Die neuen Anlageberatungsregelungen der MiFID II: Eine Untersuchung ausgewählter Verhaltens- und Organisationspflichten der MiFID II und ihrer Umsetzung in das nationale Recht [1 ed.] 9783428554423, 9783428154425

Seit dem 3.1.2018 ist das zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz in Kraft, welches die überarbeitete europäische Richtlin

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Die neuen Anlageberatungsregelungen der MiFID II: Eine Untersuchung ausgewählter Verhaltens- und Organisationspflichten der MiFID II und ihrer Umsetzung in das nationale Recht [1 ed.]
 9783428554423, 9783428154425

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Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 118

Die neuen Anlageberatungsregelungen der MiFID II Eine Untersuchung ausgewählter Verhaltensund Organisationspflichten der MiFID II und ihrer Umsetzung in das nationale Recht

Von

Jana Mansen

Duncker & Humblot · Berlin

JANA MANSEN

Die neuen Anlageberatungsregelungen der MiFID II

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 118

Die neuen Anlageberatungsregelungen der MiFID II Eine Untersuchung ausgewählter Verhaltensund Organisationspflichten der MiFID II und ihrer Umsetzung in das nationale Recht

Von

Jana Mansen

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen hat diese Arbeit im Jahre 2017 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Ochsenfurt-Hohestadt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-15442-5 (Print) ISBN 978-3-428-55442-3 (E-Book) ISBN 978-3-428-85442-4 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2017 an der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen als Dissertation angenommen. Sie berücksichtigt den Stand der Literatur und der Rechtsprechung bis Juni 2017. Während der Entstehung dieser Arbeit haben mich viele Menschen begleitet, denen ich an dieser Stelle danken möchte: An erster Stelle gilt mein Dank meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Gerald Spindler, der den Anstoß zur Erarbeitung dieses Themas und der Verknüpfung mit der Praxis setzte. Seine unermüdliche wissenschaftliche und methodische Unterstützung, seine zahlreichen Anregungen und wertvollen Ratschläge haben maßgeblich zur Realisierung dieser Arbeit beigetragen. Ebenso möchte ich mich bei meinem Zweitgutachter Herrn PD Dr. Alexander Thiele für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie bei Herrn Prof. Dr. Rüdiger Krause für die zeitnahe Disputatio bedanken. Weiterhin möchte ich mich beim Lehrstuhl-Team Prof. Spindler, insbesondere bei Christian Schott, Marvin Jäschke und Andreas Seidel, sowie den Experten der Interviews für ihre Unterstützung und die sowohl konstruktive als auch angenehme Zusammenarbeit bedanken. Weiterhin bin ich Marie-Beatrice Dewitz, Sarah Mühlhausen und Lena Sieberts für die motivierenden Gespräche, die mich auf dem Weg zur fertigen Arbeit immer wieder neue Aspekte entdecken ließen, dankbar. Auch die vielen nicht-wissenschaftlichen Gespräche haben meine Arbeit sehr unterstützt. Besonderer Dank gebührt meiner Familie, vor allem meinem Lebensgefährten Julius Schwafferts, meinen Eltern, Achim Mansen und Susanne Mansen, sowie meinen Großeltern, Willi und Marianne Mansen, die mich stets in meinen Vorhaben bestärkt haben und mir jede erdenkliche Unterstützung haben zukommen lassen. Die Verwirklichung meiner Ziele wäre ohne sie nicht denkbar. Bonn, im April 2018

Jana Mansen

Inhaltsverzeichnis 1. Teil Einführung

29

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 B. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 C. Definitionen der Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 I. Die aufsichtsrechtliche Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 II. Die zivilrechtliche Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 III. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 D. Anwendungsbereich der MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Persönlicher Anwendungsbereich der MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 II. Sachlicher Anwendungsbereich der MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1. Emissionszertifikate und Warenderivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Strukturierte Einlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3. Vermittlung von Fondsanteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 4. Eigenemissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 E. Harmonisierungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Der Harmonisierungsgrad im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 II. Der Harmonisierungsgrad der MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 F. Verhältnis von Zivil- und Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 I. Rechtsnatur der Regelungen im WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 II. Mittelbare zivilrechtliche Wirkung der Wohlverhaltenspflichten . . . . . . . . . . . . . 52 III. Weitergehende zivilrechtliche Pflichten möglich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 G. Kundenklassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

2. Teil Zuwendungen

58

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 I. Europäische Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

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Inhaltsverzeichnis 1. Der Interessenkonflikt durch Zuwendungen im Gesetzgebungsverfahren . . . . . 58 2. Aktuelle Fassung des Art. 24 MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3. Vorbereitung der Level-2-Maßnahmen durch ESMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 a) Die Analyse für einen hinreichenden Marktüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 b) Organisatorische Trennung der Beratungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 c) Sonstige Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 4. Delegierte Rechtsakte der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 a) Delegierte Richtlinie (EU) 2017/593 (MiFID II-DLRL) . . . . . . . . . . . . . . . . 65 aa) Die schnellstmögliche Auszahlung der erhaltenen Zuwendung . . . . . . . 65 bb) Katalog zur Bestimmung der geringfügigen nicht-monetären Vorteile 65 cc) Das Analysekonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 b) Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 (MiFID II-DLVO) . . . . . . . . . . . . . . 67 aa) Die Marktanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 bb) Die organisatorische Trennung der Beratungsformen . . . . . . . . . . . . . . . 68 cc) Aufklärungspflicht über die Beratungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 c) Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 5. Level-3-Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 II. Zuwendungsregelungen im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Regelungen vor der Umsetzung der MiFID II-Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 a) Zuwendungsverbot gem. § 31d WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 b) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 aa) Kick-Back . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 (1) Definition: Rückvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 (2) Die Offenkundigkeit des Interessenkonflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 (3) Die Offenkundigkeit des Interessenkonflikts bei freien Beratern . . . 75 (4) Weitergehende Regelungen als im WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (5) Kenntnis des Anlegers von Provisionszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . 78 (6) Fazit zu der Rechtsprechung über Rückvergütungen . . . . . . . . . . . . 78 bb) Innenprovisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (1) Innenprovisionen vor dem 01. 08. 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (2) Innenprovisionen nach dem 01. 08. 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 cc) Aufklärung über Gewinnmargen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (1) Grundsätzlich keine Offenlegungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (2) Keine Offenlegung im Festpreisgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 c) Fazit zu den Regelungen vor der Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Umsetzungen der MiFID II-Vorschiften zur unabhängigen Beratung: Honoraranlageberatungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 a) Entstehung und Ziele des Honoraranlageberatungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . 87 b) Definition Honorar-Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

Inhaltsverzeichnis

11

c) Informationspflicht über die angebotene Beratungsform . . . . . . . . . . . . . . . 89 aa) Form der Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 bb) Zeitpunkt der Informationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 d) Die Finanzmarktanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 aa) Hinreichender Marktüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 bb) Keine rechtliche oder wirtschaftliche Verflechtung . . . . . . . . . . . . . . . . 94 e) Strengeres Zuwendungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 aa) Indirekte Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 bb) Direkte Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 cc) Unterschiedliche Behandlung von monetären und nicht-monetären Zuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 dd) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 (1) Sinkendes Beratungsniveau und steigende Kosten . . . . . . . . . . . . . . 98 (2) Bagatellgrenze notwendig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (3) Keine Unabhängigkeit der Anlageentscheidung von der Provision? 100 f) Strengere nationale Zuwendungsregulierung im europäischen Vergleich . . . 100 g) Zusätzliche Regelungen auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 aa) § 31 Abs. 4d WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (1) Aufklärung über Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (2) Verbot von Festpreisgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 bb) Honoraranlageberater-Register der BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (1) Ausschließlich formelle Prüfung der Voraussetzungen . . . . . . . . . . . 104 (2) Organisatorische Pflichten des WpDU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 cc) Bezeichnungsschutz gem. § 36d WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (1) Schutzumfang: „Honorarberater“ erfasst? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (2) Schutzumfang: Beraterbezeichnung nur noch für die Honorar-Anlageberatung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (3) Andere Bezeichnung als auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . 109 (4) Einführung einer geschützten Bezeichnung für die Provisionsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3. Zwischenfazit zur Umsetzung der europäischen Vorgaben durch das HABG 111 4. Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im 2. FiMaNoG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 a) Änderungen der Kernregelungen des § 31 Abs. 4b-d WpHG . . . . . . . . . . . . 112 aa) Änderung des § 31 Abs. 4b WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 bb) Änderung des § 31 Abs. 4c WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Änderung der Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 c) Die neue Definition der Honorar-Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 aa) Erneute Aufklärung über die Beratungsform für Bestandskunden? . . . . 117 bb) Keine Definition für die „allgemeine“ Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . 118

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Inhaltsverzeichnis d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 5. Auswirkungen auf das Zivilrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 a) Konkludenter Honorar-Anlageberatungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 b) Offenkundigkeit des Interessenkonflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 c) Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 6. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

B. Zuwendungen für die abhängige Beratungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 I. Europäische Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Die Zuwendungsregelung des Art. 24 Abs. 9 MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2. Vorbereitung der Level-2-Maßnahmen durch ESMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 3. Delegierte Richtlinie der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 II. Die nationale Zuwendungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 1. Die Zuwendungsregelung des § 31d WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2. Vergleich der Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 3. Die Umsetzung der MiFID II-Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Qualitätsverbesserung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 b) Analyse als Zuwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 c) Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 d) Herausgabe der Zuwendungen als Sanktion? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 e) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 4. Das Festpreisgeschäft als Zuwendung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 C. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Verbot – die britische Retail Distribution Review (RDR) als Vorbild? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 I. Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 II. Änderungen durch die Retail Distribution Review (RDR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 1. Die Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 a) Einführung des Provisionsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 b) Einführung zwei verschiedener Beratungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 aa) Independent advice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (1) Merkmal der retail investment Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (2) Merkmal des relevant market . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (3) Anforderungen an die Merkmale Marktanalyse und unvoreingenommene Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 bb) Restricted advice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 c) Inducements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 d) Incentives . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2. RDR Review . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 III. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

Inhaltsverzeichnis

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D. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Aufklärung – die Behandlung von Provisionszahlungen in den Vereinigten Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 I. Der Broker-Dealer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 II. Der Investment Adviser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 III. Fee-Only Financial Advice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 IV. Aktuelle Gesetzesentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 V. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 E. Fazit zu den neuen Zuwendungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 I. Vergleich der Regelung in Deutschland, Großbritannien und den USA . . . . . . . . 162 II. Ist ein absolutes Provisionsverbot für Deutschland sinnvoll? . . . . . . . . . . . . . . . . 164 III. Auswertung der Experteninterviews zur Honorar-Anlageberatung . . . . . . . . . . . . 168 1. Allgemeiner Teil: Grundlegende Fragen zur Honorar-Anlageberatung . . . . . . . 169 a) Keine spürbare Marktveränderung durch die Einführung des HABG . . . . . 169 b) Kaum Bereitschaft des Kunden ein Honorar zu zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 c) Kenntnis der Beratungsformen durch Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 d) Fehlendes Angebot der Honorar-Anlageberatung aufgrund zu hoher Hürden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 aa) Personelle Trennung der Beratungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 bb) Fehlende Notwendigkeit einer zusätzlichen Einführung? . . . . . . . . . . . 175 e) Strengere nationale Regelungen steigern die Anforderungen . . . . . . . . . . . . 176 aa) Annahmeverbot von kleineren nicht-monetären Vorteilen . . . . . . . . . . . 176 bb) Bewertung des Bezeichnungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 2. Besonderer Teil: Fragen zur Umsetzung der besonderen Honorar-Anlageberatungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) Die Erfüllung des Merkmals „hinreichende Anzahl am Markt angebotener Finanzprodukte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b) Die Existenz eines „gleichgeeigneten“ Produkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 c) Werbung mittels Auskehr von Provisionen möglich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 3. Fazit der Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

3. Teil Nachweis der Kosten

181

A. Europäische Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 I. Die Transparenzregelung des Art. 24 Abs. 4 MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Ex-ante und ex-post Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 2. Form und Zeitpunkt der Bereitstellung der Kosteninformation . . . . . . . . . . . . . 183 II. Level-2-Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

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Inhaltsverzeichnis 1. ESMAs Vorschläge an die Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 b) Kostenberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 c) Zu berücksichtigende Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 d) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 e) Opt-Out-Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 2. Delegierte Verordnung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 III. Level-3-Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

B. Nationale Regelungen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 I. Aktuelle Rechtslage im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 II. Umsetzung der MiFID II-Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 C. Fazit zu dem Nachweis der Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

4. Teil Bessere Beratungsqualität durch neue Vorgaben für Anlageberater

196

A. Sachkundenachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 I. Europäische Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 1. Die Sachkunderegelung der MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 2. Konkretisierte Anforderungen in den delegierten Rechtsakten . . . . . . . . . . . . . 197 3. ESMAs Sachkundeleitlinien als Level-3-Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 b) Allgemeine Regelungen: Kenntnisse und Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 199 c) Jährliche Review . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 d) Mitarbeiter ohne hinreichende Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 e) Spezielle Anforderungen an den einzelnen Anlageberater . . . . . . . . . . . . . . 201 f) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 II. Die Sachkunderegelungen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 1. Die Anforderungen an die Beratersachkunde vor Umsetzung der europäischen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 a) Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 b) Der Paradigmenwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 c) Die Sachkunde des Beraters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 d) Die Zuverlässigkeit des Beraters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 e) Die Anzeigeverpflichtung des WpDU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 f) Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 2. Die Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im 2. FiMaNoG . . . . . . . . . . . . . . . . . 210

Inhaltsverzeichnis

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3. Die Umsetzung der MiFID II-Vorgaben in der WpHGMaAnzV . . . . . . . . . . . . 210 a) Neue Sachkundeanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 b) Praktischer Fähigkeitsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 c) Nachweis der Sachkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 d) Zwischenfazit zur Umsetzung der neuen Sachkundeanforderungen . . . . . . . 212 4. Expertenansicht zur praktischen Auswirkung der neuen Sachkunderegelungen 213 5. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 III. Sachkunderegelungen in Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 1. Regelungen nach der RDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 2. Erweiterung der Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 3. Vergleich und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 IV. Die Sachkunderegelungen in den Vereinigten Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . 220 1. Die Regelungen für Investment Adviser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2. Die Regelungen für Broker-Dealer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 3. Vergleich und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 V. Fazit zu den neuen Sachkundeanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 B. Mitarbeitervergütung ohne Anreize zur Falschberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 I. Europäische Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 1. Die Vergütungsregelungen der MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 2. Konkretisierte Anforderungen in der delegierten Verordnung . . . . . . . . . . . . . . 226 a) ESMAs Vorschläge an die Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 b) Die Regelungen der MiFID II-DLVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 II. Die Vergütungsregelungen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 1. Die Vergütungsregelungen vor der Umsetzung der europäischen Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 2. Die Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im 2. FiMaNoG . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 III. Vergütungsregelungen in Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 IV. Ein Ausblick auf die Regelungen der Vereinigten Staaten von Amerika . . . . . . . . 232 V. Vergleich und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 C. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234

5. Teil Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

235

A. Die europäische Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 I. Die Aufzeichnungspflichten des Art. 16 Abs. 6 und 7 MiFID II . . . . . . . . . . . . . . 235 1. Hintergrund der Einführung der Aufzeichnungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 2. Die Voraussetzungen der Aufzeichnungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

16

Inhaltsverzeichnis 3. Die praktischen Umsetzungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 II. ESMAs Regelungsvorschläge an die Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 1. Anknüpfung an die CESR-Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 2. Reichweite der Aufzeichnungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 3. Die Alternative des persönlichen Gesprächs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 4. Die Informationspflicht über die Aufzeichnung und die Herausgabepflicht . . . 242 5. Die Festlegung von internen Aufzeichnungsleitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 6. Die Anforderungen an die Speicherung und die Kontrolle der Aufzeichnungen 244 III. Konkretisierte Anforderungen durch die delegierten Rechtsakte . . . . . . . . . . . . . . 245 1. Datenschutzrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 a) Der Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 b) Eingriff in den Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 c) Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 aa) Der Wesensgehalt und die Gemeinwohlziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 bb) Verhältnismäßige Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 (1) Gleichgeeignetes und effektives Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 (2) Klare und präzise Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (3) Keine Ausnahmeregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 (4) Fehlende Ausgestaltung der Speicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (5) Verhältnismäßigkeit i. e.S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 2. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 IV. ESMAs Q&As als Level-3-Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

B. Die Aufzeichnungsregelungen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 I. Die Aufzeichnungsregelungen vor der Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 II. Die Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im 2. FiMaNoG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 1. Die Umsetzung unter Berücksichtigung des Datenschutzes? . . . . . . . . . . . . . . 261 a) Anwendungsbereich der Aufzeichnungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 b) Umsetzungsmaßnahmen und Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 c) Dokumentationspflichten bei persönlichen Gesprächen . . . . . . . . . . . . . . . . 265 d) Die Ausgestaltung der Herausgabepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 e) Die Anforderungen an die Aufbewahrung und Speicherung . . . . . . . . . . . . . 266 f) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 2. Arbeitsrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 3. Praxismeinungen der interviewten Experten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 III. Zwischenfazit zur neuen deutschen Aufzeichnungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 C. Die Aufzeichnungsregelungen in Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 D. Aufzeichnungsregelungen in den Vereinigten Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . . . . 274 I. Die Regelungen für Broker-Dealer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

Inhaltsverzeichnis

17

II. Aufzeichnungsregelungen des Dodd-Frank Act für Swaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 III. Die Regelungen für Investment Adviser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 IV. Zwischenfazit zu den amerikanischen Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 E. Vergleich, Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278

6. Teil Suitability

280

A. Europäische Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 I. Die neuen Anforderungen der MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 1. Die Geeignetheitsprüfung (Suitability Test) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 a) Neue Kriterien im Rahmen der Geeignetheitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 b) Zusätzliches Kriterium des Kundeninteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 c) Die kontinuierliche Geeignetheitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 2. Die Geeignetheitserklärung (Suitability Report) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 a) Ausnahmeregelung zur telefonischen Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 b) Der Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 II. ESMAs Vorschläge an die Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 1. Die Geeignetheitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 a) Anwendungsbereich der Geeignetheitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 b) Inhaltliche Anforderungen der Geeignetheitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 c) Einzuholende Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 2. Die Geeignetheitserklärung (Suitability Report) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 III. Delegierte Verordnung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 1. Übernommene Regelungen von ESMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 2. Regelungen unabhängig von ESMAs Vorschlägen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 3. Keine Definition der „neuen“ Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 a) Bestimmung der Fähigkeit Verluste zu tragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 b) Bestimmung der Risikotoleranz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 IV. ESMAs Q&As Investor Protection als Level-3-Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 B. Deutsche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 I. Regelungen vor der Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 1. Geeignetheitsprüfung – neue Anforderungen bereits vorhanden . . . . . . . . . . . . 295 2. Der deutsche Suitability Report in Form des Beratungsprotokolls . . . . . . . . . . 297 3. Die Anforderungen der MaComp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 4. Vergleich der bestehenden Regelungen mit den MiFID II-Vorgaben . . . . . . . . 301

18

Inhaltsverzeichnis II. Die Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im 2. FiMaNoG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 1. Die Geeignetheitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 2. Die Geeignetheitserklärung (Suitability Report) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 3. Kritik an der Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 a) Keine zivilrechtlichen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 b) Geringere Intensität der Erläuterung der Geeignetheitsprüfung? . . . . . . . . . 305 c) Genauer Aushändigungszeitpunkt des Protokolls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 d) Aufhebung des Rücktrittsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 e) Keine Einführung einer Beweislastumkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 aa) Aufhebung des information overloads durch Standardisierung? . . . . . . 308 bb) Das Beratungsprotokoll als Beweismittel im Prozess . . . . . . . . . . . . . . . 309 4. Fazit zur Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312

C. Die Anforderungen an die Geeignetheitsprüfung und deren Dokumentation in Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 I. Der Suitability Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 II. Der Suitability Report . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 III. Die aktuelle Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 D. Die Geeignetheitsprüfung und deren Dokumentation in den Vereinigten Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 I. Die Regelungen für Investment Adviser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 II. Die Regelungen für Broker-Dealer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 E. Gesamtfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 I. Vergleich der Regelungen in Deutschland, Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 II. Bewertung der neuen Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 F. Exkurs: Angemessenheitsprüfung und Execution-Only-Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . 322 I. Die Angemessenheitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 II. Das Execution-Only-Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 1. Konkretisierte Anforderungen in der MiFID II-DLVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 2. Umsetzung der neuen Anforderungen im 2. FiMaNoG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324

7. Teil Weitere Informationspflichten der WpDU

325

A. Allgemeine Anforderungen an die Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 I. Europäische Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 1. Die Informationsanforderungen der MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325

Inhaltsverzeichnis

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2. ESMAs Vorschläge an die Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 a) Ergänzung des Art. 27 MiFID I-DRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 b) Ergänzung des Art. 31 MiFID I-DRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 3. Konkretisierte Anforderungen in den delegierten Rechtsakten . . . . . . . . . . . . . 327 a) Faire, klare und nicht irreführende Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 b) Informationen über Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 II. Deutsche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 1. Informationspflichten vor der Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 2. Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im 2. FiMaNoG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 B. Exkurs: Information zur Ausführung im besten Kundeninteresse . . . . . . . . . . . . . . . . 332 I. Informationspflicht über Ausführungsplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 II. Jährliche Publizität der Handelsplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 III. Informationspflicht zur Wahl der Handelsplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334

8. Teil Product Governance im Vertrieb

335

A. Europäische Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 I. Anforderungen an den Produkthersteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 II. Anforderungen an den Vertrieb und deren Auswirkungen auf die Anlageberatung 337 1. MiFID II-Regelungen für den Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 a) Direkte Pflichten gem. Art. 16 Abs. 3 UA 6 MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 b) Anwendbarkeit der weiteren Product Governance Regelungen auf den Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 aa) Überprüfungspflicht gem. Art. 16 Abs. 3 UA 4 MiFID II . . . . . . . . . . . 338 bb) Produktgenehmigungsverfahren gem. Art. 16 Abs. 3 UA 2 MiFID II 339 cc) Inhaltliche Anforderungen der Überprüfungspflicht gem. Art. 16 Abs. 3 UA 4 MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 (1) Regelmäßige Überprüfung: Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 (2) Regelmäßige Überprüfung: Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 (3) Maßnahmen bei negativem Prüfergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 (a) Mitteilungspflicht an den Hersteller? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 (b) Handlungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 c) Das Merkmal des Zielmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 aa) Inhaltsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 bb) Berücksichtigung des Zielmarktkriteriums in der Anlageberatung . . . . 344 (1) Verkauf außerhalb des Zielmarkts ohne Empfehlung . . . . . . . . . . . . 344

20

Inhaltsverzeichnis (2) Empfehlung außerhalb des Zielmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 (3) Hinweispflicht bei Empfehlung außerhalb des Zielmarkts . . . . . . . . 345 d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 2. Konkretisierte Anforderungen durch die delegierten Rechtsakte . . . . . . . . . . . . 346 a) ESMAs Vorschläge an die Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 aa) Keine Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 bb) Zielmarktbestimmung des Vertriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 cc) Kommunikation zwischen Vertrieb und Hersteller . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 dd) Kein Maßnahmenkatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 ee) Vertrieb außerhalb des Zielmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 b) Die Regelungen des Art. 10 MiFID II-DLRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 aa) Kein eigenständiger Zielmarkt des Vertriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 bb) Die Produktüberwachungsanforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 cc) Die Informationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 3. ESMA-Leitlinien als Level-3-Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 a) Die Zielmarktbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 aa) Zeitpunkt der Festlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 bb) Allgemeine Anforderungen an die Zielmarktbestimmung . . . . . . . . . . . 353 cc) Besondere Kriterien zur Bestimmung des Zielmarkts . . . . . . . . . . . . . . 353 b) Verkauf und Empfehlung außerhalb des positiven und negativen Zielmarkts möglich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 c) Anforderungen zur Informationsübermittlung an den Hersteller . . . . . . . . . 355 d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355

B. Deutsche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 I. Anforderungen in der MaComp und der MaRisk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 II. Umsetzung der europäischen Vorgaben durch das Kleinanlegerschutzgesetz . . . . 357 III. Umsetzung der europäischen Vorgaben durch das 2. FiMaNoG . . . . . . . . . . . . . . 359 1. Änderungen im WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 2. Änderungen in der WpDVerOV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 3. Fazit zur Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 4. Das 2. FiMaNoG final . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 IV. Zivilrechtliche Auswirkungen bei Nichtbeachtung der neuen Regelungen . . . . . . 364 1. Product Governance als Grundprinzip? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 2. Anlage- und anlegergerechte Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 3. Deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 V. Fazit zu den neuen Product Governance Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367

Inhaltsverzeichnis

21

9. Teil Gesamtfazit

369

Anhang: Experteninterviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 A. Experteninterview mit Stefan Adam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 B. Experteninterview mit Christian Ahlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 C. Experteninterview mit Dirk Beule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 D. Experteninterview mit Dr. Henning Bergmann und Dr. Arne Hertel . . . . . . . . . . . . . . 395 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 E. Experteninterview mit Dr. Denise Blessing und Dr. Barbara Roth, LL.M. . . . . . . . . . 401 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 F. Experteninterview mit Volker Bröcker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 G. Experteninterview mit Dr. Markus Engel und Winfried Hager . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 H. Experteninterview mit Markus Feck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420

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Inhaltsverzeichnis

I. Experteninterview mit Andreas Herrmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 J. Experteninterview mit Stefan Herting und Sascha Alpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 K. Experteninterview mit Dr. Jörg Jäger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 L. Experteninterview mit Fabian Jenner und Dr. Till Schmidt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 M. Experteninterview mit Dr. Diedrich Lange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 N. Experteninterview mit Nikolai Lenarz, LL.M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 O. Experteninterview mit Armin Majic . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 P. Experteninterview mit Peter Michels und Peter Backes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 Q. Experteninterview mit Peter Paulisan, Zerroug Yahiaoui und Markus Ginsel . . . . . . . 472 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477

Inhaltsverzeichnis

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R. Experteninterview mit Dierk Siewert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 S. Experteninterview mit Dirk Stachowiak . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 T. Experteninterview mit Sven Witteck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532

Abkürzungsverzeichnis a.A. Abl. EU Abs. AEUV a.F. AnsFuG APFA Art. Artt. Aufl. ausf. BaFin BankR BB BDV Begr. Beschl. BGB BGBl. BGH BGHZ BIC BICE BKR BMELV BR-Drs. bspw. BT-Drs. BVerfG BVI bzw. CAR CCZ CESR C.O.B. COBS Conn. Ins. L. J. CPD DAV

anderer Ansicht Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und der Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts Association of Professional Financial Advisers Artikel Artikeln Auflage ausführlich Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bankrecht Betriebs-Berater – Zeitschrift für Recht, Steuern und Wirtschaft Bundesverband deutscher Vermögensberater Begründung Beschluss Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Best Interest Contract Best Interest Contract Exemption Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Bundesrat-Drucksache beispielsweise Bundestag-Drucksache Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Bundesverband Investment und Asset Management e.V. beziehungsweise customer agreed remuneration Corporate Compliance Zeitschrift Committee of European Securities Regulators Compliance Officer Bulletin Conduct of Business Sourcebook Connecticut Insurance Law Journal Continuing Professional Development Deutscher Anwaltsverein

Abkürzungsverzeichnis DB DEA ders. dies. DK DLRL DLVO DOL DRL DSGVO DSW DVO EBA EBOR ECON EGV EIOPA ERISA ErwG. ESMA ESMA-VO EU EuGH EURIBOR EuZW f./ ff. FAMR FAWG FCA FiMaNoG FINRA FinVermV Fn. FRUG FS FSA gem. Geo. Wash. L. Rev. GG ggf. grds. GWR HABG HdB HGB h.M. Hrsg. HS

Der Betrieb Designated Examin Authority derselbe dieselbe Die Deutsche Kreditwirtschaft Delegierte Richtlinie Delegierte Verordnung U.S. Department of Labor Durchführungsrichtlinie Datenschutzgrundverordnung Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. Durchführungsverordnung European Banking Authority European Business Organization Law Review Economic and Monetary Affairs Commitee EG-Vertrag – Vertrag zur Gründung der europäischen Gemeinschaft European Insurance And Occupational Pensions Authority Employee Retirement Income Security Act of 1974 Erwägungsgrund European Securities and Markets Authority Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörden-Verordnung Europäische Union Europäischer Gerichtshof Euro Interbank Offered Rate Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht folgende/ fortfolgende Financial Advice Market Review Financial Advice Working Group Financial Conduct Authority Finanzmarktnovellierungsgesetz Financial Industry Regulatory Authority Verordnung über die Finanzanlagenvermittlung Fußnote Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz Festschrift Financial Service Authority gemäß The George Washington Law Review Grundgesetz gegebenenfalls grundsätzlich Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht Honorar-Anlageberatungsgesetz Handbuch Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz

25

26 IAA IDD IDD-RL i.E. IFA insb. i.S.d. i.S.e. Iss. i.V.m. JW KapitalanlageR KapMR KK KWG LG LIBOR lit. MiFID MiFIR mind. MüKo m.w.N. NAPFA NASD NJW Nr. N.Y.U. L. & Bus. NZG OLG § §§ PIA PFS Q.J. ECON RdF RDR RefE RegE Rn. S. s. SEA SEC SIB SJ SPS SRO

Abkürzungsverzeichnis Investment Adviser Act initial disclosure document Insurance Distribution Directive im Ergebnis independent financial adviser insbesondere im Sinn des im Sinne eines Issue in Verbindung mit Juristische Woche (Zeitschrift) Kapitalanlagerecht Kapitalmarktrecht Kölner Kommentar Gesetz über das Kreditwesen Landgericht London Interbank Offered Rate littera Markets in Financial Instruments Directive Markets in Financial Instruments Regulation mindestens Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen Association of Personal Financial Advice National Association of Securities Dealers Neue Juristische Wochenschrift Nummer NYU Journal of Law & Business Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Oberlandesgericht Paragraph Paragraphen Personal Investment Authority Personal Finance Society The Quarterly Journal of Economics Recht der Finanzinstrumente Retail Distribution Review Referentenentwurf Regierungsentwurf Randnummer Satz siehe Securities Exchange Act Securities Exchange Commission Securities Investment Board The Solicitors’ Journal Statement of Professionality Standing Self-Regulatory Organization

Abkürzungsverzeichnis St. John’s L. Rev. SYSC TA TC UA U. Pa. J. Bus. L. VAB VG vgl. Vill. L. Rev. Vol. Vorb. VuR vzbv WM WpDU WpDVerOV WpHG WpHGMaAnzV z. B. ZBB ZEuP ZFR ZGR ZHR ZIP zit. ZRP

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St. John’s Law Review Senior Management Arrangements, Systems and Controls Sourcebook Technical Advice Training and Competence Sourcebook Unterabsatz University of Pennsylvania Journal of Business Law Verband der deutschen Auslandsbanken e.V. Verwaltungsgericht vergleiche Villanova Law Review Volume Vorbemerkung Verbraucher und Recht Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht – Wertpapiermitteilung Wertpapierdienstleistungsunternehmen Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung Wertpapierhandelsgesetz WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Finanzmarktrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zeitschrift für Rechtspolitik

1. Teil

Einführung A. Einleitung Die Finanzmarktkrise im Jahr 2008 hat auf drastische Art und Weise die Schwächen – und vor allem Lücken – in dem bis dato bestehenden regulatorischen Rahmen der Anlageberatung aufgezeigt. Daher sahen sich die Verantwortlichen gezwungen, diesen grundlegend zu überarbeiten und auf die neue Situation an den Finanzmärkten anzupassen.1 Die Märkte haben sich weiterentwickelt und sind vielschichtiger geworden.2 Zudem steigt die Anzahl der angebotenen Finanzprodukte kontinuierlich, da diese fortlaufend neu entwickelt werden.3 Gleichzeitig werden die Finanzprodukte immer komplexer.4 So wurde die Finanzmarktrichtlinie MiFID II (Markets in Financial Instruments Directive)5 als Nachfolgeregelung zur MiFID6, (im Folgenden als MiFID I bezeichnet) implementiert. Zusätzlich wurde die

1 Vgl. ErwG. Nr. 3 und 4 der MiFID II, Richtlinie 2014/65/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU, Abl. EU L 173/349, v. 12. 6. 2014, im Folgenden nur MiFID II; Kurz, DB 2014, 1182; Möllers/Poppele, ZGR 2013, 437, 438; Salewski, GWR 2012, 265; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 1. 2 Kurz, DB 2014, 1182; Buck-Heeb, ZHR 177 (2013), 313; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 1. 3 Kurz, DB 2014, 1182; Buck-Heeb, ZHR 177 (2013), 313; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 1. 4 Kurz, DB 2014, 1182; Buck-Heeb, ZHR 177 (2013), 313; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 1. 5 s. Fn. 1. 6 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.04.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, Abl. EU L 145/1 v. 30. 04. 2004. Diese trat am 21. 04. 2004 in Kraft und wurde 2006 von einer Durchführungsrichtlinie, Richtlinie 2006/73/EG der Kommission zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, Abl. EU L 241/26 v. 02. 09. 2006, im Folgenden MiFID I-DRL, begleitet, die im Wesentlichen Begriffsbestimmungen und organisatorische Anforderungen für die Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach Art. 13 MiFID I beinhaltet.

30

1. Teil: Einführung

MiFIR7 als Verordnung festgesetzt, die ohne nationalen Umsetzungsakt direkte Anwendung findet8 und Begriffsbestimmungen und Transparenzgebote für die jeweiligen Handelsplätze beinhaltet. Neben diesen Primärrechtsakten wurden delegierte Rechtsakte in Form von Richtlinien und Verordnungen zur Umsetzung erlassen. Die MiFID II stellt für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein verbindliches rechtliches Fundament für Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten in der EU dar.9 Somit lässt sich bereits hier festhalten, dass die MiFID II nicht die Aufgabe der punktuellen Erneuerung ihrer Vorgängerregelung hat, sondern ein eigenständiges, darüberhinausgehendes gemeinsames neues Regelwerk bildet. Mithin ist sie das „Herzstück der europäischen Finanzmarktregulierung“10. Schließlich betreffen die neuen Regelungsstandards der MiFID II das gesamte Geschäft der Banken und Finanzakteure, da der Ablauf der Produkterstellung bis hin zum Vertrieb neu strukturiert und reglementiert wird.11 Im Folgenden sollen die neuen Regelungen der MiFID II ausschließlich auf ihre Auswirkungen für die Anlageberatung in Deutschland untersucht, an wesentlichen Punkten Abweichungen zu anderen Mitgliedsländern aufgezeigt und diese am System des amerikanischen Kapitalmarkts erörtert werden. Um den Hintergrund und die unterschiedliche Herangehensweise an die hinter den Regelungen stehenden Konfliktpotenziale aufzuzeigen, soll jedoch nur auf die mitgliedstaatlichen Regelungen der anderen Rechtsordnungen vor der Umsetzung der MiFID II eingegangen werden, da durch Umsetzung dieser vergleichbare Regelungen entstehen.

B. Entstehung Es stand außer Frage, dass es zu einer neuen Regelung für die europäischen Finanzmärkte kommen würde. Unsicher war jedoch lange wann und vor allem wie. So legte bereits am 20. 10. 2011 die Europäische Kommission einen ersten Entwurf für die neuen Regelungen der MiFID II und der MiFIR vor,12 dem am 08. 12. 2010 eine Konsultation zur Überarbeitung der MiFID I voranging.13 Im Überarbeitungsverlauf legten aufgrund von Uneinigkeiten über die Regelungsreichweite sowohl das Eu7

Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. 05. 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, Abl. EU L 173/84 v. 12. 06. 2014, im Folgenden MiFIR. 8 Vgl. Art. 55 MiFIR. 9 Philipp, EuZW 2014, 483. 10 Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 1. 11 Lange, DB 2014, 1723 f.; Möllers/Poppele, ZGR 2013, 437, 438. 12 Kurz, DB 2014, 1182; Lange, DB 2014, 1723. 13 Europäische Kommission, Public Consultation – Review of the Markets Financial Instruments Directive (MiFID); Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 3.

B. Entstehung

31

ropäische Parlament,14 als auch der Europäische Rat15 Änderungsentwürfe vor.16 Auf der Grundlage aller Entwürfe konnten im Rahmen der sog. Trilog-Verhandlung zwischen Kommission, Rat und Parlament17 letztlich alle streitigen Punkte bis zum 14. 01. 2014 ausgeräumt und weitere offene Themen auf politischer Ebene abschließend geklärt werden.18 Nachdem die Richtlinie und die Verordnung das EU Parlament passiert hatten19 und durch den Rat verabschiedet worden sind,20 traten sie, 20 Tage nach Veröffentlichung, im Amtsblatt der Europäischen Union, am 02. 07. 2014 in Kraft. Da die Richtlinie und die Verordnung ergänzungs- und auslegungsbedürftig sind, wurde die Kommission diesbezüglich gem. Artt. 290, 291 AEUV zum Erlass delegierter Rechtsakte befugt, um den Mitgliedstaaten die Umsetzung zu erleichtern.21 Die Grundlagen für die Konkretisierung erarbeitet die europäische Wertpapieraufsichtsbehörde, die European Securities and Markets Authority (ESMA). Sie bereitet die sog. Level-2-Maßnahmen in der Form von delegierten Rechtsakten und technischen Standards vor, die durch die EU-Kommission im Endorsment-Verfahren angenommen und verabschiedet werden.22 Zwar bat die Kommission ESMA bereits am 23. 04. 2014 Technical Advices zu formulieren,23 woraufhin diese auch zügig im

14 Die Änderungsvorschläge des Europäischen Parlaments zur MiFID II und MiFIR wurden am 26. 10. 2012 veröffentlicht und werden als Änderungsvorschläge EP bezeichnet. Europäisches Parlament, Änderungen v. 26. 10. 2012 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente zur Aufhebung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (Neufassung), COM(2011) 0656 – C7 – 0382/2011 – 2011/0298(COD), P7_TA-PROV(2012)0406. 15 Der Rat veröffentlichte am 20. 06. 2012 den sog. Presidency Compromise, der als zweiter Entwurf zur MiFID II und MiFIR die Entwürfe der Europäischen Kommission ersetze, Europäischer Rat, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on markets in financial instruments repealing Directive 2004/39/EC of the European Parliament and of the Council (Recast) – Presidency Compromise of 20 June 2012, 2011/0298 (COD); Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on markets in financial instruments and amending Regulation (EMIR) on OTC derivatives, central counterparties and trade respositories – Presidency Compromise of 20 June 2012, 2011/0296 (COD); s. dazu Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn 6 f. 16 Kurz, DB 2014, 1182. 17 Diese dauerte von Juli 2013 bis Januar 2014 an. 18 Kurz, DB 2014, 1182; Lange, DB 2014, 1273; Barnier, Pressemitteilung v. 14. 01. 2014; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn 4. 19 Am 15. 04. 2014. 20 Am 13. 05. 2014. 21 Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn 6 f. 22 Kurz, DB 2014, 1182; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn 6 f.; Eichhorn/Klebeck, RdF 2014, 1, 2. 23 Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn 8.

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1. Teil: Einführung

Mai 2014 ein Consultation Paper24 und ein Discussion Paper25 vorlegte, welchen die technische Stellungnahme in Form eines Final Reports am 19. 12. 2014 folgte.26 Allerdings verzögerten sich aufgrund der Fülle an Aufgaben die Konkretisierungsmaßnahmen insgesamt,27 sodass die Kommission erst am 07. 04. 2016 als erste Level2-Maßnahme den Entwurf der Delegierten Richtlinie (EU) 2017/593 (die finale Fassung wird im Folgenden als MiFID II-DLRL bezeichnet) mit Vorschriften zum Investorenschutz veröffentlichte.28 Es folgte am 25. 04. 2016 der Entwurf der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 (die finale Fassung wird im Folgenden als MiFID II-DLVO bezeichnet) über Ausnahmeregelungen.29 Diese und alle weiteren Entwürfe wurden vom Rat angenommen und am 31. 03. 2017 im Amtsblatt veröffentlicht.30 Anschließend informierte die Kommission ESMA am 20. 07. 2016 über die Entscheidung, die vorgeschlagenen technischen Regelungsstandards mit einigen Änderungen zu erlassen. Aufgrund dieser verspäteten Konkretisierungsmaßnahmen, die die für die Marktteilnehmer hinsichtlich der Fülle an Maßnahmen ohnehin knapp bemessene Umsetzungsfrist bis zum 03. 07. 201631 verkürzte,32 schlug die Kommission auf der Grundlage von Art. 53 Abs. 1 AEUV vor, die ursprüngliche Umsetzungsfrist bis zum

24

ESMA, Consultation Paper. Da ESMA bis zum 03. 01. 2015 eine Technische Stellungnahme an die EU-Kommission übermitteln musste, waren im Consultation Paper hauptsächlich entsprechende Themen enthalten. 25 ESMA, Discussion Paper. Das Discussion Paper behandelte hingegen die Mandate der Technischen Standards. 26 ESMA, Final Report. 27 s. zur Verfahrensübersicht und der einzelnen Arbeiten von ESMA: https://www.esma.eu ropa.eu/policy-rules/MiFID-ii-and-mifir (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 28 Delegierte Richtlinie (EU) 2017/593 der Kommission vom 7. April 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf den Schutz der Finanzinstrumente und Gelder von Kunden, Produktüberwachungspflichten und Vorschriften für die Entrichtung beziehungsweise Gewährung oder Entgegennahme von Gebühren, Provisionen oder anderen monetären oder nicht-monetären Vorteilen, Abl. EU L 87/500 v. 31. 03. 2017, im Folgenden als MiFID II-DLRL bezeichnet. 29 Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 der Kommission vom 25. April 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, Abl. EU L 87/1, v. 31. 03. 2017, im Folgenden als MiFID II-DLVO bezeichnet. 30 Abl. EU L 87 v. 31. 03. 2017. Zur Übersicht aller delegierten Rechtsakte s. http://eur-lex. europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=OJ:L:2017:087:TOC (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 31 Diese begann am 20. 07. 2014 und sollte ursprünglich 24 Monate betragen, sodass die Regelungen 30 Monate nach Inkrafttreten der Richtlinie, mithin ab dem 03. 01. 2017, Geltung erlangen sollten. 32 Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn 9.

C. Definitionen der Anlageberatung

33

03. 07. 2017 zu verlängern.33 Dieser Vorschlag wurde in Form einer Richtlinie34 am 30. 06. 2016 umgesetzt, sodass die MiFID II und die MiFIR erst ab dem 03. 01. 2018 Geltung erhalten. Unter Berücksichtigung dieser Entwicklung entschied sich der deutsche Gesetzgeber, die ursprünglich geplante Umsetzung der MiFID II Anforderungen entgegen der Überlegungen im RefE35 nicht im 1. Finanzmarktnovellierungsgesetz (FiMaNoG) umzusetzen, sondern die europäischen Entwicklungen abzuwarten. Im September 2016 erschienen der RefE für ein 2. FiMaNoG36 und im Dezember 2016 der RegE für ein 2. FiMaNoG37 zur Umsetzung der MiFID II in nationales Recht. Letzterer wurde an den Finanzausschuss übersandt, der diesen nur in kleineren Punkten veränderte.38 Der Bundestag hat in 3. Lesung am 30. 03. 2017 und der Bundesrat am 21. 04. 2017 die Beschlussvorlage des Finanzausschusses beschlossen. Am 23. 06. 2017 wurde das 2. FiMaNoG im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.39 Damit wurden die europäischen Regelungen pünktlich bis zum 03. 07. 2017 in nationales Recht umgesetzt und treten wie vorgesehen am 03. 01. 2018 in Kraft.40

C. Definitionen der Anlageberatung Um im weiteren Verlauf dieser Arbeit die zuvor dargestellten Regelungen und Vorschläge hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die nationalen Regelungen zur 33 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente in Bezug auf bestimmte Daten v. 10. 02. 2016, COM(2016) 56 final, 2016/0033 (COD), Vorschlag erfolgte am 10. 11. 2015. 34 Richtlinie (EU) 2016/1034 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. 06. 2016 zur Änderung der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente, Abl. EU L 175/8, Art. 1. 35 Referentenentwurf für ein Finanzmarktnovellierungsgesetz Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften aufgrund europäischer Rechtsakte (Finanzmarktnovellierungsgesetz – FiMaNoG), abrufbar unter: http://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Downloads/DE/Bi bliothek/Gesetzesmaterialien/18_wp/FinanzmarktnovG/refe.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). Im Folgenenden RefE 1. FiMaNoG. 36 Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz – 2. FiMaNoG), abrufbar unter: http://linklaters.de/fileadmin/redaktion/Gesellschaftsrecht_M_A/Gesetzesmate rialien/FimanoG/160929_Referentenentwurf_Zweites-Finanzmarktnovellierungsgesetz.pdf (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 37 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz – 2. FiMaNoG), BT-Drs. 18/10936. 38 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses v. 29. 03. 2017, BT-Drs. 18/ 11775. 39 BGBl. 2017, Teil I Nr. 39, S. 1693, v. 24. 06. 2017. 40 Ausnahmen hiervon s. Art. 26 2. FiMaNoG.

34

1. Teil: Einführung

Anlageberatung zu untersuchen, muss diese zunächst definiert und somit von der Anlagevermittlung auf der einen Seite und der Vermögensverwaltung auf der anderen Seite abgegrenzt werden. Dabei ist auf die unterschiedliche Definitionsweise im Aufsichtsrecht und im Zivilrecht zu achten.

I. Die aufsichtsrechtliche Anlageberatung Aufsichtsrechtlich41 bedarf es, um den Tatbestand der Anlageberatung zu erfüllen, einer ausdrücklichen oder konkludenten Empfehlung über ein Finanzprodukt unter Berücksichtigung des Anlageinteresses.42 Das Anlageinteresse wird anhand von Analysen der Anlegereigenschaften, der Anlegerkenntnisse, der Anlegererfahrungen sowie den Anlagezielen des Anlegers bestimmt.43 Ebenso definiert die MiFID II die Anlageberatung legal gem. Art. 4 Abs. 1 Nr. 4 als „[…] Abgabe persönlicher Empfehlungen an einen Kunden entweder auf dessen Aufforderung oder auf Initiative der Wertpapierfirma, die sich auf ein oder mehrere Geschäfte mit Finanzinstrumenten beziehen“. So braucht es zwingend eine fachkundige Bewertung des potentiellen Finanzprodukts durch den Berater; insb. einer Empfehlung eines zum Anleger passenden Produkts.44 Eine solche Empfehlung liegt grds. dann vor, wenn der Anlageberater dem Anleger zu einer bestimmten Handlung rät, die in seinem Interesse liegt.45 Zudem muss sie speziell auf die individuellen Lebensverhältnisse des Anlegers angepasst, mithin für ihn geeignet sein.46 Die Befolgung der Empfehlung seitens des Anlegers braucht es hingegen nicht.47 Abzugrenzen ist die

41 s. die Legaldefinition in § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 9 WpHG und § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 1a KWG: „Abgabe von persönlichen Empfehlungen an den Kunden oder deren Vertreter, die sich auf die Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird (Anlageberatung)“; s. dazu Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 41. 42 Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 2 Rn. 113; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 260; Eberius, Regulierung der Anlageberatung und behavioral finance, 5. 43 Eberius, Regulierung der Anlageberatung und behavioral finance, 5. 44 Reiter/Methner/Nittel/Ebermann, in: A/B/H/S, HdB Bank- u. KapMR, Kap. 8 Rn. 9; Edelmann, in: Assmann/Schütze, HdB KapitalanlageR, § 3 Rn. 3 f.; s. BaFin, Merkblatt – Gemeinsames Informationsblatt der BaFin und der Deutschen Bundesbank zum Tatbestand der Anlageberatung (Stand Juli 2013); Krisl, Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG, 8. 45 Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 2 WpHG Rn. 94; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 36; Balzer, ZBB 2007, 333, 335; Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 2 Rn. 113. 46 Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 2 WpHG Rn. 94; Ritz, in: J/V/R/B, WpHG, § 2 Rn. 211 f.; Spindler, in: L/B/S, Kap. 33 Rn. 41 „persönliche“ Empfehlung; Mülbert, WM 2007, 1149, 1154. 47 Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 2 WpHG Rn. 94.

C. Definitionen der Anlageberatung

35

Empfehlung von einer bloßen Information, die keinen Rat beinhaltet.48 Insgesamt ist die Anlageberatung dem aufsichtsrechtlichen Katalog der Finanzdienstleistung zuzuordnen, sodass diese grds. erlaubnispflichtig ist und unter den Voraussetzungen der §§ 31 ff. WpHG zu erfolgen hat.49 Allerdings verändert sich der Anlageberatungsbegriff durch die MiFID II, da das Tatbestandsmerkmal der persönlichen Empfehlung weiter gefasst wird. Wurde noch nach MiFID I50 das Vorliegen einer solchen abgelehnt, wenn die Empfehlung über öffentlich zugängliche Informationsverbreitungskanäle, wie bspw. das Radio oder der Fernseher, abgegeben wurde, so ist dies nach MiFID II-DLVO kein grds. Ausschlussgrund.51 Damit genügt es für die Anlageberatung, wenn ganze Kundengruppen in Form von personalisierten E-Mails, Chats oder Börsenbriefen angesprochen werden.52 Dies entspricht bereits der Ansicht des deutschen Gesetzgebers gem. § 2 Abs. 3 Nr. 9 WpHG.53

II. Die zivilrechtliche Anlageberatung Zivilrechtlich wird der – zumeist konkludent – geschlossene Anlageberatungsvertrag von der Rechtsprechung vermutet, wenn sich der Anlageinteressent aufgrund seiner offensichtlich fehlenden Kapitalmarktkenntnisse hilfesuchend an einen Anlageberater wendet.54 Irrelevant für das Vorliegen einer Anlageberatung sei jedoch grds. von welcher Partei die Initiative zur Beratung ausgegangen ist.55 Daher ist die 48 Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 2 WpHG Rn. 94; zu den einzelnen Medien s. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 42; Lingen, Anlageberatung im Spannungsfeld zwischen Verbraucherschutz und Überregulierung, 27. 49 Kühne/Schulz, in: E/S/C/L, PraktikerHdB, Rn. 13; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 2 WpHG Rn. 93; Krisl, Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG, 7. 50 So ErwG. 79 MiFID I-DRL. 51 So ErwG. 14 MiFID II-DLVO. 52 Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 259. 53 Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 259. 54 BGHZ 123, 126 = NJW 1993, 2433 – Bond; BGH BKR 2008, 199 Rn. 14 m.w.N.; BGHZ 189, 13 = ZIP 2011, 756; Balzer, in: Welter/Lang, Kap. 7, Rn. 7.3 ff. m.w.N.; Edelmann, in: Assmann/Schütze, HdB KapitalanlageR, § 3 Rn. 4; Krisl, Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG, 8; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 267 f.; Einsiedler, WM 2013, 1109, 1110. Kritisch dazu Krüger, NJW 2013, 1845; Buck-Heeb, WM 2012, 625, 626 f.; Spindler, NJW 2011, 1920, 1921; Herresthal, ZBB 2012, 89, 92 ff.; Lingen, Anlageberatung im Spannungsfeld zwischen Verbraucherschutz und Überregulierung, 58. Anders hingegen das englische Recht, welches nur selten einen Anlageberatungsvertrag annimmt und Konfliktfälle über das Deliktsrecht (negligence) löst, dessen verletzte Sorgfaltspflichten aber durch die vertraglichen Beziehungen konkretisiert werden, s. Woods v. Martinis Bank LtD (1959) 1 QB 55; Schlüter, in: D/K/B, Bank- und KapMR, § 99 Rn. 75 ff. 55 Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 2 WpHG Rn. 95; Ritz, in: J/V/R/B, WpHG, § 2 Rn. 209; Einsiedler, WM 2013, 1109, 1110.

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1. Teil: Einführung

o.g. Bewertung durch den Berater auch im Vertragsrecht essentiell, da der Anleger ohne diese, ausschließlich anhand der bloßen Fakten, zu keinem Anlageentschluss gelangen würde.56 Der Anlageberatungsvertrag ist, mangels zivilrechtlicher Normierung,57 eine schuldrechtliche Sonderverbindung i.S.e. Geschäftsbesorgungsvertrag gem. §§ 611, 675 BGB.58 Trotz der Letztentscheidungskompetenz des Anlegers hinsichtlich des Erwerbs eines Finanzprodukts, entstehen aus dem Beratungsverhältnis für den Berater erhebliche Aufklärungs- und Prüfungspflichten gegenüber dem Kapitalanleger.59 Dementsprechend stellt sich bei Pflichtverletzungen die Frage der Haftung des Finanzinstituts gem. §§ 280 Abs. 1, 311 BGB.60 Insb. ist nach dem Bond-Urteil61 für die zivilrechtliche Anlageberatung nicht nur die Empfehlung des Anlageobjekts, sondern die Aufklärung über dessen Chancen und Risiken für den Anleger im Einzelfall entscheidend.62

III. Abgrenzung Der Empfehlung kommt sowohl in der aufsichtsrechtlichen als auch in der zivilrechtlichen Definition wesentliche Bedeutung zu und ist mithin das entscheidende Merkmal zur Abgrenzung gegenüber der Anlagevermittlung und der Vermögensverwaltung. Bei der Anlagevermittlung fehlt das wesentliche Element der Bewertung von Anlagemerkmalen mit anschließender Empfehlung.63 Ein Anlagevermittlungsver56

Krisl, Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG, 8. Nikolaus/d’Oleire, WM 2009, 2129, 2123. 58 Kühne/Schulz, in: E/S/C/L, PraktikerHdB, Rn. 16; Bamberger, in: D/K/B, Bank- und KapMR, § 52 Rn. 11; Sprau, in: Palandt, § 675 Rn. 35. 59 Edelmann, in: Assmann/Schütze, HdB KapitalanlageR, § 3 Rn. 14; Krisl, Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG, 8. 60 Krisl, Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG, 7; Grüneberg, in: Palandt, § 280 Rn. 47 ff. 61 BGHZ 123, 126 = NJW 1993, 2433 – Bond. 62 Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Kreditinstitute, 90; Edelmann, in: Assmann/Schütze, HdB KapitalanlageR, § 3 Rn. 15 ff.; Eberius, Regulierung der Anlageberatung und behavioral finance, 5; Lingen, Anlageberatung im Spannungsfeld zwischen Verbraucherschutz und Überregulierung, 61 ff.; Bamberger, in: D/K/B, Bank- und KapMR, § 52 Rn. 11. Der Anlageberater erklärt zunächst die Merkmale des Anlageobjekts und die aktuelle Marktsituation sowie weitere mögliche Risiken. Letztlich gibt er eine Prognose hinsichtlich der Entwicklungen des Anlageprodukts ab. Maßstab für die Beratung und die daraus resultierenden Empfehlungen sind alleine die Interessen des Anlegers. Sind dessen Interessen gefährdet, so muss der Berater den Konflikt ausschalten oder zumindest diesen dem Anleger gegenüber offen legen, s. Nikolaus/d’Oleire, WM 2009, 2129, 2123. 63 Edelmann, in: Assmann/Schütze, HdB KapitalanlageR, § 3 Rn. 8; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 2 Rn. 96, § 31 Rn. 268; Ritz, in: J/V/R/B, WpHG, § 2 Rn. 161; Eberius, Regulierung 57

D. Anwendungsbereich der MiFID II

37

trag i.S.e. Auskunftsvertrags64 kommt zustande, indem der Anleger (konkludent) verdeutlicht, dass es ihm auf die verbindliche Auskunft über das Anlageobjekt ankommt und der Anlagevermittler darauf eingeht.65 Anders als der Anlageberater, der ausschließlich im Kundeninteresse handelt, steht der Anlagevermittler damit auch näher „im Lager“ der Finanzproduktinitiatoren.66 Auch die Vermögensverwaltung lässt sich von der Anlageberatung anhand des Merkmals der persönlichen Empfehlung abgrenzen. Anstatt dem Anleger ein Produkt zu empfehlen, aufgrund dessen dieser eine Anlageentscheidung treffen kann, nimmt der Vermögensverwalter die Anlageentscheidung im Rahmen seines vereinbarten Handlungsspielraums nach eigenem Ermessen selbst vor.67

D. Anwendungsbereich der MiFID II Nach der Abgrenzung der Anlageberatung, muss auch der Anwendungsbereich der MiFID II festgelegt werden, um die Auswirkungen der neuen Regelungen auf die Anlageberatung beurteilen zu können. Der Regelungshintergrund „Finanzmarktkrise“ zeigt sich auch in dem sowohl sachlich als auch personell deutlich erweiterten68 Anwendungsbereich der MiFID II. Diese Ausdehnung wurde explizit vorgesehen, um bislang unregulierte, aber sich immer größerer Beliebtheit erfreuender, Produkte erfassen zu können, wie auch bislang ausgenommene Finanzakteure. Auf diese Weise sollen deutlich gewordene der Anlageberatung und behavioral finance, 6; vgl. Buck-Heeb/Lang, in BeckOGK § 675 Rn. 132; allg. zur Anlagevermittlung Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 44 ff. Zu den Rechtsgrundlagen der Haftung des Anlagevermittlers, vgl. Benedict, ZIP 2005, 2129. 64 Je nach Situation kann dieser als Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter oder bei einmaliger Auskunft als Werkvertrag ausgestaltet sein, vgl. Edelmann, in: Assmann/ Schütze, HdB KapitalanlageR, § 3 Rn. 9. 65 BGH NJW-RR 1993, 1114; BGHZ 158, 110 = NJW 2004, 1732; BGH NJW-RR 2000, 998; BGH NJW-RR 2005, 1120; BGH NJW 2007, 1632; BGH NZG 2008, 117; BGH NJW 2008, 3700 Rn. 11; Edelmann, in: Assmann/Schütze, HdB KapitalanlageR, § 3 Rn. 8; Einsiedler, WM 2013, 1109, 1110; Grüneberg, in: Palandt, § 280 Rn. 52. 66 Krisl, Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG, 9; Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 2 Rn. 113; s. auch Reiter/Methner/Nittel/Ebermann, in: A/B/H/S, HdB Bank- u. KapMR, Kap. 8 Rn. 9, Rn. 11 ff. die den Vermittler sogar als Vertreter des Produktgebers ansehen. Das reine Weiterleiten von Kunden an interessierte Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder eine Botentätigkeit sind jedoch unzureichend. 67 RegE RiLiUG, BT-Drs. 13/7142, S. 101; Schäfer, in: Assmann/Schütze, HdB KapitalanlageR, § 23 Rn. 1, 7; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 269, 287; Kumpan, in: Schwark/ Zimmer, KMRK, § 2 WpHG Rn. 81; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rn. 29; Krisl, Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG, 10; Rödel, Aufklärungspflicht und Schadenersatz, 132. 68 Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 10; Pfisterer, Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz, 10; Geier/Schmitt, WM 2013, 915.

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1. Teil: Einführung

Regelungslücken sowie die daraus resultierenden Gefahren aufgehoben werden.69 Insb. wird so das Ziel, ein einheitliches Regelwerk für Wertpapierdienstleistungen zu schaffen, weiter vorangetrieben.

I. Persönlicher Anwendungsbereich der MiFID II Beachtet man obiges Regelungsziel und den Zweck der Erweiterung des Anwendungsbereiches, so ist es überraschend, dass trotz erheblicher Diskussion im Vorfeld die Anwendung der MiFID II für Versicherungsproduktevermittler (sowie für Versicherungsprodukte allgemein) ausgeschlossen wurde.70 Diese sollen separat durch eine neue IDD-RL71 geregelt und neue Anlegerschutzbestimmungen für deren Vertrieb geschaffen werden.72 Die im Folgenden zu untersuchenden Vorschriften der Anlageberatung richten sich überwiegend an Wertpapierfirmen. Diese sind, ebenso wie Marktbetreiber, Datenbereitstellungsdienste und Drittlandfirmen73 gem. Art. 1 Abs. 1 MiFID II vom Anwendungsbereich der MiFID II erfasst. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 MiFID II definiert die Wertpapierfirma als „[…] juristische Person, die im Rahmen ihrer üblichen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gewerbsmäßig eine oder mehrere Wertpapierdienstleistungen für Dritte erbringt und/oder eine oder mehrere Anlagetätigkeiten ausübt“. Mithin sind, so auch ausdrücklich ErwG. 12 MiFID II, „[…] keine natürlichen Personen […], die eine andere berufliche Tätigkeit ausüben“ in den Regelungsbereich einbezogen.74 Die Tätigkeit der Wertpapierdienstleistung bzw. Anlageberatung muss zudem gewerblich ausgeführt werden.75 Einen ausf. Katalog der Wertpapierdienstleistungen bzw. Anlageberatung enthält Anhang A Abschnitt C MiFID II. Die delegierten Richtlinien76 eröffnen als Level-2-Maßnahmen den Anwendungsbereich auch für Verwertungsgesellschaften i.S.d. Art. 6 Abs. 4 der OGAW-

69

ErwG. 3, 5 MiFID II. Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 11. 71 Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates über Versicherungsvermittler vom 20. 01. 2016 über Versicherungsbetrieb, Abl. EU L 26/19. 72 ErwG. 87 MiFID II; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 11. 73 Legal definiert in Art. 4 Abs. 1 Nr. 57 MiFID II. Die Anwendung der MiFID II auf Drittlandfirmen, Art. 1 Abs. 2 lit. b) MiFID II, trägt dem Ziel Rechnung, den Anlegerschutz zu erhöhen, indem auch diese nach kontroverser Diskussion erfasst sind und mithin den gleichen Anforderungen, der gleichen Aufsicht und den gleichen Sanktionen unterliegen. Dies gilt auch für die Verordnung gem. Art. 1 f MiFIR. 74 s. dazu bereits Pfisterer, Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz, 11. 75 ErwG. 12 MiFID II. 76 Art. 1 Abs. 1 MiFID II-DLRL. 70

D. Anwendungsbereich der MiFID II

39

Richtlinie77 und Art. 6 Abs. 6 AIFM-Richtlinie.78 Mithin gelten die Regelungen auch für die individuelle Verwaltung von Portfolios und Nebendienstleistungen in Form von Anlageberatung über Finanzinstrumente i.S.d. MiFID I und Verwahrung und technische Verwaltung in Bezug auf die Anteile von Organismen für gemeinsame Anlagen. Dies entspricht dem deutschen Begriff der Wertpapierdienstleistungsunternehmen, welche gem. § 2 Abs. 4 WpHG „Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und nach § 53 Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes tätige Unternehmen, die Wertpapierdienstleistungen allein oder zusammen mit Wertpapiernebendienstleistungen gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert“, sind. Daher wird im Folgenden der Begriff des Wertpapierdienstleistungsunternehmens (WpDU) synonym verwandt.

II. Sachlicher Anwendungsbereich der MiFID II Der sachliche Anwendungsbereich wurde dadurch, dass neue Finanzinstrumente erfasst werden und einige bislang unter der MiFID I geltende Ausnahmeregelungen aufgehoben wurden, detaillierter und umfangreicher geregelt. Im Folgenden werden nur die Veränderungen mit (indirektem) Bezug zu den nachfolgenden Ausführungen dargestellt. 1. Emissionszertifikate und Warenderivate Als Finanzprodukt gelten nun – ohne die noch in MiFID I Anhang I Abschnitt C Nr. 10 MiFID I genannten weiteren Voraussetzungen – gem. Anhang I Abschnitt C Nr. 10, 11 der MiFID II das Emissionszertifikat sowie Derivate auf Emissionszertifikaten. Hiermit versucht der Richtliniengeber die von ihm festgestellten betrügerischen Handlungen in diesem Bereich zu unterbinden.79 Auch Warenderivate sind gem. Anhang I Abschnitt C Nr. 6 MiFID II Finanzinstrumente, wenn sie geliefert werden können und über einen geregelten Markt, MTF oder OTF gehandelt werden.80 77

Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. 07. 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), Abl. EU L 302/32. 78 Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 08. 06. 2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010, Abl. EU L 174/1. 79 Vgl. ErwG. 11 MiFID II. 80 Die Problematik des „Schlupflochs“ hinsichtlich der Voraussetzung der Lieferbarkeit und des Markts soll, so ErwG. 10 MiFID II, durch delegierte Rechtsakte aufgelöst werden, um auch hier den Regelungszweck nicht zu gefährden.

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1. Teil: Einführung

2. Strukturierte Einlagen Art. 1 Abs. 4 MiFID II öffnet den Anwendungsbereich der MiFID II für strukturierte Einlagen,81 ohne diese jedoch als Finanzinstrument zu qualifizieren.82 Damit soll die Lücke, die durch das Fehlen von europäischen Regelungen zu strukturierten Einlagen entstanden ist, geschlossen werden und das Vertrauen der Anleger83 in den Kapitalmarkt gestärkt werden.84 Jedoch finden die Regelungen der MiFID II nur beschränkt, auf die in Art. 1 Abs. 4 MiFID II abschließend85 genannten Artt. (Artt. 9 Abs. 3; 14; 16 Abs. 2, 3, 6 sowie Artt. 23 bis 26, 28, 29 [ausgenommen Art. 29 Abs. 2 UA 2], 30 und Artt. 67 bis 75 MiFID II), Anwendung. Ausdrücklich ausgenommen bleiben grds. solche strukturierten Einlagen, die keine Einlagen beinhalten, sondern ausschließlich an Zinssätze (bspw. EURIBOR oder LIBOR) gebunden sind.86 Künftig müssen also für den Vertrieb von strukturierten Einlagen Organisationspflichten und Vorgaben zur Vermeidung von Interessenkonflikten, insb. die Durchführung von Geeignetheits- und Angemessenheitsprüfung, eingehalten werden.87 Jedoch sollen nur der Verkauf und die Beratung, nicht hingegen die bloße Hereinnahme, einer strukturierten Einlage unter die Richtlinie fallen.88 Beides wird jedoch nicht weiter definiert. Daher muss die Hereinnahme einer Einlage weiterhin als reines Bankgeschäft angesehen werden.89 Eine derartige Einschränkung scheint im Hinblick auf das – ausdrücklich in ErwG. 39 statuierte – Ziel, den Anlegerschutz und das Anlegervertrauen zu stärken, widersprüchlich. Denn der von den Richtliniengebern erkannte regelungsfreie Be81 Diese werden in Art. 4 Abs. 1 Nr. 43 MiFID II legal definiert als „[…] Einlage im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Nummer c der Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (Einlagensicherungs-RL), die bei Fälligkeit in voller Höhe zurückzuzahlen ist, wobei sich die Zahlung von Zinsen oder einer Prämie bzw. das Zins- oder Prämienrisiko aus einer Formel ergibt, die von Faktoren abhängig ist“. 82 Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 20; Geier/Schmitt, WM 2013, 915, 916 noch zum Ratsentwurf. 83 Zur Bedeutung des Vertrauens s. Thiele, Finanzaufsicht, 79 ff. 84 ErwG. 39 MiFID II; s. auch die Übernahme des Ziels in die nationalen Regelungen BTDrs. 813/16, S. 230. 85 Geier/Schmitt, WM 2013, 915, 916 zum Ratsentwurf; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 23. 86 ErwG. 39 MiFID II. 87 Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 23; Geier/Schmitt, WM 2013, 915, 916 zum Ratsentwurf. 88 s. Art. 1 Abs. 4 MiFID II und ErwG. 40 MiFID II; Geier/Schmitt, WM 2013, 915, 916 zum Ratsentwurf; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 22. 89 Vgl. die Definition des Bankgeschäftes des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KWG; Geier/Schmitt, WM 2013, 915, 916 zum Ratsentwurf; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 22.

E. Harmonisierungsgrad

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reich für strukturierte Einlagen, der gerade durch die Neuregelung aufgehoben werden sollte, bliebe weiterhin für solche Institute bestehen, die nur solche verkaufen oder Beratungsleistungen für diese erbringen und zugleich keine weiteren erlaubnispflichtigen Bank- oder Finanzdienstleistungen ausführen.90 3. Vermittlung von Fondsanteilen Die bislang gem. Art. 3 MiFID I bzw. § 2a Abs. 1 Nr. 7 WpHG und § 2 Abs. 6 Nr. 8 KWG bestehende Bereichsausnahme für die Vermittlung und Beratung von Anteilen an Investmentvermögen kann erhalten bleiben,91 wenn die unter die Ausnahme fallenden freien Fondsvermittler anderweitig einer Aufsicht unterstellt wurden, Art. 3 Abs. 2 MiFID II. Diese Aufsicht muss hinsichtlich des Zulassungsverfahrens, der ständigen Überwachung und der Wohlverhaltenspflichten den Anforderungen der MiFID II entsprechen. In diesem Zusammenhang sind die Neuregelungen der Verhaltenspflichten für Finanzanlagevermittler gem. §§ 11 ff. FinVermV vom 01. 01. 2013 zu berücksichtigen.92 4. Eigenemissionen Gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 5 MiFID II braucht es für die Qualifikation der Eigenemission als Wertpapierdienstleistung nicht mehr die Voraussetzung, dass der Verkauf im Zusammenhang mit einer anderen Wertpapierdienstleistung erbracht wird.93 Damit sind sowohl WpDU und Kreditinstitute von der Richtlinie erfasst, wenn sie Finanzinstrumente vertreiben, die sie selbst ausgeben und zugleich Anlageberatungstätigkeit für den Kunden leisten, als auch – um Unklarheiten zu vermeiden – solche, die hierbei keine Beratung anbieten.94

E. Harmonisierungsgrad Für den Gang der Untersuchung und die Gegenüberstellung, ob die Regelungen der MiFID II ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt wurden, muss zuvor der Grad der Harmonisierung der MiFID II festgestellt werden.

90

Geier/Schmitt, WM 2013, 915, 916 zum Ratsentwurf. Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 25. 92 Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 27; Geier/Schmitt, WM 2013, 915, 919 zum Ratsentwurf. Auf diese soll hier jedoch aufgrund des Schwerpunkts der Anlageberatung nach dem WpHG nicht weiter eingegangen werden. 93 So noch die Präambel der MiFID I; Geier/Schmitt, WM 2013, 915, 917 zum Ratsentwurf; Kurz, DB 2014, 1882, 1886. 94 Vgl. ErwG. 45 MiFID II. 91

42

1. Teil: Einführung

I. Der Harmonisierungsgrad im Allgemeinen Eine der Kernaufgaben der EU ist die Harmonisierung von innerstaatlichen Rechtsnormen.95 Harmonisierung96 bedeutet die Abstimmung der Mitgliedstaaten auf eine einheitliche Politik innerhalb der Europäischen Union, mit dem Ziel einen gemeinschaftlichen, störungsfreien Binnenmarkt zu schaffen und die gemeinsame Entwicklung voran zu treiben.97 Mithin sollen die nationalen Rechtsordnungen einander angeglichen werden, um eine Rechtsgemeinschaft zu schaffen und damit das Funktionieren des Binnenmarkts zu erleichtern.98 Denn durch die Angleichung werden Rechtsunterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten verringert bzw. beseitigt.99 Der Grad der Harmonisierung enscheidet also darüber, inwieweit ein einheitliches, also ein gemeinsames Recht geschaffen wird, oder, ob den Mitgliedstaaten weiterhin Spielräume verbleiben, um strengere nationale Regelungen umzusetzen.100 Ist eine Richtlinie vollharmonisierend, so dürfen die Migliedsstaaten weder mildere noch strengere Vorschriften im Anwendungsbereich der Richtlinie erlassen.101 Liegt hingegen nur eine mindestharmonisierende Richtlinie vor, so hält der europäische Gesetzgeber noch eigene Wege der Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung offen.102 Denn auf diese Weise wird kein abschließender europäischer Standard geschaffen und der nationale Gesetzgeber kann strengere Regelungen erlassen.103

II. Der Harmonisierungsgrad der MiFID II Die MiFID II bestimmt nicht ausdrücklich ihren Harmonisierungsgrad, sodass dieser durch Auslegung zu ermitteln ist.104 Dabei müssen Wortlaut, Zielsetzung und Regelungssystematik berücksichtigt werden.105 Bei fehlenden konkreten gegenteiligen Anhaltspunkten soll davon auszugehen sein, dass es sich um eine vollhar-

95

Frenz, Europarecht, Rn. 738. Teilweise werden in den verschiedenen Bestimmungen des AEUV zur Harmonisierung verschiedene Begriffe „Rechtsangleichung“ oder „Koordinierung“ synonym verwendet. 97 Bergmann, Handlexikon der Europäischen Union, Harmonisierung; Eckel, EuZW 2015, 418, 419. 98 Classen, in: Groeben/Schwarze/Hatje, AEUV, Art. 114 Rn. 10; Frenz, Europarecht, Rn. 733. 99 Frenz, Europarecht, Rn. 733. 100 Haag, in: Bieber/Epiney/Haag, Die Europäische Union, § 14 Rn. 29. 101 Spindler, in: L/B/S, BankrechtK, Kap. 33 Rn. 30a. 102 Vgl. Möllers, ZEuP 2016, 325, 331. 103 Vgl. Möllers, ZEuP 2016, 325, 345. 104 Veil, ZGR 2014, 544, 569. 105 Leible/Schröder, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 114 Rn. 26. 96

E. Harmonisierungsgrad

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monisierende Regelung handelt.106 Diese Sichtweise ist vor dem Hintergrund entstanden, dass sich auf der Ebene der europäischen Gesetzgebung in den letzten Jahren zunehmend die Tendenz abzeichnet, ausschließlich vollharmonisierende Richtlinien zu erlassen, sofern nicht zu dem – in der Beliebtheit der Kommission ohnehin stetig steigenden – Mittel der Verordnung107 gegriffen wird.108 Dies wird vor allem aus dem im Jahre 2002 neu begründeten und anschließend noch einmal reformierten Gesetzgebungsverfahren, dem sog. Lamfalussy-Verfahren,109 geschlossen.110 Es wurde entwickelt, um die Gesetzgebung zu beschleunigen und letztlich ein einheitliches Binnenrecht zu schaffen.111 Tatsächlich lässt sich entgegen einer Literaturmeinung112 alleine aus dem neuen Gesetzgebungsverfahren noch kein Rückschluss auf die Intensität der Rechtsangleichung ziehen – wurde es doch auch zum Zweck der Effizienz entwickelt.113 Auch Richtlinien, die nicht vollharmonisierend sind, können, vor allem bei entsprechend strenger Auslegung, zu einer starken Harmonisierung des nationalen Rechts führen, sodass der Zweck des neuen Gesetzgebungsverfahrens ebenfalls durch eine Richtlinie, die nur Mindestanforderungen stellt, herbeigeführt werden kann. Die Intensität des Harmonisierungsgrads der MiFID II lässt sich auch nicht ohne Weiteres durch einen Rückschluss auf den der MiFID I ablesen. Zwar nimmt die wohl h.M.114 für letztere eine Vollharmonisierung an, jedoch mit der Begründung, dass diese keine Mindestklauseln mehr enthalte und auf das Lamfalussy-Verfahren verweise.115 Eine pauschale Übertragung des hergeleiteten Harmonisierungsgrads 106

Classen, in: Groeben/Schwarze/Hatje, AEUV, Art. 114 Rn. 24; noch stärker Veil, ZGR 2014, 544, 549, der grds. bei heutigen Richtlinien von einer Vollharmonisierung ausgehen will. 107 s. dazu Mülbert, ZHR 176 (2012), 369, 373 f.; Veil, ZGR 2014, 544, 549. 108 Veil, ZGR 2014, 544, 569; die Tendenz ebenfalls erkennend Möllers, ZEuP 2016, 325, 331 f. 109 Es besteht aus vier Stufen, wobei drei für die Rechtsetzung agieren, indem auf der ersten Stufe Basisrechtsakte in Form von Richtlinien oder Verordnungen erlassen werden, die auf zweiter Ebene mittels Durchsetzungsakte der Kommission konkretisiert werden. Zusätzlich werden auf dieser Stufe technische Regulierungs- und Durchführungsstandards erlassen, die auf dritter Stufe durch sekundäre Rechtsquellen in Form von Leitlinien und Empfehlungen weiter verdichtet werden. Und der vierten und letzten Stufe, die der Überwachung dient, s. Möllers, ZEuP 2016, 325, 327 f., Veil, ZGR 2014, 544, 551 ff.; s. ausf. Lamfalussy u. a., Schlussbericht des Ausschusses der Weisen über die Regulierung der europäischen Wertpapiermärkte. 110 Eckel, EuZW 2015, 418, 420 f.; Möllers, ZEuP 2008, 480, 489. 111 Möllers, ZEuP 2008, 480, 482. 112 Möllers, ZEuP 2008, 480, 500; mittlerweile wohl anderer Ansicht, da er die MiFID II, die auch im Lamfalussy-Verfahren entstand, als Mindestharmonisierung einstuft s. Möllers, ZEuP 2016, 325, 344 f. 113 Veil, ZGR 2014, 544, 569. 114 Eckel, EuZW 2015, 418, 421; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 30a; Möllers, ZEuP 2008, 480, 500. 115 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 30a; Eckel, EuZW 2015, 418, 421 jeweils m.w.N.

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1. Teil: Einführung

scheidet aufgrund des zuvor zum Lamfalussy-Verfahren Gesagten aus.116 Auch werden in den ErwG. der MiFID II Mindeststandards genannt.117 Dennoch ist zu konstatieren, dass der Spielraum für nationale Regelungen im Vergleich zur MiFID I deutlich eingeschränkt wurde und auch eine beachtliche inhaltliche Konkretisierung der Vorschriften und viele Details im Zusammenspiel mit den technischen Standards von ESMA festgelegt wurden.118 Gegen eine Vollharmonisierung könnte jedoch zunächst sprechen, dass der europäische Gesetzgeber ganz bewusst zwischen der Regelung in einer Verordnung, der MiFIR, und der Regelung in einer Richtlinie, der MiFID II, unterschieden hat.119 Die Verordnung bedarf keines weiteren Umsetzungsakts und ist direkt im nationalen Recht anwendbar, sodass die Mitgliedstaaten keinen Gestaltungsspielraum haben.120 Hingegen wurde die Richtlinie ausweislich des ErwG. 7 gewählt, um auch nationalen Besonderheiten gerecht zu werden. Jedoch lässt sich alleine aufgrund der Wahl zwischen Verordnung oder Richtlinie nicht automatisch auf deren Harmonisierungscharakter schließen, da auch eine Verordnung Ausnahmen für nationale Gesetzgeber vorsehen oder lediglich Mindeststandards festsetzen kann.121 Darüber hinaus ist es auch in einer vollharmonisierten Richtlinie möglich, Ausnahmen für die nationalen Bedürfnisse von Mitgliedstaaten zu schaffen. Zudem bleibt bislang unklar, wann die Kommission eine Verordnung und wann eine Richtlinie bevorzugt,122 sodass es von der jeweiligen Kommission abhängig ist, in welcher Form die neuen Regelungen erscheinen.123 Bei der Betrachtung der ErwG. der MiFID II fällt zunächst der fünfte auf.124 Nach diesem soll die MiFID I zum einen um Mindeststandards ergänzt, aber zum anderen auch um detaillierte Grundätze erweitert werden. Allerdings bezieht sich ErwG. 5 lediglich auf festgestellte Schwächen in der Unternehmensführung und -kontrolle der Finanzunternehmen und auf die Gefahr der damit einhergehenden Nachteile und des Vertrauensverlusts der Anleger. 116 So aber Eckel, EuZW 2015, 418, 421 ohne weitere Angabe von Gründen, warum auch die Rahmenrichtlinien, vor allem die MiFID II, vollharmonisierenden Charakter besitzen soll. 117 ErwG. 5 MiFID II, s. dazu 1. Teil E.I.1. 118 Wenzel/Cordiaß, in: Europäische Finanzmarktregulierung, 13. 119 Zu den einzelnen Gründen s. Europäische Kommission, Commission Staff Working Paper, Impact Assessment, v. 20. 10. 2011, SEC(2011) 1226 final; Veil/Lerch, WM 2012, 1557, 1559. 120 Europäische Kommission, Commission Staff Working Paper, Impact Assessment, v. 20. 10. 2011, SEC(2011) 1226 final. 121 Mülbert, ZHR 176 (2012) 369, 373; Veil/Lerch, WM 2012, 1557, 1559. 122 Mülbert, ZHR 176 (2012) 369, 373. 123 Möllers, ZEuP 2016, 325, 332; vom Temperament der Kommission abhängig Mülbert, ZHR 176 (2012) 369, 374; von der Entschlossenheit der jeweiligen Kommission abhängig Veil, ZGR 2014, 544, 567. 124 s. dazu Möllers, ZEuP 2016, 325, 344; Poelzig, Stellungnahme zum Entwurf des 2. FiMaNoG im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 3.

E. Harmonisierungsgrad

45

Aber auch die ErwG. 120, 122, 137, 138 und 150125 erklären ausdrücklich die Erstellung von Mindeststandards, bzw. die Möglichkeit den Emittenten für die Zulassung auch strengere Regelungen aufzuerlegen. Auch in den den ErwG. zugrundeliegenden Regelungen wird es den Mitgliedstaaten frei gestellt, entsprechende Regelungen (bspw. Artt. 29 Abs. 6, 30 Abs. 3 MiFID II) vorzunehmen – „Die Mitgliedstaaten können […]“. Dies stimmt mit der Begründung des Kommissionsvorschlags zur MiFID II-Regelung überein, welcher für die Sanktionen ausdrücklich Mindestanforderungen vorsah.126 Allerdings erstreckten sich darin die Mindestanforderungen ausschließlich auf die Sanktionen und die Bedeutung der Kommissionsbegründung hat durch den Gang des Gesetzgebungsverfahrens, vor allem im Trilog-Verfahren, bei dem auch Rat und Parlament ihre Vorstellungen eingebracht haben, abgenommen.127 Dies sind jedoch – zumindest für den Sanktionsteil und die Aufsichtsbefugnisse – Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Mindestharmonisierung.128 Gegen die Qualifizierung der gesamten Richtlinie als mindestharmonisierend sprechen jedoch, neben der allgemeinen Tendenz zur Vollharmonisierung, weitere Gründe. So spricht die gleiche Kommissionsbegründung zur Neufassung der MiFID I davon, dass die den Mitgliedstaaten eingeräumten Ermessensspielräume ggf. reduziert werden müssen und die Festlegung eines einheitlichen Regelwerkes angestrebt werde.129 Auch die ErwG. der MiFID II legen fest, dass ein Harmonisierungsumfang erreicht werden soll, der notwendig ist, um den Anlegern ein hohes Schutzniveau zu bieten und gleichzeitig den WpDU die Dienstleistungserbringung in der Union durch die Herkunftslandaufsicht zu gestatten.130 Mithin sprechen diese insgesamt eher für die Intensität der Vollharmonisierung. Der Anlegerschutz alleine würde auch auf eine Mindestharmonisierung hinweisen, da dieser stärker ausfallen könnte, wenn die Mitgliedstaaten strengere Regelungen erlassen dürften.131 Dieser steht hier jedoch im Zusammenhang mit dem Prinzip der Herkunftslandaufsicht und dem bereits in der Ermächtigungs-

125

Diese ErwG. befassen sich mit den Spezialthemen der Bereitstellung von Eigenmitteln und den Befugnissen der Aufsichtsbehörden. 126 Europäische Kommission, Kommissionsbegründung für die Neufassung der MiFID, v. 20. 10. 2011, KOM(2011)656 endg.; s. auch Veil/Lerch, WM 2012, 1557, 1559. 127 Veil, ZGR 2014, 544, 569. 128 So ebenfalls für den Entwurf Veil/Lerch, WM 2012, 1557, 1559; sowie für die endgültige Regelung Veil, ZGR 2014, 544, 569. 129 Europäische Kommission, Kommissionsbegründung für die Neufassung der MiFID v. 20. 10. 2011, KOM(2011)656 endg., S. 3; s. auch Veil/Lerch, WM 2012, 1557, 1559. 130 ErwG. 3 MiFID II. 131 Forschner, Wechselwirkungen von Aufsichtsrecht und Zivilrecht, 56, zum gleichlautenden ErwG. MiFID I.

46

1. Teil: Einführung

grundlage aufgezeigten Zweck, der wiederum auf die Vollharmonisierung hindeutet.132 Zudem wurde die Europäische Union von der „Hochrangigen Gruppe für Finanzaufsicht der EU“ ersucht, stärker harmonisierte Vorschriften als bislang auszuarbeiten.133 Da die Vorschriften der MiFID I bisher vollharmonisierenden Charakter besaßen, ginge dies nur, wenn die Regelungen der MiFID II ebenfalls vollharmonisierend wären. Das durchgehend als notwendig empfundene, einheitliche für alle Finanzinstitute im Binnenmarkt geltende europäische Regelwerk134 ließe sich darüber hinaus am einfachsten durch eine vollharmonisierende Richtlinie schaffen – da hier die Abweichungen ausschließlich auf expliziten Ausnahmeklauseln beruhen. Dass ErwG. 7 die Richtlinie als geeignetes Mittel darstellt, um auch auf die nationalen Besonderheiten der Mitgliedsländer einzugehen, steht dem nicht entgegen. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine Öffnungsklausel, die den eigentlich abschließenden Charakter der einzelnen Regelungen verdeutlicht. Dies wird vor allem in Art. 24 Abs. 12 MiFID II deutlich, der es den Mitgliedstaaten erlaubt, strengere Regelungen für die unabhängige Beratung zu schaffen, sofern solche aufgrund der Besonderheiten des nationalen Markts erforderlich sind.135 Dies wiederum ist nur mittels Anzeige des Mitgliedstaates bei der Kommission und deren Genehmigung möglich. Darüber hinaus wird in der Richtlinie auch deutlich, dass keine weitergehenden Vorschriften erlaubt sind.136 So sieht bspw. Art. 12 Abs. 7 MiFID II explizit vor, dass „Die Mitgliedstaaten […] an die Anzeige eines direkten oder indirekten Erwerbs von Stimmrechten oder Kapital an die zuständigen Behörden und die Genehmigung eines derartigen Erwerbs durch diese Behörden keine strengeren Anforderungen stellen [dürfen], als in dieser Richtlinie vorgesehen ist“. Sind strengere Regelungen als in der Richtlinie aufgeführt zulässig, so wird dies ausdrücklich benannt.137 Daher sind diese Regelungen der MiFID II abschließend, sodass es solcher expliziten Öffnungsklauseln bedarf. Auch die Ermächtigungsgrundlage, Art. 53 Abs. 1 AEUV, der MiFID II lässt alleine keinen Rückschluss darauf zu, ob den Mitgliedstaaten Abweichungen über die Richtlinie hinaus ermöglicht werden müssen. Zwar wird teilweise vertreten, dass vollharmonisierende Regelungen nur auf Art. 114 AEUV gestützt werden dürfen,138 jedoch zeigt sich in der Ermächtigungsgrundlage des Art. 53 Abs. 1 AEUV vielmehr 132 Forschner, Wechselwirkungen von Aufsichtsrecht und Zivilrecht, 56, zum gleichlautenden ErwG. MiFID I. 133 ErwG. 6 MiFID II. 134 ErwG. 6 MiFID II. 135 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 30a; i.E. Poelzig, Stellungnahme zum Entwurf des 2. FiMaNoG im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 3. 136 s. zur MiFID I Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 30a. 137 So bspw. für verbundene Vermittler in Art. 29 Abs. 6 MiFID II. 138 Möllers, ZEuP 2016, 325, 355.

E. Harmonisierungsgrad

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das Ziel, grenzüberschreitende, selbständige Tätigkeiten ausdrücklich zu erleichtern. Dies wäre mit Hilfe einer vollharmonisierenden Regelung zu erreichen.139 In einer Gesamtbetrachtung der einzelnen ErwG. und der Regelungen der Richtlinie zeigt sich, dass kein einheitlicher Harmonisierungsgrad für die gesamte Richtlinie vorliegt, sondern vollharmonisierende Vorschriften und Mindestanforderungen bestehen.140 Der deutsche Gesetzgeber muss bei der Umsetzung der MiFID II-Vorschriften in das nationale Recht folglich für jede Norm gesondert überprüfen, ob er die dortigen Anforderungen erweitern darf, oder ob dies nur mittels einer Anzeige bei der Kommission bzw. überhaupt nicht zulässig ist.141 Für den im Folgenden zu untersuchenden Art. 24 MiFID II wurde eine Öffnungsklausel eingearbeitet, sodass es sich bei diesem um eine vollharmonisierende Vorschrift handelt. Gleiches gilt für Art. 16 MiFID II, der ebenfalls in Abs. 11 eine Öffnungsklausel enthält. Eine Erweiterung der Regelungen, aufgrund der Gegebenheiten des nationalen Markts, ist jedoch nur nach vorheriger Anmeldung bei der Kommission möglich. Keine Öffnungsklausel enthalten die zu untersuchenden Artt. 9, 23 und 25 MiFID II. Sowohl die ErwG. als auch die Formulierung „Die Mitgliedstaaten verlangen […]“, Art. 25 Abs. 1 MiFID II, sprechen gegen eine Einordnung der Vorschriften als Mindeststandard, sondern für ihren vollharmonisierenden Charakter. Mithin darf der Gesetzgeber auch hier die europäischen Vorgaben bei der Umsetzung nicht überschreiten. Er kann jedoch zusätzlich und damit in diesem Falle „weitergehende“ Regelungen treffen für Gebiete und Themenbereiche, die auf europäischer Ebene nicht berücksichtigt wurden und damit keine Regelung erfahren haben.142 Hierbei ist jedoch genau zu differenzieren zwischen Sachverhalten, die auf europäischer Ebene diskutiert und verworfen wurden – bspw. die schriftliche Protokollierung von Kundengesprächen anstatt diese aufzuzeichnen – und solchen, die keine Berücksichtigung im Gesetzgebungsprozess erfuhren. Denn nur letztere ermöglichen eigenständige Regelungen des nationalen Gesetzgebers. Eine genaue Festlegung seitens des europäischen Gesetzgebers wäre, zum einen aus Rechtssicherheitsgründen und zum anderen in Hinblick auf das Ziel eine ein-

139

Forschner, Wechselwirkungen von Aufsichtsrecht und Zivilrecht, 56. Veil, ZGR 2014, 567 f., 570; wohl auch schon ders./Lerch, WM 2012, 1557, 1559; Poelzig, Stellungnahme zum Entwurf des 2. FiMaNoG im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 3; a.A. Vollharmonisierung Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 30a; Eckel, EuZW 2015, 418, 421; Lerch, Anlageberater als Finanzintermediär, 412 f.; noch offen mit Tendenz zur Vollharmonisierung aufgrund der MiFID II Entwürfe der Kommission Klein, Die Beratungsprotokollpflicht im System des europarechtlichen determinierten Anlegerschutzes, 547; Mindestharmonisierung Möllers, ZEuP 2016, 325, 344 f. 141 Veil/Lerch, WM 2012, 1557, 1559; Poelzig, Stellungnahme zum Entwurf des 2. FiMaNoG im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 3. 142 Poelzig, Stellungnahme zum Entwurf des 2. FiMaNoG im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 3. 140

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1. Teil: Einführung

heitliche Regelung zu schaffen, wünschenswert gewesen.143 Im vorliegenden Fall wird das level-playing-field (gemeinsames Recht) relativiert, jedoch nicht so gravierend, wie im Falle einer ausschließlich mindestharmonisierenden Richtlinie.144 Aber auch vor dem Hintergrund, dass aufgrund der neuen Wahlmethode, in Form der Verordnung und des Lamfalussy-Verfahrens, immer mehr Richtlinien ohne nähere Betrachtung als vollharmonisierend charakterisiert werden, hätte der Gesetzgeber hier eine deutliche Aussage treffen und damit Stellung beziehen müssen.

F. Verhältnis von Zivil- und Aufsichtsrecht Für den weiteren Gang der Untersuchung ist vorab zu klären, welcher rechtlichen Natur die deutschen Wohlverhaltenspflichten sind und inwieweit hier eine Änderung durch die MiFID II vorgenommen wird. Bei der Einordnung der WpHG-Vorschriften als zivilrechtliche Normen, könnten auch diese entsprechend dem überwiegend vollharmonisierenden Charakter der MiFID II (s. 1. Teil E.) anzupassen sein. Anderenfalls könnte die Bestrebung, durch die MiFID II ein einheitliches Regelwerk für alle Mitgliedstaaten zu schaffen, über das deutsche Zivilrecht ausgehebelt werden.145 Daher ist zu untersuchen, ob durch die neuen europäischen Regelungen auch das Zivilrecht auf nationaler Ebene eine Modifikation erfahren soll. Des Weiteren spielt im Rahmen der praktischen Anwendung die Einordnung der Rechtsnatur der WpHG-Vorschriften, insbesondere der Wohlverhaltenspflichten, zur Bestimmung der vetraglichen Pflichten der Anlageberater eine wesentliche Rolle. Denn zivilrechtliche Pflichten können aufgrund der Privatautonomie von den Parteien des Beratungsvertrages ausgeschlossen werden, öffentlich-rechtliche Vorschriften hingegen nicht.146 Im Falle der Charakterisierung der WpHG-Vorschriften als öffentlich-rechtliche Vorschriften, stellt sich sodann die Frage, inwieweit aufsichtsrechtliche Pflichten die zivilrechtlichen bzw. vertraglichen Pflichten des Anlageberaters beeinflussen können. Dabei ist es gerade die Eigenschaft des Kapitalmarktrechts, dass dieses sowohl den zivilrechtlichen Bereich berührt, als auch das Aufsichtsrecht umfasst, indem es zum einen die Marktorganisation, die darauf bezogenen Tätigkeiten und das marktbezogene Verhalten reguliert, um sowohl den Funktionsschutz des Kapitalmarkts als auch den individuellen Anlegerschutz zu gewährleisten.147 Mithin weist das Kapitalmarktrecht bildlich gesprochen einen ja143

Ebenfalls im Hinblick auf den dann nicht bestehenden Prüfungsumfang der Richtlinie auf ihren Harmonisierungsgrad Möllers, ZEuP 2016, 325, 351; Veil, ZGR 2014, 544, 569. 144 So Möllers, ZEUP 2016, 325, 345, der annimmt, dass die MiFID II mindestharmonisierend ist. 145 s. dazu Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 26. 146 Buck-Heeb/Lang, in: BeckOGK § 675 Rn. 155; s. als Bsp. für den möglichen Ausschluss des Beratungsprotokolls im Zivilrecht und die fehlende Möglichkeit im Aufsichtsrecht BuckHeeb, ZHR 177 (2013) 310, 320 f. 147 Oulds, in: Kümpel/Wittig, Rn. 14.141 f.; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 26 ff.; Thiele, Finanzaufsicht, 64 ff.

F. Verhältnis von Zivil- und Aufsichtsrecht

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nusköpfigen Charakter148 auf. Darüber hinaus ist die Frage für die Wahl des Rechtsweges entscheidend.149 Letztlich hat also die Rechtsnatur der Vorschriften auch eine Auswirkung auf die Durchsetzungsmöglichkeiten und damit zugleich auf die Ausmaße der europäischen Vorgaben.

I. Rechtsnatur der Regelungen im WpHG Daher ist zunächst festzustellen, ob die WpHG-Vorschriften zivilrechtliche oder aufsichtsrechtliche Regelungen sind. Die Wohlverhaltenspflichten gem. § 31 ff. WpHG sind ausdrücklich im WpHG normiert und nicht im BGB in Form eines Beratungsvertrags. Auch die neuen Regelungen zur Umsetzung verortet der Gesetzgeber im WpHG. Aufgrund dieser Festlegung spricht bereits die Stellung der Normen gegen den Willen des Gesetzgebers, diesen einen zivilrechtlichen Charakter zu verleihen.150 Dies wird vor allem dadurch deutlich, dass der Gesetzgeber die Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie151, die ebenfalls die Beratung der Darlehensnehmer ausgestaltet, im BGB geregelt hat. Der Gesetzgeber erklärt in seiner Begründung auch ausdrücklich das Novum, dass nun die Kreditwürdigkeitsprüfung auch zivilrechtlich geregelt werde und damit eine gleichwertige Schutzpflicht für den Verbraucher entstehe.152 Er betont, dass es ihm hier ausdrücklich um den Verbraucherschutz ginge und deshalb eine zivilrechtliche Regelung erforderlich sei. Mithin erkennt er, dass seine bisherigen Regelungen öffentlich-rechtlicher Natur waren und er, sofern er eine zivilrechtliche Wirkung herbeiführen möchte, diese durch Verortung im BGB erreicht.153 Dennoch wollen einige Autoren den Regelungen eine Doppelwirkung bzw. Doppelnatur154 zuschreiben, sodass den Wohlverhaltenspflichten je nach Sachverhalt sowohl eine zivilrechtliche als auch eine aufsichtsrechtliche Wirkung zugesprochen 148

Für den Begriff der „Janusköpfigkeit des Kapitalmarktrechts“ s. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 8. 149 Einsele, ZHR 180 (2016), 233. 150 Herresthal, WM 2014, 773, 776. 151 Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04. 02. 2014 über Wohnimmobilienkredite für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 2008/48/EG und 2013/36/EU und der VO (EU) Nr. 1093/2010, Abl. EU L 60, 34. 152 Begr. RegE Umsetzung Wohnimmobilienkreditrichtlinie, BT-Drs. 18/5922, S. 62, 96. 153 A.A. wohl Einsele, ZHR 180 (2016), 233, 236, da die parallele Vorschrift in § 18 KWG unstreitig öffentlich-rechtlich sei, aber die §§ 31 ff. WpHG primär Kundeninteressen schützen würden. Einsele scheint daraus die privatrechtliche Wirkung der §§ 31 ff. WpHG herleiten zu wollen; die ErwG. der MiFID für eine zivilrechtliche Qualifikation der Richtlinie heranziehend, Grundmann, WM 2012, 1745, 1752. 154 Möllers, in: KK/WpHG, § 31 Rn. 9 ff.; zum Modell wenn auch ablehnend Fuchs, in: Fuchs, WpHG, Vor §§ 31 ff. Rn. 78; ausf. zur pro- und kontra Aufstellung der Doppelnatur für § 31d WpHG Rohwetter, Die Vermeidung von Interessenkonflikten durch das Zuwendungsverbot des § 31d WpHG, 134 ff.

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1. Teil: Einführung

wird. Die bloße Feststellung, dass es ineffektiv wäre, wenn der Gesetzgeber ein und dieselbe Regelung zweimal formulieren muss, damit sie im Zivilrecht und im Aufsichtsrecht Geltung erlangt, vermag als Argument alleine nicht überzeugen.155 Die Abgrenzungsnotwendigkeit wird alleine aufgrund der oben gezeigten Abbedingungsmöglichkeiten deutlich. Denn das Aufsichts- und das Zivilrecht haben als Teilrechtsordnung unterschiedliche Funktionen.156 Gegen eine Durchbrechung spricht außerdem, dass die ausschließliche Durchsetzungs- bzw. Eingriffskompetenz bei der BaFin als staatliche Aufsichtsbehörde liegt.157 Des Weiteren ist fraglich, ob dem europäischen Gesetzgeber, schließlich beruhen die Wohlverhaltenspflichten auf der MiFID I, überhaupt eine Kompetenz zusteht, das nationale Zivilrecht zu harmonisieren. Die Regelungskompetenz für die MiFID I wird auf Art. 47 EGV a.F. (Nachfolgeregelung ist Art. 53 Abs. 1 AEUV) gestützt. Aus dieser Grundlage lässt sich jedoch keine Ermächtigung für die Regelung des Zivilrechts herleiten.158 Die ErwG. der MiFID I, insb. ErwG. 25, der von Aufsichtsrecht spricht,159 zeigen keine andere Auffassung. Nicht zuletzt entschied auch der EuGH in seiner Genile-Entscheidung160, dass die MiFID I ausschließlich das Aufsichtsrecht regle.161 Ergo gilt dies auch für die MiFID II,162 die auf Art. 53 Abs. 1 AEUV, der Nachfolgeregelung des Art. 47 EG beruht. Auch hier lassen sich keine gegenteiligen ErwG. finden.163 Besonders bedeutend für die rein aufsichtsrechtliche Wirkung der MiFID II ist die Gesetzesentwicklung.164 So wurden zwischenzeitlich durchaus zivilrechtliche Sanktionen diskutiert, um einen einheitlichen Regelungsstandard zu schaffen. Die Kommission hatte in ihrer Konsultation zur Überarbeitung der MiFID I genau diese unterschiedlichen zivilrechtlichen Regelungen der Mit155

A.A. Forschner, Wechselwirkung von Aufsichtsrecht und Zivilrecht, 203. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 30; Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 167, 171 f. 157 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, Vor §§ 31 ff. Rn. 77; Forschner, Wechselwirkungen von Aufsichtsrecht und Zivilrecht, 204; Lerch, Anlageberater als Finanzintermediäre, 414; a.A. Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, Vorb. zu § 31 WpHG Rn. 15. 158 Für Art. 49 EUV Nobbe/Zahrte, in: MüKo-HGB, Anlageberatung, Rn. 58; Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, Vorb. zu § 31 WpHG Rn. 14; Harnos, ZEuP 2015, 546, 552; allg. eine Ermächtigungsgrundlage für die Harmonisierung des nationalen Zivilrechts aus dem EGVertrag und dem AEUV verneinend Assmann, FS Schneider, 36, 42 und insb. nicht für Art. 47 Abs. 2 EGVund Art. 53 Abs. 2 AEUV, 49. Allgemein Harnos, BKR 2014, 1, 7; Rothenhöfer, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts, 55, 68. 159 Nobbe/Zahrte, in: MüKo-HGB, Anlageberatung, Rn. 58, 61. 160 EuGH NZG 2013, 786 Rn. 57. 161 A.A. Grundmann, WM 2012, 1745, 1752. 162 Veil, ZGR 2014, 544, 549, 550; Klein, Die Beratungsprotokollpflicht im System des europarechtlich determinierten Anlegerschutzes, 548; zu der rein aufsichtsrechtlichen Ermächtigung des Art. 53 AEUV s. ausf. Harnos, ZEuP 2015, 546, 550 ff. 163 A.A. Einsele, ZHR 180 (2016), 233, 238 f., da der Wortlaut wohl auch die Harmonisierung von nicht öffentlichem Recht zulasse und die Trennung von öffentlichem und Privatrecht in anderen Mitgliedstaaten nicht getroffen werde. 164 Möllers, ZEuP 2016, 325, 348. 156

F. Verhältnis von Zivil- und Aufsichtsrecht

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gliedstaaten als störend befunden und wollte diese bei der Überarbeitung durch die MiFID II nun vereinheitlichen.165 Ebenso war in dem Parlamentsentwurf der MiFID II in Art. 9 Abs. 8a MiFID II-EP vorgesehen, dass zivilrechtliche Sanktionen für den Fall eines Verstoßes des Leitungsorgans gegen die Vorschriften der Richtlinie eingeführt werden.166 In der endgültigen Fassung der MiFID II sind solche Vorschriften jedoch nicht mehr zu finden. Diese spricht in Art. 69 Abs. 2 UA 3 MiFID II nur noch von Entschädigungen und Abhilfemaßnahmen.167 Mithin sollten keine zivilrechtlichen Regelungen getroffen werden. Der Verweis, dass andere Mitgliedstaaten die Regelungen der MiFID I auch auf zivilrechtlicher Ebene umgesetzt haben,168 ist für die Einordnung der Rechtsnatur nicht zielführend, da die MiFID I und letztlich auch die MiFID II lediglich aufsichtsrechtliche Umsetzungspflichten vorgeben, aber den Mitgliedstaaten die Umsetzung auch im Zivilrecht möglich bleibt.169 Zumal der europäische Gesetzgeber – sowie auch manche Mitgliedstaaten der EU – die strenge Trennung von Zivil- und Aufsichtsrecht, wie sie auf deutscher Ebene vorherrscht, nicht kennt.170 Der deutsche Gesetzgeber hat die Umsetzung der Richtlinien jedoch ausschließlich im WpHG verortet und nicht im BGB, obwohl diese – so gerade die Regelungen zur HonorarAnlageberatung – sprachlich durchaus auch im Zivilrecht hätten verortet werden können.171 Dass die MiFID II ausdrücklich den Anlegerschutz zu einem Ziel der Richtlinie erklärt, führt nicht automatisch dazu, der Richtlinie auch eine zivilrechtliche Pflichtenzuordnung zuzusprechen.172 Zwar indizieren Individualinteressen eine zivilrechtliche Einordnung, jedoch können die kapitalmarktrechtlichen 165 Europäische Kommission, Public Consultation – Review of the Markets in Financial Instruments Directive (MiFID), S. 63, Nr. 7.6.2; Möllers, ZEUP 2016, 325, 348. 166 Europäisches Parlament, Änderungen v. 26. 10. 2012 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente zur Aufhebung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (Neufassung), COM(2011)0656 – C7 – 0382/2011 – 2011/0298(COD), P7_TA-PROV(2012)0406; Möllers, ZEuP 2016, 325, 348; Lerch, Anlageberater als Finanzintermediäre, 412; Krisl, Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG, 58. 167 Möllers, ZEuP 2016, 325, 348. 168 So begründet gem. Sec. 150 des Financial Services and Markets Act 200 eine Verletzung der Verhaltenspflichten – zu denen auch das FCA Handbook, COBS, gehört – für den einzelnen Anleger unmittelbare Haftungsansprüche gegen das WpDU, s. zu den zivilrechtlichen Ansprüchen der einzelnen Mitgliedstaaten ausf. Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, 219; Grundmann, WM 2012, 1745, 1752; Möllers, ZEuP 2016, 325, 347; in diese Richtung wohl auch Einsele, 180 ZHR (2016), 233, 239, die allgemein feststellt, dass einige Mitgliedstaaten die Trennung zwischen privatem und öffentlichem Recht nicht treffen. 169 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 28a. 170 Nobbe/Zahrte, in: MüKo-HGB, Anlageberatung, Rn. 56. 171 Ähnlich Koch, ZBB 2014, 212 215; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 29; Forschner, Wechselwirkung von Aufsichtsrecht und Zivilrecht, 203; zur zivilrechtlichen sprachlichen Ausgestaltung Herresthal, WM 2014, 773, 776. 172 So wohl Einsele, ZHR 180 (2016), 233, 241.

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1. Teil: Einführung

Regelungen (vgl. die Janusköpfigkeit) sowohl individuelle Interessen schützen als auch Marktordnungsgesichtspunkte. Für eine zivilrechtliche Einordnung müssten folglich ausschließlich individuelle Interessen als Schutzzweck der Norm vorliegen. Anders als Einsele, die die ErwG. 74 S. 2 MiFID II (der die WpDU verpflichtet, die erhaltene Provision an den Kunden auszukehren) und 86 S. 2 MiFID II (der den Grundsatz der ehrlichen, redlichen und professionellen Handlung für jede Kundenbeziehung vorschreibt), als Ausdruck der zivilrechtlichen Bedeutung der MiFID II bewertet,173 ist hierin auch das Streben des europäischen Gesetzgebers zu sehen, dem bisherigen Fehlverhalten der Banken Einhalt zu gebieten, um dadurch das Vertrauen der Anleger zurück zu gewinnen und den Finanzmarkt zu stabilisieren. Zwar ist die Folgerung von Einsele, dass der individuelle Anlegerschutz grds. dem institutionellen vorangehe, im Kern richtig, als dass sich beide gegenseitig bedingen, jedoch nicht zwingend in dieser Reihenfolge und auch nicht mit der Konsequenz, dass daraus zwingend zivilrechtliche Pflichten durch die MiFID II vorgesehen werden. Mithin sind die §§ 31 ff. WpHG und auch deren Veränderungen durch die MiFID II dem öffentlichen Recht zuzuordnen, sodass deren Pflichten ausschließlich aufsichtsrechtliche Qualität besitzen.174

II. Mittelbare zivilrechtliche Wirkung der Wohlverhaltenspflichten Aufgrund der aufsichtsrechtlichen Zuordnung der Wohlverhaltensvorschriften und dem daraus resultierenden parallelen Regelungssystem im Aufsichts- und Zivilrecht, wobei letzteres stark durch die zivilrechtliche Rechtsprechung ausgestaltet wird, kann es zu unterschiedlichen Pflichten für die WpDU in den Teilrechtsgebieten kommen.175 Um dies zu verhindern bzw. um einen Gleichlauf der Pflichten herzustellen, geht die überwiegende Meinung der Literatur176 von einer Ausstrahlungs173

Einsele, ZHR 180 (2016), 233, 241. Statt vieler BGH NJW 2014, 2947, 2950 Rn. 35; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 30; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, Vor §§ 31 ff. Rn. 77; Nobbe/Zahrte, in: MüKo-HGB, Anlageberatung, Rn. 56; Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, Vorb. zu § 31 WpHG Rn. 12; Brandl/Klausberger, ZFR 2009, 131; Harnos, BKR 2014, 1, 7; Koch, ZBB 2014, 212, 215; Rothenhöfer, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts, 55, 63. Zu § 31d WpHG Rohwetter, Die Vermeidung von Interessenkonflikten durch das Zuwendungsverbot des § 31d WpHG, 132, 139; Krisl, Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG, 42; a.A. Assmann, FS Schneider, 37, 39, 45 „Primat des Zivilrechts“; Einsele, 180 ZHR (2016), 233, 268. 175 Ausf. dazu Harnos, BKR 2014, 1, 6; Möllers, ZEuP 2016, 325, 346. 176 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, Vor §§ 31 ff. Rn. 80 m.w.N.; Nobbe/Zahrte, in: MüKo-HGB, Anlageberatung, Rn. 62, 72; Brandl/Klausberger, ZFR 2009, 131, 132; Rothenhöfer, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts, 55, 70 f.; Rohwetter, Die Vermeidung von Interessenkonflikten durch das Zuwendungsverbot des § 31d WpHG, 159; Lerch, Anlageberater als Finanzintermediäre, 425; Harnos, BKR 2014, 1, 6 auch nach Ablehnung des BGH weiterhin für 174

F. Verhältnis von Zivil- und Aufsichtsrecht

53

wirkung der Wohlverhaltenspflichten auf den zivilrechtlichen Anlageberatungsvertrag aus.177 Die Ausgestaltungen dieser Ausstrahlungswirkungen sind im Einzelnen derart vielfältig, dass hier nicht im Detail darauf eingegangen werden soll.178 Anheim ist allen Meinungen, dass die Parteien durch Abschluss des Beratungsvertrags privatautonom die einzuhaltenden Pflichten festlegen, jedoch die Parteivorstellung von den aufsichtsrechtlichen Regelungen beeinflusst wird.179 Die Rechtsprechung ist bei der Beurteilung, ob die Wohlverhaltenspflichten auf das Zivilrecht ausstrahlen oder dieses konkretisieren, bislang nicht sonderlich hilfreich. Während der BGH zunächst andeute, er könne der Ausstrahlungswirkung folgen, indem er erklärte, dass wenn die §§ 31 ff. WpHG a.F. nicht lediglich aufsichtsrechtlicher Natur seien, diese „[…] für Inhalt und Reichweite (vor-)vertragliche[r] Aufklärungs- und Beratungspflichten von Bedeutung sein“180 könnten,181 so revidierte er dies ausdrücklich mit den Urteilen vom 17. 09. 2013182 und 03. 06. 2014.183 Er statuierte darin ausdrücklich, dass die Wohlverhaltenspflichten ausschließlich öffentlich-rechtlicher Natur seien und keinen Einfluss auf das zivilrechtliche Schuldverhältnis nähmen.184 Eine klare Ablehnung der Ausstrahlungstheorie kann darin jedoch nicht gesehen werden.185 In der Entscheidung vom 03. 06. 2014 erklärt der BGH zugleich, dass das Aufsichtsrecht durch seine Grundprinzipien im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung i.S.d. §§ 133, 157 BGB Bestandteil des anwendbar haltend; letztlich, wenn auch anders bezeichnend, wohl ebenso Herresthal, WM 2014, 771. 177 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, Vor §§ 31 ff. Rn. 82 f. 178 s. zur Ausstrahlungswirkung Buck-Heeb/Lang, in: BeckOGK § 675 Rn. 158; s. zur rechtsfortbildenden (judikativen) Konkretisierung der gesetzlichen Schutzpflichten aus §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 1 BGB am Maßstab der allgemeinen Wohlverhaltenspflichten sowie des vertraglichen Pflichtenkanons aus einem Honorar-Anlageberatungsvertrags am Maßstab des § 31 Abs. 4b-d WpHG (Typisierungsmaßstab) Herresthal, WM 2014, 771, 778, wobei es sich hierbei letztlich auch nur um eine weitere Ausformung der Ausstrahlungswirkung handelt. 179 s. bspw. Nobbe/Zahrte, in: MüKo-HGB, Anlageberatung, Rn. 62. 180 BGHZ 170, 226, 232 = NJW 2007, 1876, 1878 Rn. 18. 181 BGHZ 170, 226, 232 = NJW 2007, 1876, 1878 Rn. 18; daraus die Zulässigkeit der Ausstrahlungswirkung ableitend Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, Vorb. zu § 31 WpHG Rn. 12. 182 BGH BKR 2014, 32, Rn. 20, auch wenn der BGH selber darauf verweist dies schon immer so gesehen zu haben. Ausf. zur Diskrepanz Harnos, BKR 2014, 1, 5; ebenfalls eine Distanzierung von der vorherigen Rechtsprechung als eine einheitliche annehmend Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 28b. Vermittelnd Buck-Heeb/Lang, in: BeckOGK § 675 Rn. 159, die von „präzisiert“ sprechen und gleichzeitig auf den Wiederspruch dieser Rechtsprechung zu der Interessenkonflikt-Rechtsprechung, in der der BGH sehr wohl auf die §§ 31 ff. WpHG abstellte, hinweisen (Rn. 160 ff.). 183 BGHZ 201, 310 = NJW 2014, 2947. 184 BGHZ 201, 310 = NJW 2014, 2947, 2950 Rn. 35. Dieser sprach den Wohlverhaltensregelungen ebenfalls keine zivilrechtliche Wirkung zu. 185 A.A. Harnos, BKR 2014, 1, 5; Koch, ZBB 2014, 212; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 28b.

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1. Teil: Einführung

Beratungsvertrags wird.186 Zwar könne der Anleger nicht erwarten, dass die Bank sich hinsichtlich sämtlicher aufsichtsrechtlichen Pflichten auch zivilrechtlich binden will, jedoch könne er davon ausgehen, dass die Bank die „[…] tragenden Grundprinzipien des Aufsichtsrechts beachtet“187. Dies erinnert stark an die zuvor dargestellte Literaturmeinung. Mit seiner Entscheidung steht der BGH immerhin im Einklang mit der Genile-Entscheidung des EuGH,188 dennoch weist seine Rechtsprechung189 insgesamt eine Inkonsistenz auf, dessen Widersprüchlichkeit in der letztgenannten Entscheidung gipfelt. Aus kompetenzrechtlicher Sicht ist das Vorgehen des BGH hingegen nachvollziehbar, da bei direkter Anknüpfung an die Wohlverhaltenspflichten eine Vorlagepflicht an den EuGH entstünde.190 Indem er die vorliegende Ausgestaltung wählt, umgeht er diese, kann sich aber dennoch den Problemen des Aufsichtsrechts widmen und einen Gleichlauf der Rechtsgebiete, sofern er dies für sinnvoll erachtet, ermöglichen. Daneben bleibt ihm die Möglichkeit, flexibel auf die besonderen Verhältnisse und Parteivereinbarung in der jeweiligen Sachverhaltskonstellation einzugehen, ohne sich an das starre Aufsichtsrecht zu binden.191 Mithin wird ebenfalls deutlich, dass der Gesetzgeber, sofern er eine Übertragung der Regelungen des Aufsichtsrechts in das Zivilrecht wünscht, aktiv werden muss.192 Anhand der jüngsten Ausgestaltung der Regelungen zur Honorar-Anlageberatung und auch hinsichtlich der Umsetzung der MiFID II durch das 2. FiMaNoG ist dies jedoch nicht geschehen. Daher liegt eine Parallelität ohne gegenseitige Berührungspunkte des Aufsichtund Zivilrechts nicht vor.193 Eine direkte Anknüpfung der aufsichtsrechtlichen Normen an die Rechtsverhältnisse zwischen Kunde und WpDU ist mit der Rechtsprechung aufgrund des eigenständigen Charakters ebenfalls abzulehnen. Dennoch können sich in besonderen Konstellationen Verschränkungen zwischen den Teilrechtsgebieten ergeben, wenn es sich um anerkannte Grundprinzipien handelt. Da es sich um tatsächlich gebildete Grundsätze handeln muss, wird dies auch weiterhin der Ausnahmefall bleiben. 186

BGHZ 201, 310 = NJW 2014, 2947, 2950 Rn. 36. BGHZ 201, 310 = NJW 2014, 2947, 2950 Rn. 36. 188 EuGH NZG 2013, 786 ff. Dieser sprach den Wohlverhaltensregelungen ebenfalls keine zivilrechtliche Wirkung zu. s. dazu Buck-Heeb/Lang, in: BeckOGK § 675 Rn. 160. 189 s. vor allem BGHZ 170, 226, 234 = NJW 2007, 1876, 1878 Rn. 23; BGH NJW 2009, 1416, 1417 Rn. 12 m. Anm. Dieckmann/Langen. 190 Harnos, BKR 2014, 1, 8; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 29; vgl. Fuchs, in: Fuchs, WpHG, Vor §§ 31 ff. Rn. 83a „Gefahr vor gewissen ,Automatismen‘“. 191 s. zur Flexibilität Koch, ZBB 2014, 212. 192 In diese Richtung ebenfalls Koch, ZBB 2014, 212, 216; Forschner, Wechselwirkungen von Aufsichtsrecht und Zivilrecht, 207. 193 Ähnlich Buck-Heeb, ZIP 2013, 1401, 1411 „dass eine Wirkung eintritt“; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, Vor §§ 31 ff. Rn. 83a; jegliche Wirkung ablehnend Krisl, Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG, 59. 187

G. Kundenklassifikation

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III. Weitergehende zivilrechtliche Pflichten möglich? Sofern unter Hinweis auf den vollharmonisierenden Charakter der MiFID I darauf verwiesen wird, dass dieser auch das Zivilrecht betrifft,194 so ist dies mit derselben Begründung, wie bereits im 1. Teil F.I. gefunden, entschieden abzulehnen.195 Dies gilt auch für die MiFID II. Da weder eine Maximalharmonisierung noch Gesetzgebungskompetenz auf europäischer Ebene zur Regelung des Zivilrechts besteht – dies wurde ausdrücklich durch den EuGH bestätigt –, stellt es auch keine Umgehung der Richtlinie dar, wenn strengere zivilrechtliche Pflichten durch die Parteien vereinbart werden.196 Solche strengeren Pflichten erfüllen sogar das Richtlinienziel des Anlegerschutzes stärker, als die aufsichtsrechtlichen Regelungen. Da der Gesetzgeber bislang keine gesetzlichen Regelungen im Zivilrecht erlassen hat, um die Vorgaben der MiFID II umzusetzen, ist auf zivilrechtlicher Ebene in letzter Konsequenz weiterhin die Rechtsprechung mit der Auslegung des konkludent geschlossenen Beratungsvertrags, bzw. den vorvertraglichen Pflichten, betraut – ohne dass diese an die neuen Regelungen der MiFID II gebunden wäre.

