen Rechtsschutz des Art. 19 Abs. 4 GG.50 7. Das Kontrollgebot: a. Sicherungsverwahrungsvollzug: Dem Kontrollgebot zufolge ist die Fortdauer der Sicherungsverwahrung mindestens jährlich gerichtlich zu überprüfen, wobei eine gesonderte Prüfungspflicht von Amts wegen bei konkreten Anhaltspunkten für eine Entlassungsreife des Verwahrten besteht.51 b. Strafvollzug: Regelungen zur Strafrestaussetzung sowie Überprüfung enthält das StGB (bspw. Überprüfung ab Hälfte der Strafe bzw. bei lebenslanger Freiheitsstrafe frühestens ab 13 Jahre nach §§ 57 a, 57 b StGB).52

3. Fazit Die Gegenüberstellung der sieben Gebote mit Regelungen und Prinzipien des Vollzugs der Freiheitsstrafe zeigt, dass das BVerfG vom Vollzug aus bzw. in dessen Kategorien denkt und darauf den Sicherungsverwahrungsvollzug aufbaut.53 2012, 80; s. a. OLG Karlsruhe StV 2004, 557; OLG München FS 2011, 53; ebso. OLG Koblenz StraFo 2005, 480. 47 LNNV/Laubenthal 2015, E. VI. Rn. 140 m. w. N.; Laubenthal 2015, Rn. 535. 48 Etwa OLG Karlsruhe StV 2002, 34 f.; ZfStrVo 2004, 110 („gestufte Lockerungsgewährung“); OLG Hamm StV 2015, 573 ff.; ebso. SBJL/Ullenbruch 2013, § 11 Rn. 13, 17; s. a. Laubenthal 2015, Rn. 587 ff. 49 BVerfGE 128, 382. 50 BVerfG NStZ-RR 2012, 388. 51 BVerfGE 128, 382. 52 Die Unterbringung unterlag bisher regelmäßiger Kontrolle nach §§ 67 d,  e StGB a. F.; s. dazu u. Teil C.VI.2. 53 Ebso. der Gesetzgeber: In den (Bundes- und Landes-)Gesetzentwürfen finden sich unzählige Bspe. dazu, dass die Regelungen dem jeweiligen (L)StVollzG entsprechen oder es nur redaktionelle Änderungen gibt, z. B. Nds. LT-Drs. 16/4873, S. 86 zu §§ 71 f. Nds. SVVollzG; s. a. Jung in der Anhörung zum SLSVVollzG-E, VR 15/21 vom 11.4.2013, S. 35: „Die Begründung … zu strafvollzugsorientiert.“

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Zwar darf nicht vergessen werden, dass die Ähnlichkeiten vorwiegend auf dem Papier bestehen und in gewisser Weise bereits dem in der Natur der Sache liegenden Gleichlauf der beiden Freiheitsentziehungen geschuldet sein dürften. Die tatsächliche Ausgestaltung des Strafvollzugs, dortige Restriktionen sowie vorhandene Ermessensnormen und Generalklauseln sorgen dafür, dass in der Realität derartige Ähnlichkeiten zwischen dem Straf- und dem Sicherungsverwahrungsvollzug vorhanden sind.54 Dennoch sollte der Strafvollzug dem StVollzG von 1977 zufolge ein Behandlungsvollzug (Therapieorientierung) sein, der von Anfang an auf die Entlassung (Freiheitsorientierung) ausgerichtet sein sollte.55 Weder kann das BVerfG auf Dauer gewollt haben, dass der Strafvollzug noch mehr56 hinter dem mit der Großen Strafrechtsreform angestrebten Behandlungsvollzug zurückbleibt, noch kann dies etwas an der damit nahezu zwangsläufig verbundenen Frage, ob die vom Gericht selbst im Nebensatz erwähnten faktischen Grenzen nicht doch das Hauptproblem des Abstandsgebot sind, ändern. Dass der Strafvollzug in der Realität nicht der Resozialisierungs- und Behandlungsvollzug im Geiste des StVollzG von 1977 ist,57 rechtfertigt es nicht, dass das neue Abstandsgebot den Sicherungsverwahrungsvollzug dazu machen möchte – so legte es die Gegenüberstellung jedenfalls nahe – und damit der Strafvollzug zwangsläufig dahinter zurückbleiben muss. Aus Sicht der Vollzugs- und Gerichtspraxis sowie der Untergebrachten kann die Orientierung am Strafvollzug sicherlich auch Vorteile haben, wenn bereits von der Rechtsprechung klar ausgelegte und strukturell bekannte Begriffe und Regelungen eingeführt werden. Allerdings, und das missachten einige in diese Richtung abzielende Kritiken, hat das Gericht diese seit langem bekannten Kriterien (z. B. Ultima-Ratio-Grundsatz und Trennungsgebot) und Anforderungen an einen präventiven Freiheitsentzug durch sein Urteil verfassungsrechtlich abgesichert und aufgewertet.58 Ohne diese verfassungsgerichtliche Aufwertung wären die Anforderungen zumindest leichter zu relativieren. Dadurch, dass das Gericht sehr viel Wert auf einen verdichteten Rechtsschutz legt, hat es die aus dem Strafvollzug bekannten Kriterien nochmals für den Sicherungsverwahrungsvollzug angehoben. 54

Bspe. für nicht konsequent durchgeführten Behandlungsvollzug: zu geringe Arbeitsvergütung, Ausschluss von der Sozialversicherung, offener Vollzug als Ausnahme, Lockerungspraxis usw.; krit. Bestandsaufnahme nach 20 Jahren Strafvollzug bei Dünkel/Kunkat, NK 1997, 24 ff.; im Zusammenhang mit Vollzugslockerungen Fritsche 2005, 270 f.; s. a. Alex in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 19: „Alles, was jetzt in dem neuen Gesetzentwurf steht, stand auch im alten Strafvollzugsgesetz des Bundes …“ 55 Dazu Schwind/Blau 1988, 276. 56 Zu bereits festzustellenden Defiziten A. Böhm 2006, 534 f.; Dünkel/Kunkat, NK 1997, 24 „Reformruine“; Kreuzer, KrimPäd 2004, 6. 57 Bartsch in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 18: „Nun ist das Verfassungsgericht wohl eher von der tatsächlichen Lage im Strafvollzug ausgegangen und hat auch darauf jetzt das Abstandsgebot gegründet.“ 58 Darauf weist mit Recht Dessecker, ZfRSoz 2012/2013, 277 hin; ähnl. Kotz, ZAP 2011, Fach 22, 566.

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Letztlich gibt das Urteil jedoch keine Antwort auf die drängende Frage: Was tun, wenn der Strafvollzug die Forderungen nach einem Resozialisierungsstrafvollzug vollständig einlösen würde und damit der Abstand, wie die Gegenüberstellung zeigt, auf ein Minimum reduziert würde? Problematisch ist v. a. die Umsetzung der normativen Unterschiede in der Praxis. Um auf Dauer einen Abstand zu sichern, bedürfte es daher einer weit(er)gehenden Abkoppelung vom Strafvollzug. Es gibt einige Ansätze im Urteil, welche bei konsequenter Weiterentwicklung durch den Gesetzgeber in diese Richtung zeigen. So soll entscheidendes Kriterium des neuen Sicherungsverwahrungsvollzugs sein, dass Einschränkungen nicht mehr bspw. aus Kosten- oder organisatorischen Gründen bzw. wegen eines erhöhten Arbeitsaufwandes,59 sondern nur zur Erreichung des Vollzugsziels bzw. aus Sicherheitsgründen zulässig sind.60 Alles andere würde missachten, dass das BVerfG die Beschränkung der Freiheit des Untergebrachten nur dann als zulässig erachtet, wenn es um den Schutz höchstwertiger Rechtsgüter geht.61 Ergänzt durch konsequent etablierte Rechte der Verwahrten  – statt bloßer Ermessensregeln und vieler unbestimmter Rechtsbegriffe – würde eine Unterscheidung zum Strafvollzug möglich erscheinen. Darüber hinaus sind die übrigen Forderungen des BVerfG sinnvoll und geben eine Neuausrichtung des Sicherungsverwahrungsvollzugs sowie das Bemühen des Gerichts zu erkennen, neueste empirische Erkenntnisse zu berücksichtigen.62 So ist es (nicht nur) aus kriminologischer Sicht zu begrüßen, dass das Gericht mit dem Ultima-Ratio-Prinzip endlich die Bedeutung des vorausgehenden Strafvollzugs, der bisher mehr auf die Unterbringung statt auf eine Resozialisierung hinarbeitete, betont. Da der Vollzug von der Wiedererlangung der Freiheit bestimmt sein soll, ist es konsequent, dass das BVerfG einigermaßen detaillierte und individuell auf den Verwahrten zugeschnittene Maßnahmen einfordert. Zudem hat die Analyse der empirischen Erkenntnisse gezeigt, dass es v. a. an einer zielgerichteten Behandlung sowie geeignetem Fachpersonal fehlte.63 Des Weiteren entspricht die besondere Hervorhebung von Vollzugslockerungen den Ergebnissen einiger Studien, die gerade bei (potentiellen) Sicherungsverwahrten eine sehr restriktive­ Praxis erkennen ließen.64 Ferner gibt es Hinweise darauf, dass die Problematik von nicht behandelbaren Verwahrten zumindest erkannt wurde (Motivierungsgebot). Das Motivierungsgebot verfolgt den richtigen Gedanken, dass Therapieangebote einen Erfolg versprechen, wenn derjenige der therapiert wird, freiwillig handelt und willig bzw. fähig dazu ist. Allerdings wird befürchtet, dass im schlimmsten 59 Dazu OLG Karlsruhe NStZ-RR 2015, 292; bereits vor der BVerfG-Entscheidung vom 4.5.2011 s. Kreuzer/Bartsch, FS 2010, 92. 60 BVerfGE 128, 380; s. a. Kinzig in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 10; Krä, FS 2014, 179: über den unabdingbaren Entzug der Freiheit weitere Belastungen zu vermeiden. 61 Nachdrücklich Hömig 2013, 298. 62 Drenkhahn, Vorgänge 2014, 10: „Sinneswandel“; J. L. Müller, NK 2012, 54 ff.; Bartsch, KrimPäd 2013, 17. 63 Kreuzer/Bartsch, GA 2008, 668, s. o. Teil B.II.3.c). 64 Kreuzer/Bartsch, GA 2008, 668; Wischka, KrimPäd 2011, 38 ff.; s. o. Teil B.II.3.b).

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Fall das System zu einer Zwangsbehandlung pervertieren könnte.65 Zudem wird vorwiegend auf Landesebene Kritik an einem finanziell ausgestalteten Anreizsystem geübt, worauf jeweils zurückzukommen ist. Was jedoch verwundert ist, dass das Gericht in Bezug auf das seit jeher im Hinblick auf die Umsetzung eines Abstandes als äußerst wichtig eingestuften Trennungsgebots seine Beurteilung i. R. d. Höchstdauerentscheidung abgeschwächt hat. Eine in der Theorie optimale Ausgestaltung des Vollzugs, ein Rechtsanspruch auf einen qualitativen Abstand, eine Maßnahme zur Gefährlichkeitsminimierung – all das würde nichts helfen, wenn sie der Verwahrte im Zweifelsfall nicht auch zwangsweise gerichtlich durchsetzen könnte. Zudem haben viele die Möglichkeit, ihre Rechte gerichtlich durchzusetzen, angesichts der vielen Beschränkungen und mangelnden Unterstützung aufgegeben.66 Zu begrüßen ist es daher, dass das Gericht die dringende Verbesserung der Rechtsschutzmöglichkeiten als besonders wichtig einstufte. Eine strengere gerichtliche Kontrolle als bisher kann einen Beitrag dazu leisten, dass die Sicherungsverwahrung mehr das wird, was sie sein soll – eine präventive Maßregel ohne über die Freiheitsentziehung hinausgehende Übelszufügung. Allerdings stellt sich die Frage, ob damit nicht eine Überbelastung der StVK hervorgerufen wird. Zusammengefasst lässt sich aus dem vom BVerfG vorgegebenen verfassungsrechtlichen Rahmen und den sieben Geboten für die gesetzgeberische Gestaltung des Vollzugs die Erkenntnis gewinnen, dass zwischen den aus dem Abstandsgebot folgenden Anforderungen an die Organisation der Einrichtungen, die Betreuung und Behandlung und den Rechtsschutz unterschieden werden kann.

II. Gesetzgebungskompetenz In der Begründung zum SichVAbstUmsG heißt es, dass die Leitlinien des Bundes zum Sicherungsverwahrungsvollzug und die flankierenden Regeln „gewissermaßen an der Schnittstelle zur Gesetzgebungskompetenz der Länder für den Strafvollzug“67 anzusiedeln seien. Trotz dieser deutlich anklingenden Zweifel folgte der Gesetzgeber pflichtbewusst den Vorgaben des BVerfG, welches aufgrund der Bedeutung des Abstandsgebots eine „Pflicht zur Konzipierung derartiger Leitlinien beim Bundesgesetzgeber“68 gesehen hatte. Ob die „Bundesleitlinienkompetenz“ der „einzig richtige Weg“69 war oder eine solche Kompetenz contra legem bzw. constitutionem und daher abzulehnen ist, wird im folgenden Abschnitt geklärt.70 65 Dessecker 2013a, 126; ähnl. Kilian in der Anhörung zum SächsSVVollzG-E, Apr 5/1–45 A-2, S. 8. 66 Dazu Bartsch 2010, 240; ders., StV 2012, 225 krit. zu OLG Köln StV 2012, 223. 67 BT-Drs. 17/9874, S. 13. 68 BT-Drs. 17/9874, S. 13. 69 Bamberger 2012, 219. 70 In einem zweiten Schritt ist die oftmals geäußerte Sorge anzusprechen, ob die Kompetenz für den Vollzug der Verwahrung bei den Ländern, grds. gefragt, gut aufgehoben ist; s. u. Teil D. I.

II. Gesetzgebungskompetenz

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1. Leitlinienkompetenz des Bundes und Reaktionen der Literatur Wie der Name des Gesetzes „SichVAbstUmsG“ besagt, geht es um die Umsetzung des Abstandsgebots, was nicht eine Frage der Anordnung der Sicherungsverwahrung, sondern des Vollzugs ist. Die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug  – und damit für den Vollzug der Sicherungsverwahrung  – liegt jedoch seit der Föderalismusreform im Ressort der Länder.71 Heftig fällt die Kritik an der „Leitlinienkompetenz“ vorwiegend deshalb aus, weil ihr zumindest eine Ähnlichkeit zur im Jahr 2006 mit der Föderalismusreform abgeschafften Rahmengesetzgebung (vgl. Art. 75 GG a. F.) nachgesagt wird.72 Nach der „größten Reform seit Bestehen des Grundgesetzes“73 hat der Bund „nur“ noch die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das „Strafrecht“ und das „gerichtliche Verfahren“ gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Verloren hat er hingegen die Zuständigkeit für den Strafvollzug, da dieser aus dem alten Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG gestrichen wurde. Bisher schloss die Kompetenz für den Strafvollzug laut BVerfG auch den Vollzug freiheitsentziehender Maßregeln ein.74 Damit sind seit 2006 grds. die Länder nach Art. 70 Abs. 1 GG ausschließlich für den Straf- und Sicherungsverwahrungsvollzug zuständig.75 Das BVerfG erkannte die Problemlage der Leitlinienkompetenz, meinte dazu dennoch recht lapidar, dass es „aus der Sicht des Freiheitsschutzes keine Rolle“ spiele, „dass der Bundesgesetzgeber seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 nicht mehr über die Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug“ verfüge.76 Weiter heißt es im Urteil, dass der Bund die wesentlichen Leitlinien des freiheitsorientierten und therapiegerichteten Gesamtkonzepts, das der Sicherungsverwahrung von Verfassungs wegen zugrunde zu legen sei, selbst regeln müsse, wenn er sich i. R. seiner Gesetzgebungskompetenz für das Strafrecht aus Art.  74 Abs.  1 Nr. 1 GG für ein zweispuriges System und eine so einschneidende Maßnahme wie die Sicherungsverwahrung entscheide. Darüber hinaus müsse der Bund durch die Vorgabe besagter Leitlinien „sicherstellen, dass diese konzeptionelle Ausrichtung der Sicherungsverwahrung nicht durch landesrechtliche Regelungen unter 71

Dazu BVerfGE 85, 142 sowie o. Teil A., Fn. 205. Etwa von Hörnle, NStZ 2011, 493; Payandeh/Sauer, JURA 2012, 297; Volkmann, JZ 2011, 840; ebso. krit. Ebner 2015, 84 f.; Schäfersküpper/Grote, NStZ 2013, 448; and. hingegen Pohlreich 2013, 138: habe „… mit der inzwischen abgeschafften Rahmengesetzgebung nichts zu tun“, weil sich die Kompetenz lediglich auf den Ort beziehe. Dem kann aber nicht gefolgt werden, da § 66  c StGB zwar keine Ansprüche des SV begründen soll, aber dennoch nicht nur den Ort des Vollzugs, sondern die Ausgestaltung des Vollzugs deutlich konkretisiert. 73 Schüler-Springorum 2007, 405. 74 BVerfGE 85, 142; ebso. Pohlreich 2013, 121 hin. 75 Dazu Bartsch, FS 2011, 271; ders., KrimPäd 2013, 19; Kinzig/Steinhilber 2008, 188 ff.; Schäfersküpper/Grote, NStZ 2013, 448; Sachs/Seiler 2011, Art. 74 Rn. 5 f.; Steinhilber 2012, 132. 76 BVerfGE 128, 387; bestätigt durch BVerfG NJW 2013, 3153 (zum ThUG). 72

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

laufen werden“.77 Das BVerfG hält somit die grundrechts- und freiheitsrechtliche Relevanz des Sicherungsverwahrungsvollzugs der eigentlich verlorenen Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug entgegen. Orientieren könne sich der Gesetzgeber dabei an § 2 ThUG a. F. Die Problematik der Gesetzgebungskompetenz wird seitens „der Verfassungsrechtler“ überraschenderweise nicht vertieft kommentiert.78 In der strafrechtlichen Literatur hingegen findet sich heftige Kritik an der Zuweisung des BVerfG bzw. der Leitlinienkompetenz. Das Gericht habe, vorsichtig ausgedrückt, die Kompetenzen des Bundes zu weit interpretiert. So wirft Hörnle diesem Gesetzesauftrag des BVerfG an Bund und Länder vor, dass es sich um einen Aufruf des Verfassungsgerichts zur Missachtung der Verfassung handle, denn die Leitlinienkompetenz sei eine Rahmengesetzgebung „contra constitutionem“.79 Nach den Kompetenzregelungen des GG dürfe der Bund den Vollzug einer im StGB angeordneten Sanktion nicht regeln  – selbst wenn es „nur“ eine Rahmenvorschrift sein soll. Ähnlich die Aussage von Payandeh/Sauer, die feststellen, dass das GG keine solche „Mischgesetzgebung“  – die BRAK spricht in diesem Zusammenhang von einer „Hybridzuständigkeit“80 – kenne und daher kompetenzrechtlich „nicht unproblematisch“81 sei. Einig sind sie sich insofern mit Bartsch und Kreuzer, welche die vom BVerfG vorgenommene Verteilung als fragwürdig erachten und v. a. den durch die Föderalismusreform zum Ausdruck gebrachten gesetzgeberischen Willen, die Gesetzgebungskompetenz für den Sicherungsverwahrungsvollzug gänzlich auf die Länder zu übertragen, missachtet sehen.82 Pollähne meint, dass die Vollzugsregelungen im StGB „sicherlich deplatziert“ und allenfalls damit zu rechtfertigen seien, dass sie irgendwie mit den vollstreckungsrechtlichen Vorschriften des StGB zusammenhingen.83 Den eigentlichen Grund sucht er in dem Problem, dass der Bundesgesetzgeber seit der Föderalismusreform eben das StVollzG nicht mehr ändern dürfe. Drenkhahn/Morgenstern stellen noch auf einen anderen Gesichtspunkt ab, indem sie die Argumentation des BVerfG kritisieren, welches sich auf § 2 ThUG a. F. 77

BVerfGE 128, 387. Bspw. Sachs/Seiler 2011, Art. 74 GG Rn. 5.1: Hinweis auf die Entscheidung vom 4.5.2011 in zwei Sätzen. 79 Hörnle, NStZ 2011, 493: „BVerfG fordert gegen die Verfassung eine … Rahmengesetzgebung des Bundes“; vorsichtig zustimmend Radtke, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 9; ähnl. Zabel, JR 2011, 472; Pyhrr 2015, 198: „kompetenzrechtliche An­ rüchigkeit“. 80 BRAK, Stellungnahme Nr. 21 vom April 2012 zum Gesetzentwurf der BReg zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der SV, S. 4. 81 Payandeh/Sauer, JURA 2012, 297 f.; ähnl. Kramer, MLR 2012, 91; deutlich krit. Zabel, JR 2011, 472. 82 Vgl. unmissverständlich BT-Drs. 16/813, S. 12; krit. daher Kreuzer/Bartsch, StV 2011, 477; ebso. Bartsch, FS 2011, 271; ders. 2012, 25; ders., KrimPäd 2013, 19; ähnl. SBJL/Grote 2013, § 129 Rn. 6 „überraschend“; Pohlreich 2013, 122: „überrascht“. 83 Pollähne, StV 2013, 253, 256. 78

II. Gesetzgebungskompetenz

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bezieht und darauf abstellt, dass dort der Bund entsprechende Vorgaben zum Vollzug mache.84 Die Gesetzgebungszuständigkeit sei dort zweifelhaft und § 2 ThUG a. F. enthalte sehr ausführliche Vorgaben zum Vollzug, so dass anzuzweifeln sei, dass der Bund im neuen § 66 c StGB lediglich Leitlinien vorgeben könne. Daneben begrüßten auch die Kritiker der Leitlinienkompetenz, dass eine geteilte Gesetzgebungskompetenz kriminalpolitisch zweckmäßig sei, da damit am ehesten eine einheitliche Sicherungsverwahrungsvollzugspraxis hergestellt werden könne.85 Das BVerfG versuche, die durch die Föderalismusreform entstandene „Kluft zwischen der Gesetzgebungskompetenz des Strafrechts und des Strafvollzugs“ zu korrigieren.86 Dies sei „sympathisch“.87 Zwar unterlaufe das BVerfG die Kompetenzordnung des GG, hingegen geschehe dies nur zugunsten des Freiheitsschutzes, so dass Volkmann ihm diesen „Kollateralschaden“ verzeihen will.88 Da die Länder in groben Zügen wissen müssten, was sie überhaupt vollziehen sollten, sei die Aufteilung der Umsetzung des Abstandsgebots auf mehrere Ebenen sinnvoll.89 Bamberger sagt deutlich, dass angesichts des jahrzehntelangen teilweise renitenten Verweigerungsverhaltens der Exekutive und Judikative die vom BVerfG erzwungene Zusammenarbeit von Bundes- und Landesgesetzgeber „der einzig richtige Weg“ gewesen sei.90 Neben diesen Zweckmäßigkeitserwägungen wird versucht, eine Kompetenz des Bundes argumentativ herzuleiten. So erkennt Steinhilber zumindest die Bundeskompetenz für Zielvorgaben des Sicherungsverwahrungsvollzugs an. Er will allerdings angesichts der „Detailbezogenheit bestimmter Umsetzungsmechanismen des Abstandsgebots“ keine Zuständigkeit des Bundes für den gesamten Vollzug herleiten.91 Ähnlich äußert sich Peglau. Dieser stellt zwar wie das BVerfG bzgl. der bundesrechtlichen Vorgaben für ein freiheitsorientiertes und therapiegerichtetes Gesamtkonzept direkt auf die konkurrierende Gesetzgebungszustän-

84 Drenkhahn/Morgenstern, ZStW 2012, 193. Andererseits wird aus dem Verweis abgeleitet, dass sich der Bund mit § 66 c StGB noch i. R. d. durch Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG eröffneten Kompetenz halte, so Radtke, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 9, wenig überzeugend, dass er sogleich davon abrät, sich am Wortlaut des § 2 ThUG a. F. zu orientieren; positiv zu § 2 ThUG aber Peglau, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 3. 85 Bartsch, FS 2011, 271; ders. 2012, 25; ders., KrimPäd 2013, 19; Kreuzer, StV 2011, 130 f.; Kreuzer/Bartsch, StV 2011, 472 ff.; Payandeh/Sauer, JURA 2012, 297 f. 86 Dessecker, ZIS 2011, 710; s. a. Leutheusser-Schnarrenberger, Pressemitteilung vom 4.5.2011: „Teilweise wird damit die Föderalisierung des Strafvollzuges ein Stück korrigiert“, zitiert nach KrimG vom 4.5.2011. 87 So Meier 2015a, 178. 88 Volkmann, JZ 2011, 840: „eine Art Neuauflage der früheren Rahmengesetzgebung“; ähnl. Köhne, KJ 2013, 337; Pollähne, StV 2013, 256: „Kuckucksei“, welches das BVerfG „in das Nest der Föderalisierung des Vollzugsrechts“ gelegt habe; deutliche Kritik von Zabel, JR 2011, 472. 89 Zimmermann, HRRS 2013, 168. 90 Bamberger 2012, 219. 91 Steinhilber 2012, 132 für Zielvorgaben unter Berufung auf Köhne, JR 2007, 494 ff.

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

digkeit für das Strafrecht in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG ab.92 Gleichzeitig meint er in seiner Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, dass eine zu detaillierte Bundesregelung zu kompetenzrechtlichen Problemen führen könne.93 Dem pflichtet Radtke bei, weil dem Bund nur ein „vergleichsweise schmaler Gestaltungsspielraum“ für die Regelung der den Sicherungsverwahrungsvollzug prägenden Grundsätze verbleibe.94 Schöch leitet die Zuständigkeit des Bundes für die Vorgabe von Leitlinien aus dem Sachzusammenhang zu den Gebieten des „Strafrechts“ und „gerichtlichen Verfahrens“ in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG her. Zur Begründung führt er auf, dass die Regelungen zur Anordnung, strafprozessuale Fragen der Überprüfungsfrist und der Nachentlassungsbetreuung in Form der FA und das gerichtliche Verfahren eng mit dem Vollzug zusammenhingen.95 Pohlreich kommt zu demselben Ergebnis, weil es sich bei der Sicherungsverwahrung in der Gestalt des Urteils vom 4.5.2011 um ein „strafrechtliches Novum“ handle und daher der für die Anordnung zuständige Bundesgesetzgeber nach Art.  104 Abs.  1 GG auch die Freiheitsentziehung in „berechenbarer, messbarer und kontrollierbarer Weise regeln“ müsse.96 ­Renzikowski stellt fast beiläufig fest „im Hinblick auf den Vollzug der Sicherungsverwahrung kann man … eine Annexkompetenz des Bundes annehmen“.97 Eine Begründung liefert er nicht. 2. Vergleichbare Bundeskompetenzen und Konsequenzen Zu überlegen ist, ob es ähnlich gelagerte Konstellationen gibt, in welchen der Bund trotz der eigentlich auf die Länder übergegangenen Gesetzgebungskompetenz für den Vollzug noch Bereiche regelt bzw. gewisse Leitlinien vorgibt und ob die dort gewonnenen Erkenntnisse für den vorliegenden Fall des Sicherungsverwahrungsvollzugs fruchtbar gemacht werden können. Das BVerfG verweist selbst auf § 2 ThUG98 Dies ist verfehlt. Zwar hat das BVerfG neuerdings die Bundesgesetzgebungskompetenz für das gesamte ThUG 92

Peglau, NJW 2011, 1926. Peglau, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 3. 94 Radtke, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 8 f. 95 Schöch, GA 2012, 15 f. 96 Pohlreich 2013, 137 f.: Damit sei auch die Stellung der Regelung im StGB erklärt, weil so der Bürger erkennen könne, „was für eine Art von Maßnahme sich hinter dieser Maßregel verbirgt.“ 97 Renzikowski, NJW 2013, 1639; ähnl. Radtke, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbst­ UmsG-E, S. 10; krit. mit Recht Payandeh/Sauer, JURA 2012, 298: Gedanke der Annexkompetenz überstrapaziert. 98 Inzwischen ergänzt um Abs. 2 lautet § 2 ThUG: „Für die Therapieunterbringung nach § 1 sind nur solche geschlossenen Einrichtungen geeignet, die 1. wegen ihrer medizinischtherapeutischen Ausrichtung eine angemessene Behandlung der im Einzelfall vorliegenden psychischen Störung auf der Grundlage eines individuell zu erstellenden Behandlungsplans 93

II. Gesetzgebungskompetenz

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aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG99 hergeleitet und hält das Gesetz insgesamt für mit dem GG vereinbar bei entsprechender verfassungskonformer Auslegung.100 Zu § 2 ThUG und dem darin enthaltenem freiheitsorientierten Therapiekonzept meint das BVerfG knapp, dass dies der Zuordnung der Gesetzgebungskompetenz nicht entgegenstehe.101 Weiter begründet das BVerfG die Kompetenz des Bundes für die Vorgaben zum Vollzug der Therapieunterbringung in § 2 ThUG damit, dass bei der Sicherungsverwahrung vergleichbare Anforderungen bestünden, und verweist wiederum auf die eigene Entscheidung vom 4.5.2011. Daraus kann man jedoch keine Argumentation für die Leitlinienkompetenz ableiten, da man dies letztlich mit ein und derselben Entscheidung zu begründen versuchen würde. Auffallend ist, dass es seit der Föderalismusreform und der Übertragung der Gesetzgebungskompetenz für den Strafvollzug auf die Länder eine auf den ersten Blick ähnlich gelagerte Diskussion im Bereich des U-Haftvollzugs gibt. Zwar ist man sich einig, dass genau wie bei der Sicherungsverwahrung die Anordnung des Eingriffs und der Rechtsschutz weiterhin in den Händen des Bundesgesetz­ gebers liegen, wohingegen der Straf- bzw. U-Haftvollzug (das „Wie“) gem. Art. 70 Abs. 1 GG der alleinigen Länderzuständigkeit angehört.102 Umstritten ist jedoch, wie weit der Bundesgesetzgeber im Bereich des Vollzugs Regelungen treffen darf oder nicht, was sich an der Frage entzündet, wie der Begriff „Untersuchungshaftvollzug“ in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG auszulegen ist. D. h. im Unterschied zum Sicherungsverwahrungsvollzug besteht für die Bundeskompetenz zumindest ein – wenn auch umstrittener – Anknüpfungspunkt im Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG. Einerseits kann man diesen Zusatz („ohne das Recht des Untersuchungshaftvollzugs“) in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG als Ausdruck des Willens des Föderalismusgesetzgebers deuten, damit „eigentlich“ die Bundesgesetzgebungskompetenz zu verneinen. Denn aufgrund der Parallele von U-Haftvollzug und Strafvollzug wurde dieser Zusatz in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG eingeführt.103 Andererseits wird eine Kompetenz des Bundes zu vollzuglichen Regelungen in § 119 StPO, wonach und mit dem Ziel einer möglichst kurzen Unterbringungsdauer gewährleisten können, 2. unter Berücksichtigung therapeutischer Gesichtspunkte und der Sicherheitsinteressen der Allgemeinheit eine die Untergebrachten so wenig wie möglich belastende Unterbringung zulassen und 3. räumlich und organisatorisch von Einrichtungen des Strafvollzuges getrennt sind … Einrichtungen im Sinne des § 66c Absatz 1 des Strafgesetzbuches sind ebenfalls für die Therapieunterbringung geeignet, wenn sie die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 erfüllen.“ 99 I. d. R. wird nur die Gesetzgebungskompetenz für das ThUG im Allgemeinen problematisiert, so bspw. von Höffler, StV 2014, 168 ff.; Zimmermann, JZ 2013, 1109, hingegen nicht im Speziellen die Bundesgesetzgebungskompetenz für die Ausgestaltung der Therapieunterbringung in § 2 ThUG. Zur abweichenden Meinung bzgl. der Gesetzgebungskompetenz i. R. d. BVerfG-Urt. zum ThUG vgl. NJW 2013, 3162; JZ 2013, 1106 ff. 100 BVerfG NJW 2013, 3153; s. dazu Höffler, StV 2014, 168 ff.; Ullenbruch, StV 2014, 180 f. 101 BVerfG NJW 2013, 3153. 102 Firchau 2013, 78; König, NStZ 2010, 185 f.; Wiesneth 2010, 1, 2 Kap. I/I. Rn. 2. 103 BeckOK StPO/Krauß, § 119 StPO Rn. 1; Nestler, HRRS 2010, 549 f.; vgl. BT-Drs. 16/ 11644, S. 12, 23.

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im Vollzug zur Abwehr der Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr gewisse Beschränkungen wie etwa die getrennte Unterbringung auferlegt werden können, aus dem Zweck der U-Haft hergeleitet.104 Dieser liegt in der Sicherung des Strafverfahrens und der Strafvollstreckung. Einzige Ausnahme stellt der Haftgrund der Wiederholungsgefahr dar, welcher eine Parallele zur Sicherungsverwahrung bietet, da die darauf beruhende U-Haft deutlich eine vorbeugende Maßnahme zum Schutze der Allgemeinheit vor weiteren erheblichen Straftaten darstellt.105 Letztlich soll der Bund neben dem „Ob“ gleichermaßen für das „Wie“ zuständig sein, wenn dies zur Sicherung des „Ob“ erforderlich erscheint. Genau diesen Gedankengang findet man in den Aussagen des BVerfG wieder.106 Wenn sich der Bund für eine so einschneidende Maßnahme wie die Sicherungsverwahrung entscheidet („Ob“), dann muss er die Leitlinien des Vollzugs („Wie“ zur Sicherung des „Ob“) vorgeben. Ein gewisser Unterschied zum U-Haftvollzugsrecht besteht dennoch, weshalb der Vergleich nur begrenzte Aussagekraft hat und etwas hinkt. Bei der U-Haft ist eine Trennung zwischen Bundes- und Landeszuständigkeit oftmals nicht möglich, weil Verfahrens- und Vollzugsrecht hier untrennbar zusammenhängen107 – in diesen Bereichen entzündet sich der dargestellte Streit. Im Recht der Sicherungsverwahrung und der hier streitigen Bundeszuständigkeit für § 66 c StGB geht es jedoch nur um Vorgaben für den Vollzug, welche die Rechtsstellung des Verwahrten bzw. in Abs. 2 des Strafgefangenen betreffen und aus seiner Stellung veranlasst sind. Eine nur auf den ersten Blick ähnliche Situation findet sich auch in § 2 Abs. 2 JGG. Dort kritisiert man allerdings die Kompetenzverteilung nicht. § 2 Abs. 2 JGG regelt, dass die allgemeinen Vorschriften – darunter sind solche des Kern- und Nebenstrafrechts inklusive des Vollzugsrechts zu verstehen108 – nur gelten, soweit im JGG nichts anderes bestimmt ist. Darüber hinaus sind den Gedanken des JGG bei der Auslegung und Anwendung von Normen des allgemeinen Strafrechts Rechnung zu tragen, wenn das JGG keine speziellen Regelungen enthält.109 Damit sind Vorschriften auf Bundes- und auf Landesebene gemeint. I. E. heißt das nichts anderes, als der Bund mit dem JGG und den enthaltenen Grundsätzen die Interpretationsleitlinie für sonstige strafrechtliche Normen auf Bundes- und Landesebene vorgibt, also auch im Bereich des Vollzugs. Ein Problem wird darin allem Anschein nach nicht gesehen – das könnte Vorbild für den Umgang mit § 66 c StGB sein. 104

BeckOK StPO/Krauß, § 119 StPO Rn. 2; Meyer-Goßner/Schmitt 2016, § 112 Rn. 2, § 119 Rn. 2; s. dazu BGH NJW 2012, 1158; Seebode, HRRS 2008, 236 ff.; jeweils m. w. N. 105 BVerfGE 19, 349 f.; 35, 191; vgl. auch BeckOK StPO/Krauß, § 112 a vor Rn. 1; Brüggemann 2013, 513. 106 BVerfGE 128, 387 f. 107 Kazele StV 2010, 258; Nestler, HRRS 2010, 550; ebso. Pohlreich 2013, 131. 108 Sonnen in Diemer/Schatz/Sonnen 2015, § 2 Rn. 19: „Neben dem StGB sind es also vor­ allem StPO, GVG, StVollzG, OEG, StrEG, AO.“ 109 Ostendorf-JGG/Ostendorf 2016, § 2 Rn. 12; HK-JGG/Rössner 2014, § 2 Rn. 20 ff.

II. Gesetzgebungskompetenz

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3. Fazit Laubenthal schreibt in seinem bekannten Lehrbuch zum Strafvollzug, dass dieser kein Bestandteil des materiellen Strafrechts sei, „denn das Strafgesetzbuch enthält keine Rechtsgrundlage des Sanktionsvollzugs, sondern rechtliche Voraussetzungen der Verhängung freiheitsentziehender Folgen.“110 Das galt bisher und führt deutlich vor Augen, vollzugliche Regelungen sind bisher nicht im StGB zu verorten gewesen. Aus den Zweckmäßigkeitserwägungen vieler Autoren und des BVerfG könnte man nun versucht sein, nach dem Motto „der Zweck heiligt die Mittel“ zu verfahren. Die kriminalpolitisch gut nachvollziehbare und wie die empirische Analyse gezeigt hat, durchaus wünschenswerte und längst überfällige Überlegung, dass der Sicherungsverwahrungsvollzug in jedem Bundesland praktisch gleich zu laufen hat, ersetzt jedoch nicht eine fundierte normative Begründung. Der Hinweis, dass sich eine solche Kompetenz aus der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG ergibt, weil der Bund die Leitlinien vorzugeben habe, wenn er sich für eine so einschneidende Maßnahme wie die Sicherungsverwahrung entscheide, vermag nicht zu überzeugen. Alleine der Hinweis auf die verfassungsrechtliche Bedeutung einer zu regelnden Materie begründet keine kompetenzielle Zuständigkeit. Betrachtet man zunächst nur den Wortlaut des GG, findet man keine Zuweisung der Zuständigkeit in Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG – ebenso wenig hat eine Verlagerung in die ausschließliche Bundesgesetzgebungskompetenz stattgefunden. Somit besteht zunächst eine generelle Zuständigkeitsvermutung zugunsten der Länder nach Art. 70 Abs. 2 GG. Denn durch die Föderalismusreform ist es – zwar begleitet von durchaus zutreffender Kritik, dennoch in verfassungsrechtlich korrekter Weise – zu einer Verlagerung der Vollzugsgesetzgebungskompetenz auf die Länder gekommen. Der Bund hat schlicht und ergreifend laut GG keine (ausdrückliche) Gesetzgebungskompetenz mehr für den Strafvollzug, welcher den Vollzug der Sicherungsverwahrung umfasst. Die Vorgehensweise des BVerfG, die Leit­ linienkompetenz direkt daraus abzuleiten, ist daher anzuzweifeln. Gegenüber dem Versuch einiger Autoren, eine Zuständigkeit des Bundes zum Erlass von § 66 c StGB kraft Annex bzw. Sachzusammenhangs111 zu konstruieren, ist ebenso Skepsis angebracht. Man könnte von dieser ungeschriebenen Kompetenz ausgehen, wenn es sich beim Sicherungsverwahrungsvollzug um einen Regelungsinhalt handeln würde, der keine eigene Sachmaterie darstellte, sondern

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Laubenthal 2015, Rn. 12. Inzwischen differenziert das BVerfG nicht mehr; vgl. dazu BVerfGE 98, 299: „Ungeschriebene Gesetzgebungskompetenzen des Bundes sind dagegen nur in äußerst engen Grenzen anerkannt. Sie bestehen zum einen, wenn nach der Natur der Sache allein eine Bundesregelung in Betracht kommt, zum anderen wenn der Bund von einer ihm ausdrücklich eingeräumten Kompetenz nicht ohne Zugriff auf eine den Ländern zustehende Materie sinnvoll Gebrauch machen kann (Annexkompetenz und Kompetenz kraft Sachzusammenhangs).“ 111

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

nur der Vorbereitung oder Durchführung eines Sachgebiets diente.112 Zwar wird die Sicherungsverwahrung durch den Vollzug durchgeführt – jedoch gilt das gleichermaßen für die Freiheitsstrafe. Dort nimmt man, getragen vom BVerfG-Urteil, welches bei der Konstruktion der Leitlinienkompetenz auf die Eingriffsschwere der Sicherungsverwahrung abstellt, für den Strafvollzug keine Annex- oder Sachzusammenhangskompetenz an.113 Der Sicherungsverwahrungsvollzug stellt nach dem Judikat des BVerfG mehr als je zuvor eine eigenständige, vom Strafvollzug und StGB zu trennende Sachmaterie dar. Zudem ist nicht die Sicherungsverwahrung, sondern die Vollzugsgestaltung i. S. d. Vorgaben des BVerfG ein Novum. Daraus folgt aber keine Rechtfertigung für diese extensive Auslegung des Kompetenztitels „Strafrecht“. Wieso der Bürger deshalb dem StGB entnehmen können soll, wo die Sicherungsverwahrung vollstreckt wird, und nicht die SVVollzGe ausreichend wären, ist nicht ersichtlich.114 Vielmehr ist die vollzugsrechtliche Bundesnorm im StGB deplatziert; einen Sinn kann man wohlwollend darin sehen, dass die § 66 c StGB folgenden vollstreckungsrechtlichen Vorschriften direkt auf § 66 c StGB verweisen.115 Dies lässt Rückschlüsse auf die diskutierte Bundeskompetenz zu. Denn dem Bundesgesetzgeber war bewusst, dass er seit der Föderalismusreform hinsichtlich des StVollzG nur noch für die §§ 109–122 StVollzG zuständig ist und keine Kompetenz mehr für die anderen Regelungsbereiche des StVollzG hat. Daher blieb ihm nichts anderes übrig, als den Vollzug systemfremd im StGB und nicht im StVollzG zu regeln. Im Übrigen soll der Bund auf solche außergesetzlichen Zuständigkeiten wie die Kompetenz kraft Sachzusammenhangs oder der Annexkompetenz nur in eng begrenzten Ausnahmefällen zurückgreifen.116 Davon ist auszugehen, wenn die Kompetenz in dem entsprechenden Bereich „unerlässliche Voraussetzung für die Regelung der zugewiesenen Materie ist“.117 Reine Zweckmäßigkeitserwägungen reichen demnach nicht aus. Diese Unerlässlichkeit kann man, wie es das BVerfG 112

Jarass, NVwZ 2000, 1090; Pohlreich 2013, 127; Dreier/Stettner 2013, Art. 70 Rn. 73; Sannwald in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke 2014, Vorb. v. Art. 70 Rn. 35 ff. 113 I. Ü. ließe sich das Argument Zimmermanns, HRRS 2013, 168, dass die Aufteilung der Umsetzung des Abstandsgebots auf mehrere Ebenen sinnvoll sei, weil die Länder in groben Zügen wissen müssten, was sie überhaupt vollziehen sollten, genauso für den Strafvollzug anführen. 114 So aber die theorielastige Argumentation Pohlreichs 2013, 138, der jedoch zuvor (ebda., 121) für die Landesgesetzgebung in Vollzugssachen plädiert, weil „der Vollzug … gerade nicht typischerweise über die Landesgrenzen“ hinausgreife, so dass keine Pflicht zur einheitlichen Gesetzgebung folge. 115 Insbes. §§ 67 c Abs. 1 S. 1 Nr. 2, 67 Abs. 2 S. 2 StGB; vgl. Pollähne, StV 2013, 253. 116 Dazu Pohlreich 2013, 127 m. w. N.; v. Mangoldt/Klein/Starck-Rozek 2010, Art. 70 Rn. 45 f.; Dreier/Stettner 2013, Art.  70 Rn.  61; Sannwald in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, Vorb. v. Art. 70 Rn. 39 ff.; s. a. BVerfGE 3, 421: Bloße Zweckmäßigkeit kann keine Kompetenz kraft Sachzusammenhangs rechtfertigen. 117 BVerfG, Beschl. vom 11.7.2013, 2 BvR 2302/11, 2 BvR 1279/12, Rn.  161  – bei juris; st. Rspr. BVerfGE 3, 421; 8, 149; 12, 237; 15, 20; 26, 256; 26, 300; 97, 251; 98, 299; 106, 115. Daher reichen Zweckmäßigkeitserwägungen nicht, vgl. Marhöfer 2009, 379 f.; Leister 2002, 303 m. w. N. zur Rspr. des BVerfG.

II. Gesetzgebungskompetenz

175

notgedrungen getan hat, noch konstruieren, indem man auf die Notwendigkeit von einheitlichen Vollzugsbedingungen abstellt. Ein Zusammenhang zwischen den Regelungen zu Anordnung, Dauer und Vollzug der Sicherungsverwahrung lässt sich durchaus feststellen. Das Problem, dass man einen solchen Zusammenhang und einheitliche Vollzugsbedingungen dann konsequenterweise genauso für den Normalvollzug bejahen und eine entsprechende Zuständigkeit des Bundes fordern müsste, bleibt. Das BVerfG ist hier reichlich inkonsequent. Außerdem laufen durch die Aufteilung der Kompetenz die Änderungen durch die Föderalismusreform in gewisser Weise leer.118 Der Sinn und Zweck der Föderalismusreform, die Stärkung von Ländern und Bund, sollte nicht außer Acht gelassen werden.119 V.  a. sollte dadurch eine deutliche Abgrenzung der Gesetzgebungskompetenzen bzw. Verteilung der Verantwortung erfolgen und das im GG ursprünglich angelegte Regel-/Ausnahmeverhältnis von Landes- und Bundesgesetzgebung wieder hergestellt werden.120 Im Entwurf zum Gesetz zur Umsetzung der Föderalismusreform steht deshalb, dass der Strafvollzug nun Ländersache sei. Plötzlich eine Kompetenz aufgrund des Sachzusammenhangs aus dem Nichts entstehen zu lassen, ist ein Überstrapazieren des Kompetenztitels in Art. 74 GG, der so seine Konturen verlieren würde. Zudem würde der Sachzusammenhang nicht zur Vorgabe von mehr oder weniger weitreichenden Leitlinien, sondern wenn dann nur zur Vorgabe von Vollzugszielen durch den Bund berechtigen. Letztlich spricht gegen die Konstruktion, dass das BVerfG den Sachzusammenhang oder Annex mit keinem Wort erwähnte. Dies ist umso mehr zu kritisieren, da es ähnlich wie beim ThUG121 nicht nachvollziehbar ist, die Kompetenz direkt unter Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG zu subsumieren. Eine weitere Brisanz folgt aus der Leitlinienkompetenz: Wie würden die Länder reagieren, wenn der Bund auf die Idee käme, bei im Strafvollzug umstrittenen Bereichen ebenfalls Leitlinien vorzugeben, wie bspw. bei der Frage, ab wann ein lebenslang Inhaftierter erstmals Urlaub erhalten darf?122 M. a. W. ließe sich die Leitlinienkompetenz ausweiten, was über kurz oder lang die Länderkompetenz völlig unterlaufen würde. Denn gerade bei den angesprochenen lebenslang Inhaftierten

118 Genau das sehen einige äußerst positiv, vgl. etwa Volkmann, JZ 2011, 840; konsequent hingegen Kinzig in der Anhörung zum SichVAbstUmsG-E, RAPr 17/90, S. 17: Entweder auf Leitlinienkompetenz verzichten, oder die Föderalismusreform rückgängig machen; ebenfalls krit. Meier 2015a, 178. 119 Stärkung des Bundes, indem zustimmungsbedürftige Gesetze und damit Blockaden des Bundestags durch den BRat reduziert werden sollten; vgl. dazu Firchau 2013, 84; Siepmann 2012, 183 jeweils m. w. N. 120 BT-Drs. 16/813, S. 7 f.: „klare Verantwortlichkeiten“ zu schaffen; ebso. Pohlreich 2013, 121. Zur Verkehrung dieses Regel-/Ausnahmeverhältnisses etwa Bauer, DÖV 2002, 839; Schwanengel, DÖV 2004, 554. 121 Ullenbruch, StV 2012, 48: Vorwurf bzgl. des ThUG, da Gesetzgebungskompetenz nur konstruiert sei. 122 Meier 2015a, 178; s. a. die politische Erklärung von Hörnle, NStZ 2011, 492.

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

kann man sich mit Recht auf eine mindestens sehr angenäherte Eingriffsschwere wie bei der Sicherungsverwahrung berufen. Das Ziel, einen einheitlichen Rechtsstandard zu schaffen, ist uneingeschränkt begrüßenswert. Allerdings hatte der Bund keine Gesetzgebungskompetenz für den Erlass der Leitlinien. Die Herleitung des BVerfG ist abzulehnen, da sie nur am (durchaus begrüßenswerten) Ergebnis orientiert und mehr als konstruiert ist. Dabei ist es Aufgabe einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung, auf diesen entscheidenden „Geburtsfehler“ hinzuweisen.123 Alles andere wäre letztlich eine Bankrotterklärung an das grundgesetzliche Kompetenzgefüge. Die Missachtung des Föderalismusgesetzgebers wirft zudem ein weiteres Problem auf: Das BVerfG bestimmt ganz deutlich, wer wofür zuständig ist.124 Die Exekutive und Judikative sollen in maßgeblichen Fragen keine Entscheidungsmacht mehr haben, sondern der Gesetzgeber soll deren Handeln durch das Gesamtkonzept determinieren. Dies berührt die Gewaltenteilung, da die „Mitarbeit“ des BVerfG im Zusammenhang mit der Gesetzgebung zur Sicherungsverwahrung in der Lage ist, das gewaltenteilige Gesamtgefüge der BRD zu beeinträchtigen. Darin könnte man eine unzulässige Grenzüberschreitung sehen. In der Tat macht das BVerfG sehr genaue Vorgaben, was ihm den Vorwurf des „Ersatzgesetzgebers“ einbrachte.125 Darin einen Verstoß gegen das Gewaltenteilungsprinzip anzunehmen, wäre dennoch verfehlt, weil gerade die bisher fehlenden Vorgaben zur unzureichenden Umsetzung des Abstandsgebots in der Praxis geführt haben. Es ist vielmehr die Aufgabe des Gesetzgebers, seinen Gestaltungsspielraum wahrzunehmen und die Vorgaben weiterzuentwickeln, statt bei ihnen sklavisch haften zu bleiben.

III. Das SichVAbstUmsG: Überblick und Ablauf der Untersuchung 1. Inhalt des SichVAbstUmsG Der Gesetzesbegründung des „Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung“ zufolge soll die „Quint­ essenz“ von fünf der insgesamt sieben vom BVerfG aufgestellten Gebote umge­setzt werden: das Individualisierungs- und Intensivierungsgebot, das Motivierungsund Minimierungsgebot, das Trennungsgebot sowie das bereits den Strafvoll 123

Zwar Pyhrr 2015, 198 nach dem Motto „wo kein Kläger, da kein Richter“; richtigerweise muss aber gelten, worauf Kreuzer, Schriftliche Stellungnahme zum Referentenentwurf 2011, S. 5 hinweist: „der Wissenschaftler muss auf diesen Geburtsfehler der anstehenden Vollzugsgesetzgebung hinweisen“. 124 Vgl. Merk 2012, 3; krit. zu den (zu) konkreten Vorgaben des BVerfG aber Bock/Sobota, NK 2012, 106. 125 Pollähne, StV 2013, 257; ebso. Hörnle, NStZ 2011, 493: „dominante Gestaltungsrolle“. Dass es Aufgabe des BVerfG sei, einen solchen Rahmen vorzugeben, stellte mit Recht Köhne, FS 2014, 177 fest.

III. Das SichVAbstUmsG: Überblick und Ablauf der Untersuchung

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zug sowie mehr noch die Anordnungsseite betreffende Ultima-Ratio-Prinzip.126 „Herzstück“127 des SichVAbstUmsG ist § 66 c StGB. Unklarheit herrscht darüber, ob damit dem (potentiellen) Verwahrten direkte Rechtsansprüche auf die genannten Maßnahmen eingeräumt sind.128 In den Gesetzesmaterialien heißt es, dass dem potentiellen Verwahrten Betreuung i. S. d. Abs.  1 Nr.  1 „anzubieten ist“.129 Wohingegen bzgl. des Sicherungsverwahrungsvollzugs einerseits die Rede davon ist, dass § 66 c Abs. 1 StGB „die zentralen Vorgaben für eine therapiegerichtete Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung“ enthalte.130 Später heißt es verbindlicher, dass es „die Pflicht der Einrichtung [sei], dem Untergebrachten eine individuelle und intensive Betreuung anzubieten.“131 Letztlich zeigt sich aus einem Vergleich mit den landesrechtlichen Regelungen, die bisweilen eindeutige Ansprüche enthalten, dass es sich bei der bundesrechtlichen Norm um Anforderungen handelt, welche die Anstalten bzw. Landesjustizverwaltungen erfüllen müssen.132 Nur 126 „Erste Vorschläge („Eckpunkte“) des Bundesministeriums der Justiz für die Umsetzung des BVerfG-Urteils vom 4. Mai 2011“ vom 19.7.2011, S. 8 (online abrufbar unter www.rechtsausschuss.bremische-buergerschaft.de; im Folgenden: Eckpunktepapier BMJ): „Quintessenz abzubilden, ohne ins Detail zu gehen“. Es folgte das „Konzept des Bundesministeriums der Justiz für die Umsetzung der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 4.5.2011“ vom 22.9.2011 (online abrufbar unter www.bmjv.de, zuletzt abgerufen am 4.1.2017; im Folgenden: Konzept BMJ) und der „Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz: Entwurf eines Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung“ vom 9.11.2011 (im Folgenden: Referentenentwurf). Zur Umsetzung der vom BVerfG am 4.5.2011 aufgestellten Leitlinien brachte die BReg (CDU/CSU und FDP) am 30.3.2012 den „Entwurf eines Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung“ (im Folgenden: SichVAbstUmsG-E) ein, vgl. dazu BRDrs. 173/12 bzw. BT-Drs. 17/9874; zu den Beratungen vgl. BT-PlPr 17/184, S. 21924–21936; BT-PlPr 17/204, S. 24802–24810. 127 Bartsch, FS 2013, 209; ähnl. Zimmermann, HRRS 2013, 168: „Zentralnorm“; Köhne, JR 2015, 255; Pyhrr 2015, 216 „Kernstück“. 128 Dessecker 2013a, 123 f.; ders., BewHi 2013, 312; nicht ganz eindeutig Schäfersküpper/ Grote, NStZ 2013, 448; für einen Anspruch hingegen Peglau, JR 2013, 250; Radtke, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 10 in Bezug auf § 66 c Abs. 2 StGB. 129 BT-Drs. 17/9874, S. 18; Referentenentwurf, S. 21. 130 BT-Drs. 17/9874, S. 14; Referentenentwurf, S. 19. 131 BT-Drs. 17/9874, S. 15; Referentenentwurf, S. 20. 132 § 66 c Abs. 1 Nr. 3 a StGB enthält folgende Aufforderung an die Einrichtung bzgl. vollzugsöffnender Maßnahmen: „Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erfolgt in Einrichtungen, die … zur Erreichung des in Nummer 1 Buchstabe b genannten Ziels … vollzugsöffnende Maßnahmen gewähren …, soweit nicht zwingende Gründe entgegenstehen, insbesondere konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, der Untergebrachte werde sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die Maßnahmen zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen …“ Hingegen einen Anspruch deutlich formulierend z. B. § 16 Abs. 1 S. 1 Nds. SVVollzG: „Die zur Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 erforderlichen vollzugsöffnenden Maßnahmen sind anzuordnen, soweit nicht zwingende Gründe entgegenstehen, insbesondere nicht konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass die oder der Sicherungsverwahrte sich dem Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entziehen oder die vollzugsöffnende Maßnahme zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen wird.“ Ohnehin besteht niemals ein Anspruch auf einen bestimmten Erfolg, vgl. BT-Drs. 17/9874, S. 15; zur Interpretation des § 66 c StGB vgl. o. Teil C., Fn. 128.

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

eine solche Interpretation lässt zudem die Vorgabe, dass es sich der Leitlinienkompetenz entsprechend nur um die vorgezeichneten Grundzüge des Sicherungsverwahrungsvollzugs handeln soll, zu. Der Verwahrte kann demnach nach hier vertretener Ansicht aus § 66 c StGB keinen Anspruch auf eine bestimmte Behandlungsmaßnahme geltend machen. In § 66 c Abs. 1 StGB sind die Grundzüge der Behandlung und Betreuung im Vollzug der Sicherungsverwahrung umschrieben. Danach erfolgt der Vollzug der Sicherungsverwahrung ab sofort in Einrichtungen, die nach § 66 c Abs. 1 Nr. 1 Hs.  1  StGB dem Untergebrachten eine Betreuung anbieten, die auf Grundlage einer umfassenden Behandlungsuntersuchung und eines regelmäßig fortzuschreibenden Vollzugsplans entwickelt wurde. Dies ist nicht zuletzt deshalb entscheidend, weil neuerdings in § 67 e Abs. 1 und 2 StGB nur noch eine Frist von einem Jahr zur Überprüfung der Fortvollstreckung der Sicherungsverwahrung vorgesehen ist. Damit soll ermöglicht werden, „dass innerhalb dieses Zeitraumes Änderungen der Umstände, die für die Fortdauer der Vollstreckung erheblich sind, binnen einen Jahres eintreten können“.133 Wie die Betreuung auf Grundlage von Behandlungsuntersuchung und Vollzugsplan auszusehen hat und welches Ziel damit verfolgt wird, konkretisieren § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a und b StGB. Nach Nr. 1 a soll die Betreuung individuell und intensiv ausgestaltet sowie geeignet sein, die Mitwirkungsbereitschaft zu wecken und zu fördern, wobei dem Untergebrachten v. a. eine auf ihn zugeschnittene psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlung zu Teil werden soll. Allerdings muss diese Behandlung nur dann auf den Untergebrachten zugeschnitten sein, „soweit standardisierte Angebote nicht Erfolg versprechend sind“ – so § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB a. E. Das Ziel der Betreuung des Untergebrachten liegt nach Nr. 1 b darin, die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung (Bewährungsaussetzung oder Erledigung) möglichst schnell wieder zu beenden, indem die Gefährlichkeit des Verwahrten für die Allgemeinheit entsprechend gemindert wird. Näheres zur Bewährungsaussetzung ist im teilweise neuen § 67 d Abs. 2 StGB, zur Erledigung in Abs. 3 derselben Norm geregelt. § 66  c Abs. 1 Nr. 3 StGB enthält sodann Vorgaben, wie dieses Ziel zu erreichen ist. So sollen nach Nr. 3 a vollzugsöffnende Maßnahmen gewährt und Entlassungsvorbereitungen getroffen werden, „soweit nicht zwingende Gründe entgegenstehen“. Diese sind laut Gesetzestext „insbesondere“ dann gegeben, wenn konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass der Untergebrachte sich dem Vollzug entzieht oder die gewährte Maßnahme zur Begehung „erheblicher“ Straftaten missbraucht. Darüber hinaus haben die Einrichtungen Nr. 3 b zufolge zur Erreichung des Ziels der Gefährlichkeitsminimierung in Freiheit eine nach­ sorgende Betreuung in enger Zusammenarbeit mit staatlichen oder freien Trägern zu ermöglichen. Dies hat also Bezug zu der Zeit nach Entlassung. Zur kon­k reten 133

OLG Nürnberg NStZ-RR 2014, 122.

III. Das SichVAbstUmsG: Überblick und Ablauf der Untersuchung

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Ausgestaltung des Vollzugs nehmen § 66 c Abs. 1 Nr. 2 a und b StGB Stellung: Die Einrichtung muss eine Unterbringung „gewährleisten“, welche den Unter­ gebrachten „so wenig wie möglich belastet“. Außerdem soll der Vollzug den genannten Anforderungen der Nr.  1 des § 66  c StGB entsprechen. Das Leben der Untergebrachten im Vollzug der Sicherungsverwahrung ist den „allgemeinen Lebensverhältnissen“ anzupassen, sofern Sicherheitsaspekte dem nicht entgegenstehen. Soweit diese Behandlung (i. S. v. § 66 c Abs. 1 Nr. 1 StGB) nicht „ausnahmsweise etwas anderes erfordert“, ist das Trennungsgebot einzuhalten. Folglich hat der Sicherungsverwahrungsvollzug in vom Strafvollzug getrennten besonderen Gebäuden oder Abteilungen zu erfolgen, wie es § 66 c Abs. 1 Nr. 2 b StGB vorschreibt. Bemerkenswert ist der Abs. 2 des § 66 c StGB, der den vorausgehenden Strafvollzug betrifft. Denn: Eine intensive und individuelle Betreuung hat nicht erst in der Sicherungsverwahrung zu erfolgen, sondern bereits im Strafvollzug. Deren Angemessenheit kann nach dem neuen § 119 a StVollzG künftig regelmäßig in Abständen von mindestens zwei und höchstens fünf Jahren kontrolliert werden. Auffällig ist, dass die sozialtherapeutische Behandlung durch den Gesetzeswortlaut hervorgehoben wird. Die Regelung kommt solchen Strafgefangenen mit vorbehaltener oder angeordneter Sicherungsverwahrung zu Gute und soll möglichst die Vollstreckung der Verwahrung bzw. deren Anordnung obsolet machen. Nach Art. 316 f Abs. 3 S. 1 EGStGB ist § 66 c StGB n. F. auf Taten vor dem 31.5.2013, dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des SichVAbstUmsG, anzuwenden – die Unverhältnismäßigkeitsregelung des § 67 c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB hingegen gilt erst ab Inkrafttreten des Gesetzes.134 Für § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB gibt es eine solche Übergangsregelung nicht. Die Rechtsprechung135 möchte diesen jedoch ebenfalls erst ab dem 1.6.2013 angewendet wissen, weil die Gesetzesmaterialien sowie die Entstehungsgesichte keinen anderen Schluss zuließen. 2. Untersuchung des Bundesrechts und Erkenntnisquellen Dass in den eingeholten Stellungnahmen zum SichVAbstUmsG-E in erster Linie die (nicht) vorgesehenen Änderungen auf Anordnungsebene sowie die vorgesehenen Übergangsregelungen kritisch diskutiert wurden, verwundert nur auf den ersten Blick.136 Schließlich hatte die Bundesregierung in ihrem Entwurf deutlich betont, dass das Urteil des BVerfG vom 4.5.2011 keine Neuregelung der Anordnungsvoraussetzungen der Sicherungsverwahrung erfordere und 134

BT-Drs. 17/9874, S. 33. Exemplarisch OLG Karlsruhe, Beschl. vom 14.1.2014 – 2 Ws 284/13, Rn. 51 – bei juris. 136 S.  zur Kritik Alex 2012, 72; Reformvorschläge auf Anordnungsebene z. B. bei Kinzig 2012, 21 ff.; Cornel, NK 2012, 3 f.; and. Radtke, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbst UmsG-E, S. 7. 135

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

sich damit das neue Gesamtkonzept im Wesentlichen auf den Vollzug konzentriere.137 Vergleicht man die Neugestaltung des Rechts der Sicherungsverwahrung durch das SichVAbstUmsG mit den Änderungen durch das SichVNOG, fällt auf, dass man nicht von einer viel erhofften umfassenden Reform der Sicherungsverwahrung auf Anordnungsebene sprechen kann.138 Stattdessen blieb es beim Flickenteppich. Obwohl das BMJ die rückwirkende Aufhebung der Höchstfrist der Sicherungsverwahrung als „grundsätzlich verfassungswidrig“ erachtete und diese eine der größten Belastungen der Sicherungsverwahrten darstellte, führte dies nicht zur Wiedereinführung.139 Die Lösung des Bundesgesetzgebers war die Festschreibung der Vorgaben des BVerfG für solche Vertrauensschutzfälle in den Übergangsregelungen des EGStGB.140 Aufgrund der geteilten Gesetzgebungszuständigkeit von Bund und Ländern ergibt sich nur dann ein vollständiges Bild davon, wie das Abstandsgebot normativ umgesetzt wurde, wenn auch § 66 c StGB und die ihn flankierenden Normen auf den Prüfstand gestellt werden. Wenn Strafverteidigern geraten wird, den Rechtsweg zum BVerfG zu beschreiten, weil man Zweifel am SichVAbstUmsG habe und das Abstandsgebot weiter vorangetrieben werden müsse,141 ist zudem fraglich, ob § 66 c StGB wirklich „der große Wurf“ ist.142 Zudem genießt die vollzugsrechtliche Norm im StGB Ausnahmecharakter und ist allein deshalb von Interesse für diese Arbeit. Da beide Gerichte, EGMR und BVerfG, vorwiegend auf die Durchführung der Sicherungsverwahrung, sprich die Vollstreckung und den Vollzug der Maßregel abgestellt haben, soll entsprechend dem Inhalt des SichVAbstUmsG im Fokus dieser Untersuchung der Vollzug stehen.143 Daneben sind aber auch die angesprochenen vollstreckungsrechtlichen Neuheiten darzustellen und zu bewerten. Zwar ist nicht die Art und Weise des Vollzugs („Wie“) Gegenstand der Vollstreckung, sondern das „Ob“. Die neu eingefügten vollstreckungsrechtlichen Rege 137 Vgl.  BT-Drs.  17/9874, S.  11; im Konzept BMJ vom 22.9.2011, S.  1 f. lautete Punkt 1.: „Die Grundsatzentscheidungen der Sicherungsverwahrungsreform vom 1. Januar 2011 werden beibehalten“. Ebso. bspw. der Sachverständige Andres, RAPr 17/90, S. 2; zu den wenigen Reformen auf Anordnungsebene vgl. BT-Drs. 17/9874, S. 12. 138 Peglau, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 2; s. a. den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 8.11.2012, BT-Drs. 17/11406, S. 7. Einen Überblick der mitunter krit. Lit. zur derzeitigen materiell-rechtlichen Situation bei S/S-Stree/­ Kinzig 2014, § 66 Rn. 3 m. w. N.; aktuell zur Vereinbarkeit der SV mit Verfassungsrecht und der EMRK s. Ebner 2015, 99 ff. m. w. N. 139 Konzept BMJ, S. 1; nicht derart deutlich BT-Drs. 17/9874, S. 12 und Referentenentwurf, S. 16. 140 BT-Drs. 17/9874, S. 12; dazu Leipold, NJW-Spezial 2012, 761. Aufgrund der Übergangsregelung des Art. 316 f EGStGB darf noch bei Taten vor dem 1.1.2011 nachträgliche SV angeordnet werden; zu den Folgen für den Anwendungsbereich s. Ebner 2015, 89 ff.; Pyhrr 2015, 220 ff. 141 Pollähne, StV 2013, 256, 258. 142 Sehr positiv aber Schöch, NK 2012, 53; ähnl. optimistisch Cornel, NK 2012, 3. 143 Dazu Streng, StV 2013, 239; Bartsch, FS 2013, 209; Köhne, JR 2015, 255; Zimmermann, HRRS 2013, 168.

III. Das SichVAbstUmsG: Überblick und Ablauf der Untersuchung

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lungen haben allerdings Rückwirkung auf den Vollzug.144 Außerdem sollen mit den flankierenden vollstreckungs- und verfahrensrechtlichen Vorschriften die BVerfG-Gebote umgesetzt werden,145 so dass sie hier von Interesse sind. Gerade das Rechtsschutzsystem war vom Gericht als mangelhaft eingestuft worden und „mitbestimmend für seine Grundsatzentscheidung“146. Die unterschiedlichen Fallkonstellationen anhand diverser Übergangsregelungen (nach Art. 316 e EGStGB; nach BVerfGE 128, 326 sowie nach Art. 316 f Abs. 3 S. 1 StGB) werden aufgrund ihrer eingeschränkten Halbwertszeit sowie aus Platzgründen und da sie wirkliche Problematik in Bezug auf die Anordnungs- und nicht die Vollzugsebene entfalten, hingegen weitgehend ausgeklammert.147 Da es um Normgenese geht, soll der hinter den Normen stehende Wille des Gesetzgebers so weit wie möglich eruiert und beurteilt werden. Als primäre Erkenntnisquelle dient daher die amtliche Begründung des Entwurfs.148 Indessen schweigt der Gesetzgeber bisweilen über seine tatsächlichen Absichten bzw. versucht sie zu verschleiern oder hat sie beim Entwurf möglicherweise nicht bedacht.149 Folglich sind die Stellungnahmen von Sachverständigen und Materialen der Rechtsausschüsse und sonstigen bisher erarbeitete Erkenntnisse zu berücksichtigen. Auch ist die Rechtsprechung der Land- und Oberlandesgerichte mit einzubeziehen. Das BVerfG selbst hat sich, indem es entsprechende Anforderungen für Vollzug und Dauer der Maßregel aufstellte, ungewöhnlich deutlich einer mit der Vollzugsrealität argumentierenden „empirisch informierte[n] Kritik der Sicherungsverwahrung“ angeschlossen.150 Daher ist bei der Beurteilung der Arbeit des Gesetzgebers der Frage nachzugehen, wie die in Teil  B. erörterten empirischen Erkenntnisse umgesetzt wurden und ob womöglich Anpassungsbedarf besteht.151 Um den tatsächlichen (normativen) Abstand „beziffern“ zu können, werden die Neuerungen verglichen mit ggf. vorhandenen Strafvollzugsregelungen. 144

Krit. insofern H.  Baier, StraFo 2014, 401, 406: „Einebnung der Differenzierung zwischen Vollstreckung und Vollzug“; ebso. Pollähne, StV 2013, 250. 145 Übersicht zu den Änderungen bei Drenkhahn, Vorgänge 2014, 11; Kinzig 2012, 18 ff.; Leipold, NJW-Spezial 2012, 760 f. Zuständigkeitsfragen der Gerichte werden nur angesprochen, wenn sie mit vollzuglichen Zuständigkeiten kollidieren, s. dazu Wolf, Rpfleger 2011, 413 ff. 146 H. Baier, StraFo 2014, 403, der deshalb bspw. eine recht umfassende anwaltliche Unterstützung fordert. 147 Zu Art. 316 e EGStGB s. Pollähne, ZJS 2011, 216; Pyhrr 2015, 87 ff.; Koller, DRiZ 2011, 127. Zu den Übergangsregelungen nach BVerfGE 128, 326 s. Mosbacher, HRRS 2011, 229; Zscherpe, BJ 2011, 196; Pfister 2011, 68 ff. Zu Art.  316 f EGStGB deutlich krit. Pollähne, StV 2013, 250; Köhne, JR 2015, 256; Wolf, Rpfleger 2013, 368 f.; Kritik wg. der Übernahme des Begriffs der „psychischen Störung“ bei NK-StGB-Pollähne 2013, § 67 d Rn. 1 d.; and.­ Zimmermann, HRRS 2013, 174 f. 148 Vorgeschlagen von Kertai 2014, 68; letztlich muss die Begründung in ihren „logischen, analytischen und tatsächlichen Elementen ‚nachprüfbar‘ sein“, so Stächelin 1998, 170; s. a. Schüler-Springorum 1991, 175. 149 Dazu Hassemer, NStZ 1989, 555. 150 Dessecker, ZfRSoz 2012/2013, 277. 151 Ggf. muss der Gesetzgeber seine Gesetze nachbessern, s. dazu Eisenberg 2000, § 23, Rn. 49.

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

IV. Vorgaben für den Sicherungsverwahrungsvollzug nach § 66 c Abs. 1 StGB 1. Behandlung und Betreuung nach Nr. 1152 a) Psychiatrisierung War bisheriges Grundkonzept der Sicherungsverwahrung, dass sie allein der Sicherung diente und keine therapeutische Intervention vorsah, geschweige denn, dass eine solche praktisch vorhanden war,153 wird dies mit dem neuen § 66 c Abs. 1 Nr. 1 StGB geändert. Vor allen Dingen der für die therapeutische Ausrichtung des neuen Sicherungsverwahrungsvollzugs stehende Teil der Betreuung, die in Nr. 1 a vorgeschriebene „psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlung“154, bietet Anlass zur Diskussion, obwohl diese Reihenfolge dem Urteil des BVerfG vom 4.5.2011 zu entnehmen ist. Die Reihenfolge, dass man die psychiatrische Behandlung zuerst nenne, sei Ausdruck einer „Psychiatrisierung“ des Sicherungsverwahrungsvollzugs, so der Vorwurf.155 Damit die Sicherungsverwahrung auch im Vollzug nicht nur eine Maßregel der Sicherung, sondern auch der Besserung wird, ist es der richtige Ansatz, die therapeutischen Angebote auszuweiten und durch therapeutische Hilfe eine Perspektive auf „Besserung“ zu ermöglichen.156 Bei den nach §§ 63 und 64 StGB Untergebrachten wird zudem davon ausgegangen, dass der dogmatische Unterschied zwischen Strafe und Maßregel gerade dadurch deutlich wird, dass die Verurteilten

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§ 66 c Abs. 1 Nr. 1 StGB: „Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erfolgt in Einrichtungen, die 1. dem Untergebrachten auf der Grundlage einer umfassenden Behandlungsuntersuchung und eines regelmäßig fortzuschreibenden Vollzugsplans eine Betreuung anbieten, a) die individuell und intensiv sowie geeignet ist, seine Mitwirkungsbereitschaft zu wecken und zu fördern, insbesondere eine psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlung, die auf den Untergebrachten zugeschnitten ist, soweit standardisierte Angebote nicht Erfolg versprechend sind, und b) die zum Ziel hat, seine Gefährlichkeit für die All­ gemeinheit so zu mindern, dass die Vollstreckung der Maßregel möglichst bald zur Bewährung ausgesetzt oder sie für erledigt erklärt werden kann.“ 153 Dazu Bartsch 2010, 204 ff.; Conradi 2013, 49 ff.; ders., ZfRSoz 2012/2013, 267; Kinzig 1996, 72 ff., 117 ff. 154 S. o. Teil C., Fn. 152; wie ein Umkehrschluss zu § 66 c Abs. 1 Nr. 1 StGB ergibt, handelt es sich bei der „Betreuung“ um den Oberbegriff; Behandlung ist somit nur ein Teil davon („insbesondere“). Verdeutlicht wird dies ebso. durch die Gesetzesbegründung, indem daneben noch andere Betreuungsangebote, wie etwa „berufliche Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder Maßnahmen zur Ordnung der finanziellen oder familiären Verhältnisse“ genannt werden, vgl. BT-Drs. 17/9874, S. 15; s. a. KG Berlin StV 2014, 146. 155 Elz 2014, 153, 45 f.; krit. gleichfalls Fischer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 156; v. Hagen in der Anhörung zum HSVVollzG-E am 28.11.2012, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 28; krit. insbes. zur Reihenfolge der identischen Landesnorm des BbgSVVollzG Endres, Schriftliche Stellungnahme zum BbgSVVollzG-E, S. 193. 156 Ähnl. Nachbaur, Die Polizei 2011, 116.

IV. Vorgaben für den Sicherungsverwahrungsvollzug nach § 66 c Abs. 1 StGB

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dort aufgrund der psychischen Situation untergebracht und behandelt werden.157 Die Vermutung liegt nahe, dass auch zur Abgrenzung zwischen Strafe und Sicherungsverwahrung vermehrt auf die Therapiegerichtetheit abgestellt wird. Fest­ zustellen ist, dass therapeutische Behandlungsmaßnahmen die Chance der Legalbewährung erhöhen können. Schon im „alten“ Sicherungsverwahrungsvollzug, sprich vor den Entscheidungen von EGMR und BVerfG, thematisierte man den Behandlungsgedanken und bejahte sehr viel häufiger eine Behandlungsbedürftigkeit als bei Strafgefangenen mit drohender Sicherungsverwahrung.158 Außerdem übersehen einige § 246 a S. 1 StPO. Dort heißt es seit 1977, dass ein Sachverständiger, wenn mit der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zu rechnen ist, nicht nur über dessen Zustand, sondern ebenso über „die Behandlungsaussichten zu vernehmen“ ist. Ganz zu schweigen davon, dass die Sicherungsverwahrung genauso wie die anderen Maßregeln schon seit langem – zumindest auf Vollzugsebene – eine der Besserung und Sicherung ist.159 Jedoch darf Gefährlichkeit nicht mit einer psychischen Störung bzw. Krankheit, die eine Unterbringung nach § 63 StGB notwendig machen würde, gleichgesetzt werden. Dennoch werden viele Personen, die eine erhebliche Störung der Sexualpräferenz bzw. dissoziale/antisoziale Persönlichkeitsstörung aufweisen, nicht im PKH, sondern in der Sicherungsverwahrung untergebracht, weil es am für § 63 StGB notwendigen Schwere­ grad fehlt.160 Missglückt ist die Reihenfolge in § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB dennoch. Zwar weist ein hoher Prozentsatz (Quoten zwischen 50–80 %) der (potentiellen) Sicherungsverwahrten Persönlichkeitsstörungen auf.161 Jedoch sind dies gerade keine psychischen Krankheiten i. e. S., welche zur Unterbringung im PKH führen würden. Es handelt sich also nicht um solche „Krankheiten“, die medizinisch-psychiatrisch und in erster Linie pharmakologisch gestützt durch psychiatrische Therapeuten be 157

Finger 2008, 109; LK/Gribbohm 1992, § 1 Rn. 18. Die Behandlungsbedürftigkeit folgte i. d. R. aus dem Delikt, gewissen Persönlichkeitsmerkmalen des Täters bzw. damit ggf. zusammenhängender Rückfallgefahr, vgl. Elz 2014, 152 ff.; Wischka, KrimPäd 2011, 42. 159 Meier 2015, 270 ff., 345 ff.; s. a. Laubenthal 2015, Rn. 917; Höffler/Kaspar, ZStW 2012, 100 ff. 160 Vgl. Konzept JVA Bbg a. d. H., S.  16: Es könne „nicht davon ausgegangen werden, dass Verurteilte mit schwereren Störungsbildern regelmäßig als schuldunfähig eingestuft und nach § 63 im Maßregelvollzug und Verurteilte mit leichteren Störungsbildern als (eingeschränkt) schuldfähig im Strafvollzug und der Sicherungsverwahrung untergebracht werden.“ S. a. Habermeyer/Mokros/Vohs, R&P 2012, 77. 161 Vgl. BT-Drs. 17/9874, S. 42; ebso. RAPr 17/90, S. 14, 44. Eine Persönlichkeitsstörung kann nach h. M. in Rspr. und Lit. insbes. zusammen mit anderen Faktoren grundsätzlich eine „schwere seelische Abartigkeit“ sein, so dass grds. die Unterbringung nach § 63 StGB in Frage kommt. Jedoch wird in der gerichtlichen Praxis nur selten eine Relevanz i. S. d. §§ 20, 21 StGB angenommen. Wie genau die Abgrenzung zu dem weitaus größeren Teil der in der SV anzutreffenden Persönlichkeitsstörungen erfolgen soll, ist bisher empirisch nicht objektiviert worden; dazu LK/Schöch 2011, § 20 Rn.  63, 72, 171; Müller-Isberner/Eucker 2012, 77. 158

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

handelt werden (könnten).162 Wenn, dann bedarf es einer ärztlichen „Initialtherapie“163, wobei die Schwerpunkte später auf Verhaltenstherapie bzw. eher im psychologischen/sozialtherapeutischen Bereich liegen müssen. Im Übrigen hatte der EMGR in erster Linie auf eine psychologische Betreuung in Anbetracht des potentiell unbegrenzten Aufenthalts abgestellt.164 Durchaus hat der Gesetzgeber bzw. das BVerfG selbst dieser Argumentation mit dem ThUG einen gewissen faden Beigeschmack beschert, weil damit die Persönlichkeitsstörungen in bestimmten Fällen zur psychischen Störung umgeformt und damit doch als ausreichend für eine solche Unterbringung erachtet wurden.165 Einen medizinisch-therapeutischen Sicherungsverwahrungsvollzug zu fordern, wäre nicht zuletzt deshalb verfehlt, weil man sich dann auf einmal nicht nur die Frage der Abgrenzung zwischen Strafe und Sicherungsverwahrung, sondern die zwischen Sicherungsverwahrung und Unterbringung nach § 63 StGB stellen müsste.166 Der therapieorientierte Sicherungsverwahrungsvollzug bleibt Teil des Justizvollzugs.167 BVerfG und Gesetzgeber können nicht der psychiatrischen Fachwissenschaft die therapeutische Verantwortung dafür übertragen, aus einem auf Sicherung ausgerichteten Vollzug einen therapieorientierten „Besserungs-Maßregel-Vollzug“ zu machen. Zwar ist der Behandlungsansatz durchaus geeignet, eine deutlichere Abgrenzung von Maßregel und Strafe zu bewirken  – die psychiatrische Seite sollte dennoch zurückgenommen werden, um nicht einen neuen Abgrenzungskonflikt heraufzubeschwören. Sicherlich liegt es in der Natur der Sache, dass bei Aufzählungen in Gesetzen immer ein Aspekt zuerst genannt werden muss.168 Außerdem zeigen die Gesetzes­ materialien zum SichVAbstUmsG, wie bereits erwähnt, dass man die Aufzählung 162 Endres, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 5 f.; Nedopil 2012b, 22: Die Unterbringung im PKH wäre daher „unethisch“; s. a. Schwerdtfeger (Forensik) zum BremSVVollzG-E, APr A/RA 18/18, S. 434; Wischka in der Anhörung zum Nds. SVVollzG-E, ARV PR 16/123&124, S. 16: „Wir haben es bei den Sicherungsverwahrten nicht in erster Linie mit psychiatrischen Auffälligkeiten zu tun. Vielmehr liegt der Schwerpunkt bei dissozialen Entwicklungen und bei problematischen Sozialisationsverläufen.“ Fischer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 154 kritisiert die verwendeten Begrifflichkeiten der Therapie und Diagnose, weil dafür eine „Krankheit“ vorliegen müsse. Ebso. EGMR, Urt. vom 28.11.2013 – 7345/12, G ./. Deutschland, Rn. 83 – bei juris. 163 Wolf 2011, 109. 164 EGMR, Urt. vom 17.12.2009 – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn. 129 – bei juris. 165 Wolf 2011, 107; ders. 2012, 79; zur Grenzziehung zwischen Krankheit und Gesundheit Anders, JZ 2012, 504; Kröber, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2011, 242; and. Zimmermann, HRRS 2013, 174. 166 Die allg. Aussagen des BVerfG helfen nicht weiter; s. bereits BVerfGK 2, 63, worauf es sich noch heute bezieht (so bspw. in BVerfG, Beschl. vom 26.11.2014 – 2 BvR 713/12, Rn. 26 – bei juris): „Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung ist kein geringeres, sondern ein anderes Übel.“ 167 Bspw. § 107 Nds. SVVollzG: „Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wird in Anstalten der Landesjustizverwaltung vollzogen.“ Vgl. die Gesetzesbegründung zum SichVAbstUmsG, BT-Drs. 17/9874, S. 42. 168 Treffend Bay LT-Drs. 16/13834, S. 28; darauf Bezug nehmend Bartsch in der Anhörung zum SVVollzG NRW-E, APr 16/167, S. 26: „Irgendetwas muss doch an erster Stelle stehen.“

IV. Vorgaben für den Sicherungsverwahrungsvollzug nach § 66 c Abs. 1 StGB

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schlicht dem BVerfG-Urteil entnommen hat. Jedoch hat bspw. Bayern in der Regelung zum Inhalt des Vollzugsplans (vgl. dazu Art. 9 Abs. 1 Nr. 1 BaySvVollzG) bewusst eine andere Reihenfolge gewählt, was aus der Gesetzesbegründung hervorgeht: „Im Gegensatz zum psychiatrischen Maßregelvollzug [stehen] … beim therapeutischen Konzept für Sicherungsverwahrte die Behandlung von Persönlichkeitsstörungen und Sozialisationsdefiziten im Vordergrund“ und „weniger Aspekte wie Krankheitsverständnis und pharmakologische Behandlung“, die nur ausnahmsweise, bspw. bei einer akuten psychotischen Erkrankung, im Sicherungsverwahrungsvollzug eine Rolle spielten und im darüber hinausgehenden Fall zu einer Verlegung in das PKH führen.169 Solche Aussagen lassen sich auch i. R. d. aktuellen Behandlungskonzepte der Sicherungsverwahrungsabteilungen finden. Dort wird knapp darauf eingegangen, dass eine pharmakologische Behandlung nur im Ausnahmefall in Frage komme. Wenn sich hingegen im Laufe der Unterbringung „eine gravierende psychische Erkrankung“ herausstelle, müsse eine Überweisung in die Maßregel nach § 63 StGB erfolgen.170 Ein „Psychiater“ sei nur „konsiliarisch“ im Fall einer medikamentösen Behandlung heranzuziehen.171 Die dem ME-SVVollzG folgenden SVVollzGe haben zudem eine sinnvolle Aufzählung der behandlerischen Methoden gefunden, die für die Bundesnorm empfehlenswert wäre. Z. B. bedient sich nach § 15 Abs. 1 S. 2 LSVVollzG der therapeutisch ausgestaltete Vollzug „sozialund psychotherapeutischer, psychiatrischer, sozialpädagogischer und arbeitstherapeutischer Methoden“. Nicht angezweifelt wird damit das teilweise notwendige Angebot psychiatrischer Behandlung.172 Zudem sollte nicht vergessen werden, dass eine psychiatrische Behandlung stets vor dem Hintergrund der möglichen Überweisung in den Maß­ regelvollzug nach § 67 a Abs. 2 S. 2 StGB zu sehen ist.173 Hiernach soll eine Verweisung aus dem vorausgehenden Strafvollzug in eine Maßregel nach §§ 63 oder 64 StGB erfolgen, „wenn ihre Resozialisierung dadurch besser gefördert werden kann“ und „zur Durchführung einer Heilbehandlung oder Entziehungskur angezeigt ist“.174 Dies gilt für den Strafvollzug bei bereits angeordneter und neuerdings bei vorbehaltener Sicherungsverwahrung und soll laut Geset­zes­begrün­dung dazu dienen, dass Strafgefangenen mit notierter Sicherungsverwahrung „schon wäh 169

Bay LT-Drs. 16/13834, S. 31. Dazu z. B. Konzept JVA Bützow, S. 25 f.: Es gebe zwar Überschneidungen zwischen der Unterbringung nach § 63 StGB und nach § 66 StGB, „die Unterschiede in der Klientel und in den Rahmenbedingungen sind i. d. R. … gravierende“; nur im Einzelfall sei der Rückgriff auf pharmakologische Unterstützung notwendig. 171 Konzept JVA Bützow, S. 28. 172 Es gebe Nachholbedarf, weil in der Praxis die psychiatrische Versorgung im Strafvollzug nicht ausreichend sei, so Konrad 2007, 154 ff.; ebso. Drenkhahn, Vorgänge 2014, 12. 173 Dazu und zur Notwendigkeit eines erneuten Gutachtens KG Berlin StV 2013, 778. 174 Damit wurde der viel kritisierte frühere Verweis auf einen Zustand nach §§ 20 oder 21 StGB gestrichen. Krit. bspw. Baur/Kinzig, StraFo 2010, 505; ebso. Müller-Isberner/Eucker 2012, 116 f.; vgl. zum Ziel, das Ultima-Ratio-Prinzip umzusetzen BT-Drs. 17/9874, S. 43. 170

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rend der Zeit des Strafvollzugs etwa erforderliche (u. a. psychiatrische) Behandlungen anzubieten [sind], um die Gefährlichkeit … zu reduzieren (Ultima-RatioPrinzip).“175 Doch die Norm ist nicht weniger problembehaftet. Schließlich stellt sie einen „Fremdkörper innerhalb des Gesamtsystems“ des StGB dar.176 Fischer wirft der Überweisung sogar vor, dass es sich um nichts anderes als eine nachträgliche Unterbringung von Strafgefangenen im Maßregelvollzug handle.177 Die Vorstellung, dass aus dem Strafvollzug bei nur vorbehaltener Sicherungsverwahrung bereits in eine Maßregel überwiesen werden kann, könnte einen zweifeln lassen, weil tatsächlich noch gar keine Maßregelanordnung erfolgt ist. Wieder unter dem Aspekt des Sonderopfers und des Ultima-Ratio-Grundsatzes betrachtet, muss jedoch alles getan werden, um die Sicherungsverwahrung zu verhindern, ggf. mithilfe einer Überweisung ins PKH oder in die Entziehungsanstalt. Eine Differenzierung zwischen vorbehaltener und angeordneter Sicherungsverwahrung ist dann nicht mehr länger begründbar.178 Unbegründet ist die Furcht des Bundesrats, dass es dadurch zu einer Überbelastung der PKH oder Entziehungsanstalt kommen könnte.179 Zwar lässt sich die von Elz in ihrer Aktenanalyse aus dem Jahre 2014 z. T. festgestellte Motivation der Anstalten zur Überweisung ins PKH anzweifeln. Sie hatte den Eindruck gewonnen, „dass für die JVA v. a. relevant gewesen war, dass … [der betroffene Verwahrte] nach einer Überweisung nicht mehr in ihrer Anstalt“ sei.180 Dies könnte zumindest dafür sprechen, dass von der Überweisungsmöglichkeit im Strafvollzug künftig mehr Gebrauch gemacht wird. Allerdings machten die Überweisungen bisher durchschnittlich weniger als 0,1 % der im Maßregelvollzug Untergebrachten aus.181 Selbst wenn sie sich erhöhen sollten, ist nicht von einer wie vom Bundesrat geäußerten zahlenmäßigen Überforderung auszugehen. Auf einem anderen Papier steht eine inhaltliche Überforderung.182 Stattdessen könnte man mit Fischer dem 175 Der Hinweis des BRat im Gesetzgebungsverfahren, man möge doch in § 67 a Abs. 2 S. 2 StGB einen weiteren Begriff, nämlich denjenigen der „schwerwiegenden psychiatrischen Erkrankung“ einfügen (vgl. dazu BT-Drs. 17/9874, S. 42 f. mit Antwort der BReg), offenbart, welche Unklarheiten immer noch im Zusammenhang psychiatrisch relevanter Erkrankungen und SV bestehen. 176 Fischer 2016, § 67 a Rn. 5 b. 177 Fischer 2016, § 67 a Rn. 5 a. 178 In diesem Sinne zu Recht Radtke, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 10 f. 179 Vgl. BT-Drs. 17/9874, S. 42; zutreffende Erwiderung der BReg, S 43; ebso. Endres in der Anhörung RAPr 17/90, S: 35 f.; and. Peglau, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbst UmsG-E, S. 4. 180 Elz 2014, 159 und 162 f. mit Bspen., insgesamt wurden 16 Probanden hin- und wieder zurück überwiesen. 181 So die Angabe in BT-Drs.  17/9874, S.  43 f. Für das Jahr 2011 s.  die Berechnung von Boesert 2013, S. 21: Von SV in PKH: 10, aus PKH in SV: 7, d. h. netto: 3; von SV in Entziehungsanstalt: 3; von der Entziehungsanstalt in SV: 2, netto: 1; ebso. Pollähne, StV 2013, 252; Ansorge 2013, S. 9 f. 182 Diese angenommen von Müller-Isberner/Eucker 2012, 116.

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Bundesgesetzgeber vorhalten, dass die Hoffnung zu vage sei, man könne durch die Überweisung die Sicherungsverwahrung verhindern.183 Dem kann wiederum entgegengehalten werden, dass das Argument zu sehr an die früher vorgebrachte Argumentation, eine solche Überweisung sei zweifelhaft, „wenn der Betroffene keine konkrete Aussicht hätte, in absehbarer Zeit in die Freiheit entlassen zu werden“ erinnert,184 die angesichts des BVerfG-Urteils nicht mehr überzeugen kann. Denn: Das Ultima-Ratio-Prinzip zielt darauf ab, „durch frühzeitige Behandlungsangebote schon während des Strafvollzugs eine nachfolgende SV entbehrlich und eine Entlassung ‚in absehbarer Zeit‘ möglich zu machen.“185 Allerdings kommt dem Einwand Fischers insofern Bedeutung zu, wenn man sich den bisherigen Gedanken des § 67 a StGB bzgl. der Sicherungsverwahrung verinnerlicht: Man ging davon aus, dass die im Maßregelvollzug behandelten Patienten besser resozialisiert werden können als Strafgefangene im Justizvollzug.186 Einmal die Therapieorientierung konsequent umgesetzt, erscheint es fraglich, ob die Aussage haltbar ist oder ob die Norm faktisch nicht zur Anwendung kommen wird. Die Praxis darf jedenfalls nicht, um abschließend auf den Vorwurf der Psy­ chiatrisierung einzugehen, den Fehler machen, entweder der Psychiatrie oder/und der Sozialtherapie alleine die Verantwortung für die Behandlung der (potentiellen)  Sicherungsverwahrten zu überlassen. Zudem sollte es dringend Begleitstudien zur Umstellung auf eine therapeutisch ausgerichtete Sicherungsverwahrung geben.187 b) Therapieoptimismus und „hoffnungslos Verwahrte“ aa) Realität und Gesetzgebung Des Weiteren sieht sich der Bundesgesetzgeber wie zuvor das BVerfG dem Vorwurf ausgesetzt, zu optimistisch, geradezu naiv daran zu glauben, mit Therapie, Behandlung und Motivation jeden, auch durch lange Vollzugjahre geprägte und am Ende einer kriminellen Karriere stehende (potentielle) Verwahrte erreichen zu können.188 Die Kritik konzentriert sich auf den in § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB Gesetz gewordenen therapieorientierten Sicherungsverwahrungsvollzug sowie den in § 66 c Abs. 2 StGB therapieorientierten vorausgehenden Strafvollzug bei an 183

Fischer 2016, § 67 a Rn. 5 a. BT-Drs. 16/1110, S. 23. 185 Eckpunktepapier BMJ, S. 11. 186 Müller-Isberner/Eucker 2012, 116. 187 Egg, KrimPäd 2015, 27. 188 Endres, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S.  5 f.; J. L.  Müller, NK 2012, 54; deutlich schärfer die Kritik von Habermeyer/Vohs 2012, 95: BVerfG stelle die Psychiatrie vor ein „unlösbares therapeutisches Dilemma“. Ebso krit. Bachmann (JVA Schwalmstadt) in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. S. 14; Bartsch in der Anhörung zum SVVollzG NRW-E, APr 16/167, S. 4. 184

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geordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung.189 Mit der gesetzlich geregelten Therapieausrichtung würde vergessen, dass es behandlungsunwillige bzw. -unfähige190 oder gar therapieresistente191 (potentielle) Verwahrte, aber keine Therapieformen bzw. Behandlungsmethoden gebe. Im Wesentlichen geht es um eine deutliche Kluft zwischen dem, was das BVerfG und der ihm folgende Gesetzgeber fordern, und dem, wie Experten die Wirkung von Behandlung und Therapie einschätzen.192 Betroffen sind verschiedene Normen auf Bundes- (vgl. § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a ggf. i. V. m. Abs. 2 StGB) und auf Landesebene (vgl. z. B. die Motivierungsregelung in § 5 HSVVollzG193). Zu naiv wäre es, darauf zu vertrauen, dass „nahezu alle der ‚gefährlichen‘ und hochbelasteten Täter früher oder später Resozialisierungsangebote annehmen und nicht mehr rückfällig werden“.194 Angesichts § 66 c Abs. 2 StGB und den damit einhergehenden Pflichten des vorausgehenden Strafvollzugs, ebenso therapeutisch auf die Verurteilten einzuwirken, ist davon auszugehen, dass diejenigen, auf welche diese Aussage (noch halbwegs) zutreffen mag, erst gar nicht in die Unterbringung kommen. Im Sicherungsverwahrungsvollzug landen nur noch solche, die ohne Erfolg therapiert und denen ohne Erfolg Resozialisierungsangebote gemacht wurden. Kriminologisch sind die Bedenken bei den Themen der Behandelbarkeit, Behandlungsbedürftigkeit sowie -methoden durchaus berechtigt. So hat Teil  B. gezeigt, dass die Therapiemotivation und Behandelbarkeit problematisch sein können.195 Darüber hinaus existieren kaum bis keine (ausreichend)  validen Behandlungsmethoden oder wirksame Therapieansätze.196 In der Tat könnte daher das BVerfG und der ihm folgende Gesetzgeber bei den Untergebrachten eine Hoffnung auf Entlassung geschürt haben, die mit dem derzeitigem Wissensstand nicht zu realisieren sein wird.197

189 Zurückgegriffen wird neben dem Bundes- auf die Landesgesetzgebungsverfahren (vgl. dazu auch Teil D.IV.), weil hier der Leitlinie folgend nahezu identische Normen geschaffen wurden und daher die Auseinandersetzung damit übertragbar ist. 190 Bspw. Fluhr zum JVollzGB V-E, Schriftliche Stellungnahme, S. 2 191 Kreuzer in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 25. S. a. Asprion, ebda., S. 35. 192 DAV, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG Nr. 56/2012, S. 4 f.: realitätsfern, aus einer reinen Verwahrung einen „Turbo-Resozialisierungs-Strafvollzug“ zu machen; skeptisch bereits Düx, ZRP 2006, 85. 193 Dazu Kreuzer, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 4. 194 Strafvollzug: Dünkel/Maelicke, NK 2004, 131; Müller-Dietz, JR 1995, 359; SVV: Kinzig 1996, 457. 195 S. dazu Teil B.II.3.c) und Teil B.III.; dazu insbes. Habermeyer/Vohs 2012, 95; Mokros/ Habermeyer 2012, 297; Suhling/Pucks/Bielenberg 2012, 233 ff.; Rauchfleisch 2012, 369 ff. 196 Nedopil 2012, 65; zur Problematik ebso. Bamberger 2012, 225 ff.; Bartsch 2010, 228 f.; s. o. Teil B.III. 197 Habermeyer/Vohs 2012, 95; darauf nimmt auch das Konzept der JVA Bützow, S.  34 Bezug.

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Jedoch: Nichts zu tun, d. h. die Praxis nicht zu einer Änderung im therapeutischen Bereich zu zwingen, kann genauso wenig die Lösung sein.198 Außerdem darf nicht der Fehler begangen werden, aus keinem Wirksamkeitsnachweis auf einen Nachweis von keiner Wirksamkeit zu schließen.199 Dies gilt umso mehr, als die empirische Analyse zeigte, dass die bisherige Praxis völlig anders ausgesehen hat, als es vom BVerfG und vom Bundesgesetzgeber in seinen Leitlinien mit dem therapiegerichteten Vollzug vorgesehen ist.200 Nicht gerechtfertigt ist daher ein Automatismus bzw. Behandlungspessimismus i. S. v. „nothing works“. Denn niemand kann sicher sagen, ob bzw. wie wirksam bestimmte Angebote sein können. Die Schwierigkeit liegt also darin, dass die Praxis ein gemeinsames Grundverständnis dafür, was Behandlung i. S. v. § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB und den folgenden Normen der SVVollzGe tatsächlich ausmacht, erst entwickeln muss.201 Damit dürfte das BVerfG mit seiner Forderung und ihm folgend der Bundes- sowie Landesgesetzgeber der Realität einen Schritt voraus sein. Denn es gibt hier Nachholbedarf in Forschung und Lehre.202 Darauf deuten zumindest die Erfahrungsberichte der Praxis hin. Letztlich hätte der Praxis spätestens seit der Höchstdauerentscheidung klar sein müssen, dass sie zur Umsetzung von Behandlungsprogrammen bzw. Konzepten zur Umsetzung gewisser Standards verpflichtet gewesen wäre.203 Da sie dies nicht getan hat, ist die gesetzliche Einforderung nur konsequent. Gemäß § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB muss die Betreuung geeignet sein, die „Mitwirkungsbereitschaft zu wecken und zu fördern“ (sog. Motivierungsgebot), was laut Gesetzesmaterialien so viel bedeuten soll, als es die „dauerhafte“ Aufgabe der Einrichtung sei, „den Untergebrachten (doch) zu einer Inanspruchnahme solcher Angebote zu motivieren.“ Klar ist damit und mit dem Gesetzestext, dass es nach neuer Rechtslage nicht mehr möglich ist, dass die Anstalt Motivierungsmaßnahmen unterlässt „im Hinblick auf den Wunsch des Untergebrachten, in Ruhe gelassen zu werden“.204 Was aus § 66 c StGB folgt: Die therapeutischen Maßnah-

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Treffend Düx, ZRP 2006, 85: Therapeutische Mittel sind begrenzt, aber „genauso wichtig dürfte … die Erkenntnis sein, dass der Versuch, etwas zu tun, mehr ist, als gar nichts zu tun.“ 199 Zu Recht Endres, Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S.  7; ebso. Mokros/Habermeyer 2012, 296. 200 Bisher gibt es v. a. ein Defizit an therapeutischen Angeboten und Motivierungsmaßnahmen; jüngst Elz 2014, 158, 141 ff., 161 mit konkreten Bspen.; ebso. Skirl 2010, 138;­ Kröber et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 164 ff. und Teil B., Teil B.II.3.c) und Teil B.III. 201 Elz 2014, 132 f.; Habermeyer/Vohs 2012, 95; Kröber et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 169. 202 Zu den damit verbundenen Schwierigkeiten (z. B. fehlende Vergleichsgruppe) bspw. Wolf 2011, 110; allg. zum Bedarf Wischka, KrimPäd 2011, 46. 203 Forderungen bei SBJL-Koepsel 2009, § 131 Rn. 2; ähnl. Kreuzer/Bartsch, FS 2010, 91. 204 Vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. vom 14.1.2014 – 2 Ws 284/13, Rn. 55 zur Situation vor den Neuregelungen, Rn. 57 f. zur aktuellen Situation.

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men sind nicht mehr eine „Holschuld“, sondern eine „Bringschuld“.205 Dies stellt angesichts der bisherigen Vollzugswirklichkeit eine Neuausrichtung dar. Gerade hoffnungslose Fälle, Therapieunwillige oder -unfähige werden damit vom Gesetzgeber nicht vergessen. Im Gegenteil: Die Neuregelung soll gerade bewirken, dass diese nicht vorschnell „abgestempelt“ und über Jahre hinweg vergessen werden. Bevor nämlich die Behörden Behandlungsangebote zur Reduzierung der Gefährlichkeit ablehnen können, müssen sie erst alle in Frage kommenden Maßnahmen erfolglos ausprobiert haben.206 Da dies wiederum für Gerichte nachvollziehbar sein muss, ist eine ausführliche Begründung der ggf. vorliegenden Therapieunwilligkeit bzw. -fähigkeit und eine Dokumentation des Weges dorthin notwendig – darauf wird sich die Praxis einstellen müssen.207 Festzuhalten ist, dass der Bundesgesetzgeber die Gruppe derjenigen Straftäter, die durch Behandlung nicht erreicht werden können, im Gesetz selbst nicht wörtlich anspricht. Allerdings gibt die Gesetzesbegründung zu erkennen, dass er sehr wohl an die Problematik von therapeutisch nicht erreichbaren oder nicht willigen Verwahrten gedacht hat. Dort heißt es, dass es „auch in Zukunft … Untergebrachte geben [wird], die sich trotz dieser [therapeutischen] Maßnahmen auf Dauer als therapieunwillig erweisen.“208 Praktisch besteht die Gefahr, dass jede Anstalt für sich selbst „irgendwie in der Gegend herum behandelt“.209 Wie genau eine Behandlung i. S. v. § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB auszusehen hat, wie man Sicherungsverwahrte konkret behandelt und die erwähnten „problematischen Fälle“ erreicht, das verrät die Gesetzesbegründung nicht. Selbst will und kann der Gesetzgeber nicht sagen, wann von einer „Geeignetheit“ der Behandlungsprogramme auszugehen ist. Laut Begründung soll „die konkrete Ausgestaltung etwaiger geeigneter Motivationsmaßnahmen … wiederum den Ländern [obliegen], wobei das BVerfG selbst schon denkbare Konzepte skizziert“ habe.210 Offen gelassen ist damit obendrein, wer entsprechende Behandlungskonzepte entwickeln und die Behandlung überwachen und evaluieren soll.211 Unklar ist des Weiteren, worauf sich eigentlich „die Therapie“ genau beziehen soll, sprich, wann man von einer erfolgreichen Therapie sprechen kann und wann nicht, sowie welche qualitativen und quantitativen Anforderungen bestehen.212 Die Gesetzesmaterialien sagen dazu, 205 Elz 2014, 189; vgl. dazu auch LG Marburg, Beschl. vom 28.10.2013 – 7 StVK 191/13, Rn. 59 – bei juris. 206 Peglau, jurisPR-StrafR 1/2015 Anm. 4. 207 Bedenken von Kannegießer (BSBD) in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48UJV/18/37, S. 17. 208 Vgl. BT-Drs. 17/9874, S. 15. 209 So Wolf 2012, 76; zur Problematik ebenfalls Bamberger 2012, 225 ff. 210 Vgl. BT-Drs. 17/9874, S. 15. Zur Bedeutung der Motivation im Zusammenhang mit der Sozialtherapie bereits der Gesetzentwurf zum SexualdelBekämpfG, BT-Drs. 13/7163, S. 8. 211 Nehm, LTO vom 3.6.2013; Egg, KrimPäd 2015, 27, der dringend eine umfassende Evaluierung anmahnt. 212 Fischer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 156; ebso. Köhne, JR 2015, 254 ff.; zu Unklarheiten bereits im alten Vollzug s. Elz 2014, 181.

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dass es Ziel der Betreuungsangebote sei, „die Gefährlichkeit des Untergebrachten so zu mindern, dass die Vollstreckung der Maßregel möglichst bald zur Bewährung ausgesetzt oder für erledigt erklärt werden kann“.213 Genauso ist es in § 66 c Abs. 1 Nr. 1 b StGB Gesetz geworden.214 bb) Forderungen zum Umgang Es muss darum gehen, für den Verwahrten die passende und optimale Behandlung zu finden. BVerfG und der Bundesgesetzgeber stellen darauf ab, dass „ein individuell zugeschnittenes Therapieangebot entwickelt werden“ muss, wenn „standardisierte Therapiemethoden“ nicht erfolgversprechend sind.215 Damit gemeint ist aber nicht, dass standardisierte Therapie nicht auf den jeweiligen Proband zugeschnitten werden sollen. Auch standardisierte Therapien dürfen nicht schablonen- oder schemenhaft angewendet werden. Daher sind Ausführungen, wie bspw. diejenigen des hamburgischen Gesetzgebers, dass Therapien „individuell auszugestalten sind, wenn Standardangebote keinen Erfolg versprechen oder keine Wirkung zeigen“, misslich.216 Denn sie vermitteln den Eindruck, es bestehe ein Gegensatz „standardisiert – individualisiert“. Dem ist nicht so: „Standardisierung bedeutet die Verwendung bereits empirisch überprüfter und als fundiert erachteter Behandlungsmanuale oder -methoden.“217 Sie bedeutet also gerade nicht, die Anwendung von Methoden ohne Berücksichtigung individueller Behandlungs­bedürfnisse. Vielmehr gilt dem Ansprechbarkeitsprinzip entsprechend, dass die Verwahrten dort abzuholen sind, wo sie stehen.218 Etwas anderes wollte der Gesetzgeber nicht zum Ausdruck bringen. Selbst weist er in der Gesetzesbegründung darauf hin, worum es im Kern geht: Eine Therapie darf nicht deshalb unterbleiben, weil sie über den Aufwand oder die Kosten einer standardisierten Therapie hinausgeht.219 Der Hinweis, dass individuell auf den Unter­gebrachten zugeschnittene Angebote zu machen sind, wenn standardisierte keinen Erfolg ver 213

BT-Drs. 17/9874, S. 15 f. Man könnte sich die Frage stellen, ob es sich bei dem Betreuungsziel (dazu S/S-Kinzig 2014, § 66  c Rn.  5; Schäfersküpper/Grote, NStZ 2013, 452; BeckOK StGB/Ziegler, § 66  c Rn. 8) um das aus den Strafvollzugsgesetzen bekannte Vollzugsziel handelt (dazu SSW-Jehle 2014, § 66 c Rn. 12; H. Baier, DRiZ 2014, 139; ders., StraFo 2014, 398; Dessecker, ZfRSoz 2012/2013, 278; ders., BewHi 2013, 310; Pollähne, StV 2013, 256). Letztlich wird sich der Bund davor gescheut haben, das „Kind beim Namen zu nennen“, weil man ein Vollzugsziel im StVollzG verortet, wofür ihm jedoch die Gesetzgebungskompetenz fehlt. Jedenfalls gibt es keinen großen Unterschied zwischen Betreuungs- und Unterbringungsziel. 215 BVerfGE 128, 380; BT-Drs. 17/9874, S. 14 f. 216 Hmb LT-Drs. 20/6795, S. 2. 217 Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 29. 218 Mit Recht Endres in der Anhörung zum SichVAbstUmsG-E, RAPr 17/90, S. 26; ders., Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S.  8; zum Ansprechbarkeitsprinzip s. Suhling/Pucks/Bielenberg 2012, 238; zur Geltung im SV z. B. Nds. LT-Drs. 16/4873, S. 56 f. 219 BT-Drs. 17/9874, S. 14. 214

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sprechen, ist daher mit Endres so zu verstehen, „dass auch neuartige und noch nicht ausreichend erprobte Behandlungsverfahren eingesetzt werden können, wenn dies wissenschaftlich begründet ist, und dass solche Verfahren in Kooperation zwischen Wissenschaft und Justizvollzug weiterentwickelt und beforscht werden sollen.“220 Letztlich müssen neue Behandlungsformen bemüht werden, wenn standardisierte Methoden nicht reichen. Ebenfalls muss man sich von dem Gedanken frei machen, Persönlichkeiten zu ändern. Am Ende kommt es darauf an, Rückfälle zu vermeiden und somit in der Behandlung damit zufrieden zu sein. Voraussetzung für eine Entlassung muss sein, die Gefährlichkeit mit ambulanten Maßnahmen im Griff zu behalten.221 Die Gefährlichkeitsminimierung – es geht um die Gefahr, die zur Verurteilung geführt hat – kann man daher als kleinsten gemeinsamen Nenner an Resozialisierung begreifen.222 Zugeben muss man, dass solche Fragen weniger juristisch bzw. gesetzgeberische und mehr therapeutisch-praktische Aufgaben sind. Denn Psychologen, Psychiater, Psychotherapeuten und Sozialtherapeuten müssen in der Praxis klären, welche Behandlung sinnvoll ist.223 Daneben müssten sich die Anstalten länderübergreifend vernetzen. Letztendlich dürften weder BVerfG noch (Bundes)Gesetzgeber ein Interesse daran haben, dass jede Anstalt ihr eigenes „Behandlungssüppchen“ kocht. Hier wäre ein deutliches Zeichen i. d. S. wünschenswert, dass Forschungsvorhaben und Evaluationen zu Behandlungsmethoden in Gang gebracht werden. Nur so kann dem Behandeln „auf gut Glück“ und daraus folgender Enttäuschung vorgebeugt werden. Dies gilt v. a., wenn man dem Anspruch einer rationalen und wissensbasierten Kriminalpolitik gerecht werden will. Zur Umsetzung des therapeutischen Sicherungsverwahrungsvollzugs bzw. der gesamten Betreuung i. S. d. Nr. 1 a bedarf es zuvörderst eines: Geeignetes Fachpersonal. Das hat das BVerfG als zentralen Punkt festgehalten. Insgesamt wurde früh darauf hingewiesen, dass gerade die bisherige sachliche und personelle Ausstattung der Gefängnisse dem Aufbau einer therapeutischen Beziehung entgegenstehe.224 Der Gesetzgeber hält zwar die Etablierung multidisziplinärer Teams für erforderlich – das zu regeln, sei jedoch die „besonders bedeutsame“ Aufgabe der Länder.225 Abermals beruft er sich gerne auf die Vorgabe des BVerfG, nur Leit 220 Endres, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S.  8; ders., Schriftliche Stellungnahme zum BbgSVVollzG-E, S. 191: „stets auf den Einzelfall zugeschnitten …“ Ebso. das Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 29 ff.: „abschließender Behandlungskatalog verbietet sich“; ähnl. Wolf 2011, 110. 221 Mit Recht Wolf 2011, 108. 222 LG Marburg, Beschl. vom 28.10.2013 – 7 StVK 191/13, Rn. 52 – bei juris; Schäfersküpper/ Grote, NStZ 2013, 450: Praxis dürfe sich nicht auf dem „Minimalziel der Aussetzung oder Erledigungserklärung“ ausruhen. 223 Bamberger 2012, 226. 224 Für den Strafvollzug bereits Lesting, R&P 1992, 82; ebso. Rössner 2004, 409. 225 BT-Drs. 17/9874, S. 15.

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linien vorgeben zu dürfen. Im Übrigen gelte das genauso für „die sonstigen vom BVerfG genannten Betreuungsangebote, wie etwa berufliche Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen oder Maßnahmen zur Ordnung der finanziellen oder familiären Verhältnisse“.226 Nimmt man diese Vorgabe ernst, so kann man dem BVerfGUrteil die „Personalausstattung“ als entscheidendes Kriterium entnehmen. Eine konkretere Äußerung z. B. in der Gesetzesbegründung oder die Erarbeitung eines gemeinsamen Konzepts mit den Ländern wäre angebracht gewesen.227 Es macht den Eindruck, als sei der Bund froh, sich in diesem Bereich darauf berufen zu können, dass er nur die zentralen Gesichtspunkte festlegen dürfe, zumal es sich bei der Frage, geeignetes Personal zu finden und v. a. zu finanzieren, um eine schwierige Aufgabe handelt.228 Boetticher bezeichnete es als den „Geburtsfehler“ des § 66 c StGB, dass sich der Bund damit zufrieden gegeben habe, dass nicht genügend Personal im Straf- und Maßregelvollzug vorhanden ist.229 In der Tat dürfte nicht nur im Sicherungsverwahrungsvollzug, sondern genauso im Strafvollzug in Anbetracht der Anforderungen zur Behandlung und Betreuung der potentiellen Sicherungsverwahrten ein immenser Personalbedarf bestehen.230 Bei all der im Vordergrund stehenden Kritik am zu optimistischen Gesetzgeber wird ein Aspekt völlig außen vorgelassen: Im Vollzug der Verwahrung befinden sich hauptsächlich Männer im Alter von 50plus (derzeit 64,0 %).231 Dennoch scheint kein sonderliches Interesse dafür zu bestehen, wie mit dem damit in einigen Jahren verbunden pflegerischen Aufwand bzw. der (finanziell intensiven) Gesundheitsversorgung und den sich im Übrigen ergebenden besonderen Herausforderungen z. B. im psychosozialen Bereich für den Vollzug umzugehen sein wird.232 Hier wäre ein innovativer Zusatz im Gesetz angebracht gewesen, dass der Sicherungsverwahrungsvollzug gleichermaßen eine pflegerische Komponente erfüllen muss. Denkbar wäre z. B. ein Ergänzung in § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB, dass die Betreuung „altersgerecht“ sein muss bzw. die Erläuterung in der Gesetzesbegründung, dass unter einer „individuellen“ Betreuung, insbesondere die altersgerechte Behandlung, zu verstehen ist. Dies würde darauf hinweisen, dass z. B. Frei-

226 BT-Drs. 17/9874, S. 15; ebso. Referentenentwurf, S. 21. Im Eckpunktepapier und Konzept des BMJ wurden die Personalkapazitäten nicht angesprochen, Missfallen daher bei Alex 2013, 69. 227 Krit. Nehm, LTO vom 3.6.2013; trotz fehlender Gesetzgebungskompetenz hins. des Personals hätte der Gesetzgeber bspw. in der Begründung festhalten können, dass die schlechte Personalsituation kein valides Argument für eine mangelhafte Umsetzung des in § 66 c Abs. 1 StGB zum Ausdruck kommenden Gesamtkonzepts sein darf, was die Länder sodann hätten befolgen müssen. Hervorgehoben vom LG Marburg, Beschl. vom 13.9.2013 – 7 StVK 109/12, Rn. 35 – bei juris. 228 Dazu Schöch, NK 2012, 53; krit. Kinzig 2012, 20; Kötter, KJ 2013, 338. 229 Boetticher zitiert bei Ladiges 2015, 77. 230 Wischka, FS 2014, 230. 231 Dazu o. Teil B. I.2.c). 232 Zu den besonderen Herausforderungen s. Görgen, KrimPäd 2007, 8 ff.; Görgen/Greve, BewHi 2005, 116 ff.

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zeit- und Beschäftigungsangebote auf das zunehmend hohe Alter der Verwahrten ausgerichtet sein müssten. Ebenfalls hätte die Gesetzesbegründung auf altersspezifische Schulungen (z. B. zu alltagsrelevanten körperlichen Veränderungen oder gesundheitlichen Einschränkungen) des Personals hinweisen können.233 c) Ruhestufe und Therapie bei Geeigneten aa) Meinungsstreit „In Ruhe gelassen zu werden“, dieser Wunsch wird künftig im Zusammenhang mit der Betreuung nach § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB, wie gerade festgestellt, im Sicherungsverwahrungsvollzug nicht mehr zum Verzicht auf Motivierungsmaßnahmen führen dürfen. Passivität wird auf Seiten des Verwahrten und auf Seiten der Anstalt im Hinblick auf Betreuung, Behandlung und Motivierung nicht mehr ausreichen. Wegen Letzterem dürfte der Unterbringung in einer „Longstay-Abteilung“ eine Absage erteilt worden sein.234 Anstoß nehmen einige daran, dass es laut Gesetzesbegründung eine „fortwährende, also dauerhafte Aufgabe der Einrichtung [sei] zu versuchen, den Untergebrachten (doch) zu einer Inanspruchnahme solcher Angebote zu motivieren.“235 In allen SVVollzGen, außer im SächsSVVollzG, wurde der Zusatz „fortwährend“ zu motivieren sogar in den Gesetzestext aufgenommen.236 Die Gesetzgeber wollen damit im Unterschied zur bisherigen Regelung des § 4 Abs. 1 S. 2 StVollzG zum Ausdruck bringen, „dass Sicherungsverwahrte, die keine oder nur eine teilweise Bereitschaft zur Mitwirkung besitzen, nicht aufgegeben, sondern in regelmäßigen Abständen angesprochen und ihnen geeignete Betreuungs- oder Behandlungsangebote gemacht werden sollen.“237 233

Angelehnt an die Empfehlungen von Mößle 2012, 553 f. Bartsch, FS 2011, 272 m. w. N.; ders., KrimPäd 2013, 19; ebso. Pyhrr 2015, 190; krit. zu „Longstay-Einrichtungen“ etwa Finger 2008, 227; Mushoff 2008, 489; Stefanopoulou, ZIS 2013, 357. 235 BT-Drs. 17/9874, S. 15. 236 Im Zusammenhang mit der Mitwirkung geregelt, die „fortwährend zu wecken und zu fördern“ ist: § 3 Abs. 1 S. 2 JVollzGB V; Art. 4 Abs. 1 S. 2 BaySvVollzG; Nds. SVVollzG; § 4 Abs. 3 S. 2 SVVollzG Bln; § 4 Abs. 4 S.2 BremSVVollzG; BbgSVVollzG; LSVVollzG/ SVVollzG; SVVollzG M-V (hier jedoch nur „fördern“); § 4 Abs.  1 S.  2 HmbSVVollzG; SVVollzG LSA; § 5 Abs. 1 S. 2 HSVVollzG/ThürSVVollzG; § 3 Abs. 1 SVVollzG NRW; § 5 Abs. 4 S. 4 SVVollzG SH. Einzig Sachsen (§ 4 Abs. 4 S. 2 SächsSVVollzG) verzichtete auf das Wort „fortwährend“, was auch ein Redaktionsversehen sein könnte, zumal es in der Gesetzesbegründung (Sächs LT-Drs. 5/10937, S. 62) heißt: „Aufforderung, fortwährend auf die Untergebrachten in dem Sinne einzuwirken, dass ihre Bereitschaft zur Mitarbeit geweckt und gefördert wird.“ 237 Bay LT-Drs.  16/13834, S.  29; betont auch von Grote 2015, 189; ebso. BeckOK Nds. SVVollzG-Gittermann, § 4 Rn. 2; BeckOk ThürSVVollzG-Ebert, § 5 Rn. 3: einseitige Aufforderung zur Mitwirkung genügt nicht mehr. 234

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Entgegen dieser Begründung knüpft vorwiegend an die „fortwährende“ Motivierung die Befürchtung an, dass durch eine ständige Konfrontation mit der eigenen Gefährlichkeit238 und der eigenen im Wesentlichen negativ verlaufenen Biographie weiteres Konfliktpotential erzeugt werde. Ein negativer Einfluss auf andere Behandlungswillige sei zu erwarten.239 Die Vorschriften seien „überzogen“, womöglich aufgrund der gemäß § 66 Abs. 2 StGB im Strafvollzug bereits vorhandenen, ausgeprägten Behandlungsorientierung „obsolet“.240 Überspitzt könne man sagen, dass früher die Gefangenen eher körperlich gequält wurden, wohingegen heutzutage die Behandlung und ständige Motivierung zur Qual werde.241 Folglich sei eine gesetzlich normierte Ruhepause bzw. -stufe, Auszeit von Motivierung und Behandlung selbst oder gar eine „Parkstation“ zu fordern.242 Ein noch weiter­ gehender Vorschlag lautete, dass nur „therapiegeeigneten oder -willigen“ Tätern243 eine Betreuung anzubieten sei, um nicht unnötig Ressourcen zu vergeuden. Diesen Vorschlägen wurde zu Recht deutliche Skepsis entgegen gebracht. Die neue Therapieausrichtung im Strafvollzug der potentiellen Sicherungsverwahrten solle dazu führen, dass dieser zu einem „Sicherungsverwahrungsvermeidungsvollzug“ werde.244 Sinnvoll sei es daher, die Therapiebemühungen auf den Anfang des Strafvollzugs zu konzentrieren. Zwar sei damit zugleich ein Therapie­erfolg, je länger der Vollzug dauere, umso unwahrscheinlicher, dennoch dürfe hier nicht stehen geblieben werden. Abgestellt werden müsse darauf, dass Motivierungsmaßnahmen ggf. nicht gegriffen hätten und nicht etwa der Untergebrachte nicht motivierbar sei.245 Man dürfe diese Leute nicht aufgegeben. Sie müssten weiter gefordert und motiviert werden, an sich zu arbeiten. Gerade das werde aus dem 238

Vgl. z. B. § 3 Abs. 1 SVVollzG M-V: „Der Vollzug ist auf die Auseinandersetzung der Untergebrachten mit ihrer Gefährlichkeit und deren Folgen auszurichten.“ 239 Finis in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 35. 240 Kreuzer, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 4. 241 Etwa Bartsch, FS 2011, 267 ff.: „gnadenlose permanente Therapie“; Bartsch und der Abg. Tabbert (SPD) in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr.  20/22 NEUF, S. 17. Drastisch Graebsch in der Anhörung zum SächsSVVollzG-E, Apr 5/1–45 A-2, S. 4 ff.: „Wenn man allerdings jeden Morgen gefragt wird, ob man heute Therapie möchte, dann grenzt das irgendwann an Folter.“ 242 Bartsch in der Anhörung zum SVVollzG LSA-E, 6/REV/22, S. 15 f., S. 19: „Ruhestufe“; Blumensatt, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S.  32: „Motivationsmaßnahmen können vorübergehend ausgesetzt werden …“; Galli (JVA Straubing) in der Anhörung zum SächsSVVollzG-E, Apr 5/1–45 A-2, S. 4; Kreuzer in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S.  39: „Parkstation“; Poseck in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 21; Müller-Isberner/Eucker 2012, 38: „… ‚long stay‘ oder ‚Park­ station‘ … eine Frage von Geschmack und Ehrlichkeit.“; ähnl. Endres, Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 7 f.; Skirl, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 55: „Therapie-Pause“. 243 Vgl. zu dem Vorschlag Bamberger 2012, 219, der diesen ablehnt unter Hinweis auf das Motivierungsgebot; ebso. Bartsch 2010, 213 zur bisherigen Konzeption der JVA Werl in verschiedene Behandlungsstufen. 244 Scharmer in der Anhörung zum Nds. SVVollzG-E, ARV PR 16/123&124, S. 10. 245 v. Hagen in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 28.

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BVerfG-Urteil deutlich.246 Im Gesetz solle daher die Zielsetzung der Motivation und nicht der Ruhephase eingearbeitet sein, andernfalls sei ein zu schnelles Aufgeben von womöglich überforderten Therapeuten zu befürchten.247 bb) Kriminologische Rechtfertigung und tatsächliche Anforderungen Ungeachtet der mit dieser Therapieorientierung verbundenen praktischen Schwierigkeiten bei der Behandelbarkeit ist es kriminologisch gerechtfertigt, dass der Gesetzgeber darauf verzichtete, eine entsprechende Passage zu einer Ruhestufe in § 66 c StGB aufzunehmen. Das mag zunächst widersprüchlich klingen, löst sich jedoch durch einen Blick auf die bisherige Situation des Sicherungsverwahrungsvollzugs auf. Die Therapieunfähigkeit der Probanden wurde früher zu schnell und zu lange an- bzw. hingenommen, therapeutische Maßnahmen nach kurzer Prüfung z. B. mit dem schlichten Hinweis, der Untergebrachte lehne solche Angebote ab, verweigert bzw. irgendwann gar nicht mehr angeboten.248 Der Vollzug hat bisher – unabhängig davon, wie gut nachvollziehbar dies und ob dies in der gesetzlichen Sicherheitsorientierung begründet sein mag249 – gerade denjenigen, die besondere Aufmerksamkeit benötigt hätten, diese häufig verweigert. Therapie galt als eine Art „Geschenk“, das von Beginn an als wenig sinnvoll erachtet wurde, wenn eine innere Motivation fehlte bzw. der Proband die Tat leugnete.250 Es liegt daher nahe, dass man bei einer solchen Ausnahmeregelung im „neuen“ Sicherungsverwahrungsvollzug in gleicher Weise zu schnell von einer Pause, noch bevor eine Therapie oder Motivierungsmaßnahme begonnen wurde, Gebrauch machen würde.251 Zutreffend ist zwar, dass gerade bei den Sicherungsverwahrten „die geringe Behandlungs- und Veränderungsbereitschaft ein Grund [dafür ist], warum Gutachter sie für anhaltend gefährlich gehalten und warum Gerichte diese Maßregel gegen sie angeordnet haben.“252 Die Motivation ist Grundbedingung für eine er 246

Skeptisch hins. einer Ruhepause Kinzig, Pr AJDG Nr.  20/22 NEUF, S.  21; s. a. Alex, ebda., S. 19. 247 Dünkel in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr.  20/22 NEUF, S.  24. Wenn der SV-Vollzug laut BVerfG therapiegerichtet sein soll, dürften keine Therapiepausen im Gesetz stehen, so Kutschaty (SPD) in der zweiten Lesung des SVVollzG NRW-E, NRW PlPr 16/27, S. 2372; and. Bartsch in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 32, der die Ruhepausen mit dem BVerfG-Urt. für vereinbar hält. 248 Elz 2014, 130 ff.; Kreuzer in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 39. 249 Zur bisherigen Situation Dessecker, ZfRSoz 2012/2013, 267; s. a. Teil C., Fn. 153 m. w. N. 250 Elz 2014, 189 mit konkreten Bspen. aus den GPAen. 251 Verstärkt wird diese Befürchtung durch die bisherige Rspr. des BGH (vgl. etwa BGHSt 28, 329) zur Vollstreckbarkeit. Dieser stellte nämlich darauf ab, dass es nicht die Sache der Gerichte sei, „einen eindeutigen Gesetzesbefehl die Gefolgschaft zu versagen, weil die Exekutive nicht die zu seiner Durchführung erforderlichen Mittel bereithält.“ 252 Suhling/Pucks/Bielenberg 2012, 234.

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folgreiche Behandlung und Resozialisierung. Wenn sich die Motivationsproblematik bei den Sicherungsverwahrten besonders deutlich stellt, dann wäre es durch die Aufnahme einer Ruhepause vorprogrammiert, dass dem Resozialisierungsprinzip von vornherein nur noch wenig Raum verbliebe. Außerdem: Ein objektivierter empirischer Nachweis für eine absolute und endgültige Unbehandel- oder Untherapierbarkeit fehlt.253 Besondere Aufmerksamkeit ist daher gerade der Behandlungsmotivation zu widmen, aber nicht auf normativer, sondern auf therapeutischer Ebene.254 Vielmehr benötigen schwer Erreich- und Motivierbare die Aufmerksamkeit des Gesetzgebers sowie des Vollzugs und zwar nicht nur in der aufsehenerregenden Zeit nach den Entscheidungen von EGMR und BVerfG, sondern dauerhaft. Dem dient die gesetzliche Festschreibung. Motivationsarbeit ist so verstanden mehr eine Forderung und Förderung statt eine Qual.255 Gefordert sind die Verwahrten und gleichfalls die JVAen, indem sie nicht nur tatsächlich aus­reichend motivieren und Behandlungsangebote machen, sondern diese auch für das Gericht nachvollziehbar belegen und damit dokumentieren müssen.256 Der Vorwurf, Verwahrte würden durch Motivation gequält, überschätzt ohnehin, wie eine solche zu Beginn einer Behandlung und falls notwendig über Jahre hinweg aussieht. Denn der Täter wird hier nicht ständig mit seinen „Defiziten“ konfrontiert, sondern es geht darum, in eine Interaktion, einen „fördernden Dialog“ zu kommen.257 Die Anforderungen an die gesetzlich in § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB geforderte Motivationsarbeit seitens der Rechtsprechung sind bisher nicht sonderlich hoch gelegt worden, wie der Beschluss des OLG Koblenz vom September 2014 nahelegt.258 Im Wesentlichen hält es das Gericht für ausreichend, wenn sich die „intensiven Betreuungsmaßnahmen“ auf wöchentlich stattfindende Gespräche mit dem Betreuungsbeamten bzw. auf ein Gesprächsangebot mit dem Anstaltspsychiater belaufen. Zudem sind mit Blick auf die SVVollzGe die Rege 253 Kröber et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 168; ähnl. Kinzig in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 21. 254 Rauchfleisch 2012, 371: „Es kommt darauf an, wie die Therapeuten auf die Ablehnung ihrer Angebote reagieren.“ Ebso. Meischner-Al-Mousawi/Hinz, FS 2011, 306; Schäfersküpper/ Grote, NStZ 2013, 449. 255 Kinzig in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 21; vgl. auch Endres in der Anhörung zum BbgSVVollzG-E, P-RA 5/38, S. 67: „Motivierung … [erfolge] vor allem dadurch …, dass eine Vertrauensatmosphäre und Gesprächskultur hergestellt werde. Den Untergebrachten wird vermittelt, dass es Freiraum gibt, sich zu ändern.“ S. a. KG Berlin, Beschl. vom 19.8.2015 – 2 Ws 154/15 – 141 AR 327/15, Rn. 14–16; OLG Karlsruhe, Beschl. vom 4.9.2014 – 1 Ws 91/14, Rn. 10; OLG Nürnberg, Beschl. vom 6.8.2015 – 1 Ws 167/15, Rn. 20 – jeweils bei juris. 256 Wolf 2011, 111; ebso. KG Berlin, Beschl. vom 19.8.2015 – 2 Ws 154/15 – 141 AR 327/15, Rn. 14–16 – bei juris: Die Anstalt trifft „strenge Darlegungs- und Begründungspflichten“. 257 Rauchfleisch 2012, 370; vgl. ebso. Konzept JVA Bützow, S. 30 ff. 258 OLG Koblenz, Beschl. vom 3.9.2014  – 2 Ws 411/14, Rn.  31  – bei juris; s. a. BeckOK ThürSVVollzG-Ebert, § 5 Rn.  6 zu niederschwelligen, auch nicht sprachlichen Angeboten, mit denen die Beziehungsfähigkeit zunächst gefördert werde (z. B. Sportangebote, Angebote zur Teilnahme an gemeinschaftlicher Freizeit).

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lungen nicht derart fordernd, wie man denken könnte. So enthielt der niedersächsische Gesetzentwurf noch eine Regelung, die in etwa den Forderungen nach einer Ruhestufe nahe kommen würde. Darin hieß es, dass eine Maßnahme zur Erreichung des Vollzugsziels dann beendet werden solle, wenn „der Zweck einer Maßnahme dauerhaft nicht erreicht werden“ könne.259 Unterdessen wurde dieser Satz im Laufe des Gesetzgebungsverfahren auf Empfehlung des Rechtsausschuss gestrichen. Die Regelung sei entbehrlich, „weil eine Maßnahme, deren Zweck dauerhaft nicht (mehr) erreicht werden kann, auch nicht ‚erforderlich‘ im Sinne des Satzes 1 ist und daher schon … nicht mehr angeboten werden muss.“260 Die Auffassung des niedersächsischen Gesetzgebers und des OLG Koblenz zeigen, dass nicht von einer jahrelangen Therapie des Verwahrten i. d. S., dass er sich andauernd mit seinen eigenen Defiziten auseinandersetzen müsste, die Rede sein kann.261 Die Entwicklung einer Motivation ist nicht Voraussetzung, sondern erstes Therapieziel.262 Das Fördern und Wecken der Mitwirkungsbereitschaft ist also Teil der Therapie (im weiteren Sinne).263 Motivierung ist eine dynamische Daueraufgabe des Vollzugs – es gibt Zeiten, in denen die Motivation stärker ausgeprägt sein wird und Zeiten, in denen sie nachlässt.264 Daher kann man BVerfG und Gesetzgeber in der Forderung, eine aktive Teilnahme durch gezielte Motivations­ arbeit wecken zu wollen, nicht vorwerfen, sie würden vergessen, dass eine Therapie auf lange Sicht immer einen eigenen Antrieb voraussetzt.265 cc) Zusammenwirken mehrerer Bedingungen bei Therapie und Motivation Zu kurz gegriffen wäre es, einen Verwahrten (auch nur vorübergehend) mit dem Etikett der Therapieunfähigkeit bzw. -unbehandelbarkeit zu versehen.266 ­Leygraf stellte im Jahr 2002 fest, dass der Anteil der als nicht therapierbar geltenden im Maßregelvollzug nach § 63  StGB untergebrachten Patienten zwischen 0 % und 35,7 % schwankte.267 Daraus schloss er, dass eine Etikettierung als „unbehandelbar“ 259

Nds. LT-Drs. 16/4873, S: 45, s. a. § 109 Abs. 1 S. 4 Nds. SVVollzG-E. Schriftlicher Bericht des ARV zum Nds. SVVollzG-E vom 5.12.2012, Nds. LT-Drs. 16/ 5519, S. 4 (im Folgenden: Schriftlicher Bericht des ARV). 261 Alex in der Anhörung zum HmbSVVollzG, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 19. 262 Rauchfleisch 2012, 370: „die äußere [ersetzt] die fehlende innere Struktur“; s. a. Kämmerer 2012, 75 ff. 263 OLG Celle StV 2015, 374 f. zum vorausgehenden Strafvollzug; s. a. Peglau, jurisPRStrafR 1/2015 Anm. 4. 264 Suhling/Pucks/Bielenberg 2012, 287; s. a. OLG Celle StV 2015, 375. 265 Suhling/Pucks/Bielenberg 2012, 233 ff.: Behandlungserfolge setzten neben dem Wollen ein Können voraus; Rezk/Borchard 2012, 280: v. a. bei deliktsorientierten Therapien bedürfe es Motivation bzw. Motivierbarkeit. 266 Rauchfleisch 2012, 365 f. 267 Leygraf, R&P 2002, 3: Die im Jahre 2001 durchgeführte Studie (Auswertung von 225 Fragebögen aus 22 Maßregeleinrichtungen) befasste sich mit der Frage, wie groß die Gruppe der Therapieunfähigen war und wie die Einschätzung als nicht behandelbar zustande kam. 260

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vorschnell vorgenommen werde und im Wesentlichen von den Wertungen des Personals abhinge.268 Die Unbehandelbarkeit sei ein „Interaktionsergebnis“ zwischen Therapeut und Patient.269 Auch wenn dies nur eine Momentaufnahme sein kann, so zeigt sie, dass eine Motivation aufgrund äußerer Faktoren beeinflusst werden kann. Z. B. ist der Aufbau stabiler therapeutischer und vollzuglicher Beziehungen wichtig.270 Ob eine therapeutische Maßnahme gelingt, hängt demgegenüber von vielen Faktoren ab.271 Berücksichtigt werden müssen Merkmale der Person wie deren Ziele, Bedürfnisse, Fähigkeiten und Kompetenzen genauso wie situative Merkmale, z. B. das Behandlungssetting oder die soziale Unterstützung des Untergebrachten.272 Speziell bei der Motivation kommt es auf die „Interaktion“ mehrerer Bedingungen an, was Abbildung 10 vor Augen führt.273 Wie man schnell erkennen kann, ist die fehlende Therapiebereitschaft oder Hoffnungslosigkeit des Untergebrachten nur ein Bestandteil eines komplexeren Prozesses. Es kommt auf das Zusammenspiel der dargestellten Bestandteile an. Dies sagt allerdings noch nichts darüber aus, ob die Ziele im Einzelfall erreicht werden können.274 Der Begriff des „unbehandel- sowie unmotivierbaren“, „hoffnungslosen“ oder „therapieresistenten“ Sicherungsverwahrten impliziert hingegen, dass es sich um eine nicht veränderbare Eigenschaft des Täters handelt. Überspitzt könnte man in einer Ruhepause geradezu eine weitere Ausgrenzung – dieses Mal durch den Vollzug selbst – derjenigen sehen, die ohnehin gesellschaftlich entwurzelt sind. Was sie haben, ist stattdessen ein erhöhter „Integrationsbedarf“.275 Die Erfahrungen der Praxis, dass Sicherungsverwahrte schwer behandel- oder nicht erreichbar sind, dürfen jedenfalls nicht dazu führen, dass bereits auf normativer Ebene kein Bemühen um die Erreichbarkeit der selbigen zum Ausdruck kommt. Auch wenn angesichts der empirisch dürftigen Datenlage davon auszugehen ist, dass persönlichkeitsgestörte Täter schwer behandel- und schwer motivierbar sind und es sicherlich auch nicht erreichbare Täter geben wird, darf die Motivation nicht außer Acht gelassen werden. Sicher ist nur, dass Wissenslücken bestehen, die es zu schließen gilt. Endres/Breuer bringen es mit einem einfachen, gut nachvollziehbarem Bsp. aus dem medizinischen Bereich auf den Punkt.276 Einen Schwerkranken würde man nicht unterversorgt lassen, nur weil ein Medikament oder eine Therapie nicht angeschlagen hat, einem Krankenhaus die nötigen Geräte 268

Leygraf, R&P 2002, 3; Holzbauer 2012, 30. Lösel 2004, 368 ff.; Holzbauer 2012, 30. 270 Suhling/Pucks/Bielenberg 2012, 286 f. 271 Dazu Teil B.III.; vgl. auch Endres/Breuer, FS 2011, 295. 272 Vertiefend Endres/Breuer, FS 2011, 287 m. w. N. 273 Suhling/Pucks/Bielenberg 2012, 243; Endres/Breuer, FS 2011, 295. 274 Endres/Breuer, FS 2011, 295. 275 Suhling/Pucks/Bielenberg 2012, 234, 238; v. a. bei Persönlichkeitsstörungen, dazu Suhling, FS 2011, 275 ff.; Rauchfleisch 2012, 369 ff.; ähnl. Mokros/Habermeyer 2012, 297. 276 Endres/Breuer, FS 2011, 295. 269

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

Hoffnungsloser Fall?

(Therapeutische) Beziehung

Therapeut/ Motivator

Überforderter Therapeut? Inkompetenter Motivator?

Therapie-/ Motivierungsziele

Untergebrachter

Programm/Methode Maßnahme Qualifikation, Eignung, Stil

Unpassendes Programm? Ungeeignete Methode?

Quelle: Abb. 1 „Modell der therapeutischen Passung“ bei Endres/Breuer, FS 2011, 295.277

Abbildung 10: Wechselwirkungen bei Therapie und Motivation

fehlen oder der behandelnde Arzt die Operationsmethode nicht beherrscht. Auch wenn einem Menschen eine Diagnose gestellt werde, für die es keine erfolgversprechende Behandlung gebe, würde man dennoch gewisse Behandlungsziele, wie z. B. die Schmerzen zu lindern, verfolgen.277 Die Differenzierung bzgl. der Therapieneigung würde letztlich eine Einteilung in „therapieunwillige[n] … ‚Feinde[n]‘ der Gesellschaft“ und „den ‚guten‘ Gefangenen“ bedeuten.278 Dies wäre nicht mit dem Richterspruch des BVerfG zu vereinbaren, wonach eben jeder Verwahrte einen Anspruch auf Resozialisierung hat, ob er nun therapiegeneigt ist oder nicht. „Bei der Sicherungsverwahrung müssen insbesondere im therapeutischen Bereich … alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die Gefährlichkeit des Untergebrachten zu reduzieren.“279 Laut Rechtsprechung kann von einer mittels therapeutischen Mitteln nicht mehr erreichbaren Behandlungsunfähigkeit oder Verweigerung der Mitarbeit erst dann ausgegangen werden, wenn jeder Ansatzpunkt für eine therapievorbereitende Motivationsarbeit gänzlich fehlt.280 „Selbst bei schwersten psychopathologischen Zuständen haben wir nie Menschen vor uns, die nur aus ‚Defiziten‘ bestehen“.281 Daher wäre es in 277 Das Schaubild orientiert sich an Abb. 1 bei Endres/Breuer, FS 2011, 295. Zur Bedeutung des konkreten Behandlungskonzepts s. bspw. das Ergebnis der Metaanalyse von Behandlungskonzepten für Sexualstraftäter von Schmucker/Lösel 2007, 308. 278 H. Schneider, ZfStrVo 2004, 141. 279 OLG Karlsruhe, Beschl. vom 29.6.2015 – 2 Ws 118/15, Rn. 13 – bei juris. 280 KG Berlin, Beschl. vom 28.4.2000 – 5 Ws 754/99 Vollz; OLG Frankfurt, Beschl. vom 27.8.2004  – 3 Ws 845/04 StVollz; OLG Schleswig, Beschl. vom 31.10.2005  – 2 Vollz Ws 415/05 (275/05); OLG Celle StV 2015, 374 f.; darüber hinausgehend zur Behandlungsunfähigkeit auch BT-Drs. 17/9874, S. 17. 281 Rauchfleisch 2012, 368.

IV. Vorgaben für den Sicherungsverwahrungsvollzug nach § 66 c Abs. 1 StGB

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einem Rechtsstaat kaum denkbar, jemanden endgültig aufzugeben. Dies erkennen die Kritiker der aktiven Motivationsarbeit ebenfalls an, indem sie betonen, dass man „keinesfalls … diese Personen aufgeben und nur noch verwahren sollte.“282 d) Drohende Zwangsbehandlung Dessecker stellt fest, dass die „Freiheit von dem Zwang zu einer ungewollten Therapie … in dem therapiegerichteten System der Sicherungsverwahrung … nicht [mehr länger] vorgesehen“ sei.283 Damit setzt er die Therapieorientierung einer Zwangstherapie des Verwahrten gleich. Harmloser formuliert es Alex, der einen mit dem Präventionsgedanken der Sicherungsverwahrung unvereinbaren Druck erkennen möchte.284 Daher ist der Frage nachzugehen, ob tatsächlich die Gefahr besteht, dass es in der Sicherungsverwahrung zu ggf. unzulässigen Zwangsbehandlungen bzw. -therapien kommt. Diesbzgl. sind zwei jüngere Entscheidungen des BVerfG zum Maßregelvollzug zu nennen, mit denen das Gericht eine Abkehr von der Zwangsbehandlung im Vollzug einleitete.285 In beiden Urteilen ordneten die Richter den „Respekt vor dem Willen des Patienten dem Erreichen des Vollzugsziels grundsätzlich“ über und stellten damit hohe Hürden für Zwangsbehandlungen auf.286 Konkret ging es um eine Zwangsmedikation, welche zwar nicht in Gänze ausgeschlossen wurde, indessen ab sofort nur noch bei einer krankheitsbedingten Einsichts- und Handlungsunfähigkeit sowie erst nach einer strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung möglich ist.287 In den Urteilen zum Maßregelvollzug geht es um Kernbereiche der Rechtsposition der im PKH Untergebrachten, in die durch medikamentöse Zwangsmaßnahmen nicht mehr eingegriffen werden darf und eine ggf. durch den Untergebrachten selbst erteilte Einwilligung in die Medikation keine Rolle spielt.288 Einen, wenn auch schwachen, Anknüpfungspunkt für eine wie in den Urteilen behandelte medikamentöse Zwangsbehandlung könnten die Hinweise auf eine psychiatrische Behandlung in § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB sein.289 Damit wären ggf. psychiatrische Behandlungsmaßnahmen verbunden. Zudem werden regelmäßig psychische 282

Endres, Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 8. Dessecker 2013a, 126; ähnl. Kilian in der Anhörung zum SächsSVVollzG-E, Apr 5/1–45 A-2, S. 8. 284 Alex, Stellungnahme zum HmbSVVollzG-E, Strafvollzugsarchiv vom 29.3.2013. 285 BVerfGE 128, 282; 129, 269 ff.; 133, 112 ff.; s. a. BVerfG R&P 2014, 85; BtPrax 2014, 266. 286 Merkel, R&P 2011, 212. 287 Die Entscheidungen betreffen daher nur einen Teil  der allg. zu verstehenden Zwangs­ behandlungen, vgl. dazu SBJL-Keppler/Nestler 2012, § 101 Rn.  4; s. a. Dessecker 2013a, 126 f.; krit. Stübner, NK 2015, 13 ff. 288 Z. B. um die Zwangsbehandlung mit Neuroleptika, die ggf. irreversible oder lebens­ gefähr­dende Nebenwirkungen haben kann, vgl. Marschner, R&P 2011, 161. 289 In landesrechtlichen Vorschriften z. B. zum Inhalt des Vollzugsplans, vgl. etwa § 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HSVVollzG; andere Reihenfolge aber in Art. 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BaySvVollzG. 283

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Störungen diagnostiziert, welche ausnahmsweise eine medikamentöse Behandlung notwendig erscheinen lassen.290 Entsprechend dem Judikat des BVerfG, dass die Voraussetzungen (Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß) für den schweren Grundrechtseingriff einer Zwangsbehandlung klar und bestimmt geregelt sein müssen, haben die SVVollzGe Regelungen zu Zwangsmaßnahmen auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge getroffen.291 Dementsprechend ist der Vorwurf einer nicht mit dem BVerfG in Einklang stehenden Zwangsbehandlung hier nicht gerechtfertigt. Darüber hinaus könnten sich Untergebrachte jedoch bei dem vom BVerfG vorgeschlagenen Motivierungs- und Anreizsystem indirekt oder rein faktisch zur Teilnahme an therapeutischen Maßnahmen gezwungen sehen. Denn es gibt besondere Vergünstigungen, die zum Anreiz und nicht für die Therapie selbst gewährt werden, welche ggf. verpasst würden. Dass bestimmte landesrechtliche Detailregelungen über dieses grds. vom BVerfG zulässige Maß hinausgehen, steht auf einem anderen Papier und ist der Analyse des Teil D. vorbehalten.292 Die dauerhafte Aufgabe der Einrichtung, den Untergebrachten freiwillig zur Inanspruchnahme von Angeboten zu motivieren293, stellt allerdings keine Zwangsbehandlung, geschweige denn Zwangsmedikation dar. Dies zeigt schon der Vergleich mit dem Strafvollzug. Dort wird bspw. im Zusammenhang mit der Behandlungsunter­ suchung in den (L)StVollzGen geregelt, die Bereitschaft zur Mitwirkung daran zu wecken und zu fördern.294 Damit wird anerkanntermaßen gerade keine Mitwirkungspflicht der Gefangenen an der Behandlungsuntersuchung etabliert.295 Eine solche ist weder dem Gesetzestext noch der -begründung zu entnehmen.296 Allerdings kann man aus dem Sinn der Motivierungsarbeit, der darin liegt, dass der Untergebrachte sich vorher zur Behandlung bereit erklärt, schließen, dass eine einvernehmliche Behandlung gewollt ist. Obendrein ist hinreichend bekannt, dass die Freiwilligkeit einen positive(re)n Behandlungseffekt erzeugen, hingegen sich die 290 Bei den relevanten dissozialen Persönlichkeitsstörungen seien pharmakologische Behandlungsmethoden nur in wenigen Fällen begleitend, jedoch nie in erster Linie angezeigt, vgl. dazu Endres, Schriftliche Stellungnahme zum BbgSVVollzG-E, S. 193; gleichfalls Müller-­ Isberner/Eucker 2012, 78 m. w. N. 291 Vgl. BVerfG R&P 2011, 168; s. a. Marschner, R&P 2011, 160. zur Ablösung der bisherigen Regelung vgl. KG Berlin, Beschl. vom 10.2.2014 – 2 Ws 596/13 Vollz, Rn. 11 f. – bei juris. Den landesrechtlichen Normen (vgl. z. B. § 97 Nds. SVVollzG, Nds. LT-Drs. 16/4873, S. 91) zufolge ist eine zwangsweise medikamentöse Therapie, selbst z. B. zur Erreichung des Vollzugsziels, ausgeschlossen; dazu Dessecker 2013a, 128; krit. Pollähne in der mündlichen Anhörung zum Nds. SVVollzG-E, ARV Pr 16/123&124, S. 33. 292 Zu den Regelungen der SVVollzGe zur Mitwirkung und Motivierung vgl. ausführl. Teil D.IV.4. 293 Fortwährende Motivierung i. S. d. § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB bzw. SVVollzGe; vgl. BTDrs. 17/9874, S. 15. 294 Z. B. § 4 Abs. 1 StVollzG: „Der Gefangene wirkt an der Gestaltung seiner Behandlung und an der Erreichung des Vollzugszieles mit. Seine Bereitschaft hierzu ist zu wecken und zu fördern.“ Zu den weiteren LStVollzG-Regelungen vgl. LNNV/Nestler 2015, C. II. Rn. 26. 295 LNNV/Nestler 2015, C.II. Rn. 26. 296 Vgl. BT-Drs. 17/9874, S. 15.

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Ausübung von Druck als problematisch erweisen kann i. d. S., dass kein Behandlungseffekt zu erzielen ist.297 Die Rechtsprechung zum Maßregelvollzug ist zudem ein Zeichen dafür, dass eine Zwangsbehandlung allgemein vom BVerfG nur noch in den dortigen Grenzen gewollt ist, d. h. im Speziellen mit dem von ihm für die Sicherungsverwahrung geforderten Anreizsystem sowie der Therapieausrichtung keine Zwangsmaßnahme gemeint sein kann und es zulässig ist, dass der Untergebrachte auch hier von seinem „Recht, auf Heilung zielende Eingriffe abzulehnen und damit die ‚Freiheit zur Krankheit‘“ Gebrauch machen kann.298 Fortwährende Motivierung heißt nicht, dass der Untergebrachte kein Recht mehr hätte, die Behandlung oder Motivierungsmaßnahmen immer wieder aufs Neue abzulehnen. Die Situation, dass er weiß, dass gewisse Vergünstigungen nicht zu erhalten sind, ist nicht vergleichbar mit der Zustimmung in die Verabreichung von Medikamenten eines Maßregelpatien­ten aus Angst vor Zwangsmaßnahmen.299 Der Verwahrte muss Behandlungen also ablehnen können, ohne Zwangsmaßnahmen oder Einbußen von gesetzlich festgelegten Rechten zu befürchten.300 Darüber hinaus regeln die SVVollzGe Rechtsansprüche auf Behandlung, hingegen keine Rechtspflicht zur Behandlung oder eine parallel dazu einhergehende direkte Pflicht zur Mitwirkung an der Behandlung.301 Angebracht wäre es, die Gesetzgeber würden den Behandlungsanspruch sinnvoll ergänzen: „Die Therapieteilnahme ist freiwillig“.302 Dies würde nicht die Anstalt von der fortwährenden Motivierung entbinden und stellte keine Ruhepause dar, sondern brächte unmissverständlich zum Ausdruck, dass die Therapieorientierung des Sicherungsverwahrungsvollzugs keine Zwangsbehandlung ist. Dass er weiterhin zur Einwilligung in seine Behandlung motiviert werden oder sich indirekt durch Anreize gezwungen sehen kann, an einer Behandlung teilzunehmen, stimmt mit den Urteilen des BVerfG zum Sicherungsverwahrungs- und auch zum Maßregelvollzug (§ 63 StGB) überein und stellt keine mit der dort genannten Zwangsmaßnahme vergleichbare Einwirkung dar. Jedoch darf nicht aus den Augen verloren werden, dass Freiwilligkeit keinen Erfolg garantiert und alleine mit Druck – mag er im Anreizsystem auch nur indirekt sein – auf Dauer keinen positiven Behandlungseffekt erwarten lässt, dennoch erfolgreiche Behandlungs 297 So das Ergebnis der Metaanalyse von Schmucker/Lösel 2007, 305 m. w. N.; s.  bereits Dünkel, NK 1997, 9. 298 ThürOLG, Beschl. vom 26.3.2015 – 1 Ws 72/15, Rn. 22 – bei juris. 299 So bspw. der Entscheidung zum SächsPsychKG zugrundeliegenden Sachverhalt, BVerfGE 133, 112 ff. 300 Daher ist die hessische/thüringische Norm zum Taschengeldentzug nicht zulässig; vgl. Teil D.IV.4.d). 301 Vgl. dazu z. B. § 15 Abs. 2 BremSVVollzG oder § 10 Abs. 1 HmbSVVollzG. 302 Ebso. aus forensisch-psychiatrischer Sicht gefordert vom Hohagen/Baxmann, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH-E, S. 2. Ergänzungen wären auch beim Vollzugsplan i. d. S. denkbar, dass die darin enthaltenen Maßnahmen Angebote sind, die der Untergebrachte freiwillig wahrnehmen kann, s.  dazu Speckin, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG M-V-E, S. 5.

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versuche nicht zwangsweise ausschließt.303 Vielmehr kommt es in beiden Fällen gerade auf die Motivierungsarbeit an, so dass das BVerfG und die ihm folgenden Gesetzgeber grds. den richtigen Weg gewählt haben. 2. Unterbringung nach Nr. 2304 a) Unterschiedliche Relevanz der Neuregelung Hinsichtlich des in § 66 c Abs. 1 Nr. 2 a StGB normierten Gebots geringstmöglicher Belastung und weitmöglichster Anpassung an allgemeine Lebensverhältnisse lässt sich wenig über die Motive des Gesetzgebers feststellen. Denn der Bund hat es insoweit den Ländern überlassen, die notwendigen Bestimmungen zu dessen effektiver Umsetzung zu treffen.305 Ähnlich ist der Gedanke, dass schädliche Folgen der Inhaftierung vermieden werden sollen. Dieser ist jedoch nicht neu, sondern war Gegenstand der Gesetzesbegründung des StVollzG. Dass BVerfG und dem folgend der Bundesgesetzgeber die immer wieder vorgebrachten Bedenken hinsichtlich möglicher Haftschäden, insbesondere eines langjährigen Freiheitsentzugs, völlig ignorieren, ist nicht nachzuvollziehen. Wenn Experten für langjährigen Strafvollzug feststellen, „dass der Langstrafenvollzug zu einem verringerten Selbstwertgefühl …, einer Verlangsamung der Reaktionszeit …, einer Zunahme von Autoaggression und nach außen gerichteter Feindseligkeit … und zu einem Interessenverlust im Hinblick auf Arbeit, Außenbeziehungen und Zukunft … führt“306, dann kann die zurückhaltende Formulierung, dass der Vollzug den Untergebrachten „so wenig wie möglich belastet“ und eine Gesetzesbegründung, die hauptsächlich auf den Trennungsgrundsatz eingeht und Sonstiges mehr oder weniger pauschal auf die Länder überträgt,307 nicht überzeugen. Der nochmalige Verweis auf die Betreuung i. S. d. Nr. 1 wirkt auf den ersten Blick überflüssig. Der Gesetzgeber will damit ausweislich der Begründung jedoch sinnvollerweise zum Ausdruck bringen, dass das Angebot in Nr. 1 a des § 66 c StGB nicht ausreicht, sondern dass dieses auch organisatorisch abgesichert sein muss. Dies bedeutet, dass die „Ausstattung den jeweiligen Be 303 Schmucker/Lösel 2007, 305 m. w. N.; ebso. Day/Tucker/Howells, Psychology, Crime & Law 2004, 259 ff. 304 § 66  c Abs.  1 Nr.  2 StGB: „Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erfolgt in Einrichtungen, die 2. eine Unterbringung gewährleisten, a) die den Untergebrachten so­ wenig wie möglich belastet, den Erfordernissen der Betreuung im Sinne von Nummer 1 entspricht und, soweit Sicherheitsbelange nicht entgegenstehen, den allgemeinen Lebensverhältnissen angepasst ist, und b) die vom Strafvollzug getrennt in besonderen Gebäuden oder Abteilungen erfolgt, sofern nicht die Behandlung im Sinne von Nummer 1 ausnahmsweise etwas anderes erfordert.“ 305 Vgl. BT-Drs. 17/9874, S. 16; KG Berlin StV 2014, 145 ff. 306 Snacken/van Zyl Smit, NK 2009, 60 f.; im internationalen Schrifttum gibt es hins. möglicher Haftschäden z. T. widersprüchliche Ergebnisse, vgl. dazu Drenkhahn 2014, 13. 307 Vgl. dazu BT-Drs. 17/9874, S. 16.

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treuungserfordernissen zu entsprechen“308 hat. Damit ist auf Landesebene neben einer Norm zum Behandlungsangebot gleichfalls eine zur organisatorischen Absicherung erforderlich. Größere Relevanz aus Sicht des Gesetzgebers, aber auch aus Sicht des Abstandsgebots, besitzt § 66 c Abs. 1 Nr. 2 b StGB. Hiernach erfolgt die Unterbringung nicht absolut getrennt, sondern nur grds. in getrennten Gebäuden oder besonderen Abteilungen des Strafvollzugs, „sofern nicht die Behandlung im Sinne von Nummer 1 ausnahmsweise etwas anderes erfordert“.309 BVerfG und Gesetzgeber haben das Trennungsgebot im Vergleich zu früheren Aussagen und der Regelung in § 140 Abs. 1 StVollzG aufgeweicht, weil die Möglichkeit einer eigenen Anstalt und damit einer vollständigen räumlichen Ablösung vom Strafvollzug von vornherein nicht mehr für nötig erachtet wird.310 Allerdings entspricht es der zuvor herrschenden Realität, denn vollzogen wurde die Maßregel trotz der in § 140 Abs.  1 S.  2  StVollzG vorgesehenen Möglichkeit, getrennte Sicherungsverwahrungsanstalten zu etablieren, lediglich in getrennten Abteilungen von JVAen.311 Ein weitgehend nicht beachteter Faktor kann aus jugendstrafrechtlicher Sicht angemerkt werden: Das Gericht übergeht nicht nur auf materiell-rechtlicher Ebene, sondern auch auf der hier interessierenden Vollzugsebene die „normativen und rechtstatsächlichen“ Unterschiede zwischen Erwachsenen- und Jugendstrafvollzug.312 So hätte das Gericht bei der Umsetzung des Abstandsgebots z. B. über § 89 b JGG („Ausnahme vom Jugendstrafvollzug“) und über die Frage, ob man einen Verurteilten, bei dem später Sicherungsverwahrung in Frage kommt erst einmal im Jugendstrafvollzug lässt, nachdenken müssen, was Rückwirkungen auf das Trennungsgebot gehabt hätte.313 Seit Einführung der Sicherungsverwahrung war das Trennungsgebot eines der wenigen Merkmale, das einen Abstand des Vollzugs der Sicherungsverwahrung von demjenigen der Strafhaft ermöglichte.314 Die Einhaltung ist angesichts der 308

BT-Drs. 17/9874, S. 16. Aktuell OLG Köln OLGSt StGB § 66 c Nr. 1, 3; ebso. Schäfersküpper/Grote, NStZ 2013, 449; zur Bedeutung s.  BVerfG NStZ-RR 2013, 26 f.: Trennungsgebot diene der Besserstellung; ebso. BVerfGE 128, 380; bereits das OLG Hamm ZfStrVo 1988, 61 f. 310 Dessecker, ZfRSoz 2012/2013, 278; ders., BewHi 2013, 312; sehr krit. ders., Schriftliche Stellungnahme zum ThürSVVollzG-E, S.  9; s. a. Speckin, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG M-V-E, S. 5: „Aufweichung des Trennungsgebots … birgt die Gefahr, dass das Abstandsgebot nicht eingehalten wird.“ 311 Zur bisherigen Situation SBJL-Koepsel 2009, § 140 Rn. 3; Laubenthal, ZStW 2004, 732; vgl. außerdem bereits die Begründung zum StVollzG, BT-Drs. 7/918, S. 92. 312 Eisenberg, StV 2011, 480; and. Peglau, NJW 2011, 1926; allerdings muss auch beachtet werden, dass die Jugendstrafe zahlenmäßig i. R. d. SV keine (größere) Rolle zu spielen scheint, so Dessecker 2016, 477. 313 Darüber hinaus haben auch die Länder den Besonderheiten von SV bei jungen Menschen nicht ausreichend Rechnung getragen, wenn sie völlig unzureichend die Vorschriften für Strafgefangene mit angeordneter oder vorbehaltener SV für anwendbar erklären; vgl. etwa Teil 3 des GE-SVVollzG, S. 40. 314 Vgl. dazu BVerfG NStZ-RR 2013, 26 f. 309

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Problematik eines ansonsten praktisch schwer bis nicht umsetzbaren Abstandsgebots daher von großer Bedeutung.315 Deutlich wird dies bspw. im Konzept für die Sicherungsverwahrungsabteilung der JVA Brandenburg a. d. H., welches das Trennungsgebot neben dem Ausstattungsgebot (d. h. ausreichende Personalkapazitäten) sowie dem Gebot eines institutionalisierten Integrationsmanagements (d. h. strukturierte Vernetzung mit Externen zur frühestmöglichen Integration in freie Betreuungsformen) als zentrale Organisationsvorgabe aus dem Abstandsgebot ableitet.316 Somit sind Durchbrechungen aus Sicht der Einhaltung des Abstandsgebots möglichst zu vermeiden. Der folgende Abschnitt widmet sich daher der in § 66 c Abs.1 Nr. 2 b Hs. 2 StGB festgehaltenen Ausnahme vom Trennungsgebot aus behandlerischen Gründen.317 b) Ausnahmen vom Trennungsgebot aus behandlerischen Gründen Die Praxis lobt die Möglichkeit, auf eine Trennung aus Behandlungsgründen zu verzichten, als realitätsnah.318 Sie werde zwar nicht direkt im BVerfG-Urteil angesprochen, sei jedoch aufgrund einiger Hinweise im Urteil damit insgesamt „noch vereinbar“.319 Im Entwurf des Bundesgesetzgebers ist die Rede davon, dass eine Durchbrechung des Trennungsgebots im Einzelfall dann in Betracht komme, „wenn eine beim Untergebrachten erforderliche besondere Gruppentherapie nur in einer Therapiegruppe mit Strafgefangenen umgesetzt werden“ könne.320 Zwar entsprechen gewisse behandlerisch zwingende Durchbrechungen der Therapieorientierung, so dass im Interesse einer erfolgreichen Behandlung sowohl dem BVerfG als auch dem Interesse von Verwahrten und Gesellschaft Genüge getan sein müsste. Das Problem besteht jedoch darin, dass der vollzugliche Behandlungsbegriff nicht definiert ist und sehr offen und weit verstanden wird.321 Letztlich sind damit alle Maßnahmen und Tätigkeiten umfasst, die der Erreichung des Vollzugsziels dienen. Im Hinblick auf die bisherige Praxis, welche tendenziell eine Nivellierung der privilegierten Lebensbedingungen erkennen ließ,322 geht die offene Ausnahmemöglichkeit vom Gebot der Trennung somit zu weit. 315

Vgl. zur Problematik der praktischen Umsetzung insbes. Teil E. V.2. Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 10 f. 317 Zur Abweichung i. R. d. Entlassungsvorbereitung vgl. BT-Drs.  17/9874, S.  17. Im Eckpunktepapier des BMJ war noch die Rede davon, dass man entscheiden müsse, ob es für den offenen Vollzug eigene Einrichtungen bedürfe, die vom offenen Vollzug der Strafhaft getrennt seien, vgl. Eckpunktepapier BMJ, S. 8. 318 Lobend bspw. König, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 1 f. 319 Radtke, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 9; zudem sei das Bsp. der bereits im Strafvollzug begonnenen sozialtherapeutischen Behandlung einleuchtend, vgl. dazu BT-Drs. 17/9874, S. 18; Egg/Wischka 2012, 30. 320 BT-Drs.  17/9874, S.  16; zweifelnd Kinzig, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbst UmsG-E, S. 2. 321 Problematisiert von Laubenthal, ZStW 2004, 733; zum Behandlungsbegriff s. Teil D.IV. 322 Laubenthal, ZStW 2004, 733; s. a. Teil B.II.3. 316

IV. Vorgaben für den Sicherungsverwahrungsvollzug nach § 66 c Abs. 1 StGB

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Dass Durchbrechungen des Trennungsgebots aus Sicht des Abstandsgebots kritisch zu sehen sind, wurde bereits dargelegt. Um zu verhindern, dass sich weitere Aufweichungen des Trennungsgebots entwickeln, wie sie zuvor in einigen LStVollzGen zu finden waren,323 sind sachliche und organisatorische Ausnahmegründe auf das zwingend notwendige Maß zu reduzieren.324 Auch sind neue Landesregelungen z. T. eher skeptisch zu sehen. Bspw. ist es mit dem Trennungsgebot nicht zu vereinbaren, dass bspw. Thüringen in seinem SVVollzG davon spricht, dass die Unterbringung in gesonderten Gebäuden oder Abteilungen einer Justizvollzugsanstalt vollzogen werden „kann“. M. a. W. ist ein völlig in die Organisation des Strafvollzugs erfolgende Unterbringung in der Sicherungsverwahrung möglich.325 Damit kann die Sicherungsverwahrung aber keine selbstständige Einheit werden. Ein Vorschlag wäre, die Ausnahmen, welche die Vernachlässigung des Trennungsgebots rechtfertigen würden, konkret zu benennen. Oder man ergänzte den Gesetzestext parallel zu den Vollzugslockerungen und der Regelung in § 66  c Abs. 1 Nr. 3 a StGB. Damit wären Durchbrechungen der getrennten Unterbringung nur „ausnahmsweise“ und „nicht ohne zwingenden Grund“ möglich. Dies wird bisher weder im Gesetz („ausnahmsweise“) noch in der Gesetzesbegründung selbst in diesem Maße verdeutlicht. Einem so verstandenen Trennungs­gebot würden pauschale Verzichtserklärungen bei der Unterbringung in der Sozialtherapie und deren zwangsweise Einholung zuwiderlaufen, unabhängig davon, ob § 66  c StGB nur eine Leitlinie ist.326 Dieses Vorgehen hatte das CPT aufgrund seines Besuchs zweier Sicherungsverwahrungsabteilungen im Jahre 2013 zu berichten gewusst.327 Nicht nur, dass bei unter staatlichem Zwang stehenden Inhaftierten die Freiwilligkeit einer Einwilligung allgemein angezweifelt werden kann.328 Bei Siche­ rungsverwahrten kommt hinzu, dass sie häufig aufgrund der langen Inhaftierung 323 Die LStVollzGe enthielten weitere Rechtfertigungen zur Aufhebung der Trennung: Zustimmung des Inhaftierten (vgl. §§ 94 Abs. 4 HmbStVollzG a. F.; 70 Abs. 5 S. 1 HStVollzG a. F.; 171 Abs. 2 S. 3 Nr. 4 NJVollzG a. F.), geringe Anzahl der Untergebrachten (vgl. § 4 Abs. 3 S. 2 JVollzGB I a. F.; Art. 166 Abs. 2 S. 2 BayStVollzG a. F.; § 70 Abs. 5 Nr. 4 HStVollzG a. F.), dringende Gründe der Vollzugsorganisation (vgl. § 70 Abs. 5 Nr. 5 HStVollzG a. F.; 171 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 NJVollzG a. F.; daneben noch bei Hilfsbedürftigkeit bzw. Gefahr jeweils in Nr. 2 bzw. Nr. 1 der genannten Norm.) sind nur einige Bspe. 324 Dazu OLG Karlsruhe, Beschl. vom 29.6.2015 – 2 Ws 118/15, Rn. 13 ff. – bei juris. 325 § 62 Abs.  1 S.  2 ThürSVVollzG; krit. Dessecker, Schriftliche Stellungnahme zum ThürSVVollzG-E, S. 9. 326 Wenig überzeugende Argumentation der Bundesbehörde, vgl. CPT/Inf(2014) 24, S. 11. 327 Dazu CPT/Inf (2014) 23, Rn. 21, S. 11, 13 ff. 328 Dazu folgendes aktuelle Bsp. § 61 Abs. 2 S. 1 SVVollzG LSA lautet: „Die Begutachtung oder psychologische Untersuchung bedarf der Zustimmung der Untergebrachten.“ Hingegen heißt es in § 61 Abs. 2 S. 3 SVVollzG LSA: „Wird die Zustimmung verweigert, so ist i. d. R. der Schluss zu ziehen, dass die Voraussetzungen für die Verlegung in den offenen Vollzug oder die Anordnung der vollzugsöffnenden Maßnahmen nicht gegeben sind.“

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

die Hoffnung auf Entlassungschancen sehr groß sein dürfte. Man wird daher nicht ohne weiteres von einer bedingungslosen Entscheidungsfreiheit sprechen können.329 Dennoch ist die Einwilligung angesichts der Bedeutung des Trennungsgebots eine Mindestvoraussetzung für die Ausnahme. Nicht zu tolerieren ist es, wenn die Länder dieses Erfordernis nicht vorsehen.330 Darauf abzustellen, dass man keine Zustimmung brauche, weil man jemanden zwar zwangsweise in eine Sozialtherapeutische Anstalt verlegen, jedoch nicht zwangsweise behandeln könne, reicht nicht.331 Denn es geht hier auch darum, den Untergebrachten sinnvoll an seinem Vollzug zu beteiligen, ihn einzubinden und insofern seine Meinung soweit als möglich zu schätzen. Außerdem ist seine Selbstständigkeit zu fördern. Die Einwilligung hat also symbolischen Wert. Darüber hinaus wäre sie der besonderen Situation der Sicherungsverwahrung geschuldet. Sie würde sich auf den Verzicht der Privilegien beziehen und nicht auf die Behandlung als solche. Neuerdings läuft schon der vorausgehende Strafvollzug darauf hinaus, dass Gefangene mit latenter Sicherungsverwahrung möglichst sozialtherapeutisch behandelt oder in der sozialtherapeutischen Anstalt untergebracht werden. Diejenigen, die in der Sicherungsverwahrung „landen“, dürften vermutlich angesichts der ausgebliebenen „Wirkung“ der Sozialtherapie enttäuscht sein. Hinzu kommt die verbesserte Ausgestaltung und Betreuung bzw. Behandlung im Sicherungsverwahrungsvollzug, so dass nicht viel für eine Aufgabe der aufgrund der Trennung möglichen Privilegien sprechen dürfte, was wiederum deutlich für die Notwendigkeit der vorherigen Zustimmung spricht.332 Bzgl. der Unterbringung in der sozialtherapeutischen Anstalt hob der Arbeitskreis Sozialtherapeutischer Anstalten e. V. hervor, dass Abteilungen bzw. Einrichtungen nur für Sicherungsverwahrte nicht zu empfehlen seien, weil dies nicht dem verfolgten integrativen Konzept entspreche.333 Daran hat sich augenscheinlich der Gesetzgeber in seiner Begründung in puncto Durchbrechung des Trennungsgebots orientiert.334 Zwar wird von Untergebrachten immer wieder berichtet, dass sie z. B. während ihrer Freizeit oder Arbeit gerne im Kontakt mit Strafgefangenen seien. Allerdings besteht speziell für den therapeutischen Bereich ein­ Konfliktpotential, welches der Durchbrechung des Trennungsgebots in diesem Bereich entgegensteht. So zeigte bspw. die Studie von Bartsch, dass die gemeinsame Unterbringung von unterschiedlichen Gefangenengruppen in der sozialtherapeutischen Anstalt nicht nur ein erhöhtes Konfliktpotential und damit schlechtes

329

Bereits für die alte Rechtslage Laubenthal, ZStW 2004, 733, grundlegend Amelung, ZStW 1983, 1 ff., 9 ff. 330 Z. B. in Hmb, vgl. dazu CPT/Inf (2014) 24, S. 14; dazu auch Wischka, FS 2014, 229. 331 Egg in der Anhörung zum LJVollzG, APr 16/19, S. 11. 332 Vgl. dazu aktuell LG Karlsruhe, Beschl. vom 15.10.2013, 15 StVK 324/13 SV, Rn. 31 – bei juris; zur Schlechterstellung in der SothA im Vergleich zum SV z. B. Hmb LT-Drs. 20/455, S. 1 f.; Endres in der Anhörung zum BbgSVVollzG-E, P-RA 5/38, S. 66. 333 Vgl. Egg/Wischka 2012, 30, im Folgenden: Arbeitskreis; s. a. Dünkel 1996, 63 f. 334 BT-Drs. 17/9874, S. 18

IV. Vorgaben für den Sicherungsverwahrungsvollzug nach § 66 c Abs. 1 StGB

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Anstaltsklima mit sich bringen, sondern aus Sicht der Behandlung der Sicherungsverwahrten eher für Frustration denn für einen Behandlungserfolg sorgen könne.335 Das Abstandsgebot ist nicht an den Ort, sondern an die Person des Untergebrachten gebunden. Die vielen Privilegien, die sich auch in einer sozialtherapeutischen Anstalt außerhalb des Sicherungsverwahrungsvollzugs verwirklichen ließen (z. B. höhere Entlohnung, bezuschusste Selbstversorgung usw.), legen daher Konflikte nahe. Zudem dürften die subkulturellen Prägungen, die vom Arbeitskreis angesprochen werden,336 nur marginal unterschiedlich sein, wenn man in die Sozialtherapie gelangt. Durch eigene sozialtherapeuthische Abteilungen könnte zudem die Durchbrechung des Trennungsgebots vermieden und damit dem Abstandsgebot entsprochen werden.337 Sozialtherapie muss dabei genauso wie der Sicherungsverwahrungsvollzug „mehr sein als Strafvollzug plus die eine oder andere Maßnahme“.338 Dass dies von der JVA Werl, die einen eigenen sozialtherapeutischen Bereich im Sicherungsverwahrungsvollzug eingerichtet hat, beherzigt wird, zeigt nicht zuletzt das eigene Behandlungskonzept, welches davon geprägt ist, diesen Bereich insgesamt therapeutisch auszurichten und soziales Lernen ­zuzulassen.339 3. Vollzugsöffnende Maßnahmen, Entlassungsvorbereitung und nachsorgende Betreuung nach Nr. 3340 Nicht nur die Bevölkerung dürfte Probleme haben, es nachzuvollziehen, dass ein Sicherungsverwahrter, den man im Justizvollzug behält, weil er vermeintlich gefährlicher ist als ein „normaler“ Strafgefangener, mit dem neuen § 66 c Abs. Nr. 3 a 335

Bartsch 2010, 234 ff.; Endres, Schriftliche Stellungnahme zum BbgSVVollzG-E, S. 192: Das Problem wird sich mit den Verbesserungen des SV verschärfen, weil die SothA im Strafvollzug nicht solche Privilegien bereithält; dazu auch Wischka, FS 2014, 229; s. a. Bartsch 2011, 297; ders. 2010 a, 236; AK-StVollzG/Feest/Köhne 2012, vor § 129 Rn. 16. 336 Egg/Wischka 2012, 30: SV könnten von weniger subkulturell geprägten Inhaftierten in der SothA profitieren. 337 Elz 2015, 10, jedoch sei die JVA Werl immer noch die Ausnahme. 338 Wischka, FS 2014, 228. 339 Konzept SothA JVA Werl, S. 5, 7 ff., dessen wesentliche Ziele sind: Schaffung von umfassenden sozialen Lern- und Trainingsmöglichkeiten; Möglichkeiten der Kompetenzerweiterung durch Gruppenaktivitäten; Förderung von Selbstorganisation; Schaffung kompetenzfördernder Strukturen (z. B. verbindliche Vereinbarungen und Tagesstrukturierung) sowie Unterstützung von Problemaktualisierungs- und Veränderungsprozessen. 340 § 66 c Abs. 1 Nr. 3 StGB: „Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erfolgt in Einrichtungen, die 3. zur Erreichung des in Nummer 1 Buchstabe b genannten Ziels a) vollzugsöffnende Maßnahmen gewähren und Entlassungsvorbereitungen treffen, soweit nicht zwingende Gründe entgegenstehen, insbesondere konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, der Untergebrachte werde sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die Maßnahmen zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen, sowie b) in enger Zusammenarbeit mit staatlichen oder freien Trägern eine nachsorgende Betreuung in Freiheit ermöglichen.“

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

StGB i. V. m. den landesrechtlichen Regelungen der SVVollzGe341 womöglich leichter vollzugsöffnende Maßnahmen342 erhalten können soll. Womöglich könnten die genannten Neuregelungen angesichts des nach wie vor geltenden Sicherheitsaspekts „eine paradoxe Vorgabe“343, sozusagen die „Quadratur des Kreises“344, enthalten. Bevor die gesetzliche Neuregelung beleuchtet wird, geht es darum aufzuzeigen, wieso Lockerungen für die Klientel der Sicherungsverwahrung besondere Be­deutung besitzen. Daneben ist auf die Vorschriften zur Entlassungsvorbereitung sowie nachsorgenden Betreuung einzugehen. a) Bedeutung der vollzugsöffnenden Maßnahmen Es stellt sich die Frage, wieso gerade für die Gefährlichsten des Vollzugs die vollzugsöffnenden Maßnahmen, insbesondere nicht überwachte Außenkontakte mit einem gewissen Sicherheitsrisiko, eine entscheidende Rolle spielen? Vor Augen führen muss man sich, dass die Sicherungsverwahrung auf einer vermuteten Gefährlichkeit beruht, für die kein tatsächlicher Beweis vorliegt. Dem Untergebrachten ist es nicht möglich, das Gegenteil zu beweisen, so lange er in statio­ närem Freiheitsentzug verbleibt. Aufgrund der unbestimmten Dauer wiegt dies schwerer als bei der Freiheitsstrafe. Zudem bietet das Verhalten im Vollzug aufgrund der starken Reglementierung und Kontrolle der staatlichen Seite keine ausreichende Möglichkeit, neue prognoserelevante Tatsachen zu ermitteln, weil es sich fundamental von dem Leben außerhalb unterscheidet. So sieht es auch der­ Gesetzgeber.345 Nur wer sich erproben darf, kann zeigen, „ob intrainstitutionell Erlerntes auch im extramuralen Kontext angewandt werden kann.“346 Bei der Regelung des § 66 c Abs. 1 Nr. 3 a StGB hatte der Bundesgesetzgeber die Vorstellung, dass die Erprobung in solchen öffnenden Maßnahmen eine möglichst breite und fundierte Grundlage für eine etwaige Erledigung oder Aussetzung der Sicherungsverwahrung schaffen könne und solle.347 Insofern hat sich bisher

341

Dazu Teil D.IV.1.b) und Teil D.IV.5. Bundes- und Landesgesetzgeber sprechen in Anlehnung an die LStVollzGe nicht mehr von Vollzugslockerungen sondern von vollzugsöffnenden Maßnahmen; ebso. BVerfGE 128, 386; s. a. BT-Drs. 17/9874, S. 17; Schäfersküpper/Grote, NStZ 2013, 449. 343 Köhne, ZRP 2012, 89 in erster Linie bzgl. des vorausgehenden Strafvollzugs. 344 Grote 2015, 197. 345 Gesetzentwurf zum SichVNOG, BT-Drs. 17/3403, S. 32; ebso. Asprion, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S.  6; Goerdeler, ZJJ 2004, 194; Nedopil, NStZ 2002, 349; Renzikowski, NJW 2013, 1641; MüKo-Ullenbruch/Morgenstern 2012, § 66  a Rn.  25 m. w. N. 346 Müller-Isberner/Eucker 2012, 101; ebso. Böllinger, Vorgänge 2007, 76 f.; OLG Köln StV 2012, 223. 347 Vgl. BT-Drs. 17/9874, S. 19. Das BVerfG und ihm folgend einige OLGe haben für die SV wiederholt die besondere Bedeutung der vollzugsöffnenden Maßnahmen zum Test der Entlassungsreife, als gewichtigen Indikator für die künftige Legalbewährung und als Grund 342

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dasselbe praktische Problem wie bei den therapeutischen Maßnahmen ergeben, welches zum Ausbleiben von (entlassungsrelevanten) vollzugsöffnenden Maßnahmen geführt hat: Die Sicherungsverwahrung und die damit zusammenhängende unbestimmte Dauer hat zur Folge, dass der Entlassungszeitpunkt schwer bis gar nicht zu bestimmen ist.348 Da nicht wie bei einer zeitlichen Freiheitsstrafe die Entlassung sicher kommt, entfällt in gewisser Weise der Druck, die Zeit des Vollzugs, insbesondere die der vorausgehenden Strafhaft, für eine Resozialisierungsarbeit zu nutzen. Bei der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung kommt ein Druck hinzu, an Therapien teilzunehmen, um sich nicht die Möglichkeit auf Entlassung zu verbauen, so dass die Gefahr „innerpsychischer Konflikt[e]“ und von Scheinanpassungen droht.349 Dass Sicherungsverwahrte im erhöhten Maße (zunächst) nicht selbst in der Lage sind, durch eigene Bemühungen Fortschritte hinsichtlich der Entlassung zu machen, nutzt das BVerfG mehr denn je als Argument dafür, dass eine besondere Anstrengung zu Unterstützung der Verwahrten notwendig sei.350 Die bisher wegen fehlender Entlassungsperspektiven als notwendig erachtete restrik­tive Locke­rungspraxis, die zudem mit renitentem Verhalten einiger Landesjustizverwaltungen einherging, ist jedoch als verfassungswidrig eingestuft worden und nicht mehr haltbar.351 Letztlich spricht dieses praktische Argument dringend für die Wiedereinführung der Höchstfrist bei erstmalig angeordneter­ Sicherungsverwahrung. Zur Überwindung, dass man bei der unbestimmten Sicherungsverwahrung den Entlassungszeitpunkt nicht konkret festlegen kann, müsste im Sicherungsverwahrungsvollzug sowie vorausgehenden Strafvollzug von Anfang an, ohne genaue Kenntnis des Zeitpunkts, rechtzeitig vor dem Entlassungstermin auf die Entlassungssituation und das Leben in Freiheit hingearbeitet werden.352 In erster Linie wären für eine erfolgreiche soziale Wiedereingliederung der Klientel „Zuwendungen“ wie zunächst intramurale Angebote von Motivierung über Teilnahme an bestimmten Behandlungsprogrammen „mit dem erforderlichen Ernst und bis

lage der Kriminalprognose herausgestellt, aktuell BVerfGE 128, 381 f.; bereits BVerfGE 109, 166; 117, 108; zudem OLG Hamm NStZ 2015, 110 ff.; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2006, 90; StV 2006, 426; OLG Köln NStZ-RR 2005, 191; OLGSt StPO § 454a Nr. 3, 3; StV 2010, 199. Ebso. betont. von P.-A. Albrecht et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2010, 13; Köhne, ZRP 2012, 89 348 Köhne ZRP 2012, 90; ebso. Drenkhahn in der Anhörung zum SVVollzG Bln-E, Wortprotokoll Recht 17/19, S.  10 f.; für die bisherige Vorgehensweise vgl. Dessecker, ZfRSoz 2012/2013, 267. 349 Böllinger, Vorgänge 2007, 77. 350 Ähnl. Kotz, ZAP 2011, Fach 22, 566 f. 351 Renitentes Verhalten festgestellt etwa von OLG Hamm, Beschl. vom 12.5.2010 – 4 Ws 114/10, Rn. 7; Beschl. vom 22.7.2010 – 4 Ws 171/10, III – 4 Ws, Rn. 21 – jeweils bei juris; ebso. OLG Köln StV 2012, 223; s. o. Teil C., Fn. 464 und 574. Zu Recht Bartsch, StV 2012, 224: verfassungswidrig. 352 Für den Langstrafenvollzug festgestellt von OLG Bbg a. d. H., Beschl. vom 25.9.2013 – 2 Ws (Vollz) 148/13, Rn. 12 – bei juris; s. a. BVerfG StV 2012, 681 ff.

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zum Abschluss der Maßnahmen“ anzubieten, um im weiteren Verlauf nicht stehen zu bleiben, „sondern zur Vorbereitung auf ein straffreies Leben in Freiheit … unbedingt die Erprobung in zunehmenden vollzugsöffnenden Maßnahmen, von der Ausführung bis zum Entlassungsurlaub“ zu ermöglichen.353 Unbestritten ist es tatsächlich sehr schwierig, denjenigen zu motivieren, wenn „fast alles für und nur wenig gegen eine Gefährlichkeit spricht“.354 Dennoch: Je länger der Vollzug dauert, umso größer ist der erforderliche Vorbereitungsaufwand auf die Freiheit.355 Umso bedeutender ist die Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen und dass sich der Vollzug den Verwahrten in dieser Form zuwendet, gerade weil sie (nur) potentiell gefährlich sind. So ist es folgerichtig, denjenigen, die im sichernden und bessernden Sicherungsverwahrungsvollzug bleiben, zu ermöglichen, zumindest unter Aufsicht vollzugsöffnende Maßnahmen auch ohne absehbare Entlassung zu erhalten. Andernfalls bliebe es bei dem bisherigen Kreislauf, dass aufgrund einer Nichtgewährung von Lockerungen neben erfolgloser, wenn überhaupt begonnener Therapien, die Beurteilungsbasis für den Sachverständigen so schmal ist, dass die Betroffenen regelmäßig keine Möglichkeiten haben, sich für eine Entlassung zu bewähren.356 Die Arbeit des Sachverständigen angesprochen, ist darauf hinzuweisen, dass eine Regelung zur vom BVerfG vorgeschlagenen Einrichtung unabhängiger, insbesondere von politischen Zwängen („in dubio pro securitate“) losgelöster Gremien nach ausländischem Vorbild aus vollzugserfahrenen Fachleuten vom Bundes- und Landesgesetzgeber nicht umgesetzt worden ist.357 Immerhin sprechen einige Behandlungskonzepte der neuen Si­ cherungsverwahrungsabteilungen ein vergleichbares Vorgehen bei der Begutachtung an.358 Darüber hinaus darf der ungewisse Entlassungszeitpunkt deshalb nicht mehr die entscheidende Rolle spielen, weil neben der Bedeutung als prognostisches Mittel vollzugsöffnende Maßnahmen eine „menschenrechtliche Gewährleistung im Rechtsstaat“ darstellen.359 Diese gewinnt immer mehr an Bedeutung, je länger die

353

Mit Recht LG Marburg, Beschluss vom 13.9.2013, 7 StVK 109/12, Rn. 27 – bei juris; s. a. Köhne ZRP 2012, 90; Renzikowski, NJW 2013, 1639; Wischka, KrimPäd 2011, 42 ff. 354 Für die vorbehaltene SV angesprochen von MüKo-Ullenbruch/Morgenstern 2012, § 66 a Rn. 28 355 BVerfGK 19, 131 ff.; bereits BVerfGE 117, 107 f. bzgl. der lebenslangen Freiheitsstrafe. 356 MüKo-Ullenbruch/Morgenstern 2012, § 66 a Rn. 28 im Zusammenhang mit der vorbehaltenen SV; s. a. das Bsp. zu Proband H. bei Elz 2014, 149 f. 357 Dazu Kreuzer/Bartsch, StV 2011, 478; zu Entwicklungen im Ausland vgl. BVerfGE 128, 381. Die von Pyhrr 2015, 174 in diesem Zusammenhang angesprochenen Vorschriften zu einem Beirat (vgl. dazu bereits §§ 162 f. StVollzG) oder Interessenvertretungen stellen keine Alternative zu den vom BVerfG angesprochenen unabhängigen Gremien dar, die in die Entscheidung über vollzugsöffnende Maßnahmen eingeschaltet werden. 358 Bspw. für Nds. Schwerdtfeger (Forensik) in der Anhörung zum BremSVVollzG-E, APr A/RA 18/18, S. 484. 359 P.-A. Albrecht et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2010, 17 f. mit Zweifeln an Aussagekraft.

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Untergebrachten ihr Sonderopfer erbringen. Die Lockerungen sind integraler Bestandteil (lern)therapeutischer Behandlung, was nicht nur durch den Verweis auf die Nr. 1 a des § 66 c Abs. 1 StGB zum Ausdruck kommt. Auch in der Anregung des BVerfG, ein entsprechendes System von Vergünstigungen zur Motivierung der Untergebrachten zu etablieren, wird dies sichtbar.360 Beim Urlaub bzw. anderen lockernden Maßnahmen handelt es sich, was allen Sicherheitsskeptikern entgegen zu halten ist, nicht lediglich um Hafterleichterungen oder Wohltaten i. S. e. Hotelvollzugs für besonders gefährliche Inhaftierte, sondern um Maßnahmen „zur Minimierung der Rückfallgefahr und damit des Schutzes der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten“.361 Die schrittweise Vorbereitung auf die Freiheit durch ­lockernde Maßnahmen dient dazu, das Risiko für einen Rückfall zu minimieren.362 Deshalb wäre es als paradox zu bezeichnen, den Sicherungsverwahrten diese öffnenden Maßnahmen wie bisher vorzuenthalten. Zwar ist ein Beurteilungsspielraum der Anstalt richtig, da sie sachnäher die Umstände des Einzelfalls ermitteln kann. Dennoch ist das BVerfG so zu verstehen, dass in der Sicherungsverwahrung als behandlungsresistent geltende Untergebrachte, welche häufig zudem eine diagnostizierte Persönlichkeitsstörung aufweisen, Erprobungsräume zugestanden bekommen müssen, wenn sie sich in Richtung eines prosozialen Verhaltens ändern sollen.363

b) Normative Besserstellung Betrachtet man die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung zu den vollzugs­ öffnenden Maßnahmen aus dem Jahre 2004, so ist von einem Gleichlauf zwischen Sicherungsverwahrten und Gefangenen gesprochen worden, wenn es das Gebot des Allgemeinschutzes nicht ausschließe, „Vollzugslockerungen und Urlaub Sicherungsverwahrten unter denselben materiellen Bedingungen zu gewähren wie sonstigen Gefangenen“.364 Inzwischen drückt sich das BVerfG bestimmter aus: „Sichergestellt werden [muss], dass Vollzugslockerungen nicht ohne zwingenden Grund – etwa auf Grundlage pauschaler Wertungen oder mit dem Hinweis auf eine nur abstrakte Flucht- oder Missbrauchsgefahr  – versagt werden.“365 Voll-

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BVerfGE 128, 380. Dazu Lange-Lehngut 2006, 189 f.: Die meisten Gefährlichen würden entlassen, nur die Wenigsten verblieben im System der SV, bei denen es ggü. der Bevölkerung unverantwortlich sei, Eingliederungsbemühungen gegen Null zu reduzieren; s. a. Meier 2015, 102; Rehn, ZfStrVo 2003, 70; BeckOK LSVVollzG-Beck, § 40 Rn. 12 m. w. N.: Lockerungen sind „keine Vergünstigungen oder Belohnungen für das Verhalten des Verwahrten“. 362 Vgl. dazu OLG Köln StV 2012, 223. 363 In diesem Sinne Wischka, KrimPäd 2011, 46. 364 BVerfGE 109, 154. 365 BVerfGE 128, 381; ebso. BT-Drs.  17/9874, S.  17; z. B. NRW LT-Drs.  16/1425, S.  101. Zu den Konsequenzen s.  Bartsch, FS 2012, 359; Kinzig, Schriftliche Stellungnahmen zum 361

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zugsöffnende Maßnahmen sollen also nicht mehr wie bisher in der Sicherungsverwahrung die (absolute) Ausnahme, sondern die Regel sein. Die entsprechenden Lockerungsentscheidungen sind deshalb auch auf „Grundlage objektiver, realistischer Risikobewertungen“ zu treffen, wobei „der Gefahr übervorsichtiger oder voreingenommener Beurteilungen vorzubeugen“ ist.366 Diese Forderung verwundert nicht, zumal es bisher oft so gewesen ist, dass der Vollzug beim Thema Vollzugslockerungen nicht gerade auf eine vollstreckungsrechtlich gebotene Entlassung hingearbeitet hat.367 Der Gesetzgeber ist dem Ruf des BVerfG mit dem neuen § 66 c Abs. 1 Nr. 3 a StGB gefolgt, der im Vergleich zur bisherigen Regelung des § 11 Abs. 2 StVollzG geringere Anforderungen stellt als bei „normalen“ Strafgefangenen.368 Die Einrichtung kann ab sofort nur dann vollzugsöffnende Maßnahmen verweigern, wenn „zwingende Gründe“ entgegenstehen, „insbesondere konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, der Untergebrachte werde sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die Maßnahmen zur Begehung erheblicher Straf­taten missbrauchen“ (vgl. § 66  c Abs.  1 Nr.  3  a  StGB). Somit wurde zur Flucht- und Missbrauchsgefahr ein weiterer unbestimmter Rechtsbegriff, nämlich derjenige der „zwingenden Gründe“, eingefügt.369 Diesbzgl. hat die Anstalt einen Beurteilungsspielraum auf Tatbestandsseite. Sie muss eine Prognoseentscheidung treffen.370 Der Bundesgesetzgeber hat sich allen Zweiflern371 zum Trotz im Unterschied zur bisherigen Norm im Strafvollzug, die einen Ausschluss auch bei geringen Straftaten vorsah (z. B. § 112 NJVollzG a. F. i. V. m. § 13 Abs. 2 NJVollzG a. F.: „oder die Lockerungen zu Straftaten missbrauchen wird“), dafür entschieden, dass es nur auf die Begehung „erheblicher“ Straftaten ankommt.372 Praktisch hat man sich an der Auslegung des § 66 Abs. 1 Nr. 4 StGB („Hanges zu erhebHSVVollzG-E, S.  7: vollzugsöffnende Maßnahmen dürften laut BVerfG ausschließlich bei konkreter Flucht- oder Missbrauchsgefahr versagt werden. 366 BVerfGE 128, 381; Elz 2014, 191 f. mit Bsp. wie belastend das Procedere bis zur Gewährung sein kann. 367 Elz 2014, 193 ff.; s. a. P.-A. Albrecht et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2010, 17: „mitunter notorische[n] Verweigerungshaltung der Vollzugsbehörden“; Kammeier, R&P 2013, 177; Köhne, ZRP 2012, 90. 368 Zu den bisherigen Landesregelungen vgl. SBJL-Ullenbruch 2013, § 11 Rn.  16. Krit. zur Neuregelung etwa Kinzig, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S.  7; ähnl.­ Scharmer in der Anhörung zum SVVollzG LSA-E, 6/REV/22, S. 23; and. Radtke, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 10. 369 Aktuell OLG Nürnberg, Beschl. vom 11.8.2015, 1 Ws 224/15, Rn. 18 – bei juris. 370 Vgl. bspw. NRW LT-Drs. 16/1425, S. 100 f.; s. a. Laubenthal 2015, Rn. 540. 371 Peglau, JR 2013, 252: bedenklich, da oft nur Zufall, ob aus einer harmlosen eine erhebliche Straftat werde. 372 Der Referentenentwurf, S. 4 hatte noch von „schweren“ Straftaten gesprochen. Der Gesetzentwurf (vgl. BT-Drs. 17/9874, S. 17) legt nahe, dass die Änderung in „erhebliche Straf­ taten“ unter Bezugnahme auf BGHSt 24, 162 deshalb vorgenommen wurde, weil dies sich besser ins Gesamtsystem der SV einfügt. Begrüßt von Peglau, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 3.