G. Kundenklassifikation Nicht nur zwischen dem Zivil- und dem Aufsichtsrecht bestehen unterschiedliche Pflichten des Beraters, sondern auch innerhalb des Aufsichtsrechts. Diese richten sich danach, welche Kundengruppe beraten wird. Die Änderungen der durch die MiFID I erstmalig eingeführten (und damit für diese Arbeit als bekannt vorausgesetzt, da sie in § 31a WpHG in das nationale Recht umgesetzt wurde197) Kundenklassifizierung, sollen im Folgenden dargestellt werden, da diese die im nachfolgenden zu bewertenden Pflichten bedingen. Das dreigliedrige Kundenbild, welches zwischen Kleinanleger/Privatkunde, professioneller Kunde und geeigneter Gegenpartei unterscheidet,198 bleibt ausdrücklich erhalten.199 Dies zeigt Art. 30 Abs. 1 MiFID II, der feststellend anführt, 194

s. Mülbert, WM 2007, 1149, 1157. Assmann, FS Schneider, 36, 52. 196 Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, Vorb. zu § 31 WpHG Rn. 16; Spindler, in: L/B/ S, BankR, Kap. 33 Rn. 26 ff.; Forschner, Wechselwirkungen von Aufsichtsrecht und Zivilrecht, 205; Eberius, Regulierung der Anlageberatung und behavioral finance, 23, der keine „zivilrechtlich relevante Obergrenze“ in der MiFID I erkennt. 197 s. aber bspw. ausf. hierzu Lingen, Anlageberatung im Spannungsfeld zwischen Verbraucherschutz und Überregulierung, 69 ff.; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 97 m.w.N. 198 s. statt vieler zur Kundenklassifizierung Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 97 – 102; Brinkmann, in: Renz/Hense, Wertpapier-Compliance in der Praxis, 323, jeweils m.w.N. 199 Vgl. ErwG. 86, 103 MiFID II; Buck-Heeb, ZHR 177 (2013), 310, 335; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 32. 195

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1. Teil: Einführung

dass WpDU geeignete Gegenparteien redlich, ehrlich und professionell beraten müssen – ein solcher Passus war in der MiFID I für diese nicht explizit enthalten.200 Aufgrund der Erkenntnis aus der Finanzmarktkrise, dass es nicht nur dem Kleinanleger schwerfällt, Investitionsrisiken zu erkennen, sondern auch Anlegern aus den anderen Kategorien, werden einige Wohlverhaltenspflichten auch auf die Beziehung zu geeigneten Gegenparteien ausgedehnt.201 Darüber hinaus soll keine Kategorisierung der kommunalen Behörden und Gebietskörperschaften als geeignete Gegenpartei erfolgen.202 Für die deutsche Aufsichtspraxis ergibt sich hieraus jedoch kein Handlungsbedarf, da dies bereits die ständige Verwaltungspraxis der BaFin darstellt.203 Eine klarstellende Regelung in § 31a WpHG wäre hierfür wünschenswert gewesen, erhielt jedoch keinen Einzug durch das 2. FiMaNoG in den neuen § 67 WpHG. Eine Verschärfung derart, dass angenommen werden kann, der professionelle Kunde verfüge über entsprechende finanzielle Mittel, um Verluste tragen zu können, gilt gem. Art. 54 Abs. 3 UA 2 MiFID II-DLVO nur noch für sog. geborene professionelle Kunden. Das Argumentum e contrario zeigt, dass bei gekorenen professionellen Kunden Informationen zu den finanziellen Verhältnissen und Kenntnissen eingeholt werden müssen.204 Für diesen darf der Berater nur noch annehmen, dass er entsprechende Erfahrungen und Kenntnisse hinsichtlich Finanzanlagen habe und damit Risiken adäquat einschätzen könne. Dies ist mit Blick auf die Voraussetzungen der Hochstufungsoption des Privatkunden zu einem professionellen Kunden stringent. Denn für die Hochstufung gem. Anhang II Abschnitt 2 MiFID II205 genügt es, wenn nur zwei der drei Optionen vorliegen, also der Kunde an dem relevanten Markt während der vier vorhergehenden Quartale durchschnittlich pro Quartal zehn Geschäfte von erheblichem Umfang abgeschlossen hat und zugleich mindestens ein Jahr lang in einer beruflichen Position im Finanzsektor tätig ist oder war, die Kenntnisse über die geplanten Geschäfte oder Dienstleistungen voraussetzt.206 Die dritte Voraussetzung – nach der der Kunde im Besitz eines Finanzinstrument-Portfolios sein muss, welches sowohl Bardepots und Finanzinstrumente umfasst, als auch 500.000 EUR übersteigt –, die die finan200

Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 32. So muss bspw. auch die geeignete Gegenpartei gem. Art. 30 Abs. 1 i.V.m. Art. 24 Abs. 4, 5, Art. 25 Abs. 6 MiFID II über die Kosten der Wertpapierdienstleistung aufgeklärt werden. ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.12 Nr. 3; ErwG. 104 MiFID II; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 32; ders., ZBB 2016, 226, 228; Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 224 f. 202 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33, Rn. 101; Balzer, ZBB 2016, 226, 228; Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 224 f. 203 Vgl. Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 224 f.; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 101; Kurz, DB 2014, 1182, 1185; Balzer, ZBB 2016, 226, 228; BaFin, GZ: WA 31-Wp 2002 – 2007/ 0127, Rundschreiben R 33 – 2/2012 Derivative Zinsgeschäfte auf kommunaler Ebene. 204 Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 263. 205 § 31a Abs. 7 S. 3 WpHG enthält ebenfalls diese Anforderungen. 206 A.A. Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 263. 201

G. Kundenklassifikation

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zielle Belastbarkeit des Kunden nachweist, bliebe bei diesem Beispiel unberücksichtigt. Allerdings könnte sich eine solche Belastbarkeit bereits aus der Voraussetzung der zehn Geschäfte pro Quartal im erheblichen Umfang ergeben. Eine weitere Änderung im Rahmen des professionellen Kunden ist die grds. Einstufung von regionalen und nationalen Regierungen (bspw. die deutschen Bundesländer) und deren Schuldenverwaltungen als professionelle Kunden gem. Anhang II Abs. 3 MiFID II.207 Es überrascht, dass die MiFID II keine eigenständige positive Definition des Kleinanlegers einführt.208 Lediglich aus Art. 4 Abs. 1 Nr. 11 MiFID II ergibt sich eine Negativdefinition. Demnach ist ein Kleinanleger jede natürliche oder juristische Person, die kein professioneller Kunde ist. Dies stimmt mit der deutschen Definition des Privatkunden überein, § 31a Abs. 3 WpHG. Allerdings nutzt auch der deutsche Gesetzgeber den Begriff des Kleinanlegers, so bspw. bei der Einführung des Kleinanlegerschutzgesetzes.

207

s. dazu bereits Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 224. Kritisch bezüglich des Schutzes für „unterdurchschnittliche Anleger“ Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 225. 208

2. Teil

Zuwendungen A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis I. Europäische Regelung 1. Der Interessenkonflikt durch Zuwendungen im Gesetzgebungsverfahren Nicht ohne Grund ist eines der Ziele der MiFID II, insb. des im Folgenden zu besprechenden Art. 24 MiFID II, das Vertrauen der Anleger in den Finanzmarkt zurückzugewinnen. Dieses hat nicht zuletzt durch die Finanzmarktkrise Schaden genommen. Allen voran hat die Insolvenz von Lehman-Brothers bei einem Großteil der Anleger den Eindruck hinterlassen, dass Anlageberater nicht in ihrem, sondern im eigenen Interesse beraten.1 Die Berater seien einem ständigen Verkaufsdruck durch das Unternehmen ausgesetzt, sodass ein guter Verkäufer zugleich ein schlechter Berater sein müsse.2 Zudem werde der Anleger nicht ausreichend über die Kosten informiert und der Verkäufer hauptsächlich auf den Vertrieb hausinterner Produkte getrimmt.3 Dies greift nun Art. 24 Abs. 4 MiFID II auf, indem künftig zwischen der abhängigen, also der provisionsgestützten, und der unabhängigen, der honorarbasierten, Anlageberatung unterschieden werden soll. Schließlich machte der europäische Gesetzgeber die Zuwendungen, die der Berater nicht direkt mit dem Kunden mittels Beratungsvertrag vereinbart,4 sondern in Form von Provisionen durch den Emittenten des Produkts erhält – sofern der Kunde auch dieses Produkt erwirbt – als Hauptaspekt für die Beeinflussung des Beraters aus.5 Der Berater erhält eine Vergütung in Form einer Transaktionsgebühr oder, wenn das Anlageobjekt aus Teilen an Investmentfonds bzw. Zertifikaten besteht und hierbei Verwaltungsgebühren oder Ausgabeaufschläge anfallen, in Form von Provisionen.6 1 2 3 4 5 6

Reiter/Methner, WM 2013, 2053. Reiter/Methner, WM 2013, 2053. Reiter/Methner, WM 2013, 2053. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 102. Pfisterer, Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz, 31. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 102.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

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Ohne Zweifel kann durch diese Praxis ein Interessenkonflikt seitens des Beraters entstehen, indem dieser nicht eine risikoadäquate Mehrung des Anlagevermögens im Kundeninteresse verfolgt, sondern eine überdurchschnittliche, zumeist riskante Kapitalerhöhung, um letztlich seine Provision zu maximieren.7 Da der Berater zugleich ein größeres Wissen über den Kapitalmarkt und die Vergütungssituation aufweist, liegt ein typischer Prinzipal-Agent-Konflikt vor.8 Durch die Finanzmarktkrise zeichnete sich ab, dass die bestehenden Regelungen der MiFID I und der MiFID I-DRL, die mit §§ 31 ff. WpHG im nationalen Recht umgesetzt wurden, aufgrund der in der Praxis weit ausgeschöpften Ausnahmeregelungen9 nicht genügen. Deshalb forderte die Kommission in ihrem Consultation Paper zur Überarbeitung der MiFID I und – trotz erheblicher Kritik – im Kommissionsentwurf ein Zuwendungsverbot für Anlageberater und Portfolioverwalter für den Fall, dass diese sich als unabhängige Anlageberater firmieren.10 Insgesamt versuchte die Kommission dem oben beschriebenen Interessenkonflikt durch die Einführung einer sog. unabhängigen Beratung zu begegnen.11 Dieser Vorschlag liegt, wie sich zeigen wird, nahe bei der endgültigen Regelung. Denn die Kommission sah, neben zusätzlichen Anforderungen, für die unabhängige Beratung in Art. 24 Abs. 5 MiFID II-E ein Annahmeverbot von Provisionen oder monetären Vorteilen von einem Dritten, oder die im Namen eines Dritten gezahlt wurden, vor.12 Nach ErwG. 51 MiFID II-E sollten nicht-monetäre Vorteile, wie bspw. Schulungen, weiterhin angenommen werden dürfen, sofern sie das WpDU nicht beeinträchtigen im bestmöglichen Kundeninteresse zu handeln.13 Ein vollständiges Provisionsverbot wurde aus Kostengründen jedoch abgelehnt.14 Während auch der Entwurf des Rates ein ähnliches Provisionsverbot vorsah,15 das vorab zu Spannungen zwischen den befürwortenden (Großbritannien und Nieder7 Reiter/Methner, WM 2013, 2053, 5054 f.; Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 102; Pfisterer, Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz, 31. 8 Reiter/Methner, WM 2013, 2053, 2054; Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 793 ff. s. für das Problem der versteckten Informationsasymmetrie Akerlof, 84 Q.J. ECON 488 (1970), der anhand des Beispiels des Gebrauchtwagenmarkts anschaulich darstellt, dass der Kunde (Gebrauchtwagenkäufer) ohne Information die Qualität des Produkts (Gebrauchtwagen) nicht sinnvoll beurteilen und damit keine optimale Entscheidung treffen kann. 9 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 102. Teilweise wurde den Anforderungen auch nicht nachgekommen, s. Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 795. 10 Europäische Kommission, Public Consultation – Review of the Marktes in Financial Instruments Directive (MiFID), S. 60; Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 102; Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 797. 11 Veil/Lerch, WM 2012, 1065, 1069. 12 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 104. 13 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 104. 14 Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 797. 15 Europäischer Rat, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on markets in financial instruments repealing Directive 2004/39/EC of the European Parliament

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2. Teil: Zuwendungen

landen)16 und den ablehnenden Mitgliedstaaten (bspw. Frankreich) führte, machte sich der im Anschluss an diese Veröffentlichung zusammentretende Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON-Ausschuss) energisch für mehr Transparenz an Stelle von Provisionsverboten stark und widersprach damit dem Konzept des unabhängigen Beraters.17 Seiner Ansicht nach würden durch die Einführung des Begriffs „unabhängige Beratung“ alternative Formen als nachteilig empfunden.18 Daher verwundert es auch nicht, dass der kurz darauf erschienene Vorschlag des Europäischen Parlaments19 hinter dem Kommissionsentwurf zurückbleibt und kein allgemeines Provisionsverbot vorsieht.20 Insgesamt hält aber auch dieser Vorschlag an dem Konzept eines unabhängigen Anlageberaters und dessen Provisionsverbot fest.21 Letztlich hielt das Konzept zur Einführung einer unabhängigen Beratung auch der Trilog-Verhandlung stand.22 2. Aktuelle Fassung des Art. 24 MiFID II In der nun endgültigen Fassung sind die unabhängige Beratung in Art. 24 Abs. 4, 7 MiFID II und die neuen Zuwendungsregelungen für die abhängige Beratung in Art. 24 Abs. 9 MIFID II (s. 2. Teil B.I.1.) im Abschnitt 2 geregelt. Dieser erhält Bestimmungen zum Anlegerschutz in Form von „Allgemeine[n] Grundsätze[n] der Kundeninformation“. Gem. Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. a) i) MiFID II muss dem Kunden vor Beginn des Anlageberatungsgespräches durch den Anlageberater mitgeteilt werden, ob dieser die Anlageberatung unabhängig erbringt. Eine Legaldefinition der unabhängigen Beratung erfolgt nicht.23 Vielmehr wird die neue Form der unabhängigen Beratung and of the Council (Recast) – Presidency Compromise of 20 June 2012, 2011/0298 (COD) (s. 1. Teil, Fn. 15); „restriktiver“ Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 104. 16 Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 797. 17 Europäisches Parlament, Ausschuss für Wirtschaft und Währung, Entwurf eines Berichts über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente zur Aufhebung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (Neufassung) v. 16. 3. 2012, 2011/0298(COD), S. 136. Vgl. hierzu Veil/Lerch, WM 2012, 1605, 1608 f.; Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 798; Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 104. 18 Europäisches Parlament, Ausschuss für Wirtschaft und Währung, Entwurf eines Berichts über den Vorschlag für eine Neufassung der MiFID, 16. 03. 2012, 2011/0298(COD), S. 136; Veil/Lerch, WM 2012, 1605, 1608; Müchler/Trafkowski, 2013, 101, 104. 19 Europäisches Parlament, Änderungen v. 26. 10. 2012 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente zur Aufhebung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (Neufassung), COM(2011)0656 – C7 – 0382/2011 – 2011/0298(COD), P7_TA-PROV(2012)0406. 20 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 103. 21 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 103. 22 Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 798. 23 Zum Entwurf Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 104.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

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„durch die Hintertüre“24 in das Gesetz eingeführt; die Voraussetzungen für diese ergeben sich nämlich aus den folgenden Absätzen des Art. 24 MiFID II. Dies mag daran liegen, dass die unabhängige Beratung keine eigenständige Form der Wertpapierdienstleistung sein soll, sondern eine Unterform der allgemeinen Anlageberatung.25 Nach Art. 24 Abs. 7 lit. b) S. 1 MiFID II darf der Berater bzw. das WpDU keine „[…] Gebühren, Provisionen oder andere monetäre und nichtmonetäre Vorteile einer dritten Partei oder einer Person, die im Namen einer dritten Partei handelt […]“ annehmen oder behalten, wenn die unabhängige Anlageberatung angeboten wird.26 Daher erscheint es auf den ersten Blick so, als sei tatsächlich ein Provisionsverbot für den Anlageberater im Rahmen der unabhängigen Anlageberatung eingeführt worden. Jedoch statuiert S. 2 eine Ausnahmeregelung hierfür: „Kleinere nichtmonetäre Vorteile, die die Servicequalität für den Kunden verbessern können und die von ihrem Umfang und ihrer Art her nicht vermuten lassen, dass sie die Einhaltung der Pflicht der Wertpapierfirma, im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden zu handeln, beeinträchtigen, sind unmissverständlich offenzulegen und fallen nicht unter diesen Buchstaben.“. Ein gänzliches Verbot der Provisionszahlung existiert also auch für die unabhängige Anlageberatung nicht. Zusätzlich sieht Art. 24 Abs. 7 lit. a) MiFID II, wie der Kommissionsentwurf, weitere Voraussetzungen für die unabhängige Anlageberatung vor. So muss das WpDU „[…] eine ausreichende Palette von auf dem Markt angebotenen Finanzinstrumenten [bewerten], die hinsichtlich ihrer Art und Emittenten oder Produktanbieter hinreichend gestreut sein müssen […]“. Damit soll gewährleisten werden, „[…] dass die Anlageziele des Kunden in geeigneter Form erreicht werden können […]“, Art. 24 Abs. 7 lit. a) MiFID II. Zugleich darf gem. Art. 24 Abs. 7 lit. a) i) MiFID II keine Beschränkung auf solche Finanzprodukte vorgenommen werden, die „von der Wertpapierfirma selbst oder von Einrichtungen emittiert oder angeboten werden, die in enger Verbindung zur Wertpapierfirma stehen,“ oder gem. Art. 24 Abs. 7 lit. a) ii) MiFID II, die „von anderen Einrichtungen emittiert oder angeboten werden, zu denen die Wertpapierfirma so enge rechtliche oder wirtschaftliche Beziehungen, wie etwa Vertragsbeziehungen, unterhält, dass das Risiko besteht, dass die Unabhängigkeit der Beratung beeinträchtigt wird“. In Zusammenschau mit der nach MiFID I bereits eingeführten Pflicht des Anlageberaters, die Anlageempfehlung im besten Kundeninteresse zu erbringen, ergibt sich daraus eine deutliche Stärkung der Unabhängigkeit der Beratung.27 Zum einen werden der zu analysierende Markt und damit das zu bewertende Produktspektrum festgelegt und ausgedehnt, und zum anderen muss der Anlageberater daraus das am besten ge-

24 25 26 27

Veil/Lerch, WM 2012, 1605, 1608; i.E. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 104. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 104. s. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120a. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 104.

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2. Teil: Zuwendungen

eignete Finanzinstrument auswählen.28 Indem der Kunde zu Beginn des Gesprächs über die Beratungsform und damit indirekt über den Umfang der Analyse informiert werden muss, könnte sich diese als Vorteil für die unabhängige Beratung herausstellen.29 Hierfür müsste dies allerdings dem Anleger bewusst werden, was durch die alleinige Aufklärung über die zu erbringende Beratungsform nicht der Fall sein wird. 3. Vorbereitung der Level-2-Maßnahmen durch ESMA In einem ersten Consultation Paper vom 22. 05. 2014 (s. zum Arbeitsauftrag von ESMA 1. Teil B.) veröffentlichte ESMA notwendige Voraussetzungen hinsichtlich der unabhängigen Beratung allgemein und speziell hinsichtlich des Auswahlprozesses für die zu empfehlenden Anlageobjekte.30 Entgegen aller Vorurteile berücksichtigte ESMA überwiegend die hierzu in einer Vielzahl eingegangene Kritik31 und veröffentlichte im Anschluss am 19. 12. 2014 in ihrem Final Report einen abgeänderten Final Advice.32 a) Die Analyse für einen hinreichenden Marktüberblick Ein wesentliches Anliegen von ESMA war die Konkretisierung der Maßstäbe für die Unabhängigkeit der Anlageberatung.33 Die Anforderungen an den hinreichenden Überblick über die am Markt verfügbaren Finanzanlageprodukte sind für ESMA ein wesentliches Kriterium zur Feststellung der Unabhängigkeit.34 ESMA betont, dass eine genaue Anzahl hierfür nicht beziffert werden kann, sondern vielmehr im Einzelfall zu bestimmen ist – aber keinesfalls von den Interessen des WpDU oder des Anlageberaters beeinflusst werden darf.35 Nach Ansicht von ESMA muss das WpDU – sofern es eine unabhängige Beratung erbringen möchte – einen Auswahlprozess definieren und implementieren, der zum einen nach Typ, Emittent oder Anbieter diversifiziert und sich nicht auf eigene Produkte oder solche von eng verbundenen Unternehmen beschränkt.36 Letztere Voraussetzung ergänzte ESMA in ihrem Final Advice, sodass für das Vorliegen einer engen Verbindung nun auch andere wirtschaftliche oder rechtliche Verbindungen

28

Vgl. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 104. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 104. 30 ESMA, Consultation Paper. 31 Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 163. 32 Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 163. 33 Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 150. 34 ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.16, Nr. 7; Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 150. 35 ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.16, Nr. 8, 10. 36 ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.16, Nr. 1. i); ESMA, Final Report, Kap. 2.16, S. 147, TA Nr. 1 i). 29

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

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berücksichtigt werden müssen.37 Weiterhin gibt ESMA den WpDU vor, dass die in der Analyse enthaltenen eigenen emittierten Finanzprodukte proportional zur Gesamtzahl aller bewerteten Produkte stehen müssen.38 Zudem sollte die Auswahl einen verhältnismäßigen Umfang hinsichtlich der Anzahl und der Auswahl der Produkte, gemessen am Beratungsumfang, widerspiegeln. Zugleich sollten auch Auswahl und Anzahl den substantiellen Teil der am Markt verfügbaren Finanzprodukte abbilden.39 Hier reduzierte ESMA – auch aufgrund der Kritik in den eingegangenen Stellungnahmen40 – richtigerweise die Anforderungen derart, dass nur noch adequatly representative Produkte der Analyse zugrunde gelegt werden müssen und nicht mehr der substantial part der am Finanzmarkt verfügbaren Produkte abgebildet werden muss.41 Für die WpDU war die Einschränkung notwendig, um eine qualitative und nicht ausufernde Analyse fertigen zu können – schließlich sollte die Qualität über der Quantität stehen. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass es sich zwar bei der Analyse um einen kostenrelevanten Faktor handelt, die geforderten Informationen aber den Instituten, die zugleich Eigenhandel betreiben, ohnehin vorliegen und damit nur eine untergeordnete Rolle spielen.42 Zuletzt soll nach Ansicht von ESMA ein Vergleich der Finanzprodukte derart stattfinden, dass all ihre relevanten Aspekte – u. a. Risiken, Kosten, Komplexität und Kundenstruktur – berücksichtigt werden.43 Dadurch werde sichergestellt, dass weder die Auswahl noch die Empfehlung des Instruments in einseitiger Weise vorgenommen wurde.44 Dieser Vergleich ist zwingende Voraussetzung für die Erbringung der unabhängigen Beratung.45 Allerdings darf das WpDU sich auf Produktgruppen (range) spezialisieren, wenn dies für die Kunden erkennbar ist und nur solche mit gleichem Interessenschwerpunkt anspricht.46 Um dies zu gewährleisten muss der Kunde bestätigen, dass er nur in dieser bestimmten Produktgruppe investieren möchte.47 Zugleich muss das WpDU diese auch für ihn als geeignet bewerten.48 Eine solche Spezialisierung ermöglicht es mehreren, insb. kleineren WpDU, den Zugang 37

Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 162. ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.16, Nr. 1 iv); ESMA, Final Report, Kap. 2.16, S. 147, TA Nr. 1 iv). 39 ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.16, Nr. 1 ii), iii). 40 Vgl. ESMA, Final Report, Kap. 2.16, S. 145, Nr. 6; kritisch Walz, RdF 2014, 198, 200. 41 ESMA, Final Report, Kap. 2.16, S. 147, TA Nr. 1 iii); Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 158. 42 Veil/Lerch, WM 2012, 1065, 1069. 43 ESMA, Final Report, Kap. 2.16, TA Nr. 1 v). 44 Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 151 zum CP. 45 ESMA, Final Report, Kap. 2.16, TA Nr. 2. 46 ESMA, Final Report, Kap. 2.16, TA Nr. 3; Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 151 zum CP. 47 ESMA, Final Report, Kap. 2.16, TA Nr. 3 iii); Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 151 zum CP. 48 ESMA, Final Report, Kap. 2.16, TA Nr. 3 iv). 38

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2. Teil: Zuwendungen

zur unabhängigen Beratung zu öffnen. Die noch im Consultation Paper vorgesehene Pflicht, den Kunden bei Fehlen der Geeignetheit an ein anderes Institut zu verweisen, hat ESMA nicht im Final Advice aufgenommen.49 Damit wurde von der Vorlage des britischen Rechts, welches eine solche Verweispflicht vorsieht, abgewichen (s. 2. Teil C.II.1.b)aa)(2)). Dies ist jedoch zu begrüßen, da auch in keiner anderen Branche eine Verweispflicht an den Konkurrenten besteht. Den Anlageberatern würden erneut strengere Pflichten auferlegt, ohne dass diese von weiteren Nutzen wären, da es dem mündigen Anleger durchaus zugetraut werden kann, sich eigenständig ein anderes Institut herauszusuchen. Immerhin klappt dies bei Autoverkäufern, Friseuren, Ärzten etc. auch. b) Organisatorische Trennung der Beratungsformen Zugleich entwirft ESMA organisatorische Anforderungen für die WpDU, die beide Beratungsformen parallel anbieten. Diese sind verpflichtet eine fortlaufende Kontrolle darüber einzurichten, dass beide Beratungsformen getrennt voneinander erfolgen.50 Anknüpfungspunkt ist hierbei die relevant person. Diese darf nicht zugleich abhängige und unabhängige Beratung erbringen. Ebenso soll dadurch sichergestellt werden, dass der Kunde nicht über die zu erbringende Art der Beratung verwirrt wird.51 Eine genaue Definition der relevant person erhält auch der Technical Advice nicht. Eine solche wäre hilfreich, da eine vollständige Trennung gerade bei kleineren WpDU nicht umsetzbar ist und dies auf den Verzicht des Angebots einer Beratungsform hinaus läuft.52 Aus ESMAs Erklärung lässt sich jedoch ableiten, dass mindestens der einzelne Anlageberater gemeint ist.53 Hieraus darf jedoch nicht der Rückschluss gezogen werden, dass dies bereits für die geforderte Trennung ausreicht, da so der Beeinflussung durch die übergeordnete Ebene (bspw. in Form von Verkaufszahlen oder Produktvorgaben mit Wissen um die darin enthaltenen Provisionen) nicht entgegengewirkt werden kann.54 c) Sonstige Anforderungen Neben der Analyse als Merkmal der Unabhängigkeit sieht ESMA auch eine Informationspflicht über die Form der Anlageberatung vor.55 Diese soll rechtzeitig vor der Erbringung der Wertpapierdienstleistung auf einem dauerhaften Datenträger erfolgen (Nr. 4 i). Damit die Unabhängigkeit zum Unterscheidungsmerkmal wird, 49 ESMA, Final Report, Kap. 2.16, S. 146, Nr. 9, Kap. 2.16, S. 148, TA Nr. 3 iv); Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 159. 50 ESMA, Final Report, Kap. 2.16, S. 146, Nr. 11, Kap. 2.16, S. 148, TA Nr. 4 iii). 51 ESMA, Final Report, Kap. 2.16, S. 146, Nr. 11. 52 Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 156; s. Witteck, Interview v. 14. 09. 2016. 53 Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 160. 54 So aber Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 160. 55 ESMA, Final Report, Kap. 2.16, S. 148, TA Nr. 4.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

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soll die Bezeichnung als solche nicht als allgemeine Firmierung des WpDU möglich sein, sondern nur für den unabhängigen Bereich (Nr. 4 ii)). 4. Delegierte Rechtsakte der Kommission Artt. 12 und 13 der MiFID II-DLRL konkretisieren die Annahme von monetären und nicht-monetären Vorteilen. Hingegen enthalten Artt. 52 und 53 MiFID II-DLVO weitergehende Angaben zu den Voraussetzungen der unabhängigen Anlageberatung. Diese sind aufgrund der Form der Verordnung direkt anwendbar. Die Vorgaben der zuerst genannten Richtlinie müssen hingegen von den nationalen Gesetzgebern umgesetzt werden. a) Delegierte Richtlinie (EU) 2017/593 (MiFID II-DLRL) aa) Die schnellstmögliche Auszahlung der erhaltenen Zuwendung Mit dem Ziel detaillierte Bedingungen für die Annahme oder Vergabe von Anreizen zu schaffen und damit den Anlegerschutz und die Beratungsqualität zu verbessern, reglementiert die Kommission in Art. 12 Abs. 1 MiFID II-DLRL die Auszahlung der erhaltenen Provision, der Gebühr oder des nicht-monetären Vorteils an den Kunden. Diese soll so schnell wie nach vernünftigem Ermessen möglich erfolgen. Für die Auszahlung müssen die WpDU Unternehmensleitlinien erstellen, die gewährleisten, dass die erhaltenen Vergütungen jedem Kunden zugeordnet und ausgezahlt werden, Art. 12 Abs. 1 UA 1 MiFID II-DLRL. Über die Auszahlung ist der Kunde regelmäßig, bspw. im Bericht, zu informieren, Art. 12 Abs. 1 UA 3 MiFID II-DLRL. Allerdings gibt die Kommission, trotz des Erfordernisses der schnellstmöglichen Auszahlung, keine generelle Zeitvorgabe vor, da die angenommenen Zahlungen zu unterschiedlichsten Zeitpunkten beim WpDU eingehen und mehrere Kunden gleichzeitig betreffen können.56 Für Unternehmen, die sowohl Ausführungs- als auch Analysetätigkeiten anbieten, wird eine separate Bepreisung der Dienstleistungen vorgesehen.57 bb) Katalog zur Bestimmung der geringfügigen nicht-monetären Vorteile Des Weiteren übernimmt die Kommission ESMAs Modell eine nicht abschließende Aufzählung zur Bestimmung von geringfügigen nicht-monetären Vorteilen einzuführen, die angenommen werden dürfen, Art. 12 Abs. 3 MiFID II-DLRL. Diese 56 57

ErwG. 24 MiFID II-DLRL. ErwG. 26 MiFID II-DLRL.

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2. Teil: Zuwendungen

Vorteile müssen dennoch vor der Erbringung der Dienstleistung offengelegt werden, Art. 12 Abs. 3 UA 3 MiFID II-DLRL. Eine geringfügige nicht-monetäre Vergütung liegt nach Ansicht von ESMA und der Kommission vor, wenn sie „[…] vertretbar und verhältnismäßig und […] sich in einer Größenordnung [bewegt], die es unwahrscheinlich macht, dass sie das Verhalten der Wertpapierfirma in einer Weise beeinfluss[t], die den Interessen des betreffenden Kunden abträglich ist“, Art. 12 Abs. 3 UA 2 MiFID II-DLRL. Als Beispiele nennt die Kommission die „Information oder Dokumentation zu einem Finanzinstrument oder einer Wertpapierdienstleistung, die generisch angelegt oder individuell auf die Situation eines bestimmten Kunden abgestimmt ist“ (Art. 12 Abs. 3 lit. a) MiFID II-DLRL) oder die „Teilnahme an Konferenzen, Seminaren und anderen Bildungsveranstaltungen zu den Vorteilen und Merkmalen eines bestimmten Finanzinstruments oder einer bestimmten Wertpapierdienstleistung“ (Art. 12 Abs. 3 lit. c) MiFID II-DLRL), bzw. die „Bewirtung in vertretbarem Geringfügigkeitswert, wie Bewirtung während geschäftlicher Zusammenkünfte oder der […] [zuvor] genannten Konferenzen, Seminaren und anderen Bildungsveranstaltungen“ (Art. 12 Abs. 3 lit. d) MiFID II-DLRL). Ebenso beurteilt die Kommission – bei entsprechender Offenlegung – Schriftmaterial von Emittenten bzw. potentiellen Emittenten, welches bei Dritten in Auftrag gegeben wurden, oder diese dafür bezahlt werden für die Neuemission zu werben, bzw. wenn der Dritte beauftragt wird, laufend ein solches Material zu fertigen.58 Kleinere Marktkommentare zu Wirtschaftsstatistiken, die zur Verfügung gestellt werden, sowie Informationen über bevorstehende Veröffentlichungen, wenn diese nur die eigene Meinung wiedergeben und keine substantielle Analyse enthalten, sollen ebenfalls hierunter fallen.59 Hingegen soll jeder nicht-monetäre Vorteil, der die Übertragung von Wertmitteln Dritter auf das WpDU beinhaltet, nicht als geringfügig angesehen werden.60 Gleichzeitigt wird darin die Beeinträchtigung der Verhaltenspflicht des WpDU im bestmöglichen Kundeninteresse zu handeln gesehen.61 Eine solche nicht abschließende Aufzählung ist zu begrüßen, da sie den Banken praktische Beispiele an die Hand gibt, die auch einen Rückschluss auf nicht aufgelistete Situationen zulassen und damit den Umgang mit nicht-monetären Zuwendungen insgesamt erleichtert. cc) Das Analysekonto Zahlungen für externe Analysen, die über ein sog. Analysekonto finanziert werden, werden unter den Voraussetzungen des Art. 13 MiFID II-DLRL ebenfalls 58 59 60 61

ErwG. 29 MiFID II-DLRL. ErwG. 29 MiFID II-DLRL. ErwG. 30 MiFID II-DLRL. ErwG. 30 MiFID II-DLRL.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

67

nicht als Anreize gewertet.62 So ist die Analyse eines Drittens dann kein Anreiz, wenn sie über das Analysekonto, auf welches ausschließlich Gelder des Kunden für die jeweilige Analyse fließen, gezahlt werden, Art. 13 Abs. 1 MiFID II-DLRL. Der Betrag, der für die Analyse bezahlt werden soll, darf sich nicht an dem Volumen und/ oder dem Wert des für den Kunden ausgeführten Geschäfts richten, sondern muss von dem WpDU festgesetzt werden.63 Vor allem muss die Qualität der Analysen laufend durch das Wertpapierunternehmen geprüft werden, Art. 13 Abs. 5 MiFID II-DLRL. Dieses ist zudem für das Analysekonto haftbar, Art. 13 Abs. 1 lit. b) iii) MiFID IIDLRL. Wird ein solches Analysekonto genutzt, müssen dem Kunden vor der Analyse die Kosten dafür offengelegt werden sowie eine jährliche Information über die Gesamtkosten erfolgen, Art. 13 Abs. 1 UA 2 MiFID II-DLRL. b) Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 (MiFID II-DLVO) aa) Die Marktanalyse Art. 53 MiFID II-DLVO legt nähere Vorgaben für das Auswahlverfahren der Finanzinstrumente fest, die in der unabhängigen Beratung bewertet werden müssen. Hier übernimmt die Kommission die Vorgaben und Wertungen von ESMA (s. 2. Teil A.I.3.a)), allerdings ohne weitergehende Konkretisierung. Sie verdeutlicht dafür erneut, dass sich ohne das Vorliegen der konkretisierten Analyse, kein Institut als unabhängig bezeichnen darf, Art. 53 Abs. 1 UA 2 MiFID II-DLVO. Insgesamt müssen jedoch alle Bewertungen auf einer angemessenen Anzahl am Markt vorhandener Finanzinstrumenten beruhen, damit die alternativen Angebote entsprechend abgebildet werden können.64 Zu der Spezialisierung auf bestimmte Produktgruppen innerhalb der Analyse verweist die Kommission richtigerweise auf die bereits am Markt bestehenden Spezialisierungen zu „grünen“ und „ethisch vertretbaren“ Anlagen.65 Hierdurch ist die vergleichbare Regelung im britischen Recht als Vorlage erkennbar, die ebenfalls eine Beschränkung auf ethisch vertretbare Produkte zulässt, wenn dies offen gelegt wird und für den jeweiligen Kunden geeignet ist (s. 2. Teil C.II.1.b)aa)(2)). Gleichzeitig wird damit noch einmal verdeutlicht, dass die Produktpalette in der unabhängigen Beratung nicht automatisch sehr breit sein muss, sondern dass Beschränkungen grds. möglich sind.66

62

Nähere Konkretisierungen für gesonderte Einzelfälle, die hier nicht näher erläutert werden sollen, trifft ESMA in ihren Q&As in Fragen 7 – 11, ESMA, Q&As investor protection, S. 47 f. 63 ErwG. 27 MiFID II-DLRL. 64 ErwG. 70 MiFID II-DLVO. 65 ErwG. 71 MiFID II-DLVO. 66 Balzer, ZBB 2016, 226, 231.

68

2. Teil: Zuwendungen

bb) Die organisatorische Trennung der Beratungsformen Die Anforderung von ESMA eine organisatorische Trennung einzuführen übernimmt die Kommission ebenfalls. Jedoch beantwortet sie die streitige Frage bis auf welche Ebene, die personelle Trennung durchgeführt werden muss, indem sie vorgibt, dass das WpDU sicherstellen muss, „[…]dass sowohl die Formen der einzelnen Beratungsleistungen als auch die Berater deutlich voneinander getrennt werden […]. Die Wertpapierfirma darf es keiner natürlichen Person gestatten, sowohl unabhängige als auch nichtunabhängige Beratungsleistungen zu erbringen.“67. Nach Ansicht der Kommission ist das Anbieten beider Beratungsformen durch denselben Berater für den Kunden irreführend.68 Damit ist bspw. eine Urlaubsvertretung bereichsübergreifend nicht möglich, jedoch die einheitliche Filialleitung, wenn diese nicht aktiv berät.69 Folglich ist künftig kleineren Banken, die eine solche Trennung aufgrund geringer Mitarbeiterzahlen organisatorisch und personell nicht erbringen können, die Pluralität beider Formen nicht möglich.70 Ob hiermit der Verbreitung der unabhängigen Beratung Hilfe geleistet wird, muss daher bezweifelt werden. Ab welcher Managementebene die Beratungsformen wieder zusammenlaufen dürfen, lässt die Kommission hingegen auch offen. cc) Aufklärungspflicht über die Beratungsform Die bereits von ESMA geforderte Aufklärung im Vorfeld der Beratung, mittels dauerhaften Datenträgers, wird durch die Kommission in Art. 53 Abs. 3 lit. a) MiFID II-DLVO aufgenommen und eine allgemeine Informationspflicht über die Unterscheidung der Beratungsformen in Art. 52 MiFID II-DLVO konkretisiert. Nach letzterer muss dem Kunden gem. Abs. 1 klar und präzise erklärt werden, ob und warum eine Beratung unabhängig oder abhängig ist – einschließlich dem Verbot in der unabhängigen Beratung Anreize anzunehmen. Werden dem Kunden beide Formen angeboten, so muss genau aufgeschlüsselt werden welche Teile welcher Beratungsform zugeordnet sind, Art. 52 Abs. 1 S. 2 MiFID II-DLVO. Zusätzlich darf sich das WpDU nicht als vollständig unabhängig bezeichnen. Unabhängig von der Beratungsform muss dem Kunden ebenfalls der Auswahlprozess der bewerteten Finanzinstrumente erläutert werden, Art. 52 Abs. 2 MiFID II-DLVO. Sind in der Auswahl sowohl eigene, bzw. Finanzinstrumente von Unternehmen mit engen Verbindungen und solche ohne enge Verbindungen, so muss hier die Trennung deutlich gemacht werden, Art. 52 Abs. 4 MiFID II-DLVO.

67

231. 68 69 70

tern.

Art. 53 Abs. 3 lit. c) MiFID II-DLVO. Dieser Ansicht ebenfalls Balzer, ZBB 2016, 226, ErwG. 72 MiFID II-DLVO. Balzer, ZBB 2016, 226, 231. s. hierzu Witteck, Interview v. 14. 09. 2016, für die Gladbacher Bank mit 140 Mitarbei-

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

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Aus diesen Anforderungen ergibt sich, dass die WpDU künftig nicht mehr darauf verweisen können, dass sie keine unabhängige Beratungsleistung anbieten und den Kunden auf ggf. erfolgende Nachfragen nicht damit beruhigen können, dass dies der bisherigen Beratung entspricht. Sie müssen vielmehr die Unterschiede herausstellen und damit, wenn sie nur eine Beratungsform anbieten, dezidiert Auskunft über das Konkurrenzmodell geben. c) Gesamtergebnis Insgesamt zeigt sich, dass die Kommission die Ausarbeitungen von ESMA übernimmt und die Unternehmen nicht vor weitere Anforderungen stellt. Somit werden die WpDU, die sich bei der Umsetzung an die ESMA-Vorschläge hielten, keine großen Änderungen mehr auf sich nehmen müssen. Ggf. trägt hier die Kommission auch der Verzögerung und der großen Menge an umzusetzenden Vorschriften Rechnung. 5. Level-3-Maßnahmen In Form von Q&As hat ESMA weitere Klarstellungen hinsichtlich der Interpretation und der Implementierung der Vorgaben sowohl für die WpDU, als auch für die nationalen Aufsichtsbehörden erlassen. In diesen macht sie deutlich, dass auch in der unabhängigen Beratung eigene Produkte empfohlen werden können, wenn sie durch die entsprechenden Vorgaben als am besten geeignetes Produkt ermittelt wurden. Werden jedoch überwiegend eigene Produkte oder solche mit enger Verbindung empfohlen, stellt ESMA die Unabhängigkeit in Frage.71 In einem solchen Fall muss das Unternehmen gründlich und intern prüfen, ob und inwieweit das Kundeninteresse betroffen ist oder sein könnte. Dieser Prüfbericht muss dem Kunden und der nationalen Aufsichtsbehörde auf Verlangen zur Verfügung gestellt werden. Auch verdeutlicht ESMA erneut, dass kostenlose Recherchen von Drittanbietern unter Zuwendungen zu subsumieren sind und diese nur unter den besonderen Ausnahmeregelungen angenommen werden dürfen.72 Hierfür muss das WpDU entsprechende interne Regelungen einführen, die die Bestimmung eines bspw. erlaubten, geringwertigen nicht-monetären Vorteils ermöglichen. ESMA gibt hier das Beispiel, dass es sich bei detaillierten Rechercheberichten und Gesprächen mit Rechercheanalysten nicht mehr um geringwertige nicht-monetäre Vorteile handelt.73 Zusätzlich müssen diese auf die Einhaltung der speziellen Anforderungen der unabhängigen Beratung geprüft werden. Dies gilt auch für Recherchen von Unternehmen, die nicht

71 72 73

ESMA, Q&As investor protection, S. 38. ESMA, Q&As investor protection, S. 42. ESMA, Q&As investor protection, S. 44.

70

2. Teil: Zuwendungen

den Anforderungen der MiFID II unterliegen, sowie für Recherchen, die von einem anderen Unternehmen der Unternehmensgruppe erstellt wurden.74

II. Zuwendungsregelungen im deutschen Recht 1. Regelungen vor der Umsetzung der MiFID II-Vorgaben Bislang wurde im deutschen Recht, vor allem im WpHG, nicht zwischen einer abhängigen und einer unabhängigen Anlageberatung unterschieden. Vielmehr galt für alle WpDU, die Anlageberatung anbieten, die Zuwendungsregelung des § 31d WpHG, der durch das FRUG aufgrund von Art. 26 MiFID-I DRL erlassen wurde und damit die Bestimmungen über Interessenkonflikten der Artt. 18, 19 MiFID I konkretisiert.75 Für die Annahme und Offenlegung auf zivilrechtlicher Ebene findet sich zugleich eine Fülle an zivilrechtlicher Rechtsprechung. Beides soll zum besseren Vergleich kurz dargestellt werden. a) Zuwendungsverbot gem. § 31d WpHG § 31d WpHG verbietet in Abs. 1 in Zusammenhang mit der Erbringung der Anlageberatung Zuwendungen von Dritten anzunehmen oder an Dritte zu gewähren, die nicht Kunden dieser Dienstleistung sind. Ausgenommen von diesem Verbot sind jedoch solche Zuwendungen, die nach Nr. 1, „[…] darauf ausgelegt sind, die Qualität der für den Kunden erbrachten Dienstleistung zu verbessern und der ordnungsgemäßen Erbringung der Dienstleistung im Interesse des Kunden im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 1 nicht entgegen“ stehen. Zugleich muss nach Nr. 2 deren „Existenz, Art und Umfang der Zuwendung oder, soweit sich der Umfang noch nicht bestimmen lässt, die Art und Weise seiner Berechnung, […] dem Kunden vor der Erbringung der Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung in umfassender, zutreffender und verständlicher Weise deutlich offen gelegt“ werden. Dies kann in standardisierter und zusammengefasster Form gem. § 31d Abs. 3 WpHG erfolgen. Mithin wird auch im deutschen Recht die Problematik der Zuwendungen als Interessenkonflikt erkannt und in Form eines Verbotes mit Ausnahmevorbehalt eingeschränkt.76 Zuwendungen werden demnach als Auslöser für Interessenkonflikte verstanden und grds. verboten.77 § 31d WpHG liegt folglich ein ähnlicher Regelungszweck wie den Regelungen für die unabhängige Beratung zugrunde, denn 74

ESMA, Q&As investor protection, S. 45. Just, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 1; zum Begriff und der Bedeutung der Zuwendungen für den deutschen Bankensektor, s. Klee, MiFID II: Auswirkungen der geänderten Behandlung von Zuwendungen, 41, 43 f. 76 Krisl, Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG, 191; Koch, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 31d WpHG Rn. 1. 77 Assmann, ZBB 2008, 21, 23. 75

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

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auch dieser soll verhindern, dass sich das WpDU von anderen Erwägungen als dem Kundeninteresse leiten lässt.78 Die Annahme von Zuwendungen von Dritten ist also verboten, wobei der Dritte jede Person ist, die außerhalb der Beziehung des WpDU (Anlageberater) und dem Kunden steht.79 Um den Schutzzweck der Norm zu gewährleisten, ist ein mittelbarer Bezug zwischen Zuwendung und Dienstleistung für das Vorliegen eines Dritten ausreichend.80 Die Zuwendung muss einen oben beschriebenen Interessenkonflikt begründen können.81 Ausgenommen sind mangels Interessenkonflikt nach Abs. 1 S. 2 WpHG solche Zuwendungen, die im Auftrag des Kunden an das WpDU geleistet wurden. Der Kunde muss sich jedoch der Anweisung und den daraus resultierenden Konsequenzen bewusst sein, sodass findige Umgehungsmöglichkeiten (bspw. durch die Vereinbarung einer solchen Zahlung durch AGB) ausgeschlossen sind.82 Die Voraussetzungen des § 31d Abs. 1 Nr. 1 WpHG – die Qualitätsverbesserungen und die fehlende Beeinträchtigung des Beraters aufgrund der Zuwendung seine Dienstleistung nicht ordnungsgemäß im Kundeninteresse zu erfüllen – und die der Nr. 2 – also der Offenlegung – müssen kumulativ vorliegen.83 Aufgrund dessen kann es sein, dass die Zuwendung zwar die Qualität der Dienstleistung des WpDU verbessert, aber dennoch gem. § 31d WpHG verboten ist, da sie die Voraussetzung von Nr. 2 nicht erfüllt. Der durch die Ausnahmeregelungen vorausgesetzte Mehraufwand des WpDU erschien damals tatsächlich geeignet, um Interessenkonflikte durch Zuwendungen zu beseitigen.84 Indem der europäische Gesetzgeber u. a. die Regelungen zur unab78

Koch, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 31d WpHG Rn. 2; i.E. Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31d Rn. 1a. 79 RegE FRUG, BT-Drs. 16/4028, S. 67; Just, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 17; Assmann, ZBB 2008, 21, 22; Koch, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 31d WpHG Rn. 21. Um eine Umgehung der Vorschrift zu vermeiden, werden auch solche Dritte erfasst, die kein eigenes Interesse an dem Abschluss des Geschäftes haben, folglich auch Zahlstellen, s. Rozok, BKR 2007, 217, 219, der als Dritte ebenfalls Vertriebsgesellschaften ohne wertpapieraufsichtsrechtlich relevante Tätigkeiten ansieht, die die Zahlungsströme umleiten. Ebenso werden unternehmensinterne Zuwendungen, die an die Vermittlung bestimmter Produkte geknüpft sind sowie Zuwendungen innerhalb eines Konzerns von § 31d WpHG erfasst. 80 Just, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 21. 81 Just, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 21. 82 Assmann, ZBB 2008, 21, 26; zur Unwirksamkeit der AGB-Klausel BGH NJW 2014, 924; Jordans, BKR 2015, 309, 312. 83 Just, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 27; Koch, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 31d WpHG Rn. 36; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31d Rn. 20. 84 Zum Zeitpunkt der Einführung des § 31d WpHG enthielt dieser jedoch noch in Abs. 4 eine Vermutungsregelung, die besagte, dass eine Zuwendung, die im Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung geflossen ist, eine Qualitätsverbesserung bezweckt. Eine solche wurde damals bereits als Absurdität, die die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung aushebelt, aufgefasst und ist mittlerweile gestrichen worden, s. dazu Assmann, ZBB 2008, 21, 23; ebenfalls kritisch Koch, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 31d WpHG Rn. 38.

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2. Teil: Zuwendungen

hängigen Beratung einführt, zeigt sich, dass er die bisherige Ausgestaltung als Verbot mit Ausnahmevorbehalt als unzureichend zur Lösung des Interessenkonflikts erachtet. b) Rechtsprechung Die zivilrechtliche Rechtsprechung, die schon vor der Einführung des § 31d WpHG begann,85 setzt sich mit der Thematik des Interessenkonflikts durch KickBacks und Innenprovisionen auseinander.86 Diese soll hier nicht im Einzelnen aufgeschlüsselt, sondern nur in ihren drei Ausprägungen kurz zusammengefasst werden.87 Es lässt sich dabei eine Aufspaltung der Rechtsprechung zwischen den Aufklärungspflichten über aufklärungspflichtige Rückvergütung – auch als sog. Kick-Backs bezeichnet – und über Innenprovisionen verzeichnen sowie eine Abgrenzung zur Aufklärung über Gewinnmargen erkennen. aa) Kick-Back Vielfach hat sich der BGH in seiner Rechtsprechung mit der Definition der KickBacks, vor allem in Abgrenzung zu den Innenprovisionen, auseinandergesetzt und fortlaufend nachjustiert, u. a. weil diese regelmäßig als Ansatzpunkt für die rechtliche Beurteilung dient.88 (1) Definition: Rückvergütung Zuletzt definierte der BGH Kick-Backs wie folgt: „Aufklärungspflichtige Rückvergütungen in diesem Sinne sind – regelmäßig umsatzabhängige – Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Wert85

So beschäftigte sich bereits das Reichsgericht im Jahre 1905 mit versteckten Provisionen, s. RG JW 1905, 118. Auch seitens des BGH wurde die Problematik früh erkannt und in den unterschiedlichsten Konstellationen diskutiert, s. BGH NJW-RR 1990, 604; BGH NJW-RR 1992, 56; BGHZ 146, 235 = BGH NJW 2001, 962, BGH NJW 2007, 1876. 86 s. überblicksartig Habersack, WM 2010, 1245; Winter, WM 2014, 1606; Jordans, BKR 2011, 456; ders., BKR 2015, 309; Ludwig/Clouth, NZG 2015, 1369; Casper, ZIP 2009, 2409; Einsiedler, WM 2013, 1109; Zoller, BB 2013, 520. 87 Zu den jeweils einzelnen Urteilen und deren Bewertung in Bezug auf den Interessenkonflikt s. insb. Lerch, Anlageberater als Finanzintermediäre, 115 ff.; Jordans, BKR 2011, 456; ders., BKR 2015, 309; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 177 ff. 88 BGH ZIP 2009, 2380, 2383 m. Anm. Vardinek/Röh; BGH ZIP 2011, 855; BGH NJW 2011, 3231; BGH, Urt. v. 05. 11. 2013 – XI ZR 19/12 –, juris; Bruchwitz/Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 80.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

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haltigkeit der Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen. Danach handelt es sich auch dann um aufklärungspflichtige Rückvergütungen, wenn diese nicht aus einem Agio oder aus Verwaltungsgebühren, sondern aus sonstigen offen ausgewiesenen Vertriebskosten fließen, wobei es auch nicht darauf ankommt, ob die Zahlung des Anlegers ’über die Bank’ oder direkt an die Fondsgesellschaft erfolgt.“89 Hierunter fallen offen ausgewiesene Aufgabeausschläge bzw. Provisionen, offen ausgewiesene Vertriebsprovisionen,90 offen ausgewiesene Eigenkapitalbeschaffungskosten91 sowie Verwaltungsgebühren.92 Damit die Zahlung umsatzabhängig ist, muss die Höhe abhängig von der tatsächlich vermittelten Anlage sein, sodass der Berater seine Provision durch die Höhe und Anzahl der vermittelten Beteiligungen bestimmen kann.93 Unerheblich ist es, ob der Kunde direkt an die Bank oder an die Fondsgesellschaft zahlt.94 Auch die Aufschlüsselung von Vertriebsprovisionen in Teilbeträge als „Weichkosten“95 steht der Einordnung als Rückvergütung nicht entgegen.96 Durch diese Beispiele zeigt sich, dass trotz zahlreicher Definitionsversuche, der Begriff weiterhin klärungsbedürftig bleibt.97 (2) Die Offenkundigkeit des Interessenkonflikts Seit seiner ersten Kick-Back-Entscheidung leitet der BGH die Aufklärungspflichten des Anlageberaters über den Erhalt von Rückvergütungen aus dem (konkludent geschlossenen) Beratungsvertrag her. So statuierte er in dieser Entscheidung, dass es die Pflicht der Bank ist, den Anleger ungefragt über Rückvergütungen vollständig, richtig und verständlich aufzuklären.98 Werden diese Pflichten verletzt, so begründet die Verletzung eine Haftung des Anlageberaters. 89 BGH, Urt. v. 05. 11. 2013 – XI ZR 19/12 Rn. 10 m.w.N.–, juris; vgl. Jordans, BKR 2015, 309, 312. 90 BGH ZIP 2014, 1165. 91 BGH ZIP 2014, 1165. Vereinnahmt die Bank aus den im Prospekt ausgewiesenen Eigenkapitalbeschaffungskosten Provisionen, so handelt es sich nach der Definition des BGH um aufklärungspflichtige Rückvergütungen, s. BGH ZIP 2014, 1165; Jordans, BKR 2015, 309, 312. 92 Erdmann, in: Assmann/Schütze, HdB KapitalanlageR, § 3 Rn. 26; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 172. 93 BGH BKR 2013, 386, 387 Rn. 18. 94 BGH ZIP 2014, 1165 Rn. 12. 95 BGH NJW-RR 2014, 559 Rn. 14. 96 BGH NJW-RR 2014, 559 Rn. 15. 97 I. E. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 172. 98 BGHZ 146, 235 = BGH NJW 2001, 962, 963 – Kick-Back I. Dem Urteil lag jedoch nicht die klassische, sich später häufig wiederholende, Konstellation zugrunde, dass der BGH darüber zu befinden hatte, ob der Zuwendungsempfänger über die Rückvergütungen hätte aufklären müssen, sondern das auszahlende Institut, vgl. Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 180.

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Der BGH begründet seine Entscheidung damit, dass durch die Vergütung des Beraters die Gefahr der Einflussnahme entsteht, da der Berater durch den Erhalt veranlasst werden könnte, nicht mehr im Kundeninteresse, sondern im eigenen Interesse (Erzielung der Provision) zu handeln.99 Nach Ansicht des BGH handelt es sich um eine „schwerwiegende Treuwidrigkeit“100, wenn sich der Berater hinter dem Rücken des Kunden von der Depotbank an Provisionen und Gebühren beteiligen lässt.101 Auf diesen Interessenkonflikt stützt der BGH auch die in den nächsten Jahren folgenden Kick-Back-Entscheidungen. Insb. bestätigt und erweitert er die darauf stützende Aufklärungspflicht über Rückvergütung derart, dass neben dem Bestehen einer Rückvergütung auch über deren exakte Höhe aufgeklärt werden muss.102 Denn nur so kann der Kunde einschätzen, in welchem Umfang die Bank ein eigenes Interesse verfolgen könnte, aber auch in welchem Maß sein eigenes Interesse berücksichtig wird.103 Einschränkend fügte der BGH jedoch hinzu, dass es sich hierbei um umsatzabhängige Provisionen handeln muss.104 Die Vehemenz des BGH, mit der er die Aufklärungspflicht über die konkrete Höhe festlegt, ist erstaunlich, denn mit dieser kann der Anleger nur dann weitere Schlüsse (bspw. wie hoch oder wie stark der Anreiz für den Berater ist, genau dieses Produkt zu empfehlen) ziehen, wenn er einen Referenzwert, bspw. einen Mittelwert, kennt.105 Aus diesem Grund muss in Großbritannien neben der erhaltenen Provision auch die Höhe der marktüblichen Provision, die die Aufsichtsbehörde FCA ermittelt, bekannt gegeben werden.106 Gleichzeitig verneinte der BGH eine Aufklärungspflicht über die Beschränkung des Angebots auf hauseigene Fonds.107 Vielmehr kann der Anleger nicht erwarten, dass Produkte der Konkurrenz Berücksichtigung finden, es sei denn die Bank geriert ein solches Verhalten nach außen.108 In diesem Verhalten liegt nach Ansicht des BGH auch kein Verstoß gegen § 31 Abs. 1 S. 2 WpHG a.F., also gegen die Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten.109 Dementsprechend besteht bei konzernei99

BGHZ 146, 235 = BGH NJW 2001, 962. BGHZ 146, 235 = BGH NJW 2001, 962, 963. 101 BGHZ 146, 235 = BGH NJW 2001, 962, 963. 102 BGHZ 170, 226 = BGH NJW 2007, 1876, 1878. 103 BGHZ 170, 226 = BGH NJW 2007, 1876, 1878. 104 BGHZ 170, 226 = BGH NJW 2007, 1786, 1789. 105 A.A. Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 182 f. 106 s. zum System in Großbritannien 2. Teil C.I.; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 183. 107 BGHZ 170, 226 = BGH NJW 2007, 1876, 1878; zustimmend Sethe, FS Nobbe, 769, 780 f. 108 BGHZ 170, 226 = BGH NJW 2007, 1876, 1878. 109 BGHZ 170, 226 = BGH NJW 2007, 1876, 1878. 100

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genen Produkten ebenfalls keine Aufklärungspflicht über die Rückvergütungen. Zwar ist hier ein Drei-Personen-Verhältnis gegeben, jedoch kann der Anleger, bei genauer Betrachtung der Konzernstruktur, das Gewinninteresse im Konzern erkennen.110 Deshalb besteht hier gerade keine Fehlvorstellung des Anlegers, über die er aufzuklären ist.111 (3) Die Offenkundigkeit des Interessenkonflikts bei freien Beratern Als ebenso offenkundig, wie das Interesse konzerneigene Produkte zu verkaufen, sah es der BGH (III. Senat) an, dass „freie Berater“ durch die Anlagegesellschaften Provisionen erhalten und deshalb kein Interessenkonflikt und damit auch keine Offenlegungspflicht besteht.112 Er begründet dies mit der unterschiedlichen Beratungssituation, da der Bankkunde regelmäßig weitere entgeltliche Verträge mit der Bank, so bspw. den Depotvertrag, unterhält.113 Dies ist hingegen bei einem freien Berater in der Regel nicht der Fall. Nach Ansicht des BGH erschließt sich dem typisierten Bankkunden aus diesem Vergleich die Provisionszahlung.114 Ein aufklärungsrelevanter Interessenkonflikt kann sich auch bei einem freien Anlageberater aus der Höhe der Provision ergeben, sofern diese Einfluss auf die Werthaltigkeit der Anlage nimmt.115 Deshalb besteht auch eine Aufklärungspflicht für freie Berater ab einer 15 Prozent-Schwelle für Innenprovisionen.116 Der XI. Senat übernahm diese Sichtweise und begründete die Unterscheidung ebenfalls mit einer typisierenden Betrachtungsweise, da die Bank längerfristige, kostenpflichtige Verträge mit dem Anleger unterhält.117 Zudem unterscheidet auch der Gesetzgeber in § 31d WpHG sowie hinsichtlich der Definition der Finanzdienstleistungen zwischen Berufsgruppen.118 Gleiches soll auch für dem Unternehmen angehörige Tochtergesellschaften gelten, da es sich bei ihnen um selbstständige juristische Personen handelt, gegenüber denen nach objektivierter Betrachtungsweise der Anleger keine solchen Erwartungen hegt.119

110 Eine Aufklärungspflicht alleine aus dem Drei-Personen-Verhältnis herleitend OLG Düsseldorf, Urt. v. 02. 05. 2013 – I-6 U 84/12 –, juris. 111 I. E. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 173c; Kotte, BB 2014, 1353, 1354; Habersack, WM 2010, 1245, 1251. 112 BGHZ 185, 185 Rn. 5 = NJW-RR 2010, 1064; Habersack, WM 2010, 1245, 1248. 113 BGHZ 185, 185 Rn. 5 = NJW-RR 2010, 1064. 114 BGHZ 185, 185 Rn. 5 = NJW-RR 2010, 1064. 115 Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 159. 116 BGH NJW-RR 2012, 372. 117 BGH NJW 2011, 3227 Rn. 30. 118 BGH NJW 2011, 3227 Rn. 30 f.; BGH NJW 2011, 3229 Rn. 6 f.; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 160. 119 BGH NJW 2012, 2952, 2953 Rn. 13; BGH, Urt. v. 18. 04. 2013 – III ZR 83/12 Rn. 21 ff. –, juris.

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2. Teil: Zuwendungen

Bei näherer Betrachtung erscheint es jedoch zweifelhaft, dass der Kunde die Beratung in der Bank aufgrund bestehender Depotverträge als kostenlose Nebendienstleistung der Bank einstuft, hingegen aber die des freien Beraters als kostenpflichtige Hauptleistung.120 Vielmehr macht sich der Kunde keinerlei Gedanken über die Vergütung, sofern er nicht gesondert Beträge hierfür zahlen muss.121 Tatsächlich glaubt der Kunde nicht, er erhalte eine kostenfreie Beratung, sondern er verdrängt er die Kostenfrage.122 Indirekt sind ihm der Aufwand und das Knowhow hinter einer Beratungsleistung bewusst, anderenfalls würde er die Recherche und Anlage selbst vornehmen. Die vorgenannte Differenzierung zwischen den beiden Beratern ist auch deshalb fragwürdig, da der Anleger letztlich auch bei einem bankgebundenen Berater zu der Überlegung kommen müsste, dass die Gebühren aus seinem Depotvertrag o. ä. für eine auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Beratung unzureichend sind.123 Dies einerseits nicht wissend und die Kostendeckung annehmend, soll er nach Ansicht des BGH jedoch zugleich wissen, dass die Beratungsleistung bei einem freien Anlageberater durch einen Dritten vergütet wird. Dies ist in sich widersprüchlich. Zudem ließe sich diese Sichtweise nicht aufrechterhalten, wenn sich der Kunde zwar an ein Kreditinstitut für die Anlageberatung wendet, dort jedoch keinen Depotvertrag abschließt. Darüber hinaus müsste dann für den freien Anlageberater auch eine Aufklärungspflicht für den Fall eintreten, dass er dauerhafte Beratungsdienstleistungsverträge zur Beratung und Betreuung mit dem Anleger eingeht und sich diese Dienstleistung vergüten lässt.124 Das Abstellen auf die Erkennbarkeit des Gewinninteresses seitens des Anlegers in einer konkreten Situation ist zudem eine neue Herangehensweise des BGH.125 Zuvor ließ er dies grds. offen, bzw. der Berater musste noch grds. über die Höhe der Provision aufklären.126

120

Habersack, WM 2010, 1245, 1250 ff.; Nobbe, BKR 2011, 302, 303; Herresthal, ZBB 2010, 305, 308 m.w.N.; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 18; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 165. 121 Witteck, Interview v. 14. 09. 2016. 122 Witteck, Interview v. 14. 09. 2016; a.A. Michels/Backes, Interview v. 15. 11. 2016. 123 I. E. Fullenkamp, NJW 2011, 421, 423; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 191; Winter, WM 2014, 1606, 1609; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 165, 262. 124 OLG Stuttgart BKR 2010, 288, 291 f.; OLG München BKR 2011, 16; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 189; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 165, 161. 125 Vgl. Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 187. 126 BGHZ 170, 226 = BGH NJW 2007, 1786, 1878; BGH NJW 2009, 1416, 1417 m. Anm. Dieckmann/Langen; BGH NJW 2014, 2348.

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Die unterschiedlichen Aufklärungspflichten sind zwar nach der hier vertretenen Ansicht nicht stringent,127 stehen jedoch im Einklang mit der Ansicht des BGH, dass weder über Konkurrenzprodukte beraten werden muss, noch darüber, dass ausschließlich konzerneigene Produkte angeboten werden, da der Kunde dies nicht erwarten kann. Aufgrund der Statuierung eines „flächendeckenden – aufsichtsrechtlichen – Transparenzgebots“128 durch den XI. Senat in seiner Entscheidung vom 03. 06. 2014 (s. 1. Teil F.II.), ist es nicht unwahrscheinlich, dass auch der III. Senat aus diesem eine Aufklärungspflicht für freie Anlageberater für Innenprovisionen und KickBacks herleitet.129 Denn § 17 FinVermV, der inhaltlich der Regelung des § 34f GewO gleicht – der für frei Anlagevermittler Anwendung findet –, verbietet die Provisionsannahme von Dritten. Es sei denn, diese wurde hinsichtlich ihrer Existenz, Höhe und Art dem Anleger offengelegt und steht der ordentlichen Vermittlung der Anlage im Interesse des Anlegers nicht entgegen. Mithin besteht durch § 17 FinVermV eine aufsichtsrechtliche Regelung ab dem 01. 01. 2013. Es wäre auch möglich, sofern man die Ausstrahlungslehre auf das Zivilrecht vertritt, eine Aufklärungspflicht ab diesem Zeitpunkt anzunehmen.130 Auch die neueren Regelungen des Honorar-Anlageberaters, die ebenfalls den freien Berater betreffen können, könnten zur Begründung eines flächendeckenden Transparenzgedanken131 und damit zur Statuierung einer Aufklärungspflicht heran gezogen werden.132 Nicht zuletzt deshalb, weil der III. Zivilsenat ohnehin bereits in zwei Obiter Dicta die Ableitung der Pflichten aus § 31d WpHG angedeutet hatte, wenn auch bislang § 31d WpHG in seinen Entscheidungen keine Anwendung fand.133

127 Fullenkamp, NJW 2011, 421, 422; Buck-Heeb, BKR 2010, 309, 315; Grundmann, WM 2012, 1745, 1751; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 187. 128 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 32, s. dazu 2. Teil A.II.1.b)bb)(2). 129 Bruchwitz/Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 95; ähnlich Ludwig/Clouth, NZG 2015, 1369, 1377, die dem freien Anleger empfehlen sämtliche Provisionen offen zu legen; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 164; in diese Richtung auch Herresthal, WM 2014, 773, 778, 780, 781 Fn. 82; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 190. 130 Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 163. 131 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 32. 132 Aufgrund § 17 FinVermV eine künftige zivilrechtliche Rechtsprechung zur Aufklärungsverpflichtung für freie Berater annehmend Tilp auf dem Bankrechtstag 2013, Breilmann/ Fuchs, WM 2013, 1437, 1445. 133 BGHZ 185, 185 = NJW-RR 2010, 1064 Rn. 14; BGH NJW-RR 2011, 913 Rn. 11; Ludwig/Clouth, NZG 2015, 1369, 1370.

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2. Teil: Zuwendungen

(4) Weitergehende Regelungen als im WpHG Diese Aufklärungspflichten finden auch auf Produkte, die nach anderen Regelungen als denen des WpHG vertrieben werden, Anwendung,134 da es sich bei diesen um zivilrechtliche Pflichten aus dem Beratungsvertrag handelt und nicht um aufsichtsrechtliche Regelungen des WpHG. Anders sind jedoch Lebensversicherungen zu beurteilen, da diese eine Art Gewinnmarge darstellen, die nicht ohne weiteres aufklärungspflichtig sind.135 Darüber hinaus können sich die Banken seit 1990 nicht mehr auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum hinsichtlich der Offenlegungspflicht von Kick-Backs für den Zeitraum vor der Kick-Back-Entscheidung II berufen,136 da sowohl erste Urteile zu Offenlegungspflichten als auch befürwortende Stimmen in der Literatur bestanden.137 (5) Kenntnis des Anlegers von Provisionszahlungen Festzuhalten ist, dass den Anleger keine Erkundigungsobliegenheit über die Zahlung von Rückvergütungen trifft,138 anderenfalls wäre die Aufklärungspflicht sinnlos. Auch muss er nicht kontrollieren, ob der Berater ihn ordnungsgemäß über diese aufgeklärt hat.139 Fragt er jedoch nach der Zahlung oder der Rückvergütungshöhe und investiert ohne vorherige Antwort, so kann er sich aufgrund von § 242 BGB (Treu und Glauben) nicht auf die Verletzung der Aufklärungspflicht berufen.140 Hat der Anleger Kenntnis von den Provisionszahlungen, fragt aber nicht nach der genauen Höhe, so ist dies ein Indiz dafür, dass die Höhe der Provisionszahlung für seine Anlageentscheidung nicht von Belang ist141 – wenn die Geschäfte vergleichbar sind.142 Eine Vermutung des Anlegers ist hierfür jedoch nicht ausreichend.143 (6) Fazit zu der Rechtsprechung über Rückvergütungen Zusammenfassend zeigt sich, dass der BGH für die Annahme von aufklärungspflichtigen Rückvergütungen an das Vorliegen von fünf Voraussetzungen an134 BGH NJW 2009, 1416, 1417 – m. Anm. Dieckmann/Langen; BGH NJW 2016, 3024; Jordans, BKR 2011, 456, 458; kritisch in der Lit: Brocker, BKR 2007, 365, 369; Dieckmann/ Langen, NJW 2009, 1417, 1419; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 173. 135 BGH NJW 2014, 3360. 136 Jordans, BKR 2011, 456, 459. 137 BGH NJW 2010, 2339 Rn. 3, 10; BGH BKR 2014, 457; zuvor bereits OLG Frankfurt NZG 2010, 1073, 1074. 138 BGHZ 185, 185 Rn. 13 = NJW-RR 2010, 1064; BGHZ 170, 226 Rn. 22 f. = NJW 2007, 1876. 139 BGH VuR 2016, 344. 140 BGH NJW 2014, 2348; zustimmend Kropf, ZBB 2014, 331, 335. 141 BGH BKR 2013, 203 Rn. 22; OLG Frankfurt WM 2010, 1313 Rn. 5; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 214. 142 BGH VuR 2016, 344. 143 BGH VuR 2016, 344.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

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knüpft.144 So muss es sich um Vertriebsprovisionen handeln (1), die offen ausgewiesen wurden (bspw. bei Ausgabeaufschlägen) (2). Diese müssen seitens des Kunden an den Anbieter geleistet werden (3). Sie fließen dann hinter dem Rücken des Kunden ganz oder teilweise an die Bank zurück (4). Dadurch entsteht ein für den Kunden nicht ersichtliches Eigeninteresse der Bank (5), die entsprechende Anlage zu vermitteln.145 Die Aufklärung über die Rückvergütung muss ausdrücklich im Prospekt oder in der mündlichen Beratung erfolgen. Ein bloßer Hinweis, dass der Vermittler eine Betriebsprovision erhält ist unzureichend, da hieraus nicht die beratende Bank als Vermittler hervorgeht.146 bb) Innenprovisionen Eine so klare Rechtsprechung, wie zu den Rückvergütungen besteht für Innenprovisionen nicht. Vielmehr handelt es sich um eine komplizierte, in verschiedenen Verästelungen aufgespaltene Rechtsprechung und entsprechende Diskussion in der Literatur.147 Innenprovisionen sind nicht offen ausgewiesene, von einem Dritten gezahlte Vertriebsprovisionen, die als Anteil der Beschaffungs- oder Herstellungskosten bereits versteckt im Preis der Anlage enthalten sind.148 Anders als Kick-Backs waren diese bis zum 01. 08. 2014 nicht aufklärungsbedürftig. (1) Innenprovisionen vor dem 01. 08. 2014 Wesentliches Augenmerk legte der BGH hier nicht auf den Interessenkonflikt, sondern auf die Reduzierung der Ertragsaussichten des Anlegers, wenn aus seiner Anlagesumme die Vertriebskosten finanziert wurden.149 Denn auf diese Weise schmälert sich die Anlagesumme, die für den Gewinn angelegt werden kann.150 Indem der Berater diese Situation offen legt, kommt er seiner Pflicht zur objektgerechten Beratung nach.151

144

Bruchwitz/Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 81. Diese Voraussetzungen zuletzt bestätigt in BGH NJW 2014, 2348, 2349; s. dazu Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 175 ff. 146 BGH BKR 2014, 200 Rn. 19; BGH NJW 2011, 3227 Rn. 27. 147 s. alleine dazu die Angaben des BGHZ 201, 310 = BGH NJW 2014, 2947 Rn. 20 f. 148 BGH NJW 2011, 3227 Rn. 22; BGH NJW 2012, 2873 Rn. 47; Wiechers, WM 2012, 477, 481; Jooß, WM 2011, 1260, 1266; Bruchwitz/Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 83. 149 BGHZ 158, 110 Rn. 33 = NJW 2004, 1732; BGH NJW 2005, 3208, 3210 f.; BGH NJWRR 2006, 685 Rn. 5; BGH NJW-RR 2014, 559 Rn. 14. 150 BGHZ 158, 110 Rn. 33 = NJW 2004, 1732; BGH NJW 2005, 3208, 3210 f.; BGH NJWRR 2006, 685 Rn. 5; BGH NJW-RR 2014, 559 Rn. 14. 151 Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 191. 145

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2. Teil: Zuwendungen

Er muss jedoch nicht genau erläutern, welches Vertriebsinstitut die Innenprovisionen erhält.152 Erst ab einer Höhe von 15 Prozent, gemessen am Eigenkapital,153 soll nach Ansicht des BGH eine Aufklärungspflicht eintreten.154 Diese Schwellenwert-Rechtsprechung des III. Senats bestätigte dieser noch Ende 2013.155 Denn Innenprovisionen ab einer solchen Höhe bergen das Potential, die Werthaltigkeit der Anlage zu beeinflussen und es könnte dadurch eine Fehlvorstellung des Anlegers über diese entstehen.156 Fragt der Anleger jedoch gezielt nach der konkreten Provisionshöhe, so ist diese auch dann exakt anzugeben, wenn sie unterhalb der 15 Prozent-Schwelle liegt.157 (2) Innenprovisionen nach dem 01. 08. 2014 Mit seinem Urteil vom 03. 06. 2014 verwarf der BGH sowohl die bisherige Schwellenwert-Rechtsprechung und damit auch die von ihm so mühevoll ausdifferenzierte Unterscheidung von Innenprovisionen und Rückvergütungen, indem er mit fragwürdiger Begründung eine Stichtagsregelung zum 01. 08. 2014 einführte, ab der gleichermaßen Rückvergütungen und Innenprovisionen grds. offen zu legen sind.158 Für die Zeit vor dem 01. 08. 2014 traf er keine Entscheidung, erklärte jedoch, dass sich die Banken auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum berufen können.159 Mithin besteht bis zum 01. 08. 2014 weiterhin eine Aufklärungspflicht ab einer Beeinflussung der Wertigkeit der Anlage, sodass die Schwellenwert-Rechtsprechung für diese Fälle anwendbar bleibt.160 Den erzielten Gleichlauf mit den Rückvergütungen begründet der BGH anhand eines mittlerweile „flächendeckenden – aufsichtsrechtlichen – Transparenzgebots“161.162 So ist durch die Einführung des Gesetzes zur Novellierung des Finanz152

BGHZ 158, 110 Rn. 39 = NJW 2004, 1732. OLG Schleswig ZIP 2013, 2303. 154 BGHZ 158, 110, 118, 121 = NJW 2004, 1723; BGH NJW 2004, 2378; Jordans, BKR 2011, 456, 459; Einsiedler, WM 2013, 1109, 1111. 155 BGH NJW-RR 2014, 559, 561. Der XI. Zivilsenat hingegen entschied im Jahre 2006 Schwellenwert unabhängig, sodass in der Literatur darüber diskutiert wurde, ob dies die Aufhebung der Schwellenwertgrenze sei, s. BGHZ 170, 226 Rn. 23 ff = NJW 2007, 1876; Koch, BKR 2010, 177, 179; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 176. Dieser Diskussion trat der XI. Senat 2007 entgegen, indem er erklärte, dass die Schwellenwerte des III. Senats weiterhin Anwendung fänden, BGH BKR 2008, 199, 201. 156 BGHZ 158, 110,118 = NJW 2004, 1732; BGH NJW 2014, 559; Jordans, BKR 2011, 456, 460; ders., BKR 2015, 309, 312. 157 BGHZ 158, 110, 118, 121 = NJW 2004, 1723; BGH NJW-RR 2011, 913 Rn. 21. 158 BGH NJW 2014, 2947; s. dazu m.w.N. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 175. 159 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 22. 160 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 175; s. jüngst BGH NJW 2016, 3024, 3025 Rn. 10. 161 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 32. 162 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 36. 153

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anlagenvermittlers und Vermögensanlagenrechts § 31d WpHG seit Juni 2012 auf alle Vermögensanlagen des sog. grauen Kapitalmarkts163 anwendbar.164 Ebenso besteht seit Januar 2013 ein für Finanzanlagenvermittler i.S.d. § 34f GewO geltendes Verbot, welches an § 31d WpHG angelehnt ist. Weiterhin begründet er seine Auffassung mit der Anwendung des Honoraranlageberatungsgesetzes zum 01. 08. 2014. Er knüpft an diesen Tag seine Stichtagsregelung an, da seit dem das Transparenzgebot auch auf die Honorar-Anlageberatung ausgeweitet wurde.165 Dies erstaunt, da der Honorar-Anlageberater gem. § 31 Abs. 4c Nr. 2 WpHG grds. keine Zuwendungen mehr annehmen darf, wenn er diese nicht an den Kunden auskehrt.166 Das vom BGH festgestellte Transparenzgebot soll beim Anleger berechtigte Erwartungen hinsichtlich der Aufklärung wecken, welche konkludent in den Beratungsvertrag einbezogen werden.167 Die in den Regelungen zuvor enthaltenen Offenlegungsanforderungen über Zuwendungen, die der Berater durch einen Dritten erhält, definieren nach Ansicht des BGH einen generellen Grundsatz, der letztlich auch zu einer zivilrechtlichen Offenlegungspflicht führt. Dabei hätte es dieser Anknüpfung an die neuen Regelungen und der Konstruktion eines flächendeckenden Transparenzgebots168 nicht bedurft. Bereits zuvor war ausdrücklich ein Transparenzgedanke in § 31d WpHG hinsichtlich der Zuwendungen formuliert, sodass bereits ab dem Jahr 2007 mit der Umsetzung des Art. 26 MiFID I-DRL ein zivilrechtliches Transparenzgebot – nach heutiger Begründung des BGH – verankert gewesen wäre.169 Mit der Berufung auf ein „flächendeckende[s] – aufsichtsrechtliche[s] – Transparenzgebot“170 macht der BGH zudem einen Schritt rückwärts im Vergleich zur jüngst bestärkten Trennung von Zivilrecht und Aufsichtsrecht.171 Dabei ist jedoch zu beachten, dass sich der BGH nicht an das Aufsichtsrecht binden will, da dieses anderen Zwecken dient als der Haftung im Zivilrecht.172 Dennoch übernimmt der BGH offensichtlich aufsichtsrechtliche Vorga163 Der graue Kapitalmarkt besteht in Abgrenzung zum weißen Kapitalmarkt, der nur Institute und Produkte erfasst, die der Aufsicht unterstehen und dem schwarzen Kapitalmarkt, der Akteure erfasst, die ohne die erforderliche Erlaubnis tätig werden oder verbotene Geschäfte ausüben, aus Produkten, die keine Erlaubnis brauchen und auch keiner Aufsicht unterliegen, Fußwinkel, BaFin Journal 3/2014, 9, 10; ausf. Lingen, Anlageberatung im Spannungsfeld zwischen Verbraucherschutz und Überregulierung, 233 m.w.N. Durch mehrere Maßnahmenpakte wurde der graue Kapitalmarkt in jüngster Zeit jedoch spürbar reguliert, s. Assmann, in: Assmann/Schütze, HdB KapitalanlageR, § 1 Rn. 92 ff. 164 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 33. 165 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 22, 34. 166 Bruchwitz/Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 89. 167 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 36. 168 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 32. 169 Buck-Heeb, WM 2014, 1601, 1605; Bruchwitz/Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 89. 170 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 32. 171 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 32 ff., 38; vgl. Buck-Heeb, WM 2014, 1601, 1604. 172 Jordans, BKR 2015, 309, 312.

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ben, um den Pflichtenstandard des Beraters auf zivilrechtlicher Ebene auszulegen.173 Diese scheint er sogar über die Pflichten des Aufsichtsrechts hinaus auszudehnen, da er nicht an die nach dem WpHG erfassten Anlageprodukte anknüpft, sondern z. B. Medienfonds oder den Grundstückskauf in seine Rechtsprechung mit einbezieht.174 Zwar hatte der BGH dies bereits einmal entschieden, jedoch zeigt sich hier die entsprechende Erweiterung der zivilrechtlichen Haftung und damit einhergehende Unsicherheiten.175 Wie der XI. Senat die Schwellenwert-Rechtsprechung des III. Senats beurteilt, hat er ausdrücklich offengelassen. Allerdings verweist er auf die Möglichkeit des Bestehens eines unvermeidbaren Rechtsirrtums.176 Auch diese Begründung hält der näheren Betrachtung nicht Stand.177 So bedarf es im Zivilrecht für den Vorsatz auch eines Bewusstseins über die Pflichtwidrigkeit des eigenen Handelns.178 Mithin entfällt der Vorsatz, wenn sich der Handelnde entweder über die Tatumstände oder die Rechtswidrigkeit seines Handelns irrt.179 Kein Irrtum hingegen sind Rechtsblindheit, Rechtsgleichgültigkeit oder Leichtfertigkeit.180 Es obliegt dem Handelnden, die Rechtslage zuvor zu prüfen und bei Unsicherheit Rechtsrat einzuholen.181 Muss er mit der Möglichkeit rechnen, dass die Rechtsprechung in seiner Situation einen anderen Standpunkt einnehmen wird, so handelt er schuldhaft.182 War die Rechtsprechung uneinheitlich und unübersichtlich, so muss seine Handlung angesichts der Rechtsprechungslage zumindest vertretbar sein.183 Damit er sich jedoch auf den unvermeidbaren Rechtsirrtum in einer solchen Lage berufen kann, müsste zugleich die Voraussetzung vorliegen, dass der Handelnde nicht mit einer Rechtsprechungsänderung bzw. einer anderen Beurteilung

173 Weck, BKR 2014, 374, 376 f.; Balzer/Lang, BKR 2014, 377, 378; Bruchwitz/Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 89. 174 Buck-Heeb, WM 2014, 1601, 1605. 175 Buck-Heeb, WM 2014, 1601, 1605. 176 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 22. 177 I. E. Balzer/Lang, BKR 2014, 370, 380; Weck, BKR 2014, 370, 374; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 179. 178 BGH NJW 1965, 962, 963. 179 Ellenberger, in: E/S/C/L, PraktikerHdB, Rn. 1077 f.; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 229; Casper, ZIP 2009, 2409, 2410. 180 Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 276 Rn. 11; Harnos, BKR 2012, 185, 187 f.; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 229. 181 Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 276 Rn. 11 m.w.N.; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 230; Casper, ZIP 2009, 2409, 2411. Für die Rechtsblindheit BGH NJW 1970, 1082 f. zu versicherungsrechtlichen Pflichten. 182 Ellenberger, in: E/S/C/L, PraktikerHdB, Rn. 1078; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 230. 183 Casper, ZIP 2009, 2409, 2411.

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des Sachverhalts hätte rechnen müssen.184 Tatsächlich wurde die Offenlegung von Innenprovisionen in der Rechtsprechung und in der Literatur185 kontrovers diskutiert und beurteilt.186 Hier besteht die für den Rechtsirrtum benötigte unklare Rechtslage. Allerdings musste bei solch kontroverser Diskussion und der verzweigten Rechtsprechung durchaus mit einer Rechtsprechungsänderung bzw. mit einer anderen Beurteilung der Offenlegungspflicht, gerechnet werden.187 Indem der BGH hier die Anforderungen als ausreichend betrachtet, setzt er sich in Widerspruch zu seinen bisher strengen Anforderungen, die er jüngst für die Ablehnung des unvermeidbaren Rechtsirrtums über die Aufklärung von Rückvergütungen ab 1990 bestätigte.188 Dies erkennt auch der BGH und begründet die unterschiedliche Auffassung mit der für die Rückvergütungen seit längerem bestehenden einheitlichen Handhabung.189 Damit nimmt der BGH eine Herabsetzung der Voraussetzungen für die Annahme eines unvermeidbaren Rechtsirrtums vor.190 Das Ergebnis der Entscheidung des BGH ist jedoch ausdrücklich zu begrüßen. So war bislang nicht immer klar erkennbar, ob eine Innenprovision oder eine Rückvergütung vorliegt.191 Auch dem Kunden war eine Unterscheidung kaum möglich.192 Durch das Urteil entfällt zumindest für zukünftige Sachverhalte die schwerwiegende Unterscheidung zwischen Innenprovision und Rückvergütung. Zudem ist für die Zeit vor dem 01. 08. 2014 Rechtsfrieden geschaffen, da die Möglichkeit besteht, sich auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum zu berufen. Jedenfalls ist es nun die Erwartung des Anlegers, dass das WpDU die aufsichtsrechtlichen Vorschriften zur Aufklärung einhält.

184 BGH NJW 2007, 428, 430 Rn. 26; BGH NJW 2006, 3271, 3272 f.; BGH NJW 1998, 2144; BGH NJW 1983, 2318, 2321. 185 Bereits die Reaktionen auf das Urteil aus 2006 zur Differenzierung der Rückvergütung und Innenprovisionen, welches zwar grundlegend in der Literatur aufgrund der Haftungseinschränkung Anklang fand, aber niemals ein ernsthaftes Begründungsmodell liefern konnte, zeigen dies deutlich. Für eine Zusammenfassung der einzelnen Literaturstimmen s. Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 193 ff. 186 Buck-Heeb, WM 2014, 1601, 1603. 187 I. E. Buck-Heeb, WM 1601, 1603. 188 So noch 1990, s. Heun-Rehn/Lang/Ruf, NJW 2014, 2909, 2910; Jordans, BKR 2015, 309, 312; nicht überzeugt von der Lösung über den Rechtsirrtum ebenfalls Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 188. Bestätigt durch BGH BKR 2014, 457. 189 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 28 ff. 190 Balzer/Lang, BKR 2014, 370, 380; Buck-Heeb, WM 2014, 1601, 1603; Hoffmann/ Bartlitz, ZIP 2014, 1505, 1507; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 175c. 191 Buck-Heeb/Lang, in: BeckOGK, § 657 Rn. 378. 192 Buck-Heeb/Lang, in: BeckOGK, § 675 Rn. 378; Habersack, WM 2010, 1245, 1252; s. zur Unterscheidung Nobbe, BKR 2011, 302.

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cc) Aufklärung über Gewinnmargen Gewinnmargen spielten insb. bei Zertifikaten, die in der Finanzkrise zumeist zum Totalverlust der Anleger führten, eine wesentliche Rolle. Daher sollen diese unter Berücksichtigung des Hintergrunds der MiFID II hier ebenfalls kurz dargestellt werden, da der BGH für deren Beurteilung ebenfalls auf den Interessenkonflikt abstellt. Insb. finden sich Ausnahmen für Festpreisgeschäfte in den neuen Regelungen zur Honorar-Anlageberatung, die mit Hilfe der hier dargestellten zivilrechtlichen Rechtsprechung an entsprechender Stelle bewertet werden sollen (s. 2. Teil A.II.2.g)aa)(2)).193 (1) Grundsätzlich keine Offenlegungspflicht Obwohl zuvor vielfach von der Instanzrechtsprechung und der Literatur eine Aufklärungspflicht für Gewinnmargen – unabhängig davon, ob es sich um Rückvergütungen oder Gewinnmargen handelte – angenommen wurde,194 entschied sich der BGH gegen eine solche für Wertpapiergeschäfte mit eigenen Anlageprodukten.195 Seiner Ansicht nach ist der Interessenkonflikt offensichtlich, wenn die Bank Produkte aus ihrem eigenen Bestand vertreibt.196 Anders wäre dies, wenn besondere Umstände hinzu treten – bspw. wenn die Anlage einen negativen Marktwert beinhaltet. Diese Aufklärungspflicht entspringt daher auch nicht dem Interessenkonflikt – dieser ist offenkundig – sondern der anlegergerechten Beratung.197 In den kurz darauf erschienenen ersten beiden Lehman-Brother-Urteilen198 bestätigte und erweiterte der BGH seine Auffassung auch auf fremde Produkte, an

193

Da diese Ausnahmen sich überwiegend auf das Festpreisgeschäft beziehen, bleiben hier die Offenlegungspflichten bei Zinswetten sowie im Kommissionsgeschäft (Swap-Entscheidung I-V) unberücksichtigt. s. dafür bspw. BGH NJW 2015, 2248; BGH NJW 2015, 1095, 1097 Rn. 31 ff.; BGHZ 189, 13 = ZIP 2011, 756; BGH BKR 2016, 291; BGH NZG 2016, 1077; Ludwig/Clouth, NZG 2015, 1369, 1375; Spindler, NJW 2011, 1920, 1922; Grundmann, WM 2012, 1745, 1750; Winter, WM 2014, 1606, 1608; Zoller, GWR 2016, 495. 194 LG Frankfurt WM 2008, 1061, 1067; LG Hamburg WM 2009, 1282; s. dazu Spindler, WM 2009, 1821, 1824. Begründet wurde dies damit, dass anderenfalls durch Anpassung des Vergütungskonzepts die Aufklärungspflicht umgangen werden könne. Zudem sei es für den Kunden nicht ersichtlich, ob die Bank ein Eigengeschäft tätige oder ein Kommissionsgeschäft, s. Edelmann, in: Assmann/Schütze, HdB KapitalanlageR, § 3 Rn. 28. Teilweise wurde auch eine Aufklärungspflicht aus dem eigenständig neben dem Kaufvertrag geschlossenen Beratungsvertrag hergeleitet, s. Schwab, BKR 2011, 450, 452; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 208 ff. 195 BGHZ 189, 13 = ZIP 2011, 756. 196 BGH NJW 2013, 3574 Rn. 23; OLG Hamburg ZIP 2010, 973, 974; OLG Köln BKR 2011, 334, 336; Koch, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 31d WpHG Rn. 88; Spindler, WM 2009, 1821, 1825; ders., in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 182. 197 BGH NJW 2013, 3574 Rn. 23; Nobbe, BKR 2011, 302, 303; Jordans, BKR 2011, 456, 461. 198 BGH NJW 2012, 66; BGH NJW-RR 2012, 43.

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denen die Bank aufgrund eines rabattierten Einkaufspreises Gewinne akquirierte.199 Denn hier treten die natürlichen gegenläufigen Interessen von Käufer und Verkäufer zu Tage.200 Eine Aufklärungspflicht ist auch deshalb zu verneinen, da die Gewinnmarge keine versteckten Kosten, die die Einlage mindern, enthält – eine aufklärungspflichtige Innenprovision liegt deshalb nicht vor.201 (2) Keine Offenlegung im Festpreisgeschäft Zudem entschied der BGH, in Übereinstimmung mit der bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Instanzrechtsprechung und der Literatur, dass keine Pflicht zur Offenlegung von Gewinnmargen bei Festpreisgeschäften besteht.202 Hierbei tritt die Bank als gewöhnliche Verkäuferin in einem Zwei-Personen-Verhältnis auf, sodass das gegenläufige Interesse nach Ansicht des BGH offenkundig ist.203 Zwar liegt in dem Bankgeschäft noch die Besonderheit, dass parallel und konkludent ein Beratungsvertrag geschlossen wird, der den Berater verpflichtet ausschließlich im Interesse des Anlegers zu agieren.204 Dies bedeutet dennoch nicht, dass die Empfehlung eines solchen Produkts nachteilig für den Anleger wäre. Außerdem erfolgt hier die Zahlung der Gewinnmarge nicht hinter dem Rücken des Anlegers.205 Mithin muss eine Differenzierung zwischen dem Festpreisgeschäft (als Eigengeschäft) und dem treuhänderischen Kommissionsgeschäft vorgenommen werden.206 Diese ist für den Kunden nicht einfach, jedoch gibt es gewisse Anzeichen, die auch der Kleinanleger erkennen kann.207 So entsteht bei der Vereinbarung eines festen Preises ein Festpreisgeschäft.208 Ebenso ist der Ausschluss des Rückgaberechts, sofern die Wertpapiere unverkäuflich sind oder wenn dem Anleger kein Weisungsrecht zukommt, ein Indiz hierfür.209 Damit steht die Entscheidung im Einklang zur Rechtsprechung über das fehlende Aufklärungserfordernis bei der

199

BGH NJW-RR 2012, 43; BGH ZIP 2013, 2001 Rn. 38. Winter, WM 2014, 1606, 1607 f. 201 BGH NJW-RR 2012, 43, 46. 202 BGH NJW 2011, 2130; BGH NJW-RR 2012, 43. 203 BGHZ 189, 13 = ZIP 2011, 756, 760 f. Rn. 38; BGH NJW-RR 2012, 43 Rn. 38 ff.; BGHZ 191, 119 = NJW 2012, 66 Rn. 35 ff.; OLG Dresden BKR 2012, 293, 297 f.; Komo, NZG 2011, 1178, 1179 f. 204 s. dazu Spindler, WM 2009, 1821, 1822. 205 Langen, BB 2010, 17, 18. 206 Spindler, WM 2009, 1821, 1822, 1824; Bausch, NJW 2012, 354, 356; Zoller, BB 2013, 520, 523; zum Begriff des Kommissionsgeschäfts und des Festpreisgeschäftes statt vieler, Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 17, 18. 207 Spindler, WM 2009, 1821, 1822, 1824. 208 Spindler, WM 2009, 1821, 1822, 1824. 209 Spindler, WM 2009, 1821, 1822; ders., in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 182; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 199. 200

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Empfehlung und dem Vertrieb von ausschließlich hauseigenen Produkten (s. 2. Teil A.II.1.b)aa)). Fraglich ist jedoch, ob der Anleger ausschließlich auf die Indizien des Festpreisgeschäftes vertrauen muss, oder ob seitens der Bank über die Geschäftsart aufzuklären ist. Der BGH verneint eine solche Aufklärungspflicht, da dies für den Kunden eine funktionslose Information wäre.210 Die Bank würde den Anleger nur darüber aufklären, dass sie ihm weder Gewinnspanne noch deren Höhe offen legen muss.211 Daher wäre dem Anleger eine Einschätzung der Gewinnmargen weiterhin nicht möglich.212 Zuzugeben ist, dass alleine die Information der Bank, dass sie Geschäfte im Wege eines Festpreisgeschäftes als Eigengeschäft vornimmt, keine Aussage darüber trifft, ob die Bank tatsächlich Gewinnmargen realisiert.213 Schließlich kann die Bank, wenn auch selten, neutrale Eigengeschäfte abschließen. Auch steht die Entscheidung grds. im Einklang mit der Rechtsprechung zur fehlenden Aufklärungspflicht des freien Anlageberaters (s. 2. Teil A.II.1.b)aa)). Jedoch hinkt der Vergleich derart, dass für den Kunden nicht gleichermaßen offensichtlich ist, ob ein Festpreis- oder Kommissionsgeschäft abgeschlossen wird, wie die Unterscheidung zwischen freien Beratern und der Beratung durch den Bankmitarbeiter.214 Außerdem ist zu berücksichtigen, dass nur durch die Aufklärung über die Geschäftsart dem Kunden auch tatsächlich bewusst wird, dass ein Festpreisgeschäft vorliegt und er daraus die entsprechenden Schlüsse hinsichtlich der Gewinnmargen ziehen könnte. Zugleich würde das Verhältnis zwischen Beratungs- und Kaufvertrag gewahrt. Auf diese Weise würde die Bank auch ihre Verpflichtung zur anleger- und anlagegerechten Beratung aus dem parallel geschlossenen Beratungsvertrag gerecht, der letztlich Auslöser dieser Sondersituation ist.215 Darüber hinaus würde nicht entgegen allen anderen Wirtschaftssubjekten von der Bank verlangt, ihre Gewinne offen zu legen.216

210

BGH BKR 2014, 32, 33 Rn. 11; bestätigt durch BVerfG NJW 2013, 2957, 2958. BGH BKR 2014, 32, 33 Rn. 11; bestätigt durch BVerfG NJW 2013, 2957, 2958; in diese Richtung bereits BGH NJW-RR 2013, 244, 245 Rn. 26; BGHZ 191, 119 = NJW 2012, 66, 69 Rn. 35 ff. für „fremde Anlageprodukte, [die] im Wege des Eigengeschäfts (§ 2 III 2 WpHG) zu einem über dem Einkaufspreis liegenden Preis veräußert werden“ (Rn. 37); OLG Frankfurt, Urt. v. 16. 03. 2011 – 23 U 55/10 –, juris; OLG Celle WM 2010, 609; OLG Hamburg BKR 2010, 250, 252 Rn. 40 f.; Spindler, WM 2009, 1821, 1825 m.w.N.; Harnos, BKR 2014, 1, 3. 212 Zoller, BB 2013, 520, 523. 213 So Wiechers, WM 2012, 477, 485. 214 s. dazu bereits Schäfer, WM 2012, 200; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 207, 210; bereits an letzterer Unterscheidung zweifelnd Winter, WM 2014, 1606, 1610. 215 Den Konflikt ausf. erläuternd Buck-Heeb, BKR 2010, 1, 4; Winter, WM 2014, 1606. 216 Vgl. Michels/Backes, Interview v. 15. 11. 2016; Buck-Heeb, BKR 2010, 1, 2. 211

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

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c) Fazit zu den Regelungen vor der Umsetzung Es zeigt sich, dass sowohl § 31d WpHG als auch die zivilrechtliche Rechtsprechung das Eigeninteresse der WpDU als Gefahr für den Anleger einstufen und als aufklärungsbedürftig erachten. Dabei geht das Aufsichtsrecht den Weg des Verbots mit Ausnahmevorbehalt. Es legt den WpDU, um die Ausnahmemöglichkeit auszuschöpfen, deutlich schwierigere Regelungen auf, als das Zivilrecht. Allerdings knüpft es die Ausnahme auch an die Offenlegung des Interessenkonflikts. Die zivilrechtliche Rechtsprechung nimmt keine generelle Aufklärungspflicht und kein Zuwendungsverbot an. Sie leitet eine solche aus dem regelmäßig konkludent geschlossenen Beratungsvertrag bei schwerwiegenden Interessenkonflikten ab, da das WpDU durch diesen verpflichtet ist, ausschließlich im besten Kundeninteresse zu agieren.217 Ein solch schwerwiegender Interessenkonflikt liegt nach Ansicht des BGH immer dann vor, wenn der Anleger nicht mit dem Gewinninteresse der Bank rechnen muss.218 Mithin handelt es sich bei den Entscheidungen um statuierte Ausnahmefälle für eine Aufklärungspflicht. Allerdings bezieht die zivilrechtliche Rechtsprechung die Wertung des § 31d WpHG nun auch über den flächendeckenden Transparenzgedanken219 ein. Im Zusammenspiel der Regelungen zeigt sich im deutschen Recht auch vor der Einführung der Honorar-Anlageberatung ein umfangreiches System der Zuwendungsregelungen. 2. Umsetzungen der MiFID II-Vorschiften zur unabhängigen Beratung: Honoraranlageberatungsgesetz a) Entstehung und Ziele des Honoraranlageberatungsgesetzes Im vorauseilenden Gehorsam220 hat der deutsche Gesetzgeber bereits Regelungen zur Umsetzung der MiFID II in Form des Gesetzes zur Förderung und Regulierung der Honorarberatung über Finanzinstrumente,221 das sog. Honoraranlageberatungsgesetz (HABG) erlassen. Dieses trat zum 01. 08. 2014 in Kraft. Damit sollte den Vorschlägen, die im Kommissionsentwurf enthalten sind, Rechnung getragen werden und zugleich noch kommende weitere europäische Konkretisierungen möglich

217

Ludwig/Clouth, NZG 2015, 1396, 1370. Ludwig/Clouth, NZG 2015, 1396, 1970. 219 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 32. 220 Oder auch als „Vorpreschen“ bezeichnet: Möllers, ZEuP 2016, 325, 340; „Vorgriff“ Roth/Blessing, CCZ 2017, 163. 221 Gesetz zur Förderung und Regulierung der Honorarberatung über Finanzinstrumente, (Honoraranlageberatungsgesetz = HABG) vom 15. 07. 2013, BGBl. 2013, Teil I Nr. 39 2013, S. 2390 ff. Neben der Regulierung des Honorar-Anlageberaters im WpHG enthält in §§ 34h, 34f GewO auch neue Regelungen für den Finanzanlagenvermittler, die hier keine weitere Berücksichtigung finden sollen, s. dazu Will, NJW 2015, 1477. 218

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2. Teil: Zuwendungen

bleiben.222 Aufgrund der europäischen Vorlage dient auch das HABG zur Verhinderung des zuvor aufgezeigten Interessenkonflikts (s. 2. Teil A.I.1.) und zugleich zur Schaffung von mehr Transparenz über die Vergütungsformen in der Anlageberatung.223 Vor allem sollte durch das HABG die bislang vorherrschende Fehlvorstellung des Anlegers, dass die Beratungsleistung kostenlos sei, richtig gestellt werden.224 Durch das HABG wird der Anwendungsbereich der §§ 31 ff. WpHG erweitert und per Gesetz – neben der provisionsgestützten – eine zweite Form der Anlageberatung, die sog. Honorar-Anlageberatung, manifestiert.225 Es handelt sich bei dieser um einen Unterfall der Anlageberatung,226 denn § 31 Abs. 4c S. 6 WpHG statuiert, dass die bisherigen Regelungen zur Anlageberatung auch auf die neue Form Anwendung finden. Damit entsprechen die neuen Regelungen insofern dem europäischen Vorbild. Neu an dieser Regelung ist die gesetzliche und damit einheitliche Manifestierung der Honorar-Anlageberatung, da diese zuvor bereits angeboten und – wenn auch nur vereinzelt227 – wahrgenommen wurde. Folglich sollte diese Beratungsform durch die gesetzliche Verankerung gefördert werden.228 Ob dies gelungen ist, gilt es im Folgenden zu zeigen. Die Verortung der Vorschriften für den Honorar-Anlageberater und seine besonderen Verhaltenspflichten in § 31 Abs. 4c-4d WpHG sowie seine besonderen Organisationspflichten in § 33 Abs. 3a WpHG führt die bisherige Struktur des WpHG fort und ist gelungen. Weitere Ergänzungen finden sich in § 36c WpHG für das öffentliche Register für Honorar-Anlageberater und in § 36d WpHG für den Bezeichnungsschutz.

222 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 1, 15; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112a; Kurz, DB 2014, 1182; Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 105. 223 Kirchhartz, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 3 Rn 82; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112a; Tiefensee/Kuhlen, WM 2014, 2105; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 202; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120b. 224 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 1; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112a; Voß, in: J/V/R/B, § 31 Rn. 506; Begner, BaFin Journal 7/2014, 11. s. dies als Ergebnis der empirischen Studie v. Tekathen, Honorarberatung im Finanzdienstleistungsbereich, 343. 225 Kirchhartz, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 3 Rn. 82; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112a; Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 506; Veil/Lerch, WM 2012, 1605, 1610; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 202: „Alternative“. 226 Herresthal, WM 2014, 773, 774; Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 105 „Alternative“; Kirchhartz, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 3 Rn. 8 „gesetzlicher Sonderfall der Anlageberatung“. 227 Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 2. 228 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 1; Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 2.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

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b) Definition Honorar-Anlageberatung Eine Legaldefinition der Honorar-Anlageberatung lässt sich – wie auch schon auf unionsrechtlicher Ebene – im WpHG nicht finden. Jedoch wird in dem zeitgleich durch das HABG eingeführten § 34h Abs. 1 GewO die Vergütungsform des Honorars definiert als „[…] ohne von einem Produktgeber eine Zuwendung zu erhalten oder von ihm in anderer Weise abhängig zu sein […]“. Eine Übertragung auf das WpHG ist möglich, da auch alle weiteren Vorschriften die gleichen Voraussetzungen enthalten.229 Daher erscheint das Fehlen einer Definition im WpHG als redaktionelles Versehen.230 c) Informationspflicht über die angebotene Beratungsform § 31 Abs. 4b WpHG statuiert eine vorvertragliche231 Informationspflicht des WpDU gegenüber dem Kunden, diesen unmittelbar vor dem Beginn des Beratungsgesprächs darüber aufzuklären, ob eine provisionsgestützte oder honorarbasierte Beratung erbracht wird. Die Aufklärung soll in verständlicher Form erbracht werden und damit dem Kunden die Vergütungsstruktur verdeutlichen sowie ihn zugleich eine bewusste Entscheidung treffen lassen.232 Der RegE HABG233 sah diese Verpflichtung ausschließlich für die Honorar-Anlageberatung vor.234 Dies hätte jedoch im Widerspruch zur Informationspflicht des Art. 24 Abs. 4 MiFID II gestanden, der eine grundlegende Aufklärung über die Erbringung der unabhängigen Beratung vorsieht.235 aa) Form der Aufklärung Während der RefE HABG noch Vorgaben zur Form der Aufklärung – sie konnte standardisiert erfolgen – enthält, findet sich in der finalen Fassung keine Angabe mehr dazu. Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber 229

Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 23. Eine weitere Übertragung der Vorschriften der GewO auf das WpHG ist jedoch ausgeschlossen, da diese zwei strikt voneinander zu trennende Beratungsformen beschreiben. Der Honorar-Finanzanlagenberater darf im Gegensatz zum Honorar-Anlageberater nur über bestimmte Anteile an Investmentvermögen gem. § 34h GewO beraten und untersteht der Gewerbeaufsicht und nicht der BaFin, s. Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 24. In dieser Arbeit soll nur die Beratung nach WpHG berücksichtigt werden. 231 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 203; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112b. 232 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 14; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112b; Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 508; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120c. 233 Entwurf eines Gesetzes zur Förderung und Regulierung einer Honorarberatung über Finanzinstrumente (Honoraranlageberatungsgesetz) v. 06. 02. 2013, BT-Drs. 17/12295. 234 § 31 Abs. 4b S. 1 Nr. 1 WpHG-E RefE HABG. 235 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 106. 230

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2. Teil: Zuwendungen

keine Form ausschließen wollte236 oder die standardisierte Form ablehnt.237 Es muss vielmehr die WpDVerOV zur Bestimmung der geeigneten Form herangezogen werden.238 Dementsprechend muss gem. § 5 Abs. 5 S. 1 WpDVerOV dem Kunden die Information mittels eines dauerhaften Datenträgers zur Verfügung gestellt werden. Eine Aufklärung in Form von AGB der Banken ist unzureichend.239 Grds. muss die Information gem. § 31 Abs. 2 S. 1 WpHG, § 4 WpDVerOV redlich, eindeutig und nicht irreführend sein.240 Wird keine Honorar-Anlageberatung erbracht, so muss das WpDU im Anschluss an diese Erklärung gem. § 31 Abs. 4b S. 2 Alt. 1 WpHG den Anleger darüber aufklären, ob es Zuwendungen annehmen und nach Alt. 2, ob es diese auch behalten darf. Die Vorschrift liest sich als Ergänzung zu § 31d WpHG.241 bb) Zeitpunkt der Informationspflicht Einen genauen Informationszeitpunkt zur Aufklärung über die Form der Anlageberatung sieht das Gesetz nicht vor. Allerdings soll die Aufklärung rechtzeitig erfolgen. Unter Berücksichtigung des Gesetzgebungsverfahrens – in welchem der Bundesrat eine Aufklärung zeitlich vor der Beratung und in optisch hervorgehobenen Gestaltung forderte242 – ist der Kunde vor der vertraglichen Bindung aufzuklären.243 Mangels weiterer Angaben gilt dies auch für die Informationspflicht aus § 31 Abs. 4b S. 2 WpHG über die Annahme und das Behalten von Provisionen, da diese im systematischen Zusammenhang zu S. 1 steht und den gleichen Schutz bezweckt.244 Neukunden werden somit in der Praxis mittels Formular vor Beginn des eigentlichen Beratungsgesprächs auf die Beratungsform hingewiesen.245 Dies trifft jedoch ausschließlich auf Neukunden zu, da § 5 Abs. 4 WpDVerOV für Bestandskunden festlegt, dass diese rechtzeitig alle wesentlichen Änderungen in 236 Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112b; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120c. 237 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses v. 17. 04. 2013, BT-Drs. 17/ 13131, S. 7 für die Einführung der standardisierten Form; Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 36. 238 Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 510; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 203. 239 Erläuterung des Bundesministeriums für Finanzen zur zweiten Verordnung zur Änderung der Wertpapierdienstleistungs- Verhaltens- und Organisationsverordnung zu Nr. 2 Buchst. c), abrufbar unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Aufsichtsrecht/dl_2.wpd verov_erlaeuterungen.pdf?__blob=publicationFile&v=4 (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 240 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 106; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 84. 241 Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 36. 242 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 7; Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 17/ 12295, S. 21; Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 508. 243 Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 509; i.E. Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 192 f. 244 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 203. 245 Witteck, Interview v. 14. 09. 2016.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

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Bezug auf die Informationen gem. § 31 Abs. 4b WpHG durch das WpDU mitgeteilt bekommen. Folglich ist hiervon die Mitteilung über die Form der Anlageberatung erfasst, sodass alle Bestandskunden zum Inkrafttreten des HABG am 01. 08. 2014 über die Beratungsform informiert werden mussten.246 cc) Fazit Eine bewusste Entscheidung des Anlegers zwischen den beiden Beratungsformen aufgrund der neu eingeführten Aufklärungspflicht ist tatsächlich nicht eingetreten.247 Vielmehr erhält der Anleger nur den Hinweis, dass im Folgenden „wie immer“ keine Honorar-Anlageberatung erbracht wird. Da er seiner Ansicht nach noch nie eine Vergütung und tatsächlich auch noch nie ein Honorar bezahlt hat, fällt ihm folglich die neue Beratungsform als solche nicht auf.248 Eine Verbreitung der Honorar-Anlageberatung, bzw. die Möglichkeit einer bewussten Entscheidung durch die Aufklärung, ist somit von vorneherein nicht gegeben. Den Instituten ist hier jedoch kein Vorwurf zu machen, da ihnen nicht auferlegt werden kann, die Vorteile eines Konkurrenzmodels zu erläutern. Hier hätte der Gesetzgeber die Initiative ergreifen müssen, bspw. in Form von medialer Aufklärung, um die Honorar-Anlageberatung als neue gesetzliche Form bekannt zu machen und zu erläutern.249 So könnte bspw. der Gesetzgeber Informationsblätter erstellen, in denen er objektiv die Vor- und Nachteile gegenüberstellt.250 Bei der Erstellung eines solchen Informationsblattes sollten die jeweiligen Verbände mit einbezogen werden, um die Neutralität zu gewährleisten. Eine verpflichtende Zurverfügungstellung dieser Information im Vorfeld der Beratung bräuchte es jedoch nicht.251 Dies wäre ein zusätzliches Blattpapier auf dem ohnehin stetig wachsenden Stapel an Informationen, die der Kunde im Vorfeld und während der Beratung sammelt. Daher liegt die Vermutung nahe, dass dieses ohne registriert zu werden eingesammelt und im besten Falle abgeheftet wird. Vielmehr sollte diese Information als Broschüre ausgestaltet und ausgelegt werden, um das allgemeine Interesse des Kunden an dem Thema Beratung zu wecken. Eine solche Regelung ist zwar auf europäischer Ebene nicht vorgesehen. Sie hätte jedoch zusammen mit allen weiteren deutschen Sonderregelungen angezeigt werden können, da diese Regelung die deutsche Sondersituation des gewachsenen Provisions246

Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 190. s. dazu die Auswertung der Experteninterview 2. Teil E.III. 248 Vgl. Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 249 I. E. Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 261, die von einem echten Marketing-Nachteil für seriöse Provisionsberatung sprechen; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 347 f.; zum „Informationskampagnenvorteil“ s. Habschick/Evers, Anforderungen an Finanzvermittler – mehr Qualität. Bessere Entscheidungen. Zur positiven grundrechtlichen Zulässigkeit solcher „Werbung“ für die Honorar-Anlageberatung s. Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 347 f. 250 So auch der Vorschlag von DIE LINKE, Entschließungsantrag vom 29. 03. 2017, BTDrs. 18/11788, S. 3 Nr. 2. 251 A.A. DIE LINKE, Entschließungsantrag vom 29. 03. 2017, BT-Drs. 18/1788, S. 3 Nr. 2. 247

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2. Teil: Zuwendungen

markts und die fehlende Kenntnis des deutschen Anlegers über die Beratungsformen berücksichtigt und aufhebt. d) Die Finanzmarktanalyse Des Weiteren regelt § 31 Abs. 4c WpHG die Grundlagen des Beratungsgesprächs. Zum einen nach Abs. 1 S. 1 Nr. 1, die der Beratung zugrundeliegenden Anlageobjekte und in Abs. 1 S. 1 Nr. 2 die für die Beratung erhaltenen Zuwendungen. aa) Hinreichender Marktüberblick Gem. § 31 Abs. 4c Nr. 1 WpHG muss der Honorar-Anlageberater über einen Marktüberblick und damit über Kenntnisse des der Beratung zugrundeliegenden Angebotsspektrums verfügen.252 Er muss daher für seine Anlageempfehlung eine hinreichende Anzahl an Finanzinstrumenten überprüfen. Das Tatbestandsmerkmal hinreichend wird durch den am 01. 08. 2014253 neu eingeführten § 5b WpDVerOV konkretisiert. Dieser legt fest, dass mit der hinreichenden Anzahl nur solche Finanzinstrumente als Menge erfasst werden sollen, die für den Anleger i.S.d. § 31 Abs. 4 S. 2 WpHG geeignet sind.254 Geeignet sind diese, wenn sie für den Kunden aufgrund seiner Erfahrung verständlich sind, seinen Anlagezielen entsprechen und die Risikoerwartungen des Anlegers berücksichtigen.255 Aufgrund der Kundenbezogenheit der Analyse, ist deren Umfang im Einzelfall zu bestimmen.256 Mit der Einführung von § 5b WpDVerOV wurde zugleich die Diskussion um die vollständige Marktanalyse257 obsolet.258 252 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 15; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112c; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120d. 253 Durch die zweite Verordnung zur Änderung der Wertpapierdienstleistungs- Verhaltensund Organisationsverordnung. 254 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 204; Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 515; Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 173; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120d. 255 Rothenhöfer, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 31 WpHG Rn. 269; Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 487. 256 Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 516; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112c; Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 174. 257 Hier wurde in Anlehnung an die bereits zu § 60 VVG bestehende Problematik diskutiert, dass nicht alle Finanzprodukte in die Bewertung einbezogen werden müssen, sondern eine objektive und ausgewogenen Untersuchung mit einem am Einzelfall zu bestimmenden Umfang ausreichend ist. 258 Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 516; Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 174 f. s. dazu die Erläuterung des Bundesministeriums für Finanzen zur zweiten Verordnung zur Änderung der Wertpapierdienstleistungs- Verhaltens- und Organisationsverordnung zu Nr. 3 (s. 2. Teil, Fn. 239). Zu beachten ist zudem, dass aufgrund der Verortung der Honorar-Anlageberatung im WpHG und deren ausschließlicher Anwendbarkeit auf Wertpapiere und Vermögensanlagen

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Des Weiteren müssen die der Empfehlung zugrundeliegenden Angebote auch hinsichtlich ihrer Art (§ 31 Abs. 4c Nr. 1 lit. a) WpHG) sowie der Emittenten und Anbieter der Anlageobjekte (lit. b)) hinreichend breit gestreut sein. Diese Voraussetzung wird ebenfalls von § 5b WpDVerOV dahingehend konkretisiert, dass von dem Tatbestandsmerkmal auf dem Markt angebotene Finanzinstrumente nur solche erfasst werden, die mit vertretbarem Aufwand verfügbar sind. Zugleich muss für die Streuung sowohl eine Unterscheidung hinsichtlich Funktionsweise und Ausstattung, als auch nach Art und Umfang der Risiken sowie für die Kosten vorgenommen werden, § 5b Abs. 2 WpDVerOV. Es muss folglich eine Auswahl stattfinden, die eine repräsentative Vielzahl widerspiegelt und zugleich bestmöglich den individuellen Kundeninteressen gerecht wird.259 Die Befürchtung der Finanzdienstleister, dass es aufgrund des ungeklärten Tatbestandsmerkmals hinreichend und der daraus bestehenden Haftungsgefahr gem. § 280 Abs. 1 BGB zu negativen Auswirkungen auf die Honorar-Anlageberatung kommen könnte, wurde so seitens des Gesetzgeber verhindert.260 Zugleich sollen mit den vorgestellten Regelungen Art. 24 Abs. 7 lit. a) MiFID II sowie die Konkretisierungen von ESMA bzw. der Kommission umgesetzt werden, die ebenfalls eine solche Streuung verlangen (s. 2. Teil A.I.3.a) und 2. Teil A.I.4.b)aa)).261 Es fehlen jedoch die Verhältnismäßigkeitserwägungen hinsichtlich des Umfangs der Finanzdienstleistung und der Eigenständigkeit der Finanzunternehmen.262 Sowohl auf europäischer Ebene als auch im nationalen Recht wird auf eine Mindestanzahl verzichtet und zugleich eine Berücksichtigung der Kosten, Risiken und der Komplexität des Produkts gefordert. Anders als in der deutschen Gesetzgebung, ist es auf europäischer Ebene erlaubt, die Auswahl auf ein bestimmtes Segment zu konzentrieren, sofern dadurch immer noch ein Vergleich unterschiedlicher Anbieter mit verschiedenen Instrumenten möglich ist.263 Eine solche Regelung findet sich auch im britischen Recht (s. 2. Teil C.II.1.b)aa)(2)). Dies will der deutsche Gesetzgeber mit der Erweiterung der Vorgaben im 2. FiMaNoG nachholen (s. 2. Teil A.II.4.). Auch Nr. 1 lit. b) entspricht dem in Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. a) ii) MiFID II verankerten Prinzip, dass eine Beschränkung auf Eigenemissionen unzulässig ist.264

weitere Produkte wie Versicherungen, Darlehen, Bausparverträge, Mantelprodukte in der Analyse nicht zu berücksichtigen sind, s. Reiter/Methner, WM 2013, 2053, 2057. 259 Erläuterung des Bundesministeriums für Finanzen zur zweiten Verordnung zur Änderung der Wertpapierdienstleistungs- Verhaltens- und Organisationsverordnung zu Nr. 3 (s. 2. Teil, Fn. 239); Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 518. 260 Auf die Gefahr machten die Verbände früh aufmerksam, s. Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 38 m.w.N. 261 Voß, in: J/R/V/B, WpHG, § 31 Rn. 519. 262 Vgl. Voß, in: J/R/V/B, WpHG, § 31 Rn. 520. 263 Voß, in: J/R/V/B, WpHG, § 31 Rn. 520. 264 Voß, in: J/R/V/B, WpHG, § 31 Rn. 521.

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2. Teil: Zuwendungen

bb) Keine rechtliche oder wirtschaftliche Verflechtung Gem. § 31 Abs. 4c Nr. 1 HS. 1 1. Alt. WpHG dürfen nicht nur solche Anlageobjekte ausgewählt werden, zu dessen Emittenten oder Anbieter eine enge Beziehung besteht. Ausweislich der Gesetzesbegründung liegt eine enge Verbindung vor, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 10 KWG a.F.265 erfüllt sind und somit das WpDU unmittelbar oder mittelbar 20 % der Stimmrechte oder des Kapitals an dem Emittenten hält.266 Dies gilt gem. HS. 1 Alt. 2 auch für Emittenten mit denen das WpDU in sonstiger Weise wirtschaftlich verflochten ist. Die wirtschaftliche Nähebeziehung wird durch die Gesetzesmaterialien beispielhaft konkretisiert.267 Eine solche besteht auch beim Vertrieb von Produkten der sog. hauseigenen Emittenten oder Anbietern, wenn der Träger ein Finanzverband, bzw. eine Finanzgruppe ohne rechtliche Konzernqualität, ist und dadurch die Emittenten/Anbieter als hauseigen qualifiziert werden.268 Hiervon wären bspw. sämtliche Sparkassen betroffen. Auffällig ist, dass die Verhaltens- und Informationspflichten strenger angelegt sind, als bislang durch die Rechtsprechung auf zivilrechtlicher Ebene ausgestaltet (s. 2. Teil A.II.1.b)).269 Diese erlaubt bei gleichzeitiger Erkennbarkeit die Beschränkung auf hauseigene Produkte.270 Durch die hiervon abweichende Regelung zeigen sowohl der europäische, als auch der deutsche Gesetzgeber konkludent, dass sie in dieser Konstellation keine Offenkundigkeit des Interessenkonflikts erkennen und daher anders als der BGH eine Aufklärungspflicht einführen. Schließlich ist die Auflösung der Interessenkonflikte eines der Ziele der MiFID II und des HABG. e) Strengeres Zuwendungsverbot § 31 Abs. 4c Nr. 2 WpHG legt ein weiterreichenderes Zuwendungsverbot fest, als bisher in § 31d WpHG für die provisionsbasierte Anlageberatung geregelt ist.271 Die Honorar-Anlageberatung soll sich allein durch das privatautonom ausgehandelte Beratungsentgelt tragen, welches seitens des Kunden an den Berater zu zahlen ist.272 Um dies zu gewährleisten, werden sämtliche Provisionszahlungen verboten; auch 265

Aufgehoben. Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 15; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112d; Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 107; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120d. 267 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295 S. 15, bspw. besteht eine enge Verbindung über einen Interessenverband, einen Finanzverband oder eine Finanzgruppe. 268 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 15. 269 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101,108. 270 BGHZ 170, 226 = NJW 2007, 1876, 1878 Rn. 21; Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 108. 271 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 15; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112e. 272 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 15; Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 179; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120e. 266

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

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solche, die gem. § 31d WpHG erlaubt wären.273 Der Gesetzeswortlaut ist hierzu eindeutig, indem er ausdrücklich die Annahme von „[…] nicht monetäre[n] Zuwendungen von einem Dritten, der nicht Kunde dieser Dienstleistung ist oder von dem Kunden dazu beauftragt worden ist[…]“274, untersagt. Bedenklich ist jedoch, dass der Zuwendungsbegriff in § 31 Abs. 4c WpHG nicht neu definiert wird und eine Übertragung des Begriffs aus § 31d Abs. 2 WpHG aufgrund der Beschränkung im Wortlaut auf § 31d ausscheidet.275 Ausweislich der Gesetzesbegründung, soll dieser dennoch für die Honorar-Anlageberatung gelten, da damit ein „[…] über § 31d WpHG hinausgehendes Zuwendungsverbot […]“276 geschaffen werden kann.277 aa) Indirekte Ausnahme Ein vollständiges Zuwendungsverbot wurde analog zur europäischen Gesetzgebung ebenfalls nicht eingeführt, da Zuwendungen monetärer Art ausweislich des Wortlautes grds. angenommen werden dürfen, wenn diese nicht „im Zusammenhang“ mit der Honorar-Anlageberatung stehen.278 Unter Berücksichtigung der Wertung von § 31d WpHG, muss der Zusammenhang jedoch eng ausgelegt werden, sodass bereits ein mittelbarer Bezug ausreichend ist, um einen Interessenkonflikt zu gerieren.279 Ausdrücklich erfasst sind – anders als im Entwurf280 – auch Zuwendungen, die von einem Dritten, bzw. von einem durch den Kunden beauftragten Dritten, an das WpDU geleistet werden, da es keinen Unterschied macht, ob das Unternehmen die Vergütung durch einen Dritten erhält oder direkt selbst einbehält (bspw. bei Aufgabeaufschlägen).281 Dies ist in der Provisionsberatung gem. § 31d WpHG noch möglich.282 Eine solche Regelung ist, insb. vor dem Negativbeispiel aus Großbritannien (s. 2. Teil C.III.), zu begrüßen. Anderenfalls könnte mit dem Kunden vereinbart werden, dass dieser den Produktanbieter anweist, dem Berater eine aus seinem Anlagebetrag entnommene Summe als Provision zu zahlen.

273

Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 205. § 31 Abs. 4c Nr. 2 S. 1 WpHG. 275 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 109. 276 Begr. RegE AnsFuG, BR-Drs. 814/12, S. 14. 277 Begr. RegE AnsFuG, BR-Drs. 814/12, S. 14; Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 109. 278 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 109. 279 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 109; Koch, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 31d WpHG Rn. 28; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31d Rn. 10 f. 280 s. hierzu noch negativ bewertend Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 109. 281 So zum Entwurf Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 109. 282 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31d Rn. 21 ff. 274

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2. Teil: Zuwendungen

bb) Direkte Ausnahme § 31 Abs. 4c Nr. 2 S. 3 WpHG statuiert zusätzlich eine ausdrückliche Ausnahmeregelung, indem monetäre Zuwendungen dann angenommen werden dürfen, wenn das Anlageprodukt nicht zuwendungsfrei zu erlangen ist. Dies gilt nur, wenn auch kein gleichartiges bzw. gleichgeeignetes Anlageobjekt am Markt verfügbar ist. Nach Annahme und Erhalt der Zuwendungen durch das WpDU müssen diese vollständig und unverzüglich an den Kunden ausgekehrt werden.283 Für die Beurteilung, ob auch tatsächlich kein gleichgeeignetes, zuwendungsfreies Anlageobjekt am Markt verfügbar ist, soll eine hinreichende Anzahl von Finanzprodukten i.S.d § 31 Abs. 4c Nr. 1 WpHG berücksichtigt werden.284 Darüber hinaus ist bislang nicht weitergehend festgelegt worden, wann Finanzprodukte als gleichartig angesehen werden.285 Die Feststellung einer Gleichartigkeit wirft einige Schwierigkeiten aufgrund der Vielzahl der Gestaltungen und Strukturmerkmale der einzelnen Produkte auf. Nur weil ein Produkt der gleichen Kategorie angehört, ist es nicht vergleichbar.286 So können Produkte unterschiedlicher Produktgruppen trotz verschiedener Ausgestaltung die gleiche Wirkung haben. In einem solchen Fall wäre fraglich, ob diese gleichartig i.S.d. § 31 Abs. 4c Nr. 2 S. 2 WpHG sind, wenn sich der Kunde bspw. ausdrücklich für eine bestimmte Produktgruppe entschieden hat.287 Letztlich wird es auf den Einzelfall ankommen, welche Produkte gleichartig sind. Einer stärkeren Transparenz, wie sie der Gesetzgeber erzielen wollte, ist hiermit nicht gedient. Ebenfalls birgt der Begriff Rechtsunsicherheit, sodass hier eine Nachjustierung wünschenswert ist. Darüber hinaus führt der Gesetzgeber durch das Merkmal der Gleichartigkeit als Voraussetzung zur Annahme von Zuwendungen ein weiteres Kriterium ein, welches die europäische Regelung nicht vorsieht.288 Die Regelung der Annahme von monetären Zuwendungen ist zudem in einer Nuance strenger.289 Denn gem. Art. 24 Abs. 7 lit. b) MiFID II dürfen diese nicht angenommen und behalten werden. Die Annahme ist also nur dann verboten, wenn die Zuwendung auch behalten wird. Möglich bleibt sie jedoch immer, wenn die Provision vollständig an den Kunden

283 Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112i; Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 231; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120e. 284 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 15; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120d; dennoch unklar wie weitreichend diese Analyse sein muss DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 14 f. 285 DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 14 f. 286 s. dazu auch die Experteninterviewauswertung 2. Teil E.III.2.b). 287 Vgl. Yahiaoui, Interview v. 04. 04. 2017. 288 DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 14 f. 289 Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 200 m.w.N.; Stellungnahme-Bundesrat, BT-Drs. 18/ 11290, S. 7; vgl. auch Roth/Blessing, CCZ 2017, 163, 167.

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ausgekehrt wird. Auf nationaler Ebene geht dies jedoch nur, wenn kein gleich geeignetes Finanzprodukt am Markt verfügbar ist.290 Der skizzierten Ausnahmeregelung liegt die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, dass ein absolutes Provisionsverbot die Auswahl der am Markt verfügbaren Finanzprodukte über die Maße einschränken würde, da nicht berücksichtigt wird, dass nicht jedes Finanzinstrument provisionsfrei zu erwerben wäre.291 Eine solche Einschränkung wiederspricht damit nach Ansicht des Gesetzgebers dem ursprünglichen Schutzzweck des Honorar-Anlageberatungsgesetzes.292 Diese Betrachtungsweise beruht jedoch auf der Fehlvorstellung, dass sich die am Markt erwerblichen Finanzprodukte in Produktgruppen mit und ohne Provision einteilen ließen; tatsächlich kann die Provision jedoch von den Parteien autonom verhandelt werden.293 Die Produktausgestaltung mit einer Provision ist in Bezug auf deren Struktur und Eigenschaft letztlich aber überflüssig, da keine Unterschiede im Vergleich zu provisionsfreien Produkten zu erkennen sind.294 Daher kann durchaus die Situation entstehen, dass der Kunde bei zwei konkurrierenden Unternehmen den gleichen Preis zahlen müsste, das eine Institut jedoch Provisionen erhält – welche nach der Neuregelung auszukehren wären – und das andere nicht.295 In dieser Konstellation wäre die Erlaubnis des Abschlusses des Geschäftes mit Provision, welche ausgekehrt werden muss, für den Kunden vorzugswürdiger.296 cc) Unterschiedliche Behandlung von monetären und nicht-monetären Zuwendungen Insgesamt zeigt sich, dass für nicht-monetäre Zuwendungen ein vollständiges Verbot vorliegt und auch die in Ausnahmefällen erhaltenen monetären Zuwendungen nicht von dem WpDU einbehalten werden dürfen, sondern an den Kunden weitergeleitet werden müssen. Anders ist dies in Art. 24 Abs. 7 lit. b) MiFID II auf europäischer Ebene geregelt; hier sind nicht-monetäre Zuwendungen grds. erlaubt.297

290 Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 200. Zur Kritik s. DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 14 f. 291 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 15; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 205. 292 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 15; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 205. 293 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 110; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120 f.; vgl. auch Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 294 Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 295 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 110. 296 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120 f. 297 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120k.

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dd) Kritik (1) Sinkendes Beratungsniveau und steigende Kosten Das Annahmeverbot von nicht-monetären Zuwendungen betrifft auch Produktschulungen sowie Informationsmaterialien/-veranstaltungen.298 Diese sind einerseits als Verkaufsveranstaltungen des Emittenten anzusehen.299 Andererseits bieten diese dem Berater die Möglichkeit, innerhalb kürzester Zeit alle für ihn notwendigen Produktinformationen zu erhalten und dem Emittenten direkt (kritische) Fragen zu stellen.300 Durch ein Teilnahmeverbot an solchen Schulungen ist der Berater auf anderweitige Informationsbeschaffung angewiesen. Dadurch wird letztlich die Gefahr der einseitigen Information durch den Emittenten minimiert. Zugleich reduziert sich das Risiko, dass der Berater aus Bequemlichkeit nur solche Produkte empfiehlt, die er ohne Aufwand bei Produktschulungen kennengelernt hat. Die eigenständige Produktrecherche ist jedoch zeitintensiver301 und nimmt grds. mehr Personen in Anspruch. Dies wirkt sich zum einen auf die Beratungshonorare aus und zum anderen auf die Bereitschaft der Unternehmen die Honorar-Anlageberatung überhaupt einzuführen. Denn solange der kostengünstigere und einfachere Weg der Provisionsberatung, bei der Produktschulungen besucht werden dürfen, bestehen bleibt, steht zu erwarten, dass dieser präferiert wird.302 Andererseits kann dies auch dazu führen, dass sich die Honorar-Anlageberater (bspw. aus Zeitgründen) weniger kritisch mit Informationen auseinandersetzen, um vermeintlich attraktive Honorarmodelle anbieten zu können. Dadurch wäre das Beratungsniveau gefährdet, was letztlich die Akzeptanz, überhaupt ein Honorar für die Beratungsleistung zu zahlen, weiter senken würde. Die Möglichkeit an den Produktschulungen gegen Entrichtung einer Gebühr teilzunehmen, stellt die meisten Schulungsanbieter derzeit noch vor ein Berechnungsproblem.303 Zum einen sind überwiegend Pauschalen für die Verpflegung sowie Raummiete etc. vereinbart und zum anderen, darf der Preis nicht zu hoch sein, damit sich die Honorar-Anlageberater die Teilnahme noch leisten können, aber auch nicht zu niedrig, sodass wiederum von einer Zuwendung gesprochen werden kann.304 Die Zielvorstellung des Gesetzgebers, die Honorar-Anlageberatung zu einer echten Alternative der Provisionsberatung zu etablieren, konnte so nicht in der Praxis umgesetzt werden. Daher sollte der Gesetzgeber besser dem europäischen Vorbild 298 s. BVI, Stellungnahme Referentenentwurf 2. FiMaNoG; ders., Stellungnahme in der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 5; Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/ 11290, S. 8. 299 Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 300 Hermann, Interview v. 12. 12. 2016; Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 301 Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 302 I. E. allgemein Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 105. 303 Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016; Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 304 Ausf. Siewert, Interview v. 28. 09. 2016.

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der MiFID II folgen und weiterhin nicht-monetäre Zuwendungen erlauben, da die Nachteile des Verbotes die Vorteile überwiegen, oder Bagatellgrenzen bzw. Regelungen für Produktinformationen einführen. (2) Bagatellgrenze notwendig Wie sich in der Praxis gezeigt hat,305 ist die strengere Anforderung keine nichtmonetären Vorteile anzunehmen für die WpDU durchaus eine Belastung. So müssen bspw. sämtliche Weihnachtsgeschenke, wie kleine Taschenkalender im Wert von 5 Euro, zurückgeschickt werden.306 Hier entstehen administrativer Aufwand und erhebliche Portokosten. Aber auch der Kaffee während des Geschäftstermins darf nicht vom Geschäftspartner übernommen werden. Hier sollte der Gesetzgeber eine Bagatellgrenze einführen, da der einzelne Kaffee oder der Taschenkalender nicht mit der Ursprungsintention des Gesetzgebers erhebliche Beeinflussungen durch nichtmonetäre Vorteile, wie bspw. durch die Einladung zur Produktschulung auf Mallorca mit der Familie, entspricht. Der Gesetzgeber wird nicht ernsthaft glauben können, dass sich ein Berater von einem 5-Euro-Kalender beeinflussen lässt.307 Dies würde dem Berater nämlich zum einen sämtlichen gesunden Menschenverstand absprechen und zum anderen die Praxis der hausinternen Anlagepolitik308 vollständig außer Acht lassen. Allerdings muss in solchen Fällen auch der Eindruck auf den Kunden berücksichtigt werden, der dadurch entsteht, dass der Honorar-Anlageberater mit dem Kugelschreiber des Fonds X und dem Taschenkalender des Fonds Y während des Beratungsgesprächs arbeitet. Um keinen getrübten Eindruck der Unabhängigkeit in solchen Situationen entstehen zu lassen, könnten hierfür jedoch interne Leitlinien des WpDU erstellt werden, dass dieser bspw. diese Kugelschreiber während des Beratungsgesprächs nicht nutzt oder die Beratungsräumlichkeiten neutral zu gestalten sind. Auf rechtlicher Ebene besteht ausdrücklich keine Bagatellgrenze, jedoch kann ein solcher Graubereich auf praktischer Ebene entstehen. Für die BaFin ist es nicht möglich, zu kontrollieren, ob der Berater eine Tasse Kaffee auf einer Veranstaltung konsumiert hat, obwohl er diese nicht in Rechnung gestellt bekommen hat. Aus einer solchen, einmaligen Situation wird sich keine Beeinflussung ableiten lassen, sodass sie toleriert werden kann. Einige WpDU stellen hierzu interne Regelungen auf, um auch diesen Bereich transparent abzudecken.309 Für die Rechtssicherheit wäre eine offizielle Regelung, die diesen praktischen Graubereich erlaubt und in Gesetzestext gießt, wünschenswert. Diese nicht-mone305

s. Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016; Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016. 307 Vgl. Lange, Interview v. 18. 01. 2017. 308 s. Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016. 309 s. Siewert, Interview v. 28. 09. 2016, der darauf hinweist, dass die BaFin dann nicht einschreitet. 306

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tären Zuwendungen, die unterhalb der Bagatellgrenze liegen, sollten dann jedoch nach europäischem Vorbild offen gelegt werden. (3) Keine Unabhängigkeit der Anlageentscheidung von der Provision? Die Kritik,310 der Kunde könne gezielt mit der Durchleitung der Provisionen geworben werden, geht fehl. Zwar minimiert sich der Beratungsbetrag um die entsprechende Provision, sodass sich der Berater dadurch als „günstiger“ gerieren kann. Diese Situation wäre aber letztlich ein positiver Aspekt für den Wettbewerb unter den Honorar-Anlageberatern, da die Provision nur in o.g. Ausnahmefällen angenommen und durchgeleitet werden darf. Zudem ließe sich dieser Effekt auch durch Neukundenrabatte oder günstige Folgegebühren erzielen.311 Diese müsste jedoch der Berater finanzieren, während er von der Durchleitung der Zuwendungen keinen wirtschaftlichen Nachteil hat. Daraus ergibt sich jedoch, dass der Berater kein finanzielles Eigeninteresse bei der Durchleitung der Provisionen verfolgt. Somit liegt bei dieser Konstellation nicht der eigentliche Interessenkonflikt vor, den die Honorar-Anlageberatung verhindern soll. Die Befürchtung, der Berater ließe sich dennoch – um den Kunden zu werben – von der Provision beeinflussen, ist auch deshalb kaum haltbar, weil die Fälle, in denen es kein gleich geeignetes Produkt ohne Provision gibt, gegen null tendieren.312 f) Strengere nationale Zuwendungsregulierung im europäischen Vergleich Insgesamt sind die deutschen Ausnahmeregelungen für die Annahme von Zuwendungen strenger als auf europäischer Ebene gefordert (s. 2. Teil A.II.2.e)bb) und 2. Teil A.II.2.e)aa)).313 Zwar ist die MiFID II an dieser Stelle vollharmonisierend (s. 1. Teil E.II.), allerdings enthält Art. 24 Abs. 12 MiFID II eine Öffnungsklausel unter der Voraussetzung, dass strengere nationale Regelungen notwendig sind, um Gefahren oder Risiken zu verhindern, die durch die europäischen Regelungen nicht abgedeckt werden. Der deutsche Gesetzgeber hat, wie in der Ausnahmeregelung vorgesehen, eine Mitteilung an die Kommission gesendet,314 in der er erklärt, dass solche Regelungen, 310 vzbv, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 17; Mattil & Kollegen, Stellungnahme 2. FiMaNoG, S. 5 f.; Reiter/Methner, WM 2013, 2053, 2058 „Schnäppcheneffekt“. 311 Vgl. Lange, Interview v. 18. 01. 2017. 312 Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 313 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120k; Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 200. 314 Mitteilung der Regierung der Bundesrepublik Deutschland an die Europäische Kommission vom 27. 06. 2014, abrufbar unter: https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/file_import/ de_art_4_0_de_0.pdf (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018).

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wie sie der deutsche Gesetzgeber durch das HABG eingeführt hat, auf europäischer Ebene nicht vorhanden sind. Daher besteht Handlungsbedarf die Honorar-Anlageberatung zu fördern, was auch der europäische Gesetzgeber erkannt hat. Des Weiteren wird ausgeführt, dass durch die Einführung des HABG eine Harmonisierung mit dem europäischen Recht durch die MiFID II stattfinden soll. Hier ist jedoch anzumerken, dass die Mitteilung noch auf Grundlage der MiFID IRegelungen erfolgte und der europäische Gesetzgeber zu diesem Zeitpunkt an der MiFID II-Regelung zur unabhängigen Beratung arbeitete.315 Es bestand also kein akuter Handlungsbedarf und damit kein Grund die Regelungen der MiFID II nicht abzuwarten. Gegenteiliges führt die Regierung in ihrer Mitteilung nicht an. Die Ausführung, dass auf diese Weise eine Harmonisierung mit dem europäischen Recht stattfinden soll, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Denn wie gezeigt, weichen die nationalen Regelungen deutlich von den europäischen Vorgaben ab.316 Der Gesetzgeber geht jedoch auch im 2. FiMaNoG zur Anpassung der Regelungen an die MiFID II von der Übereinstimmung aus und hat daher keine weitere Mitteilung an die Kommission vorgenommen. Solche Alleingänge sind, vor dem Ziel des einheitlichen europäischen Regelwerks, abzulehnen.317 g) Zusätzliche Regelungen auf nationaler Ebene Der Gesetzgeber hat nicht nur im vorauseilenden Gehorsam die von ihm erwarteten Regelungen der MiFID II im HABG umgesetzte, sondern auch darüber hinausgehende Regelungen getroffen. Diese sollen im Folgenden dargestellt und bewertet werden. aa) § 31 Abs. 4d WpHG (1) Aufklärung über Interessenkonflikte § 31 Abs. 4d S. 1 WpHG regelt die ausreichende Information und die Aufklärung über bestehende Interessenkonflikte. Dafür muss das WpDU darüber aufklären, „[…] dass es selbst Anbieter oder Emittent der Finanzinstrumente ist“ (Nr. 1), „[…] dass eine enge Verbindung oder eine sonstige wirtschaftliche Verflechtung zum Anbieter oder Emittenten besteht, “ (Nr. 2) oder, dass ein „[…] eigene[s] Gewinninteresse[s] oder das Interesse eines mit ihm verbundenen oder wirtschaftlich verflochtenen Emittenten oder Anbieters an dem Geschäftsabschluss“ besteht (Nr. 3). In diesen Fällen sollte kein Verbot eingeführt werden, da ansonsten in dieser Situation geeignete Finanzinstrumente dem Anleger nicht zugänglich gemacht

315 316 317

Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 204 „merkwürdig anmutend“. Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 204. s. ebenfalls Feck, Interview v. 09. 01. 2017.

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2. Teil: Zuwendungen

werden könnten.318 Die daraus resultierenden Interessenkonflikte sollen mittels rechtzeitig vor der Empfehlung erfolgender und verständlicher Aufklärung des Kunden ausgeräumt werden.319 Folglich handelt es sich bei diesen Informationspflichten um eine Präzisierung des Verbots der Interessenkollision bei der Anlageberatung.320 Es mag stimmen, dass die Einführung einer Offenlegungspflicht der genauen Summe, die das WpDU oder das mit ihm verflochtene Unternehmen erhält, anlegerfreundlicher gewesen wäre, da der Kunde durch die exakte Höhe das Eigeninteresse besser bewerten und in seine Anlageentscheidung miteinbeziehen kann.321 Ihm wird jedoch durch die neu eingeführte Offenlegung das Eigeninteresse deutlich gemacht. Es macht sicherlich einen Unterschied, ob sich das Gewinninteresse im drei- oder vierstelligen Bereich bewegt, jedoch hat der Anleger keinen Referenzwert über die Gewinnmarge anderer Emittenten zum Vergleich.322 Der Zahl fehlt es folglich an Aussagekraft. Indem in der Honorar-Anlageberatung zusätzliche Voraussetzungen geschaffen wurden, das am besten geeignetste Produkt für den Kunden herauszufiltern, ist die Möglichkeit auf eigene oder verbundene Produkte zurückzugreifen, bereits nicht mehr ohne Weiteres möglich.323 Der Anreiz, auf diese zurückzugreifen, wird zusätzlich durch den erhöhten Begründungsaufwand und die Offenlegungspflicht vermindert. Mithin ist der Kunde ausreichend geschützt. Das Argument, dass der Kunde solche Offenlegungshinweise nicht immer wahrnimmt und deshalb nicht von der Einschränkung der Unabhängigkeit Kenntnis erlangt,324 kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Denn hierbei handelt es sich um ein allgemeines Problem der Informationsüberlastung, welches durch ein Gesamtkonzept aufgelöst werden muss. Dem Anleger seine freie und eigenbestimmte Entscheidung durch ein Verbot zu nehmen, ist nicht gerechtfertigt. Es darf an dieser Stelle jedoch nicht übersehen werden, dass dem WpDU – anders als anderen Verkäufern – auferlegt wird, dem Kunden deutlich zu machen, dass es mit dem Abschluss des Vertrags eigene Gewinninteressen verfolgt.325

318 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 15; Kurz, DB 2014, 1182, 1183; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120g. Damit bleibt auch der Vorschlag des Bundesrats, ein generelles Verbot von Geschäften mit eigenen oder dem WpDU nahestehenden Finanzanlageprodukte einzuführen, unbeachtet, s. Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 17/12295, S. 22. 319 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 25; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112k; zum Interessenkonflikt Buck-Heeb, WM 2012, 625, 629; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112k. 320 Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 43; Kirchhartz, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 3 Rn. 82. 321 Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 43. 322 s. deshalb die Einführung der Äquivalenzwerte in Großbritannien, 2. Teil C.I. 323 Siewert, Interview v. 23. 09. 2017. 324 s. Mattil & Kollegen, Stellungnahme 2. FiMaNoG, S. 5 f. 325 Kritisch Michels/Backes, Interview v. 15. 11. 2015.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

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Der Gesetzgeber gibt durch die Einführung dieser Offenlegungspflichten konkludent zu verstehen, dass er nicht gänzlich der bisherigen Rechtsprechungsauffassung des BGH folgt (s. 2. Teil A.II.1.b)). Nach dieser muss aufgrund der Offenkundigkeit des Interessenkonflikts gerade nicht über das Gewinninteresse beim Vertrieb eigener Produkte aufgeklärt werden.326 Hier mag der Gesetzgeber jedoch auch Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. a) ii) MiFID II im Blick gehabt haben. Dieser statuiert eine allgemeine Aufklärungspflicht des Kunden darüber, ob eine umfangreiche Analyse der Finanzinstrumente vorgenommen wurde und darüber, ob die Palette an Finanzinstrumenten auf Finanzinstrumente beschränkt ist, die von Einrichtungen emittiert oder angeboten wurden, die in enger Verbindung zu dem WpDU stehen. Es handelt sich hierbei also um eine allgemeine und nicht nur für die unabhängige Beratung geltende Aufklärungspflicht, sodass die hier besprochene Aufklärungspflicht seitens des deutschen Gesetzgebers falsch verortet wurde.327 Dies greift der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum RegE 2. FiMaNoG ebenfalls auf – allerdings ohne diese Begründung anzugeben.328 Er schlägt eine grds. Offenlegung des möglichen Interessenkonfliktes bei einer Vermischung von Anlageberatung mit dem Vertrieb von Finanzinstrumenten, die vom WpDU selbst oder einem eng verbundenen Unternehmen emittiert werden, vor.329 Hingegen sieht die Bundesregierung hier fälschlicherweise keinen Korrekturbedarf.330 (2) Verbot von Festpreisgeschäften § 31 Abs. 4d S. 2 WpHG verbietet darüber hinaus den Abschluss von Festpreisgeschäften im Rahmen der Honorar-Anlageberatung. Dieses wird dort erstmals legal definiert als „[…] Geschäft mit dem Kunden zu einem festen oder bestimmbaren Preis für eigene Rechnung […]“. Der Gesetzgeber begründet das Verbot mit der Unvereinbarkeit des Gewinnerzielungsinteresses im Festpreisgeschäft und der Unabhängigkeit des Honorar-Anlageberaters.331 Auch hier nimmt der Gesetzgeber eine andere Position ein, als der BGH (s. 2. Teil A.II.1.b)cc)(2)).332 Dieser lehnte bislang Aufklärungspflichten aufgrund der Offensichtlichkeit des Eigeninteresses für Gewinnmargen bei Festpreisgeschäften 326 BGH NJW 2013, 3574 Rn. 23; BGHZ 191, 119 = NJW 2012, 66 Rn. 44; BGH NJW-RR 2012, 43 Rn. 47; BGH NJW 2011, 2873 Rn. 19; OLG Hamburg ZIP 2010, 973, 974; OLG Köln BKR 2011, 334, 336; Koch, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 31d WpHG Rn. 88; Spindler, WM 2009, 1821, 1825; ders., in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 182, 120 g. 327 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 207; a.A. Poelzig, Stellungnahme zum Entwurf des 2. FiMaNoG im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 10. 328 Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/11290, S. 9. 329 Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/11290, S. 9. 330 Stellungnahme Bundesregierung, BT-Drs. 18/11290, S. 17. 331 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 15; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120h. 332 s. hierzu bereits Balzer auf dem Bankrechtstag 2014, Breilmann/Fuchs, WM 2013, 1437, 1444.

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2. Teil: Zuwendungen

ab.333 Allerdings enthält § 31 Abs. 4d S. 3 WpHG eine Ausnahmeregelung, nach der das Festpreisgeschäft ausnahmsweise zulässig ist, wenn dabei ein eigenes oder konzerninternes Finanzinstrument an den Kunden veräußert wird. Damit soll die Unmöglichkeit des Erwerbs eines solchen Finanzprodukts aufgrund fehlenden Sekundärmarkts in der Zeichnungsphase verhindert werden.334 Dem neuen Ansatz, den Interessenkonflikt in Form eines Verbotes aufzulösen, kann nicht gefolgt werden. Vielmehr hätte der Gesetzgeber hier ebenfalls zu einer vermittelnden Lösung durch Information greifen können, indem der Kunde über die Form des Ausführungsgeschäftes als Festpreisgeschäft aufgeklärt werden muss. Auf diese Weise wird dem WpDU das Festpreisgeschäft nicht grds. abgeschnitten und es hält gleichzeitig seine Pflicht, den Kunden bestmöglich zu beraten, ein. Wenn das WpDU dem Kunden erklärt, dass es sich um ein Festpreisgeschäft handelt, muss sich dieser nicht auf einzelne, für ihn oftmals schwer zu erkennende Anzeichen, verlassen. Ebenso weiß er dadurch, dass das Unternehmen eigene Gewinninteressen verfolgen könnte und kann die Empfehlung einordnen. Zwar mag hier das WpDU „doppelt“ durch das Honorar des Kunden und die Gewinnmarge verdienen,335 jedoch nur unter den zusätzlichen strengen Voraussetzungen der Marktanalyse und unter Aufklärung des Kunden. Die Lösung über die Aufklärung würde folglich Transparenz schaffen und die Honorar-Anlageberatung für WpDU nicht unattraktiver ausgestalten, als die Provisionsberatung. Vor allem würde so ein zu weites Auseinanderfallen der europäischen und der nationalen Regelung verhindert. bb) Honoraranlageberater-Register der BaFin Die Honorar-Anlageberatung hat nicht nur inhaltliche Regelungen erfahren, sondern auch Ordnungsregelungen, insb. durch § 36c WpHG. Dieser weist zwar einen Bezug zur europäischen Regelung auf, findet dort jedoch kein direktes Pendant.336 So braucht es auf nationaler Ebene für die Erbringung der Honorar-Anlageberatung einen Eintrag in das Honoraranlageberater-Register337 der BaFin, sodass der Begriff des Honorar-Anlageberaters einen Bezeichnungsschutz erfährt. (1) Ausschließlich formelle Prüfung der Voraussetzungen § 36c Abs. 1 WpHG verpflichtet die BaFin zur Führung eines öffentlich zugänglichen Registers für die Honorar-Anlageberater, welches von Jedermann auf der Internetseite der BaFin eingesehen werden kann. Damit kann vor der Beratung verifiziert werden, ob das WpDU, welches die Honorar-Anlageberaterbezeichnung 333

BGH NJW 2012, 66; BGH NJW-RR 2012, 43. Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 15. 335 Deshalb ablehnend Ahlers, Interview v. 20. 12. 2016. 336 Ritz, in: J/V/R/B, WpHG, § 36c Rn. 1. 337 Abrufbar unter: https://portal.mvp.bafin.de/database/HABInfo/ (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 334

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

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führt, auch tatsächlich die Voraussetzungen dafür erfüllt.338 Denn für die Aufnahme in das Register und damit für die Erlaubnis sich als Honorar-Anlageberater zu firmieren,339 müssen die in § 36c Abs. 2 WpHG genannten Voraussetzungen vorliegen. Demnach müssen die WpDU eine gültige Erlaubnis nach § 32 KWG für Bankgeschäfte bzw. Finanzdienstleistungen und nach § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 9 WpHG zur Erbringung von Anlageberatungstätigkeiten nachweisen, die Anlageberatung gem. § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 9 WpHG erbringen zu dürfen. Zugleich muss das WpDU i.S.d. § 33 Abs. 3a WpHG strukturiert sein. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen prüft die BaFin lediglich formell.340 Nur die Pflichten aus § 33 Abs. 3a WpHG werden mittelbar über den durch das WpDU vorzulegenden Prüfbericht kontrolliert.341 (2) Organisatorische Pflichten des WpDU Gem. § 33 Abs. 3a S. 1 WpHG muss das WpDU nachweisen, dass die HonorarAnlageberatung „organisatorisch, funktional und personell“ getrennt von der provisionsgestützten Beratung erbracht wird, bzw. es ausschließlich Honorar-Anlageberatung anbietet. Um dies zu erfüllen muss das WpDU sicherstellen, dass keinerlei Verflechtungen zur provisionsgestützten Beratung bestehen, also keine Einflussnahme möglich ist.342 § 12 Abs. 6 S. 2 Nr. 2 WpDVerOV bestimmt dazu, dass der Anlageberater, der die provisionsbasierte Beratungstätigkeiten erbringt, nicht zugleich auch unabhängige Beratungsleistungen anbieten darf. Dies entspricht nicht nur dem Gesetzeszweck, sondern auch der Vorgabe der Kommission (s. 2. Teil A.I.4.b)bb)). Allerdings muss sich nun der einzelne Berater entscheiden, ob er künftig die Provisionsberatung oder die Honorarberatung durchführen möchte, was sich in der Praxis gerade aufgrund langjähriger Kundenbeziehung – insb., wenn diese Kunden nicht in die vom Berater gewählte Beratungsform wechseln möchten – schwierig gestaltet.343 Speziell für kleine WpDU ist eine strikte Trennung aufgrund der bislang fehlenden Kundenresonanz für die Honorar-Anlageberatung unwirtschaftlich.344 Anders ist jedoch die Begründung des Gesetzgebers, der auch von einer Trennung der Leitung (direkter Vorgesetzter) spricht, zu verstehen.345 Dieses Verständnis ließe sich zum Teil durch die offene Formulierung in § 12 Abs. 6 WpDVerOV umsetzen. Dieser fordert, dass die Vertriebsvorgaben so ausgestaltet werden, dass kein Einfluss 338

Ritz, in: J/V/R/B, WpHG, § 36c Rn. 6. Begr. RegE HABG BT-Drs. 17/12295, S. 16; Tiefensee/Kuhlen, WM 2014, 2105. 340 Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 28. 341 Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 28. 342 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 16; Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 46; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120j. 343 s. Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016; Witteck, Interview v. 14. 09. 2016. 344 s. Witteck, Interview v. 14. 09. 2016; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120k. 345 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 16; Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 46; Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 110. 339

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2. Teil: Zuwendungen

auf die Honorar-Anlageberatung ausgeübt werden kann. Dies soll in Abhängigkeit von der Größe, der Organisation sowie der Art, des Umfangs und der Komplexität der Geschäftstätigkeit erfolgen. Demnach müsste jedenfalls die Beraterebene getrennt werden. Berät der übergeordnete Leiter ebenfalls aktiv, so ist auch dieser erfasst. Anderenfalls wäre er nur mittelbar mit der Koordination und der Aufsicht über die Honorar-Anlageberater mit der Honorar-Anlageberatung betraut.346 Dennoch könnte dieser durch entsprechende Anweisungen und indirekter Auswahl an Produkten, die Unabhängigkeit der im direkten Kundenkontakt stehenden Berater beeinflussen. Diese Problematik ließe sich jedoch durch die Einführung von Chinese Walls,347 wie diese bereits für die Compliance-Funktion im Unternehmen vorgesehen sind, verhindern.348 Es reicht also die funktionelle und räumliche Trennung sowie die Schaffung von Zutritts- und Zugriffsbeschränkung auf Daten. Diese Lösung würde sowohl dem Verständnis des nationalen als auch dem des europäischen Gesetzgebers entsprechen und die Belastung der WpDU so gering wie möglich halten.349 Darüber hinaus besteht ohne die Trennung auf unterster Ebene ein Restrisiko, ob der Berater tatsächlich die Bereiche trennen kann – mag dies auch mittels unterschiedlicher EDV-Software technisch möglich sein.350 Zusätzlich ist ein ständiger Wechsel zwischen den Beratungsformen als potentielle Fehlerquelle anzusehen, da bei der Honorar-Anlageberatung strengere Anforderungen beachtet werden müssen.351 Diese Problematik ist durch die Trennung auf Beraterebene aufgelöst. Außerdem lässt sich die Alternative der zweiten besonderen Beratungsform auch sichtbar für den Kunden darstellen, indem sie durch andere Berater durchgeführt wird.352

346

A.A. Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 185, die Meinung des Gesetzgebers habe keinen Anhaltspunkt im Wortlaut gefunden. 347 Diese halten die „[…] Auswirkungen von Interessenkonflikten zwischen dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen und seinen Kunden oder zwischen seinen verschiedenen Kunden möglichst gering“, s. BaFin, Rundschreiben 4/2010 (WA)-MaComp, Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, AT 6.2. Die Einhaltung der Chinese Walls wird mittels sog. Watch-Listen, nicht öffentlicher und laufend aktualisierter Listen mit den relevanten Produkten und Informationen, überprüft; zur Lösung des Problem mittels Chinese-Walls, s. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120j; ders., FS Säcker, 469, 483. 348 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120j. 349 s. zur Belastung Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120j. 350 Zur EDV-Software Michels/Backes, Interview v. 15. 11. 2016. 351 A.A. und damit keinerlei Risiken erkennend bei der Erbringung beider Beratungsformen durch einen Berater Walz, RdF, 2014, 198, 200. 352 So bereits ESMAs Vorstellung (2. Teil A.I.3.b)).

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

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cc) Bezeichnungsschutz gem. § 36d WpHG Gem. § 36d Abs. 1 WpHG dürfen die Begriffe des Honorar-Anlageberaters, der Honorar-Anlageberaterin und Honorar-Anlageberatung nur dann geführt werden, wenn das WpDU unter den Voraussetzungen des § 36c WpHG in das Register eingetragen wurde. Mit diesem Bezeichnungsschutz soll die Honorar-Anlageberatung mit den gesteigerten Wohlverhaltenspflichten für den Anleger sofort erkennbar werden und dadurch dessen Vertrauen gewinnen.353 § 36d Abs. 2 WpHG stellt Ausnahmen für ausländische Unternehmen auf354 und Abs. 3 regelt die Sanktionsbefugnis der BaFin bei Verstößen. (1) Schutzumfang: „Honorarberater“ erfasst? Nach dem Wortlaut von § 36d Abs. 1 WpHG sollen auch „abweichende Schreibweisen“ geschützt sein, in der die zuvor genannten Schreibweisen enthalten sind.355 Es folgt jedoch eine umfangreiche Aufzählung von Alternativen, der es – wenn tatsächlich jede abweichende Schreibweise hätte erfasst werden sollen – nicht bedurft hätte.356 Vielmehr soll durch diese Formulierung Schutz davor gewährt werden, dass bspw. Honorar-Anlageberatung ohne Bindestrich geschrieben wird und daraus unterschiedliche Konsequenzen entstehen.357 Die Aufzählung der zweiten Alternative, die das geschützte Wort verändert, zeigt deutlich dass das Wort als gesamtes und nicht die einzelnen Silben geschützt sind.358 Anderenfalls wären auch der „Berater“, der „Anlageberater“ und die „Anlageberatung“ entgegen des Schutzzweckes erfasst.359 Dies bestätigt der Vergleich mit § 39 Abs. 1 KWG, der die General-Begriffe „Bank“ und „Bankier“ sowie „jede Bezeichnung in der das Wort ,Bank‘ oder ,Bankier‘ enthalten ist“ umfasst, sodass der Gesetzgeber für einen

353

Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 16; Ritz, in: J/V/R/B, WpHG, § 36d Rn. 2. Hinsichtlich der Vereinbarkeit dieser Regelung mit dem europäischen Pass s. Ritz, in: J/V/R/B, WpHG, § 36d Rn. 14. 355 Ritz, in: J/V/R/B, WpHG, § 36d Rn. 4; ohne Angabe von Gründen befürwortend für abweichende Schreibweisen hingegen nicht für Abkürzungen wie Honorar-Berater Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 51 f.; Tiefensee/Kuhlen, WM 2014, 2105; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120i, der nur die explizit benannten Schreibweisen als geschützt betrachtet. 356 Tiefensee/Kuhlen, WM 2014, 2105, 2106; i.E. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 111. 357 Vgl. Tiefensee/Kuhlen, WM 2014, 2105, 2106. 358 Tiefensee/Kuhlen, WM 2014, 2105, 2106; Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 111. 359 Tiefensee/Kuhlen, WM 2014, 2105, 2106. Historisch kann auch durch das Eckpunktepapier des BMELV, Qualitätsoffensive Verbraucherfinanzen, Eckpunkte für eine gesetzliche Regelung des Berufsbildes der Honorarberatung, als Vorgänger des Gesetzesentwurfs keine andere Interpretation erfolgen. Dieses wurde zwar verworfen, aber in Folge des dortigen 3-Säulen-Modells wurde erheblich über die Beraterbezeichnung diskutiert, s. bspw. Entschließungsantrag DIE LINKE, BT-Drs. 17/13248, S. 4. 354

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2. Teil: Zuwendungen

umfassenden Schutz eine bestehende Vorlage gehabt hätte.360 Des Weiteren entstünden Rechtsunsicherheiten darüber, wie weit der Begriff bei abweichender Schreibweise noch geschützt ist. Es ist richtig, dass der durchschnittliche Anleger nicht auf die orthographische Schreibweise achtet361 und deshalb ohne weitere Aufklärung auch nicht den Unterschied zwischen Honorar-Berater und HonorarAnlageberater erkennen wird. Wird er jedoch ausdrücklich über diesen Unterschied aufgeklärt, kann er diesen auch beachten.362 Die missbräuchliche Verwendung von nicht geschützten Begriffen wie Honorarberater zur Irreführung des Anlegers fällt außerdem unter den Anwendungsbereich von §§ 3, 5 UWG und ist mithin verboten.363 Da derzeit solche Bezeichnungen am Markt gebräuchlich sind, wäre eine Klarstellung seitens des Gesetzgebers wünschenswert gewesen, ist jedoch auch nicht im 2. FiMaNoG erfolgt.364 (2) Schutzumfang: Beraterbezeichnung nur noch für die Honorar-Anlageberatung? Die darüber hinaus bestehende Forderung, die Benutzung der Bezeichnung „Beratung“ oder „beraten“ im Zusammenhang mit der provisionsbasierten Finanzdienstleistung zu verbieten,365 ist abzulehnen.366 Wie bereits festgestellt, ist die irreführende Nutzung von abgekürzten Bezeichnungen aufgrund von §§ 3, 5 UWG verboten (2. Teil A.II.2.g)cc)(1)). Zudem zeigt auch hier der Vergleich mit § 59 VVG,367 dass der Gesetzgeber eine entsprechende Vorlage zur Einführung einer solchen Regelung kannte und sich offensichtlich bewusst dagegen entschieden hat.368 Darüber hinaus bräuchte es bei entsprechender Aufklärung des Kunden über die unterschiedlichen Beratungsmodelle und den Interessenkonflikt durch Provisionen keine Begriffsjurisprudenz. Durch ein Verbot über die Führung der Beraterbezeichnung würde zudem konkludent der provisionsgestützten Tätigkeit, die Bera-

360

Tiefensee/Kuhlen, WM 2014, 2105, 2107. Vgl. Tiefensee/Kuhlen, WM 2014, 2105, 2107. 362 I. E. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 109. 363 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120i. 364 Ausf. 2. Teil A.II.4. Allerdings hat die Praxis hierauf größtenteils reagiert und entsprechende Bezeichnungen geändert, s. Beule, Stellungnahme, v. 09. 03. 2017. 365 Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 52. 366 So auch Tiefensee/Kuhlen, WM 2014, 2105, 2107; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120i. 367 Eine Verkürzung auf Berater oder Versicherungsberater verbietet § 59 VVG. Diese dürfen sich nur dann Versicherungsberater nennen, wenn sie keinen wirtschaftlichen Vorteil von einem Versicherer erhalten oder in anderer Weise von diesem abhängig sind. Wird die Dienstleistung über Provisionen vergütet muss die Bezeichnung Versicherungsvermittler, bzw. Versicherungsvertreter oder Versicherungsmakler geführt werden. 368 s. zur VVG Reform und dem Bezeichnungsschutz Tiefensee/Kuhlen, WM 2014, 2105, 2107; zur Unterscheidung von Beratern und Vermittlern Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 361

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

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tungsleistung an sich abgesprochen.369 Dies entspricht weder der Realität noch der Absicht des Gesetzgebers und ist damit als zu weitgehend abzulehnen. (3) Andere Bezeichnung als auf europäischer Ebene Auffällig ist, dass der Gesetzgeber einerseits ein zusätzliches Register mit einhergehendem Bezeichnungsschutz als eine über die MiFID II hinausgehende Maßnahme einführt, andererseits aber einen anderen Begriff als den dort verorteten wählt. Anstelle der „unabhängigen Beratung“ führt der Gesetzgeber einen sperrigen und praxisuntauglichen Begriff ein, der für den Anleger aufgrund des Honorars im Namen ohne weitere Ausführungen negativ wirkt.370 Hatte er seiner Ansicht nach doch bislang noch nie etwas für die Beratungsleistung bezahlt. Das weiß auch der Gesetzgeber, da er den Irrglauben über die kostenlose Beratung durch das HABG ausräumen möchte.371 Das Signalwort „Honorar“ macht darüber hinaus den bestehenden Interessenkonflikt nicht hinreichend deutlich und lässt die weiteren Merkmale der Honorar-Anlageberatung unberücksichtigt. Letztere waren jedoch beiden Gesetzgebern besonders wichtig.372 Insofern ist der europäische Begriff „unabhängige Beratung“ passender gewählt, der direkt im Namen den Interessenkonflikt anspricht. Eine Verwirrung des Kunden durch den Begriff „unabhängige Beratung“ kann nicht festgestellt werden.373 Die Vorstellung, es fände eine altruistische Beratung statt, wird durch diesen Begriff nicht erzeugt – auch wenn nicht mehr das Honorar im Vordergrund steht.374 Zwar wurde der Begriff der Honorar-Anlageberatung bereits vor der Einführung des HABG genutzt, – so die quirin Bank – allerdings ist diese Beratungsform derart unbekannt, dass eine Umorientierung oder Verwirrung nicht entstehen kann. Die fehlende Kenntnis über die andere Beratungsform liegt zum einen an der fehlenden Bekanntmachung seitens des Gesetzgebers. Zum anderen aber auch an dem gewählten Begriff, da der Kunde bei der Erklärung, im Folgenden werde keine Honorar-Anlageberatung erbracht, nicht hellhörig wird.375 Indem der Berater erklären müsste, er berate nicht unabhängig, besteht zumindest die Chance, dass der Anleger aufmerkt und nachfragt.376 Dies 369

Vgl. DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 21. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 106. Dies fällt nun auch den Abgeordneten in der 1. Beratung zum 2. FiMaNoG auf, s. die Rede von Sarah Ryglewski (SPD), Plenarprotokoll 18/ 215, S. 21577; s. auch die zu Protokoll gegebene Rede von Dr. Gerhard Schick (Bündnis 90/ DIE GRÜNEN), Plenarprotokoll 18/215, S. 21608; a.A. Walz, RdF 2014, 198, 199, der „Honorar-Anlageberatung“ als einzigen neutralen Begriff bewertet. 371 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 1. 372 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 1, die Anforderungen sollten über die der herkömmlichen Beratung hinausgehen. 373 So aber Walz, RdF 2014, 198, 199; für die Beibehaltung der bisherigen Bezeichnung DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 21. 374 Dies befürchtend Paulisan, Interview v. 04. 04. 2017. 375 Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 376 Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 370

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2. Teil: Zuwendungen

würde den Interessenkonflikt offen legen und damit auch das Aufklärungsziel des Gesetzgebers erreichen. Zugleich würde das Bestreben des deutschen Gesetzgebers, die MiFID II sprachlich Eins-zu-eins umzusetzen, weiter fortgesetzt. Das Argument, dass mit der Einführung des Begriffs „unabhängige Beratung“, die Provisionsberatung als qualitativ schlechter dargestellt werde, obwohl hinsichtlich der Sachkunde der Berater keine Unterschiede bestehen, mag nicht überzeugen.377 Hinsichtlich der Sachkundeanforderung ist dies zweifelsfrei richtig. Allerdings wird die provisionsbasierte Beratung als gesetzlicher Standardfall nicht abgewertet, vielmehr wird der Interessenkonflikt, der ebenfalls zweifelsfrei besteht, im Namen offensichtlich angesprochen ohne die abschreckende Wirkung des Honorars zu betonen. Darüber hinaus entfiele bei Einführung des Begriffs der unabhängigen Beratung die Diskussion zur geschützten Schreibweise. Offensichtlich ist dies nun auch dem Gesetzgeber aufgefallen, da er im 2. FiMaNoG schlussendlich eine Legaldefinition der unabhängigen Beratung einführt, welche aber leider weiterhin auch an das Honorar anknüpft (s. 2. Teil A.II.4.c)). (4) Einführung einer geschützten Bezeichnung für die Provisionsberatung Um die Differenzierung und die Existenz der unterschiedlichen Beratungsformen deutlich zu machen, könnte der Gesetzgeber neben dem geschützten Begriff für die Honorar-Anlageberatung auch einen allgemeingültigen Begriff für die Provisionsberatung als Pendant einführen.378 Auf der europäischen Ebene wird sprachlich klar zwischen der nicht unabhängigen und der unabhängigen Beratung unterschieden. Eine solche sprachliche Differenzierung sollte auch auf deutscher Ebene eingeführt werden. Der neue Begriff müsste jedoch der Einordnung der Honorar-Anlageberatung als Unterform der Provisionsberatung gerecht werden. So handelt es sich bei der Provisionsberatung um den Standardfall der Beratung, dies spricht jedoch nicht dagegen diese einheitlich und gesetzlich definiert zu bezeichnen.379 Da sich die Honorar-Anlageberatung und damit deren Bezeichnung noch nicht etabliert haben, könnte durch die Einführung eines Begriffs für die Provisionsberatung als Hauptberatungsform eine größere Aufmerksamkeit entstehen. Der Kunde müsste sich mit der neuen Bezeichnung seines bisherigen Beraters und deren Bedeutung auseinandersetzen. Zugleich würde der für den Kunden nicht mehr nachvollziehbare380 „Bezeichnungsdschungel“ strukturiert und das eigentlich gewollte „Gütesiegel“381 doch noch zum Tragen kommen. Eine Stigmatisierung der provisionsbasierten 377

Dies andeutend DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 21. Für die Einführung einer Legaldefinition für die unabhängige und die nicht-unabhängige Anlageberatung vzbv, Stellungnahme in der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zum 2. FiMaNoG, S. 5. Die Verwendung von „nicht-unabhängig“ als Legaldefinition für die provisionsbasierte Beratung im Entschließungsantrag vom 29. 03. 2017 vorschlagend, DIE LINKE, BT-Drs. 18/11788, S. 2 Nr. 2. 379 So aber indirekt DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 21. 380 s. Jenner, Interview. v. 16. 01. 2017. 381 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 106. 378

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

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Beratung ist durch die Bezeichnung als „nicht unabhängig“ oder „Provisionsberatung“ nicht verbunden, da diese den WpDU keine schlechte Beratung unterstellt, sondern nur die zwei unterschiedlichen Formen aufgezeigt werden. Schließlich müssen sie den Kunden ohnehin darüber aufklären, welche Leistung sie erbringen und was dies bedeutet.

3. Zwischenfazit zur Umsetzung der europäischen Vorgaben durch das HABG Das HABG bemüht sich, die europäischen Vorgaben sehr genau umzusetzen sowie den nationalen Marktgegebenheiten gerecht zu werden und erlässt deshalb Sondervorschriften. Bei der gewollten Eins-zu-eins-Umsetzung der MiFID II-Vorgaben fallen die im Folgenden dargestellten, kleineren Abweichungen auf, die auszubessern sind. Auch die Ausweitung der europäischen Vorgaben und die nationalen Sonderregelungen sollte der Gesetzgeber noch einmal überdenken. Denn bei genauerer Betrachtung der Informationspflichten zeigt sich, dass § 31 Abs. 4b S. 1 WpHG die Aufklärung über die Anlageberatungsform Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. a) i) MiFID II umsetzt.382 Beide Regelungen verpflichten das WpDU zur Informationserbringung vor der Beratung. Zusätzlich und ohne Pendant auf europäischer Ebene fordert die deutsche Regelung für den Fall, dass sich der Anleger für die provisionsbasierte Anlageberatung entscheidet, dass er gem. § 31 Abs. 4b S. 2 WpHG über den Erhalt und das Behalten Dürfen von Provisionen aufzuklären ist.383 § 31 Abs. 4c Nr. 1 WpHG hingegen übernimmt die Anforderungen aus Art. 24 Abs. 7 lit. a) MiFID II vollständig.384 Abweichende bzw. weitergehende Regelungen trifft der deutsche Gesetzgeber auch für Provisionen in § 31 Abs. 4c Nr. 2 WpHG, der Art. 24 Abs. 7 lit. b) MiFID II umsetzt.385 Denn die europäische Regelung enthält anders als das HABG kein Annahmeverbot von nicht-monetären Zuwendungen.386 Monetäre Zuwendungen dürfen nur nicht angenommen und behalten werden. Das HABG verbietet dies hingegen, wenn ein vergleichbares Finanzinstrument ohne Provision erhältlich ist.387 Die Feinheit des europäischen Verbots, diese nicht annehmen und behalten zu dürfen, beachtet der deutsche Gesetzgeber somit nicht und legt den WpDU weitergehende Verpflichtungen auf, indem diese zusätzlich nach gleichgeeigneten provisionsfreien Produkten suchen müssen, bevor sie Provisionen annehmen und auskehren dürfen. 382

Vgl. Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 17 zum MiFID II-E. Vgl. Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 200 f. 384 I. E. Kurz, DB 2014, 1182, 1183; Möllers, in: KK/WpHG §§ 36c, 36d Rn. 17 zum MiFID II-E. 385 Vgl. Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 17 zum MiFID II-E. 386 Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 201; Kurz, DB 2014, 1182, 1183. 387 Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 200; Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/11290, S. 7; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120i. 383

112

2. Teil: Zuwendungen

Ohne europäisches Pendant bleiben sowohl die §§ 31 Abs. 4d und 33 Abs. 3a WpHG als auch die Vorschriften hinsichtlich des Honoraranlageberater-Registers und des Bezeichnungsschutzes, §§ 36c und 36d WpHG.388 Allerdings entspricht die organisatorische, funktionelle und personelle Trennung der unabhängigen von der abhängigen Beratung im Kern den europäischen Ansichten, da auch die MiFID IIDLVO eine solche vorsieht.389 Neben den vielen deutschen Sonderregelungen bleibt jedoch die europäische Vorgabe, dass sich die WpDU nicht insgesamt als unabhängig bezeichnen dürfen, wenn sie beide Beratungsformen anbieten, ohne deutsches Pendant. Auch die mögliche Produktbeschränkung bei ausdrücklicher Kennzeichnung und ausschließlicher Ansprache von dafür geeigneten Kunden fehlt bislang im deutschen Recht. Auch hier sollte der Gesetzgeber, soweit die Regelungen nicht ohnehin in Form der Verordnung erlassen wurden, diese umsetzen bzw. zumindest auf diese verweisen. 4. Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im 2. FiMaNoG Während die Umsetzung der europäischen Vorgaben mit Ausnahme des „Vorpreschens“390 des Gesetzgebers durch das HABG zunächst schleppend verlief, wurde das 2. FiMaNoG innerhalb von 7 Monaten beschlossen (s. zum Erscheinen der einzelnen Entwürfe 1. Teil B.). Sah der RefE 1. FiMaNoG keine großen Veränderungen des bislang geschaffenen HABG vor, so orientierten sich die Entwürfe zum 2. FiMaNoG an den zwischenzeitlich erschienenen MiFID II-DLRL und MiFID IIDLVO. a) Änderungen der Kernregelungen des § 31 Abs. 4b-d WpHG Alle drei Entwürfe führen zu einer Neuordnung des WpHG. So findet sich der § 31 WpHG künftig in § 64 WpHG-E RegE 2. FiMaNoG.391 Hier wird § 31 Abs. 4b WpHG mit Ergänzungen zu § 64 Abs. 1 WpHG-E, § 31 Abs. 4c WpHG mit Änderungen zu § 64 Abs. 5 WpHG-E und § 31 Abs. 4d WpHG ebenfalls mit Änderungen zu § 64 Abs. 6 WpHG-E. Die Kernregelungen der HABG bleiben somit erhalten.

388

Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 37; vgl. Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 17 zum MiFID II-E. 389 Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 199. 390 Möllers, ZEuP 2016, 325, 340. 391 § 57 WphG-E RefE 1. FiMaNoG, s. zu diesem Klee, MiFID II: Auswirkungen der geänderten Behandlung von Zuwendungen, 48 f.; § 55 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

113

aa) Änderung des § 31 Abs. 4b WpHG Der Passus des § 31 Abs. 4b WpHG, der den Aufklärungszeitpunkt vor den Abschluss des Beratungsvertrags festlegt, wurde bereits im RefE des 1. FiMaNoG gestrichen und damit an den Wortlaut des Art. 24 Abs. 4 MiFID II angeglichen. Künftig muss die Aufklärung nur noch rechtzeitig vor der Beratung stattfinden. Gestrichen wurde auch die Verpflichtung zur Aufklärung, dass Zuwendungen angenommen und behalten werden dürfen. Die auf den ersten Blick kontraproduktiv erscheinende Streichung, steht im Zusammenhang mit den gravierenden Offenlegungs- bzw. Informationsverpflichtungen des Art. 52 Abs. 1 MiFID II-DLVO, nach welchem die WpDU dezidiert die Unterschiede sowie Vor- und Nachteile der Beratungsformen offen legen müssen. Damit müssen die WpDU künftig nicht nur erklären, dass sie keine unabhängige Beratung erbringen, sondern auch warum sie nicht unabhängig sind. Folglich muss die Einnahme von Provisionen sowie die Beschränkung auf gewisse Produktgruppen offen gelegt werden.392 Eine ausdrückliche Regulierung war hier aufgrund der Form der Verordnung nicht notwendig, ein entsprechender Hinweis wäre jedoch zur besseren Handhabung hilfreich gewesen. Die Regelung mag für die provisionsgestützte Beratung vor allem in Kombination mit der neuen Begrifflichkeit der unabhängigen Honorar-Anlageberatung zunächst als „Marketingnachteil“393 wirken, entspricht jedoch der Offenlegung der tatsächlichen Gegebenheiten. Zudem ist – so zumindest der BGH – dem Kunden die Beschränkung auf hauseigene Produkte ohnehin offenkundig, sodass sich aus der ausdrücklichen Offenlegung kein Nachteil ergibt. Darüber hinaus sind den Kunden durchaus auch die Vorzüge der Provisionsberatung bewusst. So führen die Kunden oft als Vorteil an, dass sie sich nach der Beratung frei entscheiden und Angebote vergleichen können, ohne eine hohe Beratungsgebühr bezahlen zu müssen.394 In § 64 Abs. 1 Nr. 2 WpHG-E wurde aufgrund der MiFID II-DLRL zusätzlich die Anforderung eingeführt, den Kunden zu Beginn der Beratung über den Umfang der dem Angebot zugrundeliegenden analysierten Produktpalette zu informieren. Damit wird dieses Merkmal der unabhängigen Beratung unterstrichen und ein weiterer Punkt für Nachfragen seitens der Kunden geschaffen. Gem. § 64 Abs. 1 Nr. 3 WpHG-E muss dem Kunden mitgeteilt werden, ob eine regelmäßige Geeignetheitsbeurteilung erfolgt.395 Insgesamt ist aber auch diese neue Informationspflicht als nicht zielführend zu bewerten. Denn die reine Information über die Beratungsform, die Annahme von Provisionen oder die Beschränkung auf hauseigene Produkte wird von dem Kunden ohne Kenntnisse über Alternativen als gegeben hingenommen. Richtigerweise ist dem Kunden ein gewisses Maß an Eigeninformation im Vorfeld der Beratung auf392 393 394 395

Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 260 f. s. Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 261. Tekathen, Honorarberatung im Finanzdienstleistungsbereich, 344. s. dazu ausf. 6. Teil A.I.1.c).

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2. Teil: Zuwendungen

zuerlegen, jedoch muss dabei auch berücksichtigt werden, dass die Provisionsberatung sich über Jahre etabliert hat. Der Gesetzgeber hatte durch das 2. FiMaNoG die Chance, diese Situation zu evaluieren und aktiv zu werden, bspw. durch eine gemeinsam mit den Vertretern beider Beratungsformen erstellen Broschüre (s. 2. Teil A.II.2.c)cc)) Zugleich hätte er die Veränderungen durch das 2. FiMaNoG, insb. hinsichtlich der unabhängigen Honorar-Anlageberatung, auch medial präsentieren können, anstatt diese leise und ohne Aufsehen zu erlassen. bb) Änderung des § 31 Abs. 4c WpHG § 31 Abs. 4c Nr. 1 WpHG wird in § 64 Abs. 5 Nr. 1 WpHG-E sprachlich an die europäischen Vorgaben angepasst, indem der Berater nicht nur für die Empfehlung, sondern auch für die Beratung eine „ausreichende Palette“ von Finanzinstrumenten „berücksichtigen“ (anstatt „zugrunde legen“) muss, anstatt eine „hinreichende Anzahl“. Ausweislich der Begründung der Entwürfe, sollen unter „rechtliche oder wirtschaftliche Verbindung in sonstiger Weise“396 auch Vertragsbeziehungen subsumiert werden. Dies entspricht dem europäischen Wortlaut. Jedoch bestehen solche regelmäßig zur Pflichten- und Haftungsrisikoverteilung, die unter anderem auch dazu dienen, Emittenten, die nicht unter die MiFID I oder MiFID II fallen, zur Weitergabe der notwenigen Informationen für die Anlageberatung zu verpflichten.397 Es sollten daher nur Vertragsbeziehungen verboten werden, die so enge Verbindungen knüpfen, dass dadurch tatsächlich eine Gefahr für den Anleger entsteht.398 Anstatt eine allgemeine Informationspflicht hinsichtlich der Offenlegung über Interessenkonflikte beim Vertrieb von eigenen Finanzprodukten, bzw. solcher von eng verbundenen Unternehmen, nach europäischen Vorbild zu statuieren,399 hält der Gesetzgeber an seinem alten Modell fest.400 Er betont, dass es sich bei dieser Offenlegungspflicht um eine Konkretisierung der allgemeinen Offenlegungspflicht für Interessenkonflikte i.S.d. § 63 Abs. 1 WpHG-E handelt und damit der besonderen Stellung des unabhängigen Honorar-Anlageberaters nachgekommen wird.401 § 31 Abs. 4c Nr. 2 WpHG wird in § 64 Abs. 5 Nr. 2 WpHG-E ergänzt. Die im Ausnahmefall angenommenen Provisionen sollen nicht mehr unverzüglich nach Erhalt ausgezahlt werden, sondern so schnell wie nach vernünftigem Ermessen möglich. Damit ist jedoch auch sobald wie möglich nach Erhalt der Provision ge-

396 397 398 399 400 401

Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 235. DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 18. DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 18. So der Vorschlag des Bundesrats, Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/11290, S. 8. Vgl. § 64 Abs. 6 S. 1 WpHG-E RegE 2. FiMaNoG. Stellungnahme Bundesregierung, BT-Drs. 18/11290, S. 16.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

115

meint.402 Allerdings wäre die bisherige Fassung die geeignetere Form, um der Anforderung aus der MiFID II-DLRL zur schnellstmöglichen Auszahlung (s. 2. Teil A.I.4.a)aa)) gerecht zu werden. Zudem soll der Kunde über die Auszahlung unterrichtet werden. Dies kann ausweislich der Entwurfsbegründung auch im regelmäßigen Bericht erfolgen.403 Im 2. FiMaNoG hat es der deutsche Gesetzgeber verpasst, die strengere nationale Regelung hinsichtlich des nicht-monetären Zuwendungsverbots in der HonorarAnlageberatung, den europäischen Vorschriften anzupassen.404 Vielmehr wird erneut die Stärkung des Anlegerschutzes auf geäußerte Kritik betont.405 Indem der Gesetzgeber dies jedoch für die Finanzportfolioverwaltung erlaubt, schafft er eine Diskrepanz zwischen diesen Formen, die so nicht auf europäischer Ebene existiert.406 Zugleich hat der Gesetzgeber davon abgesehen, die hier geforderte Bagatellgrenze einzuführen. Im Gegenteil stellt er ganz klar heraus, dass er auch einen parktischen Graubereich nicht duldet. Dies zeigt sich vor dem europäischen Hintergrund der Erlaubnis von kleineren nicht-monetären Regelungen für die unabhängige Anlageberatung und der ausschließlichen Einführung der positiven Liste mit erlaubten kleineren nicht-monetären Zuwendungen für die nationale Finanzportfolioverwaltung. So ist bspw. die Bewirtung ausdrücklich in dieser positiven Liste der kleineren nicht-monetären Zuwendungen aufgeführt. b) Änderung der Organisationspflichten Aufgrund der Neuordnung des WpHG befindet sich § 33 Abs. 3a WpHG künftig in § 80 Abs. 7 WpHG-E. Die Beschlussfassung des Finanzausschusses fügt in Abs. 7 neu ein, dass das WpDU, welches unabhängige Honorar-Anlageberatung erbringt, auf seiner Internetseite angeben muss, ob es diese Dienstleistung in der Hauptniederlassung anbietet und in welchen Zweigniederlassungen.407 Die noch im RefE 2. FiMaNoG enthaltene Konkretisierung der personellen und sachlichen Trennung des § 33 Abs. 3a WpHG durch einen neuen § 8 WpDVerOV-E findet sich im RegE nicht mehr. Stattdessen wurde dieser sprachlich an die neue Honorar-Anlageberatungsdefinition angepasst in einem eigenen RefE WpDVerOV408 aufgenommen. 402

Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 235 f. Begr. RefE 2. FiMaNoG, S. 309, (s. 1. Teil, Fn. 36); Begr. RegE 2. FiMaNoG, BTDrs. 18/10936, S. 236. 404 s. zum RefE 2. FiMaNoG Klee, Auswirkungen der geänderten Behandlung von Zuwendungen, 48. 405 s. zur Kritik Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/11290, S. 7; zur Stärkung des Anlegerschutzes Stellungnahme Bundesregierung, BT-Drs. 18/11290, S. 16. 406 DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 17. 407 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, v. 29. 03. 2017, BT-Drs. 18/ 11775, S. 252. 408 Referentenentwurf des Bundesministerium für Finanzen über die Verordnung zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen für Wertpapierdienst403

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2. Teil: Zuwendungen

Nach diesem ist vorgesehen, dass die Trennung „[…] entsprechend ihrer409 Größe und der Organisation sowie der Art, des Umfangs und der Komplexität ihrer Geschäftstätigkeit […]“ vorgenommen werden muss, sodass sichergestellt ist, „[…] dass seitens der übrigen Anlageberatung kein Einfluss auf die unabhängige Honorar-Anlageberatung ausgeübt werden kann“. Dies würde für kleinere WpDU eine Abkehr von den strengen Anforderungen bedeuten. Der neue § 80 Abs. 8 WpHG-E konkretisiert nun, dass die WpDU Grundsätze einführen müssen, die die Zuordnung der Zuwendung zu jedem einzelnen Kunden ermöglichen. Damit wird ein Arbeitsschritt, den die WpDU praktisch ohnehin durchführen müssen, gesetzlich reglementiert. Ohne eine Zuordnung wäre eine Auszahlung an den einzelnen Kunden nicht möglich gewesen. c) Die neue Definition der Honorar-Anlageberatung Die Regelung des Honoraranlageberater-Registers (§ 36c WpHG) findet sich sprachlich gekürzt ohne Abs. 4, aber auch ohne inhaltliche Änderung, in § 93 WpHG-E wieder; der bereits kritisierte Bezeichnungsschutz mit ausschließlich redaktionellen Änderungen in § 94 WpHG-E. Die redaktionellen Änderungen des § 94 WpHG-E tragen der Einführung der bislang fehlenden Definition der unabhängigen Honorar-Anlageberatung (s. 2. Teil A.II.2.g)cc)(3)) Rechnung. Bereits der RefE 1. FiMaNoG führte in § 57 Abs. 7 Nr. 1 WpHG-E die Legaldefinition dahingehend ein, dass die Berater „[…] rechtzeitig vor der Beratung und in verständlicher Form darüber informieren: 1. ob die Anlageberatung als unabhängige Anlageberatung (Honorar-Anlageberatung) erbracht wird oder nicht“. Eine solche ist zwar sehr zu begrüßen, jedoch vermochte diese Form – auch wenn sie die Honorar-Anlageberatung als unabhängig beschrieb – nicht, die bereits beschriebene Problematik der falschen Assoziation des Kunden, ein zusätzliches Honorar zahlen zu müssen, aufzulösen.410 Schließlich bleibt es bei der negativ besetzten Bezeichnung der Honorar-Anlageberatung. Diesen Fehler versucht der Gesetzgeber nun im RegE 2. FiMaNoG zu beheben, indem er in § 64 Abs. 1 Nr. 1 WpHG-E in der Definitionsklammer noch das Wort „unabhängig“ der Honorar-Anlageberatung voranstellt und in den weiteren Regelungen die Begrifflichkeit der Honorar-Anlageberatung mit der unabhängigen Honorar-Anlageberatung austauscht. Damit hat nun auch der Gesetzgeber erkannt, dass aufgrund der fehlenden Etablierung eine Umbenennung der Beratungsform nicht zur Verwirrung der

leistungsunternehmen (WpDVerOV) vom 09. 05. 2017, abrufbar unter: http://www.bundesfi nanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Gesetze/2017 - 05 - 09-WpDVerOV.pdf?__blob= publicationFile&v=1 (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 409 Des WpDU. 410 s. 2. Teil A.II.2.g)cc)(3)); vzbv, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 1; a.A. DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 14.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

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Kunden führt. Mithin versucht der Gesetzgeber, Fehler durch sein „Vorpreschen“411 bei der Einführung des HABG wiedergutzumachen. Er hat folglich einen Kompromiss gefunden, die deutsche Regelung den europäischen Vorschriften anzupassen, ohne seine ursprüngliche Definition aufgeben zu müssen. Dies ist positiv zu bewerten, denn nun wird sich dem Kunden die Frage aufdrängen, warum er keine unabhängige Honorar-Anlageberatung erhält. Dennoch wird die dadurch erreichte Signalwirkung durch das negativ belastete Wort des Honorars verringert. Daher sollte das Wort „Honorar“ vollständig aus der Definition gestrichen werden, sodass zum einen ein vollständiger Gleichlauf mit der europäischen Regelung erzielt und zum anderen dem Anleger die Unterscheidung noch stärker verdeutlicht wird. aa) Erneute Aufklärung über die Beratungsform für Bestandskunden? Mit der Einführung der neuen Definition der unabhängigen Honorar-Anlageberatung entsteht jedoch die bislang vom Gesetzgeber nicht erkannte Frage, ob die WpDU aufgrund der Umbenennung der Honorar-Anlagerberatung in unabhängige Honorar-Anlageberatung erneut sämtliche Kunden, die sie zum 01. 08. 2014 darüber aufgeklärt haben, dass sie keine Honorar-Anlageberatung durchführen, nun zum 03. 01. 2018 darüber aufklären müssen, dass sie keine unabhängige Honorar-Anlageberatung durchführen. Die weiteren Änderungen durch das 2. FiMaNoG sind geringfügig und haben keine wesentliche Veränderung der Honorar-Anlageberatung vorgenommen. Es handelt sich vielmehr um eine Umbenennung unter gleichbleibenden Voraussetzungen, sodass der Kunde durch die erneute Aufklärung keine neuen Sachinformationen erhält. Allerdings wäre auf diese Weise der neue Begriff etabliert und die Einführung des zusätzlichen Wortes „unabhängig“ könnte zu der erhofften Auseinandersetzung des Kunden mit den Beratungsformen führen. Der Kunde würde diese Information auch gezielt zur Kenntnis nehmen, da er sie separat erhielte. Zusätzlich muss berücksichtigt werden, dass nach der MiFID II-DLVO der Kunde auch darüber aufzuklären ist, warum ein Unternehmen nicht unabhängig agiert und damit darüber, dass es Provisionen annimmt und sich auf gewisse Produkte beschränkt. Die Aufklärungspflicht ist damit weiter gefasst als zuvor. Jedoch sind dies Informationen, die sich zuvor implizit aus der Aufklärung über die Beratungsform ergaben. Aufgrund dessen und aufgrund des Fehlens neuer Sachinformationen, rechtfertigen sich der Aufwand und die Kosten, die den WpDU durch die erneute Aufklärung entstünden, nicht. Hier hätte der Gesetzgeber eine Art Übergangsvorschrift einführen müssen, um klarzustellen, dass keine erneute Aufklärung für Bestandskunden notwendig ist.

411

Möllers, ZEuP 2016, 325, 340.

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2. Teil: Zuwendungen

bb) Keine Definition für die „allgemeine“ Anlageberatung Indem der Gesetzgeber die neue Definition einführt, wird der Vorschlag des Bundesrats412 einen vollständigen übergeordneten Begriff des unabhängigen Finanzberaters, der sich nicht an den Produktkategorien orientiert, einzuführen, abgelehnt. Dies ist in der Konsequenz richtig, obwohl der übergeordnete Begriff reflektiert, dass sich der Kunde in der Regel allumfassend beraten lassen möchte und zu Beginn der Beratung regelmäßig keine Vorstellung über die unterschiedlichen Produkte und darüber, welche für ihn geeignet sein könnten, hat. Die Ablehnung trägt den aufgrund der Komplexität der unterschiedlichen Regelungen bereits gescheiterten Bemühungen im Eckpunktpapier Rechnung einen solchen Begriff zu etablieren. So sollte auch weiterhin nach den unterschiedlichen Kategorien getrennt werden, aber für alle der gleiche Grundstamm „unabhängig“ im Namen eingeführt werden. Zugleich lehnt es der Gesetzgeber damit bedauerlicherweise ab, eine gesetzlich normierte Bezeichnung für die Provisionsberatung in Abgrenzung zur HonorarAnlageberatung einzuführen (s. 2. Teil A.II.2.g)cc)(3)). d) Zwischenfazit Insgesamt zeigt sich, dass der Gesetzgeber überwiegend nur Wortlautanpassungen vornimmt, um eine sprachliche Eins-zu-eins-Umsetzung der MiFID II zu ermöglichen. Hier wäre es jedoch sinnvoller gewesen, das aufgrund diverser Umsetzungsakte sprachlich uneinheitliche Gesetz nicht noch weiter – ohne jeden Nutzen – zu zerstückeln. Auch der Finanzausschuss hat es in seiner Beschlussempfehlung verpasst, die hier angeführten Änderungen bzw. Ergänzungen aufzunehmen, um die unabhängige Honorar-Anlageberatung als gesetzliche Alternative besser zu etablieren; vielmehr übernimmt der Finanzausschuss die Anforderungen. Damit sind die hier zum RegE beschriebenen Regelungen entsprechend in der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses mit gleichem Wortlaut und Nummerierung enthalten und sowohl vom Bundestag, als auch vom Bundesrat beschlossen worden. Diese wurde am 23. 06. 2017 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Die noch im RefE enthaltenen Regelungen der WpDVerOV wurden nicht aufgenommen, sondern in einem eigenständigen RefE erneut zur Diskussion gestellt. Hier bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber die Chance nutzt und noch nachbessert. Die bereits entgegen der Vollharmonisierung erlassenen deutschen Sonderregelungen über die Annahme von Zuwendungen im HABG hat der deutsche Gesetzgeber mit Verweis auf den nationalen Anlegerschutz ohne erneute Anzeige bei der Kommission fälschlicherweise auch im 2. FiMaNoG beibehalten.

412

Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/11290, S. 3 f.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

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5. Auswirkungen auf das Zivilrecht? Der Gesetzgeber hat sich mit der Schaffung der Honorar-Anlageberatung für eine Regelung im Aufsichtsrecht entschieden. Damit folgt er seiner Tendenz, den Beratungsvertrag gänzlich ungeregelt zu lassen und ausgesprochen detaillierte und zugleich – zumindest reflexartig – anlegerschützende Regelungen im Aufsichtsrecht zu verorten.413 Aufgrund des zuvor erörterten Verhältnisses des Aufsichts- und Zivilrechts und dem vom BGH entwickelten flächendeckenden Transparenzgedanken414 (1. Teil F.) könnten diese dennoch Auswirkungen auf den zivilrechtlichen Beratungsvertrag haben, die im Folgenden erörtert werden sollen. a) Konkludenter Honorar-Anlageberatungsvertrag Die Rechtsprechung des BGH geht bisweilen davon aus, dass der Beratungsvertrag konkludent zwischen den Parteien zustande kommt. Dabei käme es nicht auf die Vereinbarung eines Honorars an.415 Wie Herresthal richtig anmerkt, kann diese Ansicht nicht aufrechterhalten werden, da gerade die Honorarvereinbarung – wie der derzeitige und auch künftige Name schon andeutet – ein wesentliches Merkmal des Beratungsvertrags ist.416 Vielmehr ist hier, wie auch sonst in der ständigen Rechtsprechung, der Preis eine essentialia negotii.417 Ohne die Vereinbarung eines solchen, kann kein Honorar-Anlageberatungsvertrag geschlossen werden. Des Weiteren ist auch die Annahme eines Rechtsbindungswillens zum Abschluss eines HonorarAnlageberatungsvertrags fraglich,418 da dieser Vertrag – anders als der für die provisionsgestützte Beratung – nicht nur dem Berater Pflichten auferlegt, sondern auch dem Anleger. Aus dem provisionsgestützten Beratungsvertrag ergibt sich für den Anleger schließlich noch keine Pflicht, Kapital zur Verfügung zu stellen, sondern erst durch die zusätzliche Vereinbarung eine Anlage zu erwerben. Ein Rechtsbindungswille ließe sich allenfalls dann konstruieren, wenn sich der Anleger bewusst einen im Honoraranlageberater-Register der BaFin verzeichneten Berater aussucht, da dieser nur Honorar-Anlageberatungsverträge abschließen kann und der Anleger das Angebot nur dahingehend verstehen darf.419 b) Offenkundigkeit des Interessenkonflikts Auch die bisherige Rechtsprechung hinsichtlich der Offenlegungspflichten unter Berücksichtigung der Offenkundigkeit (s. 2. Teil A.II.1.b)aa)(2) und (3)) wird sich 413 414 415 416 417 418 419

Herresthal, WM 2014, 773, 775. BGH NJW 2014, 2947 Rn. 32. BGHZ 100, 117, 118 f. = WM 1987, 495. Herresthal, WM 2014, 773, 774. Herresthal, WM 2014, 703, 775. Herresthal, WM 2014, 703, 775. Herresthal, WM 2014, 703, 775.

120

2. Teil: Zuwendungen

verändern, da der Anleger nun zu Beginn der Beratung über die Form der Anlageberatung aufgeklärt wird und die provisionsgestützte Beratung als abhängig dargestellt wird. Dies wird durch die neuen Regelungen der MiFID II-DLVO noch deutlicher als bislang durch die Regelungen des HABG. Damit wird für den Kunden der Interessenkonflikt offensichtlich, sodass er darüber nicht mehr aufgeklärt werden müsste.420 Des Weiteren wäre die Unterscheidung zwischen Banken mit Offenlegungspflichten und bankunabhängigen Beratern, für die der BGH bislang die Offenkundigkeit ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit annahm, obsolet.421 Dies wird verstärkt dadurch, dass dem Kunden nun auch Angaben zu der, der Empfehlung zugrundeliegenden Produktpalette gemacht werden müssen und ihm dadurch die enge Verbindung zwischen WpDU offen gelegt wird. c) Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB Die Schutzgesetzeigenschaft ist zumindest für § 31 Abs. 4b-d WpHG – und letztlich auch für die neuen Regelungen durch das 2. FiMaNoG – abzulehnen. Diese normieren spezielle Verhaltensanforderungen für die Sonderbeziehung der HonorarAnlageberatung.422 Diese begründen keinesfalls eine Jedermanns Pflicht.423 Auch die allein auf Schadensersatz gerichtete Rechtsfolge ist insoweit unzureichend.424 6. Zwischenfazit Das Ziel, die unabhängige Honorar-Anlageberatung zu stärken und den Interessenkonflikt offenkundig zu machen, wurde bislang nicht erreicht. Die Bereitschaft des Anlegers für eine Beratungsleistung zu zahlen, unabhängig davon, ob später tatsächlich eine Anlage erfolgt, ist bislang am Markt nicht spürbar.425 Vielmehr ist die provisionsgestützte Beratung weiterhin die Beratung erster Wahl. Dies liegt auch am geringen Angebot der Honorar-Anlageberatung, da für die Banken kein Anreiz besteht sich freiwillig einem solchen Mehraufwand und Kostenapparat auszusetzen.426 Die Umstellung oder parallele Einführung ist gerade für kleinere Banken aufgrund der personellen und finanziellen Anforderungen unrentabel.427 Zusätzlich ist eine kontinuierliche Verschärfung der Vorschriften zu er420

Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 112; Veil/Lerch, WM 2012, 1605, 1611. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 112. 422 Herresthal, WM 2014, 773, 779. 423 Herresthal, WM 2014, 773, 779; i.E. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 112. Allgemein zur Qualifikation der WpHG-Vorschriften als Schutzgesetz Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 65 f. 424 Herresthal, WM 2014, 773, 779. 425 Tekathen, Honorarberatung im Finanzdienstleistungsbereich, 340. 426 Dies vor Einführung bereits befürchtend Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 109. 427 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120i. 421

B. Zuwendungen für die abhängige Beratungspraxis

121

warten. Hier könnten Referenzwerte zu der Provisionshöhe oder die Offenlegung des Gewinninteresses bei Eigenemissionen gefordert werden. Auch auf zivilrechtlicher Ebene besteht hinsichtlich der BGH-Rechtsprechung Unsicherheit. Hier müsste der Gesetzgeber durch die Einführung von zusätzlichen Regelungen im Vertragsrecht, die eine präzisere Steuerung von dispositiven und konstitutiven Regelungen unter Berücksichtigung der Privatautonomie der Parteien ermöglichen, Abhilfe schaffen. Diese wird nun der BGH ausdifferenzieren, was im Hinblick auf die Gewaltenteilung bedenklich ist. Dass der BGH ein Pendant auf zivilrechtlicher Ebene schaffen wird, scheint nach dessen jüngsten Verständnis absehbar. Immerhin geht er davon aus, dass der Gesetzgeber spätestens seit der Einführung des HABG einen flächendeckenden Transparenzgedanken verfolgt und deshalb öffentlich-rechtliche Pflichten auf das Vertragsverhältnis ausgeweitet werden müssen.

B. Zuwendungen für die abhängige Beratungspraxis Die Regelungen der MiFID II enthalten, neben der Regulierung der unabhängigen Anlageberatung, auch verschärfte Vorschriften zum Umgang mit Zuwendungen für die abhängige Anlageberatung.

I. Europäische Regelungen 1. Die Zuwendungsregelung des Art. 24 Abs. 9 MiFID II Art. 24 Abs. 9 MiFID II verbietet die Annahme von Zuwendungen von Dritten für die abhängige Anlageberatung. Es sei denn, die gezahlte Gebühr, die Provision oder der Vorteil ist gem. lit. a) dazu bestimmt, die Qualität der jeweiligen Dienstleistung für den Kunden zu verbessern und beeinträchtigt nach lit. b) nicht die Erfüllung der Verpflichtung des WpDU, im bestmöglichen Interesse der Kunden zu handeln. Erfasst werden sowohl monetäre, als auch nicht-monetäre Zuwendungen. Darüber hinaus wird das WpDU gem. Art. 24 Abs. 9 UA 2 S. 1 MiFID II verpflichtet dem Kunden „Die Existenz, die Art und der Betrag […] der Gebühr oder Provision […]“, bzw. die Berechnungsmethode, sofern der genaue Betrag noch nicht feststeht, „[…] vor Erbringung der betreffenden Wertpapier- oder Nebendienstleistung in umfassender, zutreffender und verständlicher Weise unmissverständlich offen […]“ zu legen. Die neue Regelung verschärft damit Art. 19 Abs. 1 MiFID I i.V.m. Art. 26 lit. b) MiFID I-DRL, die die unmissverständliche Offenlegung von Art und Betrag der Gebühr, Provision oder Zuwendung fordern sowie die Annahme lediglich dann gestatten, wenn die Zuwendung auf die Qualitätsverbesserung ausgelegt ist.428 Damit 428

Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 167a.

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2. Teil: Zuwendungen

wurde zugleich die Streitigkeit, die in Deutschland 2013 während der Einführung der Regelungen für Zuwendungsverzeichnisse geführt wurde, auf europäischer Ebene zugunsten der damaligen h.M. entschieden.429 2. Vorbereitung der Level-2-Maßnahmen durch ESMA ESMA bereitete auch hier die Konkretisierung der Level-2-Maßnahmen vor, ging aber in ihrem Consultation Paper weit über die Konkretisierung hinaus und versuchte ein auf Level-1-Ebene abgelehntes Provisionsverbot durch die Hintertüre einzuführen.430 So führte sie unter Ordnungsnummer 2.15 Punkt 10431 eine nicht abschließende Negativliste mit Umständen oder Situationen ein, in denen eine Qualitätsverbesserung nicht gegeben ist.432 Dies war nach ESMA der Fall, wenn die Zuwendungen für den wesentlichen („normalen“) Geschäftsbetrieb des die Zuwendung erhaltenden WpDU verwendet werden, bzw. Güter oder Dienstleistungen als nicht-monetäre Zuwendung dafür angeboten werden.433 Dieser ist jedoch – nicht zuletzt aufgrund erheblicher Kritik am Vorgehen von ESMA434 – im Technical Advice nicht mehr zu finden.435 Vielmehr sollen die Unternehmen nun sicherstellen, dass Provisionen nicht mehr grds., sondern von Fall zu Fall vereinbart werden.436 An der Einführung einer Negativliste hält ESMA hingegen fest.437 Werden die Zuwendungen nicht vollständig an den Kunden weitergegeben und ist nur eine der in der Liste aufgeführten Bedingung erfüllt, so soll die Zuwendung nicht grds. als qualitätsverbessernd angesehen werden.438 Diese Formulierungen erinnern an die der unabhängigen Beratung. Zum Beispiel, wenn ESMA festlegt, dass eine Erhöhung der Dienstleistungsqualität vorliegt, wenn der Kunde neben der abhängigen Beratung zusätzlich Zugang zu einer breiten Palette geeigneter Finanzinstrumente – einschließlich einer angemessenen Zahl von In429 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 167a. Denn im Rahmen der Umsetzungsgesetzgebung wurde darüber diskutiert, ob die in MiFID I angestrebte Qualitätsverbesserung eine konkrete sei, also gefordert werden musste, dass das WpDU tatsächlich investiert, oder ob eine abstrakte Eignung der Zuwendung zur Qualitätsverbesserung ausreichend ist, vgl. Krammer, Stellungnahme im Rahmen der Konsultation 02/2012, WA 31-Wp 2002 – 2009/0010, S. 4 – 6. 430 Vgl. Möllers, ZEuP 2016, 325, 342; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 48. 431 ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.15, Nr. 10. 432 Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 47; Pfisterer, Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz, 34. 433 ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.15, Nr. 10. 434 So sahen die Verbände hierin eine erhebliche Einschränkung des Angebots – vor allem für Kleinanleger – und einen Verstoß gegen den ErwG. 73 MiFID II, s. Pfisterer, Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz, 35. 435 Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 48. 436 ESMA, Final Report, Kap. 2.15, S. 141, TA Nr. 11. 437 ESMA, Final Report, Kap. 2.15, S. 141, TA Nr. 11; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 48. 438 ESMA, Final Report, Kap. 2.15, S. 141, TA Nr. 11.

B. Zuwendungen für die abhängige Beratungspraxis

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strumenten dritter Produktanbieter ohne enge Verbindungen zu dem betreffenden WpDU – erhält.439 Wurde durch den teilweise sehr weiten Wortlaut das Ziel der Konkretisierung verfehlt, so sieht ESMA darüber hinaus noch immer strengere Regelungen als in der Richtlinie gefordert vor. So legt ESMA fest, dass die genaue Höhe der Zuwendung dem Kunden ex-post mitgeteilt werden muss, wenn diese zu Beginn noch nicht bestimmbar war.440 Darüber hinaus soll das WpDU den Kunden mindestens einmal jährlich einen Bericht über die laufenden Zuwendungen zukommen lassen.441 Beide Anforderungen lassen sich so nicht im Richtlinientext wiederfinden. 3. Delegierte Richtlinie der Kommission Die Kommission legt in der MiFID II-DLRL ebenfalls ihren Schwerpunkt auf den Aspekt der Qualitätssteigerung durch Zuwendungen, indem auch sie eine nicht abschließende Positivliste entwirft, welche definiert, wann eine Qualitätsverbesserung vorliegt, Art. 11 Abs. 2 MiFID II-DLRL.442 Außer der positiven Formulierung sind in den Bedingungen für die Qualitätsbewertung keine Unterschiede zu ESMAs Vorschlägen festzustellen.443 Zu beachten ist jedoch, dass es nach Ansicht der Kommission für die Qualitätssteigerung nur eines einmalig verbesserten Dienstleistungsniveaus bedarf, jedoch keiner ständigen Qualitätssteigerung im Zeitverlauf.444 Allerdings hält die Kommission in Art. 11 Abs. 3 MiFID II-DLRL ausdrücklich fest, dass die WpDU die Anforderungen für die Qualitätsverbesserung gem. Abs. 2 kontinuierlich erfüllen müssen, solange diese die Gebühr, die Provision oder den nicht-monetären Vorteil erhalten, entrichten bzw. gewähren. Die Erbringung einer zusätzlichen oder höherrangigen Dienstleistung ist für den jeweiligen Kunden gerechtfertigt, wenn diese in einem angemessenen Verhältnis zu dem Umfang des erhaltenen Anreizes steht, Art. 11 Abs. 2 lit. a) MiFID II-DLRL. Hierfür führt die Kommission drei Beispiele an, die auch ESMA schon aufgezählt hat.445 Zugleich dürfen die Zuwendungen nicht unmittelbar der Empfängerfirma, 439

Vgl. ESMA, Final Report, Kap. 2.15, S. 141, TA Nr. 11 i) a)-c). ESMA, Final Report, Kap. 2.15, S. 141, TA Nr. 16 ii). 441 ESMA, Final Report, Kap. 2.15, S. 141, TA Nr. 16 iii). 442 ErwG. 21 MiFID II-DLRL. 443 Dies zeigt sich bereits in den ErwG., in denen festgestellt wird, dass Gebühren, Provision oder nicht-monetärer Vorteile nur dann gezahlt oder angenommen werden sollen, wenn dadurch entweder eine zusätzliche oder eine höherrangige Dienstleistung erbracht werden kann, ErwG. 22 MiFID II-DLRL. 444 ErwG. 23 MiFID II-DLRL. 445 Dies soll dann der Fall sein, wenn neben der abhängigen Beratung dem Kunden zugleich ein Zugang zu einer breiten Palette von geeigneten Finanzinstrumenten, einschließlich einer angemessenen Zahl von Instrumenten von Drittproduktanbieter, die keine enge Verbindung mit dem WpDU aufweisen, gewährt wird. Oder die abhängige Beratung in Verbindung mit entweder einem Angebot einer jährlichen Geeignetheitsbewertung der Finanzinstrumente des 440

124

2. Teil: Zuwendungen

ihren Anteilseignern oder den Beschäftigten zugutekommen, ohne dass der betreffende Kunde einen materiellen Vorteil verspürt, Art. 11 Abs. 2 lit. b) MiFID IIDLRL. Darüber hinaus ist die Annahme von laufenden Zuwendungen gerechtfertigt, wenn dem betreffenden Kunden ein fortlaufender Vorteil in Relation zu diesen zukommt, Art. 11 Abs. 2 lit. c) MiFID II-DLRL. Unzulässig ist eine solche Zuwendung jedoch, wenn die Erbringung der betreffenden Dienstleistungen aufgrund des Zuwendungserhalts befangen oder verzerrt ist, Art. 11 Abs. 2 UA 2 MiFID II-DLRL. Gem. Art. 11 Abs. 5 lit. a) MiFID II-DLRL soll vor der Erbringung der Dienstleistung die Offenlegung der Zahlung oder der Gewährung des Vorteils gegenüber dem Kunden erfolgen. Eine zusammenfassende Offenlegung der einzelnen Bestandteile ist künftig nicht mehr möglich, da sich die Form an Art. 24 Abs. 9 MiFID II orientieren soll.446 Vielmehr muss die genaue Höhe, bzw. bei geringfügigen Vorteilen nur die generische Beschreibung, offen gelegt werden, Art. 11 Abs. 5 lit. a) MiFID II-DLRL. War die Höhe im Vorfeld nicht bestimmbar und wurde dem Kunden nur die Berechnungsweise offen gelegt, so muss ihm nachträglich die genaue Höhe mitgeteilt werden, Art. 11 Abs. 5 lit. b) MiFID II-DLRL. Erhält das WpDU fortlaufende Anreize, so sind dem Kunden individuell die auf seine Dienstleistungen entfallenden Anreize mind. einmal jährlich in genauer Höhe darzulegen (s. hierzu noch ausf. 3. Teil). Ebenfalls bestimmt Art. 11 Abs. 4 MiFID II-DLRL, dass das WpDU die Zuwendungen nachweisen muss, indem es eine Auflistung der erhaltenen Zuwendung mit Erklärung der Verwendung und der daraus resultierenden Qualitätsverbesserung erstellt.

II. Die nationale Zuwendungsregelung 1. Die Zuwendungsregelung des § 31d WpHG Wie bereits festgestellt, legt § 31d Abs. 1 Nr. 1 WpHG, wie in Art. 24 Abs. 9 MiFID II gefordert, ein grds. Zuwendungsverbot mit der Ausnahmeregelung für den Erhalt von Zuwendungen und Provisionen zur Qualitätsverbesserung fest (s. 2. Teil A.II.1.a)). Allerdings kann es auf deutscher Ebene sein, dass aufgrund von § 31d Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG die Annahme der Zuwendung trotz Qualitätsverbesserung verboten ist, da sie die interessengerechte Beratung des Kunden beeinträchtigt.447 Bei dieser Beurteilung können die Höhe und die besonderen Vereinbarungen der Zuwendung als Indizien herangezogen werden.448

Kunden oder in Kombination mit einer anderen fortlaufenden Dienstleistung mit wahrscheinlichem Wert für den Kunden, bspw. eine Beratung über die vorgeschlagene optimale Portfoliostrukturierung des Kunden, erbracht wird. 446 Balzer, ZBB 2016, 226, 235. 447 Just, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 32. 448 Just, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 33; Assmann, ZBB 2008, 21, 28.

B. Zuwendungen für die abhängige Beratungspraxis

125

Anders als nun auf europäischer Ebene gefordert, genügt für die Qualitätsverbesserung des § 31d WpHG die positive Wirkung der Zuwendung für eine Kundengruppe. Es kommt also nicht auf den konkreten Zusammenhang zum jeweiligen Wertpapierdienstleistungsgeschäft an.449 Nach Ansicht des nationalen Gesetzgebers ist es außerdem ausreichend, wenn durch die Zuwendung erstmals ein bestimmtes Angebot für den Kunden erbracht werden kann.450 Somit müsste die Zuwendung entweder den Aufbau bzw. den Erhalt einer effizienten Infrastruktur für den Erwerb oder für die Veräußerung von Finanzprodukten fördern.451 Der von der Kommission geforderte Nachweis über den Erhalt und die Verbesserung der Dienstleistungsqualität findet sein Vorbild in der seit 2013 bestehenden Regelung in § 31d Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG i.V.m. § 14 Abs. 2 Nr. 5 WpDVerOV. Zugleich legt die BaFin hierzu Verwaltungsvorschriften durch die MaComp Modul AT 8.2. fest. Diese verpflichtet die WpDU, die erhaltenen Zuwendungen und deren Verwendung zur Qualitätssteigerung in einem unternehmensinternen Zuwendungsund Verwendungsverzeichnis gegenüber der BaFin zu dokumentieren.452 Zugleich werden darin Maßnahmen des WpDU festgehalten, die zur Sicherstellung der Einhaltung der Verpflichtung im besten Kundeninteresse zu agieren erfolgt sind. Mithin erfüllen die nationalen Regelungen die neuen europäischen Voraussetzungen. Anders als in der MiFID II-DLRL der Kommission vorgesehen, können die Zuwendungen gem. § 31d Abs. 3 WpHG453 in standardisierter und zusammengefasster Form vor Erbringung der Dienstleistung offen gelegt werden.454 2. Vergleich der Regelungen Es zeigt sich, dass die neuen Regelungen der MiFID II weitergehen, als die bisher geltenden. Die Qualitätsverbesserung muss künftig national strenger gehandhabt werden und sich an den Beispielen der delegierten Rechtsakte orientieren. Eine neue Formulierung braucht es hierfür nicht, da auch bisher aufgrund des europäischen Hintergrunds zur Auslegung des § 31d WpHG, die europäischen Beispiele herangezogen wurden.455 Eine Klarstellung wäre dennoch wünschenswert. Die zusammengefasste Offenlegung gem. § 31d Abs. 3 WpHG muss hingegen gestrichen 449

Assmann, ZBB 2008, 21, 28; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31d Rn. 10; Just, in: J/V/R/B, § 31d Rn. 29. 450 Just, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 30; Assmann, ZBB 2008, 21, 27; so auch die Vorgabe der CESR, s. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 166. 451 Begr. RegE FRUG, BT-Drs. 16/4028, S. 67. 452 Just, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 30; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31d Rn. 51; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 171. 453 Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31d Rn. 45. 454 Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1162. 455 Just, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 33; Koch, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 31d WpHG Rn. 4, 45; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31d Rn. 40 f., wendet diese ebenfalls zur Auslegung an.

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2. Teil: Zuwendungen

werden.456 Darüber hinaus zeigt sich die Vorreiter- bzw. Beispielsfunktion des 2013 eingeführten Zuwendungsverzeichnisses. 3. Die Umsetzung der MiFID II-Regelungen § 31d WpHG wurde ebenfalls verschoben und befindet sich im 2. FiMaNoG in § 70 WpHG-E. Wesentliche Veränderungen des § 31d WpHG brachte der RefE 2. FiMaNoG, der im anschließenden RegE überwiegend sprachliche Verbesserungen erfuhr. Die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses,457 die vom Bundestag und Bundesrat beschlossen wurde, sieht keine Änderungen zu § 70 WpHG-E vor. Das 2. FiMaNoG wurde am 23. 06. 2017 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Bereits im RefE 1. FiMaNoG wird die Definition des Personenkreises der Dritten, „die im Auftrag des Kunden tätig werden“ in den Abs. 1 S. 1 aufgenommen, sodass § 31d Abs. 1 S. 2 WpHG darin aufgeht und deshalb entfällt.458 Die Offenlegung der erhaltenen Zuwendungen soll gem. § 70 Abs. 1 Nr. 2 WpHG-E RegE 2. FiMaNoG verschärft werden, indem diese anstatt deutlich künftig unmissverständlich offen gelegt werden müssen.459 Voraussetzungen, wann dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt ist, werden nicht festgelegt. Dies wäre jedoch wünschenswert, um die Betonung des „Honorars“ der abhängigen Beratung in Form von Zuwendungen deutlicher zu machen.460 Hierfür jedoch eine rechnungsähnliche Ausgestaltung zu fordern, ist zu weitgehend. Es reicht aus, dass der Anleger die Zuwendungen ohne weitere Bemühungen erkennen kann.461 Ebenso wird nun in § 70 Abs. 1 Nr. 1 WpHG-E verlangt, dass die Dienstleistung nicht nur im Interesse – wie dies § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG vorsieht – sondern im bestmöglichen Interesse erbracht wird. Indem der ehemalige Wortlaut des § 31d Abs. 2 S. 1 WpHG dahingehend geändert wird, dass dieser Zuwendungen nicht mehr als geldwerten Vorteil, sondern als nicht-monetären Vorteil definiert, findet keine inhaltliche Änderung, sondern nur eine redaktionelle Anpassung an den Richtlinienwortlaut statt.462

456

Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1162. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, v. 29. 03. 2017, BT-Drs. 18/ 11775, S. 210. 458 § 61 WpHG-E RefE 1. FiMaNoG, § 60 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG. Im Folgenden soll vereinzelt die Entwicklung in den Entwürfen aufgezeigt werden, wobei auf das aktuelle Ausgangsergebnis des RegE 2. FiMaNoG abgestellt wird. 459 Klee, MiFID II: Auswirkungen der geänderten Behandlung von Zuwendungen, 47, die von einer verbindlicheren Formulierung spricht; Buck-Heeb/Poelzig, BKR 2017, 487, 488. 460 Als Preisschild der abhängigen Beratung bezeichnend vzbv, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 16. 461 A.A. vzbv, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 18. 462 Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 238. s. hierzu die umgesetzte Forderung der deutschen Kreditwirtschaft, geldwerte Vorteile durch nichtmonetäre Vorteile zu ersetzen, DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 21. 457

B. Zuwendungen für die abhängige Beratungspraxis

127

a) Qualitätsverbesserung Neu eingeführt wird in § 70 Abs. 1 WpHG-E ein S. 2, der die WpDU verpflichtet nachzuweisen, dass die Qualität der Dienstleistung durch die Zuwendung verbessert wurde.463 Indem der Gesetzgeber festhält, dass jegliche von ihnen erhaltene oder gewährte Zuwendungen dazu bestimmt sind, die Qualität der jeweiligen Dienstleistung für den Kunden zu verbessern, wird deutlich, dass die Verbesserung nicht allgemein für die Dienstleistung eintreten soll, sondern für den speziellen Kunden. Der im RefE des 2. FiMaNoG aufgenommene und sich nun im eigenen RefE zur WpDVerOV befindende § 6 WpDVerOV-E wurde sprachlich an die neue Definition der unabhängigen Honorar-Anlageberatung angepasst. § 6 Abs. 2 WpDVerOV-E enthält Merkmale für die Qualitätsverbesserung mit entsprechenden Beispielen. So soll eine Qualitätsverbesserung vorliegen, wenn dem Kunden gegenüber durch die Zuwendung eine höherwertige oder zusätzliche Dienstleistung erbracht werden kann, die in einem angemessenen Verhältnis zu der Zuwendung steht (Nr. 1). Beispielhaft wird hier, die aus der Honorar-Anlageberatung bekannte, breite Produktpalette, die fortlaufende Dienstleistung nach der Beratung, der günstige Zugang zu einer breiten Produktpalette und der verbesserte Zugang zu Beratungsdienstleistungen, bspw. in Form eines weit verzweigten Regionalnetzes, angeführt. Mit dem letztgenannten Beispiel versucht der Gesetzgeber erneut den Sparkassen und den Raiffeisenbanken bildlich gesprochen unter die Arme zu greifen, da diese die neuen Anforderungen der MiFID II aufgrund ihrer Struktur – die vom europäischen Gesetzgeber offensichtlich bei Erstellung der Neuregelungen kaum Berücksichtigung fand – besonders hohe Hürden nehmen müssen. Eine Absicherung der Provisionserträge ist hierin jedoch nicht zu sehen.464 Tatsächlich sollte jedoch die Ausnahmeregelung straffer gefasst werden, um nicht zu weit von der Anforderung abzuweichen, dass die bei einem Kundengeschäft eingenommene Provision auch diesem Kunden zugutekommt. Hier könnte auf den Erhalt des regionalen Filialnetzes im direkten Umfeld des Kunden abgestellt werden.465 Zudem darf die Zuwendung nicht unmittelbar dem annehmenden WpDU, seinen Gesellschaftern oder Beschäftigten zugutekommen (Nr. 2). Die Gewährung einer laufenden Zuwendung muss durch den laufenden Vorteil zugunsten der Kunden gedeckt sein. Damit ist nun auch festgelegt, dass Bestandsprovisionen zu einem fortlaufenden Vorteil für den einzelnen Kunden führen müssen, sodass die Aufrechterhaltung des Qualitätsstandards bspw. durch Produktschulungen hierfür nicht mehr ausreicht. Dies wird eine spürbare Verschärfung für die gängige Praxis der WpDU darstellen. Insgesamt übernimmt der deutsche Gesetzgeber damit die Vorgaben der MiFID II-DLRL. § 6 WpDVerOV

463

s. bereits § 60 Abs. 1 S. 2 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG. So aber vzbv, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 15. 465 Gänzlich ablehnend vzbv, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 15; kritisch aber die MiFID II-DLRL nicht als abschließend ansehend und daher die Regelung als möglich betrachtend Buck-Heeb/Poelzig, BKR 2017, 485, 488. 464

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2. Teil: Zuwendungen

wurde in der Fassung vom 17. 10. 2017 ohne Veränderungen am 23. 10. 2017 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.466 b) Analyse als Zuwendung Darüber hinaus wird in § 7 WpDVerOV-E des RefE WpDVerOV, wie schon zuvor im RefE 2. FiMaNoG, die Analyse als Zuwendung aufgenommen, es sei denn, sie erfüllt die im Weiteren aufgezählten Voraussetzungen. Diese Neuerung setzt nunmehr Art. 13 MiFID II-DLRL um. Bedauerlicherweise verpasst es der Gesetzgeber, hier eine Definition der Analyse zu verorten, um sicher zu stellen, dass diese, wie in den ErwG. 28, 29 MiFID II-DLRL festgelegt, nicht mit der Analysedefinition der Marktmissbrauchsverordnung gleichzusetzen ist, sondern enger gefasst werden muss.467 Gem. Abs. 3 müssen WpDU, wenn sie ein Analysekonto führen, dem Kunden oder der BaFin auf Verlangen eine Zusammenstellung der in § 70 Abs. 3 S. 2 WpHG-E aufgelisteten Informationen aushändigen. Auch hiermit werden die Vorgaben der MiFID II-DLRL umgesetzt (s. 2. Teil A.I.4.a)cc)). Die Anlayse ist auch in § 7 WpDVerOV in der Fassung vom 17. 10. 2017, die am 23. 10. 2017 im Bundsgesetzblatt veröffentlicht wurde, als Zuwendung aufgeführt.468 c) Offenlegung Die Möglichkeit der Standardisierung der Offenlegung gem. § 31d Abs. 3 WpHG wird richtigerweise gestrichen. Obwohl der dahinter stehenden Begründung, dass die bisherige Regelung auf Art. 26 MiFID I-DRL beruhe und dieser bis auf die standardisierte Offenlegung vollständig in Art. 24 Abs. 9 MiFID II aufgegangen ist und daher der Standardisierungszusatz gestrichen werden musste,469 nicht gefolgt werden kann.470 Wie in Art. 11 Abs. 5 MiFID II-DLRL vorgesehen, eröffnet der Gesetzgeber in einem neuen Abs. 4 des § 70 WpHG-E die Möglichkeit, Existenz, Art und Umfang geringfügig nicht-monetärer Vorteile auf generischer Basis darzustellen. Andere nicht geringwertige Vorteile sind jedoch mit der exakten Höhe anzugeben, wobei hier noch fraglich ist, wie bspw. das WpDU den Wert einer Produktschulung bestimmen soll.471 466

BGBl. Nr. 69, vom 23. 10. 2017, S. 3565. DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 21. 468 BGBl. Nr. 69, vom 23. 10. 2017, S. 3565. s. ausführl. zur Research als Zuwendung Roth/ Blessing, CCZ 2017, 163, 165 f. 469 Begr. RefE 1. FiMaNoG, S. 223 (s. 1. Teil, Fn. 35). 470 Die Argumentation, dass der fehlende S. 2 zur Standardisierung lediglich den übertragenen ersten Satz konkretisiere, geht fehl, schließlich hätte der europäischen Gesetzgeber den Zusatz der zusammengefassten Offenlegung ebenfalls übernehmen können – hätte er dies auch gewollt, s. DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 19. 471 s. dazu bereits die Problematik für die Veranstalter die Teilnahmekosten in Rechnung zu stellen, 2. Teil A.II.2.e)dd)(1)). Die Aufnahme einer Liste mit Regelungsbeispielen für kleinere 467

B. Zuwendungen für die abhängige Beratungspraxis

129

Die WpDU müssen nachträglich den genauen Betrag der erhaltenen Zuwendungen offen legen, wenn sie vorher nur die Art und Weise der Berechnung angegeben haben, § 70 Abs. 1 S. 3 WpHG-E. Erhält das WpDU fortlaufend Zuwendungen, so müssen diese mindestens einmal jährlich individuell für den Kunden offen gelegt werden, § 70 Abs. 1 S. 4 WpHG-E. Hier erfolgt eine Eins-zu-einsUmsetzung der zuvor besprochenen Anforderungen der MiFID II-DLRL. Es wird auch ein neuer Abs. 6 eingeführt, der die WpDU verpflichtet, separate Gebühren für jeden Auftrag des Kunden auszuweisen. Diese sollen nur die Kosten der Ausführung wiedergeben. Abs. 7 nimmt den alten § 31d Abs. 5 WpHG ohne Veränderungen auf. Hingegen verweist Abs. 8 pauschal auf die MiFID II-DLRL zur Konkretisierung und in Abs. 9 wird dem Bundesministerium für Finanzen eine Verordnungsermächtigung eingeräumt. d) Herausgabe der Zuwendungen als Sanktion? Als „Sanktion“ hat der Bundesrat für den neuen § 70 WpHG-E vorgeschlagen, dass bei Nichteinhaltung der erforderlichen Offenlegung der Zuwendung, bzw. bei Unterbleiben der nachträglichen Unterrichtung, der Kunde die Herausgabe der erlangten Zuwendungen vom WpDU verlangen kann oder die Übernahme des erworbenen Finanzprodukts gegen Erstattung des Kaufpreises.472 Eine solche Regelung würde zwar zu einer Disziplinierung der WpDU führen und die Möglichkeit des Kunden, die Anlageempfehlung objektiv zu beurteilen unzweifelhaft stärken, da er das Provisionsinteresse des Beraters kennt. Jedoch würde der deutsche Gesetzgeber damit wieder eine nationale Sonderregelung einführen. Darüber hinaus ist dies kein aufsichtsrechtlicher Anknüpfungspunkt, sondern eine zivilrechtliche Vertragsausgestaltung, die sich nur dann anbietet, wenn der Gesetzgeber den Anlageberatungsvertrag zivilrechtlich regeln würde.473 Dieser sollte aber auch durch die Umsetzung der MiFID II-Regelungen nicht eingeführt werden.474 Durch die Verortung einer solchen Regelung im WpHG käme die Trennung zwischen Aufsichtsrecht und Zivilrecht noch weiter ins Wanken und ist daher abzulehnen. e) Zwischenfazit Insgesamt weitet sich mit den neuen Regelungen der vorliegenden Entwürfe der ursprüngliche Anwendungsbereich des § 31d WpHG deutlich aus, wobei jedoch die Kernregelungen beibehalten werden. Grundlegend neu sind die Regelungen zum Gastgeschenke wie z. B. Kugelschreiber fordernd DK, Erste Bewertung Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 18. 472 Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/11290, S. 8 f. 473 I. E. Poelzig, Stellungnahme zum Entwurf des 2. FiMaNoG im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 10. 474 Stellungnahme Bundesregierung, BT-Drs. 18/11290, S. 17.

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2. Teil: Zuwendungen

Analysekonto durch die MiFID II-DLRL. Ebenso werden die Vorgaben zur Kostentransparenz475 auch für die Zuwendungen aufgeführt. Indem der Gesetzgeber die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses beschlossen hat, der die hier vorgestellten Regelungen des RegE 2. FiMaNoG übernommen hat, verpasst er es, die zuvor angeführten Ergänzungen und Änderungen vorzunehmen. Das 2. FiMaNoG wurde am 23. 06. 2017 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. 4. Das Festpreisgeschäft als Zuwendung? Die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahren zum 2. FiMaNoG diskutierte Forderung,476 dass auch das Festpreisgeschäft als Zuwendung behandelt werden solle, da dieses die gleichen Interessenkonflikte wie die Annahme von Provisionen entstehen lasse, ist abzulehnen. Die Befürworter einer solchen Regelung führen an, dass der Berater von der Gewinnmarge, die aufgrund der Spanne zwischen dem Einkaufspreis für das Finanzprodukt, den das WpDU zahlt, und dem als Festpreis ausgestalteten Verkaufspreis, den der Kunde an das WpDU zahlt, entsteht, ebenfalls verleitet wird, nicht im besten Kundeninteresse zu handeln.477 Da die Zuwendungsregelungen nun verschärft wurden, bestehe sogar eine besondere Gefahr, dass die WpDU überwiegend auf das nicht erfasste Festpreisgeschäft ausweichen.478 Dabei übersehen die Befürworter, dass eine solche Regelung nur im Einklang mit den MiFID II Anforderungen statuiert werden kann, oder der deutsche Gesetzgeber gem. Art. 24 Abs. 12 MiFID II eine Sonderregelung gegenüber der Kommission anzeigen und begründen müsste.479 Eine solche Anzeige für das Festpreisgeschäft liegt nicht vor. Die MiFID II knüpft, im Gegensatz zum WpHG, nicht an den Begriff der Zuwendung an, sondern an den der Anreize. Im Wortlaut werden diese für beide Beratungsformen explizit als Gebühren, Provisionen und Vorteile bezeichnet – bzw. im Englischen als fee, commission und benefit. Diese Begriffe werden jedoch nicht weiter definiert.480 475 Zur Umsetzung der Regelungen für die Kostentransparenz s. 3. Teil B.II.; für die allgemeinen europäischen Vorgaben der Kostentransparenz s. 3. Teil A. 476 Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/11290, S. 9; vzbv, Stellungnahme in der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zum 2. FiMaNoG, S. 4 f.; noch weitergehend der Vorschlag von DIE LINKE, Entschließungsantrag vom 29. 03. 2017, BT-Drs. 18/11788, S. 3 Nr. 1, in welchem sie fordern sämtliche Vertriebsanreize zu erfassen. 477 Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/11290, S. 9. 478 Klee, MiFID II: Auswirkungen der geänderten Behandlung von Zuwendungen, S. 50 f. 479 I. E. aber zur Offenlegung der Gewinnmarge Poelzig, Stellungnahme zum Entwurf des 2. FiMaNoG im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 10. 480 s. zum Begriffsverständnis von Zuwendungen in der MiFID II ausführlich Roth/Blessing, CCZ 2017, 163, 164 f.

B. Zuwendungen für die abhängige Beratungspraxis

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Nach allgemeiner Begriffsbestimmung handelt es sich bei einer Gebühr um einen für eine Dienstleistung zu zahlenden Betrag.481 Eine Provision hingegen stellt eine „regelmäßig in Prozenten […] berechnete Form der Vergütung für geleistete Dienste“,482 i. d. R. die Besorgung eines Handelsgeschäftes, dar.483 Die bei einem Festpreis entstehende Gewinnmarge ergibt sich jedoch aus der Differenz des Einkaufs- und Verkaufspreises. Eine Vergütung für die Beratung oder die Durchführung des Erwerbs ist hierin nicht angelegt. Damit könnte die Gewinnmarge des Festpreisgeschäftes ausschließlich einen Vorteil darstellen. Art. 24 Abs. 9 MiFID II spricht jedoch nur von nicht-monetären Vorteilen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 19 Abs. 1 MiFID I i.V.m. Art. 26 MiFID I-DRL, welche durch Art. 24 Abs. 9 MiFID II verschärft werden. Die Überschrift des Art. 26 MiFID I-DRL stellt zwar auf Anreize ab, die tatsächlich durch die Gewinnmarge eines Festpreisgeschäftes entstehen können, jedoch nimmt der Wortlaut nur auf Gebühren, Provisionen und nicht-monetäre Vorteile Bezug, sodass die Überschrift dahingehend konkretisiert wird. Dieses Konzept findet sich in Art. 11 MiFID II-DLRL wieder. Zudem muss gem. Art. 19 Abs. 1 lit. b) MiFID I die Gebühr, die Provision oder eine nicht in Geldform angebotene Zuwendung durch einen Dritten oder einer in seinem Auftrag handelnden Person gezahlt bzw. gewährt werden. Folglich waren nach der MiFID I nur Anreize in einem Dreipersonenverhältnis erfasst. Ein solches Dreipersonenverhältnis ergibt sich auch aus Art. 24 Abs. 9 MiFID II.484 Dieser skizziert den Sachverhalt, dass die WpDU eine Gebühr, eine Provision oder einen nicht-monetären Vorteil im Zusammenhang mit der Erbringung einer Wertpapier (-neben-)dienstleistung von einer Partei erhalten, die nicht Kunde oder eine durch den Kunden beauftragte Person ist. Damit ist das Festpreisgeschäft nicht von Art. 24 Abs. 9 MiFID II erfasst.485 Der Gesetzgeber erkennt das Gefährdungspotential des Festpreisgeschäftes, indem er 481 Definition aus Duden, abrufbar unter: http://www.duden.de/rechtschreibung/Gebuehr (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018); Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesen, S. 770; Gablers Wirtschaftslexikon, abrufbar unter: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/4332/ge buehr-v11.html (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). Gebühren fallen dann nicht unter den Zuwendungsbegriff, wenn sie zur Erbringung der Dienstleistung notwendig sind, Just, in: J/V/ R/B, WpHG, § 31d Rn. 14. 482 Definition aus Gablers Wirtschaftslexikon, abrufbar unter: http://wirtschaftslexikon.gab ler.de/Definition/provision.html (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 483 Duden, abrufbar unter: http://www.duden.de/rechtschreibung/Provision (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). s. zu den hier einschlägigen Provisionen auch die bereits besprochene Rechtsprechung zu Rückvergütungen und Innenprovisionen 2. Teil A.II.1.b). 484 I. E. ohne Begründung Poelzig, Stellungnahme zum Entwurf des 2. FiMaNoG im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 10; DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 24. 485 Poelzig, Stellungnahme zum Entwurf des 2. FiMaNoG im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 10; DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. Fi-

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2. Teil: Zuwendungen

dieses gem. § 31 Abs. 4d WpHG für die Honorar-Anlageberatung ausdrücklich regelt. Er trifft jedoch keine der Kommission anzeigepflichtigen Regelungen für die Provisionsberatung. So trägt er den Unterschieden der Zuwendungen im Dreipersonenverhältnis und dem Festpreisgeschäft im Zweipersonenverhältnis Rechnung. Zugleich gewährleistet er den Gleichlauf mit der zivilrechtlichen Rechtsprechung, die das Festpreisgeschäft ebenfalls nicht als Zuwendung erfasst (s. 2. Teil A.II.1.b) cc)(2)). Die hier zuvor zur Zivilrechtsprechung gefundene Lösung, in Form der Aufklärung über das Vorliegen eines Festpreisgeschäftes, würde auch im Aufsichtsrecht das Gefahrenpotential auffangen, da sich dem Kunden das Eigeninteresse der Bank indirekt aus dieser Information ergibt. Durch diese Kenntnis im Zusammenhang mit der neuen Kostentransparenz (s. hierzu 3. Teil ),486 nach der die Gewinnmarge offen gelegt werden muss, wäre der Kunde hinreichend informiert und kann eigenständig über die Eingehung eines Festpreisgeschäftes entscheiden. Eine Erfassung des Festpreisgeschäfts als Zuwendung ist deshalb nicht notwendig.

C. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Verbot – die britische Retail Distribution Review (RDR) als Vorbild? Nicht nur Deutschland, sondern auch andere Mitgliedstaaten haben sich bereits vor Erlass der MiFID II bzw. der delegierten Rechtsakte mit der Problematik des Interessenkonflikts auseinandergesetzt und zum Teil bereits eigene nationale Regelungen erlassen. So auch Großbritannien487, welches am 01. 01. 2013 ein vollständiges Verbot über die Annahme von Provisionen durch die Retail Distribution Review (RDR)488 einführte. Dieses – und nicht die Umsetzung der MiFID II-Vorgaben in Großbritannien – soll im Folgenden aufgezeigt werden. Darüber hinaus kennen sowohl das niederländische als auch das dänische Kapitalmarktrecht ein Provisionsverbot.489

MaNoG, S. 24; a.A. Ahlers, Interview v. 20. 12. 2016; wohl auch vzbv, Stellungnahme in der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zum 2. FiMaNoG, S. 4 f. 486 Stellungnahme Bundesregierung, BT-Drs. BT-Drs. 18/10936, S. 28; DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 24. 487 Unter die Bezeichnung Großbritannien fallen England, Wales, Schottland und Nordirland. Es sollen nur die gemeinsamen Rechtsvorschriften betrachtet werden. 488 Retail Distribution Review, abrufbar unter: https://www.fca.org.uk/static/pubs/guidance/ fg12-15.pdf (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 489 Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 29.

C. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Verbot

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I. Entwicklung Ausgangspunkt für die Einführung eines Provisionsverbots waren Studien, die die britische Aufsichtsbehörde Financial Service Authority (FSA)490 in Auftrag gegeben hat, um ihre bisherigen Anstrengungen zu überprüfen.491 Auch in Großbritannien bestand zu diesem Zeitpunkt ein Interessenkonflikt aufgrund von Provisionszahlungen. Vor allem sollte verifiziert werden, ob die zur Verfügung stehenden Informationsangaben seitens des Anlegers wahrgenommen, verstanden und genutzt werden. So lag vor der Einführung des Provisionsverbots durch die RDR – vor allem in Bezug auf die Transparenz der Annahme von Zuwendungen – in Großbritannien ein differenziertes System für die Anlageberatung vor. Es fällt auf, dass die Regelungen – vor allem zur Offenlegung von Provisionen –, die nun auf deutscher und europäischer Ebene eingeführt wurden/werden, zum Zeitpunkt der RDR-Einführung in Großbritannien teilweise schon praktiziert wurden. Die ersten Wohlverhaltenspflichten beruhen auf dem Financial Service Act 1986, der die damals neu geschaffene Aufsicht – Securities and Investment Board (SIB)492 – ermächtigt, gegen den bestehenden Interessenkonflikt des Beraters vorzugehen. Sie erließ die Statements of Principles als „Maxime des Kapitalmarktrechts“493. Eines der Principles bestimmt, dass WpDU Interessenkonflikte zu vermeiden haben und wenn sie doch auftreten, gerecht gegenüber dem Kunden ausgetragen werden sollten.494 Darüber hinaus sollte das WpDU seine Interessen nicht über die des Kunden stellen dürfen. Diese ersten Wohlverhaltenspflichten schrieben vor, dass Zuwendungen dann nicht angenommen werden dürfen, wenn diese die ordnungsgemäße Ausführung der Dienstleistung gegenüber dem Kunden gefährden.495 Außerdem sollte die Annahme von Provisionen bei Privatkunden grds. offen gelegt werden. Diese Regelungen wurden durch die polarisation496 im Jahre 1987 und die 490 s. zur Einführung der FSA in den 90er Jahren und die Hintergründe zur „Ersetzung“ durch die FSA Schlüter, in: D/K/B, Bank- und KapMR, § 99 Rn. 11 ff. 491 FSA, A Review of Retail Distribution, DP 07/01; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 322; McMeel, 87 St. John’s L. Rev. 595, 610 f. 492 Quasi als Vorgänger der FSA, s. Bliesener, Aufsichtsrechtliche Verhaltenspflichten beim Wertpapierhandel, 77. Das SIB war privatrechtlich organisiert und ihm wurde die Aufgabe übertragen einen regulatorischen Rahmen zu entwickeln, s. Halfpap, Kapitalmarktaufsicht in Europa und den USA, 55, 57. 493 Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 121. 494 SIB, Glossary and Interpretation of Conduct Business Rules, 1990; vgl. heute Principle 8, FCA, Handbook, PRIN 2.1.1.R. 495 Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 122. 496 s. ausf. zur polarisation: FSA, Reforming Polarisation: Making the market work for consumers, Consultation Paper 121, Rn. 2.4; Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 48; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 113; London Economics, Report to the Financial Service Authority: Polarisation and Financial Services Intermediary Regulation – A review for the Financial Services Authority, Section 3, S. 7; Moloney, How to Protect Investors, 268.

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2. Teil: Zuwendungen

depolarisation im Juni 2005 weiter verschärft. Nicht-monetäre Zuwendungen sollten nur erlaubt sein, wenn diese zu einer Verbesserung der Servicequalität führen.497 Seit der depolarisation, und damit dem Regelungsstand vor Einführung des Provisionsverbots durch die RDR, unterscheidet das britische Recht drei Kategorien von Beratern: independent advisers, tied agents und multi-tied agents, denen verschieden Pflichten obliegen.498 Die ersten beiden Beratungsformen entstanden bereits in der polarisation und wurden inhaltlich nicht verändert.499 Independent Adviser müssen Angebote im besten Interesse des Kunden abgeben und über die ganze Palette von auf dem Markt verfügbaren Produkten beraten.500 Hingegen sind tied agents Agenten (Vermittler) eines Produktemittenten und beraten nur hinsichtlich dessen Produkte.501 Der durch die depolarisation „neue“ multi-tied agent, ist ein ebenfalls nicht-unabhängiger Berater, der Produkte von mehreren unterschiedlichen Emittenten anbieten darf.502 Welchen Status der jeweilige Berater innehat, muss er dem Kunden zu Beginn der Geschäftsbeziehung in Form des sog. initial disclosure document (IDD) mitteilen.503 Anders als im deutschen Recht, wurde also keine allgemeine Aufklärungspflicht statuiert, sondern diese an den Status des jeweiligen Beraters geknüpft. Dem Kunden soll so ermöglicht werden, zu erkennen, ob der Berater unabhängig oder als Agent für

497

Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 122; McMeel, 87 St. John’s L. Rev. 595, 608 f. 498 Vgl. Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 123 f.; McMeel, 87 St. John’s L. Rev. 595, 606 f.; Brandt, C.O.B. 2010, 73(Feb), 1, 11. 499 Mit der Einführung der Trennung zwischen den beiden Beratungsformen wollte das SIB, als zuständige Aufsichtsbehörde, die ihrer Ansicht nach missbräuchliche Vergütungsstruktur der Anlageberatung auflösen. Denn es wurden zu dieser Zeit Extra-Provisionen seitens der Emittenten an den Berater gezahlt für das Überschreiten gewisser Volumina beim Verkauf ihrer Produkte. Ebenso wurden den Beratern durch die Emittenten Kredite gewährt, die bei Erreichen der Umsatzziele nicht zurück gefordert wurden, s. Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 123 f. 500 FSA, Reforming Polarisation: Making the market work for consumers, Consultation Paper 121, Rn. 2.5; London Economics, Report to the Financial Service Authority: Polarisation and Financial Services Intermediary Regulation – A review for the Financial Services Authority, Section 3, S. 8; Moloney, How to Protect Investors, 268; Brandt, C.O.B. 2010, 73(Feb), 1, 11. 501 London Economics, Report to the Financial Service Authority: Polarisation and Financial Services Intermediary Regulation – A review for the Financial Services Authority, Section 3, S. 9; Moloney, How to Protect Investors, 268; Brandt, C.O.B. 2010, 73(Feb), 1, 11. 502 Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 49; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 113; Brandt, C.O.B. 2010, 73 (Feb), 1, 11. 503 FSA, Reforming Polarisation: A menu for being open with consumers, Including feedback on CP166, 06/2004, Rn. 1.8; Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 49; Moloney, How to Protect Investors, 268.

C. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Verbot

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einen Produktanbieter agiert.504 Daneben sollte die Offenlegung der Kosten dem Kunden den Interessenkonflikt des Beraters offenbaren und zugleich aufzeigen, dass er letztlich die Kosten alleine trägt.505 Dennoch erinnert die Trennung der Berater aufgrund der Produktpalette an die zusätzlichen Anforderungen, die unabhängige Berater auf europäischer Ebene und (unabhängige) Honorar-Anlageberater auf nationaler Ebene tragen müssen. Die Einführung der Trennung zwischen den Beratern erfolgt vor einem ähnlichen Hintergrund, nämlich aufgrund der undurchsichtigen Vergütungsstruktur. Vor der polarisation wurden Extra-Provisionen für das Überschreiten gewisser Volumina beim Verkauf ihrer Produkte seitens der Emittenten an den Berater gezahlt.506 Die Auflockerung in der depolarisation ist darauf zurück zu führen, dass FSA feststellen musste, dass auch dieses System den Anleger nicht vor nachteiligen Fehlkäufen schützen konnte.507 Zugleich wurden weitere Offenlegungspflichten, wie sie jetzt auch auf europäischer und nationaler Ebene zu finden sind, eingeführt. Zusätzlich zum IDD musste ein fees and commission statement, auch menu genannt, in Form eines Formulars, zu Beginn der Vertragsbeziehungen508 an den Kunden ausgehändigt werden.509 Dieses legte dem Kunden die maximale Höhe der erhaltenen Provision, die der Berater grds. von einem Produktanbieter erhält, offen.510 Die genaue Höhe für die jeweils einzelnen Produkte wurde nicht ausdifferenziert; anders jedoch seit 1997511 für die sog. packaged products.512 Daneben enthält das menu Angaben zu von FSA erhobenen, durchschnittlichen bzw. markt-

504

FSA, Reforming Polarisation: Making the market work for consumers, Consultation Paper 121, Rn. 2.4; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 113. 505 Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 113. 506 FSA, Reforming Polarisation: Making the market work for consumers, Consultation Paper 121, Rn. 2.5; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 123. 507 FSA, Reforming Polarisation: Making the market work for consumers, Consultation Paper 121, Rn. 5.1 ff.; Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 48 f. 508 „At the same time as they provide the IDD“, s. FSA, Reforming Polarisation: A menu for being open with consumers, Including feedback on CP166, 06/2004, Rn. 1.9, 2.9. 509 FSA, Reforming Polarisation: Implementation – Feedback on CP 04/3 (A menu for being open with consumers) and made text, PS 04/27 Rn. 1.5 ff.; Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 49. 510 FSA, Reforming Polarisation: A menu for being open with consumers, Including feedback on CP166, 06/2004, Rn. 2.8. 511 Als packaged products werden Pensionen, Renten, Bonds, passiv verwaltete Fonds (Exchanged Traded Funds = ETF) und kollektive Kapitalanlagen erfasst, s. Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 128; Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 53. 512 FSA, Reforming Polarisation: A menu for being open with consumers, Including feedback on CP166, 06/2004, Rn. 2.40.

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2. Teil: Zuwendungen

üblichen Gesamtprovisionshöhen in tabellarischer Form.513 Für hauseigene Produkte muss außerdem das sog. commission equivalent ausgehändigt werden, welches die Vertriebskosten des Produkts offen legt.514 Mithin werden dem Anleger zu Beginn der Beratung die genauen Kosten und darüber hinaus – weitergehend als auf europäischer Ebene nun gefordert – Referenzwerte zum Vergleich der üblichen Marktprovision offenbart. Aber auch dieses System ist nach den Auswertungen der von FSA in Auftrag gegebenen Studien gescheitert. Das menu hatte das Ziel, dem Anleger verständlich zu machen, dass er die Kosten selbst trägt. Dadurch sollte zugleich ein Wettbewerb zwischen den WpDU ausgelöst werden, der eine grds. Senkung der Kosten zur Folge hat. Gerade diese Ziele wurden jedoch verfehlt.515 Vielmehr blieben die Provisionshöhen konstant,516 die Vielzahl an verschiedenen Provisionen verringerte sich nicht517 und die Honorar-Anlageberatung wurde auch nicht signifikant stärker nachgefragt.518 Als Ergebnis weiterer Studien ließ sich dieses Anlegerverhalten damit begründen, dass der Anleger nach wie vor die provisionsgestützte Beratung bevorzugt, da er immer noch glaubt, dass diese seitens Dritter finanziert wird.519 Die Problematik eines Interessenkonflikts wurde, wenn sie gesehen wurde, nicht weiter reflektiert.520 Als Erklärung für dieses Phänomen wird angeführt, dass der Anleger seinem persönlichen Berater kein Eigeninteresse zu-

513 FSA, Reforming Polarisation: A menu for being open with consumers, Including feedback on CP166, 06/2004, Rn. 1.10, 2.6, 2.8, Annex 7; Schafstädt, Das Spannungsverhältnis zwischen Provisionsberatung und Honorarberatung im Versicherungsmarkt, 300. Zu der Auswertung der Studie s. auch Schelling, Vergütungssystem und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 322 ff. 514 Heute noch FCA, Handbook, COBS 6.4.3.R., COBS 6 App. 6; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 129. 515 CRA International, „An Empirical Investigation into the Effects of the Menu“ – Report prepared for the Financial Services Authority, S. 4; Schafstädt, Das Spannungsverhältnis zwischen Provisionsberatung und Honorarberatung im Versicherungsmarkt, 301. 516 CRA International, „An Empirical Investigation into the Effects of the Menu“ – Report prepared for the Financial Services Authority, S. 25; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 322 ff. 517 CRA International, „An Empirical Investigation into the Effects of the Menu“ – Report prepared for the Financial Services Authority, S. 32, 34 ff.; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 322 ff. 518 CRA International, „An Empirical Investigation into the Effects of the Menu“ – Report prepared for the Financial Services Authority, S. 39 ff.; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 322 ff. 519 FSA, Service and costs disclosure. Qualitative Research with potential and recent purchasers of financial products, CR 65a, S. 30 ff., 50; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 322 ff. 520 FSA, Service and costs disclosure. Qualitative Research with potential and recent purchasers of financial products, CR 65a, S. 52 ff.; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 322 ff.

C. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Verbot

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schreibt.521 Insb. deshalb, weil dieser ihm von Bekannten/Freunden/Familie empfohlen wurde und er auch nicht das Gefühl habe, dass der Berater sich in einem Interessenkonflikt befindet.522 Die Honorar-Anlageberatung wurde hingegen als Variante für Anleger, die viel Geld anlegen wollen, wahrgenommen.523 Es zeigt sich, sofern die Studien aufgrund der unterschiedlichen Marktverhältnisse und der unterschiedlichen Kundengepflogenheiten übertragen werden können, dass auch für die europäischen und deutschen Regelungen nicht durchweg nur positive Ergebnisse zu erwarten sind. In Großbritannien wurde deutlich, dass die Aufklärung, so wie sie momentan auf europäischer und nationaler Ebene ausgestaltet ist, nicht ausreicht, um die Honorar-Anlageberatung tatsächlich zu stärken und den Interessenkonflikt vollständig offenzulegen. Allerdings führten in Großbritannien auch die Bezeichnung des unabhängigen Beraters und die Vergleichswerte nicht weiter. Dies mag jedoch an dem dreistufigen Berater-Modell liegen und der auch dort möglichen Annahme von Provisionen bei Offenlegung. Dass die Vergleichswerte unbeachtet blieben, überrascht jedoch. Aus dieser Erkenntnis schloss FSA, dass eine Offenlegung alleine unzureichend ist, um den Interessenkonflikt aufzuschlüsseln.524 Die neu eingeführte RDR soll folglich Klarheit schaffen, wie die Beratung ihr Beratungskonzept dem Kunden näher bringt, die potentielle Verfälschung des Kundengewinns durch die Beratervergütung herausstellen und den Beratungsstandard erhöhen.525 Dabei soll ein vollständiges neues Konzept526 sowohl für die Berater als auch Emittenten aufgelegt werden, welches speziell für retail investment Produkte aber auch packaged products gelten soll.527 Damit sind einfache Produkte, wie bspw. Aktien (Namensaktien), Versicherungsprodukte sowie Hypotheken/Grundpfandrechte nicht von dem An521 FSA, Service and costs disclosure. Qualitative Research with potential and recent purchasers of financial products, CR 65a, S. 64; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 322 ff. 522 FSA, Service and costs disclosure. Qualitative Research with potential and recent purchasers of financial products, CR 65a, S. 28 ff., 64; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 322 ff. 523 FSA, Service and costs disclosure. Qualitative Research with potential and recent purchasers of financial products, CR 65a, S. 53; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 322 ff. 524 McCarthy, (Chairman of the FSA), „Is The Present Business Model Bust?“ Rede bei Gleneagles Savings&Pensions Industry Leaders’ Summit; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 322. 525 Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 51; Schafstädt, Das Spannungsverhältnis zwischen Provisionsberatung und Honorarberatung im Versicherungsmarkt, 301. 526 FSA, A Review of Retail Distribution, DP07/01 Rn. 2.12; auch als Paradigmenwechsel bezeichnet, s. Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 326. 527 FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR – feedback to CP 09/18 and finale rules, Policy Statement 10/6, Rn. 2.7; FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, CP 09/18, Rn. 2.6.

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2. Teil: Zuwendungen

wendungsbereich erfasst.528 Für Wertpapierkäufe ohne Beratung (non-advised service) sowie für den basic advice529 finden die Regelungen zur Beratungsgebühr gem. FCA Handbook, COBS 6.1 A.2R ebenfalls keine Anwendung.530

II. Änderungen durch die Retail Distribution Review (RDR) 1. Die Regelung Die RDR enthält drei wesentliche Komponenten: die Beratervergütung, die Offenlegung des Beratungsservices und die Fachkompetenz der Berater.531 Diese drei Komponenten stehen in einem Zusammenspiel und müssen auch zusammen betrachtet werden, wobei die Vergütung des Beraters die Hauptfunktion übernimmt. a) Einführung des Provisionsverbots Seit dem 01. 01. 2013 darf gem. FCA Handbook, COBS 6.1 A.4R die Vergütung des Beraters, wenn dieser eine persönliche Empfehlungen für retail investment Produkte abgibt, nur noch auf einer Vereinbarung zwischen dem Kunden und dem Berater beruhen und nicht mehr zwischen dem Berater und dem Produktanbieter.532 Es erfolgt damit eine sog. customer agreed remuneration (CAR).533 Das Unternehmen darf keine Provisionen, Vergütungen oder andere Vorteile im Zusammenhang mit der persönlichen Empfehlung oder einem zusammenhängenden Service mehr seitens des Produktanbieters annehmen, auch wenn es diese an den Kunden auskehren würde.534 Mithin ist diese Regelung strenger als die europäische und sogar die deutsche.

528

Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 53. Diese Form ist zu trennen vom independent und restricted advice. Gem. FCA, Handbook COBS 9.6 handelt es sich um eine kurze und einfache Form der Finanzberatung, die vorgefertigte Fragen verwendet, um festzustellen ob eine Beteiligungsform (bspw. Aktie) oder ein anderes Produkt den Interessen des Kunden entspricht. Da für diese Beratungsform die Regelungen über das Beratungshonorar nicht anwendbar sind, findet sie im weiteren Verlauf dieser Arbeit keine Berücksichtigung. s. dazu Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 10 f. 530 FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR – feedback to CP 09/18 and finale rules, Policy Statement 10/6, Rn. 4.9; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 12. 531 Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 51. 532 s. Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 12. 533 FCA, Handbook, COBS 6.1 A, 6.1 A.4.R.; FSA, A Review of Retail Distribution, DP07/ 01 Rn. 3.75; s. Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 326 f. 534 Allerdings darf das WpDU nicht-monetäre Vorteile annehmen, die die FCA in einer Liste aufführt, wenn diese allen WpDU zur Verfügung gestellt werden, s. FCA, Handbook COBS 2.3.16.G. 529

C. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Verbot

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Zugleich wird es dem Produktanbieter gem. FCA Handbook, COBS 6.1B.5R verboten dem Beratungsunternehmen Provisionen oder andere Zuwendungen in Zusammenhang mit der persönlichen Empfehlung zukommen zu lassen. Zu beachten ist jedoch, dass gewerbliche Kunden (professional clients) und geeignete Gegenparteien (eligible counterparties) nicht von FCA Handbook, COBS 6.1.1R Abs. 1 erfasst sind, da sich dieser nur an Kleinanleger bzw. private Anleger (retail client) richtet.535 Für diese gilt das Provisionsverbot nicht, sodass hier ein weiterer Unterschied zur europäischen Regelung besteht. Der Produktanbieter muss den Preis seines Produkts abzüglich der Vergütung des Beraters für seinen Service angeben. Sodann soll eine Art „Preisdiskussion“ zwischen dem Berater und dem Kunden über die bereits erbrachten und noch zu erbringenden Dienstleistungen des Beraters stattfinden.536 Die zusätzlichen Gebühren werden auf den Produktpreis zugerechnet, sodass der Kunde einen vollständigen Preis erhält und durch mehr Transparenz eine höhere Kundenzufriedenheit entsteht.537 Dem Kunden muss, in ausreichender Zeit vor der Empfehlung, die Vergütungsstruktur verständlich und in einfacher Sprache offengelegt werden, FCA Handbook, COBS 6.1.17R, 19G. In welchem Dokument die Struktur offen gelegt wird, bspw. zusammen mit der Beratungsform, bleibt dabei den WpDU überlassen, FCA Handbook, COBS 6.1 A.21G, 6.1 A.18G. Das WpDU kann für jeden Kunden einzeln ein Vergütungsmodell erstellen oder dies in standardisierter Form anbieten, FCA Handbook, COBS 6.1 A.11R, 6.1 A.12R. Auch das Preissystem in Form von Stundenlohn, Festbetrag oder eine in Prozent ausgestaltete Beteiligung bleibt den Parteien überlassen, FCA Handbook, 6.1 A.22R.538 Einzige Voraussetzung ist, dass die Vergütung den Berater nicht beeinflussen darf, nicht im besten Kundeninteresse zu handeln. Andauernde Vergütungszahlungen dürfen somit auch nur bei einem fortgesetzten Beratungsservice gezahlt werden, FCA Handbook, COBS 6.1 A.26G. Ebenso muss das WpDU erklären, wie der Kunde den Service kündigen und die damit verbundenen Gebühren einstellen kann.539 Die Vergütung ist zudem produktneutral auszugestalten, sodass eine höhere Vergütung für einzelne Produkte unzulässig ist. Anderenfalls könnte der Berater hier wiederum von der Vergütung beeinflusst werden. Informationen über die erhaltenen Zahlungen, wozu diese verwendet wurden und wie sie ggf. von dem üblichen Zahlungsmodell des WpDU abweichen, muss für jeden Kunden schriftlich für fünf Jahre festgehalten werden, FCA Handbook, COBS 6.1 A.27R. 535

Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 12; Schafstädt, Das Spannungsverhältnis zwischen Provisionsberatung und Honorarberatung im Versicherungsmarkt, 302 f. 536 FSA, Factsheet For investment advisers – Adviser charging, No.010, S. 2. 537 s. ausf. zur Berechnung und Darstellung der Preise Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 15. 538 Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 54. 539 FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR – feedback to CP 09/18 and finale rules, Policy Statement 10/6, Rn. 4.37.

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2. Teil: Zuwendungen

Damit wird das bisherige Modell, dass der Kunde den gesamten Preis an den Produktanbieter zahlt und dieser dann einen Teil davon an den Berater weiterleitet, nicht verboten.540 Es liegt vielmehr auch im Rahmen der Vereinbarung zwischen Kunden und Berater, wie die Zahlung – bspw. per Scheck direkt an den Berater oder über den Produktanbieter an den Berater – erfolgen soll, s. FCA Handbook, COBS 6.1B.9R.541 Wesentlicher Unterschied zum bisherigen Modell ist jedoch, dass der Kunde dies mit dem Berater bespricht542 und dem Produktanbieter klare Anweisungen zukommen lässt.543 Um Missbrauch vorzubeugen, müssen die Zahlungen durch den Emittenten an den Berater jedoch zum gleichen Betrag und zur gleichen Zeit erfolgen, wie der Emittent Zahlungen vom Kunden erhält.544 Im Gegenzug ist es dem Produktanbieter ebenfalls verboten, dem Berater monetäre Zuwendungen, insb. Rabatte, zukommen zu lassen.545 Diese Vergütungsform wird häufig als Schlupfloch von den Beratern genutzt.546 Indem der Berater dem Kunden zum Ende der Beratung mehrere Seiten mit den wesentlichen zusammen gefassten Informationen vorlegt, in denen auch die schriftliche Anweisung gegenüber dem Emittenten enthalten ist, die adviser charge aus dem Investment an den Berater auszuzahlen,547 legt er faktisch seine Provision selber fest. b) Einführung zwei verschiedener Beratungsformen Indem FSA die Beratungsdienstleistungen in restricted advice und independent advice548 neu kategorisierte,549 löste sie die vielen unterschiedlichen Bezeichnungen in der Beratungslandschaft auf und versucht die Unterschiede dieser Formen noch 540

Vgl. Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 17; Brandt, C.O.B. 2010, 73(Feb), 1, 18; i.E. Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 327. 541 FSA, A Review of Retail Distribution, DP07/01 Rn. 3.76, 3.80. 542 FSA, A Review of Retail Distribution, DP07/01 Rn. 3.76. 543 Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 17. 544 FCA, Handbook, COBS 6.1B.9.R.; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 327. 545 FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, DP09/18, Rn. 4.17; FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR – feedback to CP 09/18 and finale rules, Policy Statement 10/6, Rn. 4.19 ff.; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte, 327; Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 54. 546 Cazier, „Das Provisionsverbot ist fantastisch für britische Berater“, Interview mit FONDS professionell Online v. 03. 07. 2013. 547 Cazier, „Das Provisionsverbot ist fantastisch für britische Berater“, Interview mit FONDS professionell Online v. 03. 07. 2013. 548 FCA, Handbook, COBS 6.2 A.3.R.; Clark, SJ 157/2, 10. 549 FCA, Handbook, COBS 6.2 A.5.R.; FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR – feedback to CP 09/18 and finale rules, Policy Statement 10/6, Rn. 2.8 ff.; FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, DP09/18, Rn. 2.5; Schafstädt, Das Spannungsverhältnis zwischen Provisionsberatung und Honorarberatung im Versicherungsmarkt, 303; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 330.

C. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Verbot

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deutlicher herauszustellen.550 Trotz der begrifflichen Unterscheidung findet für beide Beratungsformen die adviser charging rule Anwendung. aa) Independent advice Ein independent advice liegt gem. FCA Handbook, COBS 6.2 A.3R dann vor, wenn eine persönliche Empfehlung an einen Privatkunden in Bezug auf retail investment Produkte gegeben wird, die den Anforderungen der Regelungen für die unabhängige Beratung entspricht. Mithin muss der independent adviser seine Empfehlung auf eine umfassende und faire Marktanalyse des relevanten Markts stützen.551 Zudem braucht er einen allumfassenden Marktüberblick. Zugleich soll die Empfehlung unvoreingenommen und uneingeschränkt erfolgen.552 Dass der Berater eine unabhängige Beratung erbringt, muss er dem Kunden schriftlich vor der Beratung mitteilen, FCA Handbook, COBS 6.2 A.5R. Folglich muss der Berater ähnliche Kriterien wie auf europäischer Ebene für die unabhängige Beratung vorgesehen erfüllen. (1) Merkmal der retail investment Produkte Wie die MiFID II erweitert auch die RDR ihren Anwendungsbereich durch die Erweiterung des retail investment Produkts, sodass dem Anleger für mehrere Produkte eine unabhängige Beratung angeboten werden kann.553 Zu den retail investment Produkten zählen nun packaged products554 und nicht regulierte gemeinsame Kapitalanlagen, Investment Trusts und strukturierte Kapitalanlageprodukte.555 Die 550

FSA, Retail Distribution Review – Interim Report, Rn. 3.8 f.; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 330 f. 551 FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, DP09/18, Rn. 2.13; Clark, SJ 157/2, 10. 552 FSA, Retail Distribution Review: Independent and restricted advice – finalised guidance, FG 12/15, Rn. 2.2. 553 FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, DP 09/18, Rn. 2.5, 2.7.; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 3. Die neue Definition ist auch im Hinblick auf die damals bevorstehende PRIPS Regelung auf EU-Ebene erlassen worden. s. Schafstädt, Das Spannungsverhältnis zwischen Provisionsberatung und Honorarberatung im Versicherungsmarkt, 303. 554 s. zur alten Definition 2. Teil C.I. Nun werden auch Fonds nach der OGAW-Richtlinie (Richtlinie 2014/91/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Änderung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) im Hinblick auf die Aufgaben der Verwahrstelle, die Vergütungspolitik und Sanktionen; Abl. EU v. 28. 08. 2014, L 257/186), geschlossene börsennotierte Fonds, private Pensionspläne, Lebensversicherungen und langfristige Versicherungsverträge erfasst, s. FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, DP 09/18, Rn. 2.6. 555 Die strukturierten Produkte umfassen ebenso Derivate als Optionen, Futures und Finanzdifferenzgeschäfte, s. FSA, Retail Distribution Review: Independent and restricted advice –

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2. Teil: Zuwendungen

Definition ist hinsichtlich künftig neuer Produkte jedoch offen formuliert, sodass auch diese bei Vertrieb an retail investment clients entsprechend eingestuft werden können.556 Eine Spezialisierung auf einen bestimmten Markt soll grds. möglich sein, wenn das gesamte Segment des Spezialgebiets für die Beratung analysiert wird.557 (2) Merkmal des relevant market Der zu analysierende relevant market enthält die in Großbritannien angebotenen retail investment Produkte, die zu den Kundenbedürfnissen passen.558 Dieser kann jedoch im Einzelfall durch Kundenangaben bspw. dahingehend eingeschränkt werden, dass ausschließlich ethische Kapitalanlagen berücksichtigt werden sollen.559 Kann ein WpDU nicht alle Produkte, die hinsichtlich der Kundenbedürfnisse passend sind, abdecken, so muss es sich als restricted adviser kennzeichnen.560 Bezieht sich die unabhängige Beratung nur auf einen Teilmarkt, kann die Bezeichnung als independent nur rechtmäßig sein, wenn ein Namenszusatz erläutert, auf welches Marktsegment sich die unabhängige Beratung bezieht und die Beschränkung sowie die Art des spezialisierten Markts schriftlich offen gelegt werden.561 Es muss zudem Sicherungssysteme einrichten, die verhindern, dass das Unternehmen außerhalb des speziellen Markts Empfehlungen ausspricht, sondern stattdessen den Kunden an andere Unternehmen verweist, COBS 6.2 A.22G. Auch hier sieht man deutlich die Vorbildfunktion für die europäischen Regelungen – auch wenn ESMA aufgrund erheblicher Kritik den Verweis verworfen hat (s. 2. Teil A.I.3.a)). (3) Anforderungen an die Merkmale Marktanalyse und unvoreingenommene Beratung Der independent adviser darf sich aufgrund des Merkmals der unvoreingenommenen Beratung hinsichtlich der Produktauswahl für die Marktanalyse nicht von vorneherein auf retail investment Produkte beschränken, sondern muss auch andere,

finalised guidance, FG 12/15 Rn. 2.3; Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 53. 556 Clark, SJ 157/2, 10, 11; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 3 f. 557 FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, DP09/18, Rn. 2.13. 558 FCA, Handbook, COBS 6.2 A.11.G.; FSA, Retail Distribution Review: Independent and restricted advice – finalised guidance, FG 12/15 Rn. 2.6; Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 57; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 4. 559 FSA, Retail Distribution Review: Independent and restricted advice – finalised guidance, FG 12/15 Rn. 2.6, 2.7; FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, DP 09/18, Rn. 2.15; FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR – feedback to CP 09/18 and finale rules, Policy Statement 10/6, Rn. 2.13.; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 4. 560 Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 57. 561 FCA, Handbook, COBS 6.2 A.4.G.(2), COBS 6.2 A.4.G, 6.2 A.6.R; FSA, Retail Distribution Review: Independent and restricted advice – finalised guidance, FG 12/15 Rn. 2.9; Brandt, C.O.B. 2010, 73(Feb), 1, 14.

C. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Verbot

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dem Kundeninteresse entsprechende Kategorien berücksichtigen.562 Die Analyse muss auch solche Produkte erfassen, die nicht in Großbritannien emittiert wurden, aber in Großbritannien vertrieben werden.563 Bietet ein WpDU independent advice an und vertreibt seine eigenen Produkte oder die der Schwesterfirma, so muss es darlegen, dass die Empfehlung dieses Produkts auf einer zuvor durchgeführten unabhängigen und unbeschränkten Analyse beruht.564 Ist die Vergütung für eigene Produkte hingegen höher als für Dritte, so liegt keine unbefangene Empfehlung vor. Um unvoreingenommen und ohne Einfluss des Produktanbieters agieren zu können, darf das Beratungsinstitut gem. FCA Handbook, COBS 6.2 A.15G keinerlei vertragliche Beziehungen unterhalten bzw. Beschränkungen oder Verpflichtungen gegenüber einem Produktanbieter unterliegen, die die Beratung im besten Kundeninteresse negativ beeinflussen können.565 Davon erfasst sind auch Produktschulungen.566 Beratungsfirmen, die in einem Konzernverbund mit Produktanbietern stehen, müssen alle erforderlichen Anstrengungen unternehmen, um sicher zu stellen, dass die finanziellen Interessen des Mutter- oder Schwesterunternehmens den eigenen Beratungsservice nicht berühren.567 bb) Restricted advice Der restricted advice ist deutlich offener. So werden im Umkehrschluss sämtliche Beratungsleistungen, die nicht unter independent advice subsumiert werden können, erfasst.568 Allerdings gelten auch für den restricted advice die gleichen Angemessenheits-,569 Anreiz-570 und Vergütungsanforderungen sowie der gleiche Standard hinsichtlich der Beraterausbildung wie für den independent advice.571 Die Beratung

562 FCA, Handbook, COBS 6.2 A.17.G.; FSA, Retail Distribution Review: Independent and restricted advice – finalised guidance, FG 12/15 Rn. 2.22; Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 57; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 5. 563 FSA, Retail Distribution Review: Independent and restricted advice – finalised guidance, FG 12/15 Rn. 2.19. 564 Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 57. 565 FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, DP 09/18, Rn. 2.17; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 6. 566 FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, DP 09/18, Rn. 2.17; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 327. 567 FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, DP 09/18, Rn. 2.18. 568 FSA, Retail Distribution Review: Independent and restricted advice – finalised guidance, FG 12/15 Rn. 3.2. 569 Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 58. 570 Geregelt in FCA, Handbook, COBS 2.3.1.R. 571 FSA, Retail Distribution Review: Independent and restricted advice – finalised guidance, FG 12/15; Rn. 3.3; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 6. s. hierzu noch 4. Teil A.III.

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2. Teil: Zuwendungen

ist ebenfalls im bestmöglichen Kundeninteresse zu erbringen. Bankberater können grds. nur restricted advices erbringen.572 Der wesentliche Unterschied liegt nach Ansicht von FSA in der Offenlegung in welchen Punkten das WpDU nicht den Regelungen des independent advice folgt.573 Die Unterschiede kann das Unternehmen frei beschreiben. Es darf jedoch nicht über diese täuschen,574 sondern muss den beschrieben Service tatsächlich erbringen. Dabei muss es zwingend die Bezeichnung restricted advice verwenden.575 Findet sich kein passendes Anlageprodukt im Beratungsspektrum des WpDU, darf dieses keine persönliche Empfehlung an den Kunden aussprechen, FCA Handbook, COBS 6.2 A.22G.576 Trotz dieser zwei selbständigen Beratungsarten des restricted und independent advice kann ein WpDU beide Arten der Beratung gleichzeitig erbringen. Es darf sich dann jedoch nicht in seinem übergeordneten Dachnamen als independent bezeichnen und muss dem Kunden die Trennung und den Unterschied klar vor Augen führen, FCA Handbook, COBS 6.2 A.6R. Als Unterkategorie des restricted advice ist der simplified advice anzusehen.577 Der simplified advice ist ein rationalisierter, bzw. verschlankter Beratungsprozess, der sich auf zwei besondere Bedürfnisse des Kunden spezialisiert und keine umfassende Analyse der Umstände des Kunden vornimmt, die nicht direkt mit den besonderen Bedürfnissen in Berührung stehen.578 Eine Unterkategorie ist er deshalb, weil nicht alle Investmentprodukte, die für die Kundenbedürfnisse passen könnten, dem Beratungsangebot zugrunde gelegt werden.579 In der Regel wird der simplified advice durch automatisierte und prozessorientierte Abläufe, vor allem im Internet

572

FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, DP 09/18, Rn. 2.32. Dies kann gem. FCA, Handbook, COBS 6.2 A.6.R. schriftlich, aber auch gem. COBS 6.2 A.9R mündlich erfolgen, wenn es zur verpflichtenden mündlichen Interaktion mit dem Retail Kunden kommt, s. auch Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 58; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 6. 574 Eine Täuschung liegt bspw. vor, wenn das Unternehmen (konkludent) erklärt, dass es sich auf Produkte beschränkt, die am besten geeignet sind für eine bestimmte Kundengruppe oder erklärt, dass es sich ausschließlich auf die Produkte des Typs A beschränkt und dann den Kunden dazu anhält, alle seine Investments in diesen Bereich zu verlegen, es sei denn, dies entspräche tatsächlich dem bestmöglichen Kundeninteresse, s. FSA, Retail Distribution Review: Independent and restricted advice – finalised guidance, FG 12/15 Rn. 4.4, 3.6. 575 Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 7; Brandt, C.O.B. 2010, 73(Feb), 1, 16. 576 s. ausf. Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 8. 577 FSA, Retail Distribution Review: Independent and restricted advice – finalised guidance, FG 12/15 Rn. 3.6; Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 58; Brandt, C.O.B. 2010, 73(Feb), 1, 15. 578 FSA, Simplified Advise – finalised guidance, Rn. 2.1 f.; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 9. 579 FSA, Simplified Advise – finalised guidance, Rn. 2.3; Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 59. 573

C. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Verbot

145

oder am Telefon, erstellt.580 Mit dieser Beratungsform soll den Bedürfnissen der Kunden entsprochen werden, die sich den vollständigen Beratungsservice finanziell nicht leisten können oder wollen.581 c) Inducements Weiterhin gelten für die WpDU, insb. für die Vermögensverwaltung,582 die regulären Inducement-Regelungen gem. FCA Handbook, COBS 2.3.1R, wenn diese keinen restricted oder independent advice erbringen.583 Anreize, sowohl monetärer als auch nicht-monetärer Art, dürfen gewährt und angenommen werden, wenn diese vom Kunden stammen, oder wenn sie durch eine dritte Person ermöglicht werden und zu einer Qualitätsverbesserung führen. Zugleich dürfen diese die Interessenwahrungspflicht des WpDU gegenüber dem Kunden nicht beeinträchtigt.584 Ihr Erhalt muss dem Kunden in verständlicher Form vor der Beratung offengelegt werden. Mithin ist diese Regelung das britische Pendant zum deutschen § 31d WpHG – bzw. die Umsetzung von Art. 26 MiFID I-DRL. Dementsprechend findet sich auch im FCA Handbook, COBS 2.3.14G die Regelung, dass nicht-monetäre Zuwendungen angenommen werden dürfen, wenn diese die Servicequalität verbessern und keine Gefahr für die Beratung im besten Kundeninteresse darstellen. FCA Handbook, COBS 2.3.15G legt zudem eine mit der europäischen vergleichbare Positivliste mit Situationen fest, in denen die o.g. Voraussetzungen vorliegen. d) Incentives Neben den inducements werden auch die incentives als Ursache eines möglichen Interessenkonflikts angesehen und entsprechend reguliert. FSA führte eine in-houseincentives Struktur ein, um Bonussysteme, die rein auf dem Verkaufsvolumen liegen, zu unterbinden. Denn aufgrund von solchen Anreizsystemen könnte bspw. der Manager nicht mehr objektiv die Verkäufe seiner Mitarbeiter überprüfen.585 Daher sollen die WpDU Kontroll- und Steuermechanismen einführen, die ein System 580 FSA, Simplified Advise – finalised guidance, Rn. 2.2; Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 58, deshalb auch streamlined advice. 581 FSA, Simplified Advise – finalised guidance, Rn. 3.14. 582 Hier steht wohl eine der größeren Veränderungen des britischen Rechts an, da die MiFID II diese unter bestimmten Anforderungen von der Annahme von Provisionen ausschließt. 583 FCA, Handbook, COBS 2.3.6 A.; FCA, Markets in Financial Instruments Directive II Implementation – Consultation Paper III, CP 16/29, Rn. 2.10; vgl. Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 327. 584 FCA, Handbook, COBS 2.3.1.R.; FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR – feedback to CP 09/18 and finale rules, Policy Statement 10/6, Rn. 4.47 ff. 585 FSA, Guidance Consultation: Risks to customers by financial incentives, S. 10.

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2. Teil: Zuwendungen

enthalten, das Anzeichen für ein falsches Verkaufsverhalten der Berater erkennt, sowie ein Qualitätsüberwachungssystem, welches Risiken erkennt und entschärft. 2. RDR Review Entgegen des Ende 2014 – knapp 2 Jahre nach Inkrafttreten – veröffentlichten Post Implementation Review586, welches von Financial Conduct Authority (FCA), als Nachfolgerin von FSA, in Auftrag gegeben wurde, um erste Auswirkungen der RDR abzubilden, ist das Problem des Interessenkonflikts nicht aufgelöst worden. Die Studie, die von unabhängigen, externen, europäischen Gutachtern erstellt wurde,587 kam zu dem Ergebnis, dass die Beratung aufgrund des Provisionsverbots deutlich weniger befangen sei.588 Die Produktkosten seien, aufgrund fehlender Provisionen und einfacherer Konstruktion, gesunken589 und es sei keine befürchtete Beratungslücke feststellbar.590 Einzig die Beratungskosten, seien ohne ersichtlichen Grund gestiegen,591 jedoch würden sich die Berater nun langfristig nach den Kundenwünschen richten, indem sie segmentieren und qualifizierteren und abgestimmten Service für das jeweilige Kundensegment anbieten.592 Lediglich das Offenlegungsdokument müsse nachgebessert werden, da für einige Anleger immer noch unverständlich sei, wie die Beratung vergütet werde und worin der Unterschied zwischen dem independent und dem restricted advice besteht.593 Jedoch erstellten FCA und HM Treasury im Oktober 2015 ein neues Papier „Financial Advice Market Review (FAMR) Call for input“, in dem sie unter anderem nach den Ursachen für die entstandene Beratungslücke suchen. Mithin erkennt nun auch FCA an, dass eine solche besteht. Diese war bereits von Deloitte in ihrer Marktstudie594 prognostiziert worden. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass 5,5 Millionen Anleger (11 Prozent der Gesamtanleger) bei Einführung des Provisionsverbots keine Finanzberatung mehr in Anspruch nehmen würden bzw. dies nicht mehr können. Auch die weiteren Ergebnisse595 der Deloitte-Studie können in 586

FCA, Post-implementation review of the Retail Distribution Review – Phase 1. FCA, Post-implementation review of the Retail Distribution Review – Phase 1, Rn. 1.3. 588 FCA, Post-implementation review of the Retail Distribution Review – Phase 1, Rn. 1.4. 589 FCA, Post-implementation review of the Retail Distribution Review – Phase 1, Rn. 1.4. 590 FCA, Post-implementation review of the Retail Distribution Review – Phase 1, Rn. 1.4. 591 Europe Economist, Final Report, Executive Summary, S. 2. 592 Europe Economist, Final Report, Executive Summary, S. 3 593 Europe Economist, Final Report, Executive Summary, S. 4. 594 Deloitte, Bridging the advice gap – Delivering investment products in a post-RDR world. 595 Von 2140 befragten Erwachsenen wollten 32 Prozent selbständig Recherchen und Registrierung durchführen, 27 Prozent sich selbständig informieren und über Finanzvermittler kaufen und 24 Prozent ihren Finanzberater nur noch für wesentliche Anlagefragen aufsuchen, um so das Honorar gering zu halten. Ein weiteres konträres Ergebnis von Deloitte war die Feststellung, dass immer noch 87 Prozent der Kunden an die kostenlose Beratung glauben würden und die Offenlegungsbemühungen mithin gescheitert sind. 587

C. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Verbot

147

dem Final Report aus 2016 von FCA und HM Treasury596 gefunden werden. Der Rückgang der agierenden Makler – waren es 1987/1988 noch ca. 110.000 abhängige und 25.000 unabhängige Vermittler, so sind 2012/2013 nur noch 11.000 abhängige und 25.000 unabhängige Vermittler aktiv –597 wird damit begründet, dass sich der Beratungsaufwand für kleinere Anlagesummen nicht lohne.598 Größere WpDU hatten mit Erscheinen der RDR bereits angekündigt, dass sie sich auf vermögende Privatkunden spezialisieren werden.599 Zudem fragen nur noch wenige Kunden die Beratungsleistungen nach, was ebenfalls mit den hohen Kosten, der Unzufriedenheit mit dem angebotenen Service und dem Vertrauensverlust der Anleger in die Beratung aufgrund von vorangegangenen Fehlberatungen begründet wurde.600 Wegen der hohen Kosten, sei einigen Anlegern der Zugang zur Finanzberatung nicht mehr möglich.601 Es zeigt sich, dass die geäußerten negativen Befürchtungen vor Einführung der RDR nicht bloße Schwarzmalerei waren. Dennoch wollen FCA und HM Treasury an diesem Modell insgesamt festhalten. Dies bekräftigen sie in ihrem jüngsten Report.602 Dies gilt auch für die Umsetzungen der Vorschriften zur MiFID II.603 Allerdings soll das Problem der Beratungslücke durch diverse Maßnahmen minimiert bzw. abgeschafft werden. In ihrem Final Report stellten FCA und HM Treasury 28 Verbesserungsvorschläge zu der derzeitig aktuellen Marktsituation vor. Deren Umsetzungsfortschritt beschreiben FCA und HM Treasury in ihrem Progress Report aus April 2017 positiv. Zur Einführung neuer Maßnahmen wurde unter anderem Financial Advice Working Group604 (FAWG) eingesetzt, die unterschiedliche Maßnahmen einführen wird/eingeführt hat, um den Kunden an den Finanzmarkt heranzuführen. Dafür wurde der Begriff des regulated advice verändert. An diesen 596

FCA/HM Treasury, Financial Advice Market Review – Final report. Hierbei muss jedoch berücksichtigt werden, dass 2008 über 40.000 unabhängige Berater am Markt agierten. Schafstädt, Das Spannungsverhältnis zwischen Provisionsberatung und Honorarberatung im Versicherungsmarkt, 304. 598 FCA/HM Treasury, Financial Advice Market Review – Final report, S. 7. 599 So kündigte bspw. die Lloyds Banking Group an, persönliche Finanzberatung nur noch für Kunden mit einem Vermögen von 100.000 Pfund anzubieten. Kunden unter 100.000 Pfund hätten nach ihrer Untersuchung keinen Bedarf für eine Honorarberatung. Diese sollten künftig nur noch allgemein Informationen zu Sparprodukten erhalten. So wie die Lloyds Banking Group haben viele Berater ihre Geschäft analysiert und sind zu demselben Entschluss gekommen, s. Pankl, Provisionsverbot würde gewaltige Beratungslücke verursachen, Beitrag v. 12. 10. 2012, FONDS professionell Online. 600 FCA/HM Treasury, Financial Advice Market Review – Final report, S. 7. 601 FCA/HM Treasury, Financial Advice Market Review – Final report, S. 7. 602 FCA/HM Treasury, Financial Advice Market Review (FAMR) – Progress report, S. 2 ff. 603 Die Veränderungen des independent und den restricted advices durch die MiFID II sollen hier nicht thematisiert werden. Insgesamt will die FCA die neuen Regelungen auf beide Formen anwenden. s. zu den vorgeschlagenen Änderungen FCA, Markets in Financial Instruments Directive II Implementation – Consultation Paper III, CP 16/29, S. 17 ff. 604 Bestehend aus Mitgliedern des FAMR Expert Advisory Panel, FCA Consumer Practitioniers and Smaller Business Practitioniers Panel. 597

148

2. Teil: Zuwendungen

knüpfen die strengen Anforderungen der FCA. Allerdings war dessen Abgrenzung zur weniger strengen und damit kostengünstigeren guidance bislang unklar, sodass viele WpDU den regulated advice in Rechnung stellten. Nun knüpft der regulated advice ausdrücklich und im Einklang mit der MiFID I an die persönliche Empfehlung an, sodass die Abgrenzung für die WpDU einfacher werden soll und die Beratung für die Kunden günstiger. Auf diese Weise sollen wieder mehr Kunden Informationen erhalten, um eigenständige Investitionsentscheidungen zu treffen.605 In diesem Rahmen hat FAWG auch die Rules of Thumb and Nudges vorgestellt, um den Anleger allgemeine Grundregeln zum Verhalten am Finanzmarkt näher zu bringen.606 Des Weiteren nimmt die FCA consultations vor, um die Umsetzung einiger Vorschläge aus der FAMR zu konkretisieren. So führt die FCA eine consultation durch, um Klarstellungspotentiale hinsichtlich der Förderung von simplified bzw. streamlined advice aufzudecken.607 Hierzu veröffentlichte FCA im September 2017 die Streamlined advice and related consolidated guidance608, welche im Dezember 2017 noch einmal überarbeitet wurde.609 Mit dieser schafft die FCA eine grundsätzliche guidance, die jedoch für die WpDU nicht bindend ist.610 Gleichwohl sollen die Unternehmen diese bei ihrer Umsetzung des streamlined advice heranziehen und als Ergänzung zum Handbook beachten. Dabei versteht FCA unter streamlined advice nur einen Oberbegriff, der sowohl den simplified advice als auch den focused advice erfasst.611 Ebenso kann unter den Begriff des steamlined advice auch der (voll-)automatische Service, der sog. Roboadvice, zu subsumieren sein.612 FCA versucht in ihrer guidance den WpDU anhand von good and poor practices aufzuzeigen, wie sie einen solchen Service einrichten und betreiben können. So sollten die WpDU vor der Einführung zunächst den Zielmarkt bestimmen, für den sie den Service anbieten möchten. Anhand des festgelegten Zielmarkts sollte der Service 605

FCA/HM Treasury, Financial Advice Market Review (FAMR) – Progress report, S. 2, 4. FAWG, Rules of Thumb and Nudges – Improving the financial wellbeing of UK consumers. 607 FCA/HM Treasury, Financial Advice Market Review (FAMR) – Progress report, S. 5; FCA, Guidance on Consultation GC17/4: Financial Advice Market Review (FAMR) – Implementation part 1. 608 FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, abrufbar unter: https://www.fca.org.uk/publication/finalised-guidance/fg-17 - 08.pdf (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 609 s. zur Entstehung https://www.fca.org.uk/publications/finalised-guidance/fg17 - 8-stre amlined-advice-consolidated-guidance (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 610 FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 2 Rn. 1.6. 611 FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 4 Rn. 2.2. 612 FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 4 Rn. 2.4. 606

C. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Verbot

149

ausgelegt werden.613 Auch bei der Erbringung des streamlined advice sind die Product Governance Regelungen (s. 8. Teil) anzuwenden. Die WpDU müssen entscheiden, ob die entsprechenden Produkte überhaupt im Rahmen des streamlined advice angeboten werden können. FCA geht grds. davon aus, dass je komplexer, je risikoreicher, je stärker konzentriert oder je illiquieder die Produkte, desto ungeeigneter sind diese für den streamlined advice.614 Daneben haben die WpDU Filterprozesse zu Beginn des Beratungsvorgangs einzuführen, um herauszufinden, ob die Kundenwünsche und -bedürfnisse überhaupt durch diesen Service erfüllt werden können.615 Insgesamt müssen die WpDU bei der Erstellung des Prozesses sicherstellen, dass keine ungeeigneten Produkte empfohlen werden und der Service überhaupt für den Kunden geeignet ist.616 Auch deshalb sollen die WpDU beobachten, wer den Service nutzt und eingreifen, sofern Kunden eine falsche Beratung erhalten.617 Es gelten die allgemeinen Informationspflichten für den streamlined advice, sodass diese bei der Darstellung des Services beachtet werden müssen. Letztlich müssen auch hier die Informationen redlich, klar und nicht irreführend sein. Vor allem ist der Kunde über die Art des erbrachten Service aufzuklären. Ihm sind die Unterschiede zu anderen Beratungsformen zu erläutern. Dabei sollen nicht ausschließlich Fachbegriffe verwendet werden, sondern es soll eine kundengerechte Darstellung eingeführt werden.618 Für den streamlined advice gelten, wenn dieser an retail clients eine perönliche Empfehlung über retail investment products ausspricht, ebenfalls die adviser charging and remuneration rules (COBS 6.1 A).619 Mithin wird auch hier mit dem Kunden eine adviser charge vereinbart und die Vergütungsstruktur muss rechtzeitig offen gelegt werden (s. 2. Teil C.II.1.a)).620 Zudem gelten die Kompetenzanfoderung für die Berater (s. 4. Teil A.III.). Dies gilt insb. dann, wenn der Kunde das automatische System mit einem Berater gemeinsam bedient und diesem jederzeit weitere Fragen stellen kann.621 Handelt es sich um ein vollautomatisches System, welches der Kunde ohne weitere Unterstützung einer natürlichen Person bedient, so soll dieses mit Hilfe eines vollausgebildeten

613

2.13. 614 615 616 617 618

2.30. 619 620 621

FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 5 f. Rn. 2.7, FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 7 Rn. 2.6. FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 7 Rn. 2.17. FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 9 f. Rn. 2.21 f. FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 10 Rn. 2.33. FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 13 Rn. 2.29, FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 39 Rn. 4.1, 4.2. FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 40 Rn. 4.4 ff. FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 43 Rn. 4.20.

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2. Teil: Zuwendungen

Beraters entwickelt werden.622 Besteht eine Mischform, in der der Berater dem Kunden nur Informationen während der Durchführung des Systems erteilt, soll der Berater derart geschult sein, dass er erkennen kann, wann der Kunde die Hilfe eines professionellen Beraters benötigt.623 Ausweislich des aktuellen Fortschrittsberichts und den zwischenzeitlich erschienenen guidances, kann zwar die Beratungslücke verringert werden, jedoch zeigt der Bericht zugleich, dass hierfür eine Fülle an Maßnahmen notwendig sind, deren Wirkung erst verlässlich in einigen Jahren bewertet werden kann, um diese wieder zu schließen. Dies sieht auch die FCA, da sie für 2019 eine Review der FAMR-Maßnahmen plant. Die Zwischenzeit geht deutlich zu Lasten des Anlegers. Die jüngst erschienene guidance zum streamlined advice macht außerdem deutlich, dass auch bei den abgeschwächten und damit „günstigeren“ Modellen eine Fülle an Voraussetzungen erbracht werden sollen. Damit wird einerseits richtigerweise dem Anlegerschutz Rechnung getragen, andererseits wird dadurch auch diese Form der Beratung nicht so kostengünstig anzubieten sein, als dass diese nun für jeden Anleger eine Alternative darstellt und damit zur vollständigen Aufhebung des advice gaps führt.

III. Zwischenfazit Es zeigt sich, dass Großbritannien, als „Vorreiter“ in der europäischen Union, versucht den durch externe Anreize verursachten Interessenkonflikt – bisweilen nicht mit gänzlichem Erfolg – aufzulösen. Alle drei Regelungen führen eine Trennung zwischen zwei Beratergruppen ein, die an ein unterschiedliches Beratungsspektrum knüpft. Hier zeigt sich auf britischer Ebene, dass der relevante Markt ausdrücklich anhand der Anlegerinteressen definiert werden soll. Dies wurde in der MiFID II-DLVO aufgenommen und gilt somit auch unmittelbar auf allen nationalen Ebenen. Der Kundenwunsch ist ein effektiver Maßstab, um einen Mehraufwand für die Institute zu beschränken, da Produkte außerhalb des Wunschbereiches ohnehin von dem Kunden unberücksichtigt bleiben. Jedoch besteht hierin eine Missbrauchsgefahr, da es letztlich dem Berater überlassen bleibt, den Markt anhand der Kundenwünsche einzugrenzen. Allerdings muss die generelle Beschränkung nun auch nach europäischem und damit ebenso im nationalen Recht im Firmennamen offen gelegt werden. Eine nach dem Wortlaut derart genaue Ausdifferenzierung, wie in der MiFID II bzw. § 31 Abs. 4c Nr. 1 WpHG bezüglich der Ausführung der Analyse, erfolgt nicht. Diese ließe sich jedoch durch eine Erweiterung der FCA Regelung einführen. Hier zeigt sich das grds. Verständnis der englischen Regelungen, die regelmäßig abstrakt gehalten sind und auf einigen „high-level-rules“ beruhen, dass die WpDU eigen622 623

FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 42 f. Rn. 4.17 ff. FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 43 Rn. 4.21.

C. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Verbot

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verantwortlich die Regelungen in die Praxis umsetzen müssen.624 Dadurch findet eine enge Abstimmung der WpDU und FCA statt.625 Gleich ist hingegen die Regelung, dass der independent adviser nicht ausschließlich seine eigenen Produkte empfehlen darf und eine solche Empfehlung ebenfalls das Ergebnis einer unbefangenen Marktanalyse sein muss.626 Die RDR erscheint teilweise als Vorlage der MiFID II-Regelung gedient zu haben. So sind auch die Offenlegungspflichten zu Beginn der Beratung vertraut. Weitergehend ist hingegen das vollständige Provisionsverbot, welches auch auf nationaler Ebene in Deutschland von einigen Vertretern als einzige Lösung gefordert wird.627 Die Zuwendungsregelungen außerhalb der RDR orientieren sich an den europäischen Vorgaben. So dürfen Anreize angenommen werden, wenn diese die Service Qualität verbessern und keine Gefahr für die Beratung im besten Kundeninteresse darstellen. Zusätzlich findet sich im FCA Handbook eine mit den delegierten Rechtsakten vergleichbare Liste, die solche nicht-monetären Zuwendungen enthält, bei denen davon ausgegangen wird, dass sie diese Anforderungen erfüllen. Die weitergehenden deutschen Regelungen hinsichtlich des Festpreisgeschäftes oder des Honoraranlageberater-Registers finden auf britischer Seite kein Pendant. Vielmehr müssen die britischen Regelungen zur Honorarberatung hinsichtlich der professionellen Kunden und geeigneten Gegenparteien erweitert werden, wenn diese sich an einen independent adviser wenden, um die europäischen Vorgaben zu erfüllen. Der Verlauf in Großbritannien – von der Aufklärung über verschiedene Beratungs- und Vergütungsmodelle hin zum Provisionsverbot – scheint einen ersten Vorgeschmack auf die mögliche europäische und auch deutsche Entwicklung zu geben. Schließlich handelt es sich um denselben Interessenkonflikt, der in allen drei Regelungen verhindert werden soll. Auch haben alle drei Regelungen das Ziel, dem Kunden eine bewusste Entscheidung über die Beratungsform zu ermöglichen. In Großbritannien hat dies laut der FCA-Studie nicht funktioniert. Mit einem solchen Resultat ist derzeit auch auf deutscher Ebene zu rechnen. Die Regelungen hinsichtlich der Offenlegung zu Beginn der Beratung sind sehr ähnlich; die britischen ermöglichen sogar mittels Referenzwert einen Vergleich der Provisionen. Dass der deutsche Anleger diesen mehr Aufmerksamkeit schenken wird, als die Briten, ist nicht zu erwarten. Dies zeigt sich auch in der bisher geringen Nachfrage der HonorarAnlageberatung als alternative Beratungsform. Der deutsche Kunde erkennt den Interessenkonflikt nach wie vor nicht. Hier ist eine Parallele zum britischen Markt zu erkennen.

624 625 626 627

s. zur abstrakten Ausgestaltung Veil/Wundenberg, Englisches Kapitalmarktrecht, 142 f. Veil/Wundenberg, Englisches Kapitalmarktrecht, 142 f. FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, DP 09/18, Rn. 2.10. s. jüngst vzbv, Pressemitteilung v. 20. 04. 2017.

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2. Teil: Zuwendungen

Für eine ähnliche Entwicklung, bei Einführung eines vollständigen Provisionsverbots auf dem deutschen Markt, bestehen Anzeichen. Es muss jedoch beachtet werden, dass der britische Markt bereits im Vorfeld, als das Provisionsverbot eingeführt wurde, stärker reguliert war. Eine Umsetzung des Provisionsverbotes ohne solche Zwischenschritte hätte vermutlich noch gravierendere Auswirkungen und ist deshalb für den deutschen Markt nicht ratsam. Zwar zeigte die erste Studie einen Erfolg des Provisionsverbots, jedoch ist mittlerweile die Beratungslücke offensichtlich, und es haben sich erkennbar neue Absatzkanäle gebildet.628 Da die Kleinanleger eine geringere Bereitschaft haben, die teuren Beratungsleistungen in Anspruch zu nehmen, spezialisieren sich die Anbieter auf wohlhabende Kunden. Den Kleinanlegern bleibt der Erwerb über Plattformen und Execution-Only. Eine solche Situation wird auch in Deutschland erwartet, obwohl gerade durch die Einführung des Kleinanlegerschutzgesetzes dieser Anleger besonders geschützt werden sollte. Zwar sind die Befürchtungen, dass die vielen freien Anlageberater diese Regulierung nicht überstehen werden, nicht eingetreten.629 Jedoch haben viele Banken sich umorientiert und vertreiben nun als vertikal integrierte Unternehmen ausschließlich ihre eigenen Produkte. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass der britische Markt anders aufgebaut ist als der deutsche. Während in Deutschland vieles über den Bankberater abgewickelt wird, dominieren in Großbritannien die Versicherungsunternehmen und Investmentmanager, die als unabhängige Berater (independent financial adviser = IFA) 76 Prozent der gesamten Versicherungsprodukte und als Intermediäre 46 Prozent des totalen Investmentvolumens bedienen.630 In Deutschland gibt es lediglich eine kleinere Anzahl an freien Beratern, während der Großteil des Beratungsgeschäfts durch die Banken erbracht wird. Für diese ist der Vertriebsweg der Honorarberatung weniger geeignet als für freie Berater. FCA sieht drei Jahre nach Einführung des Provisionsverbotes Nachbesserungsbedarf aufgrund der entstandenen Beratungslücke, will aber an ihrem Provisionsverbot festhalten. Die Fehlentwicklung soll durch neue Beratungsformen, die weniger Aufwand für die WpDU bedeuten – und damit geringere Kosten für den Kunden –, ausgeglichen werden. Ob solche Maßnahmen anschlagen, oder ob doch Lockerungen hinsichtlich des Provisionsverbotes eingeführt werden müssen, bleibt abzuwarten. Für den deutschen Markt ist eine solche Situation jedenfalls nicht tragbar. Der Kunde bevorzugt nach wie vor die persönliche Beraterbeziehung. Es findet zwar ein Generationswechsel statt, sodass jüngere Bankkunden durchaus technikaffin sind, allerdings erhält auch die „jüngere Generation“ lieber eine klar strukturierte Empfehlung eines persönlichen Beraters, als sich selber in ein Thema einzulesen und dann entsprechende technische Tools nutzen zu können.631 Eine 628

N.N., Provisionsverbot: Britische Berater leiden nicht unter Absatzkrise, Beitrag v. 24. 09. 2014, FONDS professionell Online. 629 Marray/Becken, REGULIERUNG: Asset Management ohne Asset Manager, Beitrag v. 04. 11. 2014, Börsenzeitung, S. B 22. 630 Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 64. 631 Stachowiak, Interview v. 12. 04. 2017.

D. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Aufklärung

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Akzeptanz von solchen technischen und unpersönlichen Lösungen ist daher momentan kaum erkennbar und kann auch die überwiegende Anzahl der Anleger (noch) nicht erreichen. Das Nebeneinander der Provisions- und Honorarberatung in Deutschland zeigt zudem einen klaren Vorteil auf. Dem Kunden obliegt die Wahl, welche Beratungsform er in Anspruch nehmen möchte. Der britische Anleger wird in dieser Hinsicht entmündigt. Allerdings ist auch hier die Aufklärungsproblematik hinsichtlich Vergütung und Beratungsform gegeben, welche in Großbritannien, nicht durch die Offenlegung zu Beginn der Beratung ausgeräumt werden konnte. Jedoch kann der Kleinanleger bei Co-Existenz beider Beratungsformen weiterhin die provisionsgestützte Beratung in Anspruch nehmen, sodass für ihn keine Beratungslücke entsteht. Die Großbanken erbringen nämlich auch für ihn weiterhin Beratungsleistungen. Darüber hinaus zeigt sich, dass auch die britischen Berater ein Schlupfloch gefunden haben und die Höhe ihrer Provisionen nun selbst bestimmen können, indem diese durch den Produktanbieter auf Anweisung des Kunden bezahlt werden. Auch dies spricht nicht für die besondere Transparenz und bewusste Entscheidung des Anlegers im britischen System.

D. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Aufklärung – die Behandlung von Provisionszahlungen in den Vereinigten Staaten von Amerika Der durch Provisionen ausgelöste Interessenkonflikt ist auch dem amerikanischen Markt als Gefahr für die Funktionsfähigkeit der Märkte und für den einzelnen Anleger bekannt. Anders als in Deutschland herrscht in den USA jedoch historisch begründet ein Trennbankensystem.632 Zwar wurde dieses 1999 durch den Gramm-Leach Bliley Act derart gelockert, dass Banken und Broker nunmehr gemeinsam agieren können,633 jedoch werden auch aktuell die Wertpapierdienstleistungen noch überwiegend von Brokern und Investment Advisern übernommen,634 wohingegen den Banken das sog. Commercial Banking obliegt.635 Derzeit bestehen sogar Überlegungen das Trennbankensystem i.S.d. Glass-Steagall-Acts wieder einzuführen.636

632

Eingeführt im Jahre 1993 durch den Glass-Steagall Act. Manzei, WM 2009, 393; Halfpap, Kapitalmarktaufsicht in Europa und den USA, 108. 634 Laby, 55 Vill. L. Rev. 701, 702. 635 Manzei, WM 2009, 393. 636 s. Braunberger/Armbruster, Vorteil Goldman Sachs, Beitrag v. 02. 05. 2017, Frankfurter Allgemeine Zeitung. 633

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2. Teil: Zuwendungen

I. Der Broker-Dealer Der Broker-Dealer ist eine Person, die sowohl geschäftlich637 die Durchführung von Transaktionen mit Wertpapiergeschäften für die Rechnung Dritter tätigt (Broker), als auch den Kauf und Verkauf von Wertpapieren auf eigene Rechnung ausführt (Dealer).638 Grundlegend wird der Broker-Dealer für die Durchführung der Transaktion durch Provisionen bzw. Margen vergütet, sodass hier die größte Gefahr eines Interessenkonflikts besteht.639 Auch hier entsteht die bereits dargestellte Anreizwirkung, das eigene Provisionsinteresse vor das der Kunden zu stellen. Allerdings lassen sich die Broker-Dealer seit den 90er Jahren auch über Aufgabeaufschläge vergüten.640 Ein Provisionsverbot oder eine Handlungsform, in der Provisionen verboten sind, kennt das amerikanische Recht nicht. Vielmehr verfolgt das amerikanische Recht mit dem grds. geltenden Full-and-Fair-Disclosure-Prinzip den Ansatz, Interessenkonflikte mittels Transparenz und Informationsfluss zu beseitigen und so den Anleger zu schützen.641 Dementsprechend muss der Broker-Dealer aufgrund verschiedener Vorschriften, bspw. der Betrugsbekämpfungsvorschriften, dem Kunden seine Vergütung vor Abschluss der Transaktion offen legen.642 Die Offenlegung erfasst die Vergütung für den Agenturhandel und Verkaufsprovisionen.643 Zusätzlich muss er Vertriebs- und Vertriebsfolgeprovisionen (sog. Sales Loans) im Prospekt angeben.644 Bei einem Eigengeschäft muss er dem Kunden diese Geschäftsart und den enthaltenen Preisaufschlag (Mark-Up) aufzeigen und 637 Das Tatbestandsmerkmal „geschäftlich“ statuiert, dass diese Regelung nur für diejenigen gelten soll, die einer solchen Tätigkeit in regelmäßigen Abständen öffentlich nachgehen, anstatt diese auf isolierter Basis auszuführen, s. Cox/Hillmann/Langevoort, Securities Regulation, Kap. 18, 1020. Anderenfalls würden viele Individuen oder Firmen, die viel investieren ebenfalls unter die Definition fallen und entsprechenden Regelungen unterliegen. 638 Gem. Sec. 3 (4) Securities Exchange Act 1934 (SEA). Diese müssen sich bei der SEC und der Selbstverwaltungsbehörde FiNRA registrieren. 639 Cox/Hillmann/Langevoort, Securities Regulation, Kap. 19, 1078; Laby, 55 Vill. Rev. 701, 702; zu den Arten der Vergütung s. Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VI, Kap. 8, 439 ff., 447 „transaction based compensations“. 640 Laby, 55 Vill. Rev. 701, 739. 641 FINRA Rule 2110 – Recommendations, abrufbar unter: http://finra.complinet.com/en/ display/display_viewall.html?rbid=2403&element_id=8228&record_id=11290&filtered_ tag= (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018); Manzei, WM 2009, 939, 935; zum Full-and-FairDisclosure Prinzip s. Halfpap, Kapitalmarktaufischt in Europa und den USA, 113. 642 Rule 10b -10 SEA und MSRB Regel G -15, s. S. 17 Code of Federal Regulations (CFR) 240.10b-10 – Confirmation of transactions Rn. V. 4., abrufbar unter: https://www.law.cornell. edu/cfr/text/17/240.10b-10 (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 643 SEC, Guide to Broker-Dealer Registration, 5. Conduct Regulation of Broker-Dealers, Nr. 4. 644 Vgl. Sec. 10 (a) (1) SEA; Manzei, WM 2009, 393, 396. Bei Investmentfonds müssen die Angaben zu den verschiedenen Ausgestaltungen erfolgen und deren mögliche Auswirkungen auf das Investment erläutert werden, s Sec. 5 (b) (1), (2) SEA.

D. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Aufklärung

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erklären, ob dieser marktüblich ist.645 Darüber hinaus muss der Broker-Dealer, wenn er ein Festpreisgeschäft abschließt, seine Kunden über bestehende Handelsspannen (markup, markdowns) aufklären – allerdings nur, wenn der Preis unverhältnismäßig zum Marktpreis ist.646 Allerdings ist der Broker-Dealer nicht verpflichtet, die exakte Höhe oder eine Berechnungsmethode anzugeben.647 Der Broker-Dealer unterliegt nicht der für den Investment Adviser geltenden fiduciary duty, sondern nur einem „suitability standard“, nach der Broker-Dealer fair, ehrlich und in Übereinstimmung mit den vorgegebenen Standards mit ihren Kunden agieren müssen sowie nur „suitable“ (geeignete) Finanzinstrumente empfehlen dürfen.648

II. Der Investment Adviser Der Investment Adviser berät geschäftlich und entgeltlich bezüglich Kapitalanlagen und spricht direkt oder indirekt Empfehlungen649 über Finanzinstrumente aus. Anders als in Deutschland kauft oder verkauft er jedoch nicht eigenständig Wertpapiere und führt auch keine anderen Transaktionen durch.650 Der Tätigkeitsmittelpunkt ist die unabhängige und regelmäßige Beratung der Kunden über deren Vermögenswerte.651 Grds. wird der Investment Adviser durch die sog. Advisory Fee für die Beratungsleistung oder Vermögensverwaltung vergütet.652 Es besteht somit, verglichen mit dem deutschen Provisionsmodell, nicht die Situation, dass der Kunde im Glauben ist, die Beratungsleistung werde durch seine Depotgebühren oder sonstigen Verträge mit der Bank beglichen, oder gar, dass er die Beratungsleistung kostenlos erhält. 645 Manzei, WM 2009, 393, 396; SEA, Release No. 30608 v. 20. 04. 1992; 17 CFR 240.15 g4, abrufbar unter: https://www.law.cornell.edu/cfr/text/17/240.15 g-4 (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 646 Bliesener, Aufsichtsrechtliche Verhaltenspflichten beim Wertpapierhandel, 65. 647 SEC, Guide to Broker-Dealer Registration, 5. Conduct Regulation of Broker-Dealers, Nr. 4, Fn. 6. 648 Bakhtiari/Boice/Majors, 87 St. John’s L. Rev. 313, 318. 649 Die Empfehlung eines Investment Advisers kann in unterschiedlichster Form – von der persönlichen Empfehlung im Kundengespräch bis hin zu einem standardisierten Beratungsbriefes an eine Vielzahl von Kunden – vorliegen. 650 Sec. 203 Investment Advisers Act (IAA), s. Cox/Hillmann/Langevoort, Securities Regulation, Kap. 19, 1077; Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VII, Kap. 8, 356 ff. 651 Erstmals festgehalten in SEC v. Capital Gains Research Bureau, 375 U.S. 180, 187 (1963). 652 Manzei, WM 2009, 393, 396; s. zu den Gestaltungsmöglichkeiten der Advisory Fee Frankel/Laby, § 12.03 (A), 12 – 63 ff.; Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VII, Kap. 8, 442 f. Ausf. zum verbundenen Service Angebot des Investment Advisers und dem Broker-Dealer „wrap fee“ Frankel/Laby, § 12.03 (A), 12 – 64 f.

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2. Teil: Zuwendungen

Die Advisory Fee darf jedoch nicht als Anteil des Wert- bzw. Vermögenszuwachses des Kunden berechnet werden.653 So werden alle ungewissen Vereinbarungen verboten, damit der Adviser nicht zu hochspekulativen Geschäften angeregt wird.654 Die Ausgestaltung der Fee, obliegt den Parteien, so kann diese bspw. als Stundensatz (einmalige Gebühr) berechnet werden.655 Die konkrete Vergütung wird letztlich mit Abschluss des Advisory Agreement, dem Beratungsvertrag, vereinbart.656 Eine Obergrenze des Beratungshonorars ist nicht vorgesehen. Jedoch sieht SEC die Verpflichtung des Investment Advisers, auf überdurchschnittliche hohe Honorare im Vergleich zum Marktüblichen hinzuweisen und zu erläutern, dass es günstigere Anbieter am Markt gibt.657 Zugleich muss das Unternehmen dem Kunden oder dem potenziellen Kunden vor oder während des Beratungsvertragsabschlusses eine Broschüre übergeben.658 In dieser müssen Interessenkonflikte aber auch die Art und Struktur der Vergütung des Beraters offengelegt werden659 – vor allem Gebühren, die im Zusammenhang mit der Kapitalanlage entstehen –, bspw. Depotgebühren, Investmentfondskosten, Brokerage- oder andere Transaktionskosten. Ebenso muss der Kunden darüber aufgeklärt werden, ob der Adviser für den Verkauf von Wertpapieren besondere Vergütungen erhält sowie über den daraus resultierenden Interessenkonflikt. Bezieht das Unternehmen mehr als 50 Prozent der Vergütung des Beraters für die Beratungsleistung aus Provisionen oder anderen Entschädigungen, so muss es dies als primäre Vergütungsquelle angeben. Werden Beratungsgebühren zusätzlich zu den Provisionen vereinnahmt, so ist dem Kunden mitzuteilen, ob die Beratungsgebühren bei Erhalt der Provision reduziert werden. Übernimmt der Adviser Broker-Tätigkeiten und erhält hierfür eine erfolgsabhängige Vergütung, so werden diese und der daraus resultierende Interessenkonflikt aufgezeigt. Werden von einer dritten Person, die nicht Kunde ist, für die Empfehlung eines Investment Produkts oder eine andere Finanzdienstleistung wirtschaftliche Vorteile gezahlt, so ist dies in der Broschüre und als Interessenkonflikt offenzulegen.

653 Sec. 205 (a) (I) IAA; s. dazu SEC, General Information on the Regulation of Investment Advisers. Ausnahmeregelungen sind möglich für Verträge mit einer Investmentgesellschaft, wenn der Betrag der Beteiligungen $ 1.000.000 nicht übersteigt, s. Cox/Hillmann/Langevoort, Securities Regulation, Kap. 19, 1080; Loss/Seligmann/Paredes, Securities Regulation VII, Kap. 8, 444 ff. 654 Cox/Hillmann/Langevoort, Securities Regulation, Kap. 19, 1080. 655 Cox/Hillmann/Langevoort, Securities Regulation, Kap. 19, 1078; Frankel/Laby, § 12.03 (A), 12 – 63 ff.; oder als Ausgabeaufschlag Laby, 55 Vill. L. Rev. 701, 702. 656 Manzei, WM 2009, 393, 396. 657 SEC, General Information on the Regulation of Investment Advisers. 658 Sec. 203 (3) IAA – brochure-rule. 659 Item 5 ADV Part 2 A, abrufbar unter: https://www.sec.gov/about/forms/formadv-part2. pdf (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018); SEC, General Information on the Regulation of Investment Advisers; Frankel/Laby, § 12.03 (A), 12 – 64.

D. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Aufklärung

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Einige Investment Adviser bzw. deren Organisationen haben sich – zusätzlich zu den Anforderungen von SEC – Verhaltensstandards auferlegt. Diese bestimmen bspw., dass die Fee nicht an Transaktionszahlen geknüpft werden darf, dass die Fee angemessen zum angebotenen Service ist, oder, dass sämtliche Vergütungen, Gegenleistungen oder Vorteile, die von Dritten gezahlt oder an Dritte gezahlt werden, dem Kunden offengelegt werden müssen.660 Neben der Vergütungsstruktur muss zusätzlich dargestellt werden, wie das Unternehmen die der Empfehlung zugrundeliegende Marktanalyse durchführt und welche Investmentstrategien es verfolgt.661 Zugleich muss eine Erklärung erfolgen, dass die Investition in Wertpapiere oder andere Kapitalanlageprodukte immer mit Risiken, vor allem Verlustrisiken, verbunden ist. Für jede wesentliche Anlagestrategie oder Analysemethode muss das darin wohnende Risiko erläutert werden. Kommt es bei einer Anlagestrategie zu besonders häufigen Transaktionen, müssen deren Auswirkungen auf die Gesamtanlage dargestellt werden, bspw. die erhöhten Brokerage- oder Transaktionskosten. Dies gilt ebenfalls für die Sicherheiten. Die Broschüre muss jährlich auf den neusten Stand gebracht werden. Bei materiellen Veränderungen muss eine Aktualisierung erfolgen, bzw. eine aktuelle Version auf der Homepage des Unternehmens verfügbar sein.662 Da der Investment Adviser sog. Treuepflichten (Fiduciary Duties) unterliegt, muss er Interessenkonflikte und damit auch solche aus Zuwendungen verhindern, vgl. Sec. 204 – 3, 206 (4)-4 IAA.663 Des Weiteren ergibt sich daraus eine Loyalitätspflicht, die erfordert, dass der Berater im besten Interesse seiner Kunden agiert und dazu verpflichtet ist, nicht die Kundeninteressen seinen eigenen unterzuordnen.664 Damit sind die Anforderungen im Vergleich zu denen der Broker-Dealer höher, da der Investment Adviser bspw. ein am besten geeignetes Finanzinstrument empfehlen muss, der Broker-Dealer hingegen nur ein geeignetes.

III. Fee-Only Financial Advice Auch in den USA gibt es seit einigen Jahren Berater, die für ihre Beratungsleistung auf Provisionen verzichten und das Pendant zu den Honorarberatern bilden, 660

Frankel/Laby, § 12.03 (B), 12 – 70 f. Item 8 ADV Part 2 A (s. 2. Teil, Fn. 659). 662 SEC, General Information on the Regulation of Investment Advisers. 663 SEC, General Information on the Regulation of Investment Advisers; Schelm, Sorgfaltsund Loyalitätspflichten im Investmentrecht, 132. Die fiduciary duties sind nicht ausdrücklich im Investment Adviser Act festgelegt, jedoch enthält dieser grundlegende Bestimmungen bezüglich der Betrugsbekämpfung. Diese wurden durch den Supreme Court als Einführung von generellen Treuepflichten für Investment Adviser interpretiert, SEC v. Capital Gains research Bureau, Inc., 375 U.S. 180, 191 – 92 (1963). s. ausf. Bakhtiari/Boice/Majors, 87 St. John’s L. Rev. 313, 316 f. 664 s. Bakhtiari/Boice/Majors, 87 St. John’s L. Rev. 313, 317. 661

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die bereits vor Einführung des HABG auf deutscher Ebene agierten.665 Diese haben sich in Berufsverbänden zusammengeschlossen, unter welchen die National Association of Personal Financial Advice (NAPFA) für den sog. der Fee-Only Financial Advice federführend ist. Diese hat sich bzw. ihren Mitgliedern eine Selbstverpflichtung durch den Fiduciary Oath666 auferlegt. Nach diesem muss der Berater alle Anstrengungen unternehmen, um nach Treu und Glauben sowie im besten Interesse des Kunden zu handeln. Zugleich sollen die Berater alle Interessenkonflikte, die die Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Beraters beeinträchtigen oder vernünftigerweise beeinträchtigen können, vor der Verpflichtung des Beraters sowie während der Vertragslaufzeit offenlegen. Der Berater oder eine Partei, an welcher der Berater ein finanzielles Interesse hat, erhält keine Vergütung, die von dem Kauf oder Verkauf eines Finanzprodukts eines Kunden abhängig ist. Insb. erhält der Berater keine Vergütung oder sonstige Entschädigung von einer anderen Partei, die auf der Überweisung eines Kunden oder des Kunden beruht. Mit dem Fiduciary Oath betont NAPFA die im deutschen Recht verankerten wesentlichen Kriterien der Honorar-Anlageberatung, indem es die Unabhängigkeit von Provisionen oder sonstigen Vergütungen durch Dritte herausstellt sowie die Offenlegung aller möglichen Interessenkonflikte, die diese Unabhängigkeit beeinträchtigten können.

IV. Aktuelle Gesetzesentwicklung Neben den bisherigen Regelungen scheiterte 2010 der Versuch des Department of Law (DOL) Provisionen gänzlich abzuschaffen. Im April 2015 schlugen sie hierzu veränderte neue Regelungen vor,667 die angenommen wurden und ab dem 10. April 2017 Anwendung finden sollten. Unter anderem durch den Präsidentenwechsel wurden diese erneut um 60 Tage verschoben,668 sodass sie erst am 09. 06. 2017 in Kraft traten.669 Allerdings beinhalten diese für einige Regelungen einen Umsetzungszeitraum bis zum 01. 01. 2018.670 Zugleich hat Präsident Trump durch sein Memorandum DOL aufgetragen eine ökonomische und rechtliche Analyse durchzuführen, ob die neuen Regelungen negativen Einfluss auf das gewünschte Anlegerverhalten haben.671 Fällt die Prüfung des DOL negativ aus, so ist die Regelung zu 665

Tekathen, Honorarberatung im Finanzdienstleistungsbereich, 34. Abrufbar unter: https://www.napfa.org/mission-and-fiduciary-oath (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 667 s. ausf. zur Entwicklung Avci/Narayanan/Seyhun, 13 N.Y.U. J.L. & Bus. 337, 354 f. 668 s. DOL, Field Assistent Bulletin No. 2017 – 01, abrufbar unter: https://www.dol.gov/ agencies/ebsa/employers-and-advisers/guidance/field-assistance-bulletins/2017 - 01 (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 669 Federal Register, Rule 82 FR 16902, 16902. 670 Federal Register, Rule 82 FR 16902, 16902. 671 Trump, Presidential Memorandum on Fiduciary Duty Rule, v. 03. 02. 2017. 666

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ändern bzw. gänzlich aufzuheben.672 Folglich bleibt abzuwarten, ob die aktuell vorliegenden Regelungen so bestehen bleiben.673 Eine solche Fiduciary Regelung ist insb. vor dem Hintergrund bemerkenswert, dass ursprünglich SEC mit der Etablierung neuer Regelungen im Dodd-Frank Act674 beauftragt wurde.675 Die geplante Angleichung der Anforderungen der Broker-Dealer und der Investment Adviser hat SEC jedoch bislang noch nicht vorgenommen. Vorschläge von SEC diesbezüglich wurden für April 2017 erwartet, jedoch liegen diese noch nicht vor. Allerdings hat nun auch SEC erkannt, dass die Regelungen des DOL die ihrer Aufsicht unterliegenden retail investors betrifft und ruft nun diese und andere Marktteilnehmer dazu auf, ihre Ansichten diesbezüglich mit SEC zu teilen.676 Ggf. wird die SEC noch vor der Implementierung der Fiduciary Rule des DOL einheitliche Standards setzen. Dennoch sollen im Folgenden kurz die Regelungen des DOL vorgestellt werden, da diese den Fiduciary-Standard des Employee Retirement Income Security Act of 1974 (ERISA), um Personen, die hinsichtlich Altersvorsorge und Pensionsplänen beraten und Produkte verkaufen, erweitern sollen.677 Damit sind auch Broker-Dealer von diesem erfasst.678 Nicht erfasst sind hingegen Investment Adviser und BrokerDealer, die ausschließlich retail investment Produkte anbieten bzw. dazu beraten. Die größeren Asset Manager wie Wells Fargo, Charles Schwab oder Raymond James sind jedoch von der Neuregelung betroffen und haben überwiegend Systeme ein672

Trump, Presidential Memorandum on Fiduciary Duty Rule, v. 03. 02. 2017; vgl. Avci/ Narayanan/Seyhun, 13 N.Y.U. J.L. & Bus. 337, 339 f. 673 Vgl. Avci/Narayanan/Seyhun, 13 N.Y.U. J.L. & Bus. 337, 341. Dies gilt auch hinsichtlich des Vorhabens von Präsident Trump den Kapitalmarkt in Gänze zu deregulieren. 674 Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act (Dodd-Frank Act), abrufbar unter: https://www.gpo.gov/fdsys/pkg/PLAW-111publ203/pdf/PLAW-111publ203.pdf (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 675 Sec. 913(g)(1) des Dodd-Frank Wall Street Reform und des Consumer Protection Acts hat einen neuen § 15(k) in den SEA Act eingeführt, der die SEC ermächtigt einen standard of conduct für Broker-Dealer sowie für Investment Adviser unter Sec. 211 IAA zu erlassen, der einheitliche Standards bei einer Investmentempfehlung über Securities für Retail Customer festlegt. Sec. 913(g)(2) Dodd-Frank Act und Sec. 211(g)(1) IAA fügen hinzu, dass die SEC Regelungen erlassen kann, um einheitlich die Handlung im besten Kundeninteresse unabhängig der finanziellen oder sonstigen Interessen der Broker, Dealer oder Investment Adviser zu gewährleisten. s. dazu Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VI, Kap. 8, 442; Avci/Narayanan/Seyhun, 13 N.Y.U. J.L. & Bus. 337, 354. Hierzu wurde 2011 eine Studie durchgeführt, s. Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VI Kap. 8, 446. 2013 wurde festgestellt, dass die Annahme von commission-based compensations nicht dem einheitlich fiduciary standard widerspricht. s. zum Hintergrund der Notwendigkeit die Standards der Broker-Dealer und Investment Adviser anzugleichen, Turner, 23 Conn. Ins. L.J. 263. 676 Clayton, Public Comments from Retail Investors and Other Interested Parties on Standards of Conduct for Investment Advisers and Broker-Dealers. Die bereits eingegangenen Antworten sind abrufbar unter: https://www.sec.gov/comments/ia-bd-conduct-standards/iabd conductstandards.htm (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 677 DOL, Conflict of Interest Final Rule v. 08. 04. 2016, Federal Register, Vol. 81, No. 68, S. 20946; s. DOL, Conflict of Interest FAQs, (Part II – Rule). 678 Avci/Narayanan/Seyhun, 13 N.Y.U. J.L. & Bus. 337, 355.

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geführt, nach denen die Leistungen sowohl durch Commissions als auch durch Fees vergütet werden können.679 Jede Person, die eine individuelle Investmentempfehlung abgibt, unabhängig ihrer Bezeichnung, soll künftig an die Treuepflicht gebunden sein.680 Damit müssen am besten geeignete Altersversorgungen und nicht nur passende empfohlen werden.681 Dadurch und indem Zahlungen, die hierzu einen Interessenkonflikt auslösen können, verboten werden, soll ausschließlich das Kundeninteresse an erster Stelle stehen.682 Es sei denn, die Zahlung unterliegt einer der zahlreich vorhandenen Ausnahmeregelungen. Dies ist der Fall, wenn die Provisionsannahme dem Kunden offen gelegt wird.683 Es wird eine sog. Best Interest Contract Exemption (BICE) geschaffen.684 So können Provisionen im Bereich der Beratung über IRA rollovers und Fonds dann angenommen werden, wenn ein Vertrag mit dem Kunden geschlossen wird, der festhält, dass in seinem besten Interesse gehandelt wird (Best Interest Contract = BIC).685 Der Adviser bzw. der Broker muss nun dem Kunden nachweisen, dass auch tatsächlich kein Interessenkonflikt entstanden ist, oder die Transaktion im besten Interesse des Kunden erfolgte.686 Die erhaltenen Provisionen müssen detailliert offen gelegt werden.687 Damit soll die Verwendung von Produkten mit hohen Provisionsraten eingedämmt, aber kein generelles Provisionsverbot geschaffen werden.688

679

DiChristopher, SEC Chair White: Important to get fiduciary duty rule right, Beitrag v. 10. 11. 2015, CNBC online; Iacurci/Idzelis, Broker-dealers split on commissions in wake of DOL fiduciary rule, Beitrag v. 30. 10. 2016, Investment News. 680 DOL, Conflict of Interest FAQs, (Part II – Rule), S. 1. 681 DOL, Conflict of Interest FAQs, (Part I – Exemptions), S. 1. 682 Vgl. Loss/Seligmann/Paredes, Securities Regulation VI, Supplement 2017, 497. 683 s. Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VI, Supplement 2017, 497. 684 s. DOL, Best Interest Contract Exemption with Amended Applicability Dates, abrufbar unter abrufbar unter: https://www.dol.gov/sites/default/files/ebsa/laws-and-regulations/rulesand-regulations/completed-rulemaking/1210-AB32 - 2/best-interest-contract-exemption-withamended-applicability-dates.pdf (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 685 DOL, Proposed Fiduciary Rule v. 22. 04. 2015, Federal Register, Vol. 80, No. 75, 21928, 21948; Seligmann/Paredes, Securities Regulation VI, Supplement 2017, 497 f.; Avci/Narayanan/Seyhun, 13 N.Y.U. J.L. & Bus. 337, 355. 686 DOL, Best Interest Contract Exemption with Amended Applicability Dates, S. 9 f. (s. 2. Teil, Fn. 684). 687 DOL, Best Interest Contract Exemption with Amended Applicability Dates, S. 10 (s. 2. Teil, Fn. 684). 688 Bereits Präsident Obama betonte, dass durch die vorgeschlagene Regelung kein generelles Provisionsverbot geschaffen werden soll, Marte, Obama calls for higher standards on brokers giving retirement advice, Beitrag v. 23. 02. 2015, The Washington Post.

D. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Aufklärung

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V. Zwischenfazit Insgesamt fällt auf, dass das US-Recht – verglichen mit dem deutschen Recht – einen anderen Ansatz wählt. Während im WpHG (konkretisiert in der WpDVerOV) dem WpDU auferlegt wird, an erster Stelle konkrete Maßnahmen zur Interessenvermeidung zu ergreifen und wenn diese nicht ausreichen, den Interessenkonflikt offen zu legen, verfolgt das US-Recht mit dem Ansatz des Full-and-Fair-Disclosure die vollständige Offenlegung des Interessenkonflikts. Zugleich ist zumindest der Investment Adviser über die Fiduciary Duty gebunden, das Interesse des Kunden voranzustellen. Dies mag mit der Historie des Börsencrashs aus 1929 zusammenhängen, um das nach den aufgedeckten Marktmanipulationen verloren gegangene Anlegervertrauen zurückzugewinnen.689 Die amerikanische Strategie für Interessenkonflikte, so auch im Zuwendungsfall, ist die Aufklärung des Anlegers, damit dieser eine fundierte Anlageentscheidung treffen kann und zugleich vor Fehlinformationen geschützt wird. Aufgrund der Vereinbarung der Advisory Fee und der Offenlegung der Vergütungsangaben in der Broschüre, entsteht auch keine Fehlvorstellung des Anlegers, er erhielte die Beratungsleistung unentgeltlich, oder diese werde durch die Depotgebühren etc. mitvergütet. Die Provisionsdiskussion hat folglich auch nicht eine solche Ausprägung, wie bspw. in Deutschland. Es erstaunt jedoch, dass der Investment Adviser zusätzlich noch Provisionen annimmt. Eigentlich müsste der Kunde davon ausgehen, dass er durch die Advisory Fee die Beratungsleistung vollständig vergütet hat. Die Annahme von solchen Zahlungen muss der Adviser jedoch aufgrund seiner Treuepflicht (Fiduciary Duty) gegenüber dem Anleger offenlegen. Dies entspricht der deutschen Zivilrechtsprechung, die in einem solchen Fall eine nicht vom Anleger zu erwartende Vergütung als offenlegungspflichtig ansieht. Die Tendenz der Broker-Dealer, sich durch eine Fee vergüten zu lassen, überrascht nicht, da zunehmend Investment Adviser auch BrokerDealer Tätigkeiten ausführen und als solche registriert sind und andersherum. Doch auch der Broker-Dealer, der sich über Provisionen, insb. Vertriebs- und Vertriebsfolgeprovisionen (Sales Loans) vergüten lässt, hat diese entsprechend dem Prinzip des Full-and-Fair-Disclosure offenzulegen. Aufgrund dieser Überschneidungen ist die Einführung einer Fiduciary Rule für die Broker-Dealer zu begrüßen, um Beratungsdefizite auszugleichen. Dies sollte nicht nur durch DOL für Personen, die hinsichtlich Altersvorsorge und Pensionsplänen beraten, sondern künftig auch SEC für Broker-Dealer, die Retail Investments anbieten, statuiert werden. Eine ähnliche, jedoch strengere Regelung, wie von DOL eingeführt, besteht auf deutscher Ebene in § 31d WpHG. Insgesamt ist bei der Betrachtung der weniger strengen Regulierung des Interessenkonflikts auf amerikanischer Seite zu berücksichtigen, dass dieser aufgrund der bewussten Vergütung durch den Kunden und der zusätzlichen Provisionsoffenlegung 689 Halfpap, Kapitalmarktaufsicht in Europa und in den USA, 111; Manzei, WM 2009, 393, 394, insb. Fn. 25.

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2. Teil: Zuwendungen

auch nicht so groß ist wie auf deutscher oder europäischer Ebene. Indem der Adviser eine direkte Vergütung erhält, haben die zusätzlichen Provisionen nicht ein solches Gefährdungspotential, wie sie bei einer ausschließlichen Vergütung durch diese enthielten. Hier sind die Erweiterung der Pflichten auch auf die Broker-Dealer und die stärkeren Offenlegungspflichten ausreichend. Eine an dieses Modell anknüpfende Regelung wurde ebenfalls durch die Erweiterung des § 31 WpHG mit den Vorschriften zur Honorar-Anlageberatung eingeführt. Künftig muss auch in Deutschland zu Beginn der Beratung über das Vergütungsmodell informiert werden. Mithin ist die Situation angenähert an die in den USA. Jedoch bleibt die Intensität des Konflikts eine andere, da sich der Berater weiterhin ausschließlich über die Provisionen finanzieren kann. Indem für den Anleger durch die Honorar-Anlageberatung eine Alternative geschaffen werden sollte, zeigt sich, dass auch das deutsche und das europäische Recht teilweise einen mit dem amerikanischen Prinzip des Full-and-Fair-Disclosure vergleichbaren Ansatz verfolgen.

E. Fazit zu den neuen Zuwendungsregelungen I. Vergleich der Regelung in Deutschland, Großbritannien und den USA Stellt man alle drei Konzepte gegenüber, so erkennt man unterschiedliche Regulierungsgrade für die Handhabung der Provisionsvergütung. Auf der einen Seite stehen die USA mit einer Offenlegungspolitik, den fiduciary duties für Investment Adviser und einer grds. Vergütung durch den Kunden und auf der anderen Seite Großbritannien mit einem absoluten Verbot von Provisionen. Deutschland stellt quasi eine Mischform dieser beiden Systeme dar, indem sowohl die Provisionsberatung, die ein Zuwendungsverbot mit Ausnahmeregelung unter Offenlegung verfolgt, als auch eine reine Honorar-Anlageberatung, bei der die Annahme von Provisionen grds. verboten ist, es sei denn diese werden u. a. ausgekehrt, angeboten werden können. Es ist jedoch zu beobachten, dass sich die amerikanische Regelung der deutschen durch die mögliche Ausweitung der fiduciary duties auf Broker-Dealer annähert. Gleichzeitig gleicht sich die deutsche Regelung partiell mit dem im Vergleich zum EU-Recht strengeren Zuwendungsverbot in der Honoraranlageberatung den britischen Regelungen an. Auffällig ist, dass alle drei Länder zunächst das Offenlegungsprinzip verfolgten, aber mit dessen Wirkung nicht zufrieden waren und deshalb dieses unterschiedlich stark weiterentwickelt haben. Kleinere oder größere Anlageskandale haben alle drei Systeme im Laufe der Zeit hervorgebracht, sodass keines eine ideale Lösung darstellt. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Marktstruktur in allen drei Ländern unterschiedlich ist und einzig in Deutschland der Vertrieb überwiegend über die Banken erfolgt.

E. Fazit zu den neuen Zuwendungsregelungen

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Aufgrund des gemeinsamen Ausgangspunkts der drei Regelungen muss dem Kunden in allen Systemen die Vergütungsstruktur offengelegt werden. Dies geschieht ebenfalls unterschiedlich intensiv. Im amerikanischen System bespricht der Investment Adviser mit dem Kunden sein Honorar und muss zugleich seine ggf. zusätzlich erhaltenen Provisionen offenlegen. Auf deutscher Ebene wird nicht grds.690 direkt über die Vergütung gesprochen, sondern es muss dem Kunden offengelegt werden, welche Beratungsform im Folgenden erbracht wird. Daraus hat der Kunde seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Erfolgt eine provisionsgestützte Beratung, so muss der Berater dem Kunden erklären, warum er keine unabhängige Beratung erbringt und so die Provisionen offen legen. Wählt der Kunde einen Honorar-Anlageberater, so legt auch dieser die ggf. erhaltenen Provisionen offen und schüttet sie an den Kunden aus. In Großbritannien hingegen muss der Berater mit dem Kunden eine Adviser Charge vereinbaren, bei der letztlich keine Provisionen angenommen werden dürfen. Die Honorar-Anlageberatung in Deutschland ist insofern der britischen Regelung sehr ähnlich. Hingegen nähert sich die amerikanische Regelung ggf. der deutschen Provisionsberatung vor allem mit § 31d WpHG über die Ausnahme zur Wahrung von Kundeninteressen an. Überspitzt formuliert, könnte man die deutsche Regelung hinsichtlich der Offenlegung des Interessenkonfliktes als Zwischenstufe bezeichnen. Es zeigt sich, dass die deutsche Regelung Probleme der britischen Regelung hinsichtlich der Beratungslücke für Kleinanleger auffängt, indem auch die provisionsgestützte Beratung für diejenigen erhalten bleibt, die sich ein hohes Beratungshonorar nicht leisten können oder wollen. Würde die Alternative deutlicher aufgezeigt, bspw. durch die Einführung des Begriffs „unabhängige Beratung“ oder durch Kenntnisvermittlung ggü. dem Kunden, würde sich der Kunde ganz bewusst entscheiden, sodass nicht – wie in der Studie von FCA belegt – die Aufklärung über den Interessenkonflikt ergebnislos bliebe. Offensichtlich sieht dies, zumindest hinsichtlich der Bezeichnung, der Gesetzgeber nun ebenfalls so und ändert die Legaldefinition auf „unabhängige Honorar-Anlageberatung“ ab. Ein Schritt in die richtige Richtung. Der amerikanische Markt scheint keinen derart hohen Interessenkonflikt aufzuweisen, denn hier ist die Honorarberatung das gängige Modell. Jedoch erscheint es dort aus deutscher Sicht noch fernliegender, dass der Kunde mit Provisionszahlungen Dritter zusätzlich zu seinem Honorar rechnet. Tatsächlich ist dies jedoch der Fall. Über solche zusätzlichen Vergütungen muss der Berater – wie von der deutschen Zivilrechtsprechung ebenfalls gefordert – aufklären. Wie festgestellt, haben diese Provisionen auch nicht die gleiche, starke Anreizwirkung. Auf diese Weise könnte auch das Gesamthonorar geringer ausfallen als bspw. in Großbritannien, sodass in Amerika keine Beratungslücke existiert. 690 In der Honorar-Anlageberatung wird selbstverständlich eine Vergütungsvereinbarung getroffen, dies ist jedoch in der Regel nicht die vom Kunden überwiegend gewählte Beratungsform, sodass hier vom Regelfall der Provisionsberatung ausgegangen werden soll.

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2. Teil: Zuwendungen

Somit verfolgen die deutsche und amerikanische Regelung im Grundsatz weiterhin in unterschiedlicher Ausprägung das Offenlegungsprinzip,691 mit dem Unterschied, dass auf deutscher Ebene nur in der Honorar-Anlageberatung ein direktes Entgelt gezahlt wird. Mithin trauen diese Rechtsordnungen dem Anleger zu, eigenständig informierte Entscheidungen zu treffen. Im Gegensatz dazu steht die britische Regelung, die einen vollständigen Protektionismus für den Anleger verfolgt.

II. Ist ein absolutes Provisionsverbot für Deutschland sinnvoll? Ein Provisionsverbot ist als ultima ratio nur dann notwendig, wenn eine Gefahr für einen Marktteilnehmer besteht und sich diese nicht anderweitig auflösen lässt.692 Folglich müsste der Anleger durch die Annahme von Zuwendungen so stark gefährdet sein, dass mildere Publizitätsmaßnahmen keine Schutzwirkung mehr entfalten. Die bereits bestehenden Vorschriften weisen eine hohe Regulierungsdichte auf, beinhalten jedoch auch noch Verschärfungspotential. Gem. § 31d WpHG sind grds. Zuwendungen verboten, es sei denn diese sind im Interesse des Anlegers oder verbessern die Dienstleistungsqualität. Zudem sind dem Anleger die Zuwendungen offen zu legen, sodass er deren Konfliktpotential bereits heute erkennen kann. Dies ist jedoch bislang nicht der Fall. Eine mögliche Ursache für die fehlende Kenntnis des Anlegers über den Interessenkonflikt könnte in der weit gefassten Ausnahmeregelung liegen, nach der bislang viele Provisionen erlaubt waren. Bevor die Ausnahmeregelung also vollständig gestrichen wird, sollte sie an dieser Stelle zunächst weiter verschärft werden. Dies hat auch der europäische Gesetzgeber gesehen und führte Verschärfungen der Ausnahmeregelungen ein, indem fortlaufende Provisionen nur noch angenommen werden dürfen, wenn diese auch zu einer kontinuierlichen Qualitätsverbesserung führen. Des Weiteren muss die Provision nicht einer Kundengruppen, sondern dem einzelnen Anleger zugutekommen. Hier sollten zunächst die praktischen Auswirkungen der Verschärfungen abgewartet werden und ggf. weiterhin bestehende Spielräume verringert werden. Trotz der Offenlegung des Provisionserhalts, glauben weiterhin viele Anleger, dass sie die Beratungsleistung kostenlos erhalten und ihr Berater keine eigenen Interessen verfolgt. Diesem Fehlverständnis sollte die Einführung der HonorarAnlageberatung entgegentreten, indem diese als Alternative zur provisionsgestützten Beratung ein Honorar fordert und ggf. erhaltene Zuwendungen auskehrt. Im Vergleich sollte der Kunde dann entsprechende Rückschlüsse ziehen und zwischen den beiden Vergütungsmodellen wählen. Vor der Einführung eines Provisionsverbots 691 In Deutschland in der Provisionsberatung durch die Ausnahmeregelung des Zuwendungsverbots, welches die Annahme u. a. nur bei Offenlegung erlaubt. 692 Assmann, ZBB 2008, 21, 22.

E. Fazit zu den neuen Zuwendungsregelungen

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könnte auch an dieser Stelle nachgebessert werden, indem die alternative Beratungsform dem Kunden aktiv nähergebracht wird, da er eine solche bislang nicht kennt. Ein weiterer Gefahren- und damit Anknüpfungspunkt für die Verschärfung der existierenden Regelungen, ist die Möglichkeit der standardisierten Offenlegung über den Zuwendungserhalt. Diese wurde aufgrund von Art. 24 Abs. 9 MiFID II bereits gestrichen und eine neue Kostentransparenz (s. 3. Teil) eingeführt, sodass auch hier die Wirkung der neuen Regelungen vor Einführung eines Verbotes abgewartet werden sollte. Die Offenlegungsvariante, welche die zwischen dem Anleger und dem Berater bestehende Informationsasymmetrie (und ggf. Interesseninkongruenz) ausräumen könnte, stößt jedoch aufgrund der Vielzahl an Informationen an ihre Grenze.693 Der Anleger kann die Gesamtheit an Informationen nicht mehr aufnehmen (information overload).694 Hier realisiert sich das sog. Informationsrisiko. Gleichzeitig ist der Anleger überfordert, alleine die Marktinformationen zu analysieren, sodass er sich keine rationale Meinung für seine Anlageentscheidung bilden kann (Verhaltensrisiko). Diese Risiken hat der Gesetzgeber bislang durch die vermittelnde Variante des Mischmodells aus Aufklärung und paternalistischen Teilverboten geregelt.695 Zwar entstehen hierdurch komplexe Regelungsstrukturen und finanzieller Aufwand für die WpDU, jedoch würde eine Abkehr von diesem durch ein ausdrückliches Provisionsverbot im Gegensatz zum gesetzlichen Gesamtgefüge stehen.696 Ein weiterer Ansatzpunkt den Interessenkonflikt zu minimieren, wären weitere Vorschriften zur Beratervergütung einzuführen, damit dieser nicht nach Verkäufen oder ähnlichem gestaffelt bezahlt wird, sondern die reine Beratungsleistung im Vordergrund steht (s. 4. Teil B.). Zudem ist festzuhalten, dass Zuwendungen nicht grundlegend als „gefährlich“ zu betrachten sind. Nicht durch jede Provisionszahlung realisiert sich ein möglicher Interessenkonflikt. Vielmehr können durch Zuwendungen kostengünstigere Angebote gemacht und auch eine höhere Qualität geboten werden, die der Anleger nicht gesondert vergüten muss. Insb. müssten die WpDU bei einem vollständigen Provisionsverbot überlegen, wie sie kostendeckend arbeiten könnten, da auch die Quersubventionierung, die derzeit den Kleinanlegern zugutekommt, entfiele.697 Bislang zahlen die kapitalstärkeren Kunden durch ihr größeres Anlagevolumen größere Provisionssummen als Kleinanleger und unterstützen damit deren Beratung. 693

I. E. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 105. Zum information overload mit Bezug zu den Erkenntnissen der behavioral finance s. Spindler, FS Säcker, 469, 474 ff. m.w.N. 695 Vgl. Langenbucher, ZHR 177 (2013), 681, 701; Pfisterer, Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz, 37 ff. 696 Eine allgemeine Änderung durch die neuen Regelungen erkennend, diese aber wohl positiv bewertend Langenbucher, ZHR 177 (2013), 681, 701. 697 Dazu ausf. Klee, MiFID II: Auswirkungen der geänderten Behandlung von Zuwendungen, 54. 694

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2. Teil: Zuwendungen

Hingegen spräche für die Einführung eines vollständigen Provisionsverbots, dass dadurch die vollständige Auflösung der Provisionsstreitigkeiten und des dahinterstehenden Interessenkonflikts herbei geführt werden könnte.698 Dem Anleger würde augenblicklich klar, dass er den Berater direkt vergüten muss. Zudem könnte eine dadurch entstehende Steigerung der Beratungsqualität dafürsprechen, da sich der Berater nun aufgrund des fehlenden Interessenkonflikts vollständig auf die Anlageziele des Kunden konzentrieren könnte. Der Kunde käme schließlich nur wieder, wenn die Beratung qualitativ zufriedenstellend war. Zu letzterem ist jedoch festzustellen, dass die Beratung grds. am Erfolg des Anlageprodukts gemessen wird, welches sich sowohl bei schlechter, als auch bei guter Beratung positiv wie negativ entwickeln kann.699 Das einzelne Beratungsgespräch lässt sich vom Kunden nur schwer beurteilen; hier muss er sich auf seine subjektive Einschätzung verlassen.700 Zudem mag der Honorar-Anlageberater zwar nicht von den Zuwendungen beeinflusst sein, dennoch betrachtet auch dieser ökonomische Gesichtspunkte, sodass eine völlig interessenkonfliktfreie Beratung auch durch diese Beratungsform nicht gewährleistet werden kann.701 Außerdem ist zu berücksichtigen, dass durch ein Provisionsverbot für den Berater die Möglichkeit entfiele an kostenlosen Produktschulungen teilzunehmen (s. 2. Teil A.II.2.e)dd)(1)). Dies wäre für Beratungsqualität nicht förderlich. Zwar könnte er entweder die Recherchen eigenständig tätigen oder die Produktschulungen selbst vergüten, jedoch würden sich beide Varianten in den Beratungskosten widerspiegeln. Um zu verhindern, dass der Berater durch kostenlose Produktschulungen negativ im Kundensinne beeinflusst wird, könnten interne Hausvorschriften eingeführt werden.702 Ein Provisionsverbot bedürfte es dafür nicht. Daher sprechen letztlich die besseren Argumente gegen ein vollständiges Provisionsverbot.703 Durch ein flächendeckendes Provisionsverbot wird dem Anleger die fundierte Entscheidung abgenommen. Damit wird er seiner Privatautonomie beraubt und zugleich nicht mehr als mündiger Verbraucher angesehen. Auf der anderen Seite soll er dennoch am Markt agieren und sich selbst (bspw. hinsichtlich der Altersvorsorge) absichern dürfen. Dies sind jedoch zwei Gegensätze, die so nicht zusammenpassen. Des Weiteren entspricht es nicht der bisherigen Gesetzessystematik im WpHG, paternalistische Entscheidungen für den Anleger zu treffen. Ihm wird zwar ein besonderer Schutzbedarf zugesprochen, jedoch muss er selbstständig agieren. Ein 698

Möllers/Poppele, ZGR 2013, 475, 437; a.A. Klein, WM 2011, 2117, 2119. Herting/Alpers, Interview v. 13. 02. 2017. 700 Michels/Backes, Interview v. 15. 11. 2016. 701 Vgl. Klee, MiFID II: Auswirkungen der geänderten Behandlung von Zuwendungen, 53. 702 Hermann, Interview v. 12. 12. 2016. 703 Klein, WM 2011; Veil/Lerch, WM 2012, 1605, 1610; a.A. Möllers/Poppele, ZGR 2013, 437, 475. 699

E. Fazit zu den neuen Zuwendungsregelungen

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verstärkter Schutz für den Anleger ist mittels § 31d WpHG und durch die Wahlmöglichkeit der Honorar-Anlageberatung gegeben. Hier bestehen auch noch Möglichkeiten diesen auszuweiten. Außerdem könnten aufgrund des vollständigen Provisionsverbots die vom Gesetzgeber gewollten Marktfunktionen – Allokations- und Vermögensbildungsfunktion – nicht vollständig aufrechterhalten werden. Diese gelingen nur, wenn alle Bürger einen Marktzugang haben und gezielte Anlageentscheidungen treffen können. Mithin braucht es auch den Kleinanleger. Wie die Erfahrungen in Großbritannien zeigen, führt ein vollständiges Provisionsverbot zu einer Beratungslücke für dieses Kundensegment. Auch der deutsche Kunde zeigt bislang wenig Interesse an der Honorar-Anlageberatung, sodass eine vergleichbare Situation entstünde. Der Kunde fragt die Beratungsleistung aufgrund des Honorars nicht mehr nach und zugleich konzentrieren sich die Beratungsdienstleister auf den vermögenden Kunden. Zwar haben FCA und HM Treasury bedeutende Anstrengungen unternommen, um die entstandene Lücke ihrer jüngsten Einschätzung nach erfolgreich zu schließen, jedoch waren die Kleinanleger zwischenzeitlich von der Beratung ausgeschlossen. Die Etablierung von Techniken, die den WpDU eine kostengünstige Beratung ermöglichen, nimmt einige Zeit in Anspruch. Die eingeführten, verschlankten Beratungsprozesse (streamlined advice), die den Kleinanleger mittels ausgearbeiteten Informationsmaterial bei der Entscheidungsfindung unterstützen sollen, sowie der Robo Advice, ersetzen keine vollständige Beratung. So berücksichtigt bspw. letzterer keine weichen Faktoren und kann nur mit gewissen Vorkenntnissen sinnvoll genutzt werden.704 Dass in den USA das System der Honorarberatung funktioniert, liegt mitunter auch daran, dass es über lange Zeit gewachsen ist (und zugleich ein Trennbankensystem vorliegt). Dennoch darf auch hier der Investment Adviser Provisionen annehmen, obwohl er eine Vergütung durch den Kunden erhält, wenn er diese offen legt. Mithin wird kein alles oder nichts Prinzip erzwungen. Eine Verhinderung der Beratungslücke kann auch nicht durch die Implementierung solcher Techniken zeitgleich mit einem Provisionsverbot garantiert werden, da berücksichtigt werden muss, dass der deutsche und englische Markt unterschiedliche Strukturen aufweisen. Dem Kleinanleger staatliche Zuschüsse zur Honorarberatungsleistung zu gewähren,705 wäre zwar eine Möglichkeit die Kosten für diesen aufzufangen, stellt jedoch einen erheblichen Eingriff des Staates in das Marktgefüge dar,706 unabhängig von der praktischen Problematik der konkreten Ausgestaltung der Bemessungsgrundlagen etc. 704

s. Witteck, Interview v. 14. 09. 2016. s. hierzu den Vorschlag von Habschick/Evers, Anforderungen an Finanzvermittler – mehr Qualität, bessere Entscheidung, 152. 706 Dies vorschlagend, aber skeptisch hinsichtlich der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit Reiter/Methner, WM 2013, 2053, 2059; die staatliche Förderung ohne Begründung ablehnend Klein, WM 2011, 2117, 2119; Loff/Hahne, WM 2009, 1301, 1307. 705

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2. Teil: Zuwendungen

Darüber hinaus wird dem Anleger durch das Provisionsverbot die Möglichkeit genommen, sich von verschiedenen WpDU kostenlos beraten zu lassen.707 Die Provision wird erst mit Abschluss des Kaufvertrags über das Anlageprodukt an den Berater gezahlt. Bei der ausschließlichen Honorar-Anlageberatung müsste der Kunde jede Beratungsleistung separat vergüten, wenn er Produkte und Konditionen vergleichen möchte. Die Entscheidung des Gesetzgebers kein vollständiges Provisionsverbot einzuführen, sondern ein paralleles System von Provisions- und Honorar-Anlageberatung ist daher die richtige Entscheidung. Schließlich ist auch mit der Abschaffung von Provisionen nicht gewährleistet, dass der Berater eine qualitativ hochwertige Beratung erbringt und das passende Produkt empfiehlt. Dem Anleger muss die Wahl bleiben. Allerdings muss an den Regelungen für Honorar-Anlageberatung nachjustiert werden, da diese bislang zum einen bei den Anlegern zu wenig bekannt ist und zum anderen für die Banken aufgrund der hohen finanziellen Kosten – vor allem für die kleineren Banken – wirtschaftlich keine Alternative darstellt. Jedoch kann durch die Koexistenz beider Beratungsformen, das eigentliche Ziel, dem Anleger den Interessenkonflikt vor Augen zu führen, erreicht werden, ohne größere Eingriffe in den Markt vorzunehmen. Mithin war es richtig die Honorar-Anlageberatung gesetzlich als Alternative zu formulieren. Schließlich beinhalten beide Systeme Risiken, Vor- und Nachteile.

III. Auswertung der Experteninterviews zur Honorar-Anlageberatung Die qualitative Befragung von Experten soll die Praxiseinschätzung zu den seit 2014 bestehenden Regelungen der Honorar-Anlageberatung aus Sicht der Banken, deren Verbände und Verbraucherschützern, herausstellen. Anhand dieser werden mögliche Hemmnisse zur Einführung der Honorar-Anlageberatung sowie Gründe für deren geringe Verbreitung im Markt herausgearbeitet.708 Wie zu erwarten, spiegelt sich die Diskussion, die über die Reichweite der Regelungen der MiFID II geführt wurde, ebenso in den Experteninterviews wider. Während den einen die Regelungen der Honorar-Anlageberatung zu weit gehen und damit für die breite Praxis als nicht umsetzbar erscheinen, sind den anderen diese Vorgaben wiederum nicht umfassend genug, wie bspw. im Fall der Ausnahmeregelung für Festpreisgeschäfte bei Eigenemissionen. Insgesamt wurden für die empirische Studie 25 Personen befragt, von denen fünf schriftlich Stellung genommen haben, bzw. eine Person sowohl schriftlich als auch mündlich Antworten gegeben hat. Die genauen Antworten finden sich in 15 Inter707

Vgl. Klein, WM 2011, 2117, 2119. Zur Bedeutung der Honorar-Anlageberatung aus Kundensicht s. die empirische Studie v. Tekathen, Honorarberatung im Finanzdienstleistungsbereich, 123 ff. 708

E. Fazit zu den neuen Zuwendungsregelungen

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views und fünf schriftlichen Stellungnahmen im Anhang dieser Arbeit. Die befragten Personen sind nachweislich ihrer beruflichen Tätigkeit in Banken, Verbänden, Verbraucherzentralen oder Vermögensberatungen Experten auf dem Gebiet der Anlageberatung bzw. der Honorar-Anlageberatung. Aufgrund des bereits festgestellten geringen Angebots der Honorar-Anlageberatung, ist die Vertretung dieser Experten deutlich geringer, als die der Experten, die der Provisionsberatung zuzuordnen sind; hier konnten nur sieben Experten für insgesamt drei Interviews gewonnen werden. In der nachfolgenden Auswertung wurden der Gruppe der HonorarAnlageberatungsexperten auch die Experten der Verbraucherzentralen zugerechnet (zwei Interviews). Allen Personen wurden dieselben Fragen gestellt. Von diesen wurde jedoch je nach persönlicher Schwerpunktsetzung der Experten abgewichen, bzw. zusätzliche Argumente erörtert. Die direkt in der Honorar-Anlageberatung agierenden Experten, sowie ein Experte der Provisionsexpertengruppe mit dem besonderen Schwerpunkt der Honorar-Anlageberatung, erhielten drei zusätzliche Fragen zur praktischen Umsetzung der besonderen gesetzlichen Anforderungen dieser Beratungsform, die im Anschluss an den allgemeinen Teil ausgewertet werden. 1. Allgemeiner Teil: Grundlegende Fragen zur Honorar-Anlageberatung a) Keine spürbare Marktveränderung durch die Einführung des HABG Als erste wesentliche Überraschung lässt sich aus den Expertenantworten, unabhängig der Gruppe der Honorar-Anlageberater oder der „Provisionsberatung“, eine eindeutige Antwort auf die Frage, ob ein verstärktes Kundeninteresse nach der Einführung des HABG an der Honorar-Anlageberatung zu spüren sei, festhalten. Diese lautet eindeutig nein. Weder die Honorar-Anlageberater noch die provisionsgestützten Berater erhielten gezielte Nachfragen zu dieser Beratungsform; vielmehr mussten die Honorar-Anlageberater mit den Kunden in den Dialog treten. Auch das Honoraranlageberater-Register habe keine Publizität dieser Beratungsform gebracht.709 Eine Kundenwahrnehmung als Alternative finde nicht statt. Als Erklärung dieser Einschätzung wurde die geringe Präsenz der Honorar-Anlageberatung am Markt angeführt.710 So wurde diese immer noch als eine Nische,711 wenn nicht sogar als nicht etabliert angesehen.712 Jedoch wurden teilweise Veränderungen dahingehend bemerkt, dass der Kunde in Ausnahmefällen nach der Aufklärung über die

709 710 711 712

Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016. Herting, Interview v. 13. 02. 2017. Lenarz, Interview v. 17. 10. 2016. Bergmann, Interview v. 13. 10. 2016.