IV. Vorgaben für den Sicherungsverwahrungsvollzug nach § 66 c Abs. 1 StGB

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lichen Straftaten“) zu orientieren.373 Dass es auf solche qualifizierten Straftaten ankommt, ist zu begrüßen, weil andernfalls eine Änderung der bisher gängigen Praxis nicht zu erwarten wäre. Dies gilt umso mehr, als ansonsten weich formuliert wurde („insbesondere“, d. h. nicht abschließend) und sich § 66 c Abs. 1 Nr. 3 a StGB in erster Linie an die Anstalten richtet, auch wenn er nahe legt, dass, wie es die Normen der SVVollzGe festlegen, der Untergebrachte einen Anspruch auf vollzugsöffnende Maßnahmen hat, wenn keine zwingenden Gründe entgegen­ stehen.374 Im Unterschied dazu hat die Anstalt bei Strafgefangenen ein pflichtgemäßes Ermessen bei der Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen und der Gefangene parallel dazu „nur“ einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Ent­ scheidung.375 Der Wortlaut der Norm („insbesondere“) ist zu offen und nicht eindeutig. Sichergestellt sein muss, dass alle zwingenden Gründe dem strengen Prüfungsmaßstab „konkreter Anhaltspunkte“ unterliegen. Der Wortlaut legt diesen Maßstab zunächst nur für die Flucht- und Missbrauchsgefahr nahe.376 Eine andere Interpretation, als es immer auf konkrete Anhaltspunkte ankommen muss, würde einer Versagung aufgrund pauschaler Wertungen und damit der Akzeptanz einer bloß abstrakten Gefahr Vorschub leisten. Daher ist der nicht abschließende weiche Wortlaut des § 66 c Abs. 1 Nr. 3 a StGB, der unbestimmte zwingende Gründe enthält, wo das StVollzG nur die Flucht- und Missbrauchsgefahr vorsieht, nicht eng genug und dämpft die erhofften positiven Auswirkungen durch Abschaffung des Ermessens erheblich. Dies gilt umso mehr, als viele SVVollzGe ebenfalls nur relativ unbestimmte „zwingende Gründe“ zur Beschränkung vorsehen (vgl. z. B. § 16 Abs. 1 S. 2 Nds. SVVollzG377). Die im Urteil des BVerfG eher organisatorische Vorgabe des Minimierungsgebots, dass sich die Anstalten strukturiert vernetzen müssen, um ein gelungenes Übergangsmanagement anzubieten, regelt der Bundesgesetzgeber mit § 66 c Abs. 1 Nr. 3 b StGB nur knapp. Danach soll „in enger Zusammenarbeit mit staatlichen oder freien Trägern eine nachsorgende Betreuung in Freiheit“ ermöglicht

373

BT-Drs. 17/9874, S. 17; vgl. auch BGH NStZ-RR 2002, 38; ebso. Konzept JVA Bützow, S. 8. 374 Dessecker, BewHi 2013, 319; zu den SVVollzGen vgl. Teil D.IV.5. 375 Laubenthal 2015, Rn. 545. 376 Das kann nicht i. S. d. Gerichts oder Gesetzgebers gewesen sein, vgl. dazu BVerfGE 128, 381; 109, 166; 117, 108; BT-Drs. 17/9874, S. 19; z. B. NRW LT-Drs. 16/1425, S. 101. 377 § 16 Abs. 1 S. 2 Nds. SVVollzG: „Die zur Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 erforderlichen vollzugsöffnenden Maßnahmen sind anzuordnen, soweit nicht zwingende Gründe entgegenstehen, insbesondere nicht konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass die oder der Sicherungsverwahrte sich dem Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entziehen oder die vollzugsöffnende Maßnahme zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen wird.“ Ebso. enthalten in § 11 Abs. 2 JVollzGB V; § 40 Abs. 2 S. 1 BremSVVollzG; § 13 Abs. 2 HSVVollzG; § 16 Abs. 1 S. 1 Nds. SVVollzG; § 53 Abs. 2 SVVollzG NRW, § 41 Abs. 2 SVVollzG S-H; § 13 Abs. 2 ThürSVVollzG.

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

werden. Nicht gemeint ist damit, dass die JVA das vom BVerfG geforderte Angebot an Einrichtungen, wie forensische Ambulanzen oder betreutes Wohnen, welche die Untergebrachten nach der Entlassung aufnehmen bzw. deren Betreuung sicherstellen, finanziell absichern soll. Dies obliegt laut Bundesgesetzgeber den Landesbehörden bzw. -gesetzgebern.378 Genauso verhält es sich bei den schwierigen Details der Ausgestaltung eines strukturierten und mit Externen verzahnten Übergangsmanagements. Denn der Bund fordert nur eine enge Abstimmung zwischen der JVA und diesen Einrichtungen, damit ein „möglichst nahtloses Übergangsmanagement“ organisiert und vermieden werden könne, „dass erst mehrere Wochen oder gar Monate nach der Entlassung eine für den Entlassenen geeignete Örtlichkeit gefunden“ werde.379 Konkreter wird der Gesetzgeber nicht. Damit wird nicht hinreichend deutlich gemacht, dass die Vollzugsgestaltung auf eine frühestmögliche Integration in freie Betreuungsformen ausgerichtet sein muss. Der Bund hätte, dem deutlichen Wortlaut des BVerfG-Urteils folgend, i. R. d. Leitlinien den Ländern aufgeben können, neben einem individuellen Behandlungs­ angebot auch ein institutionalisiertes Übergangsmanagement und damit ein System strukturierter Vernetzung aufzubauen. Die Verbesserung der (ambulanten) Nachsorge ist zielführender als nur auf eine Therapieorientierung des Vollzugs zu setzen.380 4. § 2 ThUG und Therapieunterbringung im Sicherungsverwahrungsvollzug Mit der Vorschrift des § 66 c Abs. 1 Nr. 2 StGB orientierte sich der Gesetzgeber am Regelungskonzept des § 2 ThUG.381 Zwar ist ihm zu Gute zu halten, dass er vom BVerfG dazu aufgefordert wurde.382 Dennoch ist er dafür zu kritisieren. Eine umfassende kritische Auseinandersetzung mit dem ThUG ist hier nicht geboten, gleichwohl ist auf eine Besonderheit hinzuweisen, da sie den Sicherungsverwahrungsvollzug betrifft. Äußerlich wurde durch das SichVAbstUmsG nur eine „marginale Änderung“383 in § 2 Abs.  2 ThUG vorgenommen. Diese hatte jedoch entscheidende Auswir­

378

BT-Drs. 17/9874, S. 18. BT-Drs. 17/9874, S. 18. 380 Habermeyer/Mokros/Vohs, R&P 2012, 78; ebso. Heltzel, R&P 2007, 10 ff.; Nedopil 2012a, 235. 381 BT-Drs. 17/9874, S. 2, 14: „Die Vorschrift orientiert sich vom Regelungskonzept her an § 2 des Therapieunterbringungsgesetzes (ThUG), den das BVerfG als Vorbild für entsprechende Leitlinien bezeichnet hat …“; ebso. BVerfGE 128, 388; Peglau, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 3. 382 BVerfGE 128, 388; dazu BT-Drs. 17/9874, S. 14; darauf hinweisend Lackner/Kühl 2014, § 66 c Rn. 1. 383 Dazu Renzikowski, NJW 2013, 1643. 379

IV. Vorgaben für den Sicherungsverwahrungsvollzug nach § 66 c Abs. 1 StGB

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kungen, weil sie die Therapieunterbringung ad absurdum führte. Bei dessen Etablierung hatte man sich noch neben dem sich von der Sicherungsverwahrung nahezu „genial“384 unterscheidenden Namen extra für die Zuständigkeit der Zivilkammer nach FamFG entschieden, um den Anschein zu vermeiden, es handle sich um eine „strafrechtliche Sanktion“ und eine versteckte Umgehung des EGMR-­ Urteils. Nun scheint es kein Problem mehr zu sein, die vom ThUG Betroffenen im Sicherungsverwahrungsvollzug unterzubringen. Darin wird keine Widersprüchlichkeit erblickt. So sollen ab sofort gemäß § 2 Abs. 2 ThUG „Einrichtungen im Sinne des § 66c Absatz 1 des Strafgesetzbuches … ebenfalls für die Therapie­ unterbringung geeignet [sein], wenn sie die Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 1 und 2 erfüllen.“385 Diese Regelung „überzeugend“386 zu finden, leuchtet nicht ein. Verfehlt ist es, aus der Sicherungsverwahrung einen, wie von § 2 Abs. 1 Nr. 1 ThUG gefordert, medizinisch-therapeutisch ausgerichteten Vollzug zu machen. Damit wird der Gleichsetzung von Gefährlichkeit und psychischer Störung Vorschub geleistet, um statt dem Etikett der Verwahrung dasjenige der Therapie zu nutzen.387 Obendrein ist angesichts der weder theoretisch noch praktischen Relevanz388 der Unterbringung nach dem ThUG nicht von einer unzumutbaren Belastung der vorher zuständigen psychiatrischen Einrichtungen auszugehen gewesen. Letztlich ist damit ein neuer Etikettenschwindel entstanden. Man stelle sich die Situation vor: Ein Untergebrachter ist nach den geltenden Regeln des StGB aus der Sicherungsverwahrung zu entlassen, weil die Maßregel nicht mehr gerechtfertigt wäre. Dennoch kann man ihn auf Umwegen wegen seiner (angeblichen) psychischen Störung389 nach dem ThUG unterbringen und zwar in derselben Anstalt, derselben Abteilung, in demselben Zimmer – nur einem anderen Schild an der Türe.390 H. E. Müller spricht vom Abstandsgebot „zwischen Strafe 384 Feest, Vorgänge 2014, 35: „Bei näherem Hinsehen kommen jedoch Zweifel an dieser­ Lösung auf.“ 385 Noch im Jahr 2011 legte das OLG Karlsruhe, Beschl. vom 20.5.2011 – 14 Wx 20/11, 14 Wx 24/11, Rn. 8 – bei juris, § 2 ThUG so aus, dass eine räumliche und organisatorische Trennung vom Strafvollzug vorliegen müsse. 386 So aber Schöch, NK 2012, 53; and. Kreuzer, StV 2011, 131: „Etikettenschwindel“; Bartsch, FS 2012, 361: verfassungs- und menschenrechtliche Bedenken; krit. auch Höffler/Stadtland, StV 2012, 245. 387 Höffler/Stadtland, StV 2012, 245; Morgenstern, ZIS 2011, 978. 388 Feest, Vorgänge 2014, 35; ebso. Renzikowski, ZIS 2011, 538 m. w. N. 389 Der BRat-Vorstoß (vgl. Teil  A., Fn.  374) zur Regelung einer nachträglichen Therapie­ unterbringung im § 65  StGB brachte keine Aufhellung des Begriffs der psychischen Störung, da er nur eine Negativabgrenzung zu §§ 20, 21 StGB enthielt; vgl. Ahrendt (FDP), BT-PlPr  17/204, S.  24803; ähnl. DAV, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E Nr. 56/2012, S. 8. 390 Bekanntes Szenario: Bei der Therapieunterbringung werden Vorschriften einer theoretisch anderen Sanktion wie der SV oder psychiatrischen Maßregel für entsprechend anwendbar erklärt (vgl. dazu bspw. Teil  21 im BaySvVollzG). Außerdem sollen die Grundsätze des Abstandsgebots anwendbar sein, vgl. BVerfGE 134, 33 ff. Krit. mit Recht Kinzig,

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

und Therapieunterbringung“.391 Fragt sich nur, wo ein Unterschied zwischen Sicherungsverwahrungsvollzug i. d. S. und der Therapieunterbringung i. S. d. ThUG liegen soll. Ungewöhnlich deutlich kommt im SVVollzG Bln zum Ausdruck, dass die Therapieunterbringung eine verkappte Form der Sicherungsverwahrung ist. Demzufolge sind die Vorschriften des Sicherungsverwahrungsvollzugs auf den Vollzug der Therapieunterbringung in den Einrichtungen der Sicherungsverwahrung entsprechend anzuwenden „mit der Maßgabe, dass die Behandlung, Betreuung und Unterbringung während des Vollzugs den sich aus der im Einzelfall vorliegenden psychischen Störung ergebenden aktuellen medizinisch-therapeutischen Erfordernissen Rechnung zu tragen haben“ (vgl. § 110 SVVollzG Bln). Wie man dieses Regelungssystem vor dem EGMR vertreten können will, bleibt schleierhaft. Angesichts dessen, dass das zweispurige System in seiner Ausgestaltung nicht auf die Akzeptanz des EGMR gestoßen ist,392 scheint Pessimismus in dieser Hinsicht bzgl. der Beurteilung dieser mehr oder weniger dritten Spur der Therapieunterbringung nach dem ThUG, die eigentlich tatsächlich dann nichts anderes ist als die Sicherungsverwahrung, angebracht. 5. Fazit und Vergleich zum Strafvollzug Wie stark sich der Gesetzgeber am BVerfG-Urteil orientierte, zeigen die Synopsen in den Tabellen 2 bis 4. Lediglich bei § 66 c Abs. 1 Nr. 2 b StGB findet sich eine – mehr oder weniger – (wörtliche) Eigenkreation des Gesetzgebers, die sich nur sinngemäß genauso im Urteil wiederfindet.393 Somit ist der Gesetzgeber den sichersten Weg gegangen, denn er hat das ihm vom BVerfG vorgelegte Minimalziel umgesetzt, ohne es nennenswert auszubauen. Da ein immer wieder aufkommender Vorwurf lautet, dass nicht nur die Forderungen des BVerfG, sondern die neuen bundesrechtlichen Entwicklungen eigentlich nicht vom StVollzG abweichen,394 soll dieses ebenso in die Gegenüberstellung einbezogen werden.

Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S.  8: „aberwitziges Szenario“; krit. Morgenstern/Drenkhahn, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2011, 197 ff.: „Quadratur des Kreises“. 391 H. E. Müller, Zur Reform der SV, Beck-Blog vom 10.11.2012. 392 Bisher zum alten § 2 ThUG EGMR, Urt. vom 28.11.2013, 7345/12, Rn. 95 – bei juris; zweifelnd Höffler/Stadtland, StV 2012, 245; Renzikowski, ZIS 2011, 538. 393 Pollähne, StV 2013, 257: Gericht sei „Ersatzgesetzgeber“; ebso. Köhne, JR 2015, 255 f.; ähnl. Dessecker, BewHi 2013, 310; ebso. Zimmermann, HRRS 2013, 168. 394 Bspw. Scharmer, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG LSA-E, S.  4; s. o. unter Teil C. I.2.

IV. Vorgaben für den Sicherungsverwahrungsvollzug nach § 66 c Abs. 1 StGB

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Tabelle 2 Synopse zu § 66 c Abs. 1 Nr. 1 StGB395 Individualisierungsgebot

BVerfG „Spätestens zu Beginn des Vollzugs der Sicherungsverwahrung hat unverzüglich eine umfassende, modernen wissenschaftlichen Anforderungen entsprechende Behandlungsuntersuchung stattzufinden … Auf dieser Grundlage ist ein Vollzugsplan zu erstellen, … Der Vollzugsplan ist fortlaufend zu aktualisieren und der Entwicklung des Untergebrachten anzupassen.“ Sicherungsverwahrungsvollzug „§ 66 c Abs. 1 StGB: Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung erfolgt in Einrichtungen, die 1. dem Untergebrachten auf der Grundlage einer umfassenden Behandlungsuntersuchung und eines regelmäßig fortzuschreibenden Vollzugsplans eine Betreuung anbieten, …“ Strafvollzug „§ 6 StVollzG Behandlungsuntersuchung: Die Untersuchung erstreckt sich auf die Umstände, deren Kenntnis für eine planvolle Behandlung des Gefangenen im Vollzug und für die Eingliederung nach seiner Entlassung notwendig ist …“ „§ 7 Abs. 2 und 3 StVollzG Vollzugsplan: Auf Grund der Behandlungsuntersuchung (§ 6) wird ein Vollzugsplan erstellt … Der Vollzugsplan ist mit der Entwicklung des Gefangenen und weiteren Ergebnissen der Persönlichkeitserforschung in Einklang zu halten. Hierfür sind im Vollzugsplan angemessene Fristen vorzusehen.“ Intensivierungsgebot

BVerfG „… bedarf es einer individuellen und intensiven Betreuung des Untergebrachten durch ein multidisziplinäres Team qualifizierter Fachkräfte … Darüber hinaus ist die Bereitschaft des Untergebrachten zur Mitwirkung an seiner Behandlung durch gezielte Motivationsarbeit zu wecken und zu fördern … In Betracht zu ziehen sind … psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlungen … Erweisen sich standardisierte Therapiemethoden als nicht erfolgversprechend, muss ein individuell zugeschnittenes Therapieangebot ent­wickelt werden.“ Sicherungsverwahrungsvollzug „§ 66 c Abs. 1 Nr. 1 a) StGB: die individuell und intensiv sowie geeignet ist, seine Mitwirkungsbereitschaft zu wecken und zu fördern, … insbesondere eine psychiatrische, psychooder sozialtherapeutische Behandlung, die auf den Untergebrachten zugeschnitten ist, soweit standardisierte Angebote nicht Erfolg versprechend sind, und …“ (Fortsetzung nächste Seite)

395

Tabellen 2–4 entnommen aus: BVerfGE 128, 374 ff., insbes. Rn. 101, 113–116, 127; s. a. § 130 StVollzG: „Für die Sicherungsverwahrung gelten die Vorschriften über den Vollzug der Freiheitsstrafe (§§ 3 bis 119, 120 bis 126 sowie 179 bis 187) entsprechend, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt ist.“

220

C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

(Fortsetzung: Tabelle 2)

Intensivierungsgebot

Strafvollzug „§ 131 StVollzG Ausstattung: Die Ausstattung der Sicherungsanstalten, namentlich der Hafträume, und besondere Maßnahmen zur Förderung und Betreuung … Seinen persönlichen Bedürfnissen ist nach Möglichkeit Rechnung zu tragen.“ „§ 4 Abs. 1 StVollzG Stellung des Gefangenen: Der Gefangene wirkt an der Gestaltung seiner Behandlung und an der Erreichung des Vollzugszieles mit. Seine Bereitschaft hierzu ist zu wecken und zu fördern.“ „§ 9 StVollzG Verlegung in eine sozialtherapeutische Anstalt …“ Motivierungsgebot

BVerfG „Hierzu bedarf es eines freiheitsorientierten Gesamtkonzepts der Sicherungsverwahrung mit klarer therapeutischer Ausrichtung auf das Ziel, die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr zu minimieren und auf diese Weise die Dauer der Freiheitsentziehung auf das unbedingt erforderliche Maß zu reduzieren.“ Sicherungsverwahrungsvollzug „§ 66 c Abs. 1 Nr. 1 b) StGB: die zum Ziel hat, seine Gefährlichkeit für die Allgemeinheit so zu mindern, dass die Vollstreckung der Maßregel möglichst bald zur Bewährung ausgesetzt oder sie für erledigt erklärt werden kann, …“ Strafvollzug „§ 129 StVollzG Ziel der Unterbringung: Der Sicherungsverwahrte wird zum Schutz der Allgemeinheit sicher untergebracht. Ihm soll geholfen werden, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern.“

Der Vergleich zum StVollzG führt deutlich vor Augen, dass der Vorwurf, man habe in weiten Bereichen „more of the same“396 als etwas wirklich anderes geschaffen, z. T. nicht von der Hand zu weisen ist. Die Kritik, das BVerfG habe Aspekte, die bereits im StVollzG angelegt waren, im Abstandsgebot etwas anders formuliert, ist zumindest teilweise berechtigt. Daraus folgt nicht automatisch, dass der Strafvollzug nunmehr ein „Peius“397 der Sicherungsverwahrung sein wird. Denn, was das Gericht mit dem Urteil ebenfalls bewirkte: Teilweise hat es aus dem Vollzugsrecht bekannte Kriterien für den Sicherungsverwahrungsvollzug verfassungsrechtlich aufgewertet und abgesichert.398 Da der Gesetzgeber im Wesentlichen die Formulierungen des BVerfG übernommen hat, wird es dem Gericht zur Ausfüllung des Abstandsgebots reichen.399 396 Drenkhahn in der Anhörung zum SVVollzG Bln-E, Wortprotokoll Recht 17/19, S. 11; s. a. Dessecker, ZfRSoz 2012/2013, 277: „buchstabengetreu umgesetzt“; Peglau, JR 2013, 249. 397 Drenkhahn in der Anhörung zum SVVollzG Bln-E, Wortprotokoll Recht 17/19, S. 11. 398 Dessecker, ZfRSoz 2012/2013, 277. 399 Drenkhahn, Vorgänge 2014, 11.

IV. Vorgaben für den Sicherungsverwahrungsvollzug nach § 66 c Abs. 1 StGB

221

Tabelle 3 Synopse zu § 66 c Abs. 1 Nr. 2 StGB Freiheitsorientierung & Beschränkungen

BVerfG „Die Sicherungsverwahrung ist daher überhaupt nur dann zu rechtfertigen, wenn der Gesetzgeber bei ihrer Ausgestaltung dem besonderen Charakter des in ihr liegenden Eingriffs hinreichend Rechnung und dafür Sorge trägt, dass über den unabdingbaren Entzug der ‚äußeren‘ Freiheit hinaus weitere Belastungen vermieden werden. … Die Gegebenheiten innerhalb der Einrichtung müssen den therapeutischen Erfordernissen entsprechen und ausreichende Besuchsmöglichkeiten zur Aufrechterhaltung familiärer und sozialer Außenkontakte bereithalten. … Das Leben im Maßregelvollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen anzupassen, soweit Sicherheitsbelange dem nicht entgegenstehen.“ Sicherungsverwahrungsvollzug „§ 66 c Nr. 2 StGB: eine Unterbringung gewährleisten, a) die den Untergebrachten so wenig wie möglich belastet, den Erfordernissen der Betreuung im Sinne von Nummer 1 entspricht und, soweit Sicherheitsbelange nicht entgegenstehen, den allgemeinen Lebensverhältnissen angepasst ist, und …“ Strafvollzug „§ 131 StVollzG Ausstattung: Die Ausstattung der Sicherungsanstalten, namentlich der Hafträume, und besondere Maßnahmen zur Förderung und Betreuung sollen dem Untergebrachten helfen, sein Leben in der Anstalt sinnvoll zu gestalten, und ihn vor Schäden eines langen Freiheitsentzuges bewahren …“ „§ 3 Abs. 1 StVollzG Gestaltung des Vollzugs: Das Leben im Vollzug soll den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit als möglich angeglichen werden.“ Trennungsgebot

BVerfG „Dies erfordert zwar eine vom Strafvollzug getrennte Unterbringung in besonderen Gebäuden oder Abteilungen, aber keine vollständige räumliche Ablösung vom Strafvollzug (Trennungsgebot).“ Sicherungsverwahrungsvollzug „§ 66 c Abs. 1 Nr. 2 b) StGB: die vom Strafvollzug getrennt in besonderen Gebäuden oder Abteilungen erfolgt, sofern nicht die Behandlung im Sinne von Nummer 1 ausnahmsweise etwas anderes erfordert, und …“ Strafvollzug „§ 140 Abs. 1 StVollzG Trennung des Vollzugs: Die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung wird in getrennten Anstalten oder in getrennten Abteilungen einer für den Vollzug der Freiheitsstrafe bestimmten Vollzugsanstalt vollzogen.“

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund  Tabelle 4 Synopse zu § 66 c Abs. 1 Nr. 3 StGB Minimierungsgebot

BVerfG „Die Konzeption der Sicherungsverwahrung muss Vollzugslockerungen vorsehen und Vorgaben zur Entlassungsvorbereitung enthalten, wobei der Freiheitsorientierung möglichst weitgehend Rechnung zu tragen ist. … So muss sichergestellt werden, dass Vollzugslockerungen nicht ohne zwingenden Grund – etwa auf der Grundlage pauschaler Wertungen oder mit dem Hinweis auf eine nur abstrakte Flucht- oder Missbrauchsgefahr – versagt werden können. …“ Eine weitere Hürde, die der Entlassung des Sicherungsverwahrten entgegensteht, ist schließlich, dass es häufig an strukturierten Kooperationen der Anstalten mit Nachsorgeeinrichtungen sowie der Schaffung eines gesicherten sozialen Empfangsraums nach Entlassung aus der Sicherungsverwahrung fehlt … ist daher insbesondere der Aufbau von Netzwerken und geeigneten Organisationsstrukturen vonnöten, um eine durchgängige nachsorgende Betreuung des entlassenen Sicherungsverwahrten gewährleisten zu können.“ Sicherungsverwahrungsvollzug „§ 66 c Abs. 1 Nr. 3 StGB: zur Erreichung des in Nummer 1 Buchstabe b genannten Ziels a) vollzugsöffnende Maßnahmen gewähren und Entlassungsvorbereitungen treffen, soweit nicht zwingende Gründe entgegenstehen, insbesondere konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, der Untergebrachte werde sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die Maßnahmen zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen, sowie … b) in enger Zusammenarbeit mit staatlichen oder freien Trägern eine nachsorgende Betreuung in Freiheit ermöglichen.“ Strafvollzug „§ 10–13 StVollzG: Offener und geschlossener Vollzug; Lockerungen des Vollzugs; Ausführung aus besonderem Anlass; Urlaub“ „§ 134 StVollzG Entlassungsvorbereitung: Um die Entlassung zu erproben und vorzubereiten, kann der Vollzug gelockert und Sonderurlaub bis zu einem Monat gewährt werden. Bei Untergebrachten in einer sozialtherapeutischen Anstalt bleibt § 124 [Urlaub zur Vorbereitung der Entlassung] unberührt.“ „§ 11 Abs. 2 StVollzG Lockerungen des Vollzugs: Diese Lockerungen dürfen mit Zustimmung des Gefangenen angeordnet werden, wenn nicht zu befürchten ist, daß der Gefangene sich dem Vollzug der Freiheitsstrafe entziehen oder die Lockerungen des Vollzugs zu Straftaten mißbrauchen werde.“ „§ 154 Abs. 2 StVollzG Zusammenarbeit: Mit den Behörden und Stellen der Entlassenenfürsorge, der Bewährungshilfe, den Aufsichtsstellen für die Führungsaufsicht, den Agenturen für Arbeit, den Trägern der Sozialversicherung und der Sozialhilfe, den Hilfeeinrichtungen anderer Behörden und den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege ist eng zusammenzuarbeiten. Die Vollzugsbehörden sollen mit Personen und Vereinen, deren Einfluß die Eingliederung des Gefangenen fördern kann, zusammenarbeiten.“

IV. Vorgaben für den Sicherungsverwahrungsvollzug nach § 66 c Abs. 1 StGB

223

Dennoch sind einzelne Bereiche der Leitlinie des § 66 c StGB kritikwürdig. So bleibt der Gesetzgeber in relevanten Bereichen wie Personal und therapeutischer Behandlung der Verwahrten recht vage bzw. zieht sich auf seine Leitlinienkompetenz zurück. Es wird darauf ankommen, wie die SVVollzGe ausgestaltet sind und wie viel Geld und Mut die Landesverwaltungen in die Hand nehmen werden. Zu befürworten ist, dass der Bundesgesetzgeber verbindliche Vorgaben zur Betreuung ohne Beschränkungen wie Ruhepausen o. ä. gemacht hat, da die (wenigen) Untersuchungen zur Vollzugspraxis doch eines deutlich gezeigt haben: Gerade im Bereich von therapeutischen Angeboten gab es einen eklatanten Mangel, der sich durch die gesetzliche Festlegung einer Ruhepause praktisch nicht bzw. schwerer als mit der jetzigen Regelung in § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB umsetzen lassen würde. Klar sein dürfte, dass keine Therapie keine Lösung ist: Die nachweislich häufig anzutreffenden Persönlichkeitsstörungen können durch die reine Verwahrung nicht beseitigt werden.400 Zu befürchten ist vielmehr eine Verschärfung der Störung aufgrund jahrzehntelanger Haftzeiten. Daher gebührt der Ansprechbarkeit besondere Aufmerksamkeit, so dass eine Ruhepause der falsche Weg wäre. Dass eine Therapie nicht stets gleich erfolgreich verläuft, ist ihr immanent. Dies darf nicht zum Nachlassen des Bemühens um den Inhaftierten führen. Der Bundesgesetzgeber sieht seine Aufgabe, Leitlinien für ein abstandsgebotsgeprägtes Gesamtkonzept vorzugeben, damit erfüllt, dass er Angaben zur therapeutischen Ausgestaltung des Vollzugs macht und darüber hinaus viele Teile den Ländern vorbehält. Allein ein Blick auf die Gebote des BVerfG zeigt, dass noch mehr hinter dem Abstandsgebot und dem geforderten Gesamtkonzept „steckt“ als schwerpunktmäßig die Betreuung. Auch bei denen, die trotz aller Therapie in der Sicherungsverwahrung bleiben, müsste die Lebenswirklichkeit dem Abstands­ gebot entsprechen.401 Letzten Endes sollte die Reihenfolge der genannten Methoden in Nr. 1 a geändert oder aber das Wort „psychiatrisch“ gestrichen werden. Ggf. ist das Wort „altersgerecht“ gleich zu Beginn der Norm zu ergänzen. Darüber hinaus sind die Beschränkungen des Trennungsgebots zu locker formuliert, was Tür und Tor für ständige Durchbrechungen unter dem Deckmantel der Behandlung öffnet. Zu ergänzen wäre daher im § 66 c Abs. 1 Nr. 2 b in Anlehnung an Nr. 3 a derselben Vorschrift der Zusatz: „sofern es zwingende Gründe der Behandlung erfordern“. Ob man so optimistisch wie Radtke sein kann, dass der Abs. 1 des § 66 c StGB eine wie vom BVerfG gewünschte Regelungsdichte und ein entsprechendes Gesamtkonzept darstellt, wird die Praxis zeigen können und müssen.402 Hinsichtlich der vollzugsöffnenden Maßnahmen ist dies jedoch zu bezweifeln.

400

K. M. Böhm/Boetticher, KrimPäd 2009, 35. Zuzustimmen ist der Kritik des DAV, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG Nr. 56/2012, S. 5. 402 Radtke, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 8. 401

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

V. Vorgaben für den vorausgehenden Strafvollzug nach § 66 c Abs. 2 StGB Die Regelung in § 66 c Abs. 2 StGB stellt ein absolutes Novum dar, indem sie den Strafvollzug bzw. Teile davon im StGB regelt und Besonderheiten bereits für den Vollzug der Freiheitsstrafe vorschreibt: Nach § 66 c Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Nr. 1 StGB muss der Verurteilte bereits im Strafvollzug individuell, intensiv und motivierend betreut werden.403 Diese Norm wirft viele Fragen auf. Wie bspw. lässt sich eine Besserstellung potentieller Verwahrter ggü. „normalen“, insbesondere anderen lange inhaftierten Strafgefangenen, rechtfertigen und welche Folgeprobleme könnten u. U. damit verbunden sein? Handelt es sich überhaupt um eine Besserstellung der potentiell Verwahrten? Des Weiteren sticht hervor, dass Abs. 2 nur einen Verweis auf die Nr. 1 des § 66 c Abs. 1 StGB enthält, so dass hier ein etwaiger Änderungsbedarf zu klären ist. Im Unterschied zu Abs. 1 wird hier lediglich die „sozialtherapeutische Behandlung“ im Gesetzestext hervorgehoben – dem gilt es ebenso nachzugehen. 1. Sonderbehandlung und Rechtfertigung Das BVerfG hat betont, dass der Vollzug der Sicherungsverwahrung nur das letzte Mittel sein dürfe oder m. a. W. der Vollzug der Sicherungsverwahrung nur dann zu rechtfertigen sei, wenn „schon während des Strafvollzugs alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden, um die Gefährlichkeit des Verurteilten zu reduzieren“.404 Deshalb ist schon im Strafvollzug alles dafür zu tun, um möglichst den Vollzug der Sicherungsverwahrung zu verhindern. Der Gesetzgeber will diesen Ultima-Ratio-Grundsatz in erster Linie mit § 66 c Abs. 2 StGB umgesetzt wissen. Idealerweise müsste es sich dabei um „Sicherungsverwahrungs-Vollstreckungs-Vermeidungsrecht“ handeln.405 Wie das OLG Hamm in einem Beschluss vom 28.4.2012 feststellte, ist damit „hinsichtlich zu gewährender Behandlungs­ 403 Erstmals hat die Gruppe der potentiell Verwahrten auch auf Landesebene ihren gesetzlichen Niederschlag gefunden. Entweder wurden Neuregelungen in die bestehenden LSt VollzGe integriert, wie bspw. in BW: §§ 97 ff. JVollzGB III (Abschnitt 16: „Besondere Vorschriften über den Vollzug der freiheitsentziehenden Maßregeln der Besserung und Sicherung“, Unterabschnitt 1: „Besondere Vorschriften bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung“), oder (einzig) SH schuf ein eigenes Gesetz („Gesetz über den Vollzug der Freiheitsstrafe bei Gefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung in Schleswig-Holstein (SVStVollzG SH)“, SH GVBl. 2013, S. 169). Nur LSA wählte den Weg, einen Teil 2 zum „Vollzug der Freiheitsstrafe bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung“ in §§ 118 ff. SVVollzG LSA vorzusehen, krit. dazu Köhne, JR 2015, 257. Bisher fehlt jedoch ein erkennbares vollzugliches Gesamtkonzept für den vorausgehenden Strafvollzug, dazu Bartsch, NK 2013, 204; Grote 2015, 198; ders., KrimPäd 2013, 32; Schäfersküpper/Grote, NStZ 2013, 453. 404 BVerfGE 128, 379; ebso. die Gesetzesbegründung BT-Drs. 17/9874, S. 11. 405 Pollähne, StV 2013, 252.

V. Vorgaben für den vorausgehenden Strafvollzug nach § 66 c Abs. 2 StGB

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­ rivilegierung der Strafgefangenen mit anschließender Sicherungsangebote eine P verwahrung gegenüber den ‚normalen‘ Strafgefangenen ausdrücklich normiert­ worden“.406 Dass die Neuregelung vom Bundesgesetzgeber und vom BVerfG zur Vermeidung der anschließenden Sicherungsverwahrung gedacht sind,407 ergibt sich aus der Gesetzesbegründung sowie dem Urteil selbst. Skeptisch kann man allerdings sein, ob hier wirklich eine zu rechtfertigende Privilegierung von potentiellen Sicherungsverwahrten ggü. anderen Strafgefangenen vorliegt. Damit zusammenhängend drängt sich die Frage auf, wieso ggf. ein mit Sicherungsverwahrung bedrohter Strafgefangener mehr Privilegien haben sollte als ein „normaler“, besonders ein lebenslang inhaftierter Strafgefangener, für den das verfassungsrechtlich garantierte Gebot der Resozialisierung gilt.408 Zumindest aus ethischer Sicht müsste ein normaler Strafgefangener im selben Maße einen Anspruch darauf haben, dass alle Ressourcen zur Behandlung und Betreuung i. S. d. § 66 c Abs. 1 Nr. 1 StGB genauso bei ihm ausgeschöpft werden. In der Tat bedeutet § 66 c Abs. 2 StGB einerseits, dass die latent Sicherungsverwahrten künftig eine umfassendere Betreuung erhalten müssen. Auf der anderen Seite könnte damit für die restlichen Strafgefangenen die Erhöhung des Strafübels über die Entziehung der Freiheit und die bisher mit der Unterbringung im Justizvollzug zusammenhängenden Belastungen hinaus verbunden sein, wenn sie nicht entsprechende therapeutische Behandlung erhalten und sich die potentiellen Verwahrten damit auf einer „behandlerischen ‚Überholspur‘ befinden“409. Die Vollzugsrealität sah bisher anders aus. So wurde in der empirischen Analyse in Teil B. nachgewiesen, dass es eine Sonderbehandlung der potentiellen Sicherungsverwahrten hauptsächlich in negativer Hinsicht gab. Diese waren quasi „geparkt“ im Strafvollzug oder gar in der sozialtherapeutischen Anstalt, wurden darin jedoch mehr auf die Sicherungsverwahrung denn auf die Freiheit vorbereitet. Die Behandlung wich negativ von derjenigen der „normalen“ Gefangenen ab, indem sie viel zu selten begonnen und viel zu häufig und zu früh abgebrochen wurde. Realistisch betrachtet, müsste man froh sein, wenn zwischen „normalen“ Strafgefangenen und „Rucksackstrafgefangenen“ mittels des neuen § 66 c Abs. 2 StGB ein Gleichlauf erzeugt werden könnte.410 Die bisher dazu ergangenen Entscheidungen jedenfalls fordern entsprechend dem Urteil des BVerfG und § 66 c Abs. 2 StGB, welcher auf Nr. 1 des Abs. 1 verweist, folgerichtig eine Privilegierung der Straf­

406

OLG Hamm StV 2014, 573 ff.; dem folgend OLG Celle StV 2015, 374 f. And. jedoch Köhne, JR 2015, 257. 408 Kinzig 2012, 19; ders., Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S.  2; zur Frage, ob nicht § 66 c Abs. 1 Nr. 1 StGB für nach § 63 StGB Untergebrachte gelten müsste vgl. Wolf 2012, 73. 409 Schäfersküpper/Grote, NStZ 2013, 453. 410 Köhne, JR 2015, 258, der eine solche Norm für den potentiellen SVV vorschlägt; ähnl. MüKo-Ullenbruch/Morgenstern 2012, § 66 a Rn. 35. 407

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

gefangenen mit notierter Sicherungsverwahrung in Bezug auf die zu gewährenden Behandlungsangebote.411 Welche Konsequenz ist nun daraus zu ziehen? In der Neuregelung des § 66 c Abs. 2 StGB kommt ein angestrebter Richtungswechsel zum Ausdruck. Um, wie vom BVerfG gefordert, die Sicherungsverwahrung möglichst zu vermeiden, ist die behandlerische Ausrichtung als Mittel vorgegeben, um die Gefährlichkeit bereits im Strafvollzug derart zu minimieren.412 Bereits in der erstmaligen gesetzlichen Festschreibung, dass die Klientel der potentiellen Verwahrten „besonders“ zu behandeln und betreuen ist, wurde ein deutliches Zeichen gesetzt. Denn der bisherige „Winterschlaf“ der (therapeutischen) Betreuung während des Strafvollzugs soll umgewandelt werden in einen Therapiebeginn während der Strafzeit mittels eines differenzierten Angebots nach dem Bedarf dieser „altgedienten Straftäter“.413 Sie haben gesetzlich denselben Anspruch auf eine individuelle und intensive Behandlung wie Sicherungsverwahrte. Man kann sich erhoffen, dass dadurch, bei entsprechender Umsetzung in der Praxis, eine bessere Motivation der Betroffenen nicht mehr nur bloße Theorie bleibt.414 Die gesetzliche, von der Rechtsprechung der OLGe betonte Sonderbehandlung der potentiellen Sicherungsverwahrten gilt es zu rechtfertigen. Rechtlich-dogmatisch lässt sich einzig das Sonderopfer anbringen, welches dem Strafgefangenen droht.415 Dies legt ebenfalls der Gedanke nahe, dass Abs. 2 gerade nicht auf die Nr. 2 des § 66 c Abs. 1 StGB verweist. Denn dieser betrifft die spezielle Situation, wenn das Sonderopfer real geworden ist und nicht mehr „nur“ droht. Dieses fußt auf dem zweispurigen Sanktionensystem, der Verwahrte muss es über das normale Opfer der Freiheitsstrafe hinaus zum Schutz der Allgemeinheit trotz bereits verbüßter Schuld erbringen. Damit ist die Schuld doch zumindest negativ berücksichtigt, und zwar in dem Sinne, dass auf Ebene des Sicherungsverwahrungsvollzugs die Verbüßung durch den Vollzug der Freiheitsstrafe als Argument für eine ganz besondere Art und Weise der Behandlung dient. Allein die „Bedrohung“ des noch Strafgefangenen durch dieses Sonderopfer rechtfertigt dann im Strafvollzug eine besondere Behandlung. Gleichermaßen sieht es das BMJ, welches die „Sonderregelungen“ auf Rechtsschutzebene damit begründete, dass ja nur dem Strafgefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung dieses Sonderopfer drohe und der neue § 66 c StGB für die Zulässigkeit des Sonderopfers 411

OLG Hamm StV 2014, 573 ff.; zuletzt OLG Celle StV 2015, 374. BVerfGE 128, 379. 413 Kröber et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 169: bisher „winterschlafmäßiger Eindruck“. 414 Zur bisherigen Einschätzung der Motivierbarkeit vgl. MüKo-Ullenbruch/Morgenstern 2012, § 66 a Rn. 28. 415 Kinzig, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 3; Peglau, JR 2013, 252; Wolf 2012, 73, der angesichts der praktischen Probleme, die auf den Strafvollzug zukommen werden, aber mit Recht skeptisch bleibt; and. Meier 2015a, 178 f.; ähnl. Pollähne, StV 2013, 257. 412

V. Vorgaben für den vorausgehenden Strafvollzug nach § 66 c Abs. 2 StGB

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Sicherungsverwahrung von entscheidender Bedeutung sei.416 Der „normale“ Strafgefangene hingegen weiß, dass er frei kommt, nachdem er seine Strafe verbüßt hat. An seine Grenzen gerät diese Argumentation im Bereich der lebenslangen Freiheitsstrafe, die nur noch aufgrund der Gefährlichkeit des Inhaftierten zum Schutz der Allgemeinheit vollstreckt wird.417 Der Gesetzentwurf verneint, dass die betroffenen Strafgefangenen in einer § 66 c Abs. 1 StGB entsprechenden Anstalt unterzubringen seien.418 Mit der Neuerung wurde die Sorge laut, dass durch die Besserstellung in Zukunft nicht nur in den Sicherungsverwahrungsabteilungen, sondern „schon“ im Strafvollzug ein zusätzliches hausgemachtes Konfliktpotential vorprogrammiert sei.419 Wenn die Öffentlichkeit außerhalb des Justizvollzuges eine Besserstellung von (potentiellen) Sicherungsverwahrten nicht recht verstehen kann („Hotelvollzug für Sexverbrecher“), wie soll dann ein Strafgefangener, der in der totalen Institution zwangs­ läufig jeden Tag am eigenen Leib die vermeintliche Nichtprivilegierung mitbekommt, diese ohne Neid und Ärger hinnehmen?420 Die in Teil B. vorgestellte aktuelle Studie zu Viktimisierungserfahrungen von Sicherungsverwahrten im Vollzug deutet darauf hin, dass diese in besonderem Maße Gewalt ausgesetzt sind.421 Die Befürchtung, dies sei im vorausgehenden Strafvollzug ebenfalls der Fall, ist nicht ganz fernliegend. Radtke meint, dass man deshalb Rechtstatsachenforschung betreiben müsse, um irgendwann adäquat gesetzlich darauf reagieren zu können.422 Selbstverständlich ist die Forderung nach einer empirisch fundierten Analyse nicht falsch, sondern wie Teil B. zeigt, sogar ein Desiderat des Sicherungs- und vorausgehenden Strafvollzugs. 2. Einbeziehung in ein vikariierendes System Den Neuerungen des SichVAbstUmsG wird vorgeworfen, dass die Sicherungsverwahrung in Bezug auf die zwingende Reihenfolge von Straf- und anschließendem Sicherungsverwahrungsvollzug weiterhin mehr eine „Fortsetzung der Freiheitsstrafe mit anderen Mitteln“ sei denn eine Maßregel der Besserung und Sicherung.423 Pollähne fragt, wieso es nicht neben der grds. Vermeidung der Siche 416

Eckpunktepapier BMJ, S. 12. Vgl. dazu Teil E. V.1. 418 Vgl. BT-Drs. 17/9874, S. 18. 419 Bspw. fürchtet Wendt (DPolG) in BILD vom 22.7.2011 „Gefangenenrevolten: Die schlimmsten Verbrecher kriegen im Knast die beste Behandlung. Das werden sich andere Häftlinge nicht gefallen lassen!“ Ähnl. Radtke, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbst UmsG-E, S. 10; ebso. Feest, LTO vom 9.11.2012. 420 Asprion in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RAPr 17/90, S. 40; Kreuzer, ebda., S. 38 f. 421 Vgl. Teil B.II.3.e); Forderungen diesbzgl. bei Kreuzer, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 5. 422 Radtke, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 10. 423 Pollähne, StV 2013, 252: Vorwurf der Doppelbestrafung weiterhin naheliegend. 417

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

rungsverwahrung Fälle geben könne, wo zuerst die Sicherungsverwahrung vollstreckt werde.424 Wenn sich dann herausstelle, dass ihre Voraussetzungen nicht mehr vorlägen, könne man die Zeit des Sicherungsverwahrungsvollzugs auf die Freiheitsstrafe anrechnen (entsprechend § 67 Abs. 4 StGB). Oder falls die Sicherungsverwahrung länger als die angeordnete Freiheitsstrafe vollstreckt werden müsse: Wieso solle man dann die Freiheitsstrafe noch vollstrecken müssen? Bei einem Blick in die damalige Begründung für den Ausschluss des Vorvollzugs könnte man angesichts der neuen therapeutischen Ausrichtung der Sicherungsverwahrung Zweifel bekommen. Im Zusammenhang mit dem 2. StRG hieß es, dass der Vorvollzug der Sicherungsverwahrung nicht angezeigt sei, weil „im Gegensatz zu den anderen freiheitsentziehenden Maßregeln … mit der Sicherungsverwahrung kein gezielter Behandlungszweck verfolgt“ werde.425 Die Sicherungsfunktion, die mit ihr angestrebt werde, erfülle bereits der Vollzug der Freiheitsstrafe. Des Weiteren würden dann „die schwersten Verbrecher, gegen die wegen ihrer erheblichen kriminellen Gefährlichkeit nicht nur eine Freiheitsstrafe verhängt, sondern auch die Sicherungsverwahrung angeordnet ist“, in „einen wesentlich milderen Vollzug gelangen, als diejenigen die ungefährlicher sind und die das Gericht deshalb lediglich zu einer Freiheitsstrafe verurteilt hat.“426 Daher sei eine Vorabvollstreckung unbillig. Angesichts der im BVerfG-Urteil zum Ausdruck kommenden therapeutischen Neuausrichtung der Sicherungsverwahrung sowie der Ausstrahlungskraft des Sonderopfers in den Vollzug der Freiheitsstrafe kann man diese Argumentation und damit § 67 Abs. 1 StGB anzweifeln und es verwundert, dass der Gesetzgeber darauf nicht eingegangen ist. Das mit dem Vikariieren verfolgte Ziel, die therapeutisch vermutlich fruchtbarsten ersten Jahre des Freiheitsentzugs zu nutzen,427 verdient angesichts der Therapieorientierung mehr denn je Beachtung. Allerdings argumentierte der Gesetzgeber in der damaligen Begründung zum 2. StRG weiter damit, dass der Ausschluss des Vorwegvollzugs der Sicherungsverwahrung u. a. darauf beruhe, dass der Ultima-Ratio-Grundsatz gelte und im Falle des zunehmenden Vikariierens eine Differenzierung zwischen den Vollzugs­ formen der Freiheitsstrafe und der Sicherungsverwahrung nicht mehr möglich sei. Zudem wird in der Möglichkeit des Vikariierens zugleich ein weiterer Hinweis zur Auflösung des zweispurigen Systems gesehen.428 Angesichts der kriminalpolitischen und gesetzlichen sowie infolgedessen tatsächlichen Entwicklung seit Ende der 1990er Jahre kann man durchaus seine Zweifel an der Sicherungs 424 Pollähne, StV 2013, 252; für die Einbeziehung in ein vikariierendes System bspw. Eisenberg, JR 1995, 40; Jescheck/Weigend AT 1996, 87, Kinzig 1996, 121, Mushoff 2008, 295 f. m. w. N. 425 BT-Drs.  5/4095, S.  31. Diese Ansicht wurde gleichfalls in der Lit. vertreten, s.  bspw.­ Jescheck, ZStW 1968, 83; Noll, ZStW 1964, 713; ebso. Mushoff 2008, 295 m. w. N. 426 BT-Drs. 5/4095, S. 31; krit. dazu Kinzig 1996, 121. 427 S. dazu Mushoff 2008, 295. 428 Krit. dazu Ostendorf, StV 2014, 768.

V. Vorgaben für den vorausgehenden Strafvollzug nach § 66 c Abs. 2 StGB

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verwahrung als „Ultima-Ratio-Maßnahme“ haben.429 Der Ultima-Ratio-Grundsatz spricht aber dafür, dass es grds. richtig ist, die Sicherungsverwahrung nur zu vollstrecken, wenn es nicht anders geht. Zudem könnte man sagen, dass die Neuerungen des § 66 c Abs. 2 StGB im Bereich des Strafvollzugs der latent von der Sicherungsverwahrung bedrohten Strafgefangenen faktisch die Funktion dieser Vorabvollstreckung übernehmen könnte.430 Dies wäre dann der Fall, wenn den Strafgefangenen mit notierter Sicherungsverwahrung die Bedingungen des Sicherungsverwahrungsvollzugs soweit als möglich angeboten würden. Das setzte wiederum voraus, dass § 66 c Abs. 2 StGB nicht nur auf die Nr. 1 des Abs. 1 verweist, sondern gleichfalls auf die Nr. 3. Es besteht allein deshalb Nachbesserungsbedarf im Zusammenhang mit den Verweisen in Abs. 2 der Norm, worauf der folgende Abschnitt eingeht. 3. Nachbesserungsbedarf aufgrund fehlender Verweise Verlassen werden muss der Irrweg, im Strafvollzug mehr auf die Sicherungsverwahrung denn auf die Freiheit vorzubereiten.431 Denn im Einzelfall können die im Strafvollzug wahrgenommenen Therapieangebote „wesentliche gegen die Anordnung der Maßregel sprechende Gesichtspunkte darstellen“.432 Ein behandlungsorientierter Vorab(straf)vollzug und damit der Verweis in § 66c Abs. 2 StGB auf Abs. 1 Nr. 1 derselben Norm ist daher gerechtfertigt. Allerdings könnte die Neuerung trotz oder paradoxerweise gerade wegen der potentiellen Gefährlichkeit nicht weit genug gehen.433 Damit ist die Problematik angesprochen, dass § 66 c Abs. 2 StGB, genauso wie der diesen absichernde § 119 a Abs. 1 Nr. 2 StVollzG, „nur“ auf Abs. 1 Nr. 1 derselben Norm verweist. Der Ultima-Ratio-Gedanke spricht für sich. Es kann dem BVerfG nicht darum gegangen sein, erst und dann verstärkt in der Verwahrung vollzugsöffnende Maßnahmen zu gewähren.434 Die Gesetzesmaterialien hingegen erwähnen im Zusammenhang mit der Unterbringung der potentiell Verwahrten, die nicht notwendigerweise in einer Einrichtung i. S. v. § 66 c Abs. 1 StGB erfolgen müsse, dass es nicht geboten sei, „während der Strafhaft auch die Vorgaben nach § 66c Absatz 1 Nummer 2 und 3 StGB-E zu beachten.“435 Gleichzeitig steht in § 66 c Abs. 1 Nr. 3 StGB im Gesetzestext, dass vollzugsöffnende Maßnahmen, Entlassungsvorberei 429 Etwa  Boetticher, MschrKrim 1998, 364 f.; Eisenberg/Hackethal, ZfStrVo 1998, 199; Mushoff 2008, 296. 430 Das räumt gewissermaßen Pollähne, StV 2013, 252 f. ein. 431 Walther, MschrKrim 1997, 215; s. a. Kröber et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 169. 432 BGH NStZ-RR 2015, 73 f.; s. a. BGH StV 2011, 276. 433 In diesem Sinne OLG Hamm StV 2014, 573 ff. 434 Dass die Regelungsbereiche des § 66  c Abs.  1 Nr.  3 StGB entscheidend sind, hat das BVerfG ausdrückl. festgestellt, vgl. BVerfGE 128, 381; ebso. Köhne, ZRP 2012, 90. 435 BT-Drs. 17/9874, S. 18.

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

tung bzw. nachsorgende Betreuungsmodalitäten (Übergangsmanagement) und die Zusammenarbeit mit Dritten „zur Erreichung des in Nummer 1 Buchstabe b genannten Ziels“ dienen. In § 66 c Abs. 1 Nr. 2 a StGB heißt es, dass eine Unterbringung zu gewährleisten sei, die „den Erfordernissen der Betreuung im Sinne von Nummer 1 entspricht“. Eine Verbindung zur Nr. 1 ist damit in beiden Regelungen hergestellt. Folglich interpretierte man die Gesetzesbegründung als „insoweit unklar“.436 Für eine auf eine schnellstmögliche Entlassung ausgerichtete Behandlung bedarf es je nach Stadium des Vollzugs unterschiedlicher Maßnahmen zunächst muss überhaupt eine Motivation erzeugt werden, später kann es u. U. zu vollzugsöffnenden Maßnahmen bis hin zu Entlassungsurlaub kommen.437 Damit soll zum Ausdruck gebracht werden: Die Behandlung i. S. d. Nr.  1 ist sachlich unauflöslich mit den idealerweise daran anknüpfenden vollzugsöffnenden Maßnahmen und einer im Anschluss stehenden umfassenden Entlassungsvorbereitung verknüpft.438 Speziell bei der vorbehaltenen Sicherungsverwahrung kommt zur bisher restriktiven Handhabung vollzugsöffnender Maßnahmen im vorausgehenden Strafvollzug hinzu, dass die Gefährlichkeit (vorerst) noch nicht abschließend beurteilt ist. Nicht nur dass hier das Damoklesschwert der Sicherungsverwahrung im Vergleich zur angeordneten Sicherungsverwahrung schwerer wiegen und damit eine enorme psychische Belastung bestehen kann. Darüber hinaus liegt folgende Situation vor: Einerseits lässt dieses Stigma des potentiell gefährlichen Straf­gefangenen eine zusätzliche Benachteiligung bei der Gewährung von Lockerungen und Entlassungsvorbereitungen befürchten, so dass eine Entlassung bzw. der Nichtantritt der Sicherungsverwahrung unwahrscheinlich erscheint.439 Andererseits könnte das Potential des Vorbehalts sinnvoll genutzt werden, um z. B. zur Mitwirkung zu motivieren.440 Doch die Vermeidung der Sicherungsverwahrung setzt voraus, dass sich der Strafgefangene erproben darf und auf eine mögliche Entlassung vorbereitet wird.441 Die Einbeziehung der vollzugsöffnenden Maßnah 436 Kinzig, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S.  2; weitergehend DAV, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E Nr. 56/2012, S. 5, 7 zur Aufnahme der Nr. 3 in den § 66 c Abs. 2 StGB sowie für entsprechende Änderungen des § 119 a Abs. 1 Nr. 1 a StVollzG; krit. auch Ebner 2015, 189 f.; Renzikowski, NJW 2013, 1639; H. Baier, StraFo 2014, 400 vertritt für § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB, dass der durch den Verweis in Nr. 3 auf Nr. 1 hergestellte Zusammenhang ausreiche, um über die Unverhältnismäßigkeitsregelung auch die vollzugsöffnenden Maßnahmen im SV einfordern zu können; and. Peglau, JR 2013, 252. 437 Zur Bedeutung s. Bartsch in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 39 f. sowie Dessecker 2016, 476 m. w. N.: über die Bedeutung vollzugsöffnender Maßnahmen als wichtige Behandlungsmöglichkeit bestehe Einigkeit in der Literatur. 438 Darauf hinweisend mit Recht LG Marburg, Beschl. vom 13.9.2013  – 7 StVK 109/12, Rn. 28 – bei juris. 439 Asbrock, Betrifft Justiz 2002, 374; Boetticher, NStZ 2005, 420; Ebner 2015, 187; Finger 2008, 205; vgl. zu den Belastungen durch die vorbehaltene SV ebso. MüKo-Ullenbruch/Morgenstern 2012, § 66 a Rn. 29. 440 Bartsch 2010, 336 ff.; Streng, JZ 2011, 834; and. wohl Ebner 2015, 187. 441 Zur herausragenden Bedeutung s. BVerfGE 128, 381.

V. Vorgaben für den vorausgehenden Strafvollzug nach § 66 c Abs. 2 StGB

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men in den Strafvollzug über den Verweis auf § 66 c Abs. 1 Nr. 3 StGB würde daher der befürchteten Benachteiligung entgegenwirken. Die Übergangsphase zwischen Vollzug und Freiheit ist heikel und bürgt bei fehlendem oder mangelhaftem Übergangsmanagement Reintegrations- und Rückfallrisiken, was unterschiedliche empirische Untersuchungen aufzeigen.442 Wieso sollte der Vollzug nur bei Sicherungsverwahrten und nicht bei potentiellen Sicherungsverwahrten, wo oberstes Ziel ist, den Maßregelantritt zu vermeiden, nicht dazu verpflichtet sein, den Übergang möglichst ineinander übergehend zu organisieren? Einen Zusammenhang von „Behandlung – Vollzugslockerungen – Entlassungsvorbereitung“ gibt es genauso im vorausgehenden Strafvollzug. Dies gilt v. a., wenn man, wie es in Nr. 3 heißt, das Vollzugsziel erreichen will. Das Konfliktpotential und die gesammelten Erfahrungen mit Gewalt im Strafund Sicherungsverwahrungsvollzug sprechen dafür, die Bemühungen zur Resozialisierung im vorausgehenden Strafvollzug verpflichtend(er) zu intensivieren.443 Letztlich sehen sich Therapie und Vollzugsplanung in besonderem Maße im voraus­gehenden Strafvollzug der Problematik ausgesetzt, dass keine mit einem normalen Strafgefangenen vergleichbare Entlassungsperspektive möglich ist, da die Sicherungsverwahrung droht. Umso mehr ist es aus Perspektive der Resozialisierung angezeigt, dass man niederschwellige Lockerungen gewährt, wenn die Therapie nur schwer plan- und umsetzbar ist. Mit Recht konstatierte das OLG Hamm in einer Entscheidung aus dem Jahre 2014, dass i. R. e. therapeutischen Gesamtkonzepts die Privilegierungen über die durch den Verweis auf Nr. 1 a benannten Bereiche der Behandlung und Betreuung hinausgehen sollten.444 In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass auch bisher trotz Anordnung der Sicherungsverwahrung im Ausgangsurteil deren Vollstreckung und Vollzug zumindest gesetzlich keinesfalls zwingend war. Vielmehr muss die Sicherungsverwahrung gemäß § 67  c Abs.  1 StGB nach dem Ende des Strafvollzugs erforderlich sein. M. a. W. kann sie vermieden werden, wenn der Täter im Strafvollzug ausreichend resozialisiert wurde – was wie gesagt, mehr als Privilegien im Bereich der Behandlung und Betreuung erfordert. Anzumerken ist darüber hinaus, dass auch die Länder ersichtlich keine erleichterte Lockerungsgewährung im Sinn haben, wenn sie es schlicht bei der bisherigen Regelung des Strafvollzugs belassen, wonach die Gewährung gerade bei poten­tiell Verwahrten erheblich eingeschränkt war.445 Es kann also nicht die Rede davon 442

Kröber et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 169; ähnl. Elz 2014, 309; s. a. Alex, NK 2013, 358. 443 Renzikowski, NJW 2013, 1639; s. a. Kreuzer in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/ 48-UJV/18/37, S. 38: „Wenn Sie Resozialisierung wollen, dann fragen Sie, was abends und an Wochenenden geschieht. Wenn da Leerlaufzeiten sind, dann füllen sie sich subkulturell, und das heißt auch in Gewaltideen und Gewalt, auf.“ 444 OLG Hamm StV 2015, 573 ff.; ebso. Peglau, jurisPR-StrafR 1/2015 Anm. 4. 445 Köhne, JR 2015, 258; krit. ebso. Bartsch zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, Anlage 2, S. 52; Scharmer, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG LSA-E, S. 11.

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

sein, dass diese Gefangenengruppe bevorzugt behandelt würde. Durch Regelungen wie bspw. § 13 Abs. 1 Nr. 5 HStVollzG, wonach bei potentiellen Sicherungsverwahrten nur besondere Umstände die Annahme begründen können sollen, dass keine Flucht- und Missbrauchsgefahr vorliegt und mithin vollzugsöffnende Maßnahmen gewährt werden können, wird es nicht, wie vom BVerfG gefordert, zu vermehrten Entlassungen nach oder aus dem Strafvollzug kommen können.446 Dies hat aber die Folge, dass die größten Investitionen in neue Behandlungen sinnlos sind. Denn ein Behandlungserfolg oder -fortschritt bzw. Entlassungen kommen nicht in Frage, wenn sich der potentielle Verwahrte nicht in Freiheit erproben kann. Die insofern unzureichenden Regeln hängen mit den unzureichenden Vorgaben des Bundes in § 66 c Abs. 2 StGB zusammen.447 Daher sollte der zwischen Gesetzesbegründung und Gesetzestext deutlich werdende Widerspruch derart beseitigt werden, dass in § 66 c Abs. 2 StGB sowie damit verbunden in § 119 a Abs. 1 Nr. 1 a StVollzG für die Zeit der latenten Sicherungsverwahrung nicht nur auf Nr. 1, sondern auch auf Nr. 3 des Abs. 1 verwiesen wird. Nichts anderes kann für die Nr. 2 a des Abs. 1 gelten. Der Gesetzgeber hat sich hier falsch entschieden und muss diesen Fehler schnellstmöglich korrigieren. Der Verweis auf die getrennte Unterbringung in § 66 c Abs. 1 Nr. 2 b StGB ist hingegen abzulehnen, da die Trennung nur dann berechtigt ist, wenn das Sonderopfer tatsächlich erbracht wird. Die Ausstrahlungswirkung des Sonderopfergedankens wäre andernfalls überdehnt.448 4. Hervorhebung der sozialtherapeutischen Behandlung Die Sozialtherapie gilt entsprechend den Neuregelungen nicht nur im „normalen Strafvollzug“ „als ‚Königsweg‘ zur Entlassung“449. Inzwischen wird sie neben dem Hinweis in § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB dem folgend v. a. auch für den vorausgehenden Strafvollzug mit § 66 c Abs. 2 StGB hervorgehoben („insbesondere eine sozialtherapeutische Behandlung“). Bei Verurteilungen von Jugendlichen bzw. Heranwachsenden sieht parallel dazu neuerdings § 7 Abs. 3 S. 1 JGG vor, dass bei einem entsprechenden Vorbehalt und Alter des Betroffenen bereits die Jugendstrafe in der sozialtherapeutischen Anstalt zu vollziehen ist.450 Daneben haben die LStVollzGe eine solche zwingende Verweisung in die sozialtherapeutische Anstalt für potentielle Sicherungsverwahrte etabliert, wenn ihre Teilnahme „an den­ 446 Krit. Kreuzer, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S.  6 ff.; Bartsch, NK 2013, 203 f.; Pyhrr 2015, 291. 447 Auf den Zusammenhang mit § 66 c Abs. 2 StGB abstellend Grote, KrimPäd 2013, 32. 448 And. Pollähne, StV 2013, 253: Verweis auch auf Nummer 2 des Absatz 1. 449 AK-StVollzG-Feest/Köhne 2006, § 129 Rn. 14; ähnl. Schmälzger/Skirl, ZfStrVo 2004, 325; s. a. BT-Drs. 5/4095, S. 29. 450 Skeptisch dazu Meier 2015a, 173; s. a. O. Möller, ZJJ 2011, 459; Ullenbruch, NJW 2008, 2611 f.

VI. Absicherung der Wirksamkeit des neuen Vollzugs

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dortigen Behandlungsprogrammen zur Verringerung der Gefährlichkeit für die Allgemeinheit angezeigt ist.“451 Auch die Behandlungskonzepte der neu ausgerichteten Sicherungsverwahrungsabteilungen gehen davon aus, dass die Untergebrachten i. d. R. in der sozialtherapeuthische Abteilung behandelt wurden.452 Mit der besonderen Hervorhebung im Abs. 2 des § 66 c StGB sollen allerdings die anderen möglichen Betreuungs- und Behandlungsformen entsprechend der Gesetzes­ begründung nicht außen vor bleiben.453 Die besondere Bedeutung, die man der Behandlung in der sozialtherapeutischen Anstalt beimisst, hängt auch mit deren Entstehung zusammen. Eines der erklärten Ziele der ursprünglich als Maßregel in § 65 StGB a. F. geplanten Sozialtherapie war, die Sicherungsverwahrung immer weiter zurückzudrängen oder gar zu ersetzen.454 Der Gesetzgeber schätzte damals die Wirkung der Sozialtherapie zur Bekämpfung von Rückfällen v. a. bei Sexualstraftätern, welche inzwischen das Gros der Verwahrten ausmacht, als hoch ein.455 Zwar ist mit der erhofften Vermeidung des Antritts der Sicherungsverwahrung zugleich die Gefahr verbunden, dass diejenigen, die in der Sicherungsverwahrung landen, im Zweifel mehrere Versuche der Behandlung in der Sozialtherapie erfolglos456 durchlaufen haben. Dies ist jedoch im Sinne des Ultima-Ratio-Gedankens hinzunehmen. Versäumt wurde j­edoch auch i. R. d. aktuellen Reformen die Diskussion, dass für die Unterbringung in der Sozialtherapie therapievorbereitende und motivationsfördernde Maßnahmen und Modelle nicht nur in der Sicherungsverwahrung, sondern auch im vorausgehenden Strafvollzug nötig wären.457

VI. Absicherung der Wirksamkeit des neuen Vollzugs § 66 c StGB wird durch einige Vorschriften flankiert, die gewährleisten sollen, dass die darin genannten Anforderungen im vorherigen Strafvollzug (vgl. § 67 c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB) und im möglichst zu vermeidenden späteren Sicherungsverwahrungsvollzug (vgl. § 67  d Abs.  2 StGB) umgesetzt werden.458 Zudem hat 451 So § 96 Abs. 3 S. 1 HmbStVollzG; ebso. bspw. in § 24 Abs. 4 LJVollzG oder § 17 Abs. 4 SächsStVollzG. 452 Dazu bspw. das Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 51. 453 BT-Drs. 17/9874, S. 18. 454 BT-Drs.  5/4095, S.  3, 27 ff.; s. a. J.  Baumann et  al., AE StGB 1969, 135; Dünkel, NK 1997, 9. 455 Dünkel, NK 1997, 9, der allerdings die Ende der 1990er Jahre eingeführte zwangsweise Verlegung von bestimmten Sexualstraftätern in die Sozialtherapie kritisierte; vgl. die Evaluationsstudien von Lösel/Köferl/Weber 1987, 263; Lösel 1994, 13 ff.; Egg/Pearson/Cleland/ Lipton 2001, 321 ff.; K. M. Böhm, Kriminalistik 2011, 16; K. M. Böhm/Boetticher, ZRP 2009, 134 ff. And. jedoch Ortmann 1987, 379 ff.; ders. 2002, 291 ff. 456 Dazu J. Baumann et al., AE StGB 1969, 135; Boetticher 2015, 81 ff. 457 In diesem Sinne Meischner-Al-Mousawi/Hinz, FS 2011, 305 f.; s. a. Elz 2014, 132; Suhling/ Pucks/Bielenberg 2012, 233 ff. 458 Vgl. BT-Drs. 17/9874, S. 1 zu den Neuerungen durch das SichVAbstUmsG.

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

der Gesetzgeber einige verfahrensrechtliche (vollstreckungs- und vollzugsrechtliche) Neuerungen vorgesehen, um den vom BVerfG festgestellten Mängeln in diesem Bereich abzuhelfen. 1. Unverhältnismäßigkeit der Sicherungsverwahrung a) Aussetzung zur Bewährung nach § 67 c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB und § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB459 Bisher war die Möglichkeit, wegen § 67 c Abs. 1 S. 1 StGB a. F. die Sicherungsverwahrung nicht antreten zu müssen, aufgrund der statistischen Bedeutungs­losig­ keit in der Praxis eine „Farce“.460 Nun könnte sich das ändern. Wird den potentiellen Sicherungsverwahrten bei Gesamtbetrachtung des (Straf-)Vollzugsverlaufs keine „ausreichende“ Betreuung i. S. d. § 66 c Abs. 2 StGB i. V. m. § 66c Abs. 1 Nr. 2 StGB angeboten, wäre die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 67 c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB unverhältnismäßig. Es muss sich nicht um die Anlassverurteilung handeln, was dadurch deutlich wird, dass man das Wort „zugleich“ aus dem Gesetzestext strich.461 Dass die Unterbringung bei defizitärer Betreuung unverhältnismäßig werden kann, gilt neuerdings nicht nur für den ihr vorausgegangenen Strafvollzug, sondern nach § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB gleichermaßen für die Zeit in der Sicherungsverwahrung. Die letztgenannte Norm greift daher nur für Defizite, zu denen es bei dem Vollzug der Unterbringung gekommen ist.462 Bisher verbrachten (potentielle)  Verwahrte häufig Jahre lang ohne wenigstens motivationserhaltende Maßnahmen.463 Auf Anzeichen einer „Pathologie der Institution“ und Renitenz der Vollzugsbehörden im Zusammenhang mit vollzugsöffnenden Maßnahmen wurde hingewiesen.464 Die Vorschriften zur Unverhältnismäßigkeit entsprechen damit nicht nur dem Übermaßverbot und dem Ultima-Ratio-Grundsatz, sondern decken sich mit den empirischen Erkenntnissen 459

Vgl. zu Altfällen OLG Frankfurt NStZ-RR 2013, 359; KG Berlin, Beschl. vom 21.10.2013 – 2 Ws 446/13, 2 Ws 446/13 – 141 AR 479/13, Rn. 84; OLG Bbg a. d. H. R&P 2014, 103; OLG Karlsruhe, Beschl. vom 14.1.2014 – 2 Ws 284/13, Rn. 50 – jeweils bei juris. 460 MüKo-Ullenbruch/Morgenstern 2012, § 66  a Rn.  28; ähnl. Bartsch 2010, 115, 252 f.; Mushoff 2008, 89; NK-StGB-Böllinger/Pollähne 2013, § 67 c Rn. 4; Köhne, JR 2015, 256; zur neuen Negativformulierung in § 67 c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB vgl. BT-Drs. 17/9874; S. 20, 30 ff., s. a. Fischer 2016, § 66 Rn. 17; Wolf, Rpfleger 2013, 368 f.; krit. Pollähne, StV 2013, 251, 253 f. m. w. N., weil die Gesetzesbegründung missverständlich sei. 461 Vgl. BT-Drs. 17/9874, S. 20; H. Baier, StraFo 2014, 398; Wolf, Rpfleger 2013, 365 f. 462 Hinweis zur Klarstellung in OLG Celle, Beschl. vom 7.5.2014 – 2 Ws 71/14, Rn. 4 – bei juris; KG Berlin StV 2014, 145; ebso. BT-Drs. 17/9874, S. 11 f. 463 Elz 2014, 161, die von Zeiträumen von zwei bis fünf Jahren berichtet. 464 Kröber et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 169; s. a. Boetticher, NStZ 2005, 421: „Klima der Ängstlichkeit und Übersicherung“; Bartsch, StV 2012, 224: strengere Kontrollen und zunehmende Anforderungen der Landesjustizverwaltungen; P.-A. Albrecht et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2010, 12, 14.

VI. Absicherung der Wirksamkeit des neuen Vollzugs

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zur bisherigen Praxis.465 Es handelt sich damit jeweils um eine kriminalpolitische Sanktion für „exekutive Unbotmäßigkeit gegenüber judikativen Vorgaben“.466 Weil sich die Vollstreckungsgerichte ggf. ggü. dem Vollzug durchzusetzen haben, kommt es mit den Unverhältnismäßigkeitsregeln ebenfalls zu einer Vermischung von Vollstreckung und Vollzug. Diese „vollstreckungsrechtliche Einmischung in den Vollzug“ ist jedoch aus Sicht des Abstandsgebots zu begrüßen.467 In einem Beschluss des OLG Hamm vom 13.3.2014 heißt es, dass eine bedingte Entlassung wegen Unverhältnismäßigkeit nicht in Betracht komme, „weil einer solchen überragende Gesichtspunkte der Sicherheit der Allgemeinheit“ entgegenstünden.468 Mit anderen Worten werden § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB und § 67 c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB mithilfe des Arguments des Allgemeinschutzes selbst korrigiert.469 Dementsprechend wird in der Literatur gefordert, dass die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung bei Gefahr von schwersten Gewaltdelikten verhält­nis­ mäßig bleibe, unabhängig von vorheriger mangelhafter Betreuung.470 Hingewiesen wird zudem auf einen Beschluss des BVerfG, wonach ein nur einige Monate andauernder Missstand i. R. d. Sicherungsverwahrung nicht dazu führe, dass das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit zurücktrete.471 Teilweise wird auch die Meinung vertreten, dass die Unverhältnismäßigkeitsregelungen lediglich bei einem gänzlichen Unterlassen jeglicher Betreuungsangebote in Frage kommen sollen.472 Die Entscheidung über die Verhältnismäßigkeit sollte jedoch nach hier vertretener Ansicht jedoch für beide Vorschriften unabhängig von der noch bestehenden Gefahr erfolgen.473 Etwas anderes ist dem Gesetzestext beider Vorschriften nicht zu entnehmen. Deutlich zeigt sich dies bei einem Vergleich von Nr. 1 mit Nr. 2 des § 67 c Abs. 1 S. 1 StGB. So erfolgt in Nr. 1 eine Aussetzung, wenn die Gefährlichkeit so minimiert ist, dass der Zweck der Maßregel eine Unterbringung nicht mehr

465 BVerfGE 128, 379; BT-Drs. 17/9874, S. 20; zur Wahrung des Übermaßverbots s. OLG Köln, Beschl. vom 4.9.2013 – 2 Ws 303/13, Rn. 60 – bei juris. 466 Ullenbruch, NStZ 2014, 540; ähnl. Koller zitiert bei Ladiges 2015, 76; Renzikowski, NJW 2013, 1640: „eine Art ‚Sanktionierung‘ schlechter Vollzugspraxis“; krit. Murmann zitiert bei Ladiges 2015, 77. 467 Pollähne, StV 2013, 255 in Bezug auf § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB; krit. H. Baier, DRiZ 2014, 138 ff. 468 OLG Hamm NStZ 2014, 538. 469 Treffend Ullenbruch, NStZ 2014, 540. 470 H. Baier, DRiZ 2013, 139; ders., StraFo 2014, 398; Fischer 2016, § 67 d Rn. 13 a; Peglau, JR 2013, 253. 471 So etwa BVerfG NStZ-RR 2005, 92 ff.; OLG Hamm NStZ 2014, 538. 472 So aber Köhne, JR 2015, 256; ähnl. Ullenbruch, NStZ 2014, 540; Koller zitiert bei Ladiges 2015, 76; ders. in der Anhörung des AJDG zur Zukunft der SV in Hmb, AJDG Nr. 20/5 NEUF, S. 14 f. 473 Ebso. Ullenbruch, NStZ 2014, 541; abgeschwächter Kinzig 2012, 19; ders., Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 3; s. a. Bartsch, FS 2013, 210: „gleichgültig, ob … noch eine Gefahr für die Allgemeinheit“. Eine weitere denkbare Alternative wäre, nach Gefahrgrößen zu unterscheiden.

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

erfordert. Im Gegensatz dazu ist die neue Aussetzungsmöglichkeit in Nr. 2 unabhängig von der Gefährlichkeit formuliert. Zudem könnte es geradezu dem All­ gemeinschutz dienen, wenn eine schlechte Vollzugspraxis sanktioniert und zukünftig bzw. präventiv verhindert werden würde, indem ein erhöhter Druck auf die Vollzugspraxis aufgebaut würde.474 Der Gesetzesbegründung zufolge ist es für die Frage der (Un-)Verhältnismäßigkeit nur von Bedeutung, „ob der Vollzug der Sicherungsverwahrung in Anbetracht aller dem Täter während des Strafvollzugs gemachten Betreuungsangebote verhältnismäßig erscheint“.475 Dementsprechend argumentiert richtigerweise das KG Berlin in seinem Beschluss vom 04.09.2013. Danach sei es ohne Belang, „dass dem Verurteilten zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung keine – wie für sonstige Aussetzungsentscheidungen erforderliche – günstige Legalprognose zu stellen“ sei.476 Noch deutlicher äußerte sich das OLG Karlsruhe im Beschluss vom 29.1.2014, wonach die Bewährungsaussetzung „unabhängig vom Fortbestehen der Gefährlichkeit“ erfolge.477 Maßgeblich muss daher alleine sein, ob es erhebliche Defizite bei der Ausgestaltung des Straf- oder Maßregelvollzugs gibt. Auch bei § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB kommt es allein darauf an, ob den Forderungen des Gerichts mittels Angeboten nachgekommen wird. Dies fügt sich auch in die Systematik des Gesetzes ein. Denn nach § 67 d Abs. 6 StGB kann eine Erledigung der Maßregel des § 63 StGB nach erfolgter Gesamtabwägung erfolgen, obwohl die Rückfallgefahr immer noch besteht und daher in Freiheit mit weiteren Taten zu rechnen wäre.478 Dass für § 67 c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB und § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB etwas anderes gelten sollte, macht wenig Sinn. Daneben ist die Allgemeinheit der entsprechenden Person nicht völlig schutzlos ausgeliefert. Denn in beiden Fällen ist zwingend FA eintritt (vgl. § 67 c Abs. 1 S. 1 a. E. sowie § 67 d Abs. 2 S. 3 StGB).479 Bereits vor dem Urteil des BVerfG wurde zudem die Möglichkeit der elektronischen Aufenthaltsüberwachung eingefügt (vgl. § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 12 StGB). Damit kann es zu einer Überwachung „auf Schritt und Tritt“ kommen.480 Dem Vorwurf, dass hierdurch ein Wertungswiderspruch zu § 67 d Abs. 2 S. 1 StGB entstehen kann,481 kann ent-

474

Vgl. BT-Drs. 17/9874, S. 21; BVerfGE 128, 379. BT-Drs. 17/9874, S. 21. 476 KG Berlin StV 2014, 146: „Die Vollstreckung … auch dann auszusetzen, wenn wahrscheinlich oder gar sicher ist, dass der Untergebrachte zukünftig erhebliche Straftaten begehen wird.“ In diesem Sinne auch Ullenbruch, NStZ 2014, 540 f. 477 OLG Karlsruhe, Beschl. vom 29.1.2014 – 2 Ws 449/13, Rn. 14 – bei juris. 478 OLG Karlsruhe NStZ-RR 2005, 338; OLG Oldenburg StV 2008, 593; grundlegend S/SKinzig 2014, § 67 d Rn. 25; and. Koller, R&P 2007, 63: Erledigung nur, wenn Gefährlichkeit zweifelsfrei komplett beseitigt. 479 Vgl. dazu BT-Drs. 15/2887, S. 15. 480 Hochmayr, ZIS 2012, 541; ebso. Zimmermann, HRRS 2013, 178; auf die FA zum ausreichenden Schutz bei gleichzeitiger Freiheitsorientierung abstellend Drenkhahn/Morgenstern, ZStW 2012, 183; Kreuzer, ZRP 2011, 9; Streng, JZ 2011, 835; skeptisch dennoch Grosse-­ Brömer/Klein, ZRP 2010, 174. 481 Auf diesen für § 67 d Abs. 6 StGB hinweisend Koller, R&P 2007, 63. 475

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gegengehalten werden, dass Hauptzweck der Unverhältnismäßigkeitsregelung die Sanktionierung der Vollzugsbehörde und nicht die Belohnung des Verwahrten für eine weiterhin schlechte Legalprognose ist. b) Differenzierungen bei der Gesamtbetrachtung Tatsächlich bieten die einzelnen Tatbestandsmerkmale einigen Spielraum für unterschiedliche Auslegung in der Praxis. Aus dem Gesetzeswortlaut beider Vorschriften (§§ 67 c und d StGB) wird deutlich, dass es immer um ein Nichtangebot von „ausreichender Betreuung“ geht, allerdings ist nicht klar, wann davon auszugehen und welcher Maßstab anzulegen ist.482 In der Gesetzesbegründung fehlen Angaben dazu, wie die Qualität und Quantität der „ausreichenden Betreuung“ auszusehen hat. Dies hat zur Folge, dass einige Gerichte das Ausreichen recht großzügig interpretieren.483 Immerhin ist dem Gesetzestext des § 67 c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 Hs. 1 StGB zu entnehmen, dass die Frage, ob eine ausreichende Betreuung vorliegt, mittels einer Gesamtbetrachtung beurteilt werden soll. Deshalb wirke sich laut Gesetzesbegründung nicht ein einzelner Mangel aus.484 Konkret bedeutet dies, dass nach § 119 a Abs. 7 StVollzG rechtskräftig festgestellte Betreuungsdefizite ggf. „nicht so ins Gewicht fallen, dass sie ein negatives Gesamturteil gebieten“. Dies soll dann der Fall sein, wenn bei Betrachtung der gesamten Vollzugsdauer „überwiegend sachgerechte Betreuungsangebote“ gemacht worden seien, so der Gesetzgeber.485 Das KG Berlin folgert daraus im Beschluss vom 21.10.2013, dass einzelne „Unzulänglichkeiten des Vollzugs“ ebenso wenig wie wenn „im Übrigen hinsichtlich einzel­ ner Modalitäten eine Gleichbehandlung zwischen Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten erfolgen sollte“, derart ins Gewicht fallen, dass dadurch die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung rechtswidrig würde.486 Bei § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB stellen weder Gesetzestext noch Gesetzesbegründung auf eine Gesamtbetrachtung des Vollzugsverlaufs ab. Im Unterschied zu § 67 c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB ist dem Vollzug laut § 67 d Abs. 2 S. 2 Hs. 2 StGB jedoch eine Schon- bzw. Nachfrist eingeräumt.487 Das Gericht hat bei nicht aus­ 482 Das OLG Karlsruhe NStZ-RR 2015, 292, hält es bspw. für nicht ausreichend, eine arbeitstherapeutische Behandlung pauschal damit abzulehnen, dass keine behindertengerechte Räumlichkeiten zur Verfügung stehen. 483 Bspw. KG Berlin, Beschl. vom 21.10.2013 – 2 Ws 446/13, 2 Ws 446/13 – 141 AR 479/13 – bei juris; OLG Hamm NStZ 2014, 538; ebso. Koller und Boetticher zitiert bei Ladiges 2015, 76 f. 484 Vgl. dazu BT-Drs. 17/9874, S. 20 f. 485 BT-Drs. 17/9874, S. 21; krit. dazu Pollähne, StV 2013, 253. 486 KG Berlin, Beschl. vom 21.10.2013  – 2 Ws 446/13, 2 Ws 446/13  – 141 AR 479/13, Rn. 105 – bei juris; ebso. H. Baier, StraFo 2014, 398; großzügig Peglau, JR 2013, 253. 487 KG Berlin, Beschl. vom 26.6.2015 – 2 Ws 133/15, 2 Ws 133/15 – 141 AR 262/15, Rn. 38 – bei juris.

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reichender Betreuung im Zuge der Prüfung der Aussetzung der Vollstreckung eine Frist von höchstens sechs Monaten festzusetzen, in der dann die Versäumnisse nachgeholt werden können.488 Inzwischen wird die zwingend notwendige Fristsetzung als Voraussetzung für die Bewährungsaussetzung von den Gerichten deutlich betont.489 Außerdem regelt § 67  e StGB eine von Amts wegen durchzuführende regelmäßige Überprüfung, so dass eine Gesamtbetrachtung nicht notwendig ist. Dies dürfte die Differenzierung erklären. Dennoch übernehmen einige Gerichte die Gesamtbetrachtung auch für die Zeit des Sicherungsverwahrungsvollzugs, d. h. für die Regelung des § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB. So führten „einzelne Unzulänglichkeiten jedenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit der … Unterbringung“.490 Es sei eine „Gesamtschau“ der Behandlung vorzunehmen, um die nur „allenfalls geringfügigen Abweichung von den geforderten Förderungsmaßnahmen“ zu legitimieren.491 Letztlich sei ergebnisorientiert zu denken, denn immerhin habe man „niederschwellige Angebote“ gemacht und angesichts des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit könne nicht von einer Unverhältnismäßigkeit ausgegangen werden.492 Mit diesem „Wortgeklingel“ wird jedoch eine saubere Subsumtion unter § 67 d Abs.  2  S.  2  StGB nur suggeriert.493 Wie soeben erwähnt, sollte der Schutz der Allgemeinheit in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen. Ohnehin erfordert der neue Sicherungsverwahrungsvollzug die Umsetzung eines Gesamtkonzepts, was insofern immer „nur“ ein Angebot und keine Erfolgsgarantie der staatlichen Einrichtung bedeuten kann.494 Daraus folgt, dass es immer zusätzlich auf die ­Mitwirkung des Verurteilten ankommt.495 Dabei ist das Scheitern einer Therapie meistens ein Zusammentreffen von dem Vollzug zuzurechnenden Gründen 488

Zur Entscheidung berufen ist das nach § 78 a Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 1 GVG örtlich für die Vollzugseinrichtung zuständige LG. Die Besetzung ergibt sich aus § 78 b Abs. 1 Nr. 1 GVG (3 Richter). Die Entscheidung erfolgt nach §§ 463 Abs. 3 S. 1, 454 Abs. 1 S. 1 StPO ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss. 489 KG Berlin, Beschl. vom 26.6.2015 – 2 Ws 133/15, 2 Ws 133/15 – 141 AR 262/15, Rn. 38; Beschl. vom 30.4.2014 – 2 Ws 26/14, 2 Ws 26/14 – 141 AR 30/14, Rn. 24, 35 – jeweils bei juris; StV 2014, 146; OLG Bbg a. d. H., Beschl. vom 2.1.2014 – 1 Ws 165/13, Rn. 18 – bei juris. 490 KG Berlin StV 2014, 148: Geltendmachung im Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG komme in Betracht. 491 OLG Hamm NStZ 2014, 539 f.: es ist die Rede von „Gesamtbetrachtung“ oder „Gesamtwürdigung“. 492 OLG Hamm NStZ 2014, 539. 493 Ullenbruch, NStZ 2014, 541. 494 KG Berlin StV 2014, 146 f.; in diesem Sinne OLG Köln OLGSt StGB § 66c Nr. 1, 4; KG Berlin, Beschl. vom 21.10.2013 – 2 Ws 446/13, 2 Ws 446/13 – 141 AR 479/13, Rn. 88 f. – bei juris. Deshalb ist Prüfungsgegenstand i. R. d. § 119 a StVollzG „stets nur das Angebot im Sinne von § 66c Abs. 1 Nr. 1 StGB … nicht maßgeblich ist dagegen der Erfolg der angebotenen Betreuung oder die Annahme des Angebots …“, so das KG Berlin, Beschl. vom 19.8.2015 – 2 Ws 154/15 – 141 AR 327/15, Rn. 30 – bei juris; vgl. auch BT-Drs. 17/9874 S. 28. 495 So auch OLG Celle, Beschl. vom 7.5.2014 – 2 Ws 71/14, Rn. 3, 15; allgemeiner EGMR NJW 2013, 3709; OLG Köln OLGSt StGB § 66 c Nr. 1, 4; ebso. BT-Drs. 17/9874, S. 15.

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und solchen, die in der Person des Verwahrten liegen.496 Kritisiert werden muss in diesem Zusammenhang daher, dass die Gesetzesbegründung zur Schonfrist des § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB von Folgendem ausgeht: „I. d. R., insbesondere bei fehlendem Verschulden der Vollzugsbehörde, wird eine Frist zwischen drei und sechs Monaten angemessen sein ….“497 Insofern haben einige seit der Neuregelung ergangener Entscheidungen die Unverhältnismäßigkeit nach § 67 c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB und 67 d Abs. 2 S. 2 StGB regelmäßig allein wegen der persönlichen Einstellung des Verurteilten scheitern lassen498, die Voraussetzung der Mitwirkung in besonderem Maße hervorhoben499 bzw. kritisiert, dass erst einmal die Motivation des Verwahrten geweckt und nicht sogleich gefördert habe werden können.500 Es könnte mit einer darin angedeuteten undifferenzierten Betrachtungsweise wie bisher der sichere (und einfachere) Weg bemüht werden, sich allein auf die Schuld des Verwahrten an einem fehlenden Erfolg bzw. der fehlenden Aussichtslosigkeit­ therapeutischer Bemühungen zurückzuziehen. Bei all der angebrachten Skepsis haben die Gerichte jedoch „begonnen, ihre Kontrollfunktion“501 mittels der Unverhältnismäßigkeitsregelungen auszuüben und die Anstalten auf drohende Konsequenzen (zumindest) hinzuweisen, was für sich genommen eine Wirkung haben kann. Zu hoffen ist daher auf solche Entscheidungen, wie diejenige des LG Marburg502, das eine Frist nach § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB setzte. Es kritisierte die betroffene Anstalt dafür, dass die angebotenen Maßnahmen nur teilweise § 66 c StGB entsprochen hätten, nicht hinreichend bestimmt gewesen seien, Überlegungen zur konkreten Durchführung der Behandlung fehlten, ein klarer Plan für Beginn und Häufigkeit von einzeltherapeutischen Maßnahmen nicht existierte. Zudem verwies das Gericht darauf, dass die Behandlung nicht eine „Holschuld“ des Untergebrachten sei.

496 So der Offene Brief vom 14.1.2014, abgedruckt bei Bartsch/Höffler, NK 2015, 215 ff.; erforderlich sei daher die Untersuchung des gesamten Vollzuges, so Renzikowski, NJW 2013, 1640. Der (potentielle) Verwahrte ist also nicht derart zur Mitwirkung verpflichtet, dass er, wie eine Entscheidung des OLG Nürnberg fälschlicherweise vermuten lassen könnte, stets den Rechtsweg des § 109 StVollzG zur „Kontrolle der Einhaltung der gebotenen Betreuung“ zu beschreiten hätte, vgl. dazu OLG Nürnberg BeckRS 2013, 18215, S. 5; krit. daher mit Recht H. Baier, StraFo 2014, 400. 497 BT-Drs. 17/9874, S. 21; Fischer 2016, § 67 d Rn. 13 a. 498 Etwa OLG Celle, Beschl. vom 7.5.2014 – 2 Ws 71/14, Rn. 3 – bei juris. 499 Etwa KG Berlin StV 2014, 147. 500 Allein dem Verhalten und der Einstellung der SV zuschreibend etwa OLG Hamm NStZ 2014, 539; KG Berlin, Beschl. vom 21.10.2013 – 2 Ws 446/13, 2 Ws 446/13 – 141 AR 479/13, Rn. 88 f., 105 – bei juris. 501 Insofern optimistisch Drenkhahn, Vorgänge 2014, 14. 502 LG Marburg, Beschl. vom 28.10.2013 – 7 StVK 191/13, Rn. 53 ff. – bei juris; differenzierter bei Unverhältnismäßigkeitsvorschriften KG Berlin, Beschl. vom 30.4.2014 – 2 Ws 26/14, 2 Ws 26/14 – 141 AR 30/14, Rn. 16 ff. – bei juris.

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

c) Rechtsfolgen Ein nicht nur seitens der Sachverständigen kontrovers beurteiltes Thema ist die Rechtsfolge bei Feststellung der Unverhältnismäßigkeit. Der Weg zur jetzigen Rechtsfolge der Bewährungsaussetzung verlief nicht geradlinig, wie der Blick ins Gesetzgebungsverfahren zeigt.503 Das Eckpunktepapier des BMJ sah bei einer unzureichenden Betreuung im Strafvollzug und einer daraus resultierenden Unverhältnismäßigkeit der Vollstreckung in § 67 c Abs. 1 S. 2 StGB-E eine Bewährungsaussetzung, hingegen bei einer solchen Feststellung erst im Sicherungsverwahrungsvollzug nach § 67 d Abs. 3 S. 1 StGB-E eine Erledigung vor. Die dadurch anscheinend vorprogrammierten „Überraschungsentlassungen“ gaben Anlass zu Kritik der Länder.504 Das Konzept des BMJ wollte noch weitergehend in beiden Fällen zunächst eine Erledigung der Vollstreckung normieren. Allerdings wurde erwähnt, dass die vorgesehene Frist zur Nachbesserung verhindere, „dass die Justizvollzugsanstalt von einer negativen Bewertung der Betreuungsangebote durch das Gericht überrascht werde“.505 Letztendlich entschied man sich im Referentenentwurf sowie im SichVAbstUmsG-E506 in beiden Fällen für eine Bewährungsaussetzung. Der Unterschied zwischen Bewährung und Erledigung besteht darin, dass Letzteres das Ende der Maßregelvollstreckung bedeutet. Ist die Unterbringung hingegen „nur“ zur Bewährung ausgesetzt, kann sie fortgesetzt werden, wenn sich der Verurteilte in Freiheit nicht bewährt.507 Die Konsequenz mangelhafter Betreuung erscheint daher diskussionswürdig. Auf den ersten Blick könnte man meinen, der Gesetzgeber habe sich an der­ Systematik des Gesetzes orientiert. Dass die Neuregelung bei ihren Befürwortern nur als „systematisch akzeptabel“508 gilt, spricht jedoch für sich und kann an­gezweifelt werden. Im Eckpunktepapier heißt es, dass es der Systematik des bisherigen Rechts entspreche, für die Überprüfung des Beginns der Vollstreckung nur die Bewährungsaussetzung zur Verfügung zu stellen (so in § 67 c Abs. 1 StGB a. F.). Hingegen sei bei Unverhältnismäßigkeit der weiteren Vollstreckung eine Erledigung nach § 67 d Abs. 6 StGB a. F. vorgesehen.509 Hinzu kommt, dass im Falle 503

Eckpunktepapier: Erledigung in § 67 c und Bewährung in § 67 d; Konzept BMJ: beides Mal Erledigung und Referenten- sowie Gesetzentwurf: beides Mal Bewährung. 504 Denn mit den Eckpunkten werde „die Sicherheit von Frauen und Kindern aufs Spiel“ gesetzt, so der hmb Innensenator Neumann in BILD vom 22.7.2011; ähnl. die Äußerungen des bayerischen Innenministers Herrmann ebda.; der niedersächsische JuMi Busemann warnte davor, den Aspekt der Sicherheit für die Bevölkerung zu ignorieren, Frankfurter Rundschau vom 21.7.2011. Die Antwort der BJM Leutheusser-Schnarrenberger in Frankfurter Rundschau vom 22.7.2011: „unverantwortliche Stimmungsmache“; krit. dazu wiederum TAZ vom 16.8.2011. Zum Ganzen die zu Recht krit. Darstellung bei Alex 2012, 69. 505 Konzept BMJ, S. 5 f. 506 Referentenentwurf, S. 27 ff.; BT-Drs. 17/9874, S. 19 ff. 507 S. dazu weiterführend Meier 2015, 389 f. 508 Wenig überzeugt Radtke, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S.  13; krit. im Gesetzgebungsverfahren nur die Fraktion DIE LINKE, vgl. BT-PlPr 17/204, S. 24807. 509 Eckpunktepapier BMJ, S. 9.

VI. Absicherung der Wirksamkeit des neuen Vollzugs

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des § 67 d Abs. 3 S. 1 StGB nach Ablauf von zehn Jahren eine Erledigung der Sicherungsverwahrung in Frage kommt. Orientiert haben könnte sich der Bundesgesetzgeber an einem Beschluss des BVerfG vom 13.10.2011, welcher die letztlich wegen eines Verstoßes gegen das Abstandsgebot für verfassungswidrig erklärte Unterbringung und daraus notwendig gewordene Entlassung eines Sicherungsverwahrten betraf, der darauf bestanden hatte, dass die Maßregel sofort für erledigt erklärt hätte werden müssen. Dies sah das Gericht anders. Es plädierte vielmehr für die Bewährungsaussetzung.510 Die Begründung zu Nr. 1 des § 67 c Abs. 1 StGB führt aus, dass die Mittel des Strafvollzugs nicht ausreichten, um endgültig zu entscheiden, dass man auf den Vollzug der Sicherungsverwahrung verzichten könne.511 Es stellt sich hier aber v. a. die Frage, wie aus einem unverhältnismäßigen Vollzug wegen eines Bewährungswiderrufs (vgl. § 67 g StGB) wieder ein verhältnismäßiger werden soll.512 Dann müsste die Nichtbewährung in Freiheit etwas an der schlechten Vollzugspraxis rückwirkend ändern können. Dies kann vor dem Hintergrund, dass die Unverhältnismäßigkeit unabhängig von der Gefährlichkeit des Betroffenen zu beurteilen ist, nicht einleuchten. Nicht geklärt ist der Zusammenhang zwischen Abs. 2 S. 1 und Abs. 6 des § 67 d StGB. Jedenfalls soll eine Erledigung der Unterbringung nach § 63 StGB bisher nach § 67 d Abs. 6 StGB dann erfolgen, wenn die ursprüngliche Anordnung „verbraucht“ ist.513 Die Erledigungsentscheidung ist also daran gebunden, dass nach dem Bewährungswiderruf die „Fortsetzung der Unterbringung … unverhältnismäßig wäre“.514 Zuvor die Unverhältnismäßigkeit festgestellt, müsste dies konsequenterweise zwangsläufig die Erledigung zur Folge haben, weil ein Widerruf nicht zur Verhältnismäßigkeit führen kann. Ein sachlicher Grund für eine derartige Schlechterstellung ggü. den nach § 63 StGB Untergebrachten ist jedoch nicht ersichtlich. Die Vermutung liegt nahe, dass man von Sicherheitsaspekten und Angst vor Konsequenzen geleitet vom ursprünglichen Konzept des BMJ abwich.515 Dass bei geringem Restrisiko eine Erledigungserklärung nicht geboten sei, findet keine Grundlage in Gesetzestext und -begründung.516 Dafür spricht, dass auf eine 510

Vgl. BVerfGK 19, 131 ff. E 1962, Begr. 237; krit. in diesem Zusammenhang S/S-Kinzig 2014, § 67 c Rn. 9. 512 Krit. mit Recht gegen BT-Drs. 17/9874, S. 21 vgl. H. Baier, StraFo 2014, 401 f.; Dessecker, BewHi 2013, 311; Pollähne, StV 2013, 253; Renzikowski, NJW 2013, 1640; Wolf, Rpfleger 2013, 367. 513 S/S-Kinzig 2014, § 67 d Rn. 6, s. a. MüKo-Veh 2012, § 67 d Rn. 31. 514 MüKo-Veh 2012, § 67  d Rn.  31; ebso. Radtke, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 13. 515 Darauf deutet Radtkes, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 13 hin: Bewährungsentscheidung, wenn ein „relevantes Restrisiko des (gravierenden) Rückfalls“ besteht, Erledigungsentscheidung, wenn keines besteht; krit. H. Baier, StraFo 2014, 401. 516 Daher Ergänzungen fordernd Radtke, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 14. 511

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

dem § 67 d Abs. 6 S. 3 StGB entsprechende Regelung verzichtet wurde. Danach ordnet das Gericht den Nichteintritt der Führungsaufsicht an, wenn zu erwarten ist, dass der Betroffene auch ohne sie keine Straftaten mehr begehen wird. Zusammenfassend müsste konsequenterweise wie bei der Unterbringung im PKH nach § 67 d Abs. 6 S. 1 StGB auch die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung für erledigt erklärt werden.517 Im Unterschied zur den Strafvollzug betreffenden Unverhältnismäßigkeitsregelung hat der Gesetzgeber bei der Sicherungsverwahrung eine Schonfrist für den Vollzug eingeräumt, indem er nicht die sofortige Aussetzung zur Bewährung ermöglicht, sondern ein bestimmtes Verfahren vorschreibt.518 Die Dauer der Frist soll laut Gesetzesbegründung davon abhängen, welche Gründe das Defizit hervorgerufen haben und wie viel Zeit zur Behebung dessen benötigt wird bzw. innerhalb welchen Zeitraums ein Erfolg versprechendes Betreuungsangebot gemacht werden kann.519 Dadurch wird der Vollzugspraxis die Chance gegeben, die Defizite zu beseitigen und der Angst vor überraschenden Entlassungen vorzubeugen.520 Entgegen zu treten ist in diesem Zusammenhang der sich in einer Entscheidung des OLG Hamm abzeichnenden Tendenz, die Schonfrist nicht als endgültig anzusehen.521 Zwar lässt sich der Gesetzesbegründung dazu nichts Eindeutiges entnehmen, nur, dass Voraussetzung für die Bewährungsaussetzung das Verstreichenlassen der Frist ohne ein Angebot ausreichender Betreuung ist.522 Die Fristsetzung macht aber überhaupt nur Sinn, wenn sie endgültig ist. Die Vorschrift wäre wirkungslos, wenn eine weitere Gesamtabwägung mithilfe des Sicherheitsarguments dazu führen könnte, dass eine Nichtumsetzung der vorher aufgestellten Forderungen der StVK folgenlos bliebe.523 Andernfalls wäre es nicht erforderlich, neben der Frist die konkret anzubietenden Maßnahmen der zukünftigen Einhaltung des Betreuungsangebots zu nennen. Das Gericht muss also im Vorhinein bei der Prüfung der Bewährungsaussetzung die mangelnde Betreuung und notwendigen Maßnahmen festgestellt haben und nicht erneut nach dem Fristablauf.524 Dies würde der Vorschrift des § 67 c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB eher entsprechen, wo das Gericht an vorherige Entscheidungen (vgl. § 119 a Abs. 1 StVollzG) gebunden und somit eine Neubewertung nicht möglich ist.525

517

Pollähne, StV 2013, 253, 255: „maßregelvollstreckungsrechtlich konsequent“; ebso. Dessecker, BewHi 2013, 311; ähnl. Peglau, JR 2013, 253. 518 Vgl. dazu OLG Celle, Beschl. vom 7.5.2014 – 2 Ws 71/14, Ls. Nr. 2 – bei juris. 519 Vgl. BT-Drs. 17/9874, S. 21; zum ggf. aufzustellenden Therapieplan s. OLG Nürnberg StV 2014, 152. 520 In diesem Sinne König, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 2. 521 Vgl. OLG Hamm NStZ 2014, 539. 522 BT-Drs. 17/9874, S. 21; s. a. Bartsch, FS 2013, 210; Drenkhahn, Vorgänge 2014, 13. 523 So auch Ullenbruch, NStZ 2014, 541. 524 Schäfersküpper/Grote, NStZ 2013, 454; and. wohl Fischer 2016, § 67 d Rn. 13 b. 525 BT-Drs. 17/9874, S. 21.

VI. Absicherung der Wirksamkeit des neuen Vollzugs

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d) Nachbesserungsbedarf wegen fehlender Verweise auf § 66 c Abs. 1 Nr. 2 b und Nr. 3 StGB Ein eingeschränkter Verweis nur auf § 66 c Abs. 1 Nr. 1 StGB findet sich auf Bundesebene526 parallel zu § 66 c Abs. 2 StGB i. R. d. Unverhältnismäßigkeits­regeln (vgl. § 67 c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB sowie § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB). Im Unterschied zu § 66 c Abs. 2 StGB liegen diesbzgl. bereits einige obergerichtliche Entscheidungen vor, mit denen es sich auseinanderzusetzen gilt. Schon vor dem BVerfG-Urteil betonte die Rechtsprechung die besondere Bedeutung von Vollzugslockerungen im Sicherungsverwahrungsvollzug.527 Entschieden wurde, dass die Nichtaussetzung nicht auf die fehlende Erprobung des Verwahrten gestützt werden könne, wenn Locke­rungen zu Unrecht verweigert worden seien.528 Umso unverständlicher erscheint es, dass der Gesetzgeber für die Zeit der Sicherungsverwahrung trotz der mit § 66 c Abs. 1 Nrn. 1–3 StGB529 für den Sicherungsverwahrungsvollzug eindeutigen Regelungen in § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB nur der Nr. 1 Bedeutung beigemessen hat. Nach Inkrafttreten des SichVAbstUmsG hat das OLG Köln die Wahrung des gesamten Abstandsgebots, im konkreten Fall § 66 c Abs. 1 Nr. 2 StGB, in die all­ gemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung der weiteren Vollstreckung der Sicherungsverwahrung einbezogen.530 Demgegenüber hielt das OLG Nürnberg strikt am Wortlaut der Norm fest und lehnte es daher für den Sicherungsverwahrungsvollzug ab, dass vollzugsöffnende Maßnahmen (also § 66 c Abs. 1 Nr. 3 a StGB) über § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB erzwungen werden können.531 Das KG Berlin lehnte eine analoge Anwendung des § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB ab, da es an der erforderlichen planwidrigen Regelungslücke „fehlen dürfte“.532 Eine weitere Variante, welche die Analogiebemühungen entbehrlich machen, stellte das LG Marburg vor. Einfachgesetzliche Normen seien so weit wie möglich i. S. d. höheren Verfassungsrechts auszulegen. Insoweit entschied das Gericht, dass § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB „verfassungskonform“ dahingehend auszulegen sei, dass mit dem angemessenem Betreuungsangebot des § 66c Abs. 1 StGB stets dasjenige Angebot gemeint ist, das der ratio legis des § 66c StGB entspricht.“533 Als Grund gab das LG an, dass es dem Gesetzgeber genauso wie dem BVerfG hauptsächlich darum ginge, die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung als Ultima Ratio zu vermeiden. 526

Ebso. auf Landesebene, z. B. § 93 Abs. 2 S. 1 HmbStVollzG, § 12 Abs. 2 S. 1, § 93 Abs. 1 S. 1 HmbSVVollzG. 527 OLG Köln StV 2010, 199. 528 OLG Köln OLGSt StPO § 454a Nr. 3, 3 im Jahre 2005. 529 S. zum Gesetzestext o. Teil C., Fn. 152, 304 und 340. 530 OLG Köln OLGSt StGB § 66 c Nr. 1, 2. 531 OLG Nürnberg StV 2014, 152; ebso. OLG Nürnberg, Beschl. vom 2.3.2015 – 1 Ws 49/15, Rn. 15 – bei juris; and. LG Koblenz, Beschl. vom 24.6.2013 – 7 StVK116/13 – unveröffentlicht; Peglau, JR 2013, 252. 532 KG Berlin, Beschl. vom 21.10.2013 – 2 Ws 446/13, 2 Ws 446/13 – 141 AR 479/13, Rn. 92 – bei juris. 533 LG Marburg, Beschl. vom 13.9.2013 – 7 StVK 109/12, Rn. 27 f. – bei juris.

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

Auch zur Frage, ob die Anstalt zur nachsorgenden Betreuung in Nr. 3 b über § 67 d Abs. 2 S. 2 und § 67 c Abs. 1 Nr. 2 StGB gezwungen werden können sollte, hat sich die Rechtsprechung geäußert. Im Beschluss vom Februar 2013 stellte das OLG Hamm fest, dass es die Aufgabe des Staates und nicht des Untergebrachten sei, ein ausreichendes Angebot an Betreuungseinrichtungen für entlassene Sicherungsverwahrte anzubieten. Somit könne es dem Untergebrachten bei ansonsten günstiger Prognose nicht zum Nachteil gereichen, wenn der Staat nicht „für eine genügende Ausstattung mit Einrichtungen des strukturierenden und kontrollierten betreuten Wohnens“ gesorgt habe.534 Dass für den Strafvollzug in § 66 c Abs. 2 StGB etwas anderes gelten soll, leuchtet nicht ein. Ein anderes Problem stellt die Frage dar, weshalb den Staat nicht im gesamten Strafvollzug eine solche Aufgabe trifft. Die Motive des Gesetzgebers sind wenig eindeutig. In der Gesetzesbegründung wird zu § 67  d Abs.  2 S.  2 StGB erwähnt, dass die Bewährungsaussetzung nur möglich sei, „nachdem die Vollzugsbehörde diese vom Gericht bestimmte Frist hat verstreichen lassen, ohne dem Untergebrachten ausreichende Betreuung im Sinne des § 66c Absatz 1 Nummer 1 StGB-E angeboten zu haben.“535 Bei § 67 c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB drückt er sich hingegen allgemeiner aus und spricht „nur“ von Betreuung i. S. v. § 66 c StGB.536 Der Wortlaut beider Normen, die auf eine Betreuung i. S. v. § 66 c Abs. 1 Nr. 1 StGB abstellen, legt nahe, dass nur diese Betreuung in der Gesetzesbegründung gemeint ist.537 Zudem soll eine allgemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung weiterhin möglich sein.538 Bei dieser könnte man, wie es das OLG Köln z. T. getan hat, die Aspekte des § 66 c Abs. 1 Nr. 2 und 3 StGB berücksichtigen. Außerdem wird in der Gesetzesbegründung das Ziel, den Ultima-Ratio-Gedanken umzusetzen, im Zusammenhang mit der Regelung nicht nur des § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB, sondern auch des § 67 c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB sehr deutlich hervorgehoben.539 Daher ist dem LG Marburg insofern zuzustimmen, als sich die angemessenen Maßnahmen nach dem jeweiligen Stand der Bemühungen, diesem Ziel näher zu kommen, richten müssen. Dies ist, je nach Behandlungsfortschritt, unterschiedlich zu beurteilen. So geht es zu Beginn des Vollzugs darum, überhaupt eine Motivation zu erzeugen. Verläuft der Vollzug hingegen besser, so kann es nicht lediglich bei Maßnahmen bleiben, die ausschließlich intramural erfolgen.540 Vollzugsöffnende Maßnahmen und Entlassungsvorbereitung sind kein „Selbstzweck, sondern ein unerlässliches Mittel der Behandlung“.541 Sie wirken zumin 534

OLG Hamm R&P 2013, 171, Ls. 2, 176; kurz Bartsch, FS 2013, 210. BT-Drs. 17/9874, S. 21. 536 BT-Drs. 17/9874, S. 21. 537 In diese Richtung BT-Drs. 17/9874, S. 21. 538 BT-Drs. 17/9874, S. 21. 539 BT-Drs. 17/9874, S. 19 ff. 540 LG Marburg, Beschl. vom 13.9.2013 – 7 StVK 109/12, Rn. 27 – bei juris. 541 H. Baier, DRiZ 2014, 141. 535

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dest dem entgegen, dass das Leben in Freiheit dem Betroffenen völlig fremd wird. Denn wenn die Fähigkeit, sich in der Außenwelt einzufinden, verloren gegangen ist, kann entweder die Beendigung der Unterbringung nicht verantwortet werden, oder es ist eine erhöhte Rückfallgefahr zu riskieren. Deshalb eine verfassungskonforme Auslegung wie das LG Marburg zu fordern, geht Baier jedoch zu weit.542 Ausreichend sei, dass im Sicherungsverwahrungsvollzug mit § 66 c Abs. 1 Nr. 3 StGB besondere Vorschriften für vollzugsöffnende Maßnahmen bestünden, so dass sich die Unverhältnismäßigkeitsregelung auch darauf beziehe. Hingegen gelte dies nicht für den Strafvollzug, weil ja § 66 c Abs. 2 StGB nur auf die Nr. 1 verweise. Sicherlich trifft es zu, dass besondere Vorschriften für den Sicherungsverwahrungsvollzug in Nr. 1–3 bestehen, was die fehlende Verweisung in § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB, wie erwähnt, umso unverständlicher macht. Die Argumentation Baiers ist jedoch inkonsequent, weil sie einmal einen fehlenden Verweis bei § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB für unschädlich hält, und ihm ein anderes Mal bei § 66 c Abs. 2 StGB Gewicht beimisst. Außerdem müsste man erst recht im Strafvollzug dafür sorgen, dass die Welt in Freiheit nicht völlig ent­gleitet. Lässt man erst einmal jahrelangen Strafvollzug ohne Erprobung in und Kontakt mit der Außenwelt vergehen, ist der in die Unterbringung kommende Inhaftierte entfremdet. Die geschilderte Haltung wie diejenige des OLG Nürnberg entspricht nicht der eigentlichen allgemeineren Zielsetzung des SichVAbstUmsG und des BVerfG.543 Würde man mit dem Gericht eine Entlassung nach §§ 463 Abs. 1, 454 a StPO in Betracht ziehen, hieße das lediglich, dass der Verwahrte eine Bewährungszeit noch in der Sicherungsverwahrungseinrichtung verbringt, er allerdings danach immer noch unvorbereitet, da keine oder zu wenige vollzugsöffnende Maßnahmen gewährt worden sind, entlassen würde. Zu fordern ist de lege ferenda, dass Nr. 3 nicht nur mittels analoger Anwendung oder verfassungskonformer Auslegung in die Unverhältnismäßigkeitsprüfung einbezogen, sondern ein direkter Verweis in § 67 c und d StGB aufgenommen wird. Andernfalls verlöre das Gesamtkonzept des § 66 c StGB an Wirkkraft. Es bliebe bei der als verfassungswidrig eingestuften Lockerungspraxis und Entscheidungen wie derjenigen des OLG Köln vom 19.9.2011.544 In diesem Fall hatte ein Verwahrter trotz einer „uneingeschränkt positiv zu bewertende[n] Entwicklung“ wegen Verzögerungen der Landesjustizverwaltungen keine Vollzugslockerungen gewährt bekommen. Aufgrund dadurch verursachter mangelnder Vorbereitung 542

H. Baier, StraFo 2014, 400; ders., DRiZ 2014, 140. OLG Nürnberg StV 2014, 152; ebso. OLG Nürnberg, Beschl. vom 2.3.2015 – 1 Ws 49/15, Rn. 15– bei juris; krit. H. Baier, DRiZ 2014, 141. 544 OLG Köln StV 2012, 222 mit krit. Anm. Bartsch, StV 2012, 226: „… könnte … eine nicht zu begrüßende Signalwirkung haben. So ist zu befürchten, dass er die Vollzugsbehörden veranlassen könnte, mit der … problematischen Praxis der Gewährung von Vollzugslockerungen bei Sicherungsverwahrten fortzufahren.“ 543

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auf die Freiheit wurde er nicht entlassen. Die Renitenz der Vollzugsbehörden, restriktive Ministerialerlasse sowie solche Entscheidungen der Gerichte zeigen genauso wie die Erfahrungen mit Lockerungen bei lebenslang Inhaftierten,545 dass die verfassungsgerichtlichen Vorgaben nicht reichen. Vielmehr sollte sich der Gesetzgeber möglichst schnell besinnen und den entsprechenden Forderungen, die es bereits im Gesetzgebungsverfahren546 gab, nun Folge leisten. Ansonsten könnte die Exekutive die richterliche Entscheidung über die Aussetzung zur Bewährung der Sicherungsverwahrung durch Verzögerungen bei den vollzugsöffnenden Maßnahmen präjudizieren.547 Das aber ist mit den Forderungen des BVerfG nach einer Regelungsdichte nicht zu vereinbaren.548 Hinsichtlich der Nr. 2 des § 66 c Abs. 1 StGB könnte man für den Sicherungsverwahrungsvollzug anführen, dass die möglichst wenig belastende Vollzugsgestal­ tung, die Beschränkung nur aus Sicherheitsgründen und die Anpassung an allgemeine Lebensverhältnisse sowie der Trennungsgrundsatz nicht direkt mit der Therapieausrichtung zusammenhängen. Die ohnehin notwendige Verhältnismäßigkeitsprüfung reicht nach Ansicht Pollähnes aus.549 Allerdings soll der gesamte § 66 c Abs. 1 StGB das vom BVerfG geforderte Gesamtkonzept umsetzen, weshalb zu vertreten ist, dass in diesem Zusammenhang die allgemeine Verhältnismäßigkeitsprüfung gerade nicht genügt. Der Gesetzgeber muss sich fragen lassen, warum der vom BVerfG als ein zentraler Aspekt des Abstandsgebots bezeichnete Trennungsgrundsatz nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit nach § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB führen soll. Nr. 2 b ist daher genauso mit einzubeziehen, um das Ziel zu erreichen, dass das Trennungsgebot nur in zwingenden Fällen durchbrochen werden kann. Die in Nr. 2 a geregelten Aspekte stehen darüber hinaus bereits dem Gesetzeswortlaut zufolge im Zusammenhang mit Nr. 1 („eine Unterbringung gewährleisten,… die den Erfordernissen der Betreuung im Sinne von Nummer 1 entspricht“) und sind, was der BVerfG-Entscheidung zu entnehmen ist, mit dem Trennungsgebot verknüpft.550 Zudem fordert das Gericht bekanntermaßen nicht nur einen therapiegerichteten, sondern ebenso einen freiheitsorientierten Sicherungsverwahrungsvollzug, welcher nur noch aus Gründen der Sicherheit bzw. zur Erreichung des Vollzugsziels beschränkt werden darf. 545

P.-A. Albrecht et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2010, 14 f. m. w. N.: Verfassungsgerichtliche Vorgaben (s. bspw. BVerfG NJW 1998, 1134; BVerfGE 107, 108; 117, 104) seien angesichts des Beharrungsvermögens der Vollzugsbehörden, der Restriktionen der Ministerien, der Anerkennung der zu weiten Beurteilungsspielräume durch die Gericht weitgehend wirkungslos geblieben. 546 DAV, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E Nr. 56/2012, S. 5; etwas zurückhaltender Kinzig, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 2. 547 Dazu Bartsch, StV 2012, 226 m. w. N.; so im Fall des OLG Köln StV 2012, 222. 548 Dazu BVerfGE 128, 378; ebso. LG Marburg, Beschl. vom 13.9.2013 – 7 StVK 109/12, Rn. 28 – bei juris. 549 Pollähne, StV 2013, 253. 550 BVerfGE 128, 380.

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2. Umsetzung des Kontroll-, Rechtsschutzund Unterstützungsgebots Wurde im Eckpunktepapier des BMJ noch ein eigenes Gesetz zum Rechtsschutz angeregt,551 wurden die entsprechenden Änderungen nun im StVollzG vorgenommen. Dies hängt damit zusammen, dass bis jetzt noch nicht jedes Bundesland ein eigenes StVollzG geschaffen hat. Sobald dies der Fall ist, sollte der Bund schnellstens das StVollzG durch ein „Gesetz über den Rechtsschutz auf dem Gebiet des Straf- und Maßregelvollzugs“ ersetzen, um somit der Gesetzgebungskompetenz zu entsprechen. a) Strafvollzugsbegleitende gerichtliche Kontrolle bei latenter Sicherungsverwahrung nach § 119 a StVollzG Nicht nur für den Sicherungsverwahrungsvollzug, sondern bereits für den Strafvollzug besteht ein besonderes Interesse an der Durchführung und Kontrolle der Maßnahmen nach § 66 c Abs. 1 Nr. 1 StGB, was sich neben den Regelungen des StGB auf verfahrensrechtlicher Ebene auch in der neuen Form gerichtlicher Kontrolle, einer „Beschwerde sui generis“ des § 119  a  Abs.  5 StVollzG zeigt.552 Damit wird die Betreuung während des Strafvollzugs durch eine nach § 119  a Abs. 1 StVollzG553 von Amts wegen zu erfolgende strafvollzugsbegleitende Kontrolle abgesichert, um v. a. für die Praxis selbst Überraschungen zu verhindern.554 Weil die Norm Rechtssicherheit und Verlässlichkeit für potentielle Sicherungsverwahrte und eine klare Perspektive und Planungssicherheit für die Anstalt mit sich bringt, wird sie z. T. begrüßt.555 Dies sei ein „Paradigmenwechsel“ im Rechtsschutz der Sicherungsverwahrten.556 Von Amts wegen bedeutet so viel, dass der Gefangene selbst keinen entsprechenden Antrag stellen kann. Ihm bleibt ledig 551

Vgl. Eckpunktepapier BMJ, S. 12. Dazu OLG Celle, Beschl. vom 28.8.2014 – 1 Ws 355/14 (StrVollz), Rn. 14; KG Berlin, Beschl. vom 19.8.2015 – 2 Ws 154/15 – 141 AR 327/15, Rn. 6 – jeweils bei juris; ebso. BTDrs. 17/9874, S. 29; LNNV/Bachmann 2015, P Rn. 125. 553 § 119 a Abs. 1 StVollzG: „Ist die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet oder vorbehalten, stellt das Gericht während des Vollzuges der Freiheitsstrafe nach Ablauf der in Absatz 3 genannten Fristen von Amts wegen fest, 1. ob die Vollzugsbehörde dem Gefangenen im zurückliegenden Zeitraum eine Betreuung angeboten hat, die § 66c Absatz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuches entspricht; 2. soweit die Betreuung nicht den in Nummer 1 genannten Anforderungen entsprochen hat, welche bestimmten Maßnahmen die Vollzugsbehörde dem Gefangenen bei sich nicht wesentlich ändernder Sachlage künftig anzubieten hat, um den gesetzlichen Anforderungen an die Betreuung zu­ genügen.“ 554 Vgl. zum Prüfungsgegenstand KG Berlin, Beschl. vom 19.8.2015 – 2 Ws 154/15 – 141 AR 327/15, Rn. 30 – bei juris; ebso. BT-Drs. 17/9874, S. 28. 555 Endres, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 7. 556 Feest/Lesting, StV 2013, 279; ebso. Knauer, StraFo 2014, 51; Dessecker 2016,474. 552

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

lich der Versuch, die Vollzugsbehörde zu einem Antrag nach § 119 a Abs. 2 S. 1 StVollzG zu bewegen.557 Der Gesetzgeber begründet dies damit, dass ein Antragsrecht nicht angezeigt sei, weil eine Feststellung des Gerichts hinsichtlich des Gesamtpakets der angebotenen und nicht nur hinsichtlich einzelner Maßnahmen ­angestrebt werde. Diesbzgl. habe der Gefangene den Weg der gerichtlichen Kontrolle nach §§ 109 ff. StVollzG, was eine „weitergehende Möglichkeit“ sei, weil nicht nur eine „Feststellung“ begehrt werde.558 Dies ist kritisch zu sehen, weil gerade die gerichtliche Kontrolle nach §§ 109 ff. StVollzG häufig zu spät kommt. Abgemildert wird dies dadurch, dass § 119  a StVollzG ein zwingendes, den Vollzug kontinuierlich begleitendes, periodisches Kontrollsystem559 darstellt. Für ein berechtigtes Interesse der Anstalt, das sie für einen Antrag nach § 119 a Abs. 5 StVollzG benötigt, ist „ein qualifiziertes Bestreiten der Rechtmäßigkeit durch den Gefangenen … ausreichend, wenn auch nicht erforderlich.“560 Die Möglichkeit, bei berechtigtem Interesse vorbeugend die Betreuung nach § 119 a StVollzG zu überprüfen, könnte jedoch faktisch nicht, wie vom BVerfG angestrebt, die Rechtsstellung der Untergebrachten verbessert, sondern zur Absicherung der Anstalt dienen, die eine Entlassung zu verhindern.561 Für nachfolgende Entscheidungen statuiert Abs. 7 des § 119 a StVollzG eine Bindungswirkung der getroffenen Feststellung für alle Gerichte, sofern die Sachlage nicht wesentlich verändert ist.562 Damit soll eine abgeschichtete Prüfung der Verhältnismäßigkeit eröffnet sein.563 Dies erinnert sehr an die durch § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB eingeräumte Schonfrist für den Vollzug.564 Von der Anstalt kann dieses Präjudiz genutzt werden, um eine Entlassung nach § 67 c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB oder § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB frühzeitig zu verhindern. Andererseits kann es von ihr schlicht dazu genutzt werden, sich rechtmäßig zu verhalten. 557

Die Anstalt besitzt bei berechtigtem Interesse ein eigenes Antragsrecht; vgl. dazu BTDrs. 17/9874, S. 28; zu den inhaltlichen Anforderungen an den Antrag vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. vom 4.9.2014 – 1 Ws 91/14, Rn.10 – bei juris; OLG Nürnberg StraFo 2015, 436 f. 558 Vgl. BT-Drs. 17/9874, 28 f.; ebso. Lesting/Feest, StV 2013, 279; Schäfersküpper/Grote, NStZ 2013, 453. 559 Zu den verschiedenen Fristen s. H. Baier, DRiZ 2014, 142. Insgesamt wird sich durch die neue gerichtliche Kontrolle die Arbeitsbelastung der StVK erhöhen; s. OLG Stuttgart, Beschl. vom 13.2.2015 – 2 Ws 230/14, Rn. 37 ff.; OLG Braunschweig, Beschl. vom 11.8.2014 – 1 Ws 205/14, Rn. 8 ff. m. w. N. – jeweils bei juris. 560 BT-Drs. 17/9874, S. 28. Vgl. aber OLG Hamm, Beschl. vom 20.11.2014 – III-1 Vollz (Ws) 494/14, 1 Vollz (Ws) 494/14, Rn. 14 f. – bei juris, wonach ein berechtigtes Interesse nur anzunehmen sei, wenn „eine zeitnähere Entscheidung in dem Sinn zu erwarten wäre, dass eine hierdurch früher mögliche Korrektur etwaiger vollzuglicher Mängel spätere vollstreckungsrechtliche Entscheidungen gemäß § 67 c StGB mit hoher Wahrscheinlichkeit noch beeinflussen würde.“ Ebso. OLG Hamm, Beschl. vom 18.11.2014 – III-1 Vollz (Ws) 540/14, 1 Vollz (Ws) 540/14, Rn. 10 – bei juris. 561 Für die in Bay festzustellende Praxis Kaspar, abgedruckt bei Ladiges 2015, 76. 562 Es handelt sich etwa um Entscheidung nach § 275 a StPO oder § 67 c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB; zur Zuständigkeit H. Baier, DRiZ 2014, 142. 563 S/S-Kinzig 2014, § 67 c Rn. 8; zur Bindung s. a. BT-Drs. 17/9874, S. 20, 28. 564 In diesem Sinne König, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 3.

VI. Absicherung der Wirksamkeit des neuen Vollzugs

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Eine Verpflichtung der JVA, sich an die Anordnung des Gerichts zu halten, ist allerdings nicht normiert worden. D. h., wenn die Behandlung i. S. d. § 66 c StGB dem nicht genügt, kann das Gericht die Ausführung bestimmter Behandlungsmaßnahmen nicht ggü. der Vollzugsbehörde vollstrecken. Es kann nur feststellen, welche Maßnahmen es zur Erfüllung des bundesrechtlich vorgeschriebenen Behandlungsauftrags als notwendig erachtet, denn § 120 StVollzG erfasst den Fall des § 119 a StVollzG nicht. Der Gesetzgeber ging davon aus, der Vollzug sei motiviert genug, wenn die Bewährungsaussetzung der Maßregel bei Nichtumsetzung der Anordnung drohe.565 Angesichts des durch Art. 19 Abs. 4 GG garantierten und vom BVerfG in der Entscheidung vom 4.5.2011 hochgehaltenen effektiven Rechtsschutzes wäre es sinnvoll, dem in Vollzugssachen tätigen Richter ein Mittel an die Hand zu geben, das die Vollstreckbarkeit im Zusammenhang mit § 119 a StVollzG ermöglicht.566 Die Unverhältnismäßigkeitsregelungen zeigen, dass die vollzugliche Ausgestaltung Einfluss auf die weitere Vollstreckung der Unterbringung nehmen kann. Vollzugs- und Vollstreckungsrecht sind weiter miteinander verwoben worden. Dies spiegelt sich verfahrensrechtlich nicht wider. So wird im Verfahren nach § 119 a StVollzG die Vollstreckungsbehörde weiterhin keine Verfahrensbeteiligte, was die Gesetzesbegründung zu erkennen gibt. Anscheinend will man alleine den Vollzug als Verantwortlichen sehen.567 b) Vollstreckbarkeit gerichtlicher Entscheidungen nach § 120 StVollzG Das StVollzG hatte die Vollstreckbarkeit gerichtlicher Entscheidungen bisher nicht geregelt, weshalb umstritten war, ob diese überhaupt und ggf. wie sie möglich war.568 Mit § 120 Abs. 1 S. 1 StVollzG kann nun der Nichtbefolgung von Gerichtsentscheidungen im Fall von Beschlussentscheidungen (vgl. § 114 Abs. 2 S. 2 und 115 Abs. 2 S. 2 StVollzG) entgegen getreten werden.569 Denn die Vorschrift des § 120 Abs. 1 S. 1 StVollzG verweist auf § 172 VwGO, wonach ein Zwangsgeld gegen die Vollzugsbehörde verhängt werden kann.570 Dadurch kann das Gericht 565

Vgl. dazu BT-Drs. 17/9874, S. 28; in diesem Sinne auch H. Baier, StraFo 2014, 402. Zur grds. Bedeutung im Hinblick auf Art.  19 Abs.  4 GG vgl. BVerfG, Beschl. vom 8.4.2013 – 2 BvR 2928/12, Rn. 2 – bei juris. 567 BT-Drs. 17/9874, S. 29; krit. Wolf, Rpfleger 2013, 367. 568 Ausführl. Darstellung des Streitstandes bei OLG Hamm, Beschl. vom 5.3.2013 – 1 Vollz (Ws) 710/12, Rn. 32 – bei juris; ebso. BVerfG StV 2011, 228; Beschl. vom 8.4.2013 – 2 BvR 2928/12, Rn. 2 – bei juris; s. Laubenthal 2015, Rn. 819 zu den Befürwortern einer entsprechenden Anwendung der §§ 170, 172 VwGO. 569 Zu einer anderen Form der Renitenz (z. B. durch späte Weiterleitung eines Antrags auf vorläufigen Rechtsschutz) vgl. BVerfG StV 1993, 482 ff.; ZfStrVo 1994, 245 ff. (jeweils in Bezug auf den Strafvollzug). 570 Verweis auf die VwGO befürwortend Schäfersküpper/Schmidt, StV 2014, 184 f.; zu den Parallelen zum Verwaltungsrecht Arloth 2011, § 120 StVollzG Rn. 1; AK-StVollzG-Kamann/ Spaniol 2012, § 120 Rn. 2. 566

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

den Anspruch des Verwahrten z. B. auf Gewährung einer bestimmten Therapiemaßnahme direkt ggü. der Behörde durchsetzen. Dies ist sicherlich ein Schritt in die richtige Richtung, um das einmal erstrittene Recht im Zweifel in die Tat umzusetzen.571 Bei einer Missachtung dieses Zwangsgelds sind zudem die „schneidigen“ Vollstreckungsmaßnahmen nach der ZPO wegen des effektiven Rechtsschutzgebots aus Art. 19 Abs. 4 GG laut BVerfG zumindest nicht ausgeschlossen.572 Dass in diesem Bereich Handlungsbedarf bestand, zeigt eine Entscheidung des BVerfG vom Dezember 2012.573 In der Entscheidung ging es darum, dass ein Zusammenspiel von behördlicher Vollzugsplanung und -fortschreibung zu bestimmten Terminen dazu geführt hatte, dass das Rechtsschutzinteresse des Betroffenen ausgehebelt wurde. Zudem berichtet die Praxis seit langem von renitenten Vollzugsbehörden, welche die Effizienz des Rechtsschutzes in Vollzugssachen erheblich beeinträchtige.574 Gerichte beklagten aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung mit dem Vollzugsverfahren nach §§ 109 ff. StVollzG, dass der Vollzug die „Fülle von tatsächlichen Möglichkeiten, das Verfahren immer wieder zu verzögern und Gerichtsentscheidungen zu missachten“, ausgenutzt habe.575 Kammeier bemängelte insofern, dass es kein eigenes Verwaltungsvollstreckungsrecht für den Straf- und Maßregelvollzug gebe.576 Wenn man den Verwahrten künftig mehr subjektive Rechte bzw. Ansprüche gesetzlich einräumt, die dann durch die Gerichte ggü. den Behörden nach § 120 Abs. 1 S. 1 StVollzG i. V. m. § 172 VwGO durchgesetzt werden können, ist ein eigenes Verwaltungsvollstreckungsrecht jedoch nicht zwingend. Ob die neue Zwangsgeldregel aufgrund ihrer Umständlichkeit nur ein „Papiertiger“ bleibt, oder tatsächlich den Gefangenen mehr effektiven Rechtsschutz bietet, bleibt abzuwarten.577 Bis dahin ist dem VwGO-Gesetzgeber von 1957 zuzustimmen, dass „die Befolgung gerichtlicher Urteile durch die Behörden … freilich in einem Rechtsstaat eine Selbstverständlichkeit sein [müsste]; doch hat gerade die Nachkriegserfahrung gelehrt, daß es in Ausnahmefällen auch Behörden gegenüber nicht ohne Zwang“ gehe.578 Fragt sich, wieso es so lange gedauert hat, bis diese Erkenntnis ins (Straf- und Sicherungsverwahrungs-) Vollzugsrecht gelangte. 571

Kammeier, R&P 2013, 177; ebso. Knauer, StraFo 2014, 51. BVerfG, Beschl. vom 9.8.1999 – 1 BvR 2245/98, Rn. 9 – bei juris; s. dazu Schäfersküpper/ Schmidt, StV 2014, 188 m. w. N. 573 BVerfG NStZ-RR 2013, 120. 574 Köhne, JR 2015, 256: „Renitenz gegenüber einer Verstärkung von möglicherweise resozialisierungsfördernden Maßnahmen ist leider nicht selten ‚Vollzugstradition‘ …“; Lesting, FS 2012, 273 ff.; für den Strafvollzug erstmals Lesting/Feest, ZRP 1987, 390; Pollähne, StV 2013, 258 m. w. N.; ebso. P.-A. Albrecht et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2010, 12 ff.; Bachmann 2015, 203 ff., 370 f.; LNNV/Bachmann/Neubacher 2015, § 109 Rn. 3, § 120 Rn. 1; Kammeier, ZfStrVo 1993, 206 ff.; Pollähne, ZfStrVo 2006, 277 ff. 575 Drastische Formulierung bei LG Marburg, Beschl. vom 13.9.2013  – 7 StVK 109/12, Rn. 28 a. E. – bei juris. 576 Kammeier, R&P 2013, 177. 577 Heischel, StraFo 2014, 333; krit. auch Wolf 2012, 81: „zahnlose Tiger“; positiv Rath, TAZ vom 21.7.2011. 578 RegE zur VwGO vom 5.12.1957, BT-Drs. 3/55, S. 49 (zum damaligen § 168 VwGO). 572

VI. Absicherung der Wirksamkeit des neuen Vollzugs

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c) Beiordnung eines Pflichtverteidigers Bisher haben es Gesetzgeber und Politik hingenommen, dass nur im Erkenntnisverfahren nach § 140 StPO die Beiordnung eines Pflichtverteidigers der Regelfall war.579 Im Vollstreckungsverfahren existierte zuvor nur die Beiordnung gemäß § 463 Abs. 3 S. 5 StPO a. F. bei der Entscheidung über die Erledigung der Sicherungsverwahrung nach Ablauf der zehn Jahre (vgl. § 67 d Abs. 3 StGB a. F.).580 Prozesskostenhilfe in Strafvollzugssachen konnte nur über §§ 120 Abs. 2 StVollzG a. F. i. V. m. §§ 114 ff. ZPO gewährt werden.581 Vor Augen halten muss man sich, dass in Vollzugssachen „die Rechtsschutzsuchenden … typischerweise nach Bildungsstand, materiellen Ressourcen und Kommunikationsmöglichkeiten für den Umgang mit den Kompliziertheiten der Rechtsordnung nicht gut gerüstet sind“.582 Nicht zu vergessen ist, dass die Sachlage bei Sicherungsverwahrten i. d. R. aufgrund schwieriger Rechtsfragen und teilweise wegen der Persönlichkeitsstruktur beim Untergebrachten selbst, schwieriger ist. Auch dürfte beim nichtverteidigten Untergebrachten die Fähigkeit, sich mit dem Verfahren auseinanderzusetzen, oft nicht vorhanden sein. Zu begrüßen ist somit, dass der Gesetzgeber aufgrund der hohen verfassungsgerichtlichen Anforderungen an das neue Rechtsschutzsystem die Beiordnung eines Pflichtverteidigers änderte.583 Zwingend ist den Untergebrachten „bei sämtlichen gerichtlichen Verfahren …, in denen nach Rechtskraft des anordnenden Urteils über die Vollstreckung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung entschieden wird“ ein Verteidiger beizuordnen, wenn derjenige keinen hat.584 Dies folgt aus § 463 Abs. 8 S. 1 StPO („bestellt das Gericht“). Kritikwürdig ist, dass in S. 2 des § 463 Abs. 8 StPO nur die Rede von einer „rechtzeitigen“ Bestellung ist. Zwar soll damit dem Gesetzgeber zufolge zum Ausdruck gebracht sein, dass die Bestellung so früh erfolgen muss, dass die Interessen des Betroffenen angemessen wahrgenommen werden können.585 Die StA wird einen solchen Antrag künftig nicht „einfach liegen lassen dürfen, weil die Gerichtsentscheidung erst in einem halben Jahr ansteht.“586 Es bleibt jedoch bei der reichlich unbestimmten Aussage, was der Vergleich mit § 141 StPO zeigt, der in Abs. 1 579 Pollähne, StV 2013, 255: Jetzige Regelung in § 463 Abs. 3 S. 5 StPO habe sich ohne weiteres aus § 140 Abs. 2 StPO ableiten lassen und der einschlägigen BVerfG-Rspr. entsprochen (bspw. BVerfG StV 2006, 426). 580 S. BT-Drs. 17/9874, S. 27: Beiordnungspraxis insbes. der StVKen „uneinheitlich und … restriktiv“. 581 § 120 Abs.  2 StVollzG a. F.: „Auf die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe sind die Vorschriften der Zivilprozeßordnung entsprechend anzuwenden.“ 582 BVerfGK 10, 516 zum Strafvollzug; BVerfGE NStZ-RR 2013, 120 im Zusammenhang mit der SV. 583 BT-Drs. 17/9874, S. 27; H. Baier, StraFo 2014, 403. 584 BT-Drs. 17/9874, S. 26. 585 BT-Drs. 17/9874, S. 27. 586 Reichlich unkonkret Wolf, Rpfleger 2013, 370.

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

einen konkreten Zeitpunkt („sobald er gemäß § 201 zur Erklärung über die Anklageschrift aufgefordert worden ist“) bzw. in Abs. 2 zumindest von einer sofortigen Bestellung spricht. Insofern wäre ein konkreter Zeitpunkt zu nennen bzw. zumindest der Zusatz aufzunehmen, dass die Bestellung vor der Beauftragung eines Sachverständigen erfolgen muss.587 Ebenso Raum für Interpretation belässt die Formulierung in Abs. 8 S. 1, dass den Untergebrachten für alle „Verfahren auf dem Gebiet der Vollstreckung“ ein Pflichtverteidiger beizuordnen ist. Klar nicht erfasst von § 463 Abs. 3 S. 5 und Abs. 8 StPO sind Angelegenheiten auf bestimmten Gebieten des StVollzG: Dafür gibt es einerseits den neuen § 119 a Abs.  6 S.  1 StVollzG und andererseits speziell für die Durchsetzung des § 66  c Abs. 1 StGB den neuen § 109 Abs. 3 S. 1 StVollzG,588 der regelungstechnisch den bisherigen § 140 Abs. 2 S. 1 StPO a. F. umkehrt.589 Danach wird dem Verwahrten künftig nach § 109 Abs. 3 S. 1 StVollzG von Amts wegen ein Rechtsanwalt beigeordnet.590 Persönliche Voraussetzung ist, dass der Antragsteller ein zumindest potentieller Sicherungsverwahrter ist und sachlich muss es sich bei seinem Antrag um Maßnahmen i. S. d. § 66 c Abs. 1 StGB handeln. Ausnahmsweise ist die Beiordnung nicht zwingend, wenn eine einfache Sach- und Rechtslage eine Mitwirkung nicht gebietet oder – zugegebenermaßen sehr theoretisch – der Betroffene seine Rechte ersichtlich, z. B. aufgrund einer juristischen Vorbildung, selbst wahrnehmen kann.591 Die Beiordnung bei Fragen des § 66 c Abs. 1 StGB ist daher unabhängig von den Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe.592 Allerdings wäre i. S. d. vom BVerfG als sehr wichtig eingestuften Verbesserung des Rechtsschutzes eine Beiordnung im Sicherungsverwahrungsvollzug nicht nur in Bezug auf § 66 c Abs. 1 StGB angezeigt, sondern allgemein, wenn es sich nicht nur um eine 587

Auch die Gesetzesbegründung weist darauf hin, vgl. BT-Drs. 17/9874, S. 27. § 119 a Abs. 6 S. 1 StVollzG: „Für das gerichtliche Verfahren ist dem Gefangenen von Amts wegen ein Rechtsanwalt beizuordnen.“ § 109 Abs. 3 S. 1 StVollzG: „Dient die vom Antragsteller begehrte oder angefochtene Maßnahme der Umsetzung des § 66c Absatz 1 des Strafgesetzbuches im Vollzug der Sicherungsverwahrung oder der ihr vorausgehenden Freiheitsstrafe, so ist dem Antragsteller für ein gerichtliches Verfahren von Amts wegen ein Rechtsanwalt beizuordnen, es sei denn, dass wegen der Einfachheit der Sach- und Rechtslage die Mitwirkung eines Rechtsanwalts nicht geboten erscheint oder es ersichtlich ist, dass der Antragsteller seine Rechte selbst ausreichend wahrnehmen kann.“ § 140 Abs. 2 S. 1 StPO a. F.: „In anderen Fällen bestellt der Vorsitzende auf Antrag oder von Amts wegen einen Verteidiger, wenn wegen der Schwere der Tat oder wegen der Schwierigkeit der Sach- oder Rechtslage die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheint oder wenn ersichtlich ist, daß sich der Beschuldigte nicht selbst verteidigen kann, namentlich, weil dem Verletzten nach den §§ 397a und 406g Abs. 3 und 4 ein Rechtsanwalt beigeordnet worden ist.“ 589 Dazu BT-Drs. 17/9874, S. 27; s. a. Peglau, jurisPR-StrafR 3/2015 Anm. 3: § 109 Abs. 3 StVollzG; KG Berlin StraFo 2015, 33 f.; OLG Hamm NStZ-RR 2014, 294. 590 KG Berlin StraFo 2015, 33 f.: grds. zwingende Beiordnung, d. h. unabhängig von der Bedürftigkeit und den Erfolgsaussichten in der Hauptsache; dazu Peglau, jurisPR-StrafR 3/2015 Anm. 3; ders., NJW 2014, 2014. 591 Dazu BT-Drs. 17/9874, S. 17, S. 31; s. a. KG Berlin StraFo 2015, 34; krit. Wawzyniak (DIE LINKE), BT-PlPr 17/9874, S. 24807; Pollähne, StV 2013, 256. 592 KG Berlin StraFo 2015, 33 f.; OLG Hamm NStZ-RR 2014, 294. 588

VI. Absicherung der Wirksamkeit des neuen Vollzugs

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einfache Sach- und Rechtslage handelt. § 119 a Abs. 6 S. 1 StVollzG enthält diese Relativierung nicht. Insgesamt werden die neuen Beiordnungsvorschriften Kosten entweder für die Staatskasse oder diejenigen des Untergebrachten bei Unterliegen verursachen bzw. erhöhen.593 Dies könnte angesichts der ohnehin notwendigen Investitionen künftig zu Problemen führen. d) Überprüfungsfrist in § 67 e StGB Ab sofort ist die Entscheidung über die Bewährungsaussetzung bzw. Erledigungserklärung nicht mehr alle zwei Jahre, sondern nach § 67 e Abs. 2 Fall 3 StGB den Vorgaben des BVerfG entsprechend jährlich zu treffen.594 Wenn der Vollzug der Sicherungsverwahrung länger als zehn Jahre dauert, verkürzt sich diese Frist sogar auf neun Monate595, um damit die Aussage des BVerfG, dass sich die Kontrolle „mit zunehmender Dauer des Vollzugs weiter intensivieren“596 müsse, umzusetzen. Damit handelt es sich wie beim gesamten § 67 e StGB um eine rechtsstaatlich bedeutende Vorschrift.597 Sie zielt darauf ab, die Unterbringung so schnell wie möglich zu beenden, was wiederum dem Ultima-Ratio-Grundsatz entspricht. Dem BVerfG zufolge sichert die regelmäßig wiederholte Überprüfung, dass eine nachlassende Gefährlichkeit rechtzeitig erkannt wird. Angesichts der Unsicherheiten der Prognose, welche den Freiheitsentzug nur für einen begrenzten Zeitraum trage, sei dies von Bedeutung.598 Neben den neuen Unverhältnismäßigkeitsregelungen verursacht die Verkürzung der Frist in § 67 e Abs. 2 StGB einen erhöhten Druck nicht nur für die StVK.599 Genauso entsteht dieser für die Vollzugspraxis und Justizbehörden, welche für die Einhaltung der Überprüfungsfristen zu sorgen haben.600 Die Gerichte müssen den Sachverhalt im Hinblick auf die Umsetzung des § 66 c Abs. 1 StGB umfassend aufklären.601 Dies hat eine ganz neue Dokumenta 593

Drenkhahn, Vorgänge 2014, 12: „Wermutstropfen“. Daher muss die Prüfung so frühzeitig beginnen, dass eine Entscheidung bis zum Ablauf der Überprüfungsfrist ergehen kann, vgl. BVerfG, Beschl. vom 29.11.2011 – 2 BvR 1665/10, Rn. 12; konkretisiert durch Beschl. vom 20.11.2014 – 2 BvR 2774/12, Rn. 48 – jeweils bei juris; s. a. OLG Köln StV 2014, 155. Dazu Peglau, jurisPR-StrafR 5/2012 Anm. 2; ders., jurisPRStrafR 6/2015 Anm. 1; ders., jurisPR-StrafR 14/2015 Anm. 4. 595 Nach heftiger Kritik an der anfänglich vorgesehenen sechsmonatigen Überprüfungsfrist hob sie der Gesetzgeber auf neun Monate (so die Empf. des BRat, s. BR-Drs. 173/12, S. 5) an. Zur Kritik s. König, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 2; ebso. Endres, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S.  3 f.; Peglau, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 9. 596 BVerfGE 128, 382; ebso. bereits BVerfGE 109, 162. 597 NK-StGB-Pollähne 2013, § 67 e Rn. 2; S/S-Kinzig 2014, § 67 e Rn. 3. 598 BVerfGE 109, 188 f.; 128, 382, 384, 391 f. 599 Poseck in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 8; s. a. Bamberger 2012, 227. 600 OLG Köln, Beschl. vom 4.9.2013 – 2 Ws 303/13, Rn. 61 – bei juris. 601 Deutlich OLG Nürnberg NStZ-RR 2014, 122 f.; StV 2014, 151: „Gebot bestmöglicher Sachaufklärung“. 594

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

tionspflicht der Anstalten zur Folge, welche noch mehr personelle Ressourcen beanspruchen wird.602 Weiterhin sollen aber „versehentlich“ gesetzeswidrige Verzögerungen nicht relevant sein, weil selbst bei einem sorgfältig geführten Verfahren Fristen bisweilen nicht eingehalten werden können. Darin ist keine Fehleinstellung der StVK ggü. dem Freiheitsgrundrecht und damit kein Vollstreckungshindernis zu sehen.603 Zwar wird der Realität damit genüge getan, die Wirkkraft der Frist wird jedoch gemindert. Ungeklärt bleibt die Frage, wieso bei allen Maßregeln weiter unterschiedliche Fristen gelten und wieso bei bestimmten Fristüberschreitungen und damit verbundenen Verletzungen des Freiheitsgrundrechts über einen längeren Zeitraum nicht genauso der weitere Maßregelvollzug unverhältnismäßig werden können soll.604 Entgegen der bisher herrschenden Ansicht muss für die Unterbringung nach § 63 StGB wie für die Sicherungsverwahrung eine das Freiheitsgrundrecht des Maßregelinsassen verletzende erhebliche Fristenüberschreitung relevant sein.605 Denn Anordnung und Vollstreckung beider potentiell unbegrenzten Maßregeln greifen beide gleichermaßen in das Freiheitsgrundrecht des Betroffenen ein. e) Zwingende Begutachtungen Nicht nur einige SVVollzGe sehen neuerdings eine Begutachtung vor der Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen vor, sondern auch das SichVAbstUmsG hat die notwendigen Begutachtungen erhöht. Zwar sind Verhältnismäßigkeitsfrage sowie Beurteilung des behandlerischen Angebots vom Gericht zu klärende Rechtsfrage. Bei der nach § 67 e Abs. 2 StGB jährlich erfolgenden Überprüfung der weiteren Vollstreckung sind jedoch §§ 463 Abs. 3 S. 3 und 4, 454 Abs. 2 StPO606 602 S. die eindrückliche, auf Erfahrungswerten beruhende Darstellung der Überprüfungsfristen hins. eines bsph.  Vollstreckungsverlaufs bei einer Freiheitsstrafe und SV von Wolf, Rpfleger 2013, 369 f. 603 St. Rspr. BVerfGE 18, 93; 72, 114 f.; NStZ-RR 2005, 188; NStZ-RR 2005, 94; s. a. VGH Berlin StV 2015, 496; OLG Köln StV 2014, 155; KG Berlin, Beschl. vom 20.5.2015 –2 Ws 73/15, 2 Ws 108/15 – bei juris; dazu Peglau, jurisPR-StrafR 14/2015 Anm. 4. 604 Bartsch, StV 2014, 156. 605 Bartsch, StV 2014, 157; abzulehnen die bisher h. M. (vgl. zu dieser BVerfG NStZ-RR 2005, 94; S/S-Kinzig 2014, § 67 e Rn. 6 m. w. N.). 606 § 463 Abs. 3 S. 3 StPO: „§ 454 Abs. 2 [dort die Einholung eines SV-Gutachtens geregelt] findet in den Fällen des § 67d Absatz 2 und 3 und des § 72 Absatz 3 des Strafgesetzbuches unabhängig von den dort genannten Straftaten sowie bei Prüfung der Voraussetzungen des § 67c Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuches auch unabhängig davon, ob das Gericht eine Aussetzung erwägt, entsprechende Anwendung, soweit das Gericht über die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung zu entscheiden hat; im Übrigen findet § 454 Abs. 2 bei den dort genannten Straftaten Anwendung.“ § 463 Abs. 3 S. 4 StPO: „Zur Vorbereitung der Entscheidung nach § 67d Abs. 3 des Strafgesetzbuches sowie der nachfolgenden Entscheidungen nach § 67d Abs. 2 des Strafgesetzbuches hat das Gericht das Gutachten eines Sachverständigen namentlich zu der Frage einzuholen, ob von dem Verurteilten weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind.“

VI. Absicherung der Wirksamkeit des neuen Vollzugs

255

zufolge bei Verwahrten bzgl. der Aussetzung zur Bewährung nach § 67 d Abs. 2 StGB bzw. Erledigungserklärung nach dessen Abs. 3 zwingend Begutachtungen vorgesehen. Damit wurden unterschiedliche Anforderungen vor und nach Beginn des Maßregelvollzugs an die Gutachten etabliert: In den Fällen der Erledigterklärung nach § 67 d Abs. 2 und 3 StGB muss das Gutachten zur Frage Stellung nehmen, „ob von dem Verurteilten weiterhin erhebliche rechtswidrige Taten zu erwarten sind“ (vgl. neuerdings § 463 Abs. 3 S. 4 StPO). Der Ausschluss einer negativen Prognose reicht also.607 Im Unterschied dazu wird nach § 463 Abs. 3 S. 3 i. V. m. § 454 Abs. 2 S. 2 StPO ein Ausschluss der Gefahr verlangt.608 Bei der Prüfung nach § 67 c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB soll eine Begutachtung nicht nach § 463 Abs. 2 S. 3 StPO zwingend sein, jedoch legt die Gesetzesbegründung nahe, dass dies die Aufklärungspflicht des Gerichts empfehle. Es kann danach im pflichtgemäßen Ermessen der StVK liegen, den Gutachtenauftrag auf maßgebliche Fragen des Betreuungsangebots und die Gesamtbetrachtung der Betreuung während des Vollzugsverlaufs zu erstrecken.609 Nicht nur hier differenziert das Gesetz: Die Begutachtung muss nur610 hinsichtlich § 67 c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB (Zweckerreichung der Maßregel) unabhängig von der Frage erfolgen, ob das Gericht überhaupt die Bewährung in Erwägung zieht, damit die gerichtliche Entscheidung „kein bloßer ‚Durchlaufposten‘ in Richtung Vollstreckung“ mehr ist und dem Freiheitsgrundrecht des Betroffenen Rechnung getragen wird.611 Des Weiteren ist nur bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung des § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB sowie den übrigen in § 463 Abs. 2 S. 3 Hs. 1 StPO genannten Prüfungen (§§ 67 d Abs. 2 S. 3, 72 Abs. 3, 67 c Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB) die Begutachtung unabhängig von den in § 454 Abs. 2 StPO genannten Taten (solche des § 66 Abs. 3 S. 1 StGB). Dieser kurze Blick auf die Verfahrensebene führt vor Augen: Die Gesetzgebung bleibt weiterhin ein kompliziertes, „nicht in einem Guss“ geschaffenes Normengefüge, welches Ungereimtheiten aufweist und erwarten lässt, dass die Hand­habung schwierig wird.612 Ein weiterer Kritikpunkt ist trotz der im Urteil des BVerfG zu lesenden Forderung, die gerichtliche Kontrolle mit zunehmender Vollzugsdauer intensivieren zu müssen, dass angesichts dieser Fülle an Begutachtungen Verbesserungen für den Untergebrachten damit nicht notwendigerweise verbunden sein dürf 607 Meyer-Goßner/Schmitt 2016, § 463 Rn.  6  b; vgl. KG Berlin, Beschl. vom 12.5.2014  – 2 Ws 112/14, 2 Ws 112/14 – 141 AR 118/14, Rn. 10 – bei juris. 608 Vgl.  § 454 Abs.  2 S.  2 StPO: „Das Gutachten hat sich namentlich zu der Frage zu äußern, ob bei dem Verurteilten keine Gefahr mehr besteht, daß dessen durch die Tat zutage getretene Gefährlichkeit fortbesteht.“ 609 BT-Drs. 17/9874, S. 26: pflichtgemäßes Ermessen; BeckOK StPO/Klein, § 463 Rn. 3 a, 3  b für Vertrauensschutzfälle; ausdrückl. H.  Baier, StraFo 2014, 399: i. R. d. Aufklärungspflicht zu empfehlen. 610 So OLG Bbg a. d. H. R&P 2014, 103 ff. 611 BT. Drs. 17/9874, S. 39. Geklärt ist damit der Streit, ob es bei § 67 c Abs. 1 StGB immer ein aktuelles und externes Gutachten bedarf, dazu BVerfG NStZ-RR 2003, 251. 612 Mit Recht H. Baier, StraFo 2014, 401; ebso. krit. Köhne, KJ 2013, 339.

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

ten.613 In der Tat werden nicht nur StVK und Vollzugsbehörden, sondern v. a. Untergebrachte einen Druck verspüren, ständig vor Gutachtern Stellungnahmen abgeben zu müssen. Es scheint so, als würden zukünftig Sicherungsverwahrte von Begutachtung zu Begutachtung weitergereicht werden (müssen). Daher ist fraglich, ob vor lauter Begutachtungen überhaupt noch Raum für eine sinnvolle Behandlung oder Resozialisierungsarbeit vor Ort ist.614 Es lässt sich zumindest anzweifeln, ob die zusätzlichen Gutachten einerseits zur Steigerung der Motivation der (potentiellen) Verwahrten hinsichtlich weiterer Therapie beitragen werden, wo man sich genauso wie bei der Begutachtung wieder mit sehr intimen Aspekten der eigenen Persönlichkeit vor „fremden“ Personen auseinandersetzen muss. Andererseits ist weniger eine Qualitätssteigerung oder -sicherung der Gutachten und mehr schematisches Vorgehen aufgrund des Zeitdrucks zu befürchten. Verschärft wird dies u. U. dadurch, dass mit den verkürzten Überprüfungsfristen und damit erhöhten Begutachtungen auf den Verwahrten höhere Anwaltskosten zukommen werden.615 Die Frage, welche der Sachverständige beurteilen muss, nämlich ob innerhalb aller neun bzw. nach JGG sogar aller sechs Monate wirklich neue entscheidungs- bzw. entlassungsrelevante Veränderungen hinsichtlich der zu treffenden Gefährlichkeitsprognose festgestellt werden können, bleibt.616 Wieso sollte sich bei jemandem, der länger als zehn Jahre im Vollzug ist, eine Verbesserung auf einmal alle neun Monate einstellen, die eine zwingende Verkürzung der Überprüfungsfrist auf neun Monate gesetzlich notwendig macht? Dass gerade zehn Jahre als Grenze gewählt wurden, spricht eher dafür, dass man der abgeschafften Zehnjahres-Höchstfrist Rechnung tragen wollte. Für jüngere Verurteilte könnte man noch ins Feld führen, dass sich aufgrund des Lebensalters noch größere Änderungsmöglichkeiten ergeben. Sechs Monate erscheinen dennoch sehr kurz gegriffen und mehr als eine „unzumutbare Dauerbegutachtung“ und es fragt sich, ob die Qualität eines Gutachtens steigt, wenn es sich auf einen derartigen kurzen Zeitraum bezieht.617 Dies gilt umso mehr angesichts der komplexen Anforderungen, die an ein solches Gutachten zu stellen sind.618 Sinnvoller wäre die Wiedereinführung der Zehnjahresfrist gewesen. Ein zusätzliches Problem dieser verdoppelten Arbeitsbelastung stellt der seit langem beanstandete Mangel an qualifizierten Sachverständigen dar.619 Der Ge 613 Bartsch, FS 2013, 211; ebso. krit. Dessecker, BewHi 2013, 311; Peglau, JR 2013, 254; Pfister 2012, 13. 614 Endres in der Anhörung zum SichVAbstUmsG-E, RAPr 17/90, S. 14; ähnl. Pfister 2011, 75; für den Bereich der Sozialarbeit s. Schütz in der Anhörung zum LSVVollzG-E, APr 16/19, S. 32. 615 Cornel, NK 2012, 3: Kosten der Landeskasse zuzuweisen. 616 Dazu Peglau, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 6. 617 Renzikowski, NJW 2013, 1640; s. a. Bartsch, FS 2011, 273; Pyhrr 2015, 176. 618 Vgl. dazu die umfassenden Angaben bei Mosbacher, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2011, 219 ff. 619 Zur gestiegenen Belastung und Sachverständigenmangel s. P.-A. Albrecht et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2010, 20; Pfister 2012, 14; ders. 2011, 75 „Anzahl der Gutachtenaufträge wird weiter steigen“.

VI. Absicherung der Wirksamkeit des neuen Vollzugs

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setzgeber selbst legt Wert darauf, dass die Gutachten keine wiederholenden Routinebeurteilungen sein dürften.620 Da die Sachverständigen zu den risikominimierenden Umständen Stellung nehmen müssen, d. h. damit ggf. eine Kritik an den Maßnahmen der JVA selbst verbunden ist, müssen diese im Umkehrschluss künftig sehr viel differenzierter sagen, warum eine Maßnahme durchgeführt wird oder warum nicht.621 Wie die neuen Überprüfungen personell zu stemmen sind, wird vom Bundesgesetzgeber dennoch nicht angesprochen.622 Die Begutachtung durch externe Sachverständige wie bei der Unterbringung im PKH (vgl. § 463 Abs. 3 S. 2 StPO), hat der Bundesgesetzgeber trotz der in diese Richtung zeigende Argumentation des BVerfG nicht geregelt.623 Vielmehr steht die Auswahl des Sachverständigen im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts.624 Wenn es um die Frage geht, ob die Betreuung angemessen war, dann wird die Beauftragung eines nicht in die konkrete Betreuung involvierten Sachverständigen unerlässlich sein. Angebracht wäre dringend eine zu § 463 Abs. 4 S. 2 StPO identische Regelung für die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung. Eine solche Beurteilung muss unabhängig sein. Andernfalls kann eine Befangenheit vermutet werden (vgl. dazu §§ 74 Abs. 1 S. 1, 26 Abs. 2 StPO), wenn es sich um einen internen Gutachter handelt, der seine eigene Behandlung beurteilen soll. Die Gesetzesbegründung meint dazu recht knapp, dass die Gerichte dafür Sorge tragen müssten, dass die Beziehung zwischen Gutachter und Verwahrtem oder anstaltsinterne Belange das Gutachten nicht beeinflussen.625 Mit der Neuregelung der Frist wird die gerichtliche Kontrolle vielleicht intensiver i. S. v. häufiger, jedoch nicht automatisch besser i. d. S., dass die „qualitativen Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung in Bezug auf deren inhaltliche Substantiierung“626 erhöht würden. Sinnvoll erscheint der Vorschlag Peglaus, dass § 67 e Abs. 2 Fall 3 StGB derart ergänzt werden sollte, dass die grds. Frist ein Jahr beträgt und diese verkürzt werden muss, wenn Anhaltspunkte für eine Bewährungsmöglichkeit vorliegen.627 Allerdings werfen die mit der erhöhten Überprüfung und Begutachtung verbundenen Probleme die Frage auf, ob dies, wie das BVerfG es sieht, der richtige Weg ist, um „dem besonders schwerwiegenden Eingriff in die Freiheit des Betroffenen“ durch die unbestimmte präventive Maß-

620 BT-Drs. 17/9874, S. 26; Bartsch, FS 2011, 273 befürchtet bloße Fortschreibung früherer Gutachten. 621 Zum Gutachten Boetticher et al., NStZ 2006, 537 ff.; zum Umkehrschluss Wolf 2012, 79. 622 Vgl. dazu BT-Drs. 17/9874, S. 15, 26, 41; s. a. Kinzig 2012, 20; Cornel, NK 2012, 3. 623 Vgl. dazu BVerfGE 109, 164; BVerfG StV 2009, 37 f.; ebso. BVerfG, Beschl. vom 18.6.2008 – 2 BvR 1119/07, Rn. 16 ff. – bei juris; BVerfGE 70, 310 f.; Beschl. vom 8.7.2010 – 2 BvR 1771/09, Rn. 18 – bei juris; s. a. OLG Frankfurt NStZ-RR 2013, 28. 624 BT-Drs 17/9874, 26. 625 BT-Drs. 17/9874, S. 26; deshalb krit. H. Baier, StraFo 2014, 402. 626 BVerfGE 128, 382. 627 Peglau, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 6 f.; aus Sicht des Maßregelvollzugs Stübner, NK 2015, 19.

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C. Abstandsgebot: Inhalt und Umsetzung durch den Bund 

regel gerecht zu werden.628 Zwar ist für den Untergebrachten erkennbar, wann die Überprüfung erfolgt. Die Unbestimmtheit der Maßregel und damit die Ungewissheit für den Untergebrachten bleiben genauso wie die Unsicherheiten der Prognose.629 Dass zukünftig vermehrt Lockerungen stattfinden, die unter realistischen Bedingungen über die Rückfallgefahr Auskunft geben, wurde hier bereits bezweifelt. Daher kann man mit Recht fragen, ob die unbestimmte Sicherungsverwahrung dem Bestimmtheitsgebot entspricht, weil an dieses umso höhere Anforderungen zu stellen sind, je schwerwiegender der Eingriff ist.630 Der Sicherungsverwahrte hat seine Freiheitsstrafe bereits verbüßt und wird inhaftiert wegen Straftaten, die er (noch) nicht bzw. möglichenfalls nie begehen wird. Damit handelt es sich bei der Verwahrung um eine der schwersten Sanktionen des deutschen Strafrechts und die Anforderungen an das Bestimmtheitsgebot sind besonders hoch. Die angesprochene Wiedereinführung der Höchstfrist hätte den Vorteil, dass die Praxis gezwungen wäre, von Anfang an mit der Ausrichtung auf die Entlassung zu beginnen.

628

BVerfGE 109, 167. Zur resozialisierungsfeindlichen Wirkungen bereits Dölling, StV 1996, 543; s. o. Teil B. II.3. 630 Dazu BVerfG NJW 1987, 3175; NJW 2002, 1780; s. a. Finger 2008, 173; Ebner 2015, 237. 629

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder – Interregional vergleichende Analyse „Ein ‚mehr des Selben‘ ist … nicht zielführend …“1

Die Entscheidung des BVerfG gab den Startschuss für die Länder, sich „auf zu neuen Ufern“2 zu begeben und aktiv mit dem Vollzug der Sicherungsverwahrung auseinanderzusetzen, der damit nicht mehr länger ein „Nischenthema“3 ist. In diesem Teil  werden die neuen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetze vergleichend gegenübergestellt und die Änderungen zum bisherigen Vollzug er­ arbeitet.

I. Gesetzgebungsverfahren 1. Föderalismusreform Alle Gesetzgebungsverfahren, deren Eckpunkte in Tabelle A1 im Anhang dargestellt sind, zeichnen sich dadurch aus, dass sie in einem extrem kurzen Zeitraum auf den parlamentarischen Weg gebracht werden mussten. Sie dauerten zwischen knapp über einem Monat bis längstens knapp über sieben Monaten.4 Dies mag für Inhaftierte eine lange Zeit sein.5 Für ein Gesetzgebungsverfahren ist dies mehr als „sportlich“. V. a. gilt dies, wenn es wie hier die Aufgabe hat, „dass das Instrument der Sicherungsverwahrung in der Vollzugspraxis auch faktisch dazu gemacht wird“,6 was es im zweispurigen System sein soll: keine Strafe, keine bloße Verwahrung, sondern eine Maßregel der Besserung und Sicherung. Wenig über­ raschend fragt man sich daher, ob die Regelungskompetenz für den Vollzug bei den Ländern richtig „aufgehoben“ ist.

1

Konzept JVA Bützow, S. 21. So der Titel von Bartschs Aufsatz „Auf zu neuen Ufern – zur Umsetzung bundesverfassungsgerichtlicher Vorgaben im Entwurf eines Niedersächsischen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes“, FS 2012, 355 ff. 3 Schäfersküpper/Grote, NStZ 2013, 447 4 Knapp über einen Monat benötigte BW, knapp über sieben Monate Bay. Zehn Länder haben die Gesetze erst im Mai 2013, d. h. oft nur wenige Tage vor Auslaufen der vom BVerfG gesetzten Frist, erlassen. 5 Schulz (BDK) in der Anhörung vor dem AJDG am 18.11.2011, AJDG Nr. 20/5 NEUF, S. 13. 6 Nachbaur, Die Polizei 2011, 116; Kinzig, NStZ 2010, 239; zum neuen Verständnis Dessecker 2016, 474. 2

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Die Kritik an der Landesgesetzgebung im Bereich des Strafvollzugsrechts ist nicht neu. Bereits vor der Föderalismusreform lehnte die Literatur fast einstimmig die Aufspaltung der Zuständigkeiten auf dem Gebiet des Strafrechts und die Übertragung der Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Strafvollzugs auf die Länder ab.7 Wieso solle die Freiheit durch ein Bundesgesetz entzogen, die Betroffenen aber unterschiedlichen Landesgesetzen unterworfen werden – so die Frage vieler Kritiker. Zuvor regelte der Bund aufgrund seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 Nr. 1 GG den Vollzug inklusive dem Sicherungsverwahrungsvollzug. Die Ausführung des StVollzG lag jedoch schon damals aufgrund der Verwaltungshoheit bei den Ländern.8 Daher muss man womöglich die dort geäußerte Kritik verschärft für den Vollzug der Sicherungsverwahrung anbringen. Die im Zuge der Föderalismusreform angebrachten Argumente werden hier vorgestellt und abschließend hinsichtlich deren Validität für den Vollzug der Sicherungsverwahrung bewertet.9 Dabei soll aus den Erfahrungen mit dem Übergang des Strafvollzugs auf die Länder ein Rückschluss auf den Vollzug der Sicherungsverwahrung gezogen werden. Die wenigen Fürsprecher stimmten der Übertragung der Kompetenz auf die Bundesländer hauptsächlich deshalb zu, da diese fachlich und finanziell die tatsächliche Kompetenz hätten. Die besondere Sachkompetenz der Länder leite sich aus der bisherigen Realität und Zuständigkeit für die Umsetzung des StVollzG ab.10 In der Bundesgesetzgebung habe sich gezeigt, dass sich Bundestag und -rat bei Neuerungen des StVollzG oft behinderten und daher mit Landesregelungen Problemfelder schneller und effizienter zu lösen seien.11 Die neue Zuständigkeit der Landesgesetzgeber könne einen „Wettbewerb der Ideen“ statt einen „Schäbigkeitswettbewerb“ auslösen.12 Darüber hinaus sei es nur ehrlich, wenn die bereits bestehenden Unterschiede des Vollzugs von Bundesland zu Bundesland bzw. die justizpolitisch unterschiedlichen Bewertungen und Interpretationen der Normen des StVollzG spezifisch landesrechtliche Regelungen zur Folge hätten.13 Das Strafvollzugsrecht als „Recht der Inneren Sicherheit“ sei Länderaufgabe. Strafvollzugs- und materielles Strafrecht seien nicht untrennbar, weil die Verwirklichung 7

Vgl. Maelicke 2006, 208; Dressel 2008, 36; Kreuzer, ZfStrVo 2006, 138; Seebode 2006, 243. 8 Vgl. dazu § 139 StVollzG und § 152 S. 1 StVollzG. Außerdem lag die Entscheidung über die sachliche und personelle Ausstattung der Anstalten bei den Ländern. 9 Zusammenfassend z. B. Dressel 2008, 26 ff.; Hartmann 2010, 49 f.; Ullmann 2012, 4 ff.; Winzer 2010, 16 ff. 10 Lückemann 2006, 196, 200 f. 11 Aumüller 2006, 159; Lückemann 2006, 196; Siepmann 2012, 181 ff.; dagegen Arenhövel, DRiZ 2006, 108. 12 Man erhoffte sich eine Definition der Behandlung, Lückemann 2006, 199, 202; Robbers 2006, 222; krit. Dünkel/Schüler-Springorum, ZfStrVo 2006, 145; Alex, StV 2006, 726; später Köhne, NStZ 2009, 130 13 Diese Unterschiede würden fälschlicherweise „heruntergespielt“, so Lückemann 2006, 197.

I. Gesetzgebungsverfahren

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der Strafzwecke nicht maßgebend seien für die Ausgestaltung des Vollzugs. Da das materielle Strafrecht beim Bund bleibe, behalte er die „entscheidende Steuerungsmöglichkeit über die Grundlinien des Vollzugs“.14 Die Mehrheit der Strafvollzugspraxis und -wissenschaft sprach sich jedoch gegen die Zuständigkeit der Länder für den Vollzug aus.15 Der Bund dürfe sich nicht seiner Verantwortung für den Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten eines Gefangenen entziehen.16 Ließe man zu, dass die Strafandrohungen des StGB durch potentiell 16 verschiedene Gesetzgeber ausgeführt würden, verkämen diese zum reinen Blankett.17 Vielmehr müsse gelten: „Wer die Strafe androht, muss … sagen, wie sie aussieht.“18 Darüber hinaus fehle den Landes­gesetzgebern eine relativierende Instanz, wie sie der Bundesrat für den Bundestag darstelle. Damit sei Tür und Tor für eine populistische Vollzugsgesetzgebung statt rationaler Kriminalpolitik geöffnet.19 Anstatt des unrealistischen „Wettbewerbs um den besten Strafvollzug“20 wurde in der Wissenschaft eine völlige Überlastung des Strafvollzugs nicht zuletzt wegen der finanziellen Situation der Länder und darauf beruhenden Personalkürzungen erwartet.21 Letztlich bestehe keine Notwendigkeit, da man regionale Besonderheiten ohnehin durch unterschiedliche länderspezifische Behandlungskonzepte sowie die vielen Verwaltungs- und Ausführungsvorschriften berücksichtige.22 Befürchtet wurde ferner eine Rechtszersplitterung und unübersichtliche Rechtslage, hervorgerufen durch die zu erwartenden unterschiedlichen Vollzugsbedingungen.23

14

Robbers 2006, 221. Nachweise zur Kritik bei Köhne, JR 2012, 15; Schüler-Springorum 2007,405 ff.; Winzer 2010, 15 ff.; ebso. krit. äußerten sich über 100 Lehrstuhlinhaber für Strafrecht, Strafprozessrecht, Strafvollzugsrecht und Kriminologie, 14 ehemalige Bundes- und Landesjustizminister, Kirchen, Gewerkschaften und verschiedene Verbände, vgl. dazu Cornel, ZfStrVo 2005, 48; Maelicke 2006, 210; Seebode 2006, 243. 16 Seebode 2006, 244. 17 Seebode 2006, 246 f.; Köhne, NK 2008, 9 ff.. 18 Seebode 2006, 247; ähnl. Müller-Dietz, ZfStrVo 2005, 39; s. a. Cornel, ZfStrVo 2005, 48; Köhne, ZRP 2006, 196; Koop, ZfStrVo 2006, 3; Kreuzer, BewHi 2006, 205. Zu den Verflechtungen von materiellem Strafrecht und Strafvollzug ebso. Seebode 2007, 590; Winzer 2010, 16 f. 19 Maelicke 2006, 210 f.; ähnl. Lange-Lehngut 2006, 189, 192; s. a. Dünkel/Schüler-Springorum, ZfStrVo 2006, 149; s. a. Offener Brief Föderalismusreform 2006. 20 Kinzig/Steinhilber 2008, 198; s. a. Lange-Lehngut 2006, 189. 21 Besorgt Lange-Lehngut 2006, 189, 193; Maelicke 2006, 209 f. 22 Allein Bln hatte bspw. an die 40 Ausführungsvorschriften zum Strafvollzug erlassen, dazu Lange-Lehngut 2006, 187 f.; ebso. Maelicke 2006, 207 f.: „landesspezifische Spielräume gewahrt“. 23 Arenhövel, DRiZ 2006, 108; Cornel, ZfStrVo 2005, 48; Dünkel/Schüler-Springorum, ZfStrVo 2006, 145 ff.; Kreuzer, BewHi 2006, 205; Koop, ZfStrVo 2006, 3; Müller-Dietz, ZRP 2005, 158 f. 15

262

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

2. Übertragung auf die SVVollzGe Überträgt man die im Zusammenhang mit der Föderalismusreform vorgebrachten Argumente auf die Situation des Sicherungsverwahrungsvollzugs, stehen die Länder vor einem noch viel größeren Problem: Sie haben hier faktisch die Aufgabe zugeschrieben bekommen, durch ihre Gesetzgebung den beschriebenen Etikettenschwindel zu beseitigen. Dies hat der Bund in Anbetracht der seit Einführung der Sicherungsverwahrung bestehenden Vorwürfe selbst in über 80 Jahren nicht geschafft. Daher sind Zweifel daran berechtigt, ob sie „die rechtspolitische Kraft haben“, diesen der Verwahrung anhaftenden Vorwurf effektiv anzugehen oder gar zu beseitigen.24 Zweifel an der rechtspolitischen Kraft der Ländergesetzgebung erscheinen angebracht, zumal die Länder i. R. d. Regelungen zur Unterbringung fast wortwörtlich Passagen aus dem StVollzG übernommen haben und sich die Gesetzessystematik im Wesentlichen am StVollzG orientiert. Skepsis klingt ebenfalls in den Äußerungen des BVerfG an. Aufgrund der Bedeutung des Rechtsinstituts der Sicherungsverwahrung räumte es dem Bund die Leitlinienkompetenz ein, damit die „konzeptionelle Ausrichtung der Sicherungsverwahrung nicht durch landesrechtliche Regelungen unterlaufen werden“ könne.25 Dies entspricht in etwa den von Zeiten der Föderalismusreform bekannten Befürchtungen, dass eine bundesrechtlich angeordnete Sanktion mit unterschiedlichem Inhalt gefüllt werden könnte. Letztlich soll versucht werden, die paradoxe Situation zu beheben, dass der Bund an der (Anordnung) Sicherungsverwahrung nur unter der Bedingung künftiger Einhaltung des Abstandsgebots im Vollzug festhalten darf, obwohl er eigentlich keine Regelungskompetenz für den Vollzug besitzt.26 Angesichts dessen, dass 16 Gesetze zum Sicherungsverwahrungsvollzug existieren, ist der Kritikpunkt der Rechtszersplitterung insofern angebracht, dass es (noch) mehr zu unterschiedlichen Vollzugsbedingungen kommen könnte.27 Die Einheit des Sicherungsverwahrungsvollzugs ist ein wichtiges Gut, denn die Verwahrung soll alle gleich treffen. Allerdings lässt sich der Vorwurf relativieren, da zwei Entwürfe bestehen, auf die sich die Länder einigen konnten. Die Länder hatten sich mit der Materie des Sicherungsverwahrungsvollzugs schon vor dem Urteil des BVerfG beschäftigt und einen gemeinsamen Kriterienkatalog entwickelt.28 Auch nach dem Urteil bildeten sie zusammen mit dem BMJ eine Arbeitsgruppe, welche die gesetzlichen Grundlagen zur Neuregelung des Sicherungsverwah 24 Kinzig 2011, 60, 67; ähnl. Pollähne, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG M-V-E, S. 2; ders. in der Anhörung zum Nds. SVVollzG-E, ARV Pr 16/123, S. 30. 25 BVerfGE 128, 387 f. 26 Payandeh/Sauer, JURA 2012, 297. 27 Gerade deshalb wird die „Leitlinienkompetenz“ befürwortet, so Bartsch, FS 2011, 271. 28 Noch vor der Entscheidung des BVerfG beschloss eine Arbeitsgruppe aus Vollzugspraktikern und Vertretern der Landesjustizverwaltungen im Auftrag der Justizministerkonferenz unter der Federführung Nds. in Folge der Entscheidung des EGMR vom Dezember 2009 den „Kriterienkatalog zum Vollzug der Sicherungsverwahrung“ zur Neuausrichtung des ­Sicherungsverwahrungsvollzugs. Der Kriterienkatalog 2010 befasst sich mit folgenden­

I. Gesetzgebungsverfahren

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rungsvollzugs in einem gemeinsamen Entwurf (GE-SVVollzG) beschlossen.29 Die Länder Berlin, Brandenburg, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern, RheinlandPfalz, Saarland, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen (sog. „10er-Gruppe“) entwickelten zusätzlich einen Musterentwurf eines Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes, welcher in vielen Details vom GE-SVVollzG abweicht.30 Dieser Entwurf „bildet die Mehrheitsmeinung der beteiligten Bundesländer ab“ und sollte als „Diskussionsgrundlage“ für die Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetze der beteiligten Länder dienen.31 Zwei Ausnahmen stellten die Verfahren von Sachsen-Anhalt und Thüringen dar, weil diese sich in der Folgezeit nach der ersten Zusammenarbeit in der 10er-Gruppe vom ME-SVVollzG abgrenzten (deshalb im Folgenden: „8er-Gruppe).32 Die im ernüchternden Fazit von Kinzig/Steinhilber zur Übertragung der Gesetzgebungskompetenz im Jahr 2006 angesprochene Problematik, „dass als bester Strafvollzug weiterhin der – allerdings nur kurzfristig – billigste Strafvollzug angesehen werden wird“33 findet sich genauso für den Vollzug der Verwahrung. Hier beherrschen seit jeher Finanzprobleme die Ausgestaltung des Vollzugs.34 In den Äußerungen des BVerfG zeigt sich etwas versteckter ebenfalls die Sorge, dass finanzielle Aspekte bei der Gesetzgebung und deren Umsetzung in der Vollzugspraxis eine zu große Rolle spielen könnten. Die Kostenlast soll als tauglicher Ablehnungsgrund für individuelle Therapiemaßnahmen nicht angeführt werden können.35 Ob allerdings die Bemühungen des Gerichts in dieser Hinsicht ausreichend Aspekten: bauliche Trennung; Gestaltung der Unterbringung; Raumgröße und Ausstattung; Besitz von persönlichen Gegenständen; Personal; Aus- und Fortbildung; Behandlungsangebote; Beschäftigung, Bildung, Vergütung, Taschengeld; Aufschlusszeiten; Aufenthalt im Freien; Außenkontakte; Ausführungen; Kleidung, Wäsche und Bettzeug; Selbstverpflegung usw. Daneben legten Bln und Bbg am 5.1.2011 ein Eckpunktepapier zum Sicherungsverwahrungsvollzug vor. Vgl. dazu Tabelle A1 im Anhang. 29 Ergebnisse der Länderarbeitsgruppe: Grundlagenentwurf SVVollzG mit Begr. (im Folgenden: GE-SVVollzG). Die Arbeitsgruppe einzusetzen wurde auf der 82. JuMiKo am 18./19.5.2011 in Halle/Saale beschlossen; durchgeführt wurde sie unter Federführung von Nds. und NRW. Zur Bildung und Vorgehensweise der Gruppe vgl. Einleitung zum GE-SVVollzG, S. 2. Die ­JuMiKo vom 13./14. Juni 2012 akzeptierte diese als geeignete Grundlage für die abzufassenden Ländergesetze. 30 Musterentwurf eines Landessicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes vom 11.6.2012 (im Folgenden: ME-SVVollzG) und dessen Begr. (im Folgenden: ME-SVVollzG Begründung). 31 So äußert sich das SL JuMi auf www.saarland.de/93280.htm, zuletzt abgerufen am 04.01.2017. 32 Thür wirkte ursprünglich am ME-SVVollzG mit, orientierte sich schließlich aufgrund der engen Zusammenarbeit mit Hessen (Staatsvertrag, Gesetzentwurf vom 8.3.2013, Thür LT-Drs. 5/5817; s. a. Thür PlPr 5/113 vom 21.3.2013, S. 10789–10794; ratifiziert in Hessen mit Gesetz vom 25.3.2013, H GVBl., S. 116 und in Thür mit Gesetz vom 10.4.2013, Thür GVBl., S. 102) an dem HSVVollzG und damit an der Gesetzesbegründung (vgl. Thür LT-Drs. 5/5843, S. 3). Zur Abkehr LSA von der 10er-Gruppe vgl. Feest in der Anhörung zum SVVollzG LSA-E, 6/REV/22, S. 27; Lockfeldt in der Anhörung zum BremSVVollzG-E, A/RA 18/18, S. 466. 33 Kinzig/Steinhilber 2008, 203. 34 Dazu oben Teil B.II. 35 So BVerfGE 128, 379 f.

264

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

sind, bleibt abzuwarten. Das von den Befürwortern der Übertragung der Gesetzgebungskompetenz vorgebrachte Argument, dass die Kostenlast konnex mit der Gesetzgebungszuständigkeit zusammenhängen solle, überzeugt in dem vorliegenden Zusammenhang nicht. Denn bereits unter dem StVollzG verblieb den Ländern durch die diversen Verwaltungsvorschriften, ihrer Verwaltungshoheit und das im StVollzG eingeräumte Ermessen (zu) viel Spielraum. Dass die bestehenden Regelungen reformbedürftig waren, rechtfertigt(e) Reformen, aber keine Verlagerung bzw. Beibehaltung der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder. Dies gilt vor dem Hintergrund, dass die Länder, welche die Übertragung der Kompetenz im Jahre 2006 am lautesten einforderten, diejenigen waren, welche Reformen des StVollzG im Bundesrat behindert haben.36 Konsequenter i. S. e. einheitlichen Vollzugspraxis wäre es daher gewesen, die Verwahrung nicht der Ländergesetzgebung zu unterwerfen. Denn es handelt sich dabei, ebenso wie beim Vollzug der Freiheitsstrafe, nicht um einen Bereich der Gesetzgebung mit größerem bzw. „besonderem Regionalbezug“37 als es beim sonstigen Straf- bzw. Strafverfahrensrecht der Fall ist. Hier würde niemand auf die Idee der Verlagerung der Gesetzgebungskompetenz kommen.38 Systematisch war die Übertragung nicht notwendig oder gar geboten. Zu guter Letzt stellt sich der Druck auf die Landesgesetzgeber in der vorherrschenden „Mediendemokratie“ im Bereich der Sicherungsverwahrung wohl als noch sehr viel größer als im Strafvollzug dar.39 Schon bisher wurden sie auf Vollzugsebene aktiv, indem sie Verwaltungsvorschriften, Sicherheitsstandards und Fachaufsichten verschärften. Am Gesetz selbst konnten die Länder bisher nicht rütteln. Nun können 16 verschiedene Gesetzgeber auf spektakuläre Einzelfälle sofort in ihren Gesetzen reagieren – ob dies ein Vor- oder ein Nachteil darstellt, bleibt abzuwarten. Wie sich zeigt, gelten die während der Föderalismusreform genannten Kritik­ punkte ebenso für den Sicherungsverwahrungsvollzug, wohingegen die Argumente für eine Landeszuständigkeit nicht zu überzeugen vermögen, weil eine fachliche Begründung fehlt.40 Trotz aller vorgebrachter Kritikpunkte, müssen sich die Landesgesetzgeber ihrer zugewiesenen Aufgabe stellen. Darüber hinaus ist eine Änderung im Kompetenzbereich realistisch betrachtet nicht in Sicht, so dass die getroffenen Regelungen dahingehend untersucht werden müssen, ob und wie sich die hier vorgetragenen Vorwürfe in der Landesgesetzgebung des Sicherungsverwahrungsvollzugs widerspiegeln und daher unter Umständen nachgebessert werden muss. 36

S. die Kritik von Dressel 2008, 38. Damit wurde die Übertragung i. R. d. Föderalismusreform I begründet, vgl. dazu BT-Drs. 16/813, S. 9; ebso. Köhne, JR 2009, 275: Forderungen nach eigenständigem SVVollzG ohne regional abweichende Vorschriften. 38 Richtigerweise Müller-Dietz, ZfStrVo 2005, 39; ähnl. Frommel, NK 2005, 7. 39 Frommel, NK 2005, 7; zum Problem des öffentlich ausgeübten Drucks s. a. Ullmann 2012, 12 f. 40 Zur fehlenden fachlichen und mehr politischen Motivation Ullmann 2012, 5 f. m. w. N. 37

II. Übersicht und Ablauf der Vergleichsuntersuchung

265

II. Übersicht und Ablauf der Vergleichsuntersuchung 1. Aufbau der SVVollzGe Zu konstatieren ist, dass die SVVollzGe unabhängig, ob sie die dem MESVVollzG oder dem GE-SVVollzG folgten, in einem ersten Teil die Gestaltung des Vollzugs bzw. den Vollzug als Prozess41 und in einem zweiten Teil die Vollzugsstruktur bzw. -organisation i. S. v. Regelungen zur Anstaltsorganisation und den dort Beschäftigten regeln. Dies ist genau die Gliederung des StVollzG.42 Exemplarisch sei dies an Hamburgs Gesetzen erläutert. Das HmbSVVollzG und das HmbStVollzG sind in identische Teile gegliedert.43 Auch innerhalb der ein­zelnen Teile finden sich identische Abschnitte.44 Im Aufbau wurden einzig die Worte „Gefangener“ und „Anstalt“ durch „Untergebrachter“ und „Einrichtung“ ersetzt – die Vermutung liegt nahe, dass Wortwahl und einzelne Regelungen sich mehr als ähneln werden.45 Dasselbe Bild findet sich bei den anderen Gesetzen: Die Themenbereiche wurden im Wesentlichen gleich wie im StVollzG aufgebaut, es wurden nur andere Bezeichnungen46 gewählt, sofern das wegen der Entscheidung des BVerfG notwendig war. Für Baden-Württemberg gibt es noch das erste Buch des JVollzGB, welches sozusagen vor die Klammer gezogene allgemeine Rege-

41 Gemeint ist der Vollzug von der Aufnahme bis zur Entlassung: Die wesentlichen Regelungsbereiche sind die folgenden, exemplarisch erläutert am ME-SVVollzG und LJVollzDSG RlP: Allg. Bestimmungen (§§ 1–5); Aufnahmeverfahren und Eingliederung (§§ 6–9); Unterbringung (§§ 10–14), Arbeits-/Therapeutische Ausgestaltung, Schule und Arbeit (§§ 15–25); Außenkontakte (§§ 26–38); Vollzugsöffnende Maßnahmen (§§ 39–46); Entlassung (§§ 47–50); außerdem: Grundversorgung und Freizeit (§§ 51–59); Vergütung (§§ 60–66); Gesundheitsfürsorge und Religionsausübung (§§ 67–76) sowie die Sicherheit und Ordnung (§ 77–85). 42 Zum StVollzG Laubenthal 2015, Rn. 17. 43 Anwendungsbereich, gefolgt von dem Teil Vollzug der SV bzw. der Freiheitsstrafe, dem Teil, der Vorschriften insbes. zur Organisation und zum Datenschutz enthält sowie dem letzten Teil, der Schlussvorschriften zur Einschränkung von Grundrechten enthält. Das Hmb StVollzG enthält zusätzlich Teil 3: „Besondere Vorschriften bei angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung“. Bis zum 1.9.2009 waren der Vollzug der Freiheitsstrafe, Jugendstrafe und SV in einem Landesstrafvollzugsgesetz vereint (HmbGVBl. 2007, 471 ff.); von dieser verfassungsrechtlich zweifelhaften Regelungstechnik (dazu und zu den Unterschieden zu BW vgl. Hartmann 2010, 142 ff.) sah man aber bereits vor den Änderungen im Bereich des SV ab, so dass diesbzgl. eine Integration ins HmbStVollzG wie bspw. in BW nicht zur Debatte stand. 44 Bspw. jeweils im zweiten Teil insgesamt dreizehn Abschnitte: Grundsätze, Planung und Ablauf des Vollzugs, Unterbringung und Ernährung der Untergebrachten, Verkehr mit Per­ sonen außerhalb der Einrichtung, Beschäftigung, Gelder der Untergebrachten, Freizeit, Religionsausübung, Gesundheitsfürsorge, Sicherheit und Ordnung, Unmittelbarer Zwang, Pflichtwidrigkeit der Untergebrachten sowie Verfahrensregelungen. 45 Krit. Köhne, KJ 2013, 341; ähnl. Pollähne, StV 2013, 257. 46 Z. B. Abschnitt 3 des HSVVollzG lautet „Aufnahme und Behandlung der Untergebrachten“, wohingegen der entsprechende Titel im HStVollzG mit „Planung des Vollzugs“ überschrieben ist.

266

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

lungen enthält („Gemeinsame Regelungen und Organisation“), so dass im fünften Buch speziell zur Sicherungsverwahrung der Vollzug als Prozess geregelt ist. Regelmäßig sind die Länder nach folgendem Prinzip verfahren: Der Entwurf wurde „lediglich hinsichtlich der Gesetzesstruktur und der Begrifflichkeiten den übrigen … Gesetzen aus diesem Bereich angepasst“.47 Folglich verwundert es nicht, dass im Aufbau große Ähnlichkeiten bestehen.48 Bei genauerem Hinsehen bemerkt man feine Unterschiede, die letztlich ohne Auswirkungen sind, so z. B. im Nds. SVVollzG. Dort sind ausführlichere Formulierungen und leichte Variationen der Abschnitte zu finden. Wenn Bayern betont, dass bewusst vom Musterentwurf abgewichen worden sei,49 lässt sich dies, allein den Aufbau betrachtend, nicht ausfindig machen, weil dieser fast wortgleich dem GE-SVVollzG entspricht. Einen gewissen Unterschied zum StVollzG und GE-SVVollzG kann man bei den Gesetzen der 8er-Gruppe finden.50 Bereits im Aufbau wird die therapeutische Ausgestaltung des Vollzugs deutlicher sichtbar. Der vierte Abschnitt trägt be­ zeichnenderweise den Titel „Therapeutische Ausgestaltung und Maßnahmen“. Im Aufbau lassen sich damit keine fundamentalen Unterschiede ausmachen, wie Tabelle 5 vor Augen führt.51 Die SVVollzGe lassen sich in zwei Gruppen unterteilen: Die Länge der Gesetze variiert, je nachdem, ob direkt im jeweiligen SVVollzG bereichsspezifische Datenschutzbestimmungen52 getroffen wurden oder sich nur ein Verweis53 auf das LStVollzG bzw. auf das eigene Landesdatenschutzgesetz findet. Alle SVVollzGe enthalten genau wie der ME- und GE-SVVollzG gegen 47

Vgl. die Begr. zum HSVVollzG-E, LT-Drs. 18/6068, S. 55. Am Bsp. von NRW: Einzig der Abschnitt zum Anwendungsbereich fehlt, außerdem wurden am Ende des Gesetzes die Regelungen zur Aufsicht in den Abschnitt zur Organisation (Abschnitt 16) und derjenige zur Kriminologischen Forschung in die Schlussbestimmungen (Abschnitt 19) integriert. 49 Arloth 2013, 209 ff. 50 Es handelt sich um folgende Gesetze: SVVollzG Bln; BbgSVVollzG; BremSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG; SLSVVollzG; SächsSVVollzG; ähnl. mit der Bezeichnung „Therapeutische Ausgestaltung und Maßnahmen“ im Abschnitt 4, abweichend aber im Abschnitt 5: „Arbeit und Beschäftigung“ im SVVollzG SH. Eine Ausnahme der ursprünglichen 10er-Gruppe bilden insoweit, wie erwähnt, Thür und LSA, die auch in ihrem Aufbau z. T. erheblich von den anderen der 10er-Gruppe abweichen. 51 Krit. etwa Rosenau in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 9. 52 Länder der 8er-Gruppe: Abschnitt 20 des BbgSVVollzG; BremSVVollzG; ME-SVVollzG; SVVollzG SH sowie in Abschnitt 4 des SLSVVollzG; Teil 16 des SächsSVVollzG. In den übrigen Ländern: Abschnitt 4 im HmbSVVollzG; Abschnitt 13 im HSVVollzG; Abschnitt 18 im SVVollzG NRW; Abschnitt 21 im SVVollzG LSA. Zur unterschiedlichen Systematik der Datenschutzregelungen s. Lockfeldt und van Schellenbeck in der Anhörung zum BremSV VollzG-E, A/RA 18/18, S. 471. 53 Verweisungen finden sich in folgenden Normen: § 124 Nds. SVVollzG auf §§ 190–200 NJVollzG; Art. 96 BaySvVollzG auf Art. 195–205 BayStVollzG. In BW gibt es vor die Klammer gezogene Regelungen in §§ 27–55 JVollzGB I; in § 58 ThürSVVollzG fand sich bis zum 6.3.2014 ein Verweis auf das ThürUVollzG, welches inzwischen abgelöst wurde durch das ThürJVollzGB. Verweise (nur) auf das Landesdatenschutzgesetz in § 112 SVVollzG Bln; § 29 Abs. 1 S. 1 LSVVollzG. 48

II. Übersicht und Ablauf der Vergleichsuntersuchung

267

Ende ­Regelungen zum unmittelbaren Zwang. Hingegen verzichteten Brandenburg, Rheinland-Pfalz und Sachsen auf Disziplinarmaßnahmen. Dass einige Vorschriften des StVollzG weitergelten sollen, regelt einzig das SächsSVVollzG.54 Tabelle 5 Aufbau von StVollzG, ME-SVVollzG und GE-SVVollzG im Vergleich55 StVollzG

GE-SVVollzG

ME-SVVollzG

Anwendungsbereich, Ziele & allgemeine Grundsätze

Erster Abschnitt: Anwendungsbereich (§ 1)

Abschnitt 1: Anwendungsbereich (§ 1)

Zweiter Abschnitt Erster Titel: Grundsätze (§§ 2–4)

Abschnitt 2: Grundsätze (§§ 2–7), inkl. soziale Hilfe

Abschnitt 1: Allgemeine ­ Bestimmungen (§§ 1–5), inkl. soziale Hilfe

Vollzug als Prozess

Zweiter Titel: Vollzugs­ planung (§§ 5–16)

Abschnitt 3: Aufnahme und Behandlung (§§ 8–13)

Abschnitt 2: Aufnahme, Diagnose, Vollzugs- und Ein­ gliederungsplanung (§§ 6–9)

Dritter Titel: Unterbringung und Ernährung (§§ 17–22)

Abschnitt 4: Unterbringung (§§ 14–19)

Abschnitt 3: Unterbringung, Verlegung (§§ 10–14), inkl. Trennungsgrundsätze

Vierter Titel: Besuche, Schriftwechsel sowie Urlaub, Ausgang und Ausführung aus besonderem Anlass (§§ 23–36)

Abschnitt 5: Außenkontakte (§§ 20–31)

Abschnitt 4: Therapeutische Ausgestaltung und Maßnahmen (§§ 15–19)

Fünfter Titel: Arbeit, Ausbildung und Weiterbildung (§§ 37–52)

Abschnitt 6: Arbeit, ­ Beschäftigung, Vergütung (§§ 32–36)

Abschnitt 5: Arbeitsthera­ peutische Maßnahmen, ­ Arbeitstraining, schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeit (§§ 20–25) (Fortsetzung nächste Seite)

54

Allerdings betreffen die §§ 130 Abs.  3, 129 S.  2 SächsSVVollzG eher unbedeutende Regelungen zu Pfändungsschutz und Sozialhilfe, vgl. BeckOK SächsSVVollzG-Graf, § 119 Rn. 2. § 39 Abs. 1 ThürSVVollzG regelt lediglich, dass dem SV u. U. während des vorangegangenen Vollzugs erworbene Freistellungstage nach § 43 Abs. 6 StVollzG ausgeglichen werden können, vgl. BeckOK ThürSVVollzG-Ebert, § 39 Rn. 1. 55 Das BaySvVollzG (Teil 21) und das SVVollzG Bln (Abschnitt 20) enthalten einen eigenen Abschnitt zur Therapieunterbringung, im Wesentlichen werden die Regelungen der SV VollzGe für entsprechend anwendbar erklären. Die anderen Länder haben Ausführungsgesetze zum ThUG geschaffen (z. B. SächsThUGAG).