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2. Teil: Zuwendungen

zu erbringende Beratungsform i.S.d. § 31 Abs. 4b WpHG nach der Höhe des Honorars für die Beratung fragte.713 Diese Frage kann jedoch richtigerweise von den Instituten, die keine HonorarAnlageberatung anbieten, nicht beantwortet werden. Zum einen da sie selber diese Form nicht anbieten und entsprechend ein Honorar nicht kalkulieren und zum anderen existieren unterschiedliche Honorarformen bei den Anbietern der Honorarberatung, die individuell für den Kunden angepasst werden können, sodass nicht pauschal auf Stundensätze verwiesen werden kann. Hier zeigt sich eine Schwäche des Gesetzes. Bekundet der Anleger entsprechendes Interesse, so können die provisionsgestützten Berater dieses nicht objektiv und informativ beantworten. Das aufkommende Interesse wird folglich im Keim erstickt. Hier müsste der Gesetzgeber aktiv werden und die Kunden über beide Beratungsformen aufklären und auch die Frage nach dem Honorar zumindest im Ansatz beantworten, denn diese Aufgabe kann nicht dem Konkurrenzmodell übertragen werden. Vereinzelt wird, trotz der fehlenden Nachfrage nach der Honorar-Anlageberatung, ein verändertes Bewusstsein der Kunden hinsichtlich der Bankberatungsleistung festgestellt. So soll der Kunde die Beratungsleistung als nicht immer zu seinen Bedürfnissen passend hinterfragen.714 Dies führe jedoch nicht automatisch zu einer Nachfrage nach der Honorar-Anlageberatung, zeige jedoch das Interesse, sich außerhalb des üblichen Systems zu bewegen. Parallel lässt sich bankseitig ebenso vereinzelt eine ähnliche Beobachtung machen, da zwar keine Honorar-Anlageberatung angeboten wird, aber dafür innerhalb der Provisionsberatung ähnlich gestaltete Preismodelle existieren. Diese erfüllen jedoch nicht sämtliche Voraussetzungen der Honorar-Anlageberatung.715 Hier lässt sich vielleicht vorsichtig anfügen „noch nicht“ – denn auch mit der Zeit könnten diese Modelle ausgeweitet und technisch angepasst werden. Dies hängt folglich von der Nachfrage des Kunden ab. Die Entwicklung eines Wettbewerbs innerhalb der Provisionsberatung sei nach Ansicht der Experten jedoch keine Folge der Einführung des HABG, sondern eine allgemeine Folge der Finanzkrise. Hier lässt sich ergänzen, dass die Banken grds. aufgrund diverser Umstände (Niedrigzinsphase, höheres Risikokapital) dazu gezwungen sind, neue Einnahmemöglichkeiten zu gerieren716 und auch deshalb neue Absatzmöglichkeiten zu testen. Zugleich stellt dies eine Antwort auf die hohen Anforderungen der Honorar-Anlageberatung dar und kommt den Kunden entgegen, die die provisionsgestützte Beratung bereits hinterfragen. Denn gäbe es keine Kunden für solche Zwischenmodelle, so würden in der jüngsten Vergangenheit diese nicht so zahlreich eingeführt. 713

Backes, Interview v. 15. 11. 2016. Adam, Interview v. 24. 01. 2017. 715 Ausdrücklich Lange, Interview v. 18. 01. 2017; aber Bergmann, Interview v. 13. 10. 2016 „Flat-fee“; Jäger, Interview v. 24. 10. 2016 „Depot-Modell“. 716 s. hierzu die neuerdings erhobenen Kontogebühren sowie Abhebungsgebühren am Geldautomat. 714

E. Fazit zu den neuen Zuwendungsregelungen

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b) Kaum Bereitschaft des Kunden ein Honorar zu zahlen Allerdings widerspricht die zuvor angestellte Vermutung der Expertenmeinung hinsichtlich der Kundenbereitschaft ein Honorar für die Beratungsleistung zu bezahlen. Auch die Experten der Honorar-Anlageberatung bewerteten diese bei einem durchschnittlichen Anleger als kaum vorhanden. Die Antwort der Experten aus der Gruppe der Provisionsberatung ist hier noch eindeutiger, indem diese aktuell nur eine sehr geringe Bereitschaft vermuten.717 Begründet wird dies damit, dass der Kunde nach wie vor glaubt, er erhielte die Beratung kostenlos, bzw., dass der Kunde die Einrichtung „Bank“ als öffentliche Infrastruktur wahrnehme und deshalb eine kostenlose Beratung erwarte.718 Außerdem wäre die Beratung, wenn die Quersubventionierung entfiele und alle Ressourcen und Tools in die Beratung eingepreist würden, teurer als das, was der Kunde bereit sei zu bezahlen.719 Bisweilen würden nach ca. 40 % der Beratungsgespräche keine Abschlüsse getätigt,720 sodass das wirtschaftliche Risiko, kein geeignetes Produkt zu finden, aus Kundensicht sehr hoch sei. Allerdings stellt auch die Expertengruppe der Provisionsberatung fest, dass Kunden mit einem größeren Vermögen durchaus kostensensitiv seien. Diese würden sich vorab genau über die Beträge informieren, die aufgrund von Provisionen oder Gebühren von ihrem Anlagevolumen abgezogen werden. Daher sind diese oft bereit, dass im direkten Vergleich teilweise für sie günstigere Honorar zu bezahlen.721 Gerade diese Zielgruppe wird mit den zuvor erwähnten Modellen angesprochen, sodass sich die aufgestellte Vermutung des Parallelwettbewerbs nicht grundlegend mit der Bereitschaft des Kunden, ein Honorar zu zahlen widerspricht. Die Expertengruppe der Honorar-Anlageberatung sieht die Bereitschaft des Kunden zur Honorarzahlung hingegen differenzierter. Der durchschnittliche Kunde sei zunächst nicht bereit ein Honorar zu bezahlen. Nach der Aufklärung über die versteckten Kosten und die Provisionen, wobei die des Beraters dabei nur die Spitze des Eisbergs darstellten und tatsächlich ganz andere Stellen noch mitverdienten,722 sei die Honorarzahlung ein akzeptabler Weg für den Kunden.723 Insb. sei die Bereitschaft ein Honorar zu zahlen der Kunden, die sich bereits im Vorfeld mit der Beratungsdienstleistung beschäftigt haben724 oder die der Kunden, die selber für Dienstleistungen vergütet würden, größer.725

717 Backes, Interview v. 15. 11. 2016; Majic, Stellungnahme 21. 12. 2016; Jäger, Interview v. 24. 10. 2016; Stachowiak, Interview v. 12. 04. 2017; Beule, Stellungnahme vom 09. 03. 2017. 718 Ahlers, Interview v. 20. 12. 2016. 719 Herting, Interview v. 13. 02. 2017; Lange, Interview v. 18. 01. 2017. 720 Hertel, Interview v. 13. 10. 2016. 721 Lenarz, Interview v. 17. 10. 2016; Bröcker, Interview v. 04. 10. 2016. 722 Yahiaoui, Interview v. 04. 04. 2017. 723 Paulisan, Interview v. 04. 04. 2017; Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 724 Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016. 725 Siewert, Interview v. 28. 09. 2016.

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2. Teil: Zuwendungen

Auch hier zeigt sich, dass es nicht prinzipiell an der Ablehnungshaltung des Kunden liegt, dass die Honorar-Anlageberatung nicht angenommen wird, sondern auch an der fehlenden Kenntnis des Kunden über diese Beratungsform. c) Kenntnis der Beratungsformen durch Aufklärung Die Kenntnis des Kunden wird auch nicht durch die Aufklärung gem. § 31 Abs. 4b WpHG herbeigeführt. Nur circa die Hälfte der Experten der Provisionsberatung geht davon aus, dass der Kunde die Unterscheidung kennt und ausreichend aufgeklärt ist, während die andere Hälfte dieser Expertengruppe vermutet, dass der Kunde die Aufklärung nicht als wichtig erkennt. Vielmehr gehe sie im Rahmen der gesamten Informationsmenge unter. Auch erzeuge die Information, dass im Folgenden keine Honorar-Anlageberatung erbracht werde, bei dem Anleger keinen Rückschluss darauf, dass ein weiteres Beratungsmodell existiere. Schließlich werde der Kunde nicht über die andere Beratungsform und deren Inhalt aufgeklärt. Dies wurde bereits im Rahmen dieser Arbeit problematisiert und Aufklärungsarbeit seitens des Gesetzgebers gefordert (s. 2. Teil A.II.4.a)). Überwiegend gehen die Experten auch davon aus, dass der durchschnittliche Kunde im Vorfeld der Beratung und damit auch vor der Aufklärung keine Kenntnis von der Alternative der Honorar-Anlageberatung hat. Nur Kunden, die sich aktiv informieren, würden auch die weiteren Beratungsmöglichkeiten kennen.726 Diese Kundengruppe befindet sich jedoch in der Minderheit. Dieses Problem wurde auch seitens des europäischen Gesetzgebers erkannt und durch die zusätzlichen Aufklärungsanforderungen in der MiFID II-DLVO ergänzt. Es bleibt abzuwarten, ob damit der Kunde künftig Kenntnis von der alternativen Beratungsform erhält und damit die Nachfrage nach der Honorar-Anlageberatung steigt. d) Fehlendes Angebot der Honorar-Anlageberatung aufgrund zu hoher Hürden? Ein weiterer Grund für die bislang fehlende Nachfrage der Honorar-Anlageberatung mag das fehlende Angebot sein. Dieses ließe sich mit den hohen Anforderungen, die die Banken bei der zusätzlichen Einführung der alternativen Beratungsform erfüllen müssen, bzw. dem hohen Risiko bei der Umstellung begründen. Sowohl die Expertengruppe der Provisionsberatung als auch die der Honorar-Anlageberatung sehen hier Probleme. Der überwiegende Teil der Provisionsberatungsexperten geht davon aus, dass es sich zum jetzigen Zeitpunkt und auf langfristige Sicht nicht lohnen wird, die Honorar-Anlageberatung zusätzlich einzuführen. Die Hürden durch die erforderliche personelle und organisatorische Trennung, gespiegelt an der bislang geringen Nachfrage, seien zu hoch. Es wird allerdings auch 726 A.A. Kenntnis der zweiten Beratungsform Lange, Interview v. 18. 01. 2017; Lenarz, Interview v. 17. 10. 2016; Hertel, Interview v. 13. 10. 2016.

E. Fazit zu den neuen Zuwendungsregelungen

173

angeführt, dass die Einführung der Honorar-Anlageberatung als alleinige Form vermutlich die gleichen Anforderungen stellen würde, wie die Einführung der alleinigen Provisionsberatung.727 Jedoch akquiriere die zusätzliche Einführung der Honorarberatung nicht die gleiche Kundenanzahl. Auch die Honorar-Anlageberatungsexperten zeigen Verständnis für die bislang noch nicht erfolgte Umstellung bzw. Einführung. So wurden auch hier Zweifel geäußert, ob sich das Angebot der Honorar-Anlageberatung alleine bereits trägt.728 Auch sei ein Start in die Honorar-Anlageberatung, aufgrund von Altlasten bzw. bereits einkalkulierten Bestandsprovisionen, die dann entfielen, und der allgemeinen wirtschaftlichen Lage im Niedrigzinsumfeld, für kleinere Institute nahezu unmöglich und auch für größere sehr schwierig.729 aa) Personelle Trennung der Beratungsformen Die Problematik des erheblichen Mehraufwands zeigt auch die innerhalb beider Gruppen sehr unterschiedlich beantwortete Frage nach dem notwendigen Grad der personellen Trennung bei paralleler Einführung der Honorar-Anlageberatung zur Provisionsberatung. Einigkeit innerhalb der Provisionsberatungsexpertengruppe bestand jedoch darin, dass die oberste Führungsebene/Vorstand nicht von der Trennung betroffen sein soll. Es wurde befürwortet, keine Trennung einzuführen, da die Berater entsprechend geschult werden könnten und selbst kein Eigeninteresse am Honorar oder Provision hätten, da beides nicht an sie gezahlt würde. Hier ist anzumerken, dass letzteres Argument nur für festangestellte Berater gelten kann. Für andere Experten war die Trennung auf Beraterebene ausreichend, da so Fehler beim Wechsel zwischen den Beratungsformen vermieden werden könnten und auch dem Kunden der Unterschied in der Beratungsform personell verdeutlicht werden könnte. Weitere Probleme ließen sich durch entsprechendes Controlling verhindern. Eine solche Trennung wurde von kleineren Banken jedoch als undurchführbar beschrieben.730 Die dritte vertretene Variante der Experten der Provisionsberatungsgruppe würde auch die Ebene über dem Berater trennen, da diese Einfluss auf den jeweiligen Berater nehmen könnte. In der Expertengruppe Honorar-Anlageberatung wurde hingegen angeführt, dass die Philosophie nur dann gelebt werden könne, wenn sogar die oberste Ebene getrennt werde.731 Es wurde aber auch die Auffassung vertreten, dass sich ein gemeinsames Angebot von Honorar-Anlageberatung und Provisionsberatung gegenseitig ausschließe, da es eine strikte Trennung der Beratung vom Vertrieb bräuchte.732 727 728 729 730 731 732

Beule, Stellungnahme v. 09. 03. 2017. Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016. Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. Witteck, Interview v. 14. 09. 2016. Adam, Interview v. 24. 01. 2017 Ahlers, Interview v. 20. 12. 2016.

174

2. Teil: Zuwendungen

Überraschenderweise finden sich auch in der Honorar-Anlageberatungsexpertengruppe Stimmen, die sich für eine parallele Durchführung beider Beratungsformen durch einen Berater aussprechen, da dieser dem Kunden unvoreingenommen die Unterschiede aufzeigen könne und dann den Kunden vor eine aktive Wahl stelle, welche Beratungsform dieser für sich als passender betrachtet. Die Consorsbank, die beide Beratungsformen anbietet und entsprechend im Honoraranlageberater-Register registriert ist, hat eine Trennung der Berater und der Leitung des Honorar-Anlageberatungsteams vorgenommen.733 Wobei auch hier betont wurde, dass dies bei einer reinen Online-Bank einfacher möglich sei, als in einer Filiale und es dennoch zu Unverständnis bei den Kunden führte, die nun ggf. nicht mehr mit ihrem langjährigen Berater interagieren konnten, da dieser in die andere Beratungsform gewechselt ist.734 Für Kunden, die die Honorar-Anlageberatung wünschten, deren Berater aber nun ausschließlich die provisionsgestützte Beratung anbietet, wurden extra Provisionsmodelle eingeführt, die dem Modell der Honorar-Anlageberatung ähnlich sind, damit die Kunden ihren Berater behalten konnten und in die Provisionsberatung wechselten. Dies zeigt, dass die Beraterbeziehung eine essentielle Rolle aus Kundensicht spielt und deshalb bei der Neueinführung der Honorar-Anlageberatung berücksichtigt werden muss. Zusätzlich konnte beobachtet werden, dass der Kunde, der aktiv vor die Wahl der Beratungsform gestellt wurde, auch hierfür den Berater um Rat fragen wollte. Die hier aufgeführten Erwägungen hinsichtlich der einzelnen Regelungen wurden bereits in der Arbeit dargestellt und bewertet (s. 2. Teil A.I.4.b)bb)). § 8 WpDVerOV-E, der die Trennung abhängig von der WpDU-Größe ausgestalten soll, würde die von den Experten geäußerten Erfahrungen und Ansichten berücksichtigen. Eine vollständige Abschaffung dieser Trennung ist aufgrund der europäischen Vorgaben nicht möglich. Jedoch kann der Gesetzgeber aufgrund von Art. 24 Abs. 12 MiFID II Sonderregelungen erlassen, in denen er geringere Anforderungen für kleinere Institute vorsieht. In diesem Fall ist der deutsche Markt tatsächlich spezieller. Die Provisionsberatung ist als Modell über Jahre gewachsen und der deutsche Kunde kennt die Honorar-Anlageberatung immer noch nicht. Daher ist die Einführung einer neuen Beratungsform unter Berücksichtigung der hohen Anforderungen aus Bankensicht kaum lohnenswert. Außerdem besteht die Marktstruktur in Deutschland, anders als in anderen Mitgliedstaaten, aus vielen kleinen Instituten, die den neuen Anforderungen sowohl personell als auch finanziell nicht gewachsen sind und deshalb von vorneherein die Alternative nicht erbringen können. Diese kleineren Institute gewährleisten aber die flächendeckende Versorgung aller Kundengruppen, insb. der der Kleinanleger, die nach europäischer Ansicht besonders zu schützen sind. Die europäischen Regelungen berücksichtigen damit nicht das deutsche Marktge733 734

Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016. Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016.

E. Fazit zu den neuen Zuwendungsregelungen

175

füge, sodass es sich hier um nationale Besonderheiten handelt, die eine Ausnahmeregelung ermöglicht hätten. Allerdings hätte der Gesetzgeber hier, um eine wirkliche Etablierung der Honorar-Anlageberatung zu erreichen, anstatt 2014 bereits alle Anforderungen vollständig erfüllen zu lassen, von Anfang an eine stufenweise Einführung beschließen können, die eine langsame Umstellung mit Vergünstigungen bis zum Anwendungsbeginn der europäischen Regelungen 2018 ermöglicht hätte. Ebenso wäre eine Stichtagsregelung sinnvoll gewesen, die das Ausschleichen von Provisionen und damit eine finanzielle Umstellung ermöglicht.735 Durch diese Ausnahmemöglichkeit hätten für sehr kleine Institute geringere Anforderungen vorgesehen werden können, die kontinuierlich ansteigen.736 Wie gezeigt hätten mehrere Möglichkeiten bestanden, das in der Praxis gravierende Problem und eine der Hemmschwellen zur Einführung abzumildern, als nur eine (noch nicht beschlossene) verhältnismäßige Umsetzung in § 8 WpDVerOV-E festzulegen. § 8 wurde jedoch ohne Veränderungen am 23. 10. 2017 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.737 bb) Fehlende Notwendigkeit einer zusätzlichen Einführung? Für die fehlende Bereitschaft, die Honorar-Anlageberatung einzuführen, spricht zudem auch der fehlende Druck. Die Experten beider Gruppen gehen überwiegend davon aus, dass in Deutschland künftig kein Provisionsverbot ohne Ausnahmemöglichkeit, wie es bspw. in Großbritannien der Fall ist, eingeführt werden wird.738 Nach Ansicht der Verbraucherzentralen und einiger Experten der Honorar-Anlageberatungsgruppe liegt dies an der zu großen Lobby der Provisionsberatung. Allerdings wünschen sich auch nicht alle Honorar-Anlageberatungsexperten ein solches, da auch sie in der Provisionsberatung eine für bestimmte Kunden geeignete Beratungsform sehen.739 Der überwiegende Teil der Provisionsberatungsexperten und ein Honorar-Anlageberatungsexperte740 sehen in der Einführung des Provisionsverbotes die Gefahr, dass einige Kunden von der Beratungsleistung abgeschnitten werden, da ihnen die Zahlung eines Honorars nicht möglich wäre, bzw. sie dies nicht zahlen wollen würden. Eine Lösung dieses Problems ist aus Expertensicht nicht ohne Weiteres möglich.741 Nach überwiegender Ansicht können Robo-Advisors und an735 736

2017. 737 738

2016. 739

Ähnlich Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. Eine deminimis-Lösung für kleine Institute vorschlagend Lange, Interview v. 18. 01. BGBl. Nr. 69, vom 23. 10. 2017, S. 3565. A.A. Ahlers, Interview v. 20. 12. 2016; auf langfristige Sicht Michels, Interview v. 15. 11.

Yahiaoui, Interview v. 04. 04. 2017. Feck, Interview v. 09. 01. 2017. 741 Eine durch das Provisionsverbot entstehende Beratungslücke generell ablehnend Ahlers, Interview v. 20. 12. 2016. 740

176

2. Teil: Zuwendungen

dere FinTech-Lösungen maximal einen Teil der Kunden auffangen.742 Diese seien allerdings bereits jetzt technikaffin, während die ältere Generation durch diese Beratungsformen nicht erreicht werde. Die teilweise Schließung der Beratungslücke sei auch nur dann möglich, wenn der Robo-Advice derart ausgestaltet würde, dass er nicht ebenfalls unter das für die Beratung geltende Provisionsverbot fiele. Allerdings sei die Beratung sehr vielschichtig, sodass es auf die Ausrichtung des Robo-Advice ankäme, um überhaupt die Beratungsleistung ersetzen zu können. Dieser sei jedoch grds. geeignet, eine Vorsondierung durchzuführen oder über allgemeine Aspekte aufzuklären. Als weitere Lösungsmöglichkeiten wurden einfachere Produkte, bspw. in Form eines standardisierten, öffentlich-rechtlichen Instruments wie die „Deutschland-Rente“ vorgeschlagen.743 Zugleich wurde festgestellt, dass bereits heute Produkte nach bestimmten Merkmalen, bspw. für eine Familie mit zwei Kindern, konzipiert werden. Wenn diese Merkmale entsprechend transparent und verständlich dargestellt würden, könnte der Kunde versuchen, sich eigenständig einer Gruppe zuzuordnen und die Merkmale abgleichen, um passende Finanzinstrumente zu finden.744 Eine ähnliche „Vergleichsgruppe“ ist zukünftig ohnehin durch den Zielmarkt zu bestimmen, sodass dieser Vorschlag im Falle eines Provisionsverbotes sofort umgesetzt werden könnte. e) Strengere nationale Regelungen steigern die Anforderungen aa) Annahmeverbot von kleineren nicht-monetären Vorteilen Ein weiterer Grund für die fehlende Etablierung der Honorar-Anlageberatung könnten auch die strengeren nationalen Regelungen zur Annahme von Zuwendungen in der Honorar-Anlageberatung sein. So stellen zwar die Experten der Provisionsberatung teilweise heraus, dass diese Frage für die Einführung der Honorar-Anlageberatung keine wesentliche Rolle spiele, da es wirtschaftlich keinen Unterschied mache, ob geringfügige nicht-monetäre Vorteile angenommen werden dürften oder nicht und bspw. die personelle Trennung die Entscheidung stärker beeinflusse. Dennoch empfindet ein Großteil der Provisionsexperten, ebenso wie die Experten der Honorar-Anlageberatungsgruppe, diese Regelung als nationales goldplating des deutschen Gesetzgebers, welches im europäischen Vergleich sowie im Vergleich zur nationalen Vermögensverwaltung wettbewerbsverzerrend sei. Zudem ist in beiden Expertengruppen die Meinung präsent, dass die Regelungen überzogen seien, da keine Beeinflussung von solch kleinen nicht-monetären Zuwendungen ausgehe, da der einzelne Berater sehr wohl reflektieren könne. Nicht zuletzt bringen auch die Experten der Provisionsberatung dahingehende Zweifel an, dass die Honorar-Anlageberater durch diese Regelung von wesentlichen Informationsangeboten der Hersteller abgeschnitten würden, welche nicht zur Beeinflussung führen würden, 742 743 744

Für die vollständige Schließung der Lücke Paulisan, Interview v. 04. 04. 2017. Ahlers, Interview v. 20. 12. 2016. Backes, Interview v. 15. 11. 2016.

E. Fazit zu den neuen Zuwendungsregelungen

177

sondern die Qualität der Beratung verbesserten. Die Experten aus der HonorarAnlageberatungsgruppe ergänzten diese Auffassung um die praktischen Schwierigkeiten, dass nicht jeder Emittent eine Rechnung über die Produktschulung stellen könne und es auch bei allen Bemühungen schwierig sei, eine solche Schulung aufgrund von Getränkepauschalen etc. auf einen genauen Betrag zu berechnen. Zugleich stelle diese deutsche Sonderregelung auch eine finanzielle Belastung der Honorar-Anlageberater dar, da bspw. alle Weihnachtsgeschenke auf eigene Portokosten an den Versender zurückgesendet werden müssen. Hier ist sicherlich zu ergänzen, dass sich dies mit der Zeit einspielen wird, allerdings sind dies unnötig hohe Hürden, die keinen Mehrwert für den Anleger erzielen. Mögen diese Regelungen auch offiziell nicht der ausschlaggebende Faktor für die fehlende Bereitschaft die Honorar-Anlageberatung als Alternative einzuführen sein, so lässt sich dennoch aus allen Antworten der Experten der Provisionsberatung erkennen, dass diese die Regelung zur Honorar-Anlageberatung genau beobachten. bb) Bewertung des Bezeichnungsschutzes Auch zur zusätzlichen deutschen Regelung des Bezeichnungsschutzes wurden die Experten beider Gruppen befragt. Sowohl der Bezeichnungsschutz als solches, als auch der Begriff an sich werden nicht nur zwischen den Expertengruppen, sondern auch innerhalb der einzelnen Gruppen sehr kontrovers beurteilt. Ein überwiegender Konsens besteht darin, dass ein Bezeichnungsschutz grds. sinnvoll sei, um eine Abgrenzung mit Außenwirkung zu erzielen und die Alternative zu etablieren. Allerdings stellen einige Experten der Provisionsberatung fest, dass ein solcher Schutz nur entstehen könne, wenn der Begriff positiv besetzt und bekannt sei, was für die Honorar-Anlageberatung nicht der Fall sei. Dies könne auch nicht durch mögliche Änderungen des Begriffs in „unabhängige Honorar-Anlageberatung“ verbessert werden. Einerseits bestünden zu viele unterschiedliche Begriffe, die der Kunde nicht mehr auseinanderhalten könne,745 andererseits sei der Begriff der Honorar-Anlageberatung durch das geringe Angebot nicht präsent. Der Begriff Honorar-Anlageberatung wird an sich jedoch nicht als negativ aufgefasst, auch wenn er anders klingt als in der Richtlinie.746 Vielmehr seien die Begriffe der Richtlinie stigmatisierend und der deutsche Begriff passender gewählt.747 Erstaunlicherweise gibt es Experten aus der Honorar-Anlageberatungsgruppe, die den Begriff der Honorar-Anlageberatung und insb. die Betonung des Honorars dem europäischen Begriff der „unabhängigen Beratung“ vorziehen.748 Durch die Nennung des Honorars im Namen sei für den Kunden die Vergütung sofort offensichtlich und es käme nicht zu Missverständnissen, wenn diesem bei der unabhängigen Be745 746 747 748

A.A. Lange, Interview v. 18. 01. 2017. Jäger, Interview v. 24. 10. 2016. Lenarz, Interview v. 17. 10. 2016. Paulisan, Interview v. 04. 04. 2017; Yahiaoui, Interview v. 04. 04. 2017.

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2. Teil: Zuwendungen

ratung ein Honorar in Rechnung gestellt werde. Zudem sei das Honorar auch nicht negativ besetzt, da ein solches auch bei einem Rechtsanwalt oder Arzt entrichtet werden muss. Vielmehr wäre der Begriff „unabhängig“ abgenutzt. So sei der Begriff zwar insgesamt sperrig und würde in der Praxis verkürzt verwendet, aber es läge nicht am wording, dass die Honorar-Anlageberatung nicht bekannt sei.749 Zum Teil wird ausdrücklich festgehalten, dass das Register keinesfalls die erhoffte Publizität brachte. Der durchschnittliche Kunde kenne dies nicht. Es sei ausschließlich bei solchen Personen bekannt, die sich ohnehin mit den Beratungsformen auseinandersetzten.750 Andere Experten aus der Honorar-Anlageberatung vertreten die vollständig konträre Ansicht, dass die europäischen Begriffe zwingend gewählt werden müssten, da das Honorar negativ besetzt sei und nur so eine wirkliche Aufmerksamkeit auch bei der Aufklärung erzielt werden könne.751 2. Besonderer Teil: Fragen zur Umsetzung der besonderen Honorar-Anlageberatungsregelungen Nicht zuletzt geben auch die Antworten der Experten zu den gesonderten Fragen für die Honorar-Anlageberatung Aufschluss über die hohen Anforderungen und die vom deutschen Gesetzgeber zusätzlich geschaffenen Regelungen. a) Die Erfüllung des Merkmals „hinreichende Anzahl am Markt angebotener Finanzprodukte“ Die Sicherstellung seitens der WpDU, dass für die persönliche Anlageempfehlung eine hinreichende Anzahl am Markt angebotener Finanzprodukte analysiert und bewertet wurde, ist auf den ersten Blick eine sehr hohe Herausforderung. Praktisch werde der gesamte Markt in einer Art Matrix abgebildet, welche sich immer weiter verfeinert.752 Die Erstellung und die Kontrolle einer solchen seien sehr aufwändig. Dies müsse grds. auch in der Provisionsberatung erbracht werden,753 die jedoch teilweise von vorneherein auf hauseigene Produkte beschränkt sei. In der HonorarAnlageberatung könne hingegen keine subjektive Gewichtung nach Provisionen Einfluss finden. Ob es allerdings für den Kunden grds. zu einem besseren Ergebnis führe, wenn für ihn 100 Produkte überprüft werden anstelle von zehn, könne pauschal nicht beantwortet werden.754 Zudem ist dies eine enorme Kostenfrage, deren Be-

749

Feck, Interview v. 09. 01. 2017. Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016; i.E. Ahlers, Interview v. 20. 12. 2016. 751 Ahlers, Interview v. 20. 12. 2016; Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 752 Adam, Interview v. 24. 01. 2017; Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016; Paulisan, Interview v. 04. 04. 2017; Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 753 Lange, Interview v. 18. 01. 2017 „normales Handwerkszeugs“. 754 Zweifelnd im anderen Kontext Alpers, Interview v. 13. 02. 2017. 750

E. Fazit zu den neuen Zuwendungsregelungen

179

antwortung dem Kunden selbst obliegt. Mithin zeigt sich hierin ein Vorteil des Nebeneinanders der Provisions- und der Honorar-Anlageberatung. b) Die Existenz eines „gleichgeeigneten“ Produkts Das deutsche Recht sieht nur dann die Möglichkeit vor, Zuwendungen anzunehmen und auszukehren, wenn kein gleichgeeignetes Produkt ohne Provisionen am Markt erhältlich ist. Die Frage, wann ein gleichgeeignetes Produkt vorliegt, ist auch durch die Experten der Honorar-Anlageberatung nicht pauschal eindeutig zu beantworten, denn alle Produkte seien grds. unterschiedlich, aber in gewissen Kategorien vergleichbar. Es komme folglich darauf an, wie eng die Vergleichskategorien gezogen werden. Während die einen zu dem Ergebnis kommen, dass aufgrund der zuvor dargestellten „Matrixanalyse“ grds. mehrere gleichgeeigneten Produkte vorliegen, bzw. Produkte mit Provisionen ausgeschlossen werden könnten und es solcher Produkte deshalb gar nicht bedürfe,755 so stellen andere für den aktiven Fondsbereich fest, dass bei diesen eine Vergleichbarkeit sehr schwierig herzustellen sei. So würde jeder Fonds von einem bestimmten Manager verwaltet und verfolge eine andere Investmentstory. Wünsche der Kunde einen bestimmten aktiven Fonds, so gäbe es deshalb keinen gleichgeeigneten. Dies zeigt die Problematik der durch den deutschen Gesetzgeber zusätzlich eingeführten Regelung sehr deutlich. Die Experten erklären zudem, dass es zwar teilweise möglich sei Produkte ohne Provisionen zu erwerben, aber nicht grds. Denn diese würden zwar mit dem Emittenten vereinbart, bzw. Provisionsabsprachen innerhalb des Unternehmens getroffen, sodass über solche und deren Aufhebung gesprochen werden könne, jedoch seien nicht alle Emittenten im Finanzuniversum erreichbar. Häufig müssten Produkte über Plattformen oder Broker bezogen werden, sodass auf Absprachen kein Einfluss genommen werden könne und die Produkte mit Provisionen erworben werden müssten.756 Folglich wäre nach Expertenansicht die europäische Regelung ausreichend gewesen. c) Werbung mittels Auskehr von Provisionen möglich? In der Tat ist es auch so, dass mit der Auskehr der Provisionen geworben werden könnte, da sich der Anleger auf diese Weise auch das Honorar leisten könne.757 Dies wird jedoch überwiegend abgelehnt, da eine solche Werbung nicht dem Gedanken der Honorar-Anlageberatung entspreche und aufgrund der gleichen Geeignetheit nur noch zu einem verschwindend geringen Prozentsatz möglich sei. Darüber hinaus wurde die Erfahrung gemacht, dass diese Produkte nicht zwingend die beste Wahl 755 Lange, Interview v. 18. 01. 2017, Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016; Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 756 Lange, Interview v. 18. 01. 2017; Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 757 Yahiaoui, Interview v. 04. 04. 2017.

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2. Teil: Zuwendungen

waren, um Kunden langfristig sinnvolle Anlagen zu vermitteln – auch wenn diese nur auf Kundenwunsch eingekauft wurden. Es zeigt sich also, dass eine von dem HABG nicht beabsichtigte Missbrauchsmöglichkeit durch die Auskehr möglich ist. Allerdings führt diese nicht zur langfristigen Kundenzufriedenheit und ist aufgrund der zusätzlichen nationalen Einschränkung auch nur im geringen Ausmaß möglich. Dies ist eine positive Auswirkung der nationalen Sonderregelung. 3. Fazit der Auswertung Die Experteninterviews spiegeln folglich die bereits in dieser Arbeit aufgezeigten Schwierigkeiten der Honorar-Anlageberatung wider und zeigen noch einmal deutlich, dass der Gesetzgeber die Chance verpasst hat, im Rahmen des 2. FiMaNoG nachzujustieren, um die Honorar-Anlageberatung wirklich als Alternative zu etablieren. Würde kundenseitig durch den Gesetzgeber und die Medien Kenntnis über die alternative Beratungsform geschaffen, so bestünde nach der Expertenmeinung durchaus ein Kundeninteresse. Dieses würde im Zusammenspiel mit der Verringerung einiger gesetzlicher Anforderungen das Angebot der Honorar-Anlageberatung oder alternativer Modelle stärken. Nur so würde das offizielle Gesetzesziel, die Honorar-Anlageberatung als eigenständige alternative Beratungsform zu etablieren, erreicht.

3. Teil

Nachweis der Kosten A. Europäische Regelungen Der europäische Gesetzgeber unternimmt neben den Provisionsregelungen und der Einführung der unabhängigen Anlageberatung einen weiteren Versuch die Entstehung der Interessenkonflikte durch versteckte Vergütungen des Beraters zu unterbinden, indem er in Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. c) MiFID II eine neue Kostentransparenz einführt. Dahinter steht unter anderem auch das Ziel der MiFID II, dem Anleger künftig sämtliche relevanten Informationen an die Hand zu geben und damit seinen Schutz zu verbessern.1 Damit muss der Kunde auch über die Kosten der Beratung ausdrücklich informiert werden. Um die bessere Aufklärung und damit die informierte Entscheidung des Kunden herbeizuführen, muss dieser zutreffend und ggf. regelmäßig über alle Gebühren, Provisionen und Vorteile unterrichtet werden, die die Firma im Zusammenhang mit der Anlageberatung, die sie dem Kunden geleistet hat, erhalten und auf ihn übertragen hat.2

I. Die Transparenzregelung des Art. 24 Abs. 4 MiFID II Nach der neuen Regelung sollen dem (potentiellen) Kunden Informationen bezüglich sämtlicher Kosten und Gebühren des Finanzinstruments, die nicht aufgrund des Marktrisikos der Anlage entstehen, aufgezeigt werden, Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. c) S. 1 und UA 2 S.1 MiFID II. Insgesamt soll dem Kunden Aufschluss über die Kosten und Nebenkosten der Wertpapierdienstleistung gegeben werden. Dies beinhaltet eine separate Aufschlüsselung der Kosten für etwaige Beratungsleistungen sowie für die der empfohlenen oder verkauften Produkte.3 Allerdings wird das Ziel dieser Regelung, dem Kunden aufzuzeigen, dass er für die Beratungsleistung zahlen muss, nicht erreicht werden. Schließlich sieht die Regelung vor, dass das WpDU die vorgenannten Aufwendungen nur als aggregierte Gesamtkosten angeben muss.4 Diese sollen ausweislich Art. 24 Abs. 4 S. 2 1 2 3 4

Vgl. ErwG 72. ErwG 74. Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. c) MiFID II. Art. 24 Abs. 4 UA 2 S. 1 MiFID II; Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1158.

182

3. Teil: Nachweis der Kosten

lit. c) MiFID II dem Kunden die Möglichkeit geben, deren Auswirkung auf die Rendite der Anlage abzuschätzen.5 Erst in einem zweiten Schritt, und dieser ist das tatsächlich Neue an der Regelung, ist dem Kunden – leider nur – auf sein Verlangen eine Einzelkostenaufstellung auszuhändigen, Art. 24 Abs. 4 UA 2 S. 1 MiFID II. Der Hinweis, dass der Kunde eine solche Kostenaufstellung verlangen kann, wird aufgrund der Fülle an Informationen genauso unbemerkt an diesem vorübergehen, wie bspw. die Aufklärung über die Beratungsform.6 Da die WpDU ohnehin Systeme vorhalten müssen, die sämtliche Einzelpositionen ausweisen können, wäre es keine zusätzliche Belastung gewesen, eine personalisierte Gesamtaufstellung für jeden Kunden zu fertigen und die Einzelaufstellung direkt auszuhändigen.7 Die Informationen zur Kostentransparenz müssen künftig allen Kunden zur Verfügung gestellt werden – also auch professionellen Kunden und geeigneten Gegenparteien.8 1. Ex-ante und ex-post Offenlegung Während der Laufzeit der Anlage müssen dem Anleger regelmäßig, mindestens jährlich, die Gesamtkosten der Anlage zur Verfügung gestellt werden.9 Mithin müssen die WpDU die Kosteninformation doppelt zur Verfügung stellen – einmal rechtzeitig vor der Dienstleistungserbringung bzw. vor dem Produkterwerb (ex-ante disclosure) und mind. einmal jährlich während der Laufzeit (ex-post disclosure).10 Der genaue Offenlegungszeitpunkt, insb. für die Einzelpositionen auf Nachfrage des Kunden, wird durch die MiFID II nicht näher konkretisiert. Diese Transparenzanforderungen gelten auch für Koppelungsgeschäfte, da die Kosten für alle Bestandteile gem. Art. 24 Abs. 11 MiFID II getrennt auszuweisen sind. Ebenso muss das Unternehmen in dieser Aufstellung nachweisen, ob es Zuwendungen erhalten hat. Für die Annahme von Zuwendungen kann an dieser Stelle auf die bereits erfolgten Ausführungen verwiesen werden (s. 2. Teil A.I.2., 2. Teil B.I.1.).

5

Art. 24 Abs. 4 UA 2 S. 1 MiFID II. Vgl. Ahlers, Interview v. 20. 06. 2016. 7 Zu den Systemen s. Kurz, DB 2014, 1182, 1184; Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1162. 8 Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 37; Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 226. Zur Opt-OutMöglichkeit für diese Anlegergruppen s. 3. Teil A.II.1.e). 9 Art. 24 Abs. 4 UA 2 S. 2 MiFID II; Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1159; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 37. 10 Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1158; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 84; i.E. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 110. 6

A. Europäische Regelungen

183

2. Form und Zeitpunkt der Bereitstellung der Kosteninformation Eine bestimmte Form der Bereitstellung und auch der Darstellung der Kosteninformation findet sich in der MiFID II nicht. In Zusammenschau mit den weiteren Vorschriften, vor allem Art. 16 Abs. 6 MiFID II zur Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation, ist eine Übermittlung der Kosten auf den ausdrücklich in der MiFID II thematisierten und damit als zulässig erachteten Wegen in Form von Fax oder E-Mail möglich.11 Aus Beweisgründen empfiehlt sich allerdings die Bereitstellung auf einem dauerhaften Datenträger, damit nicht nur die Bereitstellung, sondern auch dessen Inhalt nachvollziehbar ist.12 Offen sind die Anforderungen an die Bereitstellung der Kosteninformation, wenn das Geschäft über elektronische Kommunikationswege abgeschlossen wird.13 Ausweislich Art. 24 Abs. 4 MiFID II, soll der Kunde aufgrund der dargestellten Gesamtkosten die Abzüge von seiner Anlagesumme abschätzen und dadurch eine fundierte Anlageentscheidung treffen können. Gem. Art. 24 Abs. 4 S. 1 MiFID II muss die Information rechtzeitig erfolgen. Daraus ergibt sich, dass diese Information dem Kunden vor dem Abschluss des Vertrags bzw. vor der Ordererteilung vorliegen muss.14 Diese Ansicht stützt auch ErwG. 83 MiFID II, der unter Berücksichtigung der Informationsdringlichkeit dem Kunden die Information mit hinreichender Zeit zum Lesen und Verstehen zukommen lassen will.15 Schwierig erscheint dies, wenn der Kunde die Beratung mittels Telefon, E-Mail oder Fax wählt. Folglich müsste ihm während des Beratungstelefonats eine E-Mail oder ein Fax mit den Kosteninformationen zugesandt werden, welche/s dieser zur Kenntnis nehmen müsste und daraufhin eine informierte Anlageentscheidung treffen könnte.16 Die elektronische Übermittlung dieser Informationen wird aufgrund von Sicherheitsaspekten jedoch oft seitens des Kunden abgelehnt, bzw. scheitert daran, dass der Kunde kein elektronisches Postfach bei der Bank unterhält.17 Unter Berücksichtigung der Schnelligkeit und der Einfachheit dieser Kommunikationsmittel, welche mitentscheidend für deren Wahl sind, wird durch die Zusendung ein Kommunikationsbruch bzw. eine Verzögerung erzeugt, die die Beratung erschwert anstatt den Kunden zu schützen. Eine Opt-Out-Möglichkeit, zumindest für Privatkunden, besteht bislang nicht und auch für professionelle Kunden und geeignete Gegenparteien sind diese nur unter strengen Voraussetzungen möglich.18

11

Ausf. Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1159. Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1159. 13 Vgl. Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1160. 14 I. E. Balzer, ZBB 2016, 226, 230. 15 Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 136; Balzer, ZBB 2016, 226, 230. 16 So der Vorschlag von Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1160; zum Problem s. auch BuckHeeb/Poelzig, BKR 2017, 485, 487 f. 17 DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 13. 18 Vgl. 3. Teil A.II.1.e). 12

184

3. Teil: Nachweis der Kosten

Ggf. könnte hier auf eine ähnliche Handhabung, wie für die telefonische Beratung und der nachträglichen Zusendung des Beratungsprotokolls nach deutschem Vorbild, zurückgegriffen werden.19 Gem. § 34 Abs. 2a S. 3 WpHG kann der Kunde den Geschäftsabschluss vor Erhalt des Protokolls im Rahmen der telefonischen Anlageberatung tätigen, ihm ist aber unverzüglich nach Abschluss der Beratung das Protokoll zusenden (s. 6. Teil B.I.). Allerdings ist der Schutzzweck des Beratungsprotokolls ein anderer. Dieses soll der Aufsichtsbehörde die Aufsicht über die Einhaltung der Wohlverhaltenspflichten gem. §§ 31 ff. WpHG ermöglichen.20 Jedoch werden die Beratungsprotokolle auch dahingehend genutzt, die ordnungsgemäße Beratung nachweisen zu können, da sie den Beratungsablauf dokumentieren.21 Insgesamt ist eine kombinierte Lösung aus der mündlichen Mitteilung der Kosten sowie der nachträglichen unverzüglichen Zusendung der aggregierten Gesamtkosten, wenn der Kunde dies ausdrücklich wünscht, sachgerechter, als dem Kunden während des Telefonats per E-Mail oder Fax, die Kostenaufstellung zukommen zu lassen.22 Dies mag zwar, verglichen zum mündlichen Beratungsgespräch vor Ort, die gleiche Zeitspanne zur Kenntnisnahme darstellen, allerdings findet hier ein Medienwechsel statt, der außerdem weitere Empfangseinrichtungen und MultitaskingFähigkeiten des Anlegers voraussetzt. Zugleich muss berücksichtigt werden, dass ohne diese Möglichkeit das Risiko der zwischenzeitlich eintretenden Kursschwankungen besteht. Um einen Gleichlauf mit den europäischen Wertungen zu erhalten, sollte hier ebenfalls nur eine Möglichkeit geschaffen werden, das Geschäft ohne Kosteninformation abzuschließen und kein dem § 34 Abs. 2a WpHG vergleichbares Rücktrittsrecht eingeführt werden.23

II. Level-2-Maßnahmen 1. ESMAs Vorschläge an die Kommission Den nur grundlegenden Richtlinientext hat ESMA in ihren weitreichenden Vorschlägen an die Kommission konkretisiert.

19

Ähnlich DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 16. Begr. RegE FRUG, BT-Drs. 16/4028, S. 75; Fett, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 34 WpHG Rn. 1 m.w.N. 21 Ausf. Einsele, ZRP 2014, 190. 22 Ähnlich DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 13. 23 Das Rücktrittsrecht hat der europäische Gesetzgeber für die Geeignetheitserklärung nicht übernommen. I. E. aber unter Verweis auf die Anforderungen der PRIIPs VO, DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 16. 20

A. Europäische Regelungen

185

a) Anwendungsbereich Zunächst widmet sich ESMA dem Anwendungsbereich. Dieser ist sowohl für die ex-ante als auch die ex-post Informationspflicht überwiegend gleich. In beiden Fällen muss das WpDU Finanzinstrumente empfehlen, worunter die Anlageberatung fällt, oder vermarkten.24 Unter letzterem ist der aktive Vertrieb eines Finanzprodukts zu subsumieren.25 Ebenso ist der Anwendungsbereich der Richtlinie nach den Vorschlägen von ESMA eröffnet, wenn das WpDU dem Kunden für das Finanzprodukt ein KID oder KIID zur Verfügung stellen muss.26 Für die nachträgliche Informationspflicht muss zusätzlich zwischen dem WpDU und dem Kunden eine dauerhafte Geschäftsbeziehung bestehen, um zu vermeiden, dass die einmalige Ordererteilung zu einer nachträglichen Kosteninformation führt.27 Durch diese ausdrückliche Klarstellung seitens ESMA sind jedoch auch Depotverträge, bzw. die Depotverwaltung als dauerhafte Geschäftsbeziehung anzusehen, welche eine nachträgliche Informationspflicht auslösen.28 Diese Regelung ist dennoch zu begrüßen, da auf diese Weise keine nachvertragliche Informationspflicht statuiert wird, sondern nur das aufsichtsrechtliche Pflichtenprogramm für bestehende Vertragsbeziehungen erweitert wird.29 b) Kostenberechnung Zusätzlich hat ESMA die Berechnungsmethoden für die anzugebenden Kosten detailliert ausgearbeitet. Die Kosteninformation, die dem Kunden vor Abschluss des Geschäfts mitgeteilt werden muss, muss auf den in der Vergangenheit real angefallenen Kosten für dieses Finanzprodukt beruhen.30 Liegen dem WpDU solche Zahlen nicht vor, müssen diese geschätzt werden; ebenso ist mit volatilen Kosten nach bestem Wissen und Gewissen zu verfahren.31 In einem solchen Fall, ist der Kunde darauf sowie auf mögliche Abweichungen zu den tatsächlichen Kosten, hinzuweisen.32 Allerdings müssen die Unternehmen in nicht vorgegebenen Zeitspannen ihre Schätzung anhand der im Nachhinein bekannt gewordenen tatsächlichen Kosten überprüfen.33 24

ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 122, TA Nr. 4 i). Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 93. 26 ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 122, TA Nr. 4 ii). 27 ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 116, Nr. 18. 28 Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 99; Balzer, ZBB 2016, 226, 230. 29 Kritisch zur nachvertraglichen Verpflichtung vor ESMAs Vorschlägen, Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 228. 30 ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 124, Nr. 16; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 96. 31 ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 124, Nr. 16; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 96. 32 ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 120, Nr. 32; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 96. 33 ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 124, Nr. 17; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 96. 25

186

3. Teil: Nachweis der Kosten

Die nachträglichen Informationen sollen auf den tatsächlich entstandenen Kosten, die dem einzelnen Kunden zugeordnet werden müssen, berechnet werden.34 c) Zu berücksichtigende Kosten Anzugeben sind nach Ansicht von ESMA auch die Beratungskosten, die einmaligen Anfangs- und Endkosten, die Transaktionskosten, die fortlaufenden und die indirekten Kosten.35 Ausgeschlossen sind nur solche Kosten, die sich aus dem Marktrisiko ergeben, welches nach Ansicht von ESMA jedoch eng auszulegen ist.36 Dieses soll sich nur auf die Wertveränderung von Basiswerten beziehen.37 Mithin müssen auch anfallende Hedging-Kosten aufgeführt werden, da diese allenfalls mittelbar durch das Marktrisiko verursacht werden.38 Ebenso konkretisiert ESMA die Aussage von Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. c) MiFID II, dass auch etwaige Zahlungen Dritter offen gelegt werden müssen, indem ESMA Zahlungen von Dritten an das WpDU als Kosten der Dienstleistung beurteilt, die separat ausgewiesen werden müssen.39 Auf die daraufhin vielfach geäußerte Kritik, dass es sich bei Zuwendungen nicht um Kosten im eigentlichen Sinn handelt, also solche die der Anleger trägt, reagiert ESMA faktisch gar nicht.40 Folglich müssen künftig dauerhafte Zuwendungen sog. Bestandsprovisionen dem Kunden exakt und auf ihn personalisiert offen gelegt werden.41 Dies kann anders als bislang nach § 31 Abs. 3 WpHG nicht in standardisierter Form erfolgen, da Art. 24 Abs. 9 MiFID II einen solchen Zusatz nicht vorsieht.42 Zusätzlich veröffentlicht ESMA zwei Tabellen in Annex 2.14.1 in der sie alle Kostenpositionen für die Wertpapierdienstleistung (Tabelle 1) und alle Kostenpositionen für das Finanzinstrument (Tabelle 2) darstellt. In beiden differenziert sie jeweils zwischen Kosten, die dem Kunden durch die Wertpapierleistung entstehen und solchen, die durch bzw. im Finanzinstrument entstehen.43 d) Darstellung Zur Darstellung der Kosten äußert sich auch ESMA nicht explizit. Durch die Ausgabe der Tabelle kann diese jedoch als Darstellungsmuster angesehen werden. Andererseits erklärt ESMA ausdrücklich, dass die Höchstwerte und Schwankungen 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43

ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 124, Nr. 18. ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 125, Annex 2.14.1. ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 119, Nr. 25; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 103. ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 119, Nr. 25 f. Ausf. Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1162. ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 123, TA Nr. 11; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 104. ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 115, Nr. 15 f.; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 104. ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 123, TA Nr. 11; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 104. Vgl. Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1162. Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 105.

A. Europäische Regelungen

187

dargestellt werden müssen sowie eine Erklärung des Dargestellten erfolgen muss, was eine graphische Darstellung nahelegt.44 Allerdings bleibt auch die Möglichkeit der Textform offen.45 Aus der Darstellung muss sich jedoch die Auswirkung der kumulativen Kosten auf die Rendite ergeben, Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. c) MiFID II. ESMA greift auch die von Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. c) MiFID II geforderte Zusammenfassung für beide Informationspflichten auf, indem diese Kosten als Betrag und als Prozentsatz dargestellt werden müssen.46 Ob ausschließlich die Kosten für die Wertpapierdienstleistung und daneben die Kosten für das Finanzprodukt zusammengefasst werden sollen, oder ob diese beiden Endergebnisse ebenfalls kumuliert werden müssen, lässt ESMA offen.47 e) Opt-Out-Regelungen ESMA unterstreicht, dass Art. 24 Abs. 4 MiFID II explizit auch professionelle Kunden und geeignete Gegenparteien erfasst.48 Allerdings erweitert ESMA diese Vorgaben, indem sie in einem engen Rahmen eine Opt-Out-Regelung für beide Anlegergruppen vorschlägt.49 Eine solche Regelung müsste vertraglich vereinbart werden, ist jedoch für professionelle Kunden grds. für den Fall der Anlageberatung ausgeschlossen, oder wenn das Finanzinstrument in ein Derivat eingebettet ist.50 Letztere Ausnahme gilt auch für die geeignete Gegenpartei, wenn diese beabsichtigt ein solches Finanzinstrument an ihre Kunden zu vertreiben.51 Zwar formuliert ESMA ausdrücklich, dass nur ein in ein Derivat eingebettetes Finanzprodukt vorliegen muss, jedoch muss dies aufgrund des ähnlichen Risikos und der ähnlichen Wirkungsweise auch grds. für Derivate gelten.52 Liegen diese Umstände nicht vor, so können die WpDU und professionelle Kunden sowie geeignete Gegenparteien die Kosteninformationspflicht nur teilweise ausschließen.53 Dies ergibt sich aus der Formulierung von ESMA, die von einer limited application spricht.54 Diese Formulierung wird von der Kommission in der MiFID II-DLVO übernommen, indem diese auf eine beschränkte Anwendung abstellt, Art. 50 Abs. 1 MiFID II-DLVO. Wie weitgehend eine Einschränkung statt44 45 46 47

1160. 48 49 50 51 52 53 54

Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 118; s. ESMA, Q&As investor protection, S. 58 f. Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1160; s. ESMA, Q&As investor protection, S. 58 f. Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 114; ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 123 TA Nr. 12. Ausf. dazu Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 106 ff.; Roth/Blessing, WM 2016, 1157, ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 121, Nr. 1. Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 88; Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1160. Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1160. Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1160. Offenlassend Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1160. Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1160; Balzer, ZBB 2016, 226, 230. Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1160.

188

3. Teil: Nachweis der Kosten

finden darf, wird nicht festgelegt. Zugleich muss als Ausgangspunkt der Regelung Art. 24 Abs. 4 MiFID II betrachtet werden. Dieser sieht keine Opt-Out-Möglichkeit vor, sodass ein vollständiger Ausschluss zu weit ginge.55 Daher können nur geringfügige Abweichungen von der Ursprungsregelung vereinbart werden, bspw. in Form von ausgelassenen Kosten oder verkürzter Darstellung. 2. Delegierte Verordnung der Kommission Die MiFID II-DLVO übernimmt alle ESMA Vorschläge in Art. 50, die an dieser Stelle aufgrund ihrer direkten Anwendbarkeit zusammengefasst dargestellt werden sollen. Den Anwendungsbereich statuiert Art. 50 Abs. 5 lit. a) MiFID II-DLVO für Wertpapierfirmen, die den Kunden Finanzinstrumente empfehlen oder anbieten. Die zuvor besprochenen Opt-Out-Regelungen finden sich ohne Änderungen für professionelle Kunden in Art. 50 Abs. 1 UA 1 MiFID II-DLVO und für geeignete Gegenparteien in Art. 50 Abs. 1 UA 3 MiFID II-DLVO. Gem. Art. 50 Abs. 2 MiFID II-DLVO müssen die WpDU im Zusammenhang mit Anhang II der MiFID II-DLVO den Kunden ex-ante und ex-post die Kosten für die Wertpapierdienstleistung und Nebendienstleistung (lit. a)) sowie alle Kosten im Zusammenhang mit der Konzeption und Verwaltung (lit. b)) offen legen. Dabei müssen die Zahlungen Dritter getrennt ausgewiesen und die aggregierten Kosten addiert werden. Dieser Betrag ist sowohl in Prozent als auch in Form eines Geldbetrages darzustellen. Art. 50 Abs. 3 MiFID II-DLVO sieht vor, dass Fremdwährungen zu kennzeichnen sind und mit dem aktuellen Wechselkurs versehen werden müssen. Zusätzlich müssen die daraus resultierenden Kosten angegeben werden. Wurden die Kosten auf ex-ante Basis berechnet, müssen die tatsächlich entstandenen Kosten als Näherungswerte für die zu erwarteten Kosten herangezogen werden, Art. 50 Abs. 8 MiFID II-DLVO. Sind solche nicht bekannt, müssen nachvollziehbare Schätzungen vorgenommen werden. In jedem Fall müssen die ex-ante Annahmen anhand der ex-post Erfahrungen überprüft und ggf. angepasst werden. Art. 50 Abs. 9 MiFID II-DLVO enthält die Verpflichtung zur jährlichen ex-post Information bei fortlaufender Geschäftsbeziehung. Die Kosten müssen für den Kunden individualisiert sein, dürfen aber zusammen mit der regelmäßigen Berichtserstattung erfolgen. Hinsichtlich der Darstellungsweise der Kosten gibt die Kommission in Art. 50 Abs. 10 MiFID II-DLVO vor, dass diese die Wirkung der Gesamt- und Nebenkosten auf die Rendite der Anlage veranschaulicht, die voraussichtlichen Kostenspitzen und -schwankungen anzeigt und eine Beschreibung enthält.

55 I. E. Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1160; Balzer, ZBB 2016, 226, 230; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 114.

B. Nationale Regelungen in Deutschland

189

III. Level-3-Maßnahmen Auch für die Kostentransparenz trifft ESMA in ihren Q&As Klarstellungen zum praktischen Umgang. So müssen WpDU dann die exakten Kosten, ggf. mit Hilfe des Emittenten, berechnen, wenn das Produkt innerhalb eines Jahres gekauft und verkauft wurde.56 Entsprechen die Kosten in etwa dem Jahresdurchschnitt, können die WpDU auf diesen zurückgreifen, anderenfalls müssen sie die besten Anstrengungen unternehmen, die tatsächlichen Kosten zu ermitteln.57 Hinsichtlich der Darstellung der kumulativen Kosten erklärt ESMA ausdrücklich, dass eine Beschreibung in Textform oder Tabelle genügt, sofern die Spitzen und Schwankungen dargestellt werden.58 Dies entspricht der hier zuvor vertretenen Ansicht. Die WpDU sind nach Ansicht von ESMA verpflichtet, dem Kunden, mindestens einmal jährlich, die Gesamtkostenaufstellung zukommen zu lassen. Es steht ihnen jedoch frei, dies häufiger zu tun.59 In einem solchen Fall sollen die jährlichen und die zusätzlichen Aufstellungen hinsichtlich der Berechnung und des Aufbaus vergleichbar sein, um den Kunden nicht zu verwirren.60 Außerdem sollte der Kunde über die zusätzlichen Aufstellungen und deren Bedeutung informiert werden. Erneut gibt ESMA ein tabellarisches Beispiel zur möglichen Darstellung der Kosten, verlangt jedoch – bedauerlicherweise – auch dieses Mal nicht, dass die konkrete Beispieldarstellung übernommen wird.61 Diese ist übersichtlich und böte dem Kunden durch eine einheitliche Darstellung eine bessere Vergleichsmöglichkeit. Allerdings betont ESMA, dass die WpDU dem Kunden die Nachfrage zur Einzelkostenaufstellung so einfach wie möglich machen müssen.62 Eine gute Praxis ist nach Ansicht von ESMA bei der Online-Übermittlung der Gesamtkostenaufstellung, die Nachfrage mittels Hyperlinks zu ermöglichen. Außerdem wäre es eine gute Praxis, den Kunden über sein Recht zur Nachfrage der Einzelkostenaufstellung zusammen mit der Übermittlung der aggregierten Gesamtkostenaufstellung zu informieren.

B. Nationale Regelungen in Deutschland I. Aktuelle Rechtslage im deutschen Recht Dem deutschen Recht sind Offenlegungspflichten nicht unbekannt – an dieser Stelle ist an Art. 19 Abs. 1 MiFID I i.V.m. Art. 26 lit. b) MiFID I-DRL (s. 2. Teil B.I.1.) sowie an § 31d Abs. 1 Nr. 1 WpHG zu erinnern (s. 2. Teil A.II.1.a) und 2. Teil 56 57 58 59 60 61 62

ESMA, Q&As investor protection, S. 58. ESMA, Q&As investor protection, S. 58. ESMA, Q&As investor protection, S. 58 f. ESMA, Q&As investor protection, S. 57. ESMA, Q&As investor protection, S. 57. ESMA, Q&As investor protection, S. 64. ESMA, Q&As investor protection, S. 65.

190

3. Teil: Nachweis der Kosten

B.II.1.).63 In diesem Zusammenhang ist ebenso auf das bereits dargestellte unternehmensinterne Zuwendungsverzeichnis hinzuweisen, welches die Institute gem. § 31d Abs. 1 Nr. 1 WpHG i.V.m. § 14 Abs. 2 Nr. 5 WpDVerOV, konkretisiert durch die MaComp, führen müssen. Somit sind die neuen europäischen Erfordernisse zumindest teilweise schon erfüllt. Gem. § 31 Abs. 3 WpHG sind dem Kunden bereits heute rechtzeitig und in verständlicher Form Informationen über die Risiken und die Art des Finanzinstruments an die Hand zu geben, damit er eine fundierte Anlageentscheidung treffen kann.64 Hierfür muss das WpDU dem Kunden auch die Kosten und Nebenkosten zur Verfügung stellen, § 31 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 WpHG. Dies kann in standardisierter Form geschehen, § 31 Abs. 3 WpHG. Ausschließlich für Privatkunden wird die Kostenaufstellung näher in § 5 Abs. 2 Nr. 5 WpDVerOV geregelt. Hiernach muss dem Privatkunden der Gesamtpreis offen gelegt werden, welchen er im Zusammenhang mit dem Finanzinstrument, der Wertpapierdienstleistung oder der Wertpapiernebendienstleistung zu zahlen hat.65 Dieser muss die Gebühren, Provisionen, Entgelte, Auslagen und durch das WpDU abzuführende Steuern enthalten. Ist die Angabe eines genauen Preises nicht möglich, so muss die Berechnungsgrundlage dargestellt werden, damit der Kunde diese überprüfen kann.66 Provisionen sind in jedem Fall separat aufzuführen.67 Zusätzlich muss die Aufstellung einen Hinweis enthalten, dass dem Kunden weitere Kosten durch die Finanzanlage entstehen können.68 Folglich bestehen bereits auf nationaler Ebene konkrete Vorgaben zur Kostentransparenz, die hinsichtlich der separaten Ausweisung von Zuwendungen, der Offenlegung der Berechnungsgrundlage sowie der Abgabe eines Risikohinweises den europäischen Anforderungen entsprechen. Diese brachten jedoch bislang nicht den gewünschten Erfolg. Künftig müssen die nationalen Vorschriften auch auf geeignete Gegenparteien und professionelle Kunden ausgeweitet werden. Eine positive Veränderung aus dieser Ausweitung lässt sich hinsichtlich der Aufhebung des Interessenkonflikts noch nicht erahnen. Neu sind die konkreten europäischen Vorgaben zu der genauen Auflistung, welche Kosten dargestellt werden müssen und die standardisierte Offenlegung mittels Preisverzeichnis ausschließt.69 Die Möglichkeit des Kunden eine Einzelaufstellung zu verlangen ist in diesem Zusammenhang ebenfalls neu. Diese kann, sofern der Anleger sie nutzt, zu einem für ihn positiven Erkenntnisgewinn führen. Auch noch nicht auf nationaler Ebene verankert ist die Überprüfung der Kalkulationsgrundlage aufgrund aktueller Zahlen, wenn der genaue 63

Ausf. Harnos, BKR 2014, 1 f. Vgl. statt vieler Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 150 f.; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 170 f. 65 Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 371. 66 Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 371, 373. 67 Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 371, 373. 68 Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 372. 69 Vgl. Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1162. 64

B. Nationale Regelungen in Deutschland

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Preis im Vorfeld nur als voraussichtliche Berechnung angegeben werden konnte.70 Die entscheidendste Änderung ist die nachträgliche Pflicht des WpDU, die tatsächlich entstandenen Kosten dem Kunden bei Unterhaltung einer laufenden Vertragsbeziehung offen zu legen.71

II. Umsetzung der MiFID II-Vorgaben Die neuen Regelungen werden in § 63 Abs. 7 WpHG-E RegE 2. FiMaNoG72 umgesetzt. Nicht nur die Verortung der Regelung, auch dessen Inhalt hat sich stetig gewandelt. Während der Gesetzgeber noch im RefE 1. FiMaNoG den WpDU eine jährliche Informationspflicht über die tatsächlich entstandenen Kosten auferlegen wollte, ohne dass eine laufende Geschäftsbeziehung bestand, korrigierte er dies bereits im RefE 2. FiMaNoG und passte in dieser Hinsicht die vielfach kritisierte nationale Regelung an die endgültige europäische Vorgabe an.73 In Abs. 7 des § 63 WpHG-E spiegelt sich nun die Trennung auf europäischer Ebene zwischen den Kosten der Dienstleitung (Nr. 2 lit. a)) und den Kosten des Finanzprodukts (Nr. 2 lit. b)) wider. Gem. Abs. 7 Nr. 2 lit. c) WpHG-E sind dem Kunden etwaige Zahlungsmöglichkeiten einschließlich solcher durch Dritte offenzulegen. Hier bleibt – zumindest demjenigen, der die Regelung von ESMA nicht vor Augen hat – unklar, dass damit nach dem europäischen Text wohl „[…] Zahlungsmöglichkeiten des Kunden sowie etwaiger Zahlungen durch Dritte […]“,74 mithin der separate Ausweis von Zuwendungen gemeint sein soll.75 Die Informationen müssen dem Kunden insgesamt rechtzeitig übermittelt werden, § 63 Abs. 7 S. 1 WpHG-E. Mit dieser Formulierung knüpft der Regierungsvorschlag direkt an die Terminologie des Art. 46 Abs. 2 i.V.m. Art. 50 MiFID II-DLVO an. Dies beinhaltet jedenfalls den Zeitpunkt vor dem Vertragsschluss, bzw. geht über diesen hinaus, da der Kunde die Aufstellung noch in seine Entscheidung zum Vertragsschluss mit einbeziehen soll.76 Ebenfalls nimmt der deutsche Gesetzgeber, wie auf europäischer Ebene vorgesehen, die Kosten von der Nachweispflicht aus, die durch das Marktrisiko entstehen. Indem der Gesetzgeber den Bezug zur MiFID II-DLVO herstellt, ist auch für das deutsche Recht dieser Begriff, wie oben bereits zu ESMA dargestellt, eng auszu70

Roth/Blessing, WM 2016, 1152, 1162. Vgl. Roth/Blessing, WM 2016, 1152, 1162. 72 § 57 Abs. 6 WpHG-E RefE 1. FiMaNoG; § 57 Abs. 6 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG. 73 Balzer, ZBB 2016, 226, 230; Klee, MiFID II: Auswirkungen der geänderten Behandlung von Zuwendungen, 47 f.; DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 2. 74 Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. c) MiFID II. 75 DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 16; dies., Stellungnahme öffentliche Anhörung des Finanzausschusses zum 2. FiMaNoG, S. 15. 76 Vgl. Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/11290, S. 3 f., der den Zeitpunkt der Aushändigung der Kostenaufstellung auf „vor Vertragsschluss“ konkretisieren wollte sowie die entsprechende Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 18/11290, S. 16 f. 71

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3. Teil: Nachweis der Kosten

legen. Entsprechend der europäischen Vorgaben, führt der deutsche Gesetzgeber auch die Pflicht zur Einzelaufstellung auf Nachfrage des Kunden ein, § 63 Abs. 7 S. 5 WpHG-E. Aus dieser kann der Anleger die Brutto und Nettotarife ablesen und einen Vergleich zu den Tarifen der Honorarberatung herstellen.77 Eine Verpflichtung explizit Nettotarife auszuweisen, so wie dies der Bundesrat zunächst gefordert hat,78 findet sich so auf europäischer Ebene nicht und wurde deshalb seitens der Bundesregierung abgelehnt.79 Ein direkter Ausweis wäre auf den ersten Blick transparenter, jedoch ergibt sich ein solcher ohnehin durch die Beschäftigung mit der Kostenaufstellung.80 Die Umsetzungsvorschriften konnten hier insgesamt kurz ausfallen, da die Level-2-Maßnahmen in Form der Verordnung erlassen wurden und direkt Anwendung finden. Im Rahmen der Kostentransparenz lässt der deutsche Gesetzgeber ebenfalls unberücksichtigt, dass der Kunde aus der Kosteninformation ohne Wissen um Alternativen keine Rückschlüsse ziehen kann und damit die Kosten als gegeben hinnimmt. Vielen Anlegern ist die Möglichkeit der Honorar-Anlageberatung nicht bekannt. Hier wäre es, wie zuvor dargestellt, nützlich, dem Kunden seitens des Gesetzgeber objektiv die Vor- und Nachteile beider Beratungsformen darzustellen (s. 2. Teil A.II.2.c)cc)). Auch wäre es wünschenswert gewesen, wenn sehr genaue Vorgaben in standardisierter Form, zur kundengerechten Darstellung der Kosten erlassen worden wären, bspw. durch die verbindliche Übernahme von ESMAs Anschauungstabelle. Nur so kann eine verschleierte bzw. derart komplexe Aufstellung der Kosten, die der Kunde nur noch mit Expertenhilfe lesen und verstehen kann, vermieden werden. Die Kostenaufstellung sollte deshalb verbindlich so ausgestaltet sein, dass der Kunde auf einen Blick erkennt, welche Kosten für ihn entstehen und wie diese seine Rendite beeinflussen. Der Finanzausschuss hat in seiner Beschlussvorlage, die durch den Bundesrat und Bundestag beschlossen und veröffentlicht wurde, nur eine kleine Änderung des § 63 Abs. 7 WpHG-E hinsichtlich der Informationspflicht für zertifizierte Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen im Sinne des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes vorgenommen. Da der Bundestag und der Bundesrat die Beschlussempfehlung angenommen haben und das Gesetz am 23. 07. 2017 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde, verpasst es der Gesetzgeber, die hier aufgezeigten Probleme auszubessern.

77 Vgl. DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 24, zur Diskussion um das Festpreisgeschäft als Zuwendung. 78 Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/11290, S. 3 f. Sich diesem Vorschlag anschließend DSW, Stellungnahme zum 2. FiMaNoG, S. 7 ff. 79 Stellungnahme Bundesregierung, BT-Drs. 18/11290, S. 24 f. 80 BVI, Stellungnahme in der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zum 2. FiMaNoG, S. 4.

C. Fazit zu dem Nachweis der Kosten

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C. Fazit zu dem Nachweis der Kosten Zusammenfassend zeigt sich, dass durch die neuen Regelungen in Art. 24 Abs. 4 MiFID II, Art. 50 MiFID II-DLVO und § 63 WpHG des 2. FiMaNoG eine Verschärfung der existierenden Pflichten stattfindet, indem regelmäßig über sämtliche Kosten für alle Kundenkategorien sowohl in Euro als auch in Prozent berichtet werden muss, anstatt nur über den Erhalt von Zuwendungen, Kosten und Nebenkosten. Dies muss nicht nur vor der Anlageentscheidung, sondern bei dauerhafter Geschäftsbeziehung auch mindestens einmal jährlich geschehen. Zu begrüßen ist, dass dem WpDU keine generelle dem Beratungsvertrag nachgelagerte Informationspflicht auferlegt wird, sondern eine solche nur bei laufenden Geschäftsbeziehungen eingreifen soll. So wird auch ein Gleichlauf mit der Zivilrechtsprechung hergestellt, da der BGH nachvertragliche Verpflichtung aus dem Beratungsvertrag bislang abgelehnt hat.81 Allgemein zeigt sich, dass die Offenlegungspflichten im Zusammenhang mit den verstärkten Zuwendungsregelungen letztlich dazu führen sollen, sich dem Modell der Honorar-Anlageberatung anzunähern.82 Denn durch die konkrete und ggf. regelmäßige Offenlegung zeigen sich die sonst teilweise nicht wahrgenommenen Zuwendungen deutlich. Auf diese Weise wird eine weitere Verdeutlichung des durch die Zuwendungen entstehenden Interessenkonflikts des Beraters vorgenommen. Die Einführung der Honorar-Anlageberatung erfolgte auf nationaler Ebene in Form von verschärften Regelungen, ohne Bekanntmachung in der Bevölkerung und damit nur halbherzig. Im Zusammenspiel mit der neuen Kostentransparenz relativiert sich dies. Dem Kunden müssen 2018 erstmals der volle Betrag, der mit dem Finanzprodukt zusammenhängenden Kosten, sowohl in Prozent, als auch in Euro offen gelegt werden. 2019 erfolgt sodann erstmals ex-post die Offenlegung der im Jahr 2018 tatsächlich entstandenen Kosten. Sicherlich wird auch diese Offenlegung nicht alle Anleger erreichen. Jedoch werden einige überrascht sein, wie hoch die Kosten auf das Jahr und in Euro gerechnet tatsächlich waren.83 Er kann somit entsprechend den Erwägungsgründen der MiFID II eine informiertere Anlageentscheidung treffen. Diejenigen, die daraufhin die Einzelaufstellung anfordern, sehen sämtliche Kosten, deren genaue Höhe sowie Entgelte, die auf ihr Produkt und damit auf ihren Gewinn eingewirkt haben. Dabei können je nach Anlage mehrere tausend Euro zusammenkommen. Hier stellt sich dem Anleger dann durchaus die Frage, wie sich dies vermeiden ließe in Form von Alternativen und sodann, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre eine vermeintlich teure Beratungsstunde in Anspruch zu nehmen.

81 82 83

BGHZ 162, 306 = BKR 2005, 236, 237 f. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 102; Grigoleit, ZHR 177 (2013), 264. Lenarz, Interview v. 17. 10. 2016.

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3. Teil: Nachweis der Kosten

Auch bislang haben die Banken eine Kostenaufklärung vorgenommen. Allerdings bestand diese in der Aushändigung von allgemeinen Preisverzeichnissen,84 die die Kosten standardisiert und überwiegend in Prozent angeben. Folglich liegt der Unterschied zur künftigen Handhabung darin, dass der Anleger erstmals den exakten Preis in Euro sieht, den er persönlich bereits bezahlt hat. Dies hat eine bedeutend stärkere Wirkung, als die Aussage, dass 0,7 Prozent seines Anlagebetrags bspw. für die Verwaltung abgezogen werden. Auch der bisherige, harmlos wirkende Verweis, dass pro Transaktion eine Mindestprovision in Höhe von zwei Euro anfällt, konkretisiert sich in der Jahresgesamtaufstellung zu einer konkreten Summe. Demnach „hinkt“ auch der Vergleich, dass eine solche Wirkung bereits mit der Einführung der Zuwendungsverzeichnisse bzw. mit der bestehenden Kostentransparenz entstehen sollte.85 Eine nachträgliche Offenlegung in Euro erfolgte nämlich nicht. Zwar obliegt es dem Anleger als mündigem Verbraucher, die Kosten seiner Investitionsentscheidung eigenständig im Blick zu haben, jedoch ist dies bei allen anderen Dienstleistungen durch eine Kostenaufstellung im Vorhinein exakt und auch in Einzelpositionen mit entsprechendem Eurobetrag möglich – so bspw. bei einem Kostenvoranschlag. Allerdings wird richtigerweise in keinem anderen Sektor von den Akteuren verlangt die Gewinnmarge offenzulegen.86 So ist es letztlich das Verhandlungsgeschick eines jeden Einzelnen wie hoch seine Gewinnmarge bei Vertragsabschluss ausfällt. Der Veräußerer und Eigentümer eines Gegenstandes kann aus seinem Eigentumsrecht heraus nach seinem Interesse eigenständig festlegen, für welchen Preis er bereit ist, sein Eigentum an einen Dritten zu übertragen. Dies kann sowohl über als auch unter dem objektiven Wert der Sache liegen oder dem Wert, den er bei Eigentumserwerb bereit war dafür auszugeben. Der Interessent entscheidet für sich, ob ihm die Preisvorstellung zusagt. Dies kann unabhängig der möglichen vom Veräußerer angestrebten Gewinnmarge geschehen, da diese am endgültigen Veräußerungspreis nichts verändert. Darüber hinaus wissen grds. beiden Vertragsparteien, dass jeder einen Vertrag nur dann abschließt, wenn er für ihn vorteilig ist. Diese Überlegungen greifen jedoch künftig durch die nachträgliche Einzelaufstellung nicht mehr für die Gewinnmarge im Bankensektor. Langfristig ist sogar zu erwarten, dass die Offenlegungsvorschriften kontinuierlich verschärft werden. Wurde die Offenlegung der Einzelaufstellung zunächst nur auf Nachfrage eingeführt, so ist der nächste Schritt, diese verpflichtend an den Kunden auszuhändigen. Schließlich müssen die WpDU ohnehin entsprechende Systeme vorhalten, um eine personalisierte Gesamtkostenaufstellung zu erstellen. Auch in dem neuen Verfahren der Kostentransparenz besteht die Gefahr des information overloads. Allerdings erhält der Kunde diese Information einmal jährlich personalisiert in Euro berechnet und unabhängig von der Beratung, sodass diese 84

Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 151. s. Bergmann/Hertel, Interview v. 13. 10. 2016 zur Kenntnis über Zuwendungen aufgrund des Verzeichnisses. 86 Michels/Backes, Interview v. 15. 11. 2017. 85

C. Fazit zu dem Nachweis der Kosten

195

einen anderen Effekt entfalten kann als eine zusätzliche Information im Beratungsgespräch. Durch die Einführung der Honorar-Anlageberatung auf der einen und der Kostentransparenz auf der anderen Seite wird eine allmähliche Marktumstellung eingeleitet. Durch die transparente Ausgestaltung kann der Kunde nicht nur die Performance der Anbieter vergleichen, sondern auch explizit deren Kosten.87 Dadurch kann ein neuer Wettbewerbsaspekt begründet werden. Dieser lässt sich derzeit bereits durch die Einführung der zuvor beschrieben neuen Preismodelle bzw. Depots, die zwar nicht die Honorar-Anlageberatungsregeln erfüllen aber diesen vom Prinzip her angenähert sind, beobachten. Durch die Kostentransparenz der MiFID II, müssen auch in diesen Modellen dem Kunden personalisiert die Zuwendungen herausgefiltert und veranschaulicht werden, sodass eine Umstellung auf deren Ausschüttung technisch sicherlich möglich wäre. Einige Banken schütten diese bereits heute aus.88 Von den Unterschieden der zuvor dargestellten Beratungsarten blieben nur noch die Recherchearten und -verfahren mit hauseigenen Produkten übrig, sodass die Trennlinie zwischen Honorar-Anlageberatung und den weiteren Modellen allmählich verschwindet. Ein solcher Wettbewerb ist grds. zu befürworten, sofern er nicht in einen ruinösen Preiswettbewerb ausufert.89 Der Kunde kann sich eigenständig orientieren, indem ihm transparent verschiedene Modelle zur Verfügung stehen. Aufgrund dessen kann er ein passendes Angebot heraussuchen, ohne dass es eines Eingriffs in den Markt mittels Verbot bedürfte. Auch die WpDU können sich langsam und kundenorientiert umstellen. Indem jedoch alternative Preismodelle aufgrund der Kostentransparenz an Zuwachs gewinnen und diese zugleich nicht die hohen Hürden der Honorar-Anlageberatung erbringen müssen, wird die Honorar-Anlageberatung auch in Zukunft nicht an Bedeutung gewinnen. Daher wird sie sich auch nicht weiter etablieren.

87 88

2017. 89

s. Lenarz, Interview v. 17. 10. 2016. So bspw. die comdirekt bank AG, die Consorsbank; vgl. auch Adam, Interview v. 24. 01. Lenarz, Interview v. 17. 10. 2016.

4. Teil

Bessere Beratungsqualität durch neue Vorgaben für Anlageberater Der europäische Gesetzgeber setzt auch bei der Schlüsselfigur der Interessenkonflikte – dem Anlageberater – an, um sein Ziel, den Anlegerschutz zu verbessern, zu erreichen. Durch die Erhöhung der Qualitätsanforderungen und durch die Regulierung der Beratervergütung sollen Fehlerquellen in der über den Berater entstehenden Verbindung zwischen Finanzinstitut und Kunden verringert werden. Zugleich soll die Beratungsqualität durch regelmäßige Schulungen des Beraters gesteigert werden. Diese Neuerungen sollen im Folgenden betrachtet und in Bezug zu den bereits vorhandenen deutschen Regelungen gesetzt werden.

A. Sachkundenachweis I. Europäische Regelung 1. Die Sachkunderegelung der MiFID II Art. 25 Abs. 1 MiFID II führt eine neue Rechenschaftspflicht für WpDU ein. Diese müssen, sofern es die Aufsichtsbehörde verlangt, darlegen, dass ihre in der Anlageberatung sowie zum Zweck der Informationsweitergabe beschäftigten Mitarbeiter die dafür jeweils benötigte Fachkenntnis aufweisen.1 Sie müssen vor allem die Vertriebsanforderungen erfüllen können.2 Ergänzend schreibt Art. 24 Abs. 2 MiFID II vor, dass ein WpDU bzw. der von ihm eingesetzte Berater, die angebotenen oder empfohlenen Anlagen verstehen muss. Um diese Kenntnis überhaupt zu ermöglichen, findet sich in Art. 16 Abs. 3 UA 6 MiFID II die flankierende Vorschrift, dass die WpDU, die nicht eigenständig Produkte auflegen, entsprechende Vorkehrungen treffen müssen, um die notwendigen Informationen zu erhalten (s. dazu 8. Teil). Zusätzlich müssen die WpDU gem. Art. 16 Abs. 2 MiFID II angemessene Strategien und Verfahren vorsehen, die ausreichen, um sicherzustellen, dass die Firma, deren Leitung und die Mitarbeiter die Regelungen der MiFID II einhalten. 1 2

s. dazu Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 82a f. Kurz, DB 2014, 1182, 1185; Möllers/Poppele, ZGR 2013, 437, 471.

A. Sachkundenachweis

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Obwohl es sich bei diesen Regelungen grds. um eine Selbstverständlichkeit handelt, war es dem europäischen Gesetzgeber ein Anliegen, eine solche Regelung ausdrücklich zu formulieren.3 Die während der Finanzmarktkrise vertriebenen Finanzprodukte waren derart komplex strukturiert, dass selbst den Anlageberatern ihre Funktion und die damit einhergehenden Risiken nicht vollständig verständlich waren.4 Mithin war die Beratungsqualität zu diesem Zeitpunkt deutlich herabgesetzt.

2. Konkretisierte Anforderungen in den delegierten Rechtsakten Die MiFID II-DLVO hält sich aufgrund der Beauftragung von ESMA zur Erstellung von Leitlinien zurück und stellt in Art. 21 Abs. 1 lit. d) MiFID II-DLVO nur fest, dass WpDU ausschließlich Mitarbeiter beschäftigen dürfen, die über die Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, die zur Erfüllung der ihnen zugewiesenen Aufgaben erforderlich sind. Damit übernimmt Art. 21 Abs. 1 lit. d) MiFID II-DLVO die Anforderung des Art. 5 Abs. 1 lit. d) MiFID I-DRL. Die Erfahrungen, Kenntnisse und Fähigkeiten werden durch ESMAs Richtlinien als Level-3-Maßnahme weitergehend konkretisiert (s. hierzu 4. Teil A.I.3.). Hier ist jedoch anzumerken, dass diese keine Rechtsverbindlichkeit besitzen.5 Allerdings können die Leitlinien als sekundäre Rechtsquellen angesehen werden.6 Art. 26 MiFID II-DLVO konkretisiert die Anforderung des Art. 16 Abs. 2 MiFID II und führt ein Beschwerdemanagement ein. Damit übernimmt Art. 26 Abs. 1 MiFID II-DLVO zunächst Art. 10 MiFID I-DRL und fügt diesem eine Bandbreite an Konkretisierungen hinzu. Nach diesem müssen die WpDU eindeutige, aktuelle und genaue Regelungen für den Umgang mit Beschwerden einführen, die sicherstellen, dass diese unverzüglich bearbeitet werden und vor allem der Eingang aufgezeichnet und Lösungsmaßnahmen ergriffen wurden.7 Diese Regelungen müssen von dem WpDU veröffentlicht werden. Auf Verlangen oder mit Bestätigung der Beschwerde müssen diese zusätzlich dem Kunden zur Verfügung gestellt werden.8 Dabei muss die Möglichkeit eine Beschwerde einzureichen grds. kostenlos sein. Das für die Bearbeitung der Beschwerde zuständige und dafür einzurichtende Beschwerdemanagement9 muss eindeutig und in verständlicher Sprache mit dem Kunden kommunizieren10 sowie diesem den Standpunkt des WpDU zur Beschwerde mitteilen.11 Gleichzeitig muss es den Kunden auf die Möglichkeit der alternativen 3

Kurz, DB 2014, 1182, 1185. Kurz, DB 2014, 1182, 1185. 5 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 5 6 Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 16. 7 Art. 26 Abs. 1 MiFID II-DLVO. 8 Art. 26 Abs. 2 MiFID II-DLVO. 9 Art. 26 Abs. 3 MiFID II-DLVO. 10 Art. 26 Abs. 4 MiFID II-DLVO. 11 Art. 26 Abs. 5 MiFID II-DLVO. 4

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4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

Streitbeilegung nach Art. 14 lit. h) Richtlinie 2013/11/EU bzw. auf die Möglichkeit der zivilrechtlichen Klage hinweisen. Die Compliance-Abteilung, die auch die Beschwerdemanagementfunktion übernehmen kann, überprüft die Bearbeitung der Beschwerden dahingehend, ob alle Risiken und Probleme ermittelt und behoben wurden.12 Die WpDU sind zudem verpflichtet, die Beschwerden an die zuständige Behörde und, wenn nach nationalem Recht vorgesehen, auch an die Stelle zur alternativen Streitbeilegung weiterzuleiten bzw. über deren Abwicklung zu informieren.13 3. ESMAs Sachkundeleitlinien als Level-3-Maßnahme ESMA hat für diese Anforderungen Konkretisierungen in Form von Leitlinien namens „Kriterien der Beurteilung der Kenntnisse und Kompetenzen“ erarbeitet.14 Dabei stellen diese nach Ansicht von ESMA lediglich Mindeststandards dar, die durch die zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden erweitert werden können.15 Dem strengen Consultation Paper,16 welches nicht zuletzt die deutschen Finanzinstitute wachrüttelte – da diese bis zu diesem Zeitpunkt kaum Veränderungen der bereits seit vier Jahren geltenden, strengen nationalen Anforderungen erwarteten –, folgte der abgemilderte Final Report.17 Dieser enthält dennoch einige, auch für die deutschen WpDU und die BaFin, neue Regelungen. a) Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich ist neben dem Anlageberater auf Personen, die dem Kunden Informationen im Zusammenhang mit Dienstleistungen18 vermitteln, erweitert, sodass künftig auch Mitarbeiter von Vermögensverwaltungsinstituten, die Finanzportfoliodienstleistungen anbieten und Kunden betreuen, erfasst sind.19 12 13 14 15

Nr. 7. 16

Art. 25 Abs. 7 MiFID II-DLVO. Art. 25 Abs. 6 MiFID II-DLVO. s. Ermächtigung in Art. 25 Abs. 9 MiFID II. ESMA, Final Report – Guidelines for the assessment of knowledge and competence, III

ESMA, Consultation Paper – Draft guidelines for the assessment of knowledge and competence. 17 ESMA, Final Report – Guidelines for the assessment of knowledge and competence. Die Leitlinien des Final Reports wurden am 22. 03. 2016 in allen Sprachen der Mitgliedstaaten veröffentlicht. Die deutsche Version der Leitlinien wird wie folgt zitiert: ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen. 18 I.S.d. Anhang I Abschnitt A und B der MiFID II. 19 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, II Nr. 4 lit. d), e.) ESMA stellt hier jedoch im Anhang zur Abgrenzung von Informationsweitergebenden und nicht erfassten Mitarbeitern konkrete Beispiele zur Verfügung, ESMA, Final Report – Guidelines for the assessment of knowledge and competence, Annex V, S. 26 Nr. 50. So sind bspw.

A. Sachkundenachweis

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Die Abgrenzung ist insofern bedeutend, da den Anlageberater strengere Anforderungen an Niveau und Ausmaß treffen als den informationsweitergebenden Mitarbeiter.20 Die zu dieser Differenzierung eingegangene Kritik, dass es keinen höheren Standard für die Berater brauche, sondern beide Personengruppen für ihre jeweilige Tätigkeit entsprechend qualifiziert sein müssen,21 ist zwar grds. richtig, jedoch übersieht sie, dass die Anlageberatung ein mehr an Informationsweitergabe durch die zusätzliche Empfehlung ist und ESMA dies durch die höheren Anforderungen ausdrückt. b) Allgemeine Regelungen: Kenntnisse und Kompetenzen Die Firmen sollen sicherstellen, dass die Mitarbeiter über notwendige Kenntnisse und Kompetenzen verfügen, um die regulatorischen und rechtlichen Anforderungen sowie die geschäftsethischen Standards einzuhalten.22 Zugleich sollen sie gewährleisten, dass die Mitarbeiter die Firmenpolitik sowie interne Verfahren zur Einhaltung der MiFID II kennen und anwenden.23 Nach Ansicht von ESMA sind „angemessene Qualifikationen“ solche, die durch sonstige Prüfungen oder Schulungen nach den in den Leitlinien niedergelegten Kriterien erworben werden können.24 Außerdem fasst ESMA hierunter Erfahrungen, die zur Erfüllung der Aufgaben notwendig sind, um die einschlägigen Dienstleistungen zu erbringen.25 Die Definition der angemessenen Erfahrung hat im Final Report, im Vergleich zum Consultation Paper, richtigerweise eine deutliche Entschärfung erfahren. Eine angemessene Erfahrung liegt vor, wenn der Mitarbeiter aufgrund seiner vorherigen Tätigkeit nachweisen kann, dass er in der Lage ist, die einschlägige Dienstleistung zu erbringen. Die Tätigkeit muss jedoch nur noch über einen Zeitraum von sechs Monaten in einem vollzeitäquivalenten Modell ausgeübt worden sein. Damit reagiert ESMA auf die berechtigte Kritik, dass ihre Forderung einer fünfjährigen durchgehenden Vollzeitbeschäftigung innerhalb der gleichen Firma überzogen und zugleich diskriminierend ist, da durch eine solche Formulierung Anlageberaterinnern, die in Mutterschaftsurlaub gehen, oder schwer erkrankte Mitarbeiter ausgeschlossen

Rezeptionisten, die lediglich Informationsmaterial an den Kunden weitergeben ohne dessen Inhalt zu erläutern vom Anwendungsbereich ausgeschlossen. 20 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, VI Nr. 13. 21 ESMA, Final Report – Guidelines for the assessment of knowledge and competence, Annex V, S. 25 Nr. 47. 22 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, VI Nr. 14. 23 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, VI Nr. 15. 24 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, II Nr. 4 lit. g). 25 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, II Nr. 4 lit. f).

200

4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

werden.26 Zugleich besteht keine Notwendigkeit die Erfahrung in einer Firma zu sammeln; vielmehr sind unterschiedliche Modelle für das Fachwissen des einzelnen Beraters durchaus förderlich.27 Ebenso geht einmal gewonnene Erfahrung nicht durch eine längere Pause grds. verloren.28 Sie mag verblassen, frischt aber mit Wiedereinstieg auf. Auch die Zeitspanne von fünf Jahren wurde richtigerweise von ESMA auf sechs Monate gesenkt, da Erfahrung nicht die einzige Qualifikationsmöglichkeit ist und diese bspw. durch besondere Abschlüsse ausgeglichen werden kann. Hier sind künftig die nationalen Aufsichtsbehörden gehalten, Kriterien festzulegen. c) Jährliche Review Neben der Erstellung unternehmensinterner Leitlinien zur Gewährleistung der Mitarbeiterqualifikation – sowohl hinsichtlich der Gewährleistung, dass die erforderlichen Qualifikationen vorhanden sind, als auch hinsichtlich einer genauen Positionsbeschreibung und dem entsprechenden Qualifikationsniveau29 – müssen die WpDU mindestens einmal jährlich eine interne und externe Überprüfung der Erfahrungen und des Weiterbildungsbedarfs ihrer Mitarbeiter durchführen. Hiermit soll die Kompetenz gewährleistet und zugleich regulatorische Änderungen an die Mitarbeiter weitergegeben werden.30 Die grundlegende Idee, dass der Berater nicht nur einmalig zu Beginn seiner Tätigkeit entsprechend qualifiziert ist, sondern sich aufgrund der Schnelllebigkeit des Finanzmarkts weiterbilden muss, um diese Qualifikation aufrecht zu erhalten, ist der richtige Ansatz. Positiv zu bewerten ist auch, dass ESMA dies als eine interne Regelung ausgestalten will, indem sie den WpDU die Prüfung überlässt und keine Nachweise für die einzelnen Berater an die jeweilige Aufsichtsbehörde verlangt. Allerdings hätte es zur Qualifikationskontrolle keiner solch starren Regelung bedurft. Für die deutschen WpDU ist die Sachkunde der Berater essentiell. Wird ein Kunde aufgrund mangelnder Kenntnisse des Beraters falsch beraten, so begründet dies zugleich eine zivilrechtliche Haftung aus dem Beratungsvertrag.31 Diese ist 26 ESMA, Final Report – Guidelines for the assessment of knowledge and competence, Annex V Nr. 38 f.; Deutsche Bank, Response to EMSA CP, S. 2, 43; so verweist schon Baur, in: J/V/R/B, WpHG, § 34d Rn. 5 zur alten Hasen Regelung des § 4 S. 3 WpHGMaAnzV darauf, dass die Regelung hinsichtlich der Unterbrechung im Einklang mit den grds. Wertungen der Rechtsordnung auszulegen ist. 27 BVI, Position Paper v. 08. 07. 2015, S. 2; German Banking Industry Committee, Responding to this Paper (ESMA/2015/573), S. 2. 28 BVI, Position Paper v. 08. 07. 2015; S. 1 f. 29 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.IV Nr. 19, Nr. 20 lit. a). 30 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.IV Nr. 20 lit. b). 31 Jäger, Interview v. 24. 10. 2016.

A. Sachkundenachweis

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regelmäßig „schmerzlicher“ für das Unternehmen als die vorgesehene Geldbuße der Ordnungswidrigkeit.32 Zugleich ist die Beratungsqualität ein Abgrenzungsmerkmal auf dem mit hoher Beraterdichte ausgestatteten deutschen Markt.33 Nicht zuletzt wird gerade in Deutschland sehr oft die Beratungsqualität medial geprüft. Werden Fälle bekannt, in denen Falschberatungen aufgrund mangelnder Qualifikation durchgeführt wurden, erleidet das Unternehmen einen spürbaren Reputationsschaden. Mithin hat das Unternehmen ein bedeutendes Eigeninteresse, aufgrund der zivilrechtlichen und der „Reputationshaftung“.34 d) Mitarbeiter ohne hinreichende Qualifikation Erfüllt ein Mitarbeiter ESMAs Qualifikationsanforderungen nicht, so darf dieser die Dienstleistung für maximal vier Jahre nur unter Aufsicht erbringen.35 Die Aufsicht kann nur ein Mitarbeiter ausführen, der sowohl über die angemessene Erfahrung als auch über die angemessene Qualifikation verfügt und zugleich die gleiche Verantwortung wie in der eigenen Beratungssituation trägt.36 Einer ununterbrochenen Aufsicht, wie noch im Consultation Paper gefordert, bedarf es nun richtigerweise nicht mehr. Vielmehr muss diese an die bisher erlangte Qualifikation und Erfahrung des nicht im Sinne der Leitlinien qualifizierten Mitarbeiters angepasst sein.37 Dies ist zu begrüßen, denn anderenfalls wäre die Aufsicht einer rundum Betreuung gleichgekommen, die für die Unternehmen keinen Mehrnutzen gehabt hätte, da sie so zwei Berater auf einer Position gebunden hätten. Auf diesem Wege können nun die erforderlichen Qualifikationen und Erfahrungen im Unternehmen gewonnen werden. Indem die Aufsichtsperson gleich haftet, ist gewährleistet, dass diese keine Aufsicht auf dem Papier durchführt, sondern eine der Situation angemessene. e) Spezielle Anforderungen an den einzelnen Anlageberater Einen entsprechend qualifizierten Berater zu finden, ist jedoch nach den ESMALeitlinien künftig nicht mehr ohne Weiteres möglich, denn dieser muss eine Fülle an Voraussetzungen nachweisen, die nicht alle auf die Anlageberatung zugeschnitten sind.

32

Jäger, Interview v. 24. 10. 2016. Jäger, Interview v. 24. 10. 2016. 34 Jäger, Interview v. 24. 10. 2016. 35 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.IV Nr. 20 lit. d), h). 36 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.IV Nr. 19, Nr. 20 lit. e), f). 37 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.IV Nr. 20 lit. d); zuvor ESMA, Consultation Paper – Draft guidelines for the assessment of knowledge and competence, V.V Nr. 25 lit. h); BVI, Position Paper v. 08. 07. 2015, S. 4. 33

202

4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

Selbstverständlich ist es, dass der Berater die wesentlichen Merkmale und Risiken der angebotenen und empfohlenen Produkte kennt und bei großen und komplexen Produkten besonders sorgfältig handelt.38 Dass er jedoch Kenntnisse zu allgemeinen steuerlichen Auswirkungen der Produkte und in Zusammenhang mit Geschäften aufweisen soll,39 ist angesichts des deutschen Steuersystems eine hohe Hürde. Diese könnte nur aufgebrochen werden, indem ESMA sich hier auf grundlegende Hinweise beschränkt. Bislang ist die steuerrechtliche Beratung in Deutschland den Steuerberatern oder entsprechend spezialisierten Anwälten überlassen und wird nicht durch die Berater angeboten.40 Vielmehr ist es dem einzelnen Bankberater auch nicht erlaubt, eine persönliche steuerliche Beratung für den einzelnen Kunden durchzuführen. Nach Ansicht von ESMA ist dies jedoch nicht zu berücksichtigen, da bereits unter MiFID I auf die mit dem Produkt zusammenhängenden steuerlichen Abläufe hätte hingewiesen werden müssen.41 Enthält das Produkt künftig eine besondere Steuerstruktur, muss diese dem Kunden erläutert werden. Einschränkend fügt ESMA jedoch hinzu, dass keine Kenntnisse für den individuellen Kunden verlangt werden, sondern produktbezogene Kenntnisse ausreichen.42 Dies ist auch mit dem deutschen System vereinbar. Es genügt folglich, wenn der Berater grundlegende allgemeine steuerliche Kenntnisse aufweist sowie grundlegende steuerliche Kenntnisse für die einzelnen Produktkategorien hat und nur bei besonderen steuerlichen Produkten spezielle Kenntnisse besitzt. Damit dürften allerdings diese Produkte nur von Spezialisten angeboten werden, sodass das Angebotsspektrum zurückgehen wird. Zusätzlich muss der Berater alle Kosten und Gebühren im Zusammenhang mit der Art des angebotenen und empfohlenen Produkts verstehen; ebenso solche, die durch die Beratung und damit zusammenhängenden Dienstleistungen anfallen.43 Diese Anforderung steht im Zusammenhang mit der Kostentransparenz (s. 3. Teil) der MiFID II, sodass diese ohnehin durch das Unternehmen umzusetzen und nur noch dem Berater zu vermitteln ist. Durch aktualisierte Angaben muss der Berater in der Lage sein, potentielle Veränderungen und die Auswirkungen auf die Geeignetheit des Produkts festzustellen – auch dahingehend, dass das Produkt eventuell für den Anleger nicht mehr

38

lit. a). 39

lit. a). 40

ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.III Nr. 18 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.III Nr. 18

Vgl. Deutsche Bank, Response to EMSA CP, S. 3. ESMA, Final Report – Guidelines for the assessment of knowledge and competence, Annex V Nr. 63. 42 ESMA, Final Report – Guidelines for the assessment of knowledge and competence, Annex V Nr. 64. 43 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.III Nr. 18 lit. b). 41

A. Sachkundenachweis

203

passend sein könnte.44 Noch weitergehend soll der Berater ein Verständnis aufweisen, wie die Märkte und die an ihnen stattfindende Preisbildung funktionieren.45 Dazu muss er nachweisen, dass er versteht, wie sich nationale oder globale Ereignisse auf die Märkte und auf die Preisbildung auswirken.46 Im Grundsatz mag diese Anforderung berechtigt sein, wird jedoch durch jüngere politische Ereignisse in Frage gestellt. Die Wahl des US-Präsidenten Trump zeigt, dass solche Bewertungen und damit das nachzuweisende Verständnis im spekulativen Bereich liegen. Zunächst hieß es, dass Trump im Vergleich zu Kandidatin Clinton keine Chance hätte. Sollte er dennoch gewinnen, so würde der Börsenkurs massiv einbrechen. Entgegen aller Prognosen wurde Trump als Präsident gewählt und der Börsenkurs ist angestiegen.47 Damit dürften sich die von ESMA aufgestellten Anforderungen auf ein gewisses Grundverständnis und dessen Nachweis beschränken. Ebenso braucht der Berater Kenntnis über den Unterschied von vergangenen und zukünftigen Wertentwicklungen und Grenzen vorausschauender Prognosen.48 Er muss die relevanten Daten der Art der Anlageprodukte kennen und deren spezifische Marktstrukturen. Gleichzeitig muss er Grundkenntnisse über die Bewertungsansätze der Anlageprodukte aufweisen, die er empfiehlt.49 Zusätzlich soll er ein Verständnis für die grundlegende Portfolioverwaltung haben, für die Aspekte des Marktmissbrauchs sowie für die Bekämpfung von Geldwäsche.50 Mag dieses im ersten Moment in sich stringent und selbstverständlich klingen, ist dies runtergebrochen auf jeden Berater enorm. Hier sollten die deutschen Aufsichtsbehörden der deutschen Filialstruktur Rechnung tragen und diese Anforderungen auf ein Grundverständnis des einzelnen Beraters reduzieren, wenn eine Art „Hausmeinung“ von spezialisierten Teams zentral erarbeitet wird und diese der einzelne Berater versteht und in seine Beratungen einfließen lässt.51

44

lit. d). 45

lit. e). 46

ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.III Nr. 18 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.III Nr. 18

ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.III Nr. 18 lit. e), f). 47 s. zur Kurssteigerung, Schäfer, Aktienindex Dow Jones steigt erstmals über 20.000 Punkte, Beitrag v. 24. 01. 2017, Frankfurter Allgemeine Zeitung. 48 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.III Nr. 18 lit. g). 49 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.III Nr. 18 lit. i), j), k). 50 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.III Nr. 18 lit. i), l). 51 Vgl. das System der UBS, Herting/Alpers, Interview v. 13. 02. 2017.

204

4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

f) Zwischenfazit Beachtlich ist, dass ESMA spürbar von ihren ursprünglichen Anforderungen zugunsten der Berater abgewichen ist.52 Gleichzeitig zeigt der Vergleich mit dem Richtlinientext jedoch deutlich, dass die Anforderungen durch ESMA verschärft wurden.

II. Die Sachkunderegelungen in Deutschland 1. Die Anforderungen an die Beratersachkunde vor Umsetzung der europäischen Regelungen Wie bereits angedeutet, kennt das deutsche Recht schon heute einen Sachkundenachweis.53 a) Allgemeine Voraussetzungen Gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG dürfen WpDU Dienstleistungen nur mit der zugehörigen Sachkunde anbieten. Des Weiteren konkretisiert § 34d WpHG den § 31 Abs. 1 WpHG.54 So schreibt § 34d Abs. 1 S. 1 WpHG den WpDU vor, dass diese nur Mitarbeiter in der Anlageberatung, Compliance Funktion und Vertriebsorganisation beschäftigen dürfen, wenn sie über ausreichend Sachkunde verfügen und die für die Tätigkeit notwendige Zuverlässigkeit besitzen.55 Eine ähnliche Anforderung findet sich zugleich in AT 7.1 MaRisk. Zur Konkretisierung hat die BaFin die WpHGMitarbeiteranzeigenverordnung (WpHGMaAnzV) erlassen.56 § 34d Abs. 1 WpHG 52

Vgl. 4. Teil A.I.3.b). Ebenso sollte der Berater ursprünglich einzelne Markttheorien kennen, die in der Praxis durchaus kontrovers hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit diskutiert werden. Die Kenntnisse hinsichtlich der Marktstrukturen etc. sollte sich auf alle Anlageprodukte beziehen und nicht nur auf solche, die das WpDU anbietet. 53 Eine Verpflichtung der WpDU, nur Mitarbeiter mit entsprechenden Kenntnissen, Erfahrungen und Fähigkeiten zu beschäftigen, enthielt bereits Art. 5 Abs. 1 lit. d) MiFID I, der entsprechend durch § 34d WpHG umgesetzt wird. Eine wie von § 34d WpHG vorgesehene Registrierungspflicht enthielt die MiFID I hingegen nicht; vielmehr wurde dieser Bereich vollständig unreguliert gelassen, sodass in der deutschen Regelung auch kein Verstoß gegen die Vollharmonisierung der MiFID I bestand, Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 14; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d WpHG Rn. 5; Halbleib, WM 2011, 673, 674. 54 Halbleib, WM 2011, 673, Möllers/Wenninger, NJW 2011, 1697, 1698. 55 Günther, WM 2012, 2267, 2268; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 82; Bamberger, in: D/K/B, Bank- und KapMR, § 52 Rn. 123. Diese Regelung wurde durch das Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und der Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (AnsFuG – BGBl. I, S. 538) vom 05. 04. 2011 eingeführt. Parallel sieht § 25a Abs. 1 S. 1, 3 Nr. 4 KWG vor, dass Kreditinstitute für eine angemessene personelle Ausstattung zu sorgen haben. s. zu diesem ausf. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 82 f. 56 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 1; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 82; Fedchenheuer, Die Qualifikationsanforderung an Anlageberater, 70.

A. Sachkundenachweis

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regelt i.V.m. der WpHGMaAnzV zum einen eine Anzeigeverpflichtung der WpDU über die Aufnahme der Tätigkeit ihrer Mitarbeiter und deren Veränderungen sowie über beim WpDU über den Mitarbeiter eingegangene Kundenbeschwerden an die BaFin.57 Das WpDU muss sich durch Vorlage von entsprechenden Sachkundenachweisen des jeweiligen Anlageberaters von dessen Eignung überzeugen.58 Hier kommt es nicht auf eine formale, sondern auf die inhaltliche Betrachtungsweise an.59 Diese müssen jedoch gegenüber der BaFin ausdrücklich nicht vorgelegt werden.60 Allerdings ist das WpDU gem. § 6 WpDPV verpflichtet, jährliche Prüfberichte über die Anzahl sowie Art und Weise der Behandlung von Kundenbeschwerden im Einzelnen an die BaFin zu übermitteln.61 Daneben steht der BaFin gem. § 35 Abs. 1 WpHG das Recht zu, anlassunabhängig Sonderprüfungen vorzunehmen und dazu Auskünfte und Unterlagen zu verlangen.62 Unabhängig von diesem werden die Anzeigen gem. §§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 2, 7 WpHGMaAnzV aufgrund von § 36 WpHG jährlich überprüft. Für die Bearbeitung der Kundenbeschwerden sieht § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 WpHG vor, dass diese nach Regelungen erfolgen, die gewährleisten, dass die Bearbeitung angemessen und unverzüglich für Privatkunden erfolgt sowie jede Beschwerde und deren Abhilfemaßnahmen dokumentiert werden. Zwar kennt damit das deutsche Recht auch Vorgaben zum Beschwerdemanagement, allerdings gelten diese nur für Privatkunden.63 b) Der Paradigmenwechsel Folglich erkannten damit auch der deutsche Gesetzgeber und die BaFin die Schlüsselposition des Anlageberaters.64 Auch die Intention ist eine ähnliche, da der deutsche Gesetzgeber eine einheitliche Mindestqualifikation der Anlageberater sicherstellt65 und zugleich eine disziplinierende Wirkung gegenüber den WpDU herbei führen wollte, da diesen die Bedeutung ihrer Mitarbeiterauswahl verdeutlicht wurde.66 Darüber hinaus erfolgte im deutschen Recht ein „Paradigmenwechsel“67, da die BaFin in die Lage versetzt wurde, die innere Struktur der WpDU durch die 57

Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 1; Kurz, DB 2014, 1182, 1185 Fn. 133; Baur, in: J/V/ R/B, WpHG, § 34d Rn. 9 ff. 58 Kurz, DB 2014, 1182, 1185 Fn. 133; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 11. 59 Baur, in: J/V/R/B, WpHG, § 34d Rn. 5. 60 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 11. 61 s. dazu Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 9. 62 Fedchenheuer, Die Qualifikationsanforderung an die Anlageberater, 78. 63 Schäfer, BaFin-Journal 10/12, 4. 64 Begr. RegE AnsFuG, BT-Drs. 17/4739, S. 9, 23; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 3; Günther, WM 2012, 2267, 2268. 65 Yoo, BaFin Journal, 08/2012, 8, 9; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 2; Baur, in: J/V/R/ B, WpHG, § 34d Rn. 2. 66 Yoo, BaFin Journal, 08/2012, 8, 9; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 3. 67 Yoo, BaFin Journal, 08/2012, 8, 9.

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4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

Fluktuation der Mitarbeiter zu beobachten und bei Verdacht aufgrund gehäufter Beschwerdeanzeigen risiko- und zielorientierter eingreifen zu können.68 Die auf nationaler Ebene bestehenden Regelungen sind zwar sehr detailliert, aber nicht so streng wie die, die ESMA in ihren Leitlinien vorschlägt. Folgt die BaFin auch weiterhin ESMAs Verwaltungspraxis, so müssen die bestehenden Regelungen künftig anhand dieser ausgelegt werden. c) Die Sachkunde des Beraters Als Sachkunde i.S.d. zuvor genannten Regelungen sind kognitives, erlernbares Fachwissen und aufgrund europarechtskonformer Auslegung auch entsprechende Fähigkeiten erfasst.69 § 1 WpHGMaAnzV konkretisiert die Sachkundeanforderungen in einer nicht abschließenden Aufzählung.70 Erforderlich ist die in der Kundenberatung notwendige Sachkunde hinsichtlich der Bedarfsmittel, Lösungsmöglichkeiten, Produkterstellung und -information, Serviceerwartungen sowie des Kundengesprächs und der -betreuung.71 Zugleich muss der Anlageberater die rechtlichen Grundlagen der Anlageberatung, insb. die Anforderungen des WpHG, KAGB und die vertraglichen Pflichten, die sich unmittelbar aus dem Anlageberatungsvertrag ergeben, kennen und achten.72 Hier sind vor allem Informationspflichten, Offenlegung von Interessenkonflikten, die Aushändigung von Produktinformationsblättern und die Erstellung eines Beratungsprotokolls erfasst.73 Zudem beinhaltet die Sachkunde die fachlichen Grundlagen, indem der Anlageberater die Funktionsweise und Risiken der Finanzinstrumente und die im Zusammenhang mit dem Finanzinstrument anfallenden Kosten kennen muss.74 Hier mussten die WpDU auch bisher die steuerlichen Auswirkungen mitberücksichtigen.75 Nach den neuen Vorgaben wird diese Anforderung nun verstärkt. Zusätzlich ist die Kenntnis hinsichtlich der Kosten entsprechend der neuen Kostentransparenzregelungen zu konkretisieren, sodass der Berater den genauen Preis des Produkts und den für die Beratung sowie für zusätzliche Kosten aufschlüsseln kann. Ohne Verständnis oder entsprechende Kenntnis im Bereich der Anlagestrategien, Kosten, Handelbarkeit, Ausführungsplätzen und damit auch von volkswirtschaftlichen Zusammenhängen, Risikomanagement und Portfoliotheorie kann der Berater folglich keine anlage- und 68

Yoo, BaFin Journal, 08/2012, 8, 9; Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 9. Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 5. 70 Bauer, in: J/V/R/B, WpHG, § 34d Rn. 4; Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 21 f. 71 Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 15; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 8; Günther, WM 2012, 2267, 2269 f.; Fedchenheuer, Die Qualifikationsanforderungen an Anlageberater, 138 f. 72 Ausf. zu den einzelnen Anforderungen Fedchenheuer, Die Qualifikationsanforderungen an Anlageberater, 124 ff. 73 Vgl. Fedchenheuer, Die Qualifikationsanforderungen an Anlageberater, 127. 74 § 1 Abs. 1 Nr. 3 WpHGMaAnzV. 75 Fedchenheuer, Die Qualifikationsanforderungen an Anlageberater, 137. 69

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anlegergerechte Beratung erbringen.76 Auch müsste diese bisher allgemeine Anforderung dahingehend konkretisiert werden, dass der Berater die Preisbildungsmechanismen am Markt versteht – vor allem unter Berücksichtigung politischer und besonderer Ereignisse. An dieser Stelle könnte ESMAs Anforderung der Kenntnis über die zukünftige und vergangene Wertentwicklung sowie die Grenzen von vorausschauenden Prognosen aufgenommen werden. Allerdings braucht der einzelne Berater diese Kenntnisse, wie ebenfalls von ESMA vorgesehen, nur für die von ihm tatsächlich angebotenen oder empfohlenen Produkte,77 sodass das WpDU hier den Verantwortungsbereich und mithin auch die Sachkundeanforderung regulieren kann.78 Den Nachweis kann der Anlageberater gegenüber dem WpDU gem. § 4 WpHGMaAnzV durch die Vorlage eines Berufsabschlusses, der dort nicht abschließend aufgeführten Berufe, nachweisen.79 Eine ausdrückliche Regelung, wie in ESMAs Leitlinien vorgesehen, dass der Berater durch angemessene Erfahrung seine Eignung nachweisen kann, sieht § 4 S. 3 WpHGMaAnzV vor. Dieser spricht jedoch von einer ununterbrochenen Tätigkeit. Die Regelung wird heute bereits entsprechend ausgelegt, sodass die Unterbrechung aufgrund von Krankheit oder Schwangerschaft nicht schadet.80 Wie weit die Unterbrechung gehen darf war bislang nicht eindeutig und könnte nun durch ESMAs Regelungen konkretisiert werden. d) Die Zuverlässigkeit des Beraters Ohne Gegenstück in den aktuellen Leitlinien von ESMA, aber auch ohne Gegenstück in sämtlichen Regelungen zur MiFID II, muss der deutsche Berater auch seine charakterlich Eignung und Zuverlässigkeit, die § 6 WpHGMaAnzV81 an die Achtung des fremden Eigentums knüpft, nachweisen.82 Bei § 6 WpHGMaAnzV handelt es sich um eine widerlegbare Vermutung.83 Der Nachweis der Zuverläs76

Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 26; i.E. Günther, WM 2012, 2267, 2270. Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 15. 78 Bauer, in: J/V/R/B, WpHG, § 34d Rn. 4. 79 So bspw. durch den Abschluss eines Studiengangs der Fachrichtung Banken, Finanzdienstleistung, oder durch eine abgeschlossene Ausbildung als Bankbetriebswirt. 80 Baur, in: J/V/R/B, WpHG, § 34d Rn. 5; max. 12 Monate Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 34d Rn. 13; Fedchenheuer, Die Qualitätsanforderung an Anlageberater, 94; Schäfer, in: Heidl, § 34d WpHG Rn. 26. 81 Er ist unzuverlässig, wenn er in den letzten 5 Jahren vor Beginn der Tätigkeit als Anlageberater wegen eines Verbrechens oder wegen Diebstahl, Unterschlagung, Erpressung, Untreue, Geldwäsche, Urkundenfälschung, Hehlerei, Wucher, Insolvenzstraftaten oder Steuerhinterziehung verurteilt wurde, s. dazu ausf. Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 43; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 14; Bauer, in: J/V/R/B, WpHG, § 34d Rn. 6; Günther, WM 2012, 2267, 2272. 82 s. zur MiFID I und § 34d Abs. 1 S. 1 WpHG Fedchenheuer, Die Qualitätsanforderung an Anlageberater, 94. 83 Fedchenheuer, Die Qualitätsanforderung an Anlageberater, 151 m.w.N. 77

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4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

sigkeit steht im Kontext mit weiteren an das WpDU gerichteten Vorschriften zur Zuverlässigkeit seiner Mitarbeiter.84 Insofern wundert es nicht, dass die Zuverlässigkeit bislang bei den BaFin Anzeigen kaum eine Rolle gespielt hat.85 e) Die Anzeigeverpflichtung des WpDU Hat der Mitarbeiter sowohl Sachkunde, als auch Zuverlässigkeit gegenüber dem WpDU nachgewiesen, muss das WpDU den Mitarbeiter vor Aufnahme der Tätigkeit bei der BaFin anzeigen (Erstanzeige).86 Änderungen der übermittelten Daten sind der BaFin via Änderungsanzeige mitzuteilen.87 Auch zeigt das WpDU Kundenbeschwerden von Privatkunden gem. § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 WpHG aufgrund der Tätigkeit des Mitarbeiters, die in seinen Einflussbereich fällt – nicht hingegen aufgrund der Ausführung von Kundenaufträgen etc.88 – der BaFin an, unabhängig davon, ob diese berechtigt sind oder nicht.89 Im Vergleich zu den europäischen Regelungen fällt insb. die Nachweispflicht zu Beginn der Tätigkeit des Beraters gegenüber dem WpDU sowie die Anzeigeverpflichtung des WpDU über die Aufnahme der Tätigkeit durch einen neuen Berater gegenüber der BaFin auf.90 Ein solcher Nachweis zu Beginn des Arbeitsverhältnisses fügt sich in den Ablauf des Bewerbungsgespräches ein, in welchem der Berater seine Qualifikation anpreist und diese zu Beginn des Arbeitsverhältnisses nachweisen muss. Damit ist der status quo für die Qualifikationskontrolle gelegt. Das WpDU weiß auf diese Weise von jedem Berater den Kenntnisstand und kann Schulungen zu Produkten und regula84 So regelt bspw. § 9 Abs. 2 Nr. 4 Geldwäschegesetz (GwG), dass das WpDU interne, regelmäßige Sicherungsmaßnahmen errichtet, die die Zuverlässigkeit der Mitarbeiter überprüfen. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 GwG ist ein Mitarbeiter dann zuverlässig, „[…]wenn er die Gewähr dafür bietet, dass die Pflichten nach […] [dem GwG], sonstige geldwäscherechtliche Pflichten und die beim Verpflichteten eingeführten Grundsätze, Verfahren, Kontrollen und Verhaltensrichtlinien zur Verhinderung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sorgfältig beachtet, Tatsachen […] dem Vorgesetzten oder Geldwäschebeauftragten, soweit ein solcher bestellt ist, meldet und sich nicht selbst an zweifelhaften Transaktionen oder Geschäften aktiv oder passiv beteiligt.“ 85 DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 27. 86 Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 46, 52; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 15; Günther, WM 2012, 2267, 2268; Laban, Organisations- und Verhaltenspflichten in der Anlageberatung nach Inkrafttreten des AnsFuG, 152. 87 Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 53; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 15; Günther, WM 2012, 2267, 2268; Laban, Organisations- und Verhaltenspflichten in der Anlageberatung nach Inkrafttreten des AnsFuG, 153. 88 Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 60; vgl. Schäfer, in: Heidel, § 34d WpHG Rn. 45 ff. 89 Günther, WM 2012, 2267, 2268; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 16; Bauer, in: J/V/ R/B, WpHG, § 34d Rn. 10. 90 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 82a; zur nicht vorhandenen Registrierungspflicht auf europäischer Ebene s. Möllers/Poppele, ZGR 2013, 437, 471.

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torischen Anforderungen zentral steuern. Dieses bestehende „Mitarbeiterregister“ wird künftig auch die Grundlage der jährlichen internen Überprüfung bilden, da für diese das WpDU ein derartiges benötigt. Daher ist ein solches von Vorteil. Zugleich darf nicht übersehen werden, dass der Gesetzgeber diese Regelung als langfristige Beobachtungsmöglichkeit der BaFin und damit als Frühwarnsystem eingerichtet hat, indem dadurch die Fluktuation von Mitarbeitern und die Qualitätsansprüche innerhalb eines WpDU erkennbar werden.91 Aufgrund dessen kann die BaFin entsprechend bei Missständen tätig werden.92 Die Beibehaltung der Anzeigepflicht zum Register ist jedoch ein weiteres sog. goldplating des deutschen Gesetzgebers.93 Insb. vor dem Hintergrund, dass eine solche auf europäischer Ebene diskutiert und abgelehnt wurde.94 f) Sanktionen Weist der Mitarbeiter nicht die entsprechende Sachkunde oder Zuverlässigkeit auf, kann die BaFin dem WpDU den Einsatz dieses Mitarbeiters gem. § 34d Abs. 4 S. 1 Nr. 1 WpHG verbieten. Das Verbot gilt so lange wie der Sachkunde- bzw. Zuverlässigkeitsmangel besteht.95 Verstößt der Mitarbeiter gegen die Wohlverhaltenspflichten, so kann die BaFin eine Verwarnung aussprechen, § 34d Abs. 4 S. 1 Nr. 2 lit. a) WpHG. Zudem kann die BaFin unanfechtbare Maßnahmen gem. § 34d Abs. 4 S. 2 WpHG veröffentlichen. Die Veröffentlichung der Maßnahmen nach dem WpHG bedarf der Überarbeitung hinsichtlich der Vorgaben aus Art. 71 Abs. 2 MiFID II.96 Dieser verlangt ebenfalls die Veröffentlichung der Sanktionen. Bei der Anpassung muss jedoch unterschieden werden zwischen den Veröffentlichungen für die Registeranzeige bei der BaFin, diese sind nicht in der MiFID II enthalten und bedürfen keiner Anpassung, und hinsichtlich der allgemeinen Veröffentlichung.97 Es müsste die in der MiFID II enthaltene Ausnahmeregelung, dass bei ernsthafter Gefährdung der Finanzmärkte eine Veröffentlichung unterbleiben darf, eingeführt und die nationale Ausnahme der Veröffentlichung bei berechtigtem Unternehmensinteresse gestrichen werden.98 Zugleich müsste eine mit Art. 71 Abs. 1 UA 2 lit. b) MiFID II korrespondierende Möglichkeit der anonymen Veröffentlichung bzw. nach Art. 71

91

Vgl. Günther, WM 2012, 2267, 2272. Begr. RegE AnsFuG, BT-Drs. 17/3628, S. 22; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 16. 93 Deshalb ablehnend DK, Erste Bewertung Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 26. 94 DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 26; dies., Erste Bewertung Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 26. 95 Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 110. 96 Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 118; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 31 97 Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 118; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 31. 98 Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 118; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 31. 92

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4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

Abs. 1 UA 2 lit. c) MiFID II das gänzliche Absehen von einer Veröffentlichung aufgenommen werden.99 2. Die Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im 2. FiMaNoG § 34d WpHG findet sich künftig in § 87 WpHG-E RegE 2. FiMaNoG100. Hinsichtlich der Anforderungen für die Anlageberatung finden sich kaum Änderungen. Vielmehr soll Abs. 1 vollständig erhalten bleiben, mit ihm also die nach wie vor auf europäischer Ebene nicht geforderte Registrierungspflicht101 der Mitarbeiter bei der BaFin. Richtigerweise bezieht sich die Beschwerdeanzeige nicht mehr auf § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 WpHG (Kundenbeschwerden), sondern auf Art. 16 Abs. 12 i.V.m. Art. 89 MiFID II sowie auf die delegierten Rechtsakte, obwohl es eines solchen Verweises aufgrund des Anwendungsvorrangs der MiFID II-DLVO nicht bedurft hätte. Zur vereinfachten Handhabung ist dieser jedoch sinnvoll.102 Abs. 2 regelt, dass Vertriebsmitarbeiter, die Informationen an Kunden über Finanzinstrumente, strukturierte Einlagen, Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen geben, ebenfalls sachkundig zu machen sind. Da Bundestag und der Bundesrat die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses beschlossen haben und dieses am 23. 06. 2017 veröffentlicht wurde, diese jedoch keine Änderungen an § 87 WpHG-E beinhaltet, bleibt es bei der bestehenden nationalen Regelung und dessen Sonderstellung im Vergleich zu den europäischen Vorgaben. 3. Die Umsetzung der MiFID II-Vorgaben in der WpHGMaAnzV Gem. Art. 20 des RefE 2. FiMaNoG, der nicht im nachfolgenden RegE enthalten ist, soll die WpHGMaAnzV die Anforderungen der ESMA-Leitlinien aufgreifen. Am 29. 05. 2017 stellte die BaFin dafür einen neuen Entwurf der WpHGMaAnzV zur Konsultation. Gem. § 1 Abs. 1 S. 2 WpHGMaAnzV-E soll die Sachkunde künftig kontinuierlich aufrechterhalten werden. Der Konsultationsentwurf der BaFin ist hier noch konkreter, da die Sachkunde kontinuierlich zu wahren und regelmäßig auf den neusten Stand zu bringen ist. Zugleich muss das WpDU diese mindestens einmal jährlich unter Berücksichtigung von gesetzlichen Änderungen sowie des eigenen Wertpapierangebots überprüfen, § 1 Abs. 1 S. 3 WpHGMaAnzV-E. Dementsprechend muss auch auf nationaler Ebene die neue jährliche Prüfung eingeführt werden. Hier sollte der Gesetzgeber klarstellend hinzufügen, dass damit in Übereinstimmung mit 99

Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 31. § 76 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG; § 34d WpHG RefE 1. FiMaNoG. 101 DK, Erste Bewertung Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 26. 102 A.A. DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 27. 100

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ESMAs Vorgaben keine grds. Überprüfung eines jeden Mitarbeiters und vor allem nicht in Form eines Tests o. ä. gefordert ist.103 Um ein einheitliches Niveau des Kenntnisstandes herbeizuführen, müsste sich das WpDU allerdings im ersten Jahr schon die Qualifikationen der einzelnen Mitarbeiter – bspw. anhand des durch die Nachweispflicht vorliegenden Mitarbeiterregisters – anschauen und neu eingestellte Berater hinsichtlich des Kenntnisstandes dem Unternehmensstandard anpassen. Ausweislich der ausdrücklichen Verordnungsbegründung muss die jährliche Überprüfung nicht durch eine externe Stelle durchgeführt werden.104 Durch die Konkretisierung des S. 2 wird jedoch auch deutlich, dass nicht nur das vorhandene Wissen aufgefrischt werden muss, sondern dieses auch hinsichtlich der aktuellen Gesetzesänderungen erneuert werden muss. Weitergehende Sachkunde wird jedoch nicht verlangt. a) Neue Sachkundeanforderungen Die bisherige Sachkundeaufzählung wird von Abs. 1 in Abs. 2 verschoben und soll ESMAs Anforderungen aufnehmen. Dabei bleibt Nr. 1 zur Kundenberatung unverändert. Die rechtlichen Grundlagen in Nr. 2 erhalten ein zusätzliches lit. c), nach dem der Mitarbeiter verpflichtet ist, die Verwaltungsvorschriften der BaFin hinsichtlich der Geeignetheitsprüfung – und Erklärung (s. 6. Teil B.II.) – zu kennen. Die fachlichen Grundlagen in Nr. 3 werden nach den ESMA-Leitlinien ausgeweitet, indem nun nicht mehr nur nach lit. a) die Funktionsweise des Finanzinstruments als fachliche Grundlage gilt, sondern auch die Funktionsweise des Finanzmarkts, einschließlich der Auswirkungen von diesem auf die Preisentwicklung von Finanzinstrumenten sowie der Einfluss von wirtschaftlichen Kennzahlen oder von nationalen, regionalen oder globalen Ereignissen auf die Märkte und auf den Wert des Finanzinstruments. Gleichzeitig übernimmt die BaFin die ESMA-Anforderung, dass der Berater die Merkmale und Funktionsweisen des Finanzinstruments sowie allgemeine steuerliche Auswirkungen für den Kunden im Zusammenhang mit den Geschäften kennen muss. Er muss die für die Finanzinstrumente relevanten Daten sowie die spezifischen Marktstrukturen bewerten können und Handelsplätze sowie Sekundärmärkte kennen. Die gem. lit. c) vorzuweisende Kenntnis aller anfallenden Kosten im Zusammenhang mit den Geschäften wird in lit. e) verschoben und konkretisiert, indem der Berater die Kosten und Gebühren für den Kunden im Zusammenhang mit dem Finanzinstrument insgesamt kennen muss. Gem. der neuen lit. c) muss der Anlageberater auch die von ESMA geforderte Wertentwicklung von Finanzinstrumenten einschließlich der Unterscheidung von vergangenen und zukünftigen Wertentwicklungsszenarien und die Grenzen von vorausschauenden Prognosen kennen. Die Verordnungsbegründung stellt noch einmal heraus, dass die Kenntnis dabei an zwei verschiedenen Punkten anknüpft: Zum einen an die einmaligen und laufenden Kosten des Finanzprodukts und zum anderen an die Kosten 103 104

DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 44. BaFin, WpHGMaAnzV-E Begr., S. 13.

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4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

und Gebühren, die mit der Anlageberatung oder der Dienstleistung entstehen.105 Gleichzeitig muss er die Grundzüge der Bewertungsgrundsätze für Finanzinstrumente (lit. d)) und die des Portfoliomanagements (lit. f)) kennen. Zudem braucht der Anlageberater Kenntnisse in Bezug auf Marktmissbrauch und Geldwäsche (lit. g)). Der neue Abs. 3 bestimmt in Übernahme der ESMA Anforderung, dass der Berater, die internen Anweisungen des WpDU zur Einhaltung der rechtlichen Grundlagen gem. Nr. 2 kennen muss. Nach Abs. 4 muss sich die Kenntnis des Beraters nicht mehr nur auf Produkte beziehen, die Gegenstand seiner Anlageberatung sein können, sondern auch auf solche, die das WpDU anbietet. b) Praktischer Fähigkeitsnachweis Abs. 5 regelt die Alte-Hasen-Regelung bzw. den Nachweis der praktischen Anwendung. Überwiegend übernimmt der deutsche Gesetzgeber dazu den Wortlaut der ESMA-Leitlinien und fordert für den Fähigkeitsnachweis, dass der Berater eine vorherige Tätigkeit für einen Zeitraum von sechs Monaten auf Basis eines Vollzeitäquivalents ausgeübt hat. Ausreichend ist es auch hier, wenn dies unter Aufsicht eines mit der Anlageberatung betrauten und mit entsprechender Sachkunde ausgestatteten Mitarbeiters erfolgt, soweit die Aufsicht in Intensität und Reichweite angemessen zu den Kenntnissen des Mitarbeiters steht. Der beaufsichtigende Mitarbeiter muss entsprechend den ESMA-Vorgaben für die Anlageberatungsleistung verantwortlich sein. c) Nachweis der Sachkunde Der bisherige Abs. 2 wird zu Abs. 6 und dahingehend ergänzt, dass zum Nachweis der Sachkunde nicht nur Schulungsnachweise, sondern auch Weiterbildungsnachweise ausreichen. Der neue Abs. 7, der auch noch nicht in der Version des RefE 2. FiMaNoG enthalten war, legt fest, dass die zuvor genannten Sachkundeanforderungen auch für Mitarbeiter gelten, die strukturierte Einlagen verkaufen oder in diesen beraten. d) Zwischenfazit zur Umsetzung der neuen Sachkundeanforderungen Insgesamt bemüht sich der deutsche Gesetzgeber um eine Eins-zu-eins-Umsetzung der ESMA-Leitlinien.106 Dies ist jedoch nicht an sämtlichen Stellen gelungen. Indem die bisherigen Regelungen zur Kundenberatung und die rechtlichen Grundlagen beibehalten werden, werden strengere Anforderungen gestaltet, als dies durch ESMA vorgesehen ist.107 Allerdings stehen diese nicht im Konflikt mit der Regu105 106 107

BaFin, WpHGMaAnzV Begr., S. 13. Begr. RefE 2. FiMaNoG, S. 375 f. (s. 1. Teil, Fn. 36). So auch DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 45.

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lierung durch die MiFID II, und die Leitlinien sind für den nationalen Gesetzgeber nicht rechtsverbindlich. Allerdings sind bereits die Anforderungen von ESMA sehr weit gehend. Die zusätzlichen Anforderungen sollten daher hinsichtlich der Vorteilhaftigkeit für die jährliche Überprüfung der Sachkunde beibehalten werden und weitere noch darüber hinausgehende Anforderungen entfallen. Indem die BaFin im Vergleich zum RefE, die Einleitung der Kenntnisse der internen Unternehmensanweisungen mit „insbesondere“ in § 1 Abs. 3 gestrichen hat, gibt sie richtigerweise zu erkennen, dass sie hier keine weitergehenden Anforderungen als in den ESMALeitlinien schaffen wollte.108 4. Expertenansicht zur praktischen Auswirkung der neuen Sachkunderegelungen Unabhängig von der befragten Expertengruppe wurde die Sachkunde der Berater und auch deren Fortbildung in der schnelllebigen Finanzbranche als notwendig und sinnvoll bewertet. Die Ausweitung des Adressatenkreises der sachkundig zu machenden Personen, inhaltliche Verschärfungen und die jährliche interne Kontrolle wurden seitens der Experten wahrgenommen, aber nicht als gravierende Erschwerung festgestellt. Schließlich hätten die WpDU ohnehin ein besonderes Eigeninteresse an der Ausbildung ihrer Berater, um eine zivilrechtliche Haftung zu vermeiden und eine entsprechende Qualität zu vermarkten. Teilweise wurde festgehalten, dass sich intern keine oder kaum Änderungen ergäben, da bislang ohnehin sehr stark geschult wurde, sodass bereits heute die Anforderungen erfüllt würden. Kritisch bewertet wurden die Schulungen ausschließlich zu Nachweiszwecken, da diese zum einen ein bürokratischer Aufwand seien und zum anderen bei entsprechender Berufserfahrung nur hinsichtlich neuer Produkte oder veränderter gesetzlicher Regelungen sinnvoll wären.109 Die Experten merkten jedoch auch an, dass es von der Ausbildung und der Häufigkeit der Schulung unabhängig sei, ob ein Berater gute oder schlechte Leistungen erbringe.110 Dies hinge zum einen mit dem persönlichen Interesse des Beraters zusammen und zum anderen mit dessen Charakter.111 Auch gelte dies für beide Beratungsformen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die neuen Regelungen der Sachkunde aus Expertensicht richtig sind, da diese die Grundlage einer guten Beratung bilden und deshalb bereits heute schon ein sehr hoher Standard in den Häusern herrscht. Schwarze Schafe gäbe es unabhängig von der guten Ausbildung in beiden Systemen. 108

S. 45. 109

Kritisch noch zum RefE DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG,

Backes, Interview v. 15. 11. 2016; Paulisan, Interview v. 04. 04. 2017. Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016; Jäger, Interview v. 24. 10. 2016; Witteck, Interview v. 14. 09. 2016; Stachowiak, Interview v. 12. 04. 2017. 111 Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016. 110

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4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

5. Zwischenfazit Von der ursprünglichen Erwartung, dass die deutschen Anlageberater von den neuen Sachkundenachweisen kaum betroffen seien, muss bei ausschließlichem Regelungsvergleich Abstand genommen werden. Durch die Leitlinien von ESMA, die in die WpHGMaAnzV übernommen werden sollen, werden diese signifikant erhöht. So hat die BaFin am 24. 07. 2017 die Konsultationsergebnisse und ihren überarbeiteten Entwurf veröffentlicht.112 Die eingegangenen Stellungnahmen kritisieren insbesondere die regelmäßigen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen als strenger als von ESMA vorgesehen.113 Auch sollten die Sachkundeanforderungen, wie von ESMA vorgesehen, abschließend geregelt werden und nicht mit insbesondere eingeführt werden114. Auch diese Kritik wird in dem überarbeiteten Entwurf nicht berücksichtigt. Ausweislich der Experteninterviews sind die WpDU aber tatsächlich bereits gut auf die neuen Anforderungen vorbereitet. Zudem geht der deutsche Gesetzgeber über die europäischen Anforderungen hinaus und lässt die Registrierungspflicht sowie seine bislang geltenden Anforderungen an die Sachkunde des Beraters als zusätzliche Anforderungen bestehen.115 Ein genereller Sachkundenachweis des Beraters gegenüber dem WpDU wird von der MiFID II nicht gefordert, sondern nur auf Verlangen der Aufsichtsbehörde gegenüber dem WpDU. Eine Registrierungspflicht ist überhaupt nicht vorgesehen. Die im Vergleich zum aktuellen nationalen Recht strengere Anforderung von ESMA setzt der deutsche Gesetzgeber um, indem er eine jährliche Überprüfung der Mitarbeitersachkunde und damit erstmalig einen ex-ante Nachweis einführt. Insgesamt sind die Umsetzungsregelungen positiv zu bewerten. Jedoch sollte der Gesetzgeber keine über die europäischen Regeln hinausgehenden zusätzlichen Anforderungen schaffen, da diese das Ziel, ein einheitliches Regelwerk zu schaffen, konterkarieren. Zudem ist an dieser Stelle auch zu berücksichtigen, dass die Anzeigepflicht, die als Mittel gegen die schlechte Beratungsleistung des einzelnen Beraters zu Beginn positiv bewertet wurde,116 kaum Erfolg zeigt. Auch nach der Einführung einer solchen wird die Beratungsqualität weiterhin als schlecht bewertet.117

112 s. dazu https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Konsultation/2017/ kon_0317_WpHGMaAnzV_WpDPV.html (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 113 Vgl. DK, Stellungnahme zum Diskussionsentwurf einer Verordnung zur Änderung der WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung (WpHGMaAnzV) vom 29. Mai 2017, S. 2 f. 114 Vgl. DK, Stellungnahme zum Diskussionsentwurf einer Verordnung zur Änderung der WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung (WpHGMaAnzV) vom 29. Mai 2017, S. 3. 115 I. E. DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 30 f. 116 s. Halbleib, WM 2011, 673, 674. 117 s. Stiftung Warentest, Nur 3 von 23 Banken beraten gut, Finanztest 2/2016, 32.

A. Sachkundenachweis

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III. Sachkunderegelungen in Großbritannien Auch das britische Recht enthält eine Anzeigepflicht der Mitarbeiter gegenüber der Aufsichtsbehörde.118 So hat das WpDU seinen Mitarbeiter, wenn er bestimmte Aufgaben (controlled function) erfüllt,119 seit dem Financial Services and Marktes Act 2000 vor der Aufnahme dieser Tätigkeiten der FCA zu melden. Dieser wird, wenn er die Voraussetzungen des sog. fit & proper-Test erfüllt, in das Register der FCA eingetragen.120 Der dafür vorgesehene fit & proper-Test prüft die Tauglichkeit der Adviser, indem diese ihre Ehrlichkeit, Kompetenz und finanzielle Solidität nachweisen müssen.121 Auch die bislang geltende deutsche Regelung zum Sachkundenachweis war an diesen angelehnt.122 Um den fit & proper-Test hinsichtlich der Ehrlichkeit zu bestehen, darf der Adviser unter anderem keine Straftat begangen haben, insb. keine Geldwäsche oder Insiderhandel. Ebenso darf er nicht in einem Zivilverfahren verurteilt worden sein; vor allem nicht im Zusammenhang mit Investitionen oder anderen Finanzgeschäften, insb. wegen Betruges.123 Mithin enthält auch das britische Recht ein Zuverlässigkeitskriterium. Für die Erfüllung der finanziellen Solidität, darf der Adviser vor Gericht nicht wegen Ausständen bzw. Zahlungsforderungen, die er nicht fristgerecht beglichen hat, schuldig gesprochen worden sein. Außerdem darf er nicht Insolvenz angemeldet haben.124 Die FCA hat für die Anforderungen der Kompetenz im Rahmen des fit & properTests Anforderungen, Training and Competence, erlassen. Ebenso muss der Adviser durch Erfahrung und Schulungen nachweisen können, dass er für seine Aufgabe geeignet ist.125 Darüber hinaus stellen die WpDU sicher, dass ihre Adviser hinsichtlich der Beurteilung und Aufrechterhaltung von Kompetenz sowie der Führung von Aufzeichnungen geschult sind. Maßgeblich hierfür sind das Senior Management Arrangements, Systems and Controls Sourcebook (SYSC)126 und das Training & Competence Sourcebook (TC)127. Wobei letzteres für Retail Adviser gilt, ersteres für AIFM und Versicherungen. 118 119 120

Fn. 6. 121

Günther, WM 2012, 2267, 2268 Fn. 6; Morton, C.O.B. 2004, 19(Sep), 1, 8 f. s. zur controlled function Morton, C.O.B. 2004, 19(Sep), 1, 4 f. FCA, Approved Persons; FCA, The financial register; Günther, WM 2012, 2267, 2268

FCA, Handbook, FIT 1.G.; Morton, C.O.B. 2004, 19(Sep), 1, 11 f. Günther, WM 2012, 2267, 2268. 123 Für weitere Voraussetzungen s. FCA, Handbook, FIT 2.3.1 G.; Morton, C.O.B. 2004, 19 (Sep), 1, 8 f. 124 FCA, Handbook, FIT 2.3; Morton, C.O.B. 2004, 19(Sep), 1, 11. 125 FCA, Handbook, FIT 2.2. 126 FCA, Handbook, SYSC; s. dazu Veil/Wundenberg, Englisches Kapitalmarktrecht, 141 f. 127 FCA, Handbook, TC. 122

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4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

FCA definiert Kompetenz dahingehend, dass der Adviser die entsprechenden Fähigkeiten, das Wissen und die Erfahrung haben muss, um die ihm übertragene Aufgabe ordnungsgemäß zu erfüllen.128 Das WpDU hat die Aufrechterhaltung der Beraterkompetenz regelmäßig zu erfüllen.129 Dabei muss es Änderungen an den Handelsplätzen, in Finanzprodukten, regulatorischen Anforderungen und dem Gesetz berücksichtigen.130 Folglich kennt das britische Recht bereits den ex-ante Nachweis. Darüber hinaus muss das WpDU für mindestens fünf Jahre (in Zusammenhang mit der MiFID I, ansonsten nur drei Jahre) Aufzeichnungen über entsprechende Mitarbeiterschulungen, Beurteilungen, und entsprechende Kontrollen etc. aufbewahren.131 Im Jahr 2009 führte Großbritannien die Verpflichtung ein, dass Investment Adviser Produktempfehlungen nur aussprechen dürfen, wenn sie das Produkt und dessen Struktur vollständig verstanden haben.132

1. Regelungen nach der RDR Mit Einführung der RDR im Jahre 2012 wurden diese Regelungen ergänzt bzw. für retail investment adviser neu eingeführt. So sah FSAvor, dass ab dem 31. 12. 2012 alle Adviser den code of ethics unterzeichnen, eine entsprechende Ausbildung besitzen, mindestens 35 Stunden zur Weiterbildung pro Jahr aufwenden müssen und ein Statement of Professionality Standing (SPS) durch eine akkreditierte Stelle erhalten.133 Diese Angaben müssen die WpDU für jeden individuellen Adviser an FSA übermitteln. Zusätzlich übermitteln sog. akkreditierte Stellen an FSA Adviser, die aufgrund von fehlenden Voraussetzungen kein SPS erhalten. Das SPS, welches max. 12 Monate gültig ist, bestätigt, dass der Adviser die Standards erfüllt, sein Fachwissen kontinuierlich auffrischt sowie sich dem code of ethics verpflichtet hat.134 Erfüllen die Adviser die zuvor genannten Voraussetzungen insgesamt nicht, so dürfen sie dem Kunden keine individuelle Anlageempfehlung erteilen. Hintergrund ist der sowohl der deutschen als auch der europäischen Regelung zugrundeliegende Gedanke, dass durch die Anhebung der Qualifikation des Advisers mehr Zufriedenheit bei den Kunden entsteht und damit das Vertrauen in den Finanzmarkt wächst. Zum Nachweis der Qualifikation hat FSA eine Liste erstellt, in der sämtliche von ihr als angemessen betrachteten Abschlüsse für die jeweilige Art der Anlageberatung 128

FCA, Handbook, TC 1.1.4.G. FCA, Handbook, TC 2.1, 2.1.12.R., 2.1.13.G.; s. Morton, C.O.B. 2004, 19(Sep), 1, 26. 130 FCA, Handbook, TC 2.1.13.G. 131 FCA, Handbook, TC 3.1.R.; s. Morton, C.O.B. 2004, 19(Sep), 1, 27. 132 FSA, Using the FSA’s structured investment product advice suitability assessment template, S. 9; Köndgen, FS Hopt, 2113, 2135; Möllers/Poppele, ZGR 2013, 437, 469 f. 133 FCA, Handbook, TC 2.1.15.R.; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 22 f.; s. für den Inhalt des SPS, FCA, Factsheet For investment advisers, Professional standards, No.008, S. 2. 134 Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 23. 129

A. Sachkundenachweis

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aufgegliedert werden.135 Sie unterscheidet darin zwischen originärer Qualifikation (a) und der Zusatzqualifikation (b), die als Aufbau zur Leistungserbringung benötigt wird. Der code of ethics schreibt allgemeine Grundsätze fest, die der Berater bei seiner Berufsausübung beachten muss. So muss dieser bspw. ein Bewusstsein haben und akzeptieren, dass er im öffentlichen Interesse handelt (100.0).136 Ebenso muss er die folgenden Werte beachten: Die Integrität, indem er ehrlich in allen Businessangelegenheiten agiert; die Objektivität, indem er Interessenkonflikte vermeidet; die Fachkompetenz und die Sorgfalt, indem er seine Fachkenntnisse auf einem hohen Niveau hält, um sicherzustellen, dass der Kunde in Hinblick auf die aktuellen Entwicklungen und Techniken eine professionelle und adäquate Dienstleistung erhält; die Vertraulichkeit, indem er Ergebnisse oder Gesprächsinhalte aus den Beratungsgesprächen nicht offenlegt; die Professionalität, indem er sich an Recht und Gesetze hält und alle Handlungen unterlässt, die seinen Beruf in Verruf bringen.137 Die 35 Fortbildungsstunden pro Jahr müssen 21 strukturierte Stunden aufweisen, die bspw. durch Seminare, Vorträge, Workshops, Konferenzen oder E-Learning absolviert werden können.138 Nicht ausreichend ist Produktrecherche oder Kundenkontakt.139 Zugleich stellt FCA deutlich heraus, dass es nicht darum geht, nur die Anwesenheit bei solchen Veranstaltungen nachzuweisen, sondern effektives Wissen.140 Der individuelle Adviser muss für den Stundennachweis ein sog. continuing professional development (CPD) erstellen, welches sowohl eine Aussage darüber trifft, auf welchen Themengebieten Wissenslücken des jeweiligen Advisers bestehen bzw. welche Lernziele er sich dahingehend setzt.141 Außerdem muss dargestellt werden, wie der Adviser die Wissenslücken schließen, bzw. die Lernziele erreichen will, einschließlich der Stunden und Art der Lerneinheiten, die er dafür aufgewendet hat bzw. aufwenden will.142 Und letztlich, wie diese das gesetzte Ziel erreicht haben; insb., sofern vorhanden, das Testergebnis. Einmal jährlich muss der Adviser den akkreditierten Stellen mitteilen, dass er die Anforderungen seines CPDs erreicht hat. Die akkreditierten Stellen überprüfen die eingereichten Fortbildungsnachweise auf Relevanz, Bewertung und Richtigkeit.143 135

s. FCA, Handbook, TC App. 4.1. Code of ethics A, abrufbar unter: http://www.icaew.com/en/membership/regulations-stan dards-and-guidance/ethics/code-of-ethics-a (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018), s. Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 24. 137 Codes of ethics A (s. 4. Teil, Fn. 136). 138 FCA, Factsheet For investment advisers, Professional standards, No.008, S. 2; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 23. 139 FCA, Factsheet For investment advisers, Professional standards, No.008, S. 2; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 23. 140 FCA, Factsheet For investment advisers, Professional standards, No.008, S. 2. 141 Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 23. 142 Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 23. 143 FCA, Factsheet For investment advisers, Professional standards, No.008, S. 2. 136

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4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

Vergleichbar mit dem deutschen Recht ist das WpDU für die Qualifikation verantwortlich und hat dafür Sorge zu tragen, dass der Adviser sein SPS erhält.144 Auch muss das WpDU an FCA die Stammdaten des Advisers mittels des Professionals Standard Data Template übermitteln.145 Darüber hinaus teilt das WpDU der FCA mit, wenn es zu drei oder mehr Beschwerden über einen Mitarbeiter innerhalb der letzten 12 Monate gekommen ist, oder die Beschwerde über 50.000 britische Pfund liegt.146 Zusätzlich muss ein Fehlverhalten der Adviser in Bezug auf die Kompetenz, das Nichterreichen der notwendigen Qualifikation innerhalb der gesetzten Frist und die Durchführung einer Aufgabe ohne Kompetenz oder Überwachung der FCA gemeldet werden.147 2. Erweiterung der Regelungen Folglich beinhaltete das britische Recht, anders als das deutsche, schon vor Einführung der MiFID II einen Maßstab zur ex-ante Bewertung der Adviser. Aber auch dieses muss hinsichtlich der neuen europäischen Regelungen verändert werden. FCA hält fest, dass sie die neuen Level-3-Maßnahmen von ESMA akzeptieren will und deshalb das Training and Competence Sourcebook an einigen Stellen erweitern wird, insb. um die Bestimmung aufzunehmen, dass der Berater mind. 6 Monate Erfahrung haben muss, um unbeaufsichtigt arbeiten zu dürfen und max. 4 Jahre beaufsichtigt arbeiten darf, um die entsprechende Kompetenz zu erlangen.148 3. Vergleich und Bewertung Hinsichtlich der Kompetenz zeigt sich die Anlehnung der deutschen Regelung an den fit & proper-Test deutlich. Ebenso ist die Regelung der charakterlichen Eignung dem britischen Recht entnommen. Auch kennen beide Regelungen (aufgrund europäischer Vorgaben) die Meldung von Beschwerden an die jeweilige Aufsichtsbehörde. Anders ist hingegen im deutschen Recht, auch im Vergleich zur Regelung in Großbritannien, die Betonung der vorzeitigen Kontrolle durch die Registrierungspflicht und nicht der ex-ante Kontrolle. Beide Rechtsordnungen kennen eine Anzeige des Mitarbeiters bei der jeweiligen Aufsichtsbehörde vor Aufnahme der Tätigkeiten, aber nur die britischen Regelungen beinhalten ausdrückliche Vorschriften zur nachträglichen Kontrolle der Sachkunde. 144

FCA, Factsheet For investment advisers, Professional standards, No.008, S. 2. FCA, Factsheet For investment advisers, Professional standards, No.008, S. 3. 146 FCA, Adviser reporting requirements. 147 FCA, Handbook, TC 2.1.31.R.; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 24. 148 FCA, Markets in Financial Instruments Directive II Implementation – Consultation Paper III, CP 16/29, S. 109. 145

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Gänzlich anders handhabt die britische Regelung den Umgang mit der Aufrechterhaltung des Sachkundeniveaus des einzelnen Beraters. Das deutsche Recht kennt keinen Nachweis und keine Verpflichtung zur jährlichen Auffrischung des Wissens. Ein solcher wurde zunächst diskutiert,149 ist aber letztlich nicht umgesetzt worden. Dass die Berater auch im deutschen Recht nicht nur einmalig qualifiziert sein müssen, sondern die Sachkunde aufrechtzuerhalten haben, ergibt sich inzident aus den Bestimmungen, dass die Berater ihre Qualifikation dem WpDU gegenüber nachweisen und dieses anschließend den Berater bei der BaFin anzeigt sowie jede sich im Folgenden ergebende Änderung hinsichtlich des Beraters.150 Zugleich dürfen gem. § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG nur Dienstleistungen durch entsprechend sachkundige Personen erbracht werden.151 In diesem Zusammenhang steht auch die Eingriffsbefugnis der BaFin, die dem WpDU den Einsatz eines Beraters, der die gesetzlichen Voraussetzungen hinsichtlich seiner Qualifikation nicht mehr erfüllt, untersagen kann.152 Damit hat dieser sehr wohl seine Kenntnisse aufrechtzuerhalten und insb. hinsichtlich neuer Anforderungen zu aktualisieren.153 Insofern trifft auch den deutschen Berater eine Weiterbildungspflicht.154 Er muss jedoch keine zusätzlichen Kenntnisse über sein bisheriges Wissensspektrum hinaus erlernen oder gar eine maximale Stundenanzahl nachweisen. Die britische, ausdrückliche Festlegung, dass die Sachkunde aufrechtzuerhalten ist, schafft Klarheit. Insgesamt ist jedoch der Umgang zur Aufrechterhaltung der Sachkunde nach deutschem Recht vorzugswürdig, da dieser flexibler auf die aktuellen Marktereignisse und Gesetzesänderungen angepasst werden kann. Der jährliche Zeitraum des britischen Rechts mit 35 Stunden ist zu starr angelegt. Gewisse Weiterbildungsmaßnahmen können nur sinnvoll über einen längeren Zeitraum erbracht werden, bzw. auf bestimmten Sachgebieten können sich die Anforderungen schneller oder langsamer verändern. Zugleich ergibt sich aus den 35 Stunden unter besonderen Umständen die Verpflichtung des Beraters, zusätzliche Kenntnisse zu erwerben. Die 35 Stunden sind grds. zur Aufrechterhaltung des status quo ausgelegt, wenn diese jedoch durch die Grundauffrischung noch nicht aufgebraucht sind, muss er weitere Kurse besuchen, um die Stundenanzahl einzuhalten. Es sollte grds. die persönliche Entscheidung des Anlageberaters bleiben, ob er nach der Auffrischung seiner Kenntnisse noch zusätzliche Qualifikationen erlangen möchte oder nicht.

149 So bspw. These p des Thesenpapiers des BMELV, Qualitätsoffensive Verbraucherfinanzen Eckpunkte für eine gesetzliche Regelung des Berufsbildes der Honorarberatung. 150 I. E. Laban, Organisations- und Verhaltenspflichten in der Anlageberatung nach Inkrafttreten des AnsFuG, 149 f. 151 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 10. 152 Fedchenheuer, Die Qualifikationsanforderungen an Anlageberater, 207 f. 153 I. E. Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 10, der die aktuelle Sachkunde des Beraters betont. 154 A.A. Fedchenheuer, Die Qualifikationsanforderungen an Anlageberater, 208.

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4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

IV. Die Sachkunderegelungen in den Vereinigten Staaten von Amerika Die Vereinigten Staaten von Amerika kennen ebenfalls Vorschriften hinsichtlich der Qualifikation der Investment Adviser und Broker-Dealer, verfolgen hier jedoch erneut einen anderen Ansatz als zuvor auf europäischer Ebene dargestellt. 1. Die Regelungen für Investment Adviser So trifft der IAA keine Aussagen über Mindeststandards hinsichtlich der Ausbildung und Kenntnisse der Investment Adviser.155 Versuche von SEC, entsprechende Regelungen einzuführen, wurden unter anderem mit der Begründung abgelehnt, dass die Offenlegung des Ausbildungsstandards ausreichend sei.156 Sec. 203 (c) (1) (A) IAA bestimmt lediglich, dass der Adviser bei seiner Registrierung Informationen zu seiner Ausbildung und seinen Kenntnissen bereitstellen muss. Nach der sog. brochure rule – Sec. 203 (3) IAA – muss dem (potenziellen) Kunden vor oder während des Abschlusses des Beratungsvertrags eine Broschüre in Form des Form ADV Part 2A (Broschüre) und Part 2B (Broschüren Anhang) übergeben werden.157 In dieser muss der Adviser seine Tätigkeit sowie seine Kenntnisse und Spezialisierungen darlegen, aber auch mögliche Interessenkonflikte offenlegen.158 Mithin liegt es am Kunden, sich über Ausbildungsstandards und darüber, wie weit „sein“ Adviser qualifiziert ist, zu informieren. Allerdings verlangen einige einzelstaatliche Gesetze zusätzlich zur Registrierung das Bestehen eines Tests (exam).159 2. Die Regelungen für Broker-Dealer Anders ist bisweilen die Ausgestaltung für die im Vergleich zum Investment Adviser weniger streng regulierten Broker-Dealer. Für diese hat SEC von ihrer Ermächtigung gem. Sec. 15 (b) (7) Securities Exchange Act (SEA) Gebrauch gemacht und Standards für die Betriebskapazität, die Ausbildung, Erfahrung, 155 Schelm, Sorgfalts- und Loyalitätspflichten im Investmentrecht, 31 Fn. 47; Frankel/Laby §1.02 (A), 1 – 39; Black, 13 U. Pa. J. Bus. L. 59, 64. 156 Frankel/Laby §1.02 (A), 1 – 39. 157 s. dazu Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VII, Kap. 8, 336 f. 158 SEC, General Information on the Regulation of Investment Advisers; Loss/Seligman/ Paredes, Securities Regulation VII, Kap. 8, 337 f. 159 Frankel/Laby §10.1, 10 – 6; Black, 13 U. Pa. J. Bus. L. 59, 64; s. auch http://www.nasaa. org/industry-resources/exams/ (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018) zum Series 65 exam bestehend aus 140 Fragen, die in 180 Minuten mit 72 % beantwortet werden müssen, um Investment Adviser Representative zu werden. Dieser Test kann jedoch umgangen werden, wenn der Abschluss eines Certified Financial Planner (CFP), Chartered Financial Consultant (ChFC), Personal Financial Specialist (PFS), Chartered Financial Analyst (CFA), or Chartered Investment Counselor (CIC) vorliegt. Die Voraussetzungen der Registrierung in den einzelnen Staaten sind unterschiedlich, New York bspw. verlangt kein Exam.

A. Sachkundenachweis

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Kompetenz und andere Qualifikationen für registrierte Broker-Dealer und die dazugehörigen Personen festgelegt.160 So müssen unter anderem zur Sicherstellung des Knowhows Personen, die zu den Broker-Dealern gehören, bspw. Börsenmakler, und sich direkt mit der Firma oder mit dem Kunden befassen, einen Test bestehen.161 Dabei hat SEC einen Minimum-Katalog an Vorgaben erstellt, verlässt sich aber hinsichtlich der Erstellung und der Durchführung der Tests auf FINRA162 – der für die Broker-Dealer und die Konkretisierung des SEA zuständigen Aufsichtsbehörde.163 Gemäß Sec. 15 (b) I SEA kann SEC die Registrierung bei Hinweisen auf Fehlverhalten oder falschen Angaben verweigern (oder später widerrufen).164 Allerdings bestehen großzügige Ausnahmen von der Registrierungspflicht, sodass hier eine Umgehungsmöglichkeit besteht. Des Weiteren ist SEC ebenfalls für Sanktionen zuständig, Sec. 10 (b) SEA. Zugleich muss sich der Broker-Dealer zusätzlich zur Registrierung bei SEC bei einer Selbstverwaltungsorganisation registrieren, i. d. R. FINRA. Diese verlangen das Bestehen der Series 7 Examination sowie der Series Exam 63.165 Darüber hinaus verlangt NASD Rule 1120 eine dauerhafte Sachkunde des einmal registrierten Broker-Dealers, indem ein computergestütztes Trainingsprogramm zum 2. Jahrestag der Registrierung absolviert werden muss, danach alle drei Jahre. Zusätzlich muss das WpDU den Broker-Dealer hinsichtlich der Produkte und der Dienstleistungen, die dem Kunden angeboten werden, regelmäßig schulen. 3. Vergleich und Bewertung Die Regelungen des amerikanischen Rechts differieren nicht nur im Vergleich zum deutschen Recht, sondern auch hinsichtlich der Ausgestaltung für Investment Adviser und Broker-Dealer. Die Regelungen für letztere weisen allerdings Gemeinsamkeiten mit den Anforderungen für die deutschen Berater auf. Der BrokerDealer ist verpflichtet, seine Sachkunde dauerhaft aufrecht zu erhalten. Er muss dies sogar alle zwei Jahre durch einen Test belegen. Auch seine Qualifikation muss er zu Beginn durch eine Prüfung bei der Aufsichtsbehörde nachweisen. Der deutsche Berater kann seine Beratungsqualifikation zu Beginn der Tätigkeit durch den Nachweis eines von der BaFin akzeptierten Abschlusses darlegen. Einen Test muss 160

Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulations VI, Kap. 8, 601 f. Cox/Hillmann/Langevoort, Securities Regulation, Kap. 18, 1021; Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VI, Kap. 8, 601 f. 162 Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VI, Kap. 8, 602 f.; Black, 13 U. PA. J. Bus. L. 59, 63. 163 FINRA, Books and Records, IV. Electronic Communications. 164 Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VI, Kap. 8, 707. 165 s. hierfür http://www.nasaa.org/industry-resources/exams/series-63-resources/ (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). Es müssen 43 aus 60 gewerteten Multiple-Choice-Fragen innerhalb von 75 Minuten richtig beantwortet werden. Ausf. zu den Exams und den entsprechenden fees, Tuch, 83 Geo. Wash. L. Rev. 101, 120 f. 161

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4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

er auch ausdrücklich nicht absolvieren, um die Aufrechterhaltung seiner Fähigkeiten nachzuweisen. Mithin sind die amerikanischen Regelungen enger an die Aufsichtsbehörde geknüpft. Gemein ist dem amerikanischen und dem deutschen Recht, dass beide das WpDU verpflichten den Berater regelmäßig hinsichtlich neuer Produkte oder Dienstleistungen, die dem Kunden angeboten werden, zu schulen. Grundsätzlich sind die WpDU nach beiden Rechtsordnungen auch dazu verpflichtet, ihre Berater vor Aufnahme der Tätigkeit bei der Aufsichtsbehörde zu registrieren, bzw. deren Registrierung zu überprüfen.

V. Fazit zu den neuen Sachkundeanforderungen Es zeigt sich, dass die Herangehensweise an die Qualifikation der Mitarbeiter zwischen den europäischen Mitgliedstaaten und den USA deutlich differiert und die USA ein nicht so weit verzweigtes Netzt an Regelungen für die Unternehmen und die Adviser entworfen haben. Zugleich zeichnet sich auch hinsichtlich der europäischen Regelung ab, dass diese maßgeblich durch die bereits in Deutschland und Großbritannien bestehenden Regelungen geprägt wurde. Allen drei Rechtsordnungen ist es jedoch gemein, dass die Aufsichtsbehörden ein Beraterregister führen und den Berater als zentrale Schlüsselfigur für die Beratungsqualität und die Vermeidung von Interessenkonflikten betrachten. Für die Gesamtbetrachtung des Regelungsbildes der Beraterqualifikation lohnt es sich jedoch, einen Schritt zurückzutreten, um das gesamte Ausmaß zu erfassen. Grundlegend ist ein gewisses Maß an Ausbildung und Schulung sowie deren Aufrechterhaltung für die Beratungsqualität notwendig und sinnvoll. Anhand der nun auf europäischer Ebene vorliegenden, dezidierten Anforderungen wird die Sinnhaftigkeit jedoch in Frage gestellt. Auf diese Weise können nur Fehler der ohnehin redlichen Berater abgefangen werden. Ein Berater, der eine Schulung besucht und diese mit einem hervorragenden Zeugnis abschließt, kann in der Praxis etwas vollständig anderes praktizieren, als er zuvor in einer Schulung gelernt hat.166 Daher sind Vorschläge, allgemeine Qualifikationstests, bspw. bei der Industrie- und Handelskammer durchzuführen, um ein einheitliches Qualifikationsniveau sicherzustellen,167 verfehlt. Sachkunde und Qualifikationsnachweise beugen weder kriminellen Energien vor, noch erschweren sie solche. Dieses Fehlverhalten kann nur durch interne Kontrollen aufgedeckt werden. Bspw. indem die Rückabwicklungsquoten des Beraters beobachtet werden und bei Überschreiten eines bestimmten Prozentsatzes

166

s. Witteck, Interview v. 14. 09. 2016. s. Laban, Organisations- und Verhaltenspflichten in der Anlageberatung nach Inkrafttreten des AnsFuG, 234 f. 167

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direkt das Gespräch mit dem Berater gesucht wird, um die Hintergründe dafür aufzuklären.168 Eine solche Herangehensweise böte sich auch für die BaFin an. Anstatt allen WpDU und Mitarbeitern zusätzliche Anforderungen aufzuerlegen, könnte die BaFin beobachten, in welchen WpDU besonders viele Beschwerden auftreten und ob diese gerechtfertigt sind – schließlich müssen alle Beschwerden gemeldet werden.169 Hier könnte sie dann zusätzliche Anforderungen anbringen oder entsprechende Personen ausschließen. Die detaillierten Vorgaben hinsichtlich der qualifizierten Abschlüsse und Nachweise werden dazu führen, dass die WpDU noch kritischer hinterfragen werden, wo und wie der Berater seine Kenntnisse erlangt hat und lieber einen hochkarätigen Nachweis in Form eines Schulungszertifikats von einem renommierten Schulungsanbieter in ihren Mitarbeiterakten abspeichern, anstatt sich auf die Erfahrungsregel zu verlassen. Dies freut jedoch diejenigen Unternehmen, die sich auf die Schulung in Form von Modulen und Zertifikaten spezialisiert haben.170 Dadurch wird von dem Gesetzgeber ein eigenständiger Wirtschaftszweig kreiert bzw. gefördert. Die Sachkunde wird ebenso durch interne Schulungen erlangt, indem der jeweilige Mitarbeiter bei einem erfahrenen Mitarbeiter lernt und ein interner auf das jeweilige WpDU und seine Kunden angepasster Wissenstransfer stattfindet.171 Solche Schulungen sind grds. immer noch möglich und können über die bislang stattfindenden jährlichen Prüfungen der verantwortlichen Vertriebsbeauftragten und Compliance-Officer durch externe Prüfer bzw. Prüfberichte nachgewiesen werden. Allerdings ist dies aufwendiger, als die Mitarbeiter entsprechend extern zu schulen. Einen Mehrwert in Form einer verbesserten Beratungsleistung dürften am allerwenigsten die Kunden spüren – vielmehr wird diese teurer, da die neuen Schulungskosten finanziert werden müssen. Die Anforderungen berücksichtigen nicht das hohe Eigeninteresse der WpDU, durch qualifizierte Ausbildung der Berater Kunden zu gewinnen, zu binden und sich von der Konkurrenz abzuheben, aber auch um sich vor den gravierenden Folgen der zivilrechtlichen Haftung für Beratungsfehler zu schützen.172 Daher wäre ein gewisser Grundstock an Anforderungen zur Sachkunde und zu deren Aufrechterhaltung der Berater ausreichend. Darüber hinaus zeigt sich anhand der Fülle der neuen Anforderungen, dass diese durch kleine Bankfilialen, oder durch den einzelnen Bankberater, nicht mehr erbracht werden können, sondern kopflastig Teams eingerichtet werden müssen, die 168 So bspw. praktiziert bei der Deutschen Vermögensverwaltung, s. dazu Stachowiak, Interview v. 12. 04. 2017. 169 Witteck, Interview v. 14. 09. 2016. 170 I. E. Witteck, Interview v. 14. 09. 2016. 171 Witteck, Interview v. 14. 09. 2016. 172 Jäger, Interview v. 24. 10. 2016.

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4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

für die gesamte Bank die politischen Entwicklungen, deren Auswirkungen sowie aktuelle Trends etc. aufnehmen und beurteilen, an denen sich die Berater orientieren.173 Aber auf diesem Wege entstehen neue „Qualitätsprobleme“, denn die Einordnung obliegt immer noch dem einzelnen Berater, der sich jedoch nicht mehr dezidiert mit einzelnen Themen auseinandergesetzt hat, sondern ausschließlich der Hausmeinung folgt. Hier besteht die Gefahr des stumpfen Nachbetens der vorgegebenen Meinung, ohne diese zu hinterfragen. Eine Qualitätssteigerung ist damit nicht in jedem Falle gegeben. Durch die neuen detaillierten Vorgaben, die kleinere WpDU vor hohe Herausforderungen stellen, zeigt sich, dass der europäische Gesetzgeber erneut das deutsche Bankensystem mit seinen kleineren Banken außer Acht lässt.174 Langfristig können die kleineren Banken die stetig steigenden Anforderungen nicht erfüllen, bzw. nicht mehr in jeder Filiale eine entsprechende Beratung anbieten. Damit jedoch weiterhin ein flächendeckendes Beratungsangebot bestehen bleibt, könnten die WpDU bspw. Kompetenz-Teams bilden, die entsprechend geschult sind und bei Bedarf in die jeweilige Filiale kommen und dort die Beratung durchführen. Das Kompetenz-Team hätte nicht nur einen Kostenvorteil, sondern wäre aufgrund der ausschließlichen Beratungstätigkeit sehr spezialisiert. Indem der Filialmitarbeiter ebenfalls an dem Beratungsgespräch teilnimmt, könnte auch die Berater-Kunden-Bindung aufrechterhalten werden. Jedoch würde ggf. die Kompetenz des Filialmitarbeiters als bisheriger Ansprechpartner nach außen für den Kunden abgewertet. Allerdings zeigt dieses Szenario, dass langfristig, aufgrund der stetig steigenden Anforderungen und damit einhergehenden Kosten, das bislang flächendeckende Beratungsangebot eingeschränkt werden wird.

B. Mitarbeitervergütung ohne Anreize zur Falschberatung I. Europäische Regelungen 1. Die Vergütungsregelungen der MiFID II Den zweiten Ansatzpunkt zur Verbesserung der Beratungsqualität, die Beratervergütung, wird an mehreren Stellen aufgegriffen. Das Problem der falschen Anreizwirkung durch Vergütungssysteme der Anlageberater war bereits in der MiFID I enthalten und wurde in ESMA-Leitlinien175 konkretisiert. Allerdings wurde bislang 173 174

2016.

Zur Einrichtung von solchen Head-Teams Herting/Alpers, Interview v. 13. 02. 2017. Ausdrücklich aber in anderem Zusammenhang Michels/Backes, Interview v. 15. 11.

175 ESMA, Guidelines on remuneration policies and practices. Die deutsche Fassung wird im Folgenden als ESMA, Leitlinien Vergütungsgrundsätze und -verfahren zitiert.

B. Mitarbeitervergütung ohne Anreize zur Falschberatung

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nur reglementiert, dass Interessenkonflikte zu vermeiden sind und diese die Mitarbeiter nicht behindern dürfen, im besten Kundeninteresse zu handeln.176 Die MiFID II greift diesen Themenkomplex gleich an mehreren Stellen auf. So muss das Leitungsorgan des WpDU ein Vergütungssystem für Mitarbeiter, die Kundendienstleistungen erbringen, festlegen, einführen und überwachen, Art. 9 Abs. 3 UA 2 lit. c) MiFID II. Dieses Vergütungssystem soll eine verantwortungsvolle Unternehmensführung, eine faire Behandlung der Kunden und eine Vermeidung von Interessenkonflikten im Verhältnis zu den Kunden ermöglichen, Art. 9 Abs. 3 UA 2 lit. c) MiFID II. Eine persönliche Haftung, sowohl straf- als auch zivilrechtlich, wie sie noch im Parlamentsentwurf zur MiFID II vorgesehen war, wurde jedoch in der endgültigen Fassung nicht aufgenommen.177 Die Vergütung und die Bewertung der für den Kunden erbrachten Mitarbeiterdienstleistung darf den Berater nicht veranlassen, das bestmögliche Kundeninteresse zu vernachlässigen, Art. 24 Abs. 10 S. 1 MiFID II. Zugleich darf keine Vergütungsvereinbarung, keine Verkaufszielvereinbarung oder ähnliches getroffen werden, die die Mitarbeiter des WpDU dazu verleiten könnten, dem Kleinanleger nicht das am besten geeignete, vom WpDU bereit gehaltene Produkt zu empfehlen (S. 2). Darüber hinaus widmet sich auch Art. 23 Abs. 1 i.V.m. Art. 16 Abs. 3 MiFID II der Vergütungsstruktur, indem das WpDU geeignete Vorkehrungen zur Vermeidung, Erkennung oder Regelung von Interessenkonflikten treffen muss, einschließlich solcher, die durch die eigene Vergütungsstruktur oder andere Anreizwirkung durch das WpDU entstehen. Die neuen Organisations- und Verhaltensvorschriften spiegeln den hohen Stellenwert, den der europäische Gesetzgeber dieser potentiellen Fehlerquelle weiterhin beimisst, wider. So sind ausweislich des ErwG. 77 die Regelungen der Vergütungssysteme zum Zwecke des Verbraucherschutzes vorgesehen. Daher überrascht es, dass die Anforderungen an die Vergütungsstruktur im Vergleich zum Vorschlag des europäischen Parlaments verallgemeinert wurden und damit an Strenge verloren haben.178 Dieser sah noch ausdrücklich vor, dass die Vergütung nicht weitgehend von Verkaufszielen, vom Ertragswert der Anlageprodukte oder Finanzinstrumente abhängen darf, Art. 24 Abs. 1b lit. a) MiFID II-EPE. Zudem sollte die Vergütungsstruktur der Mitarbeiter, die Kleinanleger über Finanzinstrumente beraten oder ihnen diese verkaufen, nicht ihre Fähigkeit einschränken, ggf. eine objektive Empfehlung abzugeben oder Informationen in einer Weise zur Verfügung zu stellen, die fair, klar und nicht irreführend ist. Diese Anforderungen fehlen in der endgültigen Regelung.179 176

ESMA, Final Report, Kap. 2.11, S. 96, Nr. 4. Art. 9 Abs. 8a MiFID II-EPE (s. 1. Teil, Fn. 14); Möllers, ZEuP 2016, 325, 343 Rn. 138. 178 Vgl. Möllers, ZEuP 2016, 325, 342 f. 179 A.A. Möllers, ZEuP 2016, 325, 342 f., der verkennt, dass Art. 24 Abs. 10 MiFID II auch die Beurteilung der Mitarbeiter dahingehend verbietet, dass das verwendete Vergütungssystem nicht der Verpflichtung im bestmöglichen Anlegerinteresse zu handeln entgegenstehen darf. 177

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4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

2. Konkretisierte Anforderungen in der delegierten Verordnung a) ESMAs Vorschläge an die Kommission Die Vorschläge, die ESMA in ihrem Final Report anführt, orientieren sich an den Leitlinien, die ESMA hinsichtlich der Vergütungsstruktur bereits im Jahr 2013 veröffentlicht hat. ESMA schlägt der Kommission vor, dass die Vergütungsstrukturregelungen für alle relevanten Personen gelten sollen, unabhängig davon, ob sie Kleinanleger oder professionelle Kunden beraten, wenn diese bedeutenden – sowohl direkten als auch indirekten – Einfluss auf die von dem WpDU erbrachten Wertpapier- und Wertpapiernebendienstleistungen oder das unternehmerische Verhalten haben.180 Dies soll jedoch nur insoweit gelten, als dass die Vergütung dieser Personen oder ähnliche Anreize zu einem Interessenkonflikt führen könnten, welcher sie veranlasst, gegen die Interessen eines Kunden des WpDU zu handeln.181 Die WpDU sollen nach Ansicht von ESMA ihre Vergütungspolitik, die sie kurz-, mittel- oder langfristig implementieren, nach einem geeigneten internen Verfahren festlegen, welches die Interessen aller Kunden des Unternehmens berücksichtigt.182 Damit soll eine faire Behandlung der Kunden gewährleistet und ein Verstoß gegen ihre Interessen aufgrund von Vergütungspraktiken verhindert werden.183 Das Vergütungssystem muss nach Beratung mit der Compliance-Abteilung durch das Management genehmigt werden.184 Dieses ist ebenfalls für die tägliche Umsetzung und die Compliance Überwachung zuständig.185 Für die inhaltliche Ausgestaltung der Vergütungssysteme möchte ESMA anstelle von ausschließlich oder überwiegend quantitativen Kriterien qualitative – bspw. die Einhaltung von Vorschriften, die faire Behandlung der Kunden und die Qualität der Dienstleistungen – im vollen Umfang berücksichtigen.186 Es soll jederzeit ein Gleichgewicht zwischen fixen und variablen Vergütungen bestehen, damit die Interessen des WpDU oder ihrer relevanten Personen nicht durch die Vergütungsstruktur gegenüber den Interessen eines Kunden begünstigt werden.187

Zwar wählt Art. 24 Abs. 10 MiFID II den Begriff des Kollidierens anstatt den des Entgegenstehens, praktisch ergibt sich daraus jedoch keine Unterscheidung in der Ausführung. Auch kann durch das Tatbestandsmerkmal des Art. 24 Abs. 10 S. 2 MiFID II „auf sonstigem Wege“ die von dem Parlamentsentwurf ausdrücklich aufgeführte und noch in S. 1 ebenfalls enthaltene Leistungsbewertung erfasst sein. 180 ESMA, Final Report, Kap. 2.11, S. 98, TA Nr. 2. 181 ESMA, Final Report, Kap. 2.11, S. 98, TA Nr. 2. 182 ESMA, Final Report, Kap. 2.11, S. 98, TA Nr. 3. 183 ESMA, Final Report, Kap. 2.11, S. 98, TA Nr. 3. 184 ESMA, Final Report, Kap. 2.11, S. 98, TA Nr. 4. 185 ESMA, Final Report, Kap. 2.11, S. 99, TA Nr. 5. 186 ESMA, Final Report, Kap. 2.11, S. 99, TA Nr. 6. 187 ESMA, Final Report, Kap. 2.11, S. 99, TA Nr. 7.

B. Mitarbeitervergütung ohne Anreize zur Falschberatung

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b) Die Regelungen der MiFID II-DLVO In der MiFID II-DLVO lassen sich einige von ESMAs Vorschlägen wiederfinden. Allerdings hat die Kommission berücksichtigt, dass es bei kleineren Unternehmen je nach Strenge der Ausgestaltung der einzelnen Vorschriften zu erheblichen Problemen kommen kann: So stellt die Kommission fest, dass es bei kleineren WpDU nicht grds. die Unabhängigkeit der Funktion des Compliance-Managements und des Risikomanagements, die die Vergütungsregelungen aufstellen, aufhebt, wenn diese Funktionen durch eine Einzelperson ausgeübt werden.188 Der von ESMA entworfene Anwendungsbereich für die Vergütungsregelung wird überwiegend in Art. 27 Abs. 2 MiFID II-DLVO übernommen. Er wird jedoch dahingehend konkretisiert, dass auch Kundendienstmitarbeiter, Vertriebsmitarbeiter oder sonstige Mitarbeiter, die indirekt an der Erbringung der Wertpapier- oder Nebendienstleistungen beteiligt sind, erfasst werden sollen.189 Zugleich gelten die Vergütungsregelungen auch für Abteilungsleiter bzw. für Personen, die den Vertrieb überwachen. Damit soll gewährleistet werden, dass diesen keine Anreize geboten werden, die sie dazu veranlassen könnten, Druck auf die Mitarbeiter auszuüben, das Kundeninteresse zu vernachlässigen.190 Gleiches gilt für Finanzanalysten, da deren Unterlagen von den Vertriebsmitarbeitern als Grundlage zur Vermittlung herangezogen werden. Die Verantwortlichkeit des Managements und die Ausgestaltung hinsichtlich fixer und variabler Kosten übernimmt die Kommission ebenfalls vollständig in Art. 27 Abs. 3, 4 MiFID II-DLVO. In Art. 27 Abs. 1 MiFID II-DLVO legt die Kommission noch einmal grds. fest, dass WpDU in internen Verfahren Vergütungsregelungen aufzustellen haben, die die Interessen aller Kunden des WpDU berücksichtigen und durch die sichergestellt wird, dass die Kunden fair behandelt werden und „[…] dass ihre Interessen durch die von der Wertpapierfirma übernommenen Vergütungspraktiken kurz-, mittel- oder langfristig nicht beeinträchtigt werden“. Diese Regelungen sollen auch eine Definition der Vergütung festlegen, um eine effiziente und kohärente Anwendung der Bestimmungen sicherzustellen.191 Die MiFID II-DLVO enthält darüber hinaus eine nicht abschließende Aufzählung über direkte und indirekte Vergütungen, die unter die Regelung fallen sollten. Diese enthält Aktien, Aktienbezugsrechte, Beiträge zur Altersvorsorge, Lohnerhöhungen oder Beförderungen, Krankenversicherung, großzügige Dienstreisekostenabrechnungen etc. und entspricht damit der bestehende Vergütungsdefinition von ESMA in den Leitlinien 2013.192

188 189 190 191 192

ErwG. 37 MiFID II-DLVO. ErwG. 41 MiFID II-DLVO. ErwG. 41 MiFID II-DLVO. ErwG. 40 MiFID II-DLVO. ESMA, Leitlinien Vergütungsgrundsätze und -verfahren, S. 4.

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4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

Insgesamt hat sich die Kommission damit den Vorschlägen und der Ansicht von ESMA hinsichtlich der Vergütungsregelungen angeschlossen. Da sich die Kommission dazu entschlossen hat, den delegierten Rechtsakt in Form einer Verordnung umzusetzen, welche unmittelbare Wirkung erlangt, braucht diese nicht in nationales Recht umgesetzt werden. Dennoch soll im Folgenden ein Blick auf die bisherige Rechtslage im deutschen Recht geworfen werden, um Änderungen aufzeigen zu können.

II. Die Vergütungsregelungen in Deutschland 1. Die Vergütungsregelungen vor der Umsetzung der europäischen Anforderungen In der deutschen Rechtsordnung bestehen viele Einzelregelungen hinsichtlich der Vergütung im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen bzw. WpDU. Hier ist das Versicherungsaufsichtsgesetz, die Versicherungsvergütungsverordnung, das Kreditwesengesetz sowie die Institutsvergütungsverordnung zu nennen. Diese agieren jedoch im Hinblick auf das dem jeweiligen Institut innewohnende systemische Risiko.193 Somit haben sie eine andere Schutzrichtung als die Regelungen der MiFID II, die die vergütungsbezogenen Risiken im Hinblick auf das Kundeninteresse regulieren sollen. Daher sollen diese in der folgenden Betrachtung der nationalen Regelungen nicht weiter berücksichtigt werden. Eine mit der europäischen Regelung vergleichbare Schutzrichtung lässt sich in § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 3a WpHG finden, der festlegt, dass Vertriebsvorgaben nicht entgegen der Kundeninteressen ausgestaltet werden dürfen. Die Vertriebsvorgaben erfassen dabei, ausweislich der Regierungsbegründung, auch Bonussysteme.194 § 13 Abs. 3 Nr. 3 WpDVerOV konkretisiert § 31 Abs. 1 WpHG dahingehend, dass die Vergütung der Mitarbeiter unabhängig von der Vergütung von Mitarbeitern mit anderen Aufgabenbereichen und unabhängig von den erwirtschafteten Unternehmenserlösen oder Prämien ausgestaltet wird, sofern eine der Tätigkeiten einen Interessenkonflikt auslösen kann.195 Zusätzlich hat die BaFin die bereits angesprochene ESMA-Leitlinie in ihre Verwaltungspraxis umgesetzt, indem sie diese in die MaComp integriert hat.196 So erlangte diese faktische Bindungswirkung gegenüber den Aufsichtsobjekten.197 Die BaFin wählte hierfür zwar einen anderen Aufbau, um sie in das bereits bestehende Gefüge von nationalen Regelungen zu integrieren und übernahm daher auch teilweise die deutsche Terminologie, aber veränderte die 193 194 195 196 197

Becker, BKR 2014, 151, 153. Begr. RegE AnsFuG, BT-Drs. 17/3628, S. 22; Becker, BKR 2014, 151, 153. Ausf. zu § 13 Abs. 3 Nr. 2 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 149. Becker, BKR 2014, 151, 153. Becker, BKR 2014, 151, 153.

B. Mitarbeitervergütung ohne Anreize zur Falschberatung

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Leitlinien inhaltlich nicht.198 Da die BaFin mit BT 8 der MaComp die Leitlinien von ESMA umgesetzt hat und diese die Grundlage für ESMAs Technical Advice bildeten, der wiederum die Basis der MiFID II-DLVO darstellt, bestehen aktuell schon viele Übereinstimmungen mit der MiFID II-DLVO. Wie die MiFID II-DLVO differenziert BT 8 der MaComp ebenfalls nicht zwischen Kundengruppen. Erfasst werden „[…] Personen, die die erbrachten Wertpapierdienstleistungen, Wertpapiernebendienstleistungen oder das Verhalten des WpDU maßgeblich beeinflussen können […]“.199 Dass dies auch, wie nun ausdrücklich in der MiFID II-DLVO festgehalten, durch indirekten Einfluss geschehen kann, ergibt sich aus BT 8.1. Nr. 2 MaComp. Dieser erfasst, wie die ErwG. der MiFID II-DLVO, Vertriebsmitarbeiter, Außendienstmitarbeiter, vertraglich gebundene Vermittler sowie Personen, die die Vertriebsmitarbeiter kontrollieren – also deren Vorgesetzte. Eine Abweichung zu den ErwG. der Kommission sowie zu den ESMA Leitlinien 2013 ergibt sich für die Vergütungsdefinition. Diese ist grds. gleichlautend mit den europäischen Vorgaben, allerdings sieht BT 8.1. Nr. 3 MaComp eine Ausnahme für gesetzliche Rentenversicherungen i.S.d. SGB und betriebliche Altersversorgung i.S.d. Betriebsrentengesetzes vor.200 Die Definition der MiFID II-DLVO berücksichtigt jedoch beide als Vergütung. Dennoch kann die deutsche Regelung mit der Ausnahme beibehalten werden, da es sich bei der Festlegung der Vergütungsdefinition um eine Soll-Vorschrift handelt und die Altersversorgung hierfür beispielhaft aufgezählt wurde. So können nationale Besonderheiten weiterhin bestehen bleiben. Die grds. Zielsetzung der Kommission aus Art. 27 Abs. 1 MiFID II-DLVO findet sich wortgleich in BT 8.2.1 Nr. 1. MaComp. Nr. 2 schreibt wie nun Art. 9 Abs. 3 UA 2 lit. c) MiFID II vor, dass die Verantwortung zur Einführung eines solchen Vergütungssystems bei dem Leitungsorgan liegt. Die Compliance-Funktion ist vor Erlass der Vergütungsordnung ebenfalls nach BT 8.2.1 Nr. 3 hinzuzuziehen. Darüber hinaus ist die Compliance-Funktion auch nach 8.2.2. MaComp mit der Überwachung der Einrichtung, Ausgestaltung und Umsetzung des Vergütungssystems betraut. Diese sind, angepasst an die ESMA Leitlinien, detaillierter als die schlichte Aussage der Kommission, dass diese zu überwachen sind. Auch das geforderte Gleichgewicht zwischen fixen und variablen Vergütungen ist Teil, wenn nicht sogar Herzstück, der MaComp (BT 8.3).201 Diese müssen allerdings nicht in einem Gleichgewicht stehen, sondern in einem angemessenen Verhältnis. Dieses wird anhand von § 25a Abs. 5 KWG konkretisiert, sodass die variable Vergütung nicht 100 Prozent der festen Vergütung betragen darf. Im Einzelfall soll die variable Vergütung sogar vollständig entfallen. Auch die Festlegung, dass die variable Vergütung sich nicht ausschließlich an quantitativen Kriterien, sondern an qualitativen Elementen ausrichten muss, ist nach BT 8.3.2. Nr. 2 MaComp in der Verwaltungspraxis der BaFin bereits reglementiert. 198

Becker, BKR 2014, 151, 153. BT 8.1 Nr. 2 MaComp, vom 07. 06. 2010, geändert am 08. 03. 2017; Becker, BKR 2014, 151, 154. 200 Vgl. Becker, BKR 2014, 151, 155. 201 Becker, BKR 2014, 151, 156 ff. 199

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4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

Mithin zeigt sich, dass sich zwischen der neuen Verordnung und der bereits bestehenden Verwaltungspraxis der BaFin nur unterschiedliche Detaillierungsgrade finden lassen, jedoch keine wesentlichen Neuerungen. Folglich müssen die Unternehmen keine gravierende Umstellung vornehmen, wenn die Regelungen der Verordnung in Kraft treten. 2. Die Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im 2. FiMaNoG Trotz der Regelung in einer Verordnung nimmt § 63 Abs. 3 WpHG-E RegE 2. FiMaNoG202 die Vergütungsregelung auf und statuiert, dass die WpDU sicherstellen müssen, dass die Leistung ihrer Mitarbeiter nicht in einer Weise vergütet oder bewertet wird, die mit der Pflicht, im bestmöglichen Interesse der Kunden zu handeln, kollidiert. Zusätzlich betont § 63 Abs. 3 S. 2 WpHG-E203 den Umgang mit dem Privatkunden. Dieser darf durch eine falsche Anreizsetzung in Form von Vergütungsvereinbarungen, Verkaufszielen oder in sonstiger Weise nicht der Gefahr ausgesetzt werden, dass er durch einen auf diese Weise beeinflussten Berater ein Finanzprodukt empfohlen bekommt, obwohl das WpDU ihm ein geeigneteres Produkt hätte anbieten können. Letztlich fasst die Entwurfsregelung die Anforderungen aus der MiFID II-DLVO zusammen, übersieht jedoch, dass diese gerade nicht zwischen den einzelnen Kundengruppen unterscheidet. Für weitere Bestimmungen hinsichtlich der Vergütung verweist § 63 Abs. 13 WpHG-E auf die MiFID II-DLVO. Durch § 81 Abs. 1 Nr. 3 WpHG-E im RegE 2. FiMaNoG204 soll Art. 9 Abs. 3 UA 2 lit. c) MiFID II umgesetzt werden. Auch dieser überträgt der Geschäftsleitung die Festlegung, Umsetzung und Überwachung der Vergütungsregelungen (im RefE 2. FiMaNoG noch als Vergütungspolitik bezeichnet) an Personen, die Wertpapieroder Wertpapiernebendienstleistungen ggü. Kunden erbringen. Diese müssen dafür Sorge tragen, dass eine verantwortungsvolle Unternehmensführung implementiert wird (a), eine faire Behandlung der Kunden durchgeführt wird (b) und Interessenkonflikte im Verhältnis zu den Kunden vermieden werden (c). Hier übersieht jedoch der Gesetzgeber die Anforderungen der Konsultation der Compliance-Funktion und die ihr übertragene Aufgabe der Überwachung. Allerdings wird der Verstoß des Geschäftsleiters ebenfalls mit einer Ordnungswidrigkeit bei Verstoß gegen § 70 WpHG-E nach § 109 Abs. 8 Nr. 109 WpHG-E geahndet bzw. bei Verstoß gegen § 81 WpHG-E nach § 120 Abs. 8 Nr. 110 WpHG-E. Der Beschlussvorschlag des Finanzausschusses, der durch den Bundestag und den Bundesrat beschlossen und am 23. 06. 2017 als 2. FiMaNoG veröffentlicht wurde, nimmt an den hier zum RegE vorgestellten Regelungen keine Veränderungen mehr vor und räumt damit auch nicht die hier bislang in der deutschen Fassung miss202 § 55 Abs. 2 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG, der dies nur für WpDU, die Wertpapierdienstleistungen erbringen, festlegte. 203 § 55 Abs. 2 S. 2 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG. 204 § 70 Abs. 1 Nr. 3 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG.

B. Mitarbeitervergütung ohne Anreize zur Falschberatung

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verständliche Formulierung aus. Insgesamt zeigt sich, dass sich für die deutschen WpDU keine bedeutenden Veränderungen ergeben, da sich die deutschen Regelungen bereits an den nicht verbindlichen ESMA-Leitlinien orientierten, die nun in Gesetzesform gegossen wurden.

III. Vergütungsregelungen in Großbritannien Im Zuge der Einführung des Provisionsverbotes durch die RDR hat FSA zugleich Vorgaben für die Vergütungsstruktur der Adviser eingeführt (s. 2. Teil C.II.1.d)). Vorangegangen war eine Review mit dem Ergebnis, dass von 22 autorisierten WpDU, die eigenständige Finanzdienstleistungen anbieten, 20 WpDU Vergütungsstrukturen anwenden, die Fehlanreize setzen und dementsprechend Fehlverkäufe provozieren konnten.205 So wurden weder die Risiken durch die WpDU herausgearbeitet, noch ordnungsgemäß überwacht. Manche Vergütungssysteme waren derart komplex, dass selbst das Management diese nicht mehr überblicken, geschweige denn kontrollieren konnte. Insgesamt wurden Boni überwiegend an die Anzahl der Verkäufe geknüpft, anstatt an qualitative Kriterien. So wurden bspw. Sales-Manager, die die einzelnen Adviser kontrollieren sollten, danach vergütet, wie viele Abschlüsse die von ihnen beaufsichtigten Adviser erzielten.206 Das Ergebnis der Review liest sich daher als „Handbuch“, welches der europäische Gesetzgeber seinen Regelungen zugrunde gelegt hat, um die dort aufgezeigten Missstände künftig auf europäischer Ebene einheitlich zu verhindern. FSAveröffentlichte im September 2012 neue Regelungen zur Vergütungsstruktur, die die Principle 3 der FSA Principles of Business207 und die im FSA Handbook unter dem Kapitel „The Senior Management Arrangements, Systems and Controls“ regulierten organisatorischen und systemischen Kontrollen konkretisierten. Die Vergütungssysteme sollten robuste risikobasierte Business-Qualitäts-Überwachungen aufweisen sowie andere adäquate Kontrollen zur Minderung des Risikos enthalten, um unangemessenes Verhalten bei Verkaufsgesprächen zu verhindern. Gleichzeitig sollten Manager-Informationen herangezogen werden, um Trends oder Muster in einzelnen Tätigkeiten der Vertriebsmitarbeiter zu entdecken und entsprechend darauf reagieren zu können. Auf diese Weise sollte eine ordnungsgemäße Verwaltung der Interessenkonflikte von Vertriebsleitern sichergestellt werden. Eine Aufsicht durch das Senior Management und eine Genehmigung des Vergütungssystems sollte neben einem Verfahren zur Risikoidentifizierung und -begrenzung, ein205

Niemeyer/Thorun, The new financial System in Great Britain, 61. FSA, Guidance to Consultation: Risks to customers from financial incentives, S. 10; FSA, Final Guidance: Risks to customers from financial incentives, S. 10 f. 207 Principle 3: Ein WpDU muss angemessen darauf achten, seine Angelegenheiten verantwortungsvoll und effektiv zu organisieren und zu kontrollieren, vor allem mit einem angemessenen Risikomanagementsystem, FCA, Handbook, PRIN 2.1.1.R. 206

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4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

schließlich regelmäßiger Überprüfung der Anreize und der Wirksamkeit der Kontrollen, eingeführt werden.208 Im Jahr 2014 führte FCA erneut eine Review durch, die zu dem Ergebnis kam, dass sich die Vergütungssysteme der WpDU deutlich positiv verändert haben.209 Dennoch weist FCA darauf hin, dass sie weiterhin Handlungsbedarf bei der Aufdeckung des Risikos sieht.210

IV. Ein Ausblick auf die Regelungen der Vereinigten Staaten von Amerika Auch im amerikanischen Recht ist die Gefahr des Fehlanreizes durch Bonussysteme nicht unbekannt. So arbeitet SEC an einer neuen Regelung für Bonussysteme, wozu sie gem. Sec. 956 des Dodd-Frank Act ermächtigt wurde.211 Diese neue Regelung würde einen Großteil der Finanzindustrie, sowohl Banken als auch einzelne Investment Adviser treffen.212 Der Dodd-Frank Act legt fest, dass Bonussysteme, die übermäßig sind oder die zu erheblichen Verlusten führen können, verboten werden sollen (i) und dass alle anreizbasierten Vergütungssysteme (Bonussysteme) der Covered Financial Institutions offen gelegt werden sollen (ii). Nach den Vorschlägen von SEC sollen Vergütungen dann als übermäßig anzusehen sein, wenn die gezahlten Beträge unvernünftig oder unverhältnismäßig hinsichtlich ihrer Menge, Art, Qualität und Umfang der Dienstleistungen, die durchgeführt wurde, sind.213 In den Vorschlägen aus dem Jahr 2011 wurde der materielle Verlust nicht definiert, sondern nur statuiert, dass das Senior Management, individuelle Risikoträger und Mitglieder der Risikoträgergruppe erfasst sind. Um unverhältnismäßige Risiken zu vermeiden, müssen drei Schlüsselfaktoren beachtet werden: eine ausgeglichene Gestaltung, unabhängige Risikomanagementkontrollen und eine strenge Überwachung.214 Obwohl die ursprüngliche Frist Ende Juli 2016 ab208

FSA, Final Guidance: Risks to customers from financial incentives, S. 23 f. FSA, Risks to customers from financial incentives – an update, S. 5. 210 s. zur Umsetzung der MiFID II-Vorgaben, die an dieser Stelle nicht explizit besprochen werden sollen, FCA, Markets in Financial Instruments Directive II Implementation – Consultation Paper III, CP 16/29, S. 15 ff. 211 Bereits im Jahre 2011 hatte SEC erste Vorschläge dazu gemacht, die aufgrund des erheblichen Widerspruchs der Finanzindustrie zunächst nicht weiter verfolgt wurden, abrufbar unter: https://www.sec.gov/rules/proposed/2011/34 - 64140.pdf (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). Zur Übersicht über den Vorschlag aus 2011 s. Fross/Morgan, (2011) The Investment Lawyer, Vol. 18, No. 7, p. 23. 212 Farooqi, Incentive-based compensation: Dodd-Frank and the example of Europe. 213 Fross/Morgan, (2011) The Investment Lawyer, Vol. 18, No. 7, p. 23 ff.; Farooqi, Incentive-based compensation: Dodd-Frank and the example of Europe. 214 Fross/Morgan, (2011) The Investment Lawyer, Vol. 18, No. 7, p. 23 ff.; Farooqi, Incentive-based compensation: Dodd-Frank and the example of Europe. 209

B. Mitarbeitervergütung ohne Anreize zur Falschberatung

233

gelaufen ist, nimmt die SEC immer noch weitere Stellungnahmen an. Die ursprüngliche Zielvorgabe, neue Regelungen bis Dezember 2016 zu erlassen, wurde somit nicht erreicht.215

V. Vergleich und Fazit Alle drei Rechtsordnungen bewerten Bonuszahlungen, die an Verkäufe oder andere Anreize geknüpft sind, als potentielle Gefahr für eine kundenorientierte Beratung. Erneut zeigt sich Großbritannien mit den Ergebnissen der Review und den gezogenen Konsequenzen als Vorreiter. Deutschland hat die bisherigen Regelungen von ESMA als auch darüber hinausgehende Vorschriften implementiert, an welchen sich nun ebenfalls ESMA und die europäische Kommission für die delegierten Rechtsakte orientieren. Praktisch entsteht so für die deutschen WpDU kaum Änderungsbedarf in ihren bisher nach der MaComp ausgestalteten und genutzten Vergütungssystemen. Das amerikanische System hat durch den Dodd-Frank Act ebenfalls eine solche Regelung eingeführt, die jedoch noch nicht weiter durch SEC konkretisiert wurde. Insgesamt ist die Regelung der Vergütungsstruktur ein effektives Instrument, um den Interessenkonflikt in der Beratung weiter aufzulösen und eine notwendige Ergänzung zu den Provisionsregelungen. So werden sowohl Anreize von Dritten als auch intern durch die eigene Vergütungsstruktur aufgezeigt und dadurch überwiegend aufgelöst. Positiv zu bewerten ist zugleich, dass nach wie vor die Möglichkeit bestehen bleibt, dass sowohl variable als auch feste Vergütungen gezahlt werden dürfen, sofern sie ausgeglichen sind. Anderenfalls würde den WpDU die Möglichkeit genommen, ihre Mitarbeiter besonders zu motivieren und herausragende Leistungen zu honorieren – so wie es auch in jedem anderen wirtschaftlichen Unternehmen Gang und Gäbe ist. Zugleich ist die variable Vergütung je nach Ausgestaltung ein effektives Mittel den Berater an das beste Kundeninteresse zu binden. Wird er variabel in Abhängigkeit zu dem Erfolg der von ihm empfohlenen Kundenanlagen vergütet, so wird der Berater an dem Kundenerfolg auch ein eigenes Interesse haben. Die Gefahr, dass der Berater besonders gefährliche Geschäfte vorschlägt, um einen möglichst hohen Gewinn des Kunden zu ermöglichen, könnte dadurch minimiert werden, dass der Erfolg langfristig erhalten bleiben muss – ähnlich der Vorstandsvergütung. Dies ist jedoch nur bei laufenden Kundenbeziehungen möglich, sodass auch nur bei diesen ein verstärkter Augenmerk auf diese Variable gelegt werden sollte. 215

SEC, Comments on Proposed Rule: Incentive-Based Compensation Arrangements Release No. 34 – 64140, File No. S7 – 12 – 11. Allerdings hat auch das Consumer Financial Protection Bureau, das Thema der incentive based compensation Ende 2016 aufgenommen, s. CFPB Compliance Bulletin No. 2016 – 3, abrufbar unter: https://s3.amazonaws.com/files.cons umerfinance.gov/f/documents/201611_cfpb_Production_Incentives_Bulletin.pdf (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). In diesem verbietet CFPB solche Vergütungen nicht, formuliert aber ihre Erwartungen an die Ausgestaltungen der ihr zugehörigen Mitglieder, insbesondere soll diese Vergütung strengen internen Leitlinien unterliegen und überwacht werden.

234

4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

C. Gesamtergebnis Der Ansatz, den Berater als Schlüsselfigur zur Erhöhung des Anlegerschutzes zu betrachten, ist der richtige. Allerdings sind dieser Methode Grenzen gesetzt. Sie kann nur insoweit funktionieren, wie sie angemessen und sinnvoll ist. Zusätzliche administrative und bürokratische Anforderungen erschweren den ohnehin stark regulierten Beratungsalltag mehr, als sie nutzen. Fortbildungen sind nur dort sinnvoll, wo Wissenslücken bestehen oder sich neue Anforderungen ergeben. Die Betonung der Ausbildung führt zu einem immer undurchdringlicheren Geflecht von Abschlüssen, Titeln und Zertifikaten. Dies geht letztlich zu Lasten des Anlegers, der dieses im Vorfeld der Beratung durchdringen muss. Die Serviceleistung für den Kunden wird auch nicht zwangsläufig durch einen zur Schulung verpflichteten Berater verbessert. Die Vergütungssystemregelungen in Deutschland entsprechen bereits den künftigen europäischen Vorgaben, sodass hier kein weiterer Anlegerschutz für den deutschen Anleger hinzutritt. Auch hier ist eine Grenze erreicht. Eine Verbesserung des Anlegerschutzes ist daher durch die neuen Regelungen der MiFID II und entsprechender delegierter Rechtsakte zumindest für den deutschen Anleger nicht zu erwarten.

5. Teil

Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation Ein weiterer, gerade für die Umsetzung in das deutsche Recht, relevanter Themenkomplex ist die Einführung einer Aufzeichnungspflicht für die elektronische Kundenkommunikation.

A. Die europäische Regelung I. Die Aufzeichnungspflichten des Art. 16 Abs. 6 und 7 MiFID II Gem. Art. 16 Abs. 6 MiFID II muss das WpDU sicherstellen, dass „[…] Aufzeichnungen über alle ihre Dienstleistungen, Tätigkeiten und Geschäfte geführt werden, die ausreichen, um der zuständigen Behörde zu ermöglichen, ihrer Aufsichtspflicht nachzukommen und die […] vorgesehenen Durchsetzungsmaßnahmen zu ergreifen und sich vor allem zu vergewissern, dass die Wertpapierfirma sämtlichen Verpflichtungen, einschließlich denen gegenüber den Kunden oder potenziellen Kunden und im Hinblick auf die Integrität des Marktes, nachgekommen ist“. Unter diese in Art. 16 Abs. 6 MiFID II genannten Aufzeichnungen fallen gem. Art. 16 Abs. 7 MiFID II elektronische Mitteilungen und Telefongespräche. Allerdings nur solche Kommunikationen, die sich auf „[…] die beim Handel für eigene Rechnung getätigten Geschäfte und die Erbringung von Dienstleistungen, die sich auf die Annahme, Übermittlung und Ausführung von Kundenaufträgen beziehen“1. Nach dem von UA 1 geforderten weiten Verständnis sind damit auch Gespräche, die nur über einen möglichen Abschluss eines solchen Geschäftes geführt werden, aufzuzeichnen.2 Die reine Anlageberatungstätigkeit ist von dem Richtlinienwortlaut ausdrücklich nicht erfasst. Die in dieser Arbeit zu untersuchenden Beratungsgespräche sind jedoch indirekt betroffen, da zu Beginn nicht absehbar ist, ob der Kunde im Anschluss einen Auftrag erteilt.3 Das Telefonberatungsgespräch wäre 1 2

236.

Art. 16 Abs. 7 MiFID II. Kurz, DB 2014, 1181, 1185; Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 228; Balzer, ZBB 2016, 226,

3 I. E. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 308; i.E. wohl auch Balzer, ZBB 2016, 226, 236: die Anlageberatung unterfällt „zunächst nicht“ der Aufzeichnungspflicht „Allerdings

236

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

aufzuzeichnen, wenn es einen möglichen Abschluss vorbereitet. Deshalb sollen im Folgenden die Aufzeichnungsvorschriften und ihre Auswirkungen auf die Anlageberatung berücksichtigt werden. 1. Hintergrund der Einführung der Aufzeichnungspflicht Eine solche Regelung ist nicht neu. Bereits durch Art. 51 Abs. 4 MiFID I-DRL wurde den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gegeben, die elektronische Kundenkommunikation aufzuzeichnen. In der MiFID I hingegen wurde eine solche nicht reguliert.4 Aufgrund dieser Ermächtigungsgrundlage kam es zu unterschiedlichsten Ausprägungen der Aufzeichnungspflicht in den Mitgliedstaaten, die nun vereinheitlicht werden sollen.5 Zugleich soll der Anleger durch die Aufzeichnung geschützt werden, indem dieser dadurch einen einfachen Nachweis erhält, dass seine Aufträge entsprechend seinen Wünschen durch das WpDU umgesetzt wurden.6 Gleichzeitig soll so marktmissbräuchliches Verhalten der WpDU frühzeitig erkannt werden. Durch die damit verbesserte Marktüberwachung soll die Rechtssicherheit für den Kunden und die Integrität des Finanzmarkts gestärkt werden. Wird die Kommunikation hingegen nicht richtig aufgezeichnet oder falsch wieder gegeben, so soll dem Kunden daraus kein Nachteil entstehen.7 Dem WpDU soll jedoch nach Ansicht der Kommission die Erläuterung seines Verhaltens erleichtert werden.8 2. Die Voraussetzungen der Aufzeichnungspflicht Wesentliche Tatbestandsmerkmale sind neben dem Telefongespräch und der elektronischen Kommunikation, dass das Gespräch zu einer Ausführung von Kundenaufträgen führen kann sowie der Handel auf eigene Rechnung. Außerdem muss sich das Gespräch auf die Entgegennahme, Weiterleitung und Ausführung von Ordern beziehen. Irrelevant ist für die Aufzeichnungspflicht, ob das Gespräch durch einen Anruf seitens des Kunden zu Stande kam, oder ob das WpDU die Initiative ergriffen hat.9 greift die Aufzeichnungspflicht stets dann ein, wenn das Gespräch zur Annahme, Übermittlung oder Ausführung einer Kundenorder führt.“ 4 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 288. Art. 13 Abs. 6 MiFID I sah eine allgemeine Pflicht der WpDU vor, Dienstleistungen und Geschäfte aufzuzeichnen, die sowohl der internen Revision als auch die externe Überprüfung erleichtern sollte. Hierauf bezieht sich Art. 51 Abs. 4 MiFID I-DRL, der den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumte, Aufzeichnungspflichten über die Regeln der MiFID I hinaus vorzusehen. 5 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 290; Europäische Kommission, Public Consultation – Review of the Markets in Financial Instruments Directive (MiFID), S. 74 f. 6 ErwG. 57 MiFID II; Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 291. 7 ErwG. 57 MiFID II. 8 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 291. 9 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 302.

A. Die europäische Regelung

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Sämtliche elektronische Kundenkommunikation muss für mindestens fünf Jahre, auf Verlangen einzelner Behörden bis zu sieben Jahre, gespeichert werden.10 Welche Gründe dafür sprechen könnten, auf nationaler Ebene weitergehende Aufbewahrungspflichten vorzusehen, wird nicht erläutert. Der Kunde ist über die Aufzeichnung und Speicherung der Gespräche, die zu Geschäften führen oder führen können, zu informieren, Art. 16 Abs. 7 UA 4 MiFID II. Dies soll einmalig sowohl für Bestands- als auch für Neukunden vor der Erbringung der Wertpapierdienstleistung geschehen, Art. 16 Abs. 7 UA 5 MiFID II. Unklar bleibt jedoch, ob die Aufklärung tatsächlich nur einmal erfolgen muss oder vor jeder neuen Wertpapierdienstleistung.11 Aus praktischen Erwägungen erscheint es einfacher, den Kunden automatisiert zu Beginn eines jeden Telefongespräches über die folgende Aufzeichnung zu informieren, da nicht erkennbar ist, ob tatsächlich ein Geschäft abgeschlossen wird bzw. sich ein solches anbahnt.12 Zudem wäre es ein enormer administrativer Aufwand, zu Beginn eines jeden Telefongesprächs zu ermitteln, ob der Kunde bereits über die Aufzeichnung informiert wurde bzw. ob er diese ablehnt. Dafür bedürfte es der Installation einer besonderen Telefonanlage, die alle Kundentelefonnummern der Altkunden gespeichert hat. Verändert sich hier eine Nummer oder ruft der Kunde von einer der Anlage unbekannten Nummer an, müsste er auch erneut belehrt werden. Alternativ müsste ein System eingeführt werden, bei welchem sich der Kunde zunächst mit seinen Kontozugangsdaten registriert, sodass sichergestellt werden kann, dass dieser bereits belehrt wurde.13 Die Konsequenzen aus dem fehlenden Hinweis auf die Aufzeichnung und Speicherung sind fatal.14 So darf das WpDU ohne diese keine telefonischen Wertpapierdienstleistungen erbringen oder telefonische Anlagetätigkeiten für den Kunden ausüben.15 Der Kunde kann die Herausgabe der Aufzeichnungen von dem WpDU gem. Art. 16 Abs. 7 UA 9 MiFID II verlangen. In welcher Art und Weise, insb. in welcher Form die Aufzeichnungen dem Kunden ausgehändigt werden sollen, wird nicht reglementiert.16 Möchte der Kunde eine solche Aufzeichnung und Speicherung nicht, so kann er seine Aufträge ausschließlich über andere Kanäle platzieren, Art. 16 Abs. 7 UA 7 MiFID II. Eine Dispositionsmöglichkeit seitens des Kunden in Form eines Widerspruchs ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht vorgesehen.17 Zwar dient diese 10

Art. 16 Abs. 7 UA 9 MiFID II. Kurz, DB 2014, 1181, 1185; a.A. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 318, die von einer eimaligen Aufklärung ausgehen ohne Gedanken zur tatsächlichen Umsetzung. 12 Kurz, DB 2014, 1181, 1185. 13 Dieses Verfahren verwendet bspw. die Consorsbank, Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016. 14 Art. 70 Abs. 3, 6 MiFID II: bis zu 5.000.000 E Strafe oder gar Verbot. 15 Art. 16 Abs. 7 UA 6 MiFID II. 16 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 332. 17 Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 228 f.; Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 307, 321. 11

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5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

Vorschrift dem individuellen Anlegerschutz, zugleich aber auch der Aufklärung von marktmissbräuchlichem Verhalten, mithin der Marktintegrität und dem Schutz der Gemeinschaft, sodass letztlich keine Dispositionsbefugnis des Einzelnen darüber bestehen kann.18 Wäre der einfache Widerspruch des Kunden ausreichend, um die Aufzeichnungspflicht für Telefongespräche aufzuheben, wäre dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet, indem der Berater zuvor seinen Kunden in diese Richtung anweisen könnte und letztlich keinerlei Aufzeichnungen erbringen müsste.19 Der Schutzzweck der Norm wäre konterkariert. Eine Bestätigung der Kenntnisnahme der Information über die Aufzeichnung seitens des Kunden muss von dem WpDU jedoch nicht eingefordert werden.20 Erfolgt die Ordererteilung über einen anderen Kanal, so muss dies über einen dauerhaften Datenträger erfolgen, bspw. per E-Mail. Ein persönliches Gespräch bzw. Treffen muss ebenfalls festgehalten werden, wenn es zu einer aufzeichnungspflichtigen Dienstleistung führt oder führen könnte, Art. 16 Abs. 7 UA 7 MiFID II. Hier ist es jedoch ausreichend, dass das Gespräch schriftlich protokolliert wird.21 Eine Tonbandaufnahme wurde zwar im Trilog-Verfahren diskutiert, ebenso wie die Möglichkeit die Telefongespräche schriftlich zu protokollieren,22 jedoch hat beides letztlich keinen Eingang in den Gesetzeswortlaut gefunden,23 sodass eine solche Auslegung nicht anheim steht.

3. Die praktischen Umsetzungsvoraussetzungen Das WpDU muss seine Mitarbeiter für die Aufzeichnung solcher Gespräche technisch und rechtlich schulen und vor allem darauf hinwirken, dass keine privaten, sondern ausschließlich die vom WpDU zur Verfügung gestellten, mit der Aufzeichnungstechnik ausgestatteten Geräte genutzt werden, Art. 16 Abs. 7 UA 8 MiFID II. Denn es sollen alle Gespräche aufgezeichnet werden, die mittels Kommunikationsgeräten des WpDU geführt werden. Hierunter fallen auch solche Gespräche, die mit Kommunikationsmitteln geführt werden, die das Unternehmen billigt bzw. gestattet.24 Dies betrifft insb. private Mobiltelefone des Mitarbeiters, welche dieser im Rahmen einer bring your own device-Praktik geschäftlich nutzt. Dies führt hinsichtlich der Aufzeichnungspflicht zu besonderen rechtlichen Problemen, sodass künftig die bring your own device-Praktik deutlich zurückgehen wird.25 18 19 20 21 22 23 24 25

Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 321. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 321. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 321. s. auch ErwG. 57 MiFID II. Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 229; Kurz, DB 2014, 1182, 1186. Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 229. Art. 16 Abs. 7 UA 3 MiFID II; Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 348, 353. I. E. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 354.

A. Die europäische Regelung

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Von den Vorschriften zur Aufzeichnungs- und Speicherungspflicht sind ebenfalls vertraglich gebundene Vermittler des WpDU nach Art. 16 Abs. 7 UA 3 MiFID II erfasst. Auch hier hat das WpDU sicherzustellen, dass die regulatorischen Vorgaben eingehalten und entsprechende Geräte genutzt werden.

II. ESMAs Regelungsvorschläge an die Kommission Auffällig ist, dass ESMA sowohl im Consultation Paper als auch in ihrem Final Report zu Beginn auf die damaligen Ausführungen des Committee of European Securities Regulators CESR26 verweist. Im Rahmen der Umsetzung von MiFID I wurde dieser Ausschuss ebenfalls beauftragt, Konkretisierungen vorzubereiten und an die Kommission weiterzuleiten.27 1. Anknüpfung an die CESR-Regelungen Nach Überlegungen von CESR sollten von Art. 13 Abs. 6 MiFID I auch Telefongespräche erfasst sein.28 Diese sollten aufgezeichnet und für mind. ein Jahr gespeichert werden.29 Offensichtlich erkannte CESR hier – anders als der europäische Gesetzgeber heute –, dass es sich dabei für die WpDU um eine Aufgabe größeren Umfangs handelt, indem sie, anders als bei den übrigen Aufzeichnungspflichten, die Aufbewahrungspflicht auf ein Jahr anstatt fünf Jahre reduzierte.30 Aufgezeichnet werden sollten alle Gespräche, die zur Ordererteilung oder -annahme geführt werden. Durch die Aufzeichnung sollte Beratungsfehlverhalten und Marktmissbrauch aufgedeckt werden. Somit entspricht diese Regelung dem Ziel des Anlegerschutzes und der Marktintegrität. Anders als heute sollten für kleinere globale Unternehmen, die die Möglichkeit der Telefonorder wenig nutzen, Ausnahmen gemacht werden. Auch die Kommission schloss sich dieser Auffassung in den Arbeitspapieren an31 und erklärte, dass Telefonaufzeichnungen unabdingbar für den Schutz des Anlegers 26 Committee of European Securities Regulators (CESR) war die Vorgänger-Institution von ESMA. s. zur Entstehung von ESMA ausf. Hitzer/Hauser, BKR 2015, 52; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 143. 27 ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.6, Nr. 2; ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 39, Nr. 2. Art. 13 Abs. 10 MiFID I ermächtigte die Kommission zum Erlass von Durchführungsmaßnahmen, sodass sie die CESR beauftragte, Vorschläge bzw. Empfehlungen auszuarbeiten. 28 CESR, Consultation Paper, v. 01.2005, CESR/05 – 024c, S. 29. s. zur Entwicklung im Überblick auch Bundesverband Deutscher Banken e.V., „Sprachaufzeichnung telefonisch erteilter Wertpapierorders? – Eine Folgenabschätzung“, Anhang S. 14. 29 In complying with the obligation in Article 13(6) of the Directive, an investment firm must; (…) b) keep records of telephone orders on a voice recording system for a period of at least one year. 30 Bundesverband Deutscher Banken e.V., „Sprachaufzeichnung telefonisch erteilter Wertpapierorders? – Eine Folgenabschätzung“, Anhang S. 14. 31 Europäische Kommission, Arbeitsdokument ESC/17/2005-rev1, S. 11.

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5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

und der Integrität der Märkte seien.32 Allerdings sollten aufgrund des technischen Fortschritts keine Ausnahmen gemacht werden. Im Folgenden wurden die Anforderungen schrittweise reduziert und die Telefonaufzeichnungspflicht schließlich vollständig gestrichen.33 Die CESR, wurde im Vorgang zur MiFID II mit der Überprüfung und Bewertung der MiFID I Regelungen beauftragt und hält auch heute an der Notwendigkeit der Aufzeichnung und ihrer damaligen Begründung fest.34 Sie schlägt die Vereinheitlichung der Mitgliedstaatenregelungen vor.35 Die Ziele der CESR führt ESMA bewusst in ihren Vorschlägen an die Kommission fort.36 Vor diesem Hintergrund überraschen auch die von ESMA vertretenen Einzelpositionen nicht. 2. Reichweite der Aufzeichnungspflicht Zunächst stellt ESMA heraus, dass nur solche Gespräche aufzeichnungspflichtig sind, die in Bezug auf die Annahme und Übermittlung von Aufträgen, die Ausführung von Aufträgen im Namen der Kunden und den Handel auf eigene Rechnung geführt werden.37 Mithin soll das Gespräch dann aufgenommen werden, wenn es zu einer solchen Wertpapierdienstleistung führen kann, aber nicht zwingend auch durchgeführt werden muss. Ausdrücklich beschäftigt sich ESMA mit der Aufzeichnungssituation der Anlageberatung. Diese ist auch nach Ansicht von ESMAvon der Aufzeichnungspflicht ausgenommen. Zugleich macht ESMA aber deutlich, dass, sollte es dennoch zur Vorbereitung einer o.g. Wertpapierdienstleitung kommen, die Aufzeichnungspflicht auch für die Anlageberatung besteht.38 Weitere Merkmale zur Trennung benennt ESMA nicht. Also müssen die WpDU selbständig Kriterien festlegen, an denen sie erkennen, dass nun keine reine Anlageberatung mehr durchgeführt wird, sondern die Vorbereitung einer Wertpapierdienstleistung.39 Da dies aufgrund der fließenden Grenzen äußerst schwierig ist, ohne vorherige Aufklärung über die Aufzeichnung keine solche vorgenommen werden darf und zugleich empfindliche Strafen drohen, wenn die Aufzeichnungspflicht verletzt wird, nimmt 32

Europäische Kommission, Working Dokument ESC/18/2005, Explanatory Note, S. 3. Europäische Kommission, Arbeitsdokument ESC/17/2005-rev1, S. 11, 12. 34 CESR, Feedback Statement – CESR Technical Advice to the European Commission in the Context of the MiFID Review: Equity Markets v. 29. 06. 2010, CESR/10 – 975; CESR, Consultation Paper, v. 13. 04. 2010 – CESR Technical Advice to the European Commission in the Context of the MiFID Review – Investor Protection and Intermediaries, CESR/10 – 417 S. 7. 35 CESR, Consultation Paper v. 13. 04. 2010 – CESR Technical Advice to the European Commission in the Context of the MiFID Review – Investor Protection and Intermediaries, CESR/10 – 417, S. 16, 6. 36 ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.6, Nr. 2; ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 39, Nr. 2. 37 ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.6, Nr. 5. 38 ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.6, Nr. 11; ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 41, Nr. 6; Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 308. 39 s. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 340. 33

A. Die europäische Regelung

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ESMA in Kauf, dass die WpDU kaum eine andere Wahl haben, als auch die ausdrücklich ausgenommene Anlageberatung aufzuzeichnen. Die Anlageberatung wird letztlich immer mit der Absicht verfolgt, dem Kunden ein passendes Finanzprodukt anbieten zu können.40 Mithin liegt in der Anlageberatung immer die „Gefahr“, dass ein Abschluss anvisiert wird. Ohne Klarstellung seitens ESMA, dass nur bestimmte Anhaltspunkte für den Abschluss einer Transaktion die Aufzeichnungspflicht auslösen, ist aufgrund des hohen Risikos jedes Anlageberatungsgespräch aufzuzeichnen. Nach Ansicht von ESMA muss auch die interne Kommunikation des WpDU aufgezeichnet werden, wenn diese eine der Aufzeichnungspflicht unterliegende Wertpapierdienstleistung betrifft.41 ESMA begründet ihre Sichtweise damit, dass nur so sichergestellt werden kann, dass auf diese Weise ein Nachweis über die Übereinstimmung der Kundenaufträge und deren Ausführung erbracht, bzw. marktmissbräuchliches Verhalten aufgedeckt wird. Diese Regelung ist zu weitgehend. Durch den Abgleich des Ausgangsgesprächs mit dem Kunden und der tatsächlichen Ausführung kann die Ordnungsmäßigkeit von letzterer nachgewiesen werden. Die Aufzeichnung der internen Kommunikation würde allenfalls dem Unternehmen die Fehlersuche erleichtert, dies ist jedoch mit den hohen datenschutz- und arbeitsschutzrechtlichen Konsequenzen kaum vereinbar. ESMA erklärt zudem, dass sie im Rahmen des Technical Advice nicht entscheiden könne, ob ein WpDU telefonischen Service anbiete oder nicht.42 Dies lässt erkennen, dass auch ESMA keine Ausnahmen von der Aufzeichnungspflicht vorsehen will und das WpDU die Auswirkungen der Regelungen voll tragen muss, wenn sie sich für das Anbieten eines Telefonservice entscheidet. Damit lehnt ESMA zugleich die Möglichkeit ab, dem Kunden ein Widerspruchsrecht einzuräumen.43 Diese Möglichkeit wird weder in der Richtlinie noch von ESMA thematisiert.44 3. Die Alternative des persönlichen Gesprächs Wird anstelle der elektronischen Kommunikation auf ein persönliches Gespräch ausgewichen, so muss dieses dokumentiert werden. Dafür gibt ESMA einen Minimum-Katalog an, der durch die nationalen Aufsichtsbehörden erweitert werden kann. Es soll vor allem dokumentiert werden, wann (Datum und Uhrzeit), wo (Ort) das Gespräch stattgefunden und wer (Identität) daran teilgenommen hat.45 Zusätzlich soll noch aufgenommen werden, von welchem Gesprächspartner die Initiative zu 40

Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 308. ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.6, Nr. 7; ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 40 f., Nr. 5. 42 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 41, Nr. 7. 43 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 321. 44 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 321. 45 ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.6, Nr. 10; ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 43, Nr. 16 f., S. 46, TA Nr. 10; s. dazu Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 310. 41

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5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

dem Gespräch ausging, sowie andere relevante Informationen über den Kundenauftrag (bspw. der Preis, das Volumen, Art der Order) und wann dieser ausgeführt bzw. weitergeleitet werden soll.46 Dies hat ESMA auf verstärkte Nachfrage, und damit im Interesse der Rechtssicherheit, richtigerweise in ihrem Final Report ergänzt. Eine Aussage darüber, ob die in einigen Ländern bereits bestehenden Pflichten zum Beratungsprotokoll hierfür ausreichend sind, trifft ESMA leider nicht.47 4. Die Informationspflicht über die Aufzeichnung und die Herausgabepflicht ESMA konkretisiert des Weiteren die Informationspflichten des WpDU vor der Aufzeichnung der Kommunikation, indem sie vorgibt, dass diese in derselben Sprache zu erfolgen hat, wie die anschließende Kommunikation.48 Diese Anforderung klingt auf den ersten Blick verständlich und sinnvoll, bedeutet aber in der Praxis, dass die Bankhäuser, die auch am jeweiligen nationalen Standort von unterschiedlich sprachigen Kunden telefonisch kontaktiert werden, die Information über die folgende Aufzeichnung in allen üblicherweise gesprochenen Sprachen der Kunden vorschalten müssen.49 Folglich ist es nicht unrealistisch, dass der Kunde zunächst in deutscher, englischer, spanischer, französischer und türkischer Sprache über die Aufzeichnungspflicht informiert wird. Zur Kundenbindung mag dies offensichtlich nicht beitragen. Dem Kunden muss mitgeteilt werden, dass er aufgezeichnet wird und dass er die Aufzeichnung auf Wunsch innerhalb von fünf Jahren erhalten kann, Art. 16 Abs. 7 MiFID II. Dies muss zudem klar und deutlich geschehen.50 Dahingehend, ob vor jedem Gespräch oder nur einmalig zu Beginn der Kundenbeziehung aufgeklärt werden muss, nimmt ESMA nicht Stellung. Somit muss weiterhin bereits oben Festgestelltes gelten. Auch ESMA legt keine weiteren Anforderungen für die Herausgabepflicht der Aufzeichnungen, insb. zur Ausgestaltung fest.51 Vor dem Hintergrund des Anlegerschutzes muss dem Anleger ein vergleichbares Recht, wie der Aufsichtsbehörde, nämlich ein zeitnaher Zugang ohne größeren Aufwand, an die Hand gegeben werden.52 Das Dokument muss ohne Verzögerung, also jederzeit erreichbar,

46 ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.6, Nr. 10; ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 43, Nr. 16 f., S. 46, TA Nr. 10; s. dazu Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 310. 47 Diese Frage für das deutsche Beratungsprotokoll aufwerfend Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 312. 48 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 40, Nr. 4; Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 319. 49 Vgl. Herting/Alpers, Interview v. 13. 02. 2017. 50 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 40, Nr. 4. 51 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 333. 52 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 333.

A. Die europäische Regelung

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bereitgestellt werden können.53 Ebenfalls aus Anlegergesichtspunkten ist festzuhalten, dass dem Kunden für die Herausgabe keine spürbaren Kosten entstehen dürfen.54 5. Die Festlegung von internen Aufzeichnungsleitlinien Nach ESMA muss das WpDU Leitlinien festlegen, um sicherzustellen, dass die Aufzeichnungspflicht eingehalten wird.55 Diese sollen – angepasst an die Größe und Ausrichtung des Unternehmens – Kriterien aufführen, die den Tatbestand der Aufzeichnungspflicht auslösen und die nachfolgenden Abläufe beschreiben.56 Das Management soll über einen entsprechenden Überblick und über Kontrollmöglichkeiten verfügen und die Mitarbeiter müssen geschult werden.57 Es müssen Maßnahmen getroffen werden, die die Nutzung von privaten nicht aufzeichnungsfähigen Geräten verhindern, bzw. es muss ein Prozess eingeführt werden, der nachweist, dass eine solche Nutzung aus einer besonderen Situation herrührt.58 Diese Maßnahmen müssen alle der nationalen Aufsichtsbehörde nachgewiesen werden können. ESMA betont, dass die Aufzeichnung technology neutral ausfällt, da sie aufgrund der schnell fortschreitenden technischen Entwicklung keine genauen Vorgaben machen kann und auf diese Weise verhindert werden soll, dass fortwährend neue Bestimmungen notwendig werden.59 Die Firmen sollten jedoch regelmäßig ihre genutzten technischen Geräte auf eine Modernisierung hin überprüfen, um die bestmögliche Umsetzung zu gewährleisten. Sie müssen darüber hinaus ihre gewählte Aufzeichnungsstrategie auf deren Erfolg hin überprüfen – und zwar spätestens in dem Moment, in dem sie ein neues Kommunikationsmittel genehmigen oder dessen Nutzung zulassen.60 Für die Sicherstellung, dass nur aufzeichnungsfähige Geräte genutzt werden, haben die WpDU Listen vorzuhalten, in denen die Mitarbeiter geführt werden, die mit solchen Firmengeräten ausgestattet wurden und denjenigen, die eigene, den

53 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 44, Nr. 20; vgl. Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 15, die aus dem leichten Zugang keine Anforderung zur sofortigen Zurverfügungstellung ableiten wollen, sondern schnellstmöglich. 54 I. E. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 333, die dem Kunden einen ähnlich leichten Zugang gewähren wollen, wie er der nationalen Aufsichtsbehörde zusteht. 55 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 45, TA Nr. 3; Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 322. 56 Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 14. 57 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 45, TA Nr. 2; Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 322. 58 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 45, TA Nr. 3 ii). 59 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 41, Nr. 9; vgl. Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 10. 60 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 41, Nr. 9, S. 45, TA Nr. 4; vgl. Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 14.

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5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

Anforderungen entsprechende Geräte benutzen.61 Die Gefahr, dass bei eigenen Geräten die Kontrolle der Technik nicht möglich ist oder die Technik nicht einwandfrei funktioniert, ist hoch. Indem noch eine zusätzliche Liste mit Geräten und Personen hierzu erstellt werden muss, wird das ursprünglich kostensparende bring your own device-Modell künftig auslaufen.62 Das Risiko und der administrative Überwachungsaufwand lassen auch die Kosten für dieses Modell spürbar steigen. Auch die laufende Aktualisierung der vorgesehenen Mitarbeiterausstattungsliste ist ein erheblicher Aufwand, da Firmenmobiltelefone und Laptops zur Grundausstattung gehören.63 6. Die Anforderungen an die Speicherung und die Kontrolle der Aufzeichnungen Während ESMA in ihrem Consultation Paper noch vorsah, dass alle Aufzeichnungen sowohl auf die Einhaltung der Aufzeichnungspflicht, als auch auf die ordnungsgemäße Durchführung regelmäßig kontrolliert werden sollten, lockert sie diese Voraussetzung im Final Report.64 Die Kontrolle der Aufzeichnungen sei zwar essentiell, jedoch sei eine risikobasierte Überprüfung ausreichend.65 Die Aufzeichnungen sowie andere elektronische Kundenkommunikation müssen auf einem dauerhaften Medium gespeichert werden, auf dem sie erneut abgespielt werden können.66 Zugleich muss die Speicherung in einem solchen Format geschehen, in dem keine nachträglichen Änderungen mehr vorgenommen werden können, oder das Originaldokument gelöscht werden kann. Damit entwickelt ESMA eine deutliche Verschärfung der MiFID I-DRL, die eine solche Möglichkeit vorsah.67 ESMA glaubt, nur auf diesem Wege nicht manipulierte Aufzeichnungen zu erhalten.68

61 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 45 TA Nr. 5; Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 324. 62 Einschränkungen annehmend Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 354. 63 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 353; anders kann dies sein, wenn bereits aktuell ein System besteht, welches alle aufzeichnungspflichtigen Geräte erfasst, bspw. die Festnetztelefone, und in diesem nur noch die Mobiltelefone ergänzt werden müssten, s. Herting, Interview v. 13. 02. 2017. 64 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 42, Nr. 10; Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 326. 65 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 42, Nr. 11. 66 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 44, Nr. 21; Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 330. 67 Vgl. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 331. 68 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 44, Nr. 21.

A. Die europäische Regelung

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III. Konkretisierte Anforderungen durch die delegierten Rechtsakte Die Kommission hat in Art. 76 MiFID II-DLVO alle Vorschläge von ESMA ohne Änderungen übernommen. Die Erstellung von Leitlinien als „Aufzeichnungs-Policy“69 findet sich in Art. 76 Abs. 1 MiFID II-DLVO wieder. Gem. Art. 76 Abs. 3 MiFID II-DLVO müssen regelmäßige Kontrollen und Anpassungen der Verfahren bei Aufnahme neuer Geräte durchgeführt werden. Die Schulungsverpflichtung der Mitarbeiter wurde in Art. 76 Abs. 5 MiFID II-DLVO und die Stichprobenkontrollen hinsichtlich der Qualität und Vollständigkeit der Aufzeichnungen in Art. 76 Abs. 6 und Abs. 10 UA 3 MiFID IIDLVO aufgenommen. Die unveränderliche Speicherung, die mehrfach abgespielt und kopiert werden kann, ist in Art. 76 Abs. 10 MiFID II-DLVO übernommen worden. Regelungen hinsichtlich des Verfahrens nach Ablauf der Speicherdauer finden sich nicht.70 Art. 76 Abs. 9 MiFID II-DLVO übernimmt ESMAs Anforderung zur Aufzeichnung von Datum inklusive Uhrzeit, Ort, Beteiligten, Initiator und Inhalt des Kundenauftrags bei persönlichen Gesprächen. Mithin bleiben wesentliche Fragen auch nach der MiFID II-DLVO unbeantwortet. Nicht nur hinsichtlich des Aufklärungszeitpunkts und wie „einmalig“ auszulegen ist, sondern auch das Thema Datenschutz wird sowohl von ESMA als auch von der Kommission übergangen. 1. Datenschutzrechtliche Aspekte ErwG. 57 MiFID II stellt in Bezug auf datenschutzrechtliche Aspekte lediglich die Behauptung auf, dass die Regelungen der MiFID II im Einklang mit dem europäischen Datenschutzrecht stehen. Nach ErwG. 106 sowie bei der Überwachung und Ermittlung von personenbezogenen Daten gem. Art. 78 MiFID II müssen die Mitgliedstaaten die Regelungen der Datenschutz-Richtlinien71 beachten. Hier ist zu berücksichtigen, dass die Datenschutz-RL durch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)72 aufgehoben und ersetzt wird. Damit ist das europäische Datenschutzrecht der DSGVO ab dem 25. 08. 2018 ohne Umsetzungsakt national anwendbar.73 69

So bezeichnend Blessing/Roth, CCZ 2017, 8, 14. Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 15. 71 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. 10. 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, Abl. EU L 281/31 und Richtlinie 2002/58/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 12. 07. 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation, Abl. EU 201/37. 72 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27. 04. 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung). 73 s. ausf. zu den Änderungen Hamann, BB 2017, 1090. 70

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5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

Mithin sollten die Mitgliedsländer bereits deren strengeren Anforderungen bei der Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im Blick haben. ESMA erklärt auf Nachfragen74 lediglich, dass die neuen Bestimmungen im Einklang mit dem Datenschutzrecht stehen.75 a) Der Schutzbereich Gem. Art. 51 GRCh müssen die Organe und Einrichtungen der Europäischen Union – also Kommission, Parlament und der Rat – bei Erlass von Regelungen die Charta der Grundrechte,76 und im Fall der Aufzeichnungspflichten der MiFID II besonders Art. 7 GRCh (Schutz des Privat- und Familienlebens) und Art. 8 GRCh (Schutz von personenbezogenen Daten) beachten.77 Welch hohen Stellenwert der EuGH diesen Artikeln einräumt und unter welchen Voraussetzungen die Grundrechte beschränkt werden können, bzw. welche Anforderungen an das die Grundrechte beschränkende Gesetz zu stellen sind, hat der EuGH ausf. in seinen Entscheidungen zur Vorratsdatenspeicherungs-RL78 dargelegt.79 Die Anforderungen an die beschränkenden Gesetze sind übertragbar. Dennoch muss berücksichtigt werden, dass die Vorratsdatenspeicherung, anders als die hier zu untersuchenden Aufzeichnung, heimlich geschieht. Bei dieser sollten zwar auch sämtliche Daten gespeichert werden, jedoch im Vergleich zur MiFID II nur Verkehrsdaten und keine Inhalte. Indem sich für die aufzeichnungspflichtigen Gespräche nicht ausschließen lässt, dass auch ein Teil des Gespräches persönliche bzw. private Angelegenheiten enthält und diese als Vorbereitung des Auftrages mit aufgezeichnet werden müssen,80 ist der

74

s. bspw. DK, Stellungnahme zum Konsultationspapier von ESMA 2014/549, S. 9 f. ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 43, Nr. 15; Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 338. 76 Jarass, in: Jarass, Charta d. Grundrecht, Art. 51 Rn. 13; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 51 Rn. 3; Meyer/Borowsky, in: Meyer, Charta d. Grundrechte d. Europäischen Union, Art. 51 Rn. 16. 77 Diese werden durch die Datenschutz-Richtlinien konkretisiert, sodass sie auch sekundär zu berücksichtigen sind. Dies gilt entsprechend für die die Richtlinie ersetzende Datenschutzgrundverordnung. 78 RL 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. 03. 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG, Abl. EU L 105/54. Mittlerweile aufgehoben. 79 EuGH MMR 2014, 412 – Digital Rights Ireland LtD; EuGH ZD 2017, 124 – Tele2 Sverige. 80 Dass bei der Aufzeichnungspflicht personenbezogene Daten erfasst werden, schon annehmend Buttarelli, Stellungnahme v. 25. 05. 2016, Rn. 20. 75

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Schutzbereich eröffnet.81 So kann bspw. der Kunde dem Berater mitteilen, dass aufgrund der Schwangerschaft seiner Frau82 ein erhöhter Platzbedarf besteht und man nun einen Verkauf bestimmter Anteile plant, um den anstehenden Hauskauf zu finanzieren. Die Aufzeichnung dieses Gesprächsteils ist auch für die anschließende Beurteilung der Ausführung durch den Berater essentiell. Sowohl aus dem Inhalt und aus dem Zeitpunkt (Datum und Uhrzeit), als auch anhand der Reaktion des Bankmitarbeiters können Rückschlüsse auf das Privatleben des Kunden gezogen werden. Dies gilt auch für die aufzuzeichnende interne Kommunikation, da ggf. die Beweggründe des Kunden als Hintergrundinformation an den Kollegen weitergegeben oder aber auch persönliche Details unter Beraterkollegen ausgetauscht werden. b) Eingriff in den Schutzbereich Durch die Aufzeichnung, Speicherung, stichprobenartige Kontrolle und ggf. Herausgabe der personenbezogenen Daten an die Aufsichtsbehörden wird in das Privatleben gem. Art. 7 GRCh eingeriffen83 und zugleich liegt darin auch die für einen Eingriff nach Art. 8 GRCh vorausgesetzte Verarbeitung der personenbezogenen Daten.84 Dabei sind zum einen das Aufzeichnen und Speichern und zum anderen der Zugriff auf die Daten seitens der Bank, daneben der Zugriff der BaFin, jeweils eigenständige Eingriffe.85 Indem die Gespräche zur Kontrolle der richtigen Ausführung der Kundenaufträge abgehört und kontrolliert werden, liegt eine Verarbeitung i.S.d. Art. 8 GRCh vor und mithin ein Eingriff in ebendiesen.86 Wie bereits festgestellt, wurde für die Aufzeichnungspflicht keine Einwilligungsmöglichkeit oder eine Widerspruchsmöglichkeit geschaffen. Folglich soll dem Kunden keine Wahl gelassen werden, ob er eine Aufzeichnung akzeptiert und ein81 s. zum Schutzbereich des Art. 8 GrCh: Jarass, in: Jarass, Charta d. Grundrechte d. EU, Art 8. Rn. 5 f.; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 8 Rn. 9 f.; Norbert/Bernsdorf, in: Meyer, Charta d. Grundrechte d. Europäischen Union, Art. 8 Rn. 15 f.; Johlen, in: Stern/ Sachs, Art. 8 Rn. 29 ff.; zum Schutzbereicdes Art. 7: Jarass, in: Jarass, Charta d. Grundrechte d. EU, Art 7. Rn. 13 f.; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 7 Rn. 3 f.; Norbert/ Bernsdorf, in: Meyer, Charta d. Grundrechte d. Europäischen Union, Art. 7 Rn. 16; vgl. Weber, in: Stern/Sachs, Art. 7 Rn. 12, 50 f. 82 Bsp. von Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 342; in diese Richtung ebenfalls Bsp. anführend Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 11 f. 83 Weber, in: Stern/Sachs, Art. 7 Rn. 55; vgl. Jarass, in: Jarass, Charta d. Grundrechte d. EU, Art 7. Rn. 27 f.; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 7 Rn. 12; Knecht, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 7 GRCh Rn. 10. 84 Vgl. Jarass, in: Jarass, Charta d. Grundrechte d. EU, Art 8. Rn. 8 f.; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 8 Rn. 12 f. 85 EuGH MMR 2014, 412, 413 Rn. 35 – Digital Rights Ireland LtD, für den Zugriff der Behörde auf die Vorratsdatenspeicherung. 86 Vgl. Jarass, in: Jarass, Charta d. Grundrechte d. EU, Art 8. Rn. 8 f.; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 8 Rn. 12 f.; Gersdorf, in: BeckOK InfoMedienR, Art. 8 Rn. 18.