268

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

(Fortsetzung: Tabelle 5)

StVollzG

GE-SVVollzG

ME-SVVollzG

Vollzug als Prozess

Abschnitt 7: Gelder der Untergebrachten, Kosten­ beteiligung (§§ 37–41)

Abschnitt 6: Besuche, Tele­ fongespräche, Schrift­ wechsel, andere Formen der Telekommunikation und Pakete (§§ 26–38)

Sechster Titel: Religions­ ausübung (§§ 53–55)

Abschnitt 8: Religions­ ausübung (§ 42)

Abschnitt 7: Vollzugs­ öffnende Maßnahmen und sonstige Aufenthalte ­ außerhalb der Anstalt (§§ 39–46)

Siebter Titel: Gesundheitsfürsorge (§§ 56–66)

Abschnitt 9: Gesundheits­ fürsorge (§ 43)

Abschnitt 8: Vorbereitung der Eingliederung, Ent­ lassung und nachgehende Betreuung (§§ 47–50)

Achter Titel: Freizeit (§§ 67–70)

Abschnitt 10: Freizeit (§§ 44–46)

Abschnitt 9: Grundver­ sorgung und Freizeit (§§ 51–59)

Neunter Titel: Soziale Hilfe (§§ 71–75)

Abschnitt 11: Vollzugs­ öffnende Maßnahmen (§§ 47–51)

Abschnitt 10: Vergütung, Gelder der Untergebrachten und Kosten (§§ 60–66)

Zehnter Titel: Besonderheiten des Frauenstrafvollzugs (§§ 76–80)

Abschnitt 12: Entlassung (§§ 52–55)

Abschnitt 11: Gesundheitsfürsorge (§§ 67–73)

Elfter Titel: Sicherheit und Ordnung (§§ 81–93)

Abschnitt 13: Sicherheit und Ordnung (§§ 56–65)

Abschnitt 12: Religions­ ausübung (§§ 74–76)

Zwölfter Titel: Unmittel­ barer Zwang (§§ 94–101)

Abschnitt 14: Unmittelbarer Zwang (§§ 66–67)

Abschnitt 13: Sicherheit und Ordnung (§§ 77–85)

Dreizehnter Titel: Disziplinar­maßnahmen (§§ 102–107)

Abschnitt 15: Disziplinarmaßnahmen, Auf­hebung von Maßnahmen, Beschwerderecht (§§ 72–73) usw.

Abschnitt 14: Unmittelbarer Zwang (§§ 86–90)

Vierzehnter Titel: Rechts­ behelfe (§§ 108–121) usw.

Abschnitt 16: ­Aufhebung von Maßnahmen, Beschwerde­recht

Abschnitt 15: Auf­hebung von Maßnahmen, Beschwerderecht (§§ 91–92) usw.

II. Übersicht und Ablauf der Vergleichsuntersuchung

StVollzG

GE-SVVollzG

269

ME-SVVollzG

Vollzugsstruktur/Vollzugsorganisation

Vierter Abschnitt Erster Titel: Arten und Einrichtungen der Justizvollzugsanstalten (§§ 139–150)

Abschnitt 17: Organisation, Trennungsgrundsätze (§§ 74–84)

Abschnitt 17: Aufbau und Organisation der Einrichtung (§§ 94–101)

Zweiter Titel: Aufsicht über die Justizvollzugsanstalten (§§ 151–153) Dritter Titel: Innerer Aufbau (§§ 154–161) Vierter Titel: Anstaltsbeiräte (§§ 162–165) usw.

Abschnitt 18: Aufsicht, ­ Beiräte (§§ 85–86) usw.

Abschnitt 18: Aufsicht, ­ Beirat (§§ 102–104) usw.

Hervorzuheben ist die Stellung der vollzugsöffnenden Maßnahmen in den einzelnen Gesetzen, da es hier deutliche Abweichungen gibt. So befindet sich ein Abschnitt zu letztgenannten Maßnahmen im GE-SVVollzG erst im 11. Abschnitt am Ende der Regelungen zum Vollzug als Prozess und im ME-SVVollzG ebenso weiter hinten im 7. Abschnitt.56 Demgegenüber gibt es einige Länder, wie bspw. Niedersachsen, welche diese Regelungen weit vorne im Gesetz normieren und in das zweite Kapitel, in dem die Regelungen zur Aufnahme und Behandlung stehen,­ integrieren.57 Baden-Württemberg ist den Sonderweg gegangen, als einziges Bundesland ein Kombinationsgesetz für die gesamte Materie Straf- bzw. Justizvollzug beizubehalten. D. h. die Regelungen zur Sicherungsverwahrung wurden im fünften Buch des JVollzGB integriert. Durch die Zusammenfassung der verschiedenen Vollzugsformen in einem Regelungswerk sollte die Gesetzesanwendung für die Vollzugspraxis erleichtert werden und neben den Gemeinsamkeiten der Vollzugsformen deren Unterscheide zum Ausdruck kommen.58 In der Begründung zum „Gesetz zur Schaffung einer grundgesetzkonformen Rechtsgrundlage für den Vollzug der Sicherungsverwahrung in Baden-Württemberg“, mit dem die neuerlichen Vorgaben des BVerfG zum Sicherungsverwahrungsvollzug umgesetzt wurden, nimmt der Gesetzgeber abermals Bezug zur Regelungstechnik und spricht sich gegen ein eigenständiges Gesetz aus. Einerseits sei ja ohnehin in Buch 3 der Strafvollzug bei

56 Ebso. im SVVollzG Bln; BbgSVVollzG; BremSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG; SVVollzG SH. Im 10.  Abschnitt regeln es das SVVollzG LSA und SVVollzG NRW; im 11. Teil im BaySvVollzG. 57 Folgende Länder haben die Normen zu den vollzugsöffnenden Maßnahmen ebso. zu Beginn ihrer Gesetze angeordnet: HSVVollzG/ThürSVVollzG in §§ 13–15; HmbSVVollzG in §§ 13–15; JVollzGB V in §§ 11–15. 58 Vgl. BW LT-Drs. 14/5012, S. 163.

270

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung normiert. Andererseits sei es für die Rechtspraxis sinnvoll, alle wesentlichen vollzugsrechtlichen Regelungen in einem einheitlichen Gesetzeswerk verfügbar zu machen.59 Aber: Kann es darauf ankommen, dass Bedienstete und Gefangene nur einen einzigen Gesetzestext benötigen, egal, wo sie sich gerade im Vollzug aufhalten? Dem kann entgegen gehalten werden, dass man sich in Bezug auf das JVollzGB I aufgrund der Zusammenfassungen aller Regelungen in einem Gesetzbuch dennoch durch Regelungen durcharbeiten muss, die ausschließlich für andere Vollzugsformen gelten. Die Vereinfachung in der Anwendung ist anzuzweifeln.60 Jedenfalls drängt sich angesichts des vom BVerfG betonten Abstandsgebots und der bereits im Zuge der Föderalismusreform bzw. des Urteils des BVerfG zum Jugendstrafvollzug laut gewordenen Kritik an der Regelung des Strafvollzugs in einem einzigen Gesetz,61 die Frage auf, ob mit einer solchen integrierten Regelungstechnik die Anforderungen an die neue Regelung des Vollzugs der Sicherungsverwahrung hinreichend erfüllt werden können. Es ist eine schwierige, wenn nicht unlösbare Aufgabe, die verschiedenen Prinzipien und Programmatiken der einzelnen Gesetze bzw. Vollzugsformen (Unschuldsvermutung, Resozialisierung, Erziehung) in einem Werk, insbesondere in einem Allgemeinen Teil (JVollzGB I), zusammenzufassen. Auffallend ist zudem, dass diejenigen Länder (Bayern, Hamburg und Niedersachsen), welche bei den Änderungen im Jugendstrafvollzug noch von der integrierten Regelungstechnik überzeugt waren,62 für den Sicherungsverwahrungsvollzug im wahrsten Sinne des Wortes „Abstand“ davon genommen haben. Dies gilt auch für Thüringen, welches sich im Jahre 2013 aus denselben Erwägungen wie Baden-Württemberg für ein Kombinationsgesetz entschied.63 Inzwischen kombiniert es den Jugend-, U-Haft- und Strafvollzug. Das ThürSVVollzG wurde getrennt davon erlassen. Zu nennen ist des Weiteren Rheinland-Pfalz, welches für die Sicherungsverwahrung ein eigenständiges Gesetz etablierte, wohingegen es alle anderen Bereiche in einem Gesetzestext zusammenfasste (vgl. den Anwendungsbereich nach § 1 LJVollzG). Zu betonen ist, dass mit einem eigenständigen, von den restlichen Regelungen des Strafvollzugs abgetrennten Gesetz der geforderte Abstand zwischen dem Vollzug der Sicherungsverwahrung und demjenigen der Strafhaft rein äußerlich und symbolisch viel deutlicher zum Ausdruck kommt und dadurch dem neuen Vollzug der Sicherungsverwahrung eine ganz andere Wertigkeit verliehen wird.64 59 Vgl. BW LT-Drs. 15/2450, S. 2; ebso. RlP LT-Drs. 16/1910, S. 2; krit. zur integrierten Regelungstechnik Bock, Schriftliche Stellungnahme zum LSVVollzG-E, S. 1. 60 Conrad (BSBD) in der Anhörung zum LSVVollzG-E, APr 16/19, S. 18; ähnl. Bachmann (JVA Schwalmstadt), ebda., S. 26, 52. 61 BVerfGE 116, 69; zur Kritik in diesem Zusammenhang vgl. Hartmann 2010, 143 ff.; Köhne, ZRP 2007, 111. 62 Vgl. dazu Dressel 2008, 113 ff.; ebso. Hartmann 2010, 132, 141 ff. 63 Vgl. Thür LT-Drs. 5/6700, S. 3. 64 S. dazu Bay LT-Drs. 16/13834, S. 1, 27; für das BayStVollzG s. Arloth 2011, Art. 1 Bay StVollzG Rn. 1.

II. Übersicht und Ablauf der Vergleichsuntersuchung

271

Einige Landesgesetzgeber haben nahezu Wort für Wort die Regelungen des Strafvollzugs übernommen, weshalb alleine der Standort der Regelungen nicht ausschlaggebend sein wird. Zwar hat das BVerfG ebenso wie im Urteil zum Jugendstrafvollzug keine Regelungstechnik vorgegeben, sondern vorwiegend inhaltliche Vorgaben zum Gesamtkonzept der Sicherungsverwahrung gemacht. Es heißt wörtlich im Urteil: „Der Gesetzgeber ist dabei von Verfassungs wegen nicht auf ein bestimmtes Regelungskonzept festgelegt, sondern er verfügt über einen Gestaltungsspielraum, den er unter Verwertung aller ihm zu Gebote stehenden Erkenntnisse auszufüllen hat.“65 So wird man insgesamt nicht von einer verfassungswidrigen Regelungstechnik ausgehen können, schließlich sind mit einem eigenständigen fünften Buch des JVollzGB sicherungsverwahrungsspezifische Regelungen wie in den anderen Ländern umgesetzt worden. Das Urteil jedoch konsequent umgesetzt, müsste eine Loslösung vom Strafvollzug und damit eine Loslösung von der integrierenden Regelungstechnik zur Folge haben. Insgesamt wird man mit gutem Recht behaupten können, dass der gebotene Abstand und die Eigenständigkeit des Vollzugs der Sicherungsverwahrung durch die baden-württembergische Gesetzessystematik im Vergleich zu den anderen SVVollzGen gemindert ist und daher nicht überzeugt. Die integrierte Regelungstechnik sollte überdacht werden, da darin ein struktureller Mangel im Vergleich zu den anderen Gesetzen liegt und genauso wie in allen anderen Bundesländern ein deutliches regelungstechnisches Zeichen in Richtung des Abstands zu setzen wäre. 2. Methodisches Vorgehen a) Notwendigkeit einer interregional vergleichenden Analyse Die Notwendigkeit eines Vergleichs der verschiedenen SVVollzGe folgt zu aller erst aus der der Ländergesetzgebung entgegen gebrachten Kritik. Zwar wurde von Sachverständigen bzw. in der Literatur betont, dass es nur unwesentliche Abweichungen gebe.66 Außerdem waren die Länder hinsichtlich einer Neuausrichtung des Vollzugs zum Zeitpunkt des BVerfG-Urteils vorbereitet und orientierten sich grds. an gemeinsamen Entwürfen.67 Jedoch haben die Entwürfe nur Beispielscharakter.68 Es liegt in der Natur der föderalen Struktur, dass unterschiedliche Gesetze und zukünftig darauf beruhende unterschiedliche Vollzugsverhältnisse mehr oder weniger vorprogrammiert sind. Es steht aufgrund der Aufteilung der Gesetzgebungskompetenz daher der Vorwurf einer zunehmenden Rechtszersplitterung und daraus folgender unterschiedlicher Vollzugsbedingungen im Raum. 65

Vgl. dazu BVerfGE 128, 378. M.  Streicher, Schriftliche Stellungnahme zum JVollzGB V-E, S.  2; ebso. Köhne, FS 2014, 177; Krä, FS 2014, 179; Meier 2015, 367. 67 Grote, KrimPäd 2013, 23; ders. 2015, 187: „bereits grundsätzlich vorbereitet“. 68 Grote, KrimPäd 2013, 23; ders. 2015, 187. 66

272

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Ein Blick auf die Gesetzgebungsverfahren zeigt, dass sich nicht alle Länder in demselben Maße an den verschiedenen Arbeitsgruppen und Entwürfen beteiligt bzw. sich voll und ganz an die Entwürfe und Beratungsergebnisse gehalten haben, weshalb ihnen sogar fehlende Kooperationsbereitschaft unterstellt wurde.69 In diesem Zusammenhang spielt es eine Rolle, dass die Länder nicht nur im Aufbau, sondern inhaltlich, z. T. in den Gesetzesbegründungen erwähnt, an bereits bestehende Strafvollzugsgesetze anknüpften.70 Lockfeldt meint, dass jedes Land geschaut habe, den jeweiligen Entwurf in die Systematik seines bereits vorhandenen eigenen Gesetzes zu integrieren.71 Kinzig durchsuchte das BaySvVollzG nach Hinweisen auf das Strafvollzugsgesetz in der Gesetzesbegründung und fand insgesamt 40 Stellen, die offensichtlich in Anlehnung an das BayStVollzG formuliert wurden.72 Dass sich die Gesetze zu sehr am Strafvollzug bzw. StVollzG orientierten, wurde ihnen mehrmals zum Vorwurf gemacht. Die SVVollzGe seien nicht mehr als Strafvollzugsgesetze deluxe bzw. Strafvollzugsgesetze mit zurückhaltender Betonung des Abstandsgebotes.73 Inwiefern berechtigterweise ein Vorwurf zu machen ist, bedarf der Klärung. Dass der beschriebene zweigeteilte Aufbau nur grob Gemeinsamkeiten umreißt und der Unterschied wohl eher im Detail steckt, zeigt schon ein erstes Überfliegen der Normenhierarchie. So macht es doch einen Unterschied, ob die vollzugsöffnenden Maßnahmen wie im dritten Abschnitt des JVollzGB V eher am Anfang des Gesetzes oder aber erst in einem am Ende des ersten Teils zur Gestaltung und zu Aufgaben des Vollzugs liegenden, bspw. in einem elften Teil wie im BaySvVollzG, geregelt sind. Jedes Land bzw. verschiedene Ländergruppen wählten individuelle Formulierungen und setzten jeweils andere Schwerpunkte. Diese Abweichungen – im Detail und nicht im grds. Aufbau – sind darzustellen und zu bewerten. Erst daraus ergibt sich das Gesamtkonzept, welches aus vielen einzelnen Vergünstigungen, einer Freiheitsorientierung und Therapiegerichtetheit bestehen muss.74

69 Feest in der Anhörung zum Nds. SVVollzG, ARV Pr 16/123, S.  44; ähnl.  Dessecker, BewHi 2013, 313 f. Zu den Gesetzgebungsverfahren vgl. Tabelle A1 im Anhang. 70 Bis zum Inkrafttreten der SVVollzG zum 1.6.2013 gab es insgesamt fünf Landesstrafvollzugsgesetze: JVollzGB BW; BayStVollzG; HmbStVollzG; HStVollzG und NJVollzG. Deutliche Orientierung am Strafvollzug bspw. in Bbg LT-Drs. 5/6599, S.  2; Hmb LT-Drs. 20/6795, S. 1; M-V LT-Drs. 6/1476, S. 2. 71 Lockfeldt in der Anhörung zum BremSVVollzG-E, APr A/RA 18/18, S. 466; s. a. Bay LT-Drs. 16/13834, S. 2; ähnl. HSVVollzG-E, LT-Drs. 18/6068, S. 2. 72 Kinzig in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 6. 73 Streng in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 6; vgl. dazu Teil C. I.2. 74 And. scheint es Pyhrr 2015, 256 zu sehen. Dass es v. a. auf die Umsetzung in der Praxis ankommen wird, entbindet jedoch nicht davon, bei einer Analyse der gesetzlichen Neuregelungen gerade auf Details und den Wortlaut der verschiedenen Normen abzustellen.

II. Übersicht und Ablauf der Vergleichsuntersuchung

273

b) Beschränkung auf zentrale Themenbereiche In einem zweiten Schritt stellt sich die Frage, welche Themengebiete explizit untersucht werden sollten. Damit eine intensive und dennoch übersichtliche Auseinandersetzung möglich ist, konzentriert sich der Untersuchungsgegenstand auf die besonders sensiblen und praxisrelevanten Bereiche. Doch woraus ergeben sich die zu untersuchenden Themenbereiche? Dazu hilft die in Teil B. vorgestellte Sicht der Verwahrten und der Vollzugspraxis weiter. Darüber hinaus haben sich die Sachverständigen in den schriftlichen sowie mündlichen Anhörungen der Rechtsausschüsse (s. dazu Tabelle A1 im Anhang) der einzelnen Bundesländer aufgrund der zeitlichen Begrenzung regelmäßig auf die als zentral erachteten Problemfelder („big Points“75) der neuen Vollzugsregelungen konzentriert. Es ist davon auszugehen, dass sich eine Auseinandersetzung mit diesen Bereichen anbietet, weil es in einer Anhörung gerade darum geht, die kritisch zu sehenden Vorschriften und Problembereiche in den Vordergrund zu rücken, um Verbesserungen der Gesetzentwürfe zu erreichen. Im Grunde gab es zwei Lager. Einige, insbesondere aus der Praxis der Gerichte und der JVAen stammende Sachverständige, mahnten an, dass ihnen die Vorschriften zu große Freiheiten gewährten und zu wenig den Schutz der Allgemeinheit beachteten.76 Andere wiederum, vorwiegend aus der Wissenschaft, Anwaltschaft oder aber aus der Praxis der Bewährungshilfe kommende Angehörte, kritisierten im Gegensatz dazu viele Beschränkungen und Missachtungen der verfassungsgerichtlichen Vorgaben, des Abstandsgebots und die immer noch zu geringe Angleichung an die Lebensverhältnisse in Freiheit. Von einem „Sicherheits-Overkill“ war die Rede.77 Uneinigkeit bestand bei der Frage, ob einzige Einschränkungsmöglichkeit des neuen Sicherungsverwahrungsvollzugs die Sicherheit der Anstalt sein könne oder aber daneben deren Ordnung und wenn ja, in welchem Umfang.78 Genauso kontrovers wie die Berücksichtigung des Sicherheitsaspekts beurteilt wurde, lautete das Urteil der Sachverständigen zur Orientierung am StVollzG bzw. den LStVollzGen. Einige betonten, dass der Rückgriff aufgrund der gefestigten Rechtsprechung positiv zu beurteilen sei und dadurch Verbesserungen für den Vollzug der Sicherungsverwahrung eingeläutet worden seien.79 Mehrheitlich 75 Abg. Ross-Luttmann (CDU) in der Anhörung zum Nds. SVVollzG-E, ARV Pr 16/123&124, S. 3. 76 So Bachl, Schriftliche Stellungnahme zu den SVVollzGen, S. 6. 77 Koldehoff (JuMi Bbg) in der Anhörung zum SVVollzG Bln-E, Wortprotokoll Recht 17/19, S. 15; krit. Kinzig in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92 VF, S. 7, 12; and. Lücke­ mann (OLG Bamberg), ebda., S. 7. 78 Kinzig in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92 VF, S. 31: aufgrund des BVerfG-­ Urteils seien Einschränkungen aus Gründen der Ordnung abzulehnen; für einheitliche Verwendung s. Bartsch, ebda., S. 13, 32 79 Schmidt-Weihrich, Schriftliche Stellungnahme zum JVollzGB V-E, S.  1; Lückemann (OLG Bamberg) in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92 VF, S. 7: „einfach deshalb, weil die Sachverhalte identisch sind“.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

wurden die SVVollzG-E dafür kritisiert, sich zu stark am Strafvollzug zu orientieren. Damit könne nicht von einem ausreichenden Abstand die Rede sein.80 Man lastete ihnen die gleiche Struktur, mitunter teilweise zu viele repressive Elemente des Strafvollzugs an.81 Wie solle man bei gleichlautenden Vorschriften etwas völlig anderes regeln? Es seien daher keine echten Maßregelvollzugsgesetze gestaltet worden.82 Nachbesserungsbedarf wurde an vielen Stellen gesehen: So bei den Vollzugslockerungen,83 der Frage nach der Beibehaltung der Arbeitspflicht und Vergütung der Arbeit,84 der Unterbringung der Verwahrten85 sowie dem Trennungsgebot.86 Als „ganz, ganz, ganz zentrale Frage“87 behandelten die Sachverständigen und Vertreter betroffener Interessen die nicht zuletzt wegen der vom BVerfG geforderten Neuerungen im Behandlungs- und Therapiebereich folgenden Punkte: Das Anreiz- bzw. Motivierungssystem88, eine verschärfte Personalsituation89 sowie eine Überforderung der Praxis im Umgang mit der Klientel der 80

Alex in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr.  20/22 NEUF, S.  11 f.: „… mindestens 75 der 115 Normen sind identisch … das als Strafvollzug light sehen würde …“; ebso. Kinzig in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92 VF, S. 6; Heischel (Vollzugsbeirat Bln) in der Anhörung zum SVVollzG Bln-E, Wortprotokoll Recht 17/19, S. 16 f.; von Bose (LfD) in der Anhörung zum SVVollzG LSA-E, 6/REV/22, S. 38: „…in Kategorien des Strafvollzuges gedacht und formuliert.“ 81 Alex 2012, 74; krit. auch Feest, zitiert in TAZ vom 6.9.2012. 82 Koldehoff (JuMi Bbg) in der Anhörung zum SVVollzG Bln-E, Wortprotokoll Recht 17/19, S. 12. 83 Krit. zur Einschaltung der Justizvollzugsbehörde bei der Gewährung Koepsel zum Bbg SVVollzG-E, P-RA 5/38, S. 70; krit. zu den zwingenden zwei Gutachten s. Wolf in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 11; ebso. Bachmann (JVA Schwalmstadt) in der Anhörung zum LSVVollzG-E, APr 16/19, S. 28; G. Schulz, Schriftliche Stellungnahme zum ThürSVVollzG-E, S. 5. 84 Krit. zur Abschaffung der Arbeitspflicht etwa Bachl, Schriftliche Stellungnahme zu den SVVollzGen, S. 7; krit. zur Eckvergütung Joester in der Anhörung zum BremSVVollzG-E, A/RA 18/18, S.  450 f., 473 f.; Dünkel in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr.  20/22 NEUF, S.  6 f.; für eine Arbeitspflicht hingegen Peglau in der Anhörung zum LSVVollzG-E, APr 16/19, S. 41. 85 Zum Wohngruppenvollzug s. Schöniger, Schriftliche Stellungnahme zum JVollzGB V-E, S. 1; Dünkel und Kinzig in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF S. 6, 10; Bartsch in der Anhörung zum SVVollzG SH-E, SH RA 18/28, S. 7: verfassungsrechtlich fragwürdige nicht abgetrennte Sanitärbereiche; zur Raumgröße Olfen, Schriftliche Stellungnahme zum ThürSVVollzG-E, S. 3. 86 Egerer, Schriftliche Stellungnahme zum JVollzGB V-E, S. 2: Ausnahme aus Gründen der Sicherheit der Anstalt; krit. zur Umsetzung Papenfuß und Speckin in der Anhörung zum SVVollzG M-V-E, APr 6/34, S. 6, 8. 87 Kinzig in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 22. 88 Herausgegriffen sei hier die Debatte um finanzielle Beteiligung an der Unterbringung bzw. Belohnung für die Teilnahme an Therapiemaßnahmen, s. Bartsch in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92  VF, S.  9, 21, S.  28; Bahl (Straffälligenhilfe)  in der Anhörung zum BremSVVollzG-E, A/RA 18/18, S.  460, 438: volle Vergütung; Skirl in der Anhörung zum SVVollzG NRW-E, APr 16/167 S. 9, 22. 89 Köbke, Bartsch, Stephan (DRB) und Koepsel in der Anhörung zum BbgSVVollzG-E, P-RA 5/38, S. 58 ff., 78. Allg. zu Personalfragen wie Ausbildung und Qualifizierung, eigenes Personal für SV Bachmann (JVA Schwalmstadt), Conrad (BSBD) und Egg in der Anhö-

II. Übersicht und Ablauf der Vergleichsuntersuchung

275

„hoffnungslos Verwahrten“ und aufgrund der notwendigen Motivierung vor dem Hintergrund des Therapieoptimismus des BVerfG,90 Mängel i. R. d. Entlassungsvorbereitung, die Nachsorge bzw. -betreuung und Krisenintervention91. Trotz Kritik im Detail fiel das Gesamtfazit zu den SVVollzG-E hinsichtlich der Umsetzung der Vorgaben des BVerfG sowie der Leitlinien des Bundesgesetzgebers dennoch einheitlich aus: Diese seien im Wesentlichen erfüllt.92 Nur vereinzelt wurden widersprüchliche Regelungen, z. B. Unstimmigkeiten mit § 66 c StGB, festgestellt.93 Aufgabe der folgenden vergleichenden Analyse ist es daher, die aufgestellte Hypo­ these, den Vorgaben des BVerfG und des Bundes werde unterm Strich ausreichend Genüge getan, zu überprüfen. Es ist daneben herauszufinden, wo unter Umständen einzelne Normen oder Regelungsbereiche noch nicht diesen Anforderungen genügen. Nicht zu vergessen ist, dass die Rechtsprechung im Justizvollzug eine große Rolle spielt, weil sie verdeutlicht, wo es in der Praxis zwischen Untergebrachten und Anstalt zu Streit kommt und weil sie die häufig verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe auszulegen hat. In den Gesetzgebungsverfahren wurde allgemein die vom BVerfG eingeforderte Regelungsdichte kontrovers debattiert: Einige angehörte Experten äußerten Bedenken, dass es zu viele unbestimmte Rechts­ begriffe und Ermessensvorschriften in den Entwürfen und zu wenige Rechtsansprüche gebe.94 Es bestünde die Gefahr, zu sehr auf die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe des StVollzG zurückzugreifen.95 Zudem sei zur Rechtssicherheit mancherlei Aspekt nicht nur in der Begründung zu erwähnen, sondern direkt im Gesetz zu normieren.96 Angesichts solcher Vorwürfe ist damit zu rechnen, dass die Rechtsprechung weiterhin die Vollzugspraxis entscheidend mitbestimmen

rung zum LSVVollzG-E, APr 16/19, S. 25, 18, 42; G. Schulz, Schriftliche Stellungnahme zum ThürSVVollzG-E, S. 5; Arloth in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 22; zu Recht krit. Kinzig, ebda., S. 20 zur „Kostenneutralität“. 90 Zum Therapieoptimismus des BVerfG s. Bartsch, Endres und Koepsel in der Anhörung zum BbgSVVollzG-E, P-RA 5/38, S. 61 f., 64 f., 69; Bachl, Schriftliche Stellungnahme zu den SVVollzGen, S. 7; Peglau in der Anhörung zum LSVVollzG-E APr 16/19, S. 22, 47 f.: Nachbesserungsbedarf; zu Veränderungen der gerichtlichen Arbeit Herrfahrdt (BVAJ) in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 16. 91 Pollähne in der Anhörung zum Nds. SVVollzG-E, ARV PR 16/123&124, S. 32, 34 f. 92 Mauruschat, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG M-V-E, S. 1: konsequente Umsetzung. 93 Speckin, Dünkel und Pollähne in der Anhörung zum SVVollzG M-V, APr 6/34, S. 8, 11, 14. 94 M. Streicher, Schriftliche Stellungnahme zum JVollzGB V-E, S. 2; ebso. Bartsch in der Anhörung zum BbgSVVollzG-E, P-RA 5/38, S. 63; ebso. Heischel (Vollzugsbeirat Bln) in der Anhörung zum SVVollzG Bln-E, Wortprotokoll Recht 17/19, S. 17, 27 f. 95 Schubert (OLG Naumburg), Bartsch, Scharmer und Bülau (BSBD) in der Anhörung zum SVVollzG LSA-E, REV 6/REV/22, S. 7, 18, 21 f., 30; krit. Blum/Oelbermann, Schriftliche Stellungnahme zum ThürSVVollzG-E, S. 4, 11:die das Abstandsgebot kennzeichnenden Kriterien finden sich bereits im StVollzG. 96 Bahl (Straffälligenhilfe) in der Anhörung zum BremSVVollzG-E, A/RA 18/18, S. 459 f.

276

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

wird.97 Die seit dem aktuellen BVerfG-Urteil ergangene, in erster Linie obergerichtliche Rechtsprechung zum neuen Sicherungsverwahrungsvollzug beschäftig sich vornehmlich mit der räumlichen Ausgestaltung der Unterbringung, der Versorgung der Verwahrten sowie deren Kontaktmöglichkeiten mit der Außenwelt und den Vollzugslockerungen, aber auch mit der Vollzugsplanung und dem Erfordernis von Gutachten bei diversen Entscheidungen.98 Von besonderem Interesse sind daher folgende Themenschwerpunkte99: –– Zentral sind die auf alle Regelungsbereiche des Sicherungsverwahrungsvollzugs ausstrahlenden Grundsätze und Ziele des Vollzugs der Sicherungsverwahrung (III.). –– Außerdem sind angesichts der Therapieorientierung neben den Fragen nach einem neuen Therapieanspruch, Mitwirkungs- und Motivierungsregelungen ebenfalls vollzugsöffnende Maßnahmen und die vorgesehene Entlassungsvorbereitung zu erörtern (IV.). –– Da der Vollzug ein Interaktionsprozess zwischen mehreren Beteiligten ist, soll außerdem die Beteiligung Dritter, des Untergebrachten selbst genauso wie die Personalsituation sowie die Einbeziehung des Opfers in den Vollzugsalltag behandelt werden (V.). –– Auch schon bisher spielten vor allem die Ausgestaltung der räumlichen Umgebung, und damit Aspekte der Unterbringung und Versorgung eine große Rolle, welche auch hier beleuchtet werden soll (VI.). –– Des Weiteren ist die Gestaltung des Alltags der Verwahrten von großer praktischer Relevanz, insbesondere deren Tagesstruktur durch Freizeit und Beschäftigung (VII.).

97

Egg in der Anhörung zum LSVVollzG-E, APr 16/19, S. 42. Z. B. KG Berlin, Beschl. vom 21.10.2013 – 2 Ws 446/13 2 Ws 446/13 – 141 AR 479/13 (Diagnostikverfahren zur Erstellung des Vollzugs- und Eingliederungsplans, Verhältnis zu § 66 c StGB); Beschl. vom 23.12.2013 – 2 Ws 474/13, 2 Ws 474/13 – 141 AR 518/13 (Trennungs­gebot); Beschl. vom 10.2.2014 –2 Ws 596/13 Vollz (Erstellung des Vollzugsplans und Durchführung der Vollzugsplankonferenz); Beschl. vom 27.2.2014 – 2 Ws 55/14 Vollz (Versagung einer Ausführung); OLG Braunschweig, Beschl. vom 17.12.2013 – 1 Ws 279/13 (Behandlungsgutachten); OLG Hmb NStZ 2014, 231 f. (Ausführung); OLG Hamm NStZ-RR  2014, 157 f. (Verpflegungszuschuss und Selbstverpflegung); Beschl. vom 14.1.2014 – III-1 Vollz (Ws) 438/13, 1 Vollz (Ws) 438/13 (Zimmergröße); Beschl. vom 2.6.2014 – III-1 Vollz (Ws) 170/14, 1 Vollz (Ws) 170/14 (Sanitärbereich). 99 Bzgl. der nicht behandelten Aspekte sei auf die umfassenden Stellungnahmen in den jeweiligen Gesetzgebungsverfahren verwiesen. Z. B. bzgl. den weiblichen SV s.  Bartsch, FS 2012, 361; ders., NK 2013, 201 f.; Grote 2015, 199. 98

II. Übersicht und Ablauf der Vergleichsuntersuchung

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c) Ablauf der Untersuchung und Erkenntnisquellen „Sicherungsverwahrung wird angenehmer als Gefängnis“ – so kommentierte eine bekannte deutsche Boulevardzeitung das neue bayerische Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz.100 Wie aber sind die neuen SVVollzGe sowie die daraufhin von den einzelnen Anstalten getroffenen Konzepte rechtlich zu beurteilen? Dies soll mithilfe der folgenden vergleichenden Analyse beantwortet werden, welche sich zuerst auf die einzelnen umschriebenen Themenbereiche und Detailvorschriften bezieht. Jeweils werden die als notwendig erachteten Korrekturen aufgezeigt und Verbesserungsvorschläge skizziert. Zum Schluss findet sich eine Gesamt­ bewertung der neuen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzgebung. Als Ausgangspunkt eines jeden thematischen Vergleichs sind die bisherigen Regelungen darzustellen und zu bewerten.101 Danach schließt der Teil  der Neu­ regelungen an, die auf einen kritischen Prüfstand gestellt werden. Da die Entwürfe des ME- und GE-SVVollzG der Ursprung der SVVollzGe sind und diese deshalb häufig nur im Detail davon abweichen, dienen sie i. R. d. Neuregelungen als Vergleichsbasis. Es geht im Weiteren um die Frage, was sich zur bisherigen Rechtslage verändert hat, wie und weshalb einzelne Länder von den Musterentwürfen abweichen und welcher Unterschied sich zur aktuellen Strafvollzugsgesetz­gebung feststellen lässt, so dass insofern die derzeit aktuellen LStVollzGe ebenfalls herangezogen werden. Gleichzeitig werden die Normen der verschiedenen SVVollzGe untereinander verglichen. Ergänzend befinden sich im Anhang tabellarische Übersichten zu den Neuregelungen, worauf im jeweiligen Themenblock hingewiesen wird. Neben den Gesetzesmaterialien und Stellungnahmen ist die seit dem Erlass der SVVollzGe ergangene obergerichtliche Rechtsprechung zu beachten. Ihre Auswirkung auf die Interpretation der einzelnen Normen ist hervorzuheben. Zu messen sind die Gesetze des Weiteren an den Anforderungen des BVerfG, welches feststellte, dass die bisherigen Vorschriften nicht geeignet gewesen sind, die Anforderungen des Abstandsgebots zu verwirklichen, weil der (Bundes)Gesetzgeber bisher der Praxis in wesentlichen Kernbereichen zu weite Beurteilungs- und Ermessensspielräume einräumte und klare normative Grundlagen fehlten. Den Landesgesetzgebern gab das Gericht daher auf, „im Rahmen ihrer Gesetzgebungs­ zuständigkeit das Abstandsgebot sichernde, effektive Regelungen für den Vollzug der Maßregel zu treffen, die einen freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug gewährleisten“.102 Sie soll(t)en außerdem sicherstellen, dass die genannten

100

BILD vom 16.5.2013. §§ 129–135  StVollzG und Vorschriften des Vollzugs der Freiheitsstrafe, näher ausgestaltet durch die bundeseinheitlichen VV und die entsprechenden landesrechtlichen Regelungen: §§ 97–103 JVollzGB III; Art. 159–164 BayStVollzG a. F.; §§ 93–97 HmbStVollzG a. F.; §§ 66–68 HStVollzG a. F.; §§ 107–112 c NJVollzG. 102 BVerfGE 128, 388. 101

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Anforderungen nicht durch „Gewährung zu weiter Spielräume in der Praxis umgangen werden können und damit das Abstandsgebot faktisch leerläuft“.103 D. h. die Ermessens- und Beurteilungsspielräume dürfen künftig nicht mehr so weit sein wie bisher.104 Zusammenfassend lässt sich damit sagen, dass die Gesetze der Länder die Leitlinien des Bundes ausfüllen und ggf. ergänzen müssen. Wie bereits festgestellt, hat der Bund sich auf seine bloße Leitlinienkompetenz zu­r ückgezogen und die konkrete Ausgestaltung sämtlicher Leitlinien den Ländern überlassen. Neben der Fokussierung auf einige Themenschwerpunkte werden zur besseren Übersichtlichkeit diejenigen Länder, die sich bis zum Erlass des Gesetzes an dem ME-SVVollzG tatsächlich beteiligten und orientierten, regelmäßig zusammengefasst. Es ist davon auszugehen, dass sie nur vereinzelt von dem Entwurf sowie voneinander abweichen.105 Um trotz der zusammengefassten Darstellung ein umfassend(er)es Bild zu erarbeiten, wechselt das bei den unterschiedlichen Themengebieten jeweils dargestellte Gesetz. Ggf. vorhandene Besonderheiten der einzelnen Gesetze werden angesprochen. Das Saarland ist das einzige Bundesland, das für den Großteil der zu regelnden Bereiche i. R. d. Regelung zum Anwendungs­ bereich in § 1 S. 2 SLSVVollzG aufgrund der vollzuglichen Zusammenarbeit auf die Regelungen in Rheinland-Pfalz verweist. Daher wird auf dieses Gesetz nur bei eigenen, vom LSVVollzG abweichenden Regelungen eingegangen. Ebenfalls werden Thüringen und Hessen weitgehend zusammen behandelt, da die Gesetze bis auf die Vorschriften zum Datenschutz identisch aufgebaut sind und aufgrund der engen vollzuglichen Zusammenarbeit von großen Schnittpunkten, wenn nicht sogar von nahezu identischen Gesetzen auszugehen ist.106 Zwar haben Bremen und Niedersachsen sowie Hamburg und Schleswig-Holstein ebenso eine solche Vollzugsvereinbarung, weisen aber allein vom Aufbau her so viele Unterschiede auf, dass jedes Gesetz einzeln darzustellen ist.107 Im Übrigen gilt, dass bei identischen Regelungen immer nur ein Land exemplarisch ausführlich erörtert wird, um Wiederholungen zu vermeiden. Abgeschlossen werden die jeweiligen thematischen Abschnitte mit einem ergänzenden Überblick auf die Auswirkungen der Neuregelungen in der Praxis.108 Den Blick darauf zu lenken, ist wegen der Unklarheit, wie das Abstandsgebot in

103

BVerfGE 128, 388. Rosenau in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92  VF, S.  32; and. Arloth, ebda., S. 31. 105 Krä in der Anhörung zum SächsSVVollzG-E, Apr 5/1–45 A-2, S. 24. Es handelt sich um acht Gesetze, die auf den ME-SVVollzG zurückzuführen sind: Bln, Bbg, Brem, M-V, RlP, SL, S und SH. 106 Vgl. dazu die Begr. Thür LT-Drs. 5/5843, S. 3 f.: „In wesentlichen Teilen entspricht das Gesetz dem Hessischen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz.“ Zum Staatsvertrag mit H vgl. Thür LT-Drs. 5/5817, S. 2. 107 Vgl. auch die Synopse der beiden Entwürfe in Pr AJDG Nr. 20/23, S. 46–118. 108 Ausführl. Vergleich einiger Behandlungskonzepte ohne genaue Fundstellenangabe bei Pyhrr 2015, 301 ff. 104

II. Übersicht und Ablauf der Vergleichsuntersuchung

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die Praxis transferiert werden soll, angebracht.109 Dazu werden verschiedene Quellen zu Rate gezogen: Im Mittelpunkt stehen die von den Sicherungsverwahrungsabteilungen entwickelten Behandlungskonzepte. Zwar sind in allen Bundesländern am 1.6.2013 SVVollzGe in Kraft getreten, vollzogen wird die Sicherungsverwahrung jedoch nur in insgesamt 14 Anstalten (vgl. Tabelle A1 im Anhang). Alle Abteilungen, in denen Sicherungsverwahrung vollzogen wird (z. T. auch die SothAen nur für Sicherungsverwahrte), haben inzwischen Behandlungskonzepte erstellt. Diese Konzepte beschreiben mehr oder weniger umfassend Verfahrens- und Behandlungsleitlinien für die alltägliche Betreuung der Sicherungsverwahrten unter Berücksichtigung der Vorgaben des BVerfG, aber auch mit Blick auf die Rechtsprechung der OLGe, die Erfahrungen aus der Praxis des Maßregelvollzugs, die Erfahrungen der bisherigen Sicherungsverwahrungsvollzugspraxis sowie der juristischen und psychologisch-psychiatrischen Fachliteratur.110 Daher gewähren die zur Verfügung111 gestellten Behandlungskonzepte einen Einblick in die Praxis, inwiefern die Neu­regelungen Einklang in den Alltag der Abteilungen gefunden haben. Zudem lassen sie erahnen, inwieweit die Vollzugswirklichkeit von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich gestaltet werden wird. Die Rechtsprechung bezieht diese Konzepte als Anzeichen für die neue Vollzugswirklichkeit in ihre Entscheidungen ein.112 Ergänzt werden die Konzepte durch den Praxisbericht des CPT aus dem Jahre 2013, welcher den Besuch zweier Abteilungen des Sicherungsverwahrungsvollzugs mit dem Ziel, „die praktische Umsetzung des neuen Systems der Sicherungsverwahrung und die … seit dem Besuch von 2010 ergriffenen Maßnahmen zu überprüfen“, betrifft.113 Aktuelle Daten zu den Verwahrten und der Ausgestaltung des Vollzugs können darüber hinaus der federführend vom Kriminologischen Dienst Niedersachsen auf Initiative des Strafvollzugsausschusses der Länder durchgeführten Befragung „Länderübergreifende Bestandsaufnahme zur Ausgestaltung der Situation des Vollzugs der Sicherungsverwahrung“ sämtlicher Justizvollzugseinrichtungen, in denen Sicherungsverwahrung vollzogen wird, entnommen werden.114 Die seit 2009 durchgeführte Erhebung untergliedert sich in zwei Teile: Der erste und jährlich durchgeführte Teil fragt Daten über die Dauer und Beendigung der Verwah 109

Bartsch 2015, 57 ff. zum Behandlungskonzept der JVA Rosdorf. So bspw. die insgesamt skeptische Beschreibung im Vorwort des Konzepts JVA Bbg a. d. H., S. 2. 111 Dazu Tabelle A1 im Anhang. 112 KG Berlin StV 2014, 147; Beschl. vom 19.12.2013 – 2 Ws 514/13, 2 Ws 514/13 – 141 AR 571/13 – bei juris. 113 CPT/Inf (2014) 23, S. 8 Rn. 10. Die Antworten der Länder finden sich in der Stellungnahme der BReg vom 17.6.2014, vgl. CPT/Inf(2014) 24. Vom 25.11.2015 bis zum 7.12.2015 hat das CPT Deutschland erneut besucht, u. a. die JVA Rosdorf (s.  dazu News Flash vom 11.12.2015); ein Bericht liegt derzeit (30.3.2016) noch nicht vor. 114 Im Folgenden: Länderübergreifende Bestandsaufname; vorgestellt von Ansorge, KrimPäd 2013, 39 ff., dies. 2013, 3 f. 110

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

rung, Behandlung und Struktur der Sicherungsverwahrten ab. Der zweite, alle zwei Jahre durchgeführte Befragungsteil bezieht sich auf die vorhandenen Unterschiede zwischen dem Straf- und dem Sicherungsverwahrungsvollzug.115 Für die Zukunft kann die Untersuchung „einen Eindruck über die bundesweiten Tendenzen“ bieten, so dass sich darin womöglich in gewissem Umfang Veränderungen durch die SVVollzGe abzeichnen.116

III. Grundsätze und Ziele Im ME- und GE-SVVollzG sowie den SVVollzGen sind die ersten Abschnitte als „allgemeinen Bestimmungen“ bzw. „Grundsätze des Vollzugs“ bezeichnet, welche damit vorwiegend die mit dem Vollzug verbundenen Aufgaben und verfolgten Ziele sowie die Grundsätze der Vollzugsgestaltung umfassen. Es gilt wie im StVollzG, dass die vor die Klammer gezogenen Grundsätze, die auf die Anwendung der übrigen Normen ausstrahlen, am Anfang der Gesetze stehen. Daher rührt deren besondere Bedeutung, da sie aufgrund ihres allgemeinen Regelungsanspruchs für die Auslegung speziellerer Vorschriften und somit für den Vollzugsalltag insgesamt große Bedeutung haben.117 1. Bisherige Regelungen Für den hiesigen Themenkomplex spielen § 129  StVollzG („Ziel der Unterbringung“) und die kaum davon abweichenden landesrechtlichen Normen118 eine Rolle. Besonders auffällig ist die im Vergleich zu § 2 StVollzG abgeänderte Reihenfolge119 der Sicherung und Resozialisierung, weshalb von einem „nur sehr einseitigen“ Ziel der Sicherung gesprochen wurde.120 Durch die LStVollzGe sind die Grenzen mittlerweile verwischt worden, da diese für den Vollzug der Freiheitsstrafe im Unterschied zum StVollzG keinen expliziten Vorrang des Resozialisierungsziels mehr enthielten.121 Dass im Laufe des Vollzugs der Sicherungsverwah 115

Ansorge, KrimPäd 2013, 40, und dies. 2013, 4. Ansorge 2013, 21, 31. 117 Dessecker, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S.  96; BeckOK Nds.  SV VollzG-Gittermann, § 3 Rn.  6: Sie sind „Mindestbedingungen eines an den Grundrechten ausgerichteten Vollzugs“. 118 Vgl.  Art.  159 BayStVollzG a. F.; § 93 HmbStVollzG a. F.; § 66  HStVollzG a. F.; § 107 NJVollzG sowie § 97 JVollzGB III a. F.; krit. Köhne, NStZ 2009, 131. 119 § 129 S. 1 StVollzG: „Der Sicherungsverwahrte wird zum Schutz der Allgemeinheit sicher untergebracht.“ Erst in § 129 S. 2 StVollzG heißt es: „Ihm soll geholfen werden, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern.“ Wohingegen § 2 S. 1 StVollzG für den Strafvollzug regelte: „Im Vollzug der Freiheitsstrafe soll der Gefangene fähig werden, künftig in sozialer Verantwortung ein Leben ohne Straftaten zu führen (Vollzugsziel).“ 120 SBJL-Koepsel 2013, §§ 129, 130 Rn. 5; s. a. Dessecker 2004, 205. 121 Laubenthal 2015, Rn. 149 ff. m. w. N. 116

III. Grundsätze und Ziele

281

rung der Besserungszweck hinter den Sicherungszweck zurücktrete, sei Ausdruck des präventiven Charakters der Maßregel.122 Damit soll nicht eine „besonders“ sichere Unterbringung gemeint gewesen sein.123 Damit offenbarte sich aber, dass der mit der Unterbringung auf Vollzugsebene „eigentlich“ ebenso zu verfolgende Zweck der Besserung mehr oder weniger unterging.124 Dies zeigte sich auch in einer sprachlich zum Ausdruck kommenden Reduzierung des Resozialisierungsgedankens in der „Sollvorschrift“ des § 129 S. 2 StVollzG.125 Auch die Überschrift sprach im StVollzG nur von einem „Ziel der Unterbringung“, was nahelegt, dass der im ersten Satz genannte Schutz der Allgemeinheit über der Resozialisierung in S. 2 stand. Noch vor 1998 ergab sich aus der Höchstfrist bei erstmaliger Anordnung, dass es neben der Sicherung die Aufgabe des Vollzugs war, die Sicherungsverwahrten von vornherein auf das Leben in Freiheit vorzubereiten.126 Aber auch unabhängig von der Dauer betonte das BVerfG bereits im Jahre 2004, dass die Resozialisierungskonzeption genauso für die Sicherungsverwahrten anzuwenden sei.127 Zumindest dürften die Resozialisierungsbemühungen nicht geringer ausfallen als im Strafvollzug.128 Insofern ging die Literatur von einer Verpflichtung aus und betonte, dass der Sicherungsverwahrungsvollzug mit dieser Regelung nicht in einer reinen Verwahrung enden dürfe.129 Neben der missglückten verschärften Regelung des Resozialisierungsauftrags wurden wegen der VV zu § 130 StVollzG die Hafterleichterungen restriktiv gehandhabt.130 Im Übrigen galten über § 130 StVollzG bzw. die entsprechenden 122

BVerfGE 109, 166. So aber Grunau/Tiesler 1982, § 129 Rn. 2; dagegen Arloth 2011, § 129 Rn. 2; Bartsch 2010, 121; AK-StVollzG-Feest/Köhne 2006, § 129 Rn 3; SBJL-Koepsel, § 129 Rn. 6. Einige Gesetzesbegründungen zu den LStVollzGen lassen Zweifel aufkommen, vgl. etwa Bay LTDrs. 16/13834, S. 1. 124 So Dessecker 2004, 206; krit. auch Kern 1997, 185; Kinzig 1996, 72  ff., 117 ff. 125 Die Verwendung einer Sollvorschrift indiziert, dass die Rechtsfolge zwar regelmäßig eintreten soll, aber nicht muss (intendiertes Ermessen auf Rechtsfolgenseite). Andererseits stellt dies das schwächste Ermessen der Vollzugsbehörde dar, die nur in atypischen Fällen von dieser Rechtsfolge abweichen darf. Vgl. dazu KS-Schöch 2002, § 7 Rn. 12. Kritik daran bei AK-StVollzG-Feest/Köhne 2012, § 129 Rn.  4; SBJL-Koepsel 2005, § 130 Rn.  2; s. a. Dessecker 2004, 205; Köhne, BewHi 2005, 278 ff.; für die LStVollzGe Kreuzer/Bartsch, FS 2010, 91; Köhne, NStZ 2009, 131; and. Arloth 2011, § 129 Rn. 3: in der Praxis ohne sachliche Bedeutung. 126 Dahingehend die Entscheidung des BVerfG NStZ-RR 1996, 122. 127 BVerfGE 109, 177 f. 128 Bereits BVerfGE 98, 200 f. in seiner Entscheidung zur Entlohnung von Strafgefangenen; ebso. BVerfGE 109, 150 f.; 109, 177 ff.; 128, 377; s. a. BVerfGE 35, 202 ff. 129 Arloth 2011, § 129 Rn. 3; Calliess/Müller-Dietz 2008, § 129 Rn. 1; AK-StVollzG-Feest/ Köhne 2006, § 129 Rn.  4, SBJL-Koepsel 2009, §§ 129, 130, Rn.  5; Koepsel 2006, 574 f.; Köhne, BewHi 2005, 282. 130 Plakativ meint Köhne, BewHi 2005, 280, dass alleine das großzügigere Tragen eigener Kleidung nicht die Gefährlichkeit des Verwahrten beseitigen könne. 123

282

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Vorschriften der LStVollzGe131 die identischen Regelungen wie für Strafgefangene. Somit entfalteten die Grundsätze in § 3 StVollzG ebenso für Sicherungsverwahrte ihre Bedeutung. Die allgemein gehaltene Rechtsstellung der Verwahrten folgte aus § 4 Abs. 2 StVollzG i. V. m. 130 StVollzG, wonach die Verwahrten nur den im StVollzG vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit unterlagen. Eingeschränkt wurde dies durch den Zusatz in S. 2. Danach und den wörtlich oder sinngemäß folgenden LStVollzGen durften Beschränkungen auferlegt werden, die zwar nicht im StVollzG normiert, aber „zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Anstalt unerläßlich“ waren.132 Einzige Ausnahme bildete Niedersachsen: Dort wurde die Eingriffsschwelle erheblich abgesenkt, indem man in § 3 S. 2 NJVollzG a. F. auf das Wort „unerlässlich“ verzichtete und dafür auf „erforderliche“ Beschränkungen abstellte.133 2. Ziele und Aufgaben Auffallend ist, dass alleine der Umfang der allgemeinen Regelungen (zwei Abschnitte: „Anwendungsbereich“ und „Grundsätze“) des GE-SVVollzG134 der Anzahl der früheren gesamten Spezialregelungen zur Sicherungsverwahrung entspricht. Der ME-SVVollzG und die ihm folgenden Länder135 treffen die „Allgemeinen Bestimmungen“ in quantitativ abgespeckter Form jeweils in den §§ 1–5 ME-SVVollzG. Die meisten Gesetze sprechen wie der ME- und der GESVVollzG von „Untergebrachten“ statt wie noch das StVollzG von „Sicherungsverwahrten“, womit man angesichts der u. a. vor Erlass des SichVAbstUmsG in der Öffentlichkeit geführten Diskussion über den Begriff der Sicherungsverwahrung anscheinend einen „Imagewechsel“ weg vom reinen Verwahrvollzug er ­reichen wollte.136 131 § 97 JVollzGB III a. F., Art. 159 BayStVollzG a. F.; § 66 HStVollzG a. F., § 93 HmbStVollzG a. F.; § 107 NJVollzG a. F. 132 § 3 JVollzGB III a. F.; Art. 6 BayStVollzG a. F.; § 3 JVollzGB III a. F.; § 6 HStVollzG a. F.; § 5 HmbStVollzG a. F. 133 AK-StVollzG-Bung/Feest 2012, § 4 Rn. 12, 26; SBJL-Jehle 2013, § 4 Rn. 21; and. Beck OK Nds. SVVollzG-Gittermann, § 5 Rn. 5: Bereits im Strafvollzug keine nennenswerte Auswirkung. 134 Von den dem GE-SVVollzG im Wesentlichen folgenden Länder regeln es in einem Abschnitt in §§ 1–7 SVVollzG NRW/SVVollzG LSA bzw. §§ 1–6 Nds. SVVollzG. Das HSV VollzG und ThürSVVollzG regeln dieselben Paragraphen in zwei Abschnitten; ähnl.  das BaySvVollzG/HmbSVVollzG. Einen Sonderweg geht BW mit seiner integrierten Regelungstechnik (§§ 1 f. JVollzGB I und §§ 1–4 JVollzGB V). 135 §§ 1–5 SVVollzG Bln/BbgSVVollzG/BremSVVollzG/SVVollzG M-V/LSVVollzG/Sächs SVVollzG. Einzig das SVVollzG SH weist insgesamt sechs Paragraphen im Abschnitt „Allgemeine Bestimmungen“ auf. 136 Art. 6 BaySvVollzG und § 5 Nds. SVVollzG sprechen von Untergebrachten; in einigen VV werden allerdings „alle Personen, an denen freiheitsentziehende Maßnahmen … vollzo-

III. Grundsätze und Ziele

283

Bedeutungsvoller ist der Anwendungsbereich des SLSVVollzG, denn nach dessen § 1 S. 2 SLSVVollzG finden die „§§ 2 bis 85 und 91 bis 104 des Landessicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes des Landes Rheinland-Pfalz vom 8. Mai 2013 (GVBl. S. 79, 102) in der jeweils geltenden Fassung“ Anwendung.137 Diese Norm ist einmalig, da alle anderen Bundesländer, die eine Vollzugsgemeinschaft bzw. Verwaltungsvereinbarung zur Unterbringung mit einem anderen Bundesland vereinbart haben und daher ihre Verwahrten regelmäßig in einem anderen Land unterbringen, dennoch ein eigenes SVVollzG geschaffen haben. Dabei wurde in den Gesetzgebungsverfahren stets gefordert, sich untereinander zu verständigen: Das ThürSVVollzG sollte den Regelungen Hessens folgen,138 Bremen sich an Niedersachsen orientieren139 und Schleswig-Holstein sich mit Hamburg abstimmen.140 Der mehr oder weniger vorgebrachte Hauptvorwurf ggü. diesen Gesetzen liegt darin, dass man deren Notwendigkeit generell bezweifelte. Das im Gesetzgebungsverfahren zu hörende Argument, man brauche die Gesetze, falls die Zahl der Untergebrachten ansteige, steht dem Sinn der getroffenen Verwaltungsvereinbarungen entgegen, die klassischerweise vorsehen, dass der Vollzug in dem ein oder anderen Land stattfindet.141 Konsequenterweise sah man für eigene Behandlungskonzepte keine Notwendigkeit.142 Wieso man dann ein eigenes Gesetz benötigt, bleibt unklar. Eine Zwitterstellung in dieser Diskussion nehmen Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg ein: Laut Staatsvertrag über die Bildung eines Vollzugsverbundes werden die Verwahrten je nach Behandlungsschwerpunkten im jeweiligen Bundesland untergebracht.143 Vorwerfen kann man den Gesetzen aus Bremen, dem Saarland, SchleswigHolstein und Thüringen, dass sie nur einzelne Sicherungsverwahrte betreffen.

gen werden“, d. h. Gefangene i. S. d. (L)StVollzG und Sicherungsverwahrte als „Gefangene“ bezeichnet (bspw. Nr. 1.1 der VwV vom 22.6.2015 „Organisation der Bewirtschaftung der Anstalten und der Versorgung, Qualifizierung und Beschäftigung der Gefangenen“, RP JBl. 2015, Nr. 7, 49). Zur öffentlichen Diskussion vgl. Cornel, NK 2012, 2. 137 Im Gesetzgebungsverfahren wurde v. a. kritisiert, dass zeitweise auf Normen verwiesen wurde, die noch gar nicht existent waren, so Jung in der Anhörung zum SLSVVollzG-E, VR 15/21, S. 3. 138 Thür LT-Drs. 5/5843, S. 3 ff. 139 Dringlichkeitsantrag der CDU, Brem LT-Drs. 18/903, S.  11 ff.; s. a. Brem PlPr  18/41, S. 2855. 140 Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fragte sich sogar, ob man im Zuge des Staatsvertrages mit Hmb ein Mitspracherecht an Gesetzesänderungen im jeweiligen anderen Bundesland festschreiben könne, vgl. SH LT. Umdruck 18/978, S. 6; krit. Alex in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 11. 141 Z. B. in der JVA Fuhlsbüttel für Verwahrte aus SH, vgl. dazu SH PlPr 18/17, S. 1261. 142 So in Bremen, dazu Arloth, FS 2013, 221; Pyhrr 2015, 297 f. 143 Bbg LT-Drs. 5/8738, dem eine aktuelle Fragestunde zum Thema am 20.2.2014 (Bbg LTDrs. 5/8522) sowie Antwort der Landesregierung (Bbg PlPr 5/90, S. 7318 f.) vorausgegangen war. In M-V sollen schwerpunktmäßig Sicherungsverwahrte mit Gewaltproblematik, in Bbg schwerpunktmäßig lebensältere SV, Sexualstraftäter und solche mit kognitiver Einschränkung untergebracht werden, vgl. Bbg LT-Drs. 5/8522, S. 4.

284

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Sie sind zwar damit nicht notwendigerweise unzulässige, aber vorwiegend unnötige Einzelfallgesetze.144 Das Argument, man bräuchte ein eigenes Gesetz, um auf Fälle zu reagieren, in denen z. B. eine Therapie im saarländischen Strafvollzug begonnen worden sei und diese sinnvollerweise dort fortgesetzt werden solle, kann nicht recht überzeugen. Nicht ein eigenes Gesetz, sondern eine Optimierung der Therapieplanung und -abläufe wäre der richtige Weg angesichts dessen, dass man die gemeinsame Unterbringung in der JVA Diez (RlP) für angebracht ansieht, weil so eher ein therapiegerichteter und freiheitsorientierter Vollzug ermöglicht werden könne.145 Ein nicht zu vernachlässigender Einwand aus therapeutischer Sicht spricht zudem gegen befürchtete Wiederrückverlegungen. Der damit zwingend einhergehende Therapeutenwechsel, hauptsächlich in der sehr wichtigen Entlassungsphase und Nachsorge, wo man davon ausgehen kann, dass eine gefestigte Beziehung besteht, ist kontraproduktiv.146 Dies spricht dafür, die Vereinbarungen zu überdenken und zwar i. d. S., dass bei einmal geschaffener Vollzugsgemeinschaft die Entlassungsvorbereitung in dem jeweiligen Bundesland stattfinden und nicht wieder in ein anderes Bundesland verlegt werden sollte. Oder man verzichtet in Zukunft auf solche Vereinbarungen, dann würde man sich nicht mehr dem Vorwurf ausgesetzt sehen, das eigene SVVollzG sei nicht notwendig. Für den Verzicht auf die Vereinbarungen und eine damit verbundene Unterbringung in einem anderen Bundesland spricht nicht zuletzt die Befürchtung, dass die letzten sozialen Kontakte der Betroffenen dadurch zunichte gemacht würden.147 Problematisch sind die Folgefragen, d. h. welches Gesetz für wen gilt und ob es zu einer nicht zulässigen Ungleichbehandlung in derselben Anstalt kommen kann, wenn ein Verwahrter bspw. aus dem Saarland stammt und einer aus Rheinland-Pfalz, beide aber in der JVA Diez (RlP) untergebracht sind.148 Oder wenn in einem Bundesland die Arbeitspflicht abgeschafft wurde und der Verwahrte aufgrund einer Kooperationsvereinbarung in einem anderen Bundesland mit bestehender Arbeitspflicht untergebracht ist. Denkbar wäre entweder die Lösung nach dem Ort der Unterbringung oder nach der Herkunft des Untergebrachten. Gelöst haben die (meisten) Länder dies durch Vereinbarung i. R. d. Staatsverträge149 bzw.

144 Dessecker in der Anhörung zum SLSVVollzG-E, VR 15/21, S.  19: das sei aber nicht grds. unzulässig. 145 Dessecker in der Anhörung zum SLSVVollzG-E, VR 15/21, S. 18 f. 146 Kritik bzgl. nachsorgender Betreuung v. d. Boogaart, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH, S. 3; Rückverlegung ist bspw. für die JVA Fuhlsbüttel und JVA Lübeck vorgesehen, vgl. SH PlPr 18/17, S. 1261. 147 Müller (GdP) in der Anhörung zum SVVollzG SH-E, SH RA 18/28, S. 6. 148 Diskutiert wurde diese Frage in einigen Gesetzgebungsverfahren, s. etwa SH RA 18/28, S. 16. 149 Vgl. § 1 Abs.  2 des Staatsvertrages zwischen SH-HH, SH GVBl. 2013, Nr.  7, S.  200; Art. 1 Abs. 1 S. 2 des Staatsvertrages zwischen Thür und H, Thür LT-Drs. 5/5817, S. 6; Art. 2 Abs. 3 des Staatsvertrages zwischen M-V und Bbg, Bbg. GVBl. Teil I – Nr. 40, S. 2.

III. Grundsätze und Ziele

285

Verwaltungsvereinbarungen.150 Es gelten die SVVollzGe des Ortes der Unterbringung. Dies ist die vorzugswürdige Lösung, denn andernfalls wären Konflikte vorprogrammiert, wenn in ein und derselben Anstalt verschiedene Landesgesetze Anwendung finden würden. Zudem wäre dies vermutlich ein kaum zu bewältigender bürokratischer und organisatorischer Aufwand für die Anstalt. Die Frage, wie zu entscheiden ist, wenn das Gesetz des „Heimatlandes“ liberaler ausgestaltet ist als das Gesetz des unterbringenden „Kooperationslandes“ wird jedoch über kurz oder lang ihren Weg in die Rechtsprechung finden.151 Allerdings: Indem man die Gesetzgebungskompetenz verlagerte, hat man sich bewusst für die Möglichkeit einer unterschiedlichen gesetzlichen Ausgestaltung entschieden und solange kein Verstoß gegen Art. 3 GG vorliegt, dürfte dies folgenlos bleiben. a) Überblick und verwendete Begriffe (Aufgabe oder Ziel) Wie vom BVerfG betont und in ME- und GE-SVVollzG vorgesehen, regeln alle Bundesländer (bis auf Nordrhein-Westfalen) zuvorderst das Ziel, die Gefährlichkeit der Verwahrten zu minimieren, um „möglichst bald“ die Verwahrung beenden zu können.152 Auf einer davon zu trennenden Ebene vollzieht sich die Frage der praktischen Umsetzung, d. h., wie und ob man diese Menschen mit häufig schwierigen Persönlichkeitsstrukturen von der Notwendigkeit ihrer Resozialisierung überzeugen kann.153 Die folgende Synopse gibt einen Überblick über die vor und nach dem 1.6.2013 geregelten Ziele und Aufgaben des Sicherungsverwahrungsvollzugs, ebenso im Vergleich zu denjenigen des Strafvollzugs.

150

Für SV aus Brem gilt das Nds. SVVollzG, vgl. Nds. LT.-Drs. 18/903, S. 4; Nds. PlPr 18/41, S. 2853. Unklar bleibt allerdings die Situation bzgl. des SLVVollzG. Dort gibt es seit 2010 eine Verwaltungsvereinbarung mit RlP (z. B. Arloth, FS 2013, 225); die Begründung in SL LTDrs. 15/387, S. 1 hilft nicht weiter. 151 Bartsch in der Anhörung zum SVVollzG SH-E, SH RA 18/28, S. 7; s. a. Alex, Dünkel und Kinzig in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 11, 41 f., 22. 152 Zu erwähnen ist, dass BW den Schutz der Allgemeinheit nur in seinem ersten Buch zu den gemeinsamen Regelungen als Ziel des Vollzugs der SV benennt, in § 1 JVollzGB V ist nur noch die Rede von dem Ziel der Gefährlichkeitsminimierung und Resozialisierung. I. Ü. enthält die Gesetzesbegründung keine Erklärung dazu, weshalb der Schutz der Allgemeinheit im fünften Buch nicht mehr genannt wird. Alle SVVollzGe nennen wie das Leitbild in § 66 c Abs. 1 Nr. 1 b StGB mit den Worten „möglichst bald“ keinen genauen Maßstab dafür, wann genau die Gefährlichkeit so gemindert ist, dass eine Aussetzung zur Bewährung oder Erledigung in Betracht kommt. 153 Zur Problematik Therapieunwilliger sowie -unfähiger ausführl. Teil C.IV.1.

286

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder Tabelle 6 Synopse der Ziele und Aufgaben vor und nach dem 1.6.2013

Sicherungsverwahrung vor dem 1.6.2013

Strafvollzug

Sicherungsverwahrung nach dem 1.6.2013

Bund

§ 129 StVollzG „Ziel der Unterbringung“ S. 1: Schutz der All­ gemeinheit S. 2: Soll-Auftrag: Resozialisierung

§ 2 StVollzG „Aufgaben des Vollzuges“ S. 1: Resozialisierung („Vollzugsziel“) S. 2: Schutz der Allgemeinheit

§ 66 c Abs. 1 Nr.1 b StGB spricht vom „Betreuungsziel“ der Gefährlichkeitsminimierung

Baden-Württemberg

§ 97 JVollzGB III a. F. identisch mit § 129 StVollzG

§ 2 Abs. 1 JVollzGB I „Ziele des Vollzugs“ S. 1: „kriminalpräventive Zielsetzung“: Schutz der Bürgerinnen und Bürger vor weiteren Straftaten S. 2: Beitrag für Eingliederung der Gefangenen in die Gesellschaft, die innere Sicherheit und für den Rechtsfrieden § 1 JVollzGB III „Vollzugsziel“ = Soll-Auftrag Resozialisierung

§ 2 Abs. 3 JVollzGB I „Ziele des Vollzugs“ S. 1: Ziel Gefährlichkeits­ minimierung S. 2: Soll-Auftrag Resozialisierung S. 3: zugleich Schutz der Allgemeinheit vor erheblichen Straftaten § 1 JVollzGB V „Ziele des Vollzugs“ S. 1: Ziel Gefährlichkeits­ minimierung S. 2: Soll-Auftrag Resozialisierung

Bayern

Art. 159 BayStVollzG a. F. identisch mit § 129 StVollzG Art. 4 BayStVollzG a. F. (i. V. m. Art. 160 BayStVollzG): „Schutz der Allgemeinheit“

Art. 2 BayStVollzG: „Aufgaben des Vollzugs“ S. 1: Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten S. 2: Behandlungsauftrag = Soll-Auftrag Resozialisierung Art. 4 BayStVollzG: „Schutz der Allgemeinheit“

Art. 2 BaySvVollzG „Ziele des Vollzugs“ Abs. 1: Ziel Gefährlichkeitsminimierung Abs. 2: Soll-Auftrag Resozialisierung Abs. 3: zugleich Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten Art. 5 „Schutz der Allgemeinheit“ = identisch mit Art. 4 BaySt VollzG

287

III. Grundsätze und Ziele

Sicherungsverwahrung vor dem 1.6.2013

Strafvollzug

Sicherungsverwahrung nach dem 1.6.2013

Berlin/Brandenburg/Mecklenburg-Vorpommern/ Rheinland-Pfalz/Saarland/Sachsen/Sachsen-Anhalt

§ 129 StVollzG

Berlin und LSA: § 2 StVollzG § 2 StVollzG M-V u.a.154: „Ziel und Aufgabe des Vollzugs“ S. 1: Resozialisierungsziel S. 2: Aufgabe des Allgemeinschutzes vor weiteren Straftaten

§ 2 „Ziel und Aufgabe des Vollzugs“ S. 1: Ziel Gefährlichkeits­ minimierung S. 2: Aufgabe Schutz der ­ Allgemeinheit vor weiteren Straftaten

Bremen/Schleswig-Holstein

§ 129 StVollzG

§ 2 StVollzG BremStVollzG: „Ziel und Aufgabe des Vollzugs“ S. 1: Resozialisierungsziel S. 2: Aufgabe des Allgemeinschutzes vor weiteren Straftaten SH: § 2 StVollzG

§ 2 BremSVVollzG: „Ziele und Aufgabe des Vollzugs“ bzw. § 2 SVVollzG SH: „Ziel und Aufgabe des Vollzugs“ S. 1: Ziel Gefährlichkeits­ minimierung S. 2: Soll-Auftrag Resozialisierung S. 3: (SH: „zugleich“) Aufgabe Schutz der Allgemeinheit vor erheblichen Straftaten

Hamburg/Hessen/Niedersachsen/Nordrhein-Westfalen/Thüringen

§ 93 S. 2 HmbStVollzG a. F.; § 66 Abs. 2 HStVollzG a. F.; § 107 S. 2 NJVollzG = identisch mit § 129 StVollzG

§ 2 HmbStVollzG: „Aufgaben des Vollzuges“ S. 1: Resozialisierung S. 2: „gleichermaßen“ Aufgabe Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten

§ 129 StVollzG § 2 HStVollzG: „Aufgaben des Vollzugs“ S. 1: Soll-Auftrag Resozialisierung als „Eingliederungsauftrag“ S. 2: „Sicherungsauftrag“ S. 3: S. 1 und S. 2 dienen dem Schutz der Allgemeinheit 154

„Ziele des Vollzugs“ (§ 2 HmbSVVollzG/ HSVVollzG/ThürSVVollzG/ SVVollzG NRW) bzw. „Vollzugsziele“ (Nds. SVVollzG) – Gefährlichkeitsminimierung – Soll-Auftrag Resozialisierung – „zugleich“ Schutz der Allgemeinheit vor erheblichen Straftaten

(Fortsetzung nächste Seite)

154 Ebso. in § 2 BbgJVollzG; BremStVollzG; LJVollzG; SLStVollzG, SächsStVollzG und ThürJVollzGB.

288

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

(Fortsetzung: Tabelle 6)

Sicherungsverwahrung vor dem 1.6.2013

Strafvollzug

Sicherungsverwahrung nach dem 1.6.2013

Hamburg/Hessen/Niedersachsen/Nordrhein-Westfalen/Thüringen

Thüringen: s. o. § 2 StVollzG M-V § 5 NJVollzG: „Vollzugsziele“ S. 1: Soll-Auftrag Resozialisierung S. 2 Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten § 1 StVollzG NRW: „Ziel des Vollzuges“ Resozialisierung § 6 StVollzG NRW: „Sicherheit“ S. 1: „dient auch“ dem Schutz der Allgemeinheit vor weiteren Straftaten

Die dem ME-SVVollzG folgenden Länder haben die Resozialisierung nicht ausdrücklich in ihrem Paragraphen zu den Zielen benannt, so z. B. § 2 SVVollzG Bln.155 Das in der Sicherungsverwahrung geltende Resozialisierungsgebot ist im ME-SV VollzG und den Gesetzen der 8er-Gruppe an anderer Stelle bzw. durch eine Zusammenschau verschiedener Normen zum Ausdruck gebracht worden. Nach bspw. § 3 Abs. 2 S. 3 SVVollzG Bln sind die Fähigkeiten der Verwahrten, „die sie für ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit und sozialer Verantwortung benötigen … zu erhalten und zu fördern“.156 Abs. 5 S. 3 derselben Norm zufolge ist „sobald wie möglich die Teilnahme am Leben in Freiheit zu gewähren.“ Diese Regelungen wären nicht nötig, wenn der ME-SVVollzG nicht ebenfalls das Resozialisierungsgebot bzw. weniger als der GE-SVVollzG verfolgen würde. Dass dem ME-SVVollzG eine entsprechende Klarstellung fehlt, steht im Einklang mit dem vom BVerfG eingeräum­ ten Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung des Resozialisierungsprinzips.157 155 Ebso. findet sich jeweils in § 2 BbgSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG (ggf. i. V. m. SLSVVollzG); SächsSVVollzG kein entsprechend klarer Hinweis. Von einem Redaktionsversehen ist nicht auszugehen, da die Gesetze ausdrückl. dem ME-SVVollzG folgten, so aber BeckOK JVollzGB V-Wulf, § 1 Rn. 3. 156 Identisch geregelt im BbgSVVollzG; SVVollzG-M-V; LSVVollzG/SLSVVollzG; Sächs SVVollzG; ähnl. BremSVVollzG/SVVollzG SH. Viele der dem GE-SVVollzG folgenden Länder enthalten eine Norm, wonach die SV in ihrer Eigenverantwortung zu stärken sind (z. B. § 2 Abs. 3 S. 3 SVVollzG NRW) bzw. gestärkt werden sollen (z. B. § 3 Abs. 3 S. 2 JVollzGB V/HmbSVVollzG). 157 BVerfGE 98, 201.

III. Grundsätze und Ziele

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Der ME-SVVollzG und alle acht ihm folgenden Länder158 differenzieren zwischen dem „Ziel“ der Gefährlichkeitsminimierung und der damit im Zusammenhang159 stehenden „Aufgabe“ des Allgemeinschutzes (vgl. § 2 ME-SVVollzG). Zunächst könnte man angesichts der Differenzierung irritiert sein, da diese bisher nur für den Vollzug der Freiheitsstrafe galt.160 Arloth meint für den Sicherungsverwahrungsvollzug, dass es ohnehin für die Auslegung anderer Normen keine Rolle spiele, ob es sich um ein Ziel oder eine Aufgabe handle.161 Dies würde zumindest gegen die Notwendigkeit einer solchen Differenzierung sprechen. Bartsch hingegen hält es für entscheidend, dass die Ziele des Sicherungsverwahrungsvollzugs nunmehr gleichrangig geregelt seien.162 Dagegen wird eingewandt, dass es sich beim Schutz der Allgemeinheit im Vollzug der Sicherungsverwahrung um eine „sekundäre Angelegenheit“ handle, was dem Strafvollzug entsprechen würde.163 Dem ist angesichts der sich im Urteil vom 4.5.2011 abzeichnenden Abkehr vom Sicherheitsdenken und besonderen Hervorhebung der Resozialisierung als wesentliches Vollzugsziel zuzustimmen.164 Zwar wird man daraus noch nicht ableiten können, dass es zwingend alleine die Vollzugsziele der Gefährlichkeitsminimierung oder Resozialisierung geben dürfe statt andere Ziele mit zu verfolgen. Denn das Gericht hat dies weder dem Bundes- noch dem Landesgesetzgeber untersagt, solange sie ein freiheitsorientiertes und therapiegerichtetes Gesamtkonzept festschreiben.165 Allerdings ist eine gewisse Abstufung zwischen Ziel und Aufgabe der Sicherungsverwahrung vorzugswürdiger.166 Schließlich bringt dies besser zum Ausdruck, dass durch die Verwirklichung des Vollzugsziels (Gefährlichkeitsminimierung) am besten die Aufgabe des Schutzes der Allgemein-

158 § 2 SVVollzG Bln/BbgSVVollzG/SVVollzG M-V/LSVVollzG/SächsSVVollzG/SVVollzG SH; § 2 BremSVVollzG spricht hingegen von „Zielen und Aufgabe“. Im Unterschied zum GESVVollzG und in den folgenden SVVollzGen ist teils nur die Rede von den „Zielen“ des Vollzugs (vgl. § 2 HmbSVVollzG/HSVVollzG/Nds.  SVVollzG/SVVollzG  LSA/ThürSVVollzG; § 2 JVollzGB  I und § 1 JVollzGB V/§ 1 SVVollzG NRW; Art.  2 BaySvVollzG). Der GESVVollzG normiert in § 2 GE-SVVollzG die Gefährlichkeitsminimierung (Abs. 1 S. 1); diese in Abs. 2 S. 1 „ergänzt und präzisiert“ (vgl. NRW LT-Drs. 16/2714, S. 1) durch das verfassungsrechtliche Resozialisierungsgebot sowie den Schutz der Allgemeinheit. 159 ME-SVVollzG Begründung, S. 12: „Ziel und Aufgabe des Vollzugs sind jedoch im Zusammenhang zu sehen.“ Vgl. § 2 S. 3 HmbStVollzG: „Zwischen dem Vollzugsziel und der Aufgabe, die Allgemeinheit vor weiteren Straftaten zu schützen, besteht kein Gegensatz.“ 160 Vgl. dazu bspw. SBJL-Jehle 2013, § 2 Rn.  17; AK-StVollzG-Bung/Feest 2012, § 2 Rn. 12 ff. 161 Arloth in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 29. 162 Bartsch in der Anhörung zum SVVollzG NRW-E, APr 16/167, S. 26 f.; deutlich positiv Gelber (RJB), ebda., S. 6, 24: das Resozialisierungsziel komme „wunderbar zum Ausdruck“. 163 Alex, Dünkel und Kinzig in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 28; a. aber Arloth, ebda., S. 29: für die Auslegung anderer Vorschriften spiele das „überhaupt keine Rolle“ spiele. 164 So auch NRW LT-Drs. 16/2714, S. 1. 165 Für den Strafvollzug R. Schneider 2010, 67 mit Rspr.-Nachweisen. 166 Kreuzer, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 3.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

heit erreicht wird.167 Die frühere Methode, nicht in erster Linie an der Resozialisierung, sondern an der Sicherung anzuknüpfen und zum Ausgleich für eine reine sichere Verwahrung Vergünstigungen einzuräumen, führte u. a. zur Verurteilung Deutschlands.168 Des Weiteren entspricht es § 66 c Abs. 1 Nr. 1 b StGB, der die Gefährlichkeitsminimierung als Betreuungsziel bezeichnet und nicht nochmals mit Ausnahme i. R. d. Angleichungsgrundsatzes des § 66 c Abs. 1 Nr. 2 a StGB auf Sicherheits­ belange eingeht. Lediglich aus dem Zusammenhang ergibt sich, wie für jede Art von Freiheitsentziehung, dass der Freiheitsentzug die Minimalaufgabe verfolgt, die Allgemeinheit zu schützen. Dann ist es nur konsequent wie im Strafvollzug von einer Aufgabe zu sprechen.169 Das klar formulierte Vollzugsziel der Gefährlichkeitsminimierung ist im Zweifel vorrangig, was eine Absage an die Ziel­pluralität darstellt.170 Dies kann man jedoch nicht für alle der Länder der 8erGruppe feststellen. So ist in § 2 S. 3 SVVollzG SH eingefügt, dass der Vollzug „zugleich“ dem Schutz der Allgemeinheit dient. Dies impliziert im Vergleich zu den anderen Gesetzen der 8er-Gruppe, welche dieses Wort nicht aufweisen, eine Gleichwertigkeit.171 Die Zielpluralität hatte bei dem bisherigen Interpretationsspielraum bzgl. des § 129 StVollzG zur Folge, dass dem Schutz der Allgemeinheit oft durch bloßes Wegsperren Vorrang vor Maßnahmen der Reintegration in die Gesellschaft eingeräumt wurde. Zudem gilt nicht, dass sich die Zwecke der Sanktion vollständig in den Vollzugszielen widerspiegeln müssen.172 Im Wortlaut der nicht derart differenzierenden Gesetze kann keine solche Abstufung erkannt werden. So war für den Strafvollzug vertreten worden, dass bspw. die Formulierung in § 2 Abs. 1 HmbStVollzG 2007 („dient … dem Schutz der Allgemeinheit“) keine Zielrichtung vorgebe, sondern nur beschreibender Natur sei.173 Dies kann für die dem GE-SVVollzG folgenden Gesetze nicht überzeugen, die im Zusammenhang mit der deutlichen Überschrift des Ziels oder der Ziele der Unterbringung diese Formulierung, z. T. verstärkt durch das Wort „zugleich“, verwenden (z. B. Art.  2 Abs.  3 BaySvVollzG). Zielkonflikte sind damit weiterhin vor­ programmiert.

167 Vgl. ME-SVVollzG Begründung, S. 12: „Der Staat kommt seiner Schutzpflicht insbesondere dadurch nach, dass er im Vollzug von Anfang an geeignete Maßnahmen bereitstellt, um die Gefährlichkeit der Untergebrachten nach Möglichkeit zu beseitigen.“ 168 Etwa die Kritik am HStVollzG bei Kreuzer/Bartsch, FS 2010, 91. 169 Vgl. dazu Laubenthal 2015, Rn. 149, 151. 170 Dessecker, BewHi 2013, 315 für den ME-SVVollzG und das SVVollzG Bln; für das StVollzG Laubenthal 2015, Rn. 149; Dessecker 2004, 205. 171 Für den Strafvollzug R. Schneider 2010, 67. 172 Am Bsp. eines besonders gefährlich eingestuften SV erläutert, würde dies heißen, dass dieser seine Verwahrung nicht aufgrund seiner Gefährlichkeit bei Wasser und Brot im dunklen Verließ verbringen muss. 173 So aber R. Schneider 2010, 65.

III. Grundsätze und Ziele

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b) Gefährlichkeitsminimierung als kleinster Nenner Eine der vollzuglichen Zusammenarbeit mit Niedersachsen und Hamburg geschuldete Ausnahme innerhalb der „8er-Gruppe“ stellen die Gesetze Bremens und Schleswig-Holsteins dar. Danach sollen die Untergebrachten nicht anders als in den dem GE-SVVollzG folgenden Ländern auch, über das Ziel der Gefährlichkeitsminderung und über den § 66 c Abs. 1 Nr. 1 b StGB hinausgehend dazu befähigt werden, künftig ein Leben in sozialer Verantwortung ohne Straftaten zu führen (Resozialisierungsgebot).174 Als Begründung wird beide Male wie im GESVVollzG angeführt, es solle damit verdeutlicht werden, dass keine Begrenzung auf Maßnahmen, die allein zur Gefährlichkeitsminimierung gedacht sind, gewollt, sondern evtl. weitergehende Maßnahmen zur Wiedereingliederung erforderlich und daher anzubieten seien.175 Dies ist wiederum genauso der Begründung des ME-SVVollzG zu entnehmen.176 Letztlich ist die Gefährlichkeitsminimierung als kleinster Nenner der Resozialisierung anzusehen, was aus der genannten Begründung zum GE-SVVollzG folgt. Aus dieser kann geschlossen werden, dass die Maßnahmen zur Minderung der Gefährlichkeit des Verwahrten eben dessen Resozialisierung dienen. An der Formulierung, dass die Gefährlichkeit des Verwahrten minimiert werden soll, wird jedoch Kritik geübt.177 Danach gehe es bei der angesprochenen Thematik nicht um eine Persönlichkeitsfrage des Verwahrten, sondern schlicht um Risiken, die man entsprechend handhaben müsse. Dem ist mit dem Gedanken zuzustimmen, dass bisher allzu häufig vom BVerfG die alleinige Verantwortung bspw. für das Misslingen von Therapien in der Person der Verwahrten gesucht wurde. Außerdem gilt es zu bedenken, dass es schwierig bis nicht möglich ist,­ mittels Prognosen die Gefährlichkeit eines Menschen immer richtig und zutreffend einzuschätzen. Allerdings kann und muss der Vollzug bewerten, ob das Risiko vertretbar ist, einem Inhaftierten z. B. Vollzugslockerungen zu gewähren. Insofern ist mehr denn je zu fordern, dass der Vollzug entgegen allem öffent 174

Vgl. § 2 Abs. 3 S. 2 JVollzGB I; Art. 2 Abs. 2 BaySvVollzG; § 2 Abs. 2 HmbSVVollzG; § 2 Abs. 2 Nds. SVVollzG; SVVollzG LSA; § 2 Abs. 1 S. 2 HSVVollzG/ThürSVVollzG; § 1 S. 3 SVVollzG NRW. Teils „sind“ die Untergebrachten in ihrer Eigenverantwortung zu stärken (z. B. § 2 Abs.  3 S.  3 SVVollzG NRW) bzw. „sollen“ gestärkt werden (z. B. § 3 Abs.  3 S. 2 JVollzGB V). Z. T. sollen die Maßnahmen den SV „befähigen“ (vgl. etwa Art. 3 Abs. 2 BaySvVollzG) oder ihm es „ermöglichen“ (vgl. etwa § 3 Abs. 2 HmbSVVollzG), künftig ein selbstbestimmtes Leben in Freiheit und sozialer Verantwortung zu führen. 175 Vgl. GE-SVVollzG, S. 41: u. U. machen „eine dauerhafte Wiedereingliederung der Untergebrachten … weitergehende Maßnahmen“ erforderlich. 176 Vgl. ME-SVVollzG Begründung, S. 12: Die verfolgte Minimierung der Gefährlichkeit des Verwahrten bedeute nicht, „dass nur solche Maßnahmen ergriffen werden, die allein auf eine Minderung der Gefährlichkeit der Untergebrachten für die Allgemeinheit zielen“; ebso. bspw. Bln LT-Drs. 17/0689, S. 52. 177 Dünkel in der Anhörung zum HmbSVVollzG; Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 5, 27; ähnl. Bung, KJ 2009, 302 zum damaligen BayStVollzG: „generell aufzuhören, von defizitären Personen zu sprechen“; NK-StGB-Pollähne 2013, § 61 Rn. 27.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

lichen Druck in der Sicherungsverwahrung mehr vertretbare Risiken, eingeht. Eine vorzuziehende Formulierung wählte insoweit Nordrhein-Westfalen. In § 1 S. 2 SVVollzG NRW ist nicht wie in allen anderen SVVollzGen und den Entwürfen von der Minimierung der Gefährlichkeit des Verwahrten i. S. e. Art persönlichen Eigenschaft die Rede, sondern von der Minimierung der Gefahren, die von ihm ausgehen. Wenn die Gesetzesbegründung nicht nahelegt, dass es aus den soeben genannten Kritikpunkten heraus zu dieser anderen Formulierung gekommen ist, sollten dennoch die anderen Bundesländer sowie der Bund selbst diese zum Vorbild nehmen.178 Letztlich findet sich genau diese Formulierung im BVerfG-Urteil. Dort heißt es, dass es eines freiheitsorientierten Gesamtkonzepts der Sicherungsverwahrung bedürfe „mit klarer therapeutischer Ausrichtung auf das Ziel, die von dem Untergebrachten ausgehende Gefahr zu minimieren und auf diese Weise die Dauer der Freiheitsentziehung auf das unbedingt erforderliche Maß zu reduzieren.“179 c) Schutz der Allgemeinheit Nordrhein-Westfalen nennt darüber hinaus als einziges Bundesland i. R. d. Zielbestimmung (vgl. § 1 S. 1 SVVollzG NRW) den Schutz der Allgemeinheit als erstes, ohne die Änderung der Reihenfolge näher zu begründen.180 Es irritiert, dass der nordrhein-westfälische Landesgesetzgeber ausgerechnet die Entscheidung des BVerfG zum Jugendstrafvollzug herangezogen wird, wo es inzwischen ein wichtigeres Urteil zum Vollzug der Sicherungsverwahrung gibt. Darüber hinaus stellt die Entscheidung zum Jugendstrafvollzug darauf ab, dass der Gesetz­ geber verpflichtet sei, ein wirksames Resozialisierungskonzept zu entwickeln und den Strafvollzug darauf aufzubauen.181 Warum das Urteil als Begründung für die Voran­stellung der Schutzpflicht dienen soll, bleibt rätselhaft. Zwar stimmt es, dass naturgemäß mit einem Ziel zu beginnen ist, aber indem man als einziges Bundesland die Reihenfolge verändert, bringt man umso mehr eine Abstufung zum Ausdruck.182 Es hat nichts mit einer „ehrlichen Formulierung“183 zu tun, den Schutz der Allgemeinheit zuerst zu nennen, weil dies schlicht der Anordnungsgrund ist und faktisch einhergeht mit der Freiheitsentziehung. Daher handelt es sich um 178

NRW LT-Drs. 16/1435, S. 58. BVerfGE 128, 374 f., 379 f. 180 Vgl. NRW LT-Drs. 16/1435, S. 58: „Vorangestellt ist in Satz 1 die Pflicht des Staates, die Allgemeinheit vor Straftaten von erheblicher Bedeutung zu schützen (vgl. BVerfG, NJW 2006, S. 2093, 2095).“ 181 BVerfGE 116, 69 ff. 182 So auch der Abg. Schulz (PIRATEN) in der Anhörung am 20.2.2013, APr 16/167, S. 15; laut Bartsch ebda., S. 26 f. kommt es letztlich dann nur darauf an, dass die anderen Ziele nicht nachrangig seien. Folgerichtig insofern der Änderungsantrag Fraktion der PIRATEN vom 24.4.2014, LT-Drs. 16/2714, S. 1 f. 183 So aber Streng in der Anhörung zum BaySvVollzG, 16/92. VF, S. 11. 179

III. Grundsätze und Ziele

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die Aufgabe des Vollzugs, nicht jedoch um ein primäres Ziel. Dennoch dürfte die­ Systematik ausschlaggebend sein, welche durch die Überschrift „Ziele des Vollzugs“ und darüber hinaus das verwendete Wort „zugleich“ zum Ausdruck bringt, dass es sich um gleichrangige Ziele handelt. Letztlich wird die Voranstellung keine sachliche Auswirkung haben, ein falsches Signal sendet diese nicht wirklich begründete Voranstellung dennoch.184 Ungeachtet der Diskussion um die Reihenfolge und Bezeichnung der genannten Ziele und Aufgaben ergibt sich eine weitere Differenzierung im Hinblick auf den Schutz der Allgemeinheit. Allein aufgrund des Wortlauts des ME-SVVollzG185 sind die Chancen des Verwahrten auf Vollzugslockerungen und nach vorheriger Erprobung in Freiheit zu gelangen, als geringer einzuschätzen. Denn nach § 2 S. 2 ME-SVVollzG kommt es beim Schutz der Allgemeinheit nicht „nur“ auf erhebliche (vgl. § 2 Abs. 2 GE-SVVollzG), sondern „nur“ auf „weitere Straftaten“ an. Der Aussage, dass es hier nicht wie bei der Anordnung des Strafvollzugs nur um den Schutz vor „erheblichen Straftaten“ gehen könne,186 ist entgegenzutreten, dies allein schon mit dem Argument, dass ansonsten der Rahmen, den der Bund mit § 66 c Abs. 1 Nr. 3 a StGB vorgegeben hat, gesprengt würde. Außerdem ist auf die die Gesetzesbegründung zum SichVAbstUmsG zu verweisen, wo im Zusammenhang mit § 66 c Abs. 1 Nr. 3 a StGB die Rede davon ist, dem Landesgesetzgeber „lediglich“ zu überlassen, inwieweit die weitergehenden Überlegungen des BVerfG aufgegriffen werden können.187 Damit gemeint ist etwa die Einrichtung von unabhängigen Gremien zur Risikobewertung. Unabhängig davon, wie man solche Gremien zu beurteilen hätte, ergibt sich daraus, dass der Bun­des­gesetz­ geber bestimmt nicht wollte, dass die Länder von Nr.  3  a in der beschriebenen Art abweichen. Zudem muss man sich vor Augen halten, dass die Sicherungsverwahrung nicht mehr vollzogen werden darf, wenn nur noch „weitere Straftaten“ drohen (vgl. dazu § 67 c Abs. 2 S. 1 StGB). Das Sonderopfer der Maßregel ist nur zulässig, wenn erhebliche Straftaten zu erwarten sind. Damit kann Ziel der Sicherungsverwahrung nicht nur der Schutz vor weiteren Straftaten sein. Dennoch folgen einige Länder ausnahmsweise dem ME-SVVollzG, allen voran Bayern mit seinem insofern restriktiv ausgestalteten Art. 2 Abs. 3 BaySvVollzG.188 184

Laubenthal 2015, Rn. 918, der sich auf Bartsch, FS 2013, 212 bezieht. Vgl. § 2 S. 2 ME-SVVollzG: Vollzugsöffnende Maßnahmen nach § 40 Abs. 2 ME-SV VollzG nur dann zu gewähren, wenn „verantwortet werden kann zu erproben, dass die Untergebrachten sich dem Vollzug nicht entziehen oder die Lockerungen nicht zu Straftaten missbrauchen werden.“ 186 Exemplarisch Arloth in der Anhörung zum HmbSVVollzG, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 8. 187 BT-Drs. 17/9874, S. 17. 188 Ebso. § 2 S. 2 SVVollzG Bln; BbgSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG/SLSVVollzG; SächsSVVollzG; SVVollzG LSA; § 1 S. 1 SVVollzG NRW; § 2 Abs. 3 SVVollzG LSA. Das BremSVVollzG und SVVollzG SH stechen aus der 8er-Gruppe heraus, weil sie die vorzugswürdigere Lösung des GE-SVVollzG wählten. 185

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Kann man für die Vorschrift aus Nordrhein-Westfalen noch anführen, dass hier das klarstellende Wort „zugleich“ sowie, systematisch betrachtet, die Überschrift „Ziele des Vollzugs“189 die Gleichrangigkeit der innerhalb der Norm geregelten Aspekte vorgibt, gelingt dies für Bayern nicht, worauf im folgenden Abschnitt einzugehen ist. d) Besonderheiten des BaySvVollzG Besonders Art.  5 BaySvVollzG sticht aus den Zielbestimmungen der neuen SVVollzGe hervor, der sich ausschließlich mit dem Schutz der Allgemeinheit beschäftigt. Danach soll der Allgemeinschutz durch eine „sichere Unterbringung“, „sorgfältige Beaufsichtigung“, eine „gründliche Prüfung“ sowie „geeignete Behandlungsmaßnahmen“ erfolgen. Dies entspricht genau der Regelung für den Strafvollzug in Art.  2 BayStVollzG190, zu dem die Gesetzesbegründungen des BayStVollzG und darauf Bezug nehmend diejenige des BaySvVollzG ausführen, dass nur ein ausgewogenes Verhältnis von instrumenteller (z. B. Mauern, Gitter, Alarmanlagen usw.), administrativer (z. B. Dienstpläne, Vollzugskonzepte, Ausund Fortbildung sowie eine verantwortungsvolle Lockerungspraxis usw.) und sozialer Sicherheit (z. B. Anstaltsatmosphäre, Arbeitsbedingungen und Freizeitmöglichkeiten) ein Höchstmaß an Sicherheit gewährleisten würde.191 Daraus muss nicht zwangsweise eine Verschärfung des Umgangs mit den Verwahrten oder gar der direkt angesprochenen vollzugsöffnenden Maßnahmen folgen. Deutlich wird jedoch ein programmatischer Anspruch, vollzugsöffnende Maßnahmen restriktiv zu handhaben und sicherheitsorientiert mit Verwahrten umzugehen.192 Art.  5 BaySvVollzG soll „nichts weiter als die Ausfüllung des Art.  2 Abs.  3 BaySvVollzG“, sprich des Vollzugsziels des Schutzes der Allgemeinheit, sein. Daher sei die Vorschrift in besonderem Maße „realitätsnah“ i. d. S., dass wenn schon im Vollzug der Freiheitsstrafe der Schutz der Allgemeinheit derart geregelt sei, dies erst recht für die Sicherungsverwahrung gelten müsse.193 Die Aussagen, der bayerische Gesetzgeber sei „wenigstens“ realistisch oder ehrlich, kann nicht überzeugen. Im Gegenteil ist es nur schwer nachvollziehbar, warum Bayern den Sicherheitsaspekt zusätzlich zu der Zielformulierung und ohnehin jeder Freiheitsentziehung innewohnenden Selbstverständlichkeit, dass dadurch der Schutz

189

Diese Überschrift haben folgende Regelungen: § 2 JVollzGB I und § 1 JVollzGB V; Art. 2 BaySvVollzG; § 2 HmbSVVollzG; § 3 HSVVollzG; § 2 Nds. SVVollzG; § 1 SVVollzG NRW; § 2 SVVollzG LSA; § 2 SVVollzG SH; § 2 ThürSVVollzG. 190 Zur Kritik daran vgl. Eisenberg, NStZ 2008, 251; Köhne, NStZ 2009, 131; Uhlmann 2012, 121 f. 191 Vgl. dazu Bay LT-Drs. 15/8108, S. 50; Bay LT-Drs. 16/13834, S. 30. 192 Zur insofern vergleichbaren Vorschrift des Art. 15 BayStVollzG vgl. Dünkel/Pruin, Krim­ Päd 2015, 32. 193 Lückemann (OLG Bamberg) in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92 VF, S. 7.

III. Grundsätze und Ziele

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der Allgemeinheit bewirkt werden soll, regelt.194 Dies stellt eine Überbetonung des Sicherheitsaspekts dar. Zudem ist es die sicherlich überaus schwierige Aufgabe des Vollzugs und zuvor des Gesetzgebers, die angesprochene Realität zu ändern. Der Schutz der Allgemeinheit und die Sicherung des Verurteilten zu diesem Zweck folgten aus dem StGB und dem Namen der Maßregel an sich. Das Urteil des BVerfG macht deutlich, dass sich der Vollzug der Sicherungsverwahrung von dem alleinigen Sicherheitsdenken fortbewegen muss. Das Gericht fordert keine besonderen Sicherungsvorschriften, sondern ein freiheitsorientiertes und therapiegerichtetes gesetzgeberisches Gesamtkonzept – das scheinen manche Landesgesetzgeber und Sachverständige gedanklich bzw. durch die getroffenen Regelungen in den Hintergrund zu rücken. Eine andere Frage ist, ob aus dieser Überbetonung eine Verfassungswidrigkeit folgt. Im Kern geht es um die Frage, ob Bayern noch das Minimum an Resozialisierung wahrt, wie es das BVerfG wiederholt für den Vollzug der Sicherungsverwahrung forderte. Dabei zu berücksichtigen ist, dass dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des Resozialisierungsprinzips ein (weiter) Gestaltungsspielraum zukommt.195 Dass Bayern dieses Minimum mit seiner identischen Norm zum Strafvollzug gewahrt hat, wurde höchstrichterlich festgestellt.196 Da die Bedeutung des Schutzaspekts für die Sicherungsverwahrung trotz der Betonung der Therapieund Freiheitsorientierung durch das BVerfG nicht von der Hand zu weisen ist, ist Art. 5 BaySvVollzG ähnlich zu beurteilen. Wenn man die dazugehörige Gesetzesbegründung zu Rate zieht, wird man nicht sagen können, dass durch die Norm der Resozialisierungsgedanke derart zurückgedrängt wird, dass es bei einem reinen Verwahrvollzug bleibt.197 Außerdem bringt der bayerische Gesetzgeber in Art. 5 BaySvVollzG selbst die Behandlung des Verwahrten ins Spiel (Schutz der Allgemeinheit u. a. durch „geeignete Behandlungsmaßnahmen“). Der Allgemeinschutz soll auch nicht vom Behandlungsauftrag entbinden. Außerdem finden sich an anderer Stelle Ausweitungen der Resozialisierungsangebote, so z. B. im Bereich der Sozialtherapie. Bayern hat also von seinem Gestaltungsspielraum Gebrauch gemacht und dabei das Mindestmaß an Resozialisierung noch nicht unterschritten. Letztlich wird dasselbe gelten, was Jünemann schon für den Strafvollzug feststellte: Die Betonung des Allgemeinschutzes ist ein symbolischer Akt.198 Dieser 194 Da es sich um eine Selbstverständlichkeit handelt, kann man den Schutz der Allgemeinheit nicht ganz ausklammern; s. aber Kinzig in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92 VF, S. 12: „der Schutz der Allgemeinheit nach den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts [gehört] hier gar nicht mehr hinein …“ 195 Bereits für den Strafvollzug vgl. BVerfGE 98, 201. 196 BayVerfGH FS 2009, 267 ff., s. dazu R. Schneider 2010, 60 ff. 197 Bay LT-Drs. 16/13834, S. 30: „… denn die Resozialisierung dient auch dem Schutz der Gemeinschaft selbst. Dazu gehören neben den in Art.  3 Abs.  2 genannten Behandlungsmaßnahmen auch vollzugsöffnende Maßnahmen, die u. a. der Erprobung der Therapiefortschritte und der Entlassungsvorbereitung dienen.“ 198 Jünemann 2012, 480; s. a. Laubenthal 2015, Rn.  174: „symbolische Instrumentalisierung“; Feest 2011, 142: symbolische Gesetzgebung; bestritten von Koranyi 2012, 239 f.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

zeigt aber in eine nach hier vertretener Ansicht falsche kriminalpolitische Richtung. Denn damit ist eine deutliche Abschwächung im Vergleich zu den Forderungen des BVerfG zu erkennen.199 So kann man eine Beeinflussung der Anstalten und Vollzugsbehörden zumindest aus rein psychologischer Sicht durch die besondere Hervorhebung des Sicherheitsaspekts nicht ausschließen.200 Dies könnte zu einer (noch) stärkeren Berücksichtigung des Allgemeinschutzes im Vollzugsalltag der Sicherungsverwahrung führen. Zwar stimmt es, dass eine falsche Gesetzesanwendung letztlich nicht dem Gesetzgeber vorgeworfen werden kann.201 Allerdings hat das BVerfG betont, dass bisherige Regelungen zum Sicherungsverwahrungsvollzug der Praxis zu viel Raum gelassen hatten. Daher hätte man sich zumindest aus wissenschaftlicher Sicht gewünscht, dass Bayern auf eine solche Norm verzichtet. 3. Vollzugsgrundsätze a) Überblick Die Grundsätze verleihen ausweislich der Entwurfs- und Gesetzesbegründungen dem Verwahrten keine unmittelbaren Rechte, sondern verpflichten „lediglich“ die Vollzugsbehörden, den Vollzug entsprechend den Vorgaben auszugestalten.202 Einleitend sind die neuerdings für den gesamten Vollzug der Sicherungsverwahrung geltenden Grundsätze anhand der Bspe. aus ME- sowie GE-SVVollzG zu benennen, um danach im Detail auf Besonderheiten der SVVollzGe einzugehen. Zunächst ist der Vollzug „freiheitsorientiert“ und „therapiegerichtet“ auszugestalten (vgl. § 3 Abs. 1 GE-SVVollzG; § 3 Abs. 2 S. 1 ME-SVVollzG). Folgende Grundsätze sollen diese Freiheitsorientierung und Therapieausrichtung präzisieren: –– Der Angleichungsgrundsatz ist in §§ 3 Abs. 3 S. 1 GE-SVVollzG bzw. 3 Abs. 3 S.  1 ME-SVVollzG identisch geregelt: „Das Leben im Vollzug ist den allgemeinen Lebensverhältnissen soweit wie möglich anzugleichen.“ Hier wurde die Sollvorschrift des StVollzG in eine Istvorschrift umgewandelt. Die 8er-Gruppe hat die Eingliederung nicht wie der GE-SVVollzG und die ihm folgenden Länder in den Grundsätzen erwähnt.203 Dass es danach ebenso um eine Eingliederung geht, ergibt sich schon aus dem Titel von Abschnitt 2 der Gesetze: „Aufnahme, Diagnose, Vollzugs- und Eingliederungsplanung“ sowie der dazugehörigen Begründung.204 199

Bachmann 2015, 411; Jünemann 2012, 479. Jünemann 2012, 479; Laubenthal 2015, Rn. 174. 201 Bachmann 2015, 412 hins. Art. 2 BayStVollzG. 202 GE-SVVollzG, S. 42; ME-SVVollzG Begründung, S. 12; ebso. bspw. Hmb LT-Drs. 20/ 6795, S. 51 f. (GE-SVVollzG folgend); SH LT-Drs. 18/448, S: 112 (ME-SVVollzG folgend). 203 Z. B. in § 3 Abs. 3 S. 2 SVVollzG LSA; Sollvorschrift etwa in § 2 Abs. 3 S. 2 JVollzGB V. Nds. enthält keine der beiden ergänzenden Regelungen. 204 ME-SVVollzG Begründung, S. 19. 200

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–– Der Öffnungsgrundsatz findet sich in § 3 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 GE-SVVollzG und § 3 Abs. 5 S. 1 ME-SVVollzG: „… den Bezug zum Leben außerhalb des Vollzugs erhalten …“ bzw. „Der Bezug der Untergebrachten zum gesellschaftlichen Leben ist zu wahren und zu fördern.“ Die Begründungen205 sprechen davon, dass daraus weitergehende Rechte als im Vollzug der Freiheitsstrafe folgten – so bspw. erhöhte Besuchszeiten oder zwingend vorgesehene vollzugsöffnende Maßnahmen. Im GE-SVVollzG ist der Öffnungsgrundsatz zusätzlich mit dem aus in § 3 Abs. 3 StVollzG ähnlich (dort verbindlicher: Der Vollzug „ist“ auf die Wiedereingliederung auszurichten) bzw. in § 129 S. 2 StVollzG identisch formulierten Eingliederungsgrundsatz („soll…die Untergebrachten in ihrer Eigenverantwortung stärken und ihnen helfen, sich in das Leben in Freiheit einzugliedern“) verknüpft. –– Der Gegensteuerungsgrundsatz oder Entgegenwirkungsgrundsatz normieren § 3 Abs. 3 S. 3 GE-SVVollzG und § 3 Abs. 4 ME-SVVollzG identisch mit § 3 Abs. 2 StVollzG: „Schädlichen Folgen des Freiheitsentzugs ist entgegenzuwirken.“ –– Die „Individualisierung des Vollzugs“ hinsichtlich Alter, Geschlecht und Herkunft wird in § 3 Abs. 4 GE-SVVollzG und § 3 Abs. 6 ME-SVVollzG206 angesprochen, was im Zusammenhang mit dem Trennungsgrundsatz steht (dazu mehr unter VI.) und auf das in anderen Vorschriften, wie z. B. zur Vollzugs- und Eingliederungsplanung, Bezug genommen wird. Der Anstalt ist dabei kein Ermessen eingeräumt („werden … berücksichtigt“). –– Im GE-SVVollzG ergibt sich das Erfordernis einer individuellen und intensiven Betreuung nur aus dem Kontext bzw. aus anderen Normen.207 Das vom BVerfG i. R. d. sieben Gebote genannte Individualisierungs- und Intensivierungsgebot spricht nur der ME-SVVollzG in seinen Grundsätzen an (vgl. § 3 Abs. 2 S. 2 ME-SVVollzG). b) Charakter als Programmsatz Als Besonderheit betont der ME-SVVollzG in seinem § 4 Abs. 1 ME-SVVollzG den präventiven Charakter der Maßregel, denn danach ist jeder Anschein der Strafverbüßung in der Unterbringung zu vermeiden („Zweispurigkeitsparagraph“).208 Erstaunlicherweise enthält das SVVollzG Bln den Zweispurigkeitsparagraphen 205

GE-SVVollzG, S. 42; ME-SVVollzG Begründung, S. 14. Leicht abweichende Formulierung in § 3 Abs. 6 ME-SVVollzG („Vollzugsgestaltung im Allgemeinen und im Einzelfall“); § 3 Abs. 4 GE-SVVollzG („Gestaltung des Vollzugs und bei allen Einzelmaßnahmen“). Einige Bundesländer haben bei der Regelung des Individualisierungsgrundsatzes das Wort „insbesondere“ in § 3 Abs. 4 GE-SVVollzG und § 3 Abs. 6 MESVVollzG präzisiert und entsprechende Ergänzungen vorgenommen (z. B. stellt § 3 Abs.  6 SVVollzG Bln zusätzlich auf die sexuelle Identität oder religiöse Ausrichtung ab). 207 Bspw. aus § 9 Abs. 2 S. 2 GE-SVVollzG (Behandlungsuntersuchung). 208 § 4 Abs.  1 ME-SVVollzG: „Die Untergebrachten sind so zu behandeln, dass der Anschein vermieden wird, sie würden zur Verbüßung einer Strafe festgehalten.“ 206

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

des ME-SVVollzG genauso wie die dem GE-SVVollzG folgenden Länder nicht, obwohl er im Gesetzentwurf vorgesehen war.209 In der Anhörung des Rechtsausschusses war diese Regelung zu Recht als „Programmsatz“ ohne weiteren Inhalt kritisiert worden.210 Denn: Die Zweispurigkeit ist im StGB geregelt. Folglich obliegt ihre Regelung dem Bundesgesetzgeber. Eine weitere (inhaltsleere) Regelung ist daher überflüssig und macht das Gesetz nicht besser. Außerdem ist die Formulierung „dass der Anschein vermieden wird“ missglückt, da sie impliziert, dass es mehr um Schein als Sein, sprich die Realität, geht. Dennoch haben die restlichen sieben dem ME-SVVollzG folgenden Länder den Zweispurigkeitsparagraphen im Wesentlichen übernommen.211 Denn damit werde § 66 c Abs. 1 Nr. 2 a StGB, wonach die Unterbringung so gestaltet sein muss, dass sie die Sicherungsverwahrten so wenig wie möglich belastet und den allgemeinen Lebensverhältnissen angepasst ist, soweit Sicherheitsbelange nicht entgegen stehen, konkretisiert.212 Nicht eine allgemeine Aussage wie in § 4 Abs. 1 BbgSVVollzG, sondern die inhaltliche Konkretisierung durch die materiellen Regelungen des Gesetzes ist für die Situation der Untergebrachten entscheidend.213 Denselben Vorwurf fehlenden Inhalts könnte man womöglich der aus dem ME-SVVollzG stammenden Regelung machen, wonach „selbst bei langer Dauer der Unterbringung den Untergebrachten ein Leben in Würde und weitgehender Selbstbestimmung ermöglicht werden“ muss.214 Damit bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass der Behandlungsoptimismus des BVerfG gedämpft werden muss und es bei solchen, die jahrelang verwahrt werden müssen, neben der Gefährlichkeitsminimierung im Besonderen auf die Sicherung der Lebensqualität ankommt.215 Eigentlich wird damit eine schon aus dem GG folgende Selbstverständlichkeit geregelt. Denn warum sollten Langzeituntergebrachte andere Rechte haben als kürzer Untergebrachte oder irgendwie weniger würdevoll leben müssen? Daher lässt sich darüber streiten, ob diese Norm nun notwendig oder gar sinnvoll ist. Gerade bei (sehr) langem Freiheitsentzug ist es in erheblichem Maße zur Verhinderung der sog. „Prisonisierungseffekte“216 wichtig, dass nicht alles für den Insassen geregelt wird. Unterstützung ist wichtig. Letztlich dürfen die Insassen nicht 209 Bln LT-Drs. 17/0689, S. 14; gestrichen in der BeschlEmpf vom 21.3.2013 (Bln LT-Drs. 17/0900) mit kurzer Diskussion im AVRVG in der Sitzung vom 13.3.2013 (Wortprotokoll Recht 17/21, S. 10 f.). 210 Drenkhahn in der Anhörung zum SVVollzG Bln, Wortprotokoll Recht 17/19, S. 32. 211 Identisch mit dem ME-SVVollzG, jeweils in § 4 Abs. 1 BbgSVVollzG; BremSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG/SLSVVollzG; SächsSVVollzG sowie § 5 Abs. 1 SVVollzG SH. 212 OLG Bbg a. d. H. R&P 2014, 103 ff. 213 OLG Bbg a. d. H. R&P 2014, 103 ff. sowie unten Teil D.VI. 214 Ebso. in § 3 Abs.  3 SVVollzG Bln; BbgSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG (ggf. i. V. m. § 1 S. 2 SLSVVollzG); SächsSVVollzG und § 3 Abs. 2 BremSVVollzG; SVVollzG SH. 215 Endres, Schriftliche Stellungnahme zum BbgSVVollzG-E, S. 192; ebso. das bayerische Konzept bei Endres/Breuer, FS 2011, 288 ff.; ähnl. Konzept JVA Diez, Folie 48: „Bei nicht behandlungsfähigen oder nicht motivierbaren SVern Behandlungsziele wie Erhaltung einer gewissen Lebensqualität, Entgegenwirken von Hospitalisierung und Resignation.“ 216 Dazu SBJL-Böhm/Jehle, § 3 Rn. 12 m. w. N.

III. Grundsätze und Ziele

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verlernen, selbst gewisse Dinge zu erledigen, sei es nur die Frage, wie und ob sie sich selbst versorgen oder wie oft und in welcher Form sie sich und ihre Sachen waschen. Dass diese Selbstverantwortung große Bedeutung hat, bringen andere Normen ebenso zum Ausdruck, so dass der Vorschrift selbst nur Symbolcharakter zukommt.217 Zwar wird es hauptsächlich auf die Konkretisierungen der Norm ankommen. Dennoch sollte sie als Versuch, sich vom Strafvollzug fortzubewegen und mehr auf die besondere Situation der Verwahrung einzugehen, honoriert und als allgemeine Regel, welche allen Bestimmungen im Vollzug zugrunde zu legen ist, verstanden werden. Eine ähnliche Regelung findet sich in § 1 Abs. 1 JVollzGB V, wonach die Untergebrachten unter Achtung ihrer Grund- und Menschenrechte zu behandeln sind und niemand einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung unterworfen werden darf. Aufgrund der hohen Eingriffsintensität sei es wichtig festzustellen, dass Sicherungsverwahrte trotz ihrer Verbrechen ihre Menschenrechte nicht verwirkt haben.218 Dem ist entgegenzuhalten, dass sich genau dieselbe Aussage im JVollzGB III für den Strafgefangenen findet, so dass hier nicht die besondere eingriffsintensive Situation der Verwahrten beachtet worden ist, sondern es allgemein um die Situation im totalen System Vollzug geht. Angesichts der medialen und ­öffentlichen Aufarbeitung von den der Verwahrung zugrundeliegenden Verbrechen ist der Appellcharakter der Norm nicht zu verachten. Allerdings stellt sich auch hier die Frage, ob ein Gesetz dadurch besser wird. Vielmehr gewinnt man den Eindruck, dass die „Selbstverständlichkeit“ der Geltung der Menschenrechte für den Gesetzgeber nicht so selbstverständlich ist, so dass er die Notwendigkeit der Regelung gegeben sieht und sich daraus ihre Berechtigung ableitet. c) Abstufung in der Ausrichtung Die Mehrzahl der Landesgesetze kehrt ohne Not genauso wie der ME-SVVollzG die Reihenfolge der vom BVerfG geprägten Formel des freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzugs um, ohne dazu in den Gesetzesmaterialien einen Grund anzugeben.219 Darin eine Abstufung zu sehen, ist nicht angezeigt; dennoch verwundert es, dass man ausgerechnet hier von der Reihenfolge des BVerfG abwich. Im HSVVollzG bzw. ThürSVVollzG hingegen lässt sich eine solche Ab 217 Vgl. etwa § 4 Abs. 2 ME-SVVollzG („Stellung der Untergebrachten“), demzufolge die Persönlichkeit der Untergebrachten zu achten ist und die Selbstständigkeit derjenigen gefördert werden muss, was man als verkapptes Bekenntnis zum Resozialisierungsprinzip verstehen kann. 218 BW LT-Drs. 15/2450, S.55, dem folgend BeckOK JVollzGB V-Wulf, § 2 Rn. 5. 219 Vgl. § 3 Abs. 2 S. 1 SVVollzG Bln; BbgSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG/SLSV VollzG; SächsSVVollzG;§ 3 Abs. 1 S. 1 BremSVVollzG; SVVollzG SH;§ 3 Abs. 1 HSVVollzG/ ThürSVVollzG. Die Reihenfolge des BVerfG/GE-SVVollzG haben folgende Gesetze gewählt: § 2 Abs.  2 S.  1 JVollzGB V; Art.  3 Abs.  1 BaySvVollzG; § 3 Abs.  1 HmbSVVollzG; Nds. SVVollzG; SVVollzG LSA; § 2 Abs. 1 SVVollzG NRW.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

stufung finden, denn der Vollzug solle nur „unter Berücksichtigung notwendiger Sicherheitsbelange freiheitsorientiert“ auszurichten sein. Die Gesetzesbegründungen stellen auf § 66 c Nr. 2 a StGB ab.220 Doch die Leitlinie setzt ein anderes Signal, weil im Zuge der Bundesnorm dieser Zusatz eher eine positive Wirkung für den Verwahrten entfaltet. Die Angleichung des Vollzugs an die Lebensverhältnisse in Freiheit darf nur dann eingeschränkt werden, wenn Sicherheitsbelange entgegenstehen, sprich andere Beschränkungsmöglichkeiten gibt es nicht mehr. Hingegen wird durch die hessisch/thüringische Norm der Eindruck vermittelt, als habe der Zusatz „unter Berücksichtigung notwendiger Sicherheitsbelange“ eher negative Auswirkungen. Insgesamt ist damit ähnlich wie bei Art. 5 BaySvVollzG ein falsches symbolisches, psychologisches und kriminalpolitisches Signal gesetzt und der Verweis auf § 66 c Abs. 1 Nr. 2 a StGB nicht stimmig. Damit einher geht die Gefahr, dass Einschränkungen unter Hinweis auf Sicherheitsbelange zu schnell vorgenommen werden.221 Diese einschränkende Abweichung von der „Formel“ des BVerfG222 wäre nicht notwendig gewesen und weist hinsichtlich der Freiheitsorientierung in eine andere Richtung, indem diese im Vergleich zu den anderen Regelungen abgewertet wird. Es drängt sich der Eindruck auf, dass man den Vorgaben des BVerfG nur mit großer Zurückhaltung begegnet, wenn es um die Gewährung von mehr Freiheit geht. Hinzu kommt, dass neben dem Begriff „therapiegerichtet“ nur in Hessen und Thüringen der Begriff der Behandlung aufgenommen wurde, da dieser weiter reiche als der der Therapie und „nur durch die Berücksichtigung beider Begrifflichkeiten den inhaltlichen Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts Rechnung getragen werden“ könne.223 d) Angleichungs- und Öffnungsgrundsatz Konkretisiert wird der Gedanke der Freiheitsorientierung, der § 66  c Abs.  1 Nr. 1 b und 2 a StGB innewohnt, durch einen verpflichtenden Angleichungsgrundsatz, was insofern entscheidend ist, weil dieser im Normalvollzug nur als Sollvorschrift existiert. Einzige Einschränkung ist dem BVerfG zufolge die Frage, ob Sicherheitsbelange dem entgegenstehen. Die großen Folgen dieser scheinbar kleinen Änderung (Ist- statt Sollvorschrift) stellt die Begründung zum GE-SVVollzG dar: „Im Kontext mit der im Vollzug der Freiheitsstrafe nicht vorhandenen Verpflich 220

H LT-Drs. 18/6068, S. 18; Thür LT-Drs. 5/5843, S. 20 f. Erdem/Scherzberg, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S.  20; Dessecker, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 97. 222 BVerfGE 128, 327, Ls. 3 b: „Die Sicherungsverwahrung ist nur zu rechtfertigen, wenn der Gesetzgeber bei ihrer Konzeption dem besonderen Charakter des in ihr liegenden Eingriffs hinreichend Rechnung und dafür Sorge trägt, dass über den unabdingbaren Entzug der ‚äußeren‘ Freiheit hinaus weitere Belastungen vermieden werden. Dem muss durch einen freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug Rechnung getragen werden, der den allein präventiven Charakter der Maßregel sowohl gegenüber dem Untergebrachten als auch gegenüber der Allgemeinheit deutlich macht.“ 223 H. LT-Drs. 18/6068, S. 18; ebso. Thür LT-Drs. 5/5843, S. 21. 221

III. Grundsätze und Ziele

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tung zur freiheitsorientierten Ausrichtung des Vollzugs geht die Regelung weiter als die wortgleiche Regelung im Strafvollzug, da insbesondere rein organisatorische Erwägungen Beschränkungen im Vollzug der Sicherungsverwahrung nicht in gleicher Weise rechtfertigen können wie im Vollzug der Freiheitsstrafe.“224 Eine Klarstellung, wie sich aus dem Urteil des BVerfG ergibt und im § 66  c Abs. 1 Nr. 2 a StGB folgerichtig festgehalten wurde (dort heißt es: „den Erfordernissen der Betreuung im Sinne von Nummer 1 entspricht und, soweit Sicherheitsbelange nicht entgegenstehen, den allgemeinen Lebensverhältnissen angepasst ist“), fehlt in beiden Entwürfen – wäre aber wünschenswert gewesen. Dass es bei der Formulierung des StVollzG der Angleichung „soweit als möglich“ in den meisten SVVollzGen blieb, lässt sich mit der Begründung des StVollzG erklären, welche darauf hindeutet, dass damit zum Ausdruck gebracht werden sollte, dass keine unmittelbaren Rechte damit verbunden sind.225 Die Angleichungsregelungen Bremens, Niedersachsens und Sachsen-Anhalts stechen ggü. den anderen SVVollzGen hervor.226 Danach soll das Leben nicht nur „soweit als möglich“ den Lebensverhältnissen angeglichen werden, sondern „soweit die Sicherungsverwahrten nicht den in dem Gesetz vorgesehenen Beschränkungen ihrer Freiheit unterliegen“. Damit wollen die drei Landesgesetze ein Bemühen um eine uneingeschränkte Angleichung zum Ausdruck bringen. Nur in gesetzlich vorgesehenen Fällen sollen Beschränkungen möglich sein.227 Aufschlussreich ist diesbzgl. der Bericht des niedersächsischen Rechtsausschusses, weil er auf das Urteil des BVerfG abstellt und daher die Formulierung „soweit wie möglich“ als zu offen und unbestimmt einstuft.228 Die Kritik, es sei nahezu lächerlich, wie beim BVerfG abgeschrieben werde,229 kann nicht überzeugen. Denn es ist zu begrüßen, dass mit diesem Detail der dringend notwendige Versuch unternommen wird, eine vom StVollzG abweichende Regelung zu schaffen und die bisher fehlende praktische Umsetzung voranzutreiben. Besser noch als sich an der Norm zur Rechtsstellung der Verwahrten zu orientieren (vgl. § 4 Abs. 5 S. 1 BremSVVollzG; § 6 S. 1 Nds. SVVollzG und § 5 Abs. 1 S. 1 SVVollzG LSA), wäre es jedoch gewesen, den Passus des § 66 c Abs. 1 Nr. 2 a StGB („soweit Sicherheitsbelange nicht entgegenstehen“) aufzunehmen. Neben dem allgemeinen Grundsatz ist aber v. a. dessen Konkretisierung in weiteren Normen der Landesgesetze entscheidend für die Situation der Untergebrachten und für die Frage nach der Umsetzung des Abstandsgebots. So dienen laut dem niedersächsischen Gesetzentwurf bspw. die Vorschriften zu den vollzugsöffnenden Maßnahmen, zum Besuch, zur Tageseinteilung, zur Bewe 224

GE-SVVollzG, S. 42; s. dazu auch Dessecker 2016, 475. Vgl. dazu die Gesetzesbegründung BT-Drs. 7/3998, S. 6. 226 § 3 Abs. 2 S. 1 BremSVVollzG; Nds. SVVollzG sowie § 3 Abs. 3 S. 1 SVVollzG LSA. 227 Dazu Lockfeldt in der Anhörung zum BremSVVollzG, A/RA 18/18, S. 467; Schriftlicher Bericht des ARV, Nds. LT-Drs. 16/5519, S. 2. 228 BVerfGE 128, 380 und Schriftlicher Bericht des ARV, Nds. LT-Drs. 16/5519, S. 2: Anpassung „soweit Sicherheitsbelange nicht entgegenstehen“; vgl. auch Nds. LT-Drs. 16/5466, S. 7. 229 So Fest in der Anhörung zum Nds. SVVollzG-E, ARV PR 16/123&124, S. 44. 225

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

gungsfreiheit und Gestaltung der Unterkunftsbereiche der Angleichung an allgemeine Lebensverhältnisse.230 Durch den über den Eingliederungsgrundsatz hinausgehenden Öffnungsgrundsatz soll der Entfremdung der Untergebrachten vom gesellschaftlichen Leben während der Zeit der Unterbringung entgegengewirkt werden. Die Formulierungen der SVVollzGe sind jedoch ungünstig. Sie sprechen davon, den Bezug zum gesellschaftlichen Leben „zu wahren“ (z. B. § 2 Abs. 3 S. 2 JVollzGB V231) bzw. geglückter „zu fördern“ (z. B. § 3 Abs. 5 S. 1 SVVollzG Bln232). In der Realität ist der Bezug zum gesellschaftlichen Leben aufgrund jahrzehntelanger Inhaftierung oft gar nicht mehr vorhanden oder war es evtl. nie. Es stellt sich daher ein ähnliches Problem wie beim Begriff der Resozialisierung, d. h. der Bezug zum Leben außerhalb des Vollzugs müsste erst entwickelt werden. Passender wäre daher die Formulierung, den Bezug „(wieder-)herzustellen oder zu entwickeln, zu fördern und zu erhalten“. Der ME-SVVollzG und die meisten ihm folgenden Gesetze sehen eine Ergänzung des Öffnungsgrundsatzes vor, wonach den Untergebrachten „sobald wie möglich die Teilnahme am Leben in der Freiheit zu gewähren“ ist. Denn, so die Begründungen erfreulich deutlich, in Unfreiheit könne man kein verantwortungsvolles und straffreies Verhalten in Freiheit erlernen.233 Dieser Aussage ist uneingeschränkt zuzustimmen, jedoch ist der Wortlaut der Norm ähnlich wie bei den Vollzugszielen zu schwammig: Die Worte „sobald als möglich“ sind zu ungenau und gewähren zu viel Interpretationsspielraum. Besser wäre gewesen, dem Vorbild des § 66 c Abs. 1 Nr. 2 a StGB entsprechend, stattdessen die Formulierung „sofern dem Sicherheitsbelange nicht entgegenstehen“, zu wählen. e) Gegensteuerungsgrundsatz und besondere Zusätze einiger Länder Der in der Praxis wohl wichtigste allgemeine Grundsatz, der Gegensteuerungsgrundsatz, wird in den Entwürfen und SVVollzGen identisch mit dem StVollzG normiert.234 Damit soll negativen Auswirkungen der Unterbringung, wie z. B. der Bildung von Subkulturen, Haftanpassung, Prisonisierungseffekten, psychischen 230

Nds. LT-Drs. 16/4873, S. 50. Ebso. lediglich eine „Sollvorschrift“ § 3 Abs.  3 S.  2 GE-SVVollzG entsprechend gewählt haben: Art. 3 Abs. 3 S. 2 BaySvVollzG; § 3 Abs. 3 S. 2 HmbSVVollzG; § 3 Abs. 2 S. 2 HSVVollzG und ThürSVVollzG, hier jedoch ergänzt durch die Bezugnahme auf die Dauer des Vollzuges, § 3 Abs. 2 S. 2 HSVVollzG/ThürSVVollzG. Eine Zwitterstellung nehmen § 3 Abs. 3 S. 2 SVVollzG LSA und SVVollzG NRW ein, da sie zwar nur von der Erhaltung des Bezugs zum Leben in Freiheit sprechen, aber eine Pflicht daraus gemacht haben. 232 Wie § 3 Abs. 5 S. 1 ME-SVVollzG ebso. § 3 Abs. 5 S. 1 BbgSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG/SLSVVollzG; SächsSVVollzG; § 3 Abs. 4 S. 2 BremSVVollzG; SVVollzG SH. 233 ME-SVVollzG Begründung, S. 14. 234 Jedes SVVollzG enthält i. R. d. allg. Gestaltungsgrundsätze ebenfalls den Gegensteuerungsgrundsatz, der demjenigen des StVollzG entspricht; zu dessen Bedeutung SBJL-Böhm/ Jehle 2013, § 3 Rn. 11 f. 231

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oder psychiatrischen Folgen von langer Inhaftierung, entgegen gewirkt werden. Laut Begründung zum ME-SVVollzG soll dies gelten, „soweit“ der Angleichungsgrundsatz an seine Grenzen gerät.235 Dieser wiederum ist immer nur „soweit wie möglich“ umzusetzen. Es muss aber nicht nur, sofern der Angleichungsgrundsatz an seine Grenzen gerät, sondern immer und vor allen Dingen bei Langzeituntergebrachten versucht werden, schädliche Folgen zu verhindern. Dies soll § 3 Abs. 3 S. 2 ME-SVVollzG („Selbst bei langer Dauer der Unterbringung muss den Untergebrachten ein Leben in Würde und weitgehender Selbstbestimmung ermöglicht werden.“) zum Ausdruck bringen. Der GE-SVVollzG enthält hingegen keine vergleichbare Norm oder Begründung. Besondere Zusätze enthalten nur einige Gesetze. So kann man die Gewalt unter Gefangenen und demnach die Übergriffe unter die „schädlichen Wirkungen“ des Gegensteuerungsgrundsatz subsumieren.236 Das baden-württembergische Gesetz weist hingegen ausdrücklich darauf hin, dass die Gefahr von Gewalt im Vollzug, d. h. der Inhaftierten untereinander und somit die Gefahr von Übergriffen, die gesamte Freiheitsentziehung inklusive Unterbringung hindurch besteht. Laut der aus dem Strafvollzug übernommenen Regelung des § 2 Abs. 3 S. 4 JVollzGB V sind die Untergebrachten vor Übergriffen zu schützen. Insofern wird zum Ausdruck gebracht, dass der Untergebrachte selbst in eine Opferrolle geraten kann, vor der er zu schützen ist.237 Des Weiteren ist zu überlegen, mit welchen Mitteln der Schutz des Untergebrachten vor Übergriffen erreicht werden kann und ob diese Mittel in der Sicherungsverwahrung angezeigt sind. Wulf nennt z. B. die Disziplinarmaßnahmen.238 Außerdem bestehe die Möglichkeit, den bedrohten Verwahrten nach § 10 JVollzGB V zu verlegen, wobei eine vorübergehende Verlegung zur Abwehr einer erheblichen Gefahr für Leib oder Leben des Untergebrachten in Frage kommt. Problematisch ist, dass es sich dabei um keine Verlegung in eine andere Abteilung des Sicherungsverwahrungsvollzugs nach Abs. 1 handelt, sondern in den Strafvollzug – sprich das Abstandsgebot ist tangiert. Zudem wären neben dem Entzug einiger Vergünstigungen mit einer Verlegung oft einschneidende Folgen verbunden, angefangen von der Änderung der gerichtlichen Zuständigkeit bis zum womöglich vollständigen Entzug des wenn überhaupt noch vorhandenen sozialen Umfeldes, weil die neue Anstalt z. B. zu weit entfernt ist. Dem bedrohten Unter­gebrachten diese Last aufzulegen, scheint daher nicht angebracht, sondern würde geradezu die Mög 235

ME-SVVollzG Begründung, S. 14. Dazu Chong 2014, 38 m. w. N. 237 Zur ersten „explorative[n] Bestandsaufnahme“ für den SVV s. Bartsch/Baier/Wollinger, FS 2013, 83 ff. Dabei kam eine höhere Opferrate ggü. dem Regelvollzug zum Vorschein, wobei ein Zusammenhang des Gewalterlebens mit einem negativen Verhältnis zu den Vollzugsbediensteten und einem als negativ bewerteten Anstaltsklima festgestellt werden konnte. Für den Strafvollzug s. Bieneck/Pfeiffer 2012; Neubacher, NStZ 2008, 361 ff.; ders., BewHi 2011, 133 ff.; Baier/Bergmann, FS 2013, 77 ff.; zusammenfassend Chong 2014, 51 ff. 238 BeckOK JVollzGB V-Wulf, § 2 Rn. 18. 236

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lichkeit für durchsetzungsstärkere Untergebrachte bieten, unliebsame Mitinsassen „los zu werden“. Zudem: Um dem Abstandsgebot Rechnung zu tragen, müsste beim bedrohten Verwahrten eine Verlegung in eine andere Abteilung des Sicherungsverwahrungsvollzugs erfolgen. Hinsichtlich des drohenden Verwahrten ließe sich noch damit argumentieren, dass er die Verlegung selbst verantwortet hat und daher gewisse Beschränkungen des Abstandsgebots eher hinnehmen muss. In eine ähnliche Richtung wie das JVollzGB V geht das HmbSVVollzG, das eine Gewaltprophylaxe bezweckt.239 Diese wird im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Individualisierungsgrundsatz geregelt und gleicht der entsprechenden Norm des hamburgischen Strafvollzugs. Danach ist im Vollzug der Sicherungsverwahrung „auf die Schaffung und die Bewahrung eines gewaltfreien Klimas … zu achten“. Das sich ansonsten häufig an Hamburg orientierende SVVollzG SH enthält hingegen eine solche Regelung nicht. Warum die Gewaltprophylaxe im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Individualisierungsgrundsatz stehen soll, erschließt sich nicht ohne weiteres. Hier hätte sich ein eigener Absatz oder eine Normierung im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Gegensteuerungsgrundsatz in Abs. 3 angeboten. Der bayerische Zusatz zum Gegensteuerungsgrundsatz stellt nicht auf Übergriffe der Inhaftierten unter- bzw. gegeneinander ab, sondern auf die Gefahr von Selbsttötungen.240 Dass die Norm der Suizidprophylaxe besondere Bedeutung beimisst, ist angesichts dessen, dass die Berücksichtigung der Problematik mit Suiziden in deutschen Gefängnissen eher ein Schattendasein führt,241 begrüßenswert. Allerdings stellt sich die Frage, warum es gerade hier einer solchen Regelung bedarf, denn im BayStVollzG findet sich eine solche nicht. Das spricht dafür, dass der Gesetzgeber die Gefahr von Suiziden im Vollzug der Sicherungsverwahrung ähnlich wie im U-Haftvollzug als größer einschätzt als im Normalvollzug, wofür es jedoch keine empirischen Nachweise gibt.242 Dessecker vermutet, dass vielmehr die (drohende)  Anordnung der Sicherungsverwahrung noch im vorausgehenden Strafvollzug hinsichtlich der Suizidgefahr eine Rolle spielen könnte.243 Eine Suizidprophylaxe-Regelung würde daher für Strafgefangene mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung, d. h. zusätzlich oder stattdessen im BayStVollzG, eher Sinn machen.244 239 § 3  Abs.  4 S.  2 HmbSVVollzG; s. a. die Suizidprophylaxe in Art.  3  Abs.  3 S.  5 Bay SvVollzG. 240 Dem Erkennen entsprechender Absichten und der Verhinderung kommt nach Art. 3 Abs. 3 S. 5 BaySvVollzG eine besondere Bedeutung zu; dazu Neubacher et al., BewHi 2011, 133. 241 Dazu Bennefeld-Kersten 2009, 17. 242 Bennefeld-Kersten 2009, 146 hat für den Zeitraum von 2000–2006 bundesweit exakt einen Suizid eines SV ermittelt; ähnl. Dessecker 2012, S. 32 f. Dass sich im BayUVollzG hingegen eine identische Norm findet, ist nachvollziehbar, da hier die Suizidgefahr erhöht ist, so Bennefeld-Kersten 2012, S. 38 f. 243 Dessecker 2012, S. 33. 244 Laut Bennefeld-Kersten 2009, 148 waren „immerhin“ bei 16 Suizidenten die SV im Zeitraum von 2000–2006 angedroht oder bereits angeordnet. Andere Gesetze greifen die Suizid­

III. Grundsätze und Ziele

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4. Stellung und Rechte der Sicherungsverwahrten a) Generalklausel und rechtsstaatliche Bedenken Die Normen zur Stellung der Untergebrachten sind allgemein gehalten, da eine konkrete Ausgestaltung erst in den darauffolgenden Abschnitten folgt. Dies ist eine aus dem StVollzG bekannte Regelungsweise.245 Genauso wie im StVollzG wird im GE-SVVollzG und den entsprechenden Landesgesetzen zunächst der Grundsatz aufgestellt, dass die Verwahrten nur den im Gesetz auferlegten Beschränkungen unterliegen.246 Im nächsten Satz folgt die generalklauselartige Relativierung, dass solche Beschränkungen zulässig sind, „die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder zur Abwendung einer schwerwiegenden Störung der Ordnung der Einrichtung unerlässlich sind“, so der Wortlaut von § 5 Abs. 1 S. 2 GESVVollzG. Der ME-SVVollzG enthält neben der identischen Norm (vgl. § 4 Abs. 5 S. 2 ME-SVVollzG) im Zusammenhang mit der Stellung des Verwahrten zahlreiche Aussagen zur Behandlung und Selbstständigkeit des Verwahrten, dessen Beteiligung am Vollzugsalltag sowie seiner Mitwirkung. Diese „an Allgemeinheit kaum zu übertreffende Regelung“ der Beschränkungsermächtigung soll der Praxis Flexibilität sichern.247 Da nicht alle Situationen vorhersehbar seien, in denen es zu einer Beeinträchtigung in diesem Sinne kommen könne, sei eine derartige Norm notwendig. Zudem habe das BVerfG selbst in seiner Gefangenenentscheidung festgestellt, dass zwar die Rechte von Gefangenen nur durch oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden können, aber man auf „möglichst eng begrenzte … Generalklauseln nicht wird verzichten können.“248 Dies sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich um eine „Vorrats- und Angstklausel“ handelt.249 Darüber hinaus stellt sich bei den zahlreichen, die Generalklausel konkretisierenden Regelungen, die Frage, ob im Sicherungsverwahrungsvollzug ein Einproblematik i. R. ihrer Regelungen zur Zwangsbehandlung wörtlich auf (z. B. § 72 Abs.  1 S. 1 LSVVollzG). Alle Bundesländer nennen, wie schon aus dem StVollzG (dort § 88 Abs. 1 StVollzG) bekannt, die Thematik im Kontext der „besonderen Sicherungsmaßnahmen“, bspw. in § 83 Abs. 1 SVVollzG Bln. Nur in § 69 Abs. 1 SVVollzG NRW ist lediglich von Selbstverletzungen die Rede, die Selbsttötung soll aber umfasst sein, vgl. NRW LT-Drs. 16/1435, S. 112. 245 Vgl. § 4 Abs. 2 StVollzG (davon abweichend NJVollzG); § 5 GE-SVVollzG; § 4 Abs. 5 S. 1 ME-SVVollzG. 246 BeckOK JVollzGB V-Wulf, § 4 Rn. 4; abgeschwächter BeckOK BaySvVollzG-Gürtler/ Bauer, Art. 6 Rn. 1; deutlicher BeckOK SVVollzG NRW-Hettenbach, § 4 Rn. 1. 247 Blum/Oelbermann, Schriftliche Stellungnahme zum ThürSVVollzG-E, S. 9. 248 BVerfGE 33, 1 ff. 249 Krit. Feest, StV 2008, 555 zur StVollzG-Klausel; zum historischen Hintergrund LNNV/ Neubacher 2015, B.  IV.  89, 103 sowie BT-Drs.  7/3998, 6 f.; ähnl. jetzt ME-SVVollzG Begründung, S. 16: „Es bedarf dieser Ermächtigung, da in einer Einrichtung nicht alle Situationen voraussehbar sind, die insbesondere zu einer Beeinträchtigung der Sicherheit führen­ können.“

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

griff nur aufgrund der Störung der Sicherheit der Anstalt, oder aber aus Gründen der Ordnung zulässig ist. Das BVerfG hat jedenfalls festgestellt, „dass das Leben im Vollzug allein solchen Beschränkungen unterworfen werden darf, die zur Reduzierung der Gefährlichkeit“, d. h. zur Erreichung des Vollzugsziels, erforderlich sind. Das Leben ist außerdem „den allgemeinen Lebensverhältnissen anzupassen, soweit Sicherheitsbelange dem nicht entgegenstehen.“250 Zum Ausdruck bringt das Urteil, dass die Rechte der Verwahrten aufgrund ihrer Sonderstellung nur noch in eng begrenzten Fällen einzuschränken sind. Generelle Ordnungs-, organisatorischen oder Kostengründe sind daher keine tauglichen Einschränkungsgründe.251 Wenn man wie nahezu alle Länder im Gesetz eröffnete Rechte und Ansprüche durch den Vorbehalt einer Generalordnungsklausel wieder einschränkt, zieht man mit dem Strafvollzug gleich.252 Dem werden die überwiegenden SVVollzGe nicht gerecht, da es bis auf Nie­ dersachsen alle Länder bei den Beschränkungen aus Gründen der Ordnung belassen haben. Diese Generalklausel als für die Praxis unverzichtbar zu bezeichnen, überzeugt nicht nur wegen der Aussagen des BVerfG nicht. Die gesetzlich geregelten Beschränkungsmöglichkeiten (z. B. bei Besuchen, Schriftverkehr, Verteidigerkontakte) dürfen nicht durch die Generalklausel ausgeweitet werden.253 Denn die Notwendigkeit einer Generalordnungsklausel ist wie z. Z. der Großen Strafrechtsreform und Inkrafttreten des StVollzG immer noch zu bezweifeln.254 Die SVVollzGe enthalten genügend konkrete Regelungen, wie die Anstalt bei Gefahrensituationen in die Rechte der Untergebrachten eingreifen kann. Die wirklich relevanten Fälle können daher über den Aspekt der Sicherheit der Anstalt gelöst werden.255 Als Bsp. sei ein vermülltes Zimmer genannt, das aus Sicherheits­ gesichtspunkten relevant sein kann, weil dort bspw. Ausbruchswerkzeuge versteckt werden könnten.256

250

BVerfGE 128, 377, 380 f.; s. den schriftlichen Bericht des ARV, Nds. LT-Drs. 16/5519, S. 5: „Die Ordnung der Anstalt wurde vom Bundesverfassungsgericht als Rechtfertigungsgrund … – wohl bewusst  – nicht erwähnt.“ Deutlich Kinzig in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 10: „Es gibt nur die Schranke der Sicherheitsbelange.“; ähnl. Alex, in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 12, 43; Fieber, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH-E, S. 2. 251 AK-StVollzG-Brühl/Feest 2012, vor § 81 Rn. 10; Beulke/Swoboda, NStZ 2005, 67. 252 Fabricius, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 62. 253 Vgl. Nds. LT-Drs. 15/3565, S. 86. 254 LNNV/Neubacher 2015, B. IV. Rn 103 z. Z. der Großen Strafrechtsreform; aktuell Blum/ Oelbermann, Schriftliche Stellungnahme zum ThürSVVollzG-E, S. 9; s. a. Beulke/Swoboda, NStZ 2005, 70 255 Kinzig in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 31: „das Problem der Ordnung nicht besonders gravierend …, weil man alles das, was gravierend ist, über die Schranke der Sicherheit abdecken kann.“ 256 Vgl. das in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E diskutierte Bsp. von Arloth (der fälschlicherweise hier nur Ordnungsgesichtspunkte für einschlägig erachtete)  und Alex (der mit Recht Sicherheitsgesichtspunkte für betroffen hielt), Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 48.

III. Grundsätze und Ziele

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b) Besonderheiten des Nds. SVVollzG Positiv hervorzuheben ist das Nds. SVVollzG, weil es einen Mittelweg gesucht hat. Es verzichtet neben den speziellen Beschränkungen im SVVollzG selbst oder aus Gründen der Sicherheit der Anstalt darauf, auf die Ordnung der Anstalt ganz allgemein abzustellen (vgl. § 5 Nds.  SVVollzG; s. a. Tabelle  A2 im Anhang).257 Im Weiteren trägt es den Forderungen der Praxis Rechnung, dass es teilweise Störungen des geordneten Zusammenlebens gibt, die Eingriffe der Vollzugsbediensteten notwendig machen und konkretisiert in einigen Vorschriften derartige ordnungsrelevante Gesichtspunkte. Bspw. ermöglicht § 56 Abs. 3 Nds. SVVollzG den Ausschluss von der Teilnahme am Gottesdienst oder anderen religiösen Veranstaltungen nicht nur wenn dies aus „überwiegenden Gründen der Sicherheit“, sondern auch „zur Abwendung einer schwer wiegenden Störung des Gottesdienstes oder der religiösen Veranstaltung“, erforderlich ist. Dadurch, dass statt der Generalklausel der Ordnung an einigen Stellen erhebliche Störungen des Zusammenlebens durch Verhaltenspflichten bzw. Beschränkungsmöglichkeiten abgewendet werden sollen,258 bringt der niedersächsische Gesetzgeber deutlich zum Ausdruck, dass es genauso eine (Haus-)Ordnung des Zusammenlebens gibt, an die sich die Verwahrten halten müssen. Dass man nicht aus allgemeinen Ordnungsgründen, insbesondere über die gesetzlich festgelegten Störungen eines geordneten Zusammenlebens hinaus, beschränken darf, heißt also nicht zugleich, dass keine Ordnung in der Anstalt herrscht. Die niedersächsische Norm ist aber auch kritikwürdig, weil danach die wegen der Generalklausel zulässigen Eingriffe in die Rechte der Verwahrten nicht „unerlässlich“, sondern nur „erforderlich“ sein müssen. Dies bedeutet, dass die Maßnahme im konkreten Fall das relativ mildeste Mittel sein muss. Unerlässlichkeit setzt hingegen voraus, dass es im konkreten Fall kein anderes Mittel gibt.259 Eine solche Formulierung wählte einzig noch Bremen, das damit in seinem Gesetz die bundesweit weitreichendste Generalklausel getroffen hat.260 Niedersachsen wich schon im NJVollzG ab, da man sich an der „für alle freien Bürgerinnen und Bürger geltende[n] polizeirechtlichen Generalklausel in § 11 Nds. SOG, die ähnlich formuliert ist …“, orientierte.261 Es sei nicht nachvollziehbar, warum für Gefangene und Sicherungsverwahrte strengere Maßstäbe anzuwenden seien als für Bürger außerhalb des Vollzugs. Wegen des Verweises auf die Regelung des NJVollzG

257

§ 5 S. 2 Nds. SVVollzG: „Soweit das Gesetz eine besondere Regelung nicht enthält, können ihr oder ihm die Beschränkungen auferlegt werden, die zur Aufrechterhaltung der Sicherheit der Anstalt erforderlich sind.“ 258 Schriftlicher Bericht des ARV, Nds. LT-Drs. 16/5519, S. 6. 259 So BeckOK Nds. SVVollzG-Gittermann, § 5 Rn. 5; ebso. weniger streng bei „notwendig“ oder „geboten“, vgl. AK-StVollzG-Bung/Feest 2012, § 4 Rn. 11 nach BVerfGE 33, 13; Beulke/Swoboda, NStZ 2005, 68 ff. 260 § 4 Abs. 5 S. 2 BremSVVollzG: Ordnungsklausel; Eingriffe müssen „erforderlich“ sein. 261 Nds. LT-Drs. 15/3565, S. 84.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

ist auch auf die dazugehörige Begründung hinsichtlich des Wortes „erforderlich“ zurückzugreifen.262 Dem ist zu widersprechen, da dieses Erfordernis nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des BVerfG zur Einschränkung von Rechten Strafgefangener, was angesichts des Abstandsgebots erst recht für Sicherungsverwahrte gelten müsste, steht. Dem BVerfG zufolge kommt eine Grundrechtseinschränkung nur in Frage, wenn diese „unerläßlich“ ist, um einen vom GG und dessen Wertordnung gedeckten gemeinschaftsbezogenen Zweck zu erreichen.263 Schon der Sonderausschuss der Strafrechtsreform forderte, dass „eine andere Möglichkeit, die Anstaltssicherheit aufrechtzuerhalten, oder eine schwerwiegende Störung der­ Anstaltsordnung abzuwenden, nicht zur Verfügung“ stehen darf.264 Verlangt wird daher mehr, als nur nach dem mildesten effizienten Mittel zur Gefahren- bzw. Störungsabwehr zu suchen. Niedersachsen hat die allgemeinen Beschränkungsmöglichkeiten dadurch dezimiert, dass es nur auf die Sicherheit der Anstalt abstellt. Durch die Ausweitung der Generalklausel auf erforderliche Eingriffe kündigte es den bisherigen Länderkonsens, dass „ein Rückgriff auf die ‚Vorratsklausel‘ aus rechtsstaatlichen Gründen nur für den Ausnahmefall ärgster Bedrängnis … in Betracht kommen“ soll.265 Aus dem Gesagten folgt, dass die Verwendung des Begriffs wie schon im NJVollzG verfassungsrechtlich bedenklich ist und in Niedersachsen und Bremen geändert werden muss. c) Ordnungsklauseln der anderen SVVollzGe Dass die allgemeine Ordnungsklausel im Strafvollzug umfassenden rechtsstaatlichen Bedenken begegnete, haben die anderen Landesgesetzgeber zumindest teilweise dadurch zu lösen gesucht, dass sie in bestimmten Bereichen nur noch „schwerwiegende Gefahren“ für die Ordnung als Einschränkungsgrund akzeptieren wollen (vgl. den Überblick in Tabelle A3 im Anhang). Eine solche schwerwiegende Störung der Ordnung liegt nicht nur bei einem für den Anstaltsablauf bloß lästigen Verhalten bzw. einer bloßen Unbotmäßigkeit ggü. den Bediensteten vor. Schwerwiegend ist sie erst, wenn sie „zentral wichtige Handlungszusammenhänge so beeinträchtigt, dass deren Funktionieren außer Kraft gesetzt zu werden

262

Nds. LT-Drs. 16/4873, S. 57. BVerfGE 33, 1 Ls. 1: „Eine Einschränkung der Grundrechte … kommt nur in Betracht, wenn sie zur Erreichung eines von der Wertordnung des GG gedeckten gemeinschaftsbezogenen Zweckes unerläßlich ist.“ 264 Forderungen des Sonderausschusses für den Rückgriff auf § 4 Abs. 2 S. 2 StVollzG, BTDrs. 7/3998, S. 7. 265 Zu Recht krit. für den Strafvollzug LNNV/Neubacher 2015, B. IV. Rn. 115 m. w. N.; and. wohl BeckOK Nds. SVVollzG-Gittermann, § 5 Rn. 5 m. w. N. 263

III. Grundsätze und Ziele

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droht“.266 Dadurch werden die ohnehin kaum vorhandenen Anwendungsfälle derart eingeschränkt, dass die Vorschrift de facto leer läuft und man auf sie verzichten könnte.267 Ein Verzicht auf diese Einschränkung, weil es praktisch schwierig zu bestimmen sein soll, wann eine schwerwiegende Störung vorliegt,268 kann nicht ernsthaft gefordert werden. Dies würde weder der geforderten Regelungsdichte noch dem Abstandsgebot gerecht. Ohnehin ist der Zusatz, dass Beschränkungen nur bei „schwerwiegenden“ Störungen erlaubt sind, regelmäßig identisch im StVollzG bzw. den LStVollzGen zu finden und stellt keine Besonderheit der Sicherungsverwahrung dar. Ein Verzicht würde vielmehr weitreichendere Eingriffe in die Rechte der Verwahrten ermöglichen als im Strafvollzug. Erschwerend kommt hinzu, dass die meisten SVVollzGe nicht durchgängig von schwerwiegenden Störungen sprechen, sondern ein uneinheitlicher Gebrauch verschiedener Ordnungsklauseln vorliegt.269 Eine vergleichbare Abstufung findet sich im Nds. SVVollzG: Dort wird einmal nur von Gründen der Sicherheit und ein anderes Mal von „überwiegenden Gründen der Sicherheit“ gesprochen. Ebenso verhält es sich dort mit den Störungen, die unterschiedlich abgestuft sind. Wie verschieden die SVVollzGe die „Ordnungsklausel“ bzw. Beschränkung aus Sicherheitsgründen zum Einsatz bringen und dass daraus eine teilweise nicht nachzuvollziehende Abstufung erzeugt wurde, führt Tabelle A3 im Anhang vor Augen. Die unterschiedliche Verwendung des Ordnungsbegriffs führt zu Widersprüchen: So gibt es bspw. Gegenstände, die man zwar im Vollzug selbst besitzen darf („in schwerwiegender Weise die Ordnung der Einrichtung … gefährden“, vgl. etwa § 54 Abs. 1 S. 2 SVVollzG SH), die einem aber nicht per Paket zugeschickt werden dürften (nur bei einer einfachen Gefahr ausgeschlossen, vgl. etwa § 39 Abs.  1 S.  2 SVVollzG SH).270 Nicht einzusehen ist, wieso Außenkontakte, die anerkanntermaßen resozialisierungsfördernd sind, in einigen Regelungen allein deshalb beschränkt werden können, weil neben der Sicherheit die Ordnung der Anstalt gefährdet würde (vgl. z. B. § 28 Nr. 1 LSVVollzG zur Untersagung von Besuchen). Andere Rechte, wie bspw. die Bewegungsfreiheit, die zwar sehr wichtig sind, aber nicht derart mit der Resozialisierung in Verbindung gebracht werden, wie die Außenkontakte, können nur dann eingeschränkt werden, „wenn es die Sicherheit oder schwerwiegende Gründe der Ordnung der Anstalt erfordern oder ein schädlicher Einfluss auf andere Untergebrachte zu befürchten ist“ (vgl. etwa 266

LNNV/Neubacher 2015, B. IV. Rn. 101. Schriftlicher Bericht des ARV, Nds. LT-Drs. 16/5519, S. 5; vgl. bereits Nds. LT-Drs. 15/ 3565, S. 84 ff. Dass es kaum bis gar keine realistischen Anwendungsfälle gibt, zeigen auch die Bemühungen, Bspe. in den Anhörungen zu kreieren (z. B. in der Anhörung zum BaySvVollzG, 16/92. VF). 268 Z. B. Hinrichsen, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH-E, S. 3, 5 f. 269 Krit. Bartsch, Schriftliche Stellungnahme zum BaySvVollzG-E, S. 54 f.; Joester in der Anhörung zum BremSVVollzG-E, APr A/RA 18/18, S. 445. 270 Bartsch, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH-E, S. 11. 267

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

§ 11 Abs. 3 S. 3 LSVVollzG). Die Widersprüchlichkeiten zeigen, dass das uneinheitliche System verschiedener Ordnungsklauseln abgeschafft gehört. d) Problematische Vorschriften im Zusammenhang mit Sicherheit und Ordnung Darüber hinaus gibt es zum Thema der „Sicherheit und Ordnung“ weitere Regelungen, die abzulehnen sind. Allgemein ausgedrückt, zielen die Regelungen zur „Sicherheit und Ordnung“ ähnlich wie die Disziplinar- und Sicherungsmaßnahmen recht offen auf eine Gleichbehandlung von Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten ab.271 § 45 Abs.  6 HSVVollzG/ThürSVVollzG bestimmt bspw., dass der Verwahrte Umstände unverzüglich melden muss, „die eine erhebliche Gefahr für eine Person oder eine erhebliche Störung der Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung begründen oder darauf hindeuten“. Dies ist genauso wie die Generalklausel der Ordnungsstörung zu unbestimmt und greift zu weit in die Rechte des Unter­gebrachten ein.272 Die Norm geht zudem deutlich über eine strafrechtliche Anzeigepflicht­ hinaus.273 Damit verlangt sie von den Verwahrten im subkulturellen Milieu des Strafvollzugs zu viel.274 Befördert wird vielmehr die Gefahr von gewaltsamen Übergriffen untereinander, statt sie zu reduzieren. Davon einmal abgesehen kann man sich mit gutem Recht fragen, wie nachgewiesen oder überhaupt überprüft werden soll, ob einem Verwahrten die Gefahren bekannt waren. Des Weiteren sticht § 84 SVVollzG SH heraus, wonach Untergebrachte in eine Einrichtung verlegt werden können, „die zu ihrer sicheren Unterbringung besser geeignet ist“. Es fragt sich allerdings, welche Anstalt sicherer sein soll, wenn doch die Sicherungsverwahrungsabteilungen bzw. JVAen, wo diese untergebracht sind, regelmäßig den höchsten Sicherheitsstandard aufweisen. Dies führt vor Augen, dass Normen des Strafvollzugs, die dort ihre Berechtigung haben mögen, für den Sicherungsverwahrungsvollzug übernommen wurden, ohne über deren Notwendigkeit nachzudenken.275 Ebenfalls scharf zu kritisieren im Zusammenhang mit dem Thema „Sicherheit und Ordnung“ ist die in einigen SVVollzGen vorgesehene allgemeine Möglichkeit, dass Vollzugsbehörden „bei der Aufnahme, nach Kontakten mit Besuchspersonen und nach jeder Abwesenheit von der Einrichtung“ (vgl. § 46 Abs.  3 ThürSVVollzG) allgemein eine mit Entkleidung verbundene Durchsuchung der 271 Laubenthal 2015, Rn. 958: „… entsprechen im Wesentlichen den aus dem Strafvollzug bekannten“; s. a. SL LT-Drs. 15/387, S. 23. 272 Krit. Kreuzer in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 25. 273 Dazu BeckOK StPO-Graf, § 158 Rn. 8–11. 274 Kreuzer in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 25. 275 Mit Recht krit. zum § 84 SVVollzG Dünkel, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH-E, S. 10.

III. Grundsätze und Ziele

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Verwahrten anordnen können.276 Damit wird schwerwiegend in deren allgemeines Persönlichkeitsrecht eingegriffen.277 Dass keine einzelfallbezogene Prüfung der Erforderlichkeit einer solchen Maßnahme stattfinden muss,278 ist nicht nur angesichts der einschränkenden Feststellungen des BVerfG, die es zu derartigen Regelungen für U-Häftlinge vorgenommen hat, bedenklich. Danach seien bei Personen, die noch nicht rechtskräftig verurteilt sind, generelle Durchsuchungsanordnungen erheblich zu beschränken.279 Bei Sicherungsverwahrten handelt es sich um Personen, die ihre Strafe bereits vollständig verbüßt haben, so dass hier eine vergleichbare Situation vorliegt und daher derselbe Maßstab anzusetzen wäre. Eine solche generelle im freien Ermessen der Vollzugsbehörde stehende Eingriffsmöglichkeit ist für den Sicherungsverwahrungsvollzug, der an freie Lebensverhältnisse angeglichen sein soll, unverhältnismäßig und wird dem Besserstellungsgebot ggü. dem Strafvollzug nicht ausreichend gerecht.280 Daher sollten alle Länder auf eine solche Regelung verzichten. e) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Der GE-SVVollzG fordert wie die ihm insoweit folgenden Bundesländer, dass unter „mehreren gleich geeigneten Maßnahmen“ die für den Untergebrachten voraussichtlich am wenigsten beeinträchtigende zu wählen ist.281 Demgegenüber 276

Solche Vorschriften finden sich in BW; Bay; Bln („i. d. R. bei der Aufnahme, nach Kontakten mit Besucherinnen und Besuchern sowie nach jeder unbeaufsichtigten Abwesenheit“, d. h. nicht abschließend), Bbg (wie Bln); Brem (wie Bln); Hmb; H; M-V (wie Bln); NRW; RlP/ SL (wie Bln); SN (Zusatz: nur „i. d. R.“ mit Entkleidung verbundene Durchsuchung; nicht bei Besuchen von Verteidigern, RA usw.); LSA; SH (Zusatz „wenn dies aus Gründen der Sicherheit oder aus schwerwiegenden Gründen der Ordnung erforderlich ist“). D. h. nur Nds. enthält keine derartige Norm. 277 Zu diesem schwerwiegenden Eingriff in Art. 2 i. V. m. Art. 1 GG bereits Kreuzer/Buckolt, StV 2006, 163 ff.; Bartsch, FS 2012, 361; s. a. die schriftliche Kleine Anfrage der Abg. Celik und Dolzer (DIE LINKE) vom 23.6.2015 und die Antwort des Hmb Senats vom 30.6.2015, Hmb LT-Drs. 21/869, S. 6. 278 Sehr deutlich wird das Fehlen einer Einzelfallprüfung bspw. in § 64 Abs. 2 SVVollzG NRW: „Die Leitung der Einrichtung kann allgemein anordnen, dass bei der Aufnahme, vor und nach Kontakten mit Besucherinnen und Besuchern sowie vor und nach jeder Abwesenheit eine mit einer Entkleidung verbundene körperliche Durchsuchung Untergebrachter durchzuführen ist. Ansonsten ist eine solche Durchsuchung nur bei Gefahr im Verzug oder auf Anordnung der Leitung der Einrichtung im Einzelfall zulässig.“ 279 BVerfG StV 2009, 253 ff. 280 Schriftlicher Bericht des ARV, Nds. LT-Drs. 15/4325, S. 44: „… hält der Ausschuss mit Blick auf das Angleichungsgebot, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur gesetzlichen Determinierung des Handelns der Exekutive … verfassungsrechtlich sehr bedenklich.“ Diese Kritik geteilt von Bartsch, FS 2012, 361; dem folgend Pyhrr 2015, 263. 281 Vgl. § 5 Abs. 2 S. 1 GE-SVVollzG; ebso. in § 6 Abs. 2 Hs. 2 HSVVollzG/ThürSVVollzG und § 5 Abs. 1 S. 1 SVVollzG LSA. Über das StVollzG hinausgehend enthält § 5 Abs. 2 GESVVollzG den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

sprechen die baden-württembergische, bremische und die niedersächsische Variante nur von „mehreren geeigneten Maßnahmen“ bzw. die bayerische und die hamburgische von „mehreren möglichen und geeigneten Maßnahmen“.282 Das Abstellen auf nur geeignete und mögliche Maßnahmen ist insofern günstiger für den Verwahrten, weil es dann nicht auf die gleiche Eignung ankommt. Es ist vielmehr bei geeigneten und möglichen immer auf die mildeste Variante abzustellen. Des Weiteren wird in einigen SVVollzGen wie im GE-SVVollzG auf die Verhältnismäßigkeit von „Maßnahmen“ im Allgemeinen abgestellt, welche die Intensität bzw. die Zweck-Mittel-Relation („Eine Maßnahme darf nicht zu einem Nachteil führen, der zu dem angestrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht.“) und die zeitliche Dimension betreffen („Sie [die Maßnahme] ist nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder nicht mehr erreicht werden kann.“).283 Ebenso ist die hessische und dem folgend die thüringische Regelung zur Stellung der Untergebrachten hervorzuheben. Nach § 6 Abs. 2 Hs. 1 HSVVollzG und ThürSVVollzG sind Pflichten und Beschränkungen „zur Aufrechterhaltung der Sicherheit oder Ordnung“ so zu wählen, „dass sie in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem Zweck stehen und die Untergebrachten nicht mehr und nicht länger als notwendig beeinträchtigen“. Wenn man Beschränkungen aufgrund der Ordnung der Anstalt zulässt, wäre es angebracht gewesen, auf Beschränkungen i. S. v. § 6 Abs. 1 S. 2 HSVVollzG/ThürSVVollzG abzustellen, um hinsichtlich der Intensität der Störung (nur bei „schwerwiegenden“ Störungen), bei der eine Ordnungsbeschränkung möglich ist, nicht für Verunsicherung zu sorgen. Die Landesgesetze, die sich mehr am ME-SVVollzG orientieren und das SV VollzG NRW sahen keinen derartigen Bedarf einer Klarstellung. Dies ist der vorzugswürdigere Weg, weil der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ohnehin verfassungsrechtlich garantiert ist und daher die Normen überflüssig sind.284 Zudem kommt es so zu weniger Missverständnissen aufgrund unterschiedlicher Formulierungen. f) Disziplinarmaßnahmen Eines der am heftigsten diskutierten und nicht zufriedenstellend geklärten Themen ist die Frage, wie man Konflikte im Vollzug regeln kann. Hatte der MESVVollzG noch wie im psychiatrischen Maßregelvollzug von Disziplinarmaßnahmen abgesehen, sind dem Entwurf am Ende lediglich drei Bundesländer gefolgt, die damit deutlich die Eigenständigkeit der Sicherungsverwahrung betonen: Bran 282 Vgl. § 6 Nds. SVVollzG; § 4 Abs. 2 JVollzGB V; Art. 6 Abs. 2 S. 1 BaySvVollzG; § 4 Abs. 6 S. 1 BremSVVollzG; § 5 Abs. 2 S. 1 HmbSVVollzG. 283 § 5 Abs. 2 S. 2, 3 SVVollzG LSA, ebso. § 4 Abs. 2 S. 2, 3 JVollzGB V; Art. 6 Abs. 2 S. 2, 3 BaySvVollzG; § 4 Abs. 6 S. 2, 3 BremSVVollzG; § 5 Abs. 2 S. 2, 3 HmbSVVollzG; § 6 Abs. 1 S. 2, 3 Nds. SVVollzG. 284 Ebso. BeckOK Nds. SVVollzG-Gittermann, § 6 Rn. 1; für den Strafvollzug Arloth 2011, NJVollzG § 4.

III. Grundsätze und Ziele

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denburg, Rheinland-Pfalz und Sachsen.285 Sogar das Saarland sah sich veranlasst, ein eigenes Gesetz zu erlassen, welches neben dem Verweis auf das LSVVollzG in erster Linie aus Disziplinarregelungen besteht. Die besseren Argumente sprechen dafür, dass der Ort der Unterbringung entscheidend ist. Folglich kommen auf Grundlage des LSVVollzG in der rheinland-pfälzischen JVA Diez für keinen Untergebrachten Disziplinarmaßnahmen zur Anwendung. Insoweit handelt es sich beim SLSVVollzG um ein unnötiges Einzelfallgesetz.286 Abgesehen von den saarländischen Besonderheiten stellte sich die Grundsatzfrage, ob Disziplinarmaßnahmen im Sicherungsverwahrungsvollzug abzuschaffen waren. Im Zuge der Gesetzgebungsphase wurden die „strafähnlichen Sanktionen“287 abgelehnt, weil sie in einer reinen Präventivunterbringung, die zudem therapieorientiert auszugestalten sei, antiquiert und nicht zulässig seien. Im Vollzug der Sicherungsverwahrung müsse mit weniger Druck und Zwang operiert werden.288 Darüber hinaus gebe es in Freiheit keine solchen disziplinarischen Beschränkungen, sondern nur Reaktionen auf Ordnungswidrigkeiten oder Straf­ taten.289 Zwar sei es aus Sicht der Praxis schwierig und nicht hilfreich im Umgang mit den Verwahrten. Ein Gesetzgeber, der sich einem modernen Vollzug verpflichtet sehe, solle jedoch auf Disziplinarmaßnahmen verzichten.290 Ganz anders lautet die Meinung der Praxis. Ihr zufolge müsse die Anstalt mittels Disziplinarmaßnahmen schnell und fühlbar für Ordnung sorgen können, um „Selbstjustiz“ zu verhindern.291 Ersatzmaßnahmen seien keine adäquaten Alternativen.292 Die Abschaffung sei vielmehr ein Verstoß gegen den Angleichungsgrundsatz, weil in Freiheit ein derartiges Fehlverhalten ebenfalls sanktioniert werde.293 285 Was allerdings den Ländern zugutegehalten werden muss, welche die Disziplinarmaßnahmen für unverzichtbar halten, ist der Versuch „der besonderen Situation der Untergebrachten … an einigen Stellen Rechnung“ zu tragen, indem man die Disziplinarkataloge in unterschiedlicher Ausprägung beschränkt hat, so SL LT-Drs.  15/387, S.  23. Vgl.  dazu den Überblick in Tabelle A4 im Anhang. 286 S. dazu unter Teil D.III.2. 287 BVerfG NStZ 1993, 605; StV 2004, 613; Beschl. vom 23.4.2008  – 2 BvR 2144/07, Rn. 40 – bei juris; s. a. Laubenthal 2015, Rn. 728. 288 Krit. Blum/Oelbermann, Schriftliche Stellungnahme zum ThürSVVollzG-E, S. 2; ebso. die aus der Praxis stammende Mauruschat, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG M-V-E, S. 2; vgl. zu den abgeschafften Disziplinarmaßnahmen auch das Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 140. 289 Asprion in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 36. 290 J. Schäfer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 162. 291 Endres, Schriftliche Stellungnahme zum BbgSVVollzG-E, S. 7; Schwerdtfeger (Forensik) in der Anhörung zum BremSVVollzG-E, APr A/RA 18/18, S. 475; Köbke in der Anhörung zum BbgSVVollzG-E, P-RA 5/38, S. 57 f.: „Illusion zu glauben, das würde dann schon laufen“. 292 J. Schäfer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 162 zur Sicht der Praxis, die er nicht teilt. 293 Endres, Schriftliche Stellungnahme zum BbgSVVollzG-E, S. 7; ebso. Schäfersküpper/ Grote, NStZ 2013, 452 mit Verweis auf BVerfG R&P 2008, 48 f. Dieser trägt aber nicht, da das

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Jedenfalls sei das Disziplinarverfahren dem Verfahren im Maßregelvollzug vorzuziehen, weil der Beschuldigte damit klare Rechte habe und ein transparentes Verfahren bekomme.294 Das Argument einiger Gesetzgeber, Sicherungsverwahrte stünden Strafgefangenen näher, kann nicht überzeugen. Angesichts der therapeutischen Ausgestaltung des Sicherungsverwahrungsvollzugs ist eine neuartige Nähe zum Maßregelvollzug entstanden. Dass im Vollzug eine vergleichbare Gefahrenlage im Hinblick auf eine disziplinarische Ahndung bestehen mag, ändert nichts an dem Unterschied zwischen Strafe und Sicherungsverwahrung, dem Status der Untergebrachten, die sich nicht im Vollzug der Freiheitsstrafe befinden und daher nur den zur Aufrechterhaltung der Sicherheit notwendigen Beschränkungen unterliegen.295 An den Disziplinarmaßnahmen festzuhalten hieße, dass man den Status des Untergebrachten missachtet. Man gewinnt den Eindruck, dass der Abstand nicht so streng gesehen wird, wenn es um die Beschränkung der Rechte der Verwahrten geht. Stattdessen wird das Gebot strikt verfolgt, wenn es bspw. darum geht, ob lebenslang Inhaftierte dieselben Rechte wie Sicherungsverwahrte erhalten sollen. Der ahndende Charakter der Disziplinarmaßnahmen ist nicht von der Hand zu weisen.296 Im Sicherungsverwahrungsvollzug ist aber der bloße Anschein der Bestrafung, wie es einige Gesetze selbst umschreiben, zu vermeiden. Somit ist angesichts der anderen Rechtsgrundlage der Verwahrung und der Sonderstellung der Sicherungsverwahrung im Abstand zum Strafvollzug – wo sogar manche LStVollzGe inzwischen darauf verzichten – keine Berechtigung für Disziplinarmaßnahmen gegeben. Dass die Disziplinarmaßnahmen effektiver und für die Verwahrten nachvollziehbarer sein sollen, ist in der vorgebrachten Pauschalität zu bezweifeln. Vielmehr rührt diese Vorstellung daher, dass man es in der Zwangsgemeinschaft Vollzug BVerfG in besagtem Beschluss konstatierte, dass es in Rspr. und Lit. umstr. sei, ob es sich bei sanktionsartigen Maßnahmen im Maßregelvollzug um Behandlungsmaßnahmen handle oder ihnen der Charakter einer Disziplinarmaßnahme zukomme – folglich hat das Gericht keine klare Aussage getroffen. And. mit Recht BeckOK LSVVollzG-Heuchemer, § 78 Rn. 6: „Was die Untergebrachten diesbezüglich indes im Leben in Freiheit mehr oder weniger genießen durften, gilt nichtsdestoweniger in Haft, nämlich, dass nicht jeder Verstoß gegen an sich wünschenswerte zivilisierte Umgangsformen sogleich sanktioniert werden kann …“ 294 Kröber in der Anhörung zum SVVollzG Bln-E, Wortprotokoll Recht 17/19, S.  26: Im Maßregelvollzug werde quasi unter der Hand bestraft. Letzten Endes gehen die Gesetzesbegründungen davon aus, die SV stünden „hinsichtlich der Fähigkeit, das Unrecht einer Handlung einzusehen und danach zu handeln, … regelmäßig Strafgefangenen näher als Unter­ gebrachte in einer Maßregel nach den §§ 63, 64 StGB“; ebso. bspw. Thür LT-Drs.  5/5843, S. 99; Lückemann (OLG Bamberg) in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 7. 295 Zu Recht krit. Streng in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 25: „Kriterium des Unterschieds zwischen Sicherungsverwahrung und Strafhaft“ bleibt, trotz vergleich­barer Gefahrenlage; Fieber, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH-E, S. 4: nicht mit dem Status der SV vereinbar. 296 Vgl. dazu BVerfG NJW 1995, 383; StV 2004, 613; Arloth 2011, § 102 Rn. 1; Laubenthal 2015, Rn728.

III. Grundsätze und Ziele

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schon immer so gehalten hat.297 Erkenntnisse aus der Sozialtherapie legen jedoch nahe, dass Konflikte selbst unter hochgefährlichen Verurteilten nachhaltig mit Gesprächen gelöst werden und sogar besser nachvollzogen werden können, als wenn Disziplinarmaßnahmen schlicht „abgesessen“ werden.298 Dies gilt umso mehr, als in den neuen Sicherungsverwahrungsabteilungen ein Wohngruppenkonzept mit wenigen Untergebrachten durchgesetzt werden soll. Alternative Mittel wie der Entzug von Motivierungsmaßnahmen werden als effektiv eingestuft.299 Zudem sollte es ausreichend sein, dass die Pflichtverstöße bei Lockerungsentscheidungen und im Hinblick auf die Entlassung nicht unberücksichtigt bleiben. Etwas beizubehalten, weil es traditionell so gemacht wird, ist kein sachlicher Grund. Außerdem ist der Verzicht auf Disziplinarmaßnahmen nicht gleichbedeutend mit dem Verzicht auf Regeln und Ordnungen, wie es in mancher Kritik den Eindruck macht.300 Den Befürchtungen im Hinblick auf Selbstjustiz würde man ohnehin mehr damit gerecht, wenn mehr Personal auch am Wochenende und Abend anwesend wäre. Dieses könnte angesichts der überschaubaren Anzahl der Verwahrten einschreiten und Konflikte klären oder zumindest entschärfen.301 Die behaupteten besseren Rechtsschutzmöglichkeiten i. R. d. Systems von Disziplinarmaßnahmen relativierten sich dadurch, dass die Gesetze keinen schriftlichen Bescheid oder gar eine Rechtsmittelbelehrung, geschweige denn ein Einspruchsoder Beschwerderecht vorsehen (vgl. dazu bspw. § 56 ThürSVVollzG).302 Ohnehin müsste zunächst die tatsächliche Situation des Maßregelvollzugs erforscht werden. Bleibt zu hoffen, dass die anderen Länder den Gesetzen, welche die Disziplinarmaßnahmen abschafften, folgen. Zu achten ist jedoch darauf, dass sich kein heimliches Bestrafungssystem unter den Anstaltsbediensteten entwickelt.303 Einer solchen, größtenteils aus Überforderung im Umgang herrührenden, Gefahr muss mittels Fortbildungen, Personalrotation und ähnlichen Maßnahmen entgegengewirkt werden. Nicht zu leugnen 297 So legt es die Äußerung von Weichert-Pleuger in der Anhörung zum BremSVVollzG-E nahe, APr A/RA 18/18, S. 476. 298 Alex in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 58. 299 Abg. Lederer (DIE LINKE) in der Beratung der Anhörung im AVRVG, Wortprotokoll Recht 17/21, S. 27; ebso. Ramsdorf (JVA Bautzen) in der Anhörung zum SächsSVVollzG-E, Apr 5/1–45 A-2 S. 19. 300 Krit. Bachmann (JVA Schwalmstadt) in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48UJV/18/37, S. 15; s. aber Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 4, demzufolge die Verstöße gegen Hausoder Wohngruppenordnung „auf dem Weg der Besprechung und Verhandlung geklärt oder zumindest geregelt“ werden. 301 Vgl. Jung in der Anhörung zum SLSVVollzG-E, VR 15/21, S. 35: „Ich persönlich traue den Vollzugsbediensteten zu, bei einem oder zwei Gefangenen ohne Disziplinarmaßnahmen auszukommen.“ 302 Krit. Nagel in der Anhörung zum SVVollzG LSA-E, S. 32:; Blum/Oelbermann, Schriftliche Stellungnahme zum ThürSVVollzG-E, S. 16. 303 Dies befürchtet Mauruschat, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG M-V-E, S. 2 f., obwohl sie einräumt, dass die Disziplinarmaßnahmen der Therapieorientierung und den Aussagen des BVerfG zuwiderlaufen.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

ist allerdings die Gefahr, dass zur Not auf Sicherungsmaßnahmen ausgewichen werde.304 Sicherlich dürfte die Kombination wie in Berlin aus Disziplinarmaßnahmen und einer solchen präventiven sichernden Maßnahme ein „Sicherheits-Overkill“ sein.305 Für eine konsequente Abschaffung der disziplinarischen Maßnahmen müsste auf solche Vorschriften verzichtet werden, die ein disziplinarisch-präventives Vorgehen in der Praxis legitimieren.306 Letztlich bleibt einem neben der Forderung, dass der Gesetzgeber aktiv werden muss, nur einen verantwortungsvollen Umgang der Praxis und ggf. strenge gerichtliche Kontrolle zu fordern.307 5. Umsetzung in der Praxis a) Freiheit und Sicherheit Der Angleichungsgrundsatz und die Freiheitsorientierung werden in den Konzepten meist zu Beginn in einer Zusammenfassung der Aussagen des BVerfG allgemein dargestellt. Spezifizierungen finden sich mehr oder weniger an konkreter Stelle, wie bspw. bei den vollzugsöffnenden Maßnahmen.308 Dem Konzept der JVA Bützow zufolge beziehe sich die Angleichung an allgemeine Lebensverhältnisse auf zwei Bereiche: Einerseits seien Elemente vorzusehen, welche den Tag strukturieren sowie Halt und Orientierung geben, z. B. durch die Begehung von Festtagen. Andererseits solle es weitere Höhepunkte im Leben des Untergebrachten geben, bspw. durch selbstorganisierte Feierlichkeiten. Sehr viel ausführlicher als derartige Alltagsgestaltungen, die dem als besonders wichtig eingestuften Öffnungsgrundsatz sowie dem Gegensteuerungsgrundsatz dienen,309 gehen die Konzepte auf die Alltagsgestaltung durch Beschäftigung, Sport und sonstige Freizeit sowie Kontakte mit der Außenwelt ein. Beim Thema 304 Galli (JVA Straubing) in der Anhörung zum SächsSVVollzG-E, Apr 5/1–45 A-2, S. 4; and. Ramsdorf (JVA Bautzen), ebda., S. 19. 305 Koldehoff (JuMi Bbg) in der Anhörung zum SVVollzG Bln-E, Wortprotokoll Recht 17/19, S. 15. 306 Problematisch ist bspw. das BbgSVVollzG, welches exakt in diese Richtung geht: Zwar hat es die Disziplinarmaßnahmen abgeschafft, man könnte mit der Regelung des § 83 Abs. 4 BbgSVVollzG aber meinen, dass sie später im Gewand der Sicherungsmaßnahmen angewendet werden sollen. Danach soll die Wiederholung von Verstößen der Untergebrachten „gegen ihnen durch dieses Gesetz oder aufgrund dieses Gesetzes auferlegte Pflichten …, die der Sicherheit der Einrichtung dienen“ bzw. „schwerwiegende Verstöße gegen Pflichten, die der Ordnung der Einrichtung dienen“ verhindert werden. 307 So Kilian in der Anhörung zum SächsSVVollzG-E, Apr 5/1–45 A-2, S. 7. 308 Konzept JVA Bautzen, S. 3 f., das die sieben Gebote des BVerfG wiedergibt; Konzept JVA Bützow, S. 8 referiert die bundesrechtlichen Vorgaben des § 66 c StGB; knapp auch Konzept JVA Rosdorf, S. 5, 33. 309 Konzept JVA Bützow, S. 37: „besondere Bedeutung“; neben der Anpassung an allg. Lebensverhältnisse soll „Monotonie und fehlender Abwechslung und damit einhergehenden Haftschäden“ entgegengewirkt werden.

III. Grundsätze und Ziele

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Sicherheit und Ordnung ist den Konzepten zu entnehmen, dass sie auf die besondere Situation der Sicherungsverwahrten Rücksicht nehmen wollen.310 Es solle nicht nur um Sicherung, sondern ebenso um Besserung gehen. Dies ist teilweise, wie in Mecklenburg-Vorpommern, rein äußerlich zu erkennen. So gibt es im Konzept der JVA Bützow nur einen sehr kurzen Abschnitt mit der Überschrift „Sicherheit“, wo es aber in erster Linie darum geht, dass dem Untergebrachten wesentlich mehr Freiräume eingeräumt seien als Strafgefangenen. Gelten solle „größtmögliche Freiheit nach innen bei größtmöglicher Sicherheit nach außen“.311 Daher könne das bisherige Sicherheitskonzept der Anstalt „nicht unverändert“ für die Sicherungsverwahrungsabteilungen übernommen werden. Eine erfreuliche Abkehr von der bisherigen bloßen Sicherung der Untergebrachten ist zu erkennen, wenn es dort heißt, dass die „soziale Sicherheit in der SV-Abteilung“ sowie die „enge professionelle Beziehung“ eine hohe Sicherheit gewährleisteten. M. a. W. soll Sicherheit durch Resozialisierung und tragfähige Beziehungen zum Personal her­ gestellt werden.312 Aufgrund der „an einer weitgehend autonomen Lebensgestaltung ausgerichteten legislativen Vorgaben“ versucht das Konzept der JVA Brandenburg a. d. H. den Sicherheitsbegriff konkret anzupassen.313 Bspw. wird ganz i. S. e. größtmöglichen Freiheit nach Innen deutlich hervorgehoben, dass die Verwahrten sich tagsüber im Unterkunftsbereich „weitgehend unreglementiert“ aufhalten und im Hof frei bewegen könnten.314 Unterstützt werde dies dadurch, dass nur die Fenster der Unterbringungszimmer vergittert seien, die Zimmertüren eine Insassenschließung erhielten und die Türen des Unterbringungshauses mittels eines Transponders ggf. von Untergebrachten geöffnet werden könnten. Positiv lautet die Feststellung zur Außenorientierung des Sicherungsverwahrungsvollzugs: Dieser verbessere das „Binnenklima der Einrichtung“ und werde „so mittelbar die Sicherheit der Einrichtung“ optimieren. In anderen Konzepten, wie demjenigen aus Berlin, stellt man zwar auf ein gewaltfreies und sozialtherapeutisches Klima der SV-Abteilung ab. Im Übrigen wird jedoch größtenteils das Gesetz unreflektiert abgeschrieben.315 Zwar knapp, aber 310

Konzept JVA Rosdorf, S. 25 f.: „Es besteht ein gesondertes Sicherheitskonzept für die Abteilung Sicherungsverwahrung, welches auf das … Nds. SVVollzG und die sich daraus ergebenden Besonderheiten für diese Unterbringungsform“ Ebso. Konzept JVA Schwalmstadt, S. 8 f. 311 Konzept JVA Bützow, S. 47; Konzept JVA Bautzen, S. 9; ähnl. Konzept JVA Burg, S. 4. 312 Konzept JVA Bützow, S. 47; Konzept JVA Rosdorf, S. 25, wonach der hohe Personalschlüssel eine wichtige Komponente in Bezug auf die Gewährleistung der Sicherheit darstelle; ähnl. Konzept der JVA Bautzen, S. 9. 313 Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 52 ff.; allerdings reicht alleine die Änderung der Begrifflichkeiten nicht aus. 314 Konzept JVA Bbg a. d. H., S.  53 ff.: Sie könnten praktisch jederzeit den Hof der Einrichtung aufsuchen, welcher von der JVA abgetrennt sei; zur Kameraüberwachung vgl. § 111 Abs. 2 S. 1 BbgSVVollzG. 315 Enttäuschend das Konzept JVA Tegel, S. 29 ff., da es v. a. das Gesetz abgeschrieben hat.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

richtungsweisend ist die Feststellung des bayerischen Behandlungskonzepts i. S. d. BaySvVollzG: Aufgrund der Neuerungen der Sicherungsverwahrung sei ein „aufwendiges Sicherheitskonzept“ erforderlich, weil subkulturelle Aktivitäten verhindert werden müssten, allerdings ohne dabei die Besserstellung durch „übermäßig invasive Kontrollaktivitäten“ aufzuheben.316 Negativ fällt das Konzept der JVA Rosdorf insoweit auf, als es für dringend notwendig erachtet, eine „Sicherheitsstation“ einzurichten.317 b) Disziplinarmaßnahmen Das CPT reihte sich nach seinem Besuch im Jahre 2013 in die Reihe derjenigen ein, welche die Beibehaltung der Disziplinarmaßnahmen heftig kritisierten. Besonders negativ sei dem Komitee der praktische Umgang aufgefallen. Es würden bspw. keine Kopien der Disziplinarentscheidung ausgehändigt, sondern nur mündliche Informationen über Rechtsmittel erteilt. Die Rolle der Anstaltsärzte in diesem Zusammenhang sei fragwürdig und die Untergebrachten könnten kein Vertrauen in das interne Beschwerdeverfahren haben.318 Die Konzepte der großen Ländermehrheit, die nicht auf Disziplinarmaßnahmen in ihren Gesetzen verzichtet, enthalten entweder gar keine Aussagen zum Thema Disziplinarmaßnahmen (wie im Konzept der JVA Burg) oder aber eine relativ ausführliche Begründung, wieso es derartiger Regeln bedürfe (Alltagsstrukturierung, Halt und Orientierung durch Regeln, zentrales Ordnungselement) und, dass die Disziplinarmaßnahmen der Neuausrichtung der Sicherungsverwahrung entsprechend aus behandlerischer Sicht anzupassen seien.319 Regeln, z. B. in Form der Hausordnung, gibt es allerdings nicht nur dort, sondern in jeder Sicherungsverwahrungsabteilung. Sie sind von jedem zu befolgen, unabhängig davon, ob Disziplinarmaßnahmen vorgesehen sind oder nicht.320 Teilweise ist wie in der JVA Bützow zur Förderung der Selbstständigkeit vorgesehen, dass die Untergebrachten gemeinsam eine Wohngruppenordnung erstellen, die sich „im nicht diskutablen Rahmen“ der Hausordnung zu bewegen habe.321 Erfreulich ist, dass § 91 Abs. 1 S. 1 SVVollzG M-V entsprechend auch dem Konzept zufolge die „einvernehmliche Konfliktlösung“ den Disziplinarmaßnahmen vor 316

Endres/Breuer, FS 2011, 295. Konzept JVA Rosdorf, S. 12. 318 CPT/Inf (2014) 23, S. 17 ff. Rn. 35 ff.; zur Rolle der Anstaltsärzte die Anm. in CPT/Inf (2011) 28, Rn. 62 f.; die BReg sieht dadurch das Arzt-Patienten-Verhältnis nicht belastet, so CPT/Inf(2014) 24, S. 26. 319 Konzept JVA Bützow, S. 13 f. zur Modifizierung i. S. e. therapeutischen Vollzugs; ebso. Konzept JVA Fuhlsbüttel, S. 13; Konzept JVA Rosdorf, S. 25 f. begnügt sich mit kurzer Umschreibung der gesetzlichen Vorgaben; Konzept JVA Tegel, S. 9. 320 Konzept JVA Bautzen, S. 18: „Die Abteilung hat eine eigene Hausordnung …“; ebso. Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 24, 28; vgl. auch die Hausordnung JVA Diez, S. 4 f. 321 Konzept JVA Bützow, S. 44; Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 27. 317

III. Grundsätze und Ziele

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geht. Die zurückhaltende Formulierung („grundsätzlich“, „in geeigneten Fällen“) dürfte der Orientierung am Gesetz geschuldet sein.322 Was den Konzepten fehlt, ist eine präzise Erläuterung, wie genau die Unter­ gebrachten zur „Konfliktbewältigung befähigt werden“ sollen.323 Richtig ist sicherlich der deutliche Hinweis im Konzept der sozialtherapeutischen Anstalt der JVA Tonna, dass die Mitarbeiter die Konfliktlösung im Alltag vorleben müssen.324 Zusätzlich bindet das Konzept an verschiedenen Stellen ganz allgemein das Thema Konfliktbewältigung in das behandlerische und vorwiegend in das Wohngruppenkonzept ein.325 Die JVA Brandenburg a. d. H. gibt an, dass „das Fehlen disziplinarischer Sanktionsmöglichkeiten keine Schwierigkeit“ darstellt.326 Geklärt werden hier Konflikte i. R. von Wohngruppensitzungen oder wöchentlichen Besprechungen mit dem Einrichtungsleiter. Die anderen Länder sollten diesem Bsp. folgen. 6. Fazit Die Zwecksetzung, den Verwahrten in ein Leben in Freiheit wiedereinzugliedern, war bisher schon zwingend, weil der Untergebrachte andernfalls, wenn es nur um die Sicherheit der Allgemeinheit ginge, zum bloßen Objekt staatlichen Handelns herabgewürdigt worden wäre. Bisher räumte man bei der Abwägung der Sicherheitsinteressen und der Interessen der Verwahrten jedoch stets der Sicherheit und Kontrolle den Vorrang ein.327 Die bisherigen Regelungen haben ein solches Vorgehen der JVAen, gestützt durch die Rechtsprechung, ermöglicht. Anhand der neuen Ziele der Sicherungsverwahrung zeigt sich die überaus schwierige Aufgabe, dass der Vollzug während des laufenden Betriebes von einem (mehr oder 322 § 94 Abs.  2 SVVollzG M-V: „In geeigneten Fällen können zur Abwendung von Disziplinarmaßnahmen im Wege einvernehmlicher Streitbeilegung Vereinbarungen getroffen werden.“ 323 Konzept JVA Bautzen, S. 9: „Statt einer Disziplinierung sollen die Untergebrachten zur Konfliktbewältigung befähigt werden.“ Das Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 86 ff. geht auf den Umgang mit inneren Konflikten ein im Wege der Introvision (dazu weiterführend A. C. Wagner 2007); lediglich zur Zuständigkeit das Konzept JVA Fuhlsbüttel, S. 13; Gesetzeswiedergabe im Konzept JVA Tegel, S. 29. 324 Konzept SothA JVA Tonna, S.10 f.; ebso. deutlich im Konzept SothA JVA Werl, S. 6 f. 325 Konzept SothA JVA Tonna, S. 26: „Ziel ist …, dass Insassen ihre Konflikte für sich erkennen und offen ansprechen.“; Konzept SothA JVA Werl, S. 14: Im Wohngruppenvollzug sei die „Implementierung eines angemessenen Konfliktmanagements“ nötig; ebso. Konzept JVA Freiburg, S. 3; Konzept JVA Freiburg 2016, S. 4. 326 Übersicht JVA Bbg a. d. H., S. 4, wobei die Rede ist von „bisher“. 327 Zwei Bspe. aus jüngerer Zeit, kurz vor dem BVerfG-Urt.: Im Beschl. des OLG Hamm vom 5.8.2010  – 1 Vollz (Ws) 246/10  – bei juris (keine Berücksichtigung der Sonderstellung des SV; dazu Beck, HRRS 2013, 13); OLG Hamm, Beschl. vom 1.2.2011 – 1 Vollz (ws) 807/10 – bei juris (Fokus nicht auf hinreichender Berücksichtigung der Interessen der Verwahrten, sondern auf Kontrolle und Sicherheit durch die JVA und des OLG).

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

weniger) „Strafvollzug der Sicherungsverwahrung“ mit Schwerpunkt Sicherheit zu einem durchlässigen Verwahrvollzug mit vorrangiger freiheits- und behandlungsorientierter Ausrichtung umgestellt werden muss. Inwiefern die durchaus lobenswerten Ziele realisiert werden, wird erst in einigen Jahren beurteilt werden können und müssen. Im Moment ist es offen, wie die normativ festgeschriebene Behandlungs- und Therapieausrichtung überhaupt angenommen und Wirkung zeigen wird. Auch steht nicht fest, ob die Zurückdrängung des Sicherheitsaspekts auf dem Papier in die Tat umgesetzt werden kann. Der ME-SVVollzG und die ihm folgenden Gesetze sind vorzugswürdig, weil der Schutz der Allgemeinheit als (sekundäre)  Aufgabe des Vollzugs bezeichnet wird – die Norm muss aber in der Praxis dementsprechend ausgelegt werden.328 Bei den im GE-SVVollzG und den ihm folgenden Ländern gleichrangigen Vollzugszielen kommt es (theoretisch) eher zu Zielkonflikten, als es nach dem MESVVollzG bei dieser Interpretation der Fall wäre.329 Zwar kann und darf man den Schutz der Allgemeinheit nicht ganz ausklammern, da diesem aufgrund der Legitimation der Sicherungsverwahrung große Bedeutung zukommt. Dennoch haben einige Länder diesen nicht, wie vom BVerfG zum Ausdruck gebracht, als sekundäre Vollzugsaufgabe festgehalten, sondern ohne Abstufung Resozialisierung, Gefährlichkeitsminimierung und Sicherheit gleichgesetzt. Ob sich die darüber hinausgehenden genannten Abweichungen i. S. e. Überbetonung der Sicherheitsorientierung in Bayern, Hamburg und Nordrhein-Westfalen praktisch auswirken oder nur symbolische (in die falsche Richtung zeigende) Bedeutung haben, wird der Streitfall entscheiden müssen.330 Allerdings kann man vermuten, dass es bei der Anwendung der Norm durchaus eine Wirkung entfalten kann, wie die Reihenfolge ausfällt bzw. wie genau etwas angesprochen wird oder nicht. Die erwähnten Gesetze zeigen deutlich, dass nicht die von allen Ländern schon i. R. d. allgemeinen Grundsätze neben der Freiheitsorientierung angesprochene Behandlungsorientierung, sondern die Abkehr von der bisherigen Sicherheitsorientierung die Krux für die Praxis sein wird. Zum Ausdruck gebracht haben die Gesetze, dass die Therapieausrichtung mindestens auf dem gleich hohen Niveau wie der Sicherheitsaspekt zu verfolgen ist. Dies ist zwar einerseits eine positive Abweichung vom bisherigen Vollzug, lässt aber andererseits Konflikte als nahezu vorprogrammiert erscheinen. Neben der Begründung im Zusammenhang mit den Disziplinarmaßnahmen zeigt bspw. Art. 5 BaySvVollzG („Schutz der Allgemeinheit“) und speziell die Begründung dazu ein in allen Gesetzen eröffnetes Problemfeld: Der Gesetzgeber

328 Anzustreben wäre eine kombinierte Vorschrift, die das primäre Vollzugsziel der SV in der Minimierung der Gefährlichkeit als Teil der deutlich zu betonenden Resozialisierung des Verwahrten sieht und den Schutz der Allgemeinheit vor weiteren „erheblichen“ Straftaten als sekundäre „Aufgabe“ des Vollzugs begreift. 329 Dazu der Abg. Limburg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Nds. PlPr 16/138, S. 17944. 330 Derzeit (Stand: Januar 2017) liegen noch keine gerichtlichen Entscheidungen dazu vor.

III. Grundsätze und Ziele

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orientierte sich sehr (bisweilen womöglich zu) häufig am StVollzG.331 Sicherlich wurde i. R. d. Grundsätze vieles für den Sicherungsverwahrungsvollzug normiert, was bisher ähnlich über § 130 StVollzG galt, aber anscheinend nicht ernst genommen wurde. Dass man dem Grundgerüst des StVollzG folgte, lässt einen zwar an der Möglichkeit, eine unabhängige, spezifisch auf einen, die besondere Situation der ein Sonderopfer erbringenden Verwahrten, ausgerichteten Vollzug zweifeln. Dennoch dürfte dies nicht ausschlaggebend sein, sondern vielmehr, ob dennoch über die zugegebenermaßen recht ähnlichen Vollzugsziele und allgemeinen Grundsätze hinaus ausreichend spezifische Vorschriften für die Sicherungsverwahrung im Detail geschaffen wurden. Die Beurteilung dessen, ob man immer noch in Richtung Verwahrvollzug geht oder nicht, kann jedoch nicht allein anhand der Vollzugsziele ausgemacht werden.332 Einige Konzepte, allen voran dasjenige aus Brandenburg a. d. H., deuten in eine positive Richtung, weil sie deutlich das Ziel, die besondere Situation der Verwahrten berücksichtigen zu wollen, betonen und dementsprechend nicht am bisherigen Konzept der Unterbringung von­ Sicherungsverwahrten festhalten wollen. Dem BVerfG ist zu entnehmen, dass Beschränkungen rein aufgrund organisatorischer Aspekte bei einer entsprechenden freiheitsorientierten Ausrichtung in der Sicherungsverwahrung zumindest nicht ohne weiteres mehr möglich sind.333 Wenig befriedigend ist jedoch, dass dies nur einige dem GE-SVVollzG folgenden Gesetze in ihren Begründungen ansprechen.334 Dass im Zusammenhang mit dem Angleichungsgrundsatz kritisiert wurde, es sei nahezu lächerlich, wie beim BVerfG abgeschrieben werde, kann nicht recht überzeugen. Denn zu begrüßen ist, dass­ damit der dringend notwendige Versuch unternommen wird, einen vom StVollzG abweichenden Grundsatz zu schaffen und nicht nur die Norm des StVollzG zu übernehmen. Hinsichtlich der Stellung und Rechte der Sicherungsverwahrten beschäftigte man sich hauptsächlich mit der Frage, wie man diese beschränken kann. Die Generalordnungsklausel, welche schon im Strafvollzug aufgrund ihrer Unbestimmtheit für berechtigte Kritik sorgte, verschärft sich in einigen SVVollzGen dadurch, dass im weiteren Gesetzestext ein unübersichtliches und wenig aufeinander abgestimmtes Abstufungssystem verschiedener Ordnungsstörungsgrade etabliert 331

Dies war neben dem bayerischen Gesetzgebungsverfahren (vgl. dazu insbes. Streng in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 6) Gegenstand krit. Stellungnahmen, z. B. in M-V und LSA. 332 Bachmann 2015, 156 für den Strafvollzug; s. a. Rehn, ZfStrVo 2003, 75. 333 Z. B. LSA LT-Drs. 6/1673, S. 105: „… da insbesondere rein organisatorische Erwägungen Beschränkungen im Vollzug der Sicherungsverwahrung nicht in gleicher Weise rechtfertigen können wie im Vollzug der Freiheitsstrafe“; ebso. BeckOK JVollzGB V-Wulf, § 2 Rn. 9. 334 BW LT-Drs. 15/2450, S. 56; Bay LT-Drs. 16/13834, S. 29; Hmb LT-Drs. 20/6795, S. 52; H LT-Drs. 18/6068, S. 58; LSA LT-Drs. 6/1673, S. 105. Die Praxis kritisierend CPT/Inf(2014) 24, S. 11–17.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

wurde. Zudem gibt es weitere problematische Vorschriften, die den Themenbereich von Sicherheit und Ordnung betreffen. Bsph. genannt seien die Meldepflichten in § 45 Abs. 6 HSVVollzG/ThürSVVollzG oder die Einbeziehung des Schutzes der Allgemeinheit in den Sicherheitsbegriff der Anstalt im GE-SVVollzG und ihm folgenden sieben Ländern. Zur Begründung, dass Disziplinarmaßnahmen weiterhin notwendig seien, stellten einige Gesetzgeber auf die fehlende Vergleichbarkeit mit dem Maßregelvollzug und identische Situation zum Strafvollzug ab.335 Daher verwundert es nicht, dass die Disziplinarmaßnahmen recht unterschiedlich ausgestaltet worden sind, aber insgesamt im Wesentlichen kaum vom „Strafvollzugsvorbild“ abweichen. Bei den disziplinarischen und sichernden Maßnahmen hat man es daher versäumt, schon für den Strafvollzug kritisierte Maßnahmen zu reformieren oder ganz auf sie zu verzichten. Konsequenterweise sollten sie abgeschafft werden, da sie nicht zum präventiven Sonderopfer passen und ohnehin aus der Praxis immer wieder berichtet wird, dass man kaum davon Gebrauch machen müsse.336 Abschließend ist zu sagen, dass alle SVVollzGe es wie das Konzept der JVA Brandenburg a. d. H. halten sollten: „Verletzungen getroffener Vereinbarungen … [müssen] auf dem Weg der Besprechung und Verhandlung geklärt oder zumindest geregelt­ werden.“337

IV. Therapeutische Ausrichtung, vollzugsöffnende Maßnahmen und Entlassungsvorbereitung sowie soziale Hilfe Zu unterscheiden ist zwischen der Behandlung im engeren Sinne und einem Behandlungsvollzug in Gänze. Ersteres meint einen Teil einer umfassender zu verstehenden Betreuung, d. h. Therapie und Behandlung i. S. d. § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB und daher eine „psychiatrische, psycho- und sozialtherapeutische“ Behandlung, welche in diesem Abschnitt näher betrachtet wird. Behandlungsvollzug in Gänze meint den bisher dem StVollzG zu Grunde zu legenden offenen und weiten Behandlungsbegriff, d. h. „alle Maßnahmen und Hilfen, die auf der Grundlage eines humanen und liberalen Vollzugs verlässlich dazu beitragen, das Vollzugsziel zu erreichen“.338 Umfasst sind also neben individual- und sozialtherapeutischen Maßnahmen allgemeinere wie z. B. die Bereiche Arbeit, Bildung und Beratung oder weitreichender den Umgang der Bediensteten mit den Untergebrachten,

335

J. Schäfer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 162. So das Konzept JVA Bbg a. d. H., S.  16; s. a. Dünkel in der Anhörung zum HmbSV VollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 7. 337 S. die Übersicht im Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 4. 338 Rehn 2012, 58; vgl. zum weiten Behandlungsbegriff BT-Drs. 7/918, S. 45; ebso. Calliess/ Müller-Dietz 2008, § 4 Rn.  6, § 140 Rn.  3; SBJL-Jehle 2013, § 4 Rn.  2; Laubenthal 2015, Rn. 158. 336

IV. Therapeutische Ausrichtung

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deren Unterbringung, das Freizeitangebot.339 Daneben gehören zum Behandlungsvollzug die vollzugsöffnenden Maßnahmen an deren Ende im Idealfall die Entlassungsvorbereitung steht, welche aufgrund einer „unauflösliche[n] Verzahnung von Behandlung und … vollzugsöffnenden Maßnahmen … integraler Teil der Behandlung“ werden.340 1. Bisherige Regelungen a) Betreuung und Behandlung Der ursprünglich angestrebte Behandlungsvollzug wurde durch die Regelung der § 129 ff. StVollzG für die Sicherungsverwahrung schon seit jeher modifiziert. Über eine zu eng formulierte Überschrift („Ausstattung“) hinaus enthielt § 131 StVollzG341 zumindest eine konzeptionelle Vorgabe des Gesetzgebers zur Gestaltung des Sicherungsverwahrungsvollzugs.342 Bei den noch zu entwickelnden „besonderen Maßnahmen zur Förderung und Betreuung“ nach § 131 S. 1 StVollzG ging es vornehmlich darum, eine sinnvolle Lebensgestaltung zu fördern und Schäden eines langen Freiheitsentzugs zu verhindern.343 Das verfassungsgerichtlich bereits im Jahr 2004 für die Sicherungsverwahrung betonte Resozialisierungsprinzip sollte entsprechend der Kommentarliteratur eine menschenwürdige Umsetzung dieses Betreuungskonzepts mittels Behandlungsprogrammen und -angeboten erfordern.344 Ein konkretes Behandlungskonzept war bisher aus finanziellen und Flexibilitätsgründen nicht gesetzlich vorgesehen.345 Gemäß § 131 S. 2 StVollzG sollten die individuellen Bedürfnisse berücksichtigt werden und Beschränkungen der Verwahrten nur aufgrund der Sicherheit der Anstalt bzw. des Miteinanders der Verwahrten untereinander erfolgen.346 Der ´Behandlungsbegriff blieb im StVollzG ohne Definition, anders z. T. in den Län 339

Vgl. BT-Drs. 7/918, S. 45. LG Marburg, Beschl. vom 13.9.2013 – 7 StVK 109/12, Rn. 28 – bei juris. 341 § 131 StVollzG: „Die Ausstattung der Sicherungsanstalten, namentlich der Hafträume, und besondere Maßnahmen zur Förderung und Betreuung sollen dem Untergebrachten helfen, sein Leben in der Anstalt sinnvoll zu gestalten, und ihn vor Schäden eines langen Freiheitsentzuges bewahren. Seinen persönlichen Bedürfnissen ist nach Möglichkeit Rechnung zu tragen.“ 342 Zur zu eng gefassten Überschrift SB-Rotthaus 1983, § 131 Rn. 1; später SBJL-Koepsel 2009, § 131 Rn. 1; Fennel 2006, 260 f. Dem entsprachen §§ 99 JVollzGB III a. F.; 68 Abs. 3 HStVollzG a. F.; 95 HmbStVollzG; 108 NJVollzG sowie Art. 161 BayStVollzG a. F. 343 Für einen „privilegierten Vollzug“ i. d. S. Arloth 2008, § 131 Rn. 1; SBJL-Koepsel 2009, § 131 Rn. 1. 344 SBJL-Koepsel 2009, § 131 Rn. 2; krit. SBJL-Koepsel 2013, § 131 Rn. 2. 345 Laubenthal 2015, Rn. 158 m. w. N. Pauschal galt die für Strafgefangene geschaffene Regelung zur Unterbringung in der sozialtherapeutischen Anstalt (vgl. §§ 9, 130 StVollzG). Die Landesregelungen wichen z. T. deutlich ab, s. dazu Kinzig/Richter, FS 2011, 319. 346 SBJL-Koepsel 2013, § 131 Rn. 3. 340

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

dern,347 deren Regelungen eine v. a. symbolische Verknüpfung mit dem Opferschutz vornahmen.348 Im Übrigen fand der Behandlungsbegriff eine Konkretisierung lediglich durch den Inhalt des Vollzugsplans.349 Ein Anspruch auf Anwesenheit der Verwahrten bei den Konferenzen oder ein subjektives Recht auf Maßnahmen, die in den Vorschriften zum Vollzugsplan geregelt werden sollten, bestanden nicht.350 Die Mitwirkung der Untergebrachten an ihrer Behandlung und dem Vollzugsziel hatte bereits das StVollzG vorgesehen, um die Subjektstellung des Verwahrten zu betonen (vgl. §§ 4 Abs. S. 1, 130 StVollzG).351 Bei der eingeforderten Mitwirkung sollte es sich jedoch mit Ausnahme Hamburgs nicht um eine mit Zwang durchsetzbare Pflicht des Verwahrten handeln.352 Allerdings traf den Verwahrten durch die Worte „wirkt mit“ bzw. die Sollvorschriften eine gewisse „Regelerwartung“,353 mit der nach §§ 4 Abs. 1 S. 2 i. V. m. 130 StVollzG354 der Auftrag der Anstalt, diese Mitarbeit „zu wecken und zu fördern“ korrespondierte. b) Lockerungen, Urlaub und Entlassungsvorbereitung sowie soziale Hilfe Allein die Zielsetzung betrachtet, glich der in § 134 StVollzG für die Sicherungsverwahrung vorgesehene Sonderurlaub zur Entlassungsvorbereitung demjenigen in der sozialtherapeutischen Anstalt nach § 124  StVollzG. Allerdings erachtete 347

S. für die bayerische Regelung sowie allg. krit. zur Defizittheorie Bung, KJ 2009, 299. Durch die Legaldefinition der Behandlung in §§ 4 S. 1 i. V. m. 94 HmbStVollzG a. F. stellte der Gesetzgeber den Resozialisierungsauftrag in den Vordergrund, um ihn im Zusammenhang mit der Mitwirkungspflicht und Tendenzen eines sog. Chancenvollzugs zu relativieren; vgl. auch Hmb LT-Drs. 18/6490, S. 2; krit. Dünkel/Pruin, KrimPäd 2015, 32. 348 Nur § 13 Abs. 2 S. 2, 68 Abs. 1 HStVollzG a. F. 349 Vgl. SBJL-Wischka 2013, § 7 Rn. 16–20 m. w. N. 350 Z. B. in H Unterscheidung zwischen der Beratung in der Konferenz und der Erörterung des Vollzugsplans mit dem Verwahrten, vgl. dazu H LT-Drs. 18/1396, S. 81; s. a. Hmb LTDrs. 18/6490, S. 33; SBJL-Wischka 2013, § 7 Rn. 5, 19 f. 351 Die neutrale Formulierung des StVollzG („Der Gefangene wirkt an der Gestaltung seiner Behandlung und an der Erreichung des Vollzugszieles mit.“) hatte jedoch nur § 3 JVollzGB III a. F. übernommen. Bay, H und Nds. enthielten nur eine „Sollvorschrift“. 352 §§ 5 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 94 HmbStVollzG a. F. sprachen ausdrückl. davon, dass die Verwahrten eine aktive Mitwirkungspflicht treffe, s. dazu R. Schneider 2010, 66. Zum StVollzG vgl. BT-Drs. 7/918, S.  10; BGBl. I 1976, S.  581 sowie AK-StVollzG-Bung/Feest 2012, § 4 Rn. 5; ebso. Haberstroh, ZfStrVo 1982, 259; zu den LStVollzGen vgl. Bay LT-Drs. 15/8101, S. 50; H LT-Drs. 18/1396, S. 78; missverständlich Nds. LT-Drs. 15/3565, S. 88; dazu Köhne, ZRP 2010, 222. Das BVerfG NJW 1993, 3189; ebso. BVerfGE 9, 236; BVerfG NStZ 2002, 222 forderte eine Bereitschaft zur Kooperation, aber keine Pflicht zur Mitwirkung. 353 Haberstroh, ZfStrVo 1982, 259; krit. zu sehen sind v. a. die Konsequenzen bei deren Nichtbefolgung. 354 Krit. R.  Schneider 2010, 68; s. a. Haberstroh, ZfStrVo 1982, 259 ff. zum befürchteten „Rückkoppelungsmechanismus“ bloßer Scheinanpassungen; H. Schneider, ZfStrVo 2004, 140 f. zu Konsequenzen der „verweigerten Gefolgschaft“ und „erzwungenen Gefolgschaft“; ebso. Herrfahrdt 2008, 473.

IV. Therapeutische Ausrichtung

325

man für Sicherungsverwahrte nur einen Monat statt dort sechs für vertretbar.355 Nicht nur die Beteiligung der StVK im Zusammenhang mit dem zur Entlassungsvorbereitung ggf. zu gewährenden Sonderurlaub (vgl. § 134 StVollzG: „kann“), sondern auch die Verknüpfung der Entscheidung ganz konkret mit dem Entlassungszeitpunkt wurde vollstreckungsrechtlich begründet.356 Erschwerungen fanden sich in den LStVollzGen. Bspw. war § 102 Abs. 1 S. 2 JVollzGB III a. F. zufolge der im Ermessen der Anstalt stehende Urlaub zur Entlassungsvorbereitung nur vorgesehen, wenn er „unabdingbar“ war.357 Weitere Urlaubsmöglichkeiten und allgemeine Lockerungen ergaben sich parallel zum Strafvollzug in demselben Umfang wie für Strafgefangene.358 Den Anstalten war jeweils ein Ermessen eingeräumt. Dass die normativ-theoretische Seite der Vollzugslockerungen nicht mit der Rechtstatsächlichkeit übereinstimmte,359 resultierte in erster Linie aus der Anwendung der bundeseinheitlichen VV zum StVollzG und noch restriktiveren landesspezifischen Verwaltungsvorschriften.360 Teilweise wurden die VV als „sachge 355 Vgl.  BT-Drs.  7/918, S.  90; krit. Calliess/Müller-Dietz 2008, § 134 Rn.  1; Arloth 2011, § 134 Rn. 1: Hierbei war nach VV Nr. 3 zuvor die StVK zu hören. Aus vollstreckungsrechtlicher Sicht als sinnvoll erachtet von SBJL-Koepsel 2009, § 134 Rn. 1; Calliess/Müller-Dietz 2008, § 134 Rn. 1; AK-StVollzG-Feest/Köhne 2012, § 134 Rn. 7; s. o. Teil C.IV.3. Vollzugs­ lockerungen konnten aber nicht allein deshalb abgelehnt werden, weil sie nicht mit dem Sicherungszweck der SV zu vereinbaren gewesen wären; vgl. AK-StVollzG-Fest/Köhne 2012, § 130 Rn. 1; dennoch Arloth 2011, § 130 Rn. 2. 356 SBJL-Koepsel 2013, § 134 Rn. 1; ähnl. Arloth 2011, § 134 Rn. 3; Calliess/Müller-Dietz 2008, § 134 Rn.  2; krit. aber AK-StVollzG-Feest/Köhne 2012, § 134 Rn.  2; Kaiser/Schöch 2010, 87. Einen Zusammenhang mit dem Entlassungszeitpunkt mit lockernden Maßnahmen und Urlaub war bisher nur in einzelnen VV hergestellt (z. B. VV Nr. 7.2 zu § 9 JVollzGB III, Die Justiz 2010, 109 ff.). 357 Zudem räumte Abs. 2 der Vorschrift der Aufsichtsbehörde einen Zustimmungsvorbehalt ein. Bay schrieb die vorherige Anhörung der StVK im Gesetz (vgl. Art. 163 S. 3 BayStVollzG a. F.) vor; H und Hmb etablierten nicht einmal eine Sonderregelung; krit. zu dieser Schlechterstellung Bartsch 2010, 129. 358 Vgl. §§ 13, 15, 35 und 36 StVollzG i. V. m. § 130 StVollzG; die allg. Lockerungen folgten aus §§ 11, 12 StVollzG i. V. m. § 130 StVollzG; ähnl. strukturiert die LStVollzGe, vgl. dazu AK-StVollzG-Köhne/Lesting 2012, § 11 Rn. 76 m. w. N. 359 Für den Strafvollzug allg. s. Dünkel/Pruin, KrimPäd 2015, 31. 360 Zu den restriktiven Bundes-VV (etwa VV Nr. 1 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 zu § 10 StVollzG: „Vom offenen Vollzug ausgeschlossen“, VV Nr. 6 Abs. 1 lit. d und Abs. 2 zu § 11 StVollzG: „Außenbeschäftigung, Freigang und Ausgang sind ausgeschlossen“) vgl. A. Böhm 2003, 226; Laubenthal, ZStW 2004, 734. Ebso. haben die Bundesländer z. T. zusätzlich eigene weitere Hürden bzgl. der Gewährung von Lockerungen und Urlaub eingebaut, bspw. forderte BW in der VwV des JuM „Offener Vollzug, Lockerungen des Vollzugs und Urlaub“(vgl. etwa VwV d. JuM vom 8.12.2004, Die 0001Justiz 2005, 8; zuvor AV d. JuM vom 20.1.1995, Die Justiz, 75; VwV d. JuM vom 1.9.2002, Die Justiz, 546), dass bei den häufig in der (potentiellen) SV anzutreffenden Sexualstraftätern für nicht unmittelbar entlassungsvorbereitende Vollzugslockerungen je nach Schwere der Tat entweder das „Gutachten eines externen Sachverständigen“ oder eine „eingehende befürwortende Stellungname einer sachverständigen internen Fachkraft“ einzuholen war (vgl. dort Nr. 1 Abs. 3). In anderen landesrechtlichen VV war bspw. ein besonders gründliches Prüfungsverfahren vorgesehen, nicht nur bei „gefährlichen Sexualstraftaten“, sondern schon bei „gefährlichen Gefangenen“; dazu Rehn, ZfStrVo 2003, 70 f.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

recht“ eingestuft, weil bei Sicherungsverwahrten besonderer Anlass zur Prüfung des Behandlungsstandes sowie der Flucht- und Missbrauchsgefahr bestehe.361 Andererseits wurde die Einschaltung der externen Aufsichtsbehörde, obwohl das StVollzG in § 156 Abs. 2 S. 2 StVollzG die Entscheidung für Vollzugslockerungen dem Anstaltsleiter zugeschrieben hatte, beklagt.362 Denn die StVK scheuten sich trotz deren Notwendigkeit für eine sinnvolle Entlassungsvorbereitung, dem Vollzug konkrete Vorgaben zu machen, wenn sie nicht hinreichend durch entsprechende Sachverständigengutachten abgesichert schienen.363 Naheliegend war daher die Vermutung, dass Aufsichtsbehörde und StVK sich zurückhaltend verhielten, weil und „solange Gesetzgeber und öffentliche Meinung jede risikobehaftete Entscheidung bei ‚gefährlichen Rechtsbrechern‘ für justizpolitisch bedeutsam“ einstuften.364 Schließlich waren weder i. R. d. VV noch im StVollzG andere Möglichkeiten zur „Erprobung in Freiheit“ selbst vorgesehen.365 Zwar stellen die gennannten VV nicht zwangsläufig eine Verschärfung der Lockerungspraxis dar.366 Dennoch zeugen sie von einem programmatischen Anspruch, Lockerungen inklusive Entlassungsvorbereitung restriktiv ggü. der Klientel der Sicherungsverwahrten zu handhaben.367 Die (Bundes- und Landes-)VV entfalteten somit eine resozialisierungsfeindliche Wirkung.368 Bayern, Hamburg und Niedersachsen schrieben besonders gründliche Prü­ fungen der Lockerungs- bzw. Urlaubsmöglichkeit bzw. die Begutachtung oder Berücksichtigung von Gutachten für Gewalt- und Sexualstraftäter vor.369 Stig­ma­ tisierung der betroffenen Personen und Überbelastung aufgrund der erfor­der­li­chen Gutachten sind nur einige damit verbundene kritische Aspekte.370 Weitere, auf den ersten Blick eher unscheinbare landesspezifische gesetzliche Veränderungen sorgten dafür, dass Lockerungen nahezu unerreichbar für Verwahrte wurden. Z. B. war nach § 9 Abs. 1 JVollzGB III a. F. zu unbestimmt eine „gefestigte Persönlichkeit“ 361 Arloth 2011, § 131 Rn. 2; z. T. krit. Calliess/Müller-Dietz 2008, § 130 Rn. 2; konkret gegen die Zulässigkeit AK-StVollzG-Feest/Köhne 2006, vor § 129 Rn. 7, § 130 Rn. 4, § 134 Rn. 3. 362 S. dazu AK-StVollzG-Feest/Köhne 2012, § 11 Rn. 67; Bedenken äußerte bereits Koepsel, ZfStrVo 1992, 46. 363 SBJL-Koepsel 2013, § 130 Rn. 7. 364 SBJL-Koepsel 2013, § 130 Rn. 7, Rn. 4: bei den StVK sei ein Trend zu erkennen, „bei ‚dissozial egozentrischen‘ und ‚sexual devianten (sadistisch veranlagten)‘ Sexualstraftätern eine Bewährungsentlassung überwiegend“ abzulehnen, so dass der Vollzug „zur ‚Sterbe­ begleitung‘ von Inhaftierten genötigt“ werde; dies verneinend Nedopil, BewHi 2001, 341 ff. 365 S. dazu Dünkel 1996, 71; ders. 1993, 641 ff. 366 Diese Bestimmungen stellten zumindest eine (große)  rein faktische Hürde dar, da sie bei der Ermessensausübung durch die Anstalt eine Bedeutung hatten; in diesem Sinne krit. Bartsch 2010, 120; Kinzig 1996, 73; Köhne, BewHi 2005, 280; zurückhaltender Calliess/­ Müller-Dietz 2008, § 13 Rn. 8. 367 Allg. für den Strafvollzug Dünkel/Pruin, KrimPäd 2015, 32. 368 Zur Beeinträchtigung der Resozialisierung vgl. Schönberger 2002, 203. 369 Art. 15 BayStVollzG a. F.; §§ 12 Abs. 1 S. 2 i. V. m. 11 Abs. 3 HmbStVollzG a. F.; § 16 NJVollzG a. F. 370 Krit. dazu Feest, StV 2008, 556; Köhne, NStZ 2009, 131 f.

IV. Therapeutische Ausrichtung

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erforderlich, um für vollzugsöffnende Maßnahmen überhaupt in Frage zu kommen.371 Dies ließ sich sehr leicht im Sicherungsverwahrungsvollzug verneinen. Das StVollzG sah bisher mit dem über § 130 StVollzG auch im Sicherungsverwahrungsvollzug theoretisch geltende § 71 StVollzG einen Anspruch auf soziale Hilfe vor und differenzierte in §§ 72–75 StVollzG zwischen den verschiedenen Phasen der sozialen Hilfe während der Aufnahme, z. Z. der Durchführung und zur Entlassungsvorbereitung. Das bedeutete zwar keinen Anspruch auf eine ganz bestimmte Hilfeleistung. Die Anstalt konnte also zur Hilfe, aber selbstverständlich nicht zu einem Erfolg verpflichtet werden.372 Eine z. T. sehr von der StVollzGNorm abweichende Struktur wiesen jedoch die LStVollzGe auf: Sie haben den Anspruchscharakter nicht übernommen.373 2. Therapeutische Ausrichtung a) Anspruch auf Betreuung und Behandlung Zu klären gilt, wie die Bedeutung von Therapie und Behandlung im Unterschied zu den bisherigen (L)StVollzGen in den SVVollzGen sichtbar wird.374 Richtet sich § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB an die Anstalten, gilt in den SVVollzGen der Grundsatz, dass Untergebrachte einen Anspruch auf Durchführung von Behandlungsmaßnahmen haben, selbst wenn in keinem der SVVollzGe das Wort „Anspruch“ zu finden ist.375 Betrachtet man sich die konkrete Ausgestaltung, so fallen jedoch erhebliche Unterschiede auf. 371 Ebso. gab es bspw. im HmbStVollzG a. F. kritikwürdige Regelungen, vgl. § 12 Abs.  2 HmbStVollzG a. F.; ebso. im NJVollzG a. F., vgl. § 13 Abs. 3 S. 1 NJVollzG a. F.; krit. dazu Dressel 2008, 152 f.; AK-StVollzG-Köhne/Lesting 2012, § 11 Rn. 77; speziell für Hmb s. Ullmann 2012, 145 ff. 372 Zur bisherigen Rechtslage AK-StVollzG-Bertram/Huchting 2012, § 71 Rn. 2 f., 8; Bung, KJ 2009, 295. 373 So etwa Art. 74 BayStVollzG a. F.; krit. dazu Bung, KJ 2009, 295 ff.; zur Angebotsorientierung allg. AK-StVollzG-Feest/Lesting 2012, vor § 2 Rn. 19. § 4 Rn. 3; s. a. LNNV/Laubenthal 2015, H Rn. 115. 374 Zweifelnd Krahl, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S.  165. Ostendorf 2015, Rn.  286 meint, dass der Jugendstrafvollzug auch bisher therapie- und freiheitsorientiert auszurichten gewesen sei, so dass hier ein Abstand noch viel weniger denkbar sei. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass die JStVollzG in unterschiedlicher Ausprägung ebso. wie die LStVollzGe bzw. das StVollzG selbst sowohl die Resozialisierung als auch z. T. sogar verschärfend den Schutz der Allgemeinheit als gleichrangiges Vollzugsziel formulieren (vgl. dazu bspw. § 2 S. 1 JVollzGB I a. F. [Schutz der Bürger] noch vor § 1 JVollzGB IV a. F. [Erziehungsauftrag]); krit. zur fehlenden Berücksichtigung jugendstrafrechtlicher Besonderheiten ebso. Eisenberg, StV 2011, 480. 375 § 8 Abs.  1 JVollzGB V; Art.  10 Abs.  1 BaySvVollzG; jeweils § 15 Abs.  2 SVVollzG Bln; BbgSVVollzG; BremSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG/SLSVVollzG; SächsSVVollzG; § 10 Abs. 1 HmbSVVollzG; § 4 Abs. 1 HSVVollzG/ThürSVVollzG; § 4 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 Nds. SVVollzG; §§ 2 Abs. 2, 11 Abs. 1 SVVollzG NRW; § 11 Abs. 1 SVVollzG LSA; § 16 Abs. 2 SVVollzG SH; s. a. Dessecker 2016, 475.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

In besonderem Maße unterscheiden sich die Kontexte, in denen die Ansprüche geregelt sind und die Verbindlichkeit ihrer Formulierung. Die Behandlung und den Anspruch als allgemeinen Grundsatz festgehalten haben Hessen, Niedersachsen und Thüringen (vgl. Tabelle A5 im Anhang). Dabei handelt es sich um eine Konkretisierung der im Vorgängerparagraphen zum Ausdruck gebrachten, therapeutischen Ausrichtung des Sicherungsverwahrungsvollzugs.376 Im Detail unterscheiden sich jedoch die Gesetze aus Hessen und Thüringen vom niedersächsischen Gesetz. Niedersachsen sticht heraus, weil es als einziges Bundesland die Mitwirkung der Sicherungsverwahrten nur im Zusammenhang mit dem Betreuungsanspruch festgelegt hat (vgl. § 4 Abs. 1 S. 2 Nds. SVVollzG: „Maßnahmen zur Erreichung der Vollzugsziele“). Diese Verbindung erklärt sich mit der Gesetzeslektüre des § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB. Danach soll die Betreuung geeignet sein, die Mitwirkungsbereitschaft des Verwahrten zu wecken und zu fördern. Dies ist zu befürworten, da die Mitwirkung im Kontext der Betreuung nicht ganz allgemein und isoliert normiert wurde, wie es bspw. im GE-SVVollzG und den ihm folgenden Ländern der Fall ist. Des Weiteren ist Niedersachsen das einzige Bundesland, das sich in zeitlicher Hinsicht mit dem Zusatz, dass die Angebote „unverzüglich“ zu machen sind, im Vergleich zu allen anderen SVVollzGen verbindlicher festlegte.377 Damit entspricht das Gesetz am ehesten der Vorgabe des BVerfG, dass die „plangemäß gebotenen Maßnahmen … zügig und konsequent umzusetzen“ sind.378 Einige Gesetze nehmen wie das dem GE-SVVollzG folgende JVollzGB V eine Art Zwitterstellung ein (vgl. Tabelle A5 im Anhang). Einerseits gibt es einen allgemeinen Grundsatz zu den Behandlung- und Betreuungsmaßnahmen, der den Untergebrachten jedoch „keine unmittelbaren Rechte auf einzelne Maßnahmen“ einräumt.379 Andererseits finden sich Regelungen wie § 8 Abs.  1 S.  1 JVollzGB V in einem speziellen Abschnitt zur „Aufnahme und Behandlung“, welche den eigentlichen Anspruch auf „erforderliche“ Behandlungsangebote seitens der Vollzugseinrichtung („Ob“) enthalten sollen. Die Formulierung des Gesetzestextes ist identisch.380 Sprachlich gelungener ist der ME-SVVollzG und die ihm folgenden SVVollzGe, weil sie i. R. d. Gestaltungsgrundsätze auf die therapeutische Ausrichtung sowie die intensive und individuelle Betreuung der Verwahrten allgemein­ abstellen. Erst in einem zweiten Schritt wird sprachlich abweichend und inhaltlich an passender Stelle im Abschnitt „Therapeutische Ausgestaltung und Maßnahmen“ ein Rechtsanspruch normiert (vgl. z. B. § 15 Abs. 2 S. 1 LSVVollzG).381 376

H LT-Drs. 18/6068, S. 59. Vgl. dazu Tabelle A7 im Anhang sowie unten Teil D.IV.3. 378 BVerfGE 128, 379. 379 BW LT-Drs. 15/2450, S. 55; gleichfalls GE-SVVollzG, S. 3, 42, 61. 380 BW LT-Drs. 15/2450, S. 61; GE-SVVollzG, S. 47. 381 Jeweils identische Normen: §§ 3 Abs. 2 S. 1, 15 Abs. 2 S. 1 BbgSVVollzG; BremSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG/SLSVVollzG; SächsSVVollzG und §§ 3 Abs. 1 S. 1, 16 Abs. 2 S. 2 SVVollzG SH. 377

IV. Therapeutische Ausrichtung

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Eine Verpflichtung zum Angebot von Behandlungsmaßnahmen soll sich erst ergeben, wenn ein Vollzugsplan erstmals aufgestellt worden ist.382 Dem ist jedoch zu widersprechen. Davon kann der Anspruch nicht abhängen, weil sich dieser ja schon aus dem SVVollzG ergibt. Ohnehin ist die Anstalt durch § 66 c Abs. 1 Nr. 1 StGB verpflichtet. Allerdings kann sich der Verwahrte bzgl. konkreter Behandlungsmaßnahmen auf den jeweiligen Plan stützen. I. E. ist festzuhalten, dass sich die SVVollzGe in erster Linie bzgl. des Aufbaus unterscheiden, aber inhaltlich alle einen Rechtsanspruch des Untergebrachten auf Behandlung einräumen. Im Übrigen kann in allen Ländern aus dem Vollzugsplan ein Anspruch auf sonstige (therapeutische) Maßnahmen bestehen.383 b) Anzubietende Maßnahmen Darüber hinaus halten die SVVollzGe und dazugehörigen Begründungen in ganz unterschiedlicher Art und Weise fest, welche Maßnahmen anzubieten sind.384 Baden-Württemberg, Hessen/Thüringen und Niedersachsen haben wie die sich im Grundsatz am ME-SVVollzG orientierenden Länder einen Anspruch auf die zur Erreichung der Vollzugsziele „erforderlichen Behandlungs- und Betreuungsmaßnahmen“ normiert.385 Die anderen dem GE-SVVollzG folgenden Gesetze sprechen im Abschnitt zu den Grundsätzen von „geeigneten“ Maßnahmen und später im Abschnitt zur Behandlung von „erforderlichen“.386 Da es sich um unbestimmte Rechtsbegriffe handelt, könnte man zunächst rein nach dem Wortsinn gehen. Danach sind diejenigen Maßnahmen erforderlich, die unbedingt nötig sind, um das Vollzugsziel zu erreichen. Geeignet sind aber womöglich mehrere Maßnahmen, die die Erreichung des Ziels zumindest irgendwie fördern. Jedenfalls legt allein die Wortbedeutung nahe, dass „geeignete“ Maßnahmen weiter reichen. Die Gesetzentwürfe schweigen dazu. Die baden-württembergische Gesetzesbegründung verwendet die Begriffe synonym.387 Es liegt nahe, dass man damit nichts Unterschiedliches ausdrücken wollte. Unglücklich ist eine solche Differenzierung dennoch und zeugt zumindest hinsichtlich der un 382

Dies muss „unverzüglich“ nach der Behandlungsuntersuchung geschehen, welche wiederum selbst „unverzüglich“ nach der Aufnahme zu erfolgen hat, vgl. §§ 8 Abs. 1 S. 1, 9 Abs. 1 S. 1 Nds. SVVollzG, s. a. den Schriftlichen Bericht des ARV, Nds. LT-Drs. 16/5519, S. 4. 383 Vgl. dazu z. B. den Schriftlichen Bericht des ARV, Nds. LT-Drs. 16/5519, S. 4. 384 Bspw. BW LT-Drs. 15/2450, S. 55 zum § 2 Abs. 2 S. 2 JVollzGB V. 385 Jeweils dem ME-SVVollzG folgend: § 15 Abs.  2 S.  1 SVVollzG Bln, BbgSVVollzG, BremSVVollzG, SVVollzG M-V; LSVVollzG/SLSVVollzG; SächsSVVollzG; § 16 Abs.  2 S. 1 SVVollzG SH; §§ 2 Abs. 2 S. 2, 8 Abs. 1 S. 1 JVollzGB V; § 4 Abs. 1 S. 1 HSVVollzG/ ThürSVVollzG, § 4 Abs. 2 S. 1 Nds. SVVollzG. 386 Art. 3 Abs. 2 BaySvVollzG; § 3 Abs. 2 HmbSVVollzG; § 3 Abs. 2 SVVollzG LSA; § 2 Abs. 2 SVVollzG NRW („geeignete“) und § 11 Abs. 1 S. 1 SVVollzG NRW („anzubietenden Behandlungsmaßnahmen“). 387 Vgl. BW LT-Drs. 15/2450, S. 55.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

terschiedlichen Verwendung von fehlender Sorgfalt bei der Gesetzesarbeit. Insgesamt sollte einheitlich ein Begriff gewählt werden, weil alles andere die Gefahr von Unsicherheiten bei der Gesetzesinterpretation birgt. Dem Wortlaut des § 66 c Abs. 1 Nr. 1 StGB ist zu entnehmen, dass „Betreuung“ der Oberbegriff und „Behandlung“ etwas im Vergleich dazu Spezielleres ist.388 Letztgenanntes meint eine professionelle Therapie durch Fachdienste, wozu psychiatrische, psychotherapeutische und sozialtherapeutische Behandlungsmaßnahmen zählen. Im Vergleich dazu sind unter einer allgemeineren, alltäglichen Betreuung z. B. Arbeits- oder Ausbildungsmaßnahmen zu verstehen.389 Die therapeutische Ausrichtung bezieht sich daher auf die Behandlungsmaßnahmen, was sich z. B. im baden-württembergischen Gesetz widerspiegelt, weil sich im Unterschied zum Gestaltungsgrundsatz (Betreuungs- und Behandlungsmaßnahmen) der Anspruch nur auf Behandlungsmaßnahmen bezieht (vgl. Tabelle A5 im Anhang). Im Übrigen ist jedoch den Gesetzen gemein, dass sie den Behandlungsbegriff nicht definieren. Die Problematik der damit verbundenen Weite des Behandlungsbegriffs setzt sich in den möglichen Ausnahmen vom Trennungsgebot fort (vgl. Tabelle A6 im Anhang).390 Denn damit sind ganz allgemein Ausnahmen für die Bereiche der Beschäftigung, Freizeit und Religionsausübung möglich. I. E. kann genauso wie auf Bundesebene nahezu jede Einschränkung des Trennungsgebots damit gerechtfertigt werden, dass sie letztlich dem Vollzugsziel dient und irgendeine Behandlungsmaßnahme im weitesten Sinne darstellt. Vom Abstandsgebot und dem Zweck des Trennungsgebots, der Besserstellung des Verwahrten bleibt so nicht mehr viel übrig.391 Dem Individualisierungsgebot dient der Hinweis in den SVVollzGen der 8erGruppe, dass die für den „Einzelfall erforderlichen“ Maßnahmen anzubieten sind. Der mit dem in § 66 Abs. 1 Nr. 1 a StGB vergleichbare Zusatz, „individuell zugeschnittene Behandlungsangebote zu unterbreiten“, wenn standardisierte keinen Erfolg versprechen bzw. nicht ausreichen (vgl. § 15 Abs. 2 S. 2 LSVVollzG), ist wie die Bundesnorm zu verstehen.392 Die Notwendigkeit zur Entwicklung neuer Methoden folgt außerdem aus den Anforderungen an die Behandlungsuntersuchung. Denn hier ist „wissenschaftlichen Erkenntnissen“393 zu folgen, womit „theoretisch 388

Näheres dazu Teil C.IV.1.; s. a. Dessecker, BewHi 2013, 314. Mach § 4 Abs. 2 S. 1 Nds. SVVollzG zählen zu den nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nds. SVVollzG anzubietenden Betreuungsmaßnahmen wie in § 66 c Abs. 1 Nr. 1 StGB „insbesondere psychiatrische, psychotherapeutische und sozialtherapeutische Behandlungsmaßnahmen“. 390 Vgl. Teil C.IV.2.b). 391 BVerfG NStZ-RR 2013, 26: „Das Trennungsgebot ist kein Selbstzweck, sondern dient der Besserstellung der Sicherungsverwahrten.“; ebso. BVerfGE 128, 380. 392 S. dazu Teil C.IV.1.b). 393 BVerfGE 128, 379: „modernen wissenschaftlichen Anforderungen“; Bachmann (JVA Schwalmstadt) in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 14. Im Übrigen unterschiedliche Begrifflichkeiten, etwa in § 15 Abs. 1 SVVollzG M-V: „wissenschaftlichen Erkenntnissen“; differenzierend in Art. 8 Abs. 1; Art. 160 Abs. 1 S. 1 BaySvVollzG: „Stands der wissenschaftlichen Erkenntnisse“; dazu der Abg. Piontowski (CDU) in der Anhörung zum Brem. SVVollzG-E am 6.3.2013, APr A/RA 18/18, S. 454. 389

IV. Therapeutische Ausrichtung

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fundiert[e] und empirisch bewährt[e]“394 Behandlungsmethoden gemeint sind. Diese sind jedoch, wie Teil B. gezeigt hat, rar oder nicht evaluiert. Daher wird seitens der psychiatrischen Seite angemahnt, dass gerade aufgrund der vorhandenen Studienergebnisse „keine Behandlungsempfehlung auf Basis einer konsistenten, empirisch gesicherten Datenlage zu geben“ sei.395 Zwar normieren alle SVVollzGe, wie gezeigt, einen Anspruch. Aus der dennoch angebrachten Kritik folgt, dass idealerweise die verschiedenen Gesetze (vgl. Tabelle A5 im Anhang) kombiniert werden und der Gesetzestext folgendermaßen aussehen sollte: „Dem Untergebrachten sind die zur Erreichung des Vollzugsziels im Einzelfall erforderlichen Betreuungs- und sonstigen Maßnahmen unverzüglich anzubieten. Zu den Betreuungsmaßnahmen zählen insbesondere sozial- und psychotherapeutische, psychiatrische, sozialpädagogische und arbeitstherapeutische Behandlungsmaßnahmen. Der Vollzug bedient sich namentlich sozial- und psychotherapeutischer, psychiatrischer, sozialpädagogi­scher und arbeitstherapeutischer Methoden, die wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen müssen. Soweit bestehende bzw. standardisierte Therapiemethoden nicht ausreichen oder keinen Erfolg versprechen, sind individuell zugeschnittene Behandlungsangebote zu entwickeln.“

c) Konkretisierung der Behandlungsmethoden Abgesehen von den Ungereimtheiten der verwendeten Begriffe ist problematisch, dass in den dem GE-SVVollzG folgenden SVVollzGen eine Konkretisierung der Behandlungsmethoden und damit, worauf sich der Behandlungsanspruch des Untergebrachten konkret bezieht, fehlt. Hier muss man sich eines wenig ergiebigen Umkehrschlusses zum § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB, der Gesetzesbegründungen sowie Regelungen zum Vollzugsplan bedienen. Die Gesetze der 8er-Gruppe umschreiben die Behandlungsmethoden hingegen ausführlich(er), was im Vergleich zu den anderen Ländern für mehr Rechtssicherheit sorgt. Einzig zur sozialtherapeutischen Behandlung finden sich in allen Gesetzen Regelungen. Grund hierfür ist deren besondere Bedeutung und die auf Bundesebene nicht endgültig geklärte Unterbringung. Was die jeweiligen Gesetze dem Rechtsanwender „an die Hand geben“, zeigt Tabelle 7.  Einige LStVollzGe und die SVVollzGe sind nahezu identisch (z. B. bzgl. der sozialtherapeutischen Behandlung) oder zumindest ähnlich (z. B. bzgl. der psychotherapeutischen Behandlung) formuliert. Im Unklaren lässt einen der Gesetzgeber jedoch, wie die Methoden angesichts der nahezu identischen Regeln des 394 RlP LT-Drs. 16/1910, S. 161. Weshalb sich die 8er-Gruppe veranlasst sah, im Zusammenhang mit den psychotherapeutischen Methoden (z. B. § 17 LSVVollzG) von „wissenschaftlich fundierten psychologischen Methoden“ zu sprechen, womit nur dasselbe gemeint sein kann, leuchtet nicht ein. 395 Hohagen/Baxmann, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH-E, S. 2.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Strafvollzugs auf die Sicherungsverwahrung konkret zugeschnitten und implementiert werden sollen. Praktische Unterschiede werden sich damit schwierig realisieren lassen. Offensichtlich ist nur wenig auf die spezielle Situation der Sicherungsverwahrung eingegangen worden. Z. B. ist nach dem bisherigem Verständnis und der Praxis der Sozialtherapie über die Indikationskriterien für die Unterbringung in der sozialtherapeutischen Anstalt davon auszugehen, dass nur wenige der Sicherungsverwahrten diese erfüllen dürften.396 Häufig sind bereits mehrere verschiedene Therapieversuche gescheitert. Ebenso häufig sind alters- oder drogenbedingte Schädigungen sowie diverse Formen von Persönlichkeitsstörungen anzutreffen.397 Es sollte grundlegend über das Verständnis der Indikation für die Sozialtherapie nachgedacht werden.398 So legen verschiedene Untersuchungen nahe, dass man vorwiegend „sozial kompatiblere … und somit einfacher zu führende Gefangene“ in der sozialtherapeutischen Anstalt behandelt. Die schwierigen, bei denen es sich oftmals um die (potentiellen) Sicherungsverwahrten handeln dürfte, werden hingegen auf das Abstellgleis „verbannt“.399 Tabelle 7 (Unterschiedliche) Konkretisierungen der Behandlungsmethoden Sozialtherapeutische Behandlung

§ 17 ME-SVVollzG Sozialtherapeutische Maßnahmen

§ 12 GE-SVVollzG Sozialtherapeutische Behandlung

„Sozialtherapeutische Maßnahmen bedienen sich auf der Grundlage einer therapeutischen Gemeinschaft psychotherapeutischer, sozial­ pädagogischer und arbeitstherapeutischer Methoden, die in umfassenden Behandlungsprogrammen verbunden werden. Personen aus dem Lebensumfeld der Untergebrachten außerhalb des Vollzugs werden in die Behandlung einbezogen.“

„Den Untergebrachten sind sozialtherapeutische Maßnahmen anzubieten, wenn dies aus behandlerischen Gründen angezeigt ist. Die Behandlung soll in der Einrichtung erfolgen.“ Ebso: JVollzGB V; BaySvVollzG; HSVVollzG/ThürSVVollzG; SVVollzG NRW; SVVollzG LSA.

Ebso. alle SVVollzGe der 8er-Gruppe, z. B. § 17 ME-SVVollzG. Ausnahme: SVVollzG Bln (hier allerdings nur Ermessen: „können … einbezogen werden“).

396

Wischka, FS 2014, 229; s. a. Teil B.II.3.d). Wischka, FS 2014, 229, der auch Gegenindikatoren aufzählt; vgl. auch Seifert 2014, 304. 398 So von Rehn, FS 2014, 244 ff.: „Werden … die richtigen Gefangenen aufgenommen?“ 399 Hefendehl 2012, 8 stützt diese These auf testpsychologische Daten; krit. ders. MschrKrim 2010, 39: „die bequemen Täter [werden] in die Sozialtherapeutische Anstalt“ gelegt; Seifert 2014, 304; vgl. die Übersicht bei Rehn, FS 2014, 244 ff.; auf die Notwendigkeit der nachsorgenden Betreuung hinweisend Wischka, FS 2014, 230. 397

IV. Therapeutische Ausrichtung Identisch mit § 25 BremStVollzG: „Sozialtherapie“ Abs. 1 S. 2–3: „… Auf der Grundlage einer therapeutischen Gemeinschaft bedient sie sich psychotherapeutischer, sozialpädagogischer und arbeitstherapeutischer Methoden, die in umfassenden Behandlungspro-grammen verbunden werden. Personen aus dem Lebensumfeld der Straf- und Jugendstraf­ gefangenen außerhalb des Vollzugs werden in die Behandlung einbezogen.“

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– Indifferent: § 11 HmbSVVollzG legt nur fest: „Die Unterbringung erfolgt in einer sozialtherapeutischen Einrichtung, wenn dies aus behandlerischen Gründen angezeigt ist.“ (d. h. gerade nicht getrennt von Strafgefangenen). – Das Nds. SVVollzG schreibt nur beim Inhalt des Vollzugsplans „die Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Anstalt oder Abteilung“ vor.

Ebso.: BbgJVollzG; StVollzG M-V; LJVollzG; SLStVollzG; SächsStVollzG; ThürJVollzGB. Konkretisierung der sonstigen BehandlungsmaSSnahmen (ME-SVVollzG und 8er-Gruppe am Bsp. des LSVVollzG)

§ 18 LSVVollzG: Psychotherapeutische Maßnahmen „Psychotherapeutische Maßnahmen im Vollzug dienen insbesondere der Behandlung psychischer Störungen des Verhaltens und Erlebens, die in einem Zusammenhang mit der Gefährlichkeit stehen. Sie werden durch systematische Anwendung wissenschaftlich fundierter psychologischer Methoden der Gesprächsführung mit einer oder mehreren Personen durchgeführt.“400 Nahezu identisch in einigen LStVollzGen: BbgJVollzG401; BremStVollzG; StVollzG M-V; LJVollzG; SLStVollzG; SächsStVollzG; ThürJVollzGB. § 19 LSVVollzG: Psychiatrische Maßnahmen „Psychiatrische Maßnahmen im Vollzug dienen der Behandlung psychiatrischer Krankheiten, die in einem Zusammenhang mit der Gefährlichkeit stehen. Sie erfolgen auf der Grundlage ärztlicher Standards und Behandlungsleitlinien sowie standardisierter testpsychologischer Untersuchungen und berücksichtigen alle Lebensbereiche der Untergebrachten. In geeigneten Fällen erfolgt eine medikamentöse Unterstützung der therapeutischen Behandlung.“ § 20 LSVVollzG: Arbeitstherapeutische Methoden „Arbeitstherapeutische Maßnahmen dienen dazu, dass die Untergebrachten Eigenschaften wie Selbstvertrauen, Durchhaltevermögen und Konzentrationsfähigkeit einüben, um sie stufenweise an die Grundanforderungen des Arbeitslebens heranzuführen.“ 400 401

400 Psychotherapeutische/psychiatrische Maßnahmen beziehen sich auf die Gefährlichkeit, wobei ein Unterschied darin besteht, dass z. B. § 18 LSVVollzG nicht abschließend formuliert ist. D. h. diese Maßnahmen können zur Anwendung kommen, wenn sie nicht direkt im Zusammenhang mit der Gefährlichkeit stehen. Wieso eine solche offene Formulierung nicht für psychiatrische Maßnahmen gelten soll, bleibt unklar, s. Dünkel, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH-E, S. 6. 401 Ausgetauscht wurde das Wort der „Gefährlichkeit“ mit „Straffälligkeit“; vgl. z. B. § 26 BbgJVollzG.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Für den Bereich der Sozialtherapie ist die in Tabelle 7 dargestellte Regelung der 8er-Gruppe überzeugender, weil sie das Verständnis einer integrativen Sozial­ therapie verdeutlicht und deren Umsetzung in den Abteilungen erhoffen lässt.402 Jedoch wird auch auf Landesebene nicht deutlich, ob der Schwerpunkt auf der – wie hier als vorzugswürdig erachtet403  – Sozialtherapie im Sicherungsverwahrungsvollzug selbst liegt oder aber eine Verlegung in die Sozialtherapie anzustreben ist.404 Im Grundsatz betrachten die Gesetze die Verlegung unter Abweichung vom Trennungsgebot als Ausnahme.405 Bspw. bestimmt Art. 11 BaySvVollzG, dass sozialtherapeutische Maßnahmen anzubieten sind und dass „die Behandlung in einer für den Vollzug der Sicherungsverwahrung zuständigen Anstalt erfolgen“ soll.406 Dünkel fordert, dass der Untergebrachte mit der Verlegung in die Sozialtherapeutische Anstalt seiner Rechte nicht verlustig gehen dürfe und daher die sozialtherapeutischen Einrichtungen darüber nachdenken müssten, gleiche Rechte wie im Sicherungsverwahrungsvollzug zu gewähren.407 Zwar stellt sich angesichts der Einebnung von Sozialtherapie und Sicherungsverwahrung die Frage, wie mit den anderen in der sozialtherapeutischen Anstalt Untergebrachten und damit vorhandenen Unterschieden umzugehen wäre. Das Problem einer Angleichung von Freiheitsstrafen- und Sicherungsverwahrungsvollzug stellt sich jedoch ausnahmsweise nicht, da die Sozialtherapeutische Anstalt von der Grundidee bereits einen Abstand zum Strafvollzug verfolgt. Auch bei den übrigen Gesetzen sind die Gesetzesbegründungen deutlicher als die Gesetzestexte. Z. B. heißt es in § 10 Abs.  4 BbgSVVollzG, dass ausnahmsweise von der getrennten Unterbringung bei der sozialtherapeutischen Unterbringung abgesehen werden kann. In der Gesetzesbegründung ist zu lesen, dass „der Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Anstalt oder Abteilung … aufgrund des verfassungsrechtlichen Abstandsgebots enge Grenzen gesetzt“408 sind. Die Unterbringung in der sozialtherapeutischen Anstalt stellt die Hauptausnahme vom Trennungsgrundsatz dar. Hierbei ist zunächst die Gruppe der (potentiellen) Siche 402

Alle Gesetzesbegründungen weisen darauf hin; ebso. Wischka, FS 2014, 228. S. o. Teil C.IV.2.b). 404 Bachmann (JVA Schwalmstadt) in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/ 18/37, S. 14. Krit. zur fehlenden Festlegung im Gesetzestext Endres, Schriftliche Stellungnahme zum BbgSVVollzG-E, S. 192. 405 Verlegungen müssen im Hinblick auf das Ziel der Resozialisierung vermieden werden, vgl. BVerfG, Beschl. vom 30.6.2015 – 2 BvR 1857/14, 2 BvR 2810/14, Rn. 33 – bei juris; vgl. z. B. § 14 Abs. 1 SächsSVVollzG (dem ME-SVVollzG folgend) und § 12 Abs. 1 HmbSVVollzG (dem GE-SVVollzG folgend). Dennoch sind diese Regelungen generalklauselartig formuliert. Angezeigt wäre es, sich statt auf eine Verlegung auf konkrete Regelbeispiele festzulegen wie die Unterbringung in der Nähe des heimatlichen Wohnorts; krit. zur allg. Formulierung K ­ ilian, Schriftliche Stellungnahme zum SächsSVVollzG-E, S. 39. 406 Regelungen wie § 11 HmbSVVollzG vermitteln den Eindruck, dass die Unterbringung in der SothA die langfristige Regelunterbringung sein soll; krit. daher Alex in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 35. 407 Dünkel in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 36. 408 Bbg LT-Drs. 5/6559, S. 77. 403

IV. Therapeutische Ausrichtung

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rungsverwahrten zu beachten, deren Strafhaft eigentlich beendet ist, die aber ihre sozialtherapeutische Behandlung noch nicht abgeschlossen haben.409 Würde man diese Klientel in die Sicherungsverwahrungsabteilungen zwingen, würde man den Sinn und Zweck der Behandlungsorientierung ad absurdum führen. Daher ist die Ausnahme vom Trennungsgebot gerechtfertigt. Allerdings stellt sich die Frage, welche Rechte den dort Untergebrachten dann zu gewähren sind. Angesichts der Sonderstellung müsste ein Absatz eingefügt werden, der die Vorschriften des SVVollzG für anwendbar erklärt. Mindestanforderung wäre trotz möglicher Zweifel an der Freiwilligkeit innerhalb einer totalen Institution, dass die Untergebrachten in die nicht umsetzbaren Besserstellungen einwilligen. Dies ist in den Gesetzen nicht vorgesehen, was deshalb ergänzt werden muss. d) Übergangsprozess und Unterstützungsgebot Nicht nur der Übergang in Freiheit stellt für den Verurteilten eine enorme Herausforderung dar, sondern schon der davor liegende Übergangsprozess vom voraus­gehenden Strafvollzug in die Sicherungsverwahrung bringt eine vollkommen neue Lebenssituation und Belastungen mit sich. Das räumliche Umfeld ver­ ändert sich, die bisherigen Kontakte zu anderen Gefangenen oder Personal und Betreuern brechen ab und die (zumindest subjektiv) aussichtslose Situation kann vor sich selbst immer schlechter geleugnet werden. Die Gesetzgeber beweisen kein besonderes Problembewusstsein in Bezug auf diese Übergangsphase, sondern orientieren sich vorwiegend an den Kategorien des Strafvollzugs, was schon alleine durch die durchweg strafvollzuglichen Begrifflichkeiten zum Ausdruck kommt. Die Beibehaltung des Begriffs des Vollzugsplans in allen SVVollzGen zeigt, dass vom Strafvollzug aus gedacht wird. Es hätte sich angesichts der Therapieausrichtung sowie in Anlehnung an die Leitlinie des § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB bspw. die Bezeichnung als Betreuungs- und Behandlungsplan oder Integrationsplan angeboten.410 Erfreulicher ist daher das Konzept der JVA Brandenburg a. d. H., denn es strebt an, den Untergebrachten in dieser Situation von Beginn an „abzuholen, ankommen zu lassen und zu integrieren“.411 Daran sollten sich die Gesetzgeber ein Bsp. nehmen. Die Übergangsphase in die Freiheit wird durch die Regelungen in Abschnitt 2 mit dem Titel „Aufnahme, Diagnose, Vollzugs- und Eingliederungsplanung“ des 409

Außerdem gibt es noch diejenigen, die aus der SV in die SothA verlegt werden sollen. Hier wäre eine eigene SothA im Sicherungsverwahrungsvollzug zu fordern, dazu oben Teil C.IV.2.b). 410 S.  das Konzept der JVA Bbg a. d. H., S.  24 bezeichnet die Vollzugsplankonferenz als „Behandlungs-/Integrationskonferenz“, auf deren Grundlage der „Integrationsplan“ erstellt wird. Kitzinger plädierte gleichermaßen für diese Bezeichnung in der Anhörung zum HSV VollzG-E am 28.11.2012, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 10. 411 Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 21; bereits das Eckpunktepapier Bln/Bbg 2011, S. 15 sah vor, in der Eingangsdiagnostik verpflichtend auf die unterschiedlichen Reaktionen des SV bei Beginn der Unterbringung einzugehen.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

ME-SVVollzG mehr in den Vordergrund gerückt, als es im GE-SVVollzG der Fall ist. Dieser und die ihm entsprechenden SVVollzGe orientieren sich auch in diesem Abschnitt („Aufnahme und Behandlung“) mehr am StVollzG und sprechen konsequenterweise lediglich vom Vollzugsplan. Angaben zur Eingliederungsplanung werden nicht gemacht (vgl. dazu Tabelle A7 im Anhang). Grds. ist es gut zu heißen, dass Entlassungsvorbereitung und Nachsorge auf diese Weise in der 8er-Gruppe ein fester Bestandteil der Vollzugsplanung werden. Denn damit wird ein gelingendes Übergangsmanagement wahrscheinlicher. Außerdem vermittelt dies insgesamt ein stimmige(re)s Resozialisierungskonzept. Damit zum Ausdruck gebracht ist, dass eine Phase beginnt, in der die Außenwelt wichtiger wird.412 Relativiert wird dies aus Sicht des Abstandsgebots jedoch dadurch, dass es sich nicht um ein Spezifikum des Sicherungsverwahrungsvollzugs handelt, denn die entsprechenden LStVollzGe unterteilen ebenso zwischen Vollzugs- und Eingliederungsplanung (z. B. § 14 BbgSVVollzG). Deutlich zeigt sich, dass Strafvollzug und Sicherungsverwahrungsvollzug auf die Resozialisierung ausgerichtet sind, so dass hier kein Abstand herzustellen ist. Ebenso erfolgt vor der Behandlungsuntersuchung dasselbe Procedere wie im Strafvollzug nach nahezu identischen Regelungen, was angesichts des vom BVerfG aufgestellten „Unterstützungsgebots“ verwundert.413 Entsprochen werden soll diesem Gebot mit dem Zusatz, dass der Untergebrachte über „die Ausgestaltung der Unterbringung informiert“ wird.414 Gemeint ist damit, wie in manchen Gesetzesbegründungen deutlich wird, dass der Untergebrachte über seine geänderte Rechtsstellung beim Übergang vom Straf- in den Sicherungsverwahrungsvollzug informiert werden soll.415 Teilweise wird dies dadurch ergänzt, dass die Information in einer „verständlichen Form“ (z. B. im HmbSVVollzG) oder in „geeigneter Form“ (z. B. im BaySvVollzG) zu erfolgen hat. Die Argumentation zur Bestellung von Pflichtverteidigern in den Sinn gerufen, leuchtet das ein.416 Betrachtet man die sonstigen vorgesehenen Abläufe des Aufnahmeverfahrens, so ist die Umsetzung des Unterstützungsgebots ungenügend. Der Untergebrachte wird wie im Strafvollzug belehrt und informiert. Die Anstalt soll ihrer Aufklärungspflicht mehr als der Hälfte der SVVollzGe zufolge dadurch gerecht werden, dass sie die Hausordnung und/oder ggf. das jeweilige SVVollzG sowie in den dem ME-SVVollzG folgenden Ländern sinnvollerweise die jeweiligen Verwaltungs-

412

Dünkel in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 30. BVerfGE 128, 382; vgl. Teil C. I.1. 414 BW LT-Drs. 15/2450, S. 57; bzw. im Nds. SVVollzG soll über die „grundlegenden Fragen der Vollzugsgestaltung unterrichtet werden“. Einige wenige Gesetze sehen außerdem vor, dass ggf. ein Dolmetscher hinzuzuziehen ist (§ 7 Abs. 3 S. 1 Nds. SVVollzG) oder ein Sprachmittler bzw. Gebärdendolmetscher (z. B. § 6 Abs. 1 S. 2 SVVollzG Bln); ebso. bspw. SH LTDrs. 18/449, S. 117. 415 SH LT-Drs. 18/448, S. 117. 416 Vgl. dazu oben Teil C.VI.2.c); s. a. BVerfGK 10, 516; BVerfG NStZ-RR 2013, 120. 413

IV. Therapeutische Ausrichtung

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vorschriften und Rechtsverordnungen übergibt.417 Andere Länder stellen lediglich in der Begründung fest, dass zur Information der Inhalt der Hausordnung gehöre.418 Es stellt sich die Frage, wie viel sich die Betroffenen davon merken können, wenn sie diese nicht in schriftlicher Form erhalten. Die Intimsphäre des Untergebrachten wird durch Ausschluss anderer Inhaftierter bei der Aufnahme, der ärztlichen Untersuchung und dem Zugangsgespräch gewährleistet (z. B. § 8 Abs. 3 SVVollzG NRW). Außerdem wird ein Zugangsgespräch geführt. Das alles gibt es jedoch genauso in den LStVollzGen.419 Darüber hinaus räumen § 5 Abs. 3 StVollzG und § 4 Abs. 1 S. 2 JVollzGB III für den Strafvollzug ein Recht auf Vorstellung beim Anstaltsleiter ein. § 5 JVollzGB V sieht für die Sicherungsverwahrung ein Zugangsgespräch und die Vorstellung beim Anstaltsleiter vor. Dies ist angezeigt. Denn die bisherigen Regelungen des StVollzG und JVollzGB III enthielten zwar ein Recht zur Vorstellung. Dies bedeutete aber nicht zugleich, dass ein umfassendes Aufnahmegespräch zu führen war. Angesichts der geringen Anzahl an Untergebrachten und der besonders schwierigen Situation und Klientel ist dies dringend notwendig. Die anderen SVVollzGe sehen hingegen „nur“ ein Zugangsgespräch vor, was nicht notwendigerweise eine Vorstellung beim Abteilungsleiter bedeuten muss.420 e) Eingangsuntersuchung und anschließende Behandlungsuntersuchung Auf die folgende ärztliche Untersuchung (Eingangsuntersuchung) haben Inhaftierte ein Recht. Unabhängig davon, dass der Untergebrachte meistens jahrelang im selben Justizvollzugsapparat seine Freiheitsstrafe vollzogen haben wird, sollte auf die mehrere Ziele verfolgende ärztliche Untersuchung aber nicht wie im SVVollzG SH verzichtet werden.421 So dient die Eingangsuntersuchung zu Beginn des Sicherungsverwahrungsvollzugs dazu, Gesundheitsrisiken und Haftfolgeschäden sowie Suizidalität zu erkennen. Dass diese im Übergang von Freiheitsstrafe in die Sicherungsverwahrung relevant werden könnte, erscheint realistisch. Außerdem soll die Anstalt vor der Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche bewahrt werden. Zudem beginnt mit der Sicherungsverwahrung eine neue Vollzugsform, so dass die Vollzugstauglichkeit aktuell festzustellen ist. 417 Umfassend z. B. § 6 Abs. 1 S. 3 und 4 BbgSVVollzG: „Den Untergebrachten wird ein Exemplar der Hausordnung ausgehändigt. Dieses Gesetz, die von ihm in Bezug genommenen Gesetze sowie die zu seiner Ausführung erlassenen Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften sind den Untergebrachten auf Verlangen zugänglich zu machen.“ Kurz gefasst z. B. § 8 Abs. 1 S. 3 ThürSVVollzG. 418 BW LT-Drs. 15/2450, S. 57. Ebso. kein Übergabe nach dem BaySvVollzG; HmbSVVollzG; Nds. SVVollzG; SVVollzG LSA. 419 LNNV/Verrel 2015, C. I. zum Aufnahmeverfahren. 420 Schon für den Strafvollzug kritisiert von LNNV/Nestler 2015 C. I. Rn. 13. 421 And. Peglaus in der Anhörung zum LSVVollzG-E, APr 16/19, S. 22.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Die anschließende umfassende Behandlungsuntersuchung muss parallel zu den Behandlungsmethoden wissenschaftlichen Erkenntnissen bzw. dem Stand der Wissenschaft genügen (z. B. § 7 Abs. 2 BbgSVVollzG) bzw. sich daran orientieren (z. B. § 8 Abs. 3 SVVollzG NRW).422 Durchgeführt wird die Behandlungsuntersuchung den SVVollzGen der 8er-Gruppe zufolge von „Personen mit einschlägiger wissenschaftlicher Qualifikation“ (vgl. § 7 Abs. 2 LSVVollzG/SLSVVollzG). Die anderen Gesetze lassen eine solche Regelung vermissen. Parallel dazu sehen die Normen zum Strafvollzug der potentiellen Sicherungsverwahrten dieselbe Aussage vor (z. B. § 13 Abs. 2 S. 2 LJVollzG423). Denn das BVerfG habe den Auftrag erteilt, dass die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung möglichst nicht vollstreckt werden müsse, weshalb besonders hohe Anforderungen an die Qualität des Diagnoseverfahrens zu stellen seien.424 Es drängt sich die Frage auf: Wieso sollte die Behandlungsuntersuchung bei „normalen“ Strafgefangenen von Personen ohne einschlägige Qualifikation durchgeführt werden?425 Eine unterschiedliche Behandlung zu den betroffenen potentiellen Sicherungsverwahrten lässt sich abermals nur mit dem ausstrahlenden Sonderopfer begründen. Wenn damit gemeint ist, dass die Klientel der (potentiellen) Sicherungsverwahrten eine besondere Herausforderung darstellt und daher ganz bestimmte Qualifikationen notwendig sind, um die Behandlungsuntersuchung durchzuführen, dann hätte man der im Gesetzgebungsverfahren zum SVVollzG SH einleuchtenden Kritik von psychiatrischer Fachseite folgen sollen. Diese hatte einen genaueren Inhalt gefordert, dass von „forensisch-erfahrene[n] Psychiater“ oder „rechtspsychologisch geschulte[n] Psychologen“ zu sprechen sei.426 Der schleswig-holsteinische Gesetzgeber beließ es für den Sicherungsverwahrungsvollzug jedoch bei der allgemeinen Aussage von „Personen mit einschlägiger wissenschaftlicher Qualifikation im Bereich der Diagnostik“. Da es sich um das Diagnoseverfahren handelt ist diese Art von „Qualifikation“ jedoch offensichtlich erforderlich. In Baden-Württemberg ist für die Behandlungsuntersuchung die Rede davon, dass Bedienstete verschiedener Fachrichtungen in „enger Abstimmung“ zusammenwirken und ggf. externe Fachkräfte mit einzubeziehen 422

Ebso. im BaySvVollzG („Berücksichtigung des Stands“) bzw. HmbSVVollzG („berücksichtigt“); ohne wissenschaftlich qualifiziertes Personal zu nennen, aber hinsichtl. der Behandlungsuntersuchung verbindlicher im HSVVollzG/ThürSVVollzG; Nds. SVVollzG und SVVollzG LSA (z. B. „entspricht dem jeweils aktuellen Stand wissenschaftlicher Erkenntnis“). Einige LStVollzGe nehmen inzwischen ausdrückl. Bezug auf die Notwendigkeit, wissenschaftlichen Erkenntnissen zu entsprechen (z. B. § 13 Abs. 2 LJVollzG). 423 Nur für Bln und SH gilt dies nicht, weil sie derzeit kein eigenes LStVollzG haben. Vgl. aber die identischen Regelung in § 4 Abs. 2 StVollzG SH. 424 Bspw. LStVollzG SH-E vom 30.6.2015, SH LT-Drs. 18/3153, S. 154. 425 Auch im Strafvollzug sind an die „Qualifikation … umso höhere Anforderungen zu stellen, je länger die Strafzeiten und je schwerwiegender die Straftaten sind“, so SH LTDrs. 18/3153, S. 100. 426 Hohagen/Baxmann, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH-E, S. 2; ähnl. Fölsch, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH-E, S. 3.

IV. Therapeutische Ausrichtung

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sind. Darüber hat die ebenfalls dort betonte Mitwirkung427 der Untergebrachten an der Behandlungsuntersuchung den Beigeschmack des Chancenvollzugs. Genauso wie im Strafvollzug können die Betroffenen nur zur Duldung, nicht zur aktiven Mitwirkung verpflichtet werden.428 In der baden-württembergischen Gesetzesbegründung wird festgestellt, dass die Norm lediglich Appellcharakter habe und keine Pflicht begründe.429 Dass ein anderes Verständnis des Gesetzestextes möglich ist, ergibt sich jedoch aus dem Vergleich mit den anderen SVVollzGen, die einen solchen Zusatz nicht für notwendig erachtet haben. Ebenso findet sich in der baden-württembergischen Norm für den Strafvollzug (vgl. § 4 Abs. 2 JVollzGB III) kein Hinweis auf die Mitwirkung. Positiv hervorzuheben ist, dass keine Möglichkeit wie im Strafvollzug mehr besteht, für die Behandlungsuntersuchung bis maximal zwei Monate die Untergebrachten während der Arbeits- und Freizeit von anderen Inhaftierten „getrennt zu halten“ (z. B. § 17 Abs. 3 Nr. 2 StVollzG)430. Zwar wird nicht mehr ausdrücklich wie im BayStVollzG die Defizittheorie431 verfolgt. Dennoch wird diese nicht ganz aufgegeben, wie der Blick in den Gesetzestext der dem GE-SVVollzG folgenden Länder sowie den dazugehörigen Gesetzesbegründungen zur Behandlungsuntersuchung und Vollzugsplanung offenbart.432 Zum SVVollzG NRW heißt es z. B., dass für die Vollzugsplanung behandlungsbedürftige Defizite und Probleme der Untergebrachten relevant seien. Aber nicht nur im nächsten Satz folgt zugleich, dass es darauf ankomme „Fähigkeiten und Neigungen der Untergebrachten sowie sonstige Umstände zu ermitteln und zu stärken“433, weil diese als „individuelle Schutzfaktoren“434 gelten. Die Berücksichtigung der Stärken und Ressourcen der Untergebrachten ist darüber hinaus schon in der Diagnostik angezeigt. Damit könnte sich der Sicherungsverwahrungsvollzug vom Strafvollzug abheben, dem das (noch) fremd435 ist. Zudem ist die Ressourcenorientierung als Wirksamkeitsprinzip empirisch nachgewiesen und daher kriminologisch gerechtfertigt.436 427 § 6 Abs. 3 S. 3 JVollzGB V: „Die Untergebrachten wirken an der Behandlungsuntersuchung mit.“ 428 Für den Strafvollzug s. LNNV/Nestler 2015, C. II. Rn.11, 26, ebso. zur Duldungspflicht. 429 BW LT-Drs. 15/2450, S. 58. 430 LNNV/Nestler 2015, C. II. Rn. 20 mit den jeweiligen Normen der LStVollzGe. 431 Dazu Bung, KJ 2009, 299. 432 § 9 Abs.  2 SVVollzG NRW: „Im Rahmen der Behandlungsuntersuchung sind die Ursachen der Straftaten, die individuellen Risiko- und Ausgleichsfaktoren sowie der Behandlungsbedarf, die Behandlungsfähigkeit und die Behandlungsmotivation der Untergebrachten festzustellen. Gleichzeitig sollen die Fähigkeiten und Neigungen der Untergebrachten sowie sonstige Umstände, die zu einer Lebensführung ohne Straftaten beitragen, ermittelt und gestärkt werden.“ 433 NRW LT-Drs. 16/1435, S. 66. 434 Konzept JVA Bützow, S. 13. 435 Konzept der JVA Bbg a. d. H., S. 23 f.: Im Strafvollzug erhobenes Wissen sei eher defizitorientiert; in der SV-Diagnostik solle es darum gehen, Wissen um Ressourcen und Motivationslagen zu erweitern. 436 Vgl. Teil B.III.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

f) Vollzugs- und Eingliederungsplan Nach allen SVVollzGen ist auf Grundlage der Behandlungsuntersuchung bzw. des Diagnoseverfahrens437 ein auf den Untergebrachten individuell zugeschnittener Vollzugsplan anzufertigen, welcher als Grundlage für Ansprüche auf bestimmte Behandlungen dient.438 Die gewonnenen Erkenntnisse der Untersuchung hinsichtlich der Ursachen für die Gefährlichkeit sowie der Schutzfaktoren werden also konkret im Vollzugs- und Eingliederungsplan umgesetzt. Die Regelungen der SVVollzGe zum Inhalt des „Fahrplans des Vollzugsverlaufs“ unterscheiden sich dadurch vom Inhalt der StVollzG-Vollzugspläne, dass sie umfassender und konkreter sind. Somit wird ein sehr viel individueller ausgestalteter Plan angestrebt.439 Der vorgeschriebene Inhalt des Vollzugsplans weicht deutlich von demjenigen des Eingliederungsplans ab.440 437

Krit. zum Begriff Diagnoseverfahren bzw. Diagnose Speckin, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG M-V-E, S. 4, weil die Gefahr bestehe, zunehmend abweichendes Verhalten als Krankheit zu bewerten. 438 Dessecker 2013a, 121 ff.; ders., BewHi 2013, 315. 439 Zum Ausdruck gebracht bspw. durch § 9 Abs. 1 S. 1 Nds. SVVollzG: „… der die individuellen Behandlungsziele festlegt …“ In § 8 Abs. 2 S. 4 BbgSVVollzG: „Den Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen der Untergebrachten ist Rechnung zu tragen.“ 440 Die Regelungen der 8er-Gruppe sind umfassender, jedoch nahezu identisch mit dem Strafvollzug; vgl. dazu z. B. § 9 Abs. 1 BbgSVVollzG und § 15 Abs. 1 BbgJVollzG: „Der Vollzugs- und Eingliederungsplan sowie seine Fortschreibungen enthalten unter Berücksichtigung von § 15 Absatz 2 Satz 2 insbesondere folgende Angaben: 1. Zusammenfassung der für die Vollzugs- und Eingliederungsplanung maßgeblichen Ergebnisse des Diagnoseverfahrens, = § 15 Abs. 1 Nr. 1 BbgJVollzG; 2.Maßnahmen zur Förderung der Mitwirkungsbereitschaft, = § 15 Abs.  1 Nr.  5 BbgJVollzG; 3.  Teilnahme an psychiatrischen, psychotherapeutischen oder sozialtherapeutischen Maßnahmen, = ähnl. § 15 Abs. 1 Nr. 8 und 9 BbgJVollzG; 4. Teilnahme an anderen einzel- oder gruppentherapeutischen Maßnahmen, = ähnl. § 15 Abs. 1 Nr. 8 und 9 BbgJVollzG; 5. Unterbringung in einer Wohngruppe und Teilnahme am Wohngruppenvollzug, = § 15 Abs. 1 Nr. 6 BbgJVollzG; 6. Teilnahme an Maßnahmen zur Behandlung von Suchtmittelabhängigkeit und -missbrauch, = § 15 Abs.  1 Nr.  10 BbgJVollzG; 7.  Teilnahme an Trainingsmaßnahmen zur Verbesserung der sozialen Kompetenz, = § 15 Abs.  1 Nr.  11 BbgJVollzG; 8. Teilnahme an schulischen und beruflichen Qualifizierungsmaßnahmen einschließlich Alphabetisierungs- und Deutschkursen, = § 15 Abs. 1 Nr. 12 BbgJVollzG; 9. Teilnahme an arbeitstherapeutischen Maßnahmen oder am Arbeitstraining, = § 15 Abs. 1 Nr. 13 BbgJVollzG; 10. Arbeit, = § 15 Abs. 1 Nr. 14 BbgJVollzG; 11. freies Beschäftigungsverhältnis, Selbstbeschäftigung, = § 15 Abs. 1 Nr. 15 BbgJVollzG; 12. Teilnahme an Sportangeboten und Maßnahmen zur strukturierten Gestaltung der Freizeit, = § 15 Abs. 1 Nr. 16 BbgJVollzG; 13. Ausführungen zur Erreichung des Vollzugsziels, Außenbeschäftigung, = § 15 Abs. 1 Nr. 17 BbgJVollzG (ohne Erreichung Vollzugsziel); 14. Lockerungen zur Erreichung des Vollzugsziels, = § 15 Abs. 1 Nr. 18 BbgJVollzG; 15. Unterbringung im offenen Vollzug, = ähnl. § 15 Abs. 1 Nr. 3 BbgJVollzG; 16. Aufrechterhaltung, Förderung und Gestaltung von Außenkontakten, insbesondere familiärer Beziehungen, = § 15 Abs. 1 Nr. 19 BbgJVollzG; 17. Schuldnerberatung, Schuldenregulierung und Erfüllung von Unterhaltspflichten, = § 15 Abs. 1 Nr. 20 BbgJVollzG; 18.  Maßnahmen zur Vorbereitung von Entlassung, Eingliederung und Nachsorge, Bildung eines Eingliederungsgeldes, = § 15 Abs. 1 Nr. 22 BbgJVollzG; 19. Frist zur Fortschreibung des Vollzugs- und Eingliederungsplans.“ = § 15 Abs. 1 Nr. 23 BbgJVollzG.

IV. Therapeutische Ausrichtung

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Nicht nur die Einführung des Begriffs des Eingliederungsplans ist wichtig und zu begrüßen, weil er die Bedeutung und Ausrichtung von Anfang an auf die Entlassung im Sicherungsverwahrungsvollzug in den Vordergrund rückt, ganz i. S. d. vom BVerfG postulierten Freiheitsorientierung. Die Unterscheidung der 8erGruppe zwischen einer Vollzugsplanphase und einer Eingliederungsplanphase bringt zum Ausdruck, dass im Verlauf des Vollzugs die Außenwelt immer mehr an Bedeutung gewinnt.441 Verstärkt wird dies durch die inhaltliche Konkretisierung, die der Eingliederungsplan und damit die recht allgemeine Regelung zum Inhalt des Vollzugsplans in den dem ME-SVVollzG folgenden Ländern erfahren hat.442 Der GE-SVVollzG und die folgenden Länder verlieren sich hier im Vergleich dazu in Allgemeinplätzen und werden damit der Freiheitsorientierung und Ausrichtung auf die Entlassung nicht gerecht.443 Des Weiteren gilt es zu bedenken, dass es sich bei dem Inhalt des Vollzugsplans um Angebote der JVA und nicht um einseitige Vorgaben handelt. Dies bringt bspw. das BbgSVVollzG in größerem Umfang zum Ausdruck, wenn es nicht nur hinsichtlich des Inhalts von „Angaben“ spricht (vgl. § 9 Abs. 1 BbgSVVollzG), sondern dem Untergebrachten ein Wahlrecht unter denjenigen im Plan zu erfassenden Maßnahmen, die gleichsam geeignet sind, das Vollzugsziel zu erreichen, einräumt (vgl. § 8 Abs. 1 S. 5 BbgSVVollzG).444 Damit wird die Selbstständigkeit des Verwahrten gefördert. Die anderen Länder sollten sich daran ein Bsp. nehmen.445 441

Dünkel in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 5, 30. So werden zahlreiche, speziell die Entlassung und Eingliederung betreffende Punkte benannt, welche die allg. Angaben im Vollzugsplan spezifizieren; vgl. dazu § 9 Abs. 1 Nr. 18 und Abs. 3 Bbg SVVollzG. 443 Dies zeigt der Vergleich: Z. B. heißt es in § 9 Abs.  1 S.  2 Nr.  12 HSVVollzG: „Maßnahmen zur Vorbereitung eines sozialen Empfangsraums“. Wohingegen § 9 Abs.  1 Nr.  18 BbgSVVollzG („Maßnahmen zur Vorbereitung von Entlassung, Eingliederung und Nachsorge, Bildung eines Eingliederungsgeldes“) umfangreich ergänzt wird durch Abs. 3 derselben Vorschrift. Danach ist „insbesondere … Stellung zu nehmen zu: 1. Unterbringung im offenen Vollzug, Aufenthalt in einer Übergangseinrichtung, 2.  Unterkunft sowie Arbeit oder Ausbildung nach der Entlassung, 3. Unterstützung bei notwendigen Behördengängen und der Beschaffung der notwendigen persönlichen Dokumente, 4. Beteiligung der Bewährungshilfe und der forensischen Ambulanzen, 5. Kontaktaufnahme zu Einrichtungen der Entlassenenhilfe, 6. Fortsetzung von im Vollzug noch nicht abgeschlossenen Maßnahmen, 7. Anregung von Auflagen und Weisungen für die Bewährungs- oder Führungsaufsicht, 8. Vermittlung in nachsorgende Maßnahmen, 9. nachgehende Betreuung durch Vollzugsbedienstete.“ 444 Lediglich § 9 Abs. 1 S. 2 Nds. SVVollzG spricht missverständlich von „Angaben … über … Maßnahmen“. 445 Zum Vergleich der dem GE-SVVollzG folgende, ebso. dem StVollzG ähnl. § 9 Abs.  1 Nds. SVVollzG und § 9 Abs. 1 NJVollzG: Abs. 1 S. 2: „…Der Vollzugsplan enthält Angaben mindestens über folgende Maßnahmen: 1. psychiatrische, psychotherapeutische oder sozialtherapeutische Behandlungsmaßnahmen, = § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 NJVollzG („besondere Hilfsund Therapiemaßnahmen“); 2. andere Einzel- oder Gruppen-behandlungsmaßnahmen; 3. die Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Anstalt oder Abteilung, = § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 NJVollzG; 4. die Zuweisung zu Wohn- oder anderen Gruppen, die der Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 dienen, = § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 NJVollzG; 5. Maßnahmen, die die Bereitschaft der oder des Sicherungsverwahrten zur Mitwirkung an ihrer oder seiner Be 442

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Die bisherige Situation in Bayern, den Inhalt lediglich in einer VV festzuhalten, wäre angesichts der Betonung des Vollzugsplans durch das BVerfG446 nicht mehr haltbar gewesen. Es reicht nicht aus, wenn die Anstalt den im Gesetzestext angegebenen Inhalt nur wiederholt. Vielmehr muss die Anstalt wie im Strafvollzug auf den Verwahrten und die in Frage kommenden Behandlungsansätze „in zu­reichen­ der, Orientierung ermöglichender Weise eingehen und wenigstens in groben Zügen die tragenden Gründe darstellen“, die sie zu ihrer Entscheidung bewogen haben.447 Dabei hat die Anstalt im Vollzugsplan neue Erkenntnisse zum Untergebrachten darzulegen bzw. sich argumentativ z. B. mit vorliegenden Gutachten zur Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen auseinanderzusetzen (vgl. etwa § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 10 Nds. SVVollzG und § 9 Abs. 1 Nr. 13 und 14 BbgSVVollzG). Dies trifft in erster Linie für den Fall zu, dass sie diesem nicht folgen möchte.448 3. Fristenregelungen a) Grundsätzliche Vorgehensweise Um sich dem Thema der Fristen in den SVVollzGen zu nähern, wird hier der Abschnitt zur Aufnahme, Behandlung und Vollzugsplanung gewählt. So schreibt z. B. das SVVollzG LSA vor, dass sich an die Aufnahme zur Vorbereitung der Vollzugs- und Eingliederungsplanung „unverzüglich“ eine umfassende Behandlungsuntersuchung anschließt (vgl. § 9 Abs. 1 SVVollzG LSA). Die darin gewonnen Erkenntnisse dienen dazu, „unverzüglich“ den Vollzugs- und Eingliederungsplan zu erstellen (vgl. § 10 Abs. 1 SVVollzG LSA). Eine tatsächliche Frist nennt § 10 Abs. 2 S. 2 SVVollzG LSA, wonach der des Vollzugs- und Eingliederungsplan „regelmäßig innerhalb einer angemessenen Frist, die sechs Monate nicht übersteigen soll und zwölf Monate nicht überschreiten darf, überprüft und fortgeschrieben“ wird. Hinsichtlich der Planung der Eingliederung hält sich das SVVollzG LSA mit Zeitangaben zurück. Hier regelt bspw. das BremSVVollzG (vgl. § 9 Abs. 3 S. 1 BremSVVollzG), dass die Planung zur Vorbereitung der Eingliederung „spätestens ein Jahr vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt“ zu beginnen hat. Anhandlung wecken und fördern sollen; 6. Art und Umfang einer anzubietenden Arbeit, Aus- oder Weiterbildung oder arbeitstherapeutischen Beschäftigung,= § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 NJVollzG; 7. die Teilnahme an Veranstaltungen der Fortbildung, = § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 NJVollzG; 8. die Teilnahme an Freizeitangeboten,; 9. Maßnahmen zur Ordnung der persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten; 10. vollzugsöffnende Maßnahmen, = § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 NJVollzG; 11. Maßnahmen zur Förderung von Außenkontakten und zur Vorbereitung eines­ geeigneten sozialen Empfangsraums und 12. Maßnahmen zur Vorbereitung einer möglichen Entlassung und der durchgängigen Betreuung.“ = § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 8 NJVollzG. 446 BVerfGE 128, 379 f. 447 OLG Karlsruhe, Beschl. vom 4.9.2014 – 1 Ws 91/14, Rn. 19 – bei juris, dem ein Vollzugsplan hins. der enthaltenen Maßnahmen nach § 66 c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 StGB zur Prüfung gestellt war. 448 Etwa wie in OLG Nürnberg StV 2015, 576.

IV. Therapeutische Ausrichtung

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dere SVVollzGe begnügen sich damit, dass die Planung zur Vorbereitung der Eingliederung „rechtzeitig“ erfolgt (z. B. § 10 Abs. 3 S. 1 SVVollzG SH). Diese einleitenden Bspe. zeigen, dass alle SVVollzGe nur selten eindeutige Fristenregelungen, sondern stattdessen eher sehr allgemein gehaltene Zeitangaben, die viel Spielraum zur Auslegung bieten, enthalten. Einen Überblick über die wichtigsten „Fristenregelungen“ der SVVollzGe bietet Tabelle A7 im Anhang, die ebenso die ggf.  erfolgten Abweichungen von den Entwürfen (ME- und GE-SVVollzG) sowie die Unterschiede und Gemeinsamkeiten mit den geltenden Strafvollzugs­ gesetzen erkennen lässt. Deutlich zeigen sich die der föderalen Struktur geschuldeten Auswirkungen der Ländergesetzgebung: Diverse Varianten und daher letztlich unterschiedliche Bedingungen im Vollzug. Dass die SVVollzGe an vielen Stellen ein „unverzügliches“ Vorgehen geregelt haben, verwundert nicht, da das BVerfG das Zeitmoment bzgl. der Behandlungsuntersuchung selbst derart beschrieben hat.449 Der Bundesgesetzgeber nennt in § 66 c StGB erst gar keine Frist. Nicht einmal ein „unverzügliches“ Vorgehen ist dort vorgeschrieben. Dennoch: Es ist nicht die Pflicht des Gesetzgebers, das Urteil des BVerfG wortgetreu zu übernehmen, sondern umzusetzen und zu konkretisieren. Auch hat der Bund nur die Leitlinien vorgegeben. Genaue Fristen sind unerlässlich. Dies gilt nicht nur, weil bisher häufig keine zügige Umsetzung gerade im Zusammenhang mit der Vollzugs- und Entlassungsplanung in der Praxis erfolgte. Darüber hinaus sind sie notwendig, um „Klarheit, Verlässlichkeit und Disziplin“ in das Gesetz zu bringen und für den Verwahrten, die Anstalt und die Beschäftigten zu schaffen.450 Sind Fristen konkret angegeben, erhöhen diese die Rechtssicherheit und verbessern den vom BVerfG angemahnten effektiv durchsetzbaren Rechtsanspruch des Untergebrachten. Andernfalls, so wie es in vielen SVVollzGen erfolgte, bleibt es den Anstalten und im Streitfalle letztlich der richterlichen Rechtsfortbildung überlassen, wann z. B. ein Vollzugsplan „unverzüglich“ oder „alsbald“ erstellt wurde. Das stimmt nicht damit überein, dass das normative Gesamtkonzept „keine wesentlichen Gestaltungsspielräume überlassen“ darf.451 b) Fristen der Vollzugsplanung Die Vollzugsplanung ist im Hinblick auf die Forderung nach einem therapiegerichteten und freiheitsorientierten Vollzug von großer Bedeutung. Zwar ist zu begrüßen, dass einige Gesetzgeber darauf verzichteten, die Norm des StVollzG zu übernehmen. Nach § 7 Abs. 3 StVollzG waren im Vollzugsplan – ohne Konkreti 449

BVerfGE 128, 379 f. Prange in der Anhörung zum BremSVVollzG-E, A/RA 18/18, S. 429, 489; für klare Fristen Goldmann, Joester, Schwerdtfeger (Forensik) und Weichert-Pleuger, ebda., S. 427, 430, 432, 455 f., 476, 487; Blum/Oelbermann, Schriftliche Stellungnahme zum ThürSVVollzG-E, S. 10; krit. auch Wolf 2012, 75. 451 BVerfGE 128, 383 f. 450

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

sierung – lediglich „angemessene“ Fristen festzuhalten, um ihn mit der Entwicklung des Gefangenen und weiteren Ergebnissen der Persönlichkeitserforschung in Einklang zu halten. Angesichts dessen, dass in der Literatur für das StVollzG eine Sechsmonatsfrist gefordert wurde und dass einige LStVollzGe für den Strafvollzug zur Fortschreibung bzw. Überprüfung des Vollzugsplans bereits eine Frist von sechs Monaten inzwischen gesetzlich vorschreiben, muss für die Überprüfung und Fortschreibung des Vollzugs- und Eingliederungsplans auch im Sicherungsverwahrungsvollzug eine Obergrenze von sechs Monaten verlangt werden.452 Damit wird man dem Anspruch des BVerfG nach einer fortlaufenden Aktualisierung gerecht.453 Zudem hat der Bundesgesetzgeber mit der neuen Jahresfrist in § 67 e Abs. 2 StGB zu erkennen gegeben, „dass innerhalb dieses Zeitraumes erhebliche Änderungen der für die Gefahrenprognose maßgeblichen Umstände eintreten können“, so dass bzgl. der Fortschreibung des Vollzugsplans eine Frist von sechs Monaten durchaus angebracht erscheint.454 Dies entspricht dem Gesamtkonzept des Sicherungsverwahrungsverwahrungsvollzugs als Behandlungsvollzug, der auf eine Interaktion zwischen Untergebrachtem und Personal angelegt ist. Gerade wenn behandlerisch nicht mit einem schnellen Fortschritt gerechnet werden kann, muss bei zunehmender Vollzugsdauer das Intensivierungs- und Individualisierungsgebot beachtet werden.455 Ohne Konkretisierung wäre in den Ländern, die vor die Entscheidung über vollzugsöffnende Maßnahmen Gutachten einholen bzw. die Beteiligung der StVK schalteten, regelmäßig mit erheblichen Verzögerungen zu rechnen.456 Letztlich sollte auf die Aufweichung durch eine Sollvorschrift bzw. Regelvorschrift mit Ausnahmen verzichtet werden. Regelungen wie im SVVollzG LSA sind daher nicht akzeptabel.457 452 Vgl. LNNV/Nestler 2015, C. III. Rn. 40: „i. d. R. noch angemessen“; ebso. AK-StVollzGFeest/Straube 2012, § 7 Rn. 28; SBJL-Wischka 2013, § 7 Rn. 14; and. Arloth 2011, § 7 Rn. 9: Jahresfrist. 453 BVerfGE 128, 379. 454 OLG Braunschweig, Beschl. vom 17.12.2013 – 1 Ws 279/13, Rn. 34 – bei juris; s. a. OLG Nürnberg StV 2014, 151 f.; zu § 67 e StGB vgl. Teil C.VI.2.d). Die Formulierung könnte sinnvollerweise lauten: „… sind im Vollzugsplan angemessene Fristen vorzusehen, die jeweils sechs Monate nicht übersteigen dürfen.“ Ebso. sieht § 7 Abs. 4 StVollzG die 6-Monatsfrist zur Überprüfung bei Unterbringung in der SothA vor. 455 Schwerdtfeger (Forensik) in der Anhörung zum BremSVVollzG-E, A/RA 18/18, S. 474: „… dass sich die Bediensteten in regelmäßigen Abständen, und ich halte sechs Monate schon für eine gute Frist, zusammensetzen und den Fall reflektieren und schauen, welche weiteren Maßnahmen eigentlich jetzt erforderlich sind, auch wenn die Veränderungen nur knapp sind.“ 456 Joester in der Anhörung zum BremSVVollzG-E, A/RA 18/18, S. 456. 457 § 10 Abs. 2 S. 2 SVVollzG LSA: „Der Vollzugs- und Eingliederungsplan wird regelmäßig innerhalb einer angemessenen Frist, die sechs Monate nicht übersteigen soll und zwölf Monate nicht überschreiten darf, überprüft und fortgeschrieben.“ Ähnl. bspw. § 8 Abs. 2 S. 2 BremSVVollzG: „Hierfür sind im Vollzugsplan angemessene Fristen vorzusehen, die jeweils sechs Monate nicht übersteigen sollen.“

IV. Therapeutische Ausrichtung

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Wenn eine derart konkretisierte Frist bei der Überprüfung und Fortschreibung des Plans angezeigt ist, muss dies für die Erstellung des Vollzugsplans genauso gelten. Eine i. d. R. angemessene Frist dürften die ersten acht Wochen sein, wie es z. B. in § 8 Abs. 2 SVVollzG Bln der Fall ist. Dies hat in zeitlicher Hinsicht Rückwirkungen auf das Diagnoseverfahren, welches der Erstellung des Vollzugsplans vorausgeht und daher ebenfalls vor Ablauf der acht Wochen erfolgen muss. Zwar wird z. T. befürchtet, dass konkret benannte Fristen, wie diejenige für die erst­ malige Erstellung des Vollzugsplans praktisch aufgrund der notwendigen Gutachten nicht einzuhalten seien. Die Realität sehe so aus, dass man dafür sechs Monate benötige.458 Dem ist aber entgegen zu halten, dass die Anstalt zunächst die vorhandenen Gutachten und Unterlagen aus dem vorhergehenden Strafvollzug sowie Vollstreckungsverfahren heranziehen kann.459 Trotz hier anklingender Kritik lässt sich mit den jetzt getroffenen Regelungen eine Besserung zur bisherigen Situation der Verwahrten feststellen. Dies lässt sich auch einer Entscheidung des KG Berlin vom April 2014 entnehmen. Das Gericht stufte eine über 15 Monate dauernde Diagnostik als zu lange ein. Es stellte aber darauf ab, dass die Erstellung einer dem § 66 c Abs. 1 Nr. 1 StGB und §§ 7 ff. SVVollzG Bln entsprechenden Eingangsdiagnostik vor der Neuregelung der Sicherungsverwahrung nicht zwingend angezeigt gewesen sei. Erst recht habe es keine Regelfrist von acht Wochen gegeben, welche sich neuerdings aus der Regelung zur Erstellung des Vollzugsplans, welchem das Diagnoseverfahren vorausgehe, ergebe.460 Dies gilt umso mehr, als ohne den Vollzugsplan, der das Vollzugsziel individuell für den einzelnen Untergebrachten konkretisiert, die Orientierung für den Vollzugsverlauf und die notwendigen Entscheidungen, die während der Unterbringung zu treffen sind, fehlt. Die SVVollzGe ohne zusätzliche Regelfrist hinsichtlich der Erstellung des Vollzugsplans und damit einschließend des­ Diagnoseverfahrens sollten daher dem Bsp. des ME-SVVollzG und SVVollzG Bln folgen sowie sich am Konzept der JVA Brandenburg a. d. H. orientieren, auf das im folgenden Abschnitt eingegangen wird. c) Vorbild: Konzept JVA Brandenburg a. d. H. Angesichts der z. T. vorgebrachten Skepsis ggü. der Praktikabilität von gesetzlich fest geregelten Fristen soll das Modell des Konzepts der JVA Brandenburg a. d. H. vorgestellt werden.461 Dieses schildert nämlich eine Vorgehensweise, wie die im BbgSVVollzG festgehaltene regelmäßig achtwöchige Frist eingehalten werden 458

Fölsch, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH-E, S.2 f. Vgl. dazu bspw. die Gesetzesbegründung zum SVVollzG SH, SH LT-Drs. 18/448, S. 118. 460 KG Berlin, Beschl. vom 30.4.2014 – 2 Ws 26/14, 2 Ws 26/14 – 141 AR 30/14, Rn. 33 – bei juris. 461 Das dargestellte „kommunikative System“ findet sich im Konzept der JVA Bbg a. d. H., S. 21 ff. 459

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

kann. Darüber hinaus kommt darin zum Ausdruck, dass die JVA nicht mehr in den Kategorien des Strafvollzugs zu denken und handeln versucht. Stattdessen möchte man der neuen Situation im Sicherungsverwahrungsvollzug Rechnung tragen. Um den schwierigen Übergangsprozess vom Strafvollzug in die präventive unbestimmte Maßregelunterbringung und Integration des Verurteilten zu erleichtern, sieht das Konzept ein „kommunikatives System“ aus zu Beginn des Sicherungsverwahrungsvollzugs drei verschiedenen Konferenzen vor: Die Übergangskonferenz, welche maximal vier Wochen vor dem Antritt der Sicherungsverwahrung durchgeführt wird; die Vorstellungskonferenz, welche innerhalb der ersten drei Werktage des Sicherungsverwahrungsvollzugs abzuhalten ist sowie die in § 8 Abs.  2 BbgSVVollzG vorgesehene, im Konzept als „Behandlungs- bzw. Integrationskonferenz“ bezeichnete, Vollzugsplankonferenz innerhalb der ersten acht Wochen.462 In der Übergabekonferenz geht es im Wesentlichen darum, den Behandlungsstand sowie die Erkenntnisse aus dem Strafvollzug zusammenzutragen, wobei der aufgrund der Entscheidung nach § 67 c StGB bestellte Gutachter, der Verurteilte und sein Verteidiger sowie die Leitung der in Brandenburg zuständigen Zentralabteilung Diagnostik, die Anstaltsleitung und das bisherige Behandlungsteam zusammenkommen.463 Hier können die Erkenntnisse aus dem Strafvollzug erlangt und darauf aufbauend Betreuungs- und Behandlungsstrategien antizipiert werden. Diese Konferenz führt das Konzept auf die Anforderung des BVerfG zurück, dass zu Beginn eine umfassende Behandlungsuntersuchung stattfinden soll, welche sie quasi vorbereitet.464 Mehr der Integration des Untergebrachten sowie der Achtung seiner Autonomie dienend, ist die daraufhin folgende Vorstellungskonferenz. Sie geht über das gesetzlich geregelte Aufnahmeverfahren hinaus. Hier stellt sich das Behandlungsteam dem Untergebrachten vor. Außerdem wird er über seine neue Rechtsposition als Sicherungsverwahrter aufgeklärt (vgl. § 6 Abs. 1 S. 1 BbgSVVollzG) und ist „zu seinen Vorstellungen und Wünschen“ zu befragen.465 Dies ist so im Gesetz nicht vorgesehen. Im Anschluss wird die in § 6 Bbg SVVollzG genannte eigentliche Aufnahmephase eingeleitet. In dieser sollen neben dem vorhandenen defizitorientierten Wissen aus dem Strafvollzug die Stärken und Ressourcen des Untergerbachten mittels einer ausführlichen Exploration ermittelt werden (Lebensstil-Analyse im Längsschnitt).466 Als Drittes findet die in den SVVollzGen als Vollzugsplan-, im Konzept sinnvollerweise als Behandlungs- bzw. Integrations­ 462

Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 21 ff. Eckpunktepapier Bln/Bbg 2011, S. 10: „Hierzu sind in den Ländern Berlin und Brandenburg zentrale Einweisungs- bzw. Aufnahmeabteilungen eingerichtet.“ I. Ü. Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 22. 464 BVerfGE 128, 379: „Spätestens zu Beginn des Vollzugs … hat unverzüglich eine umfas­ sende, modernen wissenschaftlichen Anforderungen entsprechende Behandlungsuntersuchung stattzufinden.“ 465 Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 23. 466 Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 24; s. a. Suhling/Pucks/Bielenberg 2012, 245 f. und 257. 463

IV. Therapeutische Ausrichtung

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konferenz, bezeichnete Konferenz statt. Weil ein Rückgriff auf die Erkenntnisse der ersten beiden Konferenzen möglich ist, wird die Anstalt regelmäßig die 8-Wochen-Frist einhalten können.467 d) Fristen der Eingliederungsplanung Die Fristen hinsichtlich der Eingliederungsplanung unterscheiden sich in den Gesetzen der 8er-Gruppe: Den Beginn haben einige Gesetze nicht näher spezifiziert (nur allgemein: „rechtzeitig“ bzw. „frühzeitig“; vgl. Tabelle A7 im Anhang). Dies und selbstredend die überhaupt nicht näher vorgenommene Konkretisierung der dem GE-SVVollzG folgenden Länder in Bezug auf die Eingliederungsplanung entspricht nicht der vom BVerfG geforderten „Freiheitsorientierung“ sowie Regelungsdichte. Denn konsequent an der Wiedereingliederung orientiert, müsste der Vollzug der Sicherungsverwahrung auf die frühestmögliche Entlassung hinarbeiten. So steht es in den Zielvorstellungen der Gesetze: Die Gefährlichkeit des Untergebrachten ist derart zu minimieren, dass er entlassen werden kann. Recht weit geht die Forderung Dünkels, dass die Eingliederungsvorbereitung nicht nur „rechtzeitig“ oder innerhalb einer bestimmten Frist, sondern von Beginn an erfolgen solle.468 Daran kann man insofern zweifeln, als für die Mehrheit der Untergebrachten die Entlassung in sehr weiter Ferne liegt oder nie erreicht werden kann. Eine Regelung, welche die Planung der Vorbereitung von Beginn an vorschreibt, würde vermutlich „totes Recht“ bleiben. Die Planung ist erst angezeigt, wenn die Entlassung konkreter wird. Wenn man den Vergleich zu einigen LStVollzGen zieht, welche konkret „spätestens ein Jahr vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt“ als Beginn des Eingliederungsplans vorsehen (vgl. z. B. § 15 Abs. 4 S. 1 LJVollzG), sind die Zeitangaben zu unbestimmt. Parallel dazu ließe sich die Kritik fortführen. Bspw. sollen Bewährungshelfer „frühzeitig“ beteiligt werden. Unklar bleibt, was dies konkret bedeutet.469 Außerdem findet sich im Strafvollzug eine Konkretisierung der Beteiligung, die „in den letzten zwölf Monaten vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt“ erfolgen soll (vgl. z. B. § 14 Abs.  7 LJVollzG und zusätzlich in Verwaltungsvorschriften).470 Die angemahnte Flexibilität bleibt zudem erhalten, wenn man eine konkrete Frist für die „spätestens“ beginnende Vorbereitung vor 467

Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 25. Dünkel, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH-E, S. 3: „Von Beginn der Unterbringung an hat die Planung zur Vorbereitung der Eingliederung zu beginnen.“ Zurückhaltender Fölsch, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH-E, S. 3, der eine Präzisierung forderte. 469 Bahl (Straffälligenhilfe) in der Anhörung zum BremSVVollzG-E, A/RA 18/18, S. 460. 470 Vgl. VI. 1. „Organisation im Zusammenhang mit Bewährungshilfe“ des Rundschreibens des JuMi vom 14.7.2015 „Landeskonzept für ein Übergangsmanagement in Rheinland-Pfalz“, RlP JBl. 2015, Nr. 7, 57. 468

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

schreibt und die Rede von „voraussichtlicher Entlassung“ ist.471 Dann bleibt der Praxis genügend Zeit, um die Vorbereitung flexibel zu gestalten. Außerdem ist eine konkrete Frist verfassungsrechtlich, aufgrund der eigenen gesetzlich festgehaltenen Zielvorgaben sowie kriminologisch aufgrund bisheriger Praxiserfahrungen geboten. Ohne eine konkrete gesetzliche Vorgabe bleibt unklar, wer konkret nach welchen Kriterien den für die Eingliederungsplanung relevanten Zeitraum vor dem Entlassungszeitpunkt bestimmt. So besteht die Gefahr, dass der zuständige Vollzug die Verantwortung dafür auf die nicht zuständige StVK abzuschieben versucht.472 Daher sollte die Vorbereitung spätestens ein Jahr vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt liegen. 4. Mitwirkung, Motivierung und Anreizsysteme a) Mitwirkungsappell Da die Ziele des Sicherungsverwahrungsvollzugs nicht ohne oder gegen die Verwahrten selbst zu erreichen sind, regeln die Entwürfe und SVVollzGe ähnlich wie im StVollzG die Mitwirkung der Verwahrten zu Beginn in einer Grund­ regel.473 In den Gesetzen der 8er-Gruppe wird davon gesprochen, dass der Unter­ gebrachte „an der Gestaltung des Vollzugsalltags beteiligt“ wird (z. B. § 5 Abs. 3 S. 1 SVVollzG SH). Dies hebt dessen Subjektstellung hervor und verknüpft die Mitwirkung mit seiner Rechtsstellung. Damit kommt zum Ausdruck, dass ein Schritt in Richtung Selbstständigkeit, welche aufgrund der jahr(zehnt)elangen Inhaftierung schwer leidet, gemacht werden soll. Eine Mitwirkungspflicht, wie sie z. B. § 5 Abs. 1 S. 1 HmbStVollzG immer noch vorsieht,474 gibt es im hamburgischen sowie in allen anderen SVVollzGen nicht mehr. Durch den Mitwirkungsappell soll den Untergebrachten die Notwendigkeit ihrer Mitwirkung vor Augen geführt werden.475 Ob dieses Ziel durch eine Norm erreicht werden kann, steht jedoch auf einem anderen Blatt. Ungeeignet zur Verwirklichung des Resozialisierungsgebots und damit unverhältnismäßig wäre eine 471

Van Schellenbeck zum BremSVVollzG-E, A/RA 18/18, S. 470. Fölsch, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH-E, S. 3. 473 ME-SVVollzG Begründung, S. 16, 30. Im § 4 Abs. 1 GE-SVVollzG heißt es: „Die Erreichung der Vollzugsziele erfordert die Mitwirkung der Untergebrachten.“ Im § 4 Abs. 3 MESVVollzG: „Zur Erreichung des Vollzugsziels bedarf es der Mitwirkung der Untergebrachten.“ Die SVVollzGe stimmen damit inhaltlich überein, nur Nds. und NRW enthalten keine solche Regelung. 474 Krit. dazu R. Schneider 2010, 66. Wie im HmbStVollzG enthalten die JStVollzG jeweils eine Pflicht zur Mitwirkung (vgl. dazu bspw. § 2 Abs. 7 JVollzGB IV) statt nur eine Aufforderung in den SVVollzGen. 475 ME-SVVollzG Begründung, S. 16; ebso. Bock in der Anhörung zum LSVVollzG-E, APr 16/19, S. 47 f.: Die Mitwirkung von Strafgefangenen und von SV ist zu fördern, es besteht aber keine Pflicht zur Mitwirkung. 472

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mittels Disziplinarmaßnahmen erzwungene und nur äußere Mitwirkung.476 Dies versuchen Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen durch eine Abweichung im Vergleich zum StVollzG/NJVollzG sowie den anderen SVVollzGen zum Ausdruck zu bringen, indem sie auf den üblichen Satz, dass die Erreichung der Vollzugsziele die Mitwirkung der Sicherungsverwahrten erfordere, verzichten, weil dieser zu sehr auf eine Pflicht hindeute.477 Vorzugswürdiger wäre, von einem Recht auf Mitgestaltung denn einer (mittelbaren) Verpflichtung auszugehen. Allerdings besteht hier wieder die vom Abstandsgebot her betrachtet schwierige Situation, dass es i. S. e. Resozialisierungsvollzugs eines solchen Vorgehens auch im Strafvollzug bedürfte. Aufgrund der schon eindeutigeren Zielbestimmung wird im ME-SVVollzG und einigen SVVollzGen auch die Frage, woran genau der Verwahrte mitwirken soll, deutlicher beantwortet als im GE-SVVollzG.478 Danach dient die Mitwirkung der Erreichung des Vollzugsziels oder der -ziele, d. h. in erster Linie der Gefährlichkeitsminimierung. Hingegen ausgeschlossen ist die Mitwirkung am Schutz der Allgemeinheit, weil es eine staatliche und somit die Aufgabe der Anstalt ist, im Vollzug für Schutz zu sorgen.479 Zudem hat der Verwahrte unfreiwillig durch sein Sonderopfer selbst schon den größten Teil dazu beigetragen. b) Zusammenhang zwischen Mitwirkung und Motivierung Den Zusammenhang zwischen Mitwirkung und Motivierung bringen die dem GE-SVVollzG folgenden Länder im Titel ihrer Grundregel „Mitwirkung und Motivierung“480 sehr deutlich zum Ausdruck. Die Motivierungsregelung der 8erGruppe findet sich im Abschnitt „Therapeutische Ausgestaltung und Maßnahmen“ in einem eigenen Paragraphen.481 Bis auf Niedersachsen differenzieren alle 476

Bachmann 2015, 163; Jünemann 2012, 424 f. Im Unterschied zu NRW (dort bereits im Gesetzentwurf vorgesehen, vgl. NRW LTDrs. 16/1435, S. 60, um den „Angebotscharakter“ zum Ausdruck zu bringen) änderte man die Formulierung in Nds. erst nach Anregung durch den ARV (vgl. dazu den schriftlichen Bericht des ARV, Nds. LT-Drs. 16/5519, S. 3). 478 Wie § 4 Abs. 4 ME-SVVollzG ebso. im SVVollzG Bln; BbgSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG/SLSVVollzG; SächsSVVollzG; SVVollzG LSA; BremSVVollzG; SVVollzG SH. 479 Der GE-SVVollzG ist hier ungenau, da er die Mitwirkung pauschal auf „die Vollzugsziele“ bezieht und der gesamte § 2 GE-SVVollzG die Überschrift „Ziele des Vollzugs“ trägt. Diese Problematik haben teilweise die dem GE-SVVollzG ähnl. Landesgesetze übernommen, so z. B. § 4 Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 2 HmbSVVollzG. Ähnl. verhält es sich in BW: § 3 Abs. 1 S. 1 JVollzGB V spricht ungenau von den Vollzugszielen, bezweckt zugleich den Schutz der Allgemeinheit. 480 Ebso. im JVollzGB V (hier: § 3); BaySvVollzG; HmbSVVollzG; HSVVollzG/ThürSV VollzG (Abweichungen im Wortlaut: statt von Vergünstigungen ist die Rede von „Maßnahmen der Anerkennung“); SVVollzG NRW (hier: § 3); SVVollzG LSA. 481 Z. B. § 16 SVVollzG M-V: „Motivierungsmaßnahmen“; vgl. auch § 16 Abs. 2 SVVollzG Bln; BbgSVVollzG; BremSVVollzG; LSVVollzG/SLSVVollzG; SächsSVVollzG sowie § 17 477

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Gesetze: Einerseits wird die Bringschuld der Anstalt hinsichtlich der therapeutischen Angebote bsph. umschrieben. Auf der anderen Seite wird das vom BVerfG angeregte Anreizsystem angesprochen, was im Grunde eine Bringschuld des Untergebrachten erfordert, der dann mit den vorgesehenen Begünstigungen belohnt wird.482 Angesichts der in den Gesetzgebungsverfahren aufgekommenen Kritik, die Gesetzentwürfe berücksichtigten zu wenig, wie mit „hoffnungslos Verwahrten“ umzugehen sei,483 ist die Begründung und der Gesetzestext von Interesse, wonach immer wiederkehrende Gesprächsangebote die Grundpfeiler der Motivationsarbeit seien.484 Diese könnten auch abgelehnt werden. Die Haltung der Verwahrten könne sich ändern, es müsse aber ein Zeitpunkt festgelegt werden, wann wieder ein neues Angebot zu Gesprächen gemacht werde. Oft handle es sich um Menschen mit sozialen Defiziten, die kaum oder gar nicht beziehungsfähig seien, so dass hier versucht werden müsse, entsprechend niederschwellige Angebote zu machen, um dadurch ihre Mitwirkungsbereitschaft zu wecken. Daraus kann man folgern, dass die Problematik vom Gesetzgeber durchaus erkannt wurde, dass (viele) Verwahrte unter Umständen nicht (sofort) mit Therapie oder anderen Angeboten ansprechbar sind. Flexibilität wird der Praxis dadurch eingeräumt, dass Motivierungsmaßnahmen nur bsph. (Gesprächsangebote, die Beziehungsfähigkeit fördernde Maßnahmen sowie die Vermittlung des therapeutischen Konzepts) aufgezählt werden. Im Gesetzestext des § 16 Abs. 1 S. 2 MESVVollzG und den folgenden SVVollzGen kommt das Bemühen, den Verwahrten nicht aufzugeben, durch das Wort „wiederkehrend“ zum Ausdruck. GE-SVVollzG und ME-SVVollzG sprechen davon, die Mitwirkungsbereitschaft „fortwährend zu wecken und zu fördern“.485

Abs. 2 SVVollzG SH. Diese Systematik erklärt sich damit, dass ein eigener Abschnitt inklusive des Therapieanspruchs entsprechend der Therapieorientierung des neuen SV geschaffen wurde. 482 Vgl. z. B. § 16 S. 1 und 2 SVVollzG M-V oder §§ 4 Abs. 2 S. 1, 5 Abs. 1 S. 3 HSVVollzG/ ThürSVVollzG: „Hierzu gehören insbesondere wiederkehrende Gesprächsangebote, die Beziehungsfähigkeit fördernde Maßnahmen und die Vermittlung des therapeutischen Konzepts …. Zur Motivierung können auch Vergünstigungen gewährt oder bereits gewährte Vergünstigungen wieder entzogen werden.“ 483 Vgl. dazu bereits Teil C.IV.1.c). 484 Vgl. dazu bspw. ME-SVVollzG Begründung, S. 31; Brem LT-Drs. 18/749, S. 98; Thür LTDrs. 5/5843, S. 59; s. a. §§ 16, 17 SVVollzG SH; § 4 Abs. 1 S. 2 HSVVollzG. 485 Einzig § 4 Abs. 4 S. 2 SVVollzG M-V spricht nur vom „Fördern“, was den falschen Eindruck vermittelt, alle SV seien ohne weiteres mitwirkungsbereit. § 4 Abs.  4 S.  2 SächsSV VollzG verzichtete auf „fortwährend“.

IV. Therapeutische Ausrichtung

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c) Sinn und Zulässigkeit eines Anreizsystems Gemein ist allen Gesetzen (Ausnahme: Nds. SVVollzG), dass sie zur Motivierung der Untergebrachten die Möglichkeit von Vergünstigungen und i. d. R. deren Entzug, d. h. ein sog. Anreizsystem, eingeräumt haben.486 Auf den Wiederentzug verzichten nur das HSVVollzG und ThürSVVollzG, die im Gesetz lediglich die Motivation durch „Maßnahmen der Anerkennung“ nennen.487 Kritisiert wird das Anreizsystem, weil es eine Erziehungsmethode darstelle und der Erziehungsgedanke dem Sicherungsverwahrungsvollzug fremd sei.488 Außerdem hafte ihm die Gefahr an, dass es zu keiner wirklichen inneren Motivation komme, sondern es bei der von außen, vom Vollzug vorgegebenen bleibe.489 Damit verbunden sei eine große Definitionsmacht der Anstalten, zwischen „therapieunwilligen ‚Feinden‘ der Gesellschaft“ und „den ‚guten‘ Gefangenen“ zu differenzieren.490 Bemerkenswert ist das Nds. SVVollzG, da es auf die noch im ursprünglichen Gesetzentwurf vorgesehene und mit dem GE-SVVollzG identische Regelung aufgrund Bedenken des Rechtsausschusses verzichtete.491 Dieser unterstellte dem BVerfG, sich zu seinen eigenen Aussagen in ein und demselben Urteil in „Widerspruch“ zu setzen.492 486 Bsph. sei Art. 4 Abs. 2 S. 1 BaySvVollzG genannt: „Zur Motivierung können auch besondere Vergünstigungen gewährt oder bereits gewährte besondere Vergünstigungen wieder entzogen werden.“ 487 Ein Entzug ist dort nur im Wege der Rücknahme eines begünstigenden Verwaltungsakts denkbar, zumal die beiden Gesetze keine allg. Regelung zur Aufhebung von vollzuglichen Maßnahmen enthalten (wie z. B. § 96 SVVollzG Bln). Unabhängig von Kritik am Anreizsystem gilt: Wenn sich der Gesetzgeber dafür entscheidet, ein Anreizsystem mittels Vergünstigungen zu etablieren, dann sollte er zugleich deren Entzug regeln. Hervorgehoben z. B. von Kannegießer (BSBD) in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 18. 488 Krit. Feest, Anmerkungen zum SVVollzG LSA-E, Strafvollzugsarchiv vom 24.1.2013; vgl. auch LSA LT-Drs.  6/1673, S.  10: „Der Erziehungsgedanke ist dem Vollzug der Sicherungsverwahrung fremd, vielmehr zentrales Element der Vollzugsgestaltung im Jugendstrafvollzug …“ 489 Bspw. Schäfersküpper/Grote, NStZ 2013, 450. 490 H. Schneider, ZfStrVo 2004, 141. Diese Gefahr wird begünstigt durch die Regelungen der dem GE-SVVollzG folgenden Gesetze zur Behandlungsuntersuchung (z. B. § 9 Abs.  2 S. 2 HSVVollzG). Denn Inhalt der Behandlungsuntersuchung ist „die Behandlungsfähigkeit und -motivation der Untergebrachten festzustellen“. Einzig im Nds. SVVollzG erfolgt eine noch größere Hervorhebung durch § 9 Abs. 2 S. 1 Nds. SVVollzG. Danach ist der Vollzugsplan in Einklang zu halten mit den Erkenntnissen zur Persönlichkeit des Verwahrten, was „insbesondere“ mit der „Bereitschaft, an der Erreichung der Vollzugsziele … mitzuarbeiten“ zu konkretisieren ist. Dies weist weiterhin Tendenzen eines Chancenvollzugs auf. Vorzuziehen wäre eine allg. Formulierung wie bspw. in § 7 Abs. 3 BremSVVollzG. 491 Nds. LT-Drs. 16/4873, S. 7; Schriftlicher Bericht des ARV, Nds. LT-Drs. 16/5519, S. 3 mit der Begründung, warum auf eine zum GE-SVVollzG identische Norm verzichtet werden sollte; BeschlEmpf des ARV vom 28.11.2012, LT-Drs. 16/5466, S. 8. 492 Schriftlicher Bericht des ARV, Nds. LT-Drs. 16/5519, S. 3.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Denn einerseits halte das Gericht ein solches Anreizsystem für zulässig.493 Andererseits habe das BVerfG an anderen Stellen im Urteil selbst ausgeführt, dass Beschränkungen des Verwahrten „über den unabdingbaren Entzug der ‚äußeren‘ Freiheit hinaus“ vermieden werden müssten und der Sicherungsverwahrungsvollzug „den allgemeinen Lebensverhältnissen anzupassen [sei], soweit Sicherheitsbelange dem nicht entgegenstehen“.494 Daraus sei der Schluss zu ziehen, dass Vergünstigungen nur in bestimmten Bereichen möglich seien. Dem Motivierungsgebot will der niedersächsische Gesetzgeber dadurch gerecht werden, dass er die Motivierung als ein „ermessenslenkendes Merkmal bzw. Auslegungskriterium“ begreift.495 Danach hat die Anstalt bei Ermessensentscheidungen bzw. bei ihnen eingeräumten Beurteilungsspielräumen zu berücksichtigen, „inwieweit die jeweilige Maßnahme geeignet ist, die Bereitschaft der oder des Sicherungsverwahrten, an der Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 mitzuwirken, zu wecken und zu fördern“.496 Ob dies eine erfolgreiche(re) Möglichkeit zur Motivierung ist, bleibt abzuwarten. Praktikabler und praxisnäher erscheint in der Tat mittels Erfolgserlebnissen motivieren zu wollen.497 Eine Verhaltensänderung498 würde den Willen des Untergebrachten, bestärkt durch positive Erfahrungen, voraussetzen. Allerdings muss man die Besonderheiten der Klientel und der Situation der Sicherungsverwahrung an sich beachten. Im Sicherungsverwahrungsvollzug hat man es, wie in Teil B. aufgezeigt, vielfach mit Personen zu tun, denen es an Motivation fehlt, die womöglich schon im Strafvollzug resigniert haben und daher in gewisser Weise aufgrund ihrer Situation keinen Leidensdruck empfinden oder sich nicht verändern wollen. Damit verbunden ist ein nur eingeschränkter Zugang zur intrinsischen Motivation. Gerade zu Beginn fehlt häufig die Eigenmotivation, zumal das Leben nicht wie im Strafvollzug klar und sicher auf einen konkreten Entlassungszeitpunkt ausgerichtet ist.499 Hinsichtlich sich selbst machen die Verwahrten ständig die Erfahrung, aufgrund der ­eigenen Defizite zu scheitern.500 Sie haben im Zweifel Behandlungsangebote im Strafvollzug nicht angenommen oder abgebrochen. Im Vergleich zum Strafvollzug, wo das Damoklesschwert der Sicherungsverwahrung „nur“ über einem 493

Vgl. BVerfGE 128, 380. BVerfGE 128, 374. 495 Schriftlicher Bericht des ARV, Nds. LT-Drs. 16/5519, S. 6. 496 Schriftlicher Bericht des ARV, Nds. LT-Drs. 16/5519, S. 6. 497 S. z. B. H LT-Drs. 18/6068, S. 60: „Diese Möglichkeit trägt dem Gedanken Rechnung, dass nicht nur auf Fehlverhalten zu reagieren ist, sondern positives Verhalten durch Anerkennung bestärkt werden soll.“ Überzogen und hinsichtl. der bsph. Nennung von Fördermaßnahmen (s. § 5 Abs. 1 S. 2 HSVVollzG-E) nicht korrekt daher die Kritik von Erdem/Scherzberg, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 21. 498 Dazu Bock, Schriftliche Stellungnahme zum LSVVollzG-E, S. 3. 499 Dort aber Probleme im Zusammenhang mit der vorbehaltenen SV; vgl. dazu MüKo-­ Ullenbruch/Morgenstern 2012, § 66 a Rn. 29; s. a. Ullenbruch, NStZ 1998, 328. 500 Treffend das Konzept der JVA Bbg a. d. H., S. 41 f.: „defizitorientiertes“ Wissen über sich selbst. 494

IV. Therapeutische Ausrichtung

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schwebt, wird es zudem, einmal in der Sicherungsverwahrung angekommen, immer weniger möglich den eigenen Status vor sich selbst zu leugnen. Damit einhergehen können, wie es das BVerfG selbst feststellte, „schwerwiegende psychische Auswirkungen“, sprich Demotivation, Lethargie und Passivität.501 Aufgrund der zukünftig komfortableren Unterbringung im Sicherungsverwahrungsvollzug sind die Anreize eingeschränkter als im Strafvollzug, wo allein schon die beengten Verhältnisse motivationsfördernd wirken können.502 Anfang aller behandlerischen Einwirkung ist daher die Erarbeitung einer Eigenmotivation und überhaupt Förderung der Mitwirkungsbereitschaft und Perspektiventwicklung. Insofern hat die ständige, im „Zentrum des Behandlungs­ auftrags“ stehende,503 Motivierung direkte Rückwirkung auf die für das Gelingen der Resozialisierung dringend notwendige Mitwirkung. Entscheidend sind dabei Aufbau und Pflege einer Behandlungsbeziehung. Bevor es zu einer inneren Motivation kommt, wird also regelmäßig die Fremdmotivation stehen.504 Erschwert wird dies dadurch, dass aufgrund der besonderen Situation der präventiven Maßregel weniger Möglichkeiten bestehen, mit Druck und Zwang zu arbeiten, so dass schon die Aktivierung einer extrinsischen Motivation schwierig sein dürfte. Das Anreiz­system macht also grds. Sinn. Bleibt die Frage nach dessen zuvörderst vom niedersächsischen Gesetzgeber bezweifelten Zulässigkeit. Werden im Zuge des Anreizsystems Vergünstigungen wieder entzogen, so erfolgt dies nicht direkt aus Sicherheitsgründen. Allerdings dienen Motivierung und Mitwirkung in erster Linie dem Vollzugsziel, der Gefährlichkeitsminimierung. Das BVerfG stellte gleichfalls fest, „dass das Leben im Vollzug allein solchen Beschränkungen unterworfen werden darf, die zur Reduzierung der Gefährlichkeit erforderlich sind“.505 Damit lässt sich ein gesetzlich festgelegtes Anreizsystem – trotz der damit nicht zu vernachlässigenden Gefahren und Kritikpunkte – grds. mit dem BVerfG-Urteil rechtfertigen. Allerdings müssen die Gefahren für die Resozialisierung abgemildert werden, indem sie in ein therapeutisches Gesamtkonzept eingebettet werden.506 Gemeint ist damit, dass re-

501

BVerfGE 128, 380. Skirl in der Anhörung zum SVVollzG NRW-E, APr 16/167, S. 14, 20 f.: Spannungsverhältnis, da sich die Verwahrten u. U. durch eine privilegierte Ausstattung der eigenen Zimmer immer mehr in ihren eigenen Kosmos zurückzögen; ebso. Konzept der JVA Bbg a. d. H., S. 40. 503 Konzept der JVA Bbg a. d. H., S. 40. 504 Ähnl. Düx, ZRP 2006, 85; ebso. Sprung 2009, 92. 505 BVerfGE 128, 377. 506 Für den vorausgehenden Strafvollzug OLG Hamm, Beschl. vom 28.4.2014 – III-1 Vollz 28/14, Rn. 19 – bei juris: „… im Rahmen eines therapeutischen Gesamtkonzeptes Gelegenheit zu geben, eine nach Durchführung therapeutischer Maßnahmen gegebenenfalls reduzierte Gefährlichkeit auch unter Beweis zu stellen und so den Verurteilten gleichzeitig zu motivieren, weitere Behandlungsangebote anzunehmen …“ Dem mit Recht folgend Peglau, jurisPRStrafR 1/2015 Anm. 4. Nichts anderes kann für den SVV selbst gelten. 502

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

sozialisierungsfördernde und nicht-monetäre Vergünstigungen einem monetären Anreizsystem vorzuziehen sind. Mit diesen lässt sich nach Behandlungsbeginn und -fortschritt die reduzierte Gefährlichkeit unter Beweis stellen, was im Idealfall zu weiterer Therapiemotivation führt. Darüber hinaus sollten Wege gesucht werden, wie ein Gegengewicht zu der Definitionsmacht der Anstalt geschaffen werden kann. Insoweit ist es ein guter Weg, wenn die Subjektstellung des Untergebrachten betont wird. Eine weitere Möglichkeit wäre, den Untergebrachten selbst vermehrt an der Vollzugsplanung zu beteiligen. Bisher ist bspw. in den dem GE-SVVollzG folgenden Normen, wie bereits im StVollzG und den LStVollzGen, eine Erörterung des Inhalts des Vollzugsplans mit dem Untergebrachten vorgesehen.507 Damit ist jedoch kein effektiver Rechtsschutz i. S. d. Rechtsschutz- und Unterstützungsgebots gewährleistet, geschweige denn eine Verbesserung ggü. dem Strafvollzug. Bedurft hätte es hier einer Verstärkung der Verteidigerrechte im Zusammenhang mit der Vollzugsplanung. Dem ME-SVVollzG und der sich daran orientierenden Länder zufolge sollen daneben die Anregungen und Vorschläge des Verwahrten einbezogen werden, wenn sie der Erreichung des Vollzugsziels dienen.508 Nur wenige Gesetze glänzen damit, dass sie eine gewisse Beteiligung des Verwahrten an der Vollzugsplanung vorsehen. Daher wäre eine Nachbesserung angezeigt. Ganz generell gesprochen muss die Vollzugsplanung zuverlässiger durchgeführt werden, weil Unzuverlässigkeit bisher zur Demotivation führte.509 Im Übrigen sollte der Untergebrachte einen Anspruch auf Teilnahme an der Vollzugsplankonferenz erhalten.510 Darüber hinaus sollte man sich vor Augen führen, dass im System vollzugsöffnender Maßnahmen ohnehin ein ganz natürliches System zur Motivation enthalten ist, worauf man einen Schwerpunkt legen sollte. Des Weiteren ist für die Wirksamkeit von Maßnahmen und für den Erfolg der Motivierungsarbeit das Anstaltsklima i. S. e. Aufbaus tragfähiger und konstanter Beziehungen sowie transparenter Entscheidungswege ausschlaggebend.511 Es wird nicht ausreichen, Behandlung oder Mitarbeit lediglich zu verordnen.

507

Exemplarisch für die sich am GE-SVVollzG orientierenden Länder sei Art.  9 Abs.  4 S.  1 BaySvVollzG, für die sich am ME-SVVollzG orientierenden Länder § 8 Abs.  4 S.  1 BbgSVVollzG genannt. 508 Neben der 8er-Gruppe folgen ausnahmsweise das HSVVollzG und ThürSVVollzG dem ME-SVVollzG. 509 Hackbarth, ZfStrVo 2006, 288 f.; Karras, FS 2011, 299. 510 Im Moment deutlich kein Rechtsanspruch, exemplarisch GE-SVVollzG, S. 47. 511 V. a. von therapeutischer Seite betont, etwa Finis, Schriftliche Stellungnahme zum HSV VollzG-E, S. 46.

IV. Therapeutische Ausrichtung

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d) Umsetzung des Anreizsystems aa) Fehlende Konkretisierung und unabwägbare Standards Bei der Suche nach den Konkretisierungen des Anreizsystems fällt auf, dass sich in den meisten SVVollzGen kaum eine gesetzliche Ausgestaltung der all­gemein gehaltenen Aussage zur Mitwirkung bzw. Motivierung finden lässt.512 Begründet wird dies damit, dass nicht der Eindruck einer abschließenden Aufzählung vermittelt werden solle.513 Immerhin nennen einige Gesetzesbegründungen bsph. die Maßnahmen zur Motivierung, wie die Gewährung von Ausführungen oberhalb der jährlichen Mindestanzahl oder besonderer Freizeitveranstaltungen.514 Dass in den Vollzugsplan „Maßnahmen zur Förderung der Mitwirkungsbereitschaft“ oder der „Behandlungsmotivation“ (vgl. z. B. § 9 Abs. 1 Nr. 2 SVVollzG M-V bzw. § 10 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 SVVollzG NRW) aufgenommen werden sollen, überlässt der Anstalt aufgrund der wenig verbindlichen Formulierung sehr viel Spielraum. Zwar soll „dem Motivierungsgebot im Bereich von vollzugsöffnen­den Maßnahmen besondere Bedeutung“ zukommen,515 dennoch werden die SVVollzGe nur bei den Ausführungen hinsichtlich der Mitwirkung konkreter. Diese dienen nicht nur „der Erhaltung der Lebenstüchtigkeit … oder der Vorbereitung von Lockerungen“, sondern gleichermaßen „der Förderung der Mitwirkung an der Behandlung“ (vgl. z. B. § 44 Abs. 2 S. 3 SVVollzG SH).516 Viel gewonnen ist mit einer solchen allgemeinen Aussage jedoch nicht. Im Übrigen haben einige SVVollzGe die Grundregel zur Motivierung und Mitwirkung im Zusammenhang mit der Freizeitgestaltung spezifiziert.517 512 BT-Drs. 17/9874, S. 15: „Die konkrete Ausgestaltung etwaiger geeigneter Motivationsmaßnahmen obliegt dabei wiederum den Ländern, wobei das BVerfG selbst schon denkbare Konzepte skizziert hat …“ 513 Z. B. Bay LT-Drs. 16/13834, S. 29. 514 Daneben noch genannt werden z. B. Maßnahmen zur Gestaltung des vollzuglichen Alltags (etwa die Erteilung einer Erlaubnis, trotz Nachtruhe in Gemeinschaft ein Fußballspiel ansehen zu dürfen); Ermöglichung weitergehender Einkaufsmöglichkeiten; s. etwa BW LTDrs.  15/2450, S.  56; Bay LT-Drs.  16/13834, S.  29; Brem LT-Drs.  18/749, S.  99; Hmb LTDrs. 20/6795, S. 53; RlP LT-Drs. 16/1910, S. 162; vgl. ebso. H LT-Drs. 18/6068, S. 85 zur Besonderheit bei der Regelung zur Entgeltfortzahlung; s. aber NRW LT-Drs. 16/1435, S. 89: „Erfolgt die Behandlungsmaßnahme außerhalb der Arbeits- oder Beschäftigungszeit oder kann die Arbeit oder Beschäftigung dafür verlegt werden, ist die Entschädigung nicht zu ­leisten.“ 515 NRW LT-Drs. 16/1435, S. 60. 516 § 47 Abs.  3 S.  3 GE-SVVollzG; § 43 Abs.  2 S.  3 ME-SVVollzG und alle SVVollzGe außer Nds. SVVollzG. 517 Danach haben die Anstalten „die Bereitschaft der oder des Sicherungsverwahrten zur Teilnahme an Freizeitangeboten … zu wecken und zu fördern“ (vgl. § 66 Abs.  2 S.  1 Nds. SVVollzG) bzw. die Untergebrachten diesbzgl. „zu motivieren und anzuleiten“ (vgl. § 59 Abs. 2 S. 1 SVVollzG Bln); teilweise wird auf die Teilnahme und auf die Mitwirkung an Freizeitveranstaltungen und -angeboten Bezug genommen. Der dahinter stehende Gedanke (bzw. Hoffnung) ist, dass die Untergebrachten damit an eine Behandlung oder allg. an „andere Maßnahmen“ (so z. B. in § 59 Abs. 2 S. 2 SVVollzG Bln) oder „für die Erreichung des Vollzugsziels förderlichen Maßnahmen“ (so z. B. in § 59 Abs. 2 S. 2 SVVollzG M-V) hingeführt

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Dass die anderen Anreizmöglichkeiten nur in den Gesetzesbegründungen erwähnt werden, entspricht nicht den Forderungen des BVerfG nach einer Regelungsdichte in den wesentlichen Bereichen des Vollzugs, zu denen Mitwirkung und Motivierung zählen.518 Keine maßgeblichen Fragen hier offen zu lassen, wäre die Aufgabe des Gesetzgebers, wenn er sich für ein Anreizsystem entscheidet. An anderer Stelle scheut sich der Gesetzgeber nicht vor Aufzählungen. Dabei ist ihm bekannt, dass bestimmte Formulierungen zum Ausdruck bringen, dass eine Aufzählung nicht abschließend ist.519 Es der Kreativität der Praxis zu überlassen, ist nicht i. S. d. BVerfG.520 Insoweit ist der Gesetzgeber in der Pflicht. Dem steht nicht entgegen, dass die Ansprüche der Untergebrachten nach dem jeweiligen SVVollzG unberührt bleiben.521 Dies sagt „nur“, dass ein Mindeststandard nicht abwägbar ist. Auch das BVerfG bringt zum Ausdruck, dass lediglich die besonderen Vergünstigungen oder Freiheiten zur Motivierung gewährt oder wieder entzogen werden können. Daher kann der Entzug von Taschengeld, wie es § 41 Abs. 3 HSVVollzG bzw. ThürSVVollzG vorsehen, nicht toleriert werden. Auf das Taschengeld haben die Untergebrachten einen gesetzlichen Anspruch, unabhängig von ihrer Bereitschaft zur Teilnahme an Behandlungen.522 Dass es nicht nachvollziehbar sei, wieso ein Untergebrachter Taschengeld erhalte, wenn er Therapiemaßnahmen verweigere, missachtet die Funktion des Taschengelds als soziale Grundsicherung.523 Entzogen werden kann dem BVerfG entsprechend nur das, was einmal besonders gewährt wurde (z. B. eine Erhöhung des gesetzlich festgelegten Taschengelds); hingegen nicht das, was schon als Mindeststandard geregelt ist. Zudem trifft diese Sanktion ausschließlich bedürftige Untergebrachte, weshalb sie aus Gleichbehandlungsgründen abzulehnen ist.524 Im Übrigen hat sich der Gesetzgeber bei den monetären Anreizen für therapeutische Maßnahmen nicht

werden können. Die allg. Formulierungen sind hier vorzuziehen, weil sie der Überbetonung des Therapiegedankens entgegenwirken. 518 BVerfGE 128, 378 ff. 519 Vgl. schon die Gesetzesbegründung zum StVollzG, BT-Drs. 7/918, S. 80: nicht abschließender Charakter. 520 So aber BW LT-Drs. 15/2450, S. 56: „Der Vollzug soll mit Blick auf die organisatorischen Gegebenheiten und individuellen Bedürfnisse der Untergebrachten Vergünstigungen kreativ entwickeln.“ 521 So § 4 Abs. 2 S. 2 GE-SVVollzG; § 16 Abs. 2 S. 2 ME-SVVollzG; folgend etwa Art. 4 Abs.  2 S.  2  BaySvVollzG; § 16 Abs.  2 S.  2 SVVollzG Bln; nicht in: HSVVollzG, Nds. SV VollzG; ThürSVVollzG. 522 Bartsch, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 133 f.; Kannegießer (BSBD) in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 18. 523 So aber G. Schulz, Schriftliche Stellungnahme zum ThürSVVollzG-E, S. 4; zur Funktion s. u. Teil D.VII.2.c). 524 Erdem/Scherzberg, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 21. Zwar soll die Reduzierung den Gesetzesbegründungen zufolge keine Disziplinarmaßnahme sein (vgl. H LT Drs. 18/6068, S. 87 sowie Thür LT-Drs. 5/5843, S. 89), faktisch kommt sie dieser aber deutlich nah, da es sich um einen Anspruch handelt.

IV. Therapeutische Ausrichtung

357

zurück­gehalten, diese gesetzlich festzulegen. Weshalb auf weitere konkrete Vergünstigungen verzichtet wurde, ist damit umso weniger nachvollziehbar. bb) Monetäre Anreize Ein monetäres Anreizsystem kennen alle SVVollzGe in unterschiedlicher Ausprägung. Die Regelungen zur Motivation durch finanzielle Zuwendungen für die Mitarbeit an therapeutischen Maßnahmen sind in der Übersicht in Tabelle A8 im Anhang zusammengefasst. Sehr reduziert findet sich in Niedersachsen eine Lohnersatzzahlung in Höhe von 50 % für den Fall, dass Verwahrte während der Arbeitszeit an bestimmten Therapiemaßnahmen teilnehmen (vgl. § 42 Abs. 4 S. 1 Nds. SVVollzG). Vor dem Hintergrund der von allen anderen SVVollzGen abweichenden niedersächsischen Grundregelung könnte die Entgeltfortzahlung als Anreiz auf den ersten Blick nicht ganz in das oben dargestellte Bild eines fehlenden Anreizsystems im Nds. SVVollzG passen. Der niedersächsische Gesetzentwurf stellt fest, dass die Entschädigung „nicht für die Behandlung, sondern für den Ausfall der Arbeit und der Beschäftigung gezahlt“ werde.525 Allerdings, so lautet es im nächsten Satz, stellt die Regelung einen Anreiz zur Teilnahme an Behandlungsmaßnahmen dar und in der Tat hat der niedersächsische Gesetzgeber nicht voll und ganz auf ein Anreizsystem verzichten wollen, sondern festgestellt, dass „besondere Vergünstigungen“ von vornherein nur in ganz bestimmten Bereichen möglich seien.526 Zudem handelt es sich bei der Lohnersatzzahlung um keine bloße „Belohnung“ für die Therapieteilnahme, sondern sie setzt voraus, dass die Untergebrachten einer Beschäftigung nachgehen.527 Angesichts der immer wieder vorgebrachten Schwierigkeiten zur Motivation und zum Umgang mit der Klientel leuchtet es nicht ein, wieso Niedersachsen ihnen „die Möglichkeit des Einwandes, dann ja zeitweilig auf 50 % … [des] Einkommens verzichten zu müssen“ belassen hat.528 Eine Lohnersatzzahlung erfüllt nur ihren Sinn und Zweck, wenn sie tatsächlich 100 % ersetzt. Denn nur damit kann ein Vergütungsausfall als Grund für das Fernbleiben an Therapien verhindert werden.529

525

Nds. LT-Drs. 16/4873, S. 79. Schriftlicher Bericht des ARV, Nds. LT-Drs. 16/5519, S. 3 sowie o. Teil D.IV.4.c). 527 NRW LT-Drs. 16/1435, S. 89: „Der Anspruch ist … nicht im Sinne einer Belohnung für die Teilnahme an Behandlung zu verstehen; sie wird Untergebrachten nicht gewährt, die keiner Beschäftigung nachgehen. Sie dient vorrangig der Abmilderung finanzieller Einbußen und trägt damit auch zur Motivierung … bei.“ 528 Skirl in der Anhörung zum SVVollzG NRW-E, APr 16/167, S. 9. 529 Zu Recht BW LT-Drs. 15/2450, S. 76: „… dass die Sorge der Untergebrachten um verringerte Einnahmen aus der Beschäftigung die Bereitschaft zur Teilnahme an Behandlungsmaßnahmen schmälert.“ Ebso. Bay LT-Drs. 16/13834, S. 44; s. a. Bartsch, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG NRW-E, S. 10. 526

358

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Die neue Therapieorientierung drücken also diejenigen Normen am besten aus, die eine volle Entgeltfortzahlung vorsehen.530 Den Gesetzesbegründungen zufolge stellen derartige finanzielle Zuwendungen eine Ausprägung des Anreizsystems dar.531 Die Fortzahlungen haben sich außerdem im Strafvollzug bereits im Zusammenhang mit der Teilnahme an Bildungsmaßnahmen bewährt. Sinnvollerweise wird damit Teilnahme an therapeutischen Maßnahmen mit Arbeit gleichgestellt, da beide der Erreichung des Vollzugsziels dienen.532 In Bayern wurde schon bisher Entgelt fortgezahlt für die Teilnahme an therapeutischen Maßnahmen auf Grundlage einer VV.533 Diejenigen Länder, welche eine Leistung für den Fall zahlen, dass die Untergebrachten nicht arbeiten (wollen),534 sehen konsequenterweise keine Lohnersatzzahlung vor. Einzig Hessen und Thüringen weichen davon ab, weil sie Entgeltfortzahlung für die Teilnahme an Therapien und zusätzlich für die „regelmäßige“ Teilnahme eine finanzielle Belohnung vorsehen. Andere SVVollzGe mit Entgeltfortzahlung haben davon „Abstand genommen, … die Untergebrachten durch einen eigenen Vergütungstatbestand zu der Teilnahme an derartigen Maßnahmen zu motivieren“.535 Widersprüchlich ist die bayerische Gesetzesbegründung. Sie stellt einerseits darauf ab, dass in Freiheit niemand eine Therapie bezahlt bekomme. Andererseits ist die Erhöhung des Taschengeldes für denjenigen vorgesehen, der zwar nicht arbeitet, aber an einer therapeutischen Maßnahme teilnimmt. Eine Therapie im Vollzug ist entgegen der bayerischen Gesetzesbegründung jedoch nicht mit einer Therapie in Freiheit zu vergleichen.536 Darüber hinaus erweist sich die Vorschrift zum Taschengeld deshalb als problematisch, weil dort der Taschengeld­betrag ohne die Zuwendung zur Motivation unter demjenigen liegt, den Strafgefangene nach 530

Vgl. Thür LT-Drs. 5/5843, S. 87 zur Regelung der Entgeltfortzahlung: „Dadurch sollen Sicherungsverwahrte zusätzlich motiviert werden, an den genannten Maßnahmen teilzunehmen. Aufgrund des therapiegerichteten Gesamtkonzepts soll Behandlungsmaßnahmen der Vorrang eingeräumt werden.“ 531 NRW LT-Drs.  16/1435, S.  61; ebso. M-V LT-Drs.  6/1476, S.  106; SH LT-Drs.  6/1673, S. 131; ähnl. H LT-Drs. 18/6068, S: 85; Thür LT-Drs. 5/5843, S. 87; Nds. LT-Drs. 16/4873, S. 79. 532 Entsprechend dem Gedanken zur Regelung der Ausbildungsbeihilfe in § 44 StVollzG, die Ausbildung und Arbeit gleichstellt; s. a. Schwerdtfeger (Forensik) in der Anhörung zum BremSVVollzG-E, APr A/RA 18/18, S. 434. 533 Art. 160, 47 Abs. 3 BayStVollzG i. V. m. Nr. 1 VV zu Art. 160, Abs. 2 VV zu Art. 47 BayStVollzG (VV zum BayStVollzG, JMBl. 2008, S. 89). Allerdings, gab es bisher nur für drei Stunden – erhöht wurde also auf 10 Stunden – pro Woche Lohnfortzahlung; dazu Bay LTDrs. 16/13834, S. 44. 534 Daher hält es Endres in der Anhörung zum BbgSVVollzG-E, P-RA 5/38, S. 34 für „schwerer begründbar“, diese Leute, die dann nur die Therapiestunden absitzen, zu entlohnen. 535 SH LT-Drs. 18/448, S. 172. 536 S.  dazu Bay LT-Drs.  16/13834, S.  44; dagegen mit Recht Alex in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 13, 51: „Der Patient draußen geht in die Therapie, weil er leidet. Ein Mensch mit einer dissozialen Persönlichkeitsstruktur leidet nicht an seiner Situation. Der bringt sozusagen, in Anführungsstrichen, ein Opfer, wenn er sich der Therapie aussetzt, der macht das nicht …“

IV. Therapeutische Ausrichtung

359

dem BayStVollzG erhalten. Darin soll – wenig überzeugend – keine „ungerechtfertigte Benachteiligung der Sicherungsverwahrten“ liegen, weil durch die Teilnahme an Therapien der Tagessatz deutlich erhöht werden könnte.537 Zudem ist der Anstalt mit dem Ermessen hinsichtlich des zu zahlenden Taschengeldes je nach Mitwirkung des Verwahrten eine zu weitreichende Definitionsmacht eingeräumt. In einigen Gesetzgebungsverfahren sorgte die finanzielle Anerkennung, Vergütung oder Erhöhung des Taschengeldes für die Teilnahme an bestimmten therapeutischen Maßnahmen für heftige Diskussionen. Sie entspräche nicht dem Resozialisierungsgedanken und könne ihm sogar zuwiderlaufen.538 Die Akzeptanz aus Opfersicht bzw. Sicht der Bevölkerung wurde bezweifelt. Weshalb solle ein Straftäter für die ihn kostenlose Therapie noch einen finanziellen Ausgleich erhalten, wenn es Opfern von Straftaten generell gesprochen häufig schwer falle, finanzielle Unterstützung für Therapiemaßnahmen zu erhalten?539 Zudem wurde darüber debattiert, ob man einerseits darauf verzichten könne, die Verwahrten an den Kosten ihrer Unterbringung finanziell zu beteiligen, um sie andererseits für die Teilnahme an Therapiemaßnahmen noch zusätzlich finanziell zu belohnen. Das BVerfG hat nur knapp ein Anreizsystem angeregt, dabei monetäre Anreize nicht als zwingend vorausgesetzt,540 sie aber genauso wenig verboten. Nicht zu vergessen ist, dass eine Therapie und die anhaltende Motivation dem Schutz der Gesellschaft dienen.541 Im Hinblick darauf, dass der Untergebrachte seine Strafe bereits verbüßt hat, könnte die Heranziehung des Opfers als Argument für die Versagung finanzieller Anerkennung problematisch sein  – dies unabhängig davon, wie schwer dies u. U. den Opfern zu vermitteln ist.542 Wegen der Problematik „hoffnungsloser“ Fälle, fehlender Therapiewilligkeit und Veränderungsbereitschaft bzw. nicht vorhandenen Leidendrucks sind finanzielle Anreiz zumindest ein Weg, wie Untergebrachte erreicht werden könnten. Die Befürchtungen, dass sich Verwahrte vermehrt in ihre Zimmer zurückzögen, wenn sie v. a. „Zigaretten, Kaffee und Computerspiele“ von den finanziellen Zuwendungen für die Therapieteilnahme kauften,543 vermag nicht zu überzeugen. Denn um überhaupt in den Genuss einer Vergünstigung zu kommen, muss erst an einer Therapie teilgenommen werden. Das hat zur Folge, dass der Untergebrachte sich nicht nur in sein Zim-

537

Bay LT-Drs. 16/13834, S. 45. Bartsch in der Anhörung zum BbgSVVollzG-E, P-RA 5/38, S. 63; krit. Kilian in der Anhörung zum SächsSVVollzG-E, Apr 5/1–45 A-2, S. 8: Widerspruch zum „präventiv rechtlichen Charakter“ der SV. 539 Bartsch in der Anhörung zum BbgSVVollzG-E, P-RA 5/38, S. 63; ebso. Kilian in der Anhörung zum SächsSVVollzG-E, Apr 5/1–45 A-2, S. 8. Dagegen Alex in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 52. 540 Bartsch, FS 2012, 360. 541 Galli (JVA Straubing) in der Anhörung zum SächsSVVollzG-E, Apr 5/1–45 A-2, S. 3: „… das ist etwas, was die Gesellschaft von ihnen will. Dann bezahlt sie eben auch dafür.“ 542 Alex in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 52. 543 Bartsch, FS 2012, 360; ders., NK 2013, 199. 538

360

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

mer zurückzieht, sondern eine „Leistung“ erbringt, die honoriert werden kann.544 Außerdem gehört es zur Resozialisierung dazu, dass Verwahrte auch den Umgang mit solchen Genussmitteln erlernen und trainieren. Natürlich ist die Frage berechtigt, was eine Therapie bringt, die wahrgenommen wird, weil man dafür eine Taschengelderhöhung erhält oder gar entlohnt wird.545 Die Vermutung liegt nahe, dass lediglich ein Wohlverhalten belohnt wird und es mehr zu einer äußeren denn inneren Motivation kommt. Aber ähnlich wie bei der Frage nach äußerer und innerer Motivierung kommt es darauf an, dass das therapeutische Personal professionell darauf eingeht, wenn die innere Motivation ggf. noch fehlt. Daher müssen die finanziellen Vergünstigungen in ein therapeutisches Konzept eingebettet werden.546 Andernfalls ist nicht von einer wertvollen Unterstützung der inneren Motivation auszugehen. Angesichts der immer wieder betonten Schwierigkeiten zur Motivation, sind finanzielle Mittel notwendig als „ein zusätzlicher Anreiz, sich auf die Therapie einzulassen.“547 Zielführender als ein monetärer Anreiz wird eine Vergünstigung sein, welche den Untergebrachten auf seinem Behandlungsweg weiterbringt. Folglich sollten vollzugsöffnende Maßnahmen als Anreiz gesehen und vor allen Dingen genutzt werden.548 Bis dato muss man realistischerweise sagen, dass es ein Fortschritt wäre, wenn Sicherungsverwahrten vergleichbar mit Strafgefangenen Lockerungen gewährt würden. Darüber hinaus können vollzugsöffnende Maßnahmen nur dann als Anreiz dienen, wenn realistischerweise eine Lebensperspektive außerhalb des Vollzugs erarbeitet werden kann.549 Bis dahin ist es ein weiter Weg, so dass im ersten Schritt, um nicht nur die äußere, sondern auch die innere Motivation zu erreichen, der finanzielle Anreiz hilft. Schwierige Aufgabe der Praxis ist es also, die schon erreichten positiven Entwicklungen von Therapiemaßnahmen nicht durch Entziehung von Vergünstigungen wieder zunichte zu machen.

544

Hurlin in der Anhörung zum LSVVollzG-E, APr 16/19, S. 16. Bartsch in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 92. VF, S. 9. 546 OLG Hamm, Beschl. vom 28.4.2014 – III-1 Vollz 28/14, Rn. 19 – bei juris; ebso. Peglau, jurisPR-StrafR 1/2015 Anm. 4, was erst recht im SV gelten muss. 547 Alex in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 51. Äußerst optimistisch und nur auf (sehr) lange Sicht gesehen, könnte die finanzielle Zuwendung letztlich dem Vollzug Geld sparen, wenn aufgrund vermehrter Therapieteilnahme mehr entlassen werden könnten, so Schwerdtfeger (Forensik) in der Anhörung zum, BremSVVollzG-E, APr A/RA 18/18, S. 434, 462. 548 Worthmüller in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 92. VF, S. 15: „Bei uns ist das Anreizsystem ganz klar die Lockerung, die der Patient bekommt …“; s. a. Bartsch, ebda., S. 9. 549 Giebel, Schriftliche Stellungnahme zum ThürSVVollzG-E, S. 3. 545

IV. Therapeutische Ausrichtung

361

5. Vollzugsöffnende Maßnahmen und Entlassungsvorbereitung a) Anspruch Der Wortlaut der Vorschriften zu den vollzugsöffnenden Maßnahmen ist eindeutig: Dabei handelt es sich nicht mehr um Ermessensvorschriften, sondern um zwingendes Recht.550 Dadurch sollen die Maßnahmen besser überprüfbar sein. Dies geht aus den Gesetzesmaterialien hervor, welche auf das BVerfG und dessen Forderung, Lockerungen nicht ohne zwingende Gründe zu versagen, abstellen.551 Allerdings impliziert die Formulierung, die den gleichen Aufbau wie im StVollzG wählt (SVVollzGe: „sind zu gewähren, wenn“552; StVollzG: „dürfen angeordnet werden, wenn“), dass es sich mehr um die Ausnahme als, wie vom BVerfG angestrebt, um die Regel handelt. Gesetzestechnisch haben nur wenige SVVollzGe zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine vom BVerfG als zentral erachtete Maßnahme handelt: Regelmäßig finden sich die Vorschriften im hinteren Teil der Normen zum Vollzug als Prozess (z. B. Abschnitt VII/VIII in den SVVollzGen der 8er-Gruppe). So kommt es z. B. im SVVollzG LSA dazu, dass die „Krankenbehandlung während vollzugsöffnender Maßnahmen“ (Abschnitt 8) noch vor den Regelungen zu den Lockerungen selbst (Abschnitt 10) getroffen wird. Das ist weder in sich stimmig, noch bringt es deren sehr viel größere Bedeutung als zentrale Behandlungs- bzw. Resozialisierungsmaßnahmen für den Vollzug zum Ausdruck. Nur einige wenige SVVollzGe haben die Normen eher zu Beginn ihrer Gesetze angesiedelt, so z. B. das HSVVollzG. Grds. zu begrüßen ist, dass in den Gesetzen der 8er-Gruppe dem ME-SVVollzG entsprechend ein Abschnitt mit dem Titel „Vollzugsöffnende Maßnahmen und sonstige Aufenthalte außerhalb der Einrichtung“ bzw. im BaySvVollzG, SVVollzG NRW und SVVollzG LSA sogar nur zu „Vollzugsöffnende Maßnahmen“ geschaffen wurde, weil es der im Urteil des BVerfG hervorgehobenen Bedeutung der Maßnahmen entspricht. Die 8er-Gruppe hat die identische „Erprobungsklausel“ wie im Strafvollzug­ gewählt. Damit wird keine besondere Bedeutung der Lockerungen speziell im Sicherungsverwahrungsvollzug zum Ausdruck gebracht.553 Die „Erprobungsklausel“ ist an diejenige angelehnt, welche bis zur kriminalpolitischen Wende Ende der 550

Betont vom OLG Hamm NStZ 2015, 110: „Vorschrift des zwingenden Rechts“. Z. B. NRW LT-Drs. 16/1425, S. 100. 552 Es wurde aber auf Formulierungen, wie im Nds.  SVVollzG-E („dürfen nur angeordnet werden, soweit nicht zwingende Gründe entgegenstehen“), verzichtet; vgl. dazu Schriftlicher Bericht des ARV, Nds. LT-Drs. 16/5519, S. 13; nun heißt es „sind anzuordnen, soweit nicht“. 553 Bis auf den Unterschied Ermessen (Strafvollzug)  – Anspruch (SV) finden sich demzufolge in folgenden LStVollzGen identische Formulierungen: BbgJVollzG, StVollzG M-V; LJVollzG; SLStVollzG; SächsStVollzG. Diese ist aber weniger restriktiv als die Befürchtungsklausel, vgl. dazu Dünkel/Pruin, KrimPäd 2015, 32. 551

362

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

1990er Jahre in § 57 Abs. 1 StGB a. F. bzw. § 67 d Abs. 2 S. 1 StGB a. F. enthalten war und zum Ausdruck brachte, dass ein Restrisiko bestehen bleiben könne.554 Kritisiert wird deren generalklauselartige Formulierung, was im jetzigen Gesetzgebungsverfahren wieder aufgegriffen wurde.555 In der Tat ist die Formulierung der dem GE-SVVollzG folgenden Länder zwingender („soweit nicht zwingende Gründe entgegenstehen, insbesondere konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass die Untergebrachten sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die vollzugsöffnenden Maßnahmen zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen werden“). Zudem hebt die dem GE-SVVollzG folgende hessische Norm, welche sich offensichtlich an § 66 c Abs.  1 Nr.  3  a StGB556 orientierte und somit weniger Auslegungsschwierigkeiten für den Anwender mit sich bringt, den Maßstab, der an das Flucht- und Missbrauchsrisiko zu richten ist, deutlicher hervor. Die zwingenden entgegenstehenden Gründe müssen auf „konkreten Anhaltspunkten“ beruhen, welche alle Gesetze benennen sollten.557 Wie diese „zwingenden Gründe“ in zwei verschiedenen Varianten, wenig überraschend entweder dem GE- oder ME-SVVollzG folgend, geregelt wurden, führt der Überblick in Tabelle 8 vor Augen.

554

Bis zum 1.1.1998 lautete § 57 Abs.  1 Nr.  2 StGB a. F.: „verantwortet werden kann zu erproben, ob der Verurteilte außerhalb des Strafvollzugs keine Straftaten mehr begehen wird …“ Vgl. zum Restrisiko BVerfG NStZ 1998, 373; s. a. BVerfGE 70, 313. Bis zum 1.1.1998 lautete § 67  d Abs.  2 S.  1 StGB a. F.: „Ist keine Höchstfrist vorgesehen oder ist die Frist noch nicht abgelaufen, so setzt das Gericht die weitere Vollstreckung der Unterbringung zur Bewährung aus, sobald verantwortet werden kann zu erproben, ob der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine rechtswidrigen Taten mehr begehen wird.“ Vermehrt wurde in der Abschaffung der Erprobungsklausel eine Verschärfung gesehen und deren Änderung auf die kriminalpolitische Stimmung zurückgeführt, vgl. dazu Fritsche 2005, 108 ff. m. w. N. 555 Damals zur Formulierung im StGB etwa Frisch, ZStW 1990, 718. Neuerdings forderte Pollähne, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG M-V-E, S.  5 eine ähnl. strenge Formulierung; ders. in der Anhörung zum SVVollzG M-V-E, APr 6/34, S. 13 ff.: populistisch, notwendig wäre strengere und nicht so schwammige Formulierung; Kritik gleichfalls von­ Endres, Schriftliche Stellungnahme zum BbgSVVollzG-E, S. 194. 556 Vgl.  H LT-Drs.  18/6068, S.  66; ebso. das Konzept JVA Bützow, S.  17; vgl. BeckOK LSVVollzG-Beck, § 39 Rn.  1, wonach durch die explizite Inbezugnahme auf § 66  c Abs.  1 Nr. 3 a StGB die Forderung nach bewusster Unterscheidung zwischen SV und Strafvollzug i. S. d. Abstandsgebots ernstgenommen werden solle. 557 Z. B. § 13 Abs. 2 HSVVollzG: „… insbesondere konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass die Untergebrachten sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die vollzugsöffnenden Maßnahmen zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen werden.“ In H LT-Drs.  18/6068, S.  66 heißt es weiter: „Konkrete Anhaltspunkte im Sinne von Abs.  2 können sich insbesondere aus gerichtlichen Entscheidungen und Sachverständigengutachten sowie dem Verhalten der Untergebrachten während des Vollzugs der Sicherungsverwahrung ergeben.“

363

IV. Therapeutische Ausrichtung Tabelle 8 Anspruch auf vollzugsöffnende Maßnahmen558559 § 47 Abs. 2 GE-SVVollzG: Vollzugsöffnende Maßnahmen

§ 40 Abs. 2 ME-SVVollzG: Lockerungen zur Erreichung des Vollzugsziels559

Z. B. § 13 Abs. 2 S. 1 HSVVollzG: „Zur Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 werden den Untergebrachten … vollzugsöffnende Maßnahmen gewährt, soweit nicht zwingende Gründe entgegenstehen, insbesondere konkrete Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass die Untergebrachten sich dem Vollzug der Sicherungsverwahrung entziehen oder die vollzugsöffnenden Maßnahmen zur Begehung erheblicher Straftaten missbrauchen werden.“ Ebso. im JVollzGB V; SVVollzG NRW; ThürSVVollzG; ähnl. Nds. SVVollzG („zur Erreichung des Vollzugsziels … erforderlichen“)

• Dem folgend z. B. § 40 Abs. 2 SVVollzG M-V: „Die Lockerungen sind zu gewäh­ ren, wenn sie der Erreichung des Vollzugsziels dienen und verantwortet werden kann zu erproben, dass die Untergebrachten sich dem Vollzug nicht entziehen und die Lockerungen nicht zu Straftaten missbrauchen werden.“ Ebso. im SVVollzG Bln; BbgSVVollzG; LSVVollzG/SLSVVollzG; SächsSVVollzG

(Fortsetzung nächste Seite)

558 Unterteilen lassen sich die Lockerungen in allg. vollzugsöffnende Maßnahmen bzw. Lockerungen zur Erreichung des Vollzugsziels und Umsetzung des Minimierungsgebots (1. Begleiteter Ausgang/Begleitausgang; 2. unbegleiteter Ausgang; 3. Langzeitausgang/tageweise Freistellung und 4. Freigang und/oder Außenbeschäftigung.). Wenn diese nicht möglich sind, sehen die SVVollzGe zwingende Ausführungen zur Erreichung des Vollzugsziels und Umsetzung des Minimierungsgebots vor. Daneben gibt es Lockerungen konkret zur Entlassungsvorbereitung (z. B. § 16 Abs. 2 HSVVollzG); d. h. z. B. Langzeitausgang bis zu sechs Monaten. Ebenfalls unterscheiden lassen sich davon die Lockerungen aus wichtigem Anlass (z. B. § 15 HSVVollzG) bzw. sonstige (z. B. § 44 SVVollzG M-V), welche keine besonderen Behandlungsmaßnahmen darstellen und daher nicht zum Bereich der Lockerungen zur sozialen Reintegration wie die ersten beiden gehören. S. dazu auch BeckOK Nds. SVVollzGReichenbach, § 16 Rn. 12. Es gibt unterschiedlich verbindliche Formulierungen: „nur“ Ermessen („können auch aus wichtigem Anlass gewährt werden“) im JVollzGB V; BaySvVollzG; SVVollzG Bln; BremSVVollzG; HSVVollzG/ThürSVVollzG; SVVollzG M-V; SVVollzG NRW; LSVVollzG/SLSVVollzG, SVVollzG LSA oder mit Sollvorschrift im HmbSVVollzG; SächsSVVollzG; SVVollzG SH und zwingend im Nds.  SVVollzG: („sind auf Antrag … zu gewähren“). Vgl. zur Abgrenzung OLG Hamm NStZ 2015, 111; missverständlich OLG Nürnerg FS 2014, 345. 559 In den Gesetzen der 8er-Gruppe (z. B. § 39 SVVollzG Bln) sind vollzugsöffnende Maßnahmen Lockerungen, Ausführungen und Außenbeschäftigung. Außerdem findet sich hier eine Legaldefinition von Lockerungen, worunter „Aufenthalte außerhalb der Einrichtung ohne Aufsicht“ zu verstehen sind (z. B. § 40 Abs.  1 SVVollzG Bln). Die anderen Gesetze, wie z. B. das JVollzGB V in § 11 Abs.  1, sprechen hingegen neben den Ausführungen nur noch von „vollzugsöffnenden Maßnahmen“, worunter auch die beaufsichtigte Außenbeschäftigung fällt.

364

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

(Fortsetzung: Tabelle 8)

§ 47 Abs. 2 GE-SVVollzG: Vollzugsöffnende Maßnahmen

§ 40 Abs. 2 ME-SVVollzG: Lockerungen zur Erreichung des Vollzugsziels559

• Abweichungen in Bayern, Hamburg: „zur Begehung von Straftaten“ ausreichend (Bei Ausführungen560 bleibt es allerdings nur im HmbSVVollzG bei „Straftaten“; das BaySvVollzG stellt hingegen auf „erhebliche Straftaten“ ab)

• Abweichung und damit eher am GE-SV VollzG Bzw. § 66 c StGB orientiert z. B. in § 41 Abs. 2 SVVollzG SH: „Die Lockerungen sind zu gewähren, wenn sie der Erreichung des Vollzugsziels dienen und nicht zwingende Gründe entgegenstehen, insbe­ sondere keine konkreten Anhaltspunkte die Gefahr begründen, dass die Untergebrachten sich dem Vollzug entziehen oder die Lockerungen zu erheblichen Straftaten missbrauchen werden.“ Ebso. in § 40 Abs. 2 BremSVVollzG, allerdings wird hier abgesehen von der Normüberschrift nicht auf die „Erreichung der Vollzugsziele“ abgestellt

• Abweichung in SVVollzG LSA: „vollzugsöffnende Maßnahmen werden … stufenweise zur Erprobung Untergebrachter gewährt …“561

560 561

Hervorzuheben ist, dass Bayern und Hamburg für die vollzugsöffnenden Maßnahmen wie im Strafvollzug nur auf die Gefahr des Missbrauchs der Lockerungen zu irgendeiner Straftat abstellen. Alle anderen SVVollzGe sind strenger und stellen genauso wie bei der Anordnung der Sicherungsverwahrung auf erhebliche Taten ab (vgl. § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB562). Seitens der Vollzugspraktiker wurde dafür plädiert, dass potentielle Opfer auch vor unerheblichen Straf­taten bei vollzugsöffnenden Maßnahmen zu schützen seien.563 Das Argument, dass § 66 c Abs.  1 Nr.  3  a StGB hinsichtlich der Gefahr weiterer Straftaten nicht abschließend sei, deckt sich weder mit dem Wortlaut noch mit der Gesetzesbegründung und dem Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene, in dessen Rahmen sich der 560

Da der Begleitausgang auch mit Vollzugsbediensteten erfolgen kann (vgl. etwa M-V LTDrs. 6/1476, S. 94), ist die Unterscheidung zu den Ausführungen nicht eindeutig; allg. dazu Schäfersküpper/Grote, NStZ 2013, 452. 561 Krit. Scharmer, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG LSA-E, S. 10: „ballonartige Beurteilungsspielräume“. 562 S. dazu Nds. LT-Drs. 16/4873, S. 62: „Mit erheblichen Straftaten sind solche im Sinne des § 66 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StGB gemeint, namentlich also Straftaten, ‚durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden‘. Sie müssen geeignet sein, den Rechtsfrieden in besonders schwer wiegender Weise zu stören.“; weiterführend BGH NStZ-RR 2002, 38. 563 Bülau (BSBD) in der Anhörung zum SVVollzG LSA-E, 6/REV/22, S. 31; Lückemann (OLG Bamberg) in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 8, mit Bspen. für unerhebliche Straftaten (z. B. Joint kaufen). Diesem Bsp. entgegnete Bartsch in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 33 mit Recht: „Der Mann also, der zunächst das Auto des Anstaltsleiters stiehlt, dann damit umherfährt, dann sich am Bahnhof noch einen Joint klaut, ja, wenn Sie den deswegen nicht lockern wollen, okay, aber Sie müssten ihn deswegen freilassen.“

IV. Therapeutische Ausrichtung

365

Gesetz­geber trotz der ebenfalls vorhandenen Kritik gerade für diese zusätzliche Beschränkung entschied.564 Vielmehr ist es so, dass der Verwahrte entlassen werden müsste, wenn von ihm keine erheblichen Straftaten mehr drohen.565 Daher ist es indiskutabel, diesen Zusatz zu entfernen. Die bayerische und hamburgische Norm stimmen weder mit den Leitlinien des Bundes noch mit den Feststellungen des BVerfG, wonach die Sicherungsverwahrung nur noch bei der Gefahr erheblicher Straftaten vollzogen werden darf, überein.566 Die Lockerungen müssen in allen SVVollzGen parallel zur bundesrechtlichen Leitlinie zur Erreichung des Vollzugsziels dienen. Neben dem Gesetzestext selbst, sowie den Überschriften der Normen der 8er-Gruppe („Lockerungen zur Erreichung des Vollzugsziels“) legen es einige Konzepte der Anstalten nahe,567 dass damit nicht „nur ein Zweck formuliert wird, der mit den Vollzugslockerungen erreicht werden soll, ohne die Erreichung des Zwecks zur Voraussetzung zu machen“.568 Verbunden wäre damit ein weiterer, gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum der Anstalt  – wohlgemerkt neben dem in den dem GE-SVVollzG folgenden SVVollzGen anzutreffenden weichen Wortlaut („insbesondere“) sowie den unbestimmten Rechtsbegriffen der „zwingenden Gründe“ sowie der „Flucht- und Missbrauchsgefahr“ in einigen Gesetzen. Somit könnten Lockerungen abgelehnt werden, wenn nicht positiv festzustellen ist, dass sie der Erreichung des Vollzugsziels dienen.569 Jedoch betonen einige Gesetzgeber, dass die vollzugsöffnenden Maßnahmen genauso wie die Ausführungen der Umsetzung des Minimierungsgebots dienen, wonach ein Augenmerk auf die größtmögliche Freiheitsorientierung zu richten ist.570 564 Lückemann in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 8: „Ich meine, dass die Aufzählung im Bundesgesetz hier nicht abschließend ist. Vor allem aber meine ich, dass dem Bundesgesetzgeber für eine eventuell doch abschließend gemeinte Detailregelung die Gesetzgebungskompetenz fehlt.“; s. a. Dünkel in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 27; ebso. LSA LT-Drs. 6/1673, S. 18. 565 Darauf hinweisend Bartsch in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 32 f.; ebso. Alex, ebda., S. 12, 33: „Es kann nicht Aufgabe der Sicherungsverwahrung sein, jetzt sozusagen als Maßstab erneut Bagatellkriminalität zu nehmen.“; ebso. Kinzig, ebda., S. 34, 39; s. a. Pollähne, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 73. 566 Vgl. BVerfGE 128, 332; i. Ü. § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB: „die Gesamtwürdigung des Täters und seiner Taten ergibt, dass er infolge eines Hanges zu erheblichen Straftaten, namentlich zu solchen, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden, zum Zeitpunkt der Verurteilung für die Allgemeinheit gefährlich ist.“ 567 Konzept JVA Bützow, S. 17. 568 LG Göttingen, Beschl. vom 10.7.2015 – 62 StVK 37/15, Rn. 19 – bei juris; ebso. OLG Nürnberg, Beschl. vom 11.8.2015 – 1 Ws 224/15, Rn. 12 – bei juris: „Es ist tatbestandliche Voraussetzung für die Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen nach Art. 54 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 BaySvVollzG, dass diese dem Erreichen der Vollzugsziele dienen.“; ebso. LG Arnsberg, Beschl. vom 20.5.2014 – 2 StVK 62/14. 569 Peglau, jurisPR-StrafR 20/2015 Anm. 2. 570 Bay LT-Drs.  16/13834, S.  48: „Die Bestimmung trägt dem Minimierungsgebot des BVerfG … Rechnung.“; H LT-Drs. 18/6068, S. 53, 66; s. a. M-V LT-Drs. 6/1476, S. 94; ebso. BVerfGE 128, 381: „Die Konzeption der Sicherungsverwahrung muss Vollzugslockerungen

366

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Ziel ist die Erweiterung der Prognosebasis durch die Lockerungen. Laut Beschluss des OLG Hamm vom 30.9.2014 soll dies dafür sprechen, vollzugsöffnende Maßnahmen zu gewähren, wenn „sie zwar nicht dem Vollzugsziel dienen, aber auch keine zwingenden Gründe entgegenstehen“, d. h. wenn die Lockerungen nicht das Vollzugsziel gefährden, sondern sich lediglich „neutral verhalten“.571 Dadurch könne man eine praktische Konkordanz zwischen dem Vollzugsziel und der Freiheitsorientierung herstellen. Dem OLG ist zuzustimmen, weil man einen freiheitsorientierten Vollzug am ehesten gewährleisten kann, wenn vollzugsöffnende Maßnahmen nicht nur der Erlangung des Vollzugsziels dienen. D. h. das Vollzugsziel darf nicht gefährdet werden, muss damit jedoch nicht unmittelbar erreicht werden können. Die Gesetzesbegründungen lassen eine solche Auslegung mit ihren Hinweisen auf das Minimierungsgebot und das Vollzugsziel größtenteils zu.572 Das „insbesondere“ ist genauso wie in § 66 c Abs. 1 Nr. 3 a StGB zu streichen, weil es der Praxis einen zu weitgehenden Spielraum einräumt, den es laut BVerfG zu verhindern gilt. Die Gesetze der 8er-Gruppe enthalten schon keine derartig weiche Formulierung. Zu plädieren ist aufgrund des in den Begründungen zum Ausdruck kommenden Willens der Gesetzgeber für eine Auslegung in der Art und Weise, dass es ausreicht, wenn sich die Locke­r ung zum Vollzugsziel neutral verhält. Bei einer konkreten Gefahr wäre ohnehin ein Flucht- und Missbrauchsrisiko gegeben. Die Anwendungsfälle dafür (Neutralität) dürften gering sein, wie schon die Entscheidung des OLG Hamm nahelegt.573

vorsehen und Vorgaben zur Entlassungsvorbereitung enthalten, wobei der Freiheitsorientierung möglichst weitgehend Rechnung zu tragen ist.“ 571 OLG Hamm NStZ 2015, 111; dagegen aber OLG Nürnberg, Beschl. vom 11.8.2015 – 1 Ws 224/15, Rn. 15 – bei juris: „Vielmehr erscheint die Anknüpfung an die Vollzugsziele aufgrund deren zentraler Bedeutung so wichtig, dass sich die Formulierung nicht nur in einer Allgemeinverständnisbekundung des Gesetzgebers erschöpft, sondern ein Tatbestandsmerkmal darstellt.“ 572 S. a. Teil D., Fn. 570; das OLG Hamm hielt diese Auslegung für möglich, weil die zwingenden Gründe nicht abschließend aufgezählt seien („insbesondere“), vgl. OLG Hamm NStZ 2015, 111; auch das OLG Nürnberg, Beschl. vom 11.8.2015 – 1 Ws 224/15, Rn. 15 – bei juris, räumte einen nicht eindeutigen Wortlaut ein; ebso. Peglau, jurisPR-StrafR 20/2015 Anm. 2: Wortlaut „nicht eindeutig“; and.  LG Göttingen, Beschl. vom 10.7.2015  – 62 StVK 37/15, Rn. 19 – bei juris. 573 OLG Hamm NStZ 2015, 110 ff.: Das Gericht nennt ein Bsp., wann Lockerungen nicht dem Vollzugsziel dienen. Dies sei dann der Fall, wenn „wenn die Vollzugssituation so ist, dass eine Bewährungsaussetzung oder Erledigung der Maßregel in absehbarer Zeit – etwa wegen der hohen Gefährlichkeit des Betroffenen und fehlender Behandlungsfortschritte  – ohnehin nicht in Betracht kommt“. Dann würden aber zwingende Gründe den Lockerungen ohnehin entgegenstehen. Damit dürfte es keinen großen Unterschied machen, es wie für das SVVollzG NRW durch das OLG Hamm auszulegen. Dieses hatte letztlich eine „verfassungskonforme Auslegung“ des § 2 Abs. 1 Nds. SVVollzG dahingehend vorgenommen, dass die tatsächliche Reduzierung der Gefährlichkeit und die Minderung der prognostizierten Gefährlichkeit ­ausschlaggebend seien.

IV. Therapeutische Ausrichtung

367

b) Zwingende Ausführungen Die Gesetze gewähren Ansprüche, an die früher nicht zu denken gewesen wäre: Eine Mindestanzahl von Ausführungen, die es in den (L)StVollzGen nicht gab, wird mehr oder weniger deutlich festgelegt. In Bremen und Niedersachsen werden 12 Ausführungen pro Jahr gewährt, wenn ansonsten keine vollzugsöffnenden Maßnahmen möglich sind. Alle anderen SVVollzGe sehen regelmäßig nur vier Ausführungen im Jahr vor, wobei dies von der Rechtsprechung gebilligt wird.574 Dieser positive Abstand zum Strafvollzug relativiert sich jedoch dadurch, dass die Ausführungen nur eingeschränkte Bedeutung für die Entlassungsprognose haben und schon bisher gewährt wurden – in der jetzigen Anzahl nicht zwingend.575 Zudem fragt sich, wie bei lediglich vier Ausführungen pro Jahr noch die Rede davon sein kann, dass dies die Lebenstüchtigkeit erhält bzw. der Hospitalisierung entgegen wirkt.576 Bei der unterschiedlichen Anzahl vorgesehener Ausführungen ist damit zu rechnen, dass sich Untergebrachte anderer Bundesländer beschweren werden angesichts der Ungleichbehandlung. Zwar legte das BVerfG keine konkrete Anzahl an Ausführungen fest, betonte aber für den Fall, dass unbeaufsichtigte Lockerungen nicht möglich seien, dass begleitete Ausführungen „gewährt werden … müssen“.577 Sie könnten nur unterbleiben, „wenn sie trotz der Beaufsichtigung des Untergebrachten zu schlechthin unverantwortbaren Gefahren führen.“578 Wie der niedersächsische Rechtsausschuss treffend feststellte, schließt dies „aus, die Gewährung von Ausführungen in das ‚freie‘ Ermessen der Voll­ zugs­behörde zu stellen“.579 Daher werden schon der ME-SVVollzG und demzufolge alle Länder der 8er-Gruppe außer Bremen mit ihren identischen Gesetzen dem Urteil des BVerfG nicht gerecht, weil sie jeweils bei der Gewährung der Ausführungen ein Ermessen einräumen.580 Außerdem steht die Formulierung nicht 574

So OLG Karlsruhe, Beschl. vom 14.1.2014 – 2 Ws 284/13, Rn. 62 – bei juris. Ullenbruch, NStZ 2007, 68: „Eine Maßnahme, die für die Entlassungsprognose im Sinne des BVerfG keinerlei Aussagewert hat.“ Ebso. zu dieser Problematik Bartsch 2010, 221 ff., 254; Kreuzer/Bartsch, FS 2010, 128. 576 So streben es aber die SVVollzGe an, jedenfalls laut ihrer Begr.; vgl. etwa M-V LTDrs. 6/1476, S. 96; krit. daher Pollähne, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG M-V-E, S. 5 f. 577 BVerfGE 128, 381. 578 BVerfGE 128, 381. 579 Schriftlicher Bericht des ARV, Nds. LT-Drs. 16/5519, S. 15; krit. Bartsch, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH-E, S. 13: „dürfte nicht mit den bundesverfassungsgerichtlichen Maßgaben in Einklang zu bringen sein.“ Forderungen, die zwingenden Ausführungen ganz zu streichen, wurden jedoch abgelehnt, vgl. dazu LSA LT-Drs. 6/1673, S. 19. 580 Z. B. § 41 Abs. 1 S. 1 SVVollzG M-V: „Das Verlassen der Anstalt unter ständiger und unmittelbarer Aufsicht (Ausführung) kann den Untergebrachten zur Erreichung des Vollzugsziels gestattet werden, wenn …“ Daran ändert die Formulierung in Abs. 2 der Vorschrift nichts, in dem es heißt, dass mind. vier Ausführungen jährlich zu gewähren sind. Denn im gleichen Satz steht, dass dies „unter den Voraussetzungen des Absatzes 1“ erfolgt. Daraus soll zwar den Gesetzesbegründungen (Vgl. etwa SH LT-Drs. 18/448, S. 156; Bbg LT-Drs. 5/6599, S. 36; ebso. ME-SVVollzG Begründung, S. 53) zufolge ein Rechtsanspruch des Verwahrten 575

368

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

im Einklang mit dem einzig vom BVerfG anerkannten Versagungsgrund einer „schlechthin unverantwortbaren Gefahr“.581 Im hamburgischen und niedersächsischen Gesetz fehlt der Zusatz, dass die Ausführungen unterbleiben, wenn die Maßnahmen den Zweck der Ausführung gefährden.582 Allerdings ist davon auszugehen, dass sie dann nicht „der Erhaltung der Lebenstüchtigkeit, der Förderung der Mitwirkung an der Behandlung oder der Vorbereitung weiterer Lockerungen“ dienen, wie es im HmbSVVollzG heißt, und deshalb unterbleiben.583 Im niedersächsischen Gesetzgebungsverfahren hat man ganz bewusst auf diese beiden Aspekte (Ausschluss wenn Zweck gefährdet sowie Zusatz wie in § 13 Abs. 3 S. 2 HmbSVVollzG) verzichtet, weil „eine solche Beschränkung gegen den Willen der oder des Sicherungsverwahrten, die oder der einen entsprechenden Ausführungsantrag gestellt hat, … mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unvereinbar sein“ dürfte.584 Durch diese Ausschlussmöglichkeit wird sicherlich die Aussage des Gerichts, dass Ausführungen gewährt werden „müssen“, aufgeweicht. Daher wird befürchtet, dass beim Abstellen darauf, dass generell der Zweck der Maßnahmen gefährdet werden könnten, alte Begründungsmuster genutzt werden, um die Ausführungen zu versagen („Den müssen wir an Ketten mit 5 Beamten ausführen, das bringt doch keinem was.“).585 Es müsste zumindest zum Ausdruck gebracht werden, dass Ausführungen nicht unterbleiben können, wenn konkrete Gefahren nicht erkennbar sind, d. h. ein Fall, dass der Zweck gefährdet würde, muss auf ganz ausnahmsweise vorkommende Ausnahmefälle beschränkt werden.586 auf mind. vier Ausführungen folgen. Dies hält aber dem Vergleich mit dem Wortlaut anderer Normen nicht stand, s. etwa § 13 Abs. 4 S. 1 HSVVollzG: „Werden vollzugsöffnende Maßnahmen nach Abs. 3 nicht gewährt, ist den Untergebrachten das Verlassen der Einrichtung unter ständiger und unmittelbarer Aufsicht für eine bestimmte Tageszeit (Ausführung) mindestens vier Mal im Jahr zu gestatten.“ 581 BVerfGE 128, 381. Um dieser verfassungsgerichtlichen Anforderung gerecht zu werden, sind im Nds. SVVollzG die die Anforderungen an die Flucht- und Missbrauchsgefahr bei den Ausführungen intensiviert: („wenn konkrete Anhaltspunkte in erhöhtem Maß die Gefahr begründen“), vgl. Schriftlicher Bericht des ARV, Nds. LT-Drs. 16/5519, S. 15. 582 Z. B. heißt es in § 13 Abs. 4 Nr. 2 HSVVollzG/ThürSVVollzG, dass die Ausführung versagt werden darf, wenn „die zur Sicherung erforderlichen Maßnahmen den Zweck der Ausführung gefährden“. 583 Vgl. § 13 Abs. 3 S. 2 HmbSVVollzG; dazu Pollähne, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG M-V-E, S. 6, der dies für ein ebso. im Strafvollzug berechtigtes Anliegen hielt. 584 Schriftlicher Bericht des ARV, Nds. LT-Drs. 16/5519, S. 15. 585 Blum/Oelbermann, Schriftliche Stellungnahme zum ThürSVVollzG-E, S. 11: „Entsprechende Versuche der Vollzugsbehörden sind in der Praxis (auch bei den Aufsichtsbehörden) überall zu beobachten.“ 586 Vgl. das Bsp. bei Scharmer, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG LSA-E, S. 11: Die Regelung „könnte insofern missinterpretiert werden, als, auch wenn konkrete Gefahren … nicht ersichtlich wären, Ausführungen versagt werden könnten … Vorstellbar wäre etwa der gefesselte Besuch bei den (minderjährigen) Kindern, der durch eine (im Einzelfall) festzustellende Belastung der Angehörigen dem Ziel, Förderung der familiären Kontakte ggf. zuwider laufen würde. Das würde dann allerdings nicht an anderweitigen Ausführungen hindern.“

369

IV. Therapeutische Ausrichtung

c) Beteiligte an der Entscheidung über die Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen aa) Überblick Die Beteiligung Dritter an dem Verfahren, an dessen Ende idealerweise die Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen steht, ist sehr unterschiedlich normiert und in Tabelle 9 dargestellt. Im Großen und Ganzen haben die dem ME-SV VollzG folgenden Länder keine Beteiligung Dritter vorgesehen. Hatte der GE-SV VollzG lediglich eine landesspezifische Regelung zur Begutachtung vorgehalten, haben die sich grds. an dem Entwurf orientierenden Länder zahlreiche Beteiligungen Dritter festgeschrieben. Die in einigen Gesetzen vorgesehene Zustimmung des Untergebrachten zu den vollzugsöffnenden Maßnahmen, welche weder im GE- noch im ME-SVVollzG enthalten ist, bringt dessen Selbstbestimmungsrecht zum Ausdruck und ist insofern sinnvoll, als eine therapeutische Maßnahme nur dann langfristig erfolgversprechend erscheint, wenn sie vom Untergebrachten mitgetragen wird.587 Tabelle 9 Beteiligung an der Entscheidung über die Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen588 Beteiligung StVK, Vollstreckungsbehörde und Aufsichtsbehörde Anhörung der StVK

Bayern; Hessen/Thüringen; LSA (StVK „sowie“ StA)

Anhörung der Vollstreckungsbehörde

LSA (StVK „sowie“ StA)

Zustimmungsvorbehalt der Aufsichtsbehörde

BW („in bestimmten Fällen“); LSA („im Einzelfall“)

Ausdrücklich geregelte Zustimmung

Brandenburg: „Lockerungen bedürfen der Zustimmung der Aufsichtsbehörde.“

Gutachten und Untersuchungen Gutachten

Bayern (zusätzlich Berücksichtigung der Feststellungen im Urteil und im Verfahren erstattete Gutachten) NRW(sachverständig zu begutachten „oder“ körperliche Untersuchung) Niedersachsen (Begutachtung durch unabhängige588 Sachverständige „oder“ körperliche Untersuchung) LSA (Begutachtung „oder“ psychologische Untersuchung) (Fortsetzung nächste Seite)

587

Für den StVollzG Arloth 2011, § 12 Rn. 1; LNNV/Neubacher 2015, E. VI. Rn. 139. Dazu der übertragbare Gedanke Leygrafs, DRiZ 2003, 334: „Es ist eine subjektive Überforderung, von jemandem zu verlangen, dass er zehn Jahre lang einen Patienten behandelt und sich zehn Jahre lang die eigene Unfähigkeit bescheinigen muss, indem er sagt, es hat sich nichts geändert.“ 588

370

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

(Fortsetzung: Tabelle 9)

Gutachten und Untersuchungen Hessen und Thüringen (es kann auf aktuelle Gutachten, die zur Frage der Eignung für vollzugsöffnende Maßnahmen Stellung nehmen, zurückgegriffen werden)

i. d. R. zwei Gutachten

Schriftliche Stellungnahme einer un- Hamburg abhängigen (psychologischen oder psychiatrischen) Fachkraft Körperliche Untersuchung

Niedersachsen und NRW (s. o.)