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5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

willigt oder ablehnt.87 Gäbe jedoch Kunde seine Einwilligung zur Aufzeichnung des Gespräches, so läge bereits kein Eingriff in den Schutzbereich vor.88 Indem der Richtlinientext zudem offenlässt, ob der Kunde bei jedem Anruf über die Aufzeichnung aufgeklärt werden muss oder nur einmal zu Beginn der Beraterbeziehung, ist dem Kunden die Aufzeichnung auch nicht in jeder Situation präsent. Daher kann in der Gesamtschau auch keine konkludente Einwilligung des Kunden zur Aufzeichnung und Nutzung, zumindest nicht ohne jeden Zweifel, wie es für den Eingriff in diese Grundrechte notwendig wäre,89 angenommen werden. c) Einschränkung Eine Einschränkung der Grundrechte durch Gesetz ist möglich, wenn der Wesensgehalt unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit erhalten bleibt und erforderlich ist, sowie den Gemeinwohlzielen der Union entspricht, Art. 52 Abs. 1 GRCh.90 aa) Der Wesensgehalt und die Gemeinwohlziele Im Umkehrschluss zur Aussage des EuGH,91 dass keine Verletzung des Wesensgehalts gegeben sei, weil bei der Vorratsdatenspeicherung ausschließlich Verkehrsdaten und nicht der Gesprächsinhalt aufgezeichnet wurde, könnte durch die inhaltliche Aufzeichnungspflicht des Art. 16 Abs. 7 MiFID II eine solche Verletzung vorliegen. Allerdings bestimmt Art. 16 Abs. 7 MiFID II keine generelle Zielrichtung zur Erfassung von persönlichen Daten des Kunden. Auch wird die Erfassung eher der Ausnahmefall sein. Darüber hinaus besteht zumindest durch die einmalige Aufklärung das potentielle Wissen des Kunden, dass das Gespräch aufgezeichnet wird und er solche Details vermeiden könnte. Art. 16 Abs. 7 MiFID II berührt nicht den Wesensgehalt des Art. 7 GRCh. Gleiches gilt für Art. 8 GRCh, da aufgrund der MiFID II-DLVO durch die Speicherung keine Daten unrechtmäßig oder versehentlich gelöscht bzw. verändert werden können.92

87 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 345; Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 228; Balzer, ZBB 2016, 226, 236. 88 Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 8 Rn. 13 m.w.N; Johlen, in: Stern/ Sachs, Art. 8 Rn. 51 ff.. Knecht, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 8 GRCh Rn. 7. 89 Vgl. Jarass, in: Jarass, Charta d. Grundrechte d. EU, Art 8. Rn. 9 zur Bestimmtheit der Einwilligung; Johlen, in: Stern/Sachs, Art. 8 Rn. 53 der die Einwilligung für einen konkreten Fall und nicht eine pauschale Einwilligung fordert. 90 Johlen, in: Stern/Sachs, Art. 8 Rn. 41 ff.; Jarass, in: Jarass, Charta d. Grundrechte d. EU, Art 8. Rn. 11, 12a, Art. 7 Rn. 34 f.; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 8 Rn. 14, Art. 7 Rn. 14; Gersdorf, in: BeckOK InfoMedienR, Art. 8 Rn. 21 ff.; Weber, in: Stern/Sachs, Art. 7 Rn. 57; Knecht, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 7 GRCh Rn. 11. 91 EuGH MMR 2014, 412, 413 Rn. 39 – Digital Rights Ireland LtD. 92 EuGH MMR 2014, 412, 413 Rn. 40 für die Vorratsdatenspeicherung.

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Die Regelung erfolgt ausweislich ErwG. 57 MiFID II Gemeinwohlziele.93 Dieser statuiert, dass durch die Aufzeichnungspflichten der elektronischen Kundenkommunikation der Anlegerschutz gestärkt werden soll, da dem Anleger so eine Nachweismöglichkeit entsteht. Auf diese Weise sollen die ordnungsgemäße Ausführung der Kundenaufträge gestärkt und marktmissbräuchliches Verhalten durch eine verbesserte Überwachung aufgedeckt werden (s. 5. Teil A.). Die Funktionsfähigkeit der Märkte ist ein erklärtes Ziel der Union. Zugleich garantiert Art. 6 GRCh neben dem Recht auf Freiheit auch ein Recht auf Sicherheit,94 sodass die Bekämpfung bzw. Vorbeugung von Kriminalität ebenfalls als Unionsziel einzuordnen ist. Die Aufzeichnung der Gespräche ist auch zur Erfüllung dieser Zwecke geeignet, da so Abweichungen zwischen dem Kundenauftrag und der Ausführung leicht festgestellt werden können und gänzlich abweichendes oder marktmissbräuchliches Verhalten bei Stichprobenkontrollen erkannt werden kann. In den ErwG und in Art. 16 Abs. 6 MiFID II lässt sich, wenn auch umständlich, eine Zweckbindung zur Begrenzung der Aufzeichnung95 finden. Hinsichtlich der Eindeutigkeit wäre es jedoch besser gewesen, die Zweckbindung ausdrücklich in Art. 16 Abs. 7 MiFID II zu verankern.96 bb) Verhältnismäßige Einschränkung (1) Gleichgeeignetes und effektives Mittel Das mit dem Telefonat vergleichbare persönliche Gespräch, welches nach ausf. Diskussion bei Entstehung der MiFID II nicht aufgezeichnet werden muss, ist bei genauer Betrachtung kein gleichgeeignetes und effektives Mittel. Dieses muss anhand des Minimum-Katalogs protokolliert werden (s. 5. Teil A.II.), sodass anschließend nur solche Daten vorliegen, die am Ende eines Telefongespräches auch zusammengefasst aufgenommen werden könnten. In einem persönlichen Gespräch ist die Hemmschwelle, über persönliche Belange zu sprechen, jedoch noch deutlich geringer als am Telefon, sodass die Aufzeichnung von diesen noch wahrscheinlicher wäre. Zudem lässt sich durch ein solches Protokoll die Entwicklung des Geschäfts und dessen Umsetzung nicht derart nachvollziehen, wie durch die vollständige Aufzeichnung eines Telefongesprächs. Auch die spätere Kontrolle zur Qualitätsverbesserung und die Aufklärung und Verhinderung des marktmissbräuchlichen Verhaltens kann nicht in der Ausprägung stattfinden, wie dies bei der Aufzeichnung des gesamten Telefonats möglich ist. Allerdings offenbart sich hier ein systemischer 93 Zur Rechtfertigung des Eingriffs durch Verfolgung von legitimen Ziele, insbs. zum Schutz der nationalen oder öffentlichen Sicherheit s. Weber, in: Stern/Sachs, Art. 7 Rn. 61; Knecht, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 7 GRCh Rn. 11. 94 So auch die Erwägung des EuGH zur Vorratsdatenspeicherungs-RL, EuGH MMR 2014, 412, 413 Rn. 42 – Digital Rights Ireland LtD. 95 Zur Notwendigkeit der Zweckbindung Johlen, in: Stern/Sachs, Art. 8 Rn. 45. 96 So schon Buttarelli, Stellungnahme v. 25. 05. 2012, Rn. 28.

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5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

Fehler in der Konstruktion der Aufzeichnungspflichten hinsichtlich der Unterscheidung zwischen dem Gesprächsprotokoll und der Aufzeichnung von Telefongesprächen – die Regelung ist inkongruent. (2) Klare und präzise Regelung Hinsichtlich der erforderlichen Beschränkung auf das Notwendigste97 und der damit einhergehenden klaren und präzisen Regelungen98 für die Tragweite und Anwendung der fraglichen Maßnahmen bestehen Zweifel.99 Zwar schreibt die MiFID II-DLVO die Speicherung der Daten ohne Veränderungs- bzw. Löschungsmöglichkeit vor – auch nicht wie zuvor durch Kenntlichmachung –, und der Kunde kann zugleich die Herausgabe der Aufzeichnungen verlangen, um sich eine genaue Kenntnis zu verschaffen. Jedoch wurde ihm keine Eingriffsmöglichkeit an die Hand gegeben. Auch werden keine weiteren Schutzmechanismen für ihn vorgesehen, um die nachteilige Verwendung der Aufzeichnung gegen ihn zu verhindern.100 Hier wäre es aufgrund der Sensibilität der Daten aber durchaus notwendig, Vorgaben dahingehend zu machen, welcher Mitarbeiter die Aufzeichnungen kontrollieren darf, bzw. wer überhaupt Zugang zu den Aufzeichnungen hat.101 Hier dürfte kein Mitarbeiter grds. alle Gespräche mithören oder im Nachgang kontrollieren. Allerdings lässt sich auf andere Weise kaum der Zweck der Aufdeckung von marktmissbräuchlichem Verhalten umsetzen.102 Folglich könnte dieser nur durch Stichprobenkontrollen bzw. bei Verdachtsmomenten verwirklicht werden. Hier wäre eine personelle Trennung zwischen der Beratungsabteilung und der Kontrollabteilung notwendig, um zu verhindern, dass Kollegen sich gegenseitig oder gar sich selbst kontrollieren. Dass das WpDU den Aufsichtsbehörden ein schlüssiges, selbstentwickeltes Konzept über die Aufzeichnung und die Überwachung vorlegen muss, vermag an der Notwendigkeit der verbindlichen groben Festlegung nichts ändern, die dann entsprechend angepasst an die Größe des WpDU implementiert wird. Dies fördert nur, entgegen des Vereinheitlichungsziels der MiFID II, die Einführung unterschiedlicher Regelungen und ist kaum durch die nationalen Aufsichtsbehörden zu kontrollieren. 97 Weber, in: Stern/Sachs, Art. 7 Rn. 62; s. zum Übermaßverbot Johlen, in: Stern/Sachs, Art. 8 Rn. 50. 98 s. Johlen, in: Stern/Sachs, Art. 8 Rn. 45: „Der Gegenstand der Erhebung der Daten muss so genau wie möglich definiert und ausdrücklich festgelegt werden.“ 99 EuGH MMR 2014, 412, 414 – Digital Rights Ireland LtD m.w.N.; darauf auch schon Bezug nehmend Buttarelli, Stellungnahme v. 25. 05. 2012, Rn. 28. 100 ErwG. 57 MiFID II will den Anleger nur gegen die nachteilige Verwendung bei falscher Aufzeichnung schützen. 101 s. dazu allgemein die Ausführungen der ARTICLE 29 Data Protection Working Party in ihrem Schreiben vom 07. 07. 2015 an die Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion der Europäischen Kommission, S. 6, allerdings noch vor den delegierten Rechtsakten. 102 Walz, RdF 2014, 198, 201.

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Auch macht der Gesetzgeber keine Vorgaben dazu, aus welchem Anlass die nationalen Aufsichtsbehörden auf Telefonaufzeichnungen zugreifen dürfen. Hier fehlt es also an Vorschriften, die den sorgsamen Umgang mit den Daten im Unternehmen sicherstellen und unberechtigte Zugriffe ausschließen. Des Weiteren wird nicht reglementiert, dass die Daten nach Ablauf des Aufbewahrungszeitraums unwiderruflich gelöscht werden müssen. Eine solche hatte der EuGH für die Vorratsdatenspeicherung jedoch als notwendig vorgesehen.103 Wie bereits zuvor festgestellt (s. 5. Teil A. und 5. Teil A.II.), sind sowohl die Regelungen in der Richtlinie als auch in der MiFID II-DLVO hinsichtlich des Aufklärungszeitpunkts bzw. deren Häufigkeit sowie über den Aufzeichnungsumfang nicht „klar und präzise“.104 Die Unklarheit über den Aufnahmeumfang verstößt zudem gegen das Verhältnismäßigkeits- und Notwendigkeitsgebot des Datenschutzrechtes.105 Die von den WpDU zu erstellenden internen Richtlinien sollten verpflichtende Schlagwörter für die Aufnahmepflicht festlegen. Anderenfalls ist die Gefahr zu groß, dass sämtliche Gespräche aufgenommen werden, was wiederrum grundlegend gegen Datenschutzbestimmungen aber auch gegen den Arbeitnehmerschutz verstößt.106 Eine Definition der „elektronischen Kundenkommunikation“ fehlt ebenfalls.107 (3) Keine Ausnahmeregelung Anders als die Vorratsdatenspeicherung, bei der der EuGH das Fehlen einer Ausnahmeregelung108 bemängelte,109 ist der Anwendungsbereich – auch wenn sonst keine weiteren Ausnahmen vorgesehen werden – von vornherein auf Telefongespräche zwischen Kunden und Bankmitarbeitern, die möglicherweise zu einem Geschäftsabschluss führen, beschränkt. Ebenso sind auch nur solche internen Gespräche der Mitarbeiter aufzuzeichnen. Es wird jedoch weder zwischen Kundenarten, noch nach der Art des Geschäfts differenziert und unabhängig eines Verdachts 103

EuGH MMR 2014, 412, 415 Rn. 67 – Digital Rights Ireland LtD. s. dazu ARTICLE 29 Data Protection Working Party in ihrem Schreiben vom 07. 07. 2015 an die Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion der Europäischen Kommission, S. 4. 105 s. dazu ARTICLE 29 Data Protection Working Party in ihrem Schreiben vom 07. 07. 2015 an die Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion der Europäischen Kommission, S. 4; darauf bereits hinweisend Buttarelli, Stellungnahme v. 25. 05. 2012, Rn. 31 ff. 106 s. dazu ARTICLE 29 Data Protection Working Party in ihrem Schreiben vom 07. 07. 2015 an die Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion der Europäischen Kommission, S. 5. 107 s. dazu ARTICLE 29 Data Protection Working Party in ihrem Schreiben vom 07. 07. 2015 an die Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion der Europäischen Kommission, S. 4. 108 s. zum Übermaßverbot Johlen, in: Stern/Sachs, Art. 8 Rn. 50. 109 EuGH MMR 2014, 412, 414 Rn. 55 ff. – Digital Rights Ireland LtD. 104

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5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

über marktmissbräuchliche Handlungen. Jedoch ist bislang nicht bekannt, dass eine Geschäfts- oder Kundenart fehler- oder marktmissbrauchsanfälliger ist. Dies ergibt sich möglicherweise erst nach der flächendeckenden Einführung der Aufzeichnungspflicht in allen Mitgliedstaaten. Diese Möglichkeit sollte jedoch in den kommenden Jahren beobachtet werden. (4) Fehlende Ausgestaltung der Speicherung Weiterhin ist die lange Speicherungsdauer kritisch zu hinterfragen.110 Für die Verlängerungsoption durch die nationalen Aufsichtsbehörden sollte deutlich der Zusatz hervorgehoben werden, dass diese Verlängerung ebenfalls verhältnismäßig sein und auf das Notwendigste beschränkt werden muss.111 Zur Einhaltung des Gebots, dass personenbezogene Daten nicht länger als für die Zwecke notwendig gespeichert werden dürfen,112 sollte die Aufzeichnungsdauer insgesamt gekürzt werden. Eine falsche Ausführung eines Kundenauftrags, die falsche Übermittlung oder gar eine fehlerhafte Annahme dürfte sich bereits vor Ablauf von 5 Jahren herausstellen.113 Die weitere Funktion des Anlegerschutzes rechtfertigt die lange Speicherdauer auch nicht, da die Anlageberatung von der Aufzeichnungspflicht – außer in oben dargestellten Sonderfällen – ausgenommen ist. Nur bei dieser wird der Fehler üblicherweise erst weit nach der eigentlichen Beratung aufgedeckt.114 Entsteht durch die Stichprobenkontrolle der Verdacht marktmissbräuchlichen Verhaltens, so liegt keine anlasslose Aufzeichnung mehr vor und die Speicherung kann durchaus auch weiter als nach Art. 16 Abs. 7 MiFID II fortgeführt werden. Aufgrund der Erfassung von persönlichen Daten muss zudem festgelegt werden, unter welchen Voraussetzungen die nationalen Aufsichtsbehörden die Frist auf 7 Jahre erweitern dürfen. Hier könnte sich beispielsweise an dem deutschen § 34 Abs. 3 S. 3 WpHG orientiert werden,115 der eine Ausdehnung der Speicherfrist durch die BaFin auf Ausnahmefälle begrenzt. Zudem auch nur dann, wenn dies „[…] aufgrund außergewöhnlicher Umstände unter Berücksichtigung der Art des Finanzinstruments oder des Geschäfts für die Überwachungstätigkeit der Bundesanstalt erforderlich ist“. Zwar werden hier auch keine Voraussetzungen für die au110 s. bereits DK, Stellungnahme zum Konsultationspapier von ESMA 2014/549, zu Frage 12, S. 10. Die Notwendigkeit bereits bei der durch die Kommission in den Vorschlägen zur Richtlinie vorgeschlagene dreijährige Aufbewahrungsfrist bezweifelnd, Buttarelli, Stellungnahme v. 25. 05. 2012, Rn. 35 ff. 111 s. dazu ARTICLE 29 Data Protection Working Party in ihrem Schreiben vom 07. 07. 2015 an die Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion der Europäischen Kommission, S. 5. 112 Vgl. EuGH ZD 2017, 124, 129 Rn. 107 – Tele2 Sverige. 113 Vgl. zur wahrscheinlichen Fehleraufdeckung Michels, Interview v. 15. 11. 2016; Witteck, Interview v. 14. 09. 2016. 114 Vgl. Mattil & Kollegen, Stellungnahme 2. FiMaNoG, S. 8. 115 Vgl. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 328, die der Auffassung sind, dass sich die EU-Vorgabe bereits an § 34 Abs. 3 WpHG orientiert.

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ßerordentliche Verlängerung genannt, jedoch zeigt sich durch die Formulierung, dass mit der Verlängerungsoption restriktiv umzugehen ist. Um sicherzustellen, dass die Daten nicht unnötig länger als der Aufbewahrungsfrist entsprechend vorgehalten werden, sollte eine Regelung eingeführt werden, die die unverzügliche Löschung nach Fristablauf anordnet. Zudem sollte eine Verpflichtung zur sofortigen Löschung von fälschlicherweise aufgezeichneten Gesprächen festgesetzt werden. (5) Verhältnismäßigkeit i. e.S. Darüber hinaus ist es weiterhin offen, ob die starke finanzielle und organisatorische Belastung der WpDU in Relation zu dem durch die Regelung tatsächlich zu erreichenden Anlegerschutz und der Aufdeckung von marktmissbräuchlichem Verhalten steht.116 Zwar haben einige Mitgliedstaaten aufgrund der Ermächtigungsgrundlage in der Durchführungs-RL zur MiFID I bereits entsprechende Regelungen erlassen, aber auch diese müssen nun angepasst werden. Ausnahmen, wie die CESR sie für kleine Betriebe oder für kürzere Zeitspannen vorsah, bestehen nicht, obwohl sich der Aufwand von der damaligen Bewertung der CESR und der heutigen kaum verändert hat. Der Umsetzungsaufwand trifft damit alle Unternehmen gleich. Zur Beurteilung dieses Aufwands muss zunächst das Umsetzungsprozedere analysiert werden. Zunächst müssen die WpDU feststellen, durch welche Medien die Kunden bislang Kontakt aufnehmen können und über welche Mittel sie es taten.117 Hierfür werden regelmäßig Festnetztelefone an den Arbeitsplätzen der Mitarbeiter, Dienstmobiltelefone und bei dem bring your own device-Modell Mobiltelefone der Mitarbeiter genutzt.118 Auf Grundlage dieser Erkenntnis und unter Berücksichtigung der strengen Haftungsfolgen, muss eine neue Kommunikationspolitik erarbeitet werden. Hier ist es den WpDU anzuraten, die Nutzung privater Kommunikationsmittel und die Herausgabe privater Telefonnummern zu untersagen.119 Anderenfalls würde zusätzlich der Aufwand für die „Mitarbeiterkommunikationsgeräteliste“ (s. 5. Teil A.II.) erhöht, denn für die dienstlichen Geräte koordiniert das WpDU die Ausgabe von diesen und zugleich die Anstellungsverträge der Mitarbeiter.120 Bei privaten Geräten ist sie auf die Meldung des Mitarbeiters angewiesen.121 Alleine die 116

Offen lassend Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 228. s. zur Verhältnismäßigkeit der Datenverarbeitung Johlen, in: Stern/Sachs, Art. 8 Rn. 47. 117 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 347; zur Durchführung der Bestandsaufnahme und deren Ergebnissen in der Praxis, s. Bröcker, Interview v. 14. 10. 2016. 118 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 348; teilw. wird die private Mobiltelefonnummer auch auf der Visitenkarte abgedruckt, s. Bröcker, Interview v. 14. 10. 2016. 119 I. E. zustimmend Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 355. 120 s. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 354; es sei denn das WpDU benutzt bereits eine Software, die die Aufzeichnungsmethode auswählt, und hier ließe sich das Mobiltelefon integrieren, s. Herting, Interview v. 13. 02. 2017. 121 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 354.

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5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

Umstellung von privaten Geräten auf Geräte des WpDU ist mit erheblichen Kosten verbunden.122 Zugleich müssen Arbeitsanleitungen und Prozessbeschreibungen ggf. neu gestaltet werden.123 Insgesamt braucht es eine Software, die auf die neuen Aufzeichnungspflichten spezialisiert ist.124 Hier stellt sich die Frage, ob es nicht günstiger wäre, dies auf ein entsprechendes Call-Center auszulagern, wobei dann der persönliche Kundenkontakt verloren ginge. Anderenfalls könnte das WpDU ihr Telefonserviceangebot auf nur einen bestimmten Bereich beschränken.125 Allerdings müsste auch in diesen Fällen eine strukturelle Umorganisation mit Einführung neuer Betriebsabläufe erfolgen. Das bestehende Aufzeichnungs- und Speicherungssystem muss darauf überprüft werden, ob es den neuen Anforderungen gewachsen ist, insb. ob es keine nachträgliche Datenverarbeitung mehr zulässt, oder ob es eines Updates, wenn nicht sogar einer vollständigen Neuanschaffung bedarf.126 Auch die Speicherkapazität mit Kundenzuordnung ist ein herausforderndes Kriterium.127 Darüber hinaus sollte das System einfach zu handhaben sein, um einen einfachen internen Zugriff auf die Daten und deren Kontrolle zu ermöglichen. Zugleich sollten Wartung und SystemUpdates ohne Aufwand möglich sein, um entsprechend nach ESMAs Anforderungen auf die technische Fortentwicklung reagieren zu können. Auch die Mitarbeiter müssen über die neuen Anforderungen grundlegend geschult werden. Zugleich muss eine Regelung dafür gefunden werden, wie mit privaten Gesprächen der Mitarbeiter – sofern dies bislang erlaubt war – verfahren werden soll, wenn sich das WpDU aus Sicherheitsgründen dazu entschließt, jedes Gespräch aufzuzeichnen.128 Mithin zeigt sich in dieser bestenfalls groben Skizze, welch enormer Aufwand129 den WpDU bevorsteht, insb. in personeller, struktureller und technischer Hinsicht. Die dadurch entstehenden Kosten130 werden langfristig in Form von steigenden 122 123 124

2017.

s. zu den Kosten eines festen Telefonplatzes Backes, Interview v. 15. 11. 2016. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 351. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 349; vgl. Herting/Alpers, Interview v. 13. 02.

125 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 347; die Beschränkung der Telefonaufzeichnung auf bestimmte Filialen würde einen erheblichen Einschnitt bedeuten, s. Bröcker, Interview v. 14. 10. 2016. 126 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 356. 127 Backes, Interview v. 15. 11. 2016; i.E. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 356. 128 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 358. 129 s. dafür auch die Ausführungen des Bundesverbands Deutscher Banken e.V., „Sprachaufzeichnung telefonisch erteilter Wertpapierorders? – Eine Folgenabschätzung“. 130 Die DK schätze diese in ihrer Stellungnahme zur Revision der MiFID I auf 632 Mio. E für die Einführung einer entsprechenden Software und zusätzlich 332 Mio. E jährliche operative Kosten, DK, Stellungnahme zu den Legislativvorschlägen der Europäischen Kommission vom 20. 10. 2011, S. 11; zu den monatlichen Kosten eines Telefonplatzes bzw. der Anschaffung einer neuen Telefonanlage, s. Backes, Interview v. 15. 11. 2016.

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Transaktionskosten auf den Kunden umgelegt werden müssen.131 Dieser verspürt jedoch keinen direkten Mehrwert, wurde die Wertpapierdienstleistung doch bisher auch per Telefon angeboten.132 Letztlich könnte dies sogar einen erschwerten Marktzugang zur Folge haben. Diese „Verschlechterung“ steht dem Ziel des verbesserten Anlegerschutzniveaus und der Verhinderung von marktmissbräuchlichen Verhaltens gegenüber. Auch die Länder, die bereits eine Aufzeichnungspflicht eingeführt haben, haben bisher keine verlässlichen Studien über den Erfolg veröffentlichen können. Anzuerkennen ist jedoch, dass die Maßnahme grds. geeignet ist, das Vertrauen des Anlegers in den Markt zu steigern, wenn ihm der aus der Aufzeichnung herrührende Schutz offensiv genug angepriesen wird. Dennoch stehen die Belastungen des Unternehmens aufgrund fehlender Nachweise in keiner Relation zu den möglichen Erfolgen dieser Regelung. Eine besondere Begründung weshalb eine einheitliche Regelung auf diesem Gebiet notwendig ist, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Einige Mitgliedstaaten haben bereits andere Qualifikationen, wie bspw. das deutsche Beratungsprotokoll, welches auch bei telefonischer Anlageberatung geführt wird, geschaffen. Dieses soll zudem nun unter dem Namen Geeignetheitserklärung europaweit durch die MiFID II eingeführt werden (s. hierzu noch 6. Teil). Es ist zudem nicht bekannt, dass in Mitgliedstaaten, in denen keine Aufzeichnungspflichten bestehen, die Kunden öfter Opfer von marktmissbräuchlichem Verhalten werden. 2. Fazit Insgesamt zeigt sich die Regelung sowohl hinsichtlich des Datenschutzes als auch hinsichtlich der Angemessenheit als nicht mit bestehendem EU-Recht vereinbar und bedarf deutlicher Nachbesserung. Angesichts der bisherigen Reaktion von ESMA und der Kommission sowie der fehlenden Sensibilität für dieses Thema in anderen Mitgliedsländern, ist jedoch nicht mit einer baldigen bzw. freiwilligen Korrektur zu rechnen. Es besteht jedoch noch die Möglichkeit, dass der nationale Gesetzgeber an einigen Stellen Konkretisierungen und Ergänzungen vornimmt, um diesem Problem entgegenzuwirken.133 In jedem Falle sollten die WpDU dennoch an einer Umsetzung der technischen Voraussetzungen arbeiten, da mit einer vollständigen Aufhebung der Aufzeichnungspflicht keinesfalls zu rechnen ist. Unklar ist bislang auch, wie mit anderen nicht von der MiFID II genannten Medien, zu verfahren ist.134 Während ESMA sich nicht über entsprechende Tech131 s. zu den Umlegungskosten Bundesverbands Deutscher Banken e.V., „Sprachaufzeichnung telefonisch erteilter Wertpapierorders? – Eine Folgenabschätzung“, S. 9 f. 132 Vgl. Michels, Interview v. 15. 11. 2016. 133 So die Hoffnung von Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 339. 134 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 315.

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5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

niken äußern will, da in diesem Gebiet – wie ESMA richtig anmerkt – ein rasanter Fortschritt herrscht,135 verpasst es der europäische Gesetzgeber, die Richtlinie bei Bedarf anpassen zu können. Gerade hinsichtlich der Videokonferenzen o. ä. wäre eine Regelung des Gesetzgebers nicht nur wünschenswert, da sich diese Techniken immer größerer Beliebtheit erfreuen, sondern auch notwendig, da die Richtlinie aufgrund des Wortlautes und der datenschutzrechtlichen Notwendigkeit der Einschränkung per Gesetz nicht übertragbar ist. Hier ist somit eine Nachjustierung vorprogrammiert.

IV. ESMAs Q&As als Level-3-Maßnahmen In Form von Q&As hat ESMA Fragen von nationalen Aufsichtsbehörden und WpDU beantwortet, um eine einheitliche Interpretation und Implementierung zu gewährleisten. In diesen verdeutlicht ESMA, das sie erwartet, dass sämtliche interne Kommunikation der Mitarbeiter aufgezeichnet wird, wenn es darin um erfasste Geschäfte bzw. um den Umgang mit Ordern und Transaktionen geht.136 Gleichzeitig ist ESMA der Auffassung, dass die WpDU für die Herausgabe der Aufzeichnungen an den Kunden eine Gebühr erheben können, sofern dies nach nationalem Recht erlaubt ist und nicht zur verzögerten Herausgabe oder hohen Kosten führt und damit im Einklang mit Art. 12 der Datenschutz-RL steht.137 Während ESMA hier noch datenschutzrechtliche Überlegungen anstellt, fordert sie gleichzeitig, dass aufzeichnungspflichtige Gespräche von Beginn bis zum Ende aufgenommen werden müssen und nicht nur die essentiellen Teile. Damit lässt ESMA hier das Gebot der Datensparsamkeit außer Acht.138 Gleichzeitig bestätigt ESMA, dass von der Herausgabepflicht auf Verlangen des Kunden auch die interne Kommunikation der Mitarbeiter erfasst ist, wenn sie sich auf die Bereitstellung der Kundenorder bezieht.139 Um jedoch ein übermäßiges Aufzeichnen zu verhindern, gibt ESMA nun auch grobe Orientierungspunkte, wann die Aufzeichnungspflicht entsteht.140 So müssen Gespräche aufgezeichnet werden, wenn diese zu einer Vereinbarung über die Ausführung eines erfassten Geschäfts oder zu einer Handlung auf eigene Rechnung und die Bereitstellung des Kundenauftrags führen. Hiervon erfasst, sieht ESMA die Übermittlung des Auftrags an einen Broker oder die Kommunikation über die Handhabung eines Kundenauftrags.141 Der Versuch hier mehr Klarheit zu schaffen, blieb damit letztlich im Versuchsstadium stecken. Hinsichtlich der Überprüfung der Einhaltung der Aufzeichnungspflichten gibt ESMA an, dass die von dem Unter135 136 137 138 139 140 141

ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.6, Nr. 6; Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 10. ESMA, Q&As investor protection, S. 30. ESMA, Q&As investor protection, S. 30 f. ESMA, Q&As investor protection, S. 34. ESMA, Q&As investor protection, S. 35. ESMA, Q&As investor protection, S. 35 f. ESMA, Q&As investor protection, S. 35 f.

B. Die Aufzeichnungsregelungen in Deutschland

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nehmen zu implementierenden, internen Regelungen angemessen zur Unternehmensgröße und -art sein sollen.142 Zur Bestimmung der Angemessenheit sollen unter anderem das Volumen und die Häufigkeit des Handels auf eigene Rechnung, von Kundenorder sowie deren Eigenschaften und die der Finanzinstrumente sowie aktuelle Marktbedingungen herangezogen werden. Die Überprüfung muss die Einhaltung des Aufzeichnungsablaufs, die Richtigkeit und die Verfügbarkeiten der Aufzeichnungen sowie die richtige Wiedergabe des aufgezeichneten Inhalts umfassen. ESMA konkretisiert auch die Anforderungen zur Verlängerung der Aufbewahrungsfrist durch die nationalen Behörden, indem sie vorgibt, dass eine Verlängerung bspw. dann möglich ist, wenn eine komplexe Untersuchung aufgrund der Überwachungsaufgabe vorgenommen werden muss.143 ESMA gibt nun aber auch an, dass die nationale Behörde dem WpDU anzeigen muss, wenn sie die Daten, für die sie dem WpDU eine längere Aufbewahrung auferlegt hat, nicht mehr benötigt. Damit sieht nun auch ESMA die Schwierigkeit der langen Aufbewahrungspflicht. Gleichzeitig hat ESMA erkannt, dass die moderne elektronische Kommunikation nicht nur E-Mail, Fax und Telefonate enthält, sondern auch via SMS oder Videokonferenz erfolgen kann, indem sie angibt, dass diese auch von ihrem Begriffsverständnis der elektronischen Kommunikation erfasst sind.144 Eine nicht abschließende Orientierungsliste will ESMA aufgrund des raschen, technischen Fortschritts dennoch nicht erstellen und zeigt damit die bereits festgestellte häufige Aktualisierungsnotwendigkeit der Vorschriften an. ESMA erklärt des Weiteren, dass eine Auslagerung der Aufzeichnungspflichten, bspw. auf ein Callcenter, unter Einhaltung der Voraussetzungen möglich ist.145

B. Die Aufzeichnungsregelungen in Deutschland I. Die Aufzeichnungsregelungen vor der Umsetzung Aufzeichnungspflichten sind dem deutschen Recht nicht unbekannt. So existieren bereits in § 34 WpHG umfassende Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten, die durch § 14 WpDVerOV konkretisiert werden.146 Für Handelsgeschäfte, die per Telefon abgeschlossen werden, bestehen zudem Aufzeichnungspflichten für Kreditund Finanzdienstleistungsinstitute gem. BTO 2.2.1 Nr. 4 MaRisk.147 Diese müssen jedoch nur für drei Monate aufbewahrt werden. Bei dieser geht es ausschließlich um die Aufdeckung von Differenzen im telefonischen Handel, sodass die europäische 142 143 144 145 146 147

ESMA, Q&As investor protection, S. 31 f. ESMA, Q&As investor protection, S. 32. ESMA, Q&As investor protection, S. 33. ESMA, Q&As investor protection, S. 33. Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 34 Rn. 9. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 297.

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5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

Regelung weitergeht, indem sie auch die Überprüfung der Wohlverhaltensregelungen zum Ziel erklärt.148 § 34 Abs. 1 WpHG schreibt den WpDU vor, dass sie Aufzeichnungen über alle getätigten Wertpapierdienst- und Wertpapiernebendienstleistungen erstellen müssen, die der BaFin als Kontrolle zur Einhaltung der Wohlverhaltensregeln des 6. Abschnittes des WpHG dienen. Diese Aufzeichnungen beinhalten aber nicht ausdrücklich die Anfertigung von Telefongesprächsaufnahmen.149 So hat Deutschland von der Ermächtigungsgrundlage in der MiFID I-DRL zur Einführung einer Aufzeichnungspflicht für Telefongespräche keinen Gebrauch gemacht.150 Nach ausgiebiger Diskussion im Bundesrat während des Gesetzgebungsverfahrens151 zur Umsetzung der MiFID I im Jahre 2009 wurde eine solche für § 34 Abs. 2a WpHG abgelehnt.152 Auch der Rechtsausschuss hatte sich aufgrund der durch eine Aufzeichnungspflicht anfallenden Kosten und der erwarteten negativen Kundenreaktion für die Protokollierung und damit gegen die Aufzeichnung der Telefongespräche ausgesprochen.153 Zuvor hatte bereits der Bundesverband Deutscher Banken e.V. im Jahr 2008 eine Studie anfertigen lassen, die die extreme Kostenbelastung der WpDU auswies.154 Darüber hinaus bestanden – zu Recht (s. 5. Teil A.III.1.) – erhebliche Bedenken bezüglich der Verletzung des verfassungsrechtlich garantierten Schutzes der Privatsphäre des Bürgers,155 da es kaum möglich sei mit langjährigen Bankkunden während des Telefonats keine persönlichen Gesprächsthemen zumindest anzuschneiden. Dennoch findet auch in der deutschen Praxis die Aufzeichnung von Telefongesprächen (bspw. bei Direktbanken) Anwendung, vor allem in Form der Zusammenfassung der wesentlichen Punkte am Ende eines Beratungsgesprächs.156 Dies erfolgt jedoch nur nach vorheriger Aufklärung durch Bandansage oder manuell durch den Berater, da anderenfalls eine Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes i.S.d. § 201 StGB vorliegt.157 Folglich kann der Kunde der Aufzeichnung, anders als 148

Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 297. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 295. 150 Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 228; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 201b; Roth/ Blessing, CCZ 2017, 8. 151 Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung v. 31. 07. 2009, BGBl. I, 2512. 152 Kurz, DB 2014, 1181, 1185; Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 228; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 201b. 153 Beschlussempfehlung des Rechtsauschusses, BT-Drs. 16/13672, S. 22. 154 Bundesverband Deutscher Banken e.V., „Sprachaufzeichnung telefonisch erteilter Wertpapierorders? – Eine Folgenabschätzung“, S. 28 ff.; s. hierzu Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 201b. 155 Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 228. 156 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 295. 157 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 295. 149

B. Die Aufzeichnungsregelungen in Deutschland

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nun auf europäischer Ebene vorgesehen, widersprechen. Um das Einverständnis nachweisen zu können, wird die Zustimmung des Kunden zu Beginn des Gespräches oftmals mitaufgezeichnet.158 Weiterhin fällt auf, dass sich die Aufzeichnungspflicht bislang ausschließlich auf den Geschäftsabschluss bezog und rein interne und organisatorische Vorgänge nicht erfasst wurden.159 Dies ändert sich durch die Level-2-Maßnahmen, da Art. 76 Abs. 1 lit. a) MiFID II-DLVO ausdrücklich auch die Aufzeichnung der internen Kommunikation bestimmt, soweit sich diese auf den Abschluss eines Geschäftes bezieht.160 Führt der Privatkunde mit seinem Berater ein telefonisches Beratungsgespräch, so ist dieses nach § 34 Abs. 2a WpHG durch das WpDU schriftlich zu protokollieren und das Protokoll dem Kunden nach der Beratungsleistung – aber vor Geschäftsabschluss – in Papierform bzw. auf einem dauerhaften Datenträger, vom jeweiligen Berater unterzeichnet, auszuhändigen.161 Da die Übergabe bei der telefonischen Beratung nicht sofort erfolgen kann, muss dem Kunden das Protokoll unverzüglich nach Beendigung der Beratung zugesendet werden.162 Der Kunde kann jedoch auf seinen ausdrücklichen Wunsch – dieser ist im Protokoll festzuhalten – bereits vor Erhalt dieses Protokolls ein Geschäft abschließen. Ihm steht dann ein Rücktrittsrecht innerhalb einer Woche ab Zugang des Protokolls zu, sofern das Protokoll Fehler enthält oder unvollständig ist. Auf dieses Rücktrittsrecht und die Frist ist der Kunde hinzuweisen. (s. ausf. 6. Teil B.I.2) Inhaltlich gleichen die Anforderungen hinsichtlich Anlass, Dauer, Informationsgrundlage, Kundenwünschen und Empfehlungsgründen,163 die § 14 Abs. 6 WpDVerOV für das schriftliche Beratungsprotokoll aufstellt, der Minimum-Liste von ESMA für die Aufzeichnung von Präsenzgesprächen. Nach beiden müssen die Gesprächsteilnehmer, der Initiator (dieser wird auch im Zusammenhang mit dem Anlass der Beratung nach § 14 Abs. 6 WpDVerOV zu nennen sein), Datum und Uhrzeit sowie Ort des Gesprächs und die Angabe aller relevanten Informationen der 158

Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 295. Möllers, in: KK/WpHG, § 34 Rn. 1. 160 Vgl. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 201a, der diese Vorgaben als eine nahezu flächendeckende Aufzeichnungspflicht bezeichnet. Allerdings dürfte es wesentlich mehr interne Kommunikation aber auch Kundenkommunikation geben, die sich nicht auf aufzeichnungspflichtige Geschäfte bezieht. Es wird gerade keine allumfassende Aufzeichnungspflicht statuiert. 161 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 36; Schulz, Der telefonische Vertrieb von Finanzinstrumenten, 148 ff. Das einfache Kürzel ist insofern genügend, um dem Gespräch den teilnehmenden Berater zuzuordnen; es braucht keine Form i.S.d. §§ 126, 126b BGB, s. Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 32 f.; Möllers, in: KK/WpHG, § 34 Rn. 86. 162 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 42 f.; Schulz, Der telefonische Vertrieb von Finanzinstrumenten, 155. 163 Ausf. zu den einzelnen Merkmalen Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 26 ff.; Möllers, in: KK/WpHG, § 34 Rn. 91 ff.; Schäfer, in: Heidel, § 34 Rn. 13 ff.; Schulz, Der telefonische Vertrieb von Finanzinstrumenten, 142 ff.; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 198. 159

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5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

Order, vor allem Angaben zu Preis und Volumina vermerkt werden.164 Unterschiedlich ist jedoch, dass sich § 34 Abs. 2a WpHG nur auf Privatkunden bezieht, hingegen von der Aufzeichnungspflicht gem. Art. 16 Abs. 7 MiFID II alle Kunden erfasst werden, mithin auch professionelle Kunden.165 Hierin zeigt sich, dass der Hintergrund der Normgebung nicht nur im Individualschutz liegt – um die Schutzbedürftigkeit des professionellen Kunden lässt sich sicher streiten –, sondern auch in der Aufdeckung von marktmissbräuchlichem Verhalten.166 Außerdem knüpft ESMA diese Anforderungen nur an die bestimmten Geschäfte und nicht wie im deutschen Recht an die Anlageberatung. Indem sich Art. 16 Abs. 7 MiFID II nicht auf das Beratungsgespräch beschränkt, es vielmehr nur unter besonderen Umständen miterfasst, ist der Anwendungsbereich weiter als der des § 34 Abs. 2a WpHG.167 Mithin bräuchte es eine Erweiterung bzw. gänzlich neue Regelungen für die Protokollierung von Präsenzgesprächen, die dann jedoch die Ausführungen aus § 34 Abs. 2a WpHG mitaufgreifen müssten. Vor allem im deutschen Recht wird ein zivilrechtlicher Herausgabeanspruch der Aufzeichnungen an den Kunden gestaltet werden müssen, ähnlich wie dieser auch für das Beratungsprotokoll in § 34 Abs. 2b WpHG vorgesehen ist.168 Mangels europäischer Vorgaben, wie dem Kunden die Aufzeichnung herauszugeben ist, kann dies auf dieselbe Weise geschehen wie für die BaFin, also mittels eines leichten Zugangs und zeitnah.169 Die von ESMA aufgestellten Kriterien „unter besonderen Umständen“ und „mit vertretbarem Aufwand“ sind hier nicht zielführend.170 Die Telefongespräche weiterhin zu protokollieren, anstatt sie aufzuzeichnen, ist hingegen keine Umsetzungsmöglichkeit für den nationalen Gesetzgeber, da eine solch weite Auslegungsmöglichkeit keinen Eingang in den Richtlinienwortlaut gefunden hat.171 Die Speicherfrist von fünf Jahren ist dem deutschen Recht nicht unbekannt. So sieht bereits § 34 Abs. 3 WpHG eine solche für die bisher zu erstellenden Aufzeichnungen vor. Ebenfalls ist hier die Verlängerungsoption der BaFin in Ausnahmefällen und bei entsprechenden Produkteigenschaften vorgesehen.172 Diese müsste allerdings entsprechend der Vorgabe der Richtlinie auf sieben Jahre begrenzt werden. 164

Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 312. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 312; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 201a. 166 Vgl. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 312. 167 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 313. 168 Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 228; zum Herausgabeanspruch gem. § 34 Abs. 2b WpHG s. Möllers, in: KK/WpHG, § 34 Rn. 116 ff. 169 Vgl. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 333. 170 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 333. 171 Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 228. 172 Möllers, in: KK/WpHG, § 34 Rn. 119. 165

B. Die Aufzeichnungsregelungen in Deutschland

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Auch die Speichervorgaben des § 14 Abs. 9 WpDVerOV müssen dahingehend angepasst werden, dass eine nachträgliche Bearbeitung der Daten auch unter Kennzeichnung nicht mehr möglich ist.173 Die weiteren Voraussetzungen stimmen bereits mit den MiFID II-Vorgaben überein.174

II. Die Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im 2. FiMaNoG Der deutsche Gesetzgeber hat während des Umsetzungsprozesses vom RefE 1. FiMaNoG zum RegE des 2. FiMaNoG erhebliche Nachbesserungen vorgenommen. Bestand der erste Umsetzungsversuch noch aus einem einzigen Absatz, der alle bislang dargestellten Konstellationen abdecken sollte, so finden sich im RegE 2. FiMaNoG in § 83 WpHG-E mittlerweile acht Absätze zur Umsetzung und die Gesetzesbegründung enthält hilfreiche Erläuterungen. Der Gesetzgeber ist nicht nur um eine wortlautgetreue Umsetzung bemüht, sondern er versucht, die offenen Fragen auf europäischer Ebene zu klären und die bereits herausgearbeiteten Missstände hinsichtlich des Datenschutzes zu beheben. Dies ist ihm durchaus gelungen – die Notwendigkeit einer solchen Aufzeichnungsregelung bleibt allerdings weiterhin zweifelhaft. Die neuen Regelungen finden sich künftig in § 83 WpHG-E, der wie vermutet den bisherigen § 34 WpHG ersetzt. Gleichzeitig entfällt damit das bisherige deutsche Beratungsprotokoll (s. dazu 6. Teil B.II.2.). 1. Die Umsetzung unter Berücksichtigung des Datenschutzes? Im Folgenden soll die Umsetzung der Vorgaben der MiFID II und die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Voraussetzungen überprüft werden. Bei der Umsetzung in das nationale Recht hat der deutsche Gesetzgeber die Grundrechte, in diesem Falle das Fernmeldegeheimnis gem. Art. 10 GG, der sowohl den Inhalt des Telefongesprächs als auch dessen äußere Umstände in Form des Datums oder Länge erfasst,175 sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gem. Art. 2 Abs. 1 GG, zu beachten. Zudem hat er die bei der Einführung noch geltende Datenschutz-RL zu berücksichtigen und sollte im Vorgriff die ab dem 25. 05. 2018 direkt geltende DSGVO ebenfalls berücksichtigen. Durch die Umsetzung der europäischen Regelung werden die Banken verpflichtet, Telefongespräche mit ihren Kunden aufzuzeichnen. In denen werden, wie sich bereits auf europäischer Ebene herausstellte, auch höchstpersönliche Informationen ausgetauscht, sodass die Aufzeichnung den geschützten Bereich berührt. 173 174 175

Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 331. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 331. Durner, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 10 Rn. 85 f.

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5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

Darüber hinaus müssen unter Umständen die Aufzeichnungen an die BaFin als staatliche Aufsichtsbehörde weitergegeben werden. Wie bereits festgestellt, würde dies bei einer Eins-zu-eins-Umsetzung der MiFID II-Vorgaben ohne ausdrückliche Einwilligung des Kunden geschehen. Eine solche Einwilligung fordern jedoch Art. 7 lit. a) Datenschutz-RL bzw. künftig Art. 6 Nr. 11 DSGVO. Der Kunde könnte der Weitergabe auch nicht widersprechen. Mithin wäre durch den Erlass der nationalen Regelungen auch der Schutzbereich des Art. 10 GG eröffnet. Um diesen zu rechtfertigen, müssten die neuen Regelungen, die die exakten Voraussetzungen der Speicherung und Verarbeitung der Daten vorgeben, bestimmt und verhältnismäßig sein. a) Anwendungsbereich der Aufzeichnungspflicht In § 83 Abs. 3 S. 1 WpHG-E legt der Gesetzgeber fest, dass Inhalte der elektronischen Kundenkommunikation und Telefongespräche aufgezeichnet werden müssen, wenn es sich um Geschäfte im Rahmen des Handels für eigene Rechnung oder um die „[…] Erbringung von Dienstleistungen, die sich auf die Annahme, Übermittlung und Ausführung von Kundenaufträgen beziehen […]“ handelt. Ganz deutlich hebt der Gesetzgeber hier die auf europäischer Ebene unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten vermisste Zweckbindung (s. 5. Teil A.III.1.) für die Beweissicherung hervor. Gleichzeitig ermächtigt die Regelung die WpDU, zu diesem Zweck personenbezogene Daten zu erheben, zu verarbeiten und zu nutzen. Mithin hat der deutsche Gesetzgeber hier das Problem des Datenschutzes erkannt und gelöst. Es dürfen sowohl inhaltlich, als auch hinsichtlich des Umfangs nur solche Aufzeichnungen vorgenommen werden, die für den Zweck der Beweissicherung erforderlich sind. Solche Aufzeichnungen sind dann als befugt i.S.d. § 201 Abs. 1 StGB anzusehen.176 Ebenfalls besser als auf europäischer Ebene konkretisiert der deutsche Gesetzgeber den aufzeichnungspflichtigen Inhalt. Er gibt an, dass die Teile des Gesprächs bzw. der elektronischen Kundenkommunikation aufgezeichnet werden müssen, „[…] in welchen die Risiken, die Ertragschancen oder die Ausgestaltung von Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen erörtert werden“, § 83 Abs. 3 S. 2 WpHG-E.177 Ein europäisches Pendant besteht für diese Regelung nicht. Eine Ausweitung der MiFID II-Regelung nimmt der Gesetzgeber hingegen nicht vor, da er keine zusätzlichen Anforderungen schafft, sondern die bestehenden konkretisiert, um die Anwendbarkeit für die WpDU zu erleichtern.178 Damit haben die WpDU konkrete Kriterien, die eine Aufzeichnungspflicht auslösen und können danach ihre aufzustellenden internen Leitlinien ausrichten. Indem der Gesetzgeber diese Kri176

Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 245. Begr. RegE 2. FiMaNoG, BR-Drs. 813/16, S. 92. 178 A.A. BDV, Stellungnahme in der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zum 2. FiMaNoG, S. 5. 177

B. Die Aufzeichnungsregelungen in Deutschland

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terien mit „insbesondere“ einleitet, macht er deutlich, dass die Aufzählung nicht abschließend ist und die WpDU weitere Kriterien aufstellen können, bzw. in vergleichbaren Fällen ebenfalls die Aufzeichnungspflicht ausgelöst wird. Dies ist ein erheblicher Fortschritt zur Orientierung für die WpDU. Genauso wie die europäische Regelung, führt der deutsche Gesetzgeber des Weiteren aus, dass die Aufzeichnungspflicht auch dann besteht, wenn das Gespräch nur den Abschluss vorbereitet, § 83 Abs.3 S. 4 WpHG-E. Nicht nur aus dem Gesetzestext, sondern auch aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass die Regierung die Frage, welche Inhalte aufzeichnungspflichtig sind und die damit einhergehende Unsicherheit der WpDU sowie die Datenschutzprobleme, erkannt hat. Denn hier geht die Regierung deutlich über die europäische Regelung, aber auch über den Wortlaut der deutschen Regelung, hinaus, indem sie vorgibt, dass für WpDU, die ausschließlich Wertpapierdienstleistungen per Telefon bzw. elektronischer Kommunikation anbieten, eine Aufzeichnungspflicht von Gesprächsbeginn an besteht.179 Es sei nicht zu erwarten, dass noch andere Dienstleistungen – außer die aufzeichnungspflichtigen – angeboten werden.180 Bei Instituten, die auch noch andere Dienstleistungen, als die von der MiFID II erfassten, anbieten, entstünde hingegen ein Spannungsverhältnis zwischen der Aufzeichnungspflicht zur Beweissicherung bei der Beratung über Wertpapierdienstleistungen und dem allgemeinen Grundsatz der Datensparsamkeit.181 Zwar macht die Regierung hier richtigerweise keine Angaben zum Aufzeichnungsbeginn, stellt aber zugleich fest, dass zum Zwecke der Beweissicherung zugunsten des Kunden frühzeitig mit der Aufzeichnung begonnen werden soll.182 Es ist hervorzuheben, dass der Gesetzgeber offensichtlich um den Datenschutz bemüht ist, aber gleichzeitig den WpDU eine praktische, handhabbare Lösung bieten möchte. Dies ist grds. positiv zu bewerten. Eine generelle Aufzeichnungspflicht für WpDU, die keinen persönlichen Kontakt zu dem Kunden haben, ist jedoch nicht mit den europäischen Vorgaben vereinbar. Gleichzeitig zeigt die Argumentation der Regierung, dass sie fälschlicherweise davon ausgeht, dass die Beratungsleistung an sich aufzeichnungspflichtig ist.183 Dies ergibt sich auch aus der Unterscheidung zu Execution-Only-Geschäften. Nach Ansicht der Regierung muss bei diesen spätestens bei der Ordererteilung eine bestätigende Zusammenfassung über den Geschäftsabschluss gegenüber dem Kunden aufgezeichnet werden und der Kunde gleichzeitig 179

Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/19036, S. 244. Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/19036, S. 244. 181 Auf europäischer Ebene nun ausdrücklich verankert in Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO, diesen bislang auf europäischer Ebene nicht ausdrücklich benannten Teilaspekt des Erforderlichkeits- bzw. Zweckbindungsgrundsatzes wurde im nationalen Recht durch § 3a BDSG aufgegriffen. 182 Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/19036, S. 244. 183 Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drucks. 18/19036, S. 244; i.E. gehen auch Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 12 von der Erfassung der Anlageberatung aus; ebenso Buck-Heeb/Poelzig, BKR 2017, 485, 489. 180

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5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

darauf hingewiesen werden, dass die Order ohne Beratungsleistung erteilt wurde.184 ESMA hingegen hat diese ausdrücklich ausgenommen, es sei denn sie führt zu aufzeichnungspflichtigen Geschäften. Auf diesem Weg nimmt es allerdings die Regierung den WpDU ab, die spitzfindige Unterscheidung zu treffen, was noch eine reine Beratungsleistung darstellt und was bereits den Geschäftsabschluss vorbereitet. Hinsichtlich der Regelung für Execution-Only-Geschäfte, sollten aufgrund deren weitreichenden Auswirkungen bezüglich des aufzeichnungspflichtigen Inhalts diese klarstellend in den Gesetzestext aufgenommen werden.185 b) Umsetzungsmaßnahmen und Informationspflichten Des Weiteren soll das WpDU gem. § 83 Abs. 4 S. 1 WpHG-E „[…] alle angemessenen Maßnahmen [zu] ergreifen, um einschlägige Telefongespräche und elektronische Kommunikation aufzuzeichnen, die über Geräte erstellt oder von Geräten gesendet oder empfangen werden, die das Wertpapierdienstleistungsunternehmen seinen Mitarbeitern oder beauftragten Personen zur Verfügung stellt oder deren Nutzung das Wertpapierdienstleistungsunternehmen billigt oder gestattet“. Hier wurde der RefE 2. FiMaNoG erweitert, um die beauftragten Personen ebenfalls zu erfassen, was zur Verhinderung von Schutzlücken zu befürworten ist. Im Vergleich zum RefE des 1. FiMaNoG, der noch ein ausdrückliches Verbot für die Nutzung von privaten Kommunikationsmitteln der Mitarbeiter vorsah, wenn diese nicht aufzeichnen können bzw. nicht der Kontrolle des WpDUs unterliegen, weicht bereits der RefE 2. FiMaNoG ab. Dieser und der RegE zeichnen nun ein positiv formuliertes Verbot für solche Kommunikationsmittel, wenn die Kommunikation nicht mit Zustimmung des Mitarbeiters aufgezeichnet werden oder nach Abschluss des Geschäftes auf einen eigenen Datenspeicher kopiert werden kann. Damit konkretisieren die letzten Entwürfe das Verbot. Zwar besteht auf europäischer Ebene keine vergleichbare Formulierung, jedoch ist dieses Verbot der Umkehrschluss aus der grds. Aufzeichnungspflicht für alle Telefonate. Abs. 5 nimmt sich der Aufklärungsproblematik an. Hatte es der Gesetzgeber im RefE 1. FiMaNoG versäumt, die Unklarheiten auszuräumen, die auf europäischer Ebene zum Aufklärungszeitpunkt bestehen, so holt er dies bereits im RefE 2. FiMaNoG nach. Er legt zum einen fest, dass richtigerweise nicht nur der Kunde, sondern auch die Mitarbeiter und beauftragte Personen vorab in geeigneter Weise über die Aufzeichnung zu informieren sind. In der Begründung des RegE 2. FiMaNoG führt er weiter aus, dass eine einmalige Information vor der erstmaligen Erbringung der Wertpapierdienstleistung gegenüber dem jeweiligen Kunden ausreichend ist.186 Zum anderen führt er, ohne europäisches Pendant, eine Widerspruchsmöglichkeit des Kunden ein. Ebenso wie bei fehlender Aufklärung zieht der 184 185 186

Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 245. DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 25. Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 245.

B. Die Aufzeichnungsregelungen in Deutschland

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Widerspruch des Kunden das Verbot der Erbringung einer telefonischen oder mittels elektronischer Kommunikation veranlassten Wertpapierdienstleistung nach sich. Eine bislang übliche Ausgestaltung, dass bei Ablehnung der Aufzeichnung eine solche nicht stattfindet, wurde richtigerweise nicht eingeführt. Mithin hat der deutsche Gesetzgeber zwar die Möglichkeit des Widerspruchs des Kunden geschaffen, jedoch mit der gleichen Konsequenz wie auf europäischer Ebene, dass solche Gespräche telefonisch nicht mehr durchgeführt werden können. Ein solcher ist damit nicht von der europäischen Ebene ausgeschlossen, da auch hier den Kunden frei stand das Telefonat bei fehlendem Einverständnis zu beenden. Das Verbot ist jedoch dahingehend weiter als auf europäischer Ebene, da hier ebenfalls folgerichtig die Beratung erfasst wird. Damit stellt der Gesetzgeber zugleich heraus, dass – wie auf europäischer Ebene – die genannten Leistungen nur telefonisch nicht mehr erbracht werden dürfen. Für weitere Regelungen verweist der Gesetzgeber auf Art. 76 MiFID II-DLVO. Die Einführung einer Widerspruchslösung ist kritisch. Zum einen bietet sie den WpDU Rechtssicherheit, da bei nicht erfolgtem Widerspruch zugleich eine Einwilligung des Kunden zur Aufzeichnung vorliegt. Zum anderen besteht jedoch kein europäisches Pendant. Dies liegt, wie bereits festgestellt, unter anderem am Schutzzweck der Regelung, die nicht nur die Individualinteressen des Anlegers, sondern auch die Marktintegrität schützt, indem marktmissbräuchliches Verhalten aufgedeckt wird. (s. 5. Teil A.). Andererseits wird durch die Einführung der Widerspruchsmöglichkeit eine deutliche Einwilligungserklärung, wie sie Art. 7 lit. c) Datenschutz-RL vorsieht, geschaffen und auch der Eingriff in den Schutzbereich des Art. 10 GG umgangen. Des Weiteren obliegt es dem mündigen Anleger, selber zu entscheiden, ob er sich aufzeichnen lassen möchte und sich damit den zusätzlichen Schutz angedeihen lässt oder nicht.187 Ohne Widerspruchsmöglichkeit scheint es gerade so, als wolle der Gesetzgeber den Anleger vor sich selbst schützen und sehe in ihm keinen Anleger, der eigenständige Entscheidungen treffen kann. Einen solchen dann aber eine eigenständige Entscheidung hinsichtlich der Finanzprodukte treffen zu lassen, wäre paradox. Mithin ist eine solche Vorschrift zwar unter Harmonisierungsaspekten keine Eins-zu-eins-Umsetzung, jedoch beachtet der Gesetzgeber die ihm in den ErwG. auferlegte Gewährleistung der datenschutzrechtlichen Vorgaben. Insgesamt ist diese daher zu begrüßen. c) Dokumentationspflichten bei persönlichen Gesprächen Die im RefE 1. FiMaNoG nur halbherzig umgesetzte Protokollierungspflicht der persönlichen Gespräche durch ausschließlichen Verweis auf die delegierten Rechtsakte, wurde ebenfalls verbessert. Nun sollen persönlich erteilte Aufträge mittels dauerhaften Datenträgern dokumentiert werden, § 83 Abs. 6 S. 1 WpHG-E. Dafür kann der Berater schriftliche Vermerke oder Protokolle anfertigen. 187

s. Jäger, Interview v. 24. 10. 2016; Hertel, Interview v. 13. 10. 2016.

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5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

d) Die Ausgestaltung der Herausgabepflicht Auch setzt der Gesetzgeber die auf europäischer Ebene vorgesehene Herausgabepflicht der Aufzeichnung an den Kunden in § 83 Abs. 7 WpHG-E um. Nach dieser kann der Kunde bis zur Löschung oder Vernichtung die Herausgabe der Aufzeichnungen oder einer Kopie jederzeit verlangen. Ein Verweis auf die MiFID II-DLVO, die die Aufklärung des Kunden über die Herausgabepflicht beinhaltet, bzw. darauf, dass der Kunde – genauso wie die BaFin – die Aufzeichnungen innerhalb kurzer Zeit und mittels leichtem Zugriff herausverlangen kann, wäre wünschenswert gewesen, um eine einfache Handhabung von Gesetzestext und MiFID II-DLVO zu gewährleisten. Gleiches gilt für den Hinweis, dass der Kunde in derselben Sprache zu informieren ist, in der auch das Gespräch geführt wird. e) Die Anforderungen an die Aufbewahrung und Speicherung Richtigerweise hat auch der Gesetzgeber die Aufbewahrungspflicht unter Datenschutzgesichtspunkten in § 83 Abs. 8 WpHG-E konkretisiert. Diese ist grds. auf fünf Jahre beschränkt. Allerdings dürfen nur solche Daten für fünf Jahre gespeichert werden, die auch für die Zwecke der Beweissicherung erforderlich sind. Damit wird der Grundsatz der Datensparsamkeit beachtet. Ausweislich der Regierungsbegründung sind davon auch versehentlich aufgezeichnete Gespräche erfasst.188 Damit wird die bereits zur europäischen Regelung geforderte Ergänzung aufgegriffen (s. 5. Teil A.III.1.) Neu und wiederum ohne europäisches Vorbild führt der deutsche Gesetzgeber gleichzeitig eine Dokumentationspflicht der Löschung und der Vernichtung ein.189 Auch dies ist aus datenschutzrechtlichen Gründen zu begrüßen, da so die Vernichtung der Daten und deren Zeitpunkt nachgewiesen werden kann. Gleichzeitig ist es eine weitere Systemanforderung, die die Unternehmen zu erfüllen haben. Der Gesetzgeber nutzt auch die auf europäischer Ebene vorgesehene Fristverlängerungsoption, allerdings gestaltet der Gesetzgeber diese im nationalen Recht richtigerweise mit Anforderungen aus. So darf die BaFin die Speicherungsdauer nur dann von fünf auf sieben Jahre verlängern, wenn sie vor Ablauf der Fünf-Jahres-Frist Kenntnis von Umständen erlangt, die eine längere Speicherung erfordern, § 83 Abs. 8 WpHG-E. Gleichfalls übernimmt der deutsche Gesetzgeber die europäischen Anforderungen und statuiert in § 83 Abs. 9 WpHG-E, dass die Aufzeichnungen nachträglich nicht mehr verändert werden dürfen. Gleichzeitig schreibt er vor, dass diese nicht unbefugt verwendet und „[…] nicht für andere Zwecke genutzt werden [dürfen], insbesondere nicht zur Überwachung der Mitarbeiter durch das Wertpapierdienstleistungsunternehmen“.

188 189

Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 245. Vgl. Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 15 zum RefE 2. FiMaNoG.

B. Die Aufzeichnungsregelungen in Deutschland

267

Der Gesetzgeber konkretisiert zudem den Zugang der Mitarbeiter zu den gespeicherten Daten. So dürfen diese nur unter bestimmten Voraussetzungen „[…] insbesondere zur Erfüllung des Kundenauftrags oder der Anforderung der Bundesanstalt […]“ auf diese zugreifen, sodass der Zugang hinreichend bestimmt ist – obwohl es sich nicht um eine MiFID II Formulierung handelt.190 Zur Klarstellung sollte hier jedoch die Überprüfung der Einhaltung der Aufzeichnungsregelungen durch die Compliance-Beauftragten ergänzt werden, so wie dies Art. 76 Abs. 6 MiFID II-DLVO vorsieht,191 bzw. auf diesen verwiesen werden. Damit verdeutlicht der Gesetzgeber erneut die datenschutzrechtliche Zweckbindung, aber auch den Mitarbeiterschutz. Darüber hinaus statuiert er, dass nur bestimmte Mitarbeiter zu bestimmten Zwecken die Daten auswerten dürfen. Diese Mitarbeiter sollen nach der Regierungsbegründung intern namentlich bezeichnet werden.192 Auch damit nimmt er den fehlenden Datenschutz auf europäischer Ebene auf. Hier entsteht zwar ebenfalls eine laufende Aktualisierungspflicht einer solchen Mitarbeiterliste, sie gewährleistet jedoch eine genaue Kompetenzverteilung und zugleich Zugangskontrolle im Vergleich zu einer generischen Liste, die nur bspw. die Mitarbeiter der internen Revision erfasst.193 f) Zwischenfazit Zu begrüßen ist, dass der Gesetzgeber die Chance genutzt hat, offene Fragen auf europäischer Ebene sowie datenschutzrechtliche Aspekte zu konkretisieren und dabei gleichzeitig an einer praktischen Lösung für die WpDU interessiert ist. Indem er nun einheitlich an die Erbringung der Wertpapierdienstleistung anknüpft, um wie zuvor gefordert die sprachliche Einheitlichkeit zu wahren und Fehlinterpretationen vorzubeugen,194 ist die befürchtete Einbeziehung der Anlageberatung in die Aufzeichnungspflicht erfolgt, die auf europäischer Ebene ausgeschlossen ist.195 Hier sollte der Gesetzgeber die weitreichenden Konsequenzen überdenken und zur Einheitlichkeit und Klarstellung eine Ausnahme für die Anlageberatung formulieren. Positiv hervorzuheben ist, dass der Gesetzgeber Kriterien für den Beginn der Aufzeichnungspflicht in einer nicht abschließenden Aufzählung festlegt, um eine

190

S. 11. 191

Dies noch bemängelnd DAV, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG,

Ähnlich DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 25 f., die allerdings aufgrund dessen eine vollständige Streichung dieses Passus befürworten. 192 Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/19036, S. 246. 193 A.A. DAV, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 11. 194 DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 3, 23. 195 s. zur damaligen Befürchtung der Strafbarkeit gem. § 201 StGB: DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 24.

268

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

Strafbarkeit der WpDU nach § 201 Abs. 1 StGB zu vermeiden.196 So bietet er den WpDU eine Orientierung, damit diese nicht sicherheitshalber alles aufzuzeichnen. Diesem Ansatz beugt der Gesetzgeber ebenfalls vor, indem nur solche Gespräche aufgezeichnet werden sollen, „soweit“ sie für den Beweissicherungszweck erforderlich sind. Indem der Gesetzgeber zugleich ausdrücklich festlegt, dass auch persönliche Daten erhoben, verarbeitet und genutzt werden können schafft er eine Ermächtigungsgrundlage i.S.d. § 4 Abs. 1 BDSG.197 Dies ist insb. mit Blick auf die DSGVO zu begrüßen, die deutlich strengere Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage stellen wird als bisher.198 Neben den datenschutzrechtlichen Aspekten berücksichtigt der Gesetzgeber zugleich die besondere Vertrauensbeziehung zwischen Berater und Kunde, bei der letzterer vor allem die Vertraulichkeit des Wortes schätzt.199 Indem er eine auf europäischer Ebene zwar nicht vorgesehene Widerspruchsmöglichkeit des Kunden einführt, löst er wiederum die grundrechtlichen Spannungen auf. Der Gesetzgeber hat im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens besonderes Augenmerk auf die Regelung zur Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation, insb. der Aufzeichnung von Telefongesprächen, gelegt und vor allem viele Fehler zwischen dem Entwurf des 1. FiMaNoG sowie zwischen dem RefE und dem RegE des 2. FiMaNoG ausgebessert. Indem er jedoch die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, die an den hier zum RefE vorgestellten Regelung keine Änderungen mehr vornimmt, beschlossen und veröffentlicht hat, übersieht er seine Fehleinschätzung zur grds. Aufzeichnungspflicht der Beratungsgespräche und lässt weitere zuvor dargestellte Probleme unreguliert. 2. Arbeitsrechtliche Aspekte Ebenfalls regelungsbedürftig, und im 2. FiMaNoG bislang nur teilweise berücksichtigt, wurden arbeitsrechtliche Aspekte, die hier allerdings nur am Rande angeschnitten werden sollen.200 So hat gem. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der „Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen“. Da es sich bei der europäischen und letztlich auch der deutschen Umsetzungsregelung um zwingendes Recht handelt, dürften dem Betriebsrat keine Interventionsrechte zustehen.201 Der Ausschluss des Mitbestim196 DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 24; Bedenken wegen § 201 bereits bei der damaligen Diskussion zur Umsetzung der Ermächtigungsgrundlage in das nationale Recht, Böhm, BKR 2009, 221, 226 f. 197 DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 24. 198 Vgl. Hamann, BB 2017, 1090. 199 Vgl. die Ausführungen der Experten, bspw. Michels/Backes, Interview v. 15. 11. 2016; Herting/Alpers, Interview v. 13. 02. 2017. 200 Vgl. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 359; Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 13. 201 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 359; Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 13.

B. Die Aufzeichnungsregelungen in Deutschland

269

mungsrechtes über eine gesetzliche Regelung, in der die technische Einrichtung vorgeschrieben ist,202 ist in der aktuellen Fassung der nationalen Regelung ebenfalls nicht zu sehen. Bei der Installation und dem dauerhaften Gebrauch von Aufzeichnungssoftware bei der elektronischen Kundenkommunikation ist die Überwachung der Mitarbeiter objektiv möglich, auch wenn diese vom Gesetzgeber in § 83 Abs. 9 WpHG n.F. als Zweck ausgeschlossen wurde.203 Es reicht jedoch die objektive Aufzeichnungsmöglichkeit aus.204 Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation und insb. der von ESMA geforderten internen Kommunikation, soll der Überprüfung der Ausführung der Kundenaufträge dienen und zugleich marktmissbräuchliches Verhalten aufdecken. Insofern kann durch die Kontrolle der Aufzeichnungen, wie vorgesehen, das Verhalten und die Leistung des jeweiligen Mitarbeiters kontrolliert werden. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Mitbestimmungspflicht seitens des Betriebsrates liegen mithin vor. Damit steht dem Betriebsrat ein Mitspracherecht hinsichtlich der Ausgestaltung zu und er darf sich für einen sachgerechten Interessenausgleich einsetzen. Dennoch ist dabei zu beachten, dass dem Betriebsrat nur ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung zusteht, nicht hingegen bei der Planung.205 Es müsste ein Katalog erarbeitet werden, wie mit aufgedeckten Verstößen je nach Intensität umgegangen werden soll, bspw. in Form von Nachschulungen, Ermahnung oder Abmahnungen, letztlich Entlassung.206 Alles ließe sich zusammenfassend in einer Betriebsvereinbarung festhalten. 3. Praxismeinungen der interviewten Experten Die Einführung einer Aufzeichnungs- und Speicherpflicht für elektronische Kundenkommunikation und insb. für Telefongespräche ist ein die Praxis belastendes Thema. Die befragten Experten bemängeln, dass nicht klar sei, ab wann aufgezeichnet werden müsse und dies entsprechend zu Problemen führe. So entstünden Fragen dahingehend, ob ein System angeschafft werden müsse, welches alles aufzeichnet und damit ggf. datenschutzrechtliche Fragen aufwirft, oder ob dem Berater die Aufzeichnung manuell überantwortet werden soll und das WpDU damit die Gefahr in Kauf nimmt, dass versehentlich nicht alles aufgezeichnet wird. Überwiegend wird auch betont, dass der Kunde mit der Aufzeichnung nicht einverstanden sein könnte, bzw. sich dabei unwohl fühle, da die Bank doch etwas Besonderes sei. Der Kunde sei im Bankenbereich viel sensibler im Umgang mit seinen Daten als 202

s. Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 523 f. Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 13. 204 BAG NJW 1976, 261 ff.; Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 13. 205 Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 514; Werner, in: BeckOK ArbR, § 87 BetrVG Rn. 97. 206 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 361. 203

270

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

bspw. in sozialen Medien.207 Zudem würden die Mitarbeiter aus Sicht des Kunden durch die Aufzeichnung unter Generalverdacht gestellt. Außerdem rede nicht nur der Kunde, sondern auch der Berater mit langjährigen Kunden über persönliche und private Angelegenheiten, die er nicht aufzeichnen möchte. Ein weiteres Problem sei die Information in der gleichen Sprache, da manche Banken viele internationale Kunden haben und damit vorab mehrere Aufklärungstexte per Band ansagen lassen müssten. Letztlich stehen diese Umsetzungsprobleme vor der klaren Aussage, dass die Experten keine Veränderung durch die Aufzeichnung erwarten. Bereits heute werde das Beratungsprotokoll auch bei telefonischen Beratungen angefertigt, sodass dadurch kleinere Fehlkommunikationen, wie bspw. das falsche Verständnis von zehn oder 100 Aktien, aufgedeckt werden könnten. Solche Schreib- bzw. Kommunikationsfehler werden jedoch regelmäßig zeitnah bemerkt und im Kundensinne schnell korrigiert. Hierfür bräuchte es folglich eine solche Aufzeichnungspflicht nicht. Insgesamt wird die Aufzeichnungspflicht von allen Experten, auch solchen die auf eine bereits bestehende Telefonanlage aufbauen können, als hoher Aufwand bewertet, da nicht nur aufgezeichnet, sondern auch dem Kunden zugeordnet gespeichert und kontrolliert werden müsse. Kleinere Filialen überlegen die telefonischen Angebote auf bestimmte Plätze zu beschränken oder gar abzuschaffen. Insb. werden viele das Angebot, ihre Berater auch auf dem Mobiltelefon zu kontaktieren, massiv einschränken oder gänzlich nicht mehr anbieten, weil auf diesem keine lückenlose Aufzeichnung gewährleistet werden kann, bzw. diese noch sehr kompliziert ist, da sich ein entsprechender dritter Anbieter zu Aufzeichnungszwecken zwischenschalten muss. Anhand der Expertenmeinungen wird die große Herausforderung, mit der die WpDU durch die neuen Aufzeichnungspflichten konfrontiert werden, deutlich. Es zeichnet sich ausweislich der Expertenantworten jedoch ab, dass diese weder den Anleger stärker schützen, noch marktmissbräuchliches Verhalten in besonderem Umfang aufdecken werden, sondern das Angebot der Anlageberatung, wenn nicht beschränken, dann jedenfalls spürbar verändern werden.

III. Zwischenfazit zur neuen deutschen Aufzeichnungspflicht Insgesamt zeigt sich, dass der Gesetzgeber die auf europäischer Ebene angesprochenen Probleme versucht zu lösen. Insb. hinsichtlich des Datenschutzes208 setzt er deutliche Maßstäbe. Dies ist zu begrüßen. Allerdings schießt er hierbei teilweise über das Ziel hinaus, indem er auch die Anlageberatung, die auf europäischer Ebene explizit ausgeschlossen wurde, von der Aufzeichnungspflicht erfasst.

207

A.A. Michels, Interview v. 15. 11. 2016; Majic, Stellungnahme 21. 12. 2016; Stachowiak, Interview v. 12. 04. 2017. 208 Welches hier aufgrund der eigentlichen Ausrichtung der Arbeit keinesfalls in Gänze ausgebreitet werden konnte, sondern nur grobe Problemfelder aufzeigen sollte.

C. Die Aufzeichnungsregelungen in Großbritannien

271

Auf europäischer Ebene sollte für die nächste Reform berücksichtigt werden, dass durch die WpDU erhebliche Datenmengen erfasst, gespeichert und kontrolliert werden müssen, um den Zweck der Aufdeckung von marktmissbräuchlichem Verhalten zu erfüllen. Dies beinhaltet einen erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwand und wird nicht zu dem gewünschten Ergebnis führen, da auch durch diese Kontrolle marktmissbräuchliches Verhalten nicht zwingend aufgedeckt wird. Die vom deutschen Gesetzgeber zusätzlich eingeführte Aufzeichnungspflicht der Anlageberatung könnte jedoch für den Anleger zu dem positiven Ergebnis führen, dass dieser eine weitere Kontrollmöglichkeit des Beratungsgesprächs erhält. Das im Rahmen des Beratungsgesprächs anzufertigende Protokoll und die telefonische Aufzeichnung des Beratungsgesprächs müssen inhaltlich übereinstimmen.209 Als weiteren positiven Aspekt könnte dies zu einer Disziplinierung des Beraters führen.210 Auch der BaFin wird damit eine weitere Kontrollmöglichkeit an die Hand gegeben. Für die WpDU stellt die doppelte Ausführung zum einen erheblichen Mehraufwand sowie ein erhöhtes Haftungsrisiko dar.211 Diese nationale Doppelbelastung ist auch nicht mit der erhöhten Beraterdisziplin und dem Anlegerschutz zu rechtfertigen, da der Kunde zunächst einmal die Telefonaufzeichnung zum Abgleich von dem WpDU herausverlangen müsste und diese damit regelmäßig erst nach Abschluss des Geschäfts erhält. Folglich wird hier nur eine weitere Möglichkeit geschaffen, nachträglich eine sich nicht im Sinne des Anlegers entwickelnde Anlage rückabzuwickeln.

C. Die Aufzeichnungsregelungen in Großbritannien Anders als der deutsche Gesetzgeber hat Großbritannien auch auf diesem Gebiet im März 2008 Vorschriften zur Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation eingeführt, die die WpDU ab März 2009 anzuwenden hatten. Diese hatten allerdings auch nicht den Anlegerschutz, sondern ausschließlich den europäischen Teilaspekt effektiver Verfolgung von marktmissbräuchlichem Verhalten zum Ziel.212 Daher wurde die Aufbewahrungsdauer der Aufzeichnungen auf 6 Monate begrenzt. Im Jahr 2011 erfolgte dann die Erweiterung der Aufzeichnungspflichten auch für Mobiltelefone, die bis zu diesem Zeitpunkt ausgenommen waren.213 Auch die von den Regelungen der FCA erfassten Unternehmen müssen Sorge dafür tragen, dass

209

Hinsichtlich der Dopplung der Aufzeichnungen s. Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 15 f. s. Jäger, Interview v. 24. 10. 2016. 211 I. E. für den Mehraufwand Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 16. 212 FSA, Telephone Recording: recording of voice conversations and electronic communications, Policy Statement 08/1, S. 3. 213 FSA, Taping: Removing the mobile phone exemption, Consultation Paper 10/07. 210

272

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

keine Gespräche über private Mobiltelefone geführt werden, wenn sie diese nicht aufzeichnen können.214 Die aktuellen Regelungen finden sich im FCA Handbook unter COBS 11.8 „Recording telephone conversations and electronic communications“. Von diesen sind Firmen, die Kundenorder erhalten oder ausführen, bzw. die die Ausführung von Kundenorder ermöglichen, betroffen.215 Allerdings nur, wenn es sich dabei um Finanzinstrumente handelt, die auf einem ordentlichen Markt zugelassen sind bzw. deren Zulassung beantragt wurde, oder um Instrumente, die im Zusammenhang mit der Investition in zuvor genannte Finanzinstrumente stehen. Darüber hinaus betrifft die Aufzeichnungspflicht nur solche Aktivitäten, die von einer Einrichtung des WpDU in Großbritannien durchgeführt werden.216 Die WpDU stellen sicher, dass alle Telefonate aufgenommen werden und eine Kopie hiervon aufbewahrt wird. Dies betrifft sowohl die von dem WpDU zur Verfügung gestellten elektronischen Kommunikationsmittel, als auch eigene Kommunikationsmittel der Angestellten oder Beauftragten. Letzteres gilt auch dann, wenn die Nutzung solcher Geräte durch das WpDU verboten ist oder sanktioniert wird.217 Außerdem besteht in Großbritannien die Pflicht des Unternehmens zu verhindern, dass Geräte benutzt werden, bei denen die Aufzeichnung unmöglich ist.218 Die noch in den delegierten Rechtsakten fehlende Definition der elektronischen Kundenkommunikation findet sich hingegen in einem klarstellenden Zusatz des FCA-Handbook, der Fax, E-Mails aber auch Instant Messaging, also SMS und MMS, als solche definiert. Eine Ergänzung – wie sie im Jahr 2011 für Mobiltelefongespräche erfolgte – könnte an dieser Stelle ohne Weiteres auch für die Videotelefonie eingefügt werden. Dies stimmt mit ESMAs Definition in ihren Q&As überein. Inhaltlich müssen solche Gespräche aufgezeichnet werden, die zwischen einem Angestellten bzw. einem Auftragnehmer des WpDU und dem Kunden geführt werden oder im Kundenauftrag mit einer dritten Person und dieses zu einer Beauftragung des WpDU führt, eine der gesetzlich erfassten Tätigkeiten durchzuführen.219 Um den europäischen Anforderungen zu entsprechen, muss FCA außerdem noch interne Gespräche der Mitarbeiter aufnehmen, wenn sich diese auf aufzeichnungspflichtige Geschäfte beziehen. 214

FSA, Taping of mobile phones Feedback on CP10/7 and final rules, Policy Statement 10/ 17, S. 6. 215 Nicht erfasst werden Aktivitäten zwischen Maklern oder Maklern und Verwahrstellen desselben Fonds, das Unternehmensfinanzierungsgeschäft und Corporate Treasury, FCA, Handbook, COBS 11.8.2.R. Dafür werden Servicegesellschaften bzw. Dienstleistungsunternehmen, nicht direktive gemeinnützige Vereine, nicht direktive Versicherer und OGAW Qualifier erfasst, FCA, Handbook, COBS 11.8.3.R. 216 FCA, Handbook, COBS 11.8.4.R. 217 FCA, Handbook, COBS 11.8.5.R. 218 FCA, Handbook, COBS 11.8.5 A.R. 219 FCA, Handbook, COBS 11.8.8.R.(1).

C. Die Aufzeichnungsregelungen in Großbritannien

273

Ebenfalls hat FCA eine den europäischen Regelungen vergleichbare Klarstellung eingefügt. Auch im britischen Recht müssen Gespräche, die den Abschluss eines erfassten Geschäfts vorbereiten, aufgezeichnet werden.220 Diese Aufzeichnungspflicht trifft jedoch – anders als auf europäischer Ebene – nur Telefongespräche mit professionellen Kunden und geeigneten Gegenparteien.221 Künftig sind von dieser auch solche Gespräche mit Privatkunden betroffen.222 Gespräche ohne Berührungspunkte zu erfassten Tätigkeiten müssen nicht aufgezeichnet werden.223 Nach Ansicht von FCA sind Gespräche von Investment-Analysten, retail financial adviser und Mitarbeitern des Backoffices regelmäßig nicht aufzeichnungspflichtig.224 Hinsichtlich der Anlageberatung trifft dies auch ESMAs Ansicht; insgesamt ist die britische jedoch weiter als die europäische Ansicht. Während der Speicherung von sechs Monaten muss FCA ein einfacher und schneller Zugang ermöglicht werden. Anders als auf europäischer Ebene müssen nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen erkennbar sein, sind aber (noch) nicht verboten.225 Indem FCA aber keine exakten technischen Vorgaben macht, hält sie die Einführung von Techniken, die sich dem stetigen technischen Fortschritt anpassen, offen. Auch hier zeigt sich die Vorreiterrolle Großbritanniens für die europäischen Regelungen. Wobei die Briten, zumindest solange sie Mitglied der EU sind, einige größere Veränderungen hinnehmen müssen. So muss die Speicherdauer der Aufzeichnungen von sechs Monaten auf fünf Jahre erweitert werden.226 Dass FCA die Ermächtigungsregelung nutzt, um die Speicherdauer auf sieben Jahre auszuweiten, ist aufgrund der bislang geltenden kurzen Speicherungsdauer unwahrscheinlich. Insb. vor dem Hintergrund, dass bei der erstmaligen Einführung der Aufzeichnungspflicht in Großbritannien eine dreijährige Speicherdauer diskutiert und sich letztlich auf sechs Monate geeinigt wurde.227 Anhand der Pressereaktion zeigt sich der Einschnitt durch diese Erweiterung. So wird getitelt: „FCA loses fight in MiFID II call recording“,228 obwohl sich die Regelungen – zumindest aus deutscher Sicht – stark ähneln. Die neuen Regelungen sind ausweislich der Stellungnahmen des

220

FCA, Handbook, COBS 11.8.9.G.(1). FCA, Handbook, COBS 11.8.8.R.(2). 222 Vgl. FCA Markets in Financial Instruments Directive II Implementation – Consultation Paper III, CP 16/29, S. 111. 223 FCA, Handbook, COBS 11.8.9.G.(1). 224 FCA, Handbook, COBS 11.8.9.G.(2). 225 FCA, Handbook, COBS 11.8.10.R. 226 Vgl. FCA, Markets in Financial Instruments Directive II Implementation – Consultation Paper III, CP 16/29, S. 113. 227 Prentice/Lofchi/Highman, Telephone taping and capturing electronic communications: obligations for UK firms; US implications and perspectives, Beitrag v. 17. 03. 2008, lexology. 228 N.N., FCA loses fight on MiFID II call recording, Beitrag v. 02. 07. 2015, out-law. 221

274

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

britischen Regulierers, insb. FCA MiFID-Koordinator Stephan Hanks, nicht im Sinne von FCA.229 Hinsichtlich der Anpassung an die MiFID II-Vorgaben muss der Anwendungsbereich entsprechend auf die von diesem erfassten Akteure und Produkte erweitert werden, insb. um die weitergehenden Geschäfte des Art. 16 Abs. 7 MiFID II, bspw. um Transaktionen, die auf eigene Rechnung vorgenommen werden.230 In diesem Zuge überlegt FCA, den Anwendungsbereich grds. auszuweiten, um so einen flächendeckenderen Verbraucherschutz zu erhalten.231 Die bestehenden Ausnahmeregelungen für retail financial adviser und WpDU, die Unternehmensfinanzierungen anbieten, müssen hinsichtlich des Erhalts und Übermittlung von Kundenaufträgen ausgesetzt werden.232 Insgesamt zeigt sich, dass die britischen WpDU, im Gegensatz zu den deutschen, für die die Einführung ein Novum ist, auf die Neuerungen eingestellt sind. Im Vergleich zu Deutschland wurde die bestehende Aufzeichnungsregelung in Großbritannien nach und nach verschärft – zuletzt im Jahr 2013 –, löste aber dennoch Proteste bei den Unternehmen aus. Dies zeigen auch entsprechende Studien, die feststellten, dass die Aufzeichnungspflichten in großen WpDU nicht flächendeckend umgesetzt wurden.233 Unter anderem wurde dies mit technischen Schwierigkeiten für die Aufzeichnung bei Mobiltelefonen begründet. Dies lässt – wie bereits der Advice Gap durch das flächendeckende Provisionsverbot – keinen unvoreingenommenen Ausblick auf die Umsetzung der europäischen Regelungen zu.

D. Aufzeichnungsregelungen in den Vereinigten Staaten von Amerika Auch den Vereinigten Staaten von Amerika ist die Aufzeichnung von elektronischer Kundenkommunikation im Rahmen des Wertpapierhandels nicht unbekannt. Sind die Verhaltenspflichten für die Investment Adviser und Broker-Dealer für die Zuwendung einem anderen Regime zugeordnet, so bestehen hinsichtlich der Aufklärungspflichten gewisse Ähnlichkeiten.

229

N.N., FCA loses fight on MiFID II call recording, Beitrag v. 02. 07. 2015, out-law; Walker, FCA admits losing MiFID II recording fight, Beitrag v. 30. 06. 2015, FT Adviser. 230 FCA, Developing our approach to implementing MiFID II conduct of business and organisational requirements, Discussion Paper DP 15/3, S. 36. 231 FCA, Developing our approach to implementing MiFID II conduct of business and organisational requirements, Discussion Paper DP 15/3, S. 36; FCA, Markets in Financial Instruments Directive II Implementation – Consultation Paper III, CP 16/29, S. 112. 232 s. zur Erweiterung den Vorschlag von FCA, Markets in Financial Instruments Directive II Implementation – Consultation Paper III, CP 16/29, S. 112. 233 Anderson, Banks ignore UK’s mobile phone regulations, Beitrag v. 17. 03. 2014, Reuters.

D. Aufzeichnungsregelungen in den Vereinigten Staaten von Amerika

275

I. Die Regelungen für Broker-Dealer Jeder Broker-Dealer, der bei SEC registriert ist, wird gem. Sec. 17a-4 SEA dazu verpflichtet, Aufzeichnungen über jegliche Kommunikation, die mit seiner Tätigkeit zusammenhängt, für drei Jahre – davon zwei mit leichtem Zugang – aufzuzeichnen.234 Zu der aufzeichnungspflichtigen Kommunikation gehört ausweislich des Wortlautes auch die interne Kommunikation.235 Nach Auffassung von FINRA ist von der elektronischen Kommunikation auch solche via Instant Messaging erfasst236 und ist damit fortschrittlicher als die europäische Regelung. Es besteht jedoch keine ausdrückliche Pflicht zur Aufzeichnung von Telefongesprächen. Vielmehr verdeutlicht FINRA, dass schriftliche Kommunikation, hier sowohl in Papierform als auch elektronisch, aufbewahrt werden muss.237 Ebenso wie auf europäischer Ebene darf das WpDU die Nutzung von Geräten, bei denen sie keine Aufzeichnungen vornehmen kann, nicht erlauben.238 Ein Verbot für die Benutzung von eigenen Geräten durch angestellte Broker-Dealer besteht auch im amerikanischen Recht nicht. Jedoch sollte das WpDU in der Lage sein, auch auf diese E-Mails zuzugreifen bzw. sie aufzuzeichnen.239 Gleichzeitig mit der Aufzeichnungspflicht obliegt dem WpDU eine Überwachungspflicht der aufgenommenen Kommunikation, insb. hinsichtlich der Vertraulichkeit.240 Dafür müssen sie regelmäßig die Aufzeichnungssysteme auf Gesetzeskonformität überprüfen.241 Dem WpDU obliegt die Wahl zwischen der Speicherung in Papierform oder auf elektronische Weise. Entscheidet es sich für letztere, so muss das System vorab durch die Designated Examin Authority (DEA) geprüft werden.242 Genauso wie auf europäischer Ebene dürfen die Daten nachträglich nicht verändert werden können. Das System erkennt folglich, wann ein Medium gespeichert wurde und ob es verändert 234 Prentice/Lofchi/Highman, Telephone taping and capturing electronic communications: obligations for UK firms; US implications and perspectives, Beitrag v. 17. 03. 2008, lexology. 235 Zusätzlich noch einmal klarstellend FINRA, Books and Records, IV. Electronic Communications. „For purpose of the Securities Exchange Act, the term records is defined to mean „accounts, correspondence, memorandums, tapes, discs, papers, books, and other documents or transcribed information of any type, wheter expressed in ordinary or machine language.“ Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VII, Kap. 8, 4. s. auch § 3(a)(37) SEA. 236 FINRA, Books and Records, IV. Electronic Communications; NASD, Notice to Members 03 – 33 (July 2003) (Clarification for Members Regarding Supervisory Obligations and Recordkeeping Requirements for Instant Messaging); i.E. auch Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VII, Kap. 8, 4, die die Definition als modern und weitgehend beschreiben, sodass auch der Einfluss von fortschreitender Technik erfasst werden soll. 237 FINRA Rule 2210 (a) (2): Communication with the Public, abrufbar unter: http://finra. complinet.com/en/display/display_main.html?rbid=2403&element_id=10648 (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 238 FINRA, Books and Records, IV. Electronic Communications. 239 FINRA, Books and Records, IV. Electronic Communications. 240 FINRA, Books and Records, IV. Electronic Communications. 241 FINRA, Books and Records, B. Supervision. 242 FINRA, Books and Records, II. Electronic Storage Media.

276

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

wurde. Gleichzeitig gewährleistet es, wie auf europäischer Ebene gefordert, einen schnellen Zugriff auf die gespeicherten Daten. Ziel der Regelung ist – anders als auf europäischer Ebene – ausschließlich die Kontrolle des Verhaltens der Broker-Dealer.243 Dass die Regelungen der Sec. 17(a) SEA keinen Schutz für die Anleger entfalten, entschied bereits der Supreme Court in der Entscheidung Touche Ross & Co v. Redington.244 Folglich besteht auch für die amerikanischen Broker-Dealer eine Aufzeichnungsund Aufbewahrungspflicht, die die elektronische Kommunikation in Form von E-Mails erfasst. Eine vergleichbare, ausdrückliche Verpflichtung zur Aufzeichnung von Telefongesprächen ergibt sich jedoch nicht aus zuvor dargestellten Regelungen.

II. Aufzeichnungsregelungen des Dodd-Frank Act für Swaps Als Reaktion auf die Finanzmarktkrise, verpflichtete der Dodd-Frank Act im Jahre 2010 Swap-Händler und große Swap-Teilnehmer, täglich Handelsaufzeichnungen über die Swaps und alle damit zusammenhängende Datensätze zu führen. Zusätzlich müssen auch die aufgezeichneten Mitteilungen vorgehalten werden, zu denen sowohl E-Mails, Telefongespräche (auch Mobiltelefone), als auch Instant Messages gehören.245 Zu speichern sind die Aufzeichnungen grds. für fünf Jahre, wobei in den ersten beiden Jahren ein einfacher Zugriff möglich sein muss.246 Für die Aufzeichnung der Kommunikation gilt hingegen eine verkürzte Frist von einem Jahr.247 Die Dokumente müssen ebenfalls derart gespeichert werden, dass sie nicht gelöscht oder überschrieben werden können.248 Zudem muss das System automatisch verifizieren, dass die Speicherung korrekt abläuft.249 Durch diese Regelung wurde auch im amerikanischen Recht eine vergleichbare Regelung hinsichtlich der Aufzeichnung der telefonischen Kommunikation für Transaktionen eingeführt, die sich jedoch ausschließlich auf Swaps beziehen.

243

Cox/Hillmann/Langevoort, Securities Regulation, Kap. 18, 1071. 442 U.S. 560 (1979), S. 569. 245 Commodity Futures Trading Commission (CFTC) § 23.202(a)(1) und (b)(1) Daily Trading Records, abrufbar unter: https://www.gpo.gov/fdsys/granule/CFR-2013-title17-vol1/ CFR-2013-title17-vol1-sec23-202 (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018); Dodd-Frank Act, Public Law 111 – 203 July 21 – 2010, 124 Stat. 1707 (s. 2. Teil, Fn. 674). 246 CFTC § 23.203(1). 247 CFTC § 23.203(2). 248 CFTC § 1.31(b)(1)(ii)(A). 249 CFTC § 1.31(b)(1)(ii)(B). 244

D. Aufzeichnungsregelungen in den Vereinigten Staaten von Amerika

277

III. Die Regelungen für Investment Adviser Gem. Sec. 204 – 2(a) IAA muss der Investment Adviser seine Kommunikation aufzeichnen bzw. speichern.250 Sämtliche schriftliche Kommunikation muss ebenfalls aufbewahrt und gespeichert werden, Sec. 203 (a) IAA. Besondere Guidelines, dass hiervon auch elektronische Kommunikation, insb. E-Mails, umfasst sein sollen, bestehen hingegen nicht. Allerdings knüpft die Aufzeichnungspflicht nicht an ein Kommunikationsmedium an, sodass auch elektronische Kommunikation – hier insb. E-Mails oder Tonbandaufnahmen – erfasst ist, wenn die weiteren Voraussetzungen des Sec. 204 (A) IAA vorliegen.251 Die Aufzeichnung muss für fünf Jahre aufbewahrt werden; die ersten 2 Jahre im Büro des Advisers, Sec. 204 – 2(e) IAA. Gemäß Sec. 204 – 2(g)(3) IAA können die records auch elektronisch aufbewahrt werden, dann hat der Adviser jedoch dafür Sorge zu tragen, dass diese nicht verloren gehen, nachträglich geändert oder zerstört (gelöscht) werden können.252 Sie dürfen nur bestimmten Personen zugänglich sein. Zugleich müssen sie leicht abrufbar sein.253 Die einzelnen Voraussetzungen der Aufzeichnungspflicht können aufgrund des Umfangs hier nicht näher dargestellt werden.254 Allerdings ist auffällig, dass die Empfehlung und die Beratung des Advisers eine Aufzeichnungspflicht auslöst und damit dem deutschen System nähersteht als dem britischen oder dem europäischen, vgl. Sec. 204 – 2(a)(7) IAA. Nach diesem ist der Adviser verpflichtet, sämtliche schriftliche Kommunikation, die er erhält und Kopien der schriftlichen Kommunikation, die er versendet, aufzubewahren, wenn er eine Empfehlung ausspricht, einen Rat erteilt oder dergleichen vorbereitet. Nach Auffassung von SEC muss auch die interne Kommunikation, die sich auf den Rat bezieht, aufbewahrt werden. Anders als nach deutschem Verständnis zu vermuten wäre, ist von der elektronischen Kundenkommunikation nach Ansicht von SEC jedoch nicht zwingend das Telefongespräch erfasst. Hintergrund der Vorschrift ist ausweislich Sec. 204 (a) IAA das öffentliche Interesse und der Verbraucherschutz. Anders als bei den bisher untersuchten Vorschriften spielt hier die Aufdeckung von marktmissbräuchlichem Verhalten nur eine untergeordnete Rolle.255

250 251 252 253 254 255

Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VII, Kap. 8, 435. Frankel/Laby, § 18.01, S. 18 – 4. s. dafür auch Frankel/Laby, § 18.01, 18 – 4 f. Sec. 204 – 1(g)(2) IAA. Ausf. Frankel/Laby, § 18, 18 – 1. s. zur Aufdeckung von Insiderhandel Frankel/Laby, § 18.02 (B), 18 – 13 ff.

278

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

IV. Zwischenfazit zu den amerikanischen Anforderungen Es zeigt sich, dass auch das amerikanische Recht entsprechende Regelungen zur Aufzeichnung und Speicherung von Berater-Kundenkommunikation enthält. Die scharfen Anforderungen für die Aufzeichnung der Telefongespräche ergeben sich jedoch nur für die Swap-Geschäfte aus dem Dodd-Frank Act. Grds. können die weiteren Regelungen für die Broker-Dealer und Investment Adviser auch dazu führen, dass Telefongespräche aufgenommen werden. Allerdings muss die Kommunikation der Anlageberatung aufgezeichnet werden. Das amerikanische Recht sondiert nicht – auch hinsichtlich des Datenschutzrechts, welches in der amerikanischen Rechtsordnung nicht den Stellenwert trägt, wie in den anderen hier besprochenen Rechtssystemen –, welche Informationen aufzeichnungspflichtig sind, sondern lässt alles aufzeichnen. Diese Variante ist hinsichtlich ihrer praktischen Umsetzung für die amerikanischen WpDU einfacher.

E. Vergleich, Fazit und Ausblick Insgesamt zeigt sich, dass allen drei Rechtsordnungen Aufzeichnungspflichten nicht unbekannt sind. Während in Deutschland bislang jedoch keine Telefongespräche aufgezeichnet werden müssen, hat Großbritannien dies im Jahr 2009 aufgrund der Ermächtigungsgrundlage der MiFID I-DRL partiell für einige Finanzakteure und bestimmte Geschäfte vorgeschrieben. Ebenso haben die USA im Rahmen des Dodd-Frank Acts im gleichen Zeitraum auf die Finanzmarktkrise reagiert und für bestimmte Akteure Aufzeichnungspflichten für Telefongespräche erlassen. Die Aufzeichnungspflichten gehen jedoch unterschiedlich weit, da in den USA nur Swap-Händler und größere Swap-Teilnehmer erfasst sind, die dann jedoch alle Telefongespräche aufnehmen müssen. In Großbritannien sind mehrere Akteure erfasst, allerdings sind die Aufzeichnungspflichten auf einzelne Geschäfte beschränkt. Hinsichtlich der bestehenden Speicherungspflichten ähneln sich alle Vorschriften – auch die bereits in Deutschland bestehenden. Wesentlich sind ein rascher Zugriff und die Verhinderung von Datenverlust durch Löschung oder Überschreibung. Auch hier steht auf europäischer Ebene eine Ausweitung bevor, da künftig keine nachträglichen Änderungen mehr vorgenommen werden dürfen. Hingegen bestimmen die USA als einzige Rechtsordnung ausdrücklich, dass die Kommunikation in der Anlageberatung aufgezeichnet werden muss. Hier muss zum Zweck des Anlegerschutzes jede E-Mail, die einen Rat enthält, gespeichert werden. Diesen Schutzzweck hat u. a. das Anlageberatungsprotokoll auf deutscher Ebene inne. Allerdings enthalten die neuen Regelungen zur Aufzeichnungspflicht von Telefongesprächen und E-Mails auf europäischer Ebene – die auf Umwegen die Anlageberatung indirekt erfassen – auch diesen Anlegerschutzgedanken. Da der bisherige Vorreiter Großbritannien derzeit über eine Ausweitung der Pflichten auch

E. Vergleich, Fazit und Ausblick

279

für die Anlageberatung nachdenkt und dies in den USA bereits Gang und Gäbe ist, ist es nicht abwegig, sich auch auf europäischer Ebene auf eine solche Pflicht in absehbarer Zeit einzustellen. Die Belastung der WpDU auf europäischer Ebene hinsichtlich der Auswahlkriterien, die die Speicherungspflicht in Gang setzen, umgeht das amerikanische System, indem dieses auf solche verzichtet und alles aufzeichnen lässt. Für die Unternehmen wäre dieses System eine spürbare Entlastung. Es kollidiert jedoch mit dem europäischen und nationalen Datenschutzrecht – vor allem hinsichtlich der Datensparsamkeit. Dennoch ist es für die Praxis schwierig, den genauen Moment abzupassen, der die Aufzeichnungspflicht auslöst und die entsprechende Technik und Mitarbeiterschulungen hierfür sind sehr teuer. Voraussichtlich wird sich jedoch der Trend entwickeln, dass die Anzahl der aufzeichnungspflichtigen Daten – ähnlich wie die dem Anleger nachweislich zu übergebenden Informationen – stetig steigen wird, vor allem je mehr Daten das WpDU ohnehin aufgrund der Differenzierungsproblematik speichert. Besonders beachtlich ist im Vergleich auch die lange Speicherdauer, die auf europäischer Ebene nun eingeführt wurde. Diese ist auch den Rechtsordnungen, die bereits solche oder ähnliche Pflichten eingeführt haben, unbekannt. Hier sind Vorhaltungspflichten von sechs bis zwölf Monaten vorgesehen – abgesehen von besonderen Ausnahmen im Einzelfall. Kein rechtliches, sondern ein praktisches Problem vor dem die Unternehmen stehen, ist die technische Umsetzung, insb. die Aufzeichnung der Gespräche über Mobiltelefone. Diese wurden vom Gesetzgeber kaum berücksichtigt. Für die WpDU wird die Zeit bis zum 03. 01. 2018 immer knapper und dadurch die Umstellung deutlich aufwändiger und teurer. Insb. muss neben dem Aufwand auch die simpelste Umgehungsmöglichkeit durch Nutzung eines nicht registrierten Zweittelefons berücksichtigt werden. Denn marktmissbräuchliches Verhalten geschieht nicht aus Versehen, sondern benötigt ein gewisses Maß an krimineller Energie, die sich durch die Aufzeichnungspflichten wohl kaum aufhalten lässt.

6. Teil

Suitability A. Europäische Regelungen I. Die neuen Anforderungen der MiFID II 1. Die Geeignetheitsprüfung (Suitability Test) Art. 25 Abs. 2 MiFID II übernimmt die durch Art. 19 Abs. 4 MiFID I eingeführten und in Art. 35 MiFID I-DRL konkretisierten Vorschriften zur Geeignetheitsprüfung. Er legt fest, dass ein WpDU, das Anlageberatung erbringt, notwendige Informationen über die Kenntnisse und Erfahrungen des (potentiellen) Kunden in Bezug auf Produkttyp bzw. Dienstleistungsart, hinsichtlich der finanziellen Verhältnisse des Kunden und dessen Anlageziele einholen muss (Explorationspflicht). a) Neue Kriterien im Rahmen der Geeignetheitsprüfung Zwar bleibt die bisherige Dreiteilung der einzuholenden Informationen in Kenntnisse und Erfahrung des Kunden, der finanziellen Situation und die Anlageziele erhalten, jedoch werden die letzten beiden Kategorien um inhaltliche Anforderungen erweitert. Im Rahmen der finanziellen Verhältnisse muss künftig auch die Fähigkeit des Anlegers Verluste zu tragen abgefragt und in der Kategorie der Anlageziele die Risikotoleranz des Anlegers ermittelt werden. Aufgrund des Fehlens einer eigenständigen Definition scheinen die neuen Kriterien – zumindest ohne weitergehende Konkretisierung – nicht unbekannt.1 So sah bereits Art. 35 Abs. 4 MiFID I-DRL vor, dass die Risikobereitschaft des Kunden in die Geeignetheitsbeurteilung einfließen soll. Hier könnte es jedoch aufgrund der neuen ausdrücklichen Bestimmungen der MiFID II nun zur verstärkten Berücksichtigung kommen, wenn diese bislang nur eine untergeordnete Rolle bei den einzelnen Prüfungen spielten.2

1 2

Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 100. Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 100; vgl. Kurz, DB 2014, 1182, 1184.

A. Europäische Regelungen

281

Zudem sieht Art. 25 Abs. 2 UA 2 MiFID II bei der Empfehlung von Produktbündeln i.S.d. Art. 24 Abs. 11 MiFID II vor,3 dass diese insgesamt für den Kunden geeignet sein müssen. b) Zusätzliches Kriterium des Kundeninteresses Art. 24 Abs. 2 UA 2 MiFID II schreibt vor, dass dem Kunden nur solche Finanzprodukte empfohlen werden dürfen, die seinen Interessen entsprechen. Diese Pflicht wird zwar zusätzlich zu der des Art. 25 Abs. 2 MiFID II angeführt, jedoch konkretisiert sie weder die Geeignetheitsprüfung noch stellt sie eine zusätzliche Pflicht neben der Geeignetheitsprüfung dar.4 Denn durch die Geeignetheitsprüfung empfiehlt der Berater dem Kunden grds. ein Produkt im Interesse des Anlegers, sodass hier nur eine inhaltliche Verknüpfung entsteht.5 Allerdings ist Trafkowski zuzustimmen, der die Pflicht des Art. 24 Abs. 2 UA 2 MiFID II als Organisationspflicht des WpDU in Abgrenzung zur Verhaltenspflicht des Art. 25 Abs. 2 MiFID II erkennt, die sicherstellt, dass der Berater nicht von sachfremden Erwägungen geleitet wird.6 c) Die kontinuierliche Geeignetheitsprüfung Anders, als im Gesetzgebungsverfahren noch diskutiert, sollen die regelmäßigen Eignungsprüfungen nur nach Vereinbarung mit dem Kunden erfolgen, Art. 25 Abs. 6 UA 4 MiFID II. Allerdings muss dem Kunden gem. Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. a) iii) MiFID II vor Beginn der Anlageberatung mitgeteilt werden, ob eine solche regelmäßige Geeignetheitsbeurteilung stattfindet.7 Die befürchtete Aufoktroyierung einer nachvertraglichen Beratungspflicht ist damit ausgeblieben.8 Vielmehr ergibt sich hieraus, dass das europäische Recht, genauso wie das deutsche Zivilrecht, die Pflichten des Beraters nach Abschluss der Beratung für beendet betrachtet und keine 3

Nach Art. 24 Abs. 11 MiFID II muss das WpDU bei verbundenen Produkten oder Dienstleistungen darüber informieren, ob die einzelnen Pakete auch separat erworben werden können und dementsprechend auch die Kosten und Gebühren für diese einzeln darstellen, s. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 105b. Zugleich hat das WpDU dem Kleinanleger eine angemessene Beschreibung der verschiedenen Bestandteile der Vereinbarung bzw. des Pakets vorzulegen, die die Wechselwirkungen der Risiken aus den einzelnen Produkten darlegt und beschreibt, wie sich dieses verändert, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich die Risiken des Produktbündels von denen der einzelnen Produkte unterscheiden, s. Balzer, ZBB 2016, 226, 229. 4 Kurz, DB 2014,1182, 1184 „indirekt verknüpft“. 5 Kurz, DB 2014, 1182, 1184. 6 Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 252; offen lassend Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 105b. 7 s. Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 44. 8 s. noch Art. 25 Abs. 5 MiFID II-EPE; s. Möllers/Poppele, ZGR 2013, 437, 460 f.; kritisch Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 227.

282

6. Teil: Suitability

weiteren Pflichten hinsichtlich einer Überwachung der Empfehlung vorsieht.9 Daher sind Formulierungen, die eine regelmäßige Geeignetheitserklärungspflicht aus Art. 25 Abs. 6 MiFID II ableiten und nur mit Gedankenstrichen die Vereinbarung darüber zwischen Kunden und Berater anführen, missverständlich.10 Allerdings wird durch die Informationspflicht der häufig verbreiteten Kundenansicht, dass der Anlageberater auch eine „Nachbetreuung“ schulde, Rechnung getragen.11 Ihm wird dadurch verdeutlich, dass die der Beratung zugrundeliegende Geeignetheitsprüfung ausschließlich den aktuellen Zeitraum erfasst.12 2. Die Geeignetheitserklärung (Suitability Report) Gleichzeitigt sieht Art. 25 Abs. 6 UA 2 MiFID II vor, dem Kleinanleger die Ergebnisse der Geeignetheitsprüfung in einem sog. Suitability Report darzustellen. Dieser muss dem Kunden auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt werden. Inhaltlich muss der Bericht die erbrachte Leistung benennen und ihm darstellen, wie die Beratung auf seine wirtschaftlichen Vorlieben, Ziele und sonstige Merkmale eingeht. Dieser soll dem Kunden vor Geschäftsdurchführung übergeben werden.13 a) Ausnahmeregelung zur telefonischen Beratung Ist dies aufgrund der gewählten Beratungsform, so bspw. bei der Telefonberatung, nicht möglich, kann die Übermittlung des Suitability Reports auch unmittelbar nach der vertraglichen Bindung erfolgen, wenn der Kunde diesem Vorgang zugestimmt hat (lit. a)) und die Wertpapierfirmen dem Kunden die Option eingeräumt haben, das Geschäft zu verschieben, um den Suitability Report vor Geschäftsabschluss zuzustellen (lit. b)), Art. 25 Abs. 6 UA 3 MiFID II. Damit ist die europäische Regelung, zumindest nach der ausschließlichen Betrachtung der MiFID II-Bestimmungen, weiter als die deutsche Regelung.14 Letztere lässt nämlich dem Anleger das Beratungsprotokoll unverzüglich nach der Beratung zur Verfügung stellen und räumt dem Kunden bei telefonischem Abschluss des Geschäftes ein Rücktrittsrecht für den Fall der Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit des Protokolls nach dessen Erhalt ein, § 34 Abs. 2a WpHG.15

9

Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 227. s. bspw. Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264. 11 Balzer, ZBB 2016, 226, 233. 12 Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, 238. 13 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 107. 14 Positiv bewertend Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 266; i.E. Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264. 15 Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 266; Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264. 10

A. Europäische Regelungen

283

b) Der Anwendungsbereich Die europäischen Regelungen gelten ausweislich des Wortlautes sowohl für die mündliche, fernmündliche als auch für die schriftliche Beratung, da dieser hier nicht weiter differenziert.16 Dagegen bleibt unklar, ob auch geeignete Gegenparteien und professionelle Kunden von der Geeignetheitsprüfung und der Übergabe des Suitability Reports erfasst werden. Der Wortlaut der Regelung der Geeignetheitsprüfung erfasst jede Beratung und es müssen dem Kunden die Beratungsgründe dargelegt werden, Art. 25 Abs. 2 MiFID II. Aber nur dem Privatkunden bzw. dem Kleinanleger muss der Suitability Report ausgehändigt werden, Art. 25 Abs. 6 MiFID II. Diese Formulierung ist übereinstimmend mit der des ErwG. 82 MiFID II.17 Damit muss der Suitability Report nicht dem professionellen Kunden ausgehändigt werden. Für professionelle Kunden gilt ohnehin, dass der Berater von dessen Kenntnissen für das jeweilige Produkt, für welches er als professionell eingestuft wurde, ausgehen darf.18 Daher nimmt der Berater keine Geeignetheitsprüfung in diesem Bereich vor, die er dann als Erklärung aushändigen könnte.19 Allerdings darf nicht mehr von der finanziellen Belastbarkeit eines gekorenen professionellen Kunden ausgegangen werden, sodass diese zu überprüfen ist20 und darüber eine Geeignetheitserklärung angefertigt werden sollte. Vor allem unter Berücksichtigung, dass der neue Richtlinientext explizit die Fähigkeit Verluste zu tragen als Prüfkriterium benennt. Geeigneten Gegenparteien muss keine Geeignetheitserklärung ausgehändigt werden. Art. 30 Abs. 1 MiFID II schließt die Pflicht zur Geeignetheitsprüfung aus, sodass auch keine Erklärung hierüber abgegeben werden kann. Die weiterhin bestehende Anwendbarkeit des Art. 25 Abs. 6 MiFID II bezieht sich damit ausschließlich auf den Bericht über die erbrachte Dienstleistung.21 Eine solch eindeutige Regelung, wie für die geeignete Gegenpartei, fehlt zumindest aufgrund der neuen Ausnahmeregelung für den gekorenen professionellen Kunden. Hier wäre eine Klarstellung wünschenswert,22 da daraus ein überordentlicher Protektionismus für den gekorenen professionellen Anleger folgt.

16

Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 257. Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 258. 18 Vgl. MiFID II Anhang II. 19 Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 258. 20 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 97 ohne Begründung; a.A. Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 254. 21 I. E. Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 254; a.A. ohne Begründung Spindler, in: L/B/ S, BankR, Kap. 33 Rn. 97. 22 Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 258. 17

284

6. Teil: Suitability

II. ESMAs Vorschläge an die Kommission Nach Ansicht von ESMA ist die Geeignetheitsprüfung das wichtigste Element der Regelungen für den Anlegerschutz – nicht zuletzt, weil diese sowohl von der abhängigen und unabhängigen Anlageberatung, als auch von der Vermögensverwaltung durchgeführt werden muss.23 ESMA bezieht sich in ihren Vorschlägen auf ihre Guidelines aus 201224 und Art. 35 MiFID I-DRL und erweitert diese.25 Sie verpasst es jedoch, eine Definition für die neuen Anforderungen der Risikotoleranz und der Fähigkeit Verluste zu tragen einzuführen.26 1. Die Geeignetheitsprüfung a) Anwendungsbereich der Geeignetheitsprüfung Nach Ansicht von ESMA trägt das WpDU die Verantwortung für die Geeignetheitsprüfung und muss dieses dem Kunden verdeutlichen.27 Eine Geeignetheitsprüfung soll nicht nur bei der Empfehlung zum Kauf eines Finanzprodukts, sondern auch dann stattfinden, wenn dem Kunden vom Kauf abgeraten oder der Verkauf bzw. das Halten eines Finanzprodukts empfohlen wird.28 Beide Regelungen entspringen ESMAs Leitlinien 2012.29 Berät das WpDU mehrere natürliche Personen gemeinsam oder eine juristische Person, so müssen Regelungen getroffen werden, wie und auf wessen Interesse abzustellen ist.30 Für einen solchen Fall schlägt ESMA vor, dass es auf die Kenntnis des Vertreters der juristischen bzw. natürlichen Person ankommt.31 Alle im Folgenden dargestellten inhaltlichen Anforderungen sollen nach Ansicht von ESMA ebenfalls Anwendung finden, wenn die Anlageberatung nicht durch eine natürliche Person, sondern durch ein voll- oder semi-automatisches System erfolgt.32 Dies stellt ein Novum dar und ist darauf zurück zu führen, dass sich diese Beratungsformen erst in jüngster Zeit zum Trend entwickelt haben.33 Daher ist die Einbeziehung an dieser Stelle ausdrücklich zu begrüßen, da es anderenfalls zu er23 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 149, Nr. 1; i.E. Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 244. 24 ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID-Anforderungen an die Eignung. 25 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 150, Nr. 6. 26 Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 242. 27 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 154, TA Nr. 1 i). 28 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 154, TA Nr. 1 ii). 29 ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID-Anforderungen an die Eignung S. 5 Nr. 13. 30 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 154, TA Nr. 1 ii). 31 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 156, TA Nr. 1 xii). 32 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 156, TA Nr. 1 xiii). 33 Vgl. zum Robo-Advice, Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 265 f.