Psychologische Untersuchung

LSA (Begutachtung oder psychologische Untersuchung) Zustimmung

Zustimmung des Untergebrachten bzgl. der Gewährung

BW; Bayern; Bremen; Niedersachsen; NRW; LSA

Zustimmung zur Begutachtung589

Bayern; Niedersachsen; LSA

589

bb) Strafvollstreckungskammer Vier Länder sehen als verfahrensrechtliche Besonderheit vor, dass die StVK vor der Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen zu hören ist.590 In SachsenAnhalt ist daneben sogar die Anhörung der Vollstreckungsbehörde obligatorisch. Inhaltlich handelt es sich um kein absolutes Novum: Bayern hatte eine entsprechende Regelung für die Entlassungsvorbereitung bereits im BayStVollzG a. F. getroffen, weil dies gerade bei der Sicherungsverwahrung sachgerecht sei. Hier gebe es „besonderen Anlass zur Prüfung der Flucht- und Missbrauchsgefahr und des Behandlungsstandes“.591 Die anderen Bundesländer treffen keine näheren Aussagen zur Anhörung der StVK.592 Laut StVollzG-Gesetzgeber handelt es sich bei der StVK um ein vollzugsnahes Gericht, welches „Erfahrungen in Vollzugsangelegenheiten mit der Kenntnis der 589

Krit. dazu Kinzig, Schriftliche Stellungnahme zum BaySvVollzG-E, S. 69. Die Regelung des Abs. 3 der bundeseinheitlichen VV zu § 134 StVollzG (ähnl. Vorschriften fanden sich in den VV zu § 11 [Nr. 6 Abs. 2 S.1 Hs. 1 a. E.] sowie § 13 StVollzG [Nr. 3 Abs. 2 S. 2 Hs. 1 a. E.]; vgl. dazu Bartsch 2010, 129) wurde bspw. in § 13 Abs. 2 HSVVollzG/ ThürSVVollzG Gesetz. Ebso geregelt in Bay (Art. 54 Abs. 2 BaySvVollzG); LSA (§ 57 Abs. 2 LSVVollzG LSA). 591 Art. 164 S. 3 BayStVollzG a. F., dazu Bay LT-Drs. 15/8101, S. 87. Krit. zur bisherigen Gesetzeslage in Bay s. Bartsch, StV 2012, 224; ders. 2010, 129. Für das BaySvVollzG hat sich der Gesetzgeber die Begr. „der bewährten Regelung in Art. 164 Satz 3 BayStVollzG“ zu eigen gemacht, Bay LT-Drs. 16/13834, S. 48. 592 Vgl. z. B. H LT-Drs. 18/6068, S. 66 f.; LSA LT-Drs. 6/1673, S. 140 f.; Thür LT-Drs. 5/5843, S. 66 f. 590

IV. Therapeutische Ausrichtung

371

Anstalt und einem unmittelbaren Eindruck von dem Gefangenen vereinen kann“.593 M. a. W. ist die StVK in Vollzugsangelegenheiten besonders fachkundig, was alleine jedoch die Vermischung von Vollstreckungs- und Vollzugsrecht, zu der es hier kommt, nicht rechtfertigt. Denn: Die Entscheidung, welche die Vollzugsbehörde, bei der die letztliche Entscheidungsmacht verbleibt, auf Grundlage der Anhörung der StVK trifft, unterliegt der gerichtlichen Kontrolle nach §§ 109 ff. StVollzG. Diese Kontrolle nimmt gleichfalls die StVK vor. Folglich könnte bei deren vorheriger Anhörung Misstrauen ggü. deren späteren Unparteilichkeit angebracht sein. So wird bzgl. des Richters, welcher den vollzugsöffnenden Maßnahmen im konkreten Fall zustimmt oder nicht, je nach Entscheidung entweder die Anstalt oder der Untergebrachte selbst vom Ablehnungsrecht wegen Befangenheit Gebrauch machen (vgl. § 120 Abs. 1 S. 2 StVollzG i. V. m. § 24 StPO594). Dies hätte zur Folge, dass derjenige Richter, den man als besonders geeignet erachtet, nachher gar nicht die Entscheidung nach §§ 109 ff. StVollzG treffen dürfte.595 Daran ändert nichts, dass der Richter sowieso i. R. d. §§ 109 ff. StVollzG nur eine eingeschränkte Überprüfungsmacht hat, weil der Vollzugsbehörde hinsichtlich der Flucht- und Missbrauchsgefahr ein Beurteilungsspielraum zukommt.596 Wieso dann aber die Mitwirkung des Richters bei der vorherigen Gewährung der vollzugsöffnenden Maßnahme einen Erkenntnisgewinn darstellen soll, ist nicht recht einzusehen. Letztlich scheint missglückt der Versuch unternommen worden zu sein, die Verantwortung speziell bei nicht beanstandungsfrei durchgeführten Lockerungen auf mehrere Schultern zu verteilen. Suggeriert wird, es ginge um die Verbesserung der Sicherheit der Allgemeinheit, indem man mehrere Institutionen in einem in Wahrheit zeitintensiven und bürokratischen Verfahren beteiligt. Tatsächlich handelt es sich mehr um eine Absicherung der entscheidenden Anstalt, weil StA oder Gericht zugestimmt haben.597 Damit kommt es jedoch nicht zu einer Verbesserung der Qualität der Prognose, vielmehr soll damit eine verbreiterte Verantwortungsbasis für potentielle Rückfälle geschaffen werden.598 Scharmer bringt es auf den Punkt, was solche Regelungen aus der bisherigen Erfahrung künftig für die Praxis erwarten lassen: „Nicht selten sind schon aktuell von dem (schon für sich schwie-

593

Vgl. die Begr. für das StVollzG, BT-Drs. 7/918, S. 84; s. a. H. Baier, StraFo 2014, 405 f. Eine Analogie zu § 22 Nr. 4 oder 5 StPO und damit Ausschluss des Richters kraft Ge­ setzes ginge allerdings trotz OLG Dresden NStZ-RR 2000, 55 (Analogie bei einem früheren Beamten), zu weit. 595 H. Baier, StraFo 2014, 406: „gewichtigsten Einwand“ gegen die Berücksichtigung. 596 Vgl. dazu BVerfG NStZ 1998, 430; OLG München FS 2011, 53; jüngst OLG Nürnberg, Beschl. vom 11.8.2015 – 1 Ws 224/15, Rn. 18 – bei juris; eigene Erwägungen der StVK sind untersagt, vgl. dazu für den Maßregelvollzug, insofern aber übertragbar, OLG Karlsruhe NStZ-RR 2002, 285. 597 Müller-Isberner/Eucker 2012, 102. 598 Scharmer, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG LSA-E, S. 10: Daraus folge lediglich eine „Verbreiterung der Verantwortungsbasis für – nie ausschließbare – Rückfälle.“ 594

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

rig zu erreichenden) Schritt, dass die Anstalt die Gewährung erster Vollzugs­ lockerungen erwägt, bis hin zur Umsetzung selbiger (nach Gutachten und Zustimmung(en) des Ministeriums) Jahre (!) erforderlich.“599 cc) Aufsichtsbehörde und Sachverständige Neben der Beteiligung der StVK/StA sehen, wie Tabelle 9 zeigt, einige SVVollzGe die Möglichkeit vor, dass die Aufsichtsbehörde insofern Einfluss ausüben kann, als Lockerungen „im Einzelfall“ unter dem Vorbehalt deren Zustimmung stehen. Da nicht ansatzweise definiert wird, wann dies genau der Fall sein soll, wird aus der grds. schnell eine potentiell in den Händen der Aufsichtsbehörde liegende Entscheidungsmacht.600 Damit kann man nicht davon sprechen, dass der Gesetzgeber eine Regelungsdichte gefunden hat, „die keine maßgeblichen Fragen der Entscheidungsmacht von Exekutive oder Judikative überlässt, sondern deren Handeln in allen wesentlichen Bereichen wirksam determiniert“.601 Außerdem entscheidet die Aufsichtsbehörde nicht wie diejenigen Mitarbeiter bzw. Leiter des Vollzugs, die im Alltag mit den Betroffenen zu tun haben und diese genau kennen, sondern im Normalfall allein anhand von Akten. Dass sie damit eine bessere Entscheidung treffen kann, ist eher zu bezweifeln. Dies führt zu einer weiteren bedenklichen Neuerung im Zusammenhang mit den vollzugsöffnenden Maßnahmen, wonach teilweise Begutachtungen durchzuführen sind. Hier zeigt sich wieder eine hessisch/thüringische Besonderheit: Für Vollzugslockerungen zwei Gutachten einzufordern, wurde ins Gesetz geschrieben.602 Laut BaySvVollzG ist nur die bisherige Begutachtung zu berücksichtigen. Wenn man sich den bayerischen Gesetzestext und die Begründung anschaut, können bzw. sollen vor der Entscheidung über eine Lockerung zahlreiche Gutachten stehen. Eines muss nach Art. 57 Abs. 1 S. 2 BaySvVollzG zur „besonders gründlichen“ Prüfung der Lockerung eingeholt werden. Daneben sind diejenigen aus

599

Scharmer, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG LSA-E, S. 10. Vgl. bspw. LSA LT-Drs. 6/1673, S. 143 zu § 63 SVVollzG LSA: „Die Regelung der Möglichkeit eines Zustimmungsvorbehalts der Aufsichtsbehörde trägt der Gesamtverantwortung von Vollzugseinrichtung und Aufsichtsbehörde Rechnung.“ 601 BVerfGE 128, 378; Kritik daher zu Recht von Bartsch in der Anhörung zum SVVollzG LSA-E, 6/REV/22, S. 18; ebso. Koepsel in der Anhörung zum BbgSVVollzG-E, P-RA 5/38, S. 70: „Bremse“; Kreuzer in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 26 „hemmende Maßnahmen“. 602 Die im Gesetzgebungsverfahren deutliche Kritik fand insoweit Eingang in das Gesetz, indem eingefügt wurde, dass auf vorhandene aktuelle Gutachten zurückgegriffen werden könne, bei den zwei Gutachten blieb es; zur Kritik etwa Wolf in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 11; ebso. Arloth, ebda., S. 20 f.: „Gutachtermühle“; Herrfahrdt (BVAJ), ebda., S. 17: „Testmühle“; Kinzig, ebda., S. 30: „Begutachtungswahn“. Eine Übersicht der Änderungen bietet H LT-Drs. 18/6911 und H LT-Drs. 18/6972, S. 1 f. 600

IV. Therapeutische Ausrichtung

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dem Ermittlungs- und Strafverfahren zu berücksichtigen und zusätzlich diejenigen, die jährlich bzw. alle neun Monate nach § 67 e Abs. 2 StGB oder nach § 119 a StVollzG erstellt werden.603 Der Gesetzgeber sollte mehr auf die Kompetenz des Fachpersonals der Vollzugseinrichtungen denn auf eine gewisse Anzahl an Fachgutachten vertrauen. Das Geld, welches für die zusätzliche Regelbegutachtung anfällt, wäre z. B. bei der weiteren Aufstockung des Personals besser aufgehoben.604 Zu Recht kann man von einer Gutachtenflut sprechen, die den Verwahrten und die Praxis überfordern wird. Aber vor allen Dingen wird damit im Zweifel die Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen nur erschwert und zur Ausnahme statt, wie vom BVerfG angestrebt, die Regel.605 Abschließend ist zu sagen, dass die Einbeziehung von Dritten neben der bürokratischen Erschwernis negative Rückwirkungen für die letztlich von der Vollzugsanstalt zu treffende Entscheidung hat. Fällt eine entsprechende Anhörung negativ aus, d. h. dass vollzugsöffnende Maßnahmen verneint werden, wird es schwierig, dass sich die JVA dennoch traut, das unvermeidbare Restrisiko zu tragen.606 Letzten Endes ist die Bürokratie derart erhöht, dass zu befürchten steht, dass damit der Öffnungsprozess zeitlich unangemessen verlangsamt wird. Zusammengefasst heißt es doch in manchen Ländern, dass Lockerungen nur möglich sind, wenn Gutachten eingeholt, die StVK oder StA angehört und schließlich die Akte der Aufsichtsbehörde vorgelegt wurde. d) Vorbereitung der Entlassung Im Lebach-Urteil brachte das BVerfG zum Ausdruck, dass die Resozialisierung ganz entscheidend davon abhängt, inwieweit die Gesellschaft dazu bereit ist, entlassene Gefangene wieder in ihre Mitte aufzunehmen.607 Nichts anderes gilt für

603 Vgl. Bay LT-Drs.  16/13834, S.  49; zu Recht krit. Bartsch in der Anhörung zum NdsSVVollzG-E, ARV PR 16/123&124, S. 6. 604 Vgl. zur Kritik am Misstrauen des Gesetzgebers LSA LT-Drs. 6/1673, S. 19; s. a. Koepsel in der Anhörung zum BbgSVVollzG-E, P-RA 5/38, S.  70, der zum Ausdruck kommende Zweifel an Vollzugsbeamten kritisierte; ebso. Kannegießer (BSBD) in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 17. 605 So kann die unbestimmte Aussage in § 13 Abs. 5 S. 2 HSVVollzG/ThürSVVollzG nicht darüber hinwegtäuschen („Gutachten sind gegebenenfalls so rechtzeitig einzuholen, dass die Entscheidung über die vollzugsöffnende Maßnahme zum vorgegebenen Zeitpunkt getroffen wird.“), dass es zu sehr zeitintensiven Verfahren kommen wird, die vor einer Entscheidung stehen. 606 Müller-Isberner/Eucker 2012, 102: „Die letztendlich irrationale Entscheidung gegen die Lockerungsgewährung liegt nahe.“ 607 BVerfGE 35, 235; zur Rolle der Gesellschaft bei der Wiedereingliederung spielt, s. Bachmann 2015, 161.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

die Sicherungsverwahrung. Die Übergangsphase in die Freiheit dürfte für sich genommen schon eine große Herausforderung und Belastung darstellen.608 Es macht den Eindruck, die Sicherungsverwahrten stünden nicht nur im Vollzug an unterster Stelle der (Gefängnis-)Gesellschaft.609 Entlassungen werden von hetzerischen Schlagzeilen der Boulevardmedien begleitet.610 Anstatt einer rationalen Strafvollzugspolitik sind „überholt geglaubte Straf-, Kontroll- und Einsperrungsbedürfnisse“ lenkend.611 Bevölkerung, Politik und Justiz haben ambivalente Einstellungen ggü. der Resozialisierung von Verwahrten. Eine der wichtigsten und zugleich vermutlich schwierigsten Aufgaben, vor denen die Praxis und die Gesellschaft selbst steht, ist die Vorbereitung auf, die Entlassung selbst sowie die (Wieder-)Aufnahme des Sicherungsverwahrten in die Gesellschaft. Eine die umfassende und systematische Eingliederung gering schätzende Politik und Gesetzgebung ist dabei abzulehnen.612 Es stellt sich die Frage, wie ernsthaft sich die Gesetzgeber angesichts der aufgezeigten Problematiken mit dem Thema der Entlassung auseinandersetzten und welche Regelungen sie getroffen haben. Zu differenzieren ist wie üblich zwischen der 8er-Gruppe und den anderen SVVollzGen. Erstere weisen spezielle Regelungen zur Vorbereitung der Eingliederung schon i. R. d. Vollzugsplanung auf, s. o. Teil  D.IV.2.d). Daneben gibt es einen eigenen Abschnitt zur „Vorbereitung der Eingliederung, Entlassung und nachgehenden Betreuung“, welcher Vorschriften zur Vorbereitung der Entlassung und Zusammenarbeit mit Dritten enthält. Bei den grds. dem GE-SVVollzG folgenden Ländern gibt es zwei Lager, die gemeinsam haben, dass sie nicht zwischen dem Vollzugsplan und dem spezifisch für die Zeit der Vorbereitung der Eingliederung anzupassenden Eingliederungsplan differenzieren. Im Übrigen enthalten etwas mehr als die Hälfte der Gesetze neben einer Regelung zu Lockerungen bzw. Unterbringung im offenen Vollzug einen Abschnitt zur „Entlassung“ inklusive Vorbereitung (bspw. Abschnitt 11 SVVollzG NRW). Hamburg, Hessen und Thüringen haben hingegen im Abschnitt zusammen mit der Planung und 608

Vgl. zu den „Stressoren“, denen sich die Entlassenen ausgesetzt sehen, bspw. eindrücklich beschrieben von Woynar in der Anhörung des AJDG vom 18.11.2011, Nr. 20/5 NEUF, S. 7. 609 Alex 2013, 180: „… gesellschaftliches Klima …, in dem Haftentlassene sich nirgends niederlassen können.“ 610 Anlässlich der Entlassung eines SV aus der JVA Freiburg aufgrund des EGMR-Urt. hieß es in BILD vom 29.7.2010 hetzerisch, dass mit der Entlassung eines Sicherungsverwahrten „der Tod … jetzt auf freiem Fuß“ sei; zur hysterischen Berichterstattung Bachmann/Goeck, GRR 2013, 75. 611 Rehn, ZfStrVo 2003, 70. Im Jahre 2010 lehnte der MPräs von SH die Unterbringung des Ex-Freiburger-SV (s. Teil D., Fn. 610) in einer Therapieeinrichtung des eigenen Landes ab, vgl. Die Welt vom 11.9.2010. Zuvor hatte bereits der nds. MPräs in einer Pressemitteilung verlautbaren lassen, es sei „besonders fatal“, dass sich der SV, wie zuerst geplant, in Nds. aufhalten wolle. Ein Landrat wiederum bezeichnete den Entlassenen als „tickende Zeitbombe“ (vgl. Busemann, Presseinformation des Nds. JuMi vom 15.7.2010). 612 Insofern sehr krit. Rehn, ZfStrVo 2003, 76.

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den vollzugsöffnenden Maßnahmen einige Regelungen zur Vorbereitung, Entlassung und zum freiwilligen Verbleib nach der Entlassung getroffen (bspw. §§ 16–18 HSVVollzG613). Insgesamt fällt auf, dass die Normen recht unverbindlich und wenig präzise formuliert sind. Gerade in der Übergangsphase bedürfte es einer engeren Verzahnung bspw. mit der FA. Immerhin wurde in der 8er-Gruppe die der sozialen Hilfe entsprechende Regelung für die Zeit der Entlassungsvorbereitung konkretisiert (z. B. § 47 Abs.  1 SächsSVVollzG).614 Abzulehnen ist, wenn Sachsen-Anhalt die Entlassungsvorbereitung auf normativer Ebene dadurch erschwert, dass die StVK und StA eingeschaltet werden sowie die Aufsichtsbehörde die Maßnahmen von ihrer Einwilligung abhängig machen kann (vgl. dazu §§ 59, 62 SVVollzG LSA).615 Zu begrüßen ist jedoch, dass nahezu ausnahmslos die Rede davon ist, den Unter­gebrachten „zu unterstützen“.616 Im Grundsatz gilt, dass der Unter­gebrachte einen Anspruch auf Entlassungsvorbereitung hat. Für die Ausgestaltung belassen die SVVollzG genauso wie im Vollzug der Freiheitsstrafe den Anstalten einen­ Spielraum. Das Minimierungsgebot ist in einigen Vorschriften umgesetzt. So können die Verwahrten zur Vorbereitung einer Entlassung im offenen Vollzug untergebracht werden oder vollzugsöffnende Maßnahmen wie die Freistellung aus der Haft von bis zu sechs Monaten erhalten. Bisher war ein sechsmonatiger Urlaub z. T. lediglich möglich, wenn sich der Verwahrte in der Sozialtherapie befand und ansonsten nur bis zu drei Monaten (bspw. in § 16 Abs. 3 HStVollzG). Ein Wermutstropfen im Hinblick auf einen Abstand zum Strafvollzug bleibt. Denn solche Maßnahmen zur Vorbereitung gibt es genauso im jetzigen Strafvollzug.617

613 In H/Thür ist die Entlassung mit der nachgehenden Betreuung in einer Norm zusammengefasst; in Hmb hingegen die nachgehende Betreuung und der/die freiwillige Verbleib/Aufnahme in der Anstalt. 614 Hmb und Bay regeln die Beratungs- bzw. Unterstützungsleistung der Anstalt direkt bei den Entlassungsvorschriften; Nds. normiert die soziale Hilfe zusammen im Abschnitt mit der mit der Entlassungsvorbereitung i. S. e. durchgängigen Betreuung; i. Ü. ist eine Vorschrift zur sozialen Hilfe zu Beginn der SVVollzGe vorgesehen. 615 Ähnl. § 15 JVollzGB V (Zustimmungsvorbehalt Aufsichtsbehörde); Art. 58, 54 Abs. 2 BaySvVollzG (StVK); § 15 Abs. 2 S. 1 HmbSVVollzG (StA); §§ 16 Abs. 2 S. 2, 13 Abs. 2, 5 HSVVollzG/ThürSVVollzG (StVK; i. d. R. zwei Gutachten); § 19 Nds. SVVollzG (Begutachtung, körperliche Untersuchung); § 56 SVVollzG NRW (Begutachtung). 616 Ebso. in § 74 S. 1 StVollzG; dazu LNNV/Nestler 2015, L. III. Rn. 32 f. 617 Z. B. neuerdings § 42 Abs.  3 SächsStVollzG. Angesichts der einführend geschilderten Problemlage und praktischen Umsetzungsschwierigkeiten konnte das ursprüngliche Vorhaben H/Thür, im Unterschied zu allen anderen Ländern den Langzeitausgang vor der Entlassung auf maximal drei Monate zu beschränken (vgl. dazu § 16 Abs. 2 Nr. 3 HSVVollzG-E/ ThürSVVollzG-E), nicht überzeugen, so dass der Gesetzgeber aufgrund der Kritik seinen Entwurf änderte. Krit. etwa Kreuzer und Bartsch in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/ 48-UJV/18/37, S. 26, 31; Krahl, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 168.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

e) Übergangsmanagement und nachgehende Betreuung Da sich das Probewohnen in der aufnehmenden Einrichtung in der Praxis bewährt618 hat, sollte es in allen Gesetzen und nicht nur in denen der 8er-Gruppe aufgenommen werden (vgl. § 47 Abs.  3 S.  1 SächsSVVollzG). Dünkels Forderung geht dahin, dass aufgrund der regelmäßig fehlenden sozialen Bindungen zur Außenwelt das Übergangswohnen als Zwischenstufe zwischen offenem Vollzug und Entlassung zwingend einzuführen und gesetzlich abzusichern sei.619 Insgesamt müsste dafür aber genauso wie für Wohnheime eine institutionelle Absicherung in die Gesetze aufgenommen werden, damit den Vorgaben des BVerfG entsprochen und der Mangel an solchen Einrichtungen behoben werden könnte. Parallel dazu wäre eine Binnendifferenzierung der Wohngruppen im Vollzug dahingehend sinnvoll, dass zwischen einer Aufnahmewohngruppe und einer Entlassungsgruppe unterschieden wird.620 Glaubt man den Erfahrungen der therapeutischen Praxis, ist ein besonders behutsames Vorgehen und ein gut begleiteter Übergang vom Vollzug in die Freiheit notwendig, weil diese Phase selbst für vorzeitig aufgrund positiver Legalprognose Entlassene ein „besonders kritischer Zeitpunkt“ ist.621 Es muss verhindert werden, dass therapeutische Erfolge gefährdet werden. Erfreulich ist, dass die nachgehende Betreuung in den Gesetzen zumindest angesprochen wird. Denn rein formal betrachtet, endet die Zuständigkeit der Anstalt mit dem Ende der Strafhaft bzw. der Sicherungsverwahrung. Aus ressortegoistischer Sicht622 kommt es zudem in erster Linie auf einen reibungslosen Ablauf während des Vollzugs innerhalb der Einrichtung und weniger auf das, was nach der Entlassung folgt, an. Jedoch sollte der Sicherungsverwahrungsvollzug tunlichst daran arbeiten, die Vorbereitungs- und Entlassungsphase als ersten entscheidenden Schritt in ein gelungenes Übergangsmanagement ernst(er) zu nehmen als bisher. Mit Blick auf die Regeln zur Sozialtherapie im Strafvollzug, an der man sich ansonsten überaus häufig orientiert, ist nicht nachzuvollziehen, wieso die Sicherungsverwahrungseinrichtung nicht ebenso regelmäßig die Nachbetreuung übernehmen soll.623 Die Formulierungen wie bspw. in § 49 Abs. 1 SächsSVVollzG legen nahe, dass die wei 618

Böhringer, Schriftliche Stellungnahme zum JVollzGB V-E, S. 4. Dünkel in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 6. 620 Weichert-Pleuger in der Anhörung zum Nds. SVVollzG-E, ARV PR 16/123&124, S. 19. 621 So heißt es in der Präambel des Rundschreibens des JuMi vom 14.7.2015 „Landeskonzept für ein Übergangsmanagement in Rheinland-Pfalz“, RlP JBl. 2015, Nr. 7, 55. Vgl. dazu z. B. aus Sicht der Sozialtherapie und Forensik v.  d.  Boogaart, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH, S. 2. 622 Krit. Bertram 2004, 431 f.; grds. zu begrüßen sind Vorschriften wie §§ 60, 61 SVVollzG NRW, wonach noch bis zu einem Jahr nach der Entlassung die Einrichtung dem SV helfen kann. 623 § 126 StVollzG: „Die Zahl der Fachkräfte für die sozialtherapeutische Anstalt ist so zu bemessen, daß auch eine nachgehende Betreuung der Gefangenen gewährleistet ist, soweit diese anderweitig nicht sichergestellt werden kann.“ Unverständnis, weshalb man sich nicht daran orientierte, bei v. Boogart, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH-E, S. 3 f. 619

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tere Zuständigkeit der Anstalt die absolute Ausnahme sein soll.624 Mit der Anpassung an § 126 StVollzG wäre sichergestellt, dass nicht nur im Ausnahmefall, wenn der Untergebrachte einen Antrag gestellt hat, die nachgehende Betreuung durch die Einrichtung erfolgt und die dort aufgebaute Basis genutzt werden kann. Außerdem müsste im Interesse eines gelungenen Übergangs möglich sein, dass die Nachbetreuung durch Externe, die z. B. schon in die Vollzugsplanung einbezogen waren, und die Anstalt selbst möglich ist. Bisher schließt sich das aus, die Anstalten sollen nur zuständig sein, wenn keine Betreuung durch Dritte möglich ist. Übernommen hat man aus der Sozialtherapie des Strafvollzugs das Angebot nachgehender Betreuung und die Möglichkeit eines freiwilligen Verbleibs im Vollzug. Neben der Betreuung und Beaufsichtigung i. R. d. FA z. B. durch forensische Ambulanzen (vgl. § 68 b Abs. 1 S. 1 Nr. 11 StGB) dürfte wie im Maßregelvollzug die neuerdings in allen SVVollzGen vorgesehene Rückkehr oder der Verbleib zum Instrumentarium des Risikomanagements und der Risikominderung zählen.625 Aufgrund dessen, dass Verwahrte i. d. R. viele Jahre im Vollzug verbracht haben und eine Rückkehr freiwillig erfolgen würde, werden diese Möglichkeiten größtenteils als hilfreich eingestuft.626 Allerdings kann eine derartige Krisenintervention nur Sinn machen, wenn sie jederzeit möglich ist und nicht zum Nachteil der tatsächlich noch Verwahrten gereicht. Dazu bedarf es einer ausreichenden Personalausstattung. Die JVA darf so nicht zu einer Art Obdachlosenheim für ehemalige Verwahrte werden627, denn entsprechende (Übergangs-)Wohnheime hat der Sozialstaat unabhängig davon einzurichten. Durch diese Krisenintervention soll die Behandlungsorientierung des Sicherungsverwahrungsvollzugs zum Ausdruck gebracht werden.628 Zielführend ist sie daher nur, wenn der Kontakt, allen voran zum Therapeuten, nicht verloren gegangen ist. Ganz allgemein gilt daher, dass in der besonders sensiblen Übergangsphase kein erneuter Therapeutenwechsel stattfinden darf oder aber wie im Berliner Programm FTA vorher eine Eingewöhnung mit dem künftig zuständigen Therapeuten noch im Vollzug stattgefunden haben muss.629 Diese Aspekte hätte 624

Ebso. bspw. BW LT-Drs. 15/2450, S. 84. Steinböck/Schlie, R&P 2015, 133; für den Maßregelvollzug (§§ 63, 64 StGB) gibt es eine nicht freiwillige Krisenintervention in § 67  h StGB; „zwiespältig“ beurteilt von Steinböck/ Schlie, R&P 2015, 132 ff. 626 Z. B. in § 61 SVVollzG NRW (Hier gab es schon zuvor das „Gesetz über die vorübergehende Aufnahme ehemaliger Sicherungsverwahrter in Einrichtungen des Justizvollzuges des Landes Nordrhein-Westfalen (Sicherungsverwahrte-Aufnahmegesetz – SVAufnG NRW)“ vom 5.7.2011, GVBl. NRW Nr.  16/2011, S.  358); als sinnvoll erachtet bspw. von Böhringer, Schriftliche Stellungnahme zum JVollzGB V-E, S. 7; Wischka in der Anhörung zum Nds. SV VollzG-E, ARV PR 16/123&124, S. 18: Sehr wichtige Möglichkeit, um Rückfälle zu vermeiden. 627 Blum/Oelbermann, Schriftliche Stellungnahme zum ThürSVVollzG-E, S. 8. 628 Vgl. dazu Konzept JVA Bützow, S. 14. 629 Vgl. dazu u. Teil D.IV.7.c); v. Boogart, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH-E, S. 3 f.: I. d. R. habe zuvor beim Übergang von Strafhaft in SV ein Therapeutenwechsel stattgefunden; da die Verwahrten regelmäßig zur Entlassungsvorbereitung verlegt werden, z. B. in die Sozialtherapie, erfolge ein weiterer Wechsel. 625

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

man sicherlich durch konkretere Normen hinsichtlich der Einbeziehung Dritter vor der Entlassung und zur Eingliederung festhalten können. Der Versuch, eine Art Krisenintervention noch während des Vollzugs selbst zu etablieren, sorgte für heftige Kritik. So war noch im Entwurf des Nds. SVVollzG eine zwangsweise gemeinsame Unterbringung eines gefährdeten und eines anderen Verwahrten vorgesehen.630 Weil damit dem nicht gefährdeten Verwahrten eine unzumutbare Verantwortung auferlegt worden wäre, verzichtete man letztlich mit Recht in Niedersachsen darauf.631 6. Soziale Hilfe Der Themen- bzw. Regelungsbereich der sozialen Hilfe wird allem Anschein nach zu Unrecht als ein nicht sonderlich relevanter eingeschätzt – jedenfalls lassen dies die im Großen und Ganzen nicht vorhandene Auseinandersetzung damit in den Gesetzgebungsverfahren sowie bisher dazu erschienenen Kommentierungen vermuten. Für die Klientel der Verwahrten wird jedoch oft von gewissen Sozialisationsdefiziten auszugehen sein. Mit Bedacht auf bereits gemachte Vollzugserfahrungen und einer damit verbundenen „erlernten Hilflosigkeit“ sind die Betroffenen auf eine gut funktionierende soziale Hilfe angewiesen.632 Wenn die Sicherungsverwahrung so schnell wie möglich beendet werden soll, muss der Verwahrte vorbereitet werden, insbesondere, dass er seine persönlichen Angelegenheiten selbst regeln kann. Denn das muss er können, wenn er in Freiheit leben soll. Die größte Bedeutung für ein Gelingen der Entlassung – und darauf arbeitet die soziale Hilfe hin  –, hat wohl die Entlassungsvorbereitung. Neben der Orientierung am Strafvollzug erklärt sich damit, dass einige Bundesländer die Norm der sozialen Hilfe mit den Vorschriften zur Entlassung zusammengefasst haben.633 Die bisherigen Strafvollzugsregelungen zur sozialen Hilfe i. S. e. aus dem Sozialstaatsprinzip und dem Resozialisierungsgebot folgenden Sozialarbeit brachten einen entscheidenden Akzent des bisherigen Vollzugsrechts deutlich zum Ausdruck, der nun mit den SVVollzGen fortgesetzt wird. Zwar bestand hier grds. ein Anspruch 630

Vgl. § 23 Abs. 2 S. 3 Nds. SVVollzG-E sowie Nds. LT-Drs. 16/4873, S. 69. Krit. Pollähne in der Anhörung zum Nds.  SVVollzG-E, ARV PR 16/123&124, S.  32, 34 f.; zurückhaltender der Schriftliche Bericht des ARV, Nds. LT-Drs. 16/5519, S. 20. 632 H.-J. Schneider 1994, 110. 633 So hat z. B. Bay die soziale Hilfe mit Art. 59 BaySvVollzG im Teil „Soziale Hilfe, Entlassung“ geregelt; ähnl. im Nds. SVVollzG und SVVollzG LSA. Eher unpassend ist die Zusammenfassung der sozialen Hilfe in einem Abschnitt mit anderen Themenbereichen wie in BW, Hmb und H/Thür. Am Bsp. des JVollzGB V erläutert: Hier findet sie sich im Abschnitt „Gesundheitsfürsorge und soziale Hilfe“, was hier insbes. vor dem Hintergrund nicht ganz nachvollziehbar ist, dass es in den anderen Büchern einen eigenen Abschnitt nur für die „Soziale Hilfe“ gibt (JVollzGB II–IV jeweils Abschnitt 7 „Soziale Hilfe“; es scheint so, dass sich der eigene Abschnitt deshalb erledigt hat, weil die beiden Normen des JVollzGB III zusammengefasst wurden. 631

IV. Therapeutische Ausrichtung

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auf soziale Hilfe, allerdings kein Anspruch auf eine bestimmte Handlung. M. a. W., wie dieser auszusehen hat, bleibt nach wie vor im Ermessen der Anstalt. Die soziale Hilfe soll dem Verwahrten nicht nur in verschiedenen Phasen des Vollzugs zuteilwerden, sondern eine ganzheitliche und durchgehende Betreuung und Beratung des Verwahrten verfolgen.634 Dabei gemeint ist Hilfe während der Aufnahme, während der eigentlichen Durchführung des Vollzugs bis hin zur Hilfe während der Entlassungsvorbereitung und Entlassung selbst. Weil es sich um Hilfe bei äußeren und persönlichen Angelegenheiten handelt, ist es leichter verständlich, wenn anstatt von „persönlichen Angelegenheiten“ (bspw. § 41 Abs. 1 JVollzGB V) von „persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten“ (bspw. § 5 SV VollzG Bln) gesprochen wird. Betrachtet man die Systematik der Gesetze, so erklärt sich aus dem Gesagten, dass die 8er-Gruppe eine allgemeine Norm zur sozialen Hilfe zu Beginn im Zuge der allgemeinen Bestimmungen und Grundsätze trifft (z. B. § 5 SVVollzG Bln).635 Im Anschluss finden sich verstreut über das Gesetz mehr oder weniger eindeutige Normierungen der Unterstützungen zu verschiedenen Phasen des Vollzugs.636 Damit kommt identisch mit der geltenden Strafvollzugsregelung eine einheitliche und durchgehende Betreuung zum Ausdruck.637 Nicht nur der Übersichtlichkeit halber vorzugwürdig ist jedoch die Vorgehensweise derjenigen Länder, die einen eigenen Abschnitt zu diesem Themenbereich mit einer allgemeinen Regel zur sozialen Hilfe und sofort daran anschließender Konkretisierung i. S. d. verschiedenen Vollzugsabschnitte (Aufnahme  – Durchführung  – Entlassung) und entsprechend einklagbaren Ansprüchen eingeräumt haben.638 Die Entscheidung der Verwahrten über die Annahme oder Ablehnung von Hilfestellungen muss in jedem Fall genauso wie bisher autonom sein. Dies bringen die meisten Gesetze immer noch recht allgemein durch entsprechende Formulie­ rungen zum Ausdruck, statt deutlichere Aussagen dahingehend zu treffen, dass aktive Angebote in der Anfangsphase notwendig sind.639 Die Einrichtung wird 634

So mit Recht die ME-SVVollzG Begründung, S. 16. Vgl.  § 5 BbgSVVollzG; BremSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG/SLSVVollzG; SächsSVVollzG und § 6 SVVollzG SH; ebso. i. R. d. allg. Bestimmungen in § 7 SVVollzG LSA bzw. § 6 SVVollzG NRW. 636 Exemplarisch sei SVVollzG Bln genannt: § 6 zum Aufnahmeverfahren; § 47 zur Entlassung (dort Zusammenarbeit mit Dritten); keine spezielle Norm zur allg. Hilfe während der Zeit der Durchführung des Vollzugs. 637 Vgl. dazu bspw. die Gesetzesbegründung zu § 11 BbgJVollzG, LT-Drs.  5/6437, S.  17: „Soziale Hilfe nach Absatz 1 unterscheidet nicht nach verschiedenen Phasen des Vollzugs, sondern ist als ganzheitliche und durchgehende Betreuung und Beratung gedacht.“ I. Ü. finden sich wenig verbindliche Formulierungen und wenig aktive Angebote an den SV, die Normen sind vielmehr bestimmt von Passivität seitens des Vollzugs. 638 So ist es bspw. im Zehnten Kapitel des Nds. SVVollzG der Fall, vergleichbar aufgebaut sind bspw. Abschnitt 7 des JVollzGB V oder Teil 12 des BaySvVollzG. 639 Z. B. Art. 59 BaySvVollzG: „Die Sicherungsverwahrten können die soziale Hilfe der Anstalt in Anspruch nehmen“. Damit hat es die Verknüpfung mit psychologischer Behandlung 635

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

die Aufgabe der sozialen Hilfe i. d. R. nur erfüllen können, wenn sie mit außervollzuglichen Einrichtungen kooperiert und in ein übergreifendes Hilfesystem eingebunden ist. 7. Umsetzung in der Praxis a) Behandlungsmaßnahmen und -setting Die Therapieorientierung kommt in den Konzepten der Sicherungsverwahrungsabteilungen dadurch zum Ausdruck, dass die Darstellung der Behandlung, inklusive der Motivierungsmaßnahmen, regelmäßig den größten Teil einnimmt.640 Die Sicherungsverwahrungsabteilung der JVA Bützow bringt es in ihrem Behandlungskonzept auf den Punkt. Hinsichtlich der Behandlungsbemühungen sei „ein ‚mehr des Selben‘ … nicht zielführend“. Vielmehr seien „gänzlich neue und individuelle Behandlungs- und Unterstützungswege für jeden einzelnen … Unter­ gebrachten zu bahnen und zu beschreiten“.641 Dass die Anstalten im Bereich der Behandlungsmaßnahmen tätig geworden sind und der Anteil der Verwahrten, die zwischen den Jahren 2009 und 2013 eine therapeutische Behandlung erfahren haben, angestiegen ist, zeigt die Länderübergreifende Bestandsaufnahme.642 Hatte im Jahr 2009 nur etwa jeder Zehnte ein Behandlungsangebot wahrgenommen (10,4 %), war es 2013 mehr als jeder dritte Verwahrte (38,4 %).643 Die Behandlungsangebote haben „stetig zugenommen“: elf der 14 Anstalten berichteten von neuen, nur für die Verwahrten eingeführten Be­ handlungsformen.644 und allen voran den persönlichen Defiziten des Verwahrten aufgegeben. Dasselbe gilt für H, das diesen Bezug aufhob und in § 26 HSVVollzG „nur“ noch die Soziale Hilfe zur Selbsthilfe formuliert. 640 Z. B. im Konzept der JVA Bbg a. d. H.: Die Abschnitte „Aufnahmeverfahren, Diagnostik und SV-Planung“; „Behandlungsangebote der Sicherungsverwahrung“; „Motivationsförderung“ und „Behandlungsorientierte Freizeitangebote“ nehmen insgesamt 20 Seiten ein, ergänzt durch einen 44seitigen Anhang, der in erster Linie therapeutische Methoden vorstellt und umschreibt. Im Konzept JVA Bützow nehmen „2 Grundlagen der Behandlung und Settings“, „3 Behandlungsmaßnahmen und Behandlungssetting“, „4 Behandlungsdokumentation“ sowie der dazugehörige Anhang insgesamt 23 des mit Anhang 61 Seiten umfassenden Konzepts ein. 641 Konzept JVA Bützow, S. 21; ähnl. Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 20: „neue Umgangsweisen unerlässlich“. 642 Dabei werden hauptsächlich psychologische, weniger psychiatrische oder deliktsbezogene Behandlungen (z. B. Anti-Gewalttraining) durchgeführt, so Ansorge, KrimPäd 2013, 42; dies. 2013, 14. 643 Ansorge, KrimPäd 2013, 43 insbes. Tab. 5; dies. 2013, 14, Tab. 11. 644 Ansorge 2013, 24 ff. Zu den Eckpunkten der neuen Methoden in der JVA Werl wie „Kompetenzfördernde Trainingsmodule, Therapeutische Basis-Behandlung sowie sozialtherapeutische Behandlung“ s. Skirl 2013, Folien 24–27; zudem für Bayern Endres/Breuer, FS 2011, 286 ff., insbes. 293, Tab. 1.

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Wie der Gesetzgeber behandeln die Konzepte die gerontologische und (alten-) pflegerische Betreuung trotz der „Vergreisung“ der Untergebrachten eher „stiefmütterlich“.645 Das Konzept der JVA Brandenburg a. d. H. hat die Folgen des Alterns und damit verbundene körperliche Einschränkungen sowie die baulich notwendigen Anpassungen (barrierefreie Gestaltung, genügend Sitzgelegenheiten, Schattenplätze im Freien, sicheres Wegesystem usw.) versteckt in der Anlage unter der Rubrik „Gärten für ältere Menschen“ angesprochen.646 Die Folgen des Alterns hätten angesichts der altersmäßigen Zusammensetzung der Verwahrten und dem damit verbundenen künftigen Bedeutungszuwachs des Alters i. R. d. Unterbringungsgestaltung ihre Erörterung verdient. Stellt sich die Frage, ob die Konzepte eine einheitliche Linie erkennen lassen, oder doch weiterhin Anlass für die Befürchtung besteht, dass jede Abteilung für sich „irgendwie in der Gegend herum behandelt“.647 Dem ist in den folgenden beiden Abschnitten nachzugehen. aa) Gemeinsamkeiten Mehrheitlich wird auf die Notwendigkeit abgestellt, die Methoden ständig dem Stand der Wissenschaft anzupassen. Eine Maßnahme, die dazu beitragen soll, hat die JVA Rosdorf in ihrem Konzept festgehalten. Dort wurde neben der Abteilungsleitung zusätzlich eine sog. Behandlungsleitung etabliert, um den Anforderungen der Weiterentwicklung des therapeutischen Konzepts und der Behandlungs­ methoden gerecht zu werden.648 Die Konzepte schenken zudem deutlich dem 645

Im Konzept der JVA Bbg a. d. H., S. 50 ist im Zusammenhang mit dem Personal nur die Rede davon, dass in Zukunft 16 SV betreut werden können sollen, wobei dann in „Abhängigkeit von der künftigen Entwicklung der Zahl der Sicherungsverwahrten“ ein „Kranken-/ Altenpfleger“ eingestellt werden könnte. Abgehandelt mit zwei Sätzen z. B. im Konzept JVA Bützow, S. 33. 646 Konzept JVA Bbg a. d. H., Anlage 10 a, S. 91. 647 Wolf 2012, 76; s. a. Bamberger 2012, 225 ff.; zu den recht unterschiedlichen Behandlungsvorstellungen s. die Angaben in der Länderumfrage bei Arloth, FS 2013, 218 ff.; ebso. Endres/Breuer, FS 2011, 285 ff.; Suhling, FS 2011, 275 ff.; teilweise die Konzepte zusammenfassend Pyhrr 2015, 321 ff. Immer wieder genannt werden bspw. Anti-AggressivitätsTrainings-Programme; Motivierende Gesprächsführung; Good Lives Model; Akzeptanz- und Commitment-Therapie; Naikan-Meditation; Behandlungsprogramm für Sexualstraftäter; Behandlungsprogramm für inhaftierte Gewaltstraftäter, Sex Offender Treatment Programme; Anti-Stress-Programme; Kreativ-, Musik-, Kunsttherapien (i. d. R. als modifizierte Sozialtherapie); Suchtgruppen oder Psychosoziale Betreuung in der Substitutionsgruppe; milieutherapeutische Einzelmaßnahmen und insbes. Wohngruppenvollzug; teilweise wird eine unterstützende medizinische/pharmakologische Behandlung angesprochen, bei der es die Neuerungen zur Zwangsmedikation zu beachten gilt. Hier werden jedoch die allg. Prinzipien und Vorstellungen, die den Konzepten zugrunde liegen, dargestellt. 648 Konzept JVA Rosdorf, S. 14: Die Behandlungsleitung ist zuständig für „Entwicklung und Fortschreibung des Behandlungskonzepts und für den Aufbau einer Organisationsstruktur, die eine Umsetzung des Behandlungskonzepts gewährleistet.“

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Individualisierungsgebot bzgl. der Behandlung Aufmerksamkeit. Angesprochen wird es z. B. bei den Grundlagen der Behandlung und Planung,649 in der Unterbringung,650 im Zusammenhang mit der therapeutischen Einzelarbeit651 oder den Motivierungsmaßnahmen,652 die sich nach der individuellen Bedürftigkeit des Untergebrachten zu richten haben. Positiv fällt das Konzept der JVA Brandenburg a. d. H. auf, weil es, noch bevor es konkrete Behandlungsmethoden anspricht, ein „Anforderungsprofil eines sicherungsverwahrungsspezifischen Behandlungsmodells“ entwickelt. Zwar steht das Modellkonzept noch am Anfang. Dennoch lässt es das Bemühen erkennen, dass sich die Sicherungsverwahrungsabteilung vom Strafvollzug lösen möchte. Im Wesentlichen solle die Selbstständigkeit der Verwahrten entwickelt und gefördert werden (vgl. § 3 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 und § 4 Abs. 2 S. 2 BbgSVVollzG), sie seien sozial zu integrieren (vgl. §§ 2 S. 1, 12 Abs. 2 BbgSVVollzG), ein freiheitliches Konzept von Motivation müsse geschaffen werden (vgl. § 16 BbgSVVollzG), individuellen Besonderheiten sei Rechnung zu tragen (vgl. § 3 Abs. 2 S. 2, Abs. 6 und § 15 Abs. 2 S. 2 BbgSVVollzG) und das Modell müsse wissenschaftliche Erkenntnisse berücksichtigen (vgl. § 7 Abs. 2 und 15 Abs. 1 S. 2 BbgSVVollzG). Außerdem verfolgen alle Konzepte – mehr oder weniger ausführlich – eine Abkehr von der Behandlungsausrichtung lediglich auf Defizite, sprich negative, kriminalitätsauslösende Faktoren. Daher stellen die Konzepte auf die Veränderung kriminogener Faktoren ab, wobei der Schwerpunkt auf die Ressourcen der Untergebrachten gelegt wird.653 Entsprechend den Erfahrungen der forensischen Psychiatrie orientieren sich die Konzepte ebenfalls an den „Kernprinzipien“ einer 649 Konzept JVA Bbg a. d. H., S.  28: Ein Merkmal eines „sicherungsverwahrungsspezifischen Behandlungsmodells“ sei die Notwendigkeit der Individualisierung.; s. a. das Eckpunktepapier Bln/Bbg 2011, S. 17 sowie das Konzept JVA Bützow, S. 20, 22: Die individuelle Behandlungsplanung wiederum setze eine „individuelle Delinquenzhypothese“ voraus; ebso. Konzept JVA Diez, Folie 49 „individuell abgestimmt“. 650 Bspw. im Konzept JVA Freiburg, S. 5 bzw. Konzept JVA Freiburg 2016, S. 6 f.: „Station mit Schwerpunkt Individualbetreuung“. 651 Konzept JVA Bützow, S. 27: In diesem Rahmen wird z. B. „gemeinsam mit dem Behandlungsteam … ein individualisiertes Krisenmanagement für jeden Untergebrachten erstellt, woran sich alle Teammitglieder und der Untergebrachte orientieren.“ 652 Konzept JVA Bützow, S. 30. 653 Konzept JVA Bautzen, S. 8: „Tatsächlich vorgegeben sind nicht notwendigerweise nur die Konflikte und Störungen, sondern auch die Fähigkeiten, die jeder Mensch mitbringt.“; Konzept JVA Bbg a. d. H., S.  2 f., 23 f.; Konzept JVA Bützow, S.  22, 27 ff.; Konzept JVA Burg, S. 18 f.; ebso. Konzept JVA Diez, Folie 50: „Ressourcenorientierte Haltung“. Enttäuschend noch das Konzept JVA Freiburg, S. 2. Zwar stellt man fest: „Unsere Betreuungs- und Thera­pieangebote müssen sich an den Schwierigkeiten, Defiziten und Fähigkeiten der Sicherungsverwahrten orientieren.“ Dennoch werden hauptsächlich die Defizite der Verwahrten aufgezählt („1. Defizite im Bereich der sozialen Interaktions- und Beziehungsfähigkeit; 2.  Mangelnde bzw. fehlende Übernahme der Tatverantwortung; 3.  Therapieverweigerung bzw. erhebliche Motivationsdefizite; 4. Wohngruppenrelevante Verhaltensdefizite und mangelnde Absprachefähigkeit; 5. Intellektuelle und/oder sprachliche Defizite…“), statt mehr auf Ressourcen einzugehen; ähnl. Endres/Breuer, FS 2011, 288 ff.

IV. Therapeutische Ausrichtung

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effektiven Behandlung, dem Risiko-, Bedürfnis- und Ansprechbarkeitsprinzip (Risk-Need-Modelle).654 Verfolgt werden delikts- und störungsspezifische Einzeltherapien sowie verschiedene Formen der Gruppenarbeit.655 Wie das BVerfG und der Gesetzgeber sehen die Konzepte nunmehr sozialtherapeutische Behandlungsmethoden „als Königsweg“.656 Die Frage, welcher Erfolg der sozialtherapeutischen Behandlung in der Sicherungsverwahrung erzielt werden kann, wenn idealiter die Anstalten im vorausgehenden Vollzug von Beginn an auf Sozialtherapie gesetzt haben, wird nicht gestellt. Als Vorreiter hat die JVA Werl die Sollvorschrift des § 12 S. 2 SVVollzG NRW ernst genommen und eine der vier Abteilungen für den Sicherungsverwahrungsvollzug zu einer sozialtherapeuthischen Abteilung ausgestaltet. Gefolgt sind inzwischen Brandenburg und Sachsen-Anhalt.657 Auch in Hessen erfolgt die sozialtherapeutische Behandlung überwiegend im Sicherungsverwahrungsvollzug.658 Ansonsten wird z. B. in allen Abteilungen des niedersächsischen Sicherungsverwahrungsvollzugs „eine Vorgehensweise angestrebt, die den Grundprinzipien der integrativen Sozialtherapie entspricht“.659 Durch das sozialtherapeutische Milieu und die Kenntnis der Person des Untergebrachten und seiner Beziehungen könne eine „stärkere Öffnung der Abteilungen nach innen und außen“ ermöglicht und damit eine Abkehr von der bloßen Sicherung der Verwahrten zum Ausdruck gebracht werden.660 In Brandenburg gelten die Mindeststandards einer wirksamen Sozialtherapie des Arbeits 654

Geht zurück auf Andrews/Bonta 2010; vgl. Teil B.III. Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 29: Unterscheidung zwischen Sexualdelikten und Gewaltdelikten sowie der Störungsbilder dissoziale Persönlichkeit, Alkohol- und Drogenproblematik sowie Intelligenzminderung; Bspe. für Gruppenarbeit im Konzept JVA Bützow, S. 26 ff.: Strukturierte Gesprächsrunden; deliktsunspezifische Gruppenarbeit wie z. B. Bewegungs­ therapie; „Morgenrunde und Wochenreflexion“, in der die Untergebrachten selbst die Inhalte bestimmen sollen; therapiestützende Freizeitmaßnahmen wie z. B. Kinonachmittag; Konzept JVA Freiburg, S. 6, 8 sowie Konzept JVA Freiburg 2016, S. 8: „deliktspezifische Gruppen zum Thema Gewalt- und Sexualstraftaten“. 656 Schwerpunkt auf der Sozialtherapie in der JVA Rosdorf und Werl, dazu Bartsch 2015, 59; s. a. Konzept JVA Schwalmstadt, S. 23: Leitmotiv ist die Milieutherapie; zurückhaltender das Konzept JVA Freiburg, S. 1 f., 10; ausführl. Konzept JVA Freiburg 2016, S. 14 f., 19; für die neue Bedeutung s. Wischka, FS 2014, 227. 657 Skirl, BewHi 2013, 360; Bartsch 2015, 61; s. a. Boetticher 2015, 87. Nur ausnahmsweise, wenn es für ein Gruppensetting notwendig sei, werde der Untergebrachte zur Teilnahme der SothA zugeführt, für die sonstige Behandlung bzw. Unterbringung verbleibe er aber in der Sicherungsverwahrungsanstalt. Damit „ist im Land Brandenburg eine Einschränkung der Rechte der Probanden nur insoweit gegeben, als sie für die wirksame Durchführung der Behandlung unbedingt erforderlich ist“, so das Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 37. 658 Vgl. CPT/Inf(2014) 24, S. 11. 659 Konzept JVA Rosdorf, S. 37; s. a. Bartsch 2015, 62 insbes. Fn. 32 zu einem Besuch der JVA. 660 Die Sicherungsverwahrungsabteilung Bützow verfolgt i. R. d. Milieutherapie ein „ganzheitliches Konzept“, d. h. sie will bewusst nicht zwischen alltagsnaher Betreuung i. R. sozialtherapeutischer Ansätze und anderen einzelnen Behandlungsmaßnahmen unterscheiden, vgl. Konzept JVA Bützow, S. 26 und S. 47. 655

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

kreises.661 Mit Ausnahme der genannten Abteilungen wird damit größtenteils das Trennungsgebot nach wie vor durchbrochen. Das hat zur Folge, dass bei einer Unterbringung im normalen Strafvollzug Privilegierungen der Untergebrachten nur „im Rahmen der organisatorischen und baulichen Gegebenheiten erfolgen“, d. h. die Unterbringungsbedingungen nur „soweit wie möglich“ denjenigen im Sicherungsverwahrungsvollzug entsprechen.662 Zusammenfassend lassen sich folgende Gemeinsamkeiten der Konzepte feststellen: Individualisierung, sozialtherapeutische Ausrichtung der Sicherungsverwahrungsabteilungen, allgemeine Orientierung an Empfehlungen und Leitlinien des Arbeitskreises Sozialtherapeutischer Anstalten,663 Auswahl der Behandlungsangebote entsprechend der Deliktsgruppe und Störungsbilder,664 daneben deliktsunspezifische Behandlungsmaßnahmen665, Orientierung nicht nur an Defiziten, sondern ebenfalls an Ressourcen der Untergebrachten und Unterscheidung zwischen Einzel- und Gruppenmaßnahmen. Neben der Gefährlichkeitsminimierung und allgemeinen Motivierung spielt außerdem die Sicherung der Lebensqualität und Vermittlung von Kompetenzen für den Alltag eine Rolle bei der Behandlung und Betreuung der Untergebrachten. bb) Unterschiede Über die genannten Gemeinsamkeiten hinaus sind die Konzepte jedoch höchst unterschiedlich ausgestaltet. Es zeigt sich ein weit gefächertes Verständnis davon, was als optimale sozialtherapeutische Behandlung anzusehen ist.666 Eine weitere Differenzierung nehmen die Konzepte hinsichtlich der Abfolge der Behandlungsmaßnahmen ein. So hält es bspw. das Konzept der JVA Freiburg aufgrund der bis dato erfolglos verlaufenden Therapien für zielführend und nachhal­ tiger, stufenweise zunächst recht niederschwellige und erst bei einem Fortschritt deliktsspezifische Angebote zu machen.667 Teils wird in den Konzepten nicht zeitlich unterschieden. Danach sind alle Behandlungsschritte im Grundsatz immer anzuwenden. Davon wird sich schneller ein Therapierfolg erhofft. Höchst unter 661 CPT/Inf(2014) 24, S.  13: „Sozialtherapeutisch ausgerichtetes Setting“; Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 29. 662 Stellungnahme Bay und Bln, CPT/Inf(2014) 24, S. 11 f. 663 Dazu Egg/Wischka 2012, 27 ff. sowie die Anlage 1 und 2 des Konzepts JVA Bbg a. d. H., S. 57–68. 664 Nahezu alle Konzepte sprechen das RNR-Modell und andere gängige Programme an (dazu Teil D., Fn. 647). 665 Vgl. zum Ganzen zusammenfassend Pyhrr 2015, 387 ff. 666 Das therapeutische Setting einer sozialtherapeutisch angelegten Wohngruppe erfordere die Interaktionsbereitschaft mit Strafgefangenen, weshalb die Einhaltung des Abstandsgebots nicht möglich sei, CPT/Inf(2014) 24, S. 12; ähnl. der Arbeitskreis, vgl. Egg/Wischka 2012, 30. 667 Konzept JVA Freiburg, S. 7: Zunächst sei es die „behandlerische Aufgabe, sehr basale kognitive, emotionale und soziale Fähigkeiten zu fördern, die Voraussetzung für ein sozial

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schiedlich ausgestaltet sind die Konzepte in der Beschreibung der mit den Behandlungsmethoden zu erreichenden Ziele. Teilweise wird so gut wie jedem Kontakt mit den Untergebrachten ein therapeutischer Wert beigemessen.668 Dabei gehen jedoch das Gleichgewicht und die Schwerpunktsetzung verloren. Nur wenige Konzepte beschreiben derart detailliert wie dasjenige der JVA Brandenburg a. d. H. die verschiedensten Behandlungsmethoden.669 Andere Konzepte wiederum ergänzen zum Gesetzestext noch ein paar knappe Ausführungen, wie dasjenige der JVA Tegel.670 Dieser Gegensatz verwundert, zumal beide Länder im Jahre 2011 das gemeinsame Eckpunktepapier entwickelt hatten. b) Motivierung, Therapiepausen und konkrete Ausgestaltung des Anreizsystems Da BVerfG sowie Bundes- und Landesgesetzgeber für die therapeutische Ausgestaltung sowie für die dazugehörigen Motivierungsregeln und das vorgesehene Anreizsystem heftige Kritik einstecken mussten, interessiert im Besonderen wie die Behandlungskonzepte praktisch mit den Neuregelungen umgehen und ob bzw. welche Unterschiede sich in den Anreizsystemen feststellen lassen. Festzuhalten ist, dass die Konzepte die Motivierungsmaßnahmen von Beginn des Sicherungsverwahrungsvollzugs an für notwendig erachten.671 Denn der Verwahrte sei i. d. R. kompetentes Handeln sind und eine Therapiefähigkeit im engeren Sinn erst herzustellen.“ Vgl. auch die Angaben bei Arloth, FS 2013, 224. Dabei unterscheidet bspw. das Konzept SothA JVA Werl, S. 9 f. deutlich zwischen einer „Vorbereitungsphase“ und einer „Behandlungsphase“. Das Konzept JVA Bautzen, S. 7 ff. setzt zu allererst auf „die Verbesserung des Wohlbefindens und der seelischen Gesundheit.“ Danach folgend dann ein Orientierungs- und Interventionsmodul, wobei im ersten die Voraussetzungen für jede weitere therapeutische Behandlung geschaffen werden soll; s. a. Konzept JVA Diez, Folie 48 f.: Ein gestuftes bzw. binnendifferenzierendes System findet sich allg. für die Unterbringung in Wohngruppen, was unter dem Stichwort Binnendifferenzierung unter Teil D.VI.6.a) behandelt wird. 668 Als Bsp. lässt sich die Darstellung sportlicher Aktivitäten wählen. Hier enthalten die Konzepte der JVA Bützow, S. 39 f. und Konzept JVA Rosdorf, S. 43 f. sehr umfangreiche Ausführungen über den therapeutischen Sinn und Zweck; andere Konzepte wiederum erwähnen nur, dass es auch sportliche Angebote gibt, so bspw. an mehreren Stellen des Konzepts der JVA Tegel, z. B. S. 26. Laut Endres/Breuer, FS 2011, 287 ff. seien die sich einander ergänzenden Behandlungsziele die Motivierung, Sicherung der Lebensqualität und Kriminaltherapie; andererseits wird nahezu jeder möglichen Maßnahme ein therapeutisches Ziel zugeordnet; ähnl. im Konzept JVA Rosdorf, S. 37 ff. 669 Konzept JVA Bbg a. d. H., S: 28 ff. 670 Konzept JVA Tegel, S. 18. 671 Teilweise mit ausführl. Begr. wie im Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 19; Konzept JVA Bützow, S. 30, obwohl es vier Seiten später Therapie-Pausen entgegen dem SVVollzG M-V für notwendig erachtet; Konzept JVA Burg, S. 40 f.; Konzept JVA Freiburg, S. 4 und Konzept JVA Freiburg 2016, S. 18 ff.; Konzept JVA Schwalmstadt, S. 21; Konzept JVA Straubing, Endres/Breuer, FS 2011, 287. Teilweise eher bloße Feststellung: Konzept JVA Bautzen, S. 8; Konzept JVA Tegel, S. 19; Konzept JVA Rosdorf, S. 33; Konzept JVA Tonna (zum vorausgehenden Strafvollzug), S. 4. Mehr auf das Anreizsystem abstellend das Konzept JVA Fuhlsbüttel, S. 30.

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wegen der unbestimmten Verwahrung und zahlreicher erfolglos durchlaufener Therapien mit einer aussichtslosen Situation konfrontiert. Daher seien Verbitterung, Demotivation, Resignation sowie Apathie häufig zu erkennen. Außerdem binden einige Konzepte das Anreizsystem erfreulich deutlich in eine therapeutische Konzeption ein. So stellt z. B. das Konzept der JVA Brandenburg a. d. H.672 fest, dass „die Motivierung der in der Sicherungsverwahrung untergebrachten Menschen … das Zentrum des Behandlungsauftrags“ bilde. Vergünstigungen seien danach „behandlungsorientiert“. Umgesetzt werde die Einbettung durch resozialisierungsorientierte Freizeitmaßnahmen oder vermehrte Gewährung von Ausführungen. Die Vergünstigungen würden in das Wohngruppen­ gefüge eingebettet. Damit ist gemeint, dass z. B. für die Übernahme zusätzlicher Pflichten innerhalb der Wohngruppe oder die Teilnahme an Selbstverwaltungsangelegenheiten gewisse „Belohnungen“, z. B. durch Ausführungen oder zeitlich ausgedehnte Nutzung von Freizeitangeboten, gewährt werden.673 Daneben legt das Konzept einen Schwerpunkt darauf, durch den motivierenden Umgang mit dem Untergebrachten dessen Selbstvertrauen, -wirksamkeit und -management sowie seine Autonomie zu fördern und damit seine intrinsische Motivation zu aktivieren.674 Sogar ein eigener Abschnitt wird dem „Motivationsauftrag des Behandlungsteams“ gewidmet, in dem es wie in anderen Konzepten darum geht, dass die Beziehung zwischen Personal und Untergebrachtem die Grundlage für Motivation und Behandlungserfolg sei, weshalb man das Personal entsprechend fortzubilden habe.675 Somit wird erfreulich klar versucht, den Befürchtungen, die ggü. dem­ Motivierungs- und Anreizsystem vorgebracht worden sind, entgegen zu treten. Im Gegensatz dazu liefert die JVA Tegel ein Negativbeispiel, indem es das Konzept im Großen und Ganzen dabei belässt, das Gesetz abzuschreiben.676 672

Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 40 ff. S. a. das Konzept JVA Bützow, S. 30 ff., welches die Motivationsmaßnahmen i. R. d. „Behandlungsmaßnahmen und Behandlungssetting“ behandelt. 673 Weitere Bspe. finden sich im Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 42 ff.; eine deutliche Einbettung in die aktive Teilnahme an der Wohngruppe findet sich im Konzept JVA Fuhlsbüttel, S. 30, das sogar Anreize nicht nur für den Einzelnen, sondern die gesamte Gruppe vorsieht (z. B. Gewährung von Lockerungen für die Erledigung von Gruppeneinkäufen); s. a. Endres/ Breuer, FS 2011, 288; im Konzept JVA Freiburg, S. 9 wird hingegen nur der Erhalt der Lebenstüchtigkeit und die Aufrechterhaltung der Kontakte angesprochen; hingegen im Konzept JVA Freiburg 2016, S. 29 daneben die Vorbereitung weitergehender vollzugsöffnender Maßnahmen angesprochen. 674 Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 41 f., 20 f. 675 Konzept der JVA Bbg a. d. H., S. 44 f. sowie umfangreiche Anlagen 11–13, S. 92–99: Das Team sei für die Aufgabe zu sensibilisieren, d. h. insbes. eine Schulung in den Methoden des aktiven Zuhörens, der motivierenden und ressourcenorientierten Gesprächsführung; knapper das Konzept JVA Rosdorf, S. 33; ebso. das Konzept JVA Tonna (vorausgehender Strafvollzug), S. 5. 676 Vgl. Konzept JVA Tegel, S. 19. Ebso. fällt das Konzept JVA Schwalmstadt, S. 44 f. negativ auf, welches zwar Motivierungsgruppen vorsieht, aber im Wesentlich nur allg. darauf eingeht, dass durch NAIKAN (ein in Japan weit verbreitetes Meditationsverfahren) und das Angebot einer Motivierungsgruppe sowie diverse Maßnahmen, bei denen v. a. auf monetäre Anreize gesetzt wird.

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Die Befürchtungen, die teilweise zur Forderung nach einer Ruhestufe führten, dass der Untergebrachte sich durch die „fortwährende“ Motivierung ständig mit seiner eigenen Unfähigkeit auseinanderzusetzen habe, kann durch die in einigen Konzepten vorgesehenen Maßnahmen entkräftet werden. So müsse laut hes­ sischem Konzept der Verwahrte aufgrund seines eigenen ausdrücklichen Wunsches hin nicht an besonderen Behandlungsangeboten teilnehmen, „wenngleich er weiterhin in das Angebot des milieutherapeutischen Settings der Unterbringung integriert ist und damit Möglichkeiten zur Motivierung immer verbleiben.“677 Das Konzept der JVA Bützow kennt verschiedene Motivierungsmaßnahmen. Dabei besteht die „Motivierungsmaßnahme I“ nur in regelmäßigen Gesprächen eines Vollzugsbeamten mit dem Untergebrachten „zu seinen Interessen und Vorlieben, um eine Behandlungsbeziehung aufzubauen“ bzw. in der Leitung und (Mit-)Organisation von Freizeitmaßnahmen.678 M. a. W.: Sichergestellt ist, dass der Untergebrachte nicht untergeht, sondern das Personal sich mit ihm beschäftigt. Dies als Qual zu bezeichnen, wäre verfehlt. Damit verbunden ist ein System des „Lernens am Erfolg“, welches mehrere Konzepte als Verstärkungsprogramm erarbeitet haben.679 Der Untergebrachte kann durch Mitarbeit in verschiedensten Bereichen (z. B. Reinigung; Teilnahme an Gruppenrunden) oder durch bestimmte Verhaltensweisen (z. B. vorbildliches Sozialverhalten; Mitarbeit im Bezugssystem oder allgemein Zusammenarbeit) Punkte erwerben. Dementsprechend werden bei sozial unerwünschtem Verhalten oder Nichteinhalten der Wohngruppenordnung „Token“ entzogen.680 Positiv hervorzuheben ist, dass der Punkte-Plan des Konzepts der JVA Bützow nur nicht-­ monetäre Vergünstigungen vorsieht, die individuell „weitestgehend gemeinsam mit dem Untergebrachten“ erarbeitet werden.681 Unverständlich ist es hingegen, dass das Konzept als einziges bundesweit, obwohl es die Notwendigkeit der Motivationsarbeit deutlich betont und ein z. T. sehr niederschwelliges Token-System vorsieht, die Möglichkeit einer „Therapie-Pause“ ausführlich abhandelt. Zwar können die Anstalten ihre therapeutischen Vorstellungen in den Behandlungskonzep 677

Konzept JVA Schwalmstadt, S. 21. Erst i. R. d. „Motivierungsmaßnahme III“ soll ein Sozialpädagoge Betreuungsgespräche sowie themenzentrierte Gruppengespräche durchführen. Die vierte Motivierungsmaßnahme stellt dann das Anreizsystem dar, welches im Konzept der JVA Bützow ein sog. „Token­ system“ vorsieht, was ein Behandlungsplan sein soll, der „dem Training und der Überprüfung der Selbstwahrnehmung“ dient. Zum System von insgesamt vier verschiedenen Motivierungsmaßnahmen vgl. Konzept JVA Bützow, Anhang S. 56 ff. 679 Hier dargestellt am Konzept der JVA Bützow, S. 32, 57 f.; ebso.: Endres/Breuer, FS 2011, 288 m. w. N; Konzept JVA Burg, S. 40: „Es werden vornehmlich verhaltenstherapeutischorientierte Token-Programme … in den Vollzugsablauf … integriert.“ 680 Sogar der vollständige Entzug („alles weg“) soll z. B. bei einem positiven Drogenbefund möglich sein; s. insbes. den „Punkte-Plan“ im Konzept JVA Bützow, Anhang S. 57 f. 681 Konzept JVA Bützow, S. 32. Fragwürdig ist es jedoch, dass „eigene Ideen“ mit Bezahlung von vorher erworbenen Punkten eingebracht werden dürfen, wo es z. B. bei der Erörterung des Vollzugs- und Eingliederungsplans gesetzlich vorgeschrieben ist (vgl. § 8 Abs.  3 S.  2 SVVollzG M-V). 678

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ten umsetzen, die Gesetzgeber haben sich trotz der Kritik mit Recht gegen solche Ruhepausen entschieden. Das Konzept missachtet daher die eindeutige Entscheidung des Gesetzgebers. Dies wird besonders dadurch deutlich, dass es sich an anderen Stellen nahezu in der Wiedergabe des Wortlauts der Normen erübrigt.682 Neben der Wiederholung von während des Gesetzgebungsverfahrens geäußerter Kritik räumt es die Möglichkeit ein, „für einen zeitlich beschränkten Zeitraum“ von Therapieversuchen freizustellen. Gründe und Dauer dieser Pause sollen mit dem Untergebrachten erörtert sowie dokumentiert werden.683 Die anderen Konzepte räumen keine Ruhepause ein, obwohl manche deutlich skeptische Einstellungen hinsichtlich der Erfolgsaussichten von Behandlungsmaßnahmen äußern.684 Angezeigt ist ein therapeutischer Umgang mit Behandlungsresignation i. d. S., dass eine Anpassung des Programms bzw. der Methode oder des Behandelnden zu erfolgen hat. Ziel muss sein, eine Behandlungsbereitschaft zu erreichen. So heißt es richtigerweise im Konzept der JVA Brandenburg a. d. H., dass ggf. auf „Rückzugsphasen … adäquat zu reagieren“ sei.685 Im Konzept der JVA Bautzen wird betont, dass es bei dieser Klientel einer besonderen Beachtung des Ansprechbarkeitsprinzips bedürfe.686 Dabei reagiert das Konzept der JVA Schwalmstadt ähnlich wie das bayerische Konzept damit, dass die Lebensqualität ebenfalls Behandlungsziel sein solle.687 Die Gefährlichkeitsminimierung in diesem Zusammenhang vollständig in den Hintergrund treten zu lassen, dürfte einer Ruhepause bzw. der Einrichtung von Longstay-Abteilungen zu nahe kommen, welche angesichts der Entscheidung des BVerfG nicht mehr möglich sind.688 Abzulehnen ist es daher, wenn z. B. im hessischen Vollzugskonzept anklingt, dass 682 Z. B. bei den Ausführungen zu den Disziplinarmaßnahmen, s.  Konzept JVA Bützow, S. 44. 683 Konzept JVA Bützow, S. 35; zur Kritik an der Ruhepause s. ausführl. Teil C.IV.1.c). 684 Bspw. Konzept JVA Schwalmstadt, S. 16 f.: Bei Persönlichkeitsstörungen sei von „nur wenig Behandlungsbereitschaft“ auszugehen und überhaupt ließe „das fortgeschrittene Lebensalter der meisten Sicherungsverwahrten sowie die jahrzehntelange Delinquenz … die Erfolgsaussichten hinsichtlich therapeutischer Einflussmöglichkeiten deutlich reduziert erscheinen“; ähnl. Konzept JVA Freiburg, S. 2; Endres/Breuer, FS 2011, 286; abgeschwächter Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 19. 685 Konzept JVA Bbg. a. d. H., S. 19; ebso. Konzept JVA Schwalmstadt, S. 20: „Diese Bereitschaft liegt jedoch nicht immer oder nur in bestimmten Bereichen bzw. bei bestimmten Themen vor … Daher geht einer Behandlung … das Ziel der Schaffung von Behandlungsbereitschaft, sofern diese nicht gegeben ist, voraus.“ 686 Konzept JVA Burg, S. 40 f.: Ebso. müsse dies für die „intramural gefährlichen Klienten“ gelten, jeweils sei eine individuell zugeschnittene Behandlung notwendig. 687 Konzept JVA Schwalmstadt, S. 20: „… so kann trotz der hohen Erwartungen, die das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ausgelöst hat, das Ziel der Betreuung in der Unterbringung – zumindest übergangsweise – nur sein, das Leben des Untergebrachten in Unfreiheit so frei wie möglich zu gestalten und den Untergebrachten bei seinem Leben in Unfreiheit zu begleiten …“ Ähnl. Endres/Breuer, FS 2011, 288. 688 Dazu oben unter Teil D.III.3.a).; vgl. das Konzept JVA Schwalmstadt, S. 20; ähnl. Konzept JVA Diez, Folie 48; das Konzept JVA Freiburg, S. 10 resigniert: „Die zu einer deutlichen Verminderung der Rückfallgefahr bzw. einer Eignung für eine weiterführende Therapie not-

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„zumindest übergangsweise … nur“ die Erhaltung der Lebensqualität Behandlungsziel sein solle. Angebracht ist es, für diese Klientel, so wie es die Konzepte größtenteils tun, nicht zu hohe Anforderungen an die Wirkung der Motivierungsmaßnahmen zu stellen. Diese sollen „zumindest … die Bereitschaft erhöhen, aktiv an der Behandlung und Rückfallprävention mitzuarbeiten“.689 Der Prozess der Weiterentwicklung muss so gestaltet werden, „dass auch kleine Behandlungserfolge vom Personal und Untergebrachten realisiert werden“.690 Sicherlich wäre es überzogen zu glauben, alle könnten zur Therapie motiviert werden. I. S. d. Ansprechbarkeitsprinzips muss aber dafür Sorge getragen werden, dass Hindernisse der Behandlung überwunden und neben bewährten Methoden neue Ansätze der Straftäterbehandlung, wie bspw. die motivierende Gesprächsführung, herangezogen werden.691 Das brandenburgische Konzept stellt insofern deutlich fest, dass sich „ein abschließender Behandlungskatalog verbietet …, wenn der Behandlungsrahmen in der SV-Ab­ teilung im Einzelfall noch weiter geöffnet werden soll, um die Möglichkeit individuell gestalteter spezifischer Behandlungsangebote zu erhalten.“692 Es ist also gleichermaßen auf Motivationsförderung und Erhaltung der Lebensqualität zu setzen. Diese kleineren Erfolgsetappen machen Sinn angesichts der neuen kürzeren Überprüfungsfristen der StVK, die das Bundesrecht vorsieht.693 c) Vollzugsöffnende Maßnahmen Die Länderübergreifende Bestandsaufnahme hatte einen beträchtlichen Anstieg von beinahe einem Viertel der Verwahrten, welche Vollzugslockerungen erhalten haben, zu verzeichnen. Seien es 2009 nur 34,0 % gewesen, hätten 2013 mehr als wendige Persönlichkeitsveränderung kann durch Behandlung nicht erreicht werden. Daher ist allenfalls eine Entlassung aufgrund körperlicher Einschränkungen, Krankheit oder Alter denkbar.“ Ebso. das Konzept der JVA Diez, vgl. dazu Pyhrr 2015, 333. 689 Konzept JVA Bützow, S. 30. 690 Konzept JVA Bützow, S. 30; Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 39 f.; Konzept JVA Burg, S. 41; Konzept JVA Fuhlsbüttel, S. 23 f. m. weiteren Ausführungen: „Daneben kann das Fertigkeitentraining als Einzelbehandlung durchgeführt werden, so dass auch Sicherungsverwahrte, die noch nicht bereit oder in der Lage sind, daran gemeinsam mit anderen teilzunehmen, erreicht werden können.“ 691 Zu Recht Suhling, FS 2011, 278 ff. m. w. N., der sodann derartige neue Ansätze anspricht, welche sich ebenfalls in den Konzepten wiederfinden: Motivierende Gesprächsführung; Good Lives Modell; Schematherapie oder Behandlung von Psychopathy. Zum Nutzen der motivationsfördernden Gesprächsführung in der Nachsorge vgl. Voß et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2015, 41 m. w. N.; zum „motivational interviewing“ ebso. Endres/ Breuer, FS 2011, 287; Arloth, FS 2013, 224. Diese Ansätze sind in einigen Konzepten angestrebt, bspw. im Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 35 ff.; Konzept JVA Diez, Folie 50; Konzept JVA Rosdorf, S. 34 ff. 692 Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 39. 693 Vgl. Teil C.VI.2.d); s. a. das Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 40: Damit solle dem „Determinismus wiederholter Negativentscheidungen“ entgegengewirkt werden.

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55,0 % Lockerungen in Anspruch nehmen können.694 Das CPT zog ein positives Fazit daraus, dass die Anstalten bemüht seien, Lockerungen zu gestatten.695 Über die allgemeine Nennung der erwähnten Funktion der Ausführungen als Motivierungsmaßnahme hinaus, enttäuschen die Konzepte allesamt. Denn sie betonen zwar einleitend die besondere Bedeutung der Lockerungen, begnügen sich aber darüber hinaus mit äußerst knappen Aussagen696 oder reiner Gesetzeswiedergabe und mit einem Verweis auf Verwaltungsvorschriften oder Richtlinien.697 Besser wäre es, statt auf mehrere „Werke“ zurückgreifen zu müssen, im Behandlungskonzept zugleich ein Konzept für den Umgang mit den Lockerungen zu e­ tablieren. Positiv fallen die Ausführungen des niedersächsischen Konzepts auf, bei denen es um die Vor- und Nachbereitung von Lockerungen geht. Denn diese werden in die grds. Behandlung sowie die Motivation des Verwahrten eingebaut.698 Daneben konkretisieren die Behandlungskonzepte lediglich ansatzweise die stufenweise Vorgehensweise bei der Lockerungsgewährung.699 So heißt es im Konzept Mecklenburg-Vorpommerns, dass die Lockerungen in Stufen erfolgen.700 Dabei verliert sich das Konzept in Allgemeinplätzen. Denn eine nächste Stufe dürfe erst dann gewährt werden, „wenn der Untergebrachte in einem angemessenen Zeitraum in der vorhergehenden Stufe erprobt worden ist“. Darüber hinaus könne eine Erprobungsstufe übersprungen werden, wenn dies „nach dem jeweiligen ak­ tuellen Therapiestand und der aktuellen Gefährlichkeitsprognose verantwortet werden kann“. Kritikwürdig am Konzept der JVA Bautzen ist, dass erst im Übergangsmodul und i. R. d. Wohngruppenstufe III („Vorbereitung der Entlassung“) eine „Lockerungseignung“ bzw. stufenweise Lockerungen genannt werden.701 Aufgrund der Bedeutung der Lockerungen müssen diese grds. und nicht nur konkret bei den Ausführungen mehr von der Entlassungsvorbereitung abgekoppelt werden i. d. S., 694 Daten bei Ansorge, KrimPäd 2013, 42, Tab. 6 zum 31.8.2009 sowie dies. 2013, 15 Tab. 12 zum 31.3.2013; s. dazu auch Dessecker 2016, 479 mit Kritik insbes. an der (Nicht-)Gewährung im vorausgehenden Strafvollzug. 695 Dazu CPT/Inf (2014) 23, Rn.  22 f., S.  13 f. Begrüßenswert sei es, dass die Anstalten eigene Hausordnungen hätten bzw. entwickelten (CPT/Inf (2014) 23, Rn. 39, S. 19). 696 Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 47; ebso. knapp Konzept JVA Bautzen, S. 16, 18. 697 Konzept JVA Bützow, S.  45 f.: „Die weiteren Einzelheiten des Lockerungsprozederes sind in der Richtlinie über die Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen im Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung (Lockerungsrichtlinien SV) geregelt.“ S. a. das Konzept JVA Tegel, S. 28: Zwar relativ ausführl. Angaben, wobei es sich dabei lediglich um den nur z. T. etwas umformulierten Gesetzestext handelt. 698 Konzept JVA Rosdorf, S. 42, allerdings bisher eher schemenhaft umrissen. 699 Z. B. Konzept JVA Bautzen, S. 16: Im „Übergangsmodul“ gibt es „gestufte vollzugsöffnende Maßnahmen“. 700 Das Folgende entnommen dem Konzept JVA Bützow, S. 45. 701 Konzept JVA Bautzen, S. 18; s. a. Konzept JVA Freiburg, S. 9: Ausführungen ohne konkrete Entlassungsperspektive gezwungenermaßen aufgrund des BVerfG-Urt; aktuell Konzept JVA Freiburg 2016, S. 28 f.

IV. Therapeutische Ausrichtung

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dass abgesehen von den zwingenden Ausführungen mit vollzugsöffnenden Maßnahmen nicht wie bisher bis zuletzt gewartet wird. Der Umgang der Konzepte mit dem Thema der vollzugsöffnenden Maßnahmen ist ein deutliches Zeichen dafür, dass es schwierig bis gar unmöglich bleiben wird, die Lockerungspraxis im Sicherungsverwahrungsvollzug (ausgenommen die zwingenden vier Ausführungen) nicht weiterhin sehr restriktiv zu handhaben.702 d) Übergangsmanagement und Nachsorge Ähnlich wie bei den Lockerungen verhält es sich regelmäßig mit Übergangsmanagement und Nachsorge.703 Bemerkenswert ist das bayerische Konzept, welches ein sog. Entlassungstraining, ggf. kombiniert mit einem Bewerbungstraining vorsieht, um die Verwahrten an die Bedingungen in Freiheit zu gewöhnen.704 Angebracht wäre es darüber hinaus, die Verhältnisse in Freiheit mehr in den Vollzug zu integrieren. Im Übrigen begnügen sich die Konzepte bzgl. der Entlassungsvorbereitung, wie bspw. das Konzept der JVA Bützow, damit, die Defizite der Untergebrachten zu benennen, welche eine „umfangreiche Hilfe“ erforderlich und eine stabile Vernetzung der „für die Untergebrachten zuständigen Entscheidungsträger, Behörden oder Institutionen“ unabdingbar machten.705 Dabei geht das Konzept weder darauf ein, welche Beteiligten damit genau gemeint sind, noch kommt es über die Aussage, dass die JVA offensiv die notwendigen Kontakte suche und pflege, hinaus. Um gegen starre Zuständigkeitsgrenzen vorzugehen, müssten die Konzepte konkreter darauf eingehen, welcher Rahmenbedingungen es genau für ein prophylak 702 Etwas großzügiger ist man nur z. T. bei den ohnehin zwingenden Ausführungen, wo es bspw. im Konzept JVA Fuhlsbüttel, S. 32 heißt, dass „auch wenn gegenwärtig noch keine bedeutsamen Behandlungsfortschritte erreicht wurden, … eine Erhöhung der Anzahl von Ausführungen hier schon deswegen gerechtfertigt [sei], um Anreize für die weitere Mitwirkung zu setzen.“ 703 Das Übergangsmanagement dürfe „nicht bei der Organisation von geeigneten Unterbringungsmöglichkeiten“ enden, so das Konzept JVA Bützow, S. 46; knapp im Konzept JVA Freiburg, S. 10 in dem sich nicht einmal das Wort „Nachsorge“ finden lässt, für das Übergangsmanagement scheint „nur“ der „Sozialdienst zuständig. I. Ü. wird die Entlassungs­orien­ tierung bzw. -vorbereitung lediglich im gestuften Wohngruppenvollzug (ebda., S.  6) angesprochen; nun aber ausführl. Konzept JVA Freiburg 2016, S. 29 ff.; s. a. allg. das Konzept JVA Burg, S. 43. Für Bay s. Arloth, BAG-S 2013, 26: Im SV-Vollzug und vorausgehenden Strafvollzug dürfe „der Blick nicht nur einseitig auf die Zeit ‚hinter Gittern‘ verengt werden“, weil die Lebensphase nach Entlassung von enormer Bedeutung sei. Vgl. ebso. zu einigen Konzepten die zusammenfassende Darstellung bei Pyhrr 2015, 352 ff. 704 Endres/Breuer, FS 2011, 292, jedoch lassen die knappen Ausführungen jegliche Konkretisierung vermissen, was genau bei dem Entlassungstraining eingeübt werden soll; ähnl. Konzept JVA Tegel, S. 20, 23. 705 Konzept JVA Bützow, S: 46; ebso. bspw. das bayerische Konzept Endres/Breuer, FS 2011, 292; das Konzept JVA Burg, S. 27 f., 36 lässt eine inhaltliche Konkretisierung vermissen.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

tisch gegen Rückfälle und insgesamt eine Wiedereingliederung ermöglichendes Umfeld bedürfte. Außerdem müsste eine bereits intramural geplante und mittels entsprechender Vorbereitung begonnene engmaschige forensische Nachsorge, welche die Besonderheiten der Klientel beachtet, in den Konzepten dringend präzisiert und strukturell vorgeschrieben werden.706 Bisher gibt es nur Andeutungen.707 Ausführlicher widmet sich das Konzept der JVA Rosdorf der Entlassungsvorbereitung und dem Übergangsmanagement, wobei die Forensische Institutsambulanz bestenfalls ein Jahr vor Entlassung konkret in den Vollzug einbezogen werde (vgl. dazu § 72 Abs. 2 Nds. SVVollzG). Ganz i. S. d. vom BVerfG angestrebten Ausrichtung des Vollzugs auf die Wiedereingliederung heißt es: „Die Entlassungssituation mit den zu erwartenden Schwierigkeiten wird bei der Behandlungsplanung von Anfang an aufgegriffen, um die Nachhaltigkeit einer erfolgreichen Therapie möglichst zu gewährleisten.“708 Zu begrüßen ist, dass das Konzept sodann die Behandlungsziele aufzählt, die für eine gelungene Entlassungsvorbereitung als hilfreich erachtet werden. Außerdem gibt es vor, welche Kooperationspartner an einem weitgefächerten und multidisziplinären Betreuungsnetzwerk beteiligt werden sollen.709 Ähnlich geht das brandenburgische Konzept vor.710 Als Pendant zur normativen Einbeziehung Dritter im Zusammenhang mit der Entlassung (vgl. Tabelle A10 im Anhang) werden in der JVA Brandenburg a. d. H. in Anlehnung an die „Berliner Praxis“ der Forensischen Ambulanz711 spätestens ein Jahr vor der konkreten Entlassung die Bildung eines runden Tisches aus Mitarbeitern des Sicherungsverwahrungsteams, Mitarbeiter der Forensischen Ambulanz und der FA bzw. Bewährungshilfe vorgeschrieben. Während dieser Treffen seien etwa Fragen der 706

Voß et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2015, 39, welche die Schritte der Wiedereingliederung darstellen: Überlappende Vorbereitungs- und Entlassungsphase, danach die ersten sechs und zwölf Monate nach Entlassung. Zudem müsse normativ eine weitergehende institutionelle Absicherung erfolgen. 707 So Endres/Breuer, FS 2011, 292. Im BaySvVollzG ist hingegen nur im Zusammenhang mit dem Vollzugsplan die Rede davon, dass dort „Maßnahmen der Entlassungsvorbereitung und Nachsorge“ einzutragen sind. Außerdem heißt es in Art. 63 BaySvVollzG: „Die Anstalt wirkt darauf hin, dass die Sicherungsverwahrten nach ihrer Entlassung insbesondere über eine geeignete Unterkunft und eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle verfügen sowie bei Bedarf in therapeutische oder andere nachsorgende Maßnahmen vermittelt werden.“ 708 Konzept JVA Rosdorf, S. 51 ff., welches ausführl. auf die Entlassungsvorbereitung und ein gelungenes Übergangsmanagement durch den Aufbau entsprechender Netzwerke eingeht; ähnl. Konzept JVA Tegel, S. 18; im Konzept JVA Bautzen, S. 16 ist ein „Übergangsmodul“ als eigenständiges Behandlungsmodul vorgesehen. 709 Konzept JVA Rosdorf, S. 53 710 Konzept JVA Bbg. a. d. H., S. 49; ähnl. Konzept JVA Schwalmstadt, S. 42 ff.; Konzept JVA Tegel, S. 23. 711 Hierbei orientiert sich das Konzept (vgl. Teil  D., Fn.  710) ausdrückl. an der von Voß/­ Sauter/Kröber 2012, 155 ff. bzw. Voß et al., Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2015, 38 ff. vorgestellten ambulanten Betreuung der Forensisch-therapeutischen Nachsorge-Ambulanz Bln (im Folgenden: FTA); Fallkonferenzen erwähnt im Konzept JVA Bützow, S. 46.

IV. Therapeutische Ausrichtung

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Wohnungsbeschaffung, der Kostentragung sowie sinnvollerweise die Abstimmung der Rollen der Beteiligten im Entlassungsprozess und nach der Entlassung zu ­besprechen. Das Konzept aus Brandenburg lässt jedoch vermissen, was das FTA-Programm beim Namen nennt: Praktisch bedeute die Koordination des Wohnraumes, dass je nach dem vorhandenen Störungsbild und Unterstützungsbedarf der Betroffene von einem Betreuer der JVA, dem zukünftig zuständigen Therapeuten sowie ggf. einem gesetzlichen Betreuer bei der Wohnungssuche begleitet werden sollte.712 Wie genau ein Netzwerk mit verschiedenen Institutionen zur Bereitstellung von Wohnplätzen zu initiieren und eine verbindliche Kooperation mit Trägern sozialer Hilfs- und Betreuungseinrichtungen zu institutionalisieren ist, lässt das Konzept genauso wie die Ausgestaltung der Vorbereitungsphase mit den betroffenen Verwahrten noch während des Vollzugs offen. Dem FTA zufolge sollen die Betroffenen wöchentlich vom künftigen Therapeuten im Vollzug aufgesucht werden, der auf die geplante Nachsorge vorbereite.713 Damit ist u. U. die Behandlung in einer Forensischen Ambulanz verbunden.714 Das niedersächsische Konzept kann als Vorbild dienen, weil die Einbeziehung der Forensischen Institutsambulanz entsprechend der „Berliner Praxis“ eingefügt wurde. Ziel sei es, die Behandlung ein halbes Jahr vor Entlassung an die Ambulanzen „zu übergeben“. Daneben würde man in der Übergangsphase „Helferkonferenzen und Hilfeplangespräche“ veranstalten. Darin sollten neben den Sicherungsverwahrten andere maßgebliche Stellen einbezogen werden.715 Die anderen Konzepte müssen gleichermaßen konkret auf die letzte Phase des Vollzugs und die entsprechende Einbeziehung nachsorgender Betreuungseinrichtungen eingehen. Schließlich befindet sich der Verwahrte in dieser Phase noch im Vollzug, der sich daher dringend dafür zuständig fühlen sollte, die Schnittstelle zur Entlassung zu sein. Es geht darum, eine tragfähige Beziehung und ein Vertrauensverhältnis zu den nach der Entlassung betreuenden Personen aufzubauen, noch bevor eine Entlassung tatsächlich erfolgt.716 712

Vgl. dazu und weiterführend Voß/Sauter/Kröber 2012, 155 ff., insbes. Abb. 4. Voß/Sauter/Kröber 2012, 158 f.): Zunächst Beantwortung notwendiger Fragen (z. B. „Was hat sich seit dem Delikt geändert? Welche Möglichkeiten bestehen, ein verbleibendes Risiko zu kontrollieren?“); Beleuchten der psychosozialen Situation (z. B. Vorstellungen hins. Arbeit, Wohnen, Freizeitgestaltung nach Entlassung); Vorbereitung für den Umgang mit Behörden, mit Medieninteresse oder Gesundheitsversorgung; sobald Möglichkeit besteht, sollten die Untergebrachten die Anstalt zu Therapiegesprächen in der Forensischen Ambulanz verlassen dürfen. Ebso. Unterstützung bei Schritten, die vor der Entlassung stehen (z. B. Gutachten, Anhörungen). 714 Vgl. bspw. § 47 Abs. 3 S. 1 SVVollzG Bln zur Unterbringung in einer Übergangseinrichtung; das Konzept JVA Schwalmstadt, S. 44 hält diese aufgrund der örtlichen Gegebenheiten für nicht angezeigt. 715 Genannt werden BewHi, FA, Gerichte, niedergelassene Therapeuten, Beratungsstellen, vgl. Konzept JVA Rosdorf, S. 53 f. 716 Dazu Voß/Sauter/Kröber 2012, 158. 713

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

8. Fazit Wie im StVollzG wird in den SVVollzGen nicht definiert oder umschrieben, was mit Behandlung und Betreuung gemeint ist und man mühsam die Gesetzesbegründung zu Rate ziehen muss (zur Konkretisierung der Methoden s. o. Tabelle 7). Die Vermutung Laubenthals, dass im Strafvollzug aus Kostengründen auf eine Definition des Behandlungsbegriffs verzichtet wurde,717 ist ebenso für den Sicherungsverwahrungsvollzug begründet. Darin zeigt sich, dass die Gesetzgeber weiter in Strafvollzugskategorien denken.718 Darüber hinaus hat dies zur Folge, dass der Behandlungsanspruch bzw. die dahinter stehenden Methoden kaum bzw. schlecht gerichtlich nachprüfbar sein werden.719 Nicht nur das BVerfG forderte aber konkret effektiv durchsetzbare Rechtsansprüche.720 Vor allen Dingen ist angesichts der bundesrechtlichen Verhältnismäßigkeitsprüfungen notwendig, dass die SVVollzGe die notwendigen Behandlungsmethoden konkret ausgestalten. Insofern ist eine Abgleichung der Leitlinien in § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB mit der allgemeinen Regelung zur therapeutischen Ausgestaltung angezeigt. Dabei ist die sehr viel konkretere Vorgehensweise der 8er-Gruppe der bessere Weg, obwohl die einzelnen Vorschriften im Detail ebenfalls Fragen aufwerfen. Dennoch bleibt abzuwarten, ob damit eine für die StVK klare Grundlage geschaffen wurde, auf der die Angemessenheit der Behandlungsmethoden beurteilt werden kann. Die SVVollzGe der 8er-Gruppe bringen zum Ausdruck, dass sich die Sicherungsverwahrung i. R. d. Behandlung deutlich vom Strafvollzug unterscheiden muss. Deshalb, so hat es das Konzept der JVA Brandenburg a. d. H. treffend ausgedrückt, sind „neue Umgangsweisen unerlässlich“.721 Zu begrüßen ist, dass einige Konzepte versuchen, neue Wege zu gehen. Diesem Vorbild sollten die Gesetzgeber folgen. Im Moment verwenden die SVVollzGe zu häufig die Sprache der Strafvollzugspraxis: So ist z. B. die Rede von Vollzugsplänen, welche „die erforderlichen Maßnahmen“ enthalten, die Verwahrten „sind zu behandeln“. Zu erwarten ist, dass es genauso wie es bei der Sprache des Strafvollzugs geblieben ist, bei den Strukturen und Inhalten des Strafvollzugs und es daher beim „Anschein“ eines Unterschieds bleiben wird. Bestärkt wird dieser Eindruck dadurch, dass, wie die tabellarischen Übersichten in diesem Abschnitt bzw. in Anhang zeigen, wiederholt nahezu identische Normen im Strafvollzug existieren oder vermeintlich besonders auf den Sicherungsverwahrungsvollzug gemünzte Normen durch einen Blick in das jeweilige LStVollzG relativiert werden. 717

Laubenthal 2015, Rn. 158. Im StVollzG fehlte eine Konkretisierung der Methoden; vgl. dazu Teil  D.IV.3. sowie Tabelle A7 im Anhang. 719 Deshalb mit Recht krit. Erdem/Scherzberg, Schriftliche Stellungnahme zum HSV VollzG-E, S. 21; Zweifel bei Koller in der Anhörung des AJDG, AJDG Nr. 20/5 NEUF, S. 15. 720 BVerfGE 128, 379 f. Daher seien konkrete Rechtsansprüche im Gesetz „unabdingbar“, deutlich Erdem/Scherzberg, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 21. 721 Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 20; ähnl. JVA Bützow, S. 21: „… ein ‚mehr des Selben‘ … nicht zielführend“. 718

IV. Therapeutische Ausrichtung

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Den Zusammenhang zwischen Mitwirkung und Motivierung bringen die Länder in einer Grundregel entweder i. R. d. allgemeinen Grundsätze oder direkt im therapeutischen Kontext zum Ausdruck. Weitere Konkretisierungen in der Folge sind jedoch rar. Durch wiederkehrende Gesprächsangebote und fortwährende Motivierung soll gesichert werden, dass sich der Vollzug auch therapieunwilligen oder -unfähigen Verwahrten widmet. Damit kann dem Gesetzgeber nicht pauschal vorgeworfen werden, er vergesse die hoffnungslosen Fälle. Gemein ist (fast) allen Gesetzen, dass sie zur Steigerung der Motivierung, wie vom BVerfG angeregt, die Möglichkeit von Vergünstigungen und i. d. R. deren Entzug, ein sog. Anreizsystem, etablierten.722 Mit einem solchen System geht immer die Gefahr einher, dass es nur zu einer äußerlich angepassten Mitwirkung und zu einem geänderten Verhalten aufgrund kurzfristig wirkender Vergünstigungen kommt. Dem ist durch die dringend zu fordernde therapeutische Einbettung des Anreizsystems (d. h. Vorrang der direkt resozialisierungsfördernden Maßnahmen statt nur monetärer Anreize) zu begegnen. Zu weit ginge es, den finanziellen Zuwendungen per se ein Zuwiderlaufen mit dem Resozialisierungsprozess zu unterstellen. Vielmehr sind sie durchaus sinnvoll, wie das Bsp. der Lohnersatzzahlung oder Entgeltfortzahlung zeigt, die Teilnahme an therapeutischen Maßnahmen mit Arbeit gleichsetzt. Da letztlich beides der Erreichung des Vollzugsziels dient, ist die Zahlung zu begrüßen. Aufgrund der besonderen Belastungen des Vollzugs und der schwierigen Klientel ist davon auszugehen, dass Beginn jeglicher Betreuung und Behandlung der Aufbau einer Motivation ist, welche regelmäßig zunächst von außen erfolgen muss. Letztlich kann man aufgrund der bisherigen Entwicklung der Praxis auf derartige Versuche, die Motivation und Mitwirkung zu erhöhen, nicht verzichten. Beachtet werden muss auch vom hessischen und thüringischen Gesetzgeber, dass nur über die gesetzlich festgelegten Rechte hinausgehende Vergünstigungen gewährt oder entzogen werden dürfen.723 Zwar besteht im Unterschied zum Strafvollzug ein Anspruch auf vollzugsöffnende Maßnahmen als zentrales Behandlungselement, wenn keine zwingenden Gründe entgegenstehen. Dennoch zeigen der gleiche Aufbau wie im StVollzG724 sowie die Verwendung der Erprobungsklausel, dass die besondere Bedeutung der Lockerungen für den Sicherungsverwahrungsvollzug noch nicht derart beachtet wird, wie vom BVerfG angestrebt. Dass die Lockerungen nach wie vor besonders anfällig für die kriminalpolitisch geprägte Sicherheitsorientierung sind,725 zeigt sich in den zuvor in VV festzustellenden Tendenzen, eine besonders ggü. Ge 722

Für die dem § 4 Abs.  2 GE-SVVollzG folgenden Länder sei bsph. Art.  4 Abs.  2 S.  1 BaySvVollzG genannt: „Zur Motivierung können auch besondere Vergünstigungen gewährt oder bereits gewährte besondere Vergünstigungen wieder entzogen werden.“ 723 Daher kann der Entzug von Taschengeld nicht toleriert werden (s. § 41 Abs. 3 HSVVollzG/ ThürSVVollzG). 724 SVVollzGe: „sind zu gewähren, wenn“; StVollzG: „dürfen angeordnet werden, wenn“. 725 Für den Strafvollzug ausführl. nachgewiesen von Dünkel/Pruin, KrimPäd 2015, 30 ff.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

walt- und Sexualstraftätern restriktive Praxis zu fördern und zu fordern. Mit einigen Regelungen haben Länder wie Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen diese restriktive Praxis nun gesetzlich legitimiert, indem sie diverse Akteure in die Entscheidung der Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen einbeziehen und damit den Lockerungsprozess unverhältnismäßig erschweren (s. o. Tabelle 9). Dies ist nicht zu akzeptieren, denn das BVerfG hat zu mehr Offenheit im Hinblick auf vollzugsöffnende Maßnahmen angemahnt und diese Tätergruppe verlangt dringend nach einem gut strukturierten und geplanten Übergang mit Erprobungen realer Lebenssituationen. Bisher versuchen nur die Länder der 8er-Gruppe, die Besonderheiten der Entlassung und der vorausgehenden Phase gesetzlich zu spezifizieren. Aber auch die ebenda getroffenen Normen zur Entlassung und deren Vorbereitung sind noch recht unverbindlich und wenig präzise formuliert. Weil man die Wiederaufnahme in die Gesellschaft nicht gesetzlich vorschreiben kann, müssen gesetzlich die besten Voraussetzungen dafür geschaffen werden, was eine strukturiertere und konsequentere Vernetzung und Vorbereitung voraussetzt. Dazu sollten die starren Zuständigkeitsgrenzen für die Zeit nach der Entlassung am Vorbild des § 126 StVollzG aufgegeben oder Wohnheime und Übergangsheime institutionelle abgesichert werden.

V. Beteiligung Dritter und der Untergebrachten sowie Personalsituation 1. Bisherige Regelungen Die Vorschriften zur Organisation enthielt auch Regelungen zur Personalstruktur des Vollzugs (vgl. §§ 154 ff. StVollzG), wobei von der Notwendigkeit der Zusammenarbeit ausgegangen wurde.726 Das in § 140 Abs. 1 StVollzG festgehaltene Trennungsgebot wurde in der Theorie so interpretiert, dass es in der Verwahrung eigenes, fest zugewiesenes Personal bis hin zu einem nur für die Sicherungsverwahrung zuständigen Abteilungsleiter geben müsse.727 Dass die Realität meistens anders aussah, wurde in Teil B. dargestellt.728 Die Zulassung Privater in die Anstalt sowie von anderen Einrichtungen und­ Organisationen war zum Zwecke der Resozialisierung gesetzlich vorgesehen (vgl. bspw. § 16 Abs. 2 JVollzGB I a. F.). Jedoch bestand kein Rechtsanspruch auf Zulassung bspw. ehrenamtlicher Helfer.729

726

Calliess/Müller-Dietz 2008, § 154 Rn. 2; Laubenthal 2015, Rn. 874 a; SBJL-Böhm/Maelicke 2009, § 140 Rn. 2. 728 Vgl. insbes. Teil B.II.3.c). 729 Zum Streit s. Laubenthal 2015, Rn. 291: Art. 20 Abs. 1 GG als Institutsgarantie. 727

V. Beteiligung Dritter und der Untergebrachten sowie Personalsituation

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Im Übrigen gab es keine speziellen Regelungen zur Beteiligung der Verwahrten an ihrem Vollzug, so dass dieselben Vorschriften wie für Strafgefangene zur Anwendung kamen. Als Bsp. wird neben der bereits im vorherigen Abschnitt behandelten allgemeinen Mitwirkung des Einzelnen an der eigenen Behandlung auf die Beteiligung an den Untersuchungen und der Planung zu Beginn des Vollzuges eingegangen. Hierzu enthielt das StVollzG lediglich in § 6 Abs. 1 S. 1 StVollzG den Hinweis, dass die Persönlichkeit und die Lebensverhältnisse des Verwahrten zu erforschen sind. Darüber hinaus wurde nach Abs. 3 derselben Vorschrift die­ Planung der Behandlung mit ihm „erörtert“. Eine weitere Einbeziehung war im Gesetz nicht vorgesehen. 2. Kooperation mit Dritten außerhalb des Vollzugs a) Grundregel und verschiedene Beteiligungsphasen Grds. positiv zu beurteilen sind die Änderungen bei der Beteiligung von Dritten am Vollzug der Verwahrten, welche in Tabelle A10 im Anhang überblicks­artig dargestellt sind. Zweckmäßig erscheint es, bei der Beteiligung nach verschiedenen Stadien des Vollzugs zu differenzieren. So gibt es eine für die gesamte Vollzugszeit gültige Regelung, welche die Beteiligung Dritter betrifft und insofern sinnvoll ist, als damit zum Ausdruck gebracht wird, dass die Zusammenarbeit mit Externen nicht erst im Zeitpunkt der Entlassung beginnen darf.730 In einem Teil der SVVollzGe findet sich die „Einbeziehung Dritter“ in einer eigenständigen Regelung im allgemeinen Teil. Die Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen und Privaten ist verpflichtend. Es wird nicht mehr zwischen privat und nicht-privat differenziert, wie es bspw. in § 154 StVollzG der Fall war.731 Die Zusammenarbeit erfolgt jedoch nur, wenn sie der Eingliederung der Untergebrachten „förderlich“ sein kann. Dabei handelt es sich um einen ebenfalls in der Strafvollzugsgesetzgebung anzutreffenden, voll gerichtlich überprüfbaren, unbestimmten Rechtsbegriff.732 Nur Bayern und Niedersachsen sind inhaltlich im Wesentlichen dem GE-SVVollzG gefolgt, jedoch unterscheidet sich die Stellung der Norm deutlich von allen anderen Gesetzen. Sie ist nicht innerhalb der allgemeinen Grundsätze zu finden, sondern reiht sich wie in den LStVollzGen und ehemals im StVollzG i. R. d. organisatorischen Vorschriften 730 Dass die Zusammenarbeit schon während der Zeit im Vollzug koordiniert werden muss, ist kein neuer Gedanke, vgl. dazu BT-Drs.  7/3998, S.  41 f.; s. a. LNNV/Laubenthal 2015, N. IV. Rn. 21. 731 Vgl. zur immer noch vorgenommenen Differenzierung in § 154 Abs. 2 StVollzG, § 181 Abs. 1 NJVollzG krit. LNNV/Laubenthal 2015, N. IV. Rn. 22. 732 Nichts anderes kann für den identischen Wortlaut in den SVVollzGen gelten; vgl. AKStVollzG-Feest/Köhne 2012, § 155 Rn. 15; ebso. Arloth 2011, § 154 Rn. 4, LNNV/Laubenthal 2015, N IV. Rn. 25.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

ein.733 Dies ist ein Detail, das zeigt, wie sehr aus Sicht des Strafvollzugs normiert wurde. Davon abgesehen, grenzen sich die SVVollzGe hinsichtlich des Umfangs und der Stellung der Vorschrift deutlich von den bisherigen Regelungen zum ­Strafvollzug ab, weil die Bedeutung der Mitwirkung von öffentlichen Stellen und gesellschaftlichen Kräften im Sicherungsverwahrungsvollzug betont wird. Im anderen Teil der SVVollzGe wird der Bezug etwas versteckter im Zusammenhang mit den Grundsätzen der Vollzugsgestaltung in dem dazugehörigen Paragraphen zu den Grundsätzen des Vollzugs parallel zu den LStVollzGen fest­ gehalten. Durch die Einbeziehung Externer soll zwischen dem Vollzugsalltag und dem Alltag in Freiheit eine „Kontinuität“ hergestellt werden.734 Von einer „verzahnten Entlassungsvorbereitung“ ist die Rede. Insoweit stellen einige Gesetzesbegründungen erfreulich klar fest, dass die allgemeine Norm zur Einbeziehung Dritter während des gesamten Vollzugs eine Schnittstelle zu den konkret die Entlassung sowie Eingliederung und deren Vorbereitung betreffenden Normen i. S. e. „durchgängigen Betreuung“ darstellt.735 Es muss der Grundsatz gelten, dass es zur Eingliederung nicht genügt, dass die vor, während und nach dem Vollzug mit den Untergebrachten befassten Personen, Einrichtungen und Behörden isoliert handeln, sondern dass die einzelnen Beiträge durch ein Gesamtkonzept miteinander vernetzt werden. Effektiver, als darauf lediglich in der Gesetzesbegründung einzugehen, wäre es, dass die Vorschriften zur Einbeziehung Dritter im Abschnitt der Grundsätze schon im Gesetzestext mit der in allen SVVollzGen geregelten Zusammenarbeit im Zuge der ganz konkreten Entlassungsvorbereitung durch einen Hinweis auf die angestrebte „durchgängige Betreuung“ (vgl. § 69 Abs.  3 Nds. SVVollzG) verzahnt würden. Galt die Vollzugsplankonferenz736 bisher vornehmlich als Dienstbesprechung unter Vollzugsmitarbeitern und konnten externe Personen nach Gutdünken beteiligt werden, hat sich die Rechtslage hier zurückhaltend geändert.737 Allerdings trifft dies für den Strafvollzug genauso wie für den Sicherungsverwahrungsvollzug zu.738 Nur die verhältnismäßig umfangreichen Möglichkeiten des ME 733

Ähnl. Art. 88 Abs. 2 BaySvVollzG: es soll „eng“ zusammen gearbeitet werden und Ehrenamtliche sollen gefördert werden; ansonsten identisch mit Art. 175 Abs. 2 BayStVollzG a. F.; § 118 S. 1, 2 Nds. SVVollzG ist identisch mit § 173 NJVollzG a. F. 734 H LT-Drs. 18/6068, S. 61; Thür LT-Drs. 5/5843, S. 60; krit. bleiben Erdem/Scherzberg, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 22. 735 Gelungen formuliert im Nds. SVVollzG, welcher jedoch identisch mit dem NJVollzG verfasst ist; ebso. in Abschnitt 11: „Entlassung, durchgängige Betreuung“ des SVVollzG LSA. 736 Dazu ausführl. Hausmann 2012, 41 ff. 737 So wurde aus der bisherigen Stellung des die Konferenzen regelnden § 159 StVollzG im Abschnitt zu den „Vollzugsbehörden“ geschlossen, dass es lediglich eine interne Dienst­bespre­ chung sei; s. a. OLG Koblenz, Beschl. vom 31.1.2014 – 2 Ws 689/13 (Vollz), Rn. 15 – bei juris. 738 Vgl. dazu OLG Koblenz, Beschl. vom 31.1.2014 – 2 Ws 689/13 (Vollz), Rn. 15 f. – bei­ juris.

V. Beteiligung Dritter und der Untergebrachten sowie Personalsituation

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SVVollzG fallen bei der Beteiligung an den Konferenzen auf (vgl. Tabelle A10 im Anhang). Das SächsSVVollzG hat diese sogar noch um den Verteidiger ergänzt, dessen Teilnahme nach § 8 Abs. 5 S. 4 SächsSVVollzG „zu gestatten ist“. Diese zwingende Anwesenheit sollte dem effektiven Rechtsschutzgebot des BVerfG entsprechend und um Rechtsstreitigkeiten zu verhindern, sprich im Interesse der Anstalt selbst, in allen SVVollzGen enthalten sein.739 Ohne die Normierung hängt die Teilnahme des Beistands wie im Strafvollzug vom Willen der Anstaltsleitung ab.740 Die weitere Phase der Eingliederung und Entlassung steht in allen SVVollzGen im Zeichen der Zusammenarbeit mit Externen. Für ein gelungenes Übergangs­ management, bei dem die Betreuung nicht hinter den Toren der Anstalt endet, wäre nicht nur eine vorherige Übergangskonferenz kurz vor der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung, sondern ebenfalls eine Nachsorgekonferenz eine gewisse Zeit nach der Entlassung in der JVA angezeigt und sollte in allen Gesetzen ergänzt werden.741 Im Zusammenhang mit der nachsorgenden Betreuung des Untergebrachten spricht darüber hinaus die Leitlinie des Bundes in § 66 c Abs. 1 Nr. 3 b StGB davon, dass diese „in enger Zusammenarbeit mit staatlichen oder freien Trägern“ zu ermöglichen ist. Daran anknüpfend haben die SVVollzGe die Zusammenarbeit mit Dritten i. R. d. Regelung zur „Vorbereitung der Eingliederung“ relativ umfangreich getroffen, was sie aber nunmehr von den LStVollzGen nicht mehr wesentlich unterscheidet.742 b) Ziele, Probleme und Änderungsvorschläge Inhaltlich wird mit den Vorschriften dasselbe Ziel verfolgt: Der Öffnungsgrundsatz soll konkretisiert werden, da durch den Kontakt mit Personen und Einrichtungen der Bezug zum Leben außerhalb der Anstalt erhalten bleibt. Dies dient

739

Blum/Oelbermann, Schriftliche Stellungnahme zum ThürSVVollzG-E, S.  17: „Sofern die Ergebnisse der Konferenz dann von dem Rechtsanwalt ‚mitgetragen‘ werden, hilft dies auch den Untergebrachten diese anzunehmen.“ 740 Dort ist anerkannt, dass kein Anspruch auf Teilnahme des Verteidigers besteht, vgl. BVerfG NStZ-RR 2002, 25; OLG Celle StraFo 2010, 260; s. a. Laubenthal 2015, Rn.  324; BeckOK SächsSVVollzG – Schäfersküpper, § 8 Rn. 40 m. Rspr.-Nachweisen. 741 Zur Übergangskonferenz vor der Unterbringung s. o. Teil D.IV.3.; ähnl. Forderungen bei Böhringer, Schriftliche Stellungnahme zum JVollzGB V-E, S.  2 f.; s. a. BeckOK SächsSVVollzG  –  Schäfersküpper, § 8 Rn.  39 zur Differenzierung zwischen Rechtsanwalt und Beistand in Straf-, Strafvollstreckungs- und Strafvollzugssachen. 742 Hier fällt bei den am GE-SVVollzG orientierten SVVollzGen eine sprachliche Feinheit auf, welche zur Folge hat, dass die Anforderungen etwas strenger sind, als bei der allg. Regel zur Einbeziehung während des gesamten Vollzugs. So ist in der Norm zur „Vorbereitung der Eingliederung“ festgehalten, dass die Anstalt mit Personen und Einrichtungen zusammenarbeitet, welche die Eingliederung „fördern“ (vgl. § 63 S. 2 SVVollzG LSA) und nicht nur „förderlich sein können“ (z. B. § 6 Abs. 1 SVVollzG LSA).

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

der Wiedereingliederung und bringt damit zumindest für eine gewisse Zeit einen gesellschaftlichen Alltag in die Einrichtung.743 Da die genannten Personen, Einrichtungen und ehrenamtlichen Helfer häufig das einzige (neutrale) Tor in die Freiheit sind und damit die Sozialkontakte der Untergebrachten fördern bzw. aufrechterhalten, muss die Zusammenarbeit für die Anstalt verbindlicher werden, als es in den Vorschriften der SVVollzGe der Fall ist.744 Die Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen muss neben der Unterstützung der Beziehungspflege mit Angehörigen bspw. i. R. v. Besuchen im Sicherungsverwahrungsvollzug nicht zuletzt zur Entlassungsvorbereitung gestärkt und intensiviert werden. Denn wie Teil B. gezeigt hat, brechen die Kontakte zur Außenwelt zumeist mit der Zeit ab und gehen häufig ganz verloren.745 Einerseits sollte wie im GE-SVVollzG keine Einschränkung auf „geeignete“ Ehrenamtliche erfolgen, sondern schlicht von „ehrenamtlichen Personen bzw. Betreuern und Betreuerinnen“ die Rede sein. Für das StVollzG war anerkannt, dass die Anstalt nur eingeschränkt die Eignung prüfen darf.746 Diese ins Gesetz zu schreiben, stellt daher eine Verschärfung ggü. dem StVollzG dar. Zudem sollten alle SVVollzGe dem StVollzG insoweit folgen, als das „Gebot enger Zusammenarbeit“ ins Gesetz geschrieben wird. Darüber hinaus stellt der ME-SVVollzG darauf ab, dass die Einbeziehung Dritter gleichermaßen die Wahrnehmung des Sicherungsverwahrungsvollzugs in der Öffentlichkeit stärkt.747 Angesichts der oft von einem Sicherheitsdenken geprägten öffentlichen und kriminalpolitischen Einstellung ggü. solchen Verurteilten, die in der Verwahrung sind, darf sich der Sicherungsverwahrungsvollzug nicht länger vor der Öffentlichkeit verschließen. Daher ist es zu begrüßen, dass sich eine solche allgemeine – z. T. nur sehr kurze und lediglich als Sollvorschrift ausgestaltete  – Regelung zusätzlich zur Einbeziehung im direkten Zusammenhang mit der Entlassung zentral in den allgemeinen Regelungen findet (vgl. Tabelle A10 im Anhang). Dies kann ein erster Schritt sein, die Sicherungsverwah-

743 ME-SVVollzG Begründung, S. 14; GE-SVVollzG, S. 42 f.; ebso. z. B. SH LT-Drs. 18/448, S. 114. 744 Der GE-SVVollzG und die insofern identischen Normen haben die Arbeit dieses Personenkreises im Vergleich zum ME-SVVollzG und den ihm folgenden Ländern aufgewertet, indem sie die Anstalt zur Förderung verpflichten. Ebso. ist der GE-SVVollzG konkreter und verbindlicher formuliert (§ 6 Abs. 1: „arbeitet … zusammen“; Abs. 2: „ist … zu fördern“ im Unterschied zu § 3 Abs. 5 S. 2 ME-SVVollzG: „sollen … einbezogen werden“); ähnl. knapp ME-SVVollzG Begründung, S.  14. Diejenigen Gesetze, die den Vollzugsstab im weiteren Sinne nicht ausdrückl. benennen, sprechen nur in ihrer Gesetzesbegründung i. R. d. Freizeit konkret von der Einbeziehung ehrenamtlicher Helfer, vgl. dazu bspw. Bln LT-Drs. 17/0689, S.  88; immerhin in H LT-Drs.  18/6068, S.  61 und Thür LT-Drs.  5/5842, S.  26: „Gebot der engen Zusammenarbeit“. 745 S. dazu Teil B.II.3.; Köhne, BewHi 2005, 283 sowie GE-SVVollzG, S. 44. 746 Vgl. dazu AK-StVollzG-Feest 2012, § 154 Rn. 10. 747 ME-SVVollzG Begründung, S. 14.

V. Beteiligung Dritter und der Untergebrachten sowie Personalsituation

401

rung in ein anderes Licht der Öffentlichkeit zu rücken und stellt ein Signal dafür dar, dass eine Vernetzung von Vollzug und Externen zur Wiedereingliederung in die Gesellschaft angestrebt wird. Dazu soll in beinahe der Hälfte der SVVollzGe eine weitere Vorschrift beitragen, wonach die Mitglieder des Vollzugsbeirats „das Verständnis für den Vollzug und seine gesellschaftliche Akzeptanz“ fördern und „Kontakte zu öffentlichen und privaten Einrichtungen“ vermitteln.748 Hier besteht der Bedarf, weitere Vorschriften nach diesem Vorbild zu schaffen. Daher ist es notwendig, dass die Anstalten die Zusammenarbeit mit den ehrenamtlichen Helfern „fördern“ und diese „unterstützen“ – insofern würde sich in allen Gesetzen eine Kombination aus SVVollzG NRW und bspw. HSVVollzG anbieten: „Ehrenamtliche Betreuer und Helfer sind zu fördern und zu unterstützen“. Genauso wie bei den diversen Fristenregelungen finden sich bei der Beteiligung anderer bestimmte sprachliche und inhaltliche Aufweichungen in unterschiedlicher Weise. Reichlich unbestimmt ist es bspw., wenn die Gesetze vorschreiben, dass „maßgeblich“ Beteiligte bzw. andere wiederum „nach Möglichkeit“ in die Konferenzen oder Planungen einzubeziehen sind oder aber bzgl. Dritter nur ein Ermessen eingeräumt wird. Hauptproblematik der Einbeziehung Externer ist aber, dass eine solche Infrastruktur mit Dritten überhaupt erst aufgebaut und organisiert werden muss. Nicht nur das BVerfG hat in seinem aktuellen Urteil eindringlich kritisiert, „dass es häufig an strukturierten Kooperationen der Anstalten mit Nachsorgeeinrichtungen sowie der Schaffung eines gesicherten sozialen Empfangsraums nach Entlassung aus der Sicherungsverwahrung fehlt.“749 Umfragen wie diejenige von Freese führen vor Augen, dass dem gesamten Strafvollzug, und v. a. dem Sicherungsverwahrungsvollzug, ein professionell aufgebautes System einer ambulanten Nachsorge fehlt: In zehn Bundesländern gab es im Jahr 2014 nur 16 Straftäterambulanzen, wobei in drei Einrichtungen die Nachbetreuung zusammen mit Maßregelpatienten erfolgte.750 Dringend notwendig wären in jedem Fall flächendeckende Einrichtungen sowie forensische Ambulanzen, da davon auszugehen ist, dass nach jahrzehntelanger Unterbringung im Justizvollzug zumindest die erste problembehaftete Phase der Entlassung nur in betreuten Einrichtungen realistisch sein dürfte.751 Eine detailliertere Auseinandersetzung seitens des BVerfG oder der Gesetzgebers mit den 748 SVVollzG Bln; BremSVVollzG; LSVVollzG/SLSVVollzG; SächsSVVollzG; SVVollzG LSA; SVVollzG SH. Bbg und M-V folgten hier nicht dem ME-SVVollzG. 749 BVerfGE 128, 386 f. 750 Freese, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2014, 137 ff.; Boetticher 2015, 88; J. Schäfer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 160: in RlP nur 2 Einrichtungen. 2009 war BW das erste Bundesland, dass die Versorgung durch flächendeckende Einführung forensischer Nachsorgeambulanzen für aus dem Justizvollzug mit FA belegten Entlassenen (vgl. § 68  b Abs. 1 S. 1 Nr. 11 StGB) sicherstellen sollte, vgl. Pitzing/Will 2012, 680. 751 J.  Schäfer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 160, 163: „eine Art Prototyp der Quadratur des Kreises“, weil betreutes Wohnen dringend notwendig sei, aber keiner ehemalige Verwahrte aufnehmen wolle.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

erheblichen Problemen, mit denen sich derartige Einrichtungen zur Aufnahme Entlassener ausgesetzt sehen,752 fand nicht statt. Sicher ist, dass i. S. d. Minimierungsgebots die Gewährleistung eines ausreichenden Angebots an entsprechenden Einrichtungen „nicht in den Aufgabenbereich des Untergebrachten, sondern vielmehr des Staates“ fällt.753 Die Bereitschaft zur (Wieder-)Aufnahme lässt sich rechtlich kaum erzwingen, etwa in der Form, dass der Sicherungsverwahrte eine Art Leistungsanspruch an die Gesellschaft, d. h., einen Anspruch auf aktive Mitarbeit bei seiner Resozialisierung, erhielte.754 Letztlich müssten dringend alle Gesetze eine institutionelle Absicherung aufnehmen, dass solche Wohnheime und Übergangseinrichtungen von staatlicher Seite eingerichtet werden müssen, wenn die Bewährungshilfe nicht in der Lage ist, sie vorzuhalten. Anders ist es nicht gewährleistet, dass es nicht bei der bisherigen, vom BVerfG angemahnten Mangellage bleibt. Der Gesetzgeber muss im Gesetzestext positiv und deutlich alles dafür tun, dass die Arbeit dieser Einrichtungen mit dem Verwahrten erleichtert wird und es zum Kontakt frühzeitig während des Vollzugs kommen kann (so z. B. hinsichtlich der Einbeziehung der Bewährungshilfe).755 Dies würde dem Credo entsprechen, den Vollzug der Verwahrung von Anfang an auf die möglichst baldige Entlassung auszurichten – was nur gelingen kann, wenn schon im Vollzug zusammengearbeitet wird und nicht der Vollzug und später evtl. zuständige Stellen isoliert nebeneinander her arbeiten. Die 8er-Gruppe fällt durch eine konsequente(re)  Einbeziehung der Bewährungshilfe auf. Da diese für ein gelungenes Übergangsmanagement von enormer Bedeutung ist, sollten alle Gesetze ihre Beteiligung i. R. d. Konferenzen vorschreiben.756 So wird nicht nur konkret die Möglichkeit eröffnet, die ehemals zuständige Bewährungshilfe im Stadium der Vollzugsplanung an den Konferenzen zu beteiligen. Darüber hinaus wird die Einbeziehung der künftigen Bewährungshilfe­ geregelt.757

752

Bachmann/Goeck, GRR 2013, 75 f. zu Belagerungszuständen vor dem Wohnhaus zweier ehemaliger SV. 753 OLG Hamm R&P 2013, 171 ff. 754 Vgl. aber Müller-Emmert, BlStVK 1976, S. 1 ff. Zuständig für den Aufbau von Unterbrin­ gungsmöglichkeiten und nachsorgenden Betreuungseinrichtungen sind die Länder, ihre Kommunen und größtenteils freie unabhängige private Träger der Sozialarbeit (s. dazu Bachmann 2015, 158); gerade Letzteren kann man nicht vorschreiben, mit wem sie zu arbeiten haben, zu deren ablehnender Haltung s. Wolf 2012, 77. 755 Unglücklich gewählt sind die Formulierungen bei der Beteiligung an der sozialen und beruflichen Eingliederung der BewHi und FA, weil sie eine einseitige Pflicht dieser Beteiligten implizieren und die Anstalt damit zu sehr aus der Verantwortung nehmen, bspw. § 47 Abs. 2 S. 2 SächsSVVollzG. 756 Blum/Oelbermann, Schriftliche Stellungnahme zum ThürSVVollzG-E, S. 11. 757 Z. B. in § 8 Abs. 5 S. 3, Abs. 7 BbgSVVollzG.

V. Beteiligung Dritter und der Untergebrachten sowie Personalsituation

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3. Einbeziehung der Untergebrachten Im Konzept der JVA Brandenburg a. d. H. heißt es recht blumig, dass „das Zusammenleben in der Einrichtung … von Transparenz und Teilhabe der Untergebrachten an allen sie betreffenden Entscheidungsprozessen geprägt sein“ soll.758 Inwiefern die Untergebrachten laut Gesetzestext tatsächlich beteiligt werden, soll in Bezug auf die „ersten Behandlungsschritte“ in der JVA dargelegt werden, so dass neben ggf. vorhandenen allgemeinen Regelungen bsph. die Bereiche der Aufnahme, Behandlung und Planung herausgegriffen werden. Problematisch ist, dass teilweise die Formulierungen zur Einbeziehung des Untergebrachten nicht eindeutig sind und daher von den Untergebrachten selbst missverstanden werden könnten. So wird aus den Regelungen zur Beteiligung an den Konferenzen vorwiegend in den am ME-SVVollzG orientierten SVVollzGen nicht ohne weiteres ersichtlich, dass die Untergebrachten regelmäßig nur für die Erörterung des Vollzugs- und ggf. Eingliederungsplans anwesend sein dürfen. Hinsichtlich der sonstigen Beteiligung halten die SVVollzGe der Anstalt die Möglichkeit offen, den Verwahrten miteinzubeziehen (z. B. § 9 Abs. 5 S. 4 SVVollzG SH: „können … beteiligt werden“), genauso wie die Möglichkeit besteht, die Eröffnung und Erläuterung des Vollzugs- und Eingliederungsplans außerhalb der Konferenz vorzunehmen (z. B. § 9 Abs. 5 S. 5 SVVollzG SH: „i. d. R.“). In anderen Gesetzen, die am GE-SVVollzG angelehnt sind, soll durch die Trennung zwischen Beratung in der Konferenz und Erörterung des Vollzugsplans mit dem Untergebrachten klargestellt werden, dass kein Anspruch auf Beteiligung an der Konferenz besteht.759 Dieses zurückhaltende und wenig aufschlussreiche Vorgehen der Gesetzgeber ist jedoch abzulehnen. Denn anerkannt ist, dass die Mitwirkung der Verurteilten die Chance auf Reintegration erhöht. Damit ist es im Vollzug der Sicherungsverwahrung, der von Anfang an auf Wiedereingliederung ausgerichtet sein soll, die Pflicht des Gesetzgebers und folglich des Vollzugs, den Verwahrten aktiv(er) an der Untersuchung, Planung und Behandlung zu beteiligen. Bisher wird für den Strafvollzug vertreten, dass die Mitwirkungsfunktion durch eine gesetzlich nicht geregelte Anhörung erfüllt werden soll. Überwiegend ist kein subjektives Recht auf Teilnahme an der Konferenz in den LStVollzGen vorgesehen.760 Dies hätte im Sicherungsverwahrungsvollzug idealerweise anders geregelt werden sollen – damit gemeint sind insbesondere die Normen zur Berücksichtigung der Anregungen der Untergebrachten sowie ihrer Beteiligung an der Kon 758

Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 2. Deutlich H LT-Drs. 18/6068, S. 64: „Die ebenfalls vom Gesetz vorgenommene Trennung zwischen Beratung in der Konferenz und Erörterung mit den Untergebrachten stellt klar, dass die Untergebrachten, wie auch ihre Bevollmächtigten, keinen Anspruch auf Anwesenheit bei der Konferenz haben.“ 760 LNNV/Nestler 2015 C. III. Rn.  37; Laubenthal 2015, Rn.  324; AK-StVollzG-Straube 2012, § 7 Rn. 11. 759

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

ferenz. Positiv fällt hier – allerdings zugleich identisch mit der eigenen Strafvollzugsgesetzgebung – Baden-Württemberg (vgl. § 7 Abs. 5 S. 2 JVollzGB V) auf, weil es vorschreibt, dass dem Verurteilten Gelegenheit gegeben wird, in der Konferenz eine Stellungnahme abzugeben. Ebenso sollen in den Ländern der 8erGruppe sowie in Hessen und Thüringen (mit ebenfalls identischer Norm im Strafvollzug) der Umfang der Berücksichtigung von Anregungen und Vorschlägern der Untergebrachten im Ermessen der Anstalt liegen. Im Übrigen ist die Beteiligung der Untergebrachten weiterhin auf ein Mindestmaß beschränkt, wie der Überblick in Tabelle A11 im Anhang für die Bereiche Aufnahme, Behandlung und Planung zeigt. Ein positives Signal zur Verbesserung der Kommunikation des Vollzugspersonals mit den Verwahrten und damit dem Anstaltsklima setzen die Länder der 8erGruppe mit einer allgemeinen Regelung zu Beginn, wonach „vollzugliche Maßnahmen … erläutert werden sollen“ (vgl. z. B. § 4 Abs. 2 S. 2 SVVollzG Bln).761 Nachvollziehbar und praktisch besser umsetzbar ist es, wenn die Begründung des ME-SVVollzG aufführt, dass es sich i. d. R. um eine mündliche Erläuterung handeln wird. Mit einer (nur) mündlichen Erläuterung kann der dahinterstehende Zweck gut erfüllt werden, nämlich für mehr „Transparenz und Nachvollziehbarkeit der Entscheidung“ zu sorgen.762 Aber: Aus der „Sollvorschrift“ sollte eine „Istvorschrift“ werden, da nicht nachvollziehbar ist, wieso Verwahrte nicht entsprechend aufgeklärt werden müssen. Zudem liegt es im Interesse der Vollzugspraxis, durch einen solchen Umgang mit den Verwahrten bei dem ein oder anderen die Akzeptanz einer Entscheidung zu erhöhen. Dass es das Ziel des Gesetzgebers ist, bringt er an verschiedenen Stellen zum Ausdruck.763 Außerdem hält sich der bürokratische Aufwand bei einer mündlichen Belehrung in Grenzen. Dokumentationspflichten sehen alle Länder vor, allerdings unterscheiden sich die zu dokumentierenden Aspekte sowie der Umfang.764

761 Genauso geregelt in § 4 Abs. 3 S. 2 BremSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG/SLSV VollzG; SächsSVVollzG; § 6 Abs. 3 HSVVollzG/ThürSVVollzG. Im Detail unterschiedlich verbindliche Formulierungen: § 4 Abs. 2 S. 2 SVVollzG Bln enthält wie der ME-SVVollzG eine Sollvorschrift, wohingegen § 4 Abs. 3 S. 2 BbgSVVollzG eine verbindlichere Regelung getroffen hat („sind … regelmäßig zu erläutern“). Der GE-SVVollzG sieht eine derartige allg. Regelung zur Erläuterung und Beteiligung nicht vor. 762 ME-SVVollzG Begründung, S. 16. 763 Z. B. im Zusammenhang mit der Erörterung der Vollzugsplanung, vgl. dazu bspw. H LTDrs. 18/6068, S 64: „Im Hinblick auf die Verbindlichkeit der Ergebnisse der Vollzugsplanung kommt der Erörterung mit den Untergebrachten jedoch erhebliche Bedeutung zu. Sie sind zu ermutigen, Anregungen und Vorschläge einzubringen.“ 764 Zu dokumentieren sind bspw. Motivierungsmaßnahmen (SVVollzG Bln und alle dem GE-SVVollzG folgenden SVVollzGe); Ergebnisse der Behandlungsuntersuchung (HmbSV VollzG); Einsatz von Videotechnik (SVVollzG NRW); die durchgeführten Maßnahmen i. R. d. Vollzugs- und Eingliederungsplans (alle SVVollzGe der 8er-Gruppe), i. R. d. Gesundheitsfürsorge (BremSVVollzG); durchgeführte Sicherungsmaßnahmen (z. B. JVollzGB V) und Disziplinarmaßnahmen (SVVollzG NRW), s. sogleich Teil D. V.6.b).

V. Beteiligung Dritter und der Untergebrachten sowie Personalsituation

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4. Opferbezogene Vollzugsgestaltung a) Einführung Die vorwiegend bei Sexualdelikten festzustellende starke Betonung der Opfer­ perspektive und verständlicherweise fehlende nötige Gelassenheit im Umgang mit Sexualstraftätern haben bisher v. a. auf der Anordnungsebene der Sicherungs­ verwahrung eine Rolle gespielt.765 Doch nun sahen sich einige Gesetzgeber dazu veranlasst, erstmals eine „in der Bundesrepublik sowohl in qualitativer als auch quantitativer Hinsicht einzigartige“ viktimologische Ausrichtung in ihren SV VollzGen festzuschreiben, was einer gewissen Neuausrichtung des gesamten Strafrechts entsprechen dürfte.766 In einer ausgeprägten Opferorientierung dürfte zugleich die Gefahr liegen, dass es im Vollzug zu Restriktionen sowie fehlender Entlassungsvorbereitung kommt. Zwar kann in vermutlich wenigen geeigneten Fällen ein TOA im Vollzug angebracht sein. Jedoch ist häufig die freiwillige Mitarbeit von Opfer und Täter zu bezweifeln.767 Angesichts der zwangsweisen Unterbringung muss man sich die Frage stellen, ob nicht die guten Intentionen zur Repression werden und daher eine solche Vollzugsausrichtung abzulehnen ist. Darüber hinaus sieht sich der TOA im Sicherungsverwahrungsvollzug mit Recht dem Einwand ausgesetzt, dass die JVA als Ort dafür wenig geeignet ist und ohnehin in besonderem Maße bei Sicherungsverwahrten von einer hohen Verschuldung und daher wenigen finanziellen Möglichkeiten auszugehen ist.768 Dasselbe dürfte für die optimistische Forderung gelten, „die Einsicht in das Unrecht der Tat“ und die Folgen für die Opfer beim Untergebrachten zu wecken. Denn sie erscheint unter den Zwangsbedingungen der totalen Institution unrealistisch.769 Hiervon zu trennen sind die darüber hinaus in einigen Gesetzen enthaltenen Aufforderungen an den Vollzug, den Verwahrten, sofern dieser bereit ist, dabei zu unterstützen, den Schaden wiedergutzumachen (vgl. § 7 Abs. 2 S. 3 SVVollzG NRW: „Die Untergebrachten sind dabei zu unterstützen, den verursachten materiellen und immateriellen Schaden auszugleichen.“). Tabelle 10 bietet einen Überblick, inwiefern der Opferbezug in die SVVollzGe Eingang gefunden hat. Dabei sind große Unterschiede zu konstatieren. Insbesondere das SVVollzG NRW zeichnet sich durch eine weitreichende Berücksichtigung aus.

765

Dazu ausführl. Frommel in der Anhörung zum SVVollzG SH-E, SH RA 18/28, S. 15 f. Gelber (RJB) in der Anhörung zum SVVollzG NRW-E, APr 16/167, S. 6 f. Allerdings sollte man sich die Frage stellen, ob damit dem Opfer immer geholfen ist; so zu Recht in diese Richtung gehende Anm.  der Abg. Peters-Rehwinkel (SPD) in der Anhörung zum BremSVVollzG-E am 6.3.2013, APr A/RA 18/18. S. 494 f.; zum zunehmenden Eingang des Opfers in die LStVollzGe s. Feest, FS 2014, 175 f. 767 Eisenberg, NK 2013, 9; ähnl. Feest, FS 2014, 176, der einen TOA für „kaum möglich“ hält. 768 Eisenberg, NK 2013, 9 m. w. N. 769 Ähnl. für den Strafvollzug Feest, FS 2014, 176. 766

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder Tabelle 10 Berücksichtigung des Opfers770 VollzugsGestaltung und Therapeutische Ausgetaltung

Vollzugsgestaltung770 • § 7 Abs. 1 SVVollzG NRW: Die berechtigten Belange der Opfer sind bei der Gestaltung der Unterbringung, insbesondere bei der Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen sowie bei der Entlassung der Untergebrachten, zu berücksichtigen. Dem Schutzinteresse gefährdeter Dritter ist Rechnung zu tragen. • § 7 Abs. 3 SVVollzG NRW: Für Fragen des Opferschutzes und des Tatausgleichs soll eine Ansprechpartnerin oder ein Ansprechpartner in der Einrichtung zur Verfügung stehen. Therapeutische Ausgestaltung • § 7 Abs. 2 S. 1 SVVollzG NRW: „Die Einsicht der Untergebrachten in das Unrecht der Tat soll geweckt und vertieft werden. Die Untergebrachten sollen durch geeignete Behandlungsmaßnahmen dazu angehalten werden, Verantwortung für ihre Tat und deren Folgen für das Opfer zu übernehmen.“ Ebso. in Art. 61 Abs. 2 S. 1 und 2 BaySvVollzG. • § 16 Abs. 4 SVVollzG SH: „Bei der therapeutischen Ausgestaltung kommt der Aufarbeitung der Tat, dem Erleben der Tat durch die Betroffenen und den Folgen der Tat für das Leben der Betroffenen eine besondere Bedeutung zu.“ Vollzugsöffnende MaSSnahmen

Weisungen • § 42 S.  2 ME-SVVollzG: „Bei der Ausgestaltung der Lockerungen ist nach Möglichkeit auch den Belangen der Opfer Rechnung zu tragen.“ Ebso. im SVVollzG Bln; BbgSVVollzG; BremSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG/SLSVVollzG; SächsSVVollzG; SVVollzG SH. • § 50 Abs.  2 GE-SVVollzG: „Bei der Ausgestaltung der vollzugsöffnenden Maßnahmen ist den Belangen des Opfers Rechnung zu tragen.“ Ebso. im JVollzGB V; BaySvVollzG; HSVVollzG/ThürSVVollzG; Nds. SVVollzG (spricht von Verletzten); SVVollzG LSA. Gewährung • § 13 Abs. 6 HmbSVVollzG: „Bei der Entscheidung über Gewährung und Ausgestaltung der Lockerungen sind die Belange der Opfer zu berücksichtigen.“ • § 7 Abs. 1 SVVollzG NRW („insbesondere bei der Gewährung“) Beschränkungen bei bestimmten Kommunikationsformen

Untersagung Besuch • § 28 Nr. 3 ME-SVVollzG: „Der Leiter der Einrichtung kann Besuche untersagen, wenn bei Personen, die Opfer der Straftat waren, zu befürchten ist, dass die Begegnung mit den Untergebrachten einen schädlichen Einfluss auf sie hat.“ Ebso. im SVVollzG Bln; BbgSVVollzG;

770 Daneben Inhalt des Vollzugsplans gem. § 9 Abs. 1 S. 2 Nr. 14 und Nr. 15 SVVollzG NRW: „opferbezogene Behandlungsmaßnahmen und Maßnahmen zum Ausgleich von Tatfolgen“ und „Maßnahmen zur Sicherung berechtigter Schutzinteressen von Opfern oder gefährdeten Dritten“; s. a. ausführl. Köhne, JR 2016, 7 ff. und Kubink, Tätigkeitsbericht des Justizvollzugsbeauftragten NRW 2013–2014, 124 ff. zur Verankerung in NRW.

V. Beteiligung Dritter und der Untergebrachten sowie Personalsituation

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Beschränkungen bei bestimmten Kommunikationsformen

BremSVVollzG; HSVVollzG/ThürSVVollzG SVVollzG M-V; SVVollzG NRW; LSVVollzG/ SLSVVollzG; SVVollzG LSA. • Ausschluss nur bei minderjährigen Opfern im SächsSVVollzG, SVVollzG SH. Untersagung Schriftwechsel771 • § 33 Nr. 3 ME-SVVollzG: „Der Leiter der Einrichtung kann den Schriftwechsel mit bestimmten Personen untersagen, wenn bei Personen, die Opfer der Straftat waren, zu befürchten ist, dass der Schriftwechsel einen schädlichen Einfluss auf sie hat.“ Ebso. im GE-SVVollzG und JVollzGB V; SVVollzG Bln; BbgSVVollzG; BremSVVollzG; HSVVollzG/ThürSVVollzG; SVVollzG M-V; SVVollzG NRW; LSVVollzG/SLSVVollzG; SVVollzG LSA. • Ausschluss nur bei minderjährigen Opfern: SächsSVVollzG; SVVollzG SH. Untersagung Telefongespräche • Die Vorschriften für den Besuch (s. o.) gelten entsprechend; ausdrückl. im SächsSVVollzG (hier nicht nur bei minderjährigen Opfern). Allgemeine Normen für alle Kontaktformen enthalten HSVVollzG/ThürSVVollzG; SVVollzG NRW.772 TOA und Auskunftsrechte

TOA oder Schadenswiedergutmachung • Umfassend in Art. 61 Abs. 2 BaySvVollzG: „Die Einsicht der Sicherungsverwahrten in ihre Verantwortung für die Tat, insbesondere für die beim Opfer verschuldeten Tatfolgen, soll geweckt werden. Die Sicherungsverwahrten sind anzuhalten, den durch die Straftat verursachten Schaden zu regeln. Die Durchführung eines Täter-Opfer-Ausgleichs ist in geeigneten Fällen anzustreben.“; ebso. in § 7 Abs. 2 S. 3 SVVollzG NRW; etwas reduzierter im Nds. SVVollzG.773 Auskünfte an Opfer bzw. Verletzte774 • § 7 Abs. 4 und § 106 SVVollzG NRW („Auskünfte an Opfer“). Ähnl. § 119 BremSVVollzG („Mitteilung über Haftverhältnisse“); § 115 BbgSVVollzG („Mitteilung über den Aufenthalt im Vollzug“); § 106 Abs. 5 HmbSVVollzG genauso wie § 115 Abs. 5 SVVollzG SH (mit dem insofern eher unpassenden Titel: „Verarbeitung“ bzw. „Verarbeitung und Nutzung“); § 60 Abs. 3 HSVVollzG („Zweckbindung und Übermittlung“); § 115 SVVollzG M-V („Mitteilung über Unterbringungsverhältnis“). • § 39 JVollzGB I: „Datenübermittlung zum Zweck des Gläubiger- und Opferschutzes“, insbes. wg. Auskunftsanspruch nach § 406 d StPO; im Übrigen ähnl. zu § 180 Abs. 5 S. 2 StVollzG. 771 772 773 774

771 Das Anhalten von Schreiben ist festgehalten im BaySvVollzG; Nds. SVVollzG; Sächs SVVollzG. 772 H/Thür haben eine allg. Beschränkung jeweils in § 33 Abs. 2 zu den Kontakten mit Personen außerhalb der Einrichtung „im Rahmen der Bestimmungen dieses Gesetzes“, so dass damit Besuch, Schriftwechsel, Telekommunikation und Paketversand/-empfang eingeschränkt sind. § 27 SVVollzG NRW enthält ein Verbot für Besuche, Schriftwechsel und Telefongespräche. 773 Z. T. Hinweise in den Begr., z. B. BW LT-Drs. 15/2450, S. 59; M-V LT-Drs. 6/1476, S. 107. 774 Z. T. Verweise auf Datenschutzgesetze, z. B. § 103 SächsSVVollzG; ebso. SVVollzG Bln; Nds. SVVollzG; SVVollzG LSA. Das BaySvVollzG enthält, wenig gelungen, einen Verweis auf das BayStVollzG; das ThürSVVollzG verweist auf das ThürUVollzG.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Ob und wie der Vollzug opferbezogen zu gestalten ist, steht nicht erst im Zuge der Gesetzgebungsverfahren zu den SVVollzGen, sondern schon seit längerem wegen der Täterorientierung des Strafvollzugs im Streit. Das SVVollzG NRW wurde dafür gelobt, dass es der abstrakten Allgemeinheit, die vor dem Verwahrten geschützt werden solle, endlich ein konkretes Gesicht gebe.775 Resozialisierung und Opferschutz würden damit nicht „gegeneinander ausgespielt“.776 Allerdings kritisierten einige die Gesetzgeber dafür, programmatisch einen Opfervollzug zu etablieren, in dem die betreffenden Vorschriften bei den Beschränkungen weit über die legitimen Opferinteressen hinausgingen.777 Mit der Opferorientierung versuche der Staat, sich aus der Verantwortung im Zusammenhang mit der Bewältigung der Tat zu stehlen, indem er diese auf ein Zwei-Personen-Verhältnis verenge.778 Letztlich sei die Berücksichtigung des Opfers in bestimmten Zusammenhängen mit dem Charakter der Sicherungsverwahrung nicht zu vereinbaren.779 Zunächst erscheint es sinnvoll, wie in Tabelle 10 und im Folgenden zwischen dem allgemeinen Prinzip einer opferbezogenen Vollzugsgestaltung, der Berücksichtigung des Opfers bei vollzugsöffnenden Maßnahmen und diversen Kommunikationsmöglichkeiten sowie den sog. Opferinformationsrechten780 zu differenzieren. b) Allgemeines Prinzip Die Sicherungsverwahrung bezieht sich v. a. auf noch nicht begangene Taten. Sie ist eine rein präventive und damit schuldunabhängige Maßregel. Zwar kommt der Erwähnung des Opfers sicherlich symbolische Kraft zu.781 Jedoch hat der Verurteilte seine Strafe bereits abgesessen, so dass gegen die Erwähnung der Opfer­ inter­es­sen insbesondere bei der allgemeinen Vollzugsgestaltung gewichtige Beden 775

Gelber (RJB) in der Anhörung zum SVVollzG NRW-E, APr 16/167, S. 6 f.; dem Abg. Wedel (FDP), ebda., S. 14 ging der Opferschutz im SVVollzG NRW-E sogar nicht weit genug; gleichfalls Forderungen der Abg. Piontowski (CDU) in der Anhörung zum BremSVVollzG-E, APr A/RA 18/18, S. 477, 492 f. sowie Brem PlPr 18/41, S. 2856, 2858; zur bisherigen Situation Kreuzer, NK 2010, 90. 776 Bartsch in der Anhörung zum SVVollzG SH-E am 10.4.2013, SH RA 18/28, S. 10. S. a. die Gesetzesbegründung NRW LT-Drs. 16/1435, S. 63: „Die Vorschrift begreift Opferschutz und Behandlung sowie Integration der Untergebrachten nicht als Widerspruch.“ 777 Feest, Stellungnahme zum StVollzG NRW, Strafvollzugsarchiv vom 11.10.2013. 778 Eisenberg, NK 2013, 9. 779 Streng in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 22: „Er ist bestraft. Verfassungsrechtlich ist das ein völlig unverhältnismäßiger Eingriff in seine Rechtsposition.“ Ebso. recht deutlich Köhne, KJ 2013, 340: „völlig fehlplatziert“; ders., JR 2016, 7 ff.: systemfremd. 780 Vgl. zum Unterschied zwischen Theorie und Praxis in Bezug auf die Opferinformationsinteressen Walter, Tätigkeitsbericht des Justizvollzugsbeauftragten NRW 2011, 58. 781 Diese entfaltet aber bspw. bei möglichen Weisungen i. R. vollzugsöffnender Maßnahmen ausreichend Wirkung; vgl. zur Symbolik Bürkle in der Anhörung zum SVVollzG SH-E am 10.4.2013, SH RA 18/28, S. 11. And. nur Arloth in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 8: Die Norm überrasche ihn positiv, „so weit ist nicht einmal Bayern gegangen“.

V. Beteiligung Dritter und der Untergebrachten sowie Personalsituation

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ken bestehen. Abzulehnen ist die umfassende Berücksichtigung wie im SVVollzG NRW, in dem der Opferbezug ein „neues durchgängiges Prinzip“ ähnlich einem Gestaltungsgrundsatz sein soll.782 § 7  SVVollzG NRW zufolge sollen bei der gesamten Gestaltung des Sicherungsverwahrungsvollzugs und während des gesamten Vollzugverlaufs, insbesondere bei der Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen, die berechtigten Opferbelange zu berücksichtigen sein.783 „Das Opfer“ wird aber nicht genauer definiert. Darunter könnte also jeder von einer Straftat irgendwie Geschädigte fallen. So wird das Opfer, ohne zu wissen, wer genau damit gemeint ist, zu sehr zur Handlungsmaxime der Behandlung und Gewährung von Ansprüchen. Da die SVVollzGe aber keine Opferschutzgesetze sind, ist dies abzulehnen.784 Außerdem sah sich der Gesetzgeber nicht dazu veranlasst zu klären, was genau „berechtigte Interessen“ sein sollen, so dass die Generalklausel der opferbezogenen Vollzugsgestaltung eine „Leerformel“ bleibt.785 So wäre bspw. im familiären Bereich denkbar, dass Beschränkungen seitens des Opfers nicht gewollt sind. Zu Recht hat daher Feest die opferbezogene Vollzugsgestaltung des SVVollzG NRW und den Opferbegriff als undifferenziert kritisiert.786 Der erst im Zuge der Entwurfsberatungen hinzugefügte § 16 Abs. 4 SVVollzG SH rückt die Auseinandersetzung mit der Tat und deren Folgen für die betroffenen Opfer in den Fokus der therapeutischen Ausgestaltung und ist damit nicht derart umfassend zu verstehen, wie die Norm des SVVollzG NRW. Damit betont aber auch das SVVollzG SH in besonderer Weise die Opferperspektive für den Sicherungsverwahrungsvollzug. Die Auseinandersetzung mit der Tat und dem Opfer im Zusammenhang mit der therapeutischen Gestaltung im Gesetz festzuhalten, ist jedoch einerseits nicht notwendig, weil dies ohnehin Bestandteil einer Therapie sein sollte. Andererseits ist die gesetzliche Festhaltung abzulehnen, weil man den Untergebrachten nicht zwingen kann, sich mit seiner Tat auseinanderzusetzen oder empathisch ggü. dem Opfer zu verhalten.787 782

NRW LT-Drs. 16/1435, S. 63; ebso. BeckOK SVVollzG NRW-Hettenbach § 7 Rn. 1. NRW LT-Drs. 16/1435, S. 63: „insbesondere jedoch bei der Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen und bei der Entlassung der Untergebrachten, die Opferperspektive zu berücksichtigen ist.“ Wie umfassend die opferbezogene Vollzugsgestaltung zu verstehen ist, stellen Gelber/Walter, FS 2012, 173 dar. 784 Hurlin in der Anhörung zum LSVVollzG-E, APr 16/19, S. 36 f. 785 Mit Recht wird die identische Norm im Strafvollzug kritisiert von Feest, FS 2014, 175. 786 Feest, FS 2014, 175 für den identischen SVVollzG NRW-E: Damit würden unterschiedliche Hilsbedürftigkeiten der Opfer, evtl. Mitverantwortlichkeiten oder weiterhin bestehende Kontaktinteressen im familiären Bereich nivelliert; and.  wohl BeckOK SVVollzG NRW-­Hettenbach, § 7 Rn. 3. Sicherlich ist ihm und dem SVVollzG NRW-E (vgl. NRW LTDrs. 16/1435, S. 16) zuzustimmen, dass es eine wertende Betrachtung des Einzelfalles bedarf, dies entbindet aber nicht, festzulegen, was unter berechtigten Interessen zu verstehen ist. 787 Zurückhaltender Bartsch in der Anhörung zum SVVollzG SH-E am 10.4.2013, SH RA 18/28, S. 11: „Das zu kodifizieren, sei schwierig …“ Letztlich ist die Normierung reine Symbolik; ähnl. Bürkle, ebda., S. 11. 783

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

c) Berücksichtigung bei vollzugsöffnenden Maßnahmen Im Gesetz Hamburgs und Nordrhein-Westfalens sind die nicht näher umschriebenen Opferbelange zudem bei der Entscheidung über die Gewährung und die Ausgestaltung der vollzugsöffnenden Maßnahmen zu berücksichtigen.788 Zwar ist in beiden Gesetzesbegründungen die Rede davon, dass die Lockerungen nur aus zwingenden Gründen versagt werden dürfen.789 Die Gesetzestexte sprechen aber eine andere Sprache (vgl. Tabelle 10). Mit gutem Recht haben die anderen SVVollzG eine Opferausrichtung nur in Bezug auf die Ausgestaltung – und gerade nicht die Gewährung – vollzugsöffnender Maßnahmen gewählt, wobei in keinem Gesetz darauf eingegangen wird, welche Belange gemeint sind.790 Die Berücksichtigung bei der Gewährung ist nicht mit dem Sonderopfer und damit dem Maßregelcharakter zu vereinbaren. Es stimmt zwar, dass bei bestimmten vollzugsöffnenden Maßnahmen allein schon die Perspektive, dass der Vollzug gelockert wird oder gar eine Entlassung in realistische Nähe rückt, eine erneute Bedrohung für das Opfer darstellen kann.791 Aber in besonderem Maße bei der Sicherungsverwahrung besteht angesichts der bisherigen Praxis die Gefahr, dass im Zusammenhang mit vollzugsöffnenden Maßnahmen – die neuerdings die Regel und nicht mehr die Ausnahme sein sollen – der Opferansatz instrumentalisiert und dadurch missbraucht wird, um die Lockerungen restriktiv zu handhaben. Dem alleine damit entgegen wirken zu wollen, dass nur „berechtigte Opferinteressen“ berücksichtigt werden sollen, ohne diese näher zu umschreiben, ist nicht ausreichend.792 Richtigerweise muss es, will man die konkrete Opferperspektive diesbzgl. ansprechen, dann im Gesetz „Opferschutz“ statt „Opferbelang“ heißen, weil alles andere eine zu weite Auslegung zuließe.793 Bei Ausführungen befindet sich der Betroffene in streng überwachter Begleitung.794 Kontakt könnte er regelmäßig konkret nur aufnehmen, wenn er flieht; bei 788

Vgl. § 13 Abs. 6 S. 1 HmbSVVollzG; §§ 7 Abs. 1 S. 1, 57 Abs. 2 SVVollzG NRW; ebso. Tabelle 10 sowie BeckOK SVVollzG NRW-Hettenbach § 7 Rn. 2. 789 Hmb LT-Drs. 20/6795, S. 3; NRW LT-Drs. 16/1435, S. 100. 790 Bspw. heißt es in § 60 Abs. 2 SVVollzG LSA, dass „bei der Ausgestaltung vollzugsöffnender Maßnahmen … den Belangen des Opfers der Straftat des Untergebrachten Rechnung zu tragen“ ist. Vorzugswürdiger die dem ME-SVVollzG folgenden Gesetze, vgl. dazu Tabelle 10. 791 Dazu Gelber/Walter, FS 2012, 171; krit. aber Köhne, KJ 2013, 340. 792 So aber NRW LT-Drs. 16/1435, S. 63. 793 In diese Richtung gehen § 14 Abs. 3 HSVVollzG/ThürSVVollzG, dazu Streng in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 24: „Wenn das frühere Opfer unangenehm berührt wäre, weil es den damaligen Täter auf der Straße sehen würde, wäre es auch ein Belang des Opfers. Aber das kann kein Aspekt für vollzugsöffnende Maßnahmen sein. Der Täter ist für seine Tat bestraft worden … Diese offene Formel mit den Belangen der Opfer führt dazu, dass man einen extensiven Opferschutz immer noch betreibt, nachdem er seine Strafe bereits abgesessen hat.“ Krit. zur fehlenden Definition Feest, FS 2014, 175 f. für den Strafvollzug NRW. 794 Mit Recht Joester in der Anhörung zum BremSVVollzG-E, APr A/RA 18/18, S. 493; ebso. Schwerdtfeger (Forensik), ebda., S.  494; Sicherheitsbedenken bei Bachl, Schriftliche Stellungnahme zu den SVVollzGen, S. 7.

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einer solchen Gefahr dürfte allerdings keine Ausführung gewährt werden. Die opferbezogene Gestaltung in diesem Rahmen gesetzlich festzuschreiben stellt daher eine größere Gefahr für die Wiedereingliederung des Täters dar als sie tatsächlich effektiv das Opfer schützen würde. Im Übrigen wäre ein sachgerechter Ort für die Berücksichtigung des Opfers i. R. d. vollzugsöffnenden Maßnahmen die Regelung zu den Weisungen, welche das Opfer berücksichtigen können (vgl. § 57 Abs. 1 SVVollzG NRW: „Untergebrachten können im Rahmen von vollzugsöffnenden Maßnahmen Weisungen erteilt werden.“). Unabhängig von der besonders überwachten Situation von Ausführungen werden andere vollzugsöffnende Maßnahmen nicht in Frage kommen, wenn eine konkrete Gefahr für das Opfer bestünde, weil dann ein zwingender Grund i. S. d. Gesetzes vorläge. d) Beschränkungen der Kommunikation Wie Tabelle 10 zeigt, findet sich in den meisten SVVollzGen die Möglichkeit, dass die Anstaltsleitung Besuche oder Schriftwechsel mit den Opfern untersagen können, wenn „zu befürchten ist, dass die Begegnung mit den Untergebrachten einen schädlichen Einfluss auf sie hat.“ Dabei gehen die Normen vereinzelt über die Regelungen des StVollzG hinaus, weil sie der Anstaltsleitung mehr Einschränkungsmöglichkeiten einräumen als im Vollzug der Freiheitsstrafe.795 Damit wird der Anstalt ein Recht gewährt, den Kontakt zwischen ggf. willigen Kommunikationspartnern zu unterbinden. Eine freiwillige Entscheidung über die Kontaktaufnahme kann man aber nur bei minderjährigen Opfern anzweifeln. Nur insoweit besteht die Berechtigung zu einem staatlichen Eingriff, wie ihn § 28 Nr. 3 SächsSVVollzG vorsieht.796 Die anderen Gesetze, die ausweislich ihrer Begründung in erster Linie den Fall eines minderjährigen Opfers vor Augen hatten,797 sollten dementsprechend den Gesetzestext beschränken. Damit bieten die Gesetze die Möglichkeit, den Kontakt zu den eigenen Kindern zu untersagen, und zwingen die Anstalt nicht, eine indirekte Gefährdung des Vollzugsziels zur Beschränkung des Kontakts zu bemühen.798 Bei Erwachsenen bleibt die Möglichkeit des Anstaltsleiters, die Problematik anzusprechen und auf Opferhilfeeinrichtungen zu verweisen – nicht angezeigt

795 Vgl. §§ 25, 28 StVollzG; ebso. im JVollzGB III a. F.; BayStVollzG a. F.; HmbStVollzG a. F.; HStVollzG a. F.; NJVollzG a. F. Inzwischen sehen auch einige Gesetze im Strafvollzug eine solche Einschränkung vor (z. B. § 35 Nr. 3 Bbg JVollzGB; dazu LNNV/Laubenthal 2015, E II. Besuchsempfang). 796 SH sollte dem folgen, wenn es doch i.  E. um dasselbe geht, den Schutz von minderjährigen Opfern und des Kindeswohls, vgl. dazu SH LT-Drs. 18/448, S. 143 und Sächs LTDrs. 5/10937, S. 77. 797 Vgl. ME-SVVollzG Begründung, S. 41 f., dem die Gesetze mit einer entsprechenden Einschränkung des Besuchsrechts folgten, z. B. Brem LT-Drs. 18/749, S. 109. 798 v. d. Boogaart, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH, S. 4 ab.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

ist aber ein Untersagungsrecht.799 Hiermit wird die Autonomie des Opfers berücksichtigt, das als erwachsener Mensch frei darüber entscheiden kann, ob es Kontakt möchte oder nicht. Alles andere ist eine bevormundende Einschränkung des Besuchsrechts, was im Übrigen auch für die Beschränkungen des Schriftwechsels bzw. des Anhaltens von Schreiben gilt. Wieso der sächsische Gesetzgeber im Zusammenhang mit Telefongesprächen nicht nur minderjährige Opfer als schützenswert erachtet, bleibt ein Rätsel und steht im Widerspruch zu den Regelungen von Besuch und Schriftwechsel.800 e) Opferinformationsrechte Dass Informationen zu Lockerungen und Haftentlassungen an die Opfer gegen deren Bedrohungsgefühle helfen können, leuchtet ein. Das Opfer hat ein berechtigtes Interesse daran. Allerdings ist das Recht der Untergebrachten auf Resozialisierung bei der Entlassung im Zusammenhang mit dem Schutz ihrer Daten zu sehen. Angesichts bisheriger Erfahrungen, insbesondere, welche Hetzjagd z. T. auf entlassene Untergebrachte veranstaltet wurde, besteht hier ein immenses Bedürfnis, den Datenschutz strenger zu handhaben.801 Das Informationsbedürfnis der Opfer muss seine Grenze beim Datenschutz des Täters haben.802 Des Weiteren gibt es bereits in der StPO Benachrichtigungsansprüche des Opfers, die mit dem Opferrechtsreformgesetz des Jahres 2004 eingeführt wurden. Vergleicht man den Anspruch des § 406  d StPO und denjenigen des § 106 SVVollzG NRW, so fällt auf, dass sich die Ansprüche größtenteils ähneln.803 Einerseits finden sich im SVVollzG NRW Erschwernisse. So lässt das Gesetz bspw. einen mündlichen Antrag auf Auskunft nicht ausreichen. Andererseits ist im Unterschied zur StPO klar, an wen der Antrag konkret zu richten ist, nämlich an 799 Mit Recht Sächs LT-Drs. 5/10937, S. 77; krit. auch Feest, FS 2014, 176: Beschränkung sei paternalistisch. 800 Im Gesetzentwurf befindet sich noch ein Verweis auf § 28 SächsSVVollzG-E (vgl. Sächs LT-Drs. 5/10937, S. 79); das Sächs PlPr 5/77, S. 7953 ff. klärt nicht darüber auf, wieso „minderjährig“ nun verschwunden ist. 801 Lockfeldt in der Anhörung zum BremSVVollzG-E, APr A/RA 18/18. S.  491 f. mit „Horrorszenarien“, wenn das Opfer zur Presse gehe; deutlich Bublies in der Anhörung zum SVVollzG SH-E, SH RA 18/28, S. 11; Kinzig in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 35. 802 Bublies in der Anhörung zum SVVollzG SH-E, SH RA 18/28, S. 11: „Das Informations­ bedürfnis der Opfer habe seine Grenze beim Datenschutz des Täters.“ Diese Problematik stellt sich insbes. im Zusammenhang mit der Entlassung, vgl. dazu Kinzig in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 35: „Aus Baden-Württemberg weiß ich zum Bsp., dass die ‚Bild-Zeitung‘ die Unterbringung schon gekannt hat, bevor der ehemalige Verwahrte dorthin gekommen ist. Das sind unhaltbare Zustände.“ S. a. J. Schäfer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 160; Kreuzer, NK 2010, 90: „Pranger und Lynchjustiz“. 803 Dies zeigt sich deutlich in der tabellarischen Auflistung bei Kubink, Tätigkeitsbericht des Justizvollzugsbeauftragten NRW 2013–2014, 139 ff.

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die Vollzugsbehörde.804 Zu kritisieren ist, dass die Nebenklage ein undefiniert gelassenes berechtigtes Opferinteresse ersetzen können soll. Denn damit wird zu wenig berücksichtigt, dass man sich im Sicherungsverwahrungsvollzug nicht mehr nur nicht im Strafverfahren befindet,805 sondern im Unterschied zum Freiheitsstrafvollzug die Strafe vollständig verbüßt hat. Gelungener ist insoweit die Regelung des § 39 JVollzGB I, welche die Datenübermittlung an die nach § 406 d StPO zuständigen Stellen erlaubt. Angebracht wäre eine eindeutige Zuständigkeitsfestlegung im Zusammenhang mit der StPO und das Hinwirken auf ein Problembewusstsein in der Justiz,806 nicht aber eine umfassende Regelung im Vollzugsgesetz der Sicherungsverwahrung. Dass die deutsche Opferschutzgesetzgebung in der Praxis nicht so genutzt wird, wie es das Gesetz ermöglichen würde bzw. die Informationsrechte wenig geläufig sind, kann nicht als Argument dafür dienen, die SVVollzGe zu Opferschutzgesetzen zu machen.807 Im Gegenteil, Köhne warnt sogar davor, dass die opferbezogene Vollzugsgestaltung systemfremd sei und dies durchaus zu einer erneuten Verfassungswidrigkeit führen könne.808 Die fehlende Umsetzung in der Praxis sollte daher dazu veranlassen, die StPO-Gesetzgebung zu überdenken und zu reformieren sowie mehr Aufklärungsarbeit zu leisten. 5. Bedienstete a) Personalausstattung Nicht nur die Wirksamkeit von Therapien und die Behandlungsmotivation selbst hängen ganz entscheidend von der Beziehung zum Therapeuten und allen anderen Bediensteten bzw. Beteiligten ab.809 Die Untergebrachten sind in einer­ totalen Institution wie dem Sicherungsverwahrungsvollzug vom Personal abhängig.810 Die bürokratische Struktur einer Anstalt im Allgemeinen und der Sicherungsverwahrungsabteilung im Speziellen, in der das Personal die Befolgung der Vorschriften überwacht, verstärkt diese Abhängigkeit.811 Auf den Punkt gebracht: 804 Zum Streit im Zusammenhang mit § 406 d StPO s. Gelber/Walter, NStZ 2013, 78 f.; zur Zuständigkeit der Vollzugsbehörde etwa NRW LT-Drs. 16/1435, S. 138. 805 Dies kritisiert mit Recht Feest, FS 2014, 175 für das Pendant im Strafvollzug. 806 Walter, Tätigkeitsbericht des Justizvollzugsbeauftragten NRW 2011, S. 97: Dass von den Informationsrechten der StPO nicht umfassend Gebrauch gemacht werde, liege daran, „dass die Justiz unzureichend auf eine die Opfer schützende Vorgehensweise eingerichtet ist.“ Ebso. Kubink, Tätigkeitsbericht des Justizvollzugsbeauftragten NRW 2013–2014, 136. 807 So aber Gelber/Walter, FS 2012, 171 f.; ähnl. dies., NStZ 2013, 77. 808 S. ausführl. zur opferbezogenen Vollzugsgestaltung Köhne, JR 2016, 7 ff. 809 Rauchfleisch 2012, 370 ff.: „interaktionelles Phänomen“; ähnl. Pecher/Stark 2012, 377 ff.; Lösel 2004, 376. 810 So entscheidet das Personal über Alltäglichkeiten wie z. B. die Gewährung bestimmter Privilegien. Außerdem hat deren Beurteilung der SV und deren Verhaltens z. B. bei der Prognoseentscheidung Bedeutung. 811 Vgl. dazu allg. für den Vollzug als totale Institution Amelung, ZStW 1983, 5.

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„Die Pflege einer guten Beziehung in der Anstalt [ist] nicht nur für alle Mit­arbei­ ter, sondern auch für die Effektivität der Resozialisierungsbemühungen ausschlaggebend …“,812 worauf die folgenden Forderungen hinsichtlich des Personals im Sicherungsverwahrungsvollzug gründen. Die bisherige personelle und sachliche Ausstattung veranlasste das BVerfG zu fordern, dass „sichergestellt sein [muss], dass ausreichende Personalkapazitäten zur Verfügung stehen, um die Anforderungen eines freiheitsorientierten und therapiegerichteten Gesamtkonzepts der Sicherungsverwahrung praktisch zu erfüllen.“813 Daher sehen die hierfür zuständigen Länder als Ergänzung des „qualifizierten“ Behandlungsanspruchs eine „personelle Aspekte“ betreffende Norm im Abschnitt „Aufbau und Organisation“ der Anstalt vor (vgl. die Übersicht in Tabelle A12 im Anhang).814 Diese bleibt aber hinter den Vorstellungen eines konkreten Personalschlüssels zurück. So „wird“ z. B. nach § 101 Abs. 1 SVVollzG M-V die Anstalt „mit dem für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Personal, insbesondere Bediensteten des allgemeinen Vollzugsdienstes und des psychologischen und sozialpädagogischen Dienstes, ausgestattet, um eine Betreuung nach § 66c Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuchs zu gewährleisten.“ Es findet also im Sicherungsverwahrungsvollzug parallel zur Konzentration auf therapeutische Maßnahmen eine Konzentration auf den Sozialstab, sprich das therapeutische Personal, statt.815 Der Altersstruktur der Verwahrten und den Forderungen zu § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB entsprechend hätte es sich angeboten, nicht nur in der Gesetzesbegründung, sondern bereits im Gesetzestext ebenfalls auf (Alten-)Pflegepersonal einzugehen.816 Besonders hervorgehoben wird in den Gesetzesbegründungen vor allen Dingen im Zusammenhang mit der Behandlung, dass die Bedienstetenteams multidisziplinär zusammengesetzt sind. Hier kommen die SVVollzGe den Forderungen nach einer besonderen Abstimmung der beteiligten Personen auf eine einheitliche therapeutische Strategie nach.817 Bspw. wird im BaySvVollzG festgehalten, dass „bei der Behandlung … Bedienstete der verschiedenen Fachrichtungen in enger 812

Bauriedl, R&P 2002, 61 zur Arbeit mit Sexualstraftätern im Strafvollzug; ähnl. Suhling, FS 2011, 278; Endres/Breuer, FS 2011, 286. 813 Krit. zur bisherigen Situation Lesting, R&P 1992, 82; Rössner 2004, 409 sowie Teil B. II.3. und III. 814 Konzept JVA Bützow, S. 17: Naheliegend ist, dass mit der Bezeichnung als „qualifiziertem Behandlungsanspruch“ der Abstand zum Behandlungsanspruch im Strafvollzug zum Ausdruck gebracht werden soll. I. Ü. heißt es im Konzept, dass § 101 SVVollzG M-V „personelle Aspekte“ betreffe. 815 S.  zum Vergleich mit den bisherigen Regelungen der (L)StVollzGe Laubenthal 2015, Rn. 267. 816 Z. B. SH LT-Drs. 18/448, S. 206. 817 Zum bisher unkoordinierten Umgang Boetticher, NK 2013, 162; Forderungen diesbzgl. bei Kröger et  al. 2012, 76; ebso. Heltzel, R&P 2007, 10 ff.; zur Problematik s. a. Teil  B. II.3.c) und III.

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Abstimmung“ zusammenarbeiten.818 Vorzugswürdiger wäre es, die Multidisziplinarität durch eine bsph. Aufzählung der beteiligten Bediensteten auszudrücken. Zu begrüßen ist die Ergänzung, dass „soweit erforderlich“ externe Fachkräfte einzubeziehen sind (z. B.  § 110 Abs.  2 S.  2 SächsSVVollzG).819 Diese Möglichkeit gesetzlich festzuschreiben ist von Vorteil, weil Untergebrachte häufig externe Therapeuten wünschen bzw. die Therapie aufgrund jahrelanger Erfahrung mit internen Therapeuten gescheitert ist und daher eine solche Notwendigkeit besteht.820 Die unbestimmte Formulierung rührt daher, dass der Vollzug flexibel sein will. Dies kann man dem Hinweis im SächsSVVollzG-E entnehmen, im Justizvollzug fehle derartiges Personal, so dass man vor allen Dingen im therapeutischen Bereich auf externe Kräfte zurückgreifen müsse.821 Der Vergleich mit der bisherigen Norm zur Personalstruktur des StVollzG zeigt, dass in einigen SVVollzGen zumindest eine gewisse Spezifizierung ggü. dem allgemeinen Vollzug angelegt ist (vgl. Tabelle A12 im Anhang). Andere SVVollzGe wiederum weichen kaum davon ab bzw. stellen eine Mischung aus Neuerungen und identischen Formulierungen zum StVollzG dar. Von einer vermeintlich verbindlicheren Formulierung hinsichtlich der Personalausstattung in Abs. 1 des § 101 SVVollzG M-V („wird mit dem für die Erfüllung ihrer Aufgabe … ausgestattet“) bleibt im Vergleich zu § 155 Abs. 2 StVollzG bei einer direkten Gegenüberstellung nicht mehr viel übrig („ist entsprechend ihrer Aufgabe … vorzusehen“).822

818 Multidisziplinäre Teams für die Behandlung sind nunmehr vorgesehen in § 8 Abs.  2 JVollzGB V; Art.  10 Abs.  2 BaySvVollzG; § 15 Abs.  3 SVVollzG Bln; BremSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG/SLSVVollzG; SächsSVVollzG; § 10 Abs. 2 HmbSVVollzG; § 4 Abs. 2 HSVVollzG/ThürSVVollzG; § 4 Abs. 3 Nds. SVVollzG; § 11 Abs. 2 SVVollzG NRW; § 11 Abs. 2 SVVollzG LSA; § 16 Abs. 3 SVVollzG SH. Nur z. T. halten einige Länder darüber hinaus eine zu § 154 StVollzG identischen Regelung zusätzlich in den allg., die Bediensteten betreffende Normen fest, z. B. Art. 88 BaySvVollzG. 819 S. aber BeckOK SächsSVVollzG-Schäfersküpper, § 15 Rn. 22: externe Therapeuten grds. nur dann, wenn die internen Möglichkeiten nicht ausreichen; alle SVVollzGe sehen eine solche Regelung im therapeutischen Kontext vor, z. B. § 15 Abs. 3 S. 2 BremSVVollzG. 820 Zu pauschal daher, die Einbeziehung externer Fachkräfte auszuschließen, wenn der SV die Zusammenarbeit mit internen Fachkräften begründet verweigert; zur Kostenersparnis aber Peglau in der Anhörung zum LSVVollzG-E, APr 16/19, S.  22; zur Eignung externer Fachkräfte s. SBJL-Koepsel 2013, § 131 Rn. 2. 821 Sächs LT-Drs. 5/19037, S. 6: Da therapeutisches Personal im geforderten Sinne „im Justizvollzug nicht vorhanden ist, muss das Angebot über externe Fachkräfte z. B. Psychiater … auf Honorarbasis abgedeckt werden.“ 822 Wie der Vergleich zeigt, wird die Notwendigkeit des Personals einmal in Bezug auf die Aufgabenerfüllung und insbes. Betreuung (SVVollzG M-V), das andere Mal nur auf die Erreichung des Vollzugsziels (SVVollzG LSA) bezogen. Dort wo im Gesetzestext nur die Rede von „zur Erfüllung ihrer Aufgabe“ die Rede ist, offenbart die Begr., dass damit „Ziel und Aufgabe des Vollzugs“ gemeint ist, vgl. SH LT-Drs. 18/448, S. 206. Teilweise wird der therapeutischen Ausrichtung entsprechend ein ausdrückl. Bezug zur Betreuung i. S. d. § 66 c Abs. 1 Nr. 1 StGB hergestellt, so z. B. im BaySvVollzG; allg. auf § 66 c Abs. 1 StGB bezogen z. B. HmbSVVollzG.

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Angesichts der sehr umfassenden Regelungen zu Behandlungsuntersuchung bzw. zum Diagnoseverfahren sowie zur Vollzugs- und ggf. Eingliederungsplanung ist die personelle Absicherung in den SVVollzGen ohne gesetzliche Fest­legung einer Mindestausstattung des Fachpersonals nicht ausreichend (vgl. Tabelle A12 im Anhang).823 Die Gesetzesbegründungen stellen übereinstimmend in Anlehnung an den Kriterienkatalog darauf ab, dass man sich am Personalschlüssel der sozialtherapeutischen Anstalt zu orientieren habe.824 Angesichts des mit den sozialtherapeutischen Anstalten nicht nur vergleichbaren, sondern darüber hinausgehenden Lebensstandards der Untergebrachten, kann mit gutem Recht gefordert werden, dass die Personalausstattung darüber hinausgehen sollte.825 b) Belastungen und gesetzgeberische Konsequenzen Die Anforderungen und Belastungen des im Sicherungsverwahrungsvollzug tätigen Personals sind besonders hoch.826 Die Behandler haben die Pflicht, jede standardisierte Behandlungsmethode anzuwenden und ggf. zu individualisieren sowie neue Methoden zu entwickeln. Daraus leitet sich die Verpflichtung ab, sich fort- und weiterzubilden. Unterstrichen wird aus therapeutischer Sicht zudem, dass die Arbeit mit Personen, die entsprechende Risikofaktoren aufweisen, ein forensisch erfahrenes, selbstsicheres und abgrenzungsfähiges Personal, welches bereit und in der Lage ist, sich langfristig auf schwierige Personen einzustellen, voraussetzt.827 Welchen Belastungen es ausgesetzt ist, hat die empirische Analyse deutlich vor Augen geführt. Dem Gesetzgeber reicht es aus, dem dadurch zu entsprechen, dass er persönlich geeignetes und fachlich qualifiziertes Personal zwingend vorschreibt (s. o. § 101 Abs. 3 S. 1 SVVollzG M-V; s. Tabelle A12 im Anhang). 823 So Papenfuß (BSBD), Dünkel und Orlob in der Anhörung zum SVVollzG M-V-E am 6.3.2013, APr 6/34, S 6, 12. In den Gesetzesbegründungen heißt es dazu regelmäßig schlicht, dass „abstrakte Festlegungen … nicht möglich“ seien, z. B. M-V LT-Drs. 6/1476, S. 129; SH LT-Drs.  18/448, S.  206; and.  hingegen zu Recht Dünkel, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH-E, S. 13 mit konkreten Forderungen. 824 Kriterienkatalog 2010, S.  14 f. zum Istzustand (bundesweit unterschiedliche Personalschlüssel; keine speziellen Auswahlverfahren; keine spezielle Fortbildungen) und Sollzustand (Orientierung an Ausstattung der SothA; AVD und Fachpersonal muss besonders für die SV geeignet sein; Fortbildung und Supervision muss die Arbeit begleiten) mit Begr.; s. etwa Bezug nehmend darauf Nds.  LT-Drs.  16/4873, S.  51; auf Standard der Sozialtherapie verweisend Bay LT-Drs. 16/13834, S. 3. Ganz konkret hätte man sich daher an den Empfehlungen des Arbeitskreises (dazu Egg/Niemz 2012a, 24) orientieren können: Für eine Wohngruppe von 10 Personen sollten ein Mitarbeiter des Sozialen Dienstes und einer des psychologischen Dienstes eingestellt werden. 825 Z. B. Bbg LT-Drs. 5/6599, S. 67; vgl. zum derzeitigen Stand Tabelle A13 im Anhang; Halwahs/Papenfuß, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG M-V-E, S. 4: Personalschlüssel der Sozialtherapie auch nicht ausreichend. 826 Goedel in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 41; s. a. MüllerIsberner/Eucker 2012, 121 für den Maßregelvollzug. 827 Mokros/Habermeyer 2012, 298; Lösel 1998, 303 ff.

V. Beteiligung Dritter und der Untergebrachten sowie Personalsituation

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Qualifikation sollte in diesem Zusammenhang nicht nur in einem fachlichen Sinn verstanden werden. Genauso müssen die Bediensteten motiviert sein, das Ziel der Resozialisierung mit zu verfolgen und vom Sinn des Vollzugs überzeugt sein.828 Nicht die Gesetze an sich sind dabei entscheidend. Das drängendste Problem der Praxis ist vielmehr die Frage, wie man derart qualifiziertes und motiviertes Personal rekrutieren und binden kann.829 Dies spricht dafür, die Arbeitsbedingungen durch Fortbildungsmaßnahmen sowie regelmäßige ausgeprägte Team- und Fallsupervision weiter zu verbessern und zwar nicht nur im Krisenfall. Wenn bei Sicherungsverwahrten vermehrt mit Persönlichkeitsstörungen sowie einem höheren Alter als im Normalvollzug zu rechnen ist, sollte das Personal auch darin in besonderem Maße geschult sein. Deshalb müssten die genannten Fortbildungen darauf einen Schwerpunkt legen. Dazu finden sich keine Angaben in den Gesetzesmaterialien. Die Forderungen nach dringend notwendigen regelmäßigen Supervisionen haben z. T. wörtlich Einklang in die Gesetze gefunden.830 Allerdings werden die Begrifflichkeiten unterschiedlich verwendet. So unterscheiden Hessen und Thüringen zwischen „Praxisberatung“ und „Supervision“. Sachsen differenziert zwischen Praxisberatung und -begleitung sowie „zur Qualitätssicherung erforderliche[n] Supervision“ (vgl. § 110 Abs. 3 S. 3 SächsSVVollzG). Nordrhein-Westfalen verzichtet auf Praxisberatung und -begleitung zugunsten der Supervision. Was damit deutlich wird, ist eine fehlende einheitliche Auffassung davon, was Supervision im Straf- und im Sicherungsverwahrungsvollzug überhaupt bedeuten soll. Die psychoanalytische Praxis versteht darunter eine Art von Beratung eines Teams bzw. Organisation zur Erhöhung der Effektivität.831 Jedoch legt die Kommentarliteratur nahe, dass unter der im SächsSVVollzG genauso wie im SächsStVollzG vorgesehenen Supervision zur Qualitätssicherung ein Mehr im Vergleich zur Praxisberatung und -begleitung zu verstehen sei.832 Die Gesetzesbegründungen vermuten, dass unter die Begriffe der Praxisberatung und -begleitung die Notwendigkeit von Supervisionen subsumiert werden kann.833 828

Dazu Hurlin in der Anhörung zum LSVVollzG-E, APr 16/19, S. 14. Kröber in der Anhörung zum SVVollzG Bln-E, Wortprotokoll Recht 17/19, S. 19 f.; ähnl. Behrendt, ebda., S. 5; zu fehlenden Fachkräften Wolf 2012, 75; s. a. Sächs LT-Drs. 5/19037, S. 6. 830 Z. B. in § 87 Abs. 1 S. 2 SVVollzG NRW: „Das Personal wird fortgebildet und erhält Gelegenheit zur Supervision.“ Vgl. die Forderungen bei Kröger et al. 2012, 76; Heltzel, R&P 2007, 10 ff.: Der Gefahr von Gegenaggression seitens der Behandler im Wege der Supervision und Fortbildung entgegen zu wirken; BeckOK SächsSVVollzG-Saßer, § 110 Rn. 17: insbes. für Dienstanfänger und nur zweitweise im Vollzug Beschäftigte müsse es solche Supervisionen geben. 831 Duden Fremdwörterbuch 2010, 1008. 832 LNNV/Laubenthal 2015, N IV. Rn. 35: „… verpflichten zur Durchführung von Fortbildungen für die Bediensteten, teilweise zudem zu Praxisberatung und -begleitung, in Sachsen sogar zu Gewährleistung der zur Qualitätssicherung erforderlichen Supervision.“ 833 Z. B. H LT-Drs. 18/6068, S. 108: „Erforderlich sind regelmäßige Fortbildung und Supervision. Fortbildung und Praxisberatung für die Bediensteten gewährleisten Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem jeweils aktuellen wissenschaftlichen und technischen Stand.“ Ebso. SH LT-Drs. 18/448, S. 206. 829

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Worauf es jedoch unabhängig von den begrifflichen Schwierigkeiten in erster Linie ankommt: Einen Rechtsanspruch haben die Bediensteten auf entsprechende Maßnahmen nicht.834 Unterschiede zum Strafvollzug sind nicht ersichtlich, so enthalten alle LStVollzGe835 mehr oder weniger entsprechende Regelungen zur Fortbildung. Daher beweisen die Gesetzgeber der SVVollzG mit ihren Neuerungen kein besonderes Problembewusstsein hinsichtlich der deutlich erschwerten Aufgabe für das Personal im Sicherungsverwahrungsvollzug. Eine konkrete Auseinandersetzung mit der therapeutischen Ausbildung des Personals, die angesichts der Behandlungsorientierung dringend notwendig scheint, fehlt. Eine Möglichkeit, der Situation zu begegnen, wäre es gewesen, den Bediensteten in besonders für die Sicherungsverwahrung relevanten Bereichen einen Anspruch auf solche Fortbildungen einzuräumen. Dies sollte auch vor dem Hintergrund geschehen, dass wiederholt ein, vorsichtig ausgedrückt, konfliktbehaftetes Verhältnis zwischen Bediensteten und Sicherungsverwahrten festgestellt wurde. Somit könnten die Bediensteten dem vom BVerfG geforderten Paradigmenwechsel zunächst kritisch ggü. stehen und benötigen wie die Verwahrten selbst mehr Aufmerksamkeit des Gesetzgebers.836 Eine derartige Vorgehensweise ist vermutlich an finanziellen Aspekten837 gescheitert, auf die im folgenden Abschnitt einzugehen ist. c) Dokumentationspflichten Die verschiedentlich geregelten Dokumentationspflichten838 sorgen weder für eine Entlastung des Personals noch für eine aktive Auseinandersetzung i. S. v. Kommunikation mit dem Verwahrten. Dokumentationsarbeit findet regelmäßig 834 Etwa SH LT-Drs. 18/448, S. 106: „Ein Rechtsanspruch einzelner Bediensteter auf Teilnahme an bestimmten Fortbildungsveranstaltungen besteht nicht“; ebso. M-V, LT-Drs. 6/1476, S. 129; s. aber Hinrichsen, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH-E, S. 18: „Zusätzlich beabsichtigte Fortbildungen und Supervisionen für das Personal unterscheiden sich von bisher bekannten Abteilungen im Strafvollzug erheblich. Daher muss ein höherer Maßstab für die Personalberechnung angelegt werden.“ 835 Z. B. § 110 Abs. 3 BbJVollzG: „Fortbildung sowie Praxisberatung und -begleitung werden regelmäßig durchgeführt.“ 836 Mit Recht J.  Schäfer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 160; ähnl. Bachmann (JVA Schwalmstadt) in der Anhörung zum LSVVollzG-E, APr 16/19, S. 25: Die Fortbildung ins Gesetz zu schreiben habe auch etwas mit Fürsorge zu tun, dass das Personal lerne, wie man mit solch schwieriger Klientel umgehe. 837 Dennoch zeigte sich bspw. der LSVVollzG-E, RlP LT-Drs. 15/2450, S. 2 bemüht: „Für jeden der circa 50 Bediensteten sollen zukünftig monatlich vier Stunden Supervision in der Gruppe angeboten werden. Hierfür fallen voraussichtlich jährliche Kosten in Höhe von circa 20 000 Euro an.“ Identische Angaben macht BW LT-Drs. 15/2450, S. 2; die Kosten nicht ausdrückl. Berücksichtigt in Nds LT-Drs. 16/4873, S. 51; SH LT-Drs. 18/448, S. 109 spricht von „Folgekosten“. 838 Z. B. im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Erreichung der Vollzugsziele (z. B. § 4 Abs.  4  Nds.  SVVollzG) bzw. auf dem Gebiet der Gesundheitsfürsorge (z. B. § 97 Abs.  4 S. 3 Nds. SVVollzG) oder mit im Vollzugs- und Eingliederungsplan festgehaltenen (z. B. § 9 Abs. 3 S. 3 SVVollzG SH).

V. Beteiligung Dritter und der Untergebrachten sowie Personalsituation

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ohne konkrete Beteiligung des Verwahrten am Schreibtisch statt. Umso mehr wäre es zu begrüßen, die SVVollzGe ergänzten ihre Vorschriften zur Einbeziehung in die Vollzugsgestaltung, Erörterung und Erläuterung vollzuglicher Maßnahmen über das im Wesentlichen in Tabelle A11 im Anhang dargestellte Niveau. Darüber hinaus ist die in einigen Gesetzen vorgesehene Dokumentation der Motivierungsmaßnahmen (z. B. in § 3 Abs.  1 S.  2 JVollzGB V) überflüssig, weil sich dieselbe Pflicht schon aus der Regelung zum Vollzugsplan (z. B. in § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1–13 JVollzGB V) ergibt.839 Denn die Dokumentation im Zusammenhang mit der Planung soll die durchgeführten Maßnahmen und damit auch die Motivierungsmaßnahmen als Teil  des Inhalts des Vollzugsplans mitumfassen. Mit dieser Dokumentation soll nach außen hin sichtbar werden, ob und wie sich der Verwahrte weiterentwickelt und welche Fortschritte zu verzeichnen sind. Obwohl die praktische Umsetzung sowie negative Auswirkungen für Untergebrachte und Personal im Gesetzgebungsverfahren beklagt wurden,840 ist die Relevanz vor allen Dingen deshalb so hoch, weil es eine ungleich intensivere gerichtliche Kontrolle als früher geben wird. Dies folgt aus der jährlichen Überprüfungsfrist des neuen § 67e Abs. 2 StGB841 und der Tatsache, dass dem Sicherungsverwahrungsvollzug allgemein z.  Z. sehr viel Aufmerksamkeit geschenkt wird. Dabei muss dem Gericht die Prüfung ermöglicht werden, ob die Betreuung individuell, intensiv sowie geeignet war, die Mitwirkungsbereitschaft des Gefangenen zu wecken und zu fördern.842 Zusätzlich wird ein Druck auf die Anstalten ausgeübt, wodurch einerseits auf eine bessere Chance zur tatsächlichen Umsetzung der Motivierungsarbeit in der Praxis gehofft wird. Andererseits besteht die Gefahr, dass es mehr um den Nachweis der Motivierungsarbeit, statt die Motivierung selbst gehen könnte.843

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Fluhr, Schriftliche Stellungnahme zum JVollzGB V-E, S. 2. Krit. z. B. Kannegießer (BSBD) in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/ 18/37, S.  17 für das Personal; Endres in der Anhörung zum BbgSVVollzG-E, P-RA 5/38, S. 67. 841 Vgl. weiterführend Teil C.VI.2. sowie BeckOK Nds. SVVollzG-Gittermann, § 4 Rn. 5. 842 S. dazu OLG Nürnberg, Beschl. vom 6.8.2015, 1 Ws 167/15, Rn. 20 – bei juris: „Darstellung des Störungsbildes oder der Defizite, denen mit den Betreuungsmaßnahmen begegnet werden sollte“, d. h. „Wiedergabe des Ergebnisses der umfassenden Behandlungsuntersuchung und der den Überprüfungszeitraum betreffenden Vollzugspläne, die Grundlage der Betreuung waren“; ebso. OLG Nürnberg, Beschl. vom 6.8.2015  – 1 Ws 167/15, Rn. 20 – bei juris; Anschluss an OLG Karlsruhe, Beschl. vom 4.9.2014 – 1 Ws 91/14, Rn. 10 – bei juris. 843 Endres in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 14. 840

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

d) Finanzielle Aspekte Nicht akzeptabel ist es, wenn das jetzige Personal in Haushaltsplänen als ausreichend bezeichnet wird.844 Dies lässt vermuten, dass die Personalstellen für die Sicherungsverwahrung aus dem Strafvollzug kommen.845 In einer von Arloth im Jahre 2013 durchgeführten Länderbefragung heißt es für Rheinland-Pfalz unmissverständlich, dass der Bedarf an neuen Stellen im Sicherungsverwahrungsvollzug „durch Einsparung bei allen Justizvollzugseinrichtungen … des Landes erwirtschaftet“ werde.846 Dies kann nicht toleriert werden, weil die weiteren Einsparungen im Strafvollzug sicherlich zu Lasten der Resozialisierung gehen. Damit ist der sich im Bereich der Personalausstattung am deutlichsten zeigende „wunde Punkt“ angesprochen: Die Finanzen.847 Darauf aufmerksam zu machen, man dürfe bei all den wünschenswerten Änderungen im Vollzug der Sicherungsverwahrung nicht vergessen, dass diese den geringsten Teil der Population der Gefängnisse ausmachten (für Rheinland-Pfalz seien es bspw. nur ca. 2 %)848 darf nicht länger Argument dafür sein, Kosten an der falschen Stelle einzusparen. Der Gesetzgeber und die Landesregierungen müssen im Blick behalten, dass eine ökonomische Argumentation den Aufgaben des Vollzugs in besonderem Maße beim Sonderopfer Sicherungsverwahrung nicht gerecht werden kann. Zwar geben die Gesetzentwürfe größtenteils an, dass Mehrkosten mit den Neuerungen verbunden seien.849 Dabei reichen die Gesetzesbegründungen aber von unkonkreten lapidaren Aussagen, die Forderungen von BVerfG

844 S. die Hinweise von Köbke, Bbg P-RA 5/38, S. 5 f. Augenscheinlich hat sich damit der Gesetzgeber nicht am im Entwurf (Bbg LT-Drs. 5/6599, S. 66, 3: „Mehrkosten“) genannten Personalschlüssel der SothA orientiert. 845 Wolf 2011, 109: Problem ist, dass nicht investiert, sondern vom Strafvollzug zur SV verschoben wird. 846 Vgl. dazu Arloth, FS 2013, 225; i. Ü. trifft das Land mit § 97 Abs. 1 LSVVollzG eine begrüßenswerte Pflicht des Landes, die Anstalt personell adäquat auszustatten, dazu BeckOKGerhold, § 97 Rn. 2. 847 Die Finanzierungsproblematik stellt sich in vielerlei Hinsicht (z. B. Aufbau einer entsprechenden Infrastruktur für die Entlassungsvorbereitung; finanzielles und organisatorisches Problem ist die Behandlungsforschung, dazu Wolf 2012, 76) und kann daher nicht unberücksichtigt bleiben. Investitionen für den SVV angemahnt von Skirl in der Anhörung zum SVVollzG NRW-E, APr 16/167, S. 8, 12, 21; s. a. Lips (LVSR) in der Anhörung zum SächsSVVollzG-E, Apr 5/1–45 A-2, S. 14, 20: „Mit den genannten finanziellen und personellen Mitteln ist das Ganze nicht machbar … wenn zusätzlich zum Vollzug der Sicherungsverwahrung noch im Normalvollzug, im Regelvollzug die vorbehaltene und angeordnete Sicherungsverwahrung ansteht.“; krit. zu finanziellen Nachteilen für den Normalvollzug Conrad (BSBD) in der Anhörung zum LSVVollzG-E, APr 16/19, S. 18. 848 Vorgebracht von J.  Schäfer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 163; gleichfalls überlegte Peglau in der Anhörung zum LSVVollzG-E, APr 16/19, S. 21 f., in welchen Vorschriften mehr enthalten sei, als das BVerfG zwingend fordere, um dem Gesetzgeber dann zu empfehlen, aus Kostengründen davon abzusehen. 849 Nur Brem machte keine Angaben, Brem LT-Drs. 18/749 bzw. Arloth, FS 2013, 218 ff.

V. Beteiligung Dritter und der Untergebrachten sowie Personalsituation

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und Bundesgesetzgeber hätten „Mehrkosten“850 zur Folge, bis hin zu ausführlichen Übersichten851 hinsichtlich einmaliger Bauinvestitionen und dauerhaften Mehrausgaben für notwendiges Personal. Exemplarisch sei der sächsische Gesetzentwurf genannt.852 Demzufolge handle es sich zwar „faktisch komplett um Personalmehrbedarf“. Dennoch habe das Sächsische Staatsministerium der Justiz „im Interesse der von der Staatsregierung verfolgten Haushaltskonsolidierung auf die Anmeldung zusätzlicher Stellen verzichtet“ und werde sich bemühen, die Anforderungen mit den „zur Verfügung stehenden Stellen zu erfüllen“. Dass dies zu Lasten des Strafvollzugs gehen wird, braucht nicht viel Phantasie. Vielmehr heißt es im Gesetzentwurf weiter, dass, um die notwendige Ausstattung des Personals in der Sicherungsverwahrungsabteilung der JVA Bautzen zu gewährleisten, „insbesondere eine stärkere Konzentration der vorhandenen personellen Ressourcen des Justizvollzugs auf die Untergebrachten erforderlich“ sei. Gleichermaßen offen äußerte sich der Berliner Gesetzgeber, denn die notwendigen „benötigten … Planstellen im Bereich des Allgemeinen Vollzugsdienstes werden aus dem Stellenbestand des Justizvollzugs erwirtschaftet.“853 Dabei argumentierte er mit einem prognostizierten Rückgang von Gefangenenzahlen. Dies kann nicht überzeugen, weil der Strafvollzug aufgrund fehlender Investitionen dem im StVollzG von 1977 versprochenen „Behandlungsvollzug“ von Anfang an hinterherläuft.854 Hinzu kommt, dass der Personalaufwand im Strafvollzug der potentiellen Sicherungsverwahrten genauso steigen wird, weil dieser gemäß § 66 c Abs.  2 StGB ebenfalls eine umfassende Betreuung voraussetzt. Nicht nachvollziehbar ist, den Personalaufwand abwarten bzw. mit dem vorhandenen abdecken zu wollen, wie es etwa der niedersächsische Gesetzgeber für angebracht hält855. 850 Knapp z. B. LSA LT-Drs. 6/1673, S. 4: „Zur Umsetzung des Gesetzentwurfs sind personelle und finanzielle Mehraufwendungen unumgänglich.“ Ähnl. SH LT-Drs. 18/448, S. 109. 851 Nicht leicht durchschaubare Übersichten z. B. in Bay LT-Drs. 16/13834, S. 2 ff.; nicht ersichtlich in H LT-Drs. 18/6068, S. 3 f.; deutlich hingegen NRW LT-Drs. 16/1435, S. 3: „Der voraussichtliche Personalbedarf für einen therapiegerichteten Behandlungsvollzug mit sozialtherapeutischen und weiteren Behandlungsangeboten … beträgt jährlich ca. 2.293.000 Euro.“ Ebenfalls sehr ausführl. in Bezug auf die Jahre 2012 und 2013 Nds. 16/4873, S. 50 ff.: Kosten für Baumaßnahmen rund 12.5 Mio. Euro; Kosten für personelle Maßnahmen für SV rund 1,3 Mio. Euro sowie vermehrte Sachkosten; s. die Übersicht bei Pyhrr 2015, 301 ff. 852 Sächs LT-Drs. 5/10937, S. 5 f. Auch in anderen Gesetzgebungsverfahren gab es entsprechende Kritik, bspw. von Conrad (BSBD) in der Anhörung zum LSVVollzG-E, APr 16/19, S. 18. 853 Bln LT-Drs. 17/0689, S. 7; ebso. Wolf 2012, 73: „dürfte wahrscheinlich sein, dass diese Mittel aus den Haushaltstiteln entnommen werden, die bislang für den Strafvollzug vorgesehen waren.“ Ebso. „Umschichtung“ laut Hmb LT-Drs.  20/6795, S.  5. Unklar RlP LTDrs. 16/1910, S. 2: „Im Allgemeinen Vollzugsdienst besteht ein Mehrbedarf von 34 Stellen, der durch Einsparungen an anderer Stelle gedeckt“ werde. 854 Sehr krit. Boetticher, NK 2013, 160; ders. 2015, 84, 86 f. 855 Dies gilt v. a. vor dem Hintergrund, dass das CPT bei seinem Besuch immer noch „eine augenfällige Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis“ feststellte, vgl. CPT/Inf (2014) 23, Rn. 18 f., S. 12; s. aber Nds. LT-Drs. 16/4873, S. 51: „Es bleibt abzuwarten, inwieweit insbe­

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Das BVerfG kann nicht gewollt haben, dass die Resozialisierung im Strafvollzug geopfert wird, dass Therapiestationen für Strafgefangene geschlossen oder nicht eröffnet werden, mit dem Argument, das Geld für die Sicherungsverwahrung zu benötigen.856 e) Anstaltsleitung und Trennungsgebot Abzulehnen ist, wenn in den SVVollzGen vom Grundsatz, fest zugewiesenes Personal nur für die Sicherungsverwahrung zur Verfügung zu stellen, abgewichen wird.857 Bei demselben Personal für Strafgefangene und Sicherungsverwahrte ist eine „Angleichung der Vollzugsstile“ naheliegend.858 Zudem erfordert der Wohngruppenvollzug als Regelunterbringung die Zuweisung von festem Stammpersonal genauso wie die Regelung, dass eine Betreuung abseits der Zeit von Arbeit und Beschäftigung in den Wohngruppen zu gewährleisten ist. Dass die Untergebrachten oftmals sich selbst überlassen waren, hat nicht nur der CPT-Besuch bestätigt. Vielmehr gilt, dass es entscheidend ist, was „abends und an Wochenenden geschieht. Wenn da Leerlaufzeiten sind, dann füllen sie sich subkulturell … auf.“859 Dementsprechend ist es in einem modernen Sicherungsverwahrungsvollzug dringend notwendig, dem durch eine durchgängige Betreuung entgegen zu wirken.860 Eine konkretere Variante des SVVollzG M-V, die sogar die im Vollzug stets problematische Zeit des Wochenendes beim Namen nennt, ist daher vorzuziehen.861 Darüber hinaus ist das Vorgehen einiger Länder in Bezug auf die Anstalts- und Sicherungsverwahrungsabteilungsleitung unbefriedigend. Zwar ergibt sich z. B. aus dem in Tabelle A12 im Anhang dargestellten § 100 SVVollzG M-V, dass es einen Leiter der gesamten JVA und einen diesem untergeordneten Leiter der Absondere die erforderlichen Behandlungsmaßnahmen durch vorhandenes Fachpersonal durchgeführt werden können …“ Krit. dazu Wischka in der Anhörung zum Nds. SVVollzG-E, ARV PR 16/123&124, S. 17. 856 So aber berichtet von Wolf 2012, 73 f. 857 § 106 Abs.  1 Hs.  2 SVVollzG SH: „im Übrigen … die Erfüllung der Aufgaben durch die Bediensteten der Justizvollzugsanstalt erbracht“. Die anderen SVVollzGe enthalten vergleichbare Regelungen, z. B. im Zusammenhang mit der Anstaltsleitung in § 100 S.  2 SVVollzG M-V. 858 Schönberger 2002, 190. 859 So zitierte Kreuzer den Kollegen Böhm in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/ 48-UJV/18/37, S. 38. 860 So das VG Hannover, Beschl. vom 24.6.2015 – 17 A 7819/14, Rn. 24 – bei juris. Darin ging es in der Sache um das Mitbestimmungsrecht des Personalrats. 861 Vgl. Tabelle A12 im Anhang, dies korrespondiert mit der allg. Regel i. R. d. Unterbringung, vgl. § 12 Abs. 3 S. 2 SVVollzG M-V: Wohngruppe „i. d. R. von fest zugeordneten Bediensteten betreut“ wird. Da dem Wohngruppenvollzug fest zugewiesenes Personal immanent ist (dazu Dünkel, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH-E, S. 4; ebso. R. Schneider 2010, 233; Arloth 2011, § 143 Rn. 3 a. E.; SBJL/Böhm, § 143 Rn. 4; AK-StVollzG-Feest/Kellermann/Köhne 2012, vor § 17 Rn. 8), reicht die Sollvorschrift nicht aus.