A. Europäische Regelungen

285

heblichen Umgehungsmöglichkeiten käme, wenn diese Formen geringeren Anforderungen, als die Beratung durch den natürlichen Berater, unterlägen. b) Inhaltliche Anforderungen der Geeignetheitsprüfung Die WpDU müssen adäquate Regelungen und Abläufe einführen, die sicherstellen, dass die Art, die Eigenschaften inklusive der Kosten und die Risiken der Instrumente vom Kunden verstanden werden.34 Diese Regelungen und Abläufe müssen Bewertungen enthalten, die unter Einbeziehung der Kosten und der Komplexität der Finanzprodukte feststellen, ob gleichwertige Finanzinstrumente das Profil des Kunden ebenfalls erfüllen können.35 Im Vergleich zur ESMA Leitlinie 2 aus 2012 ist diese Regelung nur hinsichtlich des Vergleichs mit anderen verfügbaren Finanzprodukten neu.36 Aber auch die aktuellen Vorschläge enthalten keinen eigenständigen, der Geeignetheitsprüfung nachgelagerten Vergleich der Finanzprodukte.37 Vielmehr sollen bei der Auswahl aus mehreren geeigneten Produkten die Komplexität und die Kosten im Vergleich zu anderen Produkten berücksichtigt werden.38 Einen tatsächlichen Vergleich haben die WpDU jedoch künftig im Falle des Finanzproduktwechsels bzw. bei der Depotumschichtung durchzuführen. In dieser Situation sollen die WpDU über die Finanzprodukte, die der Kunde bereits besitzt, Informationen einholen und diese mit dem vorgeschlagenen Produkt vergleichen, um festzustellen, dass die Vorteile des Wechsels zwischen den Finanzinstrumenten die damit verbundenen Kosten überwiegen.39 Zwar lassen sich diese Anforderungen nicht in der Richtlinie wieder finden, jedoch gestaltet ESMA die Anforderungen nicht derart aus, als dass die WpDU nun ein am besten geeignetes Produkt finden müssten, anstatt, wie von der Richtlinie vorgesehen, ein geeignetes Produkt.40 Ein Vorteil liegt nicht nur in geringeren Kosten, sondern auch in geringeren Risiken oder der Anhebung der allgemeinen Portfolioqualität.41 Das Argument, dass durch diese Vorschrift die Gefahr geschaffen würde, dass der Kunde sich beschwere, nicht das günstigste Produkt erhalten zu haben,42 34

ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 151, Nr. 9. ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 151, Nr. 9; Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 245; Balzer, ZBB 2016, 226, 232. 36 ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID-Anforderungen an die Eignung, S. 6 Nr. 18. 37 Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 245. 38 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 154, TA Nr. 1 iii); Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 262. 39 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 155, TA Nr. 1 x), xi); vgl. Trafkowski, in: MiFID II/ MiFIR, Rn. 247; Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 263. 40 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 150, Nr. 8. 41 Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 247. 42 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 150, Nr. 8. 35

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6. Teil: Suitability

läuft somit ins Leere. Zudem kann der Vergleich so auch innerhalb der Grenzen des eigenen Produktangebots stattfinden.43 c) Einzuholende Informationen Den Umfang der einzuholenden Informationen bestimmen die WpDU unter Berücksichtigung des von ihnen angebotenen Services eigenständig.44 Bei einer dauerhaften Kundenbeziehung, bspw. in Form der dauerhaften Beratung, ist die Einholung der Informationen zwingend. Hier hat das WpDU Prozesse zum Erhalt aktueller Kundeninformationen einzuführen, die zugleich sicherstellen, dass die eingeholten Informationen verlässlich sind.45 Hierfür stellt ESMA eine nicht abschließende Liste mit möglichen Maßnahmen auf, die mit der Leitlinie 5 und deren flankierenden Leitlinien aus dem Jahre 2012 vergleichbar sind.46 So sollen bspw. den Kunden nur einfache und leicht verständliche Fragen gestellt werden, die die Ansichten und Bedürfnisse des Kunden reflektieren und die benötigten Informationen beinhalten (lit. d)). Insgesamt soll dem Kunden die Bedeutung seiner Antworten bewusst gemacht werden (lit. a)). Nach wie vor soll die Empfehlung unterbleiben, wenn das WpDU aufgrund der Prüfung feststellt, dass sich in ihrem Finanzuniversum kein geeignetes Produkt befindet.47 2. Die Geeignetheitserklärung (Suitability Report) Der Suitability Report ist dem Privatkunden zu übergeben, um diesem aufzuzeigen, wie die geäußerte Empfehlung auf ihn zugeschnitten wurde. Damit soll der Suitability Report die Gründe beinhalten, wie das Finanzprodukt zu den Kundenzielen bzw. -bedürfnissen passt und wie die Kundenkenntnisse und Erfahrungen, aber auch die Anlegereinstellung zu Risiken und die Fähigkeit Verluste zu tragen, berücksichtigt wurden.48 Hierin verbirgt sich die ehemalige Leitlinie 7 des Leitlinienpakets 2012.49

43

Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 262. ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 154, TA Nr. 1 vii). 45 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 154, TA Nr. 1 vi). 46 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 155, TA Nr. 1 viii) lit. a) – lit. e); ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID-Anforderungen an die Eignung, S. 11 Nr. 41. 47 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 154, TA Nr. 1 iv); vgl. Trafkowski, in: MiFID II/ MiFIR, Rn. 244. 48 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 156, TA Nr. 2. 49 ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID-Anforderungen an die Eignung, S. 13 Nr. 51, 52; vgl. Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 242. 44

A. Europäische Regelungen

287

Auch soll der Suitability Report einen Hinweis enthalten, wenn Finanzprodukte einer regelmäßigen Geeignetheitsprüfung bedürfen.50 Aus dieser Formulierung ergibt sich jedoch keine Pflicht zur regelmäßigen Geeignetheitsprüfung. Hier ist Trafkowski zuzustimmen, dass die WpDU in solchen Fällen besonders auf die Formulierung zu achten haben, um eine Fehlvorstellung des Anlegers über das automatische Erfolgen einer solchen Prüfung auszuschließen.51 Bietet das WpDU hingegen eine fortgeführte Geeignetheitsprüfung an, so müssen solche Suitability Reports nur die Abweichungen zu den Vorherigen darstellen und können für gleichbleibende Ergebnisse auf den Ursprungsreport verweisen.52 Auch diese Vorgabe lässt sich als Leitlinie 6 des Leitlinienpakets aus 2012 identifizieren.53 3. Zwischenfazit Der Vergleich der Vorschläge und der Leitlinien aus 2012 zeigt, dass ESMA überwiegend ihrer bisherigen Auffassung folgt. Neu sind die Übertragung der Anforderungen auf semi- und vollautomatische Beratungsformen und der Vergleich der neuen und bestehenden Finanzprodukte bei einem Finanzproduktwechsel auf dessen Vorteilhaftigkeit.

III. Delegierte Verordnung der Kommission In Art. 54 MiFID II-DLVO hat sich die Kommission erneut überwiegend den zuvor dargestellten Vorschlägen von ESMA zur Geeignetheitsprüfung und für die Übergabe des Suitability Reports angeschlossen. 1. Übernommene Regelungen von ESMA In Abs. 1 findet sich die Regelung, dass die Geeignetheitsprüfung in die Zuständigkeit des WpDU fällt und es den Kunden unmissverständlich darüber informiert sowie in Abs. 1 UA 2, dass diese Regelungen ebenfalls für voll- bzw. semiautomatische Beratungssysteme gelten. In Abs. 2 folgt sodann die bereits bekannte Verpflichtung der WpDU festzulegen, in welchem Umfang Informationen eingeholt werden müssen, und dass durch die eingeholten Informationen die Anlageziele des Kunden auch hinsichtlich seiner Risikobereitschafft, seiner Anlageziele und seiner Risikotragfähigkeit sowie seiner Kenntnisse und Erfahrungen erfasst werden können. Dies entspricht Art. 35 Abs. 1 lit. a) – c) der MiFID I-DRL, welche durch die 50

ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 156, TA Nr. 3. Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 264. 52 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 156, TA Nr. 3. 53 ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID-Anforderungen an die Eignung, S. 12 Nr. 47. 51

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6. Teil: Suitability

nationalen Gesetzgeber umgesetzt wurden und sich nun direkt aus der Verordnung ergeben. Zugleich fordert auch die Kommission, dass die WpDU angemessene Schritte unternehmen müssen, um die Verlässlichkeit der Informationen sicher zu stellen und bedient sich an ESMAs nicht abschließender Aufzählung von Maßnahmen, Art. 54 Abs. 7 MiFID II-DLVO. In Abs. 7 UA 2 übernimmt die Kommission außerdem das Erfordernis, bei laufenden Beratungshandlungen geeignete Strategien und Verfahren zur Pflege von zweckdienlichen und aktuellen Informationen anzuwenden und nachweisen zu können. Erfolgen zudem vereinbarte laufende bzw. regelmäßige Geeignetheitsprüfungen, müssen diese entsprechend ESMAs Vorschlägen nur die Veränderungen zum vorherigen Report aufzeigen, Art. 54 Abs. 12 UA 3 MiFID II-DLVO. Zusätzlich statuiert die Kommission, dass diese mindestens einmal jährlich erfolgen sollen und je nach Risikoprofil des Kunden und Art des Finanzinstruments die jährliche Anzahl zu erhöhen ist, Art. 54 Abs. 13 MiFID II-DLVO. Allgemein trifft die WpDU auch die bereits vorgestellte Hinweispflicht, ob ein Finanzinstrument bzw. eine Dienstleistung einer fortlaufenden Geeignetheitsüberprüfung bedarf, Art. 54 Abs. 12 UA 2 MiFID II-DLVO. In Art. 54 Abs. 11 MiFID II-DLVO wird der Vergleich der Kosten und Vorteile bei der Umschichtung statuiert. Grds. müssen die WpDU die Art, die Kosten und die Risiken nachvollziehen und unter Berücksichtigung der Kosten und Komplexität beurteilen können, ob diese dem Profil des Kunden gerecht werden, Art. 54 Abs. 9 MiFID II-DLVO. Hier fehlt jedoch der noch in ESMAs Vorschlägen ausdrücklich geforderte Vergleich mit anderen Produkten. Indem jedoch Kosten und Komplexität berücksichtigt werden müssen, muss denknotwendig ein Abgleich mit anderen Finanzstrukturen und Komplexitätsgraden stattfinden, um diese Kriterien entsprechend einstufen zu können. Hieraus wird jedoch deutlich, dass – wie bereits festgestellt – aus dem Vergleich keine eigenständige Prüfung von anderen Produkten erfolgen sollte. Welche Dienstleistungen jedoch miteinander vergleichbar sind, ergibt sich aus den Anforderungen hingegen nicht. So ist dies bereits als problematisch bei der deutschen Regelung der Annahme von Zuwendungen in der Honorar-Anlageberatung für Finanzinstrumente erörtert worden. Für die Dienstleistung erweist sich dies als ungemein schwieriger.54 Der Abs. 6 des Art. 54 der MiFID II-DLVO enthält ESMAs Vorschläge, dass bei Personengruppen und juristischen Personen Grundsätze zur Person der Kenntnisermittlung festgelegt werden müssen. Diese sind nun schriftlich festzuhalten. In Vertretungsfällen ist, so wie von ESMA vorgesehen, auf die Kenntnis der Vertreter abzustellen, Art. 54 Abs. 6 UA 2 MiFID II-DLVO. Dies entspricht der nationalen zivilrechtlichen Regelung des § 166 BGB für die Fälle der offenen Stellvertretung i.S.d. § 164 BGB. Nach diesem kommt es für die Beratung auf die Kenntnisse und die Erfahrungen des Vertreters an, für die Informationen über die finanziellen Verhält54 Daher eine Streichung der Dienstleistung aus Art. 54 Abs. 11 MiFID II-DLVO fordernd Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 263.

A. Europäische Regelungen

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nisse und die Anlageziele jedoch auf die Person des Vertretenen.55 Zugleich werden von der MiFID II-DLVO, da hier keine Unterscheidung zwischen den Stellvertretungsarten vorgenommen wird, auch mittelbare Stellvertreter erfasst. Damit wird für das deutsche Recht die nationale Streitigkeit zur Behandlung von mittelbaren Stellvertretern gelöst und die aufsichtsrechtlichen und zivilrechtlichen Anforderungen der mittelbaren Stellvertretung laufen parallel.56 Art. 54 Abs. 12 MiFID II-DLVO statuiert, wie von ESMAvorgeschlagen, dass die Geeignetheitserklärung dem Kleinanleger einen Überblick über die erbrachte Beratung und der daraus resultierenden Empfehlung sowie dem Zusammenhang zwischen dieser und seinen Anlagezielen sowie seiner persönlichen Situation abbilden soll.57 Gleichzeitig muss er erkennen, wie diese mit der Anlagedauer, seinen Kenntnissen und Erfahrungen und seiner Risiko- und Verlusttragungsfähigkeit zusammenhängen. Es fällt hier jedoch auf, dass der Zeitpunkt abweichend von der Ursprungsregelung der MiFID II geregelt wird. Denn dieser soll „vor der Durchführung des Geschäftes“ erfolgen, hingegen nach dem Wortlaut der MiFID II-DLVO „bei der Vornahme einer Anlageberatung“ und damit während der Anlageberatung. Dies wäre im spätesten Fall zeitgleich mit der Aussprache der Empfehlung, da diese die Anlageberatung beendet. Da der Bericht die erbrachte Anlageberatung im Überblick und die durch das Anlagegespräch entwickelte Empfehlung in Bezug zu den Anlagekriterien des Anlegers setzen soll, kann dieser aber nur nach der Empfehlung übergeben werden. Um die Anknüpfung an die Anlageberatung zu wahren und damit so eng wie möglich am Wortlaut zu agieren, müsste der Bericht unverzüglich nach der Empfehlung übergeben werden. Damit ist der Zeitpunkt deutlich enger als in der Richtlinie vorgegeben. Denn nach dieser wäre jeder Zeitpunkt vor der Durchführung des Geschäfts ausreichend gewesen. Aus dieser Anknüpfung an die Anlageberatung und dadurch an die Empfehlung wird jedoch zugleich die Auffassung der Kommission deutlich, dass der Suitability Report immer ausgehändigt werden soll und nicht an die Durchführung des Geschäftes knüpft. Folglich muss dieser auch bei einer Halteempfehlung ausgehändigt werden. Die Anknüpfung an die Durchführung des Geschäfts, ist ohnehin zweifelhaft, da diese eine zeitliche Bestimmung zur Herausgabe des Reports festlegt und nicht eine Voraussetzung zur Übergabe.58

55 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 93; i.E. Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31a Rn. 21 ff.; Bamberger, in: D/K/B, Bank- und KapMR, § 52 Rn. 109. 56 Zur Streitigkeit und ohne Vorliegen der MiFID II-DLVO diese Lösung befürwortend Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 93; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31a Rn. 33; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 32. 57 s. dazu auch Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 15. 58 A.A. Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 266 ohne Kenntnis der MiFID II-DLVO; Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264.

290

6. Teil: Suitability

Bietet das WpDU eine regelmäßige Geeignetheitsbeurteilung nach Art. 54 Abs. 12 MiFID II-DLVO an, so muss sie gem. Art. 52 Abs. 5 MiFID II-DLVO Angaben über die Häufigkeit und den Umfang machen, inwiefern die zusammengetragenen Informationen erneut beurteilt werden und wie sie dem Kunden die Aktualisierungen mitteilen.59 2. Regelungen unabhängig von ESMAs Vorschlägen Ausdrücklich hält die Kommission noch einmal fest, dass das WpDU bei einem professionellen Kunden davon ausgehen kann, dass er über entsprechende Erfahrungen und Kenntnisse verfügt. Dies gilt nach Art. 54 Abs. 3 UA 2 MiFID II auch für professionelle Kunden des Anhangs II Abschnitt I der MiFID II. Für diese ist auch davon auszugehen, dass sie die mit dem Vorgang einhergehenden Anlagerisiken finanziell tragen können. Das entspricht der Annahme des Art. 35 Abs. 2 UA 2 MiFID I-DRL. Damit erfolgt die zuvor gewünschte Klarstellung hinsichtlich der Vornahme der Geeignetheitsprüfung für professionelle Kunden (6. Teil A.I.2.b)). Eine solche ist folglich auch künftig nicht notwendig. Des Weiteren übernimmt die Kommission die Anforderungen des bisherigen Art. 35 Abs. 3 und 5 MiFID I-DRL, sodass die Herkunft und Höhe des regelmäßigen Einkommens, die vorhandenen Vermögenswerte – einschließlich liquider Vermögenswerte –, Anlagen und Immobilienbesitz des Kunden sowie dessen finanzielle Verpflichtungen abgefragt werden müssen, Art. 54 Abs. 4 MiFID II-DLVO. Zusätzlich müssen gem. Art. 54 Abs. 5 MiFID II-DLVO von dem Kunden geplante Anlagezeiträume, Risikopräferenzen, sein Risikoprofil und der Anlagezweck ermittelt werden. Auch darf ohne die erforderlichen Informationen für die Geeignetheitsprüfung, keine Empfehlung ausgesprochen werden, Art. 54 Abs. 8 MiFID IIDLVO. Ist keine Wertpapierdienstleistung oder kein Finanzinstrument für den Kunden geeignet, so darf das WpDU auch kein Handelsgeschäft empfehlen oder beschließen, Art. 54 Abs. 10 MiFID II-DLVO. Um noch einmal herauszustellen, dass Art. 25 Abs. 5, Abs. 6 UA 4 MiFID II gerade nicht vorschreibt, dass die Wertpapierfirmen nun verpflichtet sind, eine regelmäßige Geeignetheitsprüfung durchzuführen, wenn dieses nicht ausdrücklich vereinbart wurde, sieht Art. 58 Abs. 1 MiFID II-DLVO vor, dass über die Erbringung der regelmäßigen Geeignetheitsprüfung eine Rahmenvereinbarung abzuschließen ist. In dieser sollen die Rechte und Pflichten des WpDU und des Kunden niedergelegt sein. Entsprechend des früheren Art. 37 MiFID I-DRL müssen die WpDU gem. Art. 55 MiFID II-DLVO, Dienstleistungen, Geschäfte und Finanzinstrumente, mit denen der Kunde vertraut ist, sowie Art, Umfang und Häufigkeit der vom Kunden getätigten Finanzgeschäfte sowie dessen Zeitraum abfragen. Außerdem müssen sie 59

Ausf. zu den Vorschlägen von ESMA Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 276 ff.

A. Europäische Regelungen

291

Informationen über den Bildungsstand und Beruf bzw. früher relevante Berufe des Kunden einholen, um die Kenntnisse und Erfahrungen zu bestimmen, Art. 55 Abs. 1 MiFID II-DLVO. Dabei darf sich das WpDU auf die vom Kunden übermittelten Informationen verlassen, es sei denn, dass diese Informationen offensichtlich veraltet, unzutreffend, oder unvollständig sind, Art. 55 Abs. 3 MiFID II-DLVO. 3. Keine Definition der „neuen“ Merkmale In der MiFID II-DLVO fehlen nach wie vor die Definition der Risikotoleranz und die der Fähigkeit Verluste zu tragen. Aus den Begriffen „Risikotoleranz“ und „Fähigkeit Verluste zu tragen“ allein lässt sich weder Umfang noch Inhalt dieser Tatbestandsmerkmale ableiten. Die englische und die französische Fassung der MiFID II helfen hierfür ebenfalls nicht weiter, da auch diese nur die wörtliche Übersetzung der deutschen Begriffe enthalten (engl. Fassung ability to bear losses und risk tolerance, franz. Fassung capacité à subir des pertes und tolérance au risque). a) Bestimmung der Fähigkeit Verluste zu tragen Das Tatbestandsmerkmal der Fähigkeit Verluste zu tragen wird jedoch mit dem der finanziellen Verhältnisse verknüpft, indem Informationen über die finanziellen Verhältnisse einschließlich (bzw. including) der Fähigkeit Verluste zu tragen einzuholen sind.60 Somit werden die finanziellen Verhältnisse konkretisiert, indem das Merkmal der Verlusttragungsfähigkeit als Unterkategorie ausdrücklich betont wird. Bereits Art. 35 Abs. 1 lit. b) MiFID I-DRL konkretisierte die Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 MiFID I zur Einholung der finanziellen Verhältnisse, sodass es sich bei der Einführung dieser Unterkategorie um ein bereits nach der MiFID I-DRL verankertes Merkmal handelt.61 Gem. Art. 35 Abs. 1 lit. b) MiFID I-DRL musste die Anlage so beschaffen sein, „dass etwaige mit dem Geschäft einhergehende Anlagerisiken für den Kunden seinen Anlagezielen entsprechend finanziell tragbar sind“. Aus dieser Fassung ergab sich bereits die Überprüfung der Fähigkeit des Kunden, die mit der Anlage verbundenen Risiken tragen zu können. Zwar koppelt der alte Wortlaut das Merkmal an die Anlageziele und die Anlage selbst, jedoch ergibt sich diese Verbindung auch aus 60 s. Kurz, DB 2014, 1182, 1184, die feststellt, dass „[…] i m R a h m e n der finanziellen Situation des Kunden auch Informationen über die Fähigkeit des Kunden, Verluste zu tragen, eingeholt werden müssen […]“; Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR Rn. 242: „Es ist lediglich klargestellt worden, dass die finanziellen Verhältnisse auch die Verlusttragungsfähigkeit des Kunden und die Anlageziele auch seine Risikotoleranz b e i n h a l t e n .“ (Hervorhebungen durch die Verfasserin). 61 Vgl. zu Art. 35 MiFID-DRL Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, 45 f.

292

6. Teil: Suitability

Art. 25 Abs. 2 MiFID II. Auch dort sollen die Informationen dazu eingeholt werden, um „[…] dem Kunden Wertpapierdienstleistungen und Finanzinstrumente zu empfehlen, die für ihn geeignet sind und insbesondere seiner Risikotoleranz und seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, entsprechen“. Für diese Ansicht spricht des Weiteren, dass ESMA und die Kommission die aktuellen Regelungen des Art. 35 MiFID IDRL aufrechterhalten erhalten wollen.62 Auch aus dem Vergleich mit der englischen Version des Art. 35 Abs. 1 lit. b) MiFID I-DRL, nach der der Kunde „[…] able financially to bear any related investment risks consistent with his investment objectives […]“ sein musste, lässt sich keine andere Auffassung herleiten. Folglich muss der Kunde auch nach dieser die Risiken des Investments entsprechend seinen Anlagezielen finanziell tragen können. Allerdings sind die Risiken einer Anlage Verluste bzw. der Totalverlust. Damit legte auch die englische Fassung indirekt die Fähigkeit des Anlegers Verluste zu tragen als Merkmal fest. Entgegen der MiFID II-Formulierung findet sich in Art. 35 Abs. 3 MiFID I-DRL bei der ausdrücklichen Konkretisierung der finanziellen Verhältnisse nicht das Merkmal der Verlusttragungsfähigkeit. Jedoch sind nach der genannten Norm für die Beurteilung der finanziellen Verhältnisse des Kunden Informationen über Herkunft und Höhe seines regelmäßigen Einkommens, seine Vermögenswerte einschließlich der liquiden Vermögenswerte, Anlagen und Immobilienbesitz sowie seinen regelmäßigen finanziellen Verpflichtungen, einzuholen. Diese geben letztlich darüber Aufschluss, wie der Anleger einen Verlust verkraften würde. Folglich wurde bereits aufgrund der MiFID I-DRL, die Fähigkeit Verluste zu tragen indirekt geprüft. Indem der europäische Gesetzgeber dieses nun auf die Ebene der Level-1-Maßnahme hebt und ausdrücklich betont, zeigt er dessen Wichtigkeit auf, eine andere inhaltliche Bedeutung oder Reichweite als auf der Ebene der MiFID I-DRL ergibt sich daraus jedoch nicht. b) Bestimmung der Risikotoleranz Das Merkmal der Risikotoleranz findet sich wörtlich ebenfalls nicht in der MiFID I-DRL.63 Jedoch müssen hinsichtlich der Anlageziele nach Art. 35 Abs. 4 MiFID I-DRL Informationen über die Präferenzen des Risikos und des Risikoprofils des Kunden eingeholt werden. Folglich handelt es sich zum einen objektiv darum, welches Risiko der Kunde bislang bei vorherigen Anlagegeschäften eingegangen ist, und subjektiv, wie er seine Risikobereitschaft selber einschätzen würde.64 62

Nr. 6. 63

ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.17, Nr. 6; ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 150,

s. zur Risikobereitschaft Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, 109. 64 Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, 109 f. m.w.N.

A. Europäische Regelungen

293

Bei der Aufzählung der Risikotoleranz lässt sich weder ein subjektiver noch ein objektiver Faktor ablehnen, sodass es sich hierbei um die Zusammenfassung der beiden Informationspunkte handelt, so wie dies bspw. durch den deutschen Gesetzgeber in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpDVerOV mit der Anforderung der Risikobereitschaft umgesetzt wurde. c) Zwischenfazit Aufgrund der fehlenden Definition und der (indirekten) Behandlung der Tatbestandsmerkmale in der MiFID I-DRL zeigt sich, dass der europäische Gesetzgeber diese nun ausdrücklich betonen und in jedem Fall unmittelbar bei der Überprüfung berücksichtigen lassen wollte, aber inhaltlich weiter von deren bisherigen Anforderungen ausgegangen ist.65 Dies entspricht auch dem Anlegerschutz, als einer der Zielsetzungen der MiFID II. Da für diese keine weitergehenden Bestimmungen vorliegen, wie die Risikotoleranz und die Fähigkeit Verluste zu tragen zu ermitteln ist, kann der nationale Gesetzgeber zur Ausgestaltung die vorherigen eigenen Maßstäbe ansetzen.66 In jedem Falle wäre es sowohl für die nationalen Gesetzgeber im Rahmen der Umsetzung als auch für die Finanzakteure wünschenswert, wenn hierzu noch eine Klarstellung seitens des europäischen Gesetzgebers erfolgen würde, insb. um das Ziel, ein einheitliches Regelwerk zu schaffen, zu verwirklichen.

IV. ESMAs Q&As Investor Protection als Level-3-Maßnahme ESMA hat in ihren Q&As als Level-3-Maßnahme zu bestimmten Fragen ihre Sichtweise zur Auslegung der MiFID II, MiFID II-DLVO und der MiFID II-DLRL dargelegt. Da die BaFin ihre Verwaltungspraxis regelmäßig eng an den Vorgaben der ESMA Auffassung auslegt, wird diese faktisch verbindlich für die WpDU. In den vorliegenden Q&As finden sich vor allem sehr konkrete Anforderungen hinsichtlich der Geeignetheitsprüfung und der Geeignetheitserklärung, die sich in dieser Weise zum Teil weder aus der Richtlinie noch aus der MiFID II-DLVO hätten ablesen lassen. So soll dem Kleinanleger auch dann ein Suitability Report übergeben werden, wenn im Anschluss keine Transaktion erfolgt. Damit legt ESMA die hier bereits zur MiFID II-DLVO vertreten Ansicht (s. 6. Teil A.III.1.) als ihre Verwaltungspraxis fest. Sie begründet dies treffend damit, dass Art. 4 Abs. 1 Nr. 4 MiFID II für die Definition der Anlageberatung kein Erfordernis einer der Empfehlung nachfolgen-

65

Von einer Erweiterung der Pflichten ohne weitere Begündung ausgehend Buck-Heeb/ Poelzig, BKR 2017, 485, 491. 66 s. zur Risikobereitschaft Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, 106.

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6. Teil: Suitability

den Transaktion vorsieht.67 Folgerichtig und in Übereinstimmung mit der Richtlinie kann dann der Suitability Report auch nicht mit dem Bericht über die erfolgte Transaktion zusammen gefasst werden, da dieser denknotwenig erst nach der Durchführung des Geschäfts ausgehändigt werden kann.68 Eine solche Zusammenfassung wäre nur in den Fällen möglich, wenn der Bericht unter den besonderen Voraussetzungen des Art. 25 Abs. 6 UA 3 MiFID II später erfolgen darf. Der Report muss nicht separat erfolgen, wenn dem Kunden vor Durchführung des Geschäfts weitere Berichte im Zusammenhang mit der Anlageberatung auszuhändigen sind.69 Auch Notizen über das persönliche Gespräch gem. Art. 16 Abs. 7 MiFID II dürfen mit dem Suitability Report zusammen in einem Dokument ausgehändigt werden, wenn dieser alle Voraussetzungen der einzelnen Anforderungen erfüllt, entsprechend den Aufbewahrungsregelungen gesichert und dem Kunden zur Verfügung gestellt wird.70 Ohne Anknüpfungspunkt in der Richtlinie oder der MiFID II-DLVO muss der Bericht eine Datums- und Zeitangabe über die Durchführung der Beratung sowie über die Aushändigung an den Kunden enthalten.71 Wird der Suitability Report persönlich in Papierform ausgehändigt, so werden sich die WpDU dies künftig quittieren lassen. Darüber hinaus gibt ESMA Beispiele für Situationen, in denen WpDU keine Empfehlung aussprechen dürfen, da kein Finanzprodukt für den Kunden geeignet ist. Nach wie vor darf auch in solchen Fällen die Transaktion durchgeführt werden, wenn der Kunde insistiert und gegen den Rat des WpDU das Geschäft durchführen möchte.72 Er ist dann ausdrücklich über die für ihn fehlende Geeignetheit und die dadurch entstehenden Risiken hinzuweisen. Weiterhin ist dies zu dokumentieren, insb. auf wessen Initiative die Transaktionsdurchführung beruht.

B. Deutsche Regelung Zwar gelten die Regelungen der MiFID II-DLVO direkt für deutsche WpDU, dennoch sollen hier kurz die Regelungen vor der Geltungserlangung der MiFID IIDLVO und auch die teilweise erfolgenden Umsetzungsbemühungen des deutschen Gesetzgebers dargestellt werden, um die Veränderungen für die WpDU besser beurteilen zu können.

67 68 69 70 71 72

ESMA, Q&As investor protection, S. 24. ESMA, Q&As investor protection, S. 24. ESMA, Q&As investor protection, S. 24. ESMA, Q&As investor protection, S. 29. ESMA, Q&As investor protection, S. 24. ESMA, Q&As investor protection, S. 27.

B. Deutsche Regelung

295

I. Regelungen vor der Umsetzung 1. Geeignetheitsprüfung – neue Anforderungen bereits vorhanden Die bereits bestehenden Regelungen der MiFID I zur Geeignetheitsprüfung wurden im deutschen Recht in § 31 Abs. 4 WpHG umgesetzt.73 So prüft der Berater, ob das konkrete Geschäft bzw. das Finanzinstrument den Anlagezielen des jeweiligen Kunden entspricht und ob dieser die aus dem Geschäft entstehenden Anlagerisiken gemessen an seinen Anlagezielen finanziell tragen kann.74 Damit besteht bereits heute eine Regelung zur Überprüfung der finanziellen Situation und der Fähigkeit des Anlegers Verluste zu tragen. Zusätzlich muss durch den Berater überprüft werden, ob der Anleger die spezifischen Anlagerisiken aufgrund seiner Erfahrung und seinen aktuellen Kenntnissen verstehen kann.75 Die hierfür benötigten Informationen muss er durch Befragung des Kunden einholen (Explorationspflicht).76 Erlangt das WpDU diese Informationen nicht, so darf es keine Empfehlung aussprechen.77 Konkretisiert werden diese Regelungen durch die § 6 WpDVerOVund der MaComp in BT 6, 7. § 6 Abs. 2 WpDVerOV entspricht bereits heute Art. 55 Abs. 1 MiFID II-DLVO, da dieser die entsprechenden Anforderungen aus Art. 25 MiFID I-DRL, die § 6 WpDVerOV umsetzt, übernimmt. Und auch Abs. 1 enthält bereits einige Anforderungen des Art. 54 MiFID II-DLVO, der die Anforderung aus Art. 35 Abs. 4 MiFID I-DRL übernimmt. So müssen die Grundlage und die Höhe des regelmäßigen Einkommens überprüft und finanzielle Verpflichtungen und vorhandenes Vermögen insb. Bargeld, Immobilien und Kapitalanlagen abgefragt werden. Dies sieht auch Art. 54 Abs. 4 MiFID II-DLVO vor. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 WpDVerOV müssen – wie auch in Art. 54 Abs. 5 MiFID II-DLVO vorgesehen – hinsichtlich der durch die Geschäfte verfolgten Ziele, Angaben über die Anlagedauer, die Risikobereitschaft des Kunden und den Zweck der Anlage erfragt werden.78 Damit ergeben sich künftig die Anforderungen aus § 6 WpDVerOV direkt aus Art. 51 und 54 MiFID II-DLVO. Wie bereits festgestellt, besteht keine weitere Definition der neuen Tatbestandsmerkmale der Risikotoleranz und der Fähigkeit Verluste zu tragen, jedoch wurden diese indirekt durch die MiFID I-DRL bereits eingeführt (s. 6. Teil A.III.3.). Hinsichtlich der Zielsetzung, besteht Übereinstimmung zwischen dem deutschen Kriterium, ob die Risiken der Anlage für den Kunden finanziell tragbar sind, § 31 Abs. 4 S. 2 WpHG, und dem europäischen Merkmal, die Fähigkeit Verluste zu 73 74 75 76 77 78

Vgl. Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 85. Kurz, DB 2014, 1182, 1184; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 88 ff. Im Detail hierzu Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rn. 136 ff. Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 442. § 31 Abs. 4 S. 2 WpHG, s. Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 443. Ausf. Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rn. 139 ff.

296

6. Teil: Suitability

tragen.79 Denn auch das deutsche Kriterium dient, neben dem Schutz der WpDU vor zahlungsunfähigen Kunden, dem Anlegerschutz.80 So sollen die Angaben über die finanziellen Verhältnisse es dem Berater ermöglichen, nachzuvollziehen, ob der Kunde den Verlust seiner Anlage ohne gravierende Einschnitte in seinen bisherigen Lebensstil verkraften kann.81 Je eher der Kunde die Anlagemittel zurück benötigt, desto geringer ist objektiv seine Fähigkeit Anlagerisiken zu verkraften.82 Folglich hat der deutsche Gesetzgeber die Anforderungen aus der MiFID I-DRL ordnungsgemäß umgesetzt. Eine ausdrückliche Benennung dieser Prüfung mit der Fähigkeit Verluste zu tragen findet sich entsprechend der Umsetzung der MiFID I-DRL-Vorgaben hingegen nicht. Mithin sollte der Gesetzgeber dieses Merkmal in die neuen Regelungen ausdrücklich aufnehmen, um dessen Bedeutung zu betonen. In § 6 Abs. 1 Nr. 2 WpDVerOV findet sich ausdrücklich die Überprüfung der Risikobereitschaft des Kunden. Zugleich soll mit der Überprüfung der finanziellen Verhältnisse die Risikotragfähigkeit des Kunden herausgefiltert werden.83 Die Risikotoleranz ist somit objektiv zu berücksichtigen.84 Mit der Abfrage der persönlichkeitsabhängigen Einstellung des Anlegers zum Risiko, wird auch die subjektive Komponente berücksichtigt.85 So wurde auch dieses Merkmal entsprechend umgesetzt. Wie gezeigt erfüllen die WpDU damit bereits heute die „neuen“ Merkmale.86 Indem diese nun ausdrücklich betont werden und als direktes Merkmal abzufragen sind, sollten die WpDU ihre ohnehin darauf ausgerichtete Prüfung optisch und schriftlich auf diese Merkmale auslegen und diese Begrifflichkeiten einführen.

79

I. E. Balzer, ZBB 2016, 226, 232; Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 262; Kurz, DB 2014, 1182; Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, 236. 80 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 254; Bamberger, in: D/K/B, Bank- und KapMR, § 52 Rn. 108; nur den Anlegerschutz bejahend Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rn. 141; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 89. 81 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 255; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rn. 141. 82 Gurtner-Mayr, Suitability- und Aproppriatenesstest in der Vermögensverwaltung und Anlageberatung, 74; s. zu den einzelnen Merkmalen der Risikotragbarkeit Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, 151 ff. 83 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 255; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 89. 84 Schommer, Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG, 152; a.A. Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 227 neue Risikotoleranz nur subjektiver Faktor. 85 Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rn. 140. 86 Keine neuen Anforderungen annehmend: Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 262 unter Verweis auf § 6 Abs. 1 Nr. 2 WpDVerOV und die MaComp pauschal für beide neuen Kriterien; Kurz, DB 2014, 1182, 1184; noch zum MiFID II-E Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, 236. Noch unschlüssig und weitere Forderungen abwartend, dennoch einen Mehraufwand und dadurch steigende Kosten vermutend Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 105a; noch offen Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 227.

B. Deutsche Regelung

297

Allerdings sollte der Gesetzgeber zusätzlich einheitliche Maßstäbe einführen, wie die Fähigkeit Verluste zu tragen und die Risikotoleranz zu bestimmen sind.87 Denn sowohl im nationalen als auch im europäischen Recht fehlen nicht nur die Definitionen dieser Begriffe, sondern auch einheitliche Bewertungsstandards.88 Vielmehr ist es jedem WpDU selbst überlassen, wie es diese Kriterien ausfüllt. Aufgrund dessen ist es für den Kunden schwierig, die einzelnen Bewertungen zu vergleichen.89 2. Der deutsche Suitability Report in Form des Beratungsprotokolls Auch der Bericht über die Geeignetheit ist dem deutschen Recht bekannt – allerdings in Form des sog. Beratungsprotokolls gem. § 34 Abs. 2a WpHG. § 34 Abs. 2a S. 1 WpHG verpflichtet das WpDU ein schriftliches Anlageberatungsprotokoll für Privatkunden zu erstellen. Dieses muss von dem jeweiligen Berater unterzeichnet90 und dem Kunden unverzüglich nach der Beratungsleistung auf einem dauerhaften Datenträger ausgehändigt werden, § 34 Abs. 2a S. 2 WpHG.91 Damit ist die deutsche Regelung strenger als die Richtlinie, die keine unverzügliche Übergabe verlangt, sondern nur vor Geschäftsdurchführung.92 Sie kommt jedoch den Anforderungen der MiFID II-DLVO nahe (s. 6. Teil A.III.1.). Findet das Gespräch nicht persönlich statt, sodass die Übergabe des Protokolls in Anschluss an die Beratung nicht sofort erfolgen kann – bspw. bei der telefonischen Beratung – so muss dem Kunden das Protokoll unverzüglich nach Beendigung der Beratung zugesendet werden, § 34 Abs. 2a S. 3 WpHG (s. bereits 5. Teil B.I.).93 Der Kunde kann jedoch auf seinen ausdrücklichen Wunsch bereits vor Erhalt dieses Protokolls ein Geschäft abschließen.94 Ihm steht dann jedoch ein Rücktrittsrecht innerhalb einer Woche ab Zugang des Protokolls zu, sofern das Protokoll Fehler 87 I. E. Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, 128 aber ohne Bezug zur MiFID II. 88 s. zum Fehlen von Bewertungsstandards zur Bestimmung des Anlagerisikos Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, 128; Witteck, Interview v. 14. 09. 2016. 89 Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, 128. 90 Das einfache Kürzel ist insofern genügend, um dem Gespräch den teilnehmenden Berater zuzuordnen; es braucht keine Form i.S.d. §§ 126, 126b, Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 32 f.; Möllers, in: KK/WpHG, § 34 Rn. 86. Die Unterschrift ausdrücklich fordernd und auch keine Faksimilestempel zulassend Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 34 Rn. 25. 91 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 36; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 34 Rn. 27 f. 92 Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264. 93 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 42 f.; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 34 Rn. 35; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 201; Maier, VuR 2011, 3, 4; Schulz, Der telefonische Vertrieb von Finanzinstrumenten, 155. 94 § 34 Abs. 2a S. 4 WpHG, s. dazu Schäfer, in: Heidel, § 43 WpHG Rn. 20.

298

6. Teil: Suitability

enthält oder unvollständig ist.95 Der Kunde ist auf dieses Rücktrittsrecht und die Frist hinzuweisen.96 Die europäische Regelung ist an dieser Stelle milder, da sie kein Rücktrittsrecht des Kunden bei fehlerhaften oder falschen Protokollen für diese Beratungsvariante vorsieht.97 Vielmehr muss dem Kunden bei der Beratung mittels Fernkommunikation angeboten werden, das Geschäft um eine Woche zu verschieben, damit der Kunde den Bericht zuvor erhalten kann. Schlägt er dies aus und wünscht die Durchführung des Geschäftes zuvor, kann er auch bei Fehlern im Protokoll nicht mehr zurücktreten.98 Das deutsche Beratungsprotokoll muss gem. § 14 Abs. 6 WpDVerOV den Anlass der Anlageberatung (Nr. 1), die Dauer des Beratungsgesprächs (Nr. 2), die der Beratung zugrundeliegenden Informationen über die persönliche Situation des Kunden, einschließlich der nach § 31 Abs. 4 S. 1 des WpHG einzuholenden Informationen enthalten. Zusätzlich muss es die Finanzinstrumente und Wertpapierdienstleistungen, die Gegenstand der Anlageberatung sind (Nr. 3), die vom Kunden im Zusammenhang mit der Anlageberatung geäußerten wesentlichen Anliegen und deren Gewichtung (Nr. 4), die im Verlauf des Beratungsgesprächs erteilten Empfehlungen und die für diese Empfehlungen genannten wesentlichen Gründe (Nr. 5) aufführen.99 Für den Fall der Zusendung des Beratungsprotokolls muss der ausdrückliche Wunsch des Kunden festgehalten werden, dass dieser das Geschäft vor Erhalt des Protokolls abschließen wollte, § 14 Abs. 6 S. 2 WpDVerOV. Es fällt auf, dass die deutschen Anforderungen teilweise weitergehen als von europäischer Seite für den Suitability Report gefordert. Die hierin geforderten Aufzeichnungen zum Anlass und der Dauer finden sich im europäischen Bericht nicht.100 Betrachtet man neben den europäischen Geeignetheitskriterien auch die europäischen Anforderungen an die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten des Art. 76 Abs. 9 MiFID II-DLVO, ergibt sich jedoch ein anderes Bild.101

95

Ausf. zur Rechtsnatur und den Rechtsfolgen des ausgeübten Rücktrittsrecht Schulz, Der telefonische Vertrieb von Finanzinstrumenten, 157 ff.; Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 34 Rn. 70. 96 Schäfer, in: Heidel, § 43 WpHG Rn. 20; Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 34 Rn. 70. 97 Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264. 98 I. E. Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264, die die europäische Regelung aufgrund der dadurch entstehenden Rechtssicherheit für die WpDU positiv bewerten. 99 Ausf. zu den einzelnen Merkmalen Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 26 ff.; Möllers, in: KK/WpHG, § 34 Rn. 91 ff.; Schäfer, in: Heidel, § 34 Rn. 13 ff.; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 34 Rn. 15 ff.; Maier, VuR 2011, 3, 4; Klein, Die Beratungsprotokollpflicht im System des europarechtlich determinierten Anlegerschutzes, 207 ff.; zur Verwaltungspraxis der BaFin s. MaComp BT 6.2. 100 Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264, die Autorinnen lassen allerdings die Aufzeichnungspflichten und ESMAs Q&As investor protection außer Acht. 101 Eine ähnliche Querverbindung in anderem Zusammenhang ziehend Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 201.

B. Deutsche Regelung

299

Zwar ist auf europäischer Ebene die Anlageberatung an sich nicht protokollierungspflichtig (s. 5. Teil), jedoch alle Gespräche, die u. a. die Erbringung der Dienstleistungen, die sich auf die Annahme, Übermittlung und Ausführung von Kundenaufträgen beziehen, vorbereiten. In diesen kann die Anlageberatung miterfasst sein, sodass diese Vorschriften ebenfalls zu berücksichtigen sind. Dementsprechend müssen auch auf europäischer Ebene bei persönlichen Gesprächen, die sich auf die erfassten Geschäfte beziehen, Gesprächsteilnehmer, Initiator (dieser wird auch im Zusammenhang mit dem Anlass der Beratung nach § 14 Abs. 6 WpDVerOV zu nennen sein), Datum und Uhrzeit sowie Ort des Gesprächs und die Angabe aller relevanten Informationen der Order, vor allem Angaben zu Preis und Volumina, protokolliert werden (s. 5. Teil A.II.). Damit bestehen nach europäischer Regelung zumindest unter besonderen Voraussetzungen für die Anlageberatung auch solche Anforderungen, wie im deutschen Recht grds. vorgesehen. Zudem muss berücksichtigt werden, dass ESMA in ihren Q&As und damit in ihrer Verwaltungspraxis sehr deutlich formuliert, dass der Bericht eine Datums- und Zeitangabe über die Durchführung der Beratung und die Aushändigung des Protokolls enthalten soll.102 Einen ausdrücklichen Nachweis zum Beweis des Zugangs fordert das deutsche Recht bislang nicht. Der Nachweis, wann der Suitability Report ausgehändigt wurde, wird ausdrücklich nicht verlangt. Da jedoch § 34 Abs. 2a WpHG eine aufsichtsrechtliche Norm ist, muss das WpDU letztlich verwaltungsrechtlich den Zugang des Beratungsprotokolls belegen.103 Der Zugangsnachweis wird praktisch auch den genauen Zeitpunkt festhalten. Dies gilt insb. für den Zugang des Protokolls bei der Zusendung nach Geschäftsabschluss für die Ausnahme der telefonischen Beratung bzw. anderen Kommunikationsmitteln, die die Vorabzusendungen nicht ermöglichen.104 Damit entsprechen auch die bestehenden nationalen Regelungen den neuen Anforderungen der Verwaltungspraxis von ESMA. Der europäischen Regelung sind jedoch keine den §§ 34 Abs. 2a WpHG, 14 Abs. 6 S. 1 Nr. 4 WpDVerOV vergleichbare Regelungen über Angaben der Kundenanliegen und deren Gewichtung bekannt.105 Hier ist die nationale Regelung strenger als die europäische. Sowohl die europäische als auch die nationale Regelung enthalten die Anforderung, die wesentlichen Gründe für die Empfehlung anzugeben. Bislang hat ESMA auch in ihren Q&As keine weitergehenden Aussagen über die Reichweite der Begründung getroffen, sodass aufgrund der bislang bestehenden Übereinstimmungen auch in diesem Falle davon ausgegangen werden darf, dass die WpDU hier keine

102

ESMA, Q&As investor protection, S. 24. Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 34 Rn. 30; Pfeifer, BKR 2009, 485, 489. 104 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 201. 105 Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264; s. zu wesentlichen Anliegen Koller, in: Assmann/ Schneider, WpHG, § 34 Rn. 20. 103

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6. Teil: Suitability

weiteren Anforderungen aus Art. 25 Abs. 6 MiFID II als bisher treffen.106 Auch bislang muss das Beratungsprotokoll die dem Kunden ausgesprochene Empfehlung aufführen und die Gründe hierfür angeben.107 Das Protokoll enthält damit die Gründe des Beraters, weshalb er diese Handlungsalternative am überzeugendsten für den jeweiligen Kunden findet.108 Damit ist die Begründung bereits mit den zuvor abgefragten Anlagezielen des Kunden verbunden, indem der Berater aufzeigt, wie diese mit dem empfohlenen Finanzinstrument übereinstimmen.109 Nach Ansicht der BaFin kann dies auch nicht standardisiert im Vorfeld des Beratungsprotokolls erfasst werden, sondern ist für jedes Beratungsgespräch individuell in einem Freifeld zu entwickeln.110 Eine Unterschrift des Beraters, so wie diese § 34 Abs. 2a S. 2 WpHG vorsieht, findet sich weder in der MiFID II-DLVO noch in ESMAs Vorbereitungen der Level2-Maßnahmen noch in ihren Q&As. Allerdings findet ESMA deutliche Worte zu den im nationalen Recht umstrittenen Auswirkungen, für den Fall, dass der Kunde das Beratungsprotokoll unterschreibt.111 Hier schlägt sich ESMA auf die Seite der Verbraucherschützer und schließt sich deren Argument an, dass durch die Unterschrift des Kunden dieser für Fehler oder Lücken der Beratung bzw. des Protokolls die Verantwortung übernehme.112 Daher sollen die Geeignetheitserklärungen nach Ansicht von ESMA nicht durch den Kunden unterschrieben werden, um den daraus resultierenden Anlegerschutz nicht zu untergraben.113 Mithin klärt sich auf europäischer Ebene, die im deutschen Recht streitige Frage der Beweiswirkung des Protokolls bei Kundenunterschrift. Entsprechend des Wortlautes von ErwG. 57 MiFID II und ESMAs Klarstellung ist eine Beweiswirkung durch Unterzeichnung des Kunden, zumindest für künftige Geeignetheitserklärungen abzulehnen.114 3. Die Anforderungen der MaComp Da ESMA ihre Leitlinien 2012 als Grundlage der MiFID II-DLVO beibehalten hat, finden sich zwischen dieser und der in der MaComp festgelegten Verwal106 Ebenfalls dieser Meinung aber noch abwarten hinsichtlich noch ausstehender ESMAVorgaben Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 227; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 198. 107 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 31; Maier, VuR 2011, 3, 5. 108 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 31; Maier, VuR 2011, 3, 5. 109 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 31. 110 BaFin, MaComp BT 6.2 Nr. 6. 111 Zu der umstrittenen Beweiswirkung der Unterschrift s. anstatt vieler, Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 203; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 33 ff.; Klein, Die Beratungsprotokollpflicht im System des europarechtlich determinierten Anlegerschutzes, 332 ff., jeweils m.w.N. 112 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 43, Nr. 18. 113 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 43 f., Nr. 18. 114 In diese Richtung Buck-Heeb, ZBB 2014, 211, 229.

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tungspraxis der BaFin, die sich ebenfalls an den Leitlinien 2012 orientiert, Übereinstimmungen. So sind, wie nun in Art. 54 Abs. 1 MiFID II-DLVO vorgesehen, die WpDU gem. BT 7.1 Nr. 1, 5 MaComp für die Durchführung der Geeignetheitsprüfung zuständig und machen dies ihren Kunden entsprechend deutlich.115 BT 7.4 legt die einzuholenden Informationen fest.116 Darunter fallen die finanziellen Verhältnisse und die Risikotoleranz,117 die sich nun in Art. 54 Abs. 2 MiFID II-DLVO finden. Die detaillierten Vorgaben hinsichtlich des Anlagezeitraums und der Anlageziele finden ihr Pendant in Art. 54 Abs. 4 und 5 MiFID II-DLVO. Auch enthält die MaComp bereits gleiche Vorgaben zum Umgang mit Personengruppen und juristischen Personen. Gem. BT 7.7 müssen auch hierfür im Vorfeld entsprechende Strategien festgelegt werden.118 In BT 7.2 (Vorkehrungen zum Verständnis) und in BT 7.5 (Zuverlässigkeit der Informationen) finden sich die entsprechenden Vorgaben des Art. 54 Abs. 7, 9 MiFID II-DLVO zur Sicherstellung der Zuverlässigkeit der Kundeninformationen und des Kundenverständnisses wieder. Bei dauerhaften Kundenbeziehung sind die eingeholten Informationen ebenfalls zu aktualisieren, BT 7.6 MaComp119 und Art. 54 Abs. 13 MiFID II-DLVO. Bereits nach BT 7.4 Nr. 10 darf der Berater i.S.d. Art. 54 Abs. 8 MiFID II-DLVO bei Nichterhalt der benötigten Informationen keine Empfehlung aussprechen. Auch kann der Berater nach BT 7.4 Nr. 8 bei professionellen Kunden von dessen üblichen Kenntnissen für das Produkt, für welches er als professionell eingestuft wurde, ausgehen.120 Es zeigt sich, dass durch die Umsetzung der ESMA Leitlinien aus 2012 in die Verwaltungspraxis der BaFin durch die MaComp faktisch viele Voraussetzungen von den WpDU schon heute erfüllt werden, die nun MiFID II-DLVO vorschreibt. Neu sind hingegen – wie auf europäischer Ebene auch – die Erstreckung der Anforderungen auf die halb- bzw. vollautomatischen Systeme und die Anforderungen bei Umschichtungen sowie die Kosten-Nutzen-Analyse. 4. Vergleich der bestehenden Regelungen mit den MiFID II-Vorgaben Wie bereits festgestellt, stimmen die nationalen Regelungen, aufgrund der detaillierten Vorgaben zur MiFID I und der wenigen Ergänzungen, bereits heute überein. Auch die auf europäischer Ebene „neu“ eingeführten Merkmale – die Fähigkeit, Verluste zu tragen, sowie die Risikotoleranz121 – werden bereits heute ab115 116 117 118 119 120 121

s. zu BT 7 MaComp Auerbach/Adelt, in: Krimphove/Kruse, BT 7 Rn. 22 ff. Auerbach/Adelt, in: Krimphove/Kruse, BT 7 Rn. 53 ff. Auerbach/Adelt, in: Krimphove/Kruse, BT 7 Rn. 54. Auerbach/Adelt, in: Krimphove/Kruse, BT 7 Rn. 150. Auerbach/Adelt, in: Krimphove/Kruse, BT 7 Rn. 137 ff. Auerbach/Adelt, in: Krimphove/Kruse, BT 7 Rn. 79. Als objektives und subjektives Kriterium bezeichnend Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 227.

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gefragt und bewertet.122 Auch die inhaltlichen Konkretisierungen finden sich in § 6 WpDVerOV auf gesetzlicher Ebene und in der BT MaComp und damit in der Verwaltungspraxis der BaFin wieder. Letztere sind künftig nicht mehr nur Anforderung der BaFin, sondern in Form der Verordnung als gesetzliche Regelung für die WpDU verpflichtend. Zusätzlich müssen die WpDU die Vorschriften der Geeignetheitsprüfung auch bei halb- bzw. vollautomatischen Systemen anwenden und bei Umschichtungen die Kosten-Nutzen-Analyse durchführen. Die europäischen Regelungen zur Geeignetheitserklärung scheinen sich an den bislang geltenden Vorschriften des deutschen Beratungsprotokolls zu orientieren, bleiben aber in einigen Punkten hinter diesen zurück. Dies betrifft das Rücktrittsrecht bei der telefonischen Beratung, die Verpflichtung zur Unterzeichnung des Protokolls durch den Berater und der unverzüglichen Übermittlung.123 Die Angaben hinsichtlich Datum, Uhrzeit und Anwesenden können sich durch die weiteren Vorschriften der allgemeinen Aufzeichnungspflicht ergeben, sind jedoch explizit nicht erfasst.124 Allerdings nimmt ESMA diese offensichtlich in ihre Verwaltungspraxis auf, sodass sich die deutschen WpDU nicht umstellen müssen. Faktisch gleich bleibt auch der Nachweis, wann der Suitability Report ausgehändigt wurde, der nun explizit in den europäischen Regelungen aufgenommen wurde. Künftig entfallen dürfte die Regelungen über Angaben der Kundenanliegen und deren Gewichtung.125 Insgesamt treffen die WpDU aber keine schwerwiegenden Erweiterungen zu dem aktuellen Stand im nationalen Recht.

II. Die Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im 2. FiMaNoG 1. Die Geeignetheitsprüfung § 64 Abs. 3 S. 1 WpHG-E126 setzt Art. 24 Abs. 2 MiFID II fast gleichlautend um, vergisst jedoch die ausdrückliche Erwähnung des potentiellen Kunden. So muss das WpDU von seinem Kunden Informationen „1. über Kenntnisse und Erfahrungen […] in Bezug auf Geschäfte mit bestimmten Arten von Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen, 2. über die finanziellen Verhältnisse […], einschließlich seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, und 3. über seine Anlageziele, einschließlich seiner Risikotoleranz“, soweit diese erforderlich sind, einholen. Damit soll nach europäischem Vorbild dem Berater ermöglicht werden „[…] dem Kunden ein Finanzinstrument oder eine Wertpapierdienstleistung empfehlen zu können, das oder die für ihn geeignet ist und insbesondere seiner Risikotoleranz und seiner Fähigkeit, 122 123 124 125 126

Balzer, ZBB 2016, 226, 232; Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 262; Kurz, DB 2014, 1182. Vgl. Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264. Kritisch Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264. Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264. § 55 Abs. 10 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG.

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Verluste zu tragen, entspricht“. S. 2 betont, dass nur für den Kunden geeignete Produkte empfohlen werden dürfen. S. 4 entspricht Art. 24 Abs. 2 UA 2 MiFID II und statuiert, dass die Anforderung der Geeignetheit auch für verbundene Produkte gilt. S. 3 verweist nun richtigerweise auf die weitergehenden Anforderungen der MiFID II-DLVO, anstatt die in S. 1 Nr. 1 – 3 statuierten Anforderungen erneut aufzuzählen (so noch § 57 Abs. 11 S. 2 WpHG-E RefE 1. FiMaNoG). 2. Die Geeignetheitserklärung (Suitability Report) Die Geeignetheitserklärung wird legal definiert als eine Erklärung über die Geeignetheit der Empfehlung, die dem Privatkunden auf einem dauerhaften Datenträger vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt wird. Sie wird künftig in § 64 Abs. 4 S. 1 WpHG-E geregelt. Die Geeignetheitserklärung soll die erbrachte Beratung benennen und erklären, „[…] wie sie auf die Präferenzen, Anlageziele und die sonstigen Merkmale des Kunden abgestimmt wurde“, § 64 Abs. 4 S. 2 WpHG-E. Begrifflich unterscheidet sie sich damit von dem vorherigen Beratungsprotokoll. Nach dessen Wortsinn erwartet der Anleger eine Wiedergabe dessen, was im mündlichen Beratungsgespräch besprochen wurde.127 Eine inhaltliche Veränderung ist damit jedoch nicht gemeint, da bereits gem. § 14 Abs. 6 WpDVerOV die Gründe, weshalb das Produkt für den Anleger geeignet ist, angegeben werden mussten. Nach Ansicht der befragten Experten, die sich mit der hier vertretenen Auffassung deckt, werden die europäischen Anforderungen bereits heute durch das Beratungsprotokoll erfüllt. Für weitere inhaltliche Anforderungen verweist S. 4 auf Art. 54 Abs. 12 MiFID IIDLVO. Gleichzeitig übernimmt der deutsche Gesetzgeber eins-zu-eins die Anforderungen für die Beratung mittels Fernkommunikation und streicht damit auch die Rücktrittsmöglichkeit bei fehlerhaften oder unvollständigen Beratungsprotokollen, § 64 Abs. 4 S. 4 WpHG-E. Zwar hat der Gesetzgeber den Wortlaut der Regelung im Laufe des Gesetzgebungsverfahren dahingehend verändert, dass dieser die Ausgabe der Geeignetheitserklärung nur an den Kauf oder Verkauf knüpft, jedoch statuiert die Gesetzesbegründung eine solche Pflicht auch für die Halteempfehlung.128 Hierzu wurde kritisiert, dass zum einen der Wortlaut über die europäischen Anforderungen hinausgehen würde129 und zum anderen, dass es überproportionale Kosten verursache, da 127

s. Engel, Interview v. 15. 03. 2017. Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/19036, S. 235. s. auch die ausdrückliche Erklärung der Bundesregierung als Erwiderung auf die Stellungnahme des Bundesrats (S. 9 f.), der fordert eine Geeignetheitserklärung auch dann ausdrücklich aufzunehmen, wenn nur eine Halteempfehlung bzw. wenn grds. eine aus der Anlegeberatung resultierende über Geschäfte mit bestimmten Finanzprodukten abgegebene Empfehlung vorliegt, Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/121290, S. 25 f. 129 DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 16; VAB, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 5 f. 128

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kein Geschäft anfalle, aber dennoch eine Geeignetheitserklärung abgegeben werden müsse.130 Dadurch könnten die WpDU verleitet werden, immer einen Kauf oder Verkauf zu empfehlen. Richtig ist, dass der Richtlinientext in Art. 25 Abs. 6 UA 2 MiFID II statuiert, dass dem Kunden die Geeignetheitserklärung vor der Durchführung des Geschäfts zur Verfügung gestellt werden soll. Die Ansicht, dass damit gemeint sei, dass der Suitability Report nur mit Bezug zu einem Geschäft erstellt und ausgehändigt werden soll,131 geht jedoch aus den bereits dargestellten Gründen fehl (s. 6. Teil A.II.1.a), 6. Teil A.III.1. und 6. Teil A.IV.). Mit der Formulierung „vor Vertragsschluss“ soll die Geeignetheitserklärung zeitlich vor jeder zivilrechtlichen Bindung zum Erwerb oder der Veräußerung eines Produkts abgegeben werden und nicht erst nach der Bindung vor Durchführung des Geschäfts.132 Damit wird der deutschen Trennung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft Rechnung getragen.133 Die Anlageberatung endet aber, wie ESMA in ihren Q&As richtigerweise feststellt, nicht mit dem Kauf oder Verkauf, sondern vor Geschäftsdurchführung. Zuzugeben ist, dass der Bezug des deutschen Gesetzgebers auf den ErwG. 87 MiFID II-DLRL, der sich auf die inhaltlichen Anforderungen des Art. 25 Abs. 2 MiFID II bezieht und hierfür auch die Geeignetheit einer Halteentscheidung bestimmt, nicht ohne weitere Erläuterung stimmig ist.134 Aus diesem geht jedoch hervor, dass für die Halteempfehlung eine Geeignetheitserklärung vorzunehmen ist. Außerdem erschließt sich das Argument, warum die Austeilung von dieser überproportionale Kosten verursacht, nicht. Schließlich besteht der Mehrauffand ausschließlich darin, die ohnehin computerunterstützt durchgeführte Geeignetheitsprüfung zusammenzufassen und entsprechende Freifelder zu ergänzen. Der Berater fertigt zu jedem Beratungsgespräch bereits währenddessen und vorsorglich ein solches an.135 Zudem begründet es einen Verstoß gegen die Beratung im Interesse des Kunden, sich von einem vermeintlichen überproportionalen Aufwand abhalten zu lassen, eine Halteempfehlung auszusprechen und kann daher nicht ernsthaft diskutiert werden. Zumal die Vorgehensweise, bei Halteempfehlungen eine Geeignetheitsprüfung vorzunehmen und ein Beratungsprotokoll auszustellen, gängige Verwaltungspraxis der BaFin ist, vgl. BT 7.1 Nr. 3 MaComp. Darüber hinaus muss die Halteentscheidung genauso geeignet sein und entsprechend nachgewiesen werden können, da diese ebenso schwerwiegende Folgen haben kann wie der Kauf 130

VAB, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 5 f. So bspw. Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264. 132 Stellungnahme Bundesregierung, BT-Drs. 18/11290, S. 15. 133 Vgl. Poelzig, Stellungnahme zum Entwurf des 2. FiMaNoG im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 7. 134 DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 16; dies., Erste Bewertung Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 16. 135 Lingen, Anlageberatung im Spannungsfeld zwischen Verbraucherschutz und Überregulierung, 150. 131

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eines nicht geeigneten Produkts oder der zu frühe Verkauf eines Produkts. Die Auffassung des deutschen Gesetzgebers ist daher zu begrüßen. § 64 Abs. 8 WpHG-E136 konkretisiert die regelmäßige Berichtspflicht dahingehend, dass diese „[…] eine Erklärung darüber enthalten, wie die Anlage den Präferenzen, den Anlagezielen und den sonstigen Merkmalen des Kunden entspricht“, wenn der Berater den Kunden dahingehend informiert hat, dass er die Geeignetheit des Finanzprodukts fortlaufend überprüft. Die Informationspflicht, ob eine regelmäßige Eignungsbeurteilung vorgenommen wird, hat der Gesetzgeber in § 64 Abs. 1 Nr. 3 WpHG-E wörtlich umgesetzt. 3. Kritik an der Umsetzung Der Gesetzgeber ist deutlich um eine Eins-zu-eins-Umsetzung bemüht und will den WpDU keine nationalen Sonderanforderungen auferlegen. So streicht er das Rücktrittsrecht des Anlegers bei fehlerhaftem oder unvollständigem Protokoll in der telefonischen Beratung und die Unterschrift des Beraters. Zugleich wurden die Anforderungen des Beratungsprotokolls vollständig durch die der Geeignetheitserklärung ersetzt.137 Folglich gibt der Gesetzgeber damit auch seine aktuellen strengeren Regelungen auf. Diese Anpassungen sind richtig, da die MiFID II in diesem Falle keine Öffnungsklausel für strengere nationale Regelungen vorsieht. a) Keine zivilrechtlichen Regelungen Bemerkenswert ist, dass der Gesetzgeber auch im Zuge der MiFID II keine zivilrechtlichen Anforderungen für die Beratung schaffen will, aber für den Zeitpunkt der Aushändigung der Geeignetheitserklärung abweichend von dem ansonsten übernommenen Richtlinienwortlaut an den Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags knüpft.138 Dies zeigt sich vor allem in dem Vergleich zum Wortlaut des § 55 Abs. 11 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG, welcher gemäß der Richtlinien an den Zeitpunkt „vor Ausführung des Geschäfts“ anknüpfte. b) Geringere Intensität der Erläuterung der Geeignetheitsprüfung? Wie hier vertreten, geht auch der Gesetzgeber von keiner Veränderung des Beratungsablaufs in der Bankenpraxis durch die Ersetzung des Beratungsprotokolls mit der Geeignetheitserklärung aus. So weist er explizit darauf hin, dass eine Wort136

§ 55 Abs. 11 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG; § 55 Abs. 12 WpHG-E RefE 1. FiMaNoG. Erklärung zum Erfüllungsaufwand, RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 4; Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/19036, S. 193 f., 235; Begr. RefE 2. FiMaNoG, S. 266 (s. Fn. 36). 138 Zum Anknüpfungspunkt DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 15. 137

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lautanpassung (nur) deshalb notwendig war, weil sich die Anforderung zur Einholung der Kundeninformation anstatt aus Art. 35 Abs. 1 der MiFID I-DRL nun aus der MiFID II selbst ergeben.139 Zugleich erklärt er, dass sich die Regelungen zur inhaltlichen Bestimmung der Informationen aus § 34 Abs. 4 WpHG (bzw. aus der daraus resultierenden WpDVerOV) nun direkt aus Art. 54 MiFID II-DLVO ergeben. Durch diese Erklärung eröffnet auch die unterschiedliche Formulierungen in der aktuellen Gesetzesfassung (WpHG) und die des 2. FiMaNoG keine andere Betrachtung. So formuliert § 31 Abs. 4 S. 2 WpHG, dass die Geeignetheit des Produkts danach bestimmt wird, ob das Geschäft den Anlagezielen des Kunden entspricht. Der künftige § 64 Abs. 4 S. 2 WpHG-E, legt hingegen fest, dass die Geeignetheitserklärung erläutern muss, wie die Beratung auf die Präferenzen, Anlageziele und sonstige Merkmale des Kunden abgestimmt wurde. Eine Abschwächung der Anforderungen durch die neue Begrifflichkeit der Abstimmung ist ausdrücklich aufgrund der Gesetzesbegründung nicht erfolgt.140 Eine Irritation der WpDU durch diese Wortwahl scheitert zudem daran, dass auch die MiFID II-DLVO in Art. 54 Abs. 2 S. 2 lit. a) vorgibt, dass die WpDU die Informationen einholen, die sie benötigen, um nach vernünftigen Ermessen davon auszugehen können, dass die empfohlene Anlage den Anlagezielen des Kunden entspricht. Damit übernimmt Art. 54 MiFID II-DLVO die inhaltlichen Anforderungen des § 31 Abs. 4 S. 2 WpHG. Hingegen geht § 64 Abs. 4 S. 2 WpHG-E nicht auf die inhaltlichen Anforderungen der Geeignetheitsprüfung ein, sondern auf die der Erklärung. Eine Anpassung des Wortlautes ist daher nicht zwingend geboten.141 c) Genauer Aushändigungszeitpunkt des Protokolls Aus deutscher Sicht enthalten die neuen Regelungen Erleichterungen für die WpDU, indem die Zeit zur Übergabe der Geeignetheitserklärung von „unverzüglich nach Abschluss der Anlageberatung“ auf „vor Vertragsschluss“ geändert wird.142 Dies zeigt auch der Vergleich mit der Regelung zum Geschäftsabschluss mittels Fernkommunikation. Bei diesem soll die Aushändigung „unmittelbar“ nach vertraglicher Bindung erfolgen. Die Anforderung „unmittelbar“ ist gleich zu setzen mit der Anforderung der unverzüglichen Aushändigung, da die spätere Aushändigung der Geeignetheitserklärung nur dann möglich ist, wenn der unverzüglichen Zusen139 Begr. RefE 2. FiMaNoG, S. 308 (s. Fn. 36); Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/ 19036, S. 235. 140 A.A. DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 17 f.; dies., Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 18 f.; dies., Erste Bewertung Regierungsentwurf 2. FiMaNoG; offen lassend Mattil & Kollegen, Stellungnahme 2. FiMaNoG, S. 7. 141 A.A. DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 17 f.; dies., Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 18 f.; dies., Erste Bewertung Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 17. 142 Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264; DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 17.

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dung nach Abschluss des Vertrags durch den Anleger zugestimmt wurde (lit. a)).143 Jedoch muss bei der Auslegung vor Vertragsschluss zugleich die Anforderung der MiFID II-DLVO berücksichtigt werden, die verlangt, dass die Aushändigung des Berichts „bei Vornahme einer Anlageberatung“ erfolgt. Es muss also trotz der Formulierung „vor Vertragsschluss“ ein direkter zeitlicher Zusammenhang zur Anlageberatung bestehen (6. Teil A.III.1.). Es ist daher den WpDU zu empfehlen, nicht wesentlich von ihrer bisherigen Aushändigungspraxis abzuweichen. Nicht zuletzt auch als Schutz vor Behauptungen, dass Protokoll sei nachträglich durch den Berater verfälscht worden.144 d) Aufhebung des Rücktrittsrechts Weiterhin ist auch die Aufhebung des Rücktrittsrechts aus Anlegersicht ein Rückschritt für dessen Schutz,145 birgt jedoch mehr Rechtssicherheit für die WpDU, da diese nicht mehr mit einem solchen rechnen müssen und damit nicht mehr für eventuell in der Zwischenzeit entstandene Kursschwankungen einstehen müssen.146 Zugleich wird seitens der Verbände gelobt, dass dadurch die bisherigen Unsicherheiten zur Rücktrittslösung aufgehoben und eine unbürokratische Beratung ermöglicht werde.147 Allerdings dürfte es sich hierbei um wenige Fälle handeln, da das Rücktrittsrecht nur bei fehlerhaften oder unvollständigen Berichten ausgeübt werden durfte. Damit überwiegt die Herabsetzung des Anlegerschutzes den positiven Effekt für die WpDU; ist jedoch konsequent zur Vereinheitlichung der europäischen Dokumentationspflichten. Dies scheint auch der deutsche Gesetzgeber festgestellt zu haben, indem er in der Begründung der Entwürfe explizit betont, dass entsprechende Schutzmechanismen durch die WpDU eingeführt werden müssen, die sicherstellen, „[…] dass dem Kunden keine Verluste daraus entstehen, dass in der Erklärung die persönliche Empfehlung unzutreffend oder unfair dargestellt wird […]“148. e) Keine Einführung einer Beweislastumkehr Indem die WpDU eigenständige Schutzmechanismen für fehlerhafte und unvollständige Beratungsprotokolle aufstellen sollen, führt weder der europäische noch

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A.A. wohl DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 15 f. Unter anderem aus diesem Grund die bisherige Regelung zur unverzügliche Herausgabe des Beratungsprotokolls befürwortend, Mattil & Kollegen, Stellungnahme 2. FiMaNoG, S. 6 f. 145 So ebenfalls vzbv, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 14, die jedoch verkennen, dass der deutsche Gesetzgeber nicht ohne Weiteres das Rücktrittsrecht als nationale Sondervorschrift wieder aufnehmen kann. 146 Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264. 147 DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 17. 148 Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 235. 144

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der deutsche Gesetzgeber eine Beweislastumkehr für die Geeignetheitserklärung ein.149 Dabei wird bereits heute die anlegerschützende Wirkung des Beratungsprotokolls aufgrund seiner Länge, der Vielzahl an Informationen und der oft fehlerhaften bzw. unvollständigen Ausfüllung bezweifelt.150 aa) Aufhebung des information overloads durch Standardisierung? Tatsächlich besteht das heutige Beratungsprotokoll aus einer Vielzahl von Seiten und wird durch die Ersetzung mit der Geeignetheitserklärung nicht wesentlich gekürzt151 – ggf. sogar verlängert, wenn durch die Ermächtigung in § 64 Abs. 10 WpHG-E noch detaillierte Anforderungen erlassen werden. Bereits heute kann der Kunde aufgrund des information overload das Beratungsprotokoll nicht vor der Ausführung des Geschäfts durchlesen und verstehen. Eine Standardisierung, so wie bspw. vom Bundesrat in seiner Stellungnahme gefordert wurde,152 würde zwar das Protokoll verkürzen und dieses ggf. für den Verbraucher vergleichbarer machen. Jedoch kann dies nur mit den europäischen Vorgaben einheitlich stattfinden, die grds. keine solchen Standards vorsehen.153 Damit könnten nur in allgemein übergeordneten Kategorien solche Standardisierungen stattfinden.154 Eine Verkürzung oder bessere Verständlichkeit wird damit allgemein nicht erreicht werden können.155 Vielmehr besteht auch die Gefahr, dass durch eine Standardisierung nur noch einzelne Punkte blind abgehakt werden, ohne diese tatsächlich tiefgreifend zu erörtern.156 Dies ist bereits aktuell der Fall,157 sodass durch eine gesetzlich vorgesehene Standardisierung diesem Verhalten noch Vorschub geleistet würde. Zudem ist es 149 Zur aktuellen Beweislastsituation ausf. statt vieler Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 202, 204 ff.; Schulz, Der telefonische Vertrieb von Finanzinstrumenten, 175 ff., 182 ff. m.w.N. 150 Ausf. zur anlegerschützenden Funktion Freitag, ZBB 2016, 1, 7 ff. m.w.N. 151 Den Umfang des bisherigen Beratungsprotokolls als zu umfassend und nachteilig für den Anleger bewertend DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 17. 152 Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/11290, S. 6 f.; dem zustimmend DSW, Stellungnahme zum 2. FiMaNoG, S. 9 f.; erneut vorschlagend, DIE LINKE, Entschließungsantrag vom 29. 03. 2017, BT-Drs. 18/11788, S. 3 Nr. 3; vzbv, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 12. 153 Stellungnahme Bundesregierung, BT-Drs. 18/12290, S. 16; s. auch zu den Zulässigkeitsgrenzen der Standardisierung Klein, Die Beratungsprotokollpflicht im System des europarechtlich determinierten Anlegerschutzes, 323 ff. 154 Grds. deshalb jede Form der Standardisierung als strengere Regelung ablehnend und nur unverbindliche Musterstandardisierung zulassend Poelzig, Stellungnahme zum Entwurf des 2. FiMaNoG im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 7 f. 155 s. dazu Einsele, ZRP 2014, 190, 192. 156 Die Standardisierung zwar grds. befürwortend, aber das „tick the box“-Problem ebenfalls sehend DSW, Stellungnahme zum 2. FiMaNoG, S. 9 f. 157 Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 34 Rn. 15.

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gerade der Zweck der Geeignetheitserklärung, dem Kunden individuell die Gründe darzulegen, weshalb ihm ein bestimmtes Produkt empfohlen wurde und wieso dieses zu seine Bedürfnisse passt.158 Dies ist nur mittels Freifeld, welches der Berater für jeden Kunden individuell ausfüllen muss, darzustellen. Indem das Protokoll künftig als Geeignetheitserklärung benannt wird, wird dem Kunden zusätzlich suggeriert, das Produkt sei geeignet, sodass er noch weniger die Wichtigkeit der Geeignetheitserklärung zur Überprüfung des Beratungsgesprächs erkennt.159 bb) Das Beratungsprotokoll als Beweismittel im Prozess Eine anlegerschützende Wirkung hätte die Geeignetheitserklärung jedoch als Beweismittel im Prozess erhalten können. Die Sanktionierung in Form der Ordnungswidrigkeit i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 19a-c WpHG bzw. künftig gem. § 120 Abs. 8 Nr. 41, Abs. 20 WpHG-E, auch wenn für diese in Umsetzung des Art. 70 Abs. 3 lit. a) xi), Abs. 6 MiFID II nun eine Geldbuße bis zu 5 Millionen Euro möglich ist, ist nicht effektiv. Zudem ist die Ausreizung des neuen Bußgelds nicht zu erwarten. Für das Beratungsprotokoll wird die Nützlichkeit für den Anleger bezweifelt,160 da das WpDU nicht verpflichtet ist, die Richtigkeit und Vollständigkeit des Protokolls zu beweisen. Hiervon besteht nur die Ausnahme bei der Geltendmachung des Rücktrittsrechts im Rahmen der Fernkommunikation. Das WpDU kann sich vielmehr darauf berufen, dass das Protokoll falsch ist.161 Der Anleger kann sich hingegen nur auf Beratungsfehler, die sich unmittelbar aus dem Protokoll ergeben, stützen. Er muss die Richtigkeit des Protokolls beweisen.162 Hierfür entfaltet das Protokoll lediglich Indizwirkung.163 Gleichzeitigt besteht das Problem, dass vielfach die Beratungsprotokolle in der Vergangenheit falsch ausgefüllt und entsprechende Angaben nur oberflächlich eingetragen wurden.164 Zum Teil wurden Protokolle gar nicht ausgehändigt.165 Dies 158 Stellungnahme Bundesregierung, BT-Drs. 18/12290, S. 26; s. zu vorherigen Standardisierungsbemühungen des Bundesrats bereits Klein, Die Beratungsprotokollpflicht im System des europarechtlich determinierten Anlegerschutzes, 317 ff. 159 Mattil & Kollegen, Stellungnahme 2. FiMaNoG, S. 7. 160 So bereits Koller, FS Schneider, 651, 666; Maier, VuR 2011, 3, 11. 161 A.A. Maier, VuR 2011, 3, 7. 162 Koller, FS Schneider, 651, 666; ders., in: Assmann/Schneider, WpHG, § 34 Rn. 32. 163 Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 34 Rn. 32; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 202. 164 vzbv, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 14 f.; Einsele, ZRP 2014, 190; s. hierzu Ortmann/Tutone, Evaluierung der Beratungsdokumentation im Geldanlage- und Versicherungsbereich, Studie des Instituts für Transparenz GmbH (ITA), v. 18. 02. 2014, S. 13; s. auch Klein, Die Beratungsprotokollpflicht im System des europarechtlich determinierten Anlegerschutzes, 292 ff. 165 Stiftung Warentest, Nur 3 von 23 Banken beraten gut, Finanztest 2/2016, 32, 34.

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6. Teil: Suitability

kann damit erklärt werden, dass die Berater ungerne Dinge aufnehmen, die ihnen nachträglich eine falsche Beratung nachweisen.166 Auf der anderen Seite sind die Anforderungen der inhaltlichen Bestimmung sehr detailliert, lassen aber weiterhin einen großen Interpretationsspielraum zu. Es wäre daher – wie bereits vom Bundesrat zur Einführung des Beratungsprotokolls für formelle Mängel gefordert167 – eine effektive Gestaltungsmöglichkeit, den WpDU eine Beweislast für die fehlerfreie Beratung für den Fall aufzuerlegen, dass das Beratungsprotokoll unvollständig, nicht oder nicht rechtzeitig erstellt wurde. Es ist gerade der Berater, der sich dezidiert mit den Bedürfnissen und Wünschen des Kunden auseinandergesetzt hat und die einzelnen Finanzprodukte hinsichtlich der Geeignetheit für den jeweiligen Kunden untersucht und anschließend dem Kunden das seiner Ansicht nach am besten geeignete Produkt empfohlen hat.168 Dies gilt auch unabhängig von der Beratungsform. Die Überlegungen, die der Berater zum Zeitpunkt der Empfehlung gemacht hat, lassen sich somit nachweisen.169 Zwar kann die Beratung schon längere Zeit zurückliegen, sodass sich der Berater nachvollziehbarerweise nicht an das einzelne Gespräch erinnert, aber diesem Problem stehen auch andere Dienstleister gegenüber, die die Möglichkeit von Gesprächs- bzw. Aktennotizen170 nutzen. Auf diese Weise ließen sich die teilweise befremdlich anmutenden Aussagen, dass sich der Berater nicht an das einzelne Gespräch erinnere, aber daran, dass er grds. ordnungsgemäß berate, vermeiden.171 Würde der Berater die Beweislast für den Fall tragen, dass das Beratungsprotokoll lückenhaft, nicht oder nicht rechtzeitig erstellt worden ist, so wäre zugleich die Problematik der vernachlässigten Dokumentationspflichten aufgehoben. Das WpDU hätte einen zusätzlichen Anreiz diese ordentlich zu führen.172 Darüber hinaus bräuchte es nicht noch detaillierte Regelungen über den Protokollinhalt und dessen Auslegung, da die WpDU aus Eigeninteresse dezidierte interne Leitlinien darüber erstellen würden.173 Das Argument gegen die hier vorgeschlagene Beweislastverteilung, dass dadurch ein noch größerer Aufwand für den Berater entstehe, da dieser mehr Informationen 166

Vgl. Maier, VuR 2011, 3, 7; Klein, Die Beratungsprotokollpflicht im System des europarechtlich determinierten Anlegerschutzes, 411. 167 Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 16/12814, S. 32. Diese Forderung hat er unter Verweis auf die bestehenden Defizite der Dokumentation im Rahmen des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz wiederholt, Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 17/3628, S. 35. 168 Vgl. Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 169 Siewert, Interview v. 28. 09. 2016; so spricht auch Einsele, ZRP 2014, 190, 192 von der Sachnähe des Beraters zur Problemlösung als Vorteil – beide gehen jedoch von einer grds. Beweislastumkehr zu Lasten des Beraters aus. 170 Feck, Interview v. 09. 01. 2017. 171 s. Feck, Interview v. 09. 01. 2017 zu den Lehman-Prozessen. 172 Einsele, ZRP 2014, 190, 191 f. 173 I. E. Einsele, ZRP 2014, 190, 191 f.

B. Deutsche Regelung

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erfragen müsste und dies abschreckend auf den Kunden wirken könne,174 verwundert. Aus diesem ergibt sich letztlich nur das Eingeständnis, dass zwar viele Anforderungen gesetzlich reglementiert sind, aber offensichtlich nicht genauestens umgesetzt werden, um wirklich die ordnungsgemäße Beratung nachweisen zu können. Oder die gesetzlichen Regelungen sind nicht ausreichend. Zugleich wird von dem Kunden der Nachweis der fehlerhaften Beratung auf der Grundlage des Beratungsprotokolls verlangt, da er keine weiteren Beweismittel zur Verfügung hat – es sei denn er tritt seinen Anspruch ab und lässt sich selbst als Zeuge vernehmen.175 Das Argument, welches die Bundesregierung gegen diese Beweislastumkehr angebracht hat, greift darüber hinaus nicht mehr. Nach deren Ansicht sollten die Folgen der unrichtigen oder unvollständigen Dokumentationspflichten, wie die für die Patientendokumentation der Ärzte, durch die Rechtsprechung ausgestaltet werden.176 Eine gesetzliche Regelung bräuchte es aufgrund der allgemeinen Beweislastregelungen nicht.177 Unabhängig davon, ob man die Dokumentationspflichten als vergleichbar betrachtet,178 ist hier nur anzumerken, dass der Gesetzgeber mittlerweile den Behandlungsvertrag und die dazugehörigen Dokumentationspflichten zivilrechtlich – nach der Ansicht der Rechtsprechung – reglementiert hat.179 Eine solche Regelung hätte sich nun auch für den Anlageberatungsvertrag und dessen Dokumentationspflichten angeboten. Dies wäre auch im Zuge der MiFID II möglich gewesen, da diese, wie bereits festgestellt, keine Anforderungen an das Zivilrecht stellt (s. 1. Teil F.I.).180 Grds. sind nationale Sonderregelungen auch bei Verankerung im Zivilrecht für die einheitlichen europäischen Regelungen abträglich, jedoch verweist ErwG. 82 MiFID II ausdrücklich auf Schutzmechanismen, die verhindern, dass der Kunde aus fehlerhaften oder unvollständigen Beratungsprotokollen Verluste erleidet. Tatsächlich verweist der deutsche Gesetzgeber auf diesen, schafft aber parallel bestehende Schutzmechanismen ab. Mit der Beweislastumkehr hätte er hingegen den Anleger im Prozess gestärkt und zugleich das Eigeninteresse der WpDU an vollständigen und fehlerfreien Dokumentationen. Eine vollständige Beweislastumkehr in der Form, dass der Berater die Fehlerfreiheit seiner Beratung nachweisen muss, ist weiterhin als zu weitgehend abzulehnen, da diese den Berater unter Generalverdacht stellt und den Anlegern, die ausschließlich „Reuegeld“ aufgrund von Verlusten geltend machen wollen, Vorschub leistet. Außerdem würde das Haftungsrisiko der Banken erhöht, welches in Zu174 Ortmann/Tutone, Evaluierung der Beratungsdokumentation im Geldanlage- und Versicherungsbereich, Studie des Instituts für Transparenz GmbH (ITA), v. 18. 02. 2014, S. 310 f. 175 Ähnlich Einsele, ZRP 2014, 190, 192; Freitag, ZBB 2016, 1, 4. 176 Stellungnahme Bundesregierung, BT-Drs. 16/12814, S. 36; BT-Drs. 17/3803, S. 2. 177 Stellungnahme Bundesregierung, BT-Drs. 16/12814, S. 36; BT-Drs. 17/3803, S. 2. 178 Ablehnend Maier, VuR 2011, 3, 9. 179 Ausf. Freitag, ZBB 2016, 1, 8 f. 180 I. E. Einsele, ZRP 2014, 190, 191.

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6. Teil: Suitability

sammenschau mit den steigenden Anforderungen letztlich zur Einschränkung des Beratungsangebots führen würde. 4. Fazit zur Umsetzung Indem der Bundestag und der Bundesrat, die vom Finanzausschuss eingereichte Beschlussempfehlung, die keine Änderungen der hier vorgestellten Regelungen des RegE 2. FiMaNoG vorsieht, beschlossen und als 2. FiMaNoG am 23. 06. 2017 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht haben, bleiben die zuvor thematisierten Kritikpunkte unberücksichtigt. Der Gesetzgeber geht damit weiterhin von übereinstimmenden Anforderungen der Geeignetheitserklärung und dem vorherigen Beratungsprotokoll aus. Wie gezeigt, orientieren sich die europäischen Vorschriften an den deutschen, bleiben jedoch teilweise hinter diesen zurück. Damit muss die Aussage des Gesetzgebers eigentlich dahin umgedeutet werden, dass keine besonderen Änderungen durch die neuen Regelungen entstehen.181 Eine Anpassung der Prozesse seitens der WpDU muss nämlich durchaus vorgenommen werden. Schwerwiegende Änderungen oder gar die gefürchtete, aufoktroyierte Nachprüfungspflicht bleiben jedoch aus.

C. Die Anforderungen an die Geeignetheitsprüfung und deren Dokumentation in Großbritannien Nach den Ausführungen der CESR (s. 5. Teil A.II.) ist es naheliegend, dass in den anderen europäischen Mitgliedstaaten keine derart ausdifferenzierten Regelungen zur Beratungsdokumentation existieren, wie bislang im deutschen Recht.182

I. Der Suitability Test Allerdings besteht im britischen Recht bereits seit 1988 die Anforderung, dass nur suitable investments empfohlen werden dürfen.183 Das Erfüllen dieser Anforderung muss so dann aber auch nachgewiesen und dafür dokumentiert werden. Der Financial Service Act 1986 in Sec. 48(2)(k), welche durch die FSA Principles konkretisiert wurde, enthielt eine allgemeine Dokumentationsvorschrift, dahinge181 I. E. Lingen, Anlageberatung im Spannungsfeld zwischen Verbraucherschutz und Überregulierung, 148 f. 182 I. E. Klein, Die Beratungsprotokollpflicht im System des europarechtlich determinierten Anlegerschutzes, 154. 183 Financial Ombudsman Service, assessing the suitability of investments. s. allgemein zur Entwicklung der Dokumentationspflichten Staud, Die Bedeutung der Dokumentationspflichten bei Wertpapiergeschäften, 181 f.

C. Geeignetheitsprüfung und deren Dokumentation in Großbritannien

313

hend, dass ein WpDU seine internen Geschäftsabläufe dokumentieren muss.184 Die Core Rules von FSA statuierten ebenfalls an unterschiedlichen Stellen allgemeine Dokumentationsverpflichtungen gegenüber dem Kunden185 und gaben damit zugleich den Selbstverwaltungsorganisationen (SRO) einen Rahmen für eigenständige Regelungen vor. So erließ die Personal Investment Authority (PIA) in ihre Conduct of Business Rule 5.5.1 (2) i.V.m. Table 5 die Verpflichtung, Aufzeichnungen über die vom Kunden offenbarten Informationen hinsichtlich seiner persönlichen und finanziellen Verhältnisse, seiner Investitionen und anderen Vermögen sowie Anlagezielen und seiner Risikoeinstellung zu erfassen sowie nachzuweisen, dass die ausgesprochene Empfehlung aufgrund dieser Informationen für den Kunden geeignet ist.186 Nachdem 2001 FSA als Finanzbehörde eingeführt wurde, nahm diese die Geeignetheit (Suitability) in ihre Principles auf.187 Das FSA Handbook enthält seit dieser Zeit ebenfalls einheitliche Anforderungen zum Suitability Test.188 Auch diese sahen vor, dass die Empfehlung für den Privatkunden unter Berücksichtigung der Informationen, die dieser offen gelegt hat und weiteren wichtigen Faktoren, die das WpDU kennt oder kennen müsste, geeignet (suitable) ist.189 Durch die neuen (Suitability-)Anforderungen der MiFID I und den gleichzeitig anstehenden grundlegenden Änderungen des nationalen Regelwerkes (Ende der polarisation), entschied FSA ihre bisherigen Anforderungen zu überarbeiten und die neuen Anforderungen der MiFID I als Kernregelungen zu etablieren. Dabei ging FSA jedoch deutlich über den Anwendungsbereich der MiFID I hinaus, indem ab dem 1. November 2007 sowohl Produkte (bspw. Lebensversicherungen und Pensionen) als auch Firmen, die nicht unter den Anwendungsbereich der MiFID I-Regelungen fielen, erfasst wurden.190 Alle Firmen, die Beratung oder Vermögensverwaltung erbrachten und in den Anwendungsbereich des FSA Handbook, COBS fallen, mussten den Suitability Test durchführen. 184 185

188 f. 186

Staud, Die Bedeutung der Dokumentationspflichten im Wertpapiergeschäft, 186 ff. s. ausf. Staud, Die Bedeutung der Dokumentationspflichten im Wertpapiergeschäft,

Staud, Die Bedeutung der Dokumentationspflichten im Wertpapiergeschäft, 191. Principle 9: „A Firm must take reasonable care to ensure the suitability of ist advice and discretionary decisions for any customer who ist entitled to rely upon ist judgement.“, FCA, Handbook, PRIN 2.1.1.R. s. auch bereits zum Principle 9 der SIB als Vorgängerbehörde, welches eine allgemeine Dokumentationspflicht statuierte, Staud, Die Bedeutung der Dokumentationspflichten bei Wertpapiergeschäften, 188. 188 Practical Law Financial Service, FCA Suitability Requirements: COBS 9, practice note. 189 FCA, Handbook, COBS 5.3.5.R in der Fassung vom 01. 12. 2001 bis 30. 10. 2007: „A firm must take reasonable steps to ensure that it does not in the course of designated investment service: (a) make any personal recommendation to a private customer to buy or sell a designated investment; unless the recommendation or transaction is suitable for the private customer having regard to the facts disclosed by him and other relevant facts about the private customer of which the firm is, or reasonably shoul be, abware.“ 190 Practical Law Financial Service, FCA Suitability Requirements: COBS 9, practice note. 187

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6. Teil: Suitability

Aufgrund des Suitability Tests muss die persönliche Empfehlung für den Kunden geeignet sein. Dafür müssen im Vorfeld Informationen über die Kenntnisse des Kunden und seine Erfahrungen im Bereich der Finanzanlagen und hinsichtlich des spezifischen Produkts, über seine finanzielle Situation und über Investitionsobjekte eingeholt und bei der Empfehlung berücksichtigt werden.191 Damit entspricht diese Regelung einer Eins-zu-eins-Umsetzung der MiFID I Vorgaben192 und enthält ebenfalls die bekannte Dreiteilung der einzuholenden Informationen. Auch die weiteren MiFID I-Vorgaben, so bspw. hinsichtlich der Sicherstellung des Erhalts der notwendigen Informationen, zur Beurteilung der Anlageziele, der Tragfähigkeit der finanziellen Risiken sowie Kenntnisse und Erfahrungen, wurden umgesetzt. Die einzuholenden Informationen richten sich zudem flexibel nach der Art der Transaktion und den Vorkenntnissen des Kunden.193 Gleiches gilt für die Erfragung der finanziellen Situation des Kunden durch Informationen über die Quelle und Existenz seines regulären Einkommens, über sein Vermögen insb. hinsichtlich des liquiden Vermögens und Immobilien sowie finanzielle Verpflichtungen.194 Auf die vom Kunden eingeholten Informationen darf sich das WpDU verlassen, es sei denn die Informationen sind veraltet oder unvollständig.195 Auch darf das WpDU dem Kunden keine Empfehlung aussprechen, wenn dieses nicht vorab die entsprechenden Informationen zur Bewertung erhält.196 Bereits im Jahre 2011 hat FSA in Form einer Guideline das Merkmal des Risikos, welches der Kunde bereit ist zu tragen und tatsächlich finanziell tragen kann, auf dessen Fehleranfälligkeit untersucht.197 So zeigt sie in der Guideline besondere Fehlerquellen auf und gibt Beispiele für good und poor practice. Stützt sich bspw. ein WpDU bei der Risikoanalyse nicht ausschließlich auf computergestützte Programme und kontrolliert diese regelmäßig auf Abweichungen und analysiert diese, so liegt eine good pratice vor.198 Auch die Nutzung unterschiedlicher Prozesse zur Bestimmung der Risikoakzeptanz und der Fähigkeit Verluste zu tragen stellt eine solche dar.199 Gleichzeitig wurde die Einschätzung der Risikoakzeptanz anhand einer Skala von 1 bis 10 durch FSA als schlecht bewertet, da diese nur eine subjektive Ein-

191

Hudson, The Law of Finance, Rn. 10 – 46. Practical Law Financial Service, FCA Suitability Requirements: COBS 9, practice note. 193 FCA, Handbook, COBS 9.2.2.R.(1); Practical Law Financial Service, FCA Suitability Requirements: COBS 9, practice note; Hudson, The Law of Finance, Rn. 10 – 46. 194 FCA, Handbook, COBS 9.2.2.R.(3). 195 Hudson, The Law of Finance, Rn. 10 – 46. 196 FCA, Handbook, COBS 9.2.6.R. 197 FSA, Assessing suitability: Establishing the risk a customer is willing and able to take and making a suitable investment selection – finalised guidance. 198 FSA, Assessing suitability: Establishing the risk a customer is willing and able to take and making a suitable investment selection – finalised guidance, S. 11 Rn. 3.13. 199 FSA, Assessing suitability: Establishing the risk a customer is willing and able to take and making a suitable investment selection – finalised guidance, S. 12 Rn. 3.15. 192

C. Geeignetheitsprüfung und deren Dokumentation in Großbritannien

315

schätzung ohne Anhaltspunkte für die Einschätzung beinhalte.200 Damit hat FSA schon früh ein Augenmerk auf die nun auf europäischer Ebene betonten Merkmale gelegt. FCA übernahm nach ihrer Etablierung im Jahr 2013 die von FSA eingeführten Suitability-Anforderungen in ihrem Handbuch in COBS 9.2.1.R. ff. und ergänzte diese in 2016. Grds. muss auch nach der britischen Regelung nur für Privatkunden die Geeignetheitsprüfung durchgeführt werden, es sei denn es werden Lebensversicherungen empfohlen. Da bereits die MiFID I – Regelungen entsprechend umgesetzt wurden und FCA keine weitergehenden Regelungen einführen will, werden voraussichtlich auch nur die neuen Regelungen hinsichtlich Produktbündeln und periodischen Geeignetheitserklärungen der MiFID II sowie die neuen Regelungen aus der MiFID II-DLVO im Handbook aufgenommen werden.201

II. Der Suitability Report Die britische Geeignetheitsprüfung in Form des Suitability Test muss durch den sog. Suitability Report nachgewiesen werden. Im Glossary des FCA Handbook wird dieser als Bericht, der dem Kunden erläutert warum das WpDU zu der Auffassung gelangt ist, dass die empfohlene Transaktion für den Kunden geeignet ist, definiert. Dieser klingt damit nach dem Pendant der deutschen Anforderungen des Beratungsprotokolls, entpuppt sich jedoch noch nicht einmal als Äquivalent zum europäischen Geeignetheitsbericht. Denn dieser muss dem Kunden so schnell wie möglich (as soon as possible) nach der Transaktion überreicht werden – ausschließlich für Lebensversicherungen gilt hier die Anforderung diesen vor Vertragsschluss auszuhändigen.202 Sowohl die deutsche Regelung als auch die MiFID II fordern hingegen eine Aushändigung des Berichts vor Vertragsschluss bzw. Durchführung des Geschäftes, damit der Kunde seine Entscheidung darauf stützen kann. Eine Aushändigung auf einem dauerhaften Datenträger sieht das britische Recht, anders als auf europäischer und deutscher Ebene, auch nur für Lebensversicherungen vor.203 Grds. haben die Firmen die Wahl, wie sie den Suitability Report zur Verfügung stellen wollen. Er muss nicht als gesondertes Dokument ausgegeben werden, sondern kann auch in andere Informationen (bspw. im Finanzplan) integriert sein, wenn dieser an prominenter Stelle platziert wird.204

200

FSA, Assessing suitability: Establishing the risk a customer is willing and able to take and making a suitable investment selection – finalised guidance, S. 12 Rn. 3.16. 201 FCA, Markets in Financial Instruments Directive II Implementation – Consultation Paper III, CP 16/29, S. 64. 202 FCA, Handbook, COBS 9.4.4.R. 203 FCA, Handbook, COBS 9.4.5.R. 204 Practical Law Financial Service, FCA Suitability Requirements: COBS 9, practice note.

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6. Teil: Suitability

Besondere Anforderungen für den Suitability Report bei telefonischer Order gelten ebenfalls nur für Lebensversicherungen;205 ein Rücktrittsrecht wie auf deutscher Ebene wird darüber hinaus auch hier nicht genannt. An die europäische Regelung erinnert die Anforderung an den Inhalt des Suitability Reports, die statuiert, dass in Abhängigkeit der Komplexität der Transaktion im Suitability Report alle Wünsche und Bedürfnisse des Kunden aufgenommen werden müssen. Zusätzlich enthält dieser eine Erklärung warum das WpDU zu der Auffassung gelangt ist, dass das empfohlene Produkt unter Berücksichtigung der eingeholten Informationen geeignet ist und eine Erklärung über mögliche Nachteile (Risiken), die dem Kunden durch die Transaktion entstehen können.206

III. Die aktuelle Entwicklung 2015 hat FCA eine Befragung der WpDU207 sowie im Jahr 2016 die FAMR durchgeführt, um wesentliche Aspekte des Suitability Reports neu zu strukturieren. Dabei wurden sowohl Kunden hinsichtlich ihrer Erfahrung mit dem Suitability Report als auch WpDU und regulatorische Organe konsultiert. Bei der Befragung ergab sich, dass die wesentliche Beratungszeit für die Erstellung dieses Reports verwendet werde.208 Dabei entstünden zum einen Berichte, die weit über die Anforderungen hinausgingen, aber auch solche, die diese nicht erfüllen. Andererseits seien die Berichte oft unverständlich für den Kunden und deutlich zu lang. Aufgrund dessen legte die Association of Professional Financial Advisers (APFA) nach Gesprächen mit FCA, Financial Ombudsman Service und Personal Finance Society (PFS) einen Guidance vor, der den WpDU helfen soll die Anforderungen von FCA hinsichtlich eines klaren und strukturierten Suitability Reports zu verstehen.209 In ihrem Bericht aus April 2017 stellen HM Treasury und FCA fest, dass damit die vorgeschlagenen Änderungen aus FAMR 2016 vollständig umgesetzt wurden.210 Die neuen Regelungen hinsichtlich des Aushändigungszeitpunkts, des dauerhaften Mediums, der Sonderregelungen zur Aushändigung bei Telefongesprächen und die Anforderungen der periodischen Reports will FCA in COBS 9 A.3.2 R umsetzen.211 Es zeigt sich, dass eine Art Geeignetheitsprüfung bereits vor den Anforderungen der MiFID I, die vollständig von FSA umgesetzt wurden, etabliert war. Hingegen 205

FCA, Handbook, COBS 9.4.6.R. FCA, Handbook, COBS 9.4.8.R. und 9.4.9.R. 207 FCA, Discussion paper – Smarter consumer communications, DP15/5. 208 Practical Law Financial Service, FCA Suitability Requirements: COBS 9, practice note; FCA, Feedback Statement – Smarter consumer communication, FS16/10, S. 28. 209 AFPA, Smarter Communications and Suitability Reports – guidance note. 210 FCA/HM Treasury, Financial Advice Market review (FMAR) – Progress Report, S. 6. 211 FCA, Markets in Financial Instruments Directive II Implementation – Consultation Paper III, CP 16/29, S. 340. 206

D. Geeignetheitsprüfung und deren Dokumentation in den USA

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sind die Dokumentationspflichten – wie zu erwarten war – nicht derart dezidiert, wie im deutschen Recht bzw. der nun vorliegenden Vorgaben der MiFID II.

D. Die Geeignetheitsprüfung und deren Dokumentation in den Vereinigten Staaten von Amerika Die Verpflichtung nur für den Kunden geeignete Anlageempfehlungen abzugeben ist auch im amerikanischen Recht verankert.

I. Die Regelungen für Investment Adviser So trifft den Investment Adviser nach Ansicht von SEC als sog. fiduciary die Pflicht nur Empfehlungen auszusprechen, die für den Kunden am besten geeignet sind.212 Hierfür muss er die finanziellen Verhältnisse des Kunden, seine Erfahrungen mit Kapitalanlagen und seine Anlageziele berücksichtigen.213 Dem Vorschlag214 von SEC, eine solche Regelung in den IAA aufzunehmen, wurde nicht nachgekommen, sodass die Geeignetheitsprüfung aus den existierenden Vorschriften als Verpflichtung mittelbar abgeleitet wird.215 Aufgrund der Ausgestaltung als fiduciary duty und der fehlenden gesetzlichen Normierung dieser, ist auch deren Dokumentation nicht ausdrücklich reglementiert. Den Investment Adviser trifft damit nur die Pflicht, Interessenkonflikte, die Risiken der Produkte sowie seine persönlichen Anlagestrategien durch die bereits angesprochene brochure rule (Sec. 204 – 3 IAA, s. oben 2. Teil D.II.) offenzulegen. Diese Informationen müssen dem Kunden vor Eingehung des Vertrags übergeben werden. Damit bleibt es dem Investment Adviser überlassen, wie er die Geeignetheit der individuellen Kundenempfehlung nachweist, bspw. über ausgefüllte Fragebögen des Kunden, Fact Sheets, Bestätigungsschreiben über die erhobenen Anlageziele oder eine Anlagestrategieerklärung.

212 s. die Rede des SEC Commissioner Luis A. Aguilar, A Shared Responsibility: Preserving the Fiduciary Standard. 213 SEC, General Information on the Regulation of Investment Advisers; Manzei, WM 2009, 393, 397. 214 Abrufbar unter: http://www.brightlinesolutions.com/files/Plaze/Release%20IA-1406 %2 0Suitability.pdf (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 215 Manzei, WM 2009, 393, 397.

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6. Teil: Suitability

II. Die Regelungen für Broker-Dealer Für Broker-Dealer liegen ausdrückliche, detaillierte Regelungen zur Durchführung der Geeignetheitsprüfung vor.216 Dies ist einer der Gründe, weshalb SEC in 2011 ursprünglich angekündigt hatte, einheitliche Regelungen für Broker-Dealer und Investment Adviser zu erlassen (2. Teil D.IV.). Auch Broker-Dealer dürfen nur für den Kunden geeignete Produkte empfehlen, Suitability Doctrine. Dies ist eine wesentliche Unterscheidung zum Investment Adviser, der am besten geeignete Produkte empfehlen muss. Unter den besonderen Voraussetzungen der Anwendbarkeit der DOL Fiduciary Rule obliegt es in diesen Fällen ggf. künftig auch dem Broker-Dealer, ein am besten geeignetes Produkt für den Kunden zu finden, da dieser dann ebenfalls den strengeren fiduciary duties unterliegt. Die Festlegung der Kriterien für die Geeignetheit obliegt den zuständigen SRO.217 Diese konkretisieren die in den Bundesgesetzen enthaltenen Antifraud-Bestimmungen (Betrugsbekämpfungsvorschriften).218 Da die meisten Broker-Dealer der FINRA zugeordnet sind, gelten für diese die Suitability-Anforderungen der FINRARegel 2111.219 Die Anforderungen der FINRA sind im Vergleich sehr weitergehend, da diese für jede Kauf-, Verkauf- oder Halteempfehlung gelten sollen. Hingegen finden die Antifraud-Regelung von SEC nur für den Kauf oder Verkauf Anwendung.220 Der Broker-Dealer beurteilt für die individuelle Eignung des Produkts für den jeweiligen Kunden dessen finanzielle Situation, Bedürfnisse bzw. Wünsche sowie Wertpapierbestände. Insgesamt muss der Broker-Dealer für jeden Kunden ein Investmentprofil anlegen, welches zusätzlich mindestens Angaben zu dem Kundenalter, seinem Steuerstatus, seinen Anlagezielen und Erfahrungen im Anlagebereich, Anlagezeitraum, Liquiditätsbedürftigkeit, sowie Risikotoleranz enthält.221 Diese Angaben sind teilweise bereits aus der deutschen und der europäischen Regelung bekannt. Damit obliegt dem Broker-Dealer die Verpflichtung alle relevanten Informationen über die finanzielle Situation einzuholen und zu aktualisieren. Zusätzlich muss der Broker-Dealer gem. FINRA Rule 2090 seinen Kunden kennen.

216

Manzei, WM 2009, 393, 397. SEC, Guide to Broker-Dealer Registration, 5. Conduct Regulation of Broker-Dealers, Nr. 2. Die SEC und die SRO, hierbei insb. FINRA, sind für die Überwachung des BrokerDealers und mit ihnen verbundene Personen zuständig. 218 s. Rechtschaffen, Kap. 13, 300. 219 s. Rechtschaffen, Kap. 13, 304 f.; Manzei, WM 2009, 393, 397; Bakhtiari/Boice/Majors, 87 St. John’s L. Rev. 313, 318. 220 Simkin, FINRA’s know-your-customer and suitability rules require brokerage changes, new strategies, Beitrag v. 25. 06. 2012, Reuters Blog. 221 s. Bakhtiari/Boice/Majors, 87 St. John’s L. Rev. 313, 318. 217

E. Gesamtfazit

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Folglich muss auch dieser eine Befragung des Kunden vornehmen, um dessen wesentliche Interessen, Ziele und Verhältnisse zu kennen.222 Eine eigenständige Dokumentationspflicht zum Nachweis der Einhaltung der Geeignetheitsbeurteilung stellt auch FINRA nicht auf.223 FINRA erlaubt den Brokern, einen risikobasierten Ansatz in Bezug auf die Dokumentation der Geeignetheit zu treffen.224 Sie führt als Beispiel an, dass die Empfehlung einer großkapitalisierten, wertorientierten Eigenkapitalsicherheit generell keine schriftlichen Unterlagen über die Empfehlung erfordert. Umgekehrt würde die Empfehlung einer komplexen und/ oder potenziell riskanten Sicherheits- oder Anlagestrategie mit Wertpapieren in der Regel eine Dokumentation erfordern. In allen Fällen muss der Broker die Eignungsprüfung durchführen, doch ob diese auch dokumentiert werden muss, hängt nach Ansicht von FINRA in der Regel von der Komplexität der Sicherheit oder Strategie in Struktur und Leistung und/oder den damit verbundenen Risiken ab. Damit besteht für die Geeignetheitsprüfung, anders als im deutschen Recht, nicht automatisch eine Dokumentationspflicht. Allerdings muss der Broker-Dealer grds. die Einhaltung der FINRA-Regelungen nachweisen. Mithin besteht auch für die Broker-Dealer keine Dokumentationspflicht in Form eines Beratungsprotokolls, welches an die Kunden auszuhändigen ist.

E. Gesamtfazit I. Vergleich der Regelungen in Deutschland, Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika Alle drei Rechtsordnungen stimmen darin überein, dass dem Kunden nur eine geeignete Anlage empfohlen werden darf und zu diesem Zweck entsprechende Informationen über den Kunden, seine Wünsche und Bedürfnisse sowie seine finanziellen Verhältnisse einzuholen sind. Die Intensität der Befragung und der benötigten Informationen richtet sich in allen Rechtsordnungen nach der Komplexität der Anlage. Die deutschen und britischen ausformulierten Anforderungen sind inhaltlich überwiegend gleich, da beide die MiFID I Vorgaben umsetzen und sich an den ESMA-Leitlinien orientieren. Anders ist dies in der amerikanischen Rechtsordnung. Für den Investment Adviser bestehen keine ausdrücklichen Regelungen. Seine Anforderungen werden aus dessen Stellung als fiduciary abgeleitet und sind daher weder sehr detailliert, noch mit den hier untersuchten aufsichtsrechtlichen Regelungen vergleichbar. Da dieser aufgrund des fiduciary einen höheren Standard erfüllen muss als der Broker-Dealer, so muss der Investment Adviser mind. dessen Voraussetzungen einhalten. Für den Broker-Dealer hingegen stellt FINRA ebenfalls 222 223 224

Laby, 55 Vill. L. Rev. 701, 726. Zur Dokumentationsanforderung FINRA, FINRA Rule 2111 (Suitability) FAQ. FINRA, FINRA Rule 2111 (Suitability) FAQ.

320

6. Teil: Suitability

eine ausdrückliche Regelung zur Geeignetheitsprüfung auf, die sich auch in die drei bekannten Informationsgebiete aufgliedern lässt. Die einzelnen Anforderungen hinsichtlich Anlagedauer, Vermögensverhältnissen und Erfahrungen sind ebenfalls im europäischen, deutschen und britischen Recht zu finden. Explizit führt FINRA zusätzlich noch den Steuerstatus und das Alter des Kunden an. Auffällig ist darüber hinaus, dass das amerikanische Recht dem Broker-Dealer die Geeignetheitsprüfung für den customer auferlegt, aber nicht zwischen Privatkunden/ Kleinanleger und professionellen Kunden unterscheidet. Denn ein customer, ist jeder, der eine Order bei einem Broker-Dealer abgibt oder ein Konto bei ihm unterhält.225 Hingegen sehen das deutsche und das britische Recht die Geeignetheitsprüfung ausschließlich für Privatkunden vor, wohingegen für professionelle Kunden die Angemessenheitsprüfung ausreichend ist. Aber auch das amerikanische Recht bietet hier eine Restriktionsmöglichkeit, indem der Broker-Dealer eigenständig über die Notwendigkeit der einzuholenden Informationen entscheidet und so ebenfalls bei vorhandenen Kenntnissen die entsprechenden Abstufungen vornehmen kann. Mithin unterliegt die Geeignetheitsprüfung grundlegend einem gleichen Ansatz. Vollständig unterschiedlich werden jedoch die Aufzeichnungspflichten gehandhabt. Während das amerikanische Recht eine Sondervorschriften zur Dokumentation der Geeignetheit oder deren Aushändigung an den Kunden vorsieht, kennt auch das britische Recht nur minimalistische Vorschriften, die sich in einigen Punkten von der deutschen Ausgestaltung deutlich unterscheiden. So muss der sog. Suitability Report erst nach der Transaktion an den Kunden ausgehändigt werden. Allerdings soll dieser ebenfalls darstellen warum die Empfehlung als geeignet angesehen wurde und beinhaltet damit auch die Berücksichtigung der Individualinteressen der Anleger.226 Dennoch bestehen sowohl im britischen als auch im deutschen Recht die gleichen Probleme hinsichtlich der korrekten Ausfüllung der Reports, der Länge und des benötigten Zeitaufwands. Dies findet sich in den amerikanischen Regelungen nicht. Die Broker-Dealer weisen die Einhaltung der Suitability-Regelungen und damit die individuelle Eignung nur gegenüber der entsprechenden Behörde aber nicht gegenüber dem Kunden nach. Erhält der Kunde hingegen vom Investment Adviser aufgrund der brochure rule Informationen zu Risiken der einzelnen Anlagen oder zu Anlagestrategien des Investment Advisers, so sind dies allgemeine Informationen und keine individuellen. Gegenüber SEC muss auch der Investment Adviser die Geeignetheit und damit die individuelle Eignung der Empfehlung nachweisen. Die deutsche Regelung ist damit am kundenfreundlichsten, da nur durch diese der Kunde die Möglichkeit erhält, vorab zu überprüfen, ob seine Angaben im Bera225

Simkin, FINRA’s know-your-customer and suitability rules require brokerage changes, new strategies, Beitrag v. 25. 06. 2012, Reuters Blog. 226 Zweifelnd Klein, Die Beratungsprotokollpflicht im System des europarechtliche determinierten Anlegerschutzes, 154.

E. Gesamtfazit

321

tungsgespräch hinsichtlich seiner Präferenzen etc. auch von dem Berater richtig aufgenommen und umgesetzt wurden.

II. Bewertung der neuen Anforderungen Insgesamt zeigen die neuen Regelungen der MiFID II und die Umsetzung in das deutsche Recht nur wenige Neuerungen. Hiervon geht auch der deutsche Gesetzgeber aus, indem er eine Eins-zu-eins-Ersetzung bzw. Übertragung der alten Anforderungen des Beratungsprotokolls auf die neue Geeignetheitserklärung statuiert und sogar den gleichen Erfüllungsaufwand und keine Mehrkosten für die Geeignetheitsprüfung und -erklärung ansetzt. Schließlich ist auch nicht zu erwarten, dass die BaFin ihre ohnehin schon an den ESMA-Leitlinien orientierte Verwaltungspraxis zugunsten restriktiverer Anforderungen aufgeben wird. Der ursprünglich von der MiFID II vorgesehene erhöhte Anlegerschutz kann damit für den deutschen Anleger nicht erreicht werden – vielmehr muss er bspw. auf das Rücktrittsrecht bei der telefonischen Beratung verzichten. Positiv hervorzuheben ist jedoch, dass der deutsche Gesetzgeber keinen Alleingang unternimmt, um dem deutschen Anleger zu mehr Schutz zu verhelfen. Indem er jedoch die Anforderungen des Beratungsprotokolls auf die Geeignetheitserklärung überträgt, verpasst er die Chance die Komplexität der Beratungsprotokolle, auf deren Erstellung vielfach die wesentliche Zeit in der Beratungssituation verwendet wird, abzumildern und so dem ohnehin schon an Informationen überladenen Kunden ein kurzes prägnantes Informationsmedium über die soeben erfolgte Beratung an die Hand zu geben. Schließlich nimmt der Anleger die Beratungsleistung in Anspruch, um so einfach und effizient wie möglich ohne besonderes eigenes Bemühen an die bestmögliche Anlage zu gelangen. Komplizierte Erklärungen über zwei oder gar mehr Seiten passen deshalb nicht in sein Konzept.227 Auch unternimmt der Gesetzgeber, wie bereits festgestellt, keine Schritte um sicherzustellen, dass die Beratungsprotokolle entgegen heutiger Praxis ordentlich und vollständig ausgefüllt werden. Dies wäre für das nationale Recht auch ohne goldplating in Form einer Beweislastumkehr möglich gewesen. Einzig der Streit um die Bedeutung oder das Erfordernis der Kundenunterschrift wird künftig aufgrund der europäischen Verwaltungspraxis abflauen. Insgesamt wurde dem Beratungsprotokoll ein neues Etikett verpasst; wirkliche Neuerungen lassen sich darin nicht finden – weder in Form der Erleichterungen für die WpDU noch in Form von verstärktem Anlegerschutz.

227

s. Adam, Interview v. 24. 01. 2017.

322

6. Teil: Suitability

F. Exkurs: Angemessenheitsprüfung und Execution-Only-Geschäft Nicht nur die für die Anlageberatung geltenden Regelungen der Geeignetheitsprüfung und der Geeignetheitserklärung wurden erweitert, sondern auch die Regelungen der Angemessenheitsprüfung228, die vorgenommen werden muss, wenn keine Anlageberatung durchgeführt wird. Gleiches gilt für die Regelungen des ExecutionOnly-Geschäfts, bei welchem als Ausnahme weder die Geeignetheits- noch die Angemessenheitsprüfung erbracht werden muss.

I. Die Angemessenheitsprüfung Art. 25 Abs. 3 MiFID II nimmt die Angemessenheitsprüfung, in der Fassung, die bereits durch Art. 19 Abs. 5 MiFID I eingeführt wurde, ohne wesentliche Veränderung auf, sodass die deutschen Regelungen des § 31 Abs. 5 WpHG i.V.m. § 6 WpDVerOV den europäischen Vorgaben noch entsprechen. Die MiFID II-DLVO konkretisiert jedoch in Artt. 55, 56 die Anforderungen. Gem. Art. 56 Abs. 2 MiFID II-DLVO muss das Ergebnis der Angemessenheitsprüfung sowie ggf. ausgesprochene Warnungen, unabhängig davon, ob es sich dabei um eine Warnung aufgrund fehlender Angemessenheit oder aufgrund fehlender Informationen handelt, dokumentieren werden. Eine solche Dokumentationspflicht ergibt sich nicht ausdrücklich aus dem deutschen Recht. Nach § 34 Abs. 1 WpHG i.V.m. § 14 Abs. 1 WpDVerOV muss das WpDU jedoch die erbrachten Dienstleistungen dokumentieren, um die Einhaltung der Regelungen gem. § 31 WpHG gegenüber der BaFin nachzuweisen. Davon sind sowohl die Angemessenheitsprüfung als auch die Warnung erfasst.229 § 63 Abs. 10 WpHG-E des RegE 2. FiMaNoG nimmt nun den Wortlaut des Art. 24 Abs. 3 MiFID II in § 63 Abs. 10 WpHG-E ausdrücklich auf und verweist auf Artt. 55, 56 MiFID II-DLVO.

II. Das Execution-Only-Geschäft Art. 25 Abs. 4 MiFID II übernimmt die Anforderungen für das Execution-OnlyGeschäft, bzw. das beratungsfreie Geschäft, des Art. 19 Abs. 6 MiFID I bzw. § 31 Abs. 7 WpHG. Jedoch wird der Anwendungsbereich für das Execution-Only-Geschäft verringert, indem deutlich mehr Produkte als komplex eingestuft werden, als dies Art. 38 MiFID I-DRL (umgesetzt in § 7 WpDVerOV) vorsah.230 228

Art. 25 Abs. 3 MiFID II. Für die Warnung s. Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rn. 180; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 324. 230 Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 231; Möllers/Poppele, ZGR 2013, 437, 454; ausf. zu den Pflichten des beratungsfreien Geschäfts Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 136 ff. 229

F. Exkurs: Angemessenheitsprüfung und Execution-Only-Geschäft

323

Bislang galten Aktien, die zum Handel an einem geregelten Markt oder an einem gleichwertigen Markt eines Drittlandes zugelassen sind, als nicht komplex. Dies