V. Beteiligung Dritter und der Untergebrachten sowie Personalsituation

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teilung für den Sicherungsverwahrungsvollzug gibt. Diesem kann der JVA-Leiter die Vertretung der Sicherungsverwahrungsabteilung nach außen übertragen. Hingegen ist z. B. § 96 Abs. 2 SVVollzG LSA zu entnehmen, dass der Leiter der JVA zugleich der Leiter des Sicherungsverwahrungsvollzugs ist.862 Aus Sicht des Abstandsgebots ist eine deutliche Trennung des Justizvollzugs und desjenigen der Sicherungsverwahrung unabdingbar. Durch die personenidentische Leitung findet über die ohnehin aufgrund der baulichen Anbindung aller Sicherungsverwahrungsabteilungen an eine JVA sowie der bereits kritisierten Bundes- und den folgenden Landesnormen (vgl. § 66 c Abs. 1 Nr. 2 b StGB und z. B. § 11 ThürSVVollzG) letztlich eine vollkommene organisatorische Einbindung statt. Das kann aus Sicht des Trennungsgebots nicht toleriert werden. Zu Recht wurde kritisiert, dass durch die vollzugsorganisatorische Einebnung zwischen Straf- und Sicherungsverwahrungsvollzug der Abstand zwischen beiden Vollzugsarten deutlich relativiert werde.863 Die besondere Situation der Sicherungsverwahrung vollumfänglich anzuerkennen würde für die Anstaltsleitung genauso wie im sonstigen therapeutischen Personalbereich eine besondere Spezialisierung erfordern. Zudem darf die Abkoppelung vom Strafvollzug nicht rein formal bleiben, sondern muss sich gerade in der Organisation und im Personal widerspiegeln. Die verschiedenen Vollzugsformen bedürfen verschiedener Vollzugsstile, welche eine Person schwerlich leisten kann. Vermeiden will der Gesetzgeber Kompetenzkonflikte.864 Ein Abweichen vom Trennungsgrundsatz „als vollzugspraktische Verlegenheitslösung“ ist und bleibt jedoch unzulässig.865 6. Umsetzung in der Praxis a) Einbeziehung Dritter und Untergebrachter Entsprechend der unspezifischen Sollvorschrift zur Einbeziehung von Externen in den Vollzug ist diese in vielen Konzepten ebenso unverbindlich angesprochen und erschöpft sich im Wesentlichen in der Wiedergabe des Gesetzes. Die Anstalt „kann“ überwiegend im Freizeitbereich (z. B. Sportangebote; Einbeziehung bei sonstigen Freizeitaktivitäten wie Kochkursen usw.) Externe „gewinnen“ oder hat Bemühungen zu unternehmen, um auf Wunsch Besuchskontakte zu Eh 862 Abs. 1 der Norm besitzt keine Bedeutung, da es keine eigenen nur SV vollziehende Einrichtungen gibt. 863 Vgl. LSA LT-Drs. 6/1673, S. 23; krit. ebso. Dessecker, Schriftliche Stellungnahme zum ThürSVVollzG-E, S. 9; s. bereits Laubenthal, ZStW 2004, 732 f.; Kritik auch von Papenfuß (BSBD) und Speckin in der Anhörung zum SVVollzG M-V-E, APr 6/34, S. 6, 8: Das Trennungsgebot sei noch nicht ausreichend umgesetzt. 864 Aufschlussreich Thür LT-Drs. 5/5843, S. 105. 865 Bereits Laubenthal, ZStW 2004, 732; ebso. SBJ-Rotthaus 1999, § 140 Rn. 2.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

renamtlichen zu vermitteln.866 Im Zusammenhang mit dem negativen Bild, das die Öffentlichkeit von Verwahrten hat und der festzustellenden Vereinsamung sollten sich die Sicherungsverwahrungsabteilungen konkrete Maßnahmen überlegen, wie Privatpersonen von außerhalb in den Sicherungsverwahrungsvollzug integriert werden können. Erfreulich ist, dass das Konzept der JVA Brandenburg a. d. H. das nachholt, was der Gesetzgeber versäumt hat (vgl. Tabelle A10 im Anhang), indem es vorsieht, dass die Verteidiger der Untergebrachten am Vollzug beteiligt werden sollen. Im Speziellen stellt es auf die Anhörung in der Konferenz ab.867 Das Konzept der JVA Schwalmstadt hält fest, dass Bewährungshelfer in die letzte(n) Behandlungskonferenz(en) eingeladen werden sollen, was so im HSVVollzG nicht der Fall ist.868 Eine Besonderheit stellt die Einbeziehung der Verwandten der Untergebrachten in den Konzepten aus Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern dar: Jeder Teilnehmende lernt über seine „Rolle innerhalb der Familie nachzudenken und auf deren Wirkung im Familiensystem.“869 Ähnlich verhält es sich bei der Einbeziehung der Verwahrten selbst, wieder erläutert am Bsp. der Behandlung und Eingangsuntersuchung. Regelmäßig erschöpfen sich die Konzepte in der Wiedergabe des Gesetzes.870 Zwar etwas weiter reichend, insgesamt dennoch recht allgemein gehalten, ist auch das Konzept der JVA Bützow. Demzufolge wird für jeden Untergebrachten ein individuell angepasstes Krisenmanagement erarbeitet. Dies geschieht mit dem gesamten Behandlungsteam unter Beteiligung der Untergebrachten.871 Auf das vorbildliche kommunikative System des Konzepts der JVA Brandenburg a. d. H. wurde bereits hingewiesen. Dieses umfasst die Einbeziehung des Verwahrten.872 In Rosdorf werden die Untergebrachten bspw. an monatlichen Besprechungen oder einzelnen Wohngruppensitzungen beteiligt.873 866 Konzept JVA Bützow, S. 39, 41 ff.: allg. zur Freizeit, als Bspe. für Externe genannt u. a. Sportvereine, Kirchengemeinden und Ehrenamtliche; ähnl. Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 48: Kursangebote durch Externe, insbes, Zusammenarbeit mit sucht- und familientherapeutischen Organisationen; im Konzept der JVA Burg, S. 42 erübrigt sich der Abschnitt mit Folgendem: „Die Einbeziehung von ehrenamtlichen Helfern ist zu verstärken und zu fördern.“ Unspezifisch Endres/Breuer, FS 2011, 292. 867 Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 48: Beteiligung in geeigneter Weise an der Behandlungs­ gestaltung. 868 Konzept JVA Schwalmstadt, S. 50: insbes. Wiedergabe des Gesetzestextes. 869 Konzept JVA Burg, S. 33 ff., ausführl. zum Ablauf und den Zielen der „Familientherapie“. Ähnl. das Konzept JVA Bützow, S. 33, 43: „Die Beteiligung von Angehörigen und Bezugspersonen fördert – bei hoher Transparenz zum Delikt und Behandlungsstand – ebenfalls Aspekte der behandlerischen Stabilisierung.“ 870 Konzept JVA Rosdorf, S. 32; ähnl. Konzept MoBass JVA Werl, S. 11. 871 Konzept JVA Bützow, S. 27, behandelt unter dem Punkt „Delikt- und störungsspezifische Einzelarbeit“. 872 Konzept JVA Bbg. a. d. H., S. 20 ff. 873 Etwa Konzept JVA Schwalmstadt, S. 49, wonach zusätzlich einmal im Monat ein Plenum mit den SV stattfindet: „Hier können die Untergebrachten in gemeinsamer Runde grundsätzliche Anliegen vorbringen …“

V. Beteiligung Dritter und der Untergebrachten sowie Personalsituation

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Zu guter Letzt sei noch angemerkt, dass entgegen der Auseinandersetzung auf normativer Ebene nur ganz vereinzelt und am Rande das Opfer bei der Vollzugsgestaltung in den Konzepten überhaupt eine Rolle spielt.874 Am weitreichendsten stellt sich das Konzept der JVA Tegel dar, weil hier zumindest dem Gesetz entsprechend die Berücksichtigung bei vollzugsöffnenden Maßnahmen und z. T. bei Besuchen wiederholt wird – mehr aber nicht.875 b) Dokumentation Die gestiegenen Anforderungen an die Dokumentation der Behandlung im Sicherungsverwahrungsvollzug zeigen sich in den teils umfangreichen Ausführungen der Konzepte. Vorgehen und Stand der Behandlung müssten jederzeit nachvollziehbar sein, um die gerichtliche Überprüfung nach §§ 67 c, d und e StGB zu ermöglichen. Außerdem diene laut dem Berliner Konzept das „Dokumentationsverfahren“ dazu, den an der Behandlung Beteiligten zeitnah den aktuellen Behandlungsstand des Sicherungsverwahrten zu vermitteln und die Verbesserung der Behandlungsstandards stetig zu verbessern.876 Die Qualitätssicherung im Wege der Dokumentation sprechen andere Konzepte an. Das erscheint im Bereich der Behandlung, welche stets dem neuesten Stand der Wissenschaft anzupassen ist, angebracht. Umfassend geht das Konzept der JVA Bützow auf die Notwendigkeit der Behandlungsdokumentation und die verschiedenen Dokumentationsarten ein.877 Hierbei stellt es Mindestanforderungen an die Dokumentation auf, wonach bspw. Beratungsgespräche mit dem Bezugsbeamten im Anschluss sofort zu dokumentieren sind oder psychologische und sozialpädagogische Einzelgespräche mindestens monatlich mit einem standardisierten Dokumentationsbogen zu erfassen sind. Das Justizministerium MecklenburgVorpommerns sichert sich darüber hinaus dadurch ab, dass das für das Diagnose­ verfahren zuständige Diagnostikzentrum ebenfalls eine regelmäßige Überprüfung vornimmt.878 874 Konzept JVA Bbg a. d. H., S.  72 Anlage 5 zum BPG-Programm, wo es unter vielen Aspekten um Opferempathie gehe; ebso. lediglich im Zusammenhang mit Behandlungsprogrammen in folgenden Konzepten: Konzept JVA Rosdorf, S. 40 ff.; Konzept JVA Schwalmstadt, S. 28 f.; Konzept JVA Freiburg 2016, S. 26; Konzept JVA Fuhlsbüttel, S. 10, 25 f.; ausführl. Konzept SothA JVA Tonna, S. 23; nicht erwähnt im Konzept JVA Bautzen; Konzept JVA Bützow; Konzept JVA Burg sowie Konzept SothA und MoBass JVA Werl. 875 Konzept JVA Tegel, S. 9, 28 im Zusammenhang mit Langzeitbesuchen („potentielle Opferkonstellation“). 876 Konzept JVA Tegel, S. 23 f.: „Neben den Verläufen der einzelnen Behandlungsmaßnahmen wird auch die tägliche Behandlungsarbeit auf der Station, im Arbeitsbereich und im Freizeitbereich und bei vollzugslockernden Maßnahmen dokumentiert…“ Konkrete Angaben im Konzept JVA Bützow, S. 36 f.; Konzept JVA Bautzen, S. 19; die Qualitätssicherung erwähnt das Konzept JVA Schwalmstadt, S. 51; ähnl. Konzept JVA Burg, S. 24. 877 Konzept JVA Bützow, S. 36 f. 878 Vgl. Erlass des JuMi M-V, Az.: III 260/4512 – 5 SH.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Sinnvollerweise ergänzt das sächsische Konzept die Dokumentation mit einem erfreulich deutlich und klar strukturierten sog. Kommunikationsverfahren, wodurch die Weitergabe von Informationen gewährleistet werden soll. Dies kann zu einem guten Personalklima und einer Verbesserung der Behandlung beitragen.879 Wenig befriedigend sind hingegen die regelmäßig nur knappen Angaben wie im Konzept der JVA Rosdorf, wonach die Dokumentation so angelegt werden müsse, dass sie gerichtlich und gutachterlich nachvollziehbar sei. Was konkret damit gemeint ist, wird nicht weiter ausgeführt.880 c) Personalausstattung Da das Vorhandensein ausreichenden und geeigneten Personals Grundvoraussetzung für das Gelingen des neuen Sicherungsverwahrungsvollzugs und die Umsetzung des Abstandsgebots ist, alarmiert die negative Beurteilung der Personalsituation durch das CPT nach seinem letzten Besuch im Jahr 2013. Denn es stellte fest, dass im therapeutischen-behandlerischen Bereich weiterhin „eine augenfällige Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis“ bestehe, was sich auf die Möglichkeit zur Teilnahme an Einzel- bzw. Gruppentherapien auswirke.881 Die Konzepte stimmen in mancherlei Hinsicht optimistisch: Den meisten ist im Zusammenhang mit der Wohngruppenunterbringung zu entnehmen, dass jeder Gruppe feste Ansprechpartner zur Verfügung stehen.882 Dies ist wichtig, weil ihnen in der Wohngruppe die größte Aufmerksamkeit gebührt. Denn sie verbringen die meiste Zeit mit den Insassen. Durch ihre Arbeit, ihr Handeln und Rollenverständnis bestimmen sie maßgeblich die Qualität und den Erfolg des Wohngruppenvollzugs als therapeutisches Milieu.883 Aufgrund der vielfach denkbaren Belastungen wegen der engen und fordernden Zusammenarbeit in den Wohngruppen sind die Anforderungen an die jeweiligen Leitungen der Behandlungsbereiche besonders hoch, was sich allerdings in den meisten Konzepten nicht ausreichend 879

Vgl. das Konzept JVA Bautzen, S. 19 f. mit sehr präzisen Angaben zu täglichen, wöchentlichen und monatlich notwendigen Sitzungen, die u. a. dem Informationsaustausch dienen. 880 Konzept JVA Rosdorf, S. 55; ebso. nicht ausreichend insoweit das Konzept JVA Burg, S. 31. 881 CPT/Inf (2014) 23, S. 11 Rn. 17, S. 12 Rn. 18 f. mit sehr krit. Fazit: „Unzweifelhaft ist jedoch, dass die vorhandenen Ressourcen für Behandlungsmaßnahmen für Sicherungsverwahrte in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz unzureichend waren, um den Erfordernissen der einschlägigen Rechtsvorschriften auf Bundes- und Landesebene zu genügen …“ 882 Konzept JVA Freiburg, S. 10: „Für jede Wohngruppe … ein festes Betreuungsteam aus AVD-Beamten, Sozialarbeitern und Psychologen“ bzw. Konzept JVA Freiburg 2016, S. 13: „mit festen interdisziplinären Teams“. Für den Umgang mit dem AVD s. das Konzept JVA Fuhlsbüttel, S. 15; Konzept JVA Rosdorf, S. 13 ff.; Konzept JVA Schwalmstadt, S. 24: das Team jeder Wohngruppe besteht „aus Wohngruppenleitung des Sozialdienstes, Bezugspsychologen und Wohngruppenbeamten des Allgemeinen Vollzugsdienstes“; s. a. Konzept JVA Tegel, S. 18; Konzept SothA JVA Werl, S. 5; Arloth, FS 2013, 220. 883 Wischka 2004a, 337 ff.

V. Beteiligung Dritter und der Untergebrachten sowie Personalsituation

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widerspiegelt.884 Das Konzept der JVA Bützow sticht heraus, wonach dem Untergebrachten ein „Fallmanager (Psychologe/in)“ zugewiesen wird, der die gesamte Behandlungskoordination übernimmt, welcher Ansprechpartner für die Bediensteten sein soll und sich für den spezifischen Umgang mit dem Betroffenen „verantwortlich fühlen“ wird.885 Erfreulich ist, dass sich auch anderen Konzepten Hinweise entnehmen lassen, dass den Verwahrten nach dem Aufnahmeverfahren eine feste Betreuungs- oder Bezugsperson zugeteilt wird.886 Darüber hinaus versucht man – nicht nur in Mecklenburg-Vorpommern – dem Vorwurf, es zeigten sich bisweilen Bestrafungstendenzen im behandlerischen Personal, damit zu begegnen, dass der Fallmanager „den Informationsfluss im Team [sichert], um negativen Gruppenprozessen innerhalb des Behandlungsteams entgegen zu wirken.“887 Die besonderen Belastungen der Mitarbeiter in den Sicherungsverwahrungsabteilungen werden teils ausdrücklich angesprochen.888 Erfreulicherweise versucht man in einigen Konzepten Lösungswege zu finden und einer Überbelastung entgegen zu wirken: Die JVA Brandenburg a. d. H. zieht die Personalrotation mit sozialtherapeutischen Abteilungen bzw. Straf- und Unter­suchungs­ haftabteilungen in Betracht. Entsprechend den Herausforderungen für das Personal aus behandlerischer und aus Sicht des alltäglichen Umgangs setzen die Konzepte einen Schwerpunkt auf die Notwendigkeit von Fortbildungen und Supervisionen.889 Abgesehen davon bleiben sie im Hinblick auf die Häufigkeit und Verbindlichkeit unspezifisch.890 Daher sollten sie künftig der Teilnahmeverpflich 884 Präzise Darstellung der Anforderungen an eine Wohngruppenleitung bei Wischka 2004a, 341 f.; s. a. ausführl. das Konzept JVA Rosdorf, S. 14 f.; immerhin eine Übersicht im Konzept JVA Fuhlsbüttel, S. 39. 885 Konzept JVA Bützow, S. 23. 886 Vgl. Konzept JVA Bbg a. d. H., S.  26; s. a.  Konzept JVA Freiburg, S.  7; Konzept JVA Freiburg 2016, S. 13, 23 sowie den Beschl. des OLG Karlsruhe vom 29.1.2014 – 2 Ws 449/13, Rn. 18 – bei juris; ebso. Konzept JVA Rosdorf, S. 15; Konzept JVA Schwalmstadt, S. 23; Konzept JVA Tegel, S. 18. 887 Konzept JVA Bützow, S. 23; daher Supervisionen nötig, so Konzept JVA Burg, S. 6. 888 Weichert-Pleuger, KrimPäd 2013, 36, die dabei von „großer Skepsis“ der Bediensteten berichtet, „sich auf ein unbekanntes Feld mit einer Klientel einzulassen, deren Erwartungen und Ansprüche aufgrund der rechtlichen und öffentlichen Diskussion und Aufmerksamkeit hoch“ sei. Vgl. gleichfalls Koepsel 2006, 571 ff. allg. zu „resignative[n] Tendenzen“; ebso. Wischka 2004a, 340 f. m. w. N. 889 Konzept JVA Burg, S. 6; Konzept JVA Rosdorf, S. 14, 16; Konzept JVA Schwalmstadt, S. 51 f.; Endres/Breuer, FS 2011, 294 f. 890 Z. B. in § 97 Abs.  2 S.  2  BbgSVVollzG („Fortbildungen sowie Praxisberatung und Praxis­begleitung für die Bediensteten werden regelmäßig durchgeführt.“). Konkreter wird das Konzept JVA Bbg. a. d. H., S. 5, 51 im Bereich der Supervision (drei Stunden/Monat „von einer psychologischen Psychotherapeutin“); Mitarbeiter sind verpflichtet, sich regelmäßig fortzubilden; dem Motivationsgebot entsprechend soll ein Schwerpunkt auf den „Methoden der motivierenden Gesprächsführung“ liegen. Außerdem solle es eine „Intervision für die Leiter/Leiterinnen der besonderen Behandlungsgruppen“ geben; Erfahrungsaustausch mit anderen Einrichtungen sei „wichtig“. Präzisierungen auch im Konzept JVA Rosdorf, S. 14, 19; Konzept JVA Schwalmstadt, S. 51; Konzept JVA Bautzen, S. 6, 19 f.

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tung an Fortbildungsmaßnahmen sowie Supervisionen eine Angebotsverpflichtung der Anstalt gegenüberstellen und konkrete Angaben zur Häufigkeit sowie zum Inhalt der Fortbildungen, Fallbesprechungen und Supervisionen machen. In unterschiedlichem Umfang wird des Weiteren auf die Zusammenarbeit im Team abgestellt, was besonders bedeutsam für den Wohngruppenvollzug ist und darüber hinaus den Vorgaben der Rechtsprechung und der SVVollzGe entspricht.891 Darüber hinaus wird „ein Kommunikations- und Konferenzregime etabliert“, welches gegenseitiger Information und einem Erfahrungsaustausch dienen soll.892 Ebenso umfassend wird im Konzept der JVA Rosdorf die Notwendigkeit von Teamarbeit sowie direkter und effektiver Kommunikation i. R. v. wöchentlichen Konferenzen und täglichen Frühbesprechungen erörtert.893 Gerade der Austausch unter den Mitarbeitern sei wichtig, um den Spielraum für Manipulationen seitens der schwierigen Klientel der Verwahrten zu minimieren.894 Neben dem Fallmanager werden ein weiterer Sozialpädagoge und ein bis zwei Vollzugsbeamte jedem Untergebrachten fest zugeordnet.895 Einen Wandel beim fest zugewiesenen Stammpersonal kann man zudem der Länderübergreifenden Bestandsaufnahme entnehmen: Verfügten noch 2009 zwischen rund 45 % bis 60 % (je nach Profession) der Anstalten über ein Stammpersonal, waren es 2013 zwischen etwa 70 % bis 85 % (je nach Profession).896 Bei der Anwesenheit des AVD in den Abteilungen bzw. Gebäuden der Verwahrten hat sich ebenfalls eine Verbesserung abgezeichnet.897 Ein hoher Personalschlüssel soll es dem Verwahr 891

Dazu BVerfGE 128, 381; Wischka 2004a, 340 ff.; zum unterschiedlichen Umgang exemplarisch das Konzept JVA Bützow, S. 24 f., nur Andeutungen hingegen im Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 51. 892 Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 52, 55: Außerdem haben die Vorgesetzten aus „Fürsorgegesichtspunkten“ auf ihre Mitarbeiter zu achten; eine Rotation fordernd Lösel 2004, 368 ff.; ähnl. das Konzept JVA Rosdorf, S. 17. 893 Konzept JVA Rosdorf, S. 18 f.; ebso. Konzept JVA Schwalmstadt, S. 49. 894 Wischka, KrimPäd 2011, 46 m. w. N. 895 Konzept JVA Bützow, S. 25 f. 896 Der niedrigste Wert wurde hier für die Psychologen/-innen festgestellt, s. dazu Ansorge 2013, 22: 44,4 %, d. h. in 8 Anstalten. Für die JVA Celle berichtet Kühne 2011, 399 zwar von „einem festen Stamm von Bediensteten“, dieser sei aber zugleich für die Gefangenen zuständig; Gorzel/Lefering, FS 2010, 137 für die JVA Freiburg: gar keine Sonderzuständigkeit im psychologischen Dienst. Zu veränderten Personalplanungen s. Endres/Breuer, FS 2011, 294; Schmitt, FS 2011, 308 f.; Weichert-Pleuger, KrimPäd 2013, 36. 897 Ansorge 2013, 23, insbes. Tab. 20: 2009 waren im Schnitt noch 1,3–1,5 Bedienstete des AVD anwesend, 2013 erhöhte sich dies auf 2,3–2,9, ebso. gebe es in zwei der 14 Anstalten „ein spezielles Auswahlverfahren für Bedienstete, die im Bereich der Sicherungsverwahrung tätig sind“; hingegen Weichert-Pleuger, KrimPäd 2013, 36: Es müsse „auf entsprechende Vorerfahrungen geachtet werden“ und eine gute „Mischung aus erfahrenen aber auch ‚dienstjungen‘ Bediensteten“ geben; s. a. Karras, FS 2010, 142 zum neuen Problembewusstsein. Die Konzepte gehen nur ausnahmsweise konkret darauf ein, vgl. Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 50, 54: regelmäßig zwei Mitarbeiter des AVD in der Wohngruppe präsent, i. Ü. liege der Personalschlüssel des AVD bei „8/15 Mitarbeiter des AVD für 8 bzw. 16 (18) Untergebrachte“; „der Personalschlüssel: 8/15 Mitarbeiter des AVD für 8 bzw. 16 (18) Untergebrachte ermöglicht eine gute Kontrolle der Insassen“; Konzept JVA Burg, S. 5 f.

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ten ermöglichen, jederzeit einen Ansprechpartner zu haben. Einige Konzepte sehen vor, dass sich die Personalschlüssel an denjenigen der sozialtherapeutischen Anstalten orientieren.898 Diese richten sich wiederum nach den Empfehlungen des Arbeitskreises.899 Wie unterschiedlich die Angaben der Länder zu den neuerdings vorhandenen Stellen sind, zeigt Tabelle A13 im Anhang.900 Es offenbart sich, dass auf Personal des Strafvollzugs zurückgegriffen wird, was wiederum die Frage nach Benachteiligungen desselbigen hervorruft.901 Allerdings fällt in einigen Ländern mit großer Sicherungsverwahrungsabteilung wie in Hamburg auf, dass hier verhältnismäßig sehr viel weniger Personal für sehr viel mehr Verwahrte zuständig ist, als es in kleinen Abteilungen wie in Brandenburg der Fall ist. Zudem werden nicht alle Länder den Vorgaben gerecht, sich an dem Personalschlüssel in­ sozialtherapeutischen Anstalten zu orientieren. Ernüchterung stellt sich trotz positiver Anzeichen in den Konzepten ein, wenn der u. a. einen Verwahrten in Niedersachsen betreuende Rechtsanwalt Pollähne davon berichtet, dass zwar die bauliche Situation den Anforderungen des BVerfG entsprechend umgesetzt worden sei, es jedoch am qualifizierten Personal fehle.902 In der Tat konnte man den Konzepten zufolge der gesetzlichen Anforderung, dass

898 Konzept JVA Bautzen, S. 5; Konzept JVA Bbg. a. d. H., S. 50: „Personalausstattung … entspricht derjenigen der sozialtherapeutischen Einrichtungen, ergänzt um externe Spezialisten“; Konzept JVA Burg, S. 23 f. und Arloth, FS 2013, 227; Konzept JVA Schwalmstadt, S.  50: „behandlungsorientierte Milieutherapie in der Sicherungsverwahrung ist personal­ intensiv“; für die JVA Werl s. Pyhrr 2015, 316. 899 Zuletzt im Jahre 2007 war folgende personelle Mindestausstattung vorgesehen: Eine Stelle des in Behandlungs- und Beobachtungsaufgaben einbezogenen AVD auf zwei Gefangene bzw. auf drei, wenn Sicherheits- und Verwaltungsaufgaben vollständig durch die Gesamtanstalt erledigt werden könnten; i. Ü. neben der Leitung jeweils eine Psychologen- und eine Sozialpädagogenstelle auf jeweils zehn Gefangene; aufgrund der besonderen Dokumentations- und Berichtsaufgaben sei zudem ein eigener Schreib- und Bürodienst notwendig; vgl. Egg, FS 2007, 102; Egg/Wischka, KrimPäd 2011, 68 ff. Bay hingegen gibt an (vgl. dazu­ Endres/Breuer, FS 2011, 294), sich zugleich an der Psychiatrie-Personalverordnung („Verordnung über Maßstäbe und Grundsätze für den Personalbedarf in der stationären Psychiatrie“ vom 18.12.1990, BGBl. I 1990, S. 2930 bzw. BGBl. I 1994, S. 2750) zu orientieren, was zu einem höheren Personalbedarf im pflegerischen/psychotherapeutischen Bereich führt, dazu auch die Berechnung bei Pyhrr 2015, 317. 900 Dabei ist stets das Verhältnis zur Anzahl der Untergebrachten zu beachten. Auch wenn die Zahlen insbes.  wg. nicht immer eindeutiger Angaben, unterschiedlicher Bedeutung der einzelnen Personalstellen sowie aufgrund unterschiedlicher Erfassungszeitpunkte nicht ohne Einschränkungen miteinander zu vergleichen sind, so können ihnen dennoch Anzeichen für die künftige Personalentwicklung entnommen werden. 901 So z. B. in BW, wo rund die Hälfte des gesamten mit den SV arbeitenden Personals „anteilig“ aus dem Strafvollzug „entnommen“ wird, vgl. dazu Nachweise in Tabelle  A12 im­ Anhang. 902 Pollähne, Süddeutsche vom 24.9.2015: „Baulich habe sie das hingekriegt … aber mit qualifiziertem Personal für Sozialtherapie hapert’s.“ And. sieht es die zuständige JuMi und Anstaltsleiterin: Fünf Sozialarbeiter, sechs Psychologen und das Sicherheitspersonal für 35 Verwahrte seien ausreichend.

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das Personal fachlich qualifiziert sein „muss“ (z. B. § 101 Abs. 2 S. 1 SVVollzG M-V) in der Praxis offensichtlich noch nicht nachkommen. So verfügt(e)  laut Konzept das Personal der Sicherungsverwahrungsabteilung der JVA Bützow „größtenteils über keine Erfahrungen im Umgang mit Untergebrachten“, so dass „insbesondere in der Eingewöhnungsphase eine besondere, herausfordernde Gruppendynamik“ zu beachten sei. In anderen Konzepten findet sich der Hinweis darauf, dass noch nicht alle Stellen besetzt werden konnten.903 Die notwendige persönliche Eignung wird in den Konzepten ebenfalls vorausgesetzt.904 7. Fazit Die vom höchsten deutschen Gericht angesprochenen Problematiken im Bereich der Vernetzung mit der Gesellschaft außerhalb der Anstalt erfordern ein konsequentes Gesamtkonzept. Dazu gehen die Gesetze trotz positiver Ansätze, in denen sie erstmals die Einbeziehung Externer im Gesetzestext deutlich(er) normieren, nicht weit genug. Die durchgängige Betreuung (vgl. § 69 Abs. 3 Nds. SVVollzG) und enge Zusammenarbeit zwischen Vollzug und Personen außerhalb des Vollzugs muss verbindlicher für die gesamte Vollzugszeit festgeschrieben werden, eine Erwähnung in der Gesetzesbegründung reicht nicht. In diese Richtung geht z. B. die Vorschrift in Hessen, die vorschreibt, dass „die Bewährungshilfe … zu einer … Zusammenarbeit schon während des Vollzugs verpflichtet“ ist, „um einen bestmöglichen Übergang der Betreuung zu gewährleisten“ (vgl. § 16 Abs. 1 S. 3 HSVVollzG). Die Anstalt muss gleichfalls dazu verpflichtet werden. Überhaupt zeichnen sich die Gesetze der 8er-Gruppe dadurch aus, dass die Bewährungshilfe und weitere für die Zeit nach der Entlassung wichtige Akteure bereits in den Sicherungsverwahrungsvollzug z. B. in Konferenzen eingebunden werden – dies müssen die anderen Gesetze nachholen. Ebenso wie sich die Beteiligung Externer verbessern lässt, verhält es sich bei der Einbeziehung des Untergebrachten selbst. Denn am Bsp. der Beteiligung im therapeutischen Bereich lässt sich das Fazit ziehen, dass alle SVVollzGe noch weit davon entfernt sind, die Autonomie und Subjektstellung der Untergebrachten durch eine umfassende Einbeziehung an den die Verwahrten betreffenden Entscheidungen ausreichend zu­ akzeptieren. Die opferbezogene Vollzugsgestaltung ist z. T. abzulehnen, weil sie größtenteils von einem undefinierten und undifferenzierten Opferbegriff geprägt und daher mehr Ausdruck der kriminalpolitischen Strömung ist, die das Opfer als zentralen 903 Konzept JVA Bützow, S. 20; ähnl. Probleme der Stellenbesetzung gab es in der JVA Rosdorf, dazu Bartsch 2015, 59 sowie Konzept JVA Rosdorf, S. 13. 904 Konzept JVA Schwalmstadt, S. 50: Die Mitarbeiter verstehen „es als ihre Aufgabe, beratende und betreuende Anlaufstellen für die Arbeit mit der schwierigen Klientel der Sicherungsverwahrten zu gewinnen.“

VI. Unterbringung und Versorgung

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„Legitimationstopos“ heranzieht.905 Versäumt haben die Gesetzgeber, einen Personalschlüssel906 und Fortbildungen, Supervisionen und Fallbesprechungen gesetzlich festzuschreiben. Eine dadurch gewährleistete zielgerichtete Behandlung würde zudem auf lange Sicht nicht nur eine Kostenersparnis, sondern einen effektiven Opferschutz darstellen.907

VI. Unterbringung und Versorgung Im Alltag eines Verwahrten kommt es nicht zuletzt wegen der unbestimmten Dauer der Unterbringung darauf an, wie er untergebracht ist. Damit sind die baulich-räumlichen Gegebenheiten angesprochen.908 Schließlich stellt die Unterbringung den Rahmen dar, innerhalb dessen Neuerungen, z. B. im therapeutischen bzw. behandlerischen Bereich, hinsichtlich der zu verfolgenden Resozialisierung zur Anwendung kommen und Erfolg haben sollen.909 1. Bisherige Regelungen Zu differenzieren war bisher zwischen den vorwiegend die bauliche Unterbringung (vgl. §§ 130, 140 ff. StVollzG) und den die konkrete Unterbringung der einzelnen Sicherungsverwahrten betreffenden Normen (vgl. §§ 130, 17–19 StVollzG). Über §§ 130, 18 Abs.  1 S.  1 StVollzG hatten die Verwahrten einen Anspruch auf Einzelunterbringung während der Ruhezeit, was u. a. wegen der damit gewahrten Intimsphäre und resozialisierungsfreundlichen Wirkung als notwendige Ergänzung zu den Gestaltungsgrundsätzen galt.910 Im Sicherungsverwahrungsvollzug waren genauso wie im Strafvollzug Ausnahmen davon zulässig, z. B. wenn der Verwahrte hilfsbedürftig war.911 Dabei musste die Anstalt der besonde 905

NK-StGB-Pollähne 2013, § 61 Rn. 34; ausführl. zur Kriminalpolitik Teil A.II.2. Immerhin lässt sich konstatieren, dass sich alle Länder ausweislich der Gesetzesbegründungen am Personalschlüssel der Sozialtherapie orientieren möchten – im Gesetz selbst konnte sich jedoch kein Gesetzgeber durchsetzen, einen konkreten Personalschlüssel festzulegen. 907 Giebel, Schriftliche Stellungnahme zum ThürSVVollzG-E, S. 1. 908 Köhne, KJ 2013, 341; ebso. Dessecker, Schriftliche Stellungnahme zum ThürSVVollzG, S. 4; ders., BewHi 2013, 315: Es wird immer eine „Extremgruppe“ sehr lange verwahrt bleiben müssen; ebso. Pyhrr 2015, 343. 909 Treffend Laubenthal 2015, Rn. 344; ähnl. Calliess/Müller-Dietz 2008, § 131 Rn. 2. Neben der Unterbringungssituation sind in diesem Abschnitt Fragen des Besuchs, zur Tageseinteilung, Bewegungsfreiheit sowie Selbstverpflegung als Konkretisierungen der Freiheitsorientierung (vgl. dazu Grote 2015, 196) zu behandeln. 910 Nur Sollvorschriften enthielten das JVollzGB III a. F. und BayStVollzG a. F.; zur Ausgestaltung s. Köhne, JR 2012, 16; zur Bedeutung der Einzelunterbringung Arloth 2011, § 18 Rn. 1; SBJL-Böhm 2009, § 18 Rn. 1. 911 Dazu und weiterführend Calliess/Müller-Dietz 2008, § 130 Rn.  4; Arloth 2011, § 130 Rn. 1. 906

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

ren ­Situation der Sicherungsverwahrung durch eine umfassende Abwägung Rechnung tragen, bei der die Besonderheiten der Verwahrung (z. B. Dauer), der Gegensteuerungsgrundsatz, der im § 129 S.  2  StVollzG zum Ausdruck kommende Resozialisierungsgrundsatz und die Bemühungen der Anstalt, z. B. durch Umwidmung von Hafträumen der gemeinsamen Unterbringung abzuhelfen, zu berücksichtigen ­waren.912 Dass das Bedürfnis nach einer individuellen Ausstattung des Haftraums ein nachvollziehbares und berechtigtes Interesse des Verwahrten war, zeigte die positiv vom Strafvollzug abweichende Sonderregelung des § 131 StVollzG.913 Danach sollte vorwiegend in räumlicher Hinsicht ermöglicht werden, das Leben in der Anstalt sinnvoll zu gestalten und den persönlichen Bedürfnissen nach Möglichkeit Rechnung zu tragen.914 Allerdings galt nach §§ 19 Abs. 1 S. 1, 130 StVollzG, dass der Haftraum „nur in angemessenem Umfang“ mit eigenen Sachen ausgestattet werden durfte und ein Ausschluss bei Behinderung der Übersichtlichkeit oder aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung der Anstalt genauso in Frage kam wie im Strafvollzug.915 Allein in Baden-Württemberg war bisher eine Zellenmindestgröße von mind. sechs bis neun Quadratmetern vorgeschrieben.916 Nur in der Nr. 3 der VV zu § 131 StVollzG war die Möglichkeit eines Wohngruppenvollzugs erwähnt, welche jedoch regelmäßig an der räumlichen Situation der Anstalten scheiterte.917 Der gesetzliche (aber nicht tatsächliche)918 Regelfall der Unterbringung im offenen Vollzug war im Grunde ebenso in der Sicherungsverwahrung möglich, durch Verwaltungsvorschriften aber ebenfalls weitgehend ausgeschlossen.919

912 OLG Frankfurt NStZ-RR 2001, 28, das die Vorschrift des § 201 Nr. 3 StVollzG trotz der mangelnden Befristung als noch verfassungskonform einstufte. 913 Diese erfuhr ihre Begrenzung, wenn aus behandlerischen Gründen vom Trennungsgebot abgewichen wurde, vgl. dazu Calliess/Müller-Dietz 2008, § 140 Rn. 3 m. w. N. 914 „Haftraum“ sprach für sich; weiterführend SBJL-Koepsel 2009, § 131 Rn. 2. 915 Zum Ausschluss vgl. § 19 Abs. 2 StVollzG, diesbzgl. handelte es sich um eine Ermessensentscheidung der Anstalt, die nur eingeschränkt überprüfbar war, dazu SBJL-Böhm/Laubenthal 2009, § 19 Rn. 7, § 115 Rn. 19; s. a. die Darstellung und Kritik bei Beck, HRRS 2013, 12 ff. 916 Vgl. § 7 Abs. 2, 3 JVollzGB I; jedoch nicht nur für die SV; Krä, FS 2014, 180 m. w. N. für die Rspr. 917 Trotz Forderungen etwa von AK-StVollzG-Feest/Köhne 2006, § 131 Rn. 5; SBJL-Koepsel 2009, § 131 Rn.  2. I. Ü. wurde der Wohngruppenvollzug nur als Mindestangabe des Vollzugsplans in § 7 Abs. 2 Nr. 3 StVollzG erwähnt; festgemacht wurde er zudem im Strafvollzug an der Organisationsvorschrift des § 143 Abs. 2 StVollzG, zu landesrechtlichen Regelungen s. R. Schneider 2010, 247. 918 Zur bisherigen weit davon entfernten Praxis s.  etwa AK-StVollzG-Lesting 2006, § 10 Rn. 6; allg. krit. zum Rückgang Rehn, ZfStrVo 2003, 70 f.; dementsprechend den geschlossenen Vollzug als Regelvollzugsform in Art. 12 BayStVollzG a. F.; § 13 HStVollzG a. F.; § 12 NJVollzG a. F.; dazu Köhne, JR 2012, 16. 919 Zur grds. Möglichkeit Calliess/Müller-Dietz 2008, § 130 Rn. 2 („unzweifelhaft“); SBJLKoepsel 2009, §§ 129, 130 Rn. 4; AK-StVollzG-Feest/Köhne 2006, § 130 Rn. 4; bereits Grunau/ Tiesler 1982, § 130 Rn. 1; vgl. VV Nr. 1 Abs. 1 d zu § 10 StVollzG, die die Unterbringung im offenen Vollzug de facto unmöglich machten.

VI. Unterbringung und Versorgung

433

Die obergerichtliche Rechtsprechung sicherte dem Gefangenen und damit zugleich dem Verwahrten eine Grundsicherung (sog. „sozio-kulturelles Existenzminimum“)920 zu. Abweichend vom StVollzG war in den LStVollzGen festgelegt, dass Sicherungsverwahrte in angemessenen Umfang genauso wie Strafgefangene an Stromkosten „beteiligt“ werden konnten.921 Einkaufsmöglichkeiten waren nur durch VV erhöht. Zur Verpflegung und Gesundheitsversorgung ergaben sich keine Unterschiede zum Strafvollzug.922 Konstatieren lässt sich, dass der Vollzugsalltag in der Sicherungsverwahrung genauso fremdbestimmt war wie derjenige der Strafhaft. Von einem eigenständig organisierten Tagesablauf konnte bis auf ganz wenige Ausnahmen (z. B. das Tragen der eigenen Kleidung) so gut wie nie die Rede sein (z. B. fehlende Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Ernährung). 2. Räumlich-bauliche Unterbringung In allen Gesetzen ist die Unterbringung im geschlossenen Vollzug die Regelvollzugsform.923 Die Zeit des offenen Vollzugs ist mit dem Entlassungszeitpunkt verknüpft. Dieser ist lediglich für die Übergangsphase, sprich den Zeitraum der Entlassungsvorbereitung vorgesehen.924 Die Voraussetzungen zur Bewährungsaussetzung der Sicherungsverwahrung müssen mithin vorliegen.925 Die Ausgestaltung und Ausstattung des Zimmers und Unterbringungsbereichs bietet, wie die bauliche Neugestaltung, am deutlichsten einen Abstand zum Strafvollzug. Lan-

920 BVerwGE 87, 214; 92, 7; 92, 114: Zum über Art. 20 Abs. 1 GG gewährleisteten Existenzminimum zählt nicht nur das zum Überleben Notwendige, sondern der Betroffene muss als soziales und gemeinschaftsbezogenes Individuum existieren können. Dazu AK-StVollzGDäubler/Galli 2012, § 46 Rn. 2 und § 50 Rn. 14. 921 Auch ohne Regelung im StVollzG war eine Beteiligung an Stromkosten möglich, s. OLG Naumburg, Beschl. vom 30.1.2015 – 1 Ws (RB) 36/14, Rn. 14 – bei juris; and. AK-StVollzG/ Kellermann/Köhne 2012, § 19 Rn.  7; Köhne/Feest, ZfStrVo 2006, 74 ff.; zum Landesrecht vgl. etwa Art. 73 BayStVollzG a. F.; ebso. § 52 HmbStVollzG a. F.; § 52 Abs. 3 Nr. 4 NJVollzG a. F.; in § 9 Abs. 2 JVollzGB I a. F. war die Rede von „Betriebskosten“; ausführl § 43 Abs. 5 HStVollzG a. F. 922 Vgl. VV Nr. 4 zu § 131 StVollzG i. V. m. der VV Nr. 1 Abs. 2 zu § 22 StVollzG. 923 Vgl.  dazu BeckOK JVollzGB V-Egerer, § 16 Rn.  1; BeckOK BaySvVollzG-Gürtler/ Bauer, Art. 13 Rn. 1; BeckOK BbgSVVollzG-Goers, § 13 Rn. 1 f. 924 BT-Drs. 17/9874, S. 17; Schäfersküpper/Grote, NStZ 2013, 449; krit. Kilian, Schriftliche Stellungnahme zum SächsSVVollzG-E, S.  38; ebso. Pollähne, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG M-V-E, S. 6; Scharmer in der Anhörung zum Nds. SVVollzG-E, ARV PR 16/123&124, S. 10; and. hingegen Krä in der Anhörung zum SächsSVVollzG-E, Apr 5/1–45 A-2, S. 12. 925 Darauf hinweisend Schäfersküpper/Grote, NStZ 2013, 449. Laut Gesetzesbegründung soll die Entlassungsvorbereitung regelmäßig aber im SVV und nicht in anderen Einrichtungen des offenen Vollzuges stattfinden, außer dies würde die Möglichkeiten einer Entlassungsvorbereitung verbessern; vgl. BT-Drs. 17/9874, S. 17.

434

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

desgesetzgeber und Rechtsprechung stimmen darin überein, dass sich die Unterschiede zwischen Freiheitsstrafe und Sicherungsverwahrung in derart konkreten Aspekten wie der Raumgröße manifestieren und demonstrieren lassen. Der Überblick in Tabelle 11 zeigt jedoch Tendenzen einiger Gesetzgeber, diesen Abstand nicht allzu groß werden zu lassen. a) Vergleichsmaßstab und Ausstattung Die Unterbringung soll an die allgemeinen Lebensverhältnisse angepasst werden, wenn keine Sicherheitsbelange entgegenstehen (vgl. § 66  c Abs.  1 Nr.  2  a StGB). Es fehlt indes wie beim Abstandsgebot selbst ein konkreter Vergleichsmaßstab. Was bedeutet eine den allgemeinen Lebensverhältnissen angepasste Unterbringung? In den Gesetzgebungsverfahren kristallisierte sich heraus, dass man sich angesichts der Größe grds. an Gemeinschaftsunterkünften für Personen, die mehrere Jahre untergebracht werden müssen, wie bspw. Studierendenwohnheime oder Wohnheime für Personal oder Auszubildende (Schwesternwohnheime o. ä.), orientieren können soll.926 Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Wichtiger als Quadratmeterzahlen ist die in allen SVVollzGen vorgesehene Einzelnutzung der Zimmer als Regel, weil sie vor Übergriffen schützt. Eine Verbesserung folgt daraus, dass sie verpflichtend ist, ohne dass in derselben Norm, wie im StVollzG, zugleich Ausnahmen normiert wären.927 „Verfassungsrechtlich problematisch“ ist es hingegen, wenn Hamburg es in § 19 Abs. 3 S. 4 HmbSVVollzG nicht für erforderlich hält, die bauliche Abtrennung von Waschgelegenheit und Toilette zu regeln.928 Denn der Sicherungsver 926 Bachl, Schriftliche Stellungnahme zu den SVVollzGen, S. 7: Orientierung an Altenheimen; ebso. Kinzig, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 119: „als Untergrenze eine Unterbringung in einem Pflege- oder Studentenwohnheim, als Obergrenze die Orientierung an Sozialhilfegrundsätzen, die bei Einzelnutzung einer Wohnung von einer Größe von rund 45 m2 ausgehen“; weitgehend Scharmer in der Anhörung zum Nds. SVVollzG-E, ARV PR 16/123&124, S. 10: Vorbild des SGB II, d. h. 30–50 m2. Eine Orientierung an den Sozialhilfegrundsätzen konnte sich jedoch nicht durchsetzen, vgl. H LT-Drs. 18/6068, S. 106; s. a. Dessecker, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 100. 927 Krit. zu Sollvorschriften in den Entwürfen Kinzig, Schriftliche Stellungnahme zum HSV VollzG-E, S. 119. 928 Dessecker, BewHi 2013, 317; ders., Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S.  100 zum Schutz des Gebots der Menschenwürde; ebso. Bartsch in der Anhörung zum SVVollzG SH-E, SH RA 18/28, S. 7 zu den verfassungsrechtlich fragwürdigen nicht abgetrennten Sanitärbereichen; vgl. auch die krit. Nachfrage des Abg. Trepoll (CDU) und die ausweichende Antwort des Hmb Senats, Hmb LT-Drs. 20/6822, S. 4; s. a. OLG Hmb FS 2013, 260 ff.: Zwar stehe „die Ausstattung und Größe der Verwahrräume … nicht im Mittelpunkt“, dennoch sei „nach der von Verfassungswegen gebotenen Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung … die Eigenständigkeit des Untergebrachten durch eine besondere Ausstattung der Verwahrräume und sonst privilegierte Haftbedingungen zu wahren und ihm auch dadurch einen gewissen Grad an Lebensqualität zu ermöglichen …“

VI. Unterbringung und Versorgung

435

wahrungsvollzug soll positiv vom Strafvollzug abweichen. Dabei geht es nicht ausschließlich um Fragen der Behandlung und Betreuung, sondern zusätzlich um einen gewissen Lebensstandard im Vollzug der Sicherungsverwahrung. Wenn man damit nur zum Ausdruck bringen wollte, dass Gemeinschaftsduschen weiter­ hin zulässig sein sollen, was die Gesetzesbegründung nahe legt,929 dann ist dies für sich genommen missverständlich. Im Gegensatz dazu fordern die anderen Länder einen abgetrennten Sanitärbereich.930 Auch wenn das BVerfG bisher nur in Gemeinschaftsunterkünften die nicht-getrennte Toilette als Verstoß gegen die Menschenwürde beurteilt931, wird man Art.  1 Abs.  1 GG und dem Gebot einer wohnlichen Gestaltung des Verwahrraums mit einer vollständigen Abtrennung eher gerecht.932 Unzureichend ist es, dass die Rechte des Verwahrten bei der konkreten Zimmerausstattung weiterhin mittels des unbestimmten Rechtsbegriffs, dass die individuelle Ausstattung mit eigenem Mobiliar lediglich in „angemessenem Umfang“ zulässig sein soll, beschränkt wird. Denn dies entspricht nicht den allge­mei­ nen Lebensverhältnissen.933 Nach hier vertretener Ansicht ist einzige Beschränkungsmöglichkeit die Sicherheit der Anstalt bzw. die Erreichung des Vollzugs-

929 Hmb LT-Drs. 20/6795, S. 60: „Zudem wird kein Bedarf für Individualduschen gesehen, da auf Grund der räumlichen (Stationsdusche für maximal neun bzw. elf Untergebrachte pro Station) und organisatorischen (freie Bewegungsmöglichkeit) Bedingungen ein individuelle Nutzung der Dusche möglich ist.“ 930 Vgl. § 11 Abs. 1 S. 3 BbgSVVollzG am deutlichsten, wonach „ein baulich vollständig abgetrennter Sanitärbereich … vorzusehen“ ist; i. Ü. Tabelle 11. 931 Deutlich OLG Frankfurt NJW 2003, 2843: „Die Mehrfachbelegung von Hafträumen verstößt nach Auffassung des Senats … jedenfalls dann gegen Art. 1 I GG und Art. 3 EMRK, wenn – wie hier – die Toilette nicht abgetrennt oder nicht gesondert entlüftet ist und gleichzeitig die Mindestmaße hinsichtlich des erforderlichen Luftraums von 16 m³ …“; s. a. OLG Hamm StV 2006, 152; LG Celle StV 2005, 342; zur Einzelhaft BVerfG EuGRZ 2008, 83 und zur bisherigen Rspr. in diesem Bereich AK-StVollzG-Laubenthal 2013, § 18 Rn. 1. 932 OLG Hamm, Beschl. vom 19.12.2012 – 11 W 107/12, I-11 W 107/12, Rn. 17 (noch in Bezug auf das Gebot der wohnlichen Ausstattung in § 144 StVollzG) – bei juris; ebso. auf die Menschenwürde abstellend Bartsch, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 130. 933 Mit Recht Bartsch, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S.  130 f.; ders. in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 42: „… was nicht die Sicherheit der Anstalt gefährdet, das können wir eben auch nicht mehr unter Berücksichtigung des Angleichungsgrundsatzes dann verbieten, und wer soll bestimmen, was angemessen ist. Und das entspricht eben auch nicht dem Leben in Freiheit, dass jemand anders einem bestimmt, was angemessen ist …“; ebso. krit. Alex, ebda., S. 43; damit zusammenhängend auch Kinzig, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 119: Beschränkung aus Gründen der Ordnung abzulehnen; Dessecker, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 100; Dünkel in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr.  20/22 NEUF, S.  41. Abzulehnen ist die insoweit zu weitreichende Auffassung, dass dieser im Strafvollzug übliche unbestimmte Rechtsbegriff in der SV verwendet werden könne, weil er konkretisiert sei und daher nicht unter das Verdikt des BVerfG falle, so aber Arloth in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 41.

436

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

ziels.934 D. h. Kriterien, wie die aus dem Strafvollzug bekannte „Übersichtlichkeit des Zimmers“ oder die „Ordnung der Justizvollzugsanstalt“, wie sie z. B. in § 17 S. 1 JVollzGB V genannt werden, sind abzulehnen. Dass manche Länder auf das Strafvollzugskriterium der Übersichtlichkeit verzichteten, ist lobenswert, geht jedoch nicht weit genug.935 Es reicht nicht, wie bspw. in Hamburg auf den „angemessenen Umfang“ zu verzichten, dafür die kritikwürdigenden Beschränkungsmöglichkeiten der Übersichtlichkeit bzw. Ordnung beizubehalten.936 Negativ zu beurteilen sind Zusätze wie im BaySvVollzG (Ausschluss, wenn Besitz „mit Strafe oder Geldbuße bedroht wäre“, s.  Tabelle 11), da sie eine Selbstverständlichkeit ausdrücken und daher überflüssig sind. Unterschiede gibt es bei den Aussagen hinsichtlich der weiteren Ausstattung der Zimmer. So wurde bspw. in den Anhörungen darüber gestritten, ob die Zimmer mit Küchen und Kühlschränken auszustatten seien oder nicht.937 Die meisten Gesetze lassen alles Weitere zur konkreten Ausstattung der Zimmer offen.938 Vergleichbar zum Strafvollzug enthalten sie die Aussage, dass die „Zimmer, Gemeinschafts- und Besuchsräume … wohnlich und zweckentsprechend auszustatten“ sind (vgl. z. B. § 88 Abs. 4 HmbSVVollzG), wobei es sich aufgrund der systematischen Stellung i. R. d. Organisation der Einrichtungen um eine an die Anstalt gerichtete Anforderung handelt und daraus genauso, wie teilweise aus der Festlegung des Wohngruppenvollzugs, nicht unmittelbar ein Rechtsanspruch folgt.939 Die Wohnsituation der Verwahrten bildet die folgende tabellarische Übersicht nach Bundesländern geordnet ab.

934 Kinzig, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 119: Bsp. für Beschränkung aus Gründen der Sicherheit bei Bartsch, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 131: Brandgefahr aus „völliger Überladung“ des eigenen Zimmers mit eigenen Gegenständen bspw. Zeitschriften. 935 Daher von Dessecker, BewHi 2013, 316 auch lediglich als „nicht mehr als ein Signal“ bezeichnet. Verzichtet haben insofern Bay, H. Nds., NRW, LSA und Thür auf dieses Kriterium. 936 § 21 Abs. 1 S. 2: „Mit Gegenständen, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit geeignet sind, die Sicherheit oder in schwerwiegender Weise die Ordnung der Einrichtung, insbesondere die Übersichtlichkeit des Zimmers, oder die Erreichung des Vollzugsziels zu gefährden, dürfen die Zimmer nicht ausgestattet werden.“ 937 Vgl. dazu mit Recht das OLG Hmb FS 2013, 260 ff. 938 Kolfehoff in der Anhörung zum SVVollzG Bln-E, Wortprotokoll 17/19, S. 33 f. 939 Dennoch kann dieses Kriterium durchaus Relevanz besitzen, wie der Beschl. vom 12.4.2012 des OLG Naumburg – 2 Ws 321/11, Rn. 29 – bei juris, vor Augen führt.

437

VI. Unterbringung und Versorgung Tabelle 11 Räumlich-bauliche Ausgestaltung in den SVVollzGen940 Raumbezeichnung, Zimmergröße einschließlich des Sanitärbereichs; Besonderheiten

Regelunterbringung und Organisation der ­ Einrichtung

Ausstattung

Baden-Württemberg Zimmer: „Nettogrundfläche in Höhe der doppelten ­ Quadratmeterzahl der für Gefangene in einem Gemeinschaftshaftraum … ­ vorgesehenen Fläche“ „Ein baulich abgetrennter Sanitärbereich ist vorzusehen.“ (Abweichung von § 7 Abs. 4 JVollzGB I, dort nur für Gemeinschaftsräume)

Zimmer zur alleinigen Nutzung. Organisatorische Regelung im JVollzGB I: „Die Gestaltung der Einrichtung muss therapeutischen Erforder­ nissen entsprechen und Wohngruppenvollzug er­ möglichen.“

Ausstattung „in angemessenem Umfang mit eigenen Gegenständen.“ „Hierdurch dürfen die Übersichtlichkeit des Zimmers sowie die Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt nicht be­einträchtigt werden“.

Bayern Zimmer: einschließlich des Sanitärbereichs mind. 15 m2 „Ein baulich abgetrennter Sanitärbereich ist vor­ zusehen.“

siehe Baden-Württemberg

Ausstattung „in angemessenem Umfang mit eigenen Gegenständen.“ Ausschluss bei Beeinträchtigung der Sicherheit, der Ordnung („in schwerwiegender Weise“; Verzicht auf „Übersichtlichkeit des ­ Zimmers“); Gefahr für Vollzugsziel oder wenn Besitz „mit Strafe oder Geldbuße bedroht wäre“. (Fortsetzung nächste Seite)

940

Vgl. dazu das „neue Wohnen“ in den Konzepten in Tabelle 12; Überblick ebso. bei­ Dessecker, BewHi 2013, 316; zur Raumgröße Köhne, FS 2014, 177; Krä, FS 2014, 179 f. Zur Unterbringung im Wohngruppenvollzug finden sich unterschiedliche Vorgehensweisen: Der Wohngruppenvollzug ist in den Ländern der 8er-Gruppe „zur Konkretisierung des Grundsatzes der therapeutischen Ausgestaltung des Vollzugs … als regelmäßige Vollzugsform“ vorgesehen, so ME-SVVollzG Begründung, S. 26. Insoweit finden sich hier Regelungen im Zusammenhang mit der Unterbringung eher zu Beginn der Gesetze, die i. E. dasselbe aussagen (z. B.: §§ 11 Abs. 1 S. 4, 12 LSVVollzG/SLVVollzG) sowie organisatorische Regelungen (z. B. § 94 Abs. 1 S. 2 LSVVollzG/SLVVollzG).

438

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

(Fortsetzung: Tabelle 11)

Raumbezeichnung, Zimmergröße einschließlich des Sanitärbereichs; Besonderheiten

Ausstattung

Regelunterbringung und Organisation der ­ Einrichtung Berlin

Zimmer bietet ausreichenden Raum zum Wohnen und Schlafen „Ein baulich abgetrennter Sanitärbereich ist vor­ zusehen.“

SV erhalten Zimmer zur alleinigen Nutzung. Eigene Regelung zum „Wohngruppenvollzug“: Zimmer „befinden sich“ ­ regelmäßig im Bereich einer Wohngruppe.

Zimmer mit Möglichkeit, „anderen Untergebrachten den Zutritt zu verwehren.“

Hinsichtlich organisatorischer Regelungen siehe Baden-Württemberg.

Dürfen „mit eigenen Gegenständen“ ausstatten bzw. diese aufbewahren. Ausschluss bei Gefährdung der Sicherheit; Ordnung („insbesondere die Übersichtlichkeit des Zimmers“) oder des Vollzugsziels.

Brandenburg Zimmer bietet ausreichenden Raum zum Wohnen und Schlafen

siehe Berlin

„Ein baulich vollständig abgetrennter Sanitärbereich ist vorzusehen.“ Bremen Zimmer bietet ausreichenden Raum zum Wohnen und Schlafen

siehe Berlin

„Ein baulich abgetrennter Sanitärbereich ist vorzusehen.“ Hamburg Zimmer: ausreichender Raum zum Wohnen und Schlafen, von dem bei weniger als 15 m2 (inkl. Sanitär) nicht mehr auszugehen ist. „Es ist nicht erforderlich, dass die Waschgelegenheit und die Toilette baulich vollständig abgetrennt sind.“

Zur alleinigen Nutzung; „wird“ regelmäßig als Wohngruppenvollzug ausgestaltet. Hinsichtlich organisatorischer Regelungen siehe Baden-Württemberg.

Dürfen „mit eigenen Gegenständen“ ausstatten. Ausschluss bei Gefährdung bei Sicherheit; Ordnung („insbesondere die Übersichtlichkeit des Zimmers“) oder des Vollzugsziels.

439

VI. Unterbringung und Versorgung

Raumbezeichnung, Zimmergröße einschließlich des Sanitärbereichs; Besonderheiten

Regelunterbringung und Organisation der ­ Einrichtung

Ausstattung

Hessen Zimmer: 18 m zum Wohnen Zur alleinigen Nutzung; und Schlafen einschließlich „geeignete Untergebrachte Sanitärbereich. sollen in Wohngruppen untergebracht werden.“ Legaldefinition Zimmer: „Wohn- und Schlafbereich“. Hinsichtlich organisatorischer Regelungen siehe ­ Baden-Württemberg. 2

Ausstattung „in angemessenem Umfang mit eigenen Gegenständen“. Ausschluss bei Gefährdung der Sicherheit; der Ordnung („in schwerwiegender Weise“; Verzicht auf „Übersichtlichkeit des ­ Zimmers“) oder des Vollzugsziels.

Mecklenburg-Vorpommern Zimmer: ausreichender Raum zum Wohnen und Schlafen, der mind. 15 m2 (inkl. Sanitär) beträgt.

siehe Berlin

„Ein baulich abgetrennter Sanitärbereich ist vor­ zusehen.“ Niedersachsen Unterkunftsbereich. „Der Sanitärbereich ist ­ baulich vollständig ab­ zutrennen.“

Zur alleinigen Nutzung, Unterkunftsbereiche „sollen“ zu Wohngruppen zusammengefasst werden.

Ausschluss von Gegen­ ständen bei Gefährdung der Sicherheit oder des Vollzugsziels.941

Nordrhein-Westfalen Zimmer: in ausreichender Größe

siehe Baden-Württemberg

siehe Hessen

„Ein baulich abgetrennter Sanitärbereich ist vorzusehen.“ 941

(Fortsetzung nächste Seite)

941

D. h. Verzicht auf Ordnung und insbes. auf „Übersichtlichkeit des Zimmers“.

440

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

(Fortsetzung: Tabelle 11)

Raumbezeichnung, Zimmergröße einschließlich des Sanitärbereichs; Besonderheiten

Ausstattung

Regelunterbringung und Organisation der ­ Einrichtung

Rheinland-Pfalz/Saarland Zimmer: ausreichender Raum zum Wohnen und Schlafen, der mind. 15 m2 (inkl. Sanitär) beträgt

siehe Berlin

„Ein baulich abgetrennter Sanitärbereich ist vor­zusehen.“ Sachsen Zimmer: mindestens 20 m2 zum Wohnen und Schlafen „einschließlich eines baulich abgetrennten Sanitärbereichs“.

siehe Berlin

Dürfen „mit eigenen Gegenständen“ ausstatten bzw. diese aufbewahren. Ausschluss bei Gefährdung der Sicherheit; Ordnung („insbesondere die Übersichtlichkeit des Zimmers“) oder des Vollzugsziel.

Siehe Raumgröße.

Sachsen-Anhalt Unterkunftsbereich: mindestens 15 m2 zum Wohnen und Schlafen, „einschließlich einer eigenen Nasszelle mit Dusche und einer eigenen Kochgelegenheit mit Kühlschrank“. „Unterkunfts- und Sanitärbereich sind baulich voneinander abzutrennen.“

Unterkunftsbereich zur ­ alleinigen Nutzung.

Dürfen „mit eigenen Gegenständen“ ausstatten.

Organisatorische Regelung: Gestaltung der Einrichtungen „muss“ therapeutischen Erfordernissen entsprechen und „soll“ Wohngruppenvollzug ermöglichen.

Ausschluss bei Gefährdung der Sicherheit; der Ordnung („in schwerwiegender Weise“; Verzicht auf „Übersichtlichkeit des Zimmers“); des Vollzugsziels oder wenn „Aufbewahrung nach Art oder Umfang offensichtlich nicht möglich“.

Schleswig-Holstein Zimmer bietet ausreichenden Raum zum Wohnen und Schlafen. „Ein baulich abgetrennter Sanitärbereich ist vorzusehen.“

siehe Berlin

Dürfen „mit eigenen Gegenständen“ ausstatten bzw. diese aufbewahren.

441

VI. Unterbringung und Versorgung

Raumbezeichnung, Zimmergröße einschließlich des Sanitärbereichs; Besonderheiten

Regelunterbringung und Organisation der ­ Einrichtung

Ausstattung

Schleswig-Holstein Ausschluss bei Gefährdung der Sicherheit; der Ordnung („in schwerwiegender Weise“; insbesondere wenn Gefährdung der Übersichtlichkeit des Zimmers) oder der Erreichung des Vollzugsziels. Thüringen Zimmer: ausreichender Raum zum Wohnen und Schlafen.

siehe Hessen

„Ein baulich vollständig abgetrennter Sanitärbereich ist vorzusehen.“

b) Raumgröße Schon im Vorfeld der Gesetze gab es eine von kontroversen Entscheidungen begleitete Debatte über die Raumgröße der neuen Zimmer.942 Der Sicherungsverwahrungsvollzug sollte sich nicht in einzelnen Quadratmetern verlieren.943 Mit der Ausrichtung auf die Reduzierung der Gefährlichkeit und Rückfallgefahr ist jedoch nicht nur Therapie gemeint, sondern allgemein eine zur Minimierung beitragende Unterbringung.944 Fast alle Länder der 8er-Gruppe sowie Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Thüringen haben hinsichtlich der Größe des Raumes eine unbestimmte Formulierung gewählt, wie die Übersicht in Tabelle 11 zeigt.945 Im Üb-

942 Zum HmbSVVollzG-E Dünkel, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF S. 6: 15 m2 zu wenig; Kinzig, ebda., S. 10: mit 15 m2 einverstanden; Skirl, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 59 f. Orientierung am OLG Naumburg; eher gleichgültig Frommel in der Anhörung zum SVVollzG SH-E, SH RA 18/28, S. 19. 943 Kritik bei Wischka, FS 2014, 229. 944 In diesem Sinne Köhne, FS 2014, 177. 945 Nach § 61 Abs. 4 S. 1 ThürSVVollzG – eine der wenigen vom HSVVollzG abweichenden Formulierungen – sind „die Zimmer … so zu gestalten, dass den Untergebrachten aus­ reichender Raum zum Wohnen und Schlafen zur Verfügung steht.“ Für die gleichlautende Norm des § 14 Abs. 2 SVVollzG NRW hat das OLG Hamm eine Zimmergröße von 10,43 m 2

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

rigen wird den Verwahrten in der anderen Hälfte der SVVollzGe mindestens eine Raumgröße von 14 m2 (vgl. § 7 Abs. 6 i. V. m. Abs. 3 JVollzGB I) und bis zu (mindestens) 20 m2 (vgl. § 11 Abs. 1 S. 2 SächsSVVollzG) zugestanden. Eine der seit den Änderungen im Sicherungsverwahrungsvollzug wohl meistbeachteten Entscheidungen ist die des OLG Naumburg vom 30.11.2011 zur Frage, welche Raumgröße den Anforderrungen des BVerfG gerecht wird.946 Danach müssten die Sicherungsverwahrten zukünftig in Räumen mit angemessener Größe untergebracht werden, was der Fall sei, wenn sich der Raum in Größe und Ausstattung deutlich von den Hafträumen des Strafvollzugs unterscheide. Daraufhin legte das Gericht fest, dass der Raum mit einer eigenen Nasszelle, Kochgelegenheit und Kühlschrank auszustatten sei und mindestens 20 m2 (zzgl. der Nasszelle) groß sein müsse. Dem halten andere Gerichte entgegen, dass eine Anstalt mit Räumen, die größer als 20 m2 seien, den Vorgaben des BVerfG nicht besser gerecht werde, als eine mit kleineren Räum.947 Bei einem mehr als 10 m2 großen Raum sei nicht von einer menschenunwürdigen Unterbringung – dies sei abhängig von Größe und Ausstattung sowie Belegung – auszugehen. Ein Menschenwürdeverstoß sei nämlich erst dann „nahe­liegend …, wenn die Grundfläche der Zellengröße pro Gefangenem 5 m2 unterschreitet“948 – so die Richter des OLG Hamm. Zudem bestimme sich die tatsächlich erforderliche Mindestgröße nach den sonstigen Möglichkeiten des Verwahrten, wie sich in der Anstalt bewegen zu können bzw. im Freien aufzuhalten.949 Aus dem Urteil des höchsten deutschen Gerichts selbst bzw. dessen Forderungen nach einem deutlichen Abstand und Orientierung an allgemeinen Lebensverhältnissen in Freiheit folgt keine konkrete Raumgröße, sondern „lediglich“ das Erfordernis eines privilegierten Mindeststandards.950 Es wäre wenig sach­ zzgl. eines baulich abgetrennten Sanitärbereichs von 1,20 m 2 als ausreichende Zimmergröße eingestuft, vgl. OLG Hamm, Beschl. vom 14.1.2014 – III-1 Vollz (Ws) 438/13, 1 Vollz (Ws) 438/13, Rn. 16 – bei juris. 946 OLG Naumburg FS 2012, 55 ff. 947 OLG Hamm, Beschl. vom 19.11.2012 – III-1 Vollz (Ws) 300/12, 1 Vollz (Ws) 300/12, Rn. 26 – bei juris; ebso. OLG Hamm NStZ-RR 2013, 123 ff.; FS 2013, 258; sowie in weiteren 16 Fällen, in denen sich allesamt Verwahrte der JVA Werl gegen die Raumgröße von mehr als 10 m2 sowie eine nur durch einen Vorhang abgetrennte Toilette wg. Verstoßes gegen das Abstandsgebot gewehrt hatten. S. dazu des Weiteren OLG Hamburg FS 2013, 260 ff. sowie OLG Koblenz, Beschl. vom 6.7.2012 – 1 W 266/12, Rn. 3 – bei juris, wobei der Verwahrraum in der letztgenannten Entscheidung sicherlich als dauerhaft zu klein einzustufen ist (dort 8,10 m 2), trotz der vom OLG vorgenommenen Gesamtbewertung mit anderen Aspekten (z. B. zu öffnendes Fenster). 948 OLG Hamm, Beschl. vom 19.11.2012 – III-1 Vollz (Ws) 300/12, 1 Vollz (Ws) 300/12, Rn. 28 – bei juris. 949 OLG Hamm, Beschl. vom 19.11.2012 – III-1 Vollz (Ws) 300/12, 1 Vollz (Ws) 300/12, Rn. 26 – bei juris; ebso. OLG Hamburg FS 2013, 260. 950 OLG Hamm FS 2013, 259; ebso. Arloth, FS 2012, 59: Abstandsgebot erfordere keine konkrete Zimmergröße; ebso. BeckOK JVollzGB V-Egerer, § 16 Rn.  3; Grote 2015, 195; Pyhrr 2015, 255; Köhne, FS 2014, 177; Krä, FS 2014, 180: „verfassungsrechtlich nicht geboten“.

VI. Unterbringung und Versorgung

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gerecht gewesen, hätte das Gericht eine konkrete Zimmergröße genannt, wo es doch seine Aufgabe ist, einen verfassungsrechtlich gebotenen Rahmen für den Sicherungsverwahrungsvollzug vorzugeben und nicht jedes einzelne Detail konkret zu ­benennen. Den zuletzt genannten Entscheidungen ist insofern zu folgen, dass mehr auf die Funktion des Raumes, denn eine ganz bestimmte Quadratmeterzahl abzustellen ist.951 Der Unterkunftsbereich muss dem Angleichungsgrundsatz und größtmöglicher Freiheitsorientierung mehr als für Strafgefangene gerecht werden. Funktional betrachtet, sollte der Raum in puncto Größe und Ausstattung einer Wohnung gleichkommen.952 M. a. W. muss das Zimmer dem Schlafen, der Körperpflege und der Freizeitbeschäftigung genauso dienen wie der Aufbewahrung von persönlichen Gegenständen.953 Das BVerfG betont deutlich im Zusammenhang mit dem Trennungsgebot, dass „die Gestaltung des äußeren Vollzugsrahmens … dem spezialpräventiven Charakter der Sicherungsverwahrung Rechnung zu tragen“ hat „und einen deutlichen Abstand zum regulären Strafvollzug erkennen lassen“ muss.954 Es bedarf also verbesserter Unterbringungsstandards955 als im Strafvollzug, was in erster Linie wegen der Zusammenhänge von Zellengröße, sinnvoller Freizeitgestaltung und Resozialisierung sowie Gefährlichkeitsminimierung­ herrührt. Darüber hinaus kommt dem Haftraum vorwiegend deshalb eine besondere Bedeutung zu, weil er die Funktion hat, der private Schutz- und Rückzugsort des Verwahrten zu sein.956 Jedoch kann ein Raum, der nicht über 20 m2 groß ist, diese Funktion ebenfalls in einem hinreichenden Abstand zum Strafvollzug erfüllen. Er unterscheidet sich immer noch ausreichend genug von den Haftzellen für Straf­ gefangene, welche regelmäßig nicht größer sind als 8 bis 9 m2 957 und trägt zudem 951

Arloth, FS 2012, 59 f.; ders. 2013, 211; Bartsch, NK 2013, 201; BeckOK BaySvVollzGGürtler/Bauer, Art. 16 Rn. 4: „Das isolierte Abstellen auf eine Zimmergröße ist daher bereits vom Ansatz her verfehlt …, zumal die gegriffene Zahl von 20 Quadratmetern eher willkürlich erscheint.“; Pyhrr 2015, 209; s. a. Skirl, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 59. 952 So Köhne, FS 2014, 178; ähnl. Pyhrr 2015, 252; einschränkend Krä, FS 2014, 180. 953 So bspw. Hmb LT-Drs.  20/6795, S.  60; OLG Hamburg FS 2013, 260; Skirl, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 59; ebso. Krä, FS 2014, 181; BeckOK JVollzGB V-Egerer, § 16 Rn.  3: Zimmer funktional i. S. e. Wohnung zu verstehen; ähnl. BeckOK BbgSVVollzG-Goers, § 11 Rn. 2. 954 BVerfGE 128, 380. 955 KG Berlin StV 2014, 145: Um dem Angleichungsgrundsatz gerecht zu werden „steht dem Sicherungsverwahrten … ein Recht ‚auf einen gewissen Grundstandard‘ zu.“; ebso. Köhne, FS 2014, 178. 956 So OLG Naumburg, Beschl. vom 12.4.2012 – 2 Ws 321/11, Rn. 29 – bei juris. 957 S. die Antwort des Hmb Senats auf die Kleine Anfrage des Abg. Trepoll (CDU) vom 12.2.2013, Hmb LT-Drs. 20/6822, S. 2: „In der Praxis sind die Zimmer der Sicherungsverwahrten mit einer Grundfläche von circa 17 m2 rund doppelt so groß wie die der Strafgefangenen in der JVA Fuhlsbüttel.“ Ebso. Köhne, FS 2014, 177; AK-StVollzG-Feest/Köhne 2012, § 129 Rn. 13; s. a. Arloth in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 6: Zimmer i. d. R. größer als in der Forensik; ders. 2013, 211; Krä, FS 2014, 181.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

den Bedürfnissen des Sicherungsverwahrten nach einer angemessenen Wohneinheit Rechnung.958 Allerdings müssen aufgrund der neuen Forderungen des BVerfG, die Sicherungsverwahrung freiheitsorientiert zu gestalten, die Umstände in Freiheit bei der Bemessung der Mindestraumgröße herangezogen werden. In allen Gesetzen sollten Mindestquadratmeterzahlen, die nicht unterschritten werden dürfen, so wie bspw. in § 19 Abs. 3 S. 3 HmbSVVollzG, normiert werden – selbst wenn dies in letzter Konsequenz bedeuten würde, dass die Räume nochmals umgebaut werden müssten. Dies alleine der Klärung der Rechtsprechung zu überlassen bzw. sich auf die bisherige Auslegung der „Angemessenheit“ des Zimmers zu verlassen, würde nicht den Erfordernissen nach einer Regelungsdichte und Sonderstellung der Verwahrten seitens des BVerfG gerecht.959 Eine Definition der „ausreichenden Zimmergröße“ fehlt.960 Die unterschiedliche Rechtsprechung hat zudem gezeigt, dass diesbzgl. nicht von Rechtssicherheit oder gar einer „krisenfesten“ Norm zu sprechen ist. Außerdem haben die fehlenden konkreten Angaben in den bis dato geltenden Strafvollzugsgesetzen zu einer deutlich unterschiedlichen Praxis geführt.961 Das Argument, dass Verwahrte bei Entlassung ein sozialer Abstieg drohe, mag zwar durchaus zutreffen.962 Es kann hier aber nicht recht überzeugen, weil daran nicht das Abstandsgebot gemessen werden kann. 3. Wohngruppenvollzug Häufig sind Untergebrachte nur in begrenztem Maße gemeinschaftsfähig. Ihnen fehlt eine Kooperationsbereitschaft bzw. -fähigkeit, sie fühlen sich nicht solidarisch.963 Daher bürgen die Verbesserungen der Unterbringung zugleich die 958 OLG Hamburg FS 2013, 260 ff.; and. Dünkel in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 6: „Es mag wahrscheinlich daran liegen, dass die Zellen, die dafür vorgesehen sind, einfach nur 15 Quadratmeter haben, aber das erfüllt natürlich das Abstandsgebot nicht, wenn man davon ausgeht, dass im Strafvollzug eine menschliche Unterbringung eigentlich auch mehr als 10 Quadratmeter bedeuten muss.“ 959 Köhne, FS 2014, 178: andernfalls fehle die „Bestandsgarantie“; in diesem Sinne Bartsch in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF S. 43: Zwar habe sich die Auslegung des Begriffs der Angemessenheit womöglich bisher im Strafvollzug bewährt, aber das BVerfG habe auch gesagt, dass es jetzt and. gemacht werden müsse in der SV. Abschließend fragt er: „…wo wollen Sie denn die Unterschiede herausstellen, wenn nicht in solchen Punkten?“ Auf eine Mindestquadratmeterzahl abstellend Hmb LT-Drs. 20/6795, S. 60; BeckOK BaySvVollzG-Gürtler/Bauer, Art. 16 Rn. 4; BeckOK BaySvVollzG-Gürtler/Ebert, Art. 16 Rn. 4. 960 Köhne, FS 2014, 178 m. w. N. 961 Köhne, FS 2014, 177 f.; zu widersprechen hingegen Grote 2015, 195. 962 Krä, FS 2014, 181; Wischka, FS 2014, 229. 963 Dazu Konzept der JVA Bbg a. d. H., S. 27; Konzept JVA Bützow, S. 19; hingegen Arloth in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF S. S. 44, 46 f.: „Zurückhaltung beim Wohngruppenvollzug“; and. mit Recht Alex, ebda., S. 47: Wohngruppenvollzug trage gerade dazu bei, Sozialverhalten zu üben.

VI. Unterbringung und Versorgung

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­ efahr, dass sich die Untergebrachten in ihre Zimmer zurückziehen.964 ZwiG schen der angestrebten komfortable(re)n Ausstattung und der Aufrechterhaltung von Sozialkontakten besteht daher ein Spannungsverhältnis. Verstärkt wird dies durch Regelungen der SVVollzGe, welche der Umsetzung des Minimierungsgebots und der daraus folgenden Verpflichtung zur Angleichung an Lebensverhältnisse in Freiheit dienen, wie bspw. die Selbstverpflegung oder eigenständig zu bestimmende Freizeitmöglichkeiten. Dass sich Untergebrachte bis dato separierten und auf ihre Zellen zurückzogen, hat die empirische Analyse in Teil  B. gezeigt. Da ein völliger Rückzug aus den sozialen Bezügen in der Anstalt aus therapeutischer Sicht und im Hinblick auf eine mögliche Entlassung kontraproduktiv ist, bedarf es in der Sicherungsverwahrung eines Wohngruppenkonzepts als Regelvollzugsform.965 Hinsichtlich der Prämisse, sich am neuesten wissenschaftlichen Stand zu orientieren, überzeugt es umso weniger, dass nicht alle SVVollzGe den Wohngruppenvollzug als Regelvollzugsform etabliert haben.966 Denn gute Erfahrungen mit diesem Konzept sind empirisch nachgewiesen.967 Was mit den Forderungen nach verbindlichen Vorschriften zu den Wohngruppen einhergehen muss, ist die Forderung nach ausreichend und speziell geschultem Personal. Nur damit kann subkulturellen Strukturen, Gewalt und Unterdrückung

964

Skirl in der Anhörung zum SVVollzG NRW-E, APr 16/167, S. 14, 20 f.; ders., Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 59: „je gemütlicher und vor allem autarker die Zimmer der Verwahrten künftig werden, um so größer die Gefahr, die Verwahrten in Regression und selbstgewählter Isolation zu bestärken.“ 965 Wischka 2004a, 335 mit Definition: Eine Wohngruppe ist danach „eine soziale Einheit, die das Gesamtsystem überschaubar gliedert und das Zentrum der zwischenmenschlichen Beziehungen bildet, in dem sich ein großer Teil des Freizeitlebens abspielt. Sie soll alle Möglichkeiten bieten, alltägliche Angelegenheiten mithilfe zugeordneter Gruppenbeamten weitgehend selbstständig zu regeln, sie soll in Richtung einer problemlösenden therapeutischen Gemeinschaft entwickelt werden.“ S. a. Dünkel, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG M-V-E, S. 37; zu Forschungsergebnissen sogleich Fn. 967. 966 Recht verbindlich bspw. § 6 Abs. 2 S. 3 JVollzGB I („muss therapeutischen Erfordernissen entsprechen und Wohngruppenvollzug ermöglichen“) bzw. § 11 Abs. 1 S. 4 SVVollzG Bln („Vollzug wird regelmäßig als Wohngruppenvollzug ausgestaltet“; wie im ME-SVVollzG eigener Paragraph zum „Wohngruppenvollzug“) und die jeweils entsprechenden Regelungen der anderen Länder. Abgeschwächter nur in § 20 Abs. 3 S. 1 Nds. SVVollzG, § 94 Abs. 2 S.  2 SVVollzG LSA. Abzulehnen ist die Variante, wonach der Wohngruppenvollzug nur „geeigneten“ Untergebrachten zur Verfügung gestellt werden „soll“ (vgl. § 19 Abs.  3 S.  1 HSVVollzG/ThürSVVollzG), weil dies eine doppelte Aufweichung zur Regelunterbringung in anderen Ländern vorsieht und zudem im Widerspruch zur eigenen institutionellen Absicherung in § 67 Abs. 2 S. 2 HSVVollzG bzw. § 61 Abs. 2 S. 2 ThürSVVollzG steht. Krit. daher ­Fabricius, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 63; Kahle in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 26. 967 Etwa Schweikardt/Thomas, FS 2009, 200 f.: geringere Rückfallquote; Übersicht der empirischen Erkenntnisse bei Wischka 2004a, 342 ff.; zur positiven Grundhaltung der Praxis R. Schneider 2010, 239 m. w. N.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

entgegengewirkt werden.968 Neben der Verhinderung des völligen Rückzugs und der Vereinsamung969 bieten die Wohngruppen die Möglichkeit, ein Zusammen­ leben einzuüben, bei dem die Erwartungen und Bedürfnisse der Mituntergebrachten respektiert, auftretende Konflikte gemeinsam gelöst sowie Verantwortung übernommen werden muss. Dies dient gleichfalls dazu, sozialadäquates von Toleranz und Rücksichtnahme geprägtes Verhalten zu erlernen bzw. zu üben sowie die Beziehungsfähigkeit und -gestaltung optimal zu fördern.970 Daneben operationalisiert die Wohngruppe die Gestaltungsgrundsätze, das Leben demjenigen in Freiheit anzugleichen, schädlichen Folgen entgegenzuwirken und bei der Wiedereingliederung in Freiheit zu helfen.971 Der Problematik, dass sich gewisse Rückzugstendenzen bzw. Gruppenuntauglichkeiten schon im Strafvollzug verfestigt haben könnten, d. h. Untergebrachte womöglich (zunächst) nicht wohngruppenfähig sind,972 bedeutet nicht den Ausschluss der Unterbringung in einer Wohngruppe. Vielmehr kann derjenige „nur“ nicht von Beginn am therapeutischen Konzept des Wohngruppenvollzugs vollumfänglich teilnehmen. Die­ Praxis muss in diesem Fall (noch) stärker und professioneller motivieren. Ebenfalls ist die Beteiligung anderer wohngruppenfähiger Verwahrter denkbar.973 „Wohngruppenunfähigkeit“ darf nicht automatisch mit Untherapierbar- bzw. Unwilligkeit oder Hoffnungslosigkeit gleichgesetzt werden. Damit die Wohngruppe, das künftige Zimmer und die Funktionsfähigkeit der Gruppe Schritt für Schritt kennengelernt werden kann, gibt es bspw. in der JVA Brandenburg a. d. H. einen sog. „Time-Out-Bereich“.974 Das Konzept der Anstalt beschreibt, wie es einen (völligen) Rückzug des Verwahrten ggf. verhindern will. 968 Eindrücklich A. Böhm 1998, 1021 f.: Die Wohngruppe müsse von Personal „durchtränkt“ sein, um Schwächere vor Quälereien zu schützen, wozu es auch einer entsprechend guten Ausbildung des Personals bedürfe; ähnl. Wolf in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48UJV/18/37, S. 10 f. 969 Blau 1998, 774; Skirl, ZfStrVo 2005, 323 ff. 970 Konzept SothA JVA Werl, S. 5; Konzept JVA Freiburg, S. 3 f.: weil sich die Persönlichkeitsstörungen primär im Beziehungsverhalten widerspiegle, sei eine soziale Interaktion in der Wohngruppe sehr wichtig; ähnl. Konzept JVA Freiburg 2016, S.  4 ff.; OLG Karlsruhe, Beschl. vom 29.1.2014 – 2 Ws 449/13, Rn. 18 – bei juris; ebso. § 20 Abs. 2 S. 2 ThürSVVollzG: „Der Wohngruppenvollzug dient der Vermittlung eines sozialverträglichen Zusammenlebens, insbesondere von gegenseitiger Toleranz sowie der Übernahme von Verantwortung für sich und andere.“ Zur Bedeutung des Wohngruppenvollzugs ausführl. R. Schneider 2010, 231 ff. m. w. N. 971 Wischka 2004a, 335. 972 Dazu nach Auswertung der vorhandenen Forschungsergebnisse Wischka 2004a, 344 f. 973 Konzept JVA Bbg. a. d. H., S.  27, wonach ein System zu entwickeln sei, „dass Unter­ gebrachten, die in die Wohngruppe integriert sind, an der Verantwortung für die Einbeziehung der Neuaufnahmen und derjenigen Verwahrten, die sich temporär der Wohngruppen­ integration verweigern, beteiligt.“ 974 Konzept JVA Bbg. a. d. H., S.  24; zum „Time-Out-Bereich“ s.  d. Angaben des Landes i. R. d. Umfrage von Arloth, FS 2013, 221; knapp Endres/Breuer, FS 2011, 294; s. a. Konzept JVA Rosdorf, S. 10 ff.

VI. Unterbringung und Versorgung

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Der Wohngruppenvollzug wird zusätzlich durch bestimmte Maßnahmen gefördert und in das Motivierungssystem eingebaut.975 Einerseits soll eine Wohngruppenverfassung, eine Art Hausordnung nur für die Wohngruppe (vgl. zu dieser gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit z. B. § 101 Abs. 2 BbgSVVollzG), sicherstellen, dass Vergünstigungen für den Einzelnen immer mit dessen aktiver Mitarbeit im Alltag und einer gewissen Verantwortungsübernahme (z. B. zur Einbeziehung von neuaufgenommenen Untergebrachten) einhergehen. Des Weiteren sollen bestimmte Freizeitmaßnahmen nur in der Wohngruppe angeboten werden. Andere Konzepte sehen in verschiedenen Abteilungen differenzierende Wohngruppenmodelle i. S. e. gestuften Wohngruppenvollzugs vor.976 4. Einschlusszeiten Die Entwürfe bringen wie die Gesetze zum Ausdruck, dass die Beschränkun­ gen im Alltag auf ein Minimum zu reduzieren sind.977 Eine Tageseinteilung in „insbesondere Behandlung, Betreuung, Beschäftigung und Freizeit sowie … Nachtruhe“ (vgl. etwa § 19 Abs. 1 S. 2 SVVollzG NRW) ist von Vorteil, weil das Leben in Freiheit ohne Straftaten durch einen strukturierten Tagesablauf gefördert werden dürfte.978 Eine deutliche Besserstellung wird damit erreicht, dass es die aus dem Strafvollzug bekannten und üblichen Einschlusszeiten nicht mehr gibt.979 Auf die Beschränkung der Bewegungsfreiheit in Form des Nachteinschlusses wollten die Länder trotz teils heftiger Kritik im Grundsatz und ihres sonst fortschrittlichen Konzepts der „offenen Türe“ jedoch nicht verzichten.980 In den meisten Ländern

975

Vgl. zum Folgenden Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 27. Konzept JVA Freiburg, S. 4; Konzept JVA Freiburg 2016, S. 8 ff.; ähnl. OLG Karlsruhe, Beschl. vom 29.1.2014 – 2 Ws 449/13, Rn. 18 – bei juris: Wohngruppenvollzug müsse in den insgesamt vier Abteilungen der SV differenziert ausgestaltet werden. 977 Deutlich GE-SVVollzG, S.  2 f.: „Sämtliche Aspekte der Alltagsgestaltung … werden konsequent im Abstand zum Strafvollzug geregelt und Einschränkungen auf das Unumgängliche reduziert.“ 978 Die Einteilung des Tages nimmt aber der Gesetzgeber bzw. die Anstalt und nicht der Verwahrte eigenständig vor, vgl. Schriftlicher Bericht des ARV, Nds. LT-Drs. 16/5519, S. 19. 979 Zum Strafvollzug bspw. die Angaben auf der Homepage der JVA Rottenburg in BW (www.jva-rottenburg.de/pb/,Lde/1240600, zuletzt abgerufen am 04.01.2017): Werktags wird um 6:00 Uhr geweckt und Frühstück ausgegeben, um 16.15 Uhr wird wieder in die Hafthäuser eingerückt; um 19:45 Uhr beginnt der Einschluss. An Wochenenden ist erst um 7:00 Uhr Frühstücksausgabe, von 13:30 Uhr bis 15:50 Uhr Freizeit und anschließend Ausgabe des Abendessens, Vollzähligkeitskontrolle und Einschluss. 980 Zum Nachteinschluss Ansorge 2013, 29: „Politik der offenen Tür“, d. h. die Zellen wurden nur für die Nacht geschlossen; and. noch Karras, FS 2011, 300. Insgesamt nennen nur sechs Länder der 8er-Gruppe und Nds. den „Einschluss“ erstmals im Gesetz konkret beim Namen, d. h. den Zeitraum der Nachtruhe, wann Inhaftierte in ihren Zimmern eingeschlossen sind (z. B. § 85 Nds. SVVollzG) Zweifel bei Bartsch in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 12; deutlich krit. dann ders., NK 2013, 202. 976

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

der 8er-Gruppe besteht dem Gesetzeswortlaut aufgrund des eingeräumten Ermessens zumindest die Möglichkeit, auf den nächtlichen Einschlusses zu verzichten.981 Gestützt wird der Nachteinschluss auf Sicherheitsaspekte u. a. zugunsten des Untergebrachten z. B. zum Schutz vor Übergriffen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass der Grund im fehlenden Personal liegt, was nicht zu tolerieren ist.982 Daher muss ausreichend Personal in der Nacht bereitgestellt und der Nachteinschluss abgeschafft werden. Denn mit den normalen Lebensverhältnissen hat dieser nichts zu tun. Unstimmig ist es, wenn in den meisten Gesetzen einerseits von außerhalb der Nachtruhe freien Bewegungsmöglichkeiten innerhalb und außerhalb der Sicherungsverwahrungsabteilung die Rede ist (z. B. § 27 Abs.  2 ThürSVVollzG), andererseits i. R. d. Gesundheitsvorsorge aber davon gesprochen wird, dass mindestens eine Stunde Freigang im Hof „ermöglicht“ werden solle (vgl. § 23 Abs. 3 S. 1 ThürSVVollzG). Laut einiger Gesetzgeber wollte man damit den Anspruch, eine „Mindestgarantie“ selbst bei sonstiger Beschränkung der Bewegungsfreiheit (z. B. aus Sicherheitsgründen) festschreiben.983 Dafür sollte jedoch der Wortlaut geändert und i. S. e. Privilegierung ggü. Strafgefangenen eine Erhöhung des Mindestanspruchs vorgenommen werden.984 Mit der Beibehaltung der im Strafvollzug schon gewährten Mindestfreistunde wurde kein Privileg geschaffen.985 In Hessen wird zudem die Bewegungsfreiheit zugleich nur auf den Innenbereich der Sicherungsverwahrungsabteilung bezogen und nicht wie in den anderen Ländern auch auf den Außenbereich.986 Dadurch wird zwar merklich ein Widerspruch mit der Norm zur Gesundheitsvorsorge vermieden, insgesamt aber die Bewegungsfreiheit viel restriktiver gehandhabt, weil ein Stationsprinzip übrig bleibt.

981 And. nur § 11 Abs. 3 S. 2, 3 SVVollzG Bln: Nur noch im absoluten Ausnahmefall, wenn die Leitung der Einrichtung mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde eine solche Regelung trifft, kann vom Einschluss abgesehen werden kann (and. noch in Bln 17/0689, S. 62). 982 Fölsch, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH-E, S. 4: „Im Rahmen dieser Regelung gilt es auch, einem ‚Missbrauch‘ dieser Vorschrift aufgrund Personalmangels entgegenzuwirken“; s. a. Dünkel in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr.  20/22 NEUF, S. 24: Geschützt seien die SV, wenn sie ihre Zimmer selbst schließen könnten und genügend Personal vorhanden sei, das die Geschehnisse überblickt. 983 Etwa SH LT-Drs. 18/448, S. 179; ebso. v. d. Boogart, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH-E, S. 4 krit. zum Wortlaut: „etwas schwach“. 984 Mind. eine Stunde Aufenthalt im Freien sei „deutlich zu wenig“, so Kinzig in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 30; ebso. Erdem/Scherzberg, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 27. 985 Krit. der Menschenrechtskommissar Hammarberg in EGMR, Urt. vom 17.12.2009  – 19359/04, M ./. Deutschland, Rn. 77 – bei juris. 986 § 27 Abs. 2 S. 1 HSVVollzG: „Außerhalb der Nachtruhe dürfen sich die Untergebrachten in den für sie vorgesehenen Bereichen innerhalb der Einrichtung frei bewegen.“ Laut Gesetzesbegründung H LT-Drs. 18/6068, S. 77 grenzen „erweiterte Möglichkeiten der Bewegungsfreiheit in den für Untergebrachte vorgesehenen Bereichen … den Vollzug der Sicherungsverwahrung deutlich vom Vollzug der Freiheitsstrafe ab“. Ebso. eine anachronistische und wenig die Sonderstellung der SV berücksichtigende Norm stellt Art. 15 Abs. 2 BaySvVollzG dar: SV dürfen „einen ihnen zugewiesenen Bereich nicht ohne Erlaubnis verlassen“.

VI. Unterbringung und Versorgung

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5. Selbstverpflegung und (Haft-)Kosten Ein sinnvoller und notwendiger Bestandteil des Wohngruppenvollzugs ist die Selbstverpflegung. Denn zu einem sozialverträglichen Zusammenleben gehört, sich frei und eigenständig zu versorgen. Dass zumindest knapp mehr als die Hälfte der SVVollzGe wie der ME-SVVollzG neuerdings ein Recht auf Selbstverpflegung für den Sicherungsverwahrungsvollzug vorsehen, ist angesichts empirischer Erkenntnisse und zur Bewahrung oder Förderung der Selbstständigkeit und Alltagskompetenz zu begrüßen.987 Obendrein stellt dies einen Abstand zum Strafvollzug her. Vorher war dies nur indirekt durch den Erlass der Haftkosten um den Beitrag zur Gemeinschaftsverpflegung festgehalten. Dass die eigenständige Verpflegung dem Angleichungsgrundsatz am ehesten genügt und eine große Bedeutung wegen des mit dieser Fähigkeit verbundenen Eigenwerts hat, bringt besonders die niedersächsische Regelung zum Ausdruck (vgl. § 25 Nds. SVVollzG).988 Denn sie nennt mit Absicht die Selbstversorgung im ersten Absatz der Norm vor der Gemeinschaftsverpflegung und verzichtet darüber hinaus auf die Beschränkung der Selbstverpflegung aus Gründen der Ordnung (vgl. Tabelle A3 im Anhang).989 Schließlich gibt es andere Möglichkeiten auf Ordnungsstörungen zu reagieren. Ein Bsp. wäre die Nutzungsbeschränkung der Küchen.990 Alle anderen Gesetze, die dem GE-SVVollzG folgen, sehen die Selbstverpflegung nicht als Regel oder gar als Rechtsanspruch des Verwahrten vor. Wie die Systematik und der Wortlaut der Normen nahelegen, ist die eigenständige Versorgung nur als im Einzelfall zu prüfende Ausnahme von der im Strafvollzug­ typischen Gemeinschaftsverpflegung anzusehen.991 Unterschiedlich sind zudem die Zuschüsse zur Selbstverpflegung992 sowie die Einkaufsmöglichkeiten geregelt. Sie sind im Hinblick auf die angespannte finan-

987 Dazu Bartsch 2010, 272; ders., NK 2013, 201; Dessecker, BewHi 2013, 317; Nds. LTDrs. 16/4873, S. 71. 988 Ebso. in den Ländern der 8er-Gruppe mit der zusätzlichen Beschränkung bei schwerwiegenden Gründen der Ordnung; den Eigenwert der Fähigkeit zur Selbstverpflegung betonend Kinzig, Schriftliche Stellungnahme zum BaySvVollzG-E, S. 67. 989 S. a. Schriftlicher Bericht des ARV, Nds. LT-Drs. 16/5519, S. 22: „Da die Möglichkeit der Selbstverpflegung eine Folge des Angleichungsgebotes ist, wird vorgeschlagen, diese der Gemeinschaftsverpflegung voranzustellen …“ Die Regelung in NRW sieht aber die Selbstverpflegung nur als Ausnahme vor. 990 So genannt in Nds. LT-Drs. 16/5519, S. 22. 991 Als Bsp. sei hier das HmbSVVollzG herausgegriffen, § 23 Abs. 1 S. 1 HmbSVVollzG: „Die Untergebrachten nehmen an der Gemeinschaftsverpflegung der Einrichtung teil.“ Die Selbstverpflegung hingegen regelt Abs. 2: „Geeigneten Untergebrachten wird gestattet, sich selbst zu verpflegen, soweit nicht die Sicherheit und schwerwiegende Gründe der Ordnung der Einrichtung entgegenstehen.“ Ebso. das BaySvVollzG. Krit. Fabricius, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 62 f. 992 Vom zweckgebundenen Eigengeld ist der zweckgebundene Zuschuss zur Selbstverpflegung zu unterscheiden, z. B. in § 25 Abs. 1 S. 4 Nds. SVVollzG; zur Berechnung des Zuschus-

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

zielle Lage der Verwahrten sowie zur Unterstützung einer sinnvollen und gesunden Selbstverpflegung notwendig.993 Beim Zuschuss zur Selbstverpflegung ist aufgrund der Differenzierungen, des offenen Gesetzeswortlauts („mindestens in Höhe der ersparten Aufwendungen“) sowie nicht eindeutiger Gesetzesbegründungen in den Streit geraten, wann und ob eine Erhöhung des Zuschusses bei Bedürftigkeit zu erfolgen hat.994 Er hängt dabei nicht von der Mitwirkung oder der Zustimmung des Untergebrachten ab, sondern allein davon, dass er sich selbst verpflegt.995 Einige Länder regeln, dass die Anstalt ggf. alternativ Lebensmittel zur Verfügung stellen kann.996 Dem OLG Hamm zufolge bestehe ein Wahlrecht der Anstalt, wenn die vorhandenen finanziellen Mittel inklusive des Zuschusses des Untergebrachten nicht ausreichen, um Lebensmittel in entsprechendem Umfang einzukaufen.997 Mit Recht hat Niedersachsen auf eine solche Regelung verzichtet. Dass eine Entscheidung des OLG Hamm notwendig geworden war, zeigt, dass damit vorwiegend praktische Schwierigkeiten vorprogrammiert sind. Diese stehen wiederum dem Angleichungsgrundsatz entgegen.998 Andere Länder wie NordrheinWestfalen stellen auf die durchschnittlichen Kosten der Gefangenenverpflegung im landesweiten Durchschnitt ab, weshalb ein Verpflegungszuschuss von nur 2,30 € gewährt wird. Demgegenüber gibt bspw. die Gesetzesbegründung zum Nds. SVVollzG deutlich privilegierend einen Betrag von 7,20 € an.999

ses s. Grote 2013, KrimPäd 2013, 29 (für das Jahr 2013: 7,30 € bei vollständiger Selbstverpflegung). Beschränkungen sollen aus Gründen der Sicherheit (so in § 25 S. 1 Nds. SVVollzG) und z. T. auch aufgrund schwerwiegender Störungen der Ordnung möglich sein (vgl. NRW LTDrs. 16/1435, S. 73). Unberücksichtigt bleibt der Zuschuss bei Bedürftigkeitsprüfung für das Taschengeld im BaySvVollzG; SVVollzG M-V; Nds. SVVollzG; SVVollzG NRW; SVVollzG LSA. 993 Dazu Dünkel in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 6 und 42. 994 Der Zuschuss orientiert sich nicht am Haftkostenbeitrag, sondern an den ersparten Aufwendungen, so OLG Hamm NStZ-RR 2014, 157 f.; diese wiederum berechnen sich aus dem gesamten Strafvollzug. 995 OLG Hamm, Beschl. vom 23.9.2014 – III-1 Vollz (Ws) 181/14, Rn. 5 und 13 – bei juris. 996 So z. B. in § 17 Abs. 2 SVVollzG NRW und den Ländern der 8er-Gruppe. 997 OLG Hamm NStZ-RR 2014, 158. 998 Schriftlicher Bericht des ARV, Nds. LT-Drs. 16/5519, S. 23. So sieht § 25 Abs. 1 Nds. SVVollzG eine Orientierung an dem Sachbezugswert für Verpflegung nach dem SGB IV vor (bzw. auf dessen Grundlage ergehende Verordnungen; vgl. die Sachbezugswerte seit dem Jahr 2004 online unter: www.vdek.com/vertragspartner/arbeitgeber/sachbezugswerte.html, zuletzt abgerufen am 04.01.2017), und verzichtet auf die Nennung der alternativen Zurverfügungstellung von Lebensmitteln im Gesetz. 999 OLG Hamm NStZ-RR 2014 157: „Berechnung auf der Grundlage einer landesweiten Durchschnittsberechnung ist derzeit nicht zu beanstanden …“ Dem folgend OLG Hamm, Beschl. vom 23.9.2014 – III-1 (Ws) 181/14 Rn. 16 – bei juris; vor Inkrafttreten des SVVollzG NRW s. OLG Hamm NStZ 2013, 263. Zum Nds. SVVollzG vgl. Nds. LT-Drs. 16/4873, S. 52 und 71; ebso. Grote, KrimPäd 2013, 29,

VI. Unterbringung und Versorgung

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Zum Einkauf ist anzumerken, dass die Gesetzgeber es versäumt haben, eine­ tatsächliche Erleichterung für die Verwahrten auf Grundlage des Gesetzes zu schaffen: So werden die Einkäufe von vornherein hinsichtlich des Sortiments und der Häufigkeit beschränkt.1000 Einkaufssperren als Disziplinarmaßnahme vorzusehen, wie es das SVVollzG M-V macht, ist abzulehnen. Denn damit wird die Selbstverpflegung konterkariert. Lobenswert ist jedoch das Bemühen aller Gesetze, die Wünsche und Bedürfnisse der Untergebrachten in das Angebot einzubeziehen (vgl. § 20 Abs. 1 S. 2 Nds. SVVollzG: „Es ist für ein Angebot zu sorgen, das auf die Wünsche und Bedürfnisse der Sicherungsverwahrten Rücksicht nimmt.“1001). Spricht man die Kosten im Zusammenhang mit der Selbstverpflegung an, stellt sich die Frage, wie ganz grds. die Beteiligung an den Haftkosten geregelt wurde.1002 Nicht alle SVVollzGe verzichten darauf.1003 Abzulehnen ist die selbst nur eingeschränkte Kostenbeteiligung in § 44 Abs. 1 SVVollzG LSA.1004 Im präventiven Sicherungsverwahrungsvollzug darf der Verwahrte nur solchen Beschränkungen unterworfen werden, die aus Sicherheitsgründen und zur Reduzierung der Gefährlichkeit erforderlich sind. Zu Recht hat daher das OLG Celle nicht sehen können, „dass die Erhebung eines Haftkostenbeitrags ein notwendiger Bestandteil im Vollzug der Sicherungsverwahrung ist, der zur Reduzierung der Gefährlichkeit des Sicherungsverwahrten erforderlich ist“.1005 1000 Recht offen § 20 Abs. 1 S. 1 JVollzGB V: „in angemessenem Umfang“; keine Zeitangaben in § 18 Abs. 1 S. 1 SVVollzG LSA: „Die Untergebrachten können unter Vermittlung der Einrichtung nach Maßgabe der Vollzugsordnung einkaufen.“ sowie in § 26 Abs. 1 S. 1 Nds. SVVollzG: „Die oder der Sicherungsverwahrte darf aus einem von der Vollzugsbehörde vermittelten Angebot einkaufen.“ I. Ü. folgen alle anderen SVVollzGen § 18 Abs. 1 S. 1 GESVVollzG bzw. § 58 Abs. 4 S. 1 ME-SVVollzG: „mindestens einmal wöchentlich“. 1001 Dazu Schriftlicher Bericht des ARV, Nds. LT-Drs. 16/5519, S. 23: „als uneingeschränkte Verpflichtung der Vollzugsbehörde formuliert …“ 1002 Inzwischen ist in ME- und GE-SVVollzG sowie in allen SVVollzGen (vgl. dazu die Übersicht bei Laubenthal 2015, Rn. 944) mit Ausnahme von § 44 Abs. 1 SVVollzG LSA eine Haftkostenbefreiung vorgesehen. Die Beschränkung dient der Verwirklichung des Abstandsgebots (vgl. BeckOK JVollzGB V-Reber, § 52 Rn. 6 f.; s. a. BW LT-Drs. 15/2450, S. 77; s. a. BeckOK ThürSVVollzG-Ebert, § 43 Rn. 1). 1003 Z. B. Art. 46 Abs. 1 BaySvVollzG: „An den Kosten für Unterbringung und Verpflegung werden die Sicherungsverwahrten nicht beteiligt.“ Ebso. z. B. im Nds. SVVollzG. Die Länder der 8er-Gruppe wählten eine etwas missverständliche Formulierung, weil die Verwahrten nur nicht beteiligt werden „soweit dieses Gesetz nichts Anderes bestimmt“ (vgl. bspw. § 66 SVVollzG M-V und MV LT-Drs. 6/1476, S. 110). 1004 Krit. Bartsch in der Anhörung zum SVVollzG LSA-E, 6/REV/22, S. 17: „Nach meinem Verständnis von dem Aufopferungsgedanken ist der von einem Sonderopfer Betroffene hierfür grundsätzlich zu entschädigen und nicht auch noch zur Kasse zu bitten“; ebso. Pyhrr 2015, 211. Daher stellen andere Gesetzgeber auf den allein an der Prävention ausgerichteten Zweck der Maßregel ab, vgl. etwa Nds. LT-Drs. 16/4873, S. 82. Eine Beteiligung fordernd Köbke in der Anhörung zum BbgSVVollzG-E, P-RA 5/38, S.  58; dagegen Endres, ebda., S. 65. 1005 OLG Celle NStZ 2013, 172: Weil zum Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht das Nds. SVVollzG in Kraft war, stellte das Gericht auf eine verfassungskonforme Auslegung des § 52

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Davon zu trennen ist die Beteiligung an sonstigen Kosten wie den Stromkosten, welche seit der Neuregelung ebenfalls einige Gerichte beschäftigt haben. Letztlich wird die Kostenbeteiligung an einer Stromkostenpauschale für zulässig erachtet.1006 Hieran kritisieren könnte man, dass teilweise, wie in Baden-Württemberg, keine abschließende Regelung zur Kostenbeteiligung getroffen wurde („insbesondere“).1007 Dem hält jedoch das OLG Karlsruhe entgegen, dass durch die Beschränkung der Beteiligung auf eine „angemessene Höhe“ sowie die Ausschlussmöglichkeit der Kostenbeteiligung ohne Ermessen der Anstalt („ist abzusehen“), einer ausufernden Anwendung hinreichend entgegen gewirkt werden könne.1008 Als Fazit bleibt: Die Rechtsprechung billigt gerade derartige (Strom-) Kosten­beteiligungen. 6. Umsetzung in der Praxis a) Räumlich-bauliche Unterbringung Nach außen hin sichtbar und am zuverlässigsten umgesetzt ist eine ggü. dem Strafvollzug privilegierende bauliche Neugestaltung.1009 Das CPT hatte nach seinem Besuch im Jahre 2013 noch heftige Kritik an der JVA Freiburg geübt, in der sich die bauliche Situation zwar aufgrund der neuerlichen Gesetzentwicklungen augenscheinlich verbessert habe und die Bedingungen gut seien, aber „insgesamt immer noch ziemlich gefängnisartig“.1010 Die rheinland-pfälzische Anstalt in Diez erschien hingegen in einem sehr positiven Licht, da sich die Ver­ NJVollzG a. F. ab. Allerdings darf die Pauschale nicht die tatsächlich angefallenen Kosten überschreiten, vgl. dazu OLG Naumburg NStZ-RR 2013, 62; OLG Hamburg NStZ-RR 2011, 156. 1006 § 52 Abs. 2 S. 1 JVollzGB V: „An den Kosten für sonstige Leistungen können die Untergebrachten durch Erhebung von Kostenbeiträgen in angemessener Höhe beteiligt werden.“, dies gilt laut S. 2 Nr. 5 ausdrückl. für „Stromkosten, die durch die Nutzung der in ihrem Besitz befindlichen Gegenstände entstehen.“ Vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. vom 20.8.2014  – 2 Ws 277/14, Rn. 8 – bei juris. 1007 Abschließende Regelungen enthalten das HmbSVVollzG und die Gesetze der 8er-Gruppe (z. B. § 66 BbgSVVollzG); hingegen eine eigene Regelung zur Stromkostenbeteiligung in § 70 SVVollzG SH. 1008 OLG Karlsruhe, Beschl. vom 20.8.2014  – 2 Ws 277/14, Rn.  14  – bei juris. Außerdem diene die Beschränkung „in angemessenem Umfang“ der Verwirklichung des Abstandsgebots, vgl. BeckOK JVollzGB V-Reber, § 52 Rn. 6; BW LT-Drs. 15/2450, S. 77; OLG Stuttgart, Beschl. vom 20.7.2015 – 4 Ws 298/14, Rn. 17 – bei juris. 1009 Wie zahlreiche Presseberichte belegen, zur JVA Freiburg s.  Badische Zeitung vom 10.8.2012 („So wird das Freiburger Gefängnis für Sicherungsverwahrte umgebaut“); Süddeutsche vom 19.4.2013 („Hotel hinter Gittern“) oder FAZ vom 30.4.2014 („Fließt ein Bächlein durch den Knast“); zur JVA Werl s. Die Welt vom 31.5.2013 („Die Würde der Mörder und Vergewaltiger“); zur JVA Schwalmstadt s. FAZ vom 17.5.2013 („Zimmer statt Zellen in der Sicherungsverwahrung“); zur baulichen Neugestaltung allg. Arloth, FS 2013, 218 ff.; für Bayern s. a. Merk 2012, 8 ff. 1010 CPT/Inf (2014) 23, S. 10 ff. Rn. 14 f., Rn. 20.

VI. Unterbringung und Versorgung

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wahrten dort innerhalb des Gebäudes tagsüber frei bewegen und jederzeit ins Freie oder eine andere Haftabteilung bewegen könnten. Zudem seien die Wohnräume geräumig. Seit den Entscheidungen von EGMR und BVerfG wurden in allen Anstalten mit eigener Sicherungsverwahrungsabteilung erhebliche Investitionen bzgl. des Baus abgetrennter Sicherungsverwahrungsabteilungen oder -häuser getätigt, um die Anforderungen des Trennungsgebots, der Unterbringung in Wohngruppen sowie an die zur Verfügung zu stellenden Räumlichkeiten zu erfüllen.1011 Ansorge berichtet i. R. d. Länderübergreifenden Bestandsaufnahme, dass das Trennungsgebot inzwischen konsequent(er) verfolgt werde. So brachten zum Stichtag des 31.3.2013 insgesamt dreizehn der vierzehn Anstalten die Verwahrten in einem baulich abgetrennten Bereich unter. Dies sei „Standard geworden“.1012 Keines der Länder hat sich für eine eigene Sicherungsanstalt losgelöst vom Strafvollzug entschieden. Hinsichtlich der räumlichen Unterbringung der einzelnen Verwahrten hat sich bei den dreizehn befragten Anstalten eine für die Verwahrten durchweg bessere Situation als bei den Strafgefangenen ergeben.1013 So sei die Einzelunterbringung zwar in beiden Fällen die Regel, aber bei der Sicherungsverwahrung sehr viel ausgeprägter. Darüber hinaus dürften die Verwahrten immerhin in acht Anstalten ihr eigenes Mobiliar einbringen, wohingegen das keinem Strafgefangenen erlaubt gewesen sei (zum Stichtag des 31.3.2013). Obendrein zeigten sich hinsichtlich der Raumgröße Unterschiede: Bewegte sich diese bei den inhaftierten Strafgefangenen zwischen durchschnittlich 7,5  m2  – maximal 12,0  m2, lag der minimale Wert bei den Verwahrten zwar bei 7,5 m2, hingegen der maximale Wert bei bis zu 21 m2.1014 Diese Feststellungen decken sich mit den Angaben der Konzepte, wo in Brandenburg von einer maximalen Zimmergröße von über 25 m2 die Rede ist, während in Baden-Württemberg nur 14 m2 als Raumgröße genannt wird.1015

1011

Zu den Umbauten und Investitionen vgl. Arloth, FS 2013, 218 ff.; Merk 2012, 9; Pyhrr 2015, 301 ff. 1012 Ansorge 2013, 21 f., insbes. Tab. 18, 34: In diesem Bereich zeichnet sich eine rapide Veränderung seit Beginn der Erhebung im Jahre 2009 ab: Zu diesem Zeitpunkt verfügte die Hälfte der Anstalten (9 der damals 18 Anstalten) nicht über eine räumlich-bauliche Trennung. Die Zahl der eigens eingerichteten Gebäude für die Verwahrten habe sich sodann seit 2009 verdreifacht; s. a. Karras, FS 2010, 139. 1013 Ansorge 2013, 27; Karras, FS 2011, 300, demzufolge der Besitz persönlicher Gegenstände bei SV im Gegensatz zu Gefangenen hins. der Menge nicht eingeschränkt war; s. a. ders., FS 2010, 140, Tab. 1. 1014 Ansorge 2013, 27; Weichert-Pleuger, KrimPäd 2013, 35 berichtet sogar von einer ca. 23m2 großen Wohnfläche; s. a. Kühne 2011, 400 (JVA Celle): „durchschnittlich 8 m2 Grundfläche, die kleineren Zellen sind allerdings nur 6,5 m2 groß inklusive WC-Bereich“; s. hingegen noch Fennel 2006, 262; Mönnighoff, FS 2010, 144: „Einzelhafträume … Größe von 10,05 bzw. 10,33 qm“. Im Durchschnitt waren damit die „Unterkunftsbereiche“ rund 3,7m 2 (2009: 0,3m2 und 2011 1,4m 2) größer als die Zellen der Gefangenen; Schmitt, FS 2011, 309. 1015 Arloth, FS 2013, 218, 221; zur Zimmergröße i. Ü. Tabelle 12.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder Tabelle 12 Räumlich-bauliche Unterbringung in den Konzepten1016 JVA Bautzen (Sachsen)

• Umbau eines vorhandenen Hafthauses zur SV-Abteilung mit insgesamt 40 Plätzen; Zimmer verfügen über Dusche, WC, Waschbecken und Miniküche (Spüle, Kühlschrank, Kochfelder) und „hindernislosen Ausblick“ mit einer Grundfläche von 20  m2 mit in der JVA Bautzen hergestelltem Mobiliar und den technischen Voraussetzungen für Mediennutzung; individuelle Gestaltung nach Genehmigung möglich. • Vier Wohngruppen mit 10 Plätzen und Binnendifferenzierung (Stufe I: Orientierung und Motivationssteigerung; Stufe II mit geringerem Sicherungsbedarf und zur Behandlung mit den Zielen der Gefährlichkeitsminimierung und Erarbeitung einer Lebensperspektive; Stufe III: Entlassungsvorbereitung); jeweils eine Gemeinschaftsküche und ein PC-Arbeitsplatz („derzeit“ ohne Internetzugang); Freizeit- und Behandlungsräume für alle sowie ein Waschmaschinenraum und eine Bibliothek; Außenbereich u. a. mit Sportplatz und Garten. JVA Brandenburg a. d. H. (Brandenburg)

• Wohngruppenvollzug mit Kommunikationszonen, eigene Wohngruppenverfassung; Unterbringung in einem Aufnahmezimmer (bzw. „Time-Out“-Zimmer) zur Eingewöhnung für ca. vier Wochen. • Jeweils ein zentraler Aufenthaltsraum, Kreativraum, Sportraum, PC-Kabinett (Zulassung von Informations- und Unterhaltungselektronik unter den gesetzlichen Bestimmungen grds. möglich, wenn zuvor an Gruppenfreizeitaktivitäten teilgenommen wurde), Gemüsegarten. • Separates Gebäude mit 18 Unterbringungsplätzen in zwei Wohngruppen mit Zimmern von jeweils 25 m2 (inkl. Pantryküche sowie vollständigem Sanitärbereich) und eigenem Telefon (Zulassung weiterer Unterhaltungselektronik ist an Teilnahme an mind. zwei Gruppenaktivitäten geknüpft); ab 2015 gesonderter Besuchsbereich; nur Zimmer sind vergittert; auch Insassenschließung der eigenen Zimmer sowie Türen auf der Vollzugsabteilung; Standardmöblierung und Zulassung weiterer Möbel, wenn bestimmte Gemeinschaftsaufgaben erfüllt werden.

1016

Vgl. dazu allg. die Angaben der Länder in der Umfrage von Arloth 2013, 218 ff., wo auch z. T. Angaben zur Übergangsunterbringung bis zu den Fertigstellungen der Neubauten zu finden sind, sowie im Speziellen BW: JVA Freiburg, S. 4 ff. sowie OLG Karlsruhe, Beschl. vom 29.1.2014  – 2 Ws 449/13, Rn.  18  – bei juris; Bay: Endres/Breuer, FS 2011, 294; Bln: Konzept JVA Tegel, S. 5 f., 11 sowie KG Berlin, Beschl. vom 19.12.2013 – 2 Ws 514/13–141 AR 571/13, Rn. 12 ff. – bei juris; KG Berlin StV 2014, 147; Bbg: Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 24, 26 f., 42 f., 52 f.; Hmb: Konzept JVA Fuhlsbüttel, S. 7, 10, 32; H: Konzept JVA Schwalmstadt, S. 4 f., 35; M-V: Konzept JVA Bützow, S. 18 f., 51; Nds.: Konzept JVA Rosdorf, S. 9 ff., 20; s. a. Bartsch 2015, 58; Grote 2015, 202 ff.; NRW: Konzept SothA JVA Werl, S. 5 ; RlP: Konzept JVA Diez, Folie 28-Folie 34; Hausordnung JVA Diez, S. 7 f.; SN: Konzept JVA Bautzen, S. 4 f., 18; LSA: Konzept JVA Burg, S. 4 f., 6 ff.; zum Vergleich noch die Situation Anfang des Jahres 2012, welche die thüringische JuMi nach der Kleinen Anfrage des Abg. Hauboldt (DIE LINKE) vom 13.2.2012 schilderte in Thür LT-Drs. 5/4029, S. 3 – bis zu diesem Zeitpunkt waren SV aus Thür auch in der JVA Burg untergebracht, nun in der JVA Schwalmstadt.

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VI. Unterbringung und Versorgung

JVA Bützow (Mecklenburg-Vorpommern)

• Zwei Baukörper: Ein Wohngebäude und ein Verwaltungs- und Therapiegebäude für SV; soweit wie möglich autark mit 20 Zimmern, mind. 20 m2 zzgl. Nasszelle und Kochgelegenheit; fünf Zimmer barrierefrei, Einzelunterbringung, regelmäßig Wohngruppe mit je 10 Untergebrachten. • Gemeinschaftsräume (Küche, Freizeit- und Sporträume, Computerraum), Besprechungsund Therapieräume); Außenbereich mit Sportplatz und Gartenflächen zur eigenen Gestaltung; eigener Besuchsraum. JVA Burg (Sachsen-Anhalt)

• Anpassung des bestehenden eigenen SV-Gebäudes mit insgesamt 14 Standardunterkünften und vier Sonderunterkünften mit ca. 20 m2 und jeweils Sanitärraum mit Dusche, WC und Waschbecken sowie Pantry-Küchenzeile (Spülbecken, Kochplatten, Kühlschrank und Fach); keine Aussage zur Internetnutzung (es gibt aber einen Computerraum); Möglichkeit mittels eines PINs mit eigenem Telefon im Zimmer zu telefonieren. • Grds. Wohngruppenvollzug, wobei zwei von drei Wohngruppen unter freiheitsorientierten Bedingungen mit wenig vorgegebenen Regeln ausgestaltet sind. Die dafür ungeeigneten Verwahrten kommen in die dritte Wohngruppe; Gestaltung der Abteilung und Zimmer unter Einbeziehung und ggf. Mitwirkung der Untergebrachten. • Außenbereich mit Sportplatz für SV, Grillplatz, Beeten und Teich; jeweils eine Gemeinschaftsküche pro Wohnbereich; in zwei von drei Bereichen je ein Sport- und Kreativraum; ggf. Tierhaltung. JVA Diez (Rheinland-Pfalz und Saarland)

• eigener Bau („komplette Trennung zum Hafthaus“) mit Platz für 64 Personen auf dem Gelände der JVA Diez; vier Wohngruppen mit Gemeinschaftsräumen (Küche inkl. Speisezimmer; Wohngruppenbereich; Aufenthaltsbereich; Einzelgesprächszimmer; Abstellräume, Sport- und Fitnessraum); Einzelzimmer von 18 m2 inkl. Pantry-Küche und separatem Sanitärbereich von ca. 2,5 m2; vier behindertengerechte Räume von ca. 27,5 m2; Hafträume mit Insassenschlüssel; eine geschlossene Abteilung mit gesondertem Freistundenhof. • Diverse gemeinschaftliche Funktionsräume sowie Behandlungsräume für alle Wohngruppen; vier Telefonräume; vier Räume für Waschen/Trocknen/Bügeln; Außenbereich mit Vorrichtungen für Sport und Möglichkeit für Einzelgärten, ganztägig freier Zugang. JVA Freiburg (Baden-Württemberg)

• Neue Abteilung für Sicherungsverwahrung in vier getrennten Stockwerken der JVA mit jeweils ca. 15 Zimmern und einer Gemeinschaftsküche; zusätzlich vier weitere Gemeinschaftsräume z. B. für Kunsttherapie, EDV-Schulungsraum; 800  m2 teilweise begrünter Außenbereich abgeschirmt vom Wohnbereich der Hauptanstalt. • Gestufter Wohngruppenvollzug: Zugangs- und Orientierungsstation; Individualbetreuungsstation, verpflichtender Wohngruppenvollzug zur intensiven Förderung der sozialen Kompetenz bzw. für Tataufarbeitung und Entlassungsorientierung. (Fortsetzung nächste Seite)

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

(Fortsetzung: Tabelle 12)

JVA Fuhlsbüttel (Hamburg und Schleswig-Holstein1017)

• SV-Abteilungen sind im Flügel des Hafthauses untergebracht; drei getrennte Wohngruppen mit Zimmern von je 17,5 m2 und 2 behindertengerechte von 24 m2; integriert ist ein Sanitärbereich mit Waschgelegenheit und WC; Duschräume befinden sich (nur) auf der Station; ausgestattet mit in der JVA hergestelltem Mobiliar; eigene Möbel nur unter Beachtung des Brandschutzes. • Jeweils eigener Aufenthaltsbereich und aus Behandlungsgründen Gemeinschafts-PantryKüche; Waschraum und eigener Außenbereich; Fitnessraum gemeinsam mit Strafgefangenen; Möglichkeit der Internetnutzung ist vorgesehen, in einer Wohngruppe werden 2 PCs installiert, die einen kontrollierten Internetzugang erhalten sollen; zwei Telefone pro Wohngruppe (Telefonie nach Freischaltung möglich). • Insgesamt drei Wohngruppen mit Binnendifferenzierung: Eine Wohngruppe für Verwahrte, die Mindestbereitschaft zur Mitwirkung am Konzept der Wohngruppe zeigen und an Gemeinschaftsaufgaben wie bspw. Reinigung, Pflege der WG usw. teilnehmen; zwei Wohngruppen mit geringerem Anreizsystem und Fehlen besonderer Anforderungen. JVA Rosdorf (Niedersachsen und Bremen)

• SV-Vollzug deutlich abgegrenzt von der Hauptanstalt der JVA; eigenes Mobiliar, die den Brandschutz- und Sicherheitsvoraussetzungen entsprechen; eigene Farbgestaltung möglich. • Unterbringung in sechs Wohngruppen mit jeweils sieben bis neun Zimmern (Grundfläche 23 m2) mit abgetrenntem Duschbad; drei behindertengerechte Zimmer; jeweils eigene begrenzt frei gestaltbare Gemeinschaftsbereiche jeder Wohngruppe (Küche mit Essbereich, Wohn- und Fernsehbereich; Raum für Einzelgespräche); Flure als Kontakt- und Begegnungsraum; zusätzliche Kreativwerkstatt, Fitnessraum und Raum für Geräte für alle Wohngruppen; grds. frei zugänglicher großer Außenbereich (1.600 m2). • Unterbringung in „deliktheterogenen“ Gruppen, fünf der sechs Wohngruppen sind für wohngruppenfähige Untergebrachte vorgesehen, ggf. zunächst Aufnahme in gesicherte Wohngruppe bei Aufnahme. • Zur Standardausstattung gehört ein Haftraummediensystem, so dass über einen kontrollierten Internetzugang verfügt wird und E-Mailverkehr möglich ist; ebso. Telefon, Fernsehund Radioempfang; Öffnung des eigenen Unterkunftsbereichs mit eigener Ausweiskarte. JVA Schwalmstadt (Hessen und Thüringen1018)

• Wohngruppenvollzug im Gebäude für Unterbringung, eine Kleinstwohngruppe für nicht wohngruppengeeignete Verwahrte. 1017 1018

1017 SV in der Sozialtherapie verbleiben in der JVA Lübeck, in die auch die in Hmb Untergebrachten zur Entlassungsvorbereitung verlegt werden sollen. Für diese Entlassungsphase gibt es einige wenige Zimmer mit 20 m 2 bzw. solche, die den Anforderungen des BVerfG genügen. Zudem werden dort zehn Haftplätze für Strafgefangenen mit vorbehaltener SV eingerichtet. Dazu die Angaben des Landes SH bei Arloth, FS 2013, 227. 1018 Nur ausnahmsweise soll der Vollzug in der JVA Tonna/Thür aus behandlerischen Gründen oder zur Entlassungsvorbereitung möglich sein, vgl. Arloth, FS 2013, 227; Konzept JVA Tonna, S. 11.

VI. Unterbringung und Versorgung

457

JVA Schwalmstadt (Hessen und Thüringen)

• Zimmer (sind behindertengerecht): zwischen 19,5 m2 und mind. 21 m2 inkl. Nasszelle von 3–3,5 m2; Gemeinschaftsräume; Küche, Waschraum, Bäder, Freizeit- und Therapieräume, in beschränktem Umfang eigenes Mobiliar; Freizeitgelände von 1.735 m2 für SV; Werkhalle mit Gefangenen. JVA Straubing (Bayern):

• Zimmer jeweils 15 m2 mit eigener Küchenzeile und getrenntem Bad mit Dusche; barrierefreie Zimmer 20 m2; eigene Gestaltung1019 könne an therapeutische Erfolge gekoppelt werden; Stationstelefon. • Eigenes Hafthaus; Wohngruppenvollzug mit Basiseinheiten und Gemeinschaftsräumen wie Küche, Hauswirtschafts-, Sport- und Aufenthaltsraum sowie Begegnungsfläche; Außen­ bereich nur für SV inkl. Sportplatz und Gartenbereich; stationsübergreifend: Therapie-, Arbeits-, Sport- und Erholungsbereich, Besuchsterrasse sowie Multifunktionsraum (z. B. für Gottesdienste). JVA Tegel (Berlin)

• Eigenes Gebäude auf großzügigem Areal (4.714 m2) in deutlichem Abstand; sechs Wohngruppen mit Einzelzimmern von 20 m2 zzgl. 3 m2 Bad mit Dusche, WC und Waschbecken; behindertengerechtes Zimmer 23,5 m2; keine Gitterfenster. • Außerdem Räume für medizinische Maßnahmen, Freizeit, Sport und Langzeitbesuche, ein PC-Raum. • Eigener Freistundenhof mit Sport- und Spielflächen; Grün- und Beetanlagen sowie Möglichkeiten zur Kleintierhaltung. JVA Werl (Nordrhein-Westfalen)

• 140 Plätze separiert vom Strafbereich; Wohngruppenvollzug als Regelvollzugsform, wenn nicht Sicherheitsgründe entgegenstehen; Zimmer 20  m2 zzgl. Nasszelle mit Dusche von 3 m2 sowie eigener Kochgelegenheit mit Kühlschrank; eigene Möbel nur nach Einzelfallentscheidung. • Bewegungsfreiheit in der Wohngruppe, im Freizeit- und Außenbereich. 1019

Wie Tabelle 12 zeigt, enthalten die Konzepte sogar über das Gesetz hinausgehende günstigere Unterbringungsbedingungen. So sehen verschiedene Konzepte in den Unterkunftsbereichen eine Kochgelegenheit z. T. mit Kühlschrank vor, obwohl dies nur in § 14 Abs. 3 SVVollzG LSA genannt wird (vgl. Tabelle 11).1020

1019 Restriktiv äußert sich die Hausordnung JVA Straubing, S. 3 im Punkt 3.2. dazu: Die SV „dürfen ohne vorherige Zustimmung durch Bedienstete keinerlei Änderungen an den Zimmern … vornehmen“. 1020 Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 2; ebso. Konzept JVA Bützow, S. 18; Endres/Breuer, FS 2011, 294; s. a. Arloth, FS 2013, 219; s. u. Tabelle 12.

458

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

b) Binnendifferenzierung Die Bedeutung der Wohngruppe wird von den Konzepten der Anstalten hervorgehoben1021, darf jedoch parallel zur Sozialtherapie nicht als alleiniges Allheilmittel missverstanden werden. Erfreulicherweise wird das Konzept des Wohngruppenvollzugs in vielen Konzepten nicht, wie zuvor befürchtet, unkritisch übernommen, sondern einige setzen sich wie bereits oben angedeutet,1022 damit auseinander, dass nicht alle Verwahrten wohngruppenfähig sind. Damit zusammenhängend beschäftigen sie sich konsequenterweise mit dem Thema der Binnendifferenzierung.1023 Es gibt gute Argumente sowohl für als auch gegen eine Binnendifferenzierung. Einerseits erwartet man bei Unterbringung in einer möglichst homogenen Gruppe grds. weniger Konfliktpotential. Mit dem „Aufstieg“ in eine nächsthöhere Gruppe ist ein gewisses Erfolgserlebnis verbunden. Damit dürfte eine Motivierung verbunden sein. Jedoch könnte gerade in einer Wohngruppe mit nur gemeinschaftsunfähigen und therapieunwilligen Verwahrten nicht nur die Arbeit für das Personal unerträglich schwer werden, so dass negative gruppendynamische Entwicklungen zu befürchten sind.1024 Jedenfalls dürfte die soziale Trainings- und Lernmöglichkeit, wie sie von den Wohngruppen erhofft wird, durchaus größer sein, wenn unterschiedliche Verwahrte zusammen untergebracht sind. Letztlich kann die Sinnhaftigkeit nicht abschließend beurteilt werden, weil es keine darauf abzielenden aktuellen empirischen Untersuchungen zum Wohngruppenvollzug z. B. speziell im Maßregelvollzug, gibt, so dass die Entwicklung abzuwarten und evaluierend zu begleiten ist.1025 Damit aufgezeigt ist die Notwendigkeit der Begleitforschung.

1021

Z. B Konzept der JVA Bbg a. d. H., S. 26 f.; Konzept der JVA Bützow, S. 14. Nicht zutreffend ist daher die Aussage von Pyhrr 2015, 370, dass nur ein Behandlungskonzept sich mit der Kehrseite des Wohngruppenvollzugs auseinandersetze. 1023 So ist man etwa in Bay der Auffassung, dass die Wohngruppen mit unterschiedlichen SV gemischt werden sollten und nicht bspw. nach Entlassungsaussichten differenziert werden solle, vgl. Endres/Breuer, FS 2011, 294; Wischka 2004a, 335 ff. allg. zur Entstehungsgeschichten der Wohngruppen, zum Stellenwert und insbes. zur Praxis der Wohngruppenarbeit. Andere Länder sehen ausdrückl. einen gestuften Wohngruppenvollzug oder allg. homogene Gruppen vor, wie sich ebenfalls aus Tabelle 12 ergibt; vgl. dazu Konzept JVA Freiburg, S. 4 ff.; Konzept JVA Freiburg 2016, S. 8 ff.; Konzept JVA Fuhlsbüttel, S. 28; Konzept JVA Schwalmstadt, S. 26; Konzept JVA Bautzen, S. 18; Konzept JVA Burg, S. 6 f. 1024 Endres/Breuer, FS 2011, 294; s. a. das Konzept JVA Rosdorf, S. 11: Die heterogene Unterbringung erfolge „mit dem Ziel, das Konfliktpotential in den einzelnen Wohngruppen möglichst gering zu halten.“ Ebso. Kritik zu homogenen Wohngruppen bei Kühnel, MschrKrim 2006, 276 ff.; Wischka 2004a, 335, 344; ein kurzes Für und Wider der Binnendifferenzierung bei Pyhrr 2015, 371 f. 1025 Das räumt bspw. das bayerische Verhandlungskonzept selbst ein, vgl. dazu Endres/ Breuer, FS 2011, 294. Ähnl. das Konzept JVA Rosdorf, S. 11; Wischka 2004a, 342 ff. m. w. N. 1022

459

VI. Unterbringung und Versorgung

c) Einschlusszeiten und Selbstverpflegung Die Zugangsmöglichkeiten zum Hof sowie die mangelnde Bewegungsfreiheit hatte das CPT kritisch kommentiert.1026 Die Antwort der Bundesregierung, dass „aus therapeutischen Gründen ein Stationskonzept“1027 verfolgt werde, kann nicht überzeugen angesichts der Bedeutung des Aufenthalts im Freien und der Bewegung im Allgemeinen für den Erhalt der Lebenstüchtigkeit und zur Gegensteuerung von Haftschäden. In der Länderübergreifenden Bestandsaufnahme zeichnete sich hingegen eine positive Entwicklung ab: Die Zahl der Freistunden sowie getrennten (zwischen Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten) Freistundenhöfe seit 2009 ist rasch angestiegen.1028 In zwei Anstalten gebe es eine „Politik der offenen Tür“, d. h. die Zellen würden nur für die Nacht geschlossen.1029 Damit einhergehend sei die Differenz zwischen Freistunden der Verwahrten und der Strafgefangenen stetig angestiegen.1030 Die in den Konzepten sich in sehr unterschiedlichem Umfang und teilweise durchaus fortschrittlich darstellenden Verschluss- und möglichen Aufenthaltszeiten im Freien zeigt Tabelle 13. Positiv fallen die Bemühungen Brandenburgs auf, das Sicherheitskonzept entsprechend den legislativen Vorgaben nach „einer weitgehend autonomen Lebensgestaltung“ auszurichten.1031 Tabelle 13 Einschlusszeiten und Aufenthalt im Freien1032 1033 JVA Bautzen (Sachsen)

Freifläche tagsüber grds. frei zugänglich, im Übrigen keine Angaben im Konzept JVA Brandenburg a. d. H. (Brandenburg)

Aufschlusszeiten von 6:00 Uhr bis 21:00 Uhr; Nachtverschluss1033; durchgängige Nutzung des Hofes; weitgehend reglementierter Aufenthalt im Unterbringungsbereich. (Fortsetzung nächste Seite) 1026

CPT/Inf (2014) 23, S. 10 f. Rn. 14 f., Rn. 19. CPT/Inf(2014) 24, S. 9. 1028 Ansorge 2013, 28; ebso. Karras, FS 2010, 141. 1029 Ansorge 2013, 29 f.; and. noch Karras, FS 2011, 300: „dem wird die JVA Fuhlsbüttel nicht ganz gerecht.“ 1030 Zur Differenz Ansorge 2013, 29 f., parallel dazu die Entwicklung der Aufschlusszeiten. 1031 Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 52 ff. 1032 Vgl. die Angaben der Länder in der Umfrage von Arloth 2013, 218 ff. sowie für BW: CPT/Inf (2014) 24, S. 10, 12; Bay: Endres/Breuer, FS 2011, 294; Hausordnung JVA Straubing, S. 2; Bln: Konzept JVA Tegel, S. 6 f., KG Berlin, Beschl. vom 19.12.2013 – 2 Ws 514/13–141 AR 571/13, Rn. 31 ff. – bei juris; KG Berlin StV 2014, 147; Bbg: Konzept JVA Bbg a. d. H.; Hmb: Konzept JVA Fuhlsbüttel, S. 8; H: Konzept JVA Schwalmstadt, S. 8; M-V: Konzept JVA Bützow, S. 15; Nds.: Konzept JVA Rosdorf, S. 9, 11; NRW: Konzept SothA Werl, S. 5; RlP: Hausordnung JVA Diez, S. 7 f.; CPT/Inf(2014) 24, S. 10; Konzept JVA Diez, Folie 6; LSA: Konzept JVA Burg, S. 10 f. 1033 Konzept JVA Bbg a. d. H., S.  54: Nachtverschluss werde in der „Integrationsphase“ durchgeführt. 1027

460

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

(Fortsetzung: Tabelle 13)

JVA Bützow (Mecklenburg-Vorpommern)

Untergebrachte können sich außerhalb der Nachtruhe frei bewegen. JVA Burg (Sachsen-Anhalt)

Wohnräume und Küchen- sowie Computerräume sind durchgehend (!) geöffnet; andere Räume (z. B. Kreativraum) werden wochentags nach 21:00 Uhr bis 6:00 Uhr und am Wochenende und an Feiertagen nach 18:00 Uhr–8:00 Uhr verschlossen; Aufenthalt im Freien wochentags von 8:00 Uhr bis 20:30 Uhr; am Wochenende und an Feiertagen von 9:00 Uhr bis 17:30 Uhr. JVA Freiburg (Baden-Württemberg)

Laut CPT Aufenthalt im Freien aus therapeutischen Gründen (Stichwort: Stationskonzept) nur zu festgelegten Zeiten (2 1/2 Stunden am Morgen, zwei Stunden am Mittag und eine Stunde am Nachmittag. Im Sommer war der Hof auch am frühen Abend für drei Stunden zugänglich); im Konzept JVA Freiburg keine Angaben; Gänge zwischen den Abteilungen streng kontrolliert (Stationsbesuche nur von 19:15 Uhr bis 21:30 Uhr)1034. JVA Fuhlsbüttel (Hamburg und Schleswig-Holstein)

Einschluss während der Nachtruhe von 22:00  Uhr bis 5:45  Uhr und an Wochenenden bis 7:45 Uhr. JVA Diez (Rheinland-Pfalzund Saarland)

Nachtverschluss ab 22:00 Uhr; tagsüber Möglichkeit, sich frei zu bewegen; Verwahrte können jederzeit ins Freie. JVA Rosdorf (Niedersachsen und Bremen)

Verwahrte können sich im Regelfall von 6:00 Uhr bis 21:45 bzw. 22:00 Uhr frei bewegen in ihrer und anderen Wohngruppen und im Außenbereich. JVA Schwalmstadt (Hessen und Thüringen)

Nutzung Freizeitbereich von 9:00 Uhr bis 21:00 Uhr möglich. JVA Straubing (Bayern)

Außenbereich während Aufschlusszeiten frei zugänglich; während der Zeit mit Tageslicht, d. h. außerhalb der Nachtruhe dürfen sich die Verwahrten frei bewegen; die SV „haben sich nach der Tageseinteilung zu richten“: Behandlungszeit, Beschäftigungszeit und Freizeit sowie Nachtruhe (von 22:30 Uhr bis 6:00 Uhr). 1034

1034

Dazu BeckOK JVollzGB V-Egerer, § 16 Rn. 5.1.

VI. Unterbringung und Versorgung

461

JVA Tegel (Berlin)

Nachtruhe von 21:30 Uhr bis 6:00 Uhr; Aufschlusszeiten von 7:00 Uhr bis 21:30 Uhr, währenddessen mit Ausnahme während der Bestandsfeststellung freier Zugang der Außenflächen und Stationen; zwei Bestandsfeststellungen täglich von 12:00 Uhr bis 12:20 Uhr und 15:20 Uhr bis 15:35 Uhr. JVA Werl (Nordrhein-Westfalen)

Tagsüber unverschlossene Zimmer und frei zugängliche Außenfläche bzw. Gemeinschaftsräume („Maximierung von Kontakt- und Kommunikationsmöglichkeiten bei Minimierung von gruppenauflösenden Einschlusszeiten“).

Die Konzepte sehen nur vereinzelt verschiedene Maßnahmen zur Förderung der Selbstverpflegung vor.1035 So nehmen im Konzept der JVA Bützow Koch- und Hauswirtschaftskurse im Zusammenhang mit der Alltagsgestaltung einen eigenen Abschnitt ein und Gemüsegärten sollen die Untergebrachten in der Selbstversorgung unterstützen. Die Bedürfnisse der Verwahrten sollen bei Einkäufen, soweit es geht, berücksichtigt werden.1036 Sehr eingeschränkt ist die Möglichkeit der Selbstversorgung durch die Hausordnung der JVA Straubing, weil diese nur ab dem Ersten eines Monats überhaupt genehmigungsfähig ist und zwingend einen schriftlichen Antrag voraussetzt.1037 Im Übrigen sind alkoholische Genussmittel untersagt, das Rauchen hingegen ist z. T. sogar in den eigenen Zimmern gestattet.1038

1035

So nehmen im Konzept der JVA Bützow, S. 41 f. Koch- und Hauswirtschaftskurse im Zusammenhang mit der Alltagsgestaltung einen eigenen Abschnitt ein und Gemüsegärten sollen die Untergebrachten in der Selbstversorgung unterstützen; die JVA Bbg a. d. H. knüpft die Selbstverpflegung ggf. an einen vorherigen Kochkurs; Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 43; a. a. Konzept JVA Rosdorf, S. 20 f.: Unterstützung beim Einkauf. 1036 Konzept JVA Tegel, S. 7: bei Selbstverpflegung auch Einkäufe während vollzugsöffnender Maßnahmen; Konzept der JVA Rosdorf, S.  21: Einkauf zweimal wöchentlich im „Anstalts-Supermarkt“. 1037 Vgl. 20.6. und 20.7 der Hausordnung JVA Straubing, S. 16: Über die Eignung wird i. R. d. Behandlungsplanung entschieden; der Antrag muss so rechtzeitig eingehen, dass am 15. des Vormonates darüber ergehen kann. Wie restriktiv die JVA Straubing hier vorgeht, zeigt ein Vergleich zum Konzept der JVA Rosdorf, S. 20, in dem es heißt: „Die Sicherungsverwahrten haben die Möglichkeit, zwischen der Teilnahme an der Anstaltsverpflegung und Selbstverpflegung zu wählen.“ Für BW vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. vom 14.1.2014 – 2 Ws 284/13, Rn. 64 – bei juris. Unklar das Konzept JVA Fuhlsbüttel, S. 9. 1038 Vgl. etwa „21. Rauchen“ der Hausordnung JVA Straubing, S. 17.

462

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

7. Fazit In diesem Themenblock finden sich die bisher größten Abstände zwischen Straf- und Sicherungsverwahrungsvollzug, was grds. positiv hervorzuheben ist.1039 Jedoch muss man feststellen, dass gerade diese Bereiche schon bisher die meisten positiven Abweichungen zum Strafvollzug aufwiesen.1040 Allerdings wurde in vielen Gesetzen keine Mindestquadratmeterzahl festgehalten, der geschlossene Vollzug ist in allen Gesetzen die Regel geworden und die individuelle Ausstattung des Zimmers ist häufig nach wie vor an das Merkmal der Übersichtlichkeit geknüpft.1041 Außerdem stellt sich die Frage, ob bei Verbesserungen der Bedingungen im Strafvollzug im Interesse eines nachhaltigen Behandlungs- und Resozialisierungsvollzugs der Sicherungsverwahrungsvollzug nachlegen muss, in der Konsequenz, dass etwa die Mindestquadratmeterzahl der Räume korrigiert werden müsste. Auch bleibt die Frage, ob angesichts der jetzt schon umfassenden Regelungen überhaupt weitere Verbesserungen möglich sind, um den ggf. verringerten Abstand wieder auszuweiten.1042 Positiv zu bewerten sind diejenigen Vorschriften, welche die Selbstständigkeit zum Ausdruck bringen und fördern wie bspw. die Regelungen zur Unterbringung in der Wohngruppe, der grds. Möglichkeiten zur Selbstversorgung und zum Einkauf.1043 Betrachtet man die Vorschriften im Detail, so fällt auf, dass sie z. T. wie die dazugehörigen Konzepte noch unzureichend sind.1044 Als Bsp. sei die Möglichkeit der Selbstverpflegung in Bayern genannt, welche schon im Gesetz nach Art.  19 Abs.  2 S.  1 BaySvVollzG nur geeigneten Verwahrten unter therapeutischer Begleitung gewährt werden soll und im Zuge der Hausordnung noch weiteren Auflagen unterliegt, wie z. B. der Notwendigkeit eines schriftlichen Antrags zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt. Um eine Selbstverpflegung erfolgreich zu ermöglichen, müssten zudem die Einkaufsmöglichkeiten erhöht werden; derzeit nur einmal pro Woche.

1039

S. dazu bspw. die Synopse des HmbStVollzG und HmbSVVollzG in Hmb LT-Drs. 20/ 6822, S. 2 f., 4 f. 1040 Köhne, FS 2014, 177 konkret zur Raumgröße: „diesbezüglicher Abstand … schon bisher häufig praktiziert“. 1041 Acht Länder regeln allg., dass der Raum eine „ausreichende Größe“ haben muss: Bln, Bbg., Brem, M-V, Nds., NRW, S-H, Thür, was nicht zur Rechtssicherheit beiträgt. Nur teilweise findet sich ein Verzicht auf den Zusatz, dass durch die Gegenstände die „Übersichtlichkeit“ nicht beeinträchtigt werden darf. Regelmäßig ist Einzelunterbringung vorgesehen; krit. Köhne, KJ 2013, 341. 1042 Ähnl. Krä, FS 2014, 181, der daher weitere Entscheidungen des BVerfG erwartet. 1043 Die Gesetze selbst geben vor, die Selbstständigkeit der Verwahrten fördern zu wollen, vgl. etwa § 3 Abs. 2 S. 2 HSVVollzG: Das Leben im Vollzug soll u. a. „die Untergebrachten in ihrer Eigenverantwortung stärken“ oder Art. 14 S. 1 BaySvVollzG: „Die Sicherungsverwahrten sollen durch die Tageseinteilung an eine eigenverantwortliche Lebensführung heran­ geführt werden.“ 1044 Fabricius, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 63 f.

VII. Tagesstruktur durch Freizeit und Beschäftigung

463

VII. Tagesstruktur durch Freizeit und Beschäftigung Von großer Bedeutung ist, welche Freiheiten dem Verwahrten nach innen gewährt werden und wie sein Alltag strukturiert ist. Dies betrifft nicht nur Fragen der Arbeit und Vergütung, sondern vor allem auch den Themenbereich der Freizeit, im Speziellen der Kontaktmöglichkeiten mit Personen außerhalb des Vollzugs sowie der Nutzung moderner Medien und dem Besitz von Gegenständen. Zu befürchten ist, dass aufgrund von Sicherheitsbedenken, die man gegen die Klientel der Sicherungsverwahrten nach wie vor hegt, nach innen nicht ausreichend Freiheit gewährt oder man restriktiver ist, als es wünschenswert oder gar notwendig wäre. 1. Bisherige Regelungen Außer eine der wenigen speziellen Regelungen des bisherigen Sicherungsverwahrungsvollzugs zur Selbstbeschäftigung und zum Taschengeld existierte früher keine weitere Sondernorm zur Arbeit (vgl. § 133 StVollzG).1045 Daher waren Sicherungsverwahrte gem. §§ 41, 130  StVollzG ebenfalls grds. bis zum 65. Lebensjahr1046 zur Arbeit verpflichtet, und die ausgeübte Arbeit wurde identisch zu der von Strafgefangenen entlohnt.1047 Jedoch sollte dem Abstandsgebot Rechnung getragen werden: Je länger der Vollzug dauere, umso kritischer müsse geprüft werden, ob die Zuweisung der Arbeit noch mit dem körperlichen bzw. geistigen Zustand und den weiteren Unterbringungsperspektiven des Untergebrachten zu vereinbaren sei.1048 Forderungen nach Abschaffung der Arbeitspflicht blieben ungehört und die LStVollzGe behielten die Pflicht zur Arbeit, getragen von der grundlegenden Entscheidung des BVerfG, bei.1049 Die Anrechnung der Freistellung von der Arbeit auf den Entlassungszeitpunkt war nach § 43 Abs. 10 Nr. 1 StVollzG bei der Sicherungsverwahrung ausgeschlossen, wobei dies nur diejenigen betreffen sollte, bei denen noch kein Entlassungs 1045 Krit. zur bisherigen Regel AK-StVollzG-Feest 1990, § 133 Rn.  4; die entsprechenden landesrechtlichen Normen fanden sich in § 102 JVollzGB III a. F.; Art. 163 BayStVollzG a. F.; § 97 HmbStVollzG a. F., § 68 Abs. 6 und 8 HStVollzG a. F. sowie § 110 Abs. 1 NJVollzG a. F. 1046 Im Umkehrschluss stellte die Ablehnung einer zugewiesenen Arbeit eine Pflichtverletzung dar, auf welche mit Disziplinarmaßnahmen reagiert werden konnte, vgl. dazu Laubenthal 2015, Rn. 396; OLG Karlsruhe Die Justiz 2007, 312; zur Zulässigkeit dieser Ausnahme von Art. 12 Abs. 1 GG s. BVerfGE 98, 206. 1047 Zur Vergütung allg. AK-StVollzG-Feest/Lesting 2012, § 43 Rn.  10; bereits Neu 1976, 179 f.; zu sonstigen Leistungen Laubenthal 2015, Rn. 433 sowie 441 f. 1048 S. OLG Karlsruhe NStZ-RR 2007, 389; Die Justiz 2007, 312; dazu Calliess/Müller-Dietz 2008, § 130 Rn. 3. 1049 Schon vor den Gesetzgebungsverfahren zu den SVVollzGen gab es Forderungen, die Arbeitspflicht abzuschaffen, zudem kritisierte man die fehlende Beteiligung an der Renten- und Sozialversicherung, dazu SBJL-Koepsel 2009, § 133 Rn. 2. Entlohnung und Arbeitspflicht gebilligt aber von BVerfGE 98, 169.

464

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

zeitpunkt feststand.1050 Arbeit galt als resozialisierende, wenn nicht sogar „lebenserhaltende“ Maßnahme im Sicherungsverwahrungsvollzug, um gerade bei dem potentiell unbegrenzten Vollzug eine gewisse Tagesstruktur und Lebenstüchtigkeit zu erhalten. Aufschlussreich ist in diesem Zusammenhang der Kommentar, dass die Selbstbeschäftigung nicht nur zur besseren Entlassungsvorbereitung genehmigt werden sollte, sondern wegen § 131 StVollzG über den Gesetzestext des § 133 StVollzG hinaus vor allen Dingen dann, wenn diese dem Verwahrten half, „die lange Inhaftierungszeit mit geringer Schädigung seiner Persönlichkeit zu überleben“1051. Dazu hätte den in § 131 S. 2 StVollzG genannten persönlichen Bedürfnissen der Verwahrten mehr Gewicht beigemessen werden müssen als dem Mehraufwand für die Justizverwaltung. Bereits vor den SVVollzG war die arbeitstherapeutische Beschäftigung neben den sog. Hilfstätigkeiten eine Alternative zur wirtschaftlich ergiebigen Arbeit.1052 Im Bereich der Freizeit gab es einige Vergünstigungen, allerdings nicht im StVollzG, sondern hauptsächlich in den VV festgehalten.1053 Die Ausgestaltung war über die Grundsätze des § 131 StVollzG hinaus nicht weiter umschrieben, was einen Spielraum bei der Gestaltung des Tagesablaufs und Besuchsverkehrs gewährleisten sollte.1054 Aus der Aufforderung der Berücksichtigung der persönlichen Interessen in § 131 S. 2 StVollzG folgte, dass im Strafvollzug durchaus übliche Beschränkungen bei Sicherungsverwahrten nur aufgrund von persönlichen Sicherheitsrisiken zulässig waren.1055 Einen Anspruch auf Langzeitbesuche gab es in der Unterbringung genauso wenig wie im Strafvollzug. Sie existier(t)en dennoch seit einigen Jahren in unterschiedlicher Ausprägung.1056 Kritik wurde an der Umsetzung der Zeit des Aufenthalts im Freien bzw. der Bewegungsfreiheit in der Sicherungsverwahrung geübt.1057 Zuletzt geriet v. a. die Nutzung bzw. der Besitz (vgl. § 70, 130 StVollzG) moderner Medien, u. a. von Spielekonsolen, Computern und Internet in die Diskussion. Die Rechtsprechung vertrat dazu die These der generell innewohnenden Ge 1050

SBJL-Laubenthal 2013, § 43 Rn. 27, Rn. 31 ff. auch zu den Regelungen der LStVollzGe. Vgl. SBJL-Koepsel 2013, § 133 Rn. 1. 1052 Dabei gibt es einen Unterschied zwischen Arbeits- und Beschäftigungstherapie, welcher nicht klar im StVollzG definiert wird. Erstere dient unmittelbar der Herstellung der Arbeitsfähigkeit, wobei zweitere deren Vorstufe darstellt; zum Ganzen: SBJL-Laubenthal 2009, § 37 Rn. 9. 1053 So z. B. die erhöhte Besuchszeit von zwei Stunden in der VV Nr. 1 zu § 131 StVollzG. 1054 Gemäß §§ 17, 18 i. V. m. § 130 StVollzG wurde zwischen Frei- und Ruhezeit unterschieden; vgl. dazu Calliess/Müller-Dietz 2008, § 131 Rn. 3; ebso. Arloth 2011, § 131 Rn. 2, 3. 1055 SBJL-Koepsel 2009, § 131 Rn. 3. 1056 Kleine Anfrage des Abg. Wetzel (FDP/DVP) vom 20.4.2010, BW LT-Drs.  14/6228; BeckOK LSVVollzG-Heuchemer, § 27 Rn. 5 d: „die Leitposition war, dass das Gesetz dies nicht grundsätzlich ausschließt“; ebso. OLG Koblenz NStZ 1989, 398; and. OLG Hamburg ZfStrVo 2005, 55; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2004, 60. 1057 Lediglich in § 68 Abs.  4 HStVollzG a. F. erhöht; Kritik durch das CPT (s. u. Teil  D., Fn. 1026). 1051

VII. Tagesstruktur durch Freizeit und Beschäftigung

465

fährlichkeit.1058 Dies sollte unabhängig von der konkreten Person – unabhängig ob Gefangener oder Sicherungsverwahrter – grds. zum Ausschluss des Besitzes führen.1059 § 130 S. 2 StVollzG gebiete keine Sonderbehandlung, da nur nach Möglichkeit den Bedürfnissen der Verwahrten Rechnung zu tragen sei.1060 Dem Gesetzgeber, den JVAen und den im Streitfall entscheidenden OLGen fehlte merklich „ein eindeutiges Bewusstsein hinsichtlich der Erforderlichkeit einer Sonderbehandlung von Sicherungsverwahrten“.1061 2. Beschäftigung a) Überblick Wenn im Vollzugsplan die Festlegung erfolgt, sind einzig die bayerischen Sicherungsverwahrten nach Art. 36 BaySvVollzG „verpflichtet, … eine ihnen aus behandlerischen Gründen zugewiesene Arbeit oder arbeitstherapeutische Beschäftigung … auszuüben, soweit sie dazu körperlich und geistig in der Lage sind“. Es soll sich dabei „nur“ um eine behandlerisch notwendige Pflicht handeln, weshalb die Beschäftigung im Vollzugsplan als Behandlungsziel festgelegt sein müsse.1062 Außer Bayern haben alle Länder die Arbeitspflicht für den Sicherungsverwahrungsvollzug abgeschafft (vgl. Tabelle A14 im Anhang). Unterschiede bestehen dennoch auch hier: Ausdrücklich regelt bspw. § 37 Nds. SVVollzG, dass die Untergebrachten zu „Arbeit, Aus- und Weiterbildung sowie arbeitstherapeutischer Beschäftigung 1058 Zusammenfassend KG Berlin OLGSt StVollzG § 70 Nr. 13; ähnl. OLG Hamm, Beschl. vom 17.8.2010 – 1 Vollz (Ws) 255/10 – bei juris; mit Recht krit. Beck, HRRS 2013, 13 f.; für den Maßregelvollzug OLG Frankfurt NStZ-RR 2012, 223 zum Besitz einer Playstation; krit. dazu Wawzyniak, KritV 2012, 206. 1059 D. h. Ausnahmen waren bisher schon denkbar, aber nur im Einzelfall, wenn die Computernutzung zur Aus- und Weiterbildung unabdingbar war, so KG Berlin OLGSt StVollzG § 70 Nr. 13. 1060 OLG Hamm, Beschl. vom 17.8.2010 – 1 Vollz (Ws) 255/10, Rn. 14 – bei juris: „Einen Rechtsanspruch auf eine besondere Ausstattung des Haftraumes gibt die Vorschrift dem Verwahrten“; s. a. Arloth 2011, § 131 Rn. 4. 1061 Beck, HRRS 2013, 13. 1062 Einige Gesetze haben die Beschäftigung legaldefiniert als „Arbeit, arbeitstherapeutische Maßnahmen sowie schulischer und beruflicher Bildung“, vgl. § 34 Abs. 1 S. 1 HmbSV VollzG; § 42 Abs.  2 JVollzGB V; Art.  33 Abs.  1 BaySvVollzG; § 28 Abs.  2 HSVVollzG/ ThürSVVollzG; § 31 Abs.  1 S.  2 SVVollzG NRW; § 33 Abs.  1 SVVollzG LSA; erweitert um das Arbeitstraining in § 21 Abs.  2 SVVollzG SH; die anderen SVVollzGen normieren die einzelnen genannte Bestandteile, ohne die Beschäftigung legalzudefinieren. Zur Festlegung im Vollzugsplan Arloth in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92 VF, S. 21; ders. 2013, 210; ebso. Weichert-Pleuger in der Anhörung zum Nds. SVVollzG-E am 5.9.2012, ARV PR 16/123&124, S. 23; ähnl. Kannegießer (BSBD) in der Anhörung zum HSVVollzG-E am 28.11.2012, RIA/18/48-UJV/18/37, S.  21 f. Warnend allerdings vor einer Überstrapazierung des Therapiebegriffs in diesem Zusammenhang Frommel in der Anhörung zum SVVollzG SH-E, SH RA 18/28, S. 17.

466

D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

nicht verpflichtet“ sind.1063 Anderen Gesetzen ist die Abschaffung nur durch eine Interpretation im Zusammenhang mit den Gesetzesbegründungen zu entnehmen.1064 Dass der Fokus auch bei der Beschäftigung mehr auf den therapeutischen Aspekt ausgerichtet ist, zeigt sich neben der Abschaffung der Arbeitspflicht darüber hinaus in der Systematik und den gewählten Überschriften.1065 Gestärkt werden die therapeutisch ausgerichteten Arbeitsmaßnahmen dadurch, dass die Anstalt z. B. bei der (Nicht-)Gewährung nicht allein auf Kostengründe abstellen darf.1066 Damit, dass die Gesetze die arbeitstherapeutischen Maßnahmen in den Vordergrund stellen, wird der besonderen Klientel Rechnung getragen, die häufig aufgrund der langjährigen Inhaftierungszeit erhebliche Unterstützung brauchen.1067 b) Arbeitspflicht Angesichts dessen, dass die Arbeitspflicht im Strafvollzug seit langem trotz verfassungsgerichtlicher Entscheidung umstritten ist,1068 verwundert es nicht, dass sich für den Sicherungsverwahrungsvollzug im Wesentlichen zwei Lager herauskristallisierten – eines zum Erhalt1069 und eines zur Abschaffung. Die Befürworter der Arbeitspflicht stellten darauf ab, dass die Beseitigung insbesondere aus Resozialisierungsgesichtspunkten gerade keine positive Entwicklung i. S. e. Besserstellung bedeute.1070 Eine hohe Beschäftigungsquote habe man im Sicherungsver 1063

Ebso. ausdrückl. normiert in § 42 Abs. 1 JVollzGB V; § 34 Abs. 1 S. 3 HmbSVVollzG; § 28 Abs. 1 HSVVollzG/ThürSVVollzG; § 31 Abs. 1 SVVollzG NRW; 21 Abs. 1 SVVollzG SH. 1064 So bspw. §§ 23 S. 1, 9 Abs. 2 BremSVVollzG; § 33 Abs. 1 SVVollzG LSA. 1065 Insbes. im ME-SVVollzG und den ihm folgenden SVVollzGen (mit Ausnahme des SV VollzG SH): Arbeitstherapeutische Maßnahmen (z. B. § 20 BremSVVollzG) werden vor der Arbeit (z. B. § 23 BremSVVollzG) normiert; Titel: „Arbeitstherapeutische Maßnahmen, Arbeitstraining, schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen, Arbeit“; ebso. Arbeitstherapeutische Maßnahmen, Arbeitstraining sowie schulische und berufliche Qualifizierungsmaßnahmen (s.  z. B. in § 9 Abs.  2 S.  1 LSVVollzG/SLSVVollzG); s.  dazu BeckOK LSVVollzG-Schlosser, § 20 Rn. 2. 1066 So OLG Karlsruhe NStZ-RR 2015, 292 f. 1067 So der GE-SVVollzG, der zwar nicht wie der ME-SVVollzG schon äußerlich sichtbar die therapeutische Seite besonders hervorhebt, aber in seiner Begr. (vgl. GE-SVVollzG, S. 56) auf die besondere Klientel eingeht; and. z. B. RlP LT-Drs. 16/1910, S. 173; Nds. LT-Drs. 16/4873, S. 56. 1068 Bemmann, StV 1998, 604 f.: Arbeitspflicht zwar vom BVerfG gebilligt, aber nicht allseits anerkannt. 1069 Weichert-Pleuger in der Anhörung zum Nds. SVVollzG-E, ARV PR 16/123&124, S. 20 f.; Peglau in der Anhörung zum LSVVollzG-E, APr 16/19, S. 41 f. (sinnvolle Sache, weil die den Tagesablauf strukturiere); Frommel in der Anhörung zum SVVollzG SH-E, SH RA 18/28, S. 18 (diese Klientel brauche klare Spielregeln); Arloth in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 6 f.; Kannegießer (BSBD), ebda., S. 18. 1070 In diesem Sinne Bartsch in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 29; dagegen etwa Hurlin in der Anhörung zum LSVVollzG-E, APr 16/19, S. 14: Den Sinn der Arbeit als Fixpunkt des Alltags zu erkennen, funktioniere nicht mittels disziplinarisch durchsetzbaren Zwangs.

VII. Tagesstruktur durch Freizeit und Beschäftigung

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wahrungsvollzug zudem nur wegen der Arbeitspflicht zu verzeichnen gehabt.1071 Andererseits wurde eine Arbeitspflicht angesichts des Angleichungsgrundsatzes sowie des Sonderopfers der Verwahrten als problematisch empfunden.1072 Stellt sich die Frage, ob das vom BVerfG aufgestellte Abstandsgebot die Abschaffung oder Beibehaltung der Arbeitspflicht im Sicherungsverwahrungsvollzug erfordert. Begründet wurde die Abschaffung der Arbeitspflicht jedenfalls damit, dass dadurch der besonderen Situation der Sicherungsverwahrten Rechnung getragen werden solle. Dort, wo einige LStVollzGe die Arbeitspflicht abschafften, um die Arbeit als einen positiven Bestandteil des Vollzugs aufzuwerten,1073 wäre bei einer Beibehaltung der Pflicht im Sicherungsverwahrungsvollzug eine Schlechterstellung gegeben.1074 Auf Bayern trifft dies allerdings nicht zu, weil dort im Strafvollzug – jedoch ohne den Hinweis, dass diese aus behandlerischen Gründen zugewiesen wird – weiterhin die Arbeitspflicht in Art. 43 BayStVollzG normiert ist. Deutlich wird, dass die Abschaffung im Sicherungsverwahrungsvollzug dort keinen positiven Abstand erzeugt, sondern einen Gleichlauf. Für den Strafvollzug hat das BVerfG festgestellt, dass es sich bei der pflichtweise ausgeführten Arbeit um eine Resozialisierungsmaßnahme handelt, wenn sie ausreichend anerkannt ist.1075 Dass aber eine Pflicht notwendigerweise bestehen muss, damit die Arbeit zu einer Resozialisierungsmaßnahme wird, kann nicht überzeugen. Im Umkehrschluss müsste mit Abschaffung der Pflicht dem Resozialisierungsgedanken weniger genüge getan sein.1076 Dies leuchtet nicht ein, schließlich ist doch nicht die Pflicht, sondern die Arbeit an sich resozialisierend.1077 Dass die Arbeit eine anerkannte und hilfreiche Maßnahme zur Resozialisierung während und nach der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung darstellt und ein wesentlicher Bestandteil des Umgangs mit dem Untergebrachten ist, steht nicht zur Debatte.1078 Es geht also nicht darum, wie sinnvoll die Arbeit ist, sondern wie 1071 Bachmann (JVA Schwalmstadt) in der Anhörung zum LSVVollzG-E, APr 16/19, S. 25 f.; ebso. Streng, Schriftliche Stellungnahme zum BaySvVollzG-E, S. 82 (wird der Sonderstellung der Verwahrten nicht gerecht); ähnl. Rosenau in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 29. 1072 Gittermann (OLG Celle) in der Anhörung zum Nds. SVVollzG-E, ARV PR 16/123&124, S. 26; Roos, Schriftliche Stellungnahme zum ThürSVVollzG-E, S. 3; ebso. krit. Joester in der Anhörung zum BremSVVollzG-E, A/RA 18/18, S. 448. 1073 Bbg LT-Drs. 5/6437, S. 37 zur Abschaffung der Arbeitspflicht für den Strafvollzug. 1074 Diesbzgl. Bartsch, FS 2013, 215 zu widersprechen, weil in diesem Fall eine Abschaffung zwingend wäre. 1075 BVerfGE 98, 169. 1076 In diese Richtung geht aber die Stellungnahme von Bartsch in der Anhörung zum SVVollzG LSA-E, 6/REV/22, S. 17. 1077 Nicht nachvollziehbar ist, wieso bspw. der rlp Gesetzgeber der Arbeit in der Gesetzesbegründung im SV lediglich die Bedeutung einräumt, den Tag zu strukturieren, wohingegen er beim Strafvollzug deutlich darauf abstellt, dass dies einer von vielen Resozialisierungsfaktoren sei, vgl. RlP LT-Drs. 16/1910, S. 127, 163. 1078 Arbeitslosigkeit im Anschluss an die Unterbringung kann die Rückfallgefahr erhöhen, vgl. dazu S/S-Stree/Kinzig 2014, § 56 Rn. 24 ff.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

man erreicht, dass Untergebrachte arbeiten. Die resozialisierungsfreundliche Wirkung, die Arbeit haben kann, setzt jedenfalls nicht notwendigerweise eine Pflicht voraus. Auch positive Anreize sind in der Lage, zur Arbeit zu motivieren und damit für einen strukturierten Tagesablauf zu sorgen. Schon für den Strafvollzug wurde kritisiert, dass die zwangsweise Durchsetzung nur geringen pädagogischen Wert hat und zudem mit den sonstigen notwendigen therapeutischen und sozialen Hilfestellungen kollidiert.1079 Wenn vorgebracht wird, dass es keine Studien gebe, die sagen, dass Resozialisierung besser ohne Arbeitspflicht erreicht werden könnte,1080 so ist damit argumentiert, dass etwas schon immer so gemacht wurde und deshalb so bleiben soll. Ein Vollzug ohne Arbeitspflicht stellt eine Anpassung an die Lebenswirklichkeit dar, in der es nur eine Schul- und keine Arbeitspflicht gibt. Noch entscheidender ist, dass der (Sicherungsverwahrungs-)Vollzug ohne Arbeitspflicht in diesem Bereich selbstbestimmter wird. Damit nicht ausgeschlossen ist eine erhoffte Motivation zur Arbeit.1081 Eine andere Frage ist, ob die SVVollzGe, welche von einer Arbeitspflicht absahen und wenig verbindlich formulieren zu einem „Einfallstor“ dafür geworden sind, dass die Anstalten sich ihrer eigenen Pflicht, Arbeitsplätze anzubieten, entledigen können.1082 Die Gesetze enthalten allesamt die Regelung, dass den Untergebrachten Arbeit, arbeitstherapeutische Maßnahmen und Ausbildungsmaßnahmen sowie ggf. Schulunterricht angeboten werden „sollen“, um ihnen die Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln, derer es für den Erwerb des Lebensunterhalts in Freiheit bedarf (vgl. § 21 Abs. 2 SVVollzG SH1083). Besser wäre es, alle Länder würden insofern der verbindlicheren Formulierung Hamburgs folgen. Dort wurde die Pflicht der Anstalt, entsprechende Angebote zu unterbreiten, in § 34 S. 2 HmbSVVollzG festgehalten (Die Anstalt hat „ein entsprechendes Angebot, das die Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen der Untergebrachten be 1079

SBJL-Laubenthal 2009, § 41 Rn. 2; A. Böhm 2003, Rn. 289 ff.; AK-StVollzG-Däubler/ Galli, § 41 Rn. 2. 1080 Damit argumentierte Conrad (BSBD) in der Anhörung zum LSVVollzG-E, APr 16/19, S. 19: „Uns ist kein wissenschaftliches Gutachten bekannt, in dem die Abschaffung der Arbeitspflicht als wichtige Voraussetzung für eine erfolgreiche Resozialisierung untermauert wird.“ 1081 Z. B. mittels der in Art. 45 Abs. 2 S. 2 BaySvVollzG festgelegten Motivation durch erhöhtes Taschengeld, wenn einer der Untergebrachten einer angebotenen Arbeit bzw. arbeitstherapeutischen Maßnahme nachgegangen ist und das Arbeitsentgelt oder die Ausbildungsbeihilfe die so zustande gekommene Höhe nicht erreicht, s. dazu Bay LT-Drs. 16/13834, S. 45. 1082 So mit Recht die Befürchtungen von Dünkel in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E am 2.4.2013, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 6 f.: „Arbeitspflicht werde nicht aufgrund des Abstandsgebots, sondern deshalb abgeschafft, weil sich der Landesgesetzgeber damit gewissermaßen freikaufen wolle, genügend Arbeitsplätze zur Verfügung stellen zu müssen.“ Vgl. dazu Tabelle A14 im Anhang. 1083 Ebso. in § 28 Abs.  2 HSVVollzG/ThürSVVollzG; vgl. zu den anderen Sollvorschriften die Übersicht bei Laubenthal 2015, Rn. 942; hervorgehoben für das Nds. SVVollzG von Grote, KrimPäd 2013, 29.

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rücksichtigt, … vorzuhalten.“ ).1084 Letztlich würde dies zu mehr Rechtssicherheit beitragen, denn dem Untergebrachten muss ein einklagbares Recht zur Verfügung stehen.1085 Außerdem ist das Angebot institutionell im Abschnitt über Aufbau und Organisation der Einrichtungen verbindlicher zu gestalten, als es bisher der Fall ist. Dies könnte durch einen Zusatz, dass die Vollbeschäftigung abgesichert sein soll, erreicht werden.1086 Angesichts der geringen Zahl der für Arbeit geeigneten Untergebrachten ist dies auch realisierbar. c) Taschengeld und soziale Absicherung Die dem ME-SVVollzG folgenden SVVollzGe – mit Ausnahme Schleswig-Holsteins1087 – wollen durch den üblichen Ausschluss vom Taschengeld wegen fehlender Bedürftigkeit bei Nichtannahme einer zumutbaren Arbeit bzw. verschuldetem Arbeitsverlust Motivation erzeugen. Dass damit dem Angleichungsgrundsatz Rechnung getragen werden soll,1088 leuchtet nicht ein. Vielmehr ist denjenigen Gesetzgebern zuzustimmen, die gerade aufgrund des Abstandsgebots auf diesen Bedürftigkeitsausschluss verzichteten, um auch tatsächlich das Ziel einer Art vollzuglichen Grundsicherung, einer gesetzlichen Sozialleistung des Vollzugs, zu erreichen.1089 Im Übrigen regeln alle SVVollzGe, dass das Taschengeld nur auf Antrag und bei Bedürftigkeit zu zahlen ist (vgl. Tabelle A15 im Anhang). Nicht durchweg wird im Gesetzestext bestimmt, wann genau ein Untergebrachter bedürftig ist und wie hoch das Taschengeld tatsächlich ausfallen soll.1090 Letztlich ist die Erhöhung von vorher rund 55 € auf inzwischen rund 100 € pro Monat auf jeden Fall zu begrüßen. Zu weit ginge es aber, darin die „finanzielle Basis für eine mög 1084

Ähnl. § 38 Abs. 1 Nds. SVVollzG: „§ 4 Abs. 1 Satz 1 eine Arbeit, Aus- oder Weiterbildung oder arbeitstherapeutische Beschäftigung anzubieten hat“, i. Ü. abgeschwächt nur eine SollFormulierung „soll die Vollzugsbehörde der oder dem Sicherungsverwahrten auf Antrag eine ihren oder seinen Fähigkeiten, Fertigkeiten und Neigungen entsprechende Tätigkeit anbieten“. 1085 Forderung bei Dünkel, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH-E, S. 7. 1086 S. den Ergänzungsvorschlag von Dünkel, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH-E, S. 7: „Es ist eine bedarfsgerechte Anzahl und Ausstattung von Plätzen insbesondere für … Arbeit vorzusehen, die eine Vollbeschäftigung der Untergebrachten gewährleistet.“ 1087 Z. B. in § 62 Abs. 2 SVVollzG Bln; BbgSVVollzG; LSVVollzG/SLSVVollzG; § 63 Abs. 2 S. 1 BremSVVollzG; § 38 Abs. 1 S. 3 SVVollzG LSA; ähnl. § 65 Abs. 3 SächsSVVollzG, dort allerdings ist die Dauer, in der das Taschengeld entfällt, auf drei Monate begrenzt. Wenig überraschend enthält der ME-SVVollzG den Ausschluss in § 62 Abs. 2 ME-SVVollzG, § 37 GE-SVVollzG hingegen nicht. Ein Grund dafür könnte in der vollzuglichen Zusammenarbeit mit Hmb gesehen werden. Insoweit nur der Unterschied, dass SH eine Erhöhung des Taschengeldes zur Therapiemotivation enthält (vgl. § 65 S. 3 SVVollzG SH). 1088 So RlP LT-Drs. 16/1910, S. 174; ebso. Bln LT-Drs. 17/0689, S. 91. 1089 Vgl. dazu etwa Bay LT-Drs. 16/13834, S. 45; s. a. zum Ziel, eine Grundsicherung zu erreichen z. B. M-V LT-Drs. 6/1476 S. 107; Schäfersküpper/Grote, NStZ 2013, 451. 1090 Es variiert im Normalfall von 18 % bis i. d. R. 24 % in den Gesetzesbegründungen, zur Klarheit wäre eine Regelung im Gesetz selbst angebracht. Keine Aussage zur Bedürftigkeit im BaySvVollzG; HmbSVVollzG; HSVVollzG; SVVollzG SH; ThürSVVollzG. Entscheidend

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

lichst eigenverantwortliche Lebensführung“ zu sehen.1091 Abseits vom Taschengeld spielen hinsichtlich des Abstandsgebots die weiteren Anerkennungsmöglichkeiten eine entscheidende Rolle, die zusammen mit der seitens der Literatur immer noch als „verfassungswidrig“1092 eingestuften Arbeitsvergütung in Tabelle A14 im Anhang dargestellt sind. Genauso wenig haben die Bundesländer die Beteiligung an der Rentenversicherung bzw. Beendigung der Schlechterstellung in der Arbeitslosenversicherung überhaupt nur in Erwägung gezogen,1093 obwohl dies seitens der Bundesregierung wiederholt für „sinnvoll“ erachtet wurde.1094 Auch in diesem Zusammenhang sollte sich der Gesetzgeber an den Sozialleistungen in Freiheit orientieren.1095 Im Moment sind augenscheinlich finanzielle Erwägungen ausschlaggebend.1096 Wenn Ziel die Resozialisierung sein soll, kann der Staat nicht länger den Ausschluss der Sicherungsverwahrten aus den staatlichen sozialen Sicherungssystemen hinnehmen. Bei Verwahrten, die lange Zeit im Vollzug verbracht haben, droht Altersarmut.1097 Dies ist die tatsächliche Bedürftigkeit im Antragszeitraum, vgl. dazu OLG Hamm, Beschl. vom 28.4.2014 – III-1 Vollz (Ws) 167/14, 1 Vollz (Ws) 167/14, Rn. 13 – bei juris. Alleine § 62 Abs. 1 S. 1 SächsSVVollzG verzichtete nicht auf den Zusatz, dass der Untergebrachte unverschuldet bedürftig sein muss. 1091 So aber sehr optimistisch Grote, KrimPäd 2013, 29. Zum Betrag vor dem 1.6.2013 und mit der Neuregelung in Bezug auf den GE-SVVollzG s. Schäfersküpper/Grote, NStZ 2013, 451. 1092 Dünkel, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG SH-E, S. 8. 1093 S. entsprechende Forderungen von Bartsch, Scharmer und Asprion in der Anhörung zum Nds. SVVollzG-E, ARV PR 16/123&124, S. 8, 11, 37; Bahl (Straffälligenhilfe) in der Anhörung zum BremSVVollzG-E, A/RA 18/18, S. 460 f. Ebso. fehlt die Beteiligung an einer normalen Krankenversicherung. 1094 Die BReg hat wiederholt festgestellt, dass sogar die Einbeziehung der Gefangenen in die Rentenversicherungssysteme sinnvoll sei, vgl. dazu BT-Drs. 16/11362, S. 2 („sinnvoll“); BTDrs. 17/6589, S. 17 („weiterhin für sinnvoll“). Vgl. zur derzeitigen Situation im Justizvollzug allg. den Antrag einiger Abgeordneter der Fraktion DIE LINKE auf ausdrückl. Einbeziehung in die Sozialversicherung: BT-Drs. 18/2606, S. 1. 1095 Dies kritisiert Kilian, Schriftliche Stellungnahme zum SächsSVVollzG-E, S.  47. Die Abschaffung der Arbeitspflicht führte jedenfalls nicht zu einer automatischen Beteiligung am Sozialversicherungssystem. Für SV ohne Arbeitspflicht gilt dasselbe, wie die BReg für U-Häftlinge in BT-Drs.  16/11362, S.  4 konstatierte: „Zwar kann ein Untersuchungsgefan­ gener wegen der Unschuldsvermutung im Gegensatz zum Strafgefangenen nicht zur Arbeit verpflichtet werden, und es muss ihm im Interesse einer sinnvollen Haftgestaltung so weit wie möglich Gelegenheit zur Beschäftigung gegeben werden. Eine Beschäftigung kann jedoch nur im Rahmen der der Haftanstalt zur Verfügung stehenden Einsatzmöglichkeiten­ angeboten werden. Hieraus ergeben sich grundlegende Unterschiede gegenüber einer auf dem Arbeitsmarkt frei gewählten Beschäftigung, die zur Einbeziehung in die Sozialversicherung führt.“ 1096 Vgl. BT-Drs.  17/6589, S.  17: „Die aufgeschobene Inkraftsetzung der Regelungen im Strafvollzugsgesetz beruht im Wesentlichen auf finanziellen Vorbehalten der Bundesländer, welche die Beiträge zur Sozialversicherung übernehmen müssten.“ Krit. mit Recht Alex in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 51: „… natürlich nur ein Geldproblem“. 1097 Sehr krit. das Positionspapier des Paritätischen, BAG-S 2015, 4 f.

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stellt keinen freiheitsorientierten Sicherungsverwahrungsvollzug dar. Ein erster Schritt wurde inzwischen bei der Justizministerkonferenz am 18.6.2015 in Stuttgart eingeleitet, indem nun geprüft werden soll, welche Folgen die Einbeziehung von Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten in die Rentenversicherung hätte.1098 d) Erhöhte Vergütung Aus Sicht der Verwahrten wird von größter Relevanz sein, dass die SVVollzGe erstmals die Vergütung für den Sicherungsverwahrungsvollzug erhöht haben und daher eine positive Abweichung vom Strafvollzug festzustellen ist: Die Bezugsgröße wurde von 9 % auf 16 % der Eckvergütung angehoben.1099 Die Erhöhung des Arbeitsentgelts trägt zur Motivierung der Untergebrachten bei. Zudem soll der behandlerische Aspekt der Arbeit unterstrichen werden.1100 Mit Recht wird daran kritisiert, dass die Voraussetzungen für den Maximal­ betrag realistischerweise kaum erfüllt werden können.1101 Die Entlohnung ist darüber hinaus selbst bei diesem Maximalbetrag und selbst, wenn man von niedrigeren Kosten im Vollzug als außerhalb in Freiheit ausgeht, noch weit davon entfernt, überhaupt mit „prekären Arbeitsverhältnissen“ außerhalb des Vollzugs verglichen zu werden, weshalb das Arbeitsentgelt vermehrt als nach wie vor zu gering eingestuft wird.1102 Dies muss vor dem Hintergrund gesehen werden, dass die nicht 1098

S. den Beschluss der JuMiKo in Stuttgart am 17/18.6.2015, Top II. 13 („Einbeziehung von Strafgefangenen und Sicherungsverwahrten in die gesetzliche Rentenversicherung“), Nr. 2: Der Strafvollzugsausschuss der Länder soll Grundlagen und Auswirkungen der Einbeziehung in die Rentenversicherung für Beschäftigungszeiten während der Haft für Strafgefangenen und SV prüfen. 1099 Diese wiederum orientiert sich am SGB, weshalb hier von vornherein eine unterschiedliche Bezahlung zwischen im Osten und Westen der BRD Untergebrachten erfolgt; vgl. dazu § 38 Abs. 3 HSVVollzG: „Der Bemessung der Vergütung nach Abs. 1 ist der zweihundertfünfzigste Teil (Tagessatz) von 16 Prozent der Bezugsgröße nach § 18 des Vierten Buchs Sozial­ gesetzbuch zugrunde zu legen (Eckvergütung).“ Die Bezugsgröße i. S. d. § 18 SGB IV bestimmt sich nach § 2 Abs. 1 der Sozialversicherungs-Rechengrößenverordnung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Nach einer Modellrechnung sollen die SV damit einen Stundenlohn von 2,52 €, statt 1,42 € (vgl. Zimmermann, HRRS 2013, 170; Schäfersküpper/Grote, NStZ 2013, 451: 234 € im Monat für das Jahr 2013) im Strafvollzug bzw. monatlich bis zu 460 € (vgl. H LT-Drs.18/6068, S. 84; ähnl. Schäfersküpper/Grote, NStZ 2013, 451) verdienen können. 1100 Grote, KrimPäd 2013, 29. 1101 Dessecker, BewHi 2013, 318. 1102 Dessecker, BewHi 2013, 318; krit. bspw. auch Dünkel in der Anhörung zum HmbSV VollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 7: schon bisherige Entlohnung sei verfassungswidrig; ebso. wg. der „Symbolfunktion“ Kinzig, ebda., S. 11; Bahl (Straffälligenhilfe) in der Anhörung zum BremSVVollzG-E, A/RA 18/18, S. 460 f. („durchaus bemerkenswert, aber dennoch sehr unbefriedigend“); Krahl in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 13; Asprion in der Anhörung zum HSVVollzG-E, ebda., S. 36; Kinzig, ebda., S. 31 (Arbeitslohn „deutlich zu wenig“); ders. zum BaySvVollzG-E, 16/92 VF, S. 30 („höchst prekär“); Streng, ebda., S. 27 („sehr nahe am Strafvollzug“); Kilian, Schriftliche Stellungnahme zum Sächs SVVollzG-E, S. 47.

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monetäre Anerkennung aufgrund der Erhöhung des Arbeitsentgelts weggefallen ist. Auch wenn dem Gesetzgeber bei der Umsetzung des Resozialisierungsgebots, der Ausgestaltung der Vergütung und der Arbeit selbst ein Gestaltungsspielraum vom BVerfG zugestanden wird,1103 bleibt es bei dem faden Beigeschmack, dass der Angleichungsgrundsatz anscheinend nur dann nicht entscheidend ist, wenn es um eine umfangreichere Erhöhung der Vergütung geht. Zwar wurde ein gewisser Ausgleich durch Erhöhung der Urlaubstage erzeugt.1104 Gleichzeitig wurde damit aber die Erhöhung des Entgelts als Privileg relativiert.1105 Die kostenlose Unterbringung kann nicht angeführt werden, weil diese dem Sonderopfer Rechnung trägt und nicht als Ersatz-Vergütung für Arbeit gewertet werden darf.1106 3. Kommunikation und Besitz a) Telekommunikation und Internet Telekommunikation über Telefone soll, wie bisher schon, mehrheitlich nur unter Vermittlung der Anstalt möglich sein (z. B. § 32 Abs. 1 S. 1 SVVollzG SH1107). Welche Folgen das Festhalten an der „Vermittlung“ durch die Anstalt hat, zeigt ein Beschluss des OLG Hamm vom 1.4.2014. Danach ist eine zwei Stunden dauernde Vermittlung als zeitnah zu beurteilen, womit dem Anspruch des Verwahrten auf tägliche Telefonate und dem „hohen Stellenwert von Telefongesprächen für die Kommunikation des Untergebrachten mit der Außenwelt“ hinreichend Rechnung getragen sein soll.1108 Das hat jedoch nicht viel mit Telefonaten nach allgemeinen Lebensverhältnissen gemein. Einen Abstand zum Strafvollzug stellen die Gesetzgeber jedoch dadurch her, dass den Untergebrachten ein Recht auf Telekommunikation eingeräumt wurde.1109 Kein Bundesland konnte sich jedoch für eine konsequente Einführung der Kommunikation mittels des Internets, etwa die Nutzung von E-Mailverkehr oder nur die Zulassung von Computern (selbst wenn nicht internetfähig) in ihren Gesetzen entscheiden. Der Zugang zum Internet ist jedoch dem Rat für Menschenrechte 1103

Vgl. dazu die Entscheidung zur Höhe des Arbeitsentgelts BVerfGE 98, 169. S. dazu die Begr. zum GE-SVVollzG, S. 5: „Die bisherige weitergehende Anerkennung für dauerhafte Beschäftigung entfällt. Der Anspruch auf Freistellung von der Arbeit wird auf 20 Arbeitstage pro Jahr erhöht.“ 1105 And. sehen es jedoch Schäfersküpper/Grote, NStZ 2013, 451. 1106 So aber Lückemann in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 26. 1107 KG, Beschl. vom 4.9.2013 – 2 Ws 327/13, 2 Ws 333/13, 2 Ws 327/13 – 141 AR 303/13, 2 Ws 333/13 – 141 AR 303/13, Rn. 38 – bei juris: Die Einführung eines Systems, das Telefonieren in den Zimmern ermöglicht, werde bisher lediglich „geprüft“; s. a. § 31 Abs. 1 S. 1 SVVollzG Bln. 1108 NRW LT-Drs. 16/1435, S. 80; vgl. ebso. OLG Hamm, Beschl. vom 1.4.2014 – III-1 Vollz (Ws) 93/14, 1 Vollz (Ws) 93/14, Rn. 12 – bei juris. 1109 BeckOK JVollzG V-Dorsch, § 30 Rn. 6; s. a. Schäfersküpper/Grote, NStZ 2013, 451. 1104

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der Vereinten Nationen zufolge ein Menschenrecht.1110 BVerfG und BGH konstatieren, dass es im Alltag der Deutschen nicht mehr wegzudenken sei.1111 Nahezu lebensfremd ist das von einigen Gesetzgebern vorgebrachte Argument, es handle sich bei E-Mail und Internetnutzung um „derzeit noch nicht verbreitete Telekommunikationsformen“.1112 Dies kann angesichts der heutzutage im Leben von mehr als 77 % aller Deutschen kaum wegzudenkenden Internetnutzung nicht überzeugen.1113 Vielmehr muss man sich fragen, wie ein Entlassener sich zurechtfinden soll, wenn er sich in der modernen Welt, zu der digitale Medien gehören, nicht auskennt.1114 Nicht nur im beruflichen Bereich, sondern auch im Privaten, zur Pflege und Herstellung von Kontakten mit der Außenwelt, wird zukünftig die Nutzung digitaler Medien im Sicherungsverwahrungsvollzug an Bedeutung gewinnen müssen. Bisher hingegen zeichnet sich die Praxis des Justizvollzugs durch eine „Kluft zwischen der digitalen und der vollzuglichen Welt“ aus.1115 Zudem fehlt ein empirischer Nachweis dafür, dass bspw. Mobiltelefone oder sonstige moderne Kommunikationsmittel zu missbräuchlichen Zwecken genutzt werden.1116

1110 Vgl. dazu die Resolutionen A/HRC/20/L.13 vom 29.6.2012, S. 2 sowie A/HRC/RES/20/8 vom 16.7.2012, S. 2. Dort fordert der Menschenrechtstrat „alle Staaten auf, den Zugang zum Internet und die internationale Zusammenarbeit zugunsten der Entwicklung der Medien und der Informations- und Kommunikationseinrichtungen in allen Ländern zu fördern und zu­ erleichtern“. 1111 Vgl. BVerfGE 120, 274 ff.; deutlicher noch BGHZ 196, 101 ff.: Das Internet habe sich „zu einem die Lebensgestaltung eines Großteils der Bevölkerung entscheidend mitprägenden Medium entwickelt, dessen Ausfall sich signifikant im Alltag bemerkbar macht.“; s. a. die obergerichtliche Rspr.: OLG München MDR 2010, 866; LG Stuttgart, Urt. vom 15.05.2009 – 15 O 306/08, Rn. 18 – bei juris; ebso. Asprion in der Anhörung zum Nds. SVVollzG-E, ARV PR 16/123&124, S. 37; Bartsch, NK 2013, 203; Knauer 2006, 2 f.; Pyhrr 2015, 258 f.; Theine, FS 2014, 161: „Kompetenzen und Fertigkeiten im Umgang mit modernen Medien sind mittlerweile eine Kulturtechnik, die im Beruf und im Alltag unverzichtbar geworden sind.“;­ Wawzyniak, KritV 2012, 203. 1112 Z. B. H LT-Drs. 18/6068, S. 97; SH LT-Drs. 18/448, S. 151; s. a. BeckOK BbgSVVollzGGoers, § 37 Rn. 1; krit. Bartsch, NK 2013, 203; ders. in der Anhörung zum SVVollzG LSA-E, 6/REV/22, S. 16. 1113 Ergebnis der laut Eigenaussage größten Studie zur Internetnutzung Deutschlands D21Digital-Index 2016, S. 8: 79 % (online abrufbar unter: http://www.initiatived21.de/portfolio/ d21-digital-index-2016/, zuletzt abgerufen am 04.01.2017); s. a. BeckOK SVVollzGBln-Ebert, § 37 Rn. 4; zur kaum vorhandenen wissenschaftlichen Auseinandersetzung s. Knauer 2006, 4 ff. 1114 Wawzyniak, KritV 2012, 207: Genau hier liege der zentrale Unterschied zur Spielkonsole usw.; beim Zugang zum Internet gehe es um das Erlernen von Fertigkeiten, die außerhalb des Strafvollzugs unerlässlich seien. 1115 Theine, FS 2014, 162; ähnl. Alex in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 56: „… hinkt der Strafvollzug immer hinter der gesellschaftlichen Entwicklung her und wird … von ihr überholt.“ Bisher die unbeschränkte Nutzung des Internets einhellig aus Sicherheitsgründen für den Strafvollzug ablehnend etwa Arloth 2011, § 32 Rn. 1; LNNV/Laubenthal 2015, E. IV. Rn. 104; SBJL-Schwind 2013, § 32 Rn. 2. 1116 Dazu sowie ausführl. zur Nutzung von Mobiltelefonen im Strafvollzug zu Recht Köhne, JR 2015, 616 ff.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Seit Ende der 1990er Jahre gibt es zaghafte Tendenzen des Strafvollzugs, die Nutzung digitaler Medien zumindest im Wege der Bildungsarbeit einzusetzen (Stichwort „e-lis Plattform“).1117 Daher kann man mit gutem Recht sagen, dass nach mehr als einem Jahrzehnt die Nutzung neuer Medien im Strafvollzug „umfänglich erprobt“ wurde und den „wesentlichen Sicherheitsbedürfnissen des Vollzugs bereits differenziert Rechnung getragen werden kann“.1118 Der in den Gesetzgebungsverfahren besonders hervorgehobene Sicherheitsaspekt ist ernst zu nehmen.1119 Der Gesetzgeber zeugt aber bisweilen eher von technischer Rückständigkeit und kann nicht generell auf das Internet übertragen werden und Grund für allgemeine Beschränkungen des Verwahrten in diesem Bereich sein. Eine Abwägung der konkreten Gefahren mit dem Ziel der Resozialisierung, der Angleichung und Freiheitsorientierung sowie Förderung von Kontakten unter Beachtung von Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten ist hier angezeigt. Die Risikoverteilung bzgl. der einzuschätzenden Gefahr darf nicht dazu führen, dass dem Verwahrten einseitig Beschränkungen auferlegt werden. Gewisse Restrisiken müssen hingenommen werden.1120 Letztlich existieren i. R. d. Besuchs oder des Schriftverkehrs ähnliche Gefahren, jedoch käme dabei niemand auf die Idee, diese aufgrund einer abstrakt-generellen Gefahr grds. zu verbieten.1121 Umso unverständlicher erscheint es, dass der Sicherungsverwahrungsvollzug der gesetz­ geberischen Ausgestaltung nach dem 1.6.2013 nach wie vor von einem (relativ) freien Internetzugang noch sehr weit entfernt ist.1122 1117 Theine, FS 2014, 161 im Speziellen zum Justizvollzug in Bbg; ebso. Dessecker, Schriftliche Stellungnahme zum ThürSVVollzG-E, S. 7 insbes. Fn. 11; ausführl. Knauer 2006, 9 ff., 109, 155 ff. zu verfolgten Projekten und zur Subsumtion neuer Kommunikationsformen unter Spezialregelungen des StVollzG. 1118 Theine, FS 2014, 162, dennoch sei der Vollzug nach wie vor „ausgesprochen zurückhaltend“; ebso. Alex in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 57; Dünkel, ebda., S. 56; Bartsch in der Anhörung zum SVVollzG LSA-E, 6/REV/22, S. 16: „Da es inzwischen auch genügend Möglichkeiten geben dürfte, um die Nutzung … wirksam zu kontrollieren, sollten sie umgehend … zugelassen werden.“ 1119 Graf in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 26 und 54 f.: „halte ich für in hohem Maße bedenklich, weil Internet ist nicht beherrschbar … wenn Sie Internet freigeben, dann geben Sie alles frei“; ebso. Gittermann (OLG Celle) in der Anhörung zum Nds. SVVollzG-E, ARV PR 16/123&124, S. 24; Kannegießer (BSBD) in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/48-UJV/18/37, S. 22. 1120 AK-StVollzG-Feest/Lesting 2012, § 3 Rn. 15: „Die außerhalb der Anstalten üblichen Informations- und Kommunikationsmittel sind auch innerhalb der Anstalt zuzulassen“; zumindest hätte der Gesetzgeber mehr über mildere Maßnahmen, z. B. ein abgestuftes Vorgehen nachdenken müssen (dazu Knauer 2006, 165 f.). 1121 Wawzyniak, KritV 2012, 206 mit Recht gegen die „These der generell innewohnenden Gefährlichkeit“; s. aber BeckOK ThürSVVollzG-Ebert, § 36 Rn. 10: „Eine Zulassung … ist hierbei insbes. davon abhängig, dass die … abstrakten Gefahren auch tatsächlich beherrscht werden“ könnten. 1122 Gar nicht zu sprechen ist von der Nutzungsmöglichkeit von Handys, welche genauso dem Angleichungsgrundsatz Rechnung tragen würden. Von der Legalisierung ist der SVV aber ebenfalls sehr weit entfernt, so enthalten die meisten SVVollzGe ein Verbot der Nutzung bzw.

VII. Tagesstruktur durch Freizeit und Beschäftigung

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b) Heranführung an Neue Medien Zu differenzieren ist zwischen der Frage des Besitzes eines Computers auf der einen sowie allgemein der Heranführung an Neue Medien bzw. dem Umgang mit dem Internet auf der anderen Seite. Zwar existieren Regelungen zur Nutzung „anderer Telekommunikationsformen“, womit die Neuen Medien gemeint sind.1123 Jedoch ist der Abstand zum Strafvollzug allein deshalb als gering einzustufen, weil dort ähnliche Regelungen getroffen wurden, welche der Entwicklung der Kommunikationsmedien Rechnung tragen.1124 Mit nahezu allen SVVollzGen wird die „Zulassung einer anderen Form der Telekommunikation in der Anstalt“, wie die Gesetzesbegründungen nahelegen, auf eine unbestimmte Zukunft verschoben. So heißt es etwa in Art.  30 S.  1 BaySv VollzG: „Den Sicherungsverwahrten soll gestattet werden, andere von der Aufsichtsbehörde zugelassene Formen der Telekommunikation unter Vermittlung der Anstalt zu nutzen, wenn hierdurch die Sicherheit und Ordnung der Anstalt nicht gefährdet wird.“1125 Wann genau diese Zukunft eintreten soll, offenbart keines der Gesetze.1126 Ähnliches ist aus dem StVollzG bekannt: So gibt es seit über 40 Jahren Übergangsvorschriften.1127

eine Regelung zur Störung von Mobilfunknetzen (etwa § 105 BbgSVVollzG; § 32 Abs. 3 Hmb SVVollzG) bzw. einen Verweis auf solche Gesetze (etwa § 113 SVVollzG Bln; vgl. dazu BeckOK SVVollzGBln-El-Ghazi, § 31 Rn. 9). Krit. dazu von Bose (LfD) zum SVVollzG LSA-E, 6/REV/ 22, S. 40 f. 1123 Mit anderen Telekommunikationsformen gemeint sind „nach dem derzeitigen Stand der technischen Entwicklung … vor dem Hintergrund des Angleichungsgrundsatzes vor allem … E-Mailing, E-Learning, Internetnutzung und Bildtelefonie“, so der GE-SVVollzG, S. 54; MESVVollzG Begründung, S. 48: zusätzlich Intranet. 1124 Bspw. § 44 BbgJVollzG „Andere Formen der Telekommunikation“: „Nach Zulassung anderer Formen der Telekommunikation im Sinne des Telekommunikationsgesetzes durch die Aufsichtsbehörde (§ 115 Absatz 1) kann die Anstaltsleiterin oder der Anstaltsleiter den Gefangenen gestatten, diese Formen auf ihre Kosten zu nutzen. Die Bestimmungen dieses Abschnitts gelten entsprechend.“ Ähnl. Regeln finden sich in Hmb, M-V, Nds., RlP/SL; S und Thür; restriktiver in H; vgl. dazu Laubenthal 2015, Rn. 506. Zu den vergleichbaren Inhalten des ME-StVollzG und der 8er-Gruppe vgl. Wawzyniak, KritV 2012, 203 ff. 1125 Bay LT-Drs.  16/13834, S.  40: „Durch die Formulierung ‚andere von der Aufsichts­ behörde zugelassene Formen der Telekommunikation‘ soll insbesondere die Möglichkeit der Nutzung von derzeit im Vollzug noch nicht verbreiteten Telekommunikationsformen für die Zukunft offen gehalten werden.“ Identische Regelungen in Hmb; H/Thür; NRW und LSA. Für die 8er-Gruppe bspw. § 37 SächsSVVollzG: „Nach Zulassung anderer Formen der Telekommunikation im Sinne des Telekommunikationsgesetzes durch die Aufsichtsbehörde soll der Anstaltsleiter den Untergebrachten gestatten, diese Formen auf ihre Kosten zu­ nutzen.“ 1126 Krit. mit Recht Bartsch, NK 2013, 203; ähnl. Pyhrr 2015, 258: nichts mehr als bloße Absichtserklärungen; s. a. Kinzig in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 57. 1127 Z. B. die Vorschriften über das Inkrafttreten einzelner Normen in § 198 StVollzG sowie die Übergangsregelungen der §§ 199, 201 StVollzG.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Dass man derart offene Vorschriften benötigt, weil erprobt werden müsse, ob eine Gemeinschaftsnutzung wie im öffentlichen Dienst oder in der Schule möglich sei,1128 ist kein taugliches Argument im Hinblick auf die Forderungen des BVerfG nach verbindlich(er)en Regeln für die Praxis. Vorgesehen ist in den SVVollzGen ein zweistufiges Vorgehen: Im ersten Schritt steht ein Zulassungsvorbehalt der Aufsichtsbehörde und im zweiten Schritt die Erlaubnis der Leitung, wobei der Anstalt ein intendiertes Ermessen eingeräumt ist („soll“).1129 Im Übrigen wird in fast allen Normen die Lage dadurch verkompliziert, dass auf die Regeln „dieses Abschnitts“ bzw. zum Besuch, Schriftwechsel bzw. zur Telekommunikation verwiesen wird. Dies soll dann eine Differenzierung zwischen bspw. E-Mails (hierfür sollen die Regeln zum Schriftwechsel anzuwenden sein) oder Bildtelefonie (hierfür sollen die Regeln zur Telefonie anzuwenden sein) erforderlich machen.1130 In Baden-Württemberg hingegen ergibt sich die grds. mögliche Zulassung der Nutzung anderer Telekommunikationsformen nur aus der Gesetzesbegründung, wobei sich der Gesetzgeber nicht nehmen lässt, deutlich zu betonen, dass es keinen Rechtanspruch auf die Nutzung anderer Formen gebe.1131 Hervorzuheben ist das Nds. SVVollzG, weil danach die Verwahrten „an den Umgang mit neuen Medien heranführen, soweit dies mit der Sicherheit der Anstalt vereinbar ist.“1132

1128 Vorgetragen von Lückemann (OLG Bamberg) in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 33; krit. zu Recht Abg. Schindler (SPD); ebda., S. 33 f. 1129 Der Vorbehalt der Aufsichtsbehörde wird damit begründet, dass ausschlaggebend eine abstrakte Gefahr des jeweiligen Telekommunikationsmittels entscheidend sei und daher nur die Aufsichtsbehörde entscheiden könne, vgl. dazu sowie zum zweistufigen Vorgehen etwa Bln LT-Drs. 17/0689, S. 76. 1130 Beschränkungen sind aufgrund der Sicherheit oder Ordnung möglich (vgl. z. B. §§ 37 S. 2 SVVollzG Bln jeweils i. V. m. § 33 Nr. 1 [Schriftwechsel] bzw. §§ 31 Abs. 1 S. 2, 28 Abs. 1 Nr. 1 [Telefongespräche] SVVollzG Bln; s. a. Bln LT-Drs. 17/0689, S. 76 f.). Der Einfachheit halber sollten die Gesetzgeber hins. dieser Beschränkungsmöglichkeit wie H/Thür sowie SH auf einen Verweis verzichten und sogleich die Beschränkungsmöglichkeit in der entsprechenden Norm regeln. 1131 BW LT-Drs. 15/2450, S. 70; wenig aufschlussreich BeckOK JVollzGB V-Dorsch, § 30 Rn. 2 wo es schlicht heißt: „Ähnliche Regelungen finden sich auch in den anderen Bundesländern. Teilweise enthalten die anderen Landesgesetze Sonderregelungen für die Zulassung anderer Formen der Telekommunikation.“ Eine Sonderregelung findet sich bspw. in § 37 SVVollzG Bln, dazu BeckOK SVVollzGBln-Ebert, § 37 Rn. 1: „Die Bestimmung trägt zum einen der fortschreitenden Entwicklung der Kommunikationsmedien und zum anderen einem sich verändernden Kommunikations- und Informationsverhalten Rechnung.“ 1132 Vgl. Nds. LT-Drs. 16/4873, S. 17, 75; geändert in Nds. LT-Drs. 16/5519, S. 27; deshalb heißt es nun in § 36 Abs. 5 S. 1 Nds. SVVollzG: „Andere nach den allgemeinen Lebensverhältnissen übliche Formen der Telekommunikation sind vom Fachministerium zuzulassen, wenn diese die Sicherheit der Anstalt nicht gefährden.“ Dazu Bartsch, Schriftliche Stellungnahme zum BaySvVollzG-E, S. 56; ebso. Pyhrr 2015, 259.

VII. Tagesstruktur durch Freizeit und Beschäftigung

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c) Besitz am Bsp. des Computers Die Landesgesetzgeber verzichten darauf, den Sicherungsverwahrten ein unbedingtes Recht auf Besitz und Nutzung von Computern zuzugestehen. Vielmehr sind Besitz und Zulassung in mehrfacher Hinsicht begrenzt: Computer sind i. d. R. ausgeschlossen, wenn sie geeignet sind, die Sicherheit oder Ordnung der Einrichtung oder die Erreichung des Vollzugsziels zu gefährden1133. Nur § 23 S. 1 Nds. SVVollzG sieht konsequenterweise eine Beschränkung des Besitzes von Gegenständen, worunter der Computer fällt, nur aus Gründen der Sicherheit bzw. wegen des Vollzugsziels vor. Zusätzlich sehen Baden-Württemberg und Bayern die Untersagung des Besitzes vor, wenn er „mit Strafe oder Geldbuße bedroht wäre“.1134 Dies ist unnötig, da solche Fälle unter die Beschränkung aufgrund der Sicherheit der Anstalt fallen. Des Weiteren kann § 15 Abs. 2 S.  2  SVVollzG LSA zufolge die Einrichtung den Besitz zusätzlich zu den oben genannten Gründen versagen, wenn die „Aufbewahrung nach Art oder Umfang offensichtlich nicht möglich ist“. Es stellt sich die Frage, ob eine mit § 70 StVollzG vergleichbare Situation vorliegt, wonach es primär immer auf die abstrakt-generelle Gefahr des Gegenstandes und nachrangig auf eine individuelle Entscheidung, d. h. auf die konkrete Person des Verwahrten ankommt.1135 Das KG Berlin hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 2014 festgestellt, dass das Abstandsgebot nicht zwingend erfordere, den Sicherungsverwahrten in Bezug auf die Computernutzung zu privilegieren. Diesbzgl. sei „eine allgemeine Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung in deutlichem Abstand zum Strafvollzug, die sich insbesondere auf die Kernbereiche Behandlung, Betreuung und Motivation erstreckt“ grds. ausreichend.1136 Aus Gründen der Sicherheit könne man den Angleichungsgrundsatz beschränken. Jedoch sei eine „stärker auf den Einzelfall bezogene Abwägung“ vonnöten.1137 Bei Aus­legung und Anwendung der Regelungen zum Besitz z. B. des Computers sei nämlich das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu beachten – erst recht bei den Sicherungsverwahrten. In die Waagschale müssten einerseits die Gefahren und der notwendige Kontrollaufwand der Anstalt und andererseits die Interessen des Ver 1133

So regelt es die 8er-Gruppe nach speziellen Regeln für den Besitz von Gegenständen der Informations- und Unterhaltungselektronik z. B. in § 56 Abs. 2 S. 2 i. V. m. § 53 S. 2 BbgSVVollzG; ähnl. in NRW und LSA., i. Ü. zu den grds. dem GE-SVVollzG folgenden Ländern: Nach § 54 Abs. 3 S. 1 JVollzGB V muss ggf. die Aufsichtsbehörde zustimmen; ähnl. §§ 30, Abs. 5 S. 1, 20 Abs. 1 S. 2 HSVVollzG/ThürSVVollzG; in Bay gibt es nur eine allg. Vorschrift zum Besitz von Gegenständen bzw. von Hörfunk- und Fernsehgeräten, nicht aber von anderen Geräten der Informations- und Unterhaltungselektronik bzw. Freizeitgegenständen; ähnl. in Hmb. 1134 § 54 Abs. 2 Nr. 1 JVollzGB V; Art. 17 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 BaySvVollzG. 1135 Vorausgesetzt man versteht „individuelle Nutzungsgestattung“ derart, vgl. Bln LT-Drs. 17/ 0689, S. 76. 1136 Speziell zur Computernutzung KG Berlin, Beschl. vom 18.6.2014 – 2 Ws 123/14 Vollz, Rn. 23; zuvor OLG Hamm in Bezug auf die baulich-räumliche Ausgestaltung, Beschl. vom 19.11.2012 – 1 Vollz (Ws) 300/12, Rn. 24: „die wesentlichen Kernbereiche des Abstandsgebotes die Behandlung, Betreuung und Motivation des Untergebrachten“ – jeweils bei juris. 1137 KG Berlin, Beschl. vom 18.6.2014 – 2 Ws 123/14 Vollz, Rn. 27 – bei juris.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

wahrten gelegt werden. Hinsichtlich der Gefahr komme es nicht auf eine abstrakte, sondern auf eine konkret-individuelle, d. h. in der Person des Untergebrachten sozusagen begründete Gefahr an. Dass auf das „Wohlverhalten“1138 des Untergebrachten abzustellen sein soll, ist allerdings skeptisch zu sehen. Dies sei laut KG zu berücksichtigen, weil bei einem Verwahrten, dem man vertraue, der Kontrollaufwand geringer sei. Letztlich hört sich das nach der Berücksichtigung äußerer Anpassung womöglich zum Schein an. Ob Wohlverhalten gleichzusetzen ist mit Zuverlässigkeit wird andernorts, z. B. bei der Mitwirkung, vehement angezweifelt. Wieso es im vorliegenden Fall ein valides Kriterium sein sollte, leuchtet nicht ein. Zudem entspricht dies dem Vorgehen der Rechtsprechung für den Strafvollzug. Für den Sicherungsverwahrungsvollzug wären eigenständigere Kriterien erforderlich. Ein gewisses Zugeständnis macht das KG Berlin damit, dass es i. R. seiner Verhältnismäßigkeitsprüfung darauf abstellt, dass dem BVerfG zufolge die Anstalt im Hinblick auf die freiheitsorientierte Ausgestaltung des Vollzugs für eine ausreichende Personalausstattung sorgen müsse.1139 Daher könne Besitz und Zulassung nicht mehr wie bisher deshalb versagt werden, weil das Gehäuse als Versteck dienen könnte. Denn solchen Gefahren des Missbrauchs könne die Anstalt mit einfachen Kontrollen oder Verplombungen entgegenwirken, ohne dass dazu eine besondere technische Qualifikation erforderlich sei. I. R. d. Abwägung sei nicht mehr nur das Interesse des Verwahrten an beruflicher Aus- und Weiterbildung zu berücksichtigen. Hier wirkt sich die Forderung des BVerfG nach Freiheitsorientierung doch noch aus, indem das Gericht zu bedenken gibt, dass „die Befähigung zum Umgang mit Computertechnologie und deren Nutzung heute vielfach Voraussetzung für die Teilhabe gesellschaftlichen Lebens“ sei.1140 D. h. letztlich erkennt das Gericht an, dass den Verwahrten die Möglichkeit gegeben werden muss, sich mit der Technik vertraut zu machen. Zu unkonkret bleibt es jedoch, wenn es feststellt, dass „zum Vorhandensein entsprechender Angebote … Feststellungen zu treffen“ und die Frage, wie der Verwahrte zu sonstigen Medien Zugang habe, „erörterungsbedürftig“ seien.1141 Außerdem ist das alleinige Abstellen auf die „Kernbereiche des Abstandsgebots“ nicht zielführend, weil damit kein vom BVerfG gefordertes Gesamtkonzept erreicht werden kann. Das BVerfG hat Mindestvorgaben gemacht, das Abstandsgebot ist jedoch nicht auf „Kernbereiche“ begrenzt. Hier wäre zudem ein Bereich gegeben, der eine wirkliche privilegierte Stellung der Verwahrten eröffnen würde. 1138 So die bisherige Rspr., vgl. KG Berlin, Beschluss vom 29.5.2011 – 5 Ws 259/01 Vollz; ebso. KG Berlin, Beschl. vom 18.6.2014 – 2 Ws 123/14 Vollz, Rn. 30 – jeweils bei juris; KG Berlin StV 2006, 259 f. 1139 KG Berlin, Beschl. vom 18.6.2014 – 2 Ws 123/14 Vollz, Rn. 28 – bei juris. 1140 KG Berlin, Beschl. vom 18.6.2014 – 2 Ws 123/14 Vollz, Rn. 29 – bei juris; vgl. zum Problem, sich nach der Entlassung (nicht) zurecht zu finden J. Schäfer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 160. 1141 KG Berlin, Beschl. vom 18.6.2014 – 2 Ws 123/14 Vollz, Rn. 29 – bei juris.

VII. Tagesstruktur durch Freizeit und Beschäftigung

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Doch scheinen weder der Gesetzgeber noch die Rechtsprechung bisher bereit zu sein, z. B. den Besitz eines Computers oder gar einen konsequenten Rechtsanspruch auf Nutzung neuer Medien zuzulassen. Wenn das KG Berlin darauf abstellt, dass das BVerfG selbst sage, dass eine Ungleichbehandlung zu den in Freiheit Lebenden aus Sicherheitsbelangen gerechtfertigt sei, dann überzeugt es gerade nicht, wenn im Gesetz steht, dass die Nutzung und die Zulassung von Computern aus Ordnungsgründen ausgeschlossen werden können. Man fragt sich, wieso die Rechtsprechung in der Lage ist, bei der Nutzung einer Spielekonsole den Angleichungsgrundsatz zu akzeptieren, nicht hingegen beim Internet.1142 Nicht zu tolerieren ist zudem, dass nicht auf den Einzelfall, sondern allgemein auf die Gefährlichkeit von Computern abgestellt wird. Gerade um den Sicherheitsbedenken zu begegnen, würde zudem das Nutzungsrecht eines Computers in Gemeinschaftsräumen ausreichen. Letztlich erfordert der Angleichungsgrundsatz genauso wie im Übrigen der Resozialisierungsgedanke und der Anspruch, Kontakte mit der Außenwelt zu fördern, einen Rechtsanspruch auf Nutzung anderer Telekommunikationsformen.1143 Diese sind mit dem BVerfG nur zu beschränken, wenn die Sicherheit dem entgegensteht bzw. das Vollzugsziel gefährdet würde. Parallel zur Nutzung des Internets bzw. dem Besitz des Computers kann im Zusammenhang mit sonstigen (Freizeit-)Gegenständen argumentiert werden: Auf den ersten Blick gewähren die Gesetze hier großzügige Freiheiten im Abstand zum Strafvollzug. Hauptproblem im Freizeitbereich sind jedoch die dort weiterhin anzutreffenden zahlreichen unbestimmte Rechtsbegriffe1144 – so z. B. in Bezug auf die Frage, inwiefern der Verwahrte eigene Gegenstände besitzen und bspw. Zeitschriften oder Bücher beziehen darf. Dies soll nämlich nach einigen Gesetzen nur in „angemessenem Umfang“ möglich sein.1145 Besser gelungen sind Regelungen wie in Niedersachsen, die auf diese Einschränkung des „angemessenen Umfangs“ verzichten und bei Büchern und Zeitschriften keine Beschränkung des Umfangs vorsehen (vgl. §§ 23 und 70 Abs. 1 Nds. SV VollzG). Letztlich erreicht das Gesetz damit in diesem Bereich einen deutlichen 1142

So für die Spielkonsole etwa OLG Nürnberg StV 2011, 695. Vgl. z. B. Art.  21 S.  2 BaySvVollzG: „Der Verkehr mit der Außenwelt sowie die Erhaltung und Schaffung des sozialen Empfangsraums sind zu fördern.“ Sogar die Gesetzes­ begrün­dung hebt im Zusammenhang mit anderen Formen der Telekommunikation (Art. 30 BaySvVollzG) diesen Aspekt hervor, vgl. Bay LT-Drs. 16/13834, S. 40. 1144 Für diesen Bereich zu Recht kritisiert von M. Streicher, Schriftliche Stellungnahme zum JVollzGB V-E, S. 2: Auf den ersten Blick gebe es vordergründig sehr großzügige Regelungen: „Im Ergebnis kann dies aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass jede dieser Regelungen weit reichende Ermessenspielräume enthält, die es im Einzelfall … immer wieder ermöglichen werden, … jede der … Verbesserung auch wieder zurückzunehmen.“ 1145 Vgl. dazu bspw. §§ 20 Abs. 1, 30 Abs. 3 S. 1 und Abs. 5 HSVVollzG/ThürSVVollzG, die zwischen allg. persönlichem Besitz und Besitz von Freizeit- bzw. Fortbildungsgegenständen differenzieren; ähnl. in BW, Hmb, NRW; LSA. Die dem ME-SVVollzG folgenden Länder der 8er-Gruppe regeln das Einbringen von Gegenständen direkt im Abschnitt zur „Grundversorgung und Freizeit“; ebso. wenig differenzierend in Bay und Nds. 1143

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Abstand zum Strafvollzug und den anderen SVVollzGen. In diesem Zusammenhang gleichermaßen zu beachten ist die neuerdings gesetzlich festgehaltene Verpflichtung der Anstalt, für Freizeitangebote zu sorgen. Dabei wird in Niedersachsen erfreulich klar auf die Wünsche und Bedürfnisse der Verwahrten abgestellt.1146 d) Schriftwechsel und Pakete Am Bsp. des Rechts auf Schriftwechsel und der Briefkontrolle wird deutlich, was auf viele andere Bereiche ebenfalls zutrifft: Hier ist kein Abstand herzustellen, wenn zur Kontrolle identische Regelungen wie im StVollzG existieren. Kontrolliert werden darf i. d. R. nur auf verbotene Gegenstände und inhaltlich nur in Ausnahmefällen bei konkreten Verdachtsmomenten.1147 Zudem halten es bis auf Niedersachsen und Schleswig-Holstein alle Länder für notwendig, den Schriftverkehr zu untersagen, wenn die Anstalt zur Auffassung gelangt, dass dieser einen schädlichen Einfluss auf den Verwahrten habe (vgl. z. B. § 33 Nr. 2 BremSVVollzG). Man sollte jedoch einen Unterschied zum Strafvollzug machen und dem Verwahrten insofern seine selbstständige Entscheidung über die Wahrnehmung seines Rechts auf Schriftwechsel belassen. Dies schließt nicht die Mitteilung über ggf. negative Auswirkungen z. B. auf die Gefährlichkeitsprognose aus, macht aber keinen gesetzlichen Ausschluss nötig.1148 Nicht geklärt ist zudem, wie die teilweise beschränkte Überwachung konkret aussieht.1149 Nur am Rande und eher beiläufig wird z. T. erwähnt, dass die Verteidigerpost verschlossen bleibt, wenn sie auf gefährliche Gegenstände untersucht werde (bspw. § 28 Abs. 3 S. 2 SVVollzG NRW). Zudem ist z. T. die Sichtkontrolle bei Schreiben, die ansonsten nicht der Überwachung unterliegen, möglich. Dies soll laut Gesetz „ohne Kenntnisnahme des gedanklichen Inhalts“ erfolgen (vgl. etwa § 35 Abs. 2 S. 2 ThürSVVollzG) – was faktisch schwierig sein dürfte. Von der Überwachung sind neben den Strafverteidigern internationale Institutionen 1146

Z. B. § 66 Abs. 1 S. 1 Nds. SVVollzG: „Die Vollzugsbehörde hat für Freizeitangebote, insbesondere kulturelle Angebote, Sportangebote und Veranstaltungen der Fortbildung, zu sorgen, die auf die Wünsche und Bedürfnisse der Sicherungsverwahrten Rücksicht nehmen.“ Damit wird mehr zum Ausdruck gebracht, dass die Interessen der Verwahrten eine Rolle spielen, als es in den Entwürfen und den folgenden Ländern der Fall ist. 1147 Vgl. bspw. §§ 32, 33 SVVollzG M-V und §§ 31, 32 StVollzG M-V; zweifelnd bzgl. der Möglichkeit eines Abstands Graebsch in der Anhörung zum SächsSVVollzG-E, S. 5 f. Die Regeln zum Schriftwechsel halten sich deutlich an ihr Vorbild aus dem Strafvollzug, so ist bspw. Art. 27 BaySvVollzG identisch mit Art. 32 Abs. 2 und 3 BayStVollzG mit dem Zusatz, dass „aus Gründen der Behandlung“ die Überwachung erforderlich sein könne. In der Gesetzesbegründung des SVVollzG LSA-E, LSA LT-Drs. 6/1673, S. 13 lautet es bspw.: „Die Vorschrift entspricht inhaltlich weitestgehend § 29 StVollzG.“ Dazu auch Dessecker, BewHi 2013, 321. 1148 Vgl. insofern Feest, Anmerkung zum Nds. SVVollzG/Strafvollzugsarchiv zum noch in § 32 Abs. 2 Nr. 2 des Entwurfs Nds. enthaltenen Ausschlusses (vgl. Nds. LT-Drs. 16/4873, S. 16. 1149 Krit. mit Recht Schubert (OLG Naumburg) in der Anhörung zum SVVollzG LSA-E, 6/ REV/22, S. 7.

VII. Tagesstruktur durch Freizeit und Beschäftigung

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ausgenommen (vgl. z. B. § 29 Abs. 2 SVVollzG LSA), nicht hingegen Seelsorger, bei denen es genauso wegen des bestehenden Vertrauensverhältnisses sowie des Beichtgeheimnisses angebracht wäre.1150 Ebenfalls bleibt es ein Rätsel, dass Bewährungshilfe, FA und Gerichtshilfe nicht in allen Gesetzestexten von der Überwachung des Schriftverkehrs ausgeschlossen werden. Denn im Hinblick auf die Entlassungsvorbereitung wäre es essentiell, dass dieses Vertrauensverhältnis respektiert wird. Selbst wenn eine Überwachung in der Praxis nicht erfolgt, so muss diese gesetzlich ausgeschlossen sein. Ein systematischer Makel liegt zudem darin, dass die Anstaltsbeiräte in einigen Gesetzen nicht i. R. d. Norm zur Überwachung des Schriftwechsels, sondern weit hinten an etwas versteckter Stelle von der Überwachung ausgenommen sind (vgl. bspw. § 106 Abs. 4 SVVollzG LSA). Letztlich zeugt dies von einer Geringschätzung deren Rolle seitens des Gesetzgebers. Immerhin haben die meisten Gesetze aufgrund berechtigter Kritik in den Gesetzgebungsverfahren nicht nur die Verteidiger, sondern genauso Rechtsanwälte und Notare sowie Gerichte, StAen oder die Aufsichtsbehörde von der Überwachung ausgeschlossen.1151 Anders ist es in Hessen, wo Gerichts- und Behördenpost weiterhin der Kontrolle unterliegen (vgl. dazu §§ 35 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 und 4 HSVVollzG). In Nordrhein-Westfalen darf nur der Schriftwechsel mit dem Verteidiger nicht kontrolliert werden (vgl. § 28 Abs. 3 SVVollzG NRW). Kritisieren lässt sich, dass der Anstalt zu viel Entscheidungsmacht verbleibt, wenn sie wie im Strafvollzug bei von ihr zu beurteilender „grob unrichtige[r] oder erheblich entstellende[r] Darstellungen“ ein Schreiben anhalten darf.1152 1150

Krit. Feest in der Anhörung zum SVVollzG LSA-E, 6/REV/22, 27 f. Am Bsp. des SVVollzG LSA: Im Entwurf war nur der Verteidiger von der Überwachung ausgeschlossen (vgl. § 29 Abs.  2 SVVollzG LSA-E; LSA LT-Drs.  6/1673, S.  46); nun enthält § 29 Abs. 2 Nr. 3 SVVollzG LSA einen Ausschluss des Verteidigers, von Rechtsanwälten und Notaren. Ebso. verhält es sich mit der Überwachung des Schriftwechsels mit Gerichten, StAen und den Aufsichtsbehörden, welche bspw. im Entwurf zum SächsSVVollzG nicht erwähnt wurden (vgl. § 34 SächsSVVollzG-E, Sächs LT-Drs. 5/10937, S. 25), nun aber nach § 34 Abs. 4 S. 4 SächsSVVollzG ausdrückl. von der Überwachung ausgeschlossen sind. Kritik hatten bspw. Graebsch in der Anhörung zum SächsSVVollzG-E, Apr 5/1–45 A-2, S. 7; Pollähne in der Anhörung zum Nds. SVVollzG-E, ARV PR 16/123&124, S. 32 sowie ­Joester in der Anhörung zum BremSVVollzG-E, APr A/RA 18/18, S. 457 geübt. Vorbildlich ist insoweit § 32 Abs. 3 Nds. SVVollzG, weil er auf § 119 Abs. 4 S. 2 StPO und die dort umfangreich genannten Personen (z. B. Seelsorger und Bewährungshilfe usw.) verweist; ebso. in § 33 Abs. 3 ThürSVVollzG, wobei jeweils die Gerichte, welche nicht in § 119 Abs. 4 S. 2 StPO genannt sind, hätten erwähnt werden sollen. Im BaySvVollzG findet sich ebso. wie im JVollzGB V eine nahezu identische Regel zum Strafvollzug; nicht ausreichend wenn § 28 Abs.  4 Nr.  3 SVVollzG NRW nur Schriftstücke im Austausch mit dem BVerfG und LVerfG ausnimmt, weil die vielen relevanten Fälle im Austausch mit der StVK nicht erfasst würden. Nur z. T. sind die Länder der 8er-Gruppe insoweit dem Negativbeispiel des § 35 ME-SVVollzG gefolgt (so SVVollzG Bln; BremSVVollzG; LSVVollzG/SLSVVollzG; SVVollzG M-V). 1152 Pollähne in der Anhörung zum Nds. SVVollzG-E, ARV PR 16/123&124, S. 34: „Zensur“, die „in der Sache überhaupt nicht gerechtfertigt“ sei; Blum/Oelbermann, Schriftliche Stellungnahme zum ThürSVVollzG-E, S. 14: Sofern nicht das StGB verletzt werde, fallen die Äußerungen unter die Meinungsfreiheit. 1151

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

Beim Paketempfang soll das Abstandsgebot dadurch umgesetzt werden, dass Pakete mit Nahrungs- und Genussmitteln wie schon nach § 33 Abs. 1 StVollzG dreimal im Jahr wieder zugelassen werden.1153 Zwar mag der Empfang solcher Pakete in Unfreiheit eine größere Bedeutung als im Alltag in Freiheit haben.1154 Ausschlaggebend sollte für die Beschränkung des Paketempfangs oder des Besitzes abermals die Sicherheit sein, und nicht die Frage, ob die Anstaltsleitung oder Bedienstete den Besitz von Gegenständen als angemessen einstufen.1155 Darüber hinaus überlässt das Gesetz den Anstalten viel Freiraum. So heißt es etwa recht unbestimmt, dass die Anstalt „Gewicht und Größe von Sendungen“ festsetzen könne (vgl. § 32 Abs.1 S. 2 SVVollzG LSA). 4. Besuch Im Bereich der Regelungen zum für die Vollzugsziele wichtigen Außenkontakt sind positive Abweichungen im Vergleich zum Strafvollzug zu verzeichnen, die aber immer vor dem Hintergrund beurteilt und daher relativiert werden müssen, dass es den in Teil B. geschilderten Erfahrungen des Sicherungsverwahrungsvollzugs entspricht, dass die über Jahre zunächst in Haft und schließlich in der Sicherungsverwahrung Untergebrachten über kaum stabile soziale Kontakte verfügen bzw. diese im Laufe des Vollzugs oft abgebrochen sind.1156 Die Besuchszeit wurde in den Gesetzen von bisher einer Mindestbesuchszeit von einer Stunde pro Monat im StVollzG auf zehn, in Bayern und Sachsen sogar auf zwölf Stunden im Monat erhöht.1157 Niedersachsen hingegen verzichtet auf die Festlegung einer konkreten Stundenzahl und überlässt die Regelung der Hausordnung. Unabhängig davon, ob man die Stundenzahl erhöht wissen will1158, ist zu bezweifeln, ob von den Besuchszeiten Gebrauch gemacht wird. Nicht nur, dass sich 1153 Pakete sind z. B. in H nur in „zumutbarem Umfang“ zu gestatten, womit weniger ausgeschlossen können werden soll als durch die Beschränkung auf einen „angemessenen Umfang“; so Oelkers (VNSB) in der Anhörung zum Nds. SVVollzG-E, ARV PR 16/123&124, S. 27; Weichert-Pleuger (JVA Rosdorf), S. 21 ff. und Weßels (VLN), ebda., S. 41, 43, and. Gittermann (OLG Celle), ebda., S. 25; krit. die Abg. Tonne (SPD) und Limburg (BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN), jeweils ebda., S. 22; Pollähne, ebda., S. 33. 1154 Dessecker, BewHi 2013, 321; ebso. ders., Schriftliche Stellungnahme zum ThürSVVollzG-E, S. 7. 1155 S. a. Teil D.III.4.; ähnl. Bartsch, NK 2013, 202. Eine solche Gefahr für die Sicherheit der Anstalt bestünde z. B., wenn das Zimmer derart überladen ist, dass eine Brandgefahr anzunehmen wäre. 1156 Dessecker, BewHi 2013, 320; Grote 2015, 198; 1157 Z. B. in § 34 Abs. 1 HSVVollzG/ThürSVVollzG: „Den Untergebrachten ist Gelegenheit zu geben, mindestens zehn Stunden im Monat Besuch zu empfangen.“ Es handelt sich dabei nur um eine Mindestdauer, s. BeckOK SächsSVollzG-Straßer, § 27 Rn. 12 m. w. N. 1158 Kinzig, Schriftliche Stellungnahme zum BaySvVollzG-E, S. 67: „dreistündiger Besuch pro Woche auf der Basis der Rechtsprechung des BVerfG und der Bedeutung des Angleichungsgrundsatzes zu wenig.“

VII. Tagesstruktur durch Freizeit und Beschäftigung

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zeigt, wie dringend notwendig eine für die Anstalt verpflichtende Einbeziehung ehrenamtlicher Helfer wäre. Sinnvoller als die bloße Erhöhung der Besuchszeiten wäre die zusätzliche Gewährung von Zuschüssen zu den Reisekosten von entfernt lebenden Besuchern gewesen, weil damit die Bedeutung von Bindungen zur Außenwelt zum Ausdruck kommen würde.1159 Zwei weitere neuralgische Punkte des Besuchsrechts sind herauszugreifen: Einerseits das Besuchsrecht von „offizieller Seite“ und andererseits die Frage nach Langzeitbesuchen. Die Regelungen zur Überwachung von Verteidigerbesuchen werden kontrovers beurteilt. Im Wesentlichen ist man uneins, ob es sich (immer noch) um nicht nachvollziehbare oder aber um zu weitgehende Einschränkungen handelt.1160 Zu Recht wird kritisiert, dass die Regelungen ein gewisses Misstrauen ggü. Rechtsanwälten zum Ausdruck bringen.1161 So werden Rechtsanwälte und Notare ggü. dem Verteidiger z. T. dadurch benachteiligt, dass der Anstaltsleiter die Übergabe von Schriftstücken bei ihnen aus Sicherheits- oder Ordnungsgründen verhindern darf (vgl. z. B. § 29 Abs. 5 S. 3 BbgSVVollzG). Außerdem muss der anwaltliche Besuch bspw. nach § 21 Abs. 4 SVVollzG LSA zum Nachweis, dass man den Untergebrachten in einer ihn betreffenden Rechtssache besucht, eine Vollmacht vorlegen. Diese ist, wenn es um die Anbahnung eines Kontakts bzw. Mandantenverhältnisses ginge, gerade noch nicht vorhanden. Im Unterschied zur bisher fehlenden Regelung haben alle Länder außer Bayern die Langzeitbesuche legaldefiniert als „mehrstündige, unbeaufsichtigte Besuche“, die „zur Pflege familiärer, partnerschaftlicher oder ihnen gleichzusetzender Kontakte der Untergebrachten geboten“ erscheinen.1162 Weiter differenzieren lässt sich danach, ob ein intendiertes Ermessen der Anstalt besteht1163 oder aber die Langzeitbesuche zwingend gewährt werden müssen, sofern sie das Vollzugsziel fördern oder aber ihm zumindest nicht entgegenstehen und die Verwahrten geeignet sind.1164 Nur 1159 Forderung von Bartsch in der Anhörung zum Nds. SVVollzG-E, ARV PR 16/123&124, S. 6. 1160 Krit.  zu den Beschränkungen Speckin, Dünkel und Pollähne in der Anhörung zum SVVollzG M-V-E, APr 6/34, S. 6 f., 9, 11, 15; ebso. Kilian in der Anhörung zum SächsSVVollzG-E, Apr 5/1–45 A-2, S. 10; Schubert (OLG Naumburg), Feest und Nagel in der Anhörung zum SVVollzG LSA-E, 6/REV/22, S. 7, 28 f., 31 f.; Asprion, Bartsch, Feest und Scharmer in der Anhörung zum Nds. SVVollzG-E, ARV PR 16/123&124, S. 8, 11, 37, 45. 1161 Pollähne in der Anhörung zum Nds. SVVollzG, ARV PR 16/123&124, S. 32. 1162 Vgl. etwa § 27 Abs. 4 LSVVollzG/SLSVVollzG und die übrigen Länder der 8er-Gruppe; ebso. in § 22 Abs. 4 JVollzGB V; § 26 Abs. 2 HmbSVVollzG; § 34 Abs. 2 HSVVollzG/Thür SVVollzG; § 27 Abs. 3 Nds. SVVollzG; § 21 Abs. 3 SVVollzG NRW; § 21 Abs. 2 SVVollzG LSA. 1163 So ist es für den Strafvollzug h. A. der Rspr., vgl. jüngst OLG Bremen NStZ-RR 2014, 326 f.; allerdings besteht nur intendiertes Ermessen, darauf hinweisend bspw. OLG Frankfurt a. M. NStZ-RR 2008, 261; ebso. §§ 27 Abs. 4 ME-SVVollzG, 21 Abs. 2 GE-SVVollzG: „sollen“ und erforderliche „Eignung“; für ein „intendiertes Ermessen“ auch BeckOK LSVVollzGHeuchemer, § 27 Rn. 5 a. 1164 Konsequenterweise Bbg LT-Drs. 5/6599, S. 27: „Danach haben geeignete Untergebrachte über Absatz 1 hinausgehend einen Rechtsanspruch auf zeitlich ausgedehnte unbeaufsichtigte Besuche“; ebso. BeckOK BbgSVVollzG-Goers, § 27 Rn. 8.

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

ein Rechtsanspruch auf Langzeitbesuch würde dem gerecht, was einige Gesetzgeber in ihre Begründungen schreiben: Die Regelung soll dem Zweck der Pflege enger Bindungen „gerade auch bei Untergebrachten, denen über Ausführungen hinaus keine vollzugsöffnenden Maßnahmen gewährt werden können“, dienen.1165 Versäumt haben die Länder, genau festzulegen, wann die Eignung zu derartigen Besuchen nicht besteht. Bayern hat diese Art der Besuche (noch) restriktiver als alle anderen Bundesländer normiert und den Sicherheitsaspekt und Schutz der Allgemeinheit, wie an einigen anderen Stellen im BaySvVollzG, (über)betont.1166 Zwar gibt es eine allgemeine Besuchsregelung, wonach der „Verkehr mit der Außenwelt sowie die Erhaltung und Schaffung des sozialen Empfangsraums … zu fördern“ sind, d. h. Langzeitbesuche grds. danach in Frage kommen.1167 Danach sind nicht nur „geeigneten“ Untergebrachten über die normale Besuchszeit hinaus mehrstündige Besuche zu ermöglichen, sondern die Besuche sind obendrein behandlerisch zu begleiten (vgl. Art. 22 Abs. 2 BaySvVollzG). Im direkten Vergleich mit den anderen Normen stellt dies also den ersten deutlichen Unterschied her: In den anderen Ländern muss der Untergebrachte letztlich eine „Eignungsprüfung“ durchlaufen, der Besuch verläuft aber ohne Aufsicht und ist nicht auf behandlerische Begleitung angelegt. Die behandlerische Begleitung in ­Bayern hingegen versteht sich umfassend, was ein individuell erarbeitetes Behandlungskonzept, die Vor- und Nachbereitung der Fachdienste notwendig macht und sogar die Anwesenheit eines Mitglieds des Behandlungsteams während des Besuchs geboten erscheinen lassen kann.1168 Außerdem heißt es in der Gesetzesbegründung weiter, dass Besuche über Nacht ausgeschlossen und die Besuche i. d. R. überwacht seien.1169 Zu guter Letzt verschärft sich die Situation dadurch, dass nach dem Besuch in Bayern nach Art.  70  BaySvVollzG noch eine völlige Entkleidung vom Anstaltsleiter angeordnet werden kann. Dass ein tieferer Sinn aus den Langzeitbesuchen daraus folgt, dass diese nicht überwacht werden, ergibt in den anderen Gesetzen schon die Legaldefinition.1170 1165 So Thür LT-Drs.  5/5843, S.  83; vgl. dazu Fabricius, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 63: „Insbesondere für diese Gruppe der Untergebrachten ist die Möglichkeit des Langzeitbesuchs aus motivationalen Gründen, unter dem Gebot der Angleichung und Minimierung wie der Förderung stabiler Beziehungen als Behandlungsziel zentral.“ Ebso. Fluhr (JVA Heimsheim), Schriftliche Stellungnahme zum JVollzGB V-E, S. 2. 1166 Krit. Streng und Kinzig in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92 VF, S. 18, 25, 57: im ebso. konservativen BW würde dies schließlich im Strafvollzug ebenfalls gelingen; ebso. Dessecker, BewHi 2013, 320. 1167 Vgl. Art. 21 S. 2 BaySvVollzG, dazu Zimmermann, HRRS 2013, 170; Dessecker, BewHi 2013, 320. 1168 Vgl. Bay LT-Drs. 16/13834, S. 38. 1169 Vgl. Bay LT-Drs. 16/13834, S. 38; etwas verharmlosend Dessecker, BewHi 2013, 320: „Überwachung nicht von vornherein“ ausgeschlossen. 1170 SBJL-Schwind 2013, § 24 Rn. 13, der insofern auf den AE-StVollzG 1973, S. 173 verweist. Denn schon darin sei enthalten gewesen, dass gerade die „Möglichkeit zu ungestörtem und unbeobachtetem Zusammensein“ für die Bindung an Ehe und Familie und damit für die spätere Eingliederung „von hoher Bedeutung“ sei.

VII. Tagesstruktur durch Freizeit und Beschäftigung

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Bzgl. des Ausschlusses von Nacht- oder Intimbesuchen findet sich zwar keine positive Aussage in den Gesetzesbegründungen, dieser bedarf es allerdings nicht. Denn Langzeitbesuche dienen zum unbeobachteten und ungestörtem Zusammensein mit nahen Angehörigen und bieten die Möglichkeit zu Intimkontakten – nur deren Zulässigkeit wird kontrovers beurteilt.1171 Außerdem wäre es wenig durchdacht, die Intimkontakte nicht zumindest in kontrollierter Umgebung fürs erste stattfinden zu lassen, bevor man den Verwahrten in die vollzugsöffnende Maßnahme lässt.1172 Bei einem Täter, der seine Strafe verbüßt hat, bezieht sich die Angleichung auch auf den Bereich dieser existentiellen Bedürfnisse.1173 Dass Arloth darauf abstellt, dies sei keine Frage des Abstandsgebots, weil es ja Strafgefangenen, insbesondere solchen mit langen Strafen, nicht anders ginge,1174 führt nur eines vor Augen: Das Dilemma des Abstandsgebotes liegt darin, dass das höchste deutsche Gericht „befohlen“ hat, dass zwei eigentlich in vielerlei Hinsicht vergleichbare Gruppen anders zu behandeln sind und es nicht einleuchtet, wieso bestimmte Rechte nicht in erster Linie für Langstrafige ebenso gelten sollen, wie für Sicherungsverwahrte. Die Kombination mit möglicher Entkleidung nach einem Langzeitbesuch geht deutlich über einen verhältnismäßigen, mit Sicherheitsinteressen der Anstalt zu rechtfertigender Eingriff hinaus. 5. Umsetzung in der Praxis Die Konzepte haben die Themenbereiche Arbeit und Freizeit unterschiedlich eingearbeitet: Zum Teil sind sie schon thematisch deutlich dem Bereich der therapeutischen Maßnahmen i. S. e. umfassenden Behandlungsbegriffs zugeordnet. Andere Konzepte handeln diesen Bereich als eigenständige Themen ab oder sehen darin „nur“ Motivationsmaßnahmen, was jedoch streng genommen wieder einen Bezug zur therapeutischen Einwirkung hat.1175 Sinnvoll erscheint die Kombination, wie sie das Konzept der JVA Rosdorf wählt. Danach sind Freizeitmaßnahmen 1171

Vgl. dazu bspw. das Standardlehrbuch von Laubenthal 2015, Rn. 204, Rn. 520 ff., welches „Partnerbesuche mit Sexualkontakten“ synonym zu „Langzeitbesuchen“ verwendet; ebso. AK-StVollzG-Wegner 2012, § 24 Rn. 21; s. a. SBJL-Schwind 2013, § 24 Rn. 13 m. w. N. 1172 Insofern zu kurz gegriffen, wenn sich Arloth in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 21 auf die Position zurückzieht, dass aufgrund der Gefährlichkeit der SV unbeaufsichtigte Besuche nicht möglich seien. 1173 Mit Recht Streng in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 18; ebso. Pyhrr 2015, 263 f. 1174 Arloth in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 21: „Wir halten das für keine Frage des Abstandsgebotes, da sich die sexuelle Situation von langjährigen Strafgefangenen eigentlich nicht von der eines Sicherungsverwahrten unterscheidet. Die Ausgangssituation ist gleich, weshalb es daher letztlich … keine Frage des Abstandsgebotes sein kann.“ 1175 Konzept JVA Fuhlsbüttel, S. 31 im Abschnitt „Behandlungsmaßnahmen“: Arbeit „gehört als besonderes Feld des Lernens und Trainierens zum Behandlungskonzept.“ Im Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 46 f. ist bspw. die Rede von „behandlungsorientierten Freizeit­angeboten“. Losgelöst abgehandelt etwa im Konzept JVA Tegel, S. 10 ff.; das Konzept JVA Bautzen, S. 14,

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

„einerseits ein Instrument zur Sicherstellung der Lebensqualität ohne unmittelbare therapeutische Intention.“ Andererseits „können auch neu erlernte Verhaltensweisen erprobt werden“, so dass „diese Maßnahmen auch der Unterstützung der Behandlung und Übung wesentlicher sozialer Kompetenzen“ dienen.1176 Arbeit ist im Gegensatz dazu eine Leistung, welche als Resozialisierungsfaktor ein wesentliches Behandlungsziel sein dürfte.1177 Im Hinblick auf die Angebote und Ausgestaltung der Beschäftigung der Verwahrten sind die Konzepte relativ einheitlich, was hauptsächlich in der Gemeinsamkeit liegen dürfte, dass alle bis auf Bayern die Arbeitspflicht abgeschafft haben.1178 Teilweise betonen die Konzepte sehr deutlich, dass Untergebrachte aufgrund der bisherigen Erfahrungen häufig ohnehin nicht in der Lage seien zu einer normal geregelten Arbeit, weil sie nie in den Arbeitsmarkt integriert waren oder wegen psychischer Probleme oder Suchtmittelabhängigkeiten arbeitsentwöhnt seien.1179 Deutlich betont man, dass Arbeit und Bildung dazu dienen, den Tagesablauf sinnvoll auszufüllen, soziale Netzwerke auszubauen oder zu erhalten, einer Ziellosigkeit und mangelnder Alltagsstruktur entgegenzuwirken sowie das Selbstwertgefühl zu stärken.1180 Den Konzepten zufolge ist daher auch ohne Arbeitspflicht, ein auf Resozialisierung ausgerichteter Sicherungsverwahrungsvollzug im Bereich von Bildung und Beschäftigung reintegrativ auszugestalten. Das bedeutet dem Konzept der JVA Brandenburg a. d. H. zufolge, dass den Untergebrachten Bildungsangebote und beschäftigungsintegrative Angebote gewährt werden müssen.1181 Die Befürchtung einiger im Gesetzgebungsverfahren, dass mit der Abschaffung der Arbeitspflicht die wichtigste Resozialisierungs- und Tagesstruk18 f. sieht neben der Arbeitstherapie als klassische therapeutische Maßnahme die Aspekte von Arbeit und Freizeit als strukturell und inhaltlich gestalterisches Element des Vollzuges vor; für BW s. OLG Karlsruhe vom 29.1.2014 – 2 Ws 449/13, Rn. 19 f. – bei juris. 1176 Konzept JVA Rosdorf, S. 22, 45 f.; ähnl. Konzept JVA Bützow, S. 41. 1177 Vgl. die klaren Formulierungen im Konzept JVA Rosdorf, S. 23; zur Bedeutung der Beschäftigung über die Sicherung des materiellen Lebensunterhalts hinaus s. Endres/Breuer, FS 2011, 288. 1178 Die Abschaffung spiegelt sich laut Länderübergreifender Bestandsaufnahme auch in der Praxis wider, dazu Ansorge 2013, 16, Tab. 13 sowie 33. 1179 Konzept JVA Bützow, S. 38; ähnl. Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 46; pessimistisch das Konzept JVA Freiburg, S. 8; eher neutral Endres/Breuer, FS 2011, 288 f.; Konzept JVA Rosdorf, S. 23 f. 1180 Konzept JVA Bautzen, S. 14: Arbeitstherapie verbessert u. a. die Selbstwertherstellung, Absprachefähigkeit und Zuverlässigkeit, Frustrationstoleranz und Konfliktfähigkeit und Tagesstrukturierung; Konzept JVA Fuhlsbüttel, S. 31: „Arbeit dient dem Lebensunterhalt, der Tagesstrukturierung, der sozialen Vernetzung und nicht zuletzt der Persönlichkeitsentwicklung“; deutlich Konzept JVA Rosdorf, S. 23: Arbeit wirkt u. a. Monotonie und Vereinsamung entgegen; bestimmt den sozialen Status und sichert Lebensunterhalt; ebso. Konzept SothA JVA Werl, S. 14: „Eine sinnvolle Alltagsstrukturierung ist ein wichtiger Baustein beim Erhalt der Lebenstüchtigkeit und -qualität, Ausbildungen und Weiterqualifikationen dienen außerdem einer möglichen Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt“; für Bay vgl. Endres/Breuer, FS 2011, 288. 1181 Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 45 f. mit i. Ü. recht unbestimmten Aussagen.

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turierungsmaßnahme entfällt, kann in den Konzepten nicht wiedergefunden werden: Der Schwerpunkt im Sicherungsverwahrungsvollzug liegt ausweislich der Konzepte darin, entweder durch Arbeit oder vermehrt durch arbeitstherapeutische Maßnahmen bzw. Arbeitstraining sowie den Zugang zu schulischen/beruflichen Qualifizierungsmöglichkeiten den Tag zu strukturieren und die positiven Effekte dieser Maßnahmen zu nutzen.1182 Regelmäßig sind Beschäftigungs-, Werk- und Arbeitstherapie eigenständig, d. h. nur für die Sicherungsverwahrten. Beschäftigungsmöglichkeiten sowie Schul- und Ausbildungsangebote sind an die Strafvollzugsanstalt angebunden.1183 Angesichts der häufig angenommenen Arbeitsunfähigkeit sowie zurückgehender Beschäftigung verliert dieses Argument jedoch merklich an Bedeutung. Unklar bleibt, wie bei dem relativ pauschalen Verweis auf die Anbindung an die Hauptanstalten der eigens aufgestellten Anforderung, der besonderen Situation der Verwahrten zu entsprechen,1184 ihre Motivation und ihren Kenntnisstand besonders zu berücksichtigen sowie Erfolgserlebnisse zu vermitteln, Genüge getan werden soll. Außerdem ist zu befürchten, dass bei bevorzugter Behandlung der Sicherungsverwahrten in diesem Bereich ein weiteres Feld geschaffen wird, in dem Konflikte mit Strafgefangenen entstehen werden.1185 Das Thema eines er­ höhten Arbeitsentgelts und Taschengeldes wird regelmäßig genauso wie die Frage monetärer Zuwendungen zur Motivierung nur am Rande erwähnt.1186 Die Freizeitangebote werden in den Konzepten teilweise recht ausführlich beschrieben.1187 Auffallend ist, dass sportliche Aktivitäten einen hohen Stellenwert einnehmen, weil sie den Konzepten zufolge nicht nur einen sehr wichtigen und 1182 Konzept JVA Bützow, S. 38; Konzept JVA Diez, Folie 52: Ziel sei „positive Lernerfahrung sammeln und von schlechten Lernerfahrungen wiederum lernen.“; Konzept JVA Freiburg, S. 8; Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 46, das über Arbeitstherapie und -training hinaus ein „auf einen umfassenden sozialen Kompetenzerwerb gerichtetes ergotherapeutisches Angebot“ bereithält. 1183 Konzept JVA Freiburg, S. 8: SV „können am großen Schul- und Ausbildungsangebot der Hauptanstalt teilnehmen“; s. a. den Beschl. des OLG Karlsruhe vom 29.1.2014 – 2 Ws 449/13, Rn. 20 – bei juris; Endres/Breuer, FS 2011, 288; Konzept JVA Rosdorf, S. 23 f.: arbeitstherapeutische Maßnahmen in „der Gesamtanstalt oder als angeleitetes Beschäftigungsangebot in der Kreativwerkstatt der Abteilung Sicherungsverwahrung möglich“. 1184 Konzept JVA Freiburg, S. 8 betont in Bezug auf die Schul- und Ausbildungsangebote, dass „auf ihre Motivation und ihren Kenntnisstand Rücksicht“ genommen werden und ihnen Erfolgserlebnisse vermittelt werden soll. Andererseits sollen die SV am Angebot der Hauptanstalt teilnehmen, wo gerade nicht per se davon ausgegangen werden kann, dass diese Angebote die besondere Situation hinreichend berücksichtigen. 1185 Deutlich Endres/Breuer, FS 2011, 288, die eine bevorzugte Behandlung bei der Arbeitseinteilung vorgeben. 1186 OLG Karlsruhe, Beschl. vom 29.1.2014 – 2 Ws 449/13, Rn. 20 – bei juris, zur Weiter­ bezahlung freiwillig arbeitender SV während der Teilnahme an Therapie; einzig das Konzept JVA Fuhlsbüttel, S. 11 sticht bei der Berechnung des erhöhten Taschengeldes heraus, da es an den Gedanken der Sozialhilfe angelehnt umfassend und am „Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen“ orientiert dargestellt wird. 1187 Konzept JVA Bützow, S. 41; zu den verschiedenen konkreten Freizeitangeboten einiger Konzepte s. die Aufzählung bei Endres/Breuer, FS 2011, 293; Pyhrr 2015, 345 ff.

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positiven Resozialisierungsfaktor, sondern allgemein ein gutes Mittel zur Tagesstrukturierung und zum Erlernen gewisser Fähigkeiten, darstellen.1188 Teilweise wird auf die besondere Situation der Verwahrten, z. B. ihr Alter oder ihre besonderen psychosozialen Beeinträchtigungen eingegangen, im Übrigen auf das Angebot der Hauptanstalt verwiesen.1189 Insgesamt kann man exemplarisch im Bereich des Sports eine unterschiedliche inhaltliche Auseinandersetzung der Konzepte feststellen: So schildert etwa das Konzept der JVA Bützow ausführlich die Vorteile und Möglichkeiten von Sportangeboten und darüber hinaus von sonstigen Freizeitmöglichkeiten, wohingegen sich andere Konzepte damit begnügen, das Gesetz wiederzugeben.1190 Dabei sollen die Verwahrten darin unterstützt werden, eigene Interessen zu entwickeln und so ihre freie Zeit zu nutzen.1191 Die Bedeutung von sozialen Kontakten wird von den meisten Konzepten hervorgehoben, wobei gleichzeitig betont wird, dass bei jahrelang Inhaftierten kaum bis gar keine Kontakte vorhanden seien und daher das Knüpfen neuer Kontakte gefördert werden solle.1192 Neben „normalen“ Besuchen, wird z. T. ein therapeutischer Besuch vorgesehen, d. h. dass bspw. der Wohngruppenleiter an den Besuchen teilnimmt, um Erkenntnisse über den Verwahrten und seine Beziehungsstrukturen zu gewinnen.1193 Über diese allgemein gehaltenen Aussagen gehen die meisten Konzepte nicht hinaus. Die Möglichkeit von Langzeitbesuchen erwähnen die Kon 1188

Konzept SothA JVA Werl, S. 14: Sportliche Aktivität bietet „neben dem gesundheitsfördernden Aspekt im besonderen Maße die Möglichkeit …, ein soziales Miteinander zu erlernen und emotionale Spannungen abzubauen“; ähnl. Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 47; die besondere Bedeutung wird auch im Konzept JVA Schwalmstadt, S. 37 betont; ebso. Endres/Breuer, FS 2011, 289; Konzept JVA Rosdorf, S. 43 ff. 1189 Konzept JVA Freiburg, S. 8: recht pauschal heißt es da, dass die Teilnahme am Angebot der Hauptanstalt erfolge; Konzept JVA Schwalmstadt, S. 38, das neben den allg. Angeboten der JVA darauf abstellt, dass es spezielle Angebote nur für SV geben wird; Konzept JVA Rosdorf, S. 44, welches erfreulich klar die „Bedürfnisse und Möglichkeiten der Sicherungsverwahrten“ berücksichtigt und die Anbindung an die JVA im Zusammenhang mit Gruppenmaßnahmen, um Mitspieler zu gewinnen, anspricht. 1190 Konzept JVA Bützow, S. 39 f. zählt eine Seite lang die „positiven Auswirkungen“ auf; differenziert auch das bayerische Konzept bei Endres/Breuer, FS 2011, 289; ähnl. umfassend Konzept JVA Burg, S. 16–20; Konzept JVA Rosdorf, S. 43 ff.; dagegen sehr überschaubar das Konzept JVA Freiburg, S. 8; Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 46 f.; Konzept JVA Tegel, S. 10 f.; Konzept SothA JVA Werl, S. 14. 1191 Vgl. Konzept JVA Bützow, S. 41: Neben Erholung und Entspannung solle der Untergebrachte aber „nicht nur konsumieren, sondern eigene positive Neigungen und Begabungen erkennen und entwickeln.“ So diene die Freizeitgestaltung „der positiven Ausgestaltung der Persönlichkeit“. 1192 Konzept JVA Bautzen, S. 19 recht knapp, aber immerhin konkret: Eine Teestunde mit Ehrenamtlichen soll für neue Kontakte sorgen; ebso. Konzept JVA Bützow, S. 43 zu den regelmäßig fehlenden engen sozialen Bindungen und Konsequenzen für die SV-Einrichtung;­ Endres/Breuer, FS 2011, 290. 1193 Im Konzept JVA Tegel, S. 9 f. als sog. „Meetings“ bezeichnet; im Konzept JVA Rosdorf, S. 46 f. wird die „Arbeit mit Angehörigen“, d. h. die Einbeziehung i. R. d. Behandlung insbes. für die Entlassungsvorbereitung angesprochen; nachgedacht wird zudem über eine Angehörigengruppe.

VII. Tagesstruktur durch Freizeit und Beschäftigung

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zepte mehr am Rande.1194 Dass sich diese Art der Besuche in der Sicherungsverwahrungspraxis etablieren, ist angesichts eher halbherziger gesetzlicher und einschränkender konzeptioneller Aussagen fragwürdig. Darüber hinaus bleiben die Konzepte unbestimmt, weil die Anstalt zur Förderung der sozialen Kontakte z. B. die Besuchszeiten verlängern, die Besuchsräume „nett“ gestalten oder die Anzahl, der zum Besuch Zugelassenen, erhöhen „könne“, aber nicht müsse.1195 Besuche finden regelmäßig im Bereich des Strafvollzugs statt, was wohl mit Sicherheitsaspekten zu tun haben dürfte, zumal es bspw. im Konzept der JVA Brandenburg a. d. H. bzgl. des Bereichs der baulich/technisch/organisatorischen Sicherheit angesprochen wird.1196 Dass die theoretisch möglichen, d. h. noch nicht tatsächlich wahrgenommenen Besuchsstunden deutlich angestiegen sind, belegt die Länderübergreifende Bestandsaufnahme: 2009 seien diese bei 5,3 Stunden, 2013 hingegen im Schnitt bei 20,1 Stunden pro Monat gelegen.1197 In puncto Nutzung moderner Medien fällt das Konzept der JVA Rosdorf besonders positiv auf. Jeder Haftraum soll hier über ein Mediensystem verfügen, zudem wird in Mediengruppen der Umgang damit erlernt.1198 D. h. die Anstalt sieht sich trotz all der Kritik im Gesetzgebungsverfahren oder Mahnungen der Bundesregierung, ein vollumfänglicher Zugang sei aufgrund der Sicherheitsrisiken nicht möglich,1199 in der Lage, den Zugang zu Internet, E-Mail und Telefon zu kontrollieren. Dies ist ein erfreulicher Schritt in Richtung Angleichung an allgemeine Lebensverhältnisse und sollte allen anderen Ländern als Vorbild dienen.1200 Hin 1194

Das ansonsten sehr detaillierte Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 54 schreibt in einem Nebensatz, dass im neuen Besuchsbereich ab 2015 auch Langzeitbesuche durchgeführt würden; knapp ebso. die Hausordnung JVA Diez, S. 6; Konzept JVA Bützow, S. 43 schreibt das Gesetz ab; im Konzept der JVA Tegel, S. 9 werden umfassende Beschränkungen zur Möglichkeit der Langzeitbesuche aufgestellt, welche allesamt die in § 27 Abs. 4 SVVollzG Bln angesprochene Eignung des Verwahrten betreffen. 1195 Konzept JVA Bützow, S. 43. 1196 Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 53: Langzeitbesuche finden im Bereich des Strafvollzugs statt; nur in Einzelfällen und bei Besuchen von Betreuern könnten Besuche auch in der Einrichtung durchgeführt werden. 1197 Ansorge 2013, 30 f.: In zwei Bundesländern gibt es sogar gar keine Begrenzung des Besuchs in zeitlicher Hinsicht, unbeaufsichtigte Langzeitbesuche waren bei Verwahrten 14,8-mal pro Jahr, bei Strafgefangenen 13,8-mal möglich – hier hat sich das Blatt zugunsten der Verwahrten gewendet, denn 2009 hatten noch Strafgefangenen häufiger die Möglichkeit zu solchen Besuchen. Zudem waren bei 57 % der Strafgefangenen die Telefonate begrenzt, wohingegen dies nur bei 15 % der SV der Fall war. 1198 Konzept JVA Rosdorf, S. 11, 45 f.; Bartsch 2015, 58. In RlP sollen zumindest entsprechende Vorrichtungen in den Räumen für eine spätere evtl. derartige Nutzung geschaffen werden, vgl. dazu Pyhrr 2015, 309. 1199 CPT/Inf (2014) 24, S. 19 f.; wobei die „elis-Lernplattform“ der Ausbildung und dem Studium der Inhaftierten dient, aber immerhin einen stark eingeschränkten Zugang zum Netz ermöglicht. In der JVA Rosdorf gibt es im Strafvollzug sogar Internet in Zellen. 1200 S. die Übersicht im Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 2: Untergebrachte können ein „PC-Kabinett“ mit 3 PC nutzen; Konzept JVA Bützow, S. 41: weiterbildende Maßnahmen zur „Förderung von Medienkompetenz“. Ebso. für Bay Endres/Breuer, FS 2011, 289: Mediengruppen, jedoch keine konkrete Computernutzung vorgesehen; Konzept JVA Tegel, S. 11: PC-Raum bzw. PC-

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D. Abstandsgebot: Umsetzung durch die Länder

sichtlich der Möglichkeiten des Telefonierens gibt es gleichfalls Unterschiede. So stellt bspw. die JVA Brandenburg a. d. H.1201 auf die Möglichkeit der Untergebrachten ab, externe Telefonate führen zu können, die lediglich akustisch überwacht würden. Andere Anstalten sprechen in den Konzepten lediglich davon, dass die technischen Voraussetzungen in den Zimmern vorhanden seien, was natürlich nicht bedeutet, dass diese aktuell genutzt werden. In Bayern etwa wird ein trag­bares Sta­tionstelefon bereitgestellt, wobei nur vorher durch den Abteilungsleiter genehmigte Nummern angerufen werden dürfen. Ein Bediensteter wählt die Nummer und teilt dem Gesprächspartner mit, dass das Gespräch überwacht werden kann.1202 6. Fazit Hinsichtlich der Entlohnung von Arbeit ist eine deutliche Verbesserung eingetreten unter gleichzeitiger Abschaffung der nichtmonetären Anerkennung. Auch ist die Abschaffung der Arbeitspflicht durchaus angebracht. Da einige Länder dem ME-StVollzG folgend die Arbeitspflicht im Strafvollzug ebenso abgeschafft haben (vgl. bspw. § 30 Bbg JVollzGB), relativiert sich hier die Privilegierung. I. E. bleibt von einem Abstand hinsichtlich der Anerkennung der Arbeit nicht viel übrig.1203 Außerdem bleibt es dabei, dass eine Angleichung in Bezug auf die Einbeziehung in das Rentenversicherungssystem verwehrt bleibt.1204 Langzeitbesuche wären ein Bereich gewesen, in dem die Gesetze und Konzepte hätten glänzen können. Das Vorgehen ist Sinnbild für die neue Gesetzgebung im Sicherungsverwahrungsvollzug: Grds. genügt man gerade so den Vorgaben des BVerfG, aber wenn es um die Frage geht, weitreichendere Rechte zu etablieren, Kurs i. R. d. Bildungsangebots; Konzept JVA Bautzen, S. 19: kreativer Umgang i. S. d. Anwendung von Grafikprogrammen; Konzept JVA Bützow, S. 52: „PC basierte Behandlungsprogramme“. Vgl. auch CPT/Inf (2014) 23, Rn. 22 f., S. 14: Kontakt mittels Telefon oder Internet nach wie vor beschränkt oder gar nicht möglich. 1201 Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 55; restriktiver bspw. die Hausordnung der JVA Straubing, S. 10 „7. Telefongespräche“, sollen nur unter Vermittlung und nach vorherigem Antrag und während der Freizeit möglich sein. 1202 Vgl. dazu die Beschreibung aus der Praxis der JVA Straubing von Pfalzer, FS 2014, 151. 1203 Krit. Dessecker, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 102. Trotzdem wird seitens der Rspr. die Neugestaltung der Arbeit und deren Umsetzung als vereinbar mit den Vorgaben des BVerfG zum Gesamtkonzept des Vollzugs der SV angesehen, vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. vom 29.1.2014 – 2 Ws 449/13, Rn. 20 – bei juris für die JVA Freiburg. 1204 S. dazu Forderungen von Birkwald (DIE LINKE), BT-PlPr 18/76, S. 7333; ebso. Grundrechtskomitee, Beitrag vom 15.12.2014 allg. für den Strafvollzug: „Aus Sicht von Menschenrechts- und Gefangenenhilfsorganisationen ist die Einbeziehung der Gefangenen in die ­Rentenversicherung eine notwendige Konsequenz aus dem Gleichheits- und Sozialstaatsprinzip: Prinzipien mit Verfassungsrang! … Der Ausschluss, der einer Zusatzbestrafung gleichkommt, widerspricht zudem den Forderungen des Strafvollzugsgesetzes nach Resozialisierung und Angleichung der Lebensverhältnisse.“

VII. Tagesstruktur durch Freizeit und Beschäftigung

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scheut man sich und sieht umfassende Einschränkungen vor wie bspw. in Berlin im Konzept der JVA Tegel. Auch stellt sich der fade Beigeschmack ein, dass der Gesetzgeber sich dort, wo er weiß, dass gewährte Privilegien und Rechte praktisch kaum zur Anwendung kommen (z. B. Besuchsrecht), großzügig zeigen konnte und er sich an anderer Stelle, wo es sich um praktisch relevante(re), im Alltag der Untergebrachten eine viel größere Rolle spielende Aspekte handelt (z. B. konkrete Ausgestaltung der Zimmer oder Disziplinarmaßnahmen), nicht weit vom Strafvollzug zu entfernen vermag. Außerdem kommt es beim Abstand nicht auf eine (rein) quantitative Verbesserung an, sondern die Vollzugsbedingungen sollen qualitativ eine Privilegierung darstellen.1205 Restriktiv und auf Sicherheitsaspekte pochend verhält er sich hingegen bei der Angleichung an allgemeine Lebensverhältnisse in Bezug auf moderne Kommunikationsmittel. Die SVVollzGe weichen zudem inhaltlich nicht nennenswert von § 70  StVollzG ab, weil weiterhin eher die abstrakt-generelle Gefährlichkeit des Computers, den der Untergebrachte ohne Überwachung nutzt, statt konkrete Anhaltspunkte der Person selbst von Bedeutung sind.1206 Zwar ist Dessecker insofern Recht zu geben, als die Nutzungsmöglichkeiten moderner Medien immer auch technische und behandlerische Fragen sind, aber der Gesetzgeber hätte dennoch viel eindeutiger die Grundlage für eine Angleichung in diesem Bereich setzen können.1207 Ausschlaggebend dürften nach wie vor mehr das kriminalpolitische Klima und überhöhte Sicherheitsbefürchtungen sein.

1205 Graebsch in der Anhörung zum SächsSVVollzG-E, Apr 5/1–45 A-2, S. 5: „Man glaubt also, man könnte das Problem lösen, indem man den Abstand zwischen vier und zehn herstellt. Das ist allerdings ein rein quantitativer Unterschied. Tatsächlich muss es aber einen qualitativen Unterschied geben, um den Abstand herzustellen.“ S. a. die Kritik von Scharmer in der Anhörung zum Nds. SVVollzG-E, ARV PR 16/123&124, S. 10. 1206 In diesem Sinne die Entscheidung des OLG Hamm, Beschl. vom 17.8.2010  – 1 Vollz (Ws) 255/10, Rn. 10 zur bisher einhelligen Rspr. bzgl. des § 70 StVollzG; zum SVVollzG Bln s. KG Berlin, Beschl. vom 18.6.2014 – 2 Ws 123/14 Vollz, Rn. 15 – jeweils bei juris; krit. dazu Beck, HRRS 2013, 13. 1207 Dessecker, BewHi 2013, 321: Was davon im SV ankomme, sei „weniger eine Frage gesetzlicher Regelungen als eine Frage der Technik, der Behandlungsmethoden und letztlich des kriminalpolitischen Klimas.“

E. Abstandsgebot als Problemlöser? – Zusammenfassendes Fazit und Forderungen „Die Geschichte mit dem Abstandsgebot ist nicht mehr als eine schiefe Metapher.“1

I. Rechtliche Entwicklung Nach den Entartungen des Dritten Reichs beschäftigten sich Gesetzgeber und Politik in den Nachkriegsjahren auf dem Gebiet der Sicherungsverwahrung nahezu ausnahmslos mit der Anordnungsebene.2 Die Vollzugsgesetzgebung fiel hingegen mehr als karg aus: Im Unterschied zum gesetzgeberischen Aktionismus auf der Anordnungsebene konnte sich mehr als 80 Jahre kein eigenständiges (normatives) Gesamtkonzept für den Vollzug der Sicherungsverwahrung entwickeln.3 Verschiedene Verordnungen wurden von Landesvollzugsvorschriften, schließlich im Jahr 1962 von der DVollzO und 1977 vom StVollzG mit nur einigen wenigen Sondervorschriften für den Sicherungsverwahrungsvollzug abgelöst. Seit Einführung der Maßregel empfand man die fehlenden Unterschiede zwischen dem Vollzug der Freiheitsstrafe und demjenigen der Sicherungsverwahrung als problematisch, was aber zunächst vom BVerfG gestützt wurde und woran sich bis zur aktuellen Entwicklung nichts änderte.4 Die nur rudimentär vorhandenen, speziell für die Sicherungsverwahrung geltenden „weichen“ Normen waren nicht zwingend und konnten dem Sicherungsverwahrungsvollzug keine eigenen scharfen Konturen verleihen bzw. nicht den Maßregelcharakter auf Vollzugsebene umsetzen.5 Dies damit abzutun, dass es sich dabei allein um eine Frage der Gesetzestechnik gehandelt habe, würde dem Unterschied der beiden Vollzugsformen nicht gerecht.6 „Den Sicherungsverwahrungsvollzug“ gibt es daher überhaupt erst seit den gesetzgeberischen Entwicklungen aufgrund der Entscheidung des EGMR und dem folgend des BVerfG. Ende der 1990er Jahre setzte nach einer mit Einführung des StVollzG beginnenden Phase nahezu völliger Bedeutungslosigkeit7 des Sicherungsverwahrungsvollzugs eine beeindruckende kriminalpolitische Entwicklung ein: Einzelne spek 1

Streng in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 6. S. dazu o. Teil A., Fn. 61 und 64. 3 Gefordert von BVerfGE 128, 388. 4 BVerfGE 2, 120, s. o. Teil A.II.1.b). 5 Dazu o. Teil B.II. 6 Köhne, ZRP 2007, 111; ders., NStZ 2009, 130 f.; ders., JR 2011, 198 ff.; ders., JR 2012, 15; Arloth, GA 2008, 134. 7 Hackbarth, ZfStrVo 2006, 288. 2

I. Rechtliche Entwicklung

493

takuläre Zwischenfälle, ein häufig emotionales Medienecho und regelmäßige Profilierungsversuche von politischer Seite haben in direkter Folge zu unaufhörlichen Verschärfungen und daraus resultierend einem verwirrenden Rechtssystem der Sicherungsverwahrung sowie mittelbar auch zu einem Ausbleiben der Weiterentwicklung des Vollzugs geführt.8 Daran hat die durch den EGMR eingeleitete neueste Reformwelle zunächst wenig verändert. Stellte der EGMR im Urteil vom 17.12.2009 fest, dass die Sicherungsverwahrung v. a. (aber nicht nur) wegen ihrer unzureichenden Vollzugsgestaltung eine Strafe i. S. d. EMRK und ihre rückwirkende Wirkung nicht rechtens sei, stritten sich die deutschen Gerichte in der Folgezeit hauptsächlich um die mögliche oder nötige Implementierung dieses Urteils. Das eilig erlassene SichVNOG war kurze Zeit später durch die Entscheidung des BVerfG überholt. Das höchste deutsche Gericht erklärte nahezu das gesamte Recht der Sicherungsverwahrung für verfassungswidrig, weil der Vollzug dem Abstandsgebot nicht gerecht werde. Im Übrigen blieb das BVerfG trotz deutlicher Einebnungstendenzen der Unterschiede zwischen Strafe und Sicherungsverwahrung9 bei seiner schon 2004 betonten Zweckthese. Aufgabe und größte Schwierigkeit zugleich ist neuerdings der zuletzt geforderte Paradigmenwechsel von einem sicherungsorientierten hin zu einem therapie- und freiheitsorientierten Vollzug, der die sieben, das Abstandsgebot ausfüllenden, Gebote umsetzt.10 Die kritische Auseinandersetzung mit den Aussagen des BVerfG in Teil A. hat allerdings gezeigt, dass damit die Probleme der Maßregel „nicht vom Tisch“11, sondern vielmehr neue Unklarheiten hinzugekommen sind. Einige Stellen des Urteils sind unausgewogen, so bspw. hinsichtlich der Kompetenzfragen oder des Rechtsfolgenausspruchs. Grundlegende Problemfelder der Sicherungsverwahrung werden übergangen. Es ist in erster Linie auf das Abstandsgebot ausgerichtet, alle Hoffnung auf einen normativ und tatsächlich gegebenen Behandlungsvollzug wird daran geknüpft. Die kriminalpolitische Einstellung führt zum Grundproblem, das der neuerlichen Reform zugrunde liegt. Sie ist von außen und nicht von innen motiviert.12 8

Auf Anordnungsebene (auf Vollzugsebene hat sich normativ nichts verändert), so Zimmer­ mann, HRRS 2013, 164: „kaum noch überschaubares Labyrinth aus Zurechtstutzungsentscheidungen durch BVerfG, EGMR und BGH“; ebso. Becker, NStZ 2015, 210; ähnl. Kinzig 2012, 22; dazu o. Teil A.II.2. 9 BVerfGE 128, 377; s. a. BVerfGE 109, 173. Beide Sanktionen stellen eine Reaktion auf Straftaten mit Freiheitsentziehung dar, weisen limitierende Faktoren wie das Schuld- und Verhältnismäßigkeitsprinzip auf und sind vom prozessualen Verschlechterungsverbot erfasst um einige Bspe. zu nennen. 10 Dessecker, ZfRSoz 2012/2013, 277 f.; ähnl. Fischer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 152; J. Schäfer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 161 f. 11 Zabel, JR 2011, 470: „Probleme sind nicht vom Tisch“; ähnl. Kinzig, StraFo 2011, 436. 12 Selbst wenn die BReg ein anderes Bild vermitteln möchte; s. dazu Fragen und Antworten zur SV vom 3.1.2011, Frage 2: „Die Reform geht auf den Koalitionsvertrag zurück. Es wird immer wieder falsch behauptet, dass die Regierung aufgrund des Urteils … zu dieser Gesetzesänderung gezwungen wurde …“ Sich dabei auf das Datum der Unterzeichnung des

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E. Abstandsgebot als Problemlöser? – Fazit und Forderungen

Gemeint ist damit, dass bisher in der Regel ein Wandel des kriminalpolitischen Klimas bzw. der politischen Einstellung eine Änderung des Rechts zum Vollzug und allgemein zur Sicherungsverwahrung bewirkte. So fanden sich unter den Nationalsozialisten sehr strenge und restriktive Regelungen und Zustände, welche nach dem Zweiten Weltkrieg geändert wurden. Im Zusammenhang mit einer zunehmenden Liberalisierung der Strafrechtspolitik schuf der Gesetzgeber zunächst die DVollzO und schließlich nach der grundlegenden Entscheidung des BVerfG aus dem Jahre 1972 das StVollzG.13 Aufgrund einzelner brisanter Sexualstraftaten und -morde an Kindern, die entsprechend medial „ausgeschlachtet“ wurden, stellte sich der nächste bedeutende Wechsel der Kriminalpolitik ein. Seither findet sich ein Streben nach einer absoluten Sicherheit („Wegsperren für immer“). Die Sicherungsverwahrung wurde „bis zur Unverständlichkeit zerrieben“ durch das Zusammenspiel von medialer Öffentlichkeit, darauf reagierender Politik, Gesetzgebung und Rechtsprechung, vom Untergericht bis zum höchsten deutschen Gericht und dem EGMR.14 Schließlich ist der Resozialisierungsgedanke ins Hintertreffen geraten, was mit den Worten des niedersächsischen Landtagsabgeordneten Tonne (SPD) gut zu umschreiben ist: Der Fokus habe viel zu lange „auf der Steigerung der Mittel nur für das Wegsperren, nicht aber für die eigentliche Sicherheit für die Bevölkerung schaffende Resozialisierungsarbeit“ im Vollzug der Sicherungsverwahrung gelegen.15 Mehr als erwartet haben die Urteile des EGMR und BVerfG unter Beweis gestellt: Der Verwahrvollzug ist in seiner bisherigen Form, d. h. der schlichten Verwahrung, des Wegsperrens für immer, so nicht (mehr) hinnehmbar.16 Zwar bedeutete das Urteil des BVerfG nicht „das Ende der Sicherungsverwahrung“17. Allerdings stellt es das Ende der bisherigen Ausgestaltung dar. Problematisch ist, dass sich seit der Entscheidung des EGMR im Jahr 2009 kein grundlegender Wechsel der kriminalpolitischen Einstellung beobachten lässt, was sich besonders gut an den Reaktionen der Bundesregierung auf dieses Urteil oder gar noch anhand der Stellungnahmen i. R. d. BVerfG-Urteils bzw. einzelner Länder Koalitionsvertrages zu berufen, welches vor der Urteilsverkündung liegt, ist kein taugliches Argument, angesichts dessen, dass das Verfahren beim EGMR bekanntermaßen seit 2004 anhängig war und eine mündliche Verhandlung mit Beteiligung der BReg im Jahre 2008 stattgefunden hatte. 13 Für die Stellung der Verwahrten kann grds. nichts anderes gelten: Eingriffe in ihre Grundrechte nur aufgrund eines Gesetzes, vgl. die Gefangenenentscheidung: BVerfGE 33, 9 ff.; s. a. BVerfGE 116, 80 f. 14 Bredlow, FS 2013, 255; ähnl. Dünkel/Pruin, KrimPäd 2015, 44; für den materiell-rechtlichen Bereich Kinzig, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2010, 58 f.; s. a. Kreuzer, ZIS 2006, 145 ff.; vgl. auch Teil A.II.2. 15 Nds. PlPr 16/138, S. 17948; zur zurücktretenden Resozialisierung s. Streng, StV 2013, 242 f. 16 Sonnen, NK 2011,44: Insbes. hins. des BVerfG-Urt. unterschieden sich die Erwartungen („Randkorrekturen“) nach der mündlichen Verhandlung vom 8.2.2011 erheblich vom Ergebnis („das gesamte Recht der Sicherungsverwahrung über den Haufen geworfen“). 17 So aber Sonnen, NK 2011, 43.

II. Tatsächliche Entwicklung

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bzw. Landtagsabgeordnete ablesen lässt.18 Es muss daher angezweifelt werden, dass der Gesetzgeber mit derselben Überzeugung hinter seinen neuen Regelungen steht, wie er es bei den Ausweitungen der Sicherungsverwahrung zuvor auf Anordnungsebene tat. Insofern zweifelt das höchste deutsche Gericht nur selten Normen an, die vom Gesetzgeber augenscheinlich kriminalrechtlich und -politisch unerwünscht sind.19

II. Tatsächliche Entwicklung Als Quintessenz der empirischen Analyse in Teil B. ließ sich der Sicherungsverwahrungsvollzug mit dem Kriminologen Mannheim bisher als Ort umschreiben, wo zu existieren man sich nur als Allerletztes wünschen könne.20 Zunächst ist im Hinblick auf die zahlenmäßige Entwicklung der Sicherungsverwahrung bzw. ihren Vollzug festzustellen, dass es sich nicht immer in erster Linie um ein qualitatives, sondern zeitweise auch um ein quantitatives Problem handelte.21 In den 1990er Jahren „feierten“ die Anordnungen und leicht zeitverzögert die Zahlen der Untergebrachten, welche zugleich mit einem Rückgang der Entlassungen zusammenhängen, parallel zur einsetzenden Verschärfungswelle ein „Comeback“, so dass sie sich innerhalb von zehn Jahren nahezu bzw. mehr als verdoppelten.22 Man ist immer weniger bereit, allen voran bei ehemaligen Sexualstraftätern, ein Risiko einzugehen und zu entlassen.23 Der Aufwärtstrend bei den Anordnungen und der Anzahl der Untergebrachten ist inzwischen aufgrund der Rechtsprechung und Gesetzgebung sowie einer gestiegenen Sensibilität unterbrochen. Laut Statistik ist der typische Sicherungsverwahrte derzeit männlich, ledig, 50plus und (ehemaliger) Sexualstraftäter. Damit hat sich das Bild seit der Einführung gewandelt, denn noch bis Anfang der 1990er Jahre überwog die Gruppe der Eigentums- und Vermögensdelinquenten. Danach nahm die Anzahl der Gewaltund Sexualstraftäter – trotz stabiler bzw. sogar rückläufiger Kriminalitätsraten im Bereich von Sexualstraftaten und Tötungsdelikten – stark zu. Sie machen inzwi 18 BVerfGE 128, 360 f.; s. a. Antrag der Abg. Blenke u. a. (CDU), BW LT-Drs. 14/6829, S. 1; Äußerung des Abg. Beister (CDU), Nds. PlPr 16/138, S. 17942: Zum einen – um es offen zu sagen – tun wir es, weil wir es müssen …“ 19 Nur wenige Entscheidung sind mit derjenigen vom 4.5.2011 in dieser Hinsicht vergleichbar; bspw. BVerfGE 105, 135 (Vermögensstrafe); BVerfGE 45, 187 (lebenslange Freiheitsstrafe). 20 Mannheim 1939, 59 zum Strafvollzug, was nach der hier erfolgten Aufarbeitung der empirischen Erkenntnisse zur Vollzugsrealität mutatis mutandis für den bisherigen Vollzug der SV Geltung beansprucht; dazu Schüler-Springorum 1969, 240 f.; ders. 2007, 407: „lex Mannheim“; s. zur tatsächlichen Entwicklung im SVV o. Teil B. 21 Vgl. Teil B. I. 22 Vgl. Teil B. I. 23 S. dazu insbes. o. Teil B., Fn. 33–36.

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E. Abstandsgebot als Problemlöser? – Fazit und Forderungen

schen durchgängig mehr als 60 % der Verwahrungen aus.24 Die Vergreisung der Verwahrten sorgt insbesondere für neue pflegerische Herausforderungen, auf die die Anstalten bisher nicht vorbereitet sind.25 Mehrere Untersuchungen ergaben, dass bei zwischen 60 % und 80 % der Verwahrten eine behandlungsbedürftige Persönlichkeitsauffälligkeit bzw. -störung vorliegt, deren Behandelbarkeit in der psychiatrischen Fachwissenschaft heftig umstritten ist.26 Im Übrigen ist die Gruppe der Verwahrten auffällig heterogen, was den Umgang mit ihnen erschwert. Häufig hat die aus der Belastung des Vollzugs und dessen Unbegrenztheit resultierende Wut und Resignation eine fehlende Fähigkeit bzw. Motivation zur Teilnahme an und Ansprechbarkeit auf (therapeutischen oder Freizeit-)Angebote der Anstalt zur Folge. Zwar ist der Therapiegedanke im Sicherungsverwahrungsvollzug nicht ganz neu. Jedoch blieb es bisher im Wesentlichen bei der Thematisierung.27 Das Resozialisierungsgebot war bisher unzureichend umgesetzt: Es fehlten psychologische und psychiatrische Therapien.28 Die Lockerungs- und Entlassungspraxis war restriktiv und merklich seit Ende der 1990er Jahre von einem „Klima der Ängstlichkeit und Übersicherung“ und zunehmender Renitenz der Landesjustizverwaltungen geprägt, weshalb es kaum eine Grundlage für die anzustellenden Gefährlichkeitsprognosen gab.29 Folglich lässt sich mittels Berichten der Praxis und den wenigen umfassenden Untersuchungen konstatieren, dass seitdem die Maßregel existiert, das Sein nicht dem Sollen und die Praxis nicht der Theorie entspricht. In über 80 Jahren Sicherungsverwahrungsvollzug konnte bis zur Entscheidung des BVerfG im Jahre 2011 kein zufriedenstellender Abstand, geschweige denn eine Angleichung an Lebensverhältnisse außerhalb des Vollzugs, erreicht werden.30 Der Vollzugsalltag bewegte sich bisher zwischen der Kontroverse, manche Straftäter, egal wie, für immer wegzuschließen und der Verfolgung des Besserungsziels. Die Sicherungsverwahrung stellte tatsächlich aber in erster Linie eine Maßregel der Sicherung dar, „deren alleiniges Ziel das Einsperren auf Dauer war“.31 Das erst seit 2004 existierende Abstandsgebot legte die Praxis, d. h. die Landes­ justizverwaltungen und Anstalten selbst, zunächst „eng und rein formal“ aus.32 Wenig verwundert es daher, dass seit der Existenz der Maßregel unaufhörlich von 24

Vgl. Teil B. I.2.d) und e). Seit Einführung bis in die 1990er Jahre waren hauptsächlich unter 50-Jährige verwahrt; inzwischen haben im Jahre 2014 fast Zweidrittel das Alter 50plus erreicht. Ob die Verwahrten mit zunehmenden Alter leichter zu führen sind, wird ambivalent beurteilt, vgl. dazu Teil B. I.2.c). 26 Vgl. dazu die Darstellung in Teil B.III. 27 Vgl. dazu Elz 2014, 152 ff.; s. a. Teil B.II.3.c). 28 Dessecker, ZfRSoz 2012/2013, 267; ebso. Bartsch 2010, 204 ff.; Conradi 2013, 49 ff.; Dessecker 2004, 205 ff.; Kinzig 1996, 72 ff., 117 ff. 29 S. o. Teil B. I.2. 30 Dazu Bartsch/Kreuzer, StV 2009, 56 und Teil A.II.1., 2. sowie Teil B.II.3. 31 Dessecker, ZfRSoz 2012/2013, 277 f.; ähnl. bereits Hellmer 1961, 359. 32 Bartsch/Kreuzer, StV 2009, 56; Zscherpe, Betrifft Justiz 2011, 199. 25

III. Grundsätzliche Forderungen an eine rationale Kriminalpolitik 

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der enormen psychischen Belastung durch die Sicherungsverwahrung berichtet wurde. Die Mehrheit der Untergebrachten empfand sie als eine fortgesetzte Bestrafung oder sogar aufgrund der ungewissen Dauer als noch größere Bestrafung. Die Umgebung und der Status änderten sich bisher vom Übergang von der Freiheitsstrafe in die Sicherungsverwahrung nur unwesentlich. Gleichermaßen stellt seit jeher die Arbeit im Sicherungsverwahrungsvollzug eine große Herausforderung für das Personal dar. Spezielle Fortbildungsprogramme waren hingegen bisher die Ausnahme.33 Zudem mangelte es an (geeigneten) psychologischen bzw. psychiatrischen Fachpersonal allein für die Abteilungen der Sicherungsverwahrung, so dass die Verwahrten bisweilen sich selbst überlassen waren. Aufgrund der bisher fehlenden therapeutischen Einwirkung auf die Verwahrten kann folglich derzeit nicht pauschal gesagt werden, das BVerfG überschätze die Wirkungen von Therapie. Ebenfalls stellte sich die Ausgestaltung des vorausgehenden Strafvollzugs der potentiellen Sicherungsverwahrten als problematisch dar.34 Die Gefangenengruppe der potentiellen Sicherungsverwahrten blieb aufgrund kaum therapeutischer Behandlung bzw. individueller Betreuung und einer für gewöhnlich restriktiven Lockerungspraxis hinsichtlich ihrer Entlassung weitgehend unvorbereitet. Es galt hier, dass eine Sicherungsverwahrung i. d. R. angetreten werden musste. Mit der gängigen strengen Lockerungspraxis im Straf- und Maßregelvollzug wurde zwar die offene Misserfolgsquote gering gehalten, wie vielen, insbesondere den hier interessierenden (potentiellen) Sicherungsverwahrten, eine Vorbereitung auf die Freiheit verwehrt wurde, kann man nur erahnen.35

III. Grundsätzliche Forderungen an eine rationale Kriminalpolitik im Bereich der Sicherungsverwahrung Aus der festgestellten rechtlichen bzw. normativen und tatsächlichen Entwicklung ergeben sich insbesondere Forderungen an die Politik, den Gesetzgeber sowie die Gesellschaft zum Umgang mit der Maßregel und deren Vollzug, die es herauszuarbeiten gilt. Eines ist klar: Die Reform des Sicherungsverwahrungsvollzugs steht gerade erst an ihrem Anfang. Was die Reformer brauchen werden ist ein langer Atem, denn es muss sich um eine langfristige und schrittweise Änderung handeln, die mit den hier zu untersuchenden normativen Änderungen nur einen kleinen Teil dessen umschreibt, was es eigentlich bedarf: Eine Änderung des öffentlichen Bewusstseins, d. h. des Staates und der Gesellschaft. 33

Vgl. dazu. o. Teil B.II. Dazu Krebs 1974, 123; Jescheck, ZStW 1968, 83; Zscherpe, Betrifft Justiz 2011, 199. S. a. Boetticher 2013, 110 f., der deshalb eine Diskussion zur Wiedereinführung des § 65 StGB anregte; and. Kern 1997, 168 f., 178. I. Ü. s. Teil B.II.3.c) und d). 35 Auf dieses Problem hinweisend Streng 2012, Rn. 835; Steinhilber 2012, 125; s. a. Steiger 2016, 271 zur strengen Handhabung insbes. bei Sexualstraftätern und fehlenden empirischen Nachweisen; s. o. Teil C.IV.3. 34

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E. Abstandsgebot als Problemlöser? – Fazit und Forderungen

1. Rückbesinnung auf den Ultima-Ratio-Gedanken Da die drohende Verletzung der körperlichen Integrität ein unwiederbringliches Gut darstellt, an dessen Schutz die Allgemeinheit ein berechtigtes Interesse hegt und darüber hinaus Selbstjustiz verhindert werden muss, ist der Staat berechtigt, sich um den Schutz seiner Bürger zu kümmern.36 Die Daseinsberechtigung der Sicherungsverwahrung ist grds. zu akzeptieren. Dennoch bleibt sie die letzte Notmaßnahme des Staates in einer langen Reihe davorstehender Sanktionen.37 Vom Staat und damit von Politikern, Justiz inklusive des Vollzugs sowie Gesetz­geber ist zugleich zu verlangen, dass sie das Ultima-Ratio-Prinzip selbst (mehr) beachten.38 Daher sollte man sich im Recht der Sicherungsverwahrung darauf zurückbesinnen, dass die „Aufgabe des Strafrechts … Rechtsgüterschutz und nicht Furchtbekämpfung“ ist.39 Gerade der Gesetzgeber muss dazu stehen, dass das auch ein ständig verschärftes Strafrecht, eine Nichtbeachtung des Sicherungsverwahrungsvollzugs oder eine Negierung der Rückkehr ehemaliger Verwahrter in Freiheit, eine Gesellschaft ohne Straftaten nicht herstellen kann.40 Er muss den Anspruch auf absolute Sicherheit deutlicher als bisher zurückweisen und im Gegenteil betonen, dass das Übermaßverbot auch für den hochgefährlichen Täter in der Verwahrung gilt.41 Kritisch zu sehen ist es, dass es in der Folge des EGMR-Urteils weniger um die daraus folgenden Rechte der betroffen Verwahrten ging und mehr darum, jegliche Entlassung mittels der Konstruktion des ThUG zu verhindern bzw. die Entlassenen

36 Dazu passend bspw. der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum SichVAbstUmsG vom 8.11.2012, BT-Drs. 17/11406, S. 6: „Nur wenn der Staat sich dieser Aufgabe erfolgreich stellt, rechtfertigt er das ihm zustehende Gewaltmonopol und verhindert Akte der Selbstjustiz.“ Ebso. Kötter, KJ 2003, 67, 73 ff.; Kammeier 2012, 56 ff.; Hassemer, ZRP 2004, 93; Blath 2013, 33. 37 Zur grds. Legitimation der SV s. Hörnle, StV 2006, 383 ff.; S/S-Kinzig 2014, § 66 Rn. 2 ff. m. w. N.; MüKo-Ullenbruch/Drenkhahn/Morgenstern 2012, § 66 Rn. 9, Rn. 34: „Vorbeugende Verwahrung als legitimes Mittel zum Schutz der Allgemeinheit“; Streng, StV 2013, 237 f. m. w. N.; dem zustimmend Becker, NStZ 2015, 210; Stefanopoulou, ZIS 2013, 345, 357; s. a. Meier 2015, 269, 272 f.; Drenkhahn/Morgenstern, ZStW 2012, 201: Im BVerfG-Urt. vom 4.5.2011 werde „die Notwendigkeit dieser Sanktion geradezu anerkennt“; Endres in der Anhörung zum Bbg SVVollzG-E, P-RA 5/38, S. 67. 38 Ähnl. Kinzig 2012, 22 ff. (bisher Vernachlässigung des Ultima-Ratio-Grds., insbes. aufgrund der überschätzten Gefährlichkeit von SV; dazu Teil B. I.2.e); optimistischer Cornel, NK 2012, 3. 39 Heinz 2009, 243, 262; Lauterwein 2006, 69; Kötter, KJ 2003, 69 f.: Maßstab müsse sein, noch bevor eine Gesetzesinitiative überhaupt in Gang gebracht werde, ob ein Gesetz überhaupt gemacht werden müsse, oder ob es Alternativen gebe; so die BReg selbst im Jahre 1984; dazu auch Caesar, RuP 1998, 213; krit. ebso. Sack/Schlepper, KrimJ 2011, 257; Steiger 2016, 116 ff.; s. Teil A.II.2. 40 Heinz 2009, 268; Hassemer, ZRP 2004, 94; Lauterwein 2006, 69; Rehder/Wischka, KrimPäd 2012, 55; s. a. Kinzig, NStZ 2010, 239. 41 Roxin AT 2006, § 3 Rn. 67.

III. Grundsätzliche Forderungen an eine rationale Kriminalpolitik 

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Rund-um-die-Uhr zu bewachen.42 Von einem Rechtsstaat bleibt nicht viel, wenn sich ehemalige Verwahrte in Extremfällen dazu gezwungen sehen, bewusst rückfällig zu werden, um dieser staatlichen Dauerobservation zu entgehen.43 Zunächst unscheinbare und positiv klingende Äußerungen im Gesetzgebungsverfahren zum SichVAbstUmsG zeigen bei näherem Hinsehen eine immer noch kaum veränderte Sichtweise.44 Gefordert werden muss ein (noch) weitergehendes Umdenken und eine Debatte, die einer aufgeklärten Gesellschaft würdig ist, nämlich eine wissensbasierte und objektiv rationale.45 Notwendig ist eine Rückbesinnung auf eine maßvolle Reaktionspolitik, die den Sicherheitsanspruch der Gesellschaft und den Freiheitsanspruch des Täters berücksichtigt.46 Dazu bedarf es aufgrund der Bedeutung der Medien einer verbesserten Informations- und Öffentlichkeitsarbeit und insgesamt mehr Transparenz.47 Andernfalls wird das Vertrauen der Bevölkerung in die Normen bzw. das Strafrecht selbst letztlich weiter zerstört, weil der Vollzug die Erwartungen nicht einlösen kann. Resozialisierung kann nur 42

Krit. Bachmann/Goeck, GRR 2013, 76; ebso. Popp, ZD 2013, 567 ff. Mandera 2014, 49: „bewussten Rückfälligwerden“; ebso. Pollähne, Bürgerrechte und Polizei 2011, 69. 44 So hieß es im Zusammenhang mit § 119 a StVollzG, dass die gerichtlichen Kontrollen der Betreuung schon im Strafvollzug der latenten Sicherungsverwahrten ansetzen müssten, um „überraschende Entlassungen gefährlicher Sexual- und Gewalttäter“ wie nach der EGMREntscheidung zu verhindern, vgl. den Antrag der SPD-Fraktion vom 28.2.2012 zur Ergänzung des SichVAbstUmsG-E, BT-Drs. 17/8760, S. 1. Problem der erfolgten Entlassungen war aber weniger deren „überraschender“ Zeitpunkt, sondern die vorher fehlende bzw. unzureichende Behandlung und fehlende Vorbereitung auf die Freiheit. Ebso. krit. zu sehen sind die Äußerungen der bayerischen JuMi Merk 2012, 8, derzufolge die Umbauarbeiten in der SV nur notwendig gewesen seien, weil andernfalls „die Freilassung hochgefährlicher Gewalt- und­ Sexualstraftäter“ drohe. 45 Vgl. zu Forderungen nach einer „wissensbasierte Kriminalpolitik“ deren Aufgabe es ist, zur Rationalität im Umgang mit Kriminalität beizutragen den Tagungsband von Lösel/­ Bender/Jehle 2007 „Kriminologie und wissensbasierte Kriminalpolitik: Entwicklungs- und Evaluationsforschung“ sowie im Speziellen das dortige Grußwort von Lösel 2007, S.  XI; ebso. Goldmann, KJ 2009, 292; Jehle 2013, 329 ff.; Meier 2015a, 167. Allg. für den gesamten Strafvollzug Dünkel/Pruin, KrimPäd 2015, 44; Rehn, ZfStrVo 2003, 70 ff.; Schmucker/­ Lösel 2007, 295; Schwind 1985, 573 ff.: „rationale Kriminalpolitik als Zukunftsaufgabe“;­ Goldmann, KJ 2009, 291. 46 Vgl. dazu den der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum SichVAbstUmsG vom 8.11.2012, BT-Drs. 17/11406, S. 6: „Der demokratische Rechtsstaat ist den Menschenrechten aller Menschen, der Opfer wie der Täter, verpflichtet und darf deshalb – auch zur Abwehr konkreter Gefahren – nicht zu allen denkbaren und möglichen Maßnahmen greifen.“ Den Sicherheitswahn könne der Staat nicht alleine beseitigen, dazu sei die Bevölkerung gefragt, so Möllers 2011, 195; s. a. Pollähne, GRR 2007, 73. 47 Dazu Kötter, KJ 2003, 72, 78 ff.; Krahl in der Anhörung zum HSVVollzG-E, RIA/18/ 48-UJV/18/37, S. 24: „bei allem Bewusstsein von der Gefährlichkeit …, aber auch bei meinem Bewusstsein, dass das Ganze auch etwas mit Öffentlichkeitsarbeit und der Rezeption in der Öffentlichkeit zu tun hat, wenn solche Gesetze gemacht werden. Deswegen kann die Neigung der Politik groß sein, hier Zugeständnisse an den Common Sense zu machen. Aber Common Sense ist nicht Bundesverfassungsgericht und ist nicht der Europäische Gerichtshof für­ Menschenrechte.“ 43

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E. Abstandsgebot als Problemlöser? – Fazit und Forderungen

gelingen, wenn die Gesellschaft und allen voran der Staat die Wiederaufnahme von entlassenen (potentiellen) Sicherungsverwahrten nicht negiert.48 Dazu muss von staatlicher Seite her das Sicherheitsgefühl verantwortungsvoll gelenkt werden. Ein erster Schritt wäre es, einer öffentlichen Diskussion, die in Richtung eines völligen Ausschlusses der Verwahrten aus der Gesellschaft zeigt, Einhalt zu bieten, statt selbst Verwahrte in Pressemitteilungen anzuprangern.49 Positiv hervorzuheben sind daher solche Entscheidungen wie die des OVG Magdeburg vom 25.4.2012.50 Im konkreten Fall fanden wöchentliche Versammlungen vor dem Wohnhaus zweier aufgrund des EGMR-Urteils entlassener Sicherungsverwahrter mit akustischen Hilfsmitteln und Skandieren von Parolen wie „Wir kommen wieder, bis ihr geht!“ statt. Dem OVG zufolge verletzen „objektiv betrachtet auf eine Zermürbung der Adressaten“ angelegte massive Angriffe die Menschenwürde, so dass es die Schutzpflicht des Staates gebiete, dem entgegenzuwirken.51 Auch wenn sich eine Politik, die nicht nur der vordergründigen Befriedung der öffentlichen Meinung dient, sondern vorwiegend an der der kriminologischen Wirklichkeit orientiert ist, nicht immer gut beim Wähler verkaufen lässt,52 muss sie angestrebt werden. Bei all den damit verbundenen Schwierigkeiten und Vorbehalten ist ein gesellschaftlicher Wandel in diesem Bereich zudem nicht unmöglich, wie die überaus kritisch begleitete Abschaffung der Todesstrafe in Deutschland zeigt, welche heutzutage nicht mehr in Frage gestellt wird. Somit besteht begründete Hoffnung, dass man eine punitive Einstellung der Bevölkerung durch gezielte und realitätsnahe Informationen zumindest teilweise abschwächen kann.53

48

Alex, NK 2013, 360; Broda zitiert bei Holzbauer 2012, 32; eindrückliches Negativbeispiel bei Bachmann/Goeck, GRR 2013, 75 ff. zum „Empfang“ zweier ehemaliger SV durch wütende Bewohner eines Ortes. 49 Vgl. dazu die Kritik der Abg. Stahl (SPD) in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S.  19: „Wie teilweise politisch verfahren wird, wenn man zum Beispiel wieder eine Presse­mitteilung aus dem Justizministerium erhält, indem gegeißelt wird, dass ein Straf­täter Hafturlaub oder Ausgang erhält, ist das nicht das, was wir uns unter einer sachlichen Behandlung der Sicherungsverwahrung vorstellen und wünschen.“ Forderungen zum neutralen Umgang ähnl. bei MüKo-Ullenbruch/Drenkhahn/Morgenstern 2012, § 66 Rn.  7; ebso.­ Koepsel 2006, 577; Rautenberg, NJW 2001, 2608 f.; Möllers 2010/2011, 159 ff. Bsph. seien auch Gerichtsentscheidungen genannt, die in einer vorangegangenen SV einen außerordentlichen Kündigungsgrund für ein Mietverhältnis sehen oder städtische Wohnbaugesellschaften, die ausdrückl. die Vermietung an solche Personen ablehnen, vgl. dazu Asprion, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 3 f. sowie RAPr 17/90, S. 5 ff. 50 OVG LSA NJW 2012, 2535; dazu Muckel, JA 2012, 796 ff.; Bachmann/Goeck, GRR 2013, 75 f. 51 OVG LSA NJW 2012, 2535; dazu Muckel, JA 2012, 796 ff.; Bachmann/Goeck, GRR 2013, 75 f. 52 Kertai 2014, 77: „Gute Politik lässt sich eben nicht immer gut verkaufen.“; ebso. Lauterwein 2006, 64. 53 S. Blath 2013, 35 f.; Kury 2013, 256; Sessar, MschrKrim 2010, 369 ff.

III. Grundsätzliche Forderungen an eine rationale Kriminalpolitik 

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2. Rückbesinnung auf empirische Erkenntnisse Da bei kaum einem anderen Thema eine so große Kluft zwischen dem Rechtsempfinden der Bürger und dem fachjuristischen Diskurs besteht, wie es bei der­ Sicherungsverwahrung der Fall ist,54 muss sich die Wissenschaft weiter unaufhörlich darum bemühen, in diesem Bereich zu forschen und die objektive Sicht zu vermitteln. Ebenso sind kriminalpolitische Entscheidungen zu vermeiden, zu denen man keine empirischen Erkenntnisse besitzt bzw. man aufgrund kriminologischer Erkenntnisse davon ausgehen muss, dass man das verfolgte Ziel nicht bzw. nicht mit einer bestimmten Maßnahme erreichen kann. Auch wenn es dem ein oder anderen als „müßig“ erscheinen mag,55 auf eine rationale und besonnene Debatte zu pochen, sollte man diese nicht aufgeben. Eine solche Haltung hat auch die Bundesregierung im Zweiten Periodischen Sicherheitsbericht vertreten.56 Andernfalls wird die ständige Suche nach Sicherheitslücken das fragmentarisch angelegte Strafrecht beseitigen.57 Folge ist ein sicherheitsorientiertes, wenn nicht sicherheitshysterisches Strafrecht, welches keine „Strafbarkeitslücken“, sondern nur noch „Straflosigkeitslücken“ kennt.58 Letzten Endes ist eine Inflation des Rechtsgüterschutzes und „Erosion des Rechtsstaates“ zu befürchten.59 Opfer werden nicht dadurch verhindert, dass der Gesetzgeber nur symbolisch vorgeht und wegen vermeintlicher Sicherheitslücken Verschärfungen beschließt. Bestes Bsp. ist die nachträgliche Sicherungsverwahrung, deren fehlender Sicherheitsgewinn inzwischen auch vom BMJV eingestanden wird.60

54

Ähnl. Becker, NStZ 2015, 210. Zweifel bei Beck, NStZ 2015, 211; zu Recht eine solche Diskussion gefordert von Alex, NK 2013, 360; Schöch, GA 2012, 14; ähnl. Blath 2013, 56: „mit Beharrlichkeit und Zuversicht immer wieder darauf hinzuweisen …, dass eine Verbesserung der Informationslage die Kriminalpolitik wirksam unterstützen kann.“ 56 Zweiter PSB 2006, S. 6: „Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass eine rationale Kriminal- und Strafrechtspolitik unter anderem einer soliden empirischen Grundlage bedarf.“ Darauf pocht Blath 2013, 33, 39 ff., der darauf hinweist, dass der Gesetzgeber in anderen Bereichen empirische Erkenntnisse nutzt. 57 Politisches Ziel des Koalitionsvertrages zischen CDU, CSU und SPD „Deutschlands Zukunft gestalten“, S. 101 aus dem Jahre 2013 soll u. a. Folgendes sein: „Wir schließen zudem inakzeptable Schutzlücken und beseitigen Wertungswidersprüche im Sexualstrafrecht.“ Krit. dazu mit Recht Möllers 2012, 109; ebso. Kritik von Bartsch/Höffler, NK 2015, 215 ff. in Bezug auf die nachträgliche SV; Anders, JZ 2012, 500 ff. 58 Sack/Schlepper, KrimJ 2011, 258. 59 Sack/Schlepper, KrimJ 2011, 258; angelehnt an Frehsee 2003, 260: „Inflation kaum noch konkretisierbarer Rechtsgüter“; ähnl. Rzepka, KrimJ 2003, 237: Die „Formel ‚Freiheit durch Sicherheit‘ führt zu einer Entgrenzung staatlicher Macht und Eingriffsbefugnisse gegenüber dem Bürger“; Vormbaum 2004, 486: Rechtsgüterschutzgedanke wird gebraucht, um die Ausdehnung des Strafrechts zu fördern; zum SichVAbstUmsG die Abg. Wawzyniak (DIE LINKE), BT-Drs. 17/184, S. 21929: Das Gesetz sei „ein Beleg für eine repressive, populistische und an den Stammtischen orientierte Rechtspolitik.“ 60 Vgl. Teil B. I.1. 55

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E. Abstandsgebot als Problemlöser? – Fazit und Forderungen

Auch müsste die BVerfG-Entscheidung vom Mai 2011, die in einem außergewöhnlichen Umfang rechtstatsächliche Erkenntnisse zum Vollzug der Sicherungsverwahrung nutzte, im Bereich des Sexualstraf- und Sicherungsverwahrungsrechts als Vorbild dienen, damit dort vermehrt in Bezug auf problembehaftete Vorhersagen kriminellen Verhaltens alle vorhandenen kriminologischen Erkenntnisse genutzt und der wissenschaftliche Forschungsstand beachtet sowie die gesetzgeberische Entscheidung fortwährend überprüft und ggf. nachgebessert wird.61 Positiv hervorzuheben sind die inzwischen verpflichtende Regelungen zur kriminologischen Forschung in den SVVollzGen.62 Diese Verpflichtung wird sich im Zusammenhang mit zahlreichen offenen, empirisch nicht näher untersuchten Fragen hinsichtlich der Therapieorientierung im Sicherungsverwahrungsvollzug stellen: Welches sind die geeigneten Behandlungsformen?63 Worauf muss sich die Therapie genau beziehen? Wann ist von einem Therapieerfolg zu sprechen? All dies steht der Therapieorientierung grds. nicht entgegen, sondern erfordert, dass die therapeutische Praxis schnellstmöglich nach einem geeigneten Umgang mit den mannigfaltigen Hemmnissen sucht und dabei zu unterstützen ist, z. B. indem von offizieller Seite Forschungsprojekte eingeleitet werden.

IV. Umsetzung des „neuen“ Abstandsgebots Es liegt in der Natur einer Normgenese im Kontext der empirischen Entwicklung und Rechtsprechung, dass die Kritikpunkte besonders in den Vordergrund rücken. Dies ändert jedoch nichts daran, dass allein die Etablierung eigener SVVollzGe einen Fortschritt im Recht des Sicherungsverwahrungsvollzugs darstellt. Dieser war bisher, wie gezeigt, von fehlenden eigenen Regelungen und pauschalen Verweisen auf den Strafvollzug geprägt.

61

Bspw. für den Jugendstrafvollzug BVerfGE 116, 90 f.: Der Gesetzgeber ist „zur Beobachtung und nach Maßgabe der Beobachtungsergebnisse zur Nachbesserung verpflichtet“. 62 Vgl. etwa § 93 BbgSVVollzG: „Die im Vollzug eingesetzten Maßnahmen, namentlich Therapien und Methoden zur Förderung der Untergebrachten, sind in Zusammenarbeit mit der Forschung und dem kriminologischen Dienst auf ihre Wirksamkeit wissenschaftlich zu überprüfen. Auf der Grundlage der gewonnenen Erkenntnisse sind Konzepte für den Einsatz vollzuglicher Maßnahmen zu entwickeln und fortzuschreiben. Auch im Übrigen sind die Erfahrungen mit der Ausgestaltung des Vollzugs durch dieses Gesetz sowie der Art und Weise der Anwendung der Vorschriften dieses Gesetzes zu überprüfen.“ Im Unterschied dazu der bisher weniger verbindliche § 166 Abs. 1 StVollzG. 63 Angemahnt wurde, dass es für die in der SV häufig anzutreffenden und behandlungsbedürftigen Persönlichkeitsstörungen kaum entwickelte Therapieformen bzw. -methoden gibt; dazu Gairing et  al., Der Nervenarzt 2013, 70; Fischer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 154 ff.; s. a. Teil B.III.

IV. Umsetzung des „neuen“ Abstandsgebots

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1. Bundesebene Angesichts der Entwicklungen seit der Entscheidung des EGMR, die sogar für das Recht der Sicherungsverwahrung von sehr häufigen Neuregelungen geprägt waren, wird der Gesetzgeber daran interessiert sein, eine Stetigkeit in die Gesetzgebung der Sicherungsverwahrung zu bringen.64 Das darf allerdings nicht davon abhalten, auf den hier festgestellten Nachbesserungsbedarf hinzuweisen, zumal von einem erhofften ruhigem Fahrwasser weder beim vorausgehenden Straf- noch beim Sicherungsverwahrungsvollzug die Rede sein kann.65 Das BVerfG wertete das Abstandsgebot als Teil der Legitimation bzw. Kernfrage und als unabdingbare Voraussetzung für die Rechtfertigung der Sicherungsverwahrung, welches der Gesetzgeber in Form eines Gesamtkonzepts umzusetzen hat(te).66 Zwar war eine Konkretisierung des Abstandsgebots dringend notwendig, da die Länder angesichts der rudimentären Aussagen des Gerichts in der Höchstdauerentscheidung des Jahres 2004 das Gebot nicht in der Praxis umsetzen konnten und/oder nicht wollten.67 Jedoch ist diese wiederum mit neuen Problemen belastet. Die sieben Gebote zeichnen sich vorwiegend dadurch aus, dass sie Aussagen enthalten, die gleichermaßen für den Strafvollzug gelten (müssten).68 Somit wären sie in großen Teilen überflüssig gewesen, hätte man die Vorgaben des StVollzG konsequent umgesetzt. Denn der Strafvollzug von 1977 sollte ein Behandlungsvollzug (Therapieorientierung) sein, der von Beginn an auf die Entlassung ausgerichtet ist (Freiheitsorientierung). Dies ist jedoch allen voran für den Sicherungsverwahrungsvollzug Theorie geblieben. Im Vergleich zum StVollzG bleibt damit für den Verwahrvollzug eine nicht zu verachtende verfassungsrechtliche Aufwertung der Prinzipien, welche zugleich ein außergewöhnliches Bemühen erkennen lässt, empirische Erkenntnisse zu Rate zu ziehen. Fraglich ist jedoch, ob angesichts der festgestellten Parallelen mit den sieben Geboten ein Abstand praktisch erreicht werden kann.69

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Knauer, StraFo 2014, 49: ganz grundlegende gesetzliche Änderungen daher schwierig zu erreichen. 65 So das Wunschdenken von Leutheusser-Schnarrenberger, DRiZ 2013, 74: „Sicherungsverwahrung: Auf dem Weg in ruhigeres Fahrwasser“. 66 Streng, StV 2013, 240; ders., JZ 2011, 831; ähnl. Bartsch, KrimPäd 2013, 16; Hörnle, NStZ 2011, 490: „Kernfrage für das gesamte Recht der Sicherungsverwahrung“; Zimmermann, HRRS 2013, 166: „entscheidende Voraussetzung für das Gelingen einer verfassungskonformen Neuregelung“. 67 Die fehlende Konkretisierung wurde für das Misslingen der praktischen Umsetzung des Abstandsgebots verantwortlich gemacht, vgl. dazu Köhne, JR 2015, 256; s. a. Teil A.II.4.c) und Teil A.II.4.c)aa)(1). 68 S. o. Teil C. I. und Teil C.IV.5.; Bartsch in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 18: „Es ist in der Tat natürlich nicht ganz unproblematisch, denn vieles, das, was man sich jetzt hier eigentlich vorstellt, ist das, was man sich ursprünglich einmal für den Strafvollzug vorgestellt hat.“ 69 Dazu sogleich unter Teil E.V.2.

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E. Abstandsgebot als Problemlöser? – Fazit und Forderungen

Die vom BVerfG für diesen Einzelfall konstruierte Gesetzgebungskompetenz ist abzulehnen, weil daraus letztlich wesensfremde Vollzugsregelungen im StGB, die dort systematisch nicht hinein gehören, geschaffen wurden, obwohl die Kompetenz zur Vollzugsgesetzgebung seit der Föderalismusreform bei den Ländern liegt.70 Inhaltlich muss die bundesrechtliche Umsetzung des Abstandsgebots durch das SichVAbstUmsG, in deren Mittelpunkt die zentrale Vorschrift des zu den Vorgaben des BVerfG fast wortgleichen § 66 c StGB steht, zwiespältig beurteilt werden. Mit der therapeutischen Ausrichtung des § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a StGB und dem Verzicht auf eine normativ festgelegte Ruhepause begegnet der Gesetzgeber ­adäquat dem bisherigen Mangel an therapeutischen Angeboten und Betreuung in der Praxis, ohne dabei die Problematiken der Klientel zu vernachlässigen.71 Zu vage bleibt er jedoch bspw. bei der Frage nach den Behandlungsangeboten und wann diese ausreichend sein sollen.72 Aufgrund der Neuregelung durch das SichVAbstUmsG erhält die Sozialtherapie bzw. sozialtherapeutische Behandlung im Sicherungserwahrungsvollzug und vorausgehenden Strafvollzug eine zentrale Rolle (vgl. § 66 c Abs. 1 Nr. 1 a sowie Abs. 2 StGB). Aus der bundesrechtlichen Leitlinie wird jedoch nicht ersichtlich, wo Sicherungsverwahrte regelmäßig ihre Sozialtherapie erhalten sollen. Außerdem ist nicht festgestellt worden, ob das bisherige Konzept der sozialtherapeutischen Anstalt einfach übertragbar sind.73 Weil der Sicherungsverwahrungsvollzug aber nicht nur aus (Sozial-)Therapie und Betreuung besteht, sondern es vielmehr immer Verwahrte geben wird, die nicht erreichbar sind, und daher über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinweg im Vollzug bleiben, hätte es mehr Mindeststandards und Ansprüche zur Etablierung eines qualitativ privilegierten Vollzugs- bzw. Lebensstandards bedurft. Dem stand aber die nicht in das grundgesetzliche Normengefüge passende Leitlinienkompetenz entgegen. Hervorzuheben sind die Vorgaben einer individuellen und intensiven Betreuung für den der Sicherungsverwahrung vorausgehenden Strafvollzug, womit erstmals die seit Jahren viel kritisierte Problematik, dass darin mehr auf die Sicherungsverwahrung, denn auf die Freiheit vorbereitet wurde, angegangen wird.74 Die Maßregel wird, nimmt man den Gesetzestext ernst, umgewandelt in eine Sanktion, d­ eren 70 Nicht zu tolerieren sind daneben die Übergangsregelungen im EGStGB und der Umgang des BVerfG damit, weil in Bezug auf das Abstandsgebot damit Folgendes bewirkt wird: Es gilt erst ab dem 1.6.2013, obwohl es das BVerfG am 5.2.2004 etablierte; dennoch positiv zu den Übergangsregelungen Peglau, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 8 f.; Zweifel hingegen bei Morgenstern, ZIS 2011, 980 f.; Beß, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 8; ähnl. Weismann, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbst UmsG-E, S. 2 f.; Kritik zu Recht in RAPr 17/90, S. 31, zur Kritik ebso. Teil C., Fn. 147. 71 Dazu Teil C.IV.1.b) und zur abzulehnenden Ruhestufe Teil C.IV.1.c). 72 Auch zieht er sich bei der Prognoseproblematik sowie nachgewiesenen überschätzten Gefährlichkeit mit zu allgemein gehaltenen Aussagen aus der Affäre, s. o. Teil C.IV.2.b) und Teil C. V.4. 73 Dies bemängelt Wischka, FS 2014, 228. 74 S. o. Teil B.II.3.

IV. Umsetzung des „neuen“ Abstandsgebots

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Vollzug schon durch die Betreuung im Strafvollzug zu vermeiden ist und, falls sie dennoch angetreten werden muss, auf eine möglichst baldige Entlassung aus dem Sicherungsverwahrungsvollzug auszurichten ist. So würde bei strikter Anwendung – wofür die derzeitige obergerichtliche Rechtsprechung75 jedoch keinen Anlass bietet – das in Form der Unverhältnismäßigkeitsregelungen Gesetz gewordene Ultima-Ratio-Prinzip eine Reduzierung der Anwendung der Sicherungsverwahrung zukünftig möglich erscheinen lassen (vgl. § 67 c Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB und § 67 d Abs. 2 S. 2 StGB). Zwar hat der Gesetzgeber teilweise wörtlich das BVerfG-Urteil umgesetzt, so dass hinsichtlich des in dem Urteil aufgestellten Abstandsgebots „die große Linie“76 stimmen mag. Dennoch gehen die Verbesserungen nach hier vertretener Ansicht nicht weit genug, was sich bspw. auch in der erstmaligen Erfassung des vorausgehenden Strafvollzugs widerspiegelt. Denn es fehlt eine gesetzgeberische Weiterentwicklung des vom BVerfG „angeregten“ Gesamtkonzepts, welches den sieben Geboten, die das Abstandsgebot in der Summe77 ausmachen, gerecht wird. So wird für den vorausgehenden Strafvollzug, genauso wie für die Sanktionierung schlechter Vollzugspraxis, nicht konsequent genug bei einem Konzept angesetzt, welches Betreuung bzw. Behandlung genauso wichtig nimmt, wie die Gewährung von vollzugsöffnenden Maßnahmen, ausreichende Entlassungsvorbereitung und nachsorgende Betreuung. Damit wird unterschlagen, dass das vom BVerfG vorgegebene Gesamtkonzept nicht nur therapiegerichtet, sondern genauso freiheitsorientiert sein soll. Letzteres erfordert eine gleichberechtigte Berücksichtigung der genannten Aspekte. Diesbzgl. besteht zwar die Problematik, dass die Veränderung einer gewachsenen Vollzugstradition nur schwer gesetzlich zu verordnen ist. Die Berechtigung des bereits auf bundesrechtlicher Ebene geäußerten Pessimis 75

Zwar haben einige wenige StVKen die Anstalten auf die Folgen einer unzureichenden Betreuung bereits hingewiesen (vgl. dazu etwa KG Berlin StV 2014, 146; positiv daher Drenkhahn, Vorgänge 2014, 14). Jedoch stehen diesen zarten Anzeichen, dass die Unverhältnismäßigkeitsregelungen Anwendung finden könnten, die bisherige Kriminalpolitik sowie Vollzugs- und Vollstreckungspraxis und konträre Entscheidungen ggü., was einen daran zweifeln lässt, dass tatsächlich StVKen den Mut aufbringen werden, einen (potentiellen) SV aufgrund schlechter Vollzugspraxis zu entlassen bzw. nicht die Verwahrung antreten zu lassen (vgl. etwa OLG Hamm NStZ 2014, 538; zweifelnd auch Köhne, KJ 2013, 338; Pollähne, StV 2013, 253; deutlich Ullenbruch, NStZ 2014, 540 f.; Wolf 2011, 111 sowie ausführl. Teil C. V.3. und Teil C.VI.1.). 76 Kinzig 2012, 21 in Bezug auf den Referentenentwurf; Cornel, NK 2012, 3 findet die Änderungen insgesamt stimmig und konsequent; ebso. Zimmermann, HRRS 2013, 169: „Vorgaben des BVerfG in ausreichendem Maße umgesetzt“. Krit. hingegen Renzikowski, NJW 2013, 1644: Es fehlte der Mut zu einer umfassenden Reform; ebso. hins. der konventionsrechtlichen Vereinbarkeit ders., ZIS 2011, 534. 77 Bei der Gesetzesbegründung drängt sich bspw. der Eindruck auf, das Abstandsgebot bestehe hauptsächlich aus dem Ultima-Ratio-Grundsatz – der zwar entscheidend ist, jedoch nicht ausschließlich. Hätte man diesen wirklich ernst genommen, so hätte man bspw. die strengen Prüfungsvoraussetzungen für die Übergangszeit übernehmen können, so Renzikowski, NJW 2013, 1644. Zudem kann es nicht reichen, das Abstandsgebot nur auf die wesentlichen Kernbereiche zu reduzieren, wie es einige Gerichte derzeit versuchen, s. dazu Teil C. I.1.

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E. Abstandsgebot als Problemlöser? – Fazit und Forderungen

mus hinsichtlich vollzugsöffnender Maßnahmen lässt sich zudem mit der Länderübergreifenden Bestandsaufnahme untermauern. Denn weiterhin werden nahezu ausnahmslos die gesetzlich verpflichtenden, nicht entlassungsrelevanten Ausführungen gewährt.78 Des Weiteren sind unterschiedliche Begutachtungserfordernisse vor und nach Beginn des Maßregelvollzugs, die vorgesehene Rechtsfolge der Bewährung bei Unverhältnismäßigkeit statt Erledigung wie bei anderen Maßregeln sowie unübersichtliche und uneinheitliche Fristenregelungen zur Überprüfung der weiteren Vollstreckung ein deutliches Zeichen dafür, dass das Normgefüge nach wie vor unübersichtlich und z. T. wenig aufeinander abgestimmt ist.79 Es ist ein hier und da durchaus vereinfachtes, dennoch immer noch schwer handhabbares Konglomerat, angereichert durch systematisch nicht ins StGB gehörende Vollzugsnormen, zu verzeichnen.80 Zudem ist man in einigen Bereichen wie bspw. den Ausnahmen vom Trennungsgebot vom Idealbild der Regelungsdichte entfernt. Insgesamt bleibt abzuwarten, wie sich die neue Verrechtlichung des Sicherungsverwahrungsvollzugs in der Praxis umsetzen lässt.81 2. Landesebene Auf Landesebene sind in allen Ländern am 1.6.2013 eigene SVVollzG in Kraft getreten. Dabei werden die sieben Gebote häufig wortgetreu übernommen, was dafür spricht, dass das BVerfG selbst keine Einwände haben wird.82 Damit ist die größte Errungenschaft genannt, die darin liegen dürfte, dass erstmals der Sicherungsverwahrungsvollzug eigenständig in speziellen Vollzugsgesetzen normiert wurde und nicht mehr bloßes Anhängsel des Strafvollzugs ist.83 In der Zusammenschau mit der Leitlinie des § 66 c StGB ist mit den SVVollzGen und diese z. T. erfreulich ergänzenden Konzepte im Vergleich zur vorher nur rudimentär vor 78

Ansorge 2013, 21 f., insbes. Tab. 18, 34. Die Überprüfungsfrist des § 67 e Abs. 2 Fall 3 StGB sollte einheitlich auf ein Jahre bei einer Ausnahmeregelung für die Unterbringung über zehn Jahre geregelt werden, da schon so eine Verdoppelung der Gutachten erreicht wurde; dazu Teil C.VI.2.d). 80 H.  Baier, StraFo 2014, 401, 406: Hoffnung, dass sich die Zweifelsfragen hins. Voll­ streckung und Vollzug durch die Neuregelung nicht noch vermehrt haben, könnte trügen; aktuell zur Entwicklung der Anordnungsebene seit 1996 bis heute Kinzig 2015, 153 ff.; Pfister 2011, 67. 81 Auf die Praxis abstellend J. Schäfer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 162: Ob der Rahmen trägt, wird sich erst in den nächsten Jahren in der Praxis zeigen; ebso. Pyhrr 2015, 256. 82 Den Gesetzesbegründungen zufolge werde das Urt. umgesetzt, soweit der jeweilige Landesgesetzgeber daraus zu entsprechendem Tätigwerden verpflichtet sei. Nur teilweise werden die bundesgesetzlichen Leitlinien ausführlicher erwähnt, so bspw. in Nds. LT-Drs. 16/4873, S. 49; nicht hingegen im H LT-Drs. 18/6068, S. 1 f. 83 Bereits Kinzig, NJW 2004, 913; ders., NJW 2010, 312; Köhne, JR 2009, 273 ff.; Rösch, ZfStrVo 2004, 134 – jeweils für ein Bundesgesetz; Kreuzer/Bartsch, FS 2010, 134 für Landesgesetze. 79

IV. Umsetzung des „neuen“ Abstandsgebots

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handenen Gesetzeslage ein Schritt in Richtung eigenständiger Vollzugsform getan.84 Die verfassungswidrige Aufspaltung der Gesetzgebungszuständigkeit sowie die 16, wie gezeigt, in kleinsten Details voneinander abweichenden Gesetze tragen nicht gerade dazu bei, dass eine übersichtliche Rechtsmaterie entstehen kann. Trotz der Unterschiede lassen sich die Gesetze in zwei Lager unterteilen: Diejenigen, welche dem GE-SVVollzG folgten (mit Ausnahme Niedersachsens in weiten Teilen), sind restriktiver ausgestaltet. Dies überrascht nicht sonderlich, da sich ein ähnliches Bild im Strafvollzug feststellen lässt. Z. B. ist das BaySvVollzG hervorzuheben, da es seinen programmatischen Ansatz einer Sicherheitsorientierung zum Ausdruck bringt (z. B. Art. 5 BaySvVollzG).85 In anderen Bereichen ist eine Zurückhaltung bei der Umsetzung des BVerfG-Urteils festzustellen. So z. B. bei der Angleichung an allgemeine Lebensverhältnisse im Bereich der Kommunikationsmittel oder bei Kontakten mit der Außenwelt in Form der Langzeitbesuche. Auf der anderen Seite stehen die etwas liberaleren Gesetze der 8er-Gruppe, welche in einigen, nicht in allen, Bereichen deutlicher versuchen, sich vom Strafvollzug abzugrenzen (bspw. in der therapeutischen Ausrichtung). Grds. ist an allen SVVollzGen zu bemängeln, dass sie zu sehr auf die Interpretation der Gesetze setzen, soll heißen, dass Besonderheiten zum Abstandsgebot vorwiegend in den Begründungen abgehandelt werden.86 Inhaltlich lässt sich häufig weniger ein positiver Abstand, sondern mehr ein normativer Gleichlauf mit dem Strafvollzug feststellen, was sich allein daran zeigt, dass einige Gesetze viele Normen (nahezu) identisch mit dem Strafvollzug verfasst haben.87 So ist es bspw. bei der Regelung zu den Gegenständen zur Ausstattung des Zimmers der Fall. Diese Problematik ist jedoch, wie eingangs angedeutet, hausgemacht, weil die sieben Gebote auf die Anleihen des Strafvollzugs zurückgehen.88 Es fehlt der revolutionäre Gedanke, der Wille zu einer Abkoppelung vom Strafvollzug. Sie sind ­„ sowieso ähnlich“.89 D. h. häufig wird der Schwerpunkt darauf gelegt, einigermaßen den Abstand i. S. d. Formulierungen des BVerfG herzustellen, anstatt sich daran zu orientieren, wie das Leben in Freiheit aussieht und darauf aufbauend Ein 84

Schöch, NK 2012, 53; ähnl. Cornel, NK 2012, 3; Dessecker, ZfRSoz 2012/2013, 279. S. dazu o. Teil D.III.2.d). 86 Rosenau in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 28: Ein gutes Gesetz zeichne sich dadurch aus, „dass das, was gemeint ist, im Gesetz steht und nicht in der Begründung.“ 87 Kinzig in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S.  6; ebso. Alex in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 11 f.: „mindestens 75 der 115 Normen sind identisch und ansonsten also ein paar Dinge verbessert sind gegenüber der Situation von Strafgefangenen …“; ders., Strafvollzugsarchiv vom 29.3.2013; s. zu den Ähnlichkeiten bspw. Tabelle 5 sowie alle Tabellen im Anhang. 88 Alex in der Anhörung zum HmbSVVollzG-E, Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF, S. 12 und 43. 89 So der Abg. Özkaraca (SPD) in der Anhörung zum SVVollzG Bln-E, Wortprotokoll Recht 17/19, S. 24; ähnl. Alex, Strafvollzugsarchiv vom 29.3.2013; Feest, Strafvollzugsarchiv vom 22.6.2012. 85

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E. Abstandsgebot als Problemlöser? – Fazit und Forderungen

schränkungen nur dann vorzunehmen, wenn – so das BVerfG wortwörtlich – Sicherheitsbedenken entgegen stehen oder es zur Erreichung des Vollzugsziels dient. An einigen Stellen findet sich ein zu begrüßender Unterschied zum Strafvollzug, womit sicherlich eine Verbesserung des Vollzugsstandards verbunden sein dürfte.90 Dabei handelt es sich allerdings vorwiegend um Bereiche, denen man auch bisher Aufmerksamkeit gewidmet hatte und die daher häufig von einem hohen Ausgangsniveau geprägt waren. So gibt es z. B. Verbesserungen der Unterbringung.91 Teilweise gibt es ein Recht zur Selbstverpflegung. Die Besuchszeiten wurden genauso wie das Arbeitsentgelt angehoben. Es gibt neuerdings zwingend vorgesehene Ausführungen. Außerdem ist die therapeutische Ausrichtung des Vollzugs in zahlreichen Normen festzustellen. Dies lässt zwar auf eine verbesserte individuelle und intensive Betreuung hoffen. Jedoch sind damit vielfach Aspekte angesprochen, die schon bisher den Sicherungsverwahrungsvollzug privilegierten. Ein quantitativer und nicht qualitativer Abstand wurde hergestellt. Im Bereich der vollzugsöffnenden Maßnahmen wären bspw. eindeutigere Formulierungen notwendig. Denn bis auf den Ausschluss des Ermessens wird immer noch mittels der Sprache des Strafvollzugs nahegelegt, dass Lockerungen statt die Regel, die Ausnahme im Vollzug der Sicherungsverwahrung genauso wie in der vorherigen Strafhaft sein sollen. Oder aber das Sonderopfer und die Freiheitsorientierung ernst genommen, ist nicht einzusehen, weshalb die Lohnangleichung nicht möglich ist oder nicht auf Disziplinarmaßnahmen verzichtet werden kann. In manchen Bereichen wurde ein Abstand nicht geschaffen: Widersprüchliche Regelungen beim Entzug der Freistunde, die Nutzung moderner Medien, Beschränkungen in der Selbstbeschäftigung oder gar Nichtaufnahme in Sozial- und Rentenversicherungssysteme sind einige Bspe.92 Großes Manko ist, dass weiter nicht nur aus Gründen der Sicherheit und zur Erreichung des Vollzugsziels Beschränkungen erfolgen, sondern wie im Strafvollzug die Ordnung der Anstalt einschränkend wirken kann. Die Analyse hat zudem vor Augen geführt, dass es viele Bereiche gibt, in denen der Strafvollzug den vermeintlich hergestellten Abstand wieder eingeholt hat, indem (nahezu) identische Regelungen geschaffen wurden. Z. B. ist der Strafvollzug 90 Etwa Mindestbesuchszeit; Arbeitsvergütung; Taschengeld; Langzeitausgang bis zu sechs Monaten zur Vorbereitung der Entlassung 91 Z. B. größere Einzelzimmer häufig mit Küche und abgetrennten Nasszellen, eigene großzügigere und z. T. frei gestaltbare Freizeit(außen)bereiche usw.; vgl. dazu Alex, Strafvollzugsarchiv vom 29.3.2013; Feest, Strafvollzugsarchiv vom 22.6.2012. Praktisch lassen sich mit der Länderübergreifenden Bestandsaufnahme (Ansorge 2013, 21 f., insbes. Tab. 18, 34; s. a. Teil D.VI.6.) erste zaghafte Verbesserungstendenzen nachweisen. Sinnvoll wäre es, der Gesetzgeber würde noch mehr darauf achten, das Klima der Verwahrten untereinander bzw. zum Personal zu verbessern, wozu z. B. verbindliche Festlegungen eines Personalschlüssels oder eine Gewaltprophylaxe wie im JVollzGB V beitragen könnten; s. o. Teil D.III.3.e) und Teil D.V.5. 92 Dazu Teil D.VI.4., Teil D.VII.2. und 3.

IV. Umsetzung des „neuen“ Abstandsgebots

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auch als Wohngruppenvollzug zu gestalten.93 Zu einem Gleichlauf von Strafhaft und Maßregel kommt es bspw. auch bei der in einigen LStVollzGen abgeschafften Arbeitspflicht.94 Jedenfalls reichen die normativen Grundlagen alleine nicht aus, um festzustellen, dass der Sicherungsverwahrungsvollzug etwas derart anderes ist, dass der EGMR Deutschland aufgrund dessen Rückwirkungen auf die Sicherungsverwahrung an sich nicht erneut verurteilen würde – wobei die Zeichen angesichts der neuerlichen Entscheidung des EGMR zu den Übergangsregelungen der nachträglichen Sicherungsverwahrung nicht schlecht stehen.95 Entscheidend wird es daher auch für die landesrechtliche Umsetzung des Abstandsgebots darauf ankommen, wie die Praxis die Normen umsetzt und inwiefern die oben geschilderten Forderungen von Politik, Wissenschaft und Gesellschaft befolgt werden. Daneben dürfte weiterhin die von den Landesverwaltungen zur Verfügung gestellte Ausstattung (räumlich und auf lange Sicht personell) sowie der konkrete Führungsstil des jeweiligen Anstaltsleiters von Bedeutung sein.96 Mit dem Konzept der JVA Brandenburg a. d. H. gibt es erfreuliche Tendenzen, das Vollzugsgesetz „sicherungsverwahrungsspezifisch“ auszulegen. Dies lässt hoffen, dass auch der Gesetzgeber nach und nach die Normen sicherungsverwahrungsspezifisch anpassen könnte. Bis dahin bleibt es dabei: Bundes- und Landesgesetzgeber haben in den Kategorien des Strafvollzugs gedacht und mit Bedürfnissen des Justiz(straf)vollzugs argumentiert  – gerade davon müsste Abstand genommen werden.97 93 Sehr krit. insofern noch Feest, Strafvollzugsarchiv vom 22.6.2012: „der Abstand besteht hier schlicht darin dass der Haftraum in der SV als ‚Zimmer‘ bezeichnet wird“. 94 S. zur abgeschafften Arbeitspflicht im SVV oben unter Teil D.VII.2. 95 Aktuell EGMR, Urt. vom 7.1.2016, B ./. Deutschland – 23279/14; im Jahre 2013 beurteilte der EGMR die Mühen des Gesetzgebers positiv, wobei es entscheidend auf deren Umsetzung ankomme, vgl. EGMR, Urt. vom 28.11.2013 – 7345/12, G ./. Deutschland, Rn. 99 – bei juris: „Der Gerichtshof nimmt die positiven und umfangreichen Maßnahmen zur Kenntnis, die der beschwerdegegnerische Staat auf der justiziellen, legislativen und exekutiven Ebene getroffen hat, um den Vollzug der Sicherungsverwahrung in naher Zukunft mit den Anforderungen insbesondere hinsichtlich des Grundrechts auf Freiheit in Einklang zu bringen.“ Ähnl. Zweifel etwa bei Feest, Strafvollzugsarchiv vom 22.6.2012; Streng, Schriftliche Stellungnahme zum BaySvVollzG-E, S. 80. Auch wenn viele Vorschriften durchaus krit. zu sehen sind, reicht es dem OLG Hamm NStZ-RR 2013, 123, dass der „Kernbereich des Abstandsgebots“ nicht verletzt wird. Das BVerfG wird sich ohnehin mit der Umsetzung zufrieden geben, schließlich wurden die sieben Gebote nahezu wortgetreu übernommen. 96 Drenkhahn, Vorgänge 2014, 14; J. Schäfer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 162; Pyhrr 2015, 256. 97 Rosenau in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 9: „Wir müssen Abstand nehmen im Denken, und zwar im Denken in Strafvollzugskategorien“; Jung in der Anhörung zum SLSVVollzG-E, VR 15/21, S. 35: „Begründung ist … zu strafvollzugsorientiert“; Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 21: „Die Sprache des Strafvollzuges ruft die Kategorien des Strafvollzuges hervor und erschwert es, die Maßregel der Sicherungsverwahrung anders und neu wahrzunehmen und zu gestalten. Erste Vorschläge für alternative Bezeichnungen und Begriffe sind in den Überlegungen zur Gestaltung der ersten Übergangsphase zum Beginne der Maßregel enthalten.“

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E. Abstandsgebot als Problemlöser? – Fazit und Forderungen

V. Problemlöser Abstandsgebot oder wirkliches Problem? Grds. zu begrüßen ist, dass der Vollzug der Sicherungsverwahrung dem Abstandsgebot folgend nun auf Besserung mittels Behandlungs- und Betreuungsmaßnahmen ausgerichtet ist und ansonsten die Lebensqualität der Verwahrten im Vollzug einen, wenn auch nur geringfügig, verbesserten Standard erhalten hat. Dennoch muss die eingangs in der Untersuchung aufgeworfene Frage gestellt werden, ob das Abstandsgebot derart leistungsfähig ist, um als unabdingbare Voraussetzung für die Rechtfertigung der Sicherungsverwahrung zu dienen. Zu hinterfragen ist in einem ersten Schritt die Legitimationsgrundlage bzw. die dogmatische Herleitung des Gebots. Dabei lassen sich drei miteinander verzahnte Argumentationslinien des Gerichts erkennen: Zweispurigkeit, Sonderopfer und Gefährlichkeitsprognose kumuliert ergeben das Erfordernis, dass die Verwahrung „in deutlichem Abstand zum Strafvollzug (‚Abstandsgebot)“ so ausgestaltet sein muss, dass die Perspektive der Wiedererlangung der Freiheit sichtbar die ­Praxis der Unterbringung bestimmt.98 In einem zweiten Schritt geht es um die daraus zu ziehenden Konsequenzen. 1. Zweifelhafte Legitimationsgrundlage a) Zweispurigkeit Ausgangspunkt zur Herleitung des Abstandsgebotes ist die Zweispurigkeit des Sanktionensystems und die Zweckthese, auf welche das BVerfG immer wieder und zentral seine Entscheidungen zur Sicherungsverwahrung und deren Vollzug stützt.99 Aus der unterschiedlichen Legitimation und den unterschiedlichen­ Zwecken der Freiheitsstrafe und der Maßregel der Sicherungsverwahrung leitet das Gericht ab, dass beide Sanktionen in einem deutlichen Abstand voneinander vollzogen werden müssten. Immer noch vom BVerfG betonter wesentlicher Unterschied soll sein, dass Strafe ein sozialethisches Unwerturteil ggü. dem Täter wegen der Tat darstelle. Strafe sei in erster Linie am Maß der Schuld orientiert und durch die Schuld begrenzt, d. h. eine angemessene Reaktion auf den Normverstoß.100 Die Konsequenz des deutschen Gesetzgebers, weil er mit dieser Strafe nicht alle Bedürfnisse der Gesellschaft erfüllen kann, ist das zweispurige System. Die Sicherungsverwah 98

BVerfGE 128, 374; ebso. BVerfGE 109, 166. Zweifel daran bei Höffler/Kaspar, ZStW 2012, 100 ff.; s. zur Rspr. oben Teil A.II. 100 BVerfGE 128, 374 f.: „Nach der Konzeption, die dem zweispurigen Sanktionensystem des Strafgesetzbuchs zugrunde liegt, dient der Freiheitsentzug des Sicherungsverwahrten nicht der Vergeltung zurückliegender Rechtsgutsverletzungen, sondern der Verhinderung zukünftiger Straftaten, deren Eintritt sich zwar sorgfältig, aber regelmäßig nicht sicher prognostizieren lässt.“ Zur Schuld als Begrenzung s. Radtke, GA 2011, 640. 99

V. Problemlöser Abstandsgebot oder wirkliches Problem?

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rung setzt zwar ebenfalls Schuld voraus, orientiert sich in ihrem Maß aber nicht an ihr, sondern an der Gefährlichkeit des Verurteilten. Deshalb soll der rechtliche Grund für die Inhaftierung von minderer Qualität sein.101 Begrenzt wird die schuldunabhängige Maßregel daher nicht durch die Schuld des Täters, sondern durch den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.102 Meier deklariert in der neusten Auflage seines Lehrbuchs zum Sanktionenrecht die Zweispurigkeit i. S. d. BVerfG zu einem „fest etablierte[n] Grundelement“ des Sanktionenrechts, welches „allseits akzeptiert“ sei.103 In der Tat: Die Kritik am Grundsatz der Zweispurigkeit konkret in Bezug auf die Entscheidung des EGMR bzw. des BVerfG selbst fiel relativ verhalten aus.104 Weite Teile der Literatur stimmten den Klarstellungen des BVerfG zur Zweispurigkeit zu.105 Jedoch zeigen diese beiden Urteile, dass die theoretische Unterscheidung nicht die zwingend richtige sein muss. Immerhin interpretierte der EGMR die Sicherungsverwahrung anders als das BVerfG.106 Das höchste deutsche Gericht hat zudem dem Gesetzgeber offen gelassen, an dem Rechtsinstitut der Sicherungsverwahrung festzuhalten.107 Die Aussage der Bundesregierung im SichVAbstUmsG-E, das BVerfG habe „nicht die wesentlichen Inhalte des geltenden Rechts selbst“ be­anstandet, ist daher etwas kurz gegriffen und die Kritik an einer fehlenden Diskussion um eine grundlegende Neuregelung der Sicherungsverwahrung durchaus berechtigt.108 Hauptproblem sind die Durchbrechungen und Relativierungen der Zweispurigkeit und damit verbundenen theoretischen Unterscheidungen anhand von Schuld-

101 Skirl in der Anhörung zum SVVollzG NRW, APr 16/167, S. 20: „Diese Freiheitsentziehung beruht nicht auf Schuld im strafrechtlichen Sinne, sondern resultiert aus der prognostizierten Gefährlichkeit. Aus der minderen Qualität dieses rechtlichen Grundes leitet das­ Bundesverfassungsgericht als Ausgleich den Anspruch der Insassen auf Besserstellung ab, der sich in einem höheren Komfort dokumentiert.“ 102 MüKo-Radtke 2012, vor §§ 38 ff. Rn. 69 m. w. N.; Zabel, JR 2011, 469; s. a. Kinzig 2015, 151. 103 Meier 2015, 271: einzelne Krisensymptome könnten dem nichts anhaben; zustimmend Radtke, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 3 f.; Nehm, LTO vom 3.6.2013: „Diese Differenzierung gehört zu den bewährten Errungenschaften des deutschen Strafrechts.“ 104 Etwa Kaspar 2015, 99 ff.; krit. auch Höffler/Kaspar, ZStW 2012, 88 („Die Krise des zweispurigen Systems am Beispiel der Sicherungsverwahrung“), 89 („Die Gesetzgebungs­ geschichte als Krisensymptom“), 92 („Die Sicherungsverwahrung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des EGMR – Schlaglichter der Krise“), 99 ff.; ebso. Kinzig 2015, 151 ff.; i. Ü. wird ohnehin in erster Linie an der Anordnungsseite der Verwahrung Kritik geübt, s. dazu Mushoff 2008, 295. 105 Etwa Eisenberg, StV 2011, 480; Radtke, GA 2011, 636; s. a. SK/Sinn 2014, vor § 66 Rn. 25. 106 Kinzig 2015, 151 bezeichnet das Gericht daher als „Kronzeugen für die Berechtigung der Einebnungsthese“. 107 BVerfGE 128, 388: „wenn er am Institut der Sicherungsverwahrung grundsätzlich festhalten will“. 108 BT-Drs. 17/9874, S. 12. Kritik zur fehlenden Diskussion bspw. von Kinzig, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 4.

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E. Abstandsgebot als Problemlöser? – Fazit und Forderungen

ausgleich und Präventionsgedanken.109 Nicht nachvollziehbar ist es, dass das BVerfG einerseits für die lebenslange Freiheitsstrafe schon vor langer Zeit festgestellt hat, dass der Schuldausgleich nicht „Selbstzweck“ sein dürfe.110 Andererseits konstatiert es in den Abstandsgebotsentscheidungen der Jahre 2004 und 2011, dass Art. 103 Abs. 2 GG auf Maßnahmen beschränkt sei, „die eine missbilligende hoheitliche Reaktion auf ein rechtswidriges, schuldhaftes Verhalten darstellen und wegen dieses Verhaltens ein Übel verhängen, das dem Schuldausgleich dient“.111 Damit stellt es den Schuldausgleich zentral in den Mittelpunkt der Strafe, ohne dass dabei i. S. d. Vereinigungstheorien für präventive Aspekte der Strafe Raum bliebe.112 Im Umkehrschluss würde dies den Gedanken des Sonderopfers für die Freiheitsstrafe ganz ausschließen, womit das neben der damit zusammenhängenden Gefährlichkeitsprognose weitere zentrale Argument zur Untermauerung des Abstandsgebots angesprochen wäre. b) Sonderopfer Das BVerfG meint, dass der mit der Verwahrung verbundene Freiheitsentzug aufgrund des präventiven Charakters der Maßregel nur auf einer Gefährlichkeitsprognose beruht – anstatt auf einer bewiesenen Straftat. Der Gesetzgeber legt daher dem Betroffenen aus Gründen des Allgemeinschutzes eine besondere Belastung, ein Sonderopfer, auf.113 Verstärkt wird dieses über die Verbüßung der Schuld hinausgehende Sonderopfer zudem durch die abgeschaffte Höchstfrist. Damit gehen Perspektivlosigkeit und zusätzliche Belastungen einher.114 Die Sicherungsverwahrung ist nur dann zu rechtfertigen, wenn bei ihrer Aus­ gestaltung dem daraus folgenden besonderen Charakter hinreichend Rechnung getragen wird und zwar so, dass über den unabdingbaren Entzug der Freiheit hinaus weitere Belastungen vermieden werden.115 Nicht nur, dass die Analyse der Neu 109 Vgl. zu den Einebnungen und Durchbrechungen Höffler/Kaspar, ZStW 2012, 88 ff.; S/SStree/Kinzig 2014, Vorbem. §§ 38 ff. Rn. 22 m. W. N.; Kinzig 2014, 151 f.; s. a. Teil A., Fn. 21. 110 Dazu Höffler/Kaspar, ZStW 2012, 88 ff. m. w. N. 111 BVerfGE 109, 167. 112 Krit. Kaspar 2015, 99 f.; Roxin AT 2006, § 3 Rn. 65 ff. lehnt die Unterscheidung allein anhand des Begriffspaares „Schuldausgleich“ und „Prävention“ ab, geht aber von einer Differenzierung anhand der begrenzenden Prinzipien aus (d. h. Schuldprinzip und Verhältnismäßigkeit); krit. dazu Höffler/Kaspar, ZStW 2012, 105 f. 113 BVerfGE 128, 374 f.; s. a. LG Aachen, Urt. vom 9.7.2013  – 12 O 520/12, Rn.  18  – bei juris; Zimmermann, HRRS 2013, 168: „Das dem Sicherungsverwahrten abverlangte Opfer ist immens; die von ihm erlittene Interessenbeeinträchtigung ist gegenüber den dadurch abgewehrten Gefahren u. U. gar die höherwertige (man vergleiche nur die Strafdrohung in § 239 Abs. 3 Nr. 1 StGB mit denjenigen der von § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB ins Auge gefassten Delikte).“ 114 Vgl. dazu der ehemalige Anstaltsleiter der JVA Werl Skirl, ZfStrVo 2005, 323 ff.; ders. 2012, 162 ff. 115 Vgl. BVerfGE 128, 374 f.; 109, 166.

V. Problemlöser Abstandsgebot oder wirkliches Problem?

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regelungen ergeben hat, dass bei weitem nicht alle über die Freiheitsentziehung notwendigen Belastungen vermieden werden. Darüber hinaus muss man sich die Frage stellen, ob nicht andere Personen, die sich in einer staatlichen Freiheitsentziehung befinden, eine vergleichbare Belastung, ein Sonderopfer, „aushalten“ müssen.116 Dies ist allen voran bei lebenslang Inhaftierten denkbar, da sie sich in einer vergleichbaren, perspektivlosen Situation wie in der potentiell lebenslangen Sicherungsverwahrung befinden und möglichst schonende Haftbedingungen notwendig sind, um Schäden durch die lange Vollziehung ohne absehbares Ende entgegenzuwirken.117 Der Einwand rührt aus einer bemerkenswerten Parallele der lebenslangen Freiheitsstrafe für den Fall, dass sie über die Schuld hinaus allein wegen der Gefährlichkeit des Inhaftierten vollstreckt wird. So stellte das BVerfG am Rande eines Prozesskostenhilfebeschlusses vom 1.7.2002 fest, dass in der Literatur das „Dilemma“ heftig diskutiert werde, „ob eine Freiheitsentziehung, die nicht mehr wegen der besonderen Schwere der Schuld geboten ist, mit Blick auf die Annahme fortbestehender Gefährlichkeit des Verurteilten überhaupt noch als Strafe zum gerechten Schuldausgleich … gerechtfertigt sein“ könne. Denn als Alternative käme „zur Abwehr im Einzelfall konkret festgestellter Gefahren statt dessen eine Maßregel oder eine andere Maßnahme …, deren Vollstreckung ggf. anders auszugestalten wäre“ in Betracht.118 Und zu Recht wirkt es inkonsequent, Menschen aus Gründen ihrer Gefährlichkeit über den durch die Schwere ihrer Schuld bedingten Zeitpunkt hinaus in der lebenslangen Freiheitsstrafe, also in Strafhaft, festzuhalten und damit den faktischen Zustand einer Ersatz-Sicherungsverwahrung119 rechtlich zu akzeptieren. Damit hat das BVerfG selbst einen Widerspruch hervorgerufen: Denn die lebenslange Freiheitsstrafe berücksichtigt als einzige schuldabhängige Strafe die 116 Aber nicht nur bei der lebenslangen Freiheitsstrafe, sondern auch bei den anderen Maßregeln, insbes. bei der Unterbringung im PKH, lässt es sich vertreten, dass der Betroffene ein Sonderopfer in einer unbestimmten Freiheitsentziehung für die Gesellschaft erbringen muss, vgl. Wolf 2011, 95, 99; ähnl. Pollähne, StV 2013, 254, 256; s. a. Müller-Isberner/Eucker 2012, 114 f. 117 Konkret bzgl. des Abstandsgebots Höffler/Kaspar, ZStW 2012, 115; Pollähne, StV 2013, 254, 256; J. Schäfer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 163; Wolf 2011, 99. 118 BVerfG StV 2003, 686. Die dazu später ergangenen Hauptsacheentscheidung findet sich in BVerfGE 117, 71, 88 f.: Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe sei zur Verfolgung des Sicherungszwecks des Schutzes der Allgemeinheit mit dem GG vereinbar, weil es der staatlichen Gemeinschaft nicht verwehrt sei, „sich gegen einen gemeingefährlichen Straftäter auch durch einen lang andauernden Freiheitsentzug zu sichern … die Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe über den durch die besondere Schwere der Schuld bedingten Zeitpunkt hinaus aus Gründen der Gefährlichkeit des Straftäters … weder die Garantie der Menschenwürde (Art 1 Abs.  1 GG) noch das Freiheitsgrundrecht aus Art 2 Abs.  2 Satz 2 GG.“ 119 BVerfGE 117, 71 ff.; zu deren Zulässigkeit Kett-Straub 2011, 152, 179 f.: „Ist der Täter nach wie vor für die Gesellschaft gefährlich, mutiert der Strafvollzug gewissermaßen zur Sicherungsverwahrung“; ebso. Dessecker, ZfRSoz 2012/2013, 268.

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E. Abstandsgebot als Problemlöser? – Fazit und Forderungen

Gefährlichkeit des Gefangenen in der Art und Weise, wie es ansonsten bei der Sicherungsverwahrung der Fall ist. Jedenfalls folge laut BVerfG aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, dass die „Art und Weise des Vollzuges der Freiheitsentziehung, wenn diese nicht mehr in erster Linie dem Ausgleich zurückliegender Rechtsgutverletzungen, sondern im Wesentlichen der Verhinderung zukünftiger Straftaten dient.“ ggf. aufgrund der „besonderen Belastungen, die ein langjähriger Freiheitsentzug mit sich bringt, durch einen privilegierten Vollzug Rechnung getragen werden“ müsse.120 Mit diesem privilegierten Vollzug kann nichts anderes als bei der Sicherungsverwahrung gemeint sein, was das LG Marburg überraschend und insofern einzigartig deutlich feststellte. Die vom BVerfG zur Sicherungsverwahrung aufgestellten Grundsätze gelten dem LG zufolge, „in gleicher Weise für den Vollzug der lebenslangen Freiheitsstrafe mindestens dann, wenn die aus Gründen der Schwere der Schuld gebotene Vollstreckungszeit erledigt ist.121 Ebenso wurde im Zusammenhang mit § 66 c StGB die Frage gestellt, weshalb die dort umschriebenen Bedingungen und Vollzugsstandards nicht auch für die lebenslange Freiheitsstrafe gelten sollen.122 Dies verwundert nicht, denn in den Gesetzgebungsverfahren konnte man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass z. T., wenn es darum ging, die Verwahrten de facto identisch wie im Strafvollzug zu beschränken, auf die vergleichbare Lage zu den lebenslang Inhaftierten verwiesen wurde.123 Begründet wurde dies u. a. damit, dass es sich nicht um eine Frage des Abstandsgebots handle.124 Wieso nicht umgekehrt bei den lebenslang Inhaftierten, wenn es um deren Vollzugsstandards geht, die vergleichbare Lage berücksichtigt werden sollte, bleibt unbeantwortet. Wenig überzeugend ist die unbegründete, aber entschlossene Feststellung des BVerfG, dass durch die Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe über deren schuldangemessenes Maß und damit allein wegen der Gefährlichkeit gerade keine „schuldunabhängige, vom Erfordernis der Schuldangemessenheit der Strafe nicht mehr gedeckte Strafvollstreckung zugelassen“ werde.125 Fraglich bleibt, wo hier Raum für einen vom BVerfG gefor 120

BVerfGE 117, 109 f.; 88 f.: „Vollstreckung der lebenslangen Freiheitsstrafe über den durch die besondere Schwere der Schuld bedingten Zeitpunkt hinaus“, dennoch diene der Vollzug nun „nicht mehr in erster Linie“ dem Ausgleich von zurückliegenden Rechtsver­ letzungen. 121 LG Marburg StV 2012, 671; dazu Bartsch/Kreuzer, StV 2012, 674 ff.; and. OLG Bbg a. d. H., Beschl. vom 15.1.2014 – 1 Ws (Vollz) 193/13, Rn. 11 – bei juris, was im Einklang mit dem BVerfG und BGH stehen dürfte. 122 Bspw. von Pollähne, StV 2013, 256; ähnl. Landau, FS 2011, 129 ff.; Steinhilber 2012, 205 ff.; s. a. Kaspar 2015, 100: Auch bei der Strafe müsse man sich „über eine Belastung als ‚Sonderopfer‘ im Sinne der Allgemeinheit Gedanken machen“. 123 Arloth in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S.  21: Für langjährig Inhaftierte habe es das BVerfG als zulässige erachtet, Intimbesuche zu verweigern, so dass im SVV nichts anderes gelten können; deutlich im Zusammenhang mit Disziplinarmaßnahmen­ Lückemann, ebda., S. 7. 124 S. dazu o. Teil D., Fn. 1174. 125 BVerfGE 117, 90.

V. Problemlöser Abstandsgebot oder wirkliches Problem?

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derten positiven Abstand zwischen „nicht mehr in erster Linie“126 schuldabhängiger (lebenslanger) Freiheitsstrafe und der schuldunabhängigen Sicherungsverwahrung bleiben soll. Die formale Begründung des Gerichts zur Differenzierung gerät hier sowohl bei der lebenslangen Freiheitsstrafe als auch bei der Sicherungsverwahrung an ihre Grenze. Denn auch im Freiheitsstrafvollzug erbringt der Täter doch im beschriebenen Fall ein Sonderopfer, das bisweilen für den Sicherungsverwahrungsvollzug eine Art argumentative Rettung bedeutet.127 Dies würde es rechtfertigen, dieselben Maßstäbe anzuwenden, wie es das BVerfG nun für den Sicherungsverwahrungsvollzug ausgesprochen hat. Auf den Punkt gebracht, stellt sich diesbzgl. die Frage, warum „nur“ der Vollzug der Sicherungsverwahrung „therapiegerichtet und freiheitsorientiert“ ausgestaltet sein soll und weshalb nur die dort Untergebrachten „individuell und intensiv zu betreuen“ sein sollen?128 Vielmehr liegt es doch schon in der Maßregel selbst, dass ein Staat, der einen­ gefährlichen Verurteilten wegsperrt, alle Möglichkeiten zur Verfügung stellen muss, diese Gefährlichkeit zu beseitigen bzw. seine nicht mehr vorhandene Gefährlichkeit unter Beweis zu stellen. Genauso muss er nach heutigem Verständnis eines Resozialisierungsvollzugs, in dem die Schuld eigentlich keine Rolle mehr spielen darf, diesem alle Möglichkeiten geben, dass er resozialisiert wird. Die Sicherungsverwahrung könnte oder müsste so gesehen zu einer Art Vorreiter für den Strafvollzug werden.129 Damit ginge einher, dass Abstände nur noch in kleinen Details, wie bisher, möglich wären, das große Ganze aber identisch verliefe. c) Gefährlichkeitsprognose Darüber hinaus sorgt der dritte und letzte Bestandteil zur Herleitung des Abstandsgebots, die Gefährlichkeitsprognose, aufgrund der bekannten, ihr immanenten Unsicherheiten130 für Ernüchterung. Denn ein Staat kann nicht immer mehr die Grenzlinie zwischen Freiheitsrecht des Täters und Sicherheit zulasten 126

BVerfGE 117, 109 f.: „Schließlich hat der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Auswirkungen auf die Art und Weise des Vollzuges der Freiheitsentziehung, wenn diese nicht mehr in erster Linie dem Ausgleich zurückliegender Rechtsgutverletzungen, sondern im Wesentlichen der Verhinderung zukünftiger Straftaten dient, deren Eintrittswahrscheinlichkeit sich zwar sorgfältig, aber regelmäßig nicht sicher prognostizieren lässt.“ 127 Z. B. wenn es um die Ausstrahlungswirkung auf den vorausgehenden Strafvollzug geht oder die erleichterten Bedingungen für die Gewährung von Lockerungen, vgl. dazu Teil C.V. 128 BVerfGE 128, 326. 129 Dazu Höffler/Kaspar, ZStW 2012, 115; Wolf 2011, 99; ähnl. Pollähne, StV 2013, 254, 256. 130 Darauf immer wieder hinweisend, bspw. Alex, NK 2008, 150 ff.; Alex/Feltes, FS 2010, 160 f.; Eher/Rettenberger/Matthers, MschrKrim 2009, 25 f.; S/S-Kinzig 2014, § 66 Rn.  2; Kinzig 2010, 145 ff.; Reichel/Marneros, MschrKrim 2008, 413; Ross/Pfäfferlin, MschrKrim 2005, 2 ff., 8 f.; allg. H. Schneider, StV 2006, 99 ff.; Schöch 2007, 384 ff.; Stadtland/Hollweg/ Kleindienst et al., Der Nervenarzt 2006, 593 f.

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E. Abstandsgebot als Problemlöser? – Fazit und Forderungen

des ­Täters verschieben, wenn es sich nicht sicher sagen lässt, welche Tätergruppe genau erfasst sein soll.131 Zwar gibt es die Prognose nicht nur im Recht der Sicherungsverwahrung, dort ist sie aber die Grundlage. Mit ihr steht und fällt ihr Zweck der Prävention und der Schutz der Allgemeinheit.132 Materiell-rechtlich drängt sich das Problem der Prognose am meisten bei vorbehaltener und nachträglicher Sicherungsverwahrung in den Vordergrund. Damit hängen mitunter schwierige Fragestellungen zusammen – z. B. wie die Sachverständigen ausgewählt werden oder die Problematik der Basisrate angesichts des häufig erhöhten Alters der Verwahrten.133 Insgesamt stellt das Hauptproblem der Gefährlichkeitsprognose deren erhebliche Fehleranfälligkeit und die damit z. T. überschätzte Gefährlichkeit der Täter dar.134 Zu dieser Problematik stellt das BVerfG zu lapidar fest, dass die Unsicherheit der Prognose „Auswirkungen auf die Mindestanforderungen an Prognosegutachten und deren Bewertung im Zusammenhang mit dem Übermaßverbot“ haben.135 Schon 2004 hatte es gesagt, dass die Prognose als „Grundlage der Gefahrenabwehr“ unverzichtbar sei und bleibe, möge „sie auch im Einzelfall unzulänglich sein“.136 Letztlich kann den Prognoseunsicherheiten nur mit der absoluten Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und im Speziellen des Ultima-Ratio-Gedanken am ehesten begegnet werden, wenn man an rein auf die Gefährlichkeit ausgerichteten Maßregeln festhält.137 Zudem muss wegen der Abhängigkeit von der Ge 131

Vgl. dazu die Kritik bei Meier 2015, 348 f.: „Die besondere Gefährlichkeit, die festgestellt werden muss, um die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung zu rechtfertigen, lässt sich in vielen Fällen nicht mit der Sicherheit prognostizieren, die für eine so weit in die Grundrechte des Verurteilten eingreifende Maßnahme wie die Sicherungsverwahrung erforderlich ist.“ S. a. Zimmermann, HRRS 2013, 168: Die Beeinträchtigung der Interessen des Verwahrten sei angesichts der Prognoseproblematik potentiell im Vergleich zu derjenigen der damit abgewehrten Gefahren (sehr viel) höherrangig. 132 Der Zugewinn an Allgemeinschutz muss den Eingriff ins Freiheitsgrundrecht rechtfertigen, was angesichts der Unsicherheiten der Prognose angezweifelt werden kann. Die Kritik, es handle sich bei der Prognose nicht um ein „Spezifikum“ der SV (so Höffler/Kaspar, ZStW 2012, 111), ist nicht zu folgen, weil sie die Prognoseabhängigkeit in Kombination mit der Schwere der Sanktion nicht ausreichend würdigt. 133 S. o. Teil B., Fn. 108; dazu auch Alex 2013, 80; Nedopil, NStZ 2002, 346. 134 Zusammenfassende Darstellung bei Alex 2013, 86 ff. Teilweise wird davon ausgegangen, dass sogar weit mehr als die Hälfte der SV falschen Prognosen bzw. Überschätzungen ihrer Gefährlichkeit „zum Opfer fallen“; zu Recht Kinzig 1996, 154; Meier 2015, 113 f., 349: Zahl der Fehlprognostizierungen nicht zu unterschätzen. 135 BVerfGE 128, 373 f.; ebso. BVerfGE 109, 158 ff., 164 ff. Krit. zu den hier kaum vorhandenen Äußerungen Bartsch, KrimPäd 2013, 17; ebso. deutlich Meier 2015, 349: „…abgesehen von dem hiermit verbundenen menschlichen Leid, aus liberal-rechtsstaatlicher und volkswirtschaftlicher Sicht hochproblematische Entwicklung, über die im Gesetzgebungsverfahren, aber auch in den Entscheidungen des BVerfG unsensibel hinweggegangen worden ist.“ 136 BVerfGE 109, 158. 137 Deshalb ist über die Wiedereinführung der Höchstfrist nachzudenken, so auch Alex, NK 2013, 360 f.

V. Problemlöser Abstandsgebot oder wirkliches Problem?

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fährlichkeitsprognose die Freiheitsbeeinträchtigung des Verwahrten so gering wie möglich ausfallen und so erträglich wie möglich gestaltet werden. d) Fazit Zwar ist die Lösung von Widersprüchen der deutschen Zweispurigkeitsdogmatik bzw. des Rechtsinstituts an sich nicht Ziel dieser Untersuchung. Die hier aufgeführten drängenden Fragen führen jedoch vor Augen, dass das Abstandsgebot selbst nicht der Problemlöser des insgesamt kränkelnden Rechtsinstituts sein kann.138 Denn es sorgt mit seiner zweifelhaften Legitimationsgrundlage selbst für weitere Begründungsprobleme, statt diese zu lösen, was sich wiederum auf den Vollzug niederschlägt. Im Moment hält das BVerfG „eisern“139 an seiner Zweckthese fest und wird dies wohl auch weiterhin tun, damit es nicht das gesamte Sanktionensystem zu Fall bringen muss. Der Gesetzgeber hat dem Rechtsanwender insofern Freiraum hinsichtlich der verschiedenen Strafzwecke gelassen, indem er sich nicht für eine einzige Straftheorie entscheiden wollte (oder konnte).140 Die Zweispurigkeit selbst lässt sich rein formal argumentativ begründen. Dies wird auch von den Kritikern im Kontext des Abstandsgebots anerkannt.141 Des Weiteren muss man sich vor Augen führen, was zur aktuellen BVerfG-Entscheidung geführt hat: In erster Linie hat das Urteil des EGMR Anlass dazu geboten. Und so viel ist sicher: dem EGMR kommt es auf die tatsächlichen Auswirkungen, auf die Sanktionspraxis und nicht primär auf den verfolgten Zweck an.142 Darüber hinaus liefert das EGMR-Urteil einen deutlichen Hinweis dafür, wieso das deutsche System so dringend einen Unterschied oder Abstand zwischen Strafe und Sicherungsverwahrung benötigt: Die verfassungs- und europarechtliche Rückwirkungsgarantie müsste auf die Sicherungsverwahrung Anwendung finden, wenn kein Unterschied bestünde. Gerade dieser Aspekt hat den EGMR dazu veranlasst, die Ähnlichkeiten der beiden Vollzugsformen nicht mehr länger zu akzeptieren. Da das BVerfG an der Möglichkeit einer Rückwirkung festhält, 138

Einerseits viel Zustimmung, vgl. Radtke, GA 2011, 636; Schöch, GA 2012, 16 f.; andererseits heftige Kritik von Höffler/Kaspar, ZStW 2012, 112; s. a. Teil C. I. 139 Kinzig 2015, 152. 140 So regelt § 46 Abs. 1 S. 2 StGB allg.: „Die Schuld des Täters ist Grundlage für die Zumessung der Strafe“, d. h. Strafrecht ist Schuldstrafrecht. Der Abschnitt zu den Maßregeln der Besserung und Sicherung lässt den Leser hins. der dahinter stehenden Theorien und Zwecke bis auf die Sanktionsbezeichnung ohnehin weitgehend im Stich; es ist also Raum für diverse Meinungen geblieben, dazu Kett-Straub 2011, 32; Streng 1984, 27; krit. bereits Stratenwerth 1972, 13. 141 Kett-Straub 2011, 38 ff. m. w. N.; trotz heftiger Kritik liefern i. E. Höffler/Kaspar, ZStW 2012, 100 ff. einige Möglichkeiten, die Zweispurigkeit zu begründen. 142 SK/Sinn 2014, vor § 66 Rn. 25, Rn. 27 meint, dass die Einstufung der SV als Maßregel durch das BVerfG beim Abstandsgebot „leicht“ zu rechtfertigen gewesen sei, weil quasi der EGMR die Entscheidung des BVerfG zum Abstandsgebot vorformuliert habe, so dass das BVerfG ihm folgen und gleichzeitig seine Maßregel „retten“ konnte. Vgl. zu den Vorgaben, die sich im Abstandsgebot wiederfinden o. Teil C. I.1.

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E. Abstandsgebot als Problemlöser? – Fazit und Forderungen

braucht es diesen Unterschied. Aber auch bei Abschaffung der Möglichkeit einer Rückwirkung bei der Sicherungsverwahrung, müsste der Staat demjenigen, den er nur aufgrund seiner vermuteten Gefährlichkeit wegsperrt, die Möglichkeit geben, die nicht mehr vorhandene Gefährlichkeit unter Beweis zu stellen. Denn die Entscheidungen geben Anlass sich mit dem Sicherungsverwahrungsvollzug derart zu beschäftigen, dass dort dringend gewisse Mindeststandards zu gelten haben. Alleine die Abschaffung der Möglichkeit einer Rückwirkung wäre damit nicht zielführend und würde womöglich die Gefahr begründen, dass man die nachträgliche Sicherungsverwahrung wiederbelebte. Gezeigt wurde, dass das Abstandsgebot auf dogmatisch sehr angreifbaren Pfeilern steht. Selbst, wenn man dieses System mit dem BVerfG akzeptiert, bleibt die grundlegende Ähnlichkeit auf der Ebene des Vollzugs von Strafe und Maßregel bestehen. Daher ist neben den theoretischen und dogmatischen Schwierigkeiten, die das Abstandsgebot nicht zu lösen vermag, die im Folgenden zu behandelnde praktische Umsetzung eines positiven und privilegierenden Vollzuges eine der größten Herausforderungen, vor der der Justizvollzug je stand.143 2. Praktische Umsetzung Konzentriert auf den Vollzug hat das BVerfG schon des Öfteren deutlich gemacht, dass auch der Strafvollzug nicht allein an Vergeltung und Schuldausgleich orientiert sein dürfe. Hier und dort haben Verwahrter und Inhaftierter einen verfassungsrechtlich verbürgten Anspruch auf Resozialisierung.144 Genauso wie der Vollzug der Sicherungsverwahrung muss ein moderner Strafvollzug freiheitsorientiert sein und dem Inhaftierten eine Betreuung und Behandlung zuteilwerden lassen, die seiner Resozialisierung dient.145 Zudem wird seitens der Vollzugs­praxis berichtet, dass nicht klar sei, wie man die Sicherungsverwahrten besser stellen solle und es schwierig sei, zwischen dem Schutz der Öffentlichkeit und den Rechten der Verwahrten abzuwägen. Dazu geben die Konzepte noch nicht hinreichend Auskunft.146 143 Scharmer, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG LSA-E, S. 4: Ihm sei „durchaus bewusst, dass es praktisch schwierig ist, den Abstand zwischen einem auf effektive Resozialisierung ausgerichteten Strafvollzug und einer Unterbringung in der Sicherungsverwahrung mit der gleichen Intention gesetzlich umzusetzen. Dies zeigt wiederum die rechtlichen und logischen Grenzen des Instituts der Sicherungsverwahrung auf.“ Ebso. Laue, JR 2010, 202, demzufolge es v. a. praktische Probleme gebe. 144 BVerfG NJW 2004, 746; grundlegend bereits BVerfGE 35, 235; betont von Kreuzer/ Bartsch, StV 2011, 479; krit. daher zum Abstandsgebot bspw. NK-StGB-Pollähne 2013, § 61 Rn. 21: „Die darin liegende Gefahr einer Desavouierung des Resozialisierungsprinzips im Strafvollzug ist unübersehbar.“ 145 Vgl. dazu Drenkhahn/Morgenstern, ZStW 2012, 192 ff.; ebso. Feest, Strafvollzugsarchiv vom 22.6.2012. 146 So die Anstaltsleiterin Weichert-Pleuger, Süddeutsche vom 24.9.2015: Nur um einige Fragen der Praxis zu nennen: „Was dürfen, was sollen wir an Bewegungsfreiheit, an Gegenständen während der Unterbringung ermöglichen?“

V. Problemlöser Abstandsgebot oder wirkliches Problem?

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Sicherlich ist nicht zu unterschätzen, dass ein eigenes Vollzugsgesetz aus sich heraus eine deutliche Änderung bewirkt und derzeit von einer besonderen Sensibilität der Vollzugs- und Rechtsprechungspraxis in diesem Bereich auszugehen ist. Doch die Aufmerksamkeit wird naturgemäß mit der Zeit abflachen und ein Gesetz gewinnt erst an Bedeutung und Inhalt, wenn es dauerhaft durch den Vollzug umgesetzt wird bzw. werden kann. Dass dies zu bezweifeln ist, wurde an mehreren Stellen der Untersuchung dargelegt (bspw. im Zuge der vollzugsöffnenden Maßnahmen). Die Befürchtung, dass das Abstandsgebot i. S. e. Privilegierung in der Praxis per se nur deshalb funktionieren kann, weil der Strafvollzug Mängel aufweist und nicht das Konzept des Behandlungsvollzugs der 1970er Jahre realisiert wurde, ist angesichts der in der Theorie vorhandenen großen Ähnlichkeiten und denselben Kategorien des Denkens nicht von der Hand zu weisen.147 Würde zudem der Strafvollzug selbst den Resozialisierungsauftrag konsequent(er) umsetzen, liefe dies wieder auf eine Einebnung des Abstandes hinaus. Lediglich einen baulichen Standard, wie er im Sicherungsverwahrungsvollzug erreicht wurde, wird es im Strafvollzug allerdings nicht geben. Denn eine entsprechende Übertragung in den allgemeinen Strafvollzug wäre „finanzpolitische Utopie vom Feinsten“.148 In der Entscheidung des BVerfG ist darüber hinaus ein Gleichlauf für potentielle Verwahrte angelegt (Ultima-Ratio-Grundsatz), welcher sinnvollerweise nicht nur im Bereich der Therapieangebote, sondern auch in demjenigen der vollzugsöffnenden Maßnahmen liegen müsste.149 Die Beachtung der potentiellen Verwahrten ist dringend angezeigt. Das BVerfG erzeugt damit jedoch eine angeblich nicht gewollte Parallelität von Strafvollzug und Sicherungsverwahrungsvollzug. Die Frage bleibt, wie die Anstalten die dem BVerfG-Urteil und § 66 c StGB zu entnehmende Verpflichtung zur Gewährung vollzugsöffnender Maßnahmen umsetzen werden. Zwar wurde deren Bedeutung durch das BVerfG-Urteil, welches der Gesetzgeber hauptsächlich in seiner Begründung übernahm, aufgewertet. Dies dürfte daher (theoretisch) eine der wenigen Möglichkeiten darstellen, einen positiven Abstand der Vollzugsformen zu erreichen.150 Allerdings kann man dem Gesetz nicht entnehmen, dass den Sicherungsverwahrten „ausschließlich oder vorwiegend“ vollzugsöffnende Maßnahmen bzw. mehr vollzugsöffnende Maßnahmen als weniger gefährlichen Strafgefangenen gewährt werden müssten.151 Eine Verbesserung ist nur insofern denkbar, als Anstalten einen erhöhten Begründungsaufwand zur Ablehnung an den Tag legen müssen. Bedenklich stimmen Berichte aus den Medien. 147 Allen voran äußern diese Kritik Kreuzer/Bartsch, StV 2011, 479; ähnl. Höffler/­Kaspar, ZStW 2012, 115 („Man sollte nicht vergessen: Abstand lässt sich stets in beide Richtungen herstellen“); NK-Pollähne, § 61 Rn.  21; Singelnstein, ZJS 2012, 131; Streng, JZ 2011, 831;­ Zabel, JR 2011, 469; dazu Teil C. I.2. 148 J. Schäfer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 163. 149 Vgl. BVerfGE 128, 379; s. a. Teil C.IV.3. 150 Pollähne, StV 2013, 257 f.; sehr krit. Köhne, KJ 2013, 341: kein wirklicher Abstand geschaffen, daher sei nicht zu erwarten, dass verstärkt entlassungsfördernde Vollzugslockerungen ergehen würden. 151 Köhne ZRP 2012, 89.

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E. Abstandsgebot als Problemlöser? – Fazit und Forderungen

Bspw.152 führte ein Einzelfall des Missbrauchs der Lockerung zu einer schweren sexuellen Straftat in Niedersachsen dazu, dass andere Untergebrachte, bei denen es keine Vorkommnisse gegeben hatte, die Sozialtherapeutische Anstalt verlassen mussten und wieder in der JVA untergebracht wurden.153 Grund, dass generell weitere Lockerungen verweigert wurden, sei ein Brief mit dem Hinweis gewesen, dass „ein besonderes Vorkommnis in vollzugsöffnenden Maßnahmen durch einen Sicherungsverwahrten“ dazu führe, dass Freigänge „bis zur erneuten Überprüfung“ nicht mehr stattfinden könnten.154 Das Bsp. zeigt, dass ein positiver Abstand anzuzweifeln ist. Aufgrund des Sicherheitsaspekts spricht viel dafür, dass es, wie bisher, in erster Linie bei – landesrechtlich nun viermal im Jahr verpflichtend – Ausführungen bleiben wird. Dies bedeutet, dass der Verwahrte die Anstalt unter ständiger Begleitung eines Vollzugsbediensteten nur für kurze Zeit verlassen darf.155 So auch im Fall der in die JVA Zurückverlegten aus Niedersachsen – nur macht es sicherlich einen großen Unterschied, sich außerhalb der Anstalt „gefesselt und in Begleitung zweier Be 152

Ein anderes Bsp. liefert die Antwort des Hamburger Senats auf eine Kleine Anfrage zweier Abgeordneter der Fraktion DIE LINKE. Auf die konkrete Frage, wie viele begleitete und unbegleitete Ausgänge den Sicherungsverwahrten der JVA Fuhlsbüttel gewährt würden, liest man als Antwort, dass „die Anzahl der gewährten Vollzugslockerungen … nicht festgelegt [ist]. Sie ist im Einzelfall abhängig von der Dauer der Unterbringung, der Eignung des Untergebrachten und dem Vollzugsverlauf.“ Noch bedenklicher stimmt die Antwort auf die provozierende Nachfrage der Abgeordneten, warum gerade in Hamburg immer wieder Anträge auf Ausgang bzw. Ausführung abgelehnt würden. Der Senat begnügt sich damit, dass „die Ablehnung von Anträgen auf Ausgang oder eine Ausführung … im jeweiligen Einzelfall begründet“ sei, ohne in der Sache auf die behauptete Nichtgewährung von Lockerungen einzugehen. Vgl. die schriftliche Kleine Anfrage der Abg. Celik und Dolzer (DIE LINKE) vom 23.6.2015 und die Antwort des Hmb Senats vom 30.6.2015, Hmb LT-Drs. 21/869, S. 6. 153 Diesbzgl. gab es ein breites Medienecho und verständliche empfindliche Reaktionen der Öffentlichkeit, z. B.: BILD vom 4.6.2014: „Staatsanwalt sicher. Sex-Gangster missbraucht Mädchen (13) bei Knast-Ausflug“; Focus vom 10.6.2014: „13-Jährige missbraucht. Vergewaltigte Reinhard R. sein Opfer in der Wohnung eines weiteren Kinderschänders?“; NOZ vom 13.6.2014: „Warum hat ein Sicherungsverwahrter Freigang?“; NOZ vom 14.6.2014: „Ministerin stellt Sozialtherapie auf Prüfstand. Nach Reinhard R.: Werden Schwerverbrecher verlegt?“; Süddeutsche vom 5.6.2014: „Rückfälliger Straftäter in Niedersachsen. Drängende Fragen nach Missbrauch bei Freigang“; Die Welt vom 3.6.2015: „Freigänger soll 13-Jährige missbraucht haben“; s. a. die Kleine Anfrage der Abg.  Ross-Luttmann/Nacke (CDU), Nds. LT-Drs. 17/1823, S. 1. 154 Vgl. dazu den Beitrag „In Strafhaft ging es mir erheblich besser“ in Süddeutsche vom 24.9.2015, wobei die Anstaltsleiterin, knapp zur Verlegung feststellt; „Die Gründe liegen bei Herrn A.“ und nicht etwa in der Flucht des anderen SV. Vgl. auch NDR vom 30.3.2015: „Strengere Regeln in der Sicherungsverwahrung“. Die JuMi Nds. reagierte auf den Fall von Reinhard R. sowie eines weiteren SV, dem bei einer Lockerung die Flucht gelang (jedoch ohne, dass er eine Straftat begangen hätte), folgendermaßen: „Mit klaren Anweisungen für Justizangestellte, mehr Bewachung und strengeren Kontrollen“ solle „in Zukunft die Sicherheit bei Aus- und Freigängen von Sicherungsverwahrten“ erhöht werden. „Anstelle eines Bewachers würden Sicherungsverwahrte nun von zwei Aufsichtskräften begleitet, wenn sie die Einrichtung verlassen …“ 155 Krit. Ullenbruch, NStZ 2007, 68.

V. Problemlöser Abstandsgebot oder wirkliches Problem?

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amte[r]“ oder aber i. R. e. Begleitausgangs in der Gruppe bzw. Ausgang für ein paar Stunden ohne Beamte aufzuhalten.156 Sogar bei den Ausführungen, die wenig mit dem Leben in Freiheit zu tun haben und daher auch als nicht sonderlich relevant für Pro­gnoseentscheidungen gelten sowie unter den vollzugsöffnenden Maßnahmen wegen der Überwachung das geringste Risiko aufweisen, äußerte die Praxis im Gesetzgebungsverfahren Sicherheitsbedenken und mahnte zu „großer Vorsicht“ und behutsamen Vorgehen.157 Außerdem wurden Berechnungen158 angestellt, wie viel personellen Aufwand diese Ausführungen nach sich ziehen würden. Dies zeigt die dringliche Notwendigkeit, Personal erheblich aufzustocken. Gleichzeitig spricht sowohl die Einschätzung, dass vier Ausführungen „großzügig“159 seien, sowie die anderorts sogar aufkommende Forderung, die zwingende Anzahl der Ausführungen ganz zu streichen, dafür, dass die nur bsph. Aufzählung der zwingenden Gründe („insbesondere“) dafür genutzt wird, um Lockerungen wegen Personalmangels160 und Sicherheitsrisiken zu verneinen. Langfristig wird sich ein positiver Abstand nur entwickeln können, wenn der Strafvollzug bei seiner ebenfalls restriktiven Lockerungspraxis stehen bleibt und sich der Sicherungsverwahrungsvollzug – was vorerst bezweifelt werden kann – extrem im genannten Sinne wandelt. Dass das BVerfG einen solchen Strafvollzug für erstrebenswert erachten würde, ist jedoch anzuzweifeln. Es zeigt gleichwohl das Dilemma: 156

Vgl. dazu die Beschreibungen des Verwahrten Arne A., Süddeutsche vom 24.9.2015: Zu Recht stellt sein Rechtsanwalt Pollähne fest: „Das, was man bei ihm erreicht hat, wird nachträglich dadurch gefährdet, dass nicht mehr daran angeknüpft werden kann.“ 157 Halwahs/Papenfuß, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG M-V-E, S. 7: „Bei dermaßen hohen Ausführungszahlen [Anm.: 4 Stück in M-V] und den vielfältigen Sozialisierungsvorstellungen wird es zu Störfälle[n] kommen. Wir befürchten dabei enorme Flurschäden für den Justizvollzug und leider auch Opfer.“; vgl. auch Wörthmüller (Forensik Erlangen) in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 15. 158 Mauruschat, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG M-V-E, S.  2: Minimalstandard von vier zwingenden Ausführungen pro Jahr. Insofern ist aber nicht nachvollziehbar, weshalb sich die Arbeitsstunden bei Vollbelegung pro Untergebrachten verdoppeln sollen. Auch scheinen acht Stunden Zeitaufwand für jede einzelne Ausführung, selbst wenn es sich um Vorbereitung, Ausführung und Nachbereitung handeln soll, recht hochgegriffen. Das Personalproblem relativierend Weichert-Pleuger in der Anhörung zum BremSVVollzG-E, A/RA 18/18, S. 478. S. a. die Berechnungen zu der Anzahl der durchzuführenden Ausführungen deutschlandweit bei Halwahs/Papenfuß, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG M-V-E, S. 7: „Damit werden in Deutschland jährlich mindestens 2000 Ausführungen zusätzlich durchgeführt werden müssen.“; s. a. Pyhrr 2015, 272. 159 Vgl. etwa M-V LT-Drs. 6/1476, S. 3: „Das Gesetz verpflichtet den Vollzug zudem, den Untergebrachten dem gesellschaftlichen Leben nicht zu entfremden, sondern die Bezüge nach draußen zu fördern, zum Beispiel durch großzügige Besuchszeiten und Ausführungen.“ S. a. BeckOK BaySvVollzG-Gürtler/Bauer, Art. 5 Rn. 3, wonach im Einzelfall stets der Nutzen mit den damit verbundenen Sicherheitsrisiken abzuwägen sei. 160 Köhne, KJ 2013, 340; s. a. OLG Nürnberg, Beschl. vom 11.8.2015 – 1 Ws 224/15, Rn. 23 – bei juris, in dem das Gericht hins. weiterer Ausführungen feststellte: „Auf der anderen Seite hat die Justizvollzugsanstalt jedoch die Rechte der Untergebrachten zu wahren, was eine angemessene personelle Ausstattung der Justizvollzugsanstalten bedingt …“ Dass dies kein taugliches Argument mehr sein kann ebso. BeckOK-Gerhold, § 97 Rn. 2.

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E. Abstandsgebot als Problemlöser? – Fazit und Forderungen

Abstand i. S. v. positiv, d. h. Besserstellung, mehr bzw. öfter vollzugsöffnende Maßnahmen, kann es nur geben, wenn der Strafvollzug sich nicht oder negativ entwickelt. Angenommen, der Praxis gelänge es, mehr vollzugsöffnende Maßnahmen in einem hinsichtlich der Gefährlichkeit der Sicherungsverwahrten verantwortbaren Maß zu etablieren, wird dies bei Gefangenen Erwartungen auf mehr Lockerungen wecken.161 Das Abstandsgebot, wie es das BVerfG vorschreibt, stößt hier an seine praktischen Grenzen. Realistisch wäre es, in den gesetzlichen Vorgaben einen der Praxis vorgeschriebenen Sinneswandel hin zu einer Gleichstellung mit den Strafgefangenen zu sehen, weil es sich angesichts des bisherigen Sicherungsverwahrungsvollzugs bereits damit um einen Paradigmenwechsel handeln würde. Eschelbach unterstellt seinerseits dem Abstandsgebot Verfassungswidrigkeit.162 Derart weit wird man nicht gehen müssen. Vorzuwerfen ist dem höchsten deutschen Gericht aber, dass es diese unübersehbare163 und von ihm zumindest ansatzweise wohl erkannte Problematik mit einer viel zu knappen Feststellung, dass „der Ausfüllung des Abstandsgebots gewisse faktische Grenzen“ gesetzt seien, in unbefriedigender und unzureichender Art und Weise abhandelte.164 Es setzte sich geradezu über die praktischen Umsetzungsprobleme, den angelegten Gleichlauf der Vollzugsformen sowie die zahlreichen Durchbrechungen der theoretisch möglichen Zweispurigkeit in der Praxis hinweg.165 Unterschiede sind daher vorwiegend im Detail denkbar und machen eine konsequentere Umsetzung der Freiheitsorientierung und Resozialisierung im Si­ cherungsverwahrungsvollzug notwendig, als es in den SVVollzGen der Fall ist. Der entscheidende Unterschied zwischen Straf- und Sicherungsverwahrungsvollzug wird darin liegen, dass Rechte im erstgenannten unbestimmter bleiben und Angebote leichter versagt werden können  – z. B. Behandlungsangebote. Drastisch ausgedrückt ist diese „Mangelverwaltung Bestandteil des Strafübels“.166 Soll h­ eißen, man muss im Strafvollzug nicht wie im Sicherungsverwahrungsvollzug alles anbieten, was Aussicht auf Erfolg haben könnte. Wollte man es pessimistischer formulieren, besteht in der Maßregel nur mehr Begründungsaufwand zur Ablehnung.

161 Grote 2015, 198: „Was ist z. B. mit Gefangenen mit lebenslanger Freiheitsstrafe nach der Verbüßung von 15 Jahren? Befinden sich diese Gefangenen nicht in einer vergleichbaren Situation wie Sicherungsverwahrte?“ Ohnehin habe das Urt., so Weichert-Pleuger, Süddeutsche vom 24.9.2015, „bei den Sicherungsverwahrten falsche Erwartungen geschürt.“ 162 Matt/Renzikowski-Eschelbach 2013, § 66 b Rn. 18: „Es ist eher seinerseits verfassungswidrig“, neben dieser Feststellung lässt er aber weitere Ausführungen vermissen. 163 Angelehnt an NK-Pollähne, § 61 Rn. 21: „Die darin liegende Gefahr einer Desavouierung des Resozialisierungsprinzips im Strafvollzug ist unübersehbar.“ 164 BVerfGE 128, 377 f. 165 Höffler/Kaspar, ZStW 2012, 87 ff.; S/S-Kinzig 2014, vor § 61 Rn. 5. 166 J. Schäfer, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2013, 159; zum Angleichungsgrundsatz Dessecker 2016, 475.

VI. Konsequenzen aus den Problemen des Abstandsgebots bei der Umsetzung

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Vielmehr müsste die Freiheitsorientierung umfassender verfolgt werden als es bisher der Fall ist. Die Gesetze müssten auf Beschränkungen neben denjenigen aufgrund von Sicherheit und zur Erreichung des Vollzugsziels verzichten. So ist aktuell in den SVVollzGen bspw. der Angleichungsgrundsatz verpflichtend geregelt. Die Konkretisierungen in den folgenden Paragraphen der Gesetze fallen dann nicht dementsprechend verpflichtend(er) aus. Der Gesetzgeber weigert sich in essentiellen Bereichen, wie bspw. der Nutzung moderner Medien oder Langzeit­ besuchen, eine Angleichung an die Lebensverhältnisse außerhalb der Anstalt zu gewähren.

VI. Konsequenzen aus den Problemen des Abstandsgebots bei der Umsetzung Die Probleme der Sicherungsverwahrung sind vielschichtig und „nur noch Eingeweihten in glücklichen Stunden verständlich“.167 Bezog sich diese Aussage mehr auf die Wirren des materiellen Rechts, ist sie genauso für den Sicherungsverwahrungsvollzug heranzuziehen. Dort hat die unzulässige Aufspaltung der Bundesund Landesgesetzgebungskompetenz nicht für klare Verhältnisse gesorgt. Deutlich wurde, dass die vorsorgliche Inhaftierung168 von Menschen ohne, dass sie bereits eine Straftat begangen haben, trotz oder gerade wegen des Abstandsgebots eine Problematik ist und bleibt, die den Rechtsstaat immer wieder an den Rand seiner Leistungsfähigkeit bringen wird. Aber, was genauso feststeht: Das gesellschaftliche Präventionsbedürfnis ist und bleibt berechtigt und muss befriedigt werden. Stellt sich zwingend die Frage, ob es Alternativen zum Abstandsgebot und gleichzeitig der Sicherungsverwahrung gibt. Zu fragen ist, ob schon eine andere Interpretation des Abstandsgebots oder eine andere Unterbringung in einer eigenen Sicherungsanstalt Abhilfe schaffen würde. Was die Notwendigkeit der Suche nach solchen Alternativen zeigt: Das Recht der Sicherungsverwahrung ist nicht in ruhigem Fahrwasser angelangt. Die ausnahmslose Privilegierung im Vergleich zum Strafvollzug ist de facto nicht möglich und daher das Abstellen allein darauf verfehlt.169 Dass sich die Siche­

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Kinzig, Forens Psychiatr Psychol Kriminol 2010, 53. Feest, Vorgänge 2014, 33. 169 Zwar stimmt es, dass im Zusammenhang mit dem Abstandsgebot mehr noch die Bedürfnisse des SV in den Fokus rücken müssen, statt ausschließlich den Vergleich zum Strafvollzug zu ziehen. Jedoch hat das BVerfG die Privilegierung und damit den Abstand bisher deutlich in Bezug zum Normalvollzug gesetzt, so dass ein Vergleich damit notwendig ist; vgl. etwa BVerfGE 109, 160: „Im Ergebnis muss jedoch sichergestellt sein, dass ein Abstand zwischen dem allgemeinen Strafvollzug und dem Vollzug der Sicherungsverwahrung gewahrt bleibt…“; s. a. Krä, FS 2014, 181; and. Köhne, FS 2014, 178, der mit dem „Prinzip der Privilegierung“ keine Orientierung am Strafvollzug verbindet, weil damit „noch nichts über das Ausmaß des Sonderrechts“ gesagt sei. 168

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E. Abstandsgebot als Problemlöser? – Fazit und Forderungen

rungsverwahrung „von einer ‚Strafe‘ qualitativ“ unterscheiden müsse, ein deutli­ cher Abstand und eine „Besserstellung“ erforderlich seien,170 kann nicht meinen, dass ein Abstand dadurch hergestellt wird, dass der Strafvollzug verschlechtert wird. Damit würde es letztlich nur einen „Abstand nach unten“ geben.171 Der Strafvollzug darf nicht belastet werden, damit der Sicherungsverwahrungsvollzug glänzt. Folglich darf das Abstandsgebot nicht „eng und rein formal ausgelegt“ werden.172 Dies wäre zu kurz gedacht. Alleine mit der Herabsenkung der für den Strafvollzug geltenden Standards wäre für den Sicherungsverwahrungsvollzug noch kein Mindestniveau erreicht, welches das Sonderopfer und die Prognose­ schwierigkeiten ausgleichen würde.173 Auch kann dem Gericht (und letztlich der Praxis) nicht unterstellt werden, dass künftig im Strafvollzug nicht mehr alle Resozialisierungsmöglichkeiten genutzt werden sollen. Vielmehr muss es um Mindeststandards in besonderem Maße bzgl. der Resozialisierung gehen.174 Aufgrund des Sonderopfers, welches die Verwahrten erbringen, sind Therapieausrichtung, Freiheitsorientierung und Gefährlichkeitsminimierung in einem anderen Ausmaß zu verfolgen, als es bisher und auch nach den Neuregelungen der Fall ist. Die Analyse hat vor Augen geführt, dass eine Besserstellung oder Privilegierung aber nicht immer umsetz- oder gar denkbar ist. Insofern wäre über eine Interpretation des Abstandsgebots nachzudenken, die sich von der deutlichen Privilegierung abwendet. 1. Eigene Sicherungsanstalten Nachdem das Abstandsgebot erstmals in der Höchstdauerentscheidung erwähnt wurde, hatte vermehrt eine Auseinandersetzung zur Frage der Unterbringung in eigenen Anstalten für Sicherungsverwahrte stattgefunden. Dabei spielten nicht nur die aus Zeiten der Großen Strafrechtsreform bekannten Argumente, dass man die Verwahrten selbst nicht vollends entwurzeln wolle und diese zudem die Vorteile der Infrastruktur einer JVA nutzen könnten, eine Rolle.175 Ganz i. S. d. Zeit-

170 BVerfGE 128, 374, 380; 109, 166 f.; vgl. dazu Rose in der Anhörung zum SVVollzG SHE, SH RA 18/28, S. 14; Kreuzer, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S. 9. 171 Zimmermann, HRRS 2013, 167; Graebsch in der Anhörung zum SächsSVVollzG-E, Apr 5/1–45 A-2, S. 7. 172 Bartsch/Kreuzer, StV 2009, 56; s. a. Köhne, FS 2014, 178. 173 Wohl Bartsch/Kreuzer, StV 2012, 675; Schöch, GA 2012, 18; Zimmermann, HRRS 2013, 169. 174 Streng, JZ 2011, 831; Zimmermann, HRRS 2013, 168: „Mindestkomfort- und -fürsorgepflicht“; Höffler/Kaspar, ZStW 2012, 131 mit konkreten Bspen. 175 Dazu Teil  A.II.1.b), insbes.  Fn.  86. In den aktuellen Gesetzgebungsverfahren bestand Einigkeit darüber, dass es angebracht sei, die Infrastruktur der JVAen zu nutzen, vgl. dazu etwa Dünkel und Papenfuß (BSBD) in der Anhörung zum SVVollzG M-V-E, APr  6/34, S. 8 ff., 17; and. Peglau 2011, 445 ff.

VI. Konsequenzen aus den Problemen des Abstandsgebots bei der Umsetzung

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geistes wurde vielmehr auf sicherheitsrelevante Aspekte abgestellt. Die Unterbringung der mit diversen kriminogenen Faktoren belasteten Gruppe der Verwahrten zeichne sich durch viele vollzugsrechtliche Probleme aus, die eine Anstalt nur für Verwahrte unkontrollierbar und die Arbeit mit ihnen zu belastend für das Personal machten.176 Sicherlich handelt es sich um eine sehr herausfordernde Arbeit. Dieses Schicksal teilen bspw. das Personal im Maßregelvollzug oder in sonstigen psychia­ trischen Einrichtungen, welche ebenfalls große Herausforderungen für die alltägliche Arbeit darstellen, dennoch aber nicht auf sie verzichtet werden kann. Dem kann zudem durch den immer noch vorhandenen Nachbesserungsbedarf bei der Verpflichtung zum Angebot von Schulungen, Personalrotationen und Supervisionen entgegen gewirkt werden. Für Entwurzelung sorgen schon Vollzugsverein­ barungen, welche für einige die Unterbringung in einem anderen Bundesland zur Folge haben.177 Zudem gibt es i. d. R. nur eine Anstalt pro Bundesland, in der die Sicherungsverwahrung vollzogen wird. Genauso ist anzuzweifeln, ob überhaupt noch soziale Kontakte vorhanden sind. Jedenfalls würde die Entwurzelungs­ problematik eher für eine konsequentere und zwingendere Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen und Dritten außerhalb des Vollzugs, als in den SVVollzGen vorgesehen, sprechen statt für die Angliederung an eine große JVA. Zwar gibt es sicherlich viele Vorteile der Anbindung im Arbeits- und Freizeitbereich. Auch geben einige wenige Konzepte zu erkennen, dass möglichst autark fungierende Sicherungsverwahrungseinheiten in den JVAen etabliert werden sollen.178 Darüber hinaus wurde in mehreren Untersuchungen und Praxisberichten der Wunsch der Betroffenen, Kontakt mit Strafgefangenen und nicht nur „ihresgleichen“ zu haben, dargestellt. Neben eigenen Vollzugsgesetzen würden eigene Anstalten jedoch am besten die Eigenständigkeit des Sicherungsverwahrungsvoll-

176 Rösch, ZfStrVo 2004, 134; Kreuzer/Bartsch, StV 2011, 478; Suhling, FS 2011, 275; unabsehbare negative Folgen befürchtet Bartsch, FS 2011, 272; ebso. Schäfersküpper/Grote, NStZ 2013, 447 f.; Pyhrr 2015, 170: deshalb scheide eine eigene Sicherungsverwahrungsanstalt aus; vgl. auch OLG Köln OLGStGB § 66 c Nr. 1. 177 Müller (GdP) in der Anhörung zum SVVollzG SH-E, SH RA 18/28, S. 6: „Die Unterbringung in Hamburg berge die Gefahr …, dass für Sicherungsverwahrte etwa in Lübeck soziale Kontakte innerhalb und außerhalb der JVA verloren gingen. Daher sollte das Ziel sein, die Sicherungsverwahrung möglichst bald in Schleswig-Holstein selber durchzuführen.“ 178 Konzept JVA Bützow, S. 18 f.: „Besonderes Augenmerk wurde bei der Gestaltung darauf gelegt, dass die Abteilung soweit wie möglich autark von der übrigen Anstalt betrieben werden kann. So stehen z. B. eigene Besuchsräume, Arbeitstherapie, ärztliche Behandlungsräume nebst Physiotherapie, Bibliothek sowie Räumlichkeiten für sonstige Sport- und Freizeitaktivitäten zur Verfügung.“ Ebso. Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 58 f.: „Es sind nicht nur die Haft- und Behandlungsräume von der übrigen Anstalt abgetrennt; auch für Arbeit (abgesehen von individuellen Ausbildungsverhältnissen), Sport und Freizeitaktivitäten sind eigene abgetrennte Bereiche vorgesehen.“ Diese Konzepte sollten alle JVAen mit eigener SV-Abteilung zum Vorbild nehmen.

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E. Abstandsgebot als Problemlöser? – Fazit und Forderungen

zugs zum Ausdruck bringen.179 Die Gefahr, dass sich beide Vollzugsformen (an) gleichen, ist besonders groß, wenn man Strafgefangene und Verwahrte gemeinsam unterbringt.180 Größere Freiheiten könnte man gewähren, würde man die Verwahrten in getrennten Anstalten unterbringen, vorausgesetzt dort würde die höchste Sicherheitsstufe aufgegeben.181 Zudem könnte damit dem durch die Besserstellung schon im vorausgehenden Strafvollzug und in der späteren Sicherungsverwahrung entstehenden Konfliktpotential vorgebeugt werden.182 Eine tatsächliche Umsetzung dieser Forderung ist angesichts der in den Neubau der Abteilungen gesteckten Investitionen anzuzweifeln. 2. Alternativen zum Abstandsgebot und der Sicherungsverwahrung Das EGMR-Urteil bot erstmals Anlass dafür, dass die Forderung nach der Abschaffung der Maßregel der Sicherungsverwahrung wieder optimistischer und ausdrücklicher vorgetragen wurde, als die Jahre zuvor.183 Diese Erwägung ist nicht ganz fernliegend, schließlich hat das BVerfG festgestellt, dass der Bundesgesetzgeber Leitlinien vorzugeben habe, „wenn er am Institut der Sicherungsverwahrung grundsätzlich festhalten will“.184 Damit drückt das Gericht aus, dass sich über das Rechtsinstitut der Sicherungsverwahrung streiten ließe.185 Auf den Punkt gebracht, geht es um die Einführung einer Sicherungsstrafe als Alternative zur Sicherungsverwahrung, bei der nicht nur die Schuld das Maß bestimmt 179 Vgl. dazu Teil B.II. Das Trennungsgebot wurde seit jeher mehr oder weniger missachtet, obwohl es zugleich von der Praxis als wichtigstes und deutlichstes für einen Abstand sprechendes Merkmal empfunden wird. 180 AK-StVollzG-Feest 1990, § 131 Rn. 5. 181 Angesichts der immensen baulichen Investitionen (vgl. z. B. Bay LT-Drs. 16/13834, S. 3: „Die voraussichtlichen Kosten für die Errichtung der Einrichtung für Sicherungsverwahrung belaufen sich auf 24,15 Mio. EUR (Baukosten) und 2,0 Mio. EUR (Ausstattungskosten).“) erscheint diese Möglichkeit ohnehin praktisch schwer vorstellbar. 182 Dazu Teil C.IV.2.b) und Teil C.V. 183 Bock/Sobota, NK 2012, 110; NK-StGB-Böllinger/Dessecker 2013, § 66 Rn. 47; Bredlow, FS 2013, 256; grds. Bedenken auch bei Hömig 2013, 304; Matt/Renzikowski-Eschelbach 2013, § 66 Rn. 1; Pollähne, KJ 2010, 268; s. a. Asprion, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S.  7 f. krit. zur fehlenden Auseinandersetzung; Galli (JVA Straubing) und Graebsch in der Anhörung zum SächsSVVollzG-E, Apr 5/1–45 A-2, S. 2, 5, 33; Scharmer, Schriftliche Stellungnahme zum SVVollzG LSA-E, S. 2. 184 BVerfGE 128, 388. Köhne, KJ 2013, 338 weist darauf hin, dass diese Stelle im Urt. vom Bundesgesetzgeber übersehen werde und meint, dass das BVerfG die Abschaffung „vermutlich sogar als sinnvollsten Ausweg vorgezogen hätte“. Zudem hat gerade das neuerliche Urt. im Vergleich zur Höchstdauerentscheidung gezeigt, dass die Realität dann doch manchmal anders aussieht. Ebso. betont von Renzikowski, NJW 2013, 1644. 185 Auch die Praxis scheint von der SV an sich nicht sonderlich überzeugt, vgl. Konzept JVA Bbg a. d. H., S.  6: Danach sei „das mit dem Makel seiner gesetzlichen Erschaffungsstunde behaftete Institut der Sicherungsverwahrung … ein ungeliebtes, aber anscheinend alternativloses Korrektiv zu den eher moderaten Strafrahmen, die das deutsche Strafgesetzbuch vorsieht.“

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und limitiert,186 sondern auch die Prävention bei der Strafbemessung berücksichtigt wird.187 Den Abschaffungsforderungen wird seit Jahren entgegengehalten, dass Länder, die dem Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit nur mit Strafen begegneten, als Ausgleich sehr viel unbestimmtere und in erster Linie längere Freiheitsstrafen aufwiesen.188 Sogar von einer Inflation hinsichtlich der Straflänge und der deshalb sehr hohen Strafrahmenobergrenzen ist die Rede.189 Dadurch würde das Schuldprinzip mehr entwertet als durch die Maßregel selbst. Dies zeigten die Bspe. aus anderen Ländern ohne eine vergleichbare Sanktion zur Sicherungsverwahrung, in denen man den ebenfalls vorhandenen Sicherungsbedürfnissen mit erhöhten Strafrahmen begegne.190 Die Einspurigkeit könnte also mehr Ausdruck von Repression als von einem rechtsstaatlichen oder liberaleren System sein.191 186 Zur straflimitierenden Funktion der Schuld vgl. Meier 2015, 15 ff.; Streng 2012, Rn. 30 ff.; s. a. die BVerfG-Rspr., wodurch das Schuldprinzip verfassungsrechtlich abgesichert ist, BVerf GE 45, 187 ff. 187 Radtke, GA 2011, 639 m. w. N.; i. E. nicht gegen die Zweispurigkeit, aber für eine Art Sicherungsstrafe wohl Stefanopoulou, ZIS 2013, 356 f., Die Forderungen zur Einführung einer Sicherungsstrafe sind nicht neu, vgl. dazu bspw. Müller-Dietz 1973, 39; ebso. Schuhmann, KJ 1995, 88 ff.; Frommel, KJ 1995, 226 ff.; Schönberger 2002, 201. Damit zusammenhängend grds. Kritik am strafrechtlichen Schuldprinzip limitierender Funktion, weil damit Defizite des Opferschutzes verbunden seien, bspw. Urbaniok, Kriminalistik 2012, 275 f. Außerdem ließe sich für eine Sicherungsstrafe anbringen, dass zumindest von ihrer Konventionskonformität auszugehen ist; Pyhrr 2015, 188. 188 Auch die Strafvollzugskommission hatte noch von einer Vereinheitlichung von Strafe und SV zu einer relativ unbestimmten Strafe gesprochen, so der Hilfsvorschlag in BT-Drs. 5/4095, S. 31. 189 Vgl. etwa Streng, JZ 2011, 833; krit. auch Mushoff 2008, 483 f. 190 Blickt man in das europäische Ausland, so scheint es so zu sein, dass das einspurige System mit einer Sicherungsstrafe zur Folge hat, dass die Strafdauer der Freiheitsstrafen stark erhöht ist. Vgl. die Europastatistik SPACE aus dem Jahre 2012: In Deutschland verbüßten nur 757 Gefangene eine Freiheitsstrafe von 10–20 Jahren, 2.031 Gefangene eine lebenslange Freiheitsstrafe. Dagegen bspw. in England/Wales mit „Single-track-System“: 3.898 mit einer 10–20-jährigen Freiheitsstrafe, 7.674 lebenslange Inhaftierte. Vgl. dazu SPACE I  – 2012, Aebi/Delgrande 2012, 98 ff.; hinzu kommen 6.080 in der „Indeterminate Public Protection sentence“; vgl. zur Gefangenenrate Aebi/Delgrande 2012, Table 1.3. „Situation of Penal­ Institutions on 1st September 2012“: Deutschland weist im Jahre 2012 eine Gefangenenrate von 84.6 auf, wohingegen England/Wales eine Gefangenenrate von 152.1 verzeichnet. Vgl. auch ­Boesert 2013, 9; Drenkhahn 2011, 11 zur Entwicklung der Gefangenenzahlen mit langen Freiheitsstrafen von 2000–2009; Mushoff 2008, 483 zum rigorosen Vorgehen in den USA; zum „Single-track-System“ vgl. Stefanopoulou, ZIS 2013, 350 ff.; Sturm 2010, 2. 191 Stefanopoulou, ZIS 2013, 350 ff.; ebso. rechtsvergleichende Hinweise bei Landau, NStZ 2011, 539; Streng, JZ 2011, 833 insbes. Fn. 80. Zwar weisen andere Länder wie Schweden eine strenge Einspurigkeit mit zeitlich befristeten Strafen auf, um dem Straftäter eine mildere und humanitäre Behandlung zuteilwerden zu lassen, dennoch gibt es auch hier rechtsstaatliche Bedenken gegen das Sanktionensystem, weil die Schuld und Zurechnung keine Strafbarkeitsvoraussetzung und darüber hinaus auch hier der Schutz der Allgemeinheit und Präventions­ gedanken Teil  der Sanktionierung seien, dazu Cornils 2009, 634 ff., 651 f.; Stefanopoulou, ZIS 2013, 352 ff.

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E. Abstandsgebot als Problemlöser? – Fazit und Forderungen

I. S. e. wissensbasierten Kriminalpolitik muss man einwenden, dass es zu wenige Auswertungen der Daten zur Höhe der Freiheitsstrafen in einspurigen Systemen gibt, die untereinander vergleichbar sind, d. h. z. B. den Einfluss regionaler Gegebenheiten bei der Strafzumessung mitberücksichtigten.192 M. a. W. fehlt der empirische Beleg dafür, dass die Befürchtung einer ausufernden Straferhöhung bei Abschaffung der Sicherungsverwahrung zutrifft oder umgekehrt dies ein rechtsstaatlich vorzugswürdigeres System wäre, bei dem es gerade nicht zu sehr viel höheren und unbestimmten Strafen kommen würde. Daher gibt es hier Forschungs­ (nachhol)bedarf, bevor derartige verlässliche Aussagen zu treffen sind. Auch wenn man es nicht sicher beurteilen kann, spricht einiges dafür, dass bei Abschaffung der Maßregel tatsächlich von der Strafe inflationär Gebrauch gemacht würde, dies allein wegen der in Deutschland trotz Existenz der Sicherungsverwahrung nachweisbaren Tendenz, aus Gründen des Allgemeinschutzes immer längere Freiheitsstrafen zu verhängen.193 Außerdem müsste man bei Abschaffung des zweispurigen Systems die Präventionsgedanken deutlicher als bisher auch i. R. d. § 38 Abs. 2 StGB durch eine Anhebung der zeitigen Höchstgrenze berücksichtigen, was wiederum verfassungsrechtliche Folgeprobleme aufwerfen würde.194 Führt man sich die bisherige Gesetzgebung im Bereich des ThUG vor Augen, so kann man neben erhöhten Strafrahmen befürchten, dass die entsprechende Klientel ggf. in psychisch Kranke umgedeutet würde. Zu guter Letzt: Eine Abschaffung der Sicherungsverwahrung wäre rein tatsächlich angesichts der kriminalpolitischen Stimmung und des fehlenden gesetzgeberischen Willens, der sich durch die SVVollzGe sowie die getätigten Investitionen für den Neuausbau deutlich in Richtung „Rettung der Sicherungsverwahrung“ manifestiert hat,195 nicht durchsetz- oder vermittelbar. Die Verwahrung bzw. der damit verfolgte Zweck des präventiven Allgemeinschutzes entspricht der Gesellschaftserwartung, so dass die völlige Abschaffung und deren sozialpsychologische Auswirkungen nicht abgeschätzt werden könnten.196 Insgesamt begegnet also die Si 192 Bartsch/Höffler und des RASV, NK 2015, 223 f.; s. a. Pyhrr 2015: Warum das einspurige System mit Sicherungsstrafe der bessere Weg sein soll, lasse sich empirisch nicht belegen. Zur Bedeutung regionaler Prägungen bei der Strafzumessung s. Meier 2015, 257 m. w. N. 193 Streng, StV 2013, 240 ff. 194 Pyhrr 2015, 191; Mushoff 2008, 484. 195 Pollähne in der Anhörung zum SVVollzG M-V-E, APr 6/34, S. 12 f.: „Rettung der Sicherungsverwahrung“; ebso. Köhne, KJ 2013, 338: Weil das BVerfG primär auf die vollzugsrechtliche Seite abgestellt hatte, lag es für den Bundesgesetzgeber „nahe, so viel wie möglich vom besehenden Zustand zu ‚retten‘ bzw. fortzuschreiben.“ Ebso. Peglau, NJW 2011, 1926; Hörnle, NStZ 2011, 493; Kreuzer/Bartsch, StV 2011, 479; s. a. Kilian in der Anhörung zum SächsSVVollzG-E, Apr 5/1–45 A-2, S. 7: „Die Frage, ob die Sicherungsverwahrung sinnvoll ist oder nicht, stellt sich im Moment nicht mehr.“ 196 Drenkhahn/Morgenstern, ZStW 2012, 201: „Wenn man sich mit der Tatsache abfindet, dass in der aktuellen kriminalpolitischen Lage die Abschaffung der Sicherungsverwahrung nicht zu erwarten ist, und das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom Mai 2011 die Notwendigkeit dieser Sanktion geradezu anerkennt, ist der zukunftsweisende Teil der Entscheidung, die Ausführungen zum Abstandsgebot, zu begrüßen.“

VI. Konsequenzen aus den Problemen des Abstandsgebots bei der Umsetzung

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cherungsstrafe ebenfalls Bedenken. Denn ein einspuriges System bietet vielleicht die ehrlichere,197 aber nicht automatisch menschenrechtlich oder verfassungsrechtlich vorzugswürdigere Reaktionsmöglichkeit. Angesichts des Bedürfnisses nach einem präventiven Schutz ist zudem im Zweifel davon auszugehen – freilich nicht bewiesen, dass dadurch das Strafmaß von Freiheitsstrafen entweder unbestimmt ausgestaltet oder sich zumindest erhöhen würde.198 3. Fazit Vorzugswürdiger und einer maßvollen Reaktionspolitik besser als einer Sicherungsstrafe entsprechend wäre es, zur Erkenntnis der Großen Strafrechtsreform zurückzufinden: Das Strafrecht ist auf das unumgängliche Maß zu beschränken, dem die zeitliche Beschränkung der ersten Unterbringung, d. h. eine Wiedereinführung der Höchstgrenze sowie die Rückkehr zur traditionellen Sicherungsverwahrung gerecht würde.199 Denn dadurch wäre die Sicherungsverwahrung wieder rechtsstaatlich erträglich(er).200 Zwar war die ursprüngliche Einführung nicht als reine Wohltat, sondern u. a. zur häufigeren Anwendung der Sicherungsverwahrung gedacht.201 Dennoch: Angesichts der aufgezeigten Problematik, wie das Abstandsgebot in die Praxis transferiert werden soll, ist die Wiedereinführung der Höchstfrist deshalb angezeigt, weil die Begrenzung für einen Druck in der Praxis der Sicherungsverwahrung sorgt. Eine unbefristete Maßregel erlaubt es der Anstalt immer noch, gewisse Aspekte und Maßnahmen erst einmal zu vernachlässigen.202 Eine Begren 197

Stefanopoulou, ZIS 2013, 355 meint zur unbestimmten Freiheitsstrafe Griechenlands (wobei auch hier zwischen Strafe und Maßregel unterschieden werde, es nur keine SV gebe), die ihrem Wesen nach genau der SV entspreche, „im Hinblick auf den schwerwiegenden Eingriff in die Rechte des Täters vielleicht größere Ehrlichkeit ausweist.“ Bereits Kinzig 1996, 599: Verhängung einer ggf. etwas längeren Freiheitsstrafe sei rechtsstaatlich erträglicher als die Anordnung der zeitlich unbestimmten SV. Dessecker, ZIS 2011, 707 stellt darauf ab, dass dem allg. Vertrauensschutz damit besser Rechnung getragen werde. Die „menschenrechtliche Gesamtbilanz“, welche Pyhrr 2015, 189 anstellt, bleibt reichlich formal, deutet dennoch auf die Problematik hin, dass mit einer Sicherungsstrafe nicht viel für den Verwahrten gewonnen wäre. 198 Daher empirische Untersuchung fordernd Bartsch/Höffler, NK 2015, 223. 199 Forderungen bei Streng JZ 2011, 827 ff.; ders., StV 2013, 239; ebso. Schöch 2011, 1198 f. Zu verschiedenen Ansichten, wie konkret die Höchstfrist aussehen soll vgl. Bartsch/Höffler, NK 2015, 222: Wiedereinführung der ursprünglichen Zehn-Jahres-Frist; maximale Dauer bis zur Höhe der Freiheitsstrafe oder maximale Dauer bis zur Höhe der in der Anlassverurteilung angeordneten Strafe des schwersten Tatbestandes. Über ein abgestuftes System je nach Höhe der erkannten Strafe nachdenkend bspw. DAV, Schriftliche Stellungnahme zur Reform der SV Nr. 30/2010, S. 12. 200 Und der Ansicht, dass es sich um Polizeirecht handle, der Boden entzogen; vgl. Meier 2015a, 172 f. 201 Dazu Teil A.II.1.b); s. a. BT-Drs. 3/2150, S. 208 (StGB-E 1960). 202 DAV, Schriftliche Stellungnahme zur Reform der SV Nr. 30/2010, S. 12; Asprion, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S. 8.

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E. Abstandsgebot als Problemlöser? – Fazit und Forderungen

zung zwingt sie hingegen, auch wenn die Aufmerksamkeit aufgrund der Urteile des BVerfG und EGMR nachlässt, das Behandlungsziel konsequent(er) umzusetzen. Sprich damit wird man am ehesten die hier allgemein verstandene Forderung des BVerfG, das Handeln von Exekutive und Judikative zu determinieren und der Praxis nicht zu viele Freiräume zu überlassen, erfüllen können. Eine Höchstfrist gibt Anlass, Behandlungskonzepte zu entwickeln bzw. zu verbessern, Evaluationen und insgesamt eine Optimierung anzustreben. Zudem schafft die Befristung auch auf Seiten der Verwahrten einen gewissen Anreiz. Mehrere der in Teil B. dargestellten Untersuchungen und praktischen Berichte deuten stark darauf hin, dass gerade die unbestimmte Dauer der Sicherungsverwahrung die größte psychische Belastung darstellt und aufgrund der fehlenden Perspektive für Lethargie und Passivität sorgt. Damit könnte die Höchstfrist eine der größten Motivationen zur Mitarbeit sein. Dem Argument, dass die Frist dafür sorge, sich nicht mehr bemühen zu müssen, da man ohnehin entlassen werde, kann entgegen gehalten werden, dass fraglich ist, ob Verwahrte nach ihrer Entlassung wirklich gerne wieder inhaftiert sein wollen. Und wenn eine freiwillige Rückkehr in die Sicherungsverwahrung in Betracht gezogen wird, dann, weil das Leben in Freiheit verlernt und nicht (ausreichend) auf die Entlassung und Zeit danach vorbereitet wurde. Oder die Wiederaufnahme in die Gesellschaft scheitert allein daran, dass kein Wohnheim die Entlassenen aufnehmen möchte oder Hetzjagd gegen Entlassene betrieben wird. Keine Höchstfrist lähmt beide Seiten, Anstalt und Sicherungsverwahrte, gleichermaßen.203 Immer noch ist aufgrund der Unbestimmtheit der Maßregel die Wiedereingliederung, auf die der Sicherungsverwahrungsvollzug nun von Anfang an auszurichten ist, in Frage gestellt.204 Doch wie ist mit den Leuten umzugehen, von denen man nach zehn Jahren des Vollzuges aufgrund einer Prognose glaubt zu wissen, dass sie immer noch gefährlich sind. Zunächst gibt es keine empirischen Belege dafür, die Verwahrten seien gefährlicher geworden im Vergleich zu Zeiten, als die Höchstfrist galt. Dass man Leute entlassen müsste, von denen man (nur) vermutet, dass sie gefährlich sind, kann angesichts der angesprochenen Unsicherheit der Prognose nicht als Gegenargument gelten. Zudem sind die Möglichkeiten zur Kontrolle nach der Entlassung mittels der präventiv ambulanten Maßregel der FA deutlich verbessert worden. Diese trägt dazu bei, Personen, die lange Jahre inhaftiert und anschließend verwahrt waren, über gewisse kritische Zeiträume nach ihrer Entlassung hinweg bei ihrer Lebensgestaltung zu betreuen, zu unterstützen sowie zu überwachen, damit sie keine erheblichen Straftaten begehen.205 203 Asprion, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S.  8; in diesem Sinne DAV, Schriftliche Stellungnahme zur Reform der SV Nr. 30/2010, S. 12. 204 Holzbauer 2012, 44: Nur mit der Wiedereingliederung ist überhaupt zu verhindern, dass der Verwahrte völlig entsozialisiert wird bzw. sich kriminogene Verhaltensweisen verschärfen. 205 S. dazu BVerfGE 55, 28; s. a. Kinzig, NK 2015, 233; BT-Drs. 17/3403, S. 1 f., 13: Zielgruppe der EAÜ sind insbes. die wg. des EGMR-Urt. zu Entlassenden.

VI. Konsequenzen aus den Problemen des Abstandsgebots bei der Umsetzung

531

Darüber hinaus könnte der potentiellen Gefährlichkeit der Entlassenen damit begegnen, dass man konsequent die ambulanten forensischen Nachsorgeeinrichtungen aufbaut und von der entsprechenden Weisung des § 68 b StGB Gebrauch macht. D. h. auch in diesem Bereich würde die Höchstfrist die staatliche Seite zum Tätigwerden zwingen. Auch wenn es Kritikpunkte im Zusammenhang mit dem ambulanten Instrument in Kombination mit der elektronischen Aufenthaltsüberwachung geben mag,206 so ist doch sicher, dass es sich dabei um ein aus Sicht der Grundrechte des Betroffenen weniger eingriffsintensives Instrument als die stationäre Unterbringung handelt und ohne sie für die Öffentlichkeit eine Entlassung kaum akzeptabel wäre.207 Es gilt die einfache Erkenntnis, dass die FA „unter rechtsstaatlichen Gründen als höchst profitabel anzusehen ist, wenn mit ihr Menschen der Weg aus dem Straf- und Maßregelvollzug in ein straftatenfreies Leben bereitet werden kann“.208 Zudem muss die Sicherungsverwahrung auf Anordnungsebene weiter als bisher auf ein dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechendes und den Problematiken der Gefährlichkeitsprognose, die je länger der Vollzug dauert umso fragwürdiger wird, gerecht werdendes Maß reduziert werden.209 Denn es gilt: „Je weniger Verwahrte, umso mehr Behandlungsvollzug und umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass die latente Gefahr fehlerhaft positiver Begutachtungen auf ein unvermeidbares Minimum zurückgeführt wird.“210 Materiell-rechtlich sollte die Sicherungs 206

Drenkhahn/Morgenstern, ZStW 2012, 181 ff.; krit. zu Ausweitungen der EAÜ Erdem/ Scherzberg, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S.  26 ff.; Matt/RenzikowskiEschelbach 2013, § 68 Rn. 2 zum „ambulanten Korrelat zur Sicherungsverwahrung“; ebso. Meier 2015, 295. Zur bisher noch h. M., dass es um Hilfe und Betreuung gehe s. NK-StGB-­ Ostendorf 2013, vor §§ 68 bis 68 g Rn. 10; abgeschwächt („Tendenz einer gewissen Vorrangstellung der helfenden Betreuung“) auch LK/Schneider 2011, vor § 68 Rn.  3 sowie § 68  a Rn. 6; Kinzig, NK 2015, 233 f., der auf die ursprüngliche Gesetzesbegründung zur Einführung der FA abstellt; Streng 2012, Rn. 384: „Resozialisierungszweck zumindest gleichberechtigt neben dem Sicherungszweck“. 207 Die Kritiker der SV empfinden diese Form der Maßregel mit gutem Recht als eine den Wert der Freiheit besser berücksichtigende Form der Kontrolle durch die fortgeschrittene Zivilgesellschaft, etwa Asprion, Schriftliche Stellungnahme zum SichVAbstUmsG-E, S.  9; Baltzer, Schriftliche Stellungnahme zum HSVVollzG-E, S.  12; für einen Ausbau Möllers, ZRP 2010, 155; Meier 2015a, 180; Schöch, NK 2012, 53; Streng, JZ 2011, 835. Dass auch das BVerfG die vermehrte Anwendung der FA für angezeigt hält, dürften Entscheidungen belegen, in denen Instanzgerichte bei Fortdauerentscheidungen hins. der stationären Unterbringung nach § 66 StGB dafür gerügt wurden, dass sie es versäumt hätten zu prüfen, ob dem Sicherungsbedürfnis nicht schon mit der FA ausreichend Genüge getan worden wäre, vgl. BVerfG R&P 2013, 219 sowie BVerfG, Beschl. vom 28.3.2013 – 2 BvR 553/12 – bei juris. 208 Baur/Kinzig, Kurzbericht FA 2014, 32. 209 Baltzer, KritV 2011, 42 ff.; Kinzig, NStZ 2010, 239: „weisen die Vorgaben des EGMR einen klaren Weg: zur Rückkehr zur bis Ende der 90er Jahre über Jahrzehnte allein existierenden traditionellen Sicherungsverwahrung nach § 66 StGB“; Ullenbruch, StraFo 2010, 443 ff. Darüber hinaus sind Verbesserungen der Prognosemethoden und Erhöhung der Prognosestandards sowie Gutachten durch unabhängige Fachkommissionen oder Entscheidungen in Gremien verbindlicher voranzutreiben. 210 Nehm, LTO vom 3.6.2013; s. a. Meischner-al-Mousawi/Hinz, FS 2011, 305.

532

E. Abstandsgebot als Problemlöser? – Fazit und Forderungen

verwahrung so weit vereinfacht und begrenzt werden, wie es möglich ist. D. h. sie wäre auf die primäre Anordnungsform zurückzuführen.211 Dies hätte letztlich eine Reduzierung der Verwahrten zur Folge. Summa summarum hat das Abstandsgebot auf Dauer die Widersprüchlichkeiten des Vollzugs der Sicherungsverwahrung nicht geheilt. Letztlich kann auch das BVerfG selbst nicht gewollt haben, dass die Sicherungsverwahrung bzw. ihr Vollzug wieder verfassungswidrig würde, wenn man die Verhältnisse des Strafvollzugs verbesserte. Bleibt mit Dessecker zu hoffen, dass sich der Vollzug der­ Sicherungsverwahrung tatsächlich in einer „Übergangsphase zwischen schlichter Sicherung und einem ‚freiheitsorientierten und therapiegerichteten Vollzug‘“ befindet.212

211

Zur auch an der vorbehaltenen SV geübten Kritik vgl. Kinzig, NStZ 2010, 239; ders., NK 2010, 149; Ullenbruch, StraFo 2010, 442 f.; ausführl. Ebner 2015, 99 ff., 239 f.; zumindest für eine Beschränkung im Hinblick auf das Rückwirkungsverbot Laue, JR 2010, 204; and. ­Kreuzer, NStZ 2010, 479. Auch wird wieder darüber nachgedacht, eine Maßregel der Sozialtherapie, wie sie zur Einführung des StVollzG in § 65 StGB angedacht war, einzuführen, um die letztlich in die SV gelangende Anzahl weiter auszudünnen. Dazu ausführl. Boetticher 2012, 241 ff.; ders. 2015, 81 ff. mit dem bezeichnenden Titel „Die Idee der Wiederbelebung des alten § 65 StGB“; ebso. bspw. Konrad, R&P 2012, 2; Nedopil 2012a, 234 ff. 212 Dessecker 2016, 483.

Anhang Tabelle A1 SVVollzGe, Gesetzgebungsverfahren, Abteilungen und Konzepte Bundesland/Gesetz/ Fundstelle

Baden-Württemberg: JVollzGB V vom 20.11.2012, GBl. Nr. 17/2012, S. 581. JVollzGB V ist in 16 Abschnitte gegliedert mit insgesamt 84 Paragraphen. Darüber hinaus gilt JVollzGB I (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 4 JVollzGB I).

Eckpunkte der Gesetz­ gebungsverfahren/ Orientierung am MEoder GE-SVVollzG Schriftliches Anhörungsverfahren, bevor der JVollzGB V-E (Koalition aus BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und SPD) am 10.10.2012 ­ veröffentlicht wurde, parlamentarische Beratungen in der zweiten Hälfte des Jahres 2012, Verabschiedung frühzeitig am 14.11.2012.1

Anstalten mit SV-Abteilungen (Männer)/ Behandlungskonzepte/ Staatsverträge bzw. vollzugliche Zusammenarbeit Abteilung JVA Freiburg, Konzept: „Vorläufiges Behandlungskonzept der Abteilung für Sicherungsverwahrte (Stand Februar 2011)“.

Folgt dem GE-SVVollzG. (Fortsetzung nächste Seite)

1 Gesetzentwurf „Gesetz zur Schaffung einer grundrechtskonformen Rechtsgrundlage für den Vollzug der Sicherungsverwahrung in Baden-Württemberg“ vom 10.10.2012, BW LTDrs. 15/2450. Die schriftliche Anhörung erfolgte vom 3.8.2012–14.9.2012, vgl. dazu die wesentlichen Ergebnisse in BW LT-Drs. 15/2450, S. 97 ff. Die Stellungnahmen sind unveröffentlicht, wurden der Doktorandin vom bw JuMi zur Verfügung gestellt. Erste Lesung, BW PlPr 15/48 vom 24.10.2012, S. 2712–2718; Zweite Lesung BW PlPr 15/50 vom 14.11.2012, S. 2918– 2921; Gesetzesbeschluss vom 14.11.2012, BW LT-Drs. 15/2673.

534

Anhang

(Fortsetzung: Tabelle A1)

Bundesland/Gesetz/ Fundstelle

Bayern: BaySvVollzG vom 16.5.2013, GVBl. Nr. 10/2013, S. 275. Das BaySvVollzG verteilt 100 Artikel auf 21 Teile.2

Eckpunkte der Gesetz­ gebungsverfahren/ Orientierung am MEoder GE-SVVollzG BaySvVollzG-E (CSU) vom 1.10.2012, parlamentarisches Verfahren inkl. ­Anhörung im VF von Oktober 2012 bis Mai 2013, ­Verabschiedung am 14.5.2013.3 Folgt dem GE-SVVollzG.

Berlin: SVVollzG Bln vom 27.3.2013, GVBl. Nr. 7/2013, S. 71. 114 Paragraphen verteilen sich im SVVollzG Bln auf 21 Abschnitte.

Eckpunktepapier Bln/Bbg vom 5.1.2011,5 SVVollzG Bln-E vom 28.11.2012 (Koalition aus SPD und CDU), mündliche Anhörung im Februar 2013 und BeschlEmpf des AVRVG, Verabschiedung am 21.3.2013.6

Anstalten mit SV-Abteilungen (Männer)/ Behandlungskonzepte/ Staatsverträge bzw. vollzugliche Zusammenarbeit Abteilung JVA Straubing, Konzept: „Synopse der Hausordnungen des Strafund Sicherungsverwahrungsvollzugs der JVA Straubing“ (Stand: April 2007 und ­Oktober 2013, im Folgenden Hausordnung JVA Straubing) sowie Behandlungskonzept veröffentlicht von Endres/Breuer.4 Abteilung JVA Tegel, Konzept: „Konzept für die Unterbringung und Behandlung von Sicherungsverwahrten in der JVA Tegel ab dem 01.06.2013“ (Stand: 16.4.2013).

Folgt dem ME-SVVollzG.

2 Inzwischen ist die Therapieunterbringung in Teil 21 des BaySvVollzG „aufgegangen“, eingefügt durch das „Gesetz zur Änderung des Bayerischen Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetzes“ vom 24.6.2014, GVBl. Nr. 13/2014, S. 246; weitere kleine Änderung durch das Gesetz vom 17.7.2015, GVBl. Nr. 8/2015, S. 239. 3 „Gesetzentwurf über den Vollzug der Sicherungsverwahrung (Bayerisches Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz – BaySvVollzG)“ vom 1.10.2012, Bay LT-Drs. 16/13834. Erste Lesung, Bay PlPr 16/109 vom 17.10.2012, S. 10120–10125; Beratung und Anhörung im VF am 7.2.2013, 16/92 VF; BeschlEmpf mit Bericht des VF vom 25.04.2013, Bay LT-Drs. 16/16604 mit Übersicht der Änderungsanträge; Zweite Lesung, Bay PlPr 16/126, S. 11849–11862 und Beschluss, Bay LT-Drs. 16/16828, jeweils vom 16.5.2013. 4 Die JVA Straubing meldete sich trotz wiederholter Bitte nicht zurück und übersandte kein Konzept. Das bayerische Behandlungskonzept findet sich jedoch bei Endres/Breuer, FS 2011, 286 ff. 5 Kurz nach dem EGMR-Urt. wurde mit der Arbeit an den „Eckpunkten für den Vollzug der Sicherungsverwahrung der Arbeitsgruppe Sicherungsverwahrung Berlin-Brandenburg“ begonnen, fertig gestellt am 5.1.2011 (im Folgenden: Eckpunktepapier Bln/Bbg 2011).

Anhang

Bundesland/Gesetz/ Fundstelle

Brandenburg: BbgSVVollzG vom 25.4.2013, GVBl. I Nr. 17/2013.7 21 Abschnitte umfassen insgesamt 127 Paragraphen.

Eckpunkte der Gesetz­ gebungsverfahren/ Orientierung am MEoder GE-SVVollzG Eckpunktepapier Bln/Bbg 2011; BbgSVVollzG-E vom 18.12.2012 (Koalition aus SPD und DIE LINKE), Verabschiedung am 25.4.2013 nach Anhörung im RA.8 Folgt dem ME-SVVollzG.

535 Anstalten mit SV-Abteilungen (Männer)/ Behandlungskonzepte/ Staatsverträge bzw. vollzugliche Zusammenarbeit Abteilung JVA Brandenburg a. d. H., Konzept: „Rahmenkonzep­ tion für einen freiheitsori­ entierten und therapiegerichteten Sicherungsverwahrungsvollzug im Land Brandenburg“ (Stand: 13.7.2013),9 Staatsvertrag zwischen Bbg und M-V vom 10.7.2014.10 (Fortsetzung nächste Seite)

6 Entwurf vom 28.11.2012, Bln LT-Drs. 17/0689: „Gesetz über den Vollzug der Sicherungsverwahrung in Berlin (Berliner Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz  – SVVollzG Bln)“. Erste Lesung, Bln PlPr 17/22 vom 13.12.2012, S. 2205; zur Anhörung vgl. Wortprotokoll Recht 17/19 vom 13.2.2013; zur Beratung des AVRVG vgl. das Wortprotokoll Recht 17/21, Sitzung vom 13.3.2013 sowie das BePr Recht 17/21 vom 13.3.2013; BeschlEmpf vom 21.3.2013, Bln LT-Drs. 17/0900; Verabschiedung in Bln PlPr 17/29 vom 21.3.2013, S. 2780. 7 Erste Änderung durch den Gesetzentwurf „Gesetz über den Vollzug des Jugendarrestes im Land Brandenburg und zur Änderung weiterer Gesetze“ vom 20.3.2014, Bbg LT-Drs. 5/8733, S. 25; Bbg PlPr 5/91 vom 2.4.2014, S. 7389–7394; BeschlEmpf und Bericht des RA vom 23.6.2014, Bbg LT-Drs. 5/9165; Bbg PlPr 5/95 vom 25.6.2014 und BePr 5/95; zu den Änderungen vgl. auch GVBl. I 2014, Nr. 34. 8 Entwurf „Gesetz über den Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im Land Brandenburg (Brandenburgisches Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz – BbgSVVollzG)“ vom 18.12.2012, Bbg LT-Drs. 5/6599; Erste Lesung, Bbg PlPr 5/69 vom 23.1.2013, S. 5649– 5655; Zweite Lesung Bbg PlPr 5/76 vom 25.04.2013, S. 6138–6143; BePr 5/76 vom 25.4.2013, S. 2; Anhörung von Sachverständigen und Vertretern betroffener Interessen in der 38. Sitzung des RA am 21.2.2013, P-RA 5/38, S. 56–81; Beratungen im RA am 14.3.2013, P-RA 5/39, S. 3, 5 f. sowie am 18.4.2013, P-RA 5/40, S. 3 f., 15–17 und 69–90; BeschlEmpf und Bericht des RA vom 22.4.2013, Bbg LT-Drs. 5/7135; weitere Änderungsanträge in Bbg LT-Drs. 5/7198. 9 Ergänzt wird das Konzept durch eine Übersicht zur SV im Land Bbg, Stand: 28.4.2014 sowie einem Wochenplan der „Besprechungen & Behandlungsgruppen“. Das Eckpunktepapier Bln/Bbg 2011 wurde ebenfalls berücksichtigt, vgl. dazu Konzept JVA Bbg a. d. H., S. 14. 10 „Entwurf eines Gesetzes zu dem Staatsvertrag zwischen dem Land Brandenburg und dem Land Mecklenburg-Vorpommern über die Bildung eines Vollzugsverbundes in der Siche­ rungsverwahrung“ vom 25.3.2014, M-V LT-Drs. 6/2814, S. 2; vgl. auch Bbg GVBl. I 2014, Nr. 40.

536

Anhang

(Fortsetzung: Tabelle A1)

Bundesland/Gesetz/ Fundstelle

Bremen: BremSVVollzG vom 21.5.2013, GBl. Nr. 32/2013, S. 172. 133 Paragraphen verteilen sich auf 13 Abschnitte.

Eckpunkte der Gesetz­ gebungsverfahren/ Orientierung am MEoder GE-SVVollzG

Anstalten mit SV-Abteilungen (Männer)/ Behandlungskonzepte/ Staatsverträge bzw. vollzugliche Zusammenarbeit

BremSVVollzG-E (Koalition Abteilung JVA Rosdorf, aus SPD und ­BÜNDNIS 90/ Konzept s. Nds. DIE GRÜNEN) vom 29.1.2013, Behandlung im RA im März 2013 und Verabschiedung am 15.5.2013.11 Folgt dem ME-SVVollzG.

Hamburg: HmbSVVollzG vom 21.5.2013, GVBl. Nr. 19/2013, S. 211. Das HmbSVVollzG enthält 115 Paragraphen, verteilt auf vier Teile und insgesamt unterschiedlich großen Abschnitten.

HmbSVVollzG-E (sehr spät) vom 5.2.2013 (SPD), mündlich durchgeführte Anhörung am 2.4.2013 des AJDG, Verabschiedung am 15.5.2013.12

Folgt dem GE-SVVollzG.

Abteilung JVA Fuhlsbüttel, Konzept: „Sicherungsverwahrung in der JVA Fuhlsbüttel. Konzeption für die Unterbringung und Behandlung von Sicherungsverwahrten und Strafgefangenen mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung“ (Stand:1.2.2014), Staatsvertrag zwischen S-H und Hamburg vom 15.5.201313.

11 „Entwurf eines Bremischen Gesetzes über den Vollzug der Sicherungsverwahrung (Bremisches Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz – BremSVVollzG)“ vom 29.1.2013, Brem LTDrs. 18/749; Erste Lesung, Brem PlPr 18/35 vom 20.2.2013, S. 2431; Behandlung im RA am 6.3.2013, APr A/RA 18/18; Zweite Lesung, Brem PlPr 18/41 vom 15.5.2013, S. 2861 f. 12 „Entwurf eines Gesetzes über den Vollzug der Sicherungsverwahrung und zur Anpassung bzw. Änderung des Hamburgischen Strafvollzugsgesetzes (HmbStVollzG)“ vom 5.2.2013, Hmb LT-Drs. 20/6795; s. a. Pr AJDG Nr. 20/22 NEUF; zu Änderungsanträge vgl. Hmb LT-Drs. 20/7707, S. 2; Hmb LT-Drs. 10/7967; Verabschiedung am 15.5.2013, Hmb PlPr 20/59, S. 4530–4542. 13 „Entwurf eines Gesetzes zum Staatsvertrag“, Hmb LT-Drs. 20/6863 mit dem Staatsvertrag auf S. 6 f.; Erste Lesung, Hmb PlPr 20/53 vom 27.2.2013, S. 4088–4093; Zweite Lesung, Hmb PlPr 20/60, S. 4642 f., zu Folgen und Kosten der Zusammenarbeit s. Hmb LT-Drs. 20/6506.

537

Anhang

Bundesland/Gesetz/ Fundstelle

Hessen: HSVVollzG vom 5.3.2013, GVBl. Nr. 4/2013, S. 46. 80 Paragraphen verteilen sich auf 17 Abschnitte.

Mecklenburg-Vorpommern: SVVollzG M-V vom 7.5.2013, M-V GVBl. Nr. 9/2013, S. 348. Insgesamt 121 Paragraphen sind in 21 Abschnitte gegliedert.

Eckpunkte der Gesetz­ gebungsverfahren/ Orientierung am MEoder GE-SVVollzG

Anstalten mit SV-Abteilungen (Männer)/ Behandlungskonzepte/ Staatsverträge bzw. vollzugliche Zusammenarbeit

HSVVollzG-E vom 28.8.2012 (Koalition aus CDU und FDP), mündliche Anhörung im November 2012 und Verabschiedung im Parlament im Februar 2013.14

Abteilung JVA Schwalmstadt,

Folgt dem GE-SVVollzG.

Staatsvertrag zwischen Hessen und Thüringen vom 25.3.201315.

SVVollzG M-V-E (Koalition aus SPD und CDU), parlamentarisches Verfahren: Erste Lesung am 30.1.2013, Anhörung im RA am 6.3.2013, Verabschiedung am 24.4.2013.16

Abteilung JVA Bützow,

Folgt dem ME-SVVollzG.

Konzept: „Konzeption der Sicherungsverwahrung in der JVA Schwalmstadt“ (Stand: 23.12.2014),

Konzept: „Abteilung für Sicherungsverwahrung in der JVA Bützow. Konzept“ (Stand: 2013), Staatsvertrag zwischen Bbg und M-V vom 10.7.2014 (s. o.). (Fortsetzung nächste Seite)

14 „Zweites Gesetz zur Schaffung und Änderung hessischer Vollzugsgesetze“ vom 28.8. 2012, H LT-Drs. 18/6068, S. 5, 37, 43, 48; Erste Lesung, H PlPr 18/115 vom 5.9.2012, S. 7963– 7969; öffentliche Anhörung vom 28.11.2012, RIA/18/48-UJV/18/37; Änderungsanträge in H LT-Drs. 18/6892 und H LT-Drs. 18/6911; BeschlEmpf des RA vom 7.2.2013, H LT-Drs. 18/6972; Zweite Lesung und Verabschiedung, H PlPr 18/131 vom 27.2.2013, S. ­9252–9260. 15 Gesetzentwurf vom 8.3.2013, Thür LT-Drs. 5/5817; H LT-Drs. 18/7008; Thür PlPr 5/113 vom 21.3.2013, S.  10789–10794; ratifiziert wurde der Staatsvertrag in H mit Gesetz vom 25.3.2013, H GVBl. 2013, S. 116, in Thür mit Gesetz vom 10.4.2013, Thür GVBl. 2013, S. 102. 16 „Entwurf eines Gesetzes über den Vollzug der Sicherungsverwahrung in MecklenburgVorpommern (Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz Mecklenburg-Vorpommern – SVVollzG M-V)“ vom 15.1.2013, M-V LT-Drs. 6/1476; Erste Lesung, M-V PlPr 6/34 vom 30.1.2013, S. 10–16; zur mündlichen Anhörung am 6.3.2013 s. das APr 6/34 vom 6.3.2013; BeschlEmpf und Bericht des RA vom 17.4.2013, M-V LT-Drs. 6/1776; BePr 6/39 vom 24.4.2013, S. 6; zu Änderungsanträgen M-V LT-Drs. 6/1792, M-V LT-Drs. 6/1795; Zweite Lesung und Verabschiedung, M-V PlPr 6/39 vom 24.4.2013, S. 32–41.

538

Anhang

(Fortsetzung: Tabelle A1)

Bundesland/Gesetz/ Fundstelle

Eckpunkte der Gesetz­ gebungsverfahren/ Orientierung am MEoder GE-SVVollzG

Niedersachsen: Nds. SVVollzG vom 12.12.2012, Nds. GVBl. Nr. 32/2013, S. 566.

2010: Nds. JuMi entwickelte federführend den „Kriterienkatalog zum Vollzug der ­ Sicherungsverwahrung“, Nds. SVVollzG-E (Koalition aus SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) vom 6.6.2012, Anhörung sach­verständiger Experten im ARV und Ver­ abschiedung am 5.12.2012.17

Das Nds. SVVollzG enthält 126 Paragraphen, die sich auf 18 Kapitel verteilen.

Anstalten mit SV-Abteilungen (Männer)/ Behandlungskonzepte/ Staatsverträge bzw. vollzugliche Zusammenarbeit Abteilung JVA Rosdorf, Konzept: „Konzept der Abteilung Sicherungsverwahrung der JVA Rosdorf“ (Stand: 5.12.2013).

Folgt dem GE-SVVollzG.

17 Den Kriterienkatalog vom 30.11.2010 haben bis auf Bremen alle Bundesländer unter Federführung von Nds. im Auftrag der JuMiKo entwickelt (unveröffentlicht, zur Verfügung gestellt vom MJ); zum Inhalt vgl. Grote, KrimPäd 2013, 23; zum Gesetzgebungsverfahren allg. ders. 2015, 195 ff. Der Entwurf „Gesetz zur Neuregelung des Vollzuges der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in Niedersachsen“ stammt vom 6.6.2012, Nds. LT-Drs. 16/4873; Erste Lesung, Nds.  PlPr  6/138 vom 20.6.2012, S.  17942–17953; Anhörung des ARV am 5.9.2012, ARV PR 16/123&124; zu Änderungsvorschlägen s.  BeschlEmpf des ARV, Nds. LT-Drs.  16/5466; Zweite Lesung und Verabschiedung am 5.12.2012, Nds.  PlPr 16/151, S. 19756–19763.

Anhang

Bundesland/Gesetz/ Fundstelle

Nordrhein-Westfalen: SVVollzG NRW vom 30.4.2013, GVBl. Nr. 14/2013, S. 212. Insgesamt 113 Paragraphen verteilen sich im SVVollzG NRW auf 19 Abschnitte.

Eckpunkte der Gesetz­ gebungsverfahren/ Orientierung am MEoder GE-SVVollzG SVVollzG NRW-E vom 14.11.2012 (Koalition aus SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), Anhörung im RA am 20.2.2013 und Verabschiedung am 24.4.2013.18 Folgt dem GE-SVVollzG.

539 Anstalten mit SV-Abteilungen (Männer)/ Behandlungskonzepte/ Staatsverträge bzw. vollzugliche Zusammenarbeit Abteilung JVA Werl (teilweise JVA Aachen), Konzept: „Konzeption für die sozialtherapeutische Behandlung im Rahmen des Vollzugs der Sicherungsverwahrung in NRW am Standort Werl“ (Stand: unbekannt) sowie „Konzept eines behandlungsorientierten Strafvollzugs für Strafgefangene mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt Werl“ (Stand: August 2013); für den Regelvollzugsbereich wird laut Auskunft der JVA das Konzept erst entwickelt. (Fortsetzung nächste Seite)

18 Gesetzentwurf „Gesetz zur Regelung des Vollzuges der Sicherungsverwahrung in Nordrhein-Westfalen“ vom 14.11.2012, NRW LT-Drs. 16/1435, S.  55; Erste Lesung, NRW PlPr 16/16 vom 30.11.2012, S. 1142–1148; Anhörung im RA vom 20.2.2013, APr 16/167, S. 2 ff.; BeschlEmpf vom 19.4.2013, NRW LT-Drs.  16/2645; Änderungsanträge in NRW LT-Drs. 16/2714; Zweite Lesung, NRW PlPr 16/27 vom 24.4.2013, S. 2372.

540

Anhang

(Fortsetzung: Tabelle A1)

Bundesland/Gesetz/ Fundstelle

Rheinland-Pfalz: LSVVollzG vom 8.5.2013, GVBl. Nr. 7/2013, S. 79. Das LSVVollzG enthält 107 Paragraphen, die sich auf 20 Abschnitte verteilen.

Eckpunkte der Gesetz­ gebungsverfahren/ Orientierung am MEoder GE-SVVollzG LSVVollzG-E vom 18.12.2012 (Koalition aus SPD und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN), Verabschiedung am 24.4.2013 nach Beratungen im RA im Februar 2013.19 Folgt dem ME-SVVollzG.

Anstalten mit SV-Abteilungen (Männer)/ Behandlungskonzepte/ Staatsverträge bzw. vollzugliche Zusammenarbeit Abteilung JVA Diez, Konzept: JVA Diez/RlP lehnte die Übersendung ab; Entwurf der Hausordnung in der Stellungnahme der Bundesregierung zum Besuch des CPT im Jahre 2013 sowie Folienpräsentation der Stellvertretenden Anstaltsleiterin Heinrichs i. R. d. Tagung „Forum Sicherungsverwahrung“ im Jahre 2012,20 Verwaltungsvereinbarung zwischen dem Saarland und RlP.21

Saarland: SLSVVollzG vom 15.5.2013, Amtsblatt I Nr. 11/2013, S. 146. Lediglich 24 Paragraphen verteilen sich auf fünf Abschnitte.

SLSVVollzG-E vom 13.3.2013 (Koalition aus CDU und SPD), größtenteils gilt LSVVollzG, Nach Anhörung im VR im April 2013, Verabschiedung am 15.5.2013.22

Abteilung JVA Diez (derzeit 1 SV im Saarland!), kein Konzept bzw. s. RP, Verwaltungsvereinbarung zwischen dem ­Saarland und RP (s. o.).

Folgt dem ME-SVVollzG.

19

Gesetzentwurf „Landesgesetz zur Weiterentwicklung von Justizvollzug, Sicherungsverwahrung und Datenschutz“ vom 18.12.2012: RlP LT-Drs. 16/1910. Erste Lesung, RlP PlPr 16/43 vom 31.1.2013, S. 2631–2642; Anhörung im RA am 25.2.2013, APr 16/19; BeschlEmpf des RA vom 18.4.2013, RlP LT-Drs. 16/2243; zu Änderungsanträgen RlP LT-Drs. 16/2256; Zweite Lesung und Verabschiedung, RlP PlPr 16/48 vom 24.4.2013, S. 2900–2910. 20 Vgl. CPT/Inf (2014) 24, Anhang S. 43. ff. (Hausordnung JVA Diez, S. 1–12); Konzept JVA Diez, Folien 2–21 zur bisherigen Situation, Folien 22 ff. zur Neukonzeption; s. a. Pyhrr 2015, 309, 332 ff., 347 f.; 355, 362. 21 Vgl. dazu SL LT-Drs. 15/387, S. 18. 22 Entwurf „Gesetz zum Vollzug der Sicherungsverwahrung im Saarland (Saarländisches Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz  – SLSVVollzG)“ vom 13.3.2013, SL LT-Drs. 15/387;

541

Anhang

Bundesland/Gesetz/ Fundstelle

Sachsen: SächsSVVollzG vom 16.5.2013, GVBl. 2013, S. 294. Das SächsSVVollzG umfasst 121 Paragraphen in 20 Teilen. Sachsen-Anhalt: SVVollzG LSA vom 13.5.2013, GVBl. 2013, Nr. 13/206. Teil 1 zum SV-Vollzug enthält 117 Paragraphen verteilt auf 21 Abschnitte, drei weitere Teile enthalten insgesamt 16 Paragraphen (insbes. zur vorausgehenden Strafhaft).

Eckpunkte der Gesetz­ gebungsverfahren/ Orientierung am MEoder GE-SVVollzG SächsSVVollzG-E vom 27.12.2012 (Koalition aus CDU und FDP), nach Anhörung im VREA im Februar 2013 Verabschiedung am 16.5.2013.23 Folgt dem GE-SVVollzG. SVVollzG LSA-E (CDU) vom 5.12.2012 orientierte sich trotz der anfänglichen Be­teiligung nicht mehr an dem MESVVollzG-E, Verabschiedung am 26.4.2013 auf ­ Grundlage der BeschlEmpf des REV nach vorheriger ­ Expertenanhörung,24

Anstalten mit SV-Abteilungen (Männer)/ Behandlungskonzepte/ Staatsverträge bzw. vollzugliche Zusammenarbeit Abteilung JVA Bautzen, Konzept: „Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt Bautzen. Konzept“ (Stand: November 2012). Abteilung JVA Burg, Konzept: „Konzeption zur Ausgestaltung der Sicherungsverwahrung in der Justizvollzugsanstalt Burg“ (Stand: 2014).

Folgt dem GE-SVVollzG. (Fortsetzung nächste Seite)

Erste Lesung, SL PlPr 15/13 vom 20.3.2013, S. 973–985; Anhörung in der 21. Sitzung des VR am 11.4.2013, VR 15/21; zur Auswertung und Abstimmung des VR s. VR 15/22–VR 15/24; Zweite Lesung und Verabschiedung, SL PlPr 15/15 vom 15.5.2013, S. 1124–1130. 23 Entwurf „Gesetz über den Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung im Freistaat Sachsen (Sächsisches Sicherungsverwahrungsvollzugsgesetz  – SächsSVVollzG)“ vom 27.12.2012, Sächs LT-Drs. 5/10937; zur Anhörung s.  das Wortprotokoll VREA, Apr 5/1–45 A-2; BeschlEmpf und den Bericht des VREA vom 14.5.2013, Sächs LT-Drs. 5/11895; Verabschiedung, Sächs PlPr 5/77 vom 16.5.2013, S. 7962. 24 „Entwurf eines Gesetzes über den Vollzug der Sicherungsverwahrung in Sachsen-Anhalt, verbunden mit dem Entwurf zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Therapieunterbringungsgesetzes in Sachsen-Anhalt“ vom 5.12.2012, LSA LT-Drs. 6/1673; Erste Lesung, LSA PlPr 6/36 vom 13.12.2012, S.  2994–3000; zur öffentlichen Anhörung in der 22.  Sitzung am 25.1.2013 des REV vgl. 6/REV/22; BeschlEmpf des REV, LSA LT-Drs. 6/1973 vom 10.4.2013; Änderungsanträge in LSA LT-Drs. 6/1973; Zweite Lesung und Verabschiedung, LSA PlPr 6/44 vom 26.4.2013, S. 3681–3688.

542

Anhang

(Fortsetzung: Tabelle A1)

Bundesland/Gesetz/ Fundstelle

Schleswig-Holstein: SVVollzG SH vom 15.5.2013, SH GVBl. Nr. 7/2013, S. 169. Das SVVollzG SH besteht aus 121 Paragraphen und ist in 21 Abschnitte unterteilt.

Eckpunkte der Gesetz­ gebungsverfahren/ Orientierung am MEoder GE-SVVollzG

Anstalten mit SV-Abteilungen (Männer)/ Behandlungskonzepte/ Staatsverträge bzw. vollzugliche Zusammenarbeit

SVVollzG SH-E ( Koalition aus SPD, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und SSW) vom 9.1.2013, Beratungen im RA und Ver­abschiedung am 24.4.2013.25

Abteilung JVA Fuhlsbüttel, nur in Einzelfällen in der JVA Lübeck,

Folgt dem ME-SVVollzG.

Konzept: JVA Lübeck meldete sich trotz ­wiederholter Bitte nicht zurück und übersandte kein Konzept, im Übrigen s. Hamburg, Staatsvertrag zwischen S-H und Hamburg vom 15.5.201326.

25 „Entwurf eines Gesetzes über den Vollzug der Sicherungsverwahrung und zur Änderung weiterer Gesetze“ vom 9.1.2013, SH LT-Drs. 18/448; Erste Lesung, SH PlPr 18/17 vom 24.1.2013, S.  1260–1271; zur Anhörung vgl. die Niederschrift der 28.  Sitzung des SH RA am 10.4.2013, SH RA 18/28; zu den schriftlichen Stellungnahmen s.  SH Umdruck 18/923, 932, 949, 972, 983, 991, 995, 997 f., 1000 f., 1011 (neu), 1012, 1051, 1061 und 1087; zum Abschluss der Beratungen s.  SH RA 18/29; zu Änderungsanträgen s.  SH Umdruck 18/1098, 18/1100 und 18/1101; Zweite Lesung und Verabschiedung, SH PlPr 18/24 (neu) vom 24.4.2013, S. 1929 f. 26 Vgl. dazu SH PlPr 18/17, S. 1261 f.; zum Gesetzentwurf vgl. SH LT-Drs. 18/512; Beratung im RA, SH Umdruck 18/904; BeschlEmpf und Bericht, SH LT.-Drs. 18/722; veröffentlicht in SH GVBl. 2013, S. 200 f.

Anhang

Bundesland/Gesetz/ Fundstelle

Thüringen: ThürSVVollzG vom 23.5.2013, GVBl. Nr. 4/2013, S. 121.27. Das ThürSVVollzG ist in 16 Abschnitte unterteilt und enthält 75 Paragraphen.

Eckpunkte der Gesetz­ gebungsverfahren/ Orientierung am MEoder GE-SVVollzG ThürSVVollzG-E sehr spät vom 13.3.2013 (Koalition aus CDU und SPD), orientierte sich trotz der anfänglichen Beteiligung nicht mehr an dem MESVVollzG-E, Schriftliches Anhörungsverfahren, Verabschiedung am 22.5.2013.28 Folgt dem GE-SVVollzG.

543 Anstalten mit SV-Abteilungen (Männer)/ Behandlungskonzepte/ Staatsverträge bzw. vollzugliche Zusammenarbeit Abteilung JVA Schwalmstadt, nur i. R. d. SothA in der JVA Tonna, Konzept: „Behandlungskonzept für Gefangene mit angeordneter oder vorbehaltener Sicherungsverwahrung und Konzept der ­Sozialtherapeutischen Abteilung in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Tonna“ (Stand: 2.10.2013), Staatsvertrag zwischen Thüringen und Hessen vom 25.3.2013 (s. o.).

27

Erste Änderung wg. Verweisen auf das ThürJVollzGB: Letzte Änderung: §§ 39, 49 ge­ ändert, § 58 neu gefasst, §§ 48, 59 aufgehoben durch Gesetz vom 27.  Februar 2014, GVBl. 2014, S. 46. 28 „Gesetz zur Schaffung und Änderung der für Thüringen geltenden Vollzugsgesetze“ vom 13.3.2013, LT.-Drs. 5/5843: zum ThürErgVollzG vgl. Thür PlPr 5/118 vom 22.5.2013, S.  11290–11301; Erste Lesung des ThürSVVollzG-E, Thür PlPr 5/113 vom 21.3.2013, S. 10824–10834; nur schriftliche Anhörung; BeschlEmpf des RA vom 15.5.2013, Thür LTDrs. 5/6091; Zweite Lesung und Verabschiedung, Thür PlPr 5/118 vom 22.5.2013.

544

Anhang Tabelle A2 Beschränkungen der Rechte der Verwahrten nach dem Nds. SVVollzG

Verzicht auf Generalordnungsklausel im Nds. SVVollzG: Abgestufte Beschränkungen bei Sicherheit der Anstalt bzw. Gefährdung des Vollzugsziels sowie verschieden konkretisierten Störungen des Zusammenlebens § 22 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 Nds. SVVollzG: Bewegungsfreiheit • Beschränkungen der Bewegungsfreiheit und Nutzung der Gemeinschaftsbereiche, wenn zur Abwehr „unzumutbarer Störungen anderer Sicherungsverwahrter, Justizvollzugsbediensteter oder sonstiger Personen unerlässlich“. § 35 Abs. 5 S. 1 und S. 2 Nds. SVVollzG: Andere Formen der Telekommunikation • Andere Formen der Telekommunikation „sind vom Fachministerium zuzulassen, wenn diese die Sicherheit der Anstalt nicht gefährden.“ Hingegen hat die Vollzugsbehörde dem SV „die Nutzung zu gestatten, wenn dadurch die Sicherheit der Anstalt oder die Erreichung des Vollzugsziels des § 2 Abs. 1 nicht gefährdet wird“. § 36 Abs. 4 Nds. SVVollzG: Pakete • Überprüfung des Inhalts/Untersagung des Versandes, wenn „aus Gründen der Sicherheit“ oder „zur Vermeidung eines schädlichen Einflusses auf die oder den Verletzten einer Straftat“ der Verwahrten „erforderlich“. § 56 Abs. 3 Nds. SVVollzG: Religiöse Veranstaltungen • Ausschluss, wenn aus „überwiegenden Gründe der Sicherheit“ und „schwer wiegende Störung“ des Gottesdienstes/der religiösen Veranstaltung „erforderlich“. § 58 Abs. 3 Nds. SVVollzG: Gesundheitsschutz29 • Verwahrte haben Maßnahmen zum Gesundheitsschutz und zur Hygiene zu unterstützen, die „aus Gründen der Sicherheit“ oder zur Abwehr „unzumutbarer Störungen“ anderer „unerlässlich“ sind. § 67 Abs. 3 S. 3 Nds. SVVollzG: Zeitungen und Zeitschriften • Vorenthaltung, wenn sie das Vollzugsziel oder die Sicherheit der Anstalt „erheblich gefährdeten“.

29

Auf die vertiefte Darstellung der Gesundheitsfürsorge wird aus Platzgründen verzichtet. Angemerkt sei, dass sich vorwiegend die 8er-Gruppe für die Möglichkeit, externe Ärzte beizuziehen, entschieden hat (vgl. z. B. § 67 Abs. 3 S. 1 SVVollzG Bln). Im HmbSVVollzG besteht diese Möglichkeit bspw. nicht, wobei sich die Gesetzesbegründung wie ein Vorschlag zur Abschaffung der freien Arztwahl in der gesamten Gesellschaft liest (vgl. Hmb LT-Drs.  20/6795, S.  67: „ließe sich nur durch erhebliche Mehrkosten und Mehraufwand umsetzen, ohne dass eine Steigerung der Qualität der ärztlichen Versorgung zu erwarten wäre.“). Die freie Arztwahl zuzulassen ist jedenfalls eine deutliche Anpassung an das Leben außerhalb des Vollzugs und wurde daher in den Gesetzgebungsverfahren teilweise kontrovers diskutiert, krit. etwa Schwerdtfeger (Forensik) in der Anhörung zum BremSVVollzG-E, APr A/RA 18/18, S. 462 f.; diese fordernd hingegen Bahl (Straffälligenhilfe), ebda., S. 460.

545

Anhang

Verzicht auf Generalordnungsklausel im Nds. SVVollzG: Abgestufte Beschränkungen bei Sicherheit der Anstalt bzw. Gefährdung des Vollzugsziels sowie verschieden konkretisierten Störungen des Zusammenlebens § 68 S. 3 Nds. SVVollzG: Hörfunk und Fernsehen • Vorübergehende Untersagung/Aussetzung, wenn „zur Aufrechterhaltung der Sicherheit“ oder „zur Abwehr unzumutbarer Störungen“ anderer SV „unerlässlich“, • Ebso. in LSA die Rede von „unzumutbarer Störung“ anderer. Im Übrigen regelmäßig Beschränkungen, wenn es „aus Gründen der Sicherheit“ entweder „erforderlich ist“ oder diese „nicht entgegenstehen“30; nur in einzelnen Fällen „aus überwiegenden Gründen der Sicherheit“. Tabelle A3 Umgang mit dem Begriff der Ordnung schwerwiegende Störung der Ordnung, schwerwiegende Gründe der Ordnung oder Gefährdung der Ordnung in schwerwiegender Weise

Generalklausel: • Generalklausel i. R. d. Stellung der Untergebrachten: alle SVVollzGe. Bewegung, Verpflegung, Besuche, Gegenstände und Arbeit: • Beschränkungen Bewegungsfreiheit: BW; Berlin; Brandenburg; Bremen; Hamburg; Hessen/ Thüringen; M-V; NRW; RlP/Saarland; LSA, • Untersagung Selbstverpflegung: BW; Bayern; Berlin; Bremen; Hessen/Thüringen; M-V; NRW; RlP/Saarland; Sachsen; LSA, • Untersagung/Beaufsichtigung von und Übergabe Gegenstände bei Besuchen: Brandenburg, • Untersagung Gegenstände allgemein und bzgl. Ausstattung Zimmer: Bayern; Brandenburg; Hessen/Thüringen; Hamburg; LSA, • Ausschluss Gegenstände vom Einkauf: Brandenburg; M-V; LSA, • Ausschluss Gegenstände vom Paketversand: Hessen/Thüringen bzw. Untersagung Schriftwechsel/Anhalten Schreiben/Ausnahme einzelner Gegenstände usw. vom Paketempfang: Brandenburg, • Versagung/Widerruf der Erlaubnis für Annahme/Besitz/Weitergabe von Gegenständen: NRW, • Ablösung Arbeit: Hessen/Thüringen. Besonderheit im SVVollzG SH: Alle Beschränkungsmöglichkeiten31 aufgrund der Ordnung der Einrichtung immer nur bei schwerwiegenden Störungen/Gefahren/in schwerwiegender Weise. (Fortsetzung nächste Seite) 30 Über die in der Tab. genannten Beschränkungen enthalten weitere §§ des Nds. SVVollzG solche „aus Gründen der Sicherheit“, z. B. § 5 S. 2 (Generalklausel i. R. d. allg. Rechtsstellung); § 58 Abs. 2 (Behandlung durch Arzt nach eigener Wahl) oder § 66 Abs. 3 S. 3 (Neue Medien, soweit mit Sicherheit vereinbar). 31 Es finden sich auch hier die üblichen Beschränkungen in folgenden Bereichen: Bewegungsfreiheit; Selbstverpflegung; Selbstbeschäftigung; Untersagung/Durchführung Besuche,

546

Anhang

(Fortsetzung: Tabelle A3)

überwiegende Gründe der Ordnung

• Ausschluss von Gottesdiensten/religiösen Veranstaltungen: BW; Bayern; Berlin, Brandenburg; Bremen; Hamburg; Hessen/Thüringen; M-V; NRW; RlP/Saarland. erhebliche Gefahr für die Ordnung oder in erheblicher Weise die Ordnung gefährdet

• Verlegung/Überstellung: BW; Bayern; Hamburg; Hessen/Thüringen; NRW; LSA, • Vorenthaltung/Entzug einzelner Ausgaben/Teile von Zeitungen und Zeitschriften: Berlin, Bremen; NRW. Gefährdung der Ordnung

• Einschränkung der Bewegungsfreiheit: BaySvVollzG, • Besuche • Untersagung von Besuchen: BW; Bayern; Berlin; Bremen; Hamburg; Hessen/Thüringen; M-V; NRW; RlP/Saarland; Sachsen; LSA, • Beaufsichtigung/Überwachung usw. von Besuchen: BW; Bayern; Bremen; Hamburg; Hessen/Thüringen (offene und im Einzelfall optische, ggf.  mit Aufzeichnung); M-V; NRW (optisch); RlP/Saarland; Sachsen; LSA, • Akustische Überwachung Besuche nur bei konkreten Anhaltspunkten einer Gefahr der Ordnung in NRW; in Sachsen Überwachung von Gesprächen aus Gründen der Ordnung; LSA, • Übergabe von Unterlagen/Gegenständen durch RA usw. kann von Erlaubnis des Anstaltsleiters abhängig gemacht werden: BW; Bayern; Berlin; Bremen; M-V; NRW; RlP/ Saarland; Sachsen; LSA, • Durchsuchung/Absuchen Besucher: BW; Bayern; Hamburg; NRW, • Abbruch von Besuchen: SVVollzG NRW, • Einrichtung einer Trennvorrichtung/-scheibe: Hamburg; LSA. • Schriftwechsel, Pakete, Telekommunikation • Untersagung des Schriftwechsels bzw. Anhalten von Schreiben; ggf. keine Mitteilung/ Weitergabe: BW; Bayern; Berlin; Bremen; Hamburg; Hessen/Thüringen; M-V; NRW; RlP/Saarland; Sachsen; LSA, • Überwachung des Schriftwechsels: BW; Hamburg; Hessen/Thüringen; NRW (inhaltliche); Sachsen; LSA, • Vorübergehende Untersagung des Paketempfangs, wenn unerlässlich: Bayern; Berlin; Brandenburg; Bremen; M-V; RlP/Saarland; Sachsen; LSA, • Ausnahme einzelner Gegenstände usw. vom Paketempfang: BW; Bayern; Berlin; Bremen; Hamburg; M-V; NRW; RlP/Saarland; LSA, • Überprüfung der vom Untergebrachten versendeten Pakete: BW, Bayern; Berlin; Brandenburg; Bremen; Hessen/Thüringen; M-V; Sachsen; LSA,

Untersagung Schriftwechsel; Anhalten von Schreiben; andere Telekommunikationsformen; vorübergehende Untersagung des Paketempfangs/Ausnahme einzelner Gegenstände/Überprüfung versendeten Pakets; Untersagung von Gegenständen allg. und bzgl. der Ausstattung des Zimmers; Ausschluss vom Einkauf; Vorenthaltung/Entzug einzelner Ausgaben/Teile von Zeitungen und Zeitschriften; Ausschluss von Gottesdiensten/religiösen Veranstaltungen.

Anhang

547

Gefährdung der Ordnung

• Untersagung Paketversands: BW; Bayern; Hamburg; NRW; RlP/Saarland; Sachsen; LSA, • Überwachung Telekommunikation: NRW; bzgl. Telefongesprächen im Übrigen gelten in den Gesetzen der der 8er-Gruppe (Ausnahme SH) die Vorschriften zum Besuch entsprechend. Ebso. verhält es sich in den folgenden Ländern: BW; Bayern; Hessen/Thüringen; LSA. Keine Beschränkung enthält das Gesetze Hamburgs, • andere Formen der Telekommunikation nur, wenn keine Gefährdung in Hessen/Thüringen. In den Ländern der 8er-Gruppe (Ausnahme SH) gelten die Regeln zum Besuch/ Schriftwechsel/Telefongesprächen hier entsprechend, im Übrigen ebso. in Bayern; Hamburg; LSA; NRW. • Gegenstände und Einkauf • Untersagung von Gegenständen allgemein und bzgl. der Ausstattung des Zimmers: BW; Berlin; Bremen; M-V; RlP/Saarland; Sachsen, • Untersagung Gegenstände der Freizeitbeschäftigung: BW; Hamburg, • Vorübergehende Beschränkung/Untersagung Hörfunk- und Fernsehempfang wenn unerlässlich: Bayern; Hamburg (Rundfunkempfang); Hessen/Thüringen; Sachsen (Rundfunk, nur hinsichtl. eigener Hörfunk- und Fernsehgeräte), • Ausschluss Gegenstände vom Einkauf: BW; Bayern; Hamburg; NRW, • Vorenthaltung/Entzug einzelner Ausgaben/Teile von Zeitungen und Zeitschriften: BW; Bayern; Brandenburg; Hamburg; Hessen/Thüringen; M-V; RlP/Saarland; Sachsen; LSA. • Sonstiges • Ausschluss der Eignung zur Unterbringung im Wohngruppenvollzug: Hessen/Thüringen, • Selbstbeschäftigung wenn keine Gefahr: BW; Bayern; Hamburg; Hessen/Thüringen; NRW; LSA, • Ablösung von der Arbeit: Bayern, • Überwachung der Anstalt mittels Videotechnik: NRW, • Genehmigung zweckgebundene Einzahlungen wenn Ordnung nicht entgegensteht: Hessen/Thüringen, • Ausschluss von Gottesdiensten/religiösen Veranstaltungen: LSA.

548

Anhang Tabelle A4 Überblick über zulässige Disziplinarmaßnahmen32

im Sicherungsverwahrungs­ vollzug

Abweichungen im Strafvollzug

§ 68 Abs. 3 GE-SVVollzG 1. der Verweis, 2. der Ausschluss von einzelnen Freizeit­ veranstaltungen bis zu zwei Monaten, 3. die Beschränkung oder der Entzug der Bewegungsfreiheit außerhalb des Zimmers bis zu einem Monat, 4. die Beschränkung oder der Entzug des Fernsehempfangs bis zu einem Monat, 5. der Entzug von Geräten der Unterhaltungselektronik bis zu einem Monat, 6. Arrest33 bis zu vier Wochen.

Z. B. § 82 Abs. 1 JVollzGB III 1. Verweis, 2. die Beschränkung oder der Entzug der Verfügung über das Hausgeld, das ­ Sondergeld und des Einkaufs bis zu drei Monaten, 3. die Beschränkung oder der Entzug des Hörfunk- und Fernsehempfangs bis zu drei Monaten; der gleichzeitige Entzug jedoch nur bis zu zwei Wochen,

32

Vgl. zur Subsidiarität der Disziplinarmaßnahmen § 78 Abs.  5 ME-SVVollzG u. a. zur Aufarbeitung von Pflichtverstößen; § 68 Abs. 2, 5 GE-SVVollzG regelt das Absehen von Disziplinarmaßnahmen, wenn eine Verwarnung reicht; eine einvernehmliche Streitbeilegung hat zudem Vorrang. Neben der Beschränkung des Disziplinarkatalogs will der GE-SVVollzG, S. 68 mit den hier genannten Regeln „der besonderen Situation der Untergebrachten … jedoch an einigen Stellen Rechnung“ tragen. In § 69 GE-SVVollzG ist die Aussetzung zur Bewährung des Vollzugs der Disziplinarmaßnahmen geregelt. Es gibt mit Ausnahme von Brem in allen SVVollzGen mit Disziplinarmaßnahmen das Gebot, Pflichtverstöße unabhängig von der disziplinarischen Ahndung i. R. d. Behandlung aufzuarbeiten (vgl. z. B. § 55 Abs. 5 ThürSVVollzG; Thür LT-Drs. 5/5843, S. 99, viele Gesetze enthalten einen Vorrang der Behandlung, der dadurch zum Ausdruck gebracht werden soll, dass die Vollstreckung „zu unterbleiben oder … aufzuschieben oder zu unterbrechen“ ist, wenn andernfalls der Behandlungserfolg gefährdet würde (vgl. z. B. § 56 Abs. 3 S. 3 ThürSVVollzG). Des Weiteren wurde mit den Vorschriften zur Streitbeilegung (z. B. § 55 Abs. 3 S. 2 HSVVollzG) bzw. dem Konfliktgespräch (z. B. § 80 HmbSVVollzG) eine Art Schlichtungsverfahren eingeführt, was eines der ganz wenigen absoluten Neuheiten im Vergleich zum Strafvollzug sein dürfte. Dieses hat grds. den Disziplinarmaßnahmen vorauszugehen, allerdings ist stets ein Ermessen eingeräumt. Was sich jedoch als Krux erweisen könnte ist, dass Vollzugsbedienstete gerade nicht neutrale Mediatoren sein werden, da sie vermutlich von den Pflichtverstößen betroffen sind. Krit. daher Dessecker, Schriftliche Stellungnahme zum ThürSVVollzG, S. 6. 33 Erfreulich ist, dass M-V und SH auf den Arrest als Disziplinarmaßnahme verzichteten, um dem Abstandsgebot in diesem Bereich doch noch in gewisser Weise Rechnung zu tragen. Denn der Arrest stellt für den Untergebrachten, der sich in der größtmöglichen gesellschaftlichen Isolation befindet, eine erneute disziplinarische Isolierung dar; krit. etwa Streng in der Anhörung zum BaySvVollzG-E, 16/92. VF, S. 34: ohnehin überflüssig. Außerdem wurde es entgegen Empfehlungen des CPT(CPT/Inf (2014) 23, Rn. 37, S. 18; ebso. früher Rn. 84 in CPT/Inf (2012) 6) beibehalten, dass der Anstaltsarzt zu bescheinigen hat, ob der Untergebrachte gesundheitlich den Arrest verbüßen kann (vgl. § 56 Abs.  5 HSVVollzG: „ärztliche Stellungnahme einzuholen“).

Anhang

im Sicherungsverwahrungs­ vollzug

• Identisch: BW; Bayern; Berlin; Saarland; LSA. • Wesentliche Abweichungen in zeitlicher Hinsicht: Bremen34 (alle Beschränkungen „bis zu vier Wochen“); Hessen/Thüringen (Nr. 2; Nr. 4 und Nr. 5: „bis zu drei Monaten“); Niedersachsen (Nr. 3–6: „bis zu vier ­ Wochen“); NRW (Arrest „bis zu drei Wochen“, im Übrigen „bis zu vier Wochen“). • Wesentliche Abweichungen/Zusätze bei den Arten: Hamburg (Hausgeld bis ein Monat); M-V (Einkauf bis ein Monat; kein Arrest); Niedersachsen (keine Beschränkungen der Bewegungsfreiheit; Beschränkung Fernsehempfang nur im Unterkunfts­ bereich); NRW (zusätzl. Beschränkungen der ­ Gegenstände der Freizeitbeschäftigung mit Ausnahme Lesestoff); SH (zusätzl. Kürzung Arbeitsentgelt; Beschränkungen der Gegenstände der Freizeitbeschäftigung mit Ausnahme Lesestoff; keine Beschränkung Bewegungsfreiheit und kein Arrest).

549

Abweichungen im Strafvollzug

4. die Beschränkung oder der Entzug der Gegenstände für eine Beschäftigung in der Freizeit (z. T. Lesestoff ausge­ nommen) oder der Teilnahme an ­ gemeinschaftlichen Veranstaltungen bis zu drei Monaten, 5. die getrennte Unterbringung während der Freizeit bis zu vier Wochen, 6. der Entzug der zugewiesenen Arbeit oder Beschäftigung bis zu vier Wochen unter Wegfall der in diesem Gesetz geregelten Bezüge, 7. die Beschränkung des Verkehrs mit Personen außerhalb der Justizvollzugsanstalt auf dringende Fälle bis zu drei Monaten, 8. Arrest bis zu vier Wochen. • zusätzlich teilweise: Kürzung des ­ Arbeitsentgelts um 10 Prozent bis zu drei Monaten (Brandenburg, ­ Bremen, M-V).

ME-SVVollzG: Keine Disziplinarmaßnahmen. Keine Disziplinarmaßnahmen in Brandenburg, RlP und Sachsen.

34 Damit enthalten die Gesetze einen Widerspruch, einerseits ist die Rede von dem „Entzug der Bewegungsfreiheit außerhalb des Zimmers bis zu einem Monat“ (vgl. z. B. § 91 Abs. 2 Nr.  4 SVVollzG M-V) als Disziplinarmaßnahme, andererseits sollen „die Rechte zur Teilnahme am Gottesdienst sowie auf Aufenthalt im Freien … unberührt“ bleiben (vgl. z. B. § 92 Abs. 4 SVVollzG M-V). Durch den Entzug der Bewegungsfreiheit außerhalb des Zimmers ist zudem ein Aufenthalt im Freien eigentlich ausgeschlossen, s. dazu die deutliche Kritik des CPT, CPT/Inf (2014) 23, insbes. Rn. 35–37; s. a. CPT/Inf (2014) 24, S. 28 ff.

550

Anhang Tabelle A5 Gegenüberstellung der Behandlungsansprüche sowie -methoden Behandlungsgrundsatz als Vollzugsgrundsatz

Abschnitt zur therapeutischen Ausgestaltung (vgl. § 15 ME-SVVollzG)

Konkretes Bsp. in § 4 HSVVollzG35: Grundsätze der Behandlung und ­ Betreuung

Konkretes Bsp. in § 15 LSVVollzG36 (i. V. m § 1 SLSVVollzG): Therapeutische Ausgestaltung

Abs. 1 S. 1: „Den Untergebrachten sind die zur Erreichung der Vollzugsziele erforderlichen Behandlungs- und Betreuungsmaßnahmen anzubieten.“ (In § 4 Abs. 1 S. 1 Nds. SVVollzG heißt es „unverzüglich ­ anzubieten“.)

Abs. 2 S. 1: „Den Untergebrachten sind die zur Erreichung des Vollzugsziels37 im Einzelfall erforderlichen therapeutischen Maßnahmen anzubieten.“

Abs. 1 S. 2: „Die Behandlungsmaßnahmen haben wissenschaftlichen Erkenntnissen zu entsprechen.“

Abs. 1 S. 3: „Soweit bestehende Angebote nicht ausreichen oder keinen Erfolg ver­ sprechen, sind individuell zugeschnittene Behandlungsangebote zu unterbreiten.“ (In § 4 Abs. 1 S. 2 heißt es „zu entwickeln“.)

Abs. 1 S. 238: „Er bedient sich sozial- und psychotherapeutischer, psychiatrischer, sozialpädagogischer und arbeitstherapeutischer Methoden, die wissenschaftlichen ­ Erkenntnissen entsprechen.“ Abs. 2 S. 2: „Soweit standardisierte Therapiemethoden nicht ausreichen oder keinen Erfolg versprechen, sind individuell zuge­schnittene Behandlungsangebote zu unterbreiten.“

Zusatz in § 4 Abs. 2 S. 2 Nds. SVVollzG: „Die Bereitschaft der oder des Siche­ rungsverwahrten, an der Erreichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 mit­ zuwirken, ist fortwährend zu wecken und zu fördern.“

35

Ebso. § 4 ThürSVVollzG; §§ 2 Abs. 2 SVVollzG NRW; § 4 Abs. 1 S. 1 Nds. SVVollzG. Identisch in §§ 15 Abs.  2 SVVollzG Bln; BbgSVVollzG; BremSVVollzG; SVVollzG M-V; SächsSVVollzG sowie § 16 Abs. 2 SVVollzG SH 37 Irritierend ist, dass sich z. B. Art. 2 Abs. 2 BaySvVollzG auf die Resozialisierung bezieht, wohingegen Art. 10 Abs. 1 S. 1 BaySvVollzG den Anspruch auf die Behandlungsangebote „zum Erreichen der Vollzugsziele“, welche bekanntlich umfassender sind, festschreibt. Das JVollzGB V hat hier einheitlich den Bezug zu den Vollzugszielen hergestellt. Die Normen der 8er-Gruppe (z. B. § 15 LSVVollzG) sind vorzugswürdiger, da im Streitfall eindeutiger. Es gibt nämlich nur ein im Zweifel den Vollzugsaufgaben vorgehendes Ziel. 38 Wenn man, wie die Gesetzesbegründung nahelegt, keine abschließende Aufzählung will (s. RlP LT-Drs. 16/1910; S. 161), dann sollte dies in das Gesetz geschrieben werden. 36

551

Anhang

Behandlungsgrundsatz als Vollzugsgrundsatz

Abschnitt zur therapeutischen Ausgestaltung (vgl. § 15 ME-SVVollzG)

Zwitterstellung (vgl. § 3 Abs. 2 GE-SVVollzG: Gestaltung des Vollzugs im Abschnitt „Grundsätze“ und § 11 GE-SVVollzG: Behandlung im Abschnitt „Aufnahme und Behandlung“)

§ 2 JVollzGB V39: Gestaltung des Vollzugs Abs. 2 S. 2: „Den Untergebrachten sind die zur Erreichung der Vollzugsziele erforderlichen Behandlungs- und Betreuungsmaßnahmen anzubieten.“ § 8 JVollzGB V: Behandlung Abs. 1 S. 1: „Den Untergebrachten sind die zur Erreichung der Vollzugsziele erforderlichen Behandlungsmaßnahmen anzubieten.“ Abs. 1 S. 2: „Diese haben wissenschaftliche Erkenntnisse zu berücksichtigen.“ Abs. 1 S. 3: „Soweit standardisierte Angebote nicht ausreichen oder keinen Erfolg versprechen, sind individuelle Behandlungsangebote zu entwickeln.“ Tabelle A6 Ausnahmen vom Trennungsgrundsatz Ausnahmen vom Trennungsgrundsatz (Insbesondere aus Gründen der behandlung) § 66 c Abs. 1 Nr. 2 b StGB: „… die vom Strafvollzug getrennt in besonderen Gebäuden oder Abteilungen erfolgt, sofern nicht die Behandlung im Sinne von Nummer 1 ausnahmsweise etwas anderes erfordert …“

§ 10 ME-SVVollzG Trennungsgrundsätze Abs. 1: „Untergebrachte sind von Gefangenen zu trennen.“ Abs. 2: „Männliche und weibliche Untergebrachte sind zu trennen.“ Abs. 3: „Abweichend von Absatz 1 sind gemeinsame Maßnahmen im Bereich der Arbeitstherapie, des Arbeitstrainings, der schulischen und beruflichen Qualifizierung, der Arbeit, der Freizeit und der Religionsausübung zulässig, um ein differenziertes Angebot zu gewährleisten. Für andere Maßnahmen gilt dies ausnahmsweise dann, wenn es die Behandlung nach § 66c Abs. 1 Nr. 1 StGB-E erfordert.“

§ 75 GE-SVVollzG Trennungsgrundsätze Abs. 1: „Der Vollzug der Sicherungsverwahrung erfolgt in Einrichtungen, die vom Strafvollzug getrennt sind. Die Unterbringung kann in gesonderten Gebäuden oder Abteilungen einer Justizvollzugsanstalt vollzogen werden.“ Abs. 2: „Bei einer Unterbringung nach Absatz 1 Satz 2 ist neben den in der Einrichtung vorhandenen Maßnahmen eine Nutzung von Angeboten der Justizvollzugsanstalt, insbesondere im Bereich der Beschäftigung, der Freizeit und der Religionsausübung auch gemeinsam mit Strafgefangenen zulässig.“ (Fortsetzung nächste Seite)

39 Ebso. in Art. 3 Abs. 2, Art. 10 Abs. 1 BaySvVollzG; §§ 3 Abs. 2, 10 Abs. 1 HmbSVVollzG; §§ 2 Abs. 2, 11 Abs. 1 SVVollzG NRW; §§ 3 Abs. 2, 11 Abs. 1 SVVollzG LSA.

552

Anhang

(Fortsetzung: Tabelle A6)

Ausnahmen vom Trennungsgrundsatz (Insbesondere aus Gründen der behandlung) § 66 c Abs. 1 Nr. 2 b StGB: „… die vom Strafvollzug getrennt in besonderen Gebäuden oder Abteilungen erfolgt, sofern nicht die Behandlung im Sinne von Nummer 1 ausnahmsweise etwas anderes erfordert …“

Abs. 4: „Von einer getrennten Unterbringung nach Absatz 1 darf ausnahmsweise abgewichen werden, wenn es die Behandlung nach § 66 c Abs. 1 Nr. 1 StGB-E erfordert. Dies erfasst auch die Unterbringung in der sozialtherapeutischen Abteilung oder im offenen Vollzug zur Entlassungsvor­ bereitung …. Die Unterbringungsbedingungen müssen sich außer in den Fällen des § 14 Abs. 4 im Rahmen der vorhandenen Gegebenheiten von denen der Gefangenen unterscheiden.“

Abs. 3 enthält einen Verweis auf § 13 GE-SVVollzG und „die Unterbringungs­ bedingungen müssen sich im Rahmen der vorhandenen Gegebenheiten von denen der Strafgefangenen unterscheiden. Im Übrigen bleiben die Rechte der ­ Untergebrachten nach diesem Gesetz ­ unberührt.“

Abs. 5: „Abweichend von Absatz 2 sind ­ gemeinsame Maßnahmen, insbesondere zur schulischen und beruflichen Qualifizierung, zulässig.“

§ 13 GE-SVVollzG „Verlegung und ­ Überstellung“ Abs. 2: „Die Untergebrachten dürfen ausnahmsweise in eine Anstalt des Strafvollzugs verlegt oder überstellt werden, wenn es die Behandlung nach § 66 c Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuchs erfordert. Dies gilt insbesondere für eine Behandlung in einer sozialtherapeutischen Anstalt oder die Unterbringung zur Entlassungsvorbereitung in einer Anstalt des offenen Vollzugs. Auf Antrag können Untergebrachte aus wichtigem Grund in eine Anstalt des Justizvollzugs überstellt werden, wenn dies die Behandlung nicht beeinträchtigt und sie sich mit den dortigen Bedingungen einverstanden erklären.“

Abs. 6: „Absatz 1 und 2 gilt nicht für eine Unterbringung zum Zweck der medizinischen Behandlung.“ Ebso. alle SVVollzGe der 8er-Gruppe, z. B. § 10 LSVVollzG.

Abs. 4: „Weibliche und männliche Un­ter­ gebrachte sind getrennt voneinander unterzubringen.“

Ebso. JVollzGB I und V; BaySvVollzG; HmbSVVollzG; HSVVollzG/ ThürSVVollzG; SVVollzG NRW; SVVollzG LSA. Ähnl. Nds. SVVollzG („wenn es die Behandlung erfordert“).

553

Anhang Tabelle A7 Fristenregelungen40 ME-SVVollzG und GE-SVVollzG sowie Strafvollzug

SVVollzGe

Aufnahme, Behandlung, Planung

Aufnahmeverfahren (Zugangsgespräch)

• HmbSVVollzG: k. A.; im Übrigen alle „unverzüglich“.

ME-SVVollzG und GE-SVVollzG: ­ „unverzüglich“. Im Strafvollzug: z. T. „unverzüglich“; ­ „möglichst am Tag der Aufnahme“ 41. Ärztliche Eingangs-/Aufnahmeunter­ suchung ME-SVVollzG: „alsbald“.

• HmbSVVollzG: „umgehend“; SächsSV VollzG; SVVollzG LSA: ­„unverzüglich“; SVVollzG SH: keine Regelung; im ­ Übrigen wie ME-SVVollzG: „alsbald“.

GE-SVVollzG: keine Regelung Im Strafvollzug: „umgehend“ (HmbSt VollzG); unverzüglich (SächsStVollzG); im Übrigen „alsbald“. Diagnoseverfahren bzw. Behandlungs­ untersuchung ME-SVVollzG: „schließt sich…an“ (d. h. k. A.). GE-SVVollzG: „unverzüglich“. Im Strafvollzug: k. A.

• SVVollzG Bln; BbgSVVollzG (Zusatz: „kann auch bereits vor der Aufnahme durchgeführt werden“); BremSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG/SLSVVollzG; SächsSVVollzG; SVVollzG SH: „An das Aufnahmeverfahren schließt sich … an“ (d. h. keine Angabe)42, • JVollzGB V; BaySvVollzG; HmbSV VollzG; HSVVollzG/ThürSVVollzG; SVVollzG NRW; SVVollzG LSA: „An das Aufnahmeverfahren schließt sich … unverzüglich an.“ Ähnl. Nds. SVVollzG. (Fortsetzung nächste Seite)

40 Insbes. im Zusammenhang mit der Aufnahme, Behandlung und Planung, nicht abschließende Auflistung. Weitere Fristen gibt es bspw. bzgl. der Mitteilung der Überwachung von Telefongesprächen (z. B. BremSVVollzG: „rechtzeitig“); Entlassung (z. B. BremSVVollzG: „frühzeitig“); Festnahmerecht (z. B. BremSVVollzG: „alsbald“); Löschung besonders erhobener Daten nach der Entlassung (z. B. BremSVVollzG: „unverzüglich“). 41 Genau im BremStVollzG; NJVollzG; ThürJVollzGB. Im StVollzG und JVollzGB III ist ein Recht auf Vorstellung beim Anstaltsleiter festgehalten. 42 Z. T. ergibt sich aus den Fristen zur Erstellung des Vollzugs- und Eingliederungsplans, dem das Diagnoseverfahren vorausgeht, dass alles zusammen regelmäßig innerhalb der ersten acht Wochen zu erfolgen hat.

554

Anhang

(Fortsetzung: Tabelle A7)

ME-SVVollzG und GE-SVVollzG sowie Strafvollzug

SVVollzGe

Aufnahme, Behandlung, Planung

Vollzugsplan bzw. Vollzugs- und Eingliederungsplan ME-SVVollzG: „unverzüglich, regelmäßig innerhalb der ersten acht Wochen nach der Aufnahme“. GE-SVVollzG: „unverzüglich“. Im Strafvollzug: regelmäßig k. A.; im Übrigen: • BbgJVollzG/StVollzG M-V/LJVollzG/ SLStVollzG/SächsStVollzG/ ThürJVollzGB: „regelmäßig innerhalb der ersten acht Wochen“, • BremStVollzG: „innerhalb der ersten drei Monate“, • StVollzG NRW: „unverzüglich“. Überprüfung und Fortschreibung ME-SVVollzG: „regelmäßig alle sechs Monate überprüft und fortgeschrieben“. GE-SVVollzG: „hat der Vollzugsplan eine angemessene Frist vorzusehen, die sechs Monate nicht übersteigen soll“. Im Strafvollzug: „im Vollzugsplan angemessene Fristen vorzusehen“ (StVollzG; JVollzGB III; NJVollzG); im Übrigen: • BayStVollzG: „nach Ablauf eines Jahres“, • BbgJVollzG; BremStVollzG; LJVollzG; SLStVollzG; SächsStVollzG; ThürJ VollzGB: „regelmäßig alle sechs Monate, spätestens aber alle zwölf Monate“, • HmbStVollzG: „regelmäßig alle sechs Monate“ bzw. bei mehr als drei Jahren Vollzug zwölf Monate, • StVollzG M-V: „regelmäßig alle sechs Monate“,

• SVVollzG Bln; BbgSVVollzG; SVVollzG M-V; SächsSVVollzG; SVVollzG SH: „unverzüglich, regelmäßig innerhalb der ersten acht Wochen nach der Aufnahme“, • JVollzGB V; BaySvVollzG; BremSVVollzG; HmbSVVollzG; Nds. SVVollzG; SVVollzG NRW; SVVollzG LSA: „unverzüglich“, • HSVVollzG/ThürSVVollzG: „alsbald“, • LSVVollzG/SLSVVollzG: „wird … ­ erstellt“ (d. h. keine Angabe).

• SVVollzG Bln; BbgSVVollzG; HmbSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG/SLSVVollzG; SächsSVVollzG; SVVollzG SH: Wird „regelmäßig alle sechs Monate“ überprüft und fortgeschrieben, • JVollzGB V; BaySvVollzG; BremSVVollzG; HSVVollzG/ ThürSVVollzG; Nds. SVVollzG; SVVollzG NRW: „angemessene Frist …, die sechs Monate nicht übersteigen soll“, • SVVollzG LSA: „wird regelmäßig innerhalb einer angemessenen Frist, die sechs Monate nicht übersteigen soll und zwölf Monate nicht überschreiten darf“.

555

Anhang

ME-SVVollzG und GE-SVVollzG sowie Strafvollzug

SVVollzGe

Aufnahme, Behandlung, Planung

• StVollzG NRW: „dürfen einen Zeitraum von zwölf Monaten … nicht überschreiten“; bei Unterbringung in Sozialtherapie sechs Monate. Eingliederungsplanung

Beteiligung an Konferenz der Bewährungs- • BbgSVVollzG; SVVollzG M-V; LSV helfer vor Entlassung sowie Aushändigung VollzG/SLSVVollzG; SächsSVVollzG; Plan SVVollzG SH: „rechtzeitig“, ME-SVVollzG: „rechtzeitig vor einer voraussichtlichen Entlassung“. GE-SVVollzG: keine Regelung auf Ebene der Planung, nur Vorschriften im Abschnitt 12 „Entlassung“. Im Strafvollzug: regelmäßig keine Regelung; im Übrigen: BbgSVVollzG; BremStVollzG; StVollzG M-V; LJVollzG; SLStVollzG; SächsStVollzG; ThürJ VollzGB: „in den letzten zwölf Monaten vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt“. Planung zur Vorbereitung der Eingliede­ rung ME-SVVollzG: „rechtzeitig vor dem ­ voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt“. GE-SVVollzG: keine Regelung auf Ebene der Planung, nur Vorschriften im Abschnitt 12 „Entlassung“. Im Strafvollzug: regelmäßig keine Regelung; im Übrigen: • BbgSVVollzG; BremStVollzG; StVollzG M-V; LJVollzG; SLStVollzG; SächsSt VollzG; ThürJVollzGB: „spätestens ein Jahr vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt“.

• SVVollzG Bln: „frühzeitig“, • HmbSVVollzG „in den letzten zwölf ­ Monaten vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt“, • BremSVVollzG: „spätestens ein Jahr vor Entlassung“.

• BbgSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG/SLSVVollzG; SVVollzG SH: „rechtzeitig vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt“, • SächsSVVollzG: „rechtzeitig, mindestens ein Jahr vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt“, • BremSVVollzG: „spätestens ein Jahr vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt“, • SVVollzG Bln: „frühzeitig“, • ähnl. HSVVollzG/ThürSVVollzG: „Ist ­ abzusehen, dass die Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird oder die Unterbringung für erledigt erklärt wird …“ (Fortsetzung nächste Seite)

556

Anhang

(Fortsetzung: Tabelle A7)

ME-SVVollzG und GE-SVVollzG sowie Strafvollzug

SVVollzGe

Zusammenarbeit mit Dritten i. R. d. Vorbereitung der Eingliederung/Entlassung

Zusammenarbeit mit Personen und Einrichtungen außerhalb der Anstalt zur Wiedereingliederung bzw. Vorbereitung der Eingliederung sowie Beteiligung BewHi und FA an sozialer und beruflicher Eingliederung ME-SVVollzG: „arbeitet frühzeitig zusammen“ mit Personen und Einrichtungen und BewHi und FA „beteiligen sich frühzeitig“. GE-SVVollzG: „Die Einrichtung wirkt darauf hin, dass …Hierbei arbeitet die Einrichtung mit öffentlichen Stellen sowie freien Trägern und Personen, die die Eingliederung der Untergebrachten fördern, zusammen.“ (d. h. keine Zeitangabe).

Im Strafvollzug: regelmäßig keine Regelung; im Übrigen: • BbgSVVollzG; BremStVollzG; LJVollzG; SLStVollzG; SächsStVollzG; ThürJVollzGB: jeweils „frühzeitig“. • StVollzG M-V: „frühzeitig“ und Beteiligung „ein Jahr vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt“.

• Wie ME-SVVollzG im SVVollzG Bln; BbgSVVollzG; SVVollzG M-V (statt BewHi und FA „Landesamt für ambulante Straffälligenarbeit“); LSVVollzG/ SLSVVollzG; SächsSVVollzG; SVVollzG SH: „frühzeitig“, • konkreter als der ME-SVVollzG im BremSVVollzG: Arbeitet mit Personen und Einrichtungen „frühzeitig, mindestens aber zwölf Monate vor der voraussichtlichen Entlassung“ sowie BewHi und FA beteiligen sich „frühzeitig, mindestens aber sechs Monate vor der voraussichtlichen Entlassung“, • wie GE-SVVollzG: „Zusammenarbeit mit öffentlichen Stellen sowie freien Trägern und Personen“: HmbSVVollzG; SVVollzG LSA, • k. A. im Nds. SVVollzG43, • konkreter als der GE-SVVollzG im HSVVollzG/ThürSVVollzG: Die Anstalt „arbeitet frühzeitig, spätestens sechs Monate vor dem voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt“ auf die Entlassung hin; „hierbei arbeitet sie mit … zusammen“. Ebso. SVVollzG NRW: „rechtzeitig“. Im JVollzGB V: „Hierbei arbeitet die Justizvollzugsanstalt frühzeitig mit öffentlichen Stellen sowie freien Trägern und Personen, die die Eingliederung der Untergebrachten fördern, zusammen.“ • BaySvVollzG: Im Zusammenhang mit Vorbereitung der Entlassung k. A.

43 § 70 Abs. 2 S. 3 Nds. SVVollzG: „Die oder der Sicherungsverwahrte ist dabei zu unterstützen, Arbeit, Unterkunft und persönlichen Beistand für die Zeit nach der Entlassung zu finden.“

557

Anhang Tabelle A8 Finanzielle Zusatzleistungen für Mitarbeit Konkrete Motivierungsmaßnahme

Regelungen der SVVollzGe

Positive Finanzielle Zuwendungen

Finanzielle Anerkennung von Behandlungsmaßnahmen

• § 39 Abs. 3 HSVVollzG bzw. § 39 Abs. 2 ThürSVVollzG: Zusatzleistungen durch „re­ gelmäßige“ Teilnahme an denselben therapeutischen Maßnahmen wie bei der Entgeltfortzahlung (s. u.) in Höhe von 9 % der Eckvergütung (nicht der Bezugsgröße!) Besonderheit: „zusätzliche Anerkennung“ neben der Ausfallentschädigung nach § 38 Abs. 2 HSVVollzG/ThürSVVollzG.

Vergütung44 für Teilnahme an thera­ peutischen Maßnahmen

• ME-SVVollzG und z. T. folgende SVVollzGe, z. B. in § 60 Abs. 1 Nr. 1 LSVVollzG/SLSVVollzG45: Vergütung in Form von finanzieller Anerkennung für die Teilnahme an bestimmten46 Therapiemaßnahmen in Höhe von 16 % der Eckvergütung. Keine Entgeltfortzahlung. • Davon abweichend: § 61 Abs. 1 SVVollzG SH (das sich wohl aufgrund der vollzug­ li­chen Zusammenarbeit an § 36 Abs. 1 HmbSVVollzG orientierte) und § 60 Abs. 1 SVVollzG M-V, der in Nr. 3 nur eine Entgeltfortzahlung vorsieht, d. h. im Unterschied zu den anderen SVVollzG ist hier „die Fortzahlung… davon abhängig, dass die Untergebrachten Arbeit oder Beschäftigung tatsächlich versäumen.“47 (Fortsetzung nächste Seite)

44

Vergütung ist u. a. der Oberbegriff für finanzielle Anerkennung der Therapie, die Bezeichnung und Regelung zusammen mit Vergütung für Arbeit rührt aus dem neuen Verständnis von Arbeit her. 45 (Nahezu) Identisch im SVVollzG Bln; BbgSVVollzG; BremSVVollzG; SächsSVVollzG. 46 Nach § 60 Abs. 1 Nr. 1 LSVVollzG genau für die „Maßnahmen nach § 9 Abs. 1 Nr. 3, 4, 6, 7 und 9, soweit sie nach § 9 Abs. 2 für zwingend erforderlich erachtet wurden“. Diese wären nach § 9 Abs. 1 LSVVollzG Folgende: Nr. 3: Teilnahme an psychiatrischen, psychotherapeutischen oder sozialtherapeutischen Maßnahmen; Nr.  4: Teilnahme an anderen einzeloder gruppentherapeutischen Maßnahmen; Nr. 6: Teilnahme an Maßnahmen zur Behandlung von Suchtmittelabhängigkeit und -missbrauch; Nr.  7: Teilnahme an Trainingsmaßnahmen zur Verbesserung der sozialen Kompetenz sowie Nr. 9: Teilnahme an arbeitstherapeutischen Maßnahmen oder am Arbeitstraining. 47 So die Gesetzesbegründung M-V LT-Drs. 6/1476, S. 106.

558

Anhang

(Fortsetzung: Tabelle A8)

Konkrete Motivierungsmaßnahme

Regelungen der SVVollzGe

Positive Finanzielle Zuwendungen

Erhöhung des Taschengeldes für Teilnahme an folgenden Maßnahmen (unterschiedlich von Bundesland zu Bundesland, s. Angabe rechts): Nr. 1: Teilnahme an psychiatrischen, psycho­ therapeutischen oder sozialtherapeutischen Maßnahmen, Nr. 2: Teilnahme an anderen einzel- oder gruppentherapeutischen Maßnahmen, insbesondere psychologische Intervention und Psychotherapie, Nr. 3: Teilnahme an Maßnahmen zur Behandlung von Suchtmittelabhängigkeit und -missbrauch, Nr. 4: Teilnahme an Trainingsmaßnahmen zur Verbesserung der sozialen Kompetenz.

• Taschengelderhöhung in: § 62 Abs. 3 SV VollzG M-V (24 %) für Nrn. 1–4; § 38 Abs. 2 SVVollzG LSA (24 %) für Nrn. 1–4. • Besonderheit: Art. 45 Abs. 2 S. 2 und 3 BaySvVollzG: Erhöhung bis zum fünf­ fachen Tagessatz, wenn eine angebotene Arbeit, arbeitstherapeutische Maßnahmen oder die in Nrn. 1–2 genannten therapeutischen Maßnahmen wahrgenommen ­ werden. Die Höhe richtet sich nach der Bereitschaft zur Mitwirkung. • Besonderheit: Erhöhung des Taschengeldes in § 62 Abs. 5 SächsSVVollzG nicht für Teilnahme an therapeutischer Maßnahme, sondern für gemeinnützige Arbeit. • § 65 S. 3 SVVollzG SH (36 %) im Unterschied zum HmbSVVollzG, in dem es keine solche Regelung gibt. Ebso. fehlen Regelungen in folgenden SVVollzGen: JVollzGB V; SVVollzG Bln; Bbg SVVollzG; BremSVVollzG; LSVVollzG/SLSVVollzG; Nds. SVVollzG; SVVollzG NRW.

Sonstige finanzielle MotivierungsmaSSnahmen

„Negativmotivierung“ durch Reduzierung des Taschengeldes

• Nur nach § 41 Abs. 3 HSVVollzG bzw. ThürSVVollzG wenn ohne zwingenden Grund an Behandlungsmaßnahem nicht teilgenommen wird48.

Zusatzleistungen bleiben bei Bedürftigkeitsprüfung unberücksichtigt

Verläuft parallel zu den gewährten Zusatzleistungen (s. o.): • § 41 Abs. 2 S. 2 HSVVollzG/ThürSV VollzG (der GE-SVVollzG sieht keine solche Regelung vor).

48 Dem Motivierungsgebot werde dadurch Rechnung getragen, dass Behandlungsverweigerern das Taschengeld gekürzt werden könne, so die Gesetzesbegründung H LT-Drs. 18/6068, S. 87.

559

Anhang

Konkrete Motivierungsmaßnahme

Regelungen der SVVollzGe

Sonstige finanzielle MotivierungsmaSSnahmen

• Dem § 62 Abs. 1 S. 2 ME-SVVollzG folgende Länder: SVVollzG Bln; BbgSV VollzG; BremSVVollzG; LSVVollzG/ SLSVVollzG; SächsSVVollzG. Entgeltfortzahlung für die Teilnahme an folgenden therapeutischen Maßnahmen (wenn rechts nicht anderes vermerkt): • Teilnahme an psychiatrischen, psycho­ therapeutischen oder sozialtherapeutischen Maßnahmen, • Teilnahme an anderen einzel- oder gruppentherapeutischen Maßnahmen, ins­ besondere psychologische Intervention und Psychotherapie, • Teilnahme an Maßnahmen zur Behandlung von Suchtmittelabhängigkeit und -missbrauch, • Teilnahme an Trainingsmaßnahmen zur Verbesserung der sozialen Kompetenz.

• § 60 Abs. 1 Nr. 3 SVVollzG M-V („er­ halten ihr Arbeitsentgelt oder ihre Ausbildungsbeihilfe fort.“); § 63 SVVollzG SH und § 37 Abs. 3 HmbSVVollzG (jeweils „Entgelt­fort­zahlung“); zwar trägt § 37 SVVollzG LSA die Überschrift „Anerkennung von Behandlung“, gemeint ist eine Ausfallentschädigung „soweit die Maßnahmen wäh-rend der Beschäftigungszeit stattfinden“. • Nach Art. 39 Abs. 6 S. 1 BaySvVollzG enthalten die Untergebrachten eine Ausbildungsbeihilfe49 in Höhe der entgangenen Vergütung für bis zu 10 Behandlungs­ stunden; nur für Teilnahme an den ersten beiden links genannten therapeutischen Maßnahmen. • § 42 Abs. 4 Nds. SVVollzG, allerdings nur in Höhe von 50 %. • Alle übrigen, dem GE-SVVollzG folgende SVVollzGe, allerdings nur für Teilnahme an den ersten beiden links genannten therapeutischen Maßnahmen (§ 47 JVollzGB V: „Entschädigung bei Teilnahme an Behandlungsmaßnahmen“; § 38 Abs. 2 HSVVollzG/ThürSVVollzG: „Ausfall­ entschädigung“; § 34 SVVollzG NRW: „Ausfallentschädigung“, die durchschnittliche Vergütung der letzten drei Monate ist zugrunde zu legen).

49 Die Bezeichnung als Ausbildungsbeihilfe passt hier nicht recht, da sie im herkömmlichen Sinn für eine Berufsausbildung, berufliche Weiterbildung und Teilnahme an Unterricht und nicht etwa für die Teilnahme, wie in Art. 39 Abs. 6 BaySvVollzG vorgesehen, an sozialtherapeutischen, psychotherapeutischen oder psychiatrischen Behandlungsmaßnahmen oder anderen Einzel- oder Gruppenbehandlungsmaßnahmen.

560

Anhang Tabelle A9 Regelungen zur Entlassungsvorbereitung und Eingliederung

SächsSVVollzG – Teil 8: Vorbereitung der Eingliederung, ­ Entlassung und nachgehende Betreuung (ME-SVVollzG)

SVVollzG LSA – Abschnitt 11: Entlassung, durchgängige Betreuung (GE-SVVollzG)

Vorbereitung und Soziale Hilfe

§ 47 Vorbereitung der Eingliederung (zusätzlich zu § 5 SächsSVVollzG „Soziale Hilfe“)

(Nur) § 7 SVVollzG LSA Soziale Hilfe

Abs. 1: „Die Maßnahmen zur sozialen und beruflichen Eingliederung sind auf den Zeitpunkt der voraussichtlichen Entlassung in die Freiheit auszurichten. Die Untergebrachten sind bei der Ordnung ihrer persönli­ chen, wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten zu unterstützen. Dies umfasst die Vermittlung in nachsorgende Maßnahmen.“

„Die Untergebrachten werden darin unterstützt, ihre persönlichen, wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten zu beheben. Sie sollen dazu angeregt und in die Lage versetzt werden, ihre Angelegenheiten selbst zu regeln.“

Abs. 2: „Durch eine frühzeitige Zusammen­ arbeit mit Personen und Einrichtungen außerhalb des Vollzugs soll insbesondere erreicht werden, dass die Untergebrachten nach ihrer Entlassung über eine geeignete Unterkunft und eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle verfügen sowie bei ­Bedarf Zugang zu therapeutischen und anderen nachsorgenden Maßnahmen erhalten. Bewährungshilfe und Führungsaufsichtsstelle beteiligen sich frühzeitig an der sozialen und beruflichen Eingliederung der Unter­ gebrachten.“

§ 63 Vorbereitung der Entlassung „Die Einrichtung wirkt darauf hin, dass die Untergebrachten nach ihrer Entlassung insbesondere über eine geeignete Unterkunft und eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle verfügen sowie bei Bedarf in therapeutische oder andere nachsorgende Maßnahmen vermittelt werden. Hierbei arbeitet die Ein­rich­ tung mit öffentlichen Stellen sowie freien Trägern und Personen, die die Eingliederung der Untergebrachten fördern, zusammen.“

Abs. 3: „Den Untergebrachten können Aufenthalte in Einrichtungen außerhalb des Vollzugs (Übergangseinrichtungen) gewährt werden, wenn dies zur Vorbereitung der Eingliederung erforderlich ist. Ihnen kann auch ein zusammenhängender Langzeitausgang bis zu sechs Monaten gewährt werden, wenn dies zur Vorbereitung der Eingliederung erforderlich ist. § 40 Abs. 2 und § 42 gelten entsprechend.“

Abschnitt 10: Vollzugsöffnende Maß­ nahmen § 59 Langzeitausgang, Verlegung in den offenen Vollzug zur Vorbereitung der Entlassung Abs. 1: „Die Einrichtung kann den Unter­ge­ brachten nach Anhörung der Volstreckungsbehörde sowie der Strafvollstreckungskammer zur Vorbereitung der Entlassung Langzeitausgang bis zu sechs Monaten gewähren. § 57 Abs. 2 gilt entsprechend.“

Anhang

SächsSVVollzG – Teil 8: Vorbereitung der Eingliederung, ­ Entlassung und nachgehende Betreuung (ME-SVVollzG)

561

SVVollzG LSA – Abschnitt 11: Entlassung, durchgängige Betreuung (GE-SVVollzG)

Vorbereitung und Soziale Hilfe

Teil 3: Unterbringung, Verlegung: § 13 Geschlossener und offener Vollzug Abs. 2: „Die Untergebrachten sollen zur Entlassungsvorbereitung im offenen Vollzug untergebracht werden, wenn sie dessen besonderen Anforderungen genügen, insbesondere nicht zu befürchten ist, dass sie sich dem Vollzug entziehen oder die Möglichkeiten des offenen Vollzugs zu Straftaten missbrauchen werden. Genügen die Untergebrachten den besonderen Anforderungen der Unterbringung im offenen Vollzug nicht mehr, werden sie im geschlossenen Vollzug untergebracht. § 95 bleibt unberührt.“

Abs. 3: „Zur Entlassungsvorbereitung kann nach Anhörung der Vollstreckungsbehörde und der Strafvollstreckungskammer die Unterbringung im offenen Vollzug und, unter den Voraussetzungen des § 13 Abs. 2 oder 3, in Anstalten oder Abteilungen des offenen Strafvollzugs erfolgen, wenn die Untergebrachten zustimmen, den besonderen Anforderungen des offenen Vollzugs genügen und nicht zu befürchten ist, dass sie sich dem Vollzug entziehen oder die Möglichkeiten des offenen Vollzugs zu erheblichen Straftaten missbrauchen werden.“

Entlassung

§ 48 Entlassung

§ 64 Entlassung

Abs. 1: „Die Untergebrachten sollen am Tag ihrer Entlassung möglichst frühzeitig, jedenfalls noch am Vormittag, entlassen werden.“

Abs. 1: „Die Untergebrachten sollen am Tag ihrer Entlassung möglichst frühzeitig, jedenfalls noch am Vormittag entlassen werden. Bei Bedarf soll die Einrichtung den Transport zur Unterkunft sicherstellen.“

Abs. 2: „Der Entlassungszeitpunkt kann bis zu fünf Tage vorverlegt werden, wenn dies die Eingliederung der Untergebrachten erleichtert.“ Abs. 3: „Bedürftigen Untergebrachten kann eine Entlassungsbeihilfe in Form eines Reisekostenzuschusses, angemessener Kleidung oder einer sonstigen notwendigen Unterstützung gewährt werden.“ Abs. 4: „Bei Bedarf soll die Anstalt den Transport in eine Unterkunft sicherstellen.“

Abs. 2: „Der Entlassungszeitpunkt kann bis zu fünf Tage vorverlegt werden, wenn die Untergebrachten zu ihrer Eingliederung hierauf dringend angewiesen sind.“ Abs. 3: „Bedürftige Untergebrachte erhalten eine Entlassungsbeihilfe in Form eines Reisekostenzuschusses, angemessener Kleidung oder einer sonstigen notwendigen Unterstützung.“ Abs. 4: „Der Anspruch auf Auszahlung von Reisekostenzuschuss und sonstiger notwendiger Unterstützung in Geld ist nicht übertragbar. Er ist auch nicht auf andere Leistungen anrechenbar.“ (Fortsetzung nächste Seite)

562

Anhang

(Fortsetzung: Tabelle A9)

SächsSVVollzG – Teil 8: Vorbereitung der Eingliederung, ­ Entlassung und nachgehende Betreuung (ME-SVVollzG)

SVVollzG LSA – Abschnitt 11: Entlassung, durchgängige Betreuung (GE-SVVollzG)

Nachgehende Betreuung

§ 49 Nachgehende Betreuung

§ 65 Nachgehende Betreuung

Abs. 1: „Die Anstalt kann den Entlassenen auf Antrag Hilfestellung gewähren, soweit diese nicht anderweitig zur Verfügung steht und ansonsten der Erfolg der Behandlung gefährdet erscheint.“

„Die Einrichtung kann ehemaligen Untergebrachten auf Antrag Hilfestellung gewähren und die im Vollzug begonnene Betreuung vorübergehend fortführen, soweit diese nicht anderweitig sichergestellt werden kann und der Erfolg der Behandlung gefährdet ist.“

Abs. 2: „Mit Zustimmung des Anstaltsleiters können Bedienstete an der nachgehenden Betreuung Entlassener mit deren Einverständnis mitwirken, wenn ansonsten die Eingliederung gefährdet wäre. Die nachgehende Betreuung kann auch außerhalb der Anstalt erfolgen. I. d. R. ist sie auf die ersten sechs Monate nach der Entlassung beschränkt.“

Verbleib und freiwillige Aufnahme

§ 50 Verbleib oder Aufnahme auf frei­ williger Grundlage

§ 66 Verbleib und Aufnahme auf frei­ williger Grundlage

Abs. 1: „Sofern es die Belegungssituation zulässt, können die Untergebrachten auf Antrag ausnahmsweise vorübergehend in einer Anstalt verbleiben oder wieder aufgenommen werden, wenn die ­ Eingliederung gefährdet und ein Aufenthalt in einer Anstalt aus diesem Grunde gerechtfertigt ist.“

Abs. 1: „Ehemalige Untergebrachte können auf ihren Antrag vorübergehend in einer Einrichtung des Justizvollzugs verbleiben oder wieder aufgenommen werden, wenn die Eingliederung gefährdet ist. Die Unterbringung erfolgt auf vertraglicher Basis. Die Kosten für die Unterbringung tragen die vorübergehend Untergebrachten. Sind sie dazu nicht in der Lage, kann die Einrichtung die Kosten in begründeten Fällen in angemessenem Umfang übernehmen, soweit nicht ein Dritter leistungspflichtig ist. Die Kosten der Unterbringung werden pauschal entsprechend dem Tageshaftkostensatz ohne den Anteil für Bauund Investitionskosten des Landes Sachsen-­ Anhalts erhoben.“

Abs. 2: „Gegen die in der Anstalt untergebrachten Entlassenen dürfen Maßnahmen des Vollzugs nicht mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden.“ Abs. 3: „Bei Störung des Betriebs der Anstalt durch die Entlassenen oder aus ­ vollzugsorganisatorischen Gründen kann die Unterbringung jederzeit beendet werden.“

563

Anhang

SächsSVVollzG – Teil 8: Vorbereitung der Eingliederung, ­ Entlassung und nachgehende Betreuung (ME-SVVollzG)

SVVollzG LSA – Abschnitt 11: Entlassung, durchgängige Betreuung (GE-SVVollzG) Abs. 2: „Gegen verbliebene oder aufgenom­ mene Personen dürfen Maßnahmen des Vollzugs nicht mit unmittelbarem Zwang durchgesetzt werden.“ Abs. 3: „Auf ihren Antrag sind die ver­ bliebenen oder aufgenommenen Personen unverzüglich zu entlassen.“

Tabelle A10 Kooperationen in verschiedenen Stadien des Vollzugs Strafvollzug

ME- und GE-SVVollzG sowie SVVollzGe

Im Zusammenhang mit Aufnahme, Behandlung und Planung Einbeziehung Konferenz

Im Strafvollzug nahezu identisch z. B. in § 14 Abs. 5 und 6 LJVollzG: • „führt Konferenz mit den an der Voll­ zugsgestaltung maßgeblich Beteiligten durch“, • der ggf. bisher zuständige Bewährungshelfer „kann“ beteiligt werden. • An der Eingliederung mitwirkende Personen außerhalb des Vollzugs „können“ mit Zustimmung des Untergebrachten an der Konferenz teilnehmen.

Beteiligung an der Konferenz nach § 8 Abs. 5 und 6 S. 2 ME-SVVollzG50: • Durchführung „mit den an der Vollzugsgestaltung maßgeblich Beteiligten“, • maßgeblich an der Vollzugsgestaltung einer vorangegangenen Freiheitsentziehung Beteiligte „können beteiligt werden“, • der ggf. bisher zuständige Bewährungshelfer „kann“ beteiligt werden. • An der Eingliederung mitwirkende Personen außerhalb des Vollzugs „können“ mit Zustimmung des Untergebrachten51 an der Konferenz teilnehmen.

Ebso. im BbgJVollzG; BremStVollzG; StVollzG M-V; SLStVollzG; SächsStVollzG; ThürJVollzGB. Ähnl. HmbStVollzG. (Fortsetzung nächste Seite)

50 Ebso. SVVollzG Bln; BbgSVVollzG; BremSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG/ SLSVVollzG; SVVollzG SH. 51 Dieses Erfordernis ist zu begrüßen, weil es die Subjektstellung des Untergebrachten und sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung wahrt.

564

Anhang

(Fortsetzung: Tabelle A10)

Strafvollzug

ME- und GE-SVVollzG sowie SVVollzGe

Im Zusammenhang mit Aufnahme, Behandlung und Planung Einbeziehung Konferenz

• Im SächsSVVollzG zusätzlich: Teilnahme des Verteidigers „ist zu gestatten“; ausnahmsweise § 9 Abs. 4 S. 3 HmbSVVollzG (Zusatz, welcher dem ME-SVVollzG ähnelt): Maßgeblich an der Vollzugsgestaltung einer vorangegangenen Freiheitsentziehung Beteiligte „können beteiligt werden“ und der ggf. bisher zuständige Bewährungshelfer „kann mit Zustimmung der Untergebrachten … beteiligt werden“). Im Strafvollzug z. B. in § 10 Abs. 3 StVollzG NRW: • S. 1: „Konferenzen mit den an der Vollzugsgestaltung maßgeblich Beteiligten …“ Ebso. im NJVollzG („nach Auffassung der Vollzugsbehörde“). • S. 2: „Personen und Stellen außerhalb des Vollzugs, die an der Behandlung, der Entlassungsvorbereitung sowie der Eingliederung der Gefangenen mit­ wirken …können mit Einwilligung der ­ Gefangenen … beteiligt werden.“ • zusätzlich § 100 StVollzG NRW „Konferenzen“ („Konferenzen mit den an der Behandlung maßgeblich Beteiligten“, bzgl. des Vollzugsplans und zur Vorbereitung anderer wichtiger Entscheidungen); ähnl. im JVollzGB I; BayStVollzG; HStVollzG und StVollzG.

Beteiligung an der Konferenz nach § 10 Abs. 3 GE-SVVollzG: • Durchführung mit den „an der Vollzugsgestaltung maßgeblich Beteiligten“, • an der Behandlung mitwirkende Personen außerhalb des Vollzugs „können mit Zustimmung der Untergebrachten beteiligt werden“, • zusätzliche Norm „Konferenzen“ (§ 80 GESVVollzG: „landesspezifische Regelung“). • Wie GE-SVVollzG mit zusätzl. Norm zu „Konferenzen“ zu den mit an der Behandlung sowie Betreuung maßgeblich Beteiligten52 SVVollzG NRW und SVVollzG LSA; ähnl. HSVVollzG/ThürSVVollzG; ohne zusätzl. Norm zu „Konferenzen“: JVollzGB V; nur eine Norm zu „Konferenzen“: BaySvVollzG („an der Vollzugsgestaltung maßgeblich Beteiligten“). • § 9 Abs. 3 Nds. SVVollzG: „nach Auffassung der Vollzugsbehörde an der Vollzugsgestaltung maßgeblich beteiligten Personen oder Stellen“. Zusätzlich „sollen“ sonstige maßgeblich beteiligte Personen „bei der Vorbereitung einbezogen werden“.

52

Verwirrend ist, dass die Gesetze, welche zusätzlich eine Regelung zu den „Konferenzen“ vorsehen, dort den Bezug zur Behandlung und Betreuung herstellen (z. B. § 101 SVVollzG LSA), wohingegen bei der Vollzugsplanung der Bezug zur „Vollzugsgestaltung“ hergestellt wird (z. B. § 10 Abs. 3 S. 1 SVVollzG LSA).

565

Anhang

Strafvollzug

ME- und GE-SVVollzG sowie SVVollzGe

Im Zusammenhang mit Aufnahme, Behandlung und Planung Einbeziehung Planung

Im Strafvollzug: • Wie ME-SVVollzG: BremStVollzG; StVollzG M-V; LJVollzG; SLStVollzG; SächsStVollzG; ThürJVollzGB. • Besonderheit in § 3 Abs. 3 S. 2 StVollzG NRW („Behandlungsvollzug“): „Geeignete Fördermaßnahmen öffentlicher Stellen, freier Träger sowie anderer Organisa­tio­nen und Personen außerhalb des Vollzugs sind frühzeitig in die Vollzugsplanung und die Behandlung ­ einzubeziehen.“ Wie GE-SVVollzG: BbgJVollzG. Im Übrigen keine Regelung für den „normalen“ Strafvollzug.

Einbeziehung Personen außerhalb des Vollzugs bei der Planung nach § 8 Abs. 6 S. 1 ME-SVVollzG: „an der Eingliederung mitwirkende Personen außerhalb des Vollzugs sind nach Möglichkeit … einzubeziehen“. • Wie ME-SVVollzG: SVVollzG Bln; BbgSVVollzG; BremSVVollzG; LSVVollzG/SLSVVollzG; SVVollzG SH. Im SächsSVVollzG mit Zusatz „soweit dies zur Eingliederung erforderlich ist.“

Einbeziehung Personen außerhalb des Vollzugs bei der Planung nach § 4 Abs. 3 S. 2 GE-SVVollzG: „an der Behandlung mitwirkende Personen außerhalb des Vollzugs sollen … einbezogen ­ werden“53. • Wie GE-SVVollzG: JVollzGB V; BaySvVollzG; HmbSVVollzG; HSV VollzG/ThürSVVollzG; SVVollzG NRW; SVVollzG LSA: An der Behandlung mitwirkende Personen „sollen in die Planung einbezogen werden.“ • Nds. SVVollzG: „Sind sonstige Personen an der Vollzugsgestaltung maßgeblich beteiligt, so sollen sie bei der Vorbereitung einbezogen werden.“54 (Fortsetzung nächste Seite)

53 Streiten ließe sich, ob der Bezug auf die „Eingliederung“ oder auf die „Behandlung“ gelungener ist. Jedenfalls bringt die erste Formulierung die Freiheitsorientierung, die zweite die Therapieorientierung zum Ausdruck. 54 Nds. LT-Drs. 16/4873, S. 60: „Vorbereitung der Aufstellung und Fortschreibung des Vollzugsplanes“.

566

Anhang

(Fortsetzung: Tabelle A10)

Strafvollzug

ME- und GE-SVVollzG sowie SVVollzGe

Im Zusammenhang mit Aufnahme, Behandlung und Planung Einbeziehung während des Vollzugs

Im Strafvollzug: • § 154 Abs. 2 StVollzG: „Mit den Behörden und Stellen der Entlassenenfürsorge, der Bewährungshilfe, den Aufsichtsstellen für die Führungsaufsicht, den Agenturen für Arbeit, den Trägern der Sozialversicherung und der Sozialhilfe, den Hilfeeinrichtungen anderer Behörden und den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege ist eng zusammenzuarbeiten. Die Vollzugsbehörden sollen mit Personen und Vereinen, deren Einfluß die Eingliederung des Gefangenen fördern kann, zusammenarbeiten.“ Ebso. im NJVollzG. Ähnl. im BayStVollzG; HmbStVollzG: hier sowohl Zusammenarbeit mit Privaten und öffentlichen Einrichtungen verpflichtend.

Einbeziehung Dritter außerhalb des Vollzugs, insbes. Ehrenamtliche nach § 3 Abs. 5 S. 2 ME-SVVollzG: „Personen und Einrichtungen außerhalb des Vollzugs sollen in den Vollzugsalltag einbezogen werden.“ (i. R. d. Gestaltungsgrundsätze). • Wie ME-SVVollzG: SVVollzG Bln; BbgSVVollzG; BremSVVollzG SVVollzG M-V; LSVVollzG/SLSVVollzG: Im Unterschied dazu Ehrenamtliche direkt erwähnt in § 3 Abs. 5 S. 2 SächsSVVollzG: „Ehrenamtliche Mitarbeiter sowie Personen und Einrichtungen außerhalb des Vollzugs sollen in den Vollzugsalltag einbezogen werden.“

• Wie ME-SVVollzG im BbgJVollzG; BremStVollzG; StVollzG M-V; LJVollzG; SLStVollzG; SächsStVollzG; ThürJVollzGB; ähnl. StVollzG NRW. Stellung ähnl. GE-SVVollzG, ansonsten allgemeiner: JVollzGB III; HStVollzG.

Einbeziehung Dritter außerhalb des Vollzugs, insbes. Ehrenamtliche nach § 6 GESVVollzG: Abs. 1: „Die Einrichtung arbeitet mit öffentlichen Stellen sowie privaten Organisationen und Personen zusammen, die der Eingliederung der Untergebrachten förderlich sein können.“ Abs. 2: „Die Unterstützung der Unter­ gebrachten durch ehrenamtliche Helfer ist zu fördern.“ • Wie § 6 Abs. 1 GE-SVVollzG: HSV VollzG/ThürSVVollzG; SVVollzG NRW; SVVollzG LSA („arbeitet … zusammen“). Abgeschwächt: Nds. SVVollzG („sollen“)55.

55 Hinzu kommt die Ausnahmeregel in § 4 Abs. 3 S. 2 Nds. SVVollzG: „Soweit geeignete Justizvollzugsbedienstete nicht vorhanden sind oder es aus anderen Gründen zur Erreichung

567

Anhang

Strafvollzug

ME- und GE-SVVollzG sowie SVVollzGe

Im Zusammenhang mit Aufnahme, Behandlung und Planung Einbeziehung während des Vollzugs

Strenger: JVollzGB I56; BaySvVollzG, HmbSVVollzG57 und SVVollzG SH (jeweils „arbeitet … eng zusammen“). • Wie § 6 Abs. 2 GE-SVVollzG: JVollzGB I; BaySvVollzG; HmbSVVollzG58; Nds. SVVollzG; SVVollzG NRW („ehrenamtliche Betreuer … werden unterstützt“); SVVollzG LSA; SVVollzG SH. Aber: Nach HSVVollzG/ThürSVVollzG nur „geeignete ehrenamtlich tätige Personen“. Einbeziehung Behandlung

Im Strafvollzug: • Wie ME-SVVollzG: BbgJVollzG; BremStVollzG; StVollzG M-V; LJVollzG; SLStVollzG; SächsStVollzG; ThürJVollzGB.

Einbeziehung in die sozialtherapeutische Behandlung nach § 17 S. 2 ME-SVVollzG: „Personen aus dem Lebensumfeld der Untergebrachten außerhalb des Vollzugs werden in die Behandlung einbezogen.“

• Im Übrigen keine Regelung für den „normalen“ Strafvollzug.

• Ebso.: BbgSVVollzG; BremSVVollzG; LSVVollzG/SLSVVollzG; SächsSVVollzG; SVVollzG SH; lediglich Ermessen im SV VollzG Bln und SVVollzG M-V: „können“. • Keine Regelung im GE-SVVollzG und den folgenden SVVollzGen. (Fortsetzung nächste Seite)

der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 erforderlich ist, sind beauftragte Personen oder Stellen (§ 114) oder sonstige Personen einzubeziehen.“ 56 § 16 Abs. 2 S. 1 JVollzGB I: „Die Justizvollzugsanstalten arbeiten mit anderen Einrichtungen, Organisationen und Personen, die für die Gefangenen und Untergebrachten förderliche soziale Hilfestellungen leisten oder deren Einfluss ihre Eingliederung, Behandlung oder Erziehung fördern können, eng zusammen.“ 57 Ausführlicher z. B. in § 6 Abs. 1 HmbSVVollzG: „Die Einrichtung arbeitet mit den Behörden und Stellen der Entlassenen- und Straffälligenhilfe, der Bewährungshilfe, den Aufsichtsstellen für die Führungsaufsicht, der Bundesagentur für Arbeit, den Trägern der Sozialversicherung und der Sozialhilfe, den Hilfeeinrichtungen anderer Behörden, den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege sowie mit Vereinen und Personen, deren Einfluss die Eingliederung des Untergebrachten fördern kann, eng zusammen.“ 58 Zusatz im BaySvVollzG und HmbSVVollzG Vollzug hat die organisatorischen Maßnahmen zur Durchführung von Maßnahmen seitens der Bundesagentur für Arbeit sicherzustellen (vgl. Art. 88 Abs. 3 BaySvVollzG; § 6 Abs. 2 HmbSVVollzG). Identische Normen gibt es in den jeweiligen LStVollzGen.

568

Anhang

(Fortsetzung: Tabelle A10)

Strafvollzug

ME- und GE-SVVollzG sowie SVVollzGe

Im Zusammenhang mit Aufnahme, Behandlung und Planung Einbeziehung Behandlung

Im Strafvollzug keine Regelung für den „normalen“ Strafvollzug.

Einbeziehung externer Fachkräfte bei der therapeutischen Ausgestaltung bzw. Behandlung: § 15 Abs. 3 S. 2 ME-SVVollzG und § 11 Abs. 2 S. 2 GE-SVVollzG: „Soweit … erforderlich …, sind externe Fachkräfte einzubeziehen.“ Ebso.: Alle SVVollzGe

Im Zusammenhang mit der Eingliederung und Entlassung59 Im Strafvollzug: • Wie ME-SVVollzG: BbgJVollzG; BremStVollzG; HmbStVollzG; StVollzG M-V; LJVollzG; SLStVollzG; SächsStVollzG; ThürJVollzGB.

Vor der Entlassung Beteiligung künftiger Bewährungshilfe an Konferenz (inkl. Aushändigung des Plans und dessen Fortschreibung) nach § 8 Abs. 7 ME-SVVollzG: „ist … Teilnahme an der Konferenz zu ermöglichen“.

• Im Übrigen keine Regelung, z. T. nur nicht • Wie ME-SVVollzG: SVVollzG Bln; im „normalen“ Vollzug. BbgSVVollzG; BremSVVollzG; HmbSV VollzG; SVVollzG M-V; SLSVVollzG; SächsSVVollzG; SVVollzG SH. • Keine Regelung im GE-SVVollzG und den folgenden SVVollzGen. Im Strafvollzug: • Kooperationsklausel mit Externen in die Norm zur Vorbereitung der Eingliederung integriert in: BayStVollzG; BbgJVollzG (konkretisiert Personen und Einrichtungen); HmbStVollzG; HStVollzG; StVollzG M-V60; StVollzG NRW; LJVollzG; SLSt VollzG; SächsStVollzG, ThürJVollzGB (Es fehlt jeweils der Zusatz dass damit die Untergebrachten „bei Bedarf Zugang zu therapeutischen und anderen nachsorgenden Maßnahmen erhalten“ sollen.).

Kooperationsklausel mit Externen zur Vorbereitung der Eingliederung nach § 47 Abs. 2 S. 1 ME-SVVollzG: „Die Einrichtung arbeitet … mit Personen und Einrichtungen außerhalb des Vollzugs zusammen …“

59 Zu der Phase der Entlassungsvorbereitung in den LStVollzGen s. LNNV/Nestler 2015, L. III. Rn. 28 ff. 60 Statt BewHi ist in M-V grds. die Rede vom „Landesamt für ambulante Straffälligenarbeit“.

569

Anhang

Strafvollzug

ME- und GE-SVVollzG sowie SVVollzGe

Im Zusammenhang mit der Eingliederung und Entlassung • Regelungen zur Zusammenarbeit im JVollzGB III „Zusammenarbeit mit Dritten“ („namentlich“ BewHi); im NJVollzG integriert in die „Soziale Hilfe“, jeweils aber im Abschnitt zur Entlassungsvorbereitung. • Keine entsprechende Regelung im StVollzG.

• Wie ME-SVVollzG: SVVollzG Bln; Brem SVVollzG; BbgSVVollzG (konkretisiert Personen und Einrichtungen61); SVVollzG M-V; LSVVollzG/SLSVVollzG; SächsSVVollzG62; SVVollzG SH. Kooperationsklausel mit Externen zur Vorbereitung63 der Eingliederung nach § 52 S. 2 GE-SVVollzG: „arbeitet die Einrichtung mit öffentlichen Stellen sowie freien Trägern und Personen, die die Eingliederung der Untergebrachten fördern, zusammen.“ • GE-SVVollzG: JVollzGB V; HmbSV VollzG; SVVollzG LSA. Ähnl. HSVVollzG/ ThürSVVollzG: „arbeitet … mit Dritten … eng zusammen“64. Im BaySvVollzG „nur“ Norm allgemein zur Zusammenarbeit, nicht spezifisch für die Eingliederung (vgl. Art. 88 BaySvVollzG, s. o.). • § 69 Abs. 3 Nds. SVVollzG: „Die Zusam­ menarbeit mit Stellen und Personen außerhalb des Vollzugs, die besonderen Möglichkeiten dieses Gesetzes für die Entlassungsvorbereitung sowie die Hilfe zur Entlassung sind auf die durchgängige Betreuung auszurichten.“ Sowie sehr ausführl. § 117 Nds. SVVollzG („eng zusammenarbeiten“) (Fortsetzung nächste Seite)

61

Etwas konkreter ist § 47 Abs. 2 S. 1 BbgSVVollzG. Ausführlicher in § 47 Abs. 2 S. 1 SächsSVVollzG: „Durch eine frühzeitige Zusammen­ arbeit mit Personen und Einrichtungen außerhalb des Vollzugs soll insbesondere erreicht werden, dass die Untergebrachten nach ihrer Entlassung über eine geeignete Unterkunft und eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle verfügen sowie bei Bedarf Zugang zu therapeutischen und anderen nachsorgenden Maßnahmen erhalten.“ 63 Damit gemeint jeweils: Zusammenarbeit, um insbes. geeignete Unterkunft und eine Arbeits- oder Ausbildungsstelle sowie bei Bedarf Vermittlung in therapeutische oder andere nachsorgende Maßnahmen zu finden. 64 Beachte § 16 Abs. 1 S. 3 HSVVollzG/ThürSVVollzG zur Einbeziehung der BewHi während des Vollzugs. 62

570

Anhang

(Fortsetzung: Tabelle A10)

Strafvollzug

ME- und GE-SVVollzG sowie SVVollzGe

Im Zusammenhang mit der Eingliederung und Entlassung • SVVollzG NRW: Die Zusammen­ arbeit während des Vollzugs (s. o.) „ist auf die Perspektiven der Unter­ gebrachten nach der Entlassung auszu­ richten.“ Im Strafvollzug: • Wie ME-SVVollzG: BbgJVollzG; BremStVollzG; HmbStVollzG; LJVollzG; SLStVollzG; SächsStVollzG; ThürJVollzGB. • In StVollzG M-V: „ist zu beteiligen“ statt „beteiligen sich“, d. h. im Unterschied zum SVVollzG M-V aktives Vorgehen der Anstalt impliziert. • Besondere Hervorhebung im Zusam­ menhang mit der Entlassungsvorbereitung ebso. in: JVollzGB III (s. o.); BayStVollzG (BewHi wird unterrichtet, „soweit angeordnet“); HmbStVollzG („Insbesondere mit der Bewährungshilfe, den Aufsichtsstellen für die Führungsaufsicht und den Einrichtungen der Entlassenenhilfe ist frühzeitig Kontakt aufzunehmen.“); HStVollzG (s. o. und „die Bewährungshilfe ist zu einer solchen Zusammenarbeit schon während des ­ Vollzugs verpflichtet, um einen best­ möglichen Übergang der Betreuung zu gewährleisten.“).

Beteiligung Bewährungshilfe und FAStelle (über die Vollzugsplanung hinaus, s. o.) an der sozialen und beruflichen Eingliederung nach § 47 Abs. 2 S. 2 ME-SVVollzG: „beteiligen sich frühzeitig“ (spezifisch angesprochen im Unterschied zum GE-SVVollzG). • Wie ME-SVVollzG: SVVollzG Bln; BremSVVollzG; BbgSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG/ SLSVVollzG; SächsSVVollzG; SVVollzG SH („werden … unterrichtet und beteiligen sich“). Ähnl. HSVVollzG/ ThürSVVollzG65. • BaySvVollzG (bei allgemeiner „Zusammenarbeit“): „Kontakt aufzunehmen“. • Alle anderen SVVollzGe wie GESVVollzG, d. h. s. allgemeine Regelung zur Zusammenarbeit zur Vorbereitung der Eingliederung.

• Im Übrigen keine besondere Hervor­ hebung.

65

§ 16 Abs. 1 S. 3 HSVVollzG/ThürSVVollzG: „Arbeitet … mit Dritten, … insbesondere der Bewährungshilfe … eng zusammen. Die Bewährungshilfe ist zu einer solchen Zusammenarbeit schon während des Vollzugs verpflichtet, um einen bestmöglichen Übergang der Betreuung zu gewährleisten.“

571

Anhang

Strafvollzug

ME- und GE-SVVollzG sowie SVVollzGe

Im Zusammenhang mit der Eingliederung und Entlassung Im Strafvollzug: Wie ME-SVVollzG: BbgJVollzG; BremStVollzG; StVollzG M-V; LJVollzG; SLStVollzG; SächsStVollzG; ThürJVollzGB; im Übrigen keine Regelung.

Zusammenarbeit mit außervollzuglichen Einrichtungen zur Fortsetzung ­ Qualifizierungsmaßnahmen nach Entlassung nach § 22 Abs. 4 ME-SVVollzG: „Können Maßnahmen während des Vollzugs nicht abgeschlossen werden, trägt die ­ Einrichtung in Zusammenarbeit mit außervollzuglichen Einrichtungen dafür Sorge, dass die begonnene Qualifizierungsmaßnahme nach der Entlassung fortgesetzt werden kann.“ • Wie ME-SVVollzG: SVVollzG Bln; BbgSVVollzG; BremSVVollzG; SV VollzG M-V; LSVVollzG/SLSVVollzG; SächsSVVollzG; SVVollzG SH; im ­ Übrigen keine Regelung. • Keine Regelung im GE-SVVollzG und den folgenden SVVollzGen.

Tabelle A11 Einbeziehung der Untergebrachten in ausgewählten Bereichen ME- und GE-SVVollzG sowie SVVollzGe

Strafvollzug

Beteiligung als allgemeine BEstimmung

§ 4 Abs. 3 ME-SVVollzG: „Die Unter­ gebrachten werden an der Gestaltung des Vollzugsalltags beteiligt. Vollzugliche Maßnahmen sollen ihnen erläutert ­ werden.“

• Wie ME-SVVollzG: BbgJVollzG; BremStVollzG; StVollzG M-V; LJVollzG; SächsStVollzG; SLStVollzG; ThürJVollzGB. • Im Übrigen wie GE-SVVollzG.

GE-SVVollzG: keine Regelung. • Wie ME-SVVollzG: 8er-Gruppe (z. B. § 4 Abs. 3 S. 1 SVVollzG M-V). Im Übrigen wie im GE-SVVollzG keine Regelung.

• Besonderheit in § 4 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 NJVollzG: „… Art und Umfang der Behandlung werden ihnen erläutert.“

(Fortsetzung nächste Seite)

572

Anhang

(Fortsetzung: Tabelle A11)

ME- und GE-SVVollzG sowie SVVollzGe

Strafvollzug

Aufnahme, Behandlung

Anspruch auf Durchführung der ­ Behandlungsuntersuchung und Betei­ ligung daran; i. R. d. Zugangsgesprächs Hervorhebung der Erörterung der ­ gegenwärtigen Lebenssituation:

• Wie ME-SVVollzG in: BbgJVollzG; BremStVollzG; HStVollzG; StVollzG NRW; StVollzG M-V; LJVollzG; SächsStVollzG; SLStVollzG; ThürJVollzGB; ähnl. NJVollzG.

§ 6 Abs. 1 S. 1 ME-SVVollzG: Es wird „mit den Untergebrachten unverzüglich ein Zugangsgespräch geführt, in dem ihre gegenwärtige Lebenssituation erörtert wird …“

• Persönlichkeit und Lebensverhältnisse werden nach Art. 8 Abs. 1 S. 1 ­ BayStVollzG erforscht (Titel: „Behandlungsuntersuchung, Beteiligung der Gefangenen“), ebso. StVollzG.

§ 8 S. 2 GE-SVVollzG: „Mit den Untergebrachten ist unverzüglich ein Zugangs­ gespräch zu führen, in dem sie auch über die Ausgestaltung der Unterbringung informiert werden.“

• Wie GE-SVVollzG: JVollzGB III; HmbStVollzG.

• Wie ME-SVVollzG: 8er-Gruppe (z. B. § 6 Abs. 1 S. 1 BremSVVollzG). Im ­ Übrigen wie GE-SVVollzG; nur Zusatz in § 7 Abs. 2 S. 3–4 Nds. SVVollzG: „Gleichzeitig soll ihr oder ihm Gelegenheit gegeben werden, zur Vollzugsgestaltung Anregungen zu geben. Diese sind zu berücksichtigen, soweit sie der Er­reichung der Vollzugsziele nach § 2 Abs. 1 und 2 dienen.“ Ergebnis Diagnoseverfahren bzw. Behandlungsuntersuchung66 wird erörtert: § 7 Abs. 5 ME-SVVollzG: „Das Ergebnis des Diagnoseverfahrens wird mit den Untergebrachten erörtert.“

• StVollzG: „Die Planung der Behandlung wird mit dem Gefangenen erörtert.“ (schließt die Ergebnisse der Behandlung mit ein).

GE-SVVollzG: keine Regelung.

66 Nur in § 6 Abs. 3 S. 2 JVollzGB V „Die Untergebrachten wirken an der Behandlungsuntersuchung mit.“ (parallel dazu Mitwirkung an der Behandlung); identisch für potentielle SV in § 98 Abs. 3 S. 2 JVollzGB III.

573

Anhang

ME- und GE-SVVollzG sowie SVVollzGe

Strafvollzug

Aufnahme, Behandlung

• Wie ME-SVVollzG: SVVollzG Bln; BbgSVVollzG; HmbSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG/ SLSVVollzG; SächsSVVollzG; SVVollzG SH (z. B. § 8 Abs. 4 HmbSVVollzG). Im Übrigen wie GE-SVVollzG.

• Wie ME-SVVollzG: BbgJVollzG; HmbStVollzG; StVollzG M-V; LJVollzG; SächsStVollzG; SLStVollzG; ThürJ VollzGB; HmbStVollzG: „Ergebnisse der Untersuchung sind zu dokumentieren und mit den Gefangenen zu erörtern“. Im Übrigen wie GE-SVVollzG.

Vollzugs- und Eingliederungsplan, Konferenz

Erörterung Vollzugs- und ggf. Eingliederungsplan ME-SVVollzG: „Die Vollzugs- und Eingliederungsplanung wird mit den Untergebrachten erörtert.“

• Wie ME-SVVollzG: BbgJVollzG; BremStVollzG; StVollzG M-V; LJVollzG; SLStVollzG; SächsStVollzG; ThürJVollzGB. • Im Übrigen wie GE-SVVollzG.

GE-SVVollzG: „Die Vollzugsplanung wird mit den Untergebrachten erörtert.“ • Wie ME-SVVollzG: 8er-Gruppe (z. B. § 8 Abs. 5 SVVollzG SH). Im Übrigen wie GESVVollzG (z. B. Art. 9 Abs. 4 BaySvVollzG). Berücksichtigung Anregungen der Untergebrachten ME-SVVollzG: „Dabei werden deren Anre­ gungen und Vorschläge einbezogen, soweit sie der Erreichung des Vollzugsziels dienen.“ GE-SVVollzG: keine Regelung. • Wie ME-SVVollzG: SVVollzG Bln; BbgSV VollzG; BremSVVollzG; HmbSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG/SLSVVollzG; SächsSVVollzG; SVVollzG SH.

• Wie ME-SVVollzG: BbgJVollzG; BremStVollzG; HStVollzG; StVollzG M-V; LJVollzG; SLStVollzG; SächsStVollzG; ThürJVollzGB. • Im Übrigen wie GE-SVVollzG mit Ausnahme § 10 Abs. 2 S. 2 HStVollzG: „Deren Anregungen und Vorschläge werden angemessen einbezogen.“ Sowie § 5 Abs. 3 S. 2 JVollzGB III: „Ihnen wird Gelegenheit gegeben, eine Stellungnahme in der Vollzugsplankonferenz abzugeben.“

• § 10 Abs. 4 S. 2 HSVVollzG/ThürSV VollzG: „Deren Anregungen und Vorschläge werden angemessen berücksichtigt.“ • § 7 Abs. 5 S. 2 JVollzGB V: „Ihnen wird Gelegenheit gegeben, eine Stellungnahme in der Vollzugsplankonferenz abzugeben.“ (Fortsetzung nächste Seite)

574

Anhang

(Fortsetzung: Tabelle A11)

ME- und GE-SVVollzG sowie SVVollzGe

Strafvollzug

Vollzugs- und Eingliederungsplan, Konferenz

Aushändigung Plan (ggf. der Fort­ schreibung) ME-SVVollzG: „Der Vollzugs- und Eingliederungsplan und seine Fortschreibungen werden den Untergebrachten ausgehändigt.“ GE-SVVollzG: „Der Vollzugsplan ist ihnen auszuhändigen.“

• Wie ME-SVVollzG: BbgJVollzG; BremStVollzG; HStVollzG; StVollzG M-V; LJVollzG; SLStVollzG; SächsSt VollzG; ThürJVollzGB. • Wie GE-SVVollzG: HStVollzG; NJVollzG; StVollzG NRW; StVollzG. • Keine Regelung im JVollzGB III; BayStVollzG (dort nur entsprechende ­ Regelung für potentielle SV).

• Wie ME-SVVollzG z. B. § 8 Abs. 8 SächsSVVollzG „Abschriften des Vollzugs- und Eingliederungsplans und seine Fortschreibungen werden den Untergebrachten ausgehändigt.“; SVVollzG Bln; BbgSVVollzG; BremSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG/ SLSVVollzG; SVVollzG SH. • Wie GE-SVVollzG: JVollzGB V; BaySvVollzG; HmbSVVollzG; HSVVollzG/ThürSVVollzG; SVVollzG NRW. Zusätze in Nds. SVVollzG; SVVollzG LSA: „und ihnen in schriftlicher Form ausgehändigt“. 67 Zusätzliche Eröffnung und Erläuterung der Planung sowie Einbeziehung in der Konferenz ME-SVVollzG: „Den Untergebrachten wird der Vollzugs- und Eingliederungsplan in der Konferenz eröffnet und erläutert. Sie können auch darüber hinaus an der Konferenz beteiligt werden.“

• Wie ME-SVVollzG: BremStVollzG; StVollzG M-V; LJVollzG; SLStVollzG; SächsStVollzG (Sollvorschrift bzgl. der Beteiligung); ThürJVollzGB; ähnl. HStVollzG. • BbgJVollzG: u. U. regelmäßige Beteiligung je nach Strafhöhe. • Im Übrigen keine Regelung.

GE-SVVollzG: keine Regelung.

67 Eine bloß mündliche Erörterung reicht nicht aus, so für den Strafvollzug bereits BVerfG NStZ 2003, 620.

575

Anhang

ME- und GE-SVVollzG sowie SVVollzGe

Strafvollzug

Vollzugs- und Eingliederungsplan, Konferenz

• Wie ME-SVVollzG: SVVollzG Bln; BbgSVVollzG; BremSVVollzG; HmbSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG/SLSVVollzG; SächsSVVollzG („sollen beteiligt werden“); SVVollzG SH („i. d. R.“). • SVVollzG NRW: „Betroffenen Untergebrachten kann die Teilnahme an der Vollzugsplankonferenz ermöglicht werden“; JVollzGB V: „Ihnen wird Gelegenheit gegeben, eine Stellungnahme in der Vollzugsplankonferenz abzugeben.“68

Tabelle A12 Ausgewählte Regelungen zu Personal und Anstaltsleitung69 SVVollzG M-V70

SVVollzG LSA71

Zusammenarbeit und Aufgabenwahrnehmung

§ 101 SVVollzG M-V: „Bedienstete“ (Ergänzung im Vergleich zum ME-SVVollzG)72: Abs. 4: „Alle im Vollzug Tätigen arbeiten zusammen und wirken daran mit, dessen Aufgaben zu erfüllen.“ (Fortsetzung nächste Seite) 68 I. Ü. können (nicht müssen) die Untergebrachten in den anderen Ländern an der Konferenz beteiligt werden, wie sich regelmäßig aus einem Umkehrschluss zu den Gesetzesbegründungen ergibt, z. B. H LT-Drs. 18/6068, S. 64 zu § 10 Abs. 4 S. 1 HSVVollzG. 69 Erläutert anhand ausgewählter Bspe. Die Regelungen des Strafvollzugs werden in den folgenden Fn. im Vergleich dargestellt; LStVollzGe nur bei Besonderheiten, denn alle Länder folgten sinngemäß dem StVollzG; dazu AK-StVollzG-Feest/Walter 2012, § 154 Rn. 18 f.; § 155 Rn. 8 f. 70 Ähnl. zu § 101 SVVollzG M-V: § 12 Abs. 6 und § 16 Abs. 1, 2 JVollzGB I; Art. 87 Bay SvVollzG; § 102 SVVollzG Bln; § 97 BbgSVVollzG; § 102 BremSVVollzG; § 93 HmbSVVollzG; § 71 HSVVollzG/§ 65 ThürSVVollzG; komprimiert in § 87 SVVollzG NRW; § 97 LSVVollzG/ SLSVVollzG; § 106 SVVollzG SH; § 110 SächsSVVollzG. 71 Ähnl. § 113 Nds. SVVollzG, der allerdings als einziges SVVollzG in Abs. 2 nur eine Sollvorschrift enthält und damit negativ vom Strafvollzug abweicht. 72 Eine Ergänzung, die an § 154 Abs. 1 StVollzG („Zusammenarbeit“) erinnert: „Alle im Vollzug Tätigen arbeiten zusammen und wirken daran mit, die Aufgaben des Vollzugs zu erfüllen.“ § 2 StVollzG NRW sieht den allg. Grds. vor, dass alle im Vollzug Tätigen zusammenwirken. Die SVVollzGe kennen keine solchen allg. Grds. zu Beginn des Gesetzes.

576

Anhang

(Fortsetzung: Tabelle A12)

SVVollzG M-V70

SVVollzG LSA71

Zusammenarbeit und Aufgabenwahrnehmung

§ 100 SVVollzG M-V: „Anstaltsleitung“ S. 2 und 3: Die Anstaltsleitung „kann weitere Aufgabenbereiche auf den Leiter oder die Leiterin der für den Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung bestimmten Abteilung oder andere Bedienstete übertragen. Die Aufsichtsbehörde kann sich die Zustimmung zur Übertragung vorbehalten“

§ 97 SVVollzG LSA: „Bedienstete“73: A. 1: „Die hoheitlichen Aufgaben des Vollzugs der Sicherungsverwahrung werden i. d. R. von Justizvollzugsbeamten wahr­ genommen.“ § 96 SVVollzG LSA: „Leitung der Einrichtung“ Abs. 1 S. 2: Die Anstaltsleitung „kann ­ einzelne Aufgabenbereiche auf andere ­ Bedienstete übertragen.“

Ausstattung und Qualifikation

§ 101 SVVollzG M-V: „Bedienstete“74 Abs. 1: „Die für den Vollzug der Unterbringung der Sicherungsverwahrung bestimmte Abteilung wird mit dem für die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Personal, insbesondere Bediensteten des allgemeinen Vollzugsdienstes und des psychologischen und sozialpädagogischen Dienstes, aus­ gestattet, um eine Betreuung nach § 66c Absatz 1 Nummer 1 des Strafgesetzbuchs zu gewährleisten.“

§ 97 SVVollzG LSA: „Bedienstete“ Abs. 2 S. 1: „Die Einrichtung wird mit dem zur Erreichung des Vollzugsziels und die Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Personal ausgestattet.“

§ 101 SVVollzG M-V: „Bedienstete“ Abs. 2: „Das Personal muss für den Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung persönlich geeignet und fachlich qualifiziert sein. Fortbildungen sowie ­Praxisberatung und Praxisbegleitung für die Bediensteten werden regelmäßig durch­geführt.“

§ 97 SVVollzG LSA: „Bedienstete“ Abs. 2 S. 2: „Das Personal muss für den Vollzug der Sicherungsverwahrung persönlich geeignet und fachlich qualifiziert sein. Fortbildung sowie Praxisberatung und -begleitung für die Bediensteten sind zu gewährleisten.“

73

Diese Norm ist bekannt aus dem StVollzG. So lautet § 155 Abs. 1 S. 1 StVollzG („Vollzugsbedienstete“): Abs. 1: „Die Aufgaben der Justizvollzugsanstalten werden von Vollzugsbeamten wahrgenommen.“ § 155 Abs. 1 S. 2 StVollzG entspricht § 96 Abs. 1 S. 2 SVVollzG LSA und § 100 S. 2 SVVollzG M-V: „Aus besonderen Gründen können sie auch anderen Bediensteten der Justizvollzugsanstalten sowie nebenamtlichen oder vertraglich verpflichteten Personen übertragen werden.“ 74 Zur Qualifikation des Personals fand sich in § 76 Abs. 3 S. 1 HStVollzG a. F. („Vollzugsbedienstete“) a. F. folgender Zusatz: „Das Personal muss für die Gestaltung des Vollzugs persönlich geeignet und fachlich qualifiziert sein. Fortbildungen für die Bediensteten sind regelmäßig durchzuführen.“

577

Anhang

SVVollzG M-V70

SVVollzG LSA71 Anstaltsleitung

§ 100 SVVollzG M-V: „Anstaltsleitung“ S. 1: „Der Leiter oder die Leiterin der Anstalt, innerhalb derer die für den Vollzug der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung bestimmte Abteilung eingerichtet ist, vertritt diese nach außen und trägt die Gesamtverantwortung für den Vollzug.“

§ 96 SVVollzG LSA: „Leitung der Einrichtung“ Abs. 1 S. 1: „Der Leiter der Einrichtung trägt die Verantwortung für den gesamten Vollzug und vertritt die Einrichtung nach außen.“ Abs. 2: „Wird die Sicherungsverwahrung in gesonderten Gebäuden oder Abteilungen einer Justizvollzugsanstalt vollzogen, so ist deren Leiter zugleich Leiter der Einrichtung.“

Im Zusammenhang mit der Behandlung und Unterbringung

§ 15 SVVollzG M-V: „Behandlung“ Abs. 3: „Bei der therapeutischen Ausgestaltung des Vollzugs wirken Bedienstete verschiedener Fachrichtungen in enger Abstimmung zusammen. Soweit es erforderlich ist, sind externe Fachkräfte einzubeziehen.“

§ 11 SVVollzG LSA: „Behandlung“ Abs. 2: „Bei der Behandlung wirken Bedienstete verschiedener Fachrichtungen in enger Abstimmung zusammen. Soweit dies erforderlich ist, sind externe Fachkräfte einzubeziehen.“ Abs. 3: „Den Untergebrachten sollen Bedienstete als feste Ansprechpartner zur ­ Verfügung stehen.“

§ 15 SVVollzG M-V: „Wohngruppenvollzug“75 Abs. 3 S.2: Die Wohngruppe „wird i. d. R. von fest zugeordneten Bediensteten betreut.“

SVVollzG LSA: keine Regelung

§ 101 SVVollzG M-V: „Bedienstete“ Abs. 3: „Die Bediensteten des allgemeinen Vollzugdienstes, des psychologischen und sozialpädagogischen Dienstes sollen Wohngruppen zugeordnet werden.76 Eine Betreuung in den Wohngruppen ist auch in der beschäftigungs- und arbeitsfreien Zeit der Untergebrachten, insbesondere am Wochenende, in dem erforderlichen Umfang zu gewährleisten.“

§ 97 SVVollzG LSA: „Bedienstete“ Abs. 3: „Die Betreuung der Untergebrachten ist auch an allgemein arbeitsfreien Tagen zu gewährleisten.“

75

Aktuell genauso für den Strafvollzug in einigen Gesetzen vorgesehen, s. etwa § 13 Abs. 2 S. 2 BremStVollzG: „Sie wird i. d. R. von fest zugeordneten Bediensteten betreut.“ 76 Sinnvoll ist insofern § 10 Abs.  2 S.  3 HmbSVVollzG, der ausdrückl. einen festen Ansprechpartner im therapeutischen Bereich zuschreibt (allerdings nur in einer Sollvorschrift):

578

Anhang Tabelle A13 Verwahrte und vorhandene Stellen77 Baden-Württemberg

– 64 Verwahrte (12,9 %) und 34,9 (+30) Stellen speziell für die SV. • Stellen: 34,9 Stellen unmittelbar der SV-Abteilung zugeordnet. Davon 0,4 Stellen höherer Verwaltungsdienst; 3,2 Stellen psychologischer Dienst; 3,3 Stellen Sozialer Dienst; 27,0 Stellen AVD. Externe Honorarfachkräfte; 1 Kunst- und Bewegungstherapeutin; 1 Musiktherapeutin; 1 Konsiliarpsychiater. • Anteilige Nutzung der allgemeinen personellen Ressourcen: Danach entfallen auf die SVAbteilung rund weitere 30 Personalstellen. Bayern

– 54 Verwahrte (11,0 %) und 71 Stellen speziell für die SV. • 71 Stellen: 1 Jurist; 1 Psychiater; 7 Psychologen; 7 Sozialarbeiter; 1 Arzt; 1 Lehrer; 1 Vollzugsinspektor; 4 Krankenpfleger; 44 Bedienstete des AVD und 4 Bedienstete der Verwaltung. Berlin

– 41 Verwahrte (8,4 %) und 33 (+2) Stellen speziell für die SV. • Besetzt insgesamt 33 Stellen: Leitung der SV-Abteilung (Juristin); Stellvertreter (Sozialpäda­ goge); ein Verwaltungsmitarbeiter; 2 Psychologinnen; 4 Mitarbeiter Sozialdienst; 24 Beschäftigte des AVD; ausgeschrieben 1 Psychologenstelle. • SothA und Psychologischer Dienst jeweils mit einer weiteren Stelle ausgestattet.

„Den Untergebrachten sollen feste Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner zur Ver­ fügung stehen.“ Ebso. in § 8 Abs. 3 JVollzGB V; Art. 10 Abs. 2 S. 4 BaySvVollzG; § 4 Abs. 2 S. 3 HSVVollzG/ThürSVVollzG; § 11 Abs. 3 SVVollzG NRW; § 11 Abs. 3 SVVollzG LSA. Feste Ansprechpartner im Zusammenhang mit den Wohngruppen i. R. d. Unterbringungsregelungen enthalten (zusätzlich zur Regelungen im Personalbereich wie in § 101 SVVollzG M-V) folgende Gesetze: SVVollzG Bln.; BbgSVVollzG; BremSVVollzG; HmbSVVollzG; SVVollzG M-V; Nds. SVVollzG; LSVVollzG/SLSVVollzG; SächsSVVollzG; SVVollzG SH. Gemein ist allen hier vorgestellten Normen, dass sie lediglich eine „Sollvorschrift“ bzw. den relativierenden Zusatz „i. d. R.“ enthalten. 77 Vgl. Arloth, FS 2013, 218 ff. (die Zeitpunkte der Datenabfrage variiert) sowie die Angaben in den folgenden Konzepten: Konzept JVA Bautzen, S.  5; Konzept JVA Burg, S.  5; Konzept JVA Diez, Folie 37; Konzept JVA Fuhlsbüttel, S. 15; Konzept JVA Rosdorf, S. 13, Konzept JVA Tegel, S.  18. Ebso. unspezifische Angaben in den Gesetzgebungsverfahren: BW LT-Drs.  15/2450, S:  54; Bay LT-Drs.  16/13834, S.  4; Bln LT-Drs.  17/0689, S.  7; Bbg LT-Drs.  5/6599, S.  67; Hmb LT-Drs.  20/6795, S.  72; H LT-Drs.  18/6068, S.  107; RlP LTDrs. 16/1910, S. 2; M-V LT-Drs. 6/1476, S. 4; Nds LT-Drs. 16/473, S. 51; Sächs LT-Drs. 5/10937, S. 5 f.; LSA LT-Drs. 6/1673, S. 97 ff.; s. a. Teil D., Fn. 903.

Anhang

579

Brandenburg

– Verwahrte (1,6 %) und 21 Stellen speziell für die SV. • Leiter der SV-Abteilung und Vertretung. • Ab 2015: 2 Psychologenstellen; 2 Mitarbeiter des Sozialdienstes; 15 Mitarbeiter des AVD. Hamburg78

– 48 Verwahrte (9,8 %) und 13 (+x) Stellen speziell für die SV. • 2 Vollzugsabteilungsleitungen; 2 Psychologen; 3 Wohngruppenbeamte (AVD); sowie die Angehörigen des AVD für den Stationsdienst und die Durchführung von Ausführungen (3 Dienstposten Stationsdienst; 2 Dienstposten Ausführungen im Tagesdienst; 1 Dienstposten im Nachtdienst). • Da Bildungsmaßnahmen und Arbeit der JVA genutzt werden, gibt es in diesem Bereich kein eigenes Personal. Hessen79

– 48 Verwahrte (9,8 %) und 57,7 Stellen speziell für SV. • Für das Jahr 2014 festgelegt: 1 Vollzugsabteilungsleitung; 0,5 Stelle (Stellvertretung Abteilungsleitung); 3 Stellen Psychologischer Dienst; 6 Stellen Sozialdienst; 1 Stelle Pädagogischer Dienst; 2 Stellen Ergotherapeuten; 0,5 Stelle ärztlicher Dienst; 1 Stelle Krankenpflegedienst. • AVD: 42,7 Stellen. Mecklenburg-Vorpommern

– 12 Verwahrte (2,4 %) und 24 Stellen speziell für die SV. • 24 Stellen: 3 Psychologen; 2 Sozialpädagogen; 1 Vollzugsabteilungsleiter; 17 AVD; 1 Schreibkraft. Niedersachsen

– 43 Verwahrte (8,8 %) und 37 Stellen speziell für die SV. • 6 Stellen im psychologischen Dienst; 6 Stellen im Sozialdienst und 25 Stellen im AVD. • Abteilungsleitung neben Behandlungsleitung (aus dem psychiatrischen Dienst). Nordrhein-Westfalen

– 111 Verwahrte (22,6 %). • Angabe von Berechnungsschlüsseln: 1 Stelle Psychologischer Dienst auf 30 Verwahrte; 1 Stelle Sozialdienst auf 30 Verwahrte; AVD: 1 Stelle auf 3 Verwahrte. (Fortsetzung nächste Seite) 78

Vgl. auch die aktuellen Angaben vom 30.6.2015 in Hmb LT-Drs. 21/869, S. 3 f. Die laut StrVollzSta 2013 in Thür untergebrachten sieben Verwahrten bleiben hier außen vor. Vgl. dazu aber Konzept JVA Tonna, S. 13 zum dort vorgehaltenen Personal. 79

580

Anhang

(Fortsetzung: Tabelle A13)

Nordrhein-Westfalen

• Anteilige Zuordnung aus Personal des Strafvollzugs (aus den Bereichen höherer und gehobener Vollzugs- und Verwaltungsdienst; ärztlicher Dienst und Werkdienst); Haushaltsmittel für externe Therapeuten. Rheinland-Pfalz80

– 46 (9,4 %) und 41 (+x) Stellen speziell für die SV. • 1 Stelle Obermedizinalrat; 4 Stellen Psychologieräte; 2 Stellen Sozialinspektoren; 34 Stellen AVD. • Die umfassenden Behandlungs- und Betreuungsangebote der Strafgegangenen mit latenter SV sind aus diesem Stellenkontingent zu erfüllen; im Übrigen werden weitere Aufgaben vom vorhandenen Personalkörper zu erfüllen sein sowie Sachmittel für externe Kräfte. Sachsen

– 22 Verwahrte (4,5 %) und 19 Stellen speziell für SV. • 1 Abteilungsleitung; 2 Sozialarbeiter; 2 Psychologen; 1 psychotherapeutisch vorgebildeter Arzt; 1 Arbeitstherapeut; 1 Kunsttherapeut; 8 Bedienstete des AVD; 1 Schreibkraft. Sachsen-Anhalt

– Verwahrte (2,2 %). • Für den für das Jahr 2025 prognostizierten Bestand von 24 SV ergibt sich folgender Personalbedarf: 1 Abteilungsleitung; 2,5 Psychologenstellen; 2,5 Sozialpädagogenstellen; 1,0 Vollzugsabteilungsleiter; 8,0 AVD-Stellen. • Verwaltungs- und therapeutische Behandlungsmaßnahmen können durch bereits vorhandenes Personal der SV wahrgenommen werden (eine exakte Trennung und Aufschlüsselung sei nicht möglich). Zusätzlich erforderliches Fachpersonal i. R. d. PPP-Verträge. • Derzeit: Zum interdisziplinären Behandlungsteam „gehören 1 Leiter des Behandlungsteams und 1 Abteilungsbetreuer im Tagdienst, je 2 Bedienstete des Allgemeinen Vollzugsdienstes (AVD) in der Früh- und Spätschicht bzw. am Wochenende (je 12h-Schicht).“ Außerdem gehören zum Behandlungsteam 2 Psychologen; 3 Sozialarbeiter. Schleswig-Holstein

– Verwahrte (0,4 %). • Für die regelmäßig erwarteten 3 SV in der Entlassungsphase in der JVA Lübeck sowie Strafgefangene stehen 2 Psychologen; 1 Sozialpädagoge zur Verfügung; sowie voraussichtlich 8 AVD-Stellen. 80

Der eine laut StrVollzSta 2013 für das SL angegebene Verwahrte bleibt hier außen vor. Da regelmäßig die Verwahrten in der JVA Diez untergebracht sind, machte das Land keine weiteren Angaben zum Personal, vgl. dazu Arloth, FS 2013, 225. Laut Pyhrr 2015, 318 seien die Zahlen inzwischen erhöht worden.

Anhang

581

Tabelle A14 Vergleich der Vorschriften zur Beschäftigung81 Arbeitspflicht

• Beibehalten nur: BaySvVollzG. • Ausdrückl. abgeschafft: JVollzGB V; HmbSVVollzG; HSVVollzG/ThürSVVollzG; Nds. SVVollzG; SVVollzG NRW; SVVollzG SH. • Abschaffung mittels Auslegung feststellbar: SVVollzG Bln; BbgSVVollzG; BremSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG/SLSVVollzG; SächsSVVollzG; SVVollzG LSA.82 Institutionelle Absicherung des Angebots

• § 103 Abs.  1 S.  1 SVVollzG SH: „Es ist eine bedarfsgerechte Anzahl und Ausstattung von Plätzen insbesondere für therapeutische Maßnahmen, für Maßnahmen der Beschäftigung, Besuche, Freizeit, Sport und Seelsorge vorzusehen“; ähnl. JVollzGB I; BaySvVollzG; SVVollzG Bln; BremSVVollzG; HmbSVVollzG; SVVollzG NRW; SVVollzG M-V; LSV VollzG/SLSVVollzG; SächsSVVollzG SVVollzG LSA. • Im BbgSVVollzG nur die Rede von „bedarfsgerecht ausgestattete Räume“; im HSVVollzG/ ThürSVVollzG: „bedarfsgerechte Anzahl von Plätzen und die erforderliche Ausstattung der Räumlichkeiten“; abweichend: § 108 S.  2 und 3 Nds.  SVVollzG: „Dazu muss insbesondere sichergestellt werden, dass den Sicherungsverwahrten die erforderlichen Betreuungs- und Behandlungsmaßnahmen nach § 4 Abs. 1 und 2 angeboten werden können. Personelle Ausstattung, sachliche Mittel und Organisation der Anstalten sind hieran auszurichten.“ Selbstbeschäftigung

• Ohne Einschränkung möglich: JVollzGB V; BaySvVollzG; SVVollzG Bln; HmbSVVollzG; HSVVollzG/ThürSVVollzG; Nds. SVVollzG; SVVollzG NRW; SVVollzG LSA; SVVollzG SH. • Nur außerhalb der Einrichtung bei Freigang, d. h. Verschlechterung ggü. § 39 Abs.  2 StVollzG: BbgSVVollzG; BremSVVollzG; SVVollzG M-V; LSVVollzG/SLSVVollzG; SächsSVVollzG.

81

Die Arbeitspflicht ist in einigen StVollzGen abgeschafft, vgl. LNNV/Nestler 2015, Arbeit, Bildung II–XXII. 82 Dazu inzwischen KG Berlin FS 2015, 63.

582

Anhang Tabelle A15 (Nicht-)Finanzielle Anerkennung vor und nach dem 1.6.201383 Vor dem 1.6.2013: (L)StVollzGe

Nach dem 1.6.2013: SVVollzGe

Eckvergütung und Mindestvergütung

• 9 % der Bezugsgröße des Sozialrechts als Eckvergütung nach § 200 StVollzG; Einteilung in Vergütungsstufen84.

• 16 % der Bezugsgröße des Sozialrechts als Eckvergütung z. B. nach § 60 Abs. 2 S. 1 BbgSVVollzG.86

• Mindestens 75 % der Eckvergütung Ausnahme in § 43 Abs. 3 S. 2 StVollzG bzw. LStVollzGen85.

• Einteilung in Vergütungsstufen nach § 60 Abs. 3 S. 1 und 3 BbgSVVollzG i. V. m. § 1 Abs. 1 BbgJVollzSVVergO (Vergütungsstufen A1–A3).87 • Bei Teilnahme an Behandlungsmaßnahme während der Arbeitszeit wird eine Entgeltfortzahlung gewährt. Darüber hinaus wird z. T. eine Vergütung bezahlt, wenn man nicht beschäftigt ist.

83

Zu sonstigen Geldern der Verwahrten: An dem in §§ 51, 130 StVollzG und sinngemäß in den LStVollzGen geregelten Überbrückungsgeld und dem damit verbundenen zwangsweisen Ansparen halten folgende Gesetze fest: JVollzGB V, BaySvVollzG; HmbSVVollzG; HSVVollzG/ThürSVVollzG; Nds. SVVollzG; SVVollzG NRW; SVVollzG LSA; SVVollzG SH. Die Höhe des Überbrückungsgeldes wurde hingegen in keinem SVVollzG festgelegt; s.  dazu OLG Karlsruhe NStZ-RR 2015, 92 f. Eine Wahlmöglichkeit besteht hingegen im SächsSVVollzG und BremSVVollzG. Dies ist angesichts der Heterogenität der SV, welche sich hier widerspiegelt, durchaus begrüßenswert. Für viele macht die Verpflichtung zum Sparen angesichts der Sozialsysteme, die sie in Freiheit erwarten u. U. keinen Sinn, zudem kann so das erhöhte Eigengeld im Optimalfall für eine Schadenswiedergutmachung eingesetzt werden (darauf hinweisend Hurlin in der Anhörung zum LSVVollzG-E hin, APr 16/19, S. 16), anderen hilft es ggü. Gläubigern in Freiheit (vgl. dazu M-V LT-Drs. 6/1476, S. 107). Die Abschaffung oder Wahlmöglichkeit ist Ausdruck einer größeren Selbstbestimmung als im Strafvollzug; zudem liegt gerade wg. den Zugriffsmöglichkeiten von Gläubigern in der völligen Abschaffung keine Besserstellung, sondern Verschlechterung ggü. den Strafgefangenen. Am Sondergeld hält das JVollzGB V und teilw. BaySvVollzG fest; krit. Fluhr, Schriftliche Stellungnahme zum JVollzGB V-E, S. 5 f.: Das Sondergeld fördere die Subkultur und schaffe Abhängigkeitsverhältnisse, weil Druck ausgeübt werde, um Sondergeld zu überweisen. 84 Zu Vergütungsstufen und Stundensätzen Laubenthal 2015, Rn. 440; AK-StVollzG-Feest 2012, § 43 Rn. 10. 85 Ebso. bisher in § 49 Abs. 3 S. 2 JVollzGB III a. F.; Art. 46 Abs. 3 S. 2 BayStVollzG a. F.; § 40 Abs. 2 S. 3 Nr. 2 HmbStVollzG a. F.; § 40 Abs. 2 S. 2 NJVollzG a. F. 86 § 38 Abs. 3 HSVVollzG enthält zugleich eine Legaldefinition der Vergütung als Oberbegriff von Arbeitsentgelt oder Ausbildungsbeihilfe. Zu den einzelnen Normen vgl. die Übersicht bei Laubenthal 2015, Rn. 943. 87 Andere Länder, wie bspw. RlP, haben sehr viel mehr Vergütungsstufen (1.2.–5), vgl. dazu § 1 Abs. 1 LVergVollzVO, wobei nach Abs. 2 der Norm die Vergütungsstufe 1.2. ebso.

583

Anhang

Vor dem 1.6.2013: (L)StVollzGe

Nach dem 1.6.2013: SVVollzGe

Taschengeld

• Erhöhtes Taschengeld nach § 133 Abs. 2 StVollzG, Höhe mind. dreifacher Tagessatz der Eckvergütung, nach VV zu § 133 StVollzG sogar 23 % der Eckvergütung bzw. nach LStVollzGen (z. T. relativ unbestimmt wie „angemessen zu erhöhen“, z. B. in § 110 Abs. 2 NJVollzG a. F.).

• Nach Art. 45 Abs. 2 S. 1 BaySvVollzG: 2 ½ fache Tagessatz der Eckvergütung.88 Im Übrigen zwischen 18 %–24 % der Eckvergütung im Regelfall (bis zu 100 €89). • teilweise Erhöhung (z. B. Art. 45 Abs. 2 S. 2 BaySvVollzG) oder Reduzierung in § 41 Abs. 3 HSVVollzG/ThürSVVollzG des Taschengeldes zur Motivation. • Darlegungslast des Verwahrten bzgl. der Bedürftigkeit.90

Nichtmonetäre Vergütung und Arbeitsurlaub

• Freistellungstage nach §§ 43 Abs. 6, 130 StVollzG91 und LStVollzGen als nichtmonetäre Vergütung.

• Verzicht92 auf nicht-monetäre Anerkennung in allen SVVollzGen (ebso. bereits im ME- und GE-SVVollzG); Grund liegt in der Erhöhung der Vergütung, wie die Gesetzesbegründung Niedersachsens vermuten lässt.93 (Fortsetzung nächste Seite)

wie (mind.) nach § 60 Abs. 3 S. 2 LSVVollzG bei 75 % der Eckvergütung liegen soll. So lange keine Vergütungsverordnung erlassen wurde, ist auf diejenige zum Strafvollzug zurückzugreifen, vgl. dazu OLG Hamm, Beschl. vom 27.5.2014 – III-1 Vollz (Ws) 142/14, 1 Vollz (Ws) 142/14, Rn. 11 – bei juris. 88 Bay scheint am Tagessatz festzuhalten, um zu verbergen, dass es insgesamt am wenigsten Taschengeld zahlt. Dass der Tagessatz im Strafvollzug sogar höher ausfällt, soll aber laut Gesetzesbegründung kein Problem sein, vgl. dazu Bay LT-Drs. 16/13834, S. 123. 89 Vgl. dazu z. B. SH LT-Drs. 18/448, S. 173 (bei 24 % Eckvergütung). 90 Dass es dabei geblieben ist, legen insbes. die Formulierungen des Gesetzestextes sowie der Gesetzesbegründungen zum Ausschluss der Bedürftigkeit nahe, weil dort die Rede davon ist, dass Untergebrachte dann als nicht bedürftig gelten, wenn sie z. B. einer angebotenen zumutbaren Arbeit nicht nachkommen (vgl. etwa RlP LT-Drs. 16/1910, S: 174. 91 Eingeführt nach der Entscheidung des BVerfG aus dem Jahre 1998, weil die Höhe des Arbeitsentgelts für Pflichtarbeit verfassungswidrig war, vgl. BVerfGE 98, 169. 92 Daher keine analoge Anwendung der alten StVollzG-Regelung, so LG Koblenz, Beschl. vom 19.3.2014 – 2 Ws 17/14 (Vollz), Rn. 11 ff. – bei juris. 93 Nds. LT-Drs. 16/4873, S. 52: „Bei der Berechnung [der Entlohnung] berücksichtigt sind bereits kapitalisierte Minderausgaben durch den im Entwurf vorgesehenen Verzicht auf die bislang in § 40 Abs. 5 NJVollzG geregelten Freistellungstage als nicht-monetäre Bestandteile der Vergütung.“

584

Anhang

(Fortsetzung: Tabelle A15)

Vor dem 1.6.2013: (L)StVollzGe

Nach dem 1.6.2013: SVVollzGe

Nichtmonetäre Vergütung und Arbeitsurlaub

• Keine Anrechnung auf Entlassungszeitpunkt bei Sicherungsverwahrten nach §§ 41 Abs. 10 Nr. 1–3, 130 StVollzG und LStVollzGen.

• Vorher erworbene Ersatzleistungen müssen weiterhinein Vorteil bleiben, ­ daher Berücksichtigung (z. B. § 43 Abs. 6 GE-SVVollzG).94

• Daneben Freistellung von der Arbeitspflicht als Arbeitsurlaub in §§ 42, 130 StVollzG (erst ab einem Jahr Arbeit): 18 Werktage bzw. in Hamburg bis zu 22 Werktage.

• Sonderregelung in § 39 Abs. 1 HSVVollzG: Ggf. Erlass der Kosten­ tragungspflicht des Strafverfahrens. • Freistellung von der Beschäftigung in ­ allen SVVollzGen etwas günstiger als im Strafvollzug (i. d. R. mind. 10 Werktage wie im ME-SVVollzG bspw. in § 28 Abs. 7 S. 1 ThürSVVollzG; teilweise 11 oder max. 12 Werktage wie bspw. in § 44 Abs. 1 S. 1 JVollzGB V95), jeweils ab ½ Jahr Arbeit.

94 Vgl. LG Kleve, Beschl. vom 5.8.2009 – 161 StVK 37/09; bisher erworbene Freistellungstage bleiben „aus Gründen des Vertrauensschutzes“ erhalten, so OLG Koblenz, Beschl. vom 14.5.2014 – 2 Ws 137/14 (Vollz), Rn. 12 – bei juris; ähnl. Schäfersküpper/Grote, NStZ 2013, 451; s. a. KG Berlin, Beschl. vom 21.10.2013 – 2 Ws 451/13, Rn. 24–26 – bei juris: ggf. ein Ausgleichsanspruch sofort fällig. Einige Gesetze haben die Problematik noch „übriger“ Freistellungstage ausdrückl. geregelt, so z. B. § 39 Abs. 2 HSVVollzG. 95 Zu kritisieren ist die umständliche Normierung in § 41 Abs. 1 S. 1 Nds. SVVollzG, welche i. E. ebenfalls auf zwölf Werktage hinausläuft.

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Sachverzeichnis Abstandsgebot –– Alternativen 526–528 –– bisherige praktische Umsetzung ­130–133 –– die sieben Gebote  159–163 –– Geburtsstunde 52 –– Konkretisierung 156 –– Problemlöser 510–527 Altersstruktur 112–113 Angleichungsgrundsatz  296, 300–301, 316 Anlasstaten 114–116 Anreizsystem  348–358, 385–388 –– monetäre Anreize  357–360, 557 –– Zulässigkeit 351–354 Ausländeranteil 111 Autonome Begriffsbestimmung  66–67 Bedienstete  160, 413–421, 575–576 –– Anstaltsleitung 422–423 –– fehlendes Fachpersonal  136–140 –– Personalausstattung 193, 413–416, 5­ 78–580 Beschäftigung –– Arbeitspflicht 466–467 –– erhöhte Vergütung  471 –– (nicht-)finanzielle Anerkennung  582–583 –– Überblick  465–466, 581 Besuch  464, 482–484, 488 Dauer der Sicherungsverwahrung  108–109 DDR 47 Disziplinarmaßnahmen  312–318, 548 DVollzO 43–44 Einbeziehung der Untergebrachten ­403–404, 571–573 Einbeziehung Dritter  397–401, 563–568 Einschlusszeiten  447–448, 459–461 Entlassungsvorbereitung  324–326, 373–375, 560–561 Etikettenschwindel  35, 91, 217 Familienstand 111

Föderalismusreform  61, 167, 171, 260, 262, 504 Fristen –– Eingliederungsplanung 347–348 –– Überblick  342–343, 553–555 –– Überprüfungsfrist 253 –– Vollzugsplanung 343–344 Gefährlichkeitsminimierung 291–292 Gefährlichkeitsprognose  256, 390, 510, 515, 531 –– false positives  118 –– Rückfallgefahr 118 Gefangenenentscheidung 305 Gegensteuerungsgrundsatz  297, 302–303 Geschlechterverteilung 110 Gewohnheitsverbrechergesetz 35–39 Höchstdauerentscheidung 52–59 –– Höchstfrist  41, 48, 529 –– vorhergehende Entscheidungen zur Höchstfrist 52–53 hoffnungslos Verwahrter 93, 156, 187, 350, 395 Individualisierungsgebot  160–161, 219, 297, 330, 344, 382 Intensivierungsgebot siehe Individualisierungsgebot Internet  464, 472–474, 489 –– Computerbesitz 477–479 –– Heranführung an Neue Medien  475–476 Kontrollgebot 163 –– Umsetzung 247–255 Langzeitbesuch siehe Besuch latente Sicherungsverwahrung  49, 140 –– Sonderbehandlung 225–228 –– sozialtherapeutische Behandlung  232 –– strafvollzugsbegleitende gerichtliche Kontrolle 247–249

Sachverzeichnis –– Vorgaben nach § 66 c Abs. 2 StGB  224–231 Lebach-Urteil 373 Leitlinienkompetenz  167–174, 262, 278 mehrpoliges Grundrechtsverhältnis  96–99 Minimierungsgebot  162–163, 215, 222, 365, 375, 402, 445 Mitwirkung  348–350, 385–388 Motivierung siehe Mitwirkung Motivierungsgebot  161, 220, 352 Nachsorge siehe Übergangsmanagement Öffnungsgrundsatz siehe Angleichungsgrundsatz opferbezogene Vollzugsgestaltung  409, 413, 430 Pakete siehe Schriftwechsel Personal siehe Bedienstete Pflichtverteidiger 252–253 räumlich-bauliche Unterbringung  431, ­433–441, 452–456 –– Raumgröße 441–443 Rechtsschutz- und Unterstützungsgebot  163, 335 –– Umsetzung 247–255 Resozialisierungsgebot  55, 82, 138, 288, 291–292 Rückwirkungsverbot  51–53, 66, 80, 99 Schriftwechsel 480–482 Schutz der Allgemeinheit  292–294 –– Besonderheiten des BaySvVollzG  294–295 Selbstverpflegung  433, 449–452, 461 Sexualdeliktsbekämpfungsgesetz 50–51 Sicherheit und Ordnung  282, 308–310 –– Begriff der Ordnung  545 –– Verzicht auf Generalordnungsklausel  544 Sicherungsanstalt  38, 47–48, 524–525 Sicherungsstrafe 526–528 SichVAbstUmsG 176–178 SichVNOG 76 Sonderopfer  82, 90, 99, 213, 226, 410, 451, 510, 512, 513, 524

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soziale Hilfe  327, 378–379 SVVollzGe –– Aufbau 265–270 –– Gesetzgebungsverfahren 259–263 –– Überblick 533–538 –– Ziele und Aufgaben  280, 282–292 Taschengeld  469–470, 583 Telekommunikation 472–474 Therapieorientierung  86, 146, 157, 327, 358, 380 –– Behandelbarkeit 146–152 –– Behandlungsanspruch  327–329, 550 –– Behandlungsmaßnahmen und -methoden  329–333, 550 –– Psychiatrisierung 182–186 –– Ruhestufe  194–200, 387–389 –– Therapieoptimismus  71, 146, 187 –– Zwangstherapie 201 Therapieunterbringung 216–218 ThUG  170, 184, 216–218 Trennungsgebot  91, 161–162, 205–207, 246, 330 –– Ausnahmen  206–208, 551 Übergangsmanagement  376–377, 391–393 Ultima-Ratio-Prinzip  160, 224, 228, 229, 244, 498–500 Unverhältnismäßigkeit der Sicherungs­ verwahrung 234–241 –– Nachbesserungsbedarf 243–246 Vergreisung siehe Altersstruktur Vikariieren  44, 227–228 Völkerrechtsfreundlichkeit  69, 81, 98 Vollzugsgrundsätze 296–303 vollzugsöffnende Maßnahmen  209–214, 324–326, 361–372, 389–390, 519–522 –– Ausführungen 367–368 –– bisherige Lockerungspraxis  133–136 –– Nachbesserungsbedarf 243–246 VollzVO 36–39 Vorstrafen 117–118 Wohngruppenvollzug  432, 444–446, 453 –– Binnendifferenzierung 458 Zweispurigkeit  39, 48, 510–511 Zweispurigkeitsparagraph 297 zwingende Begutachtungen  254–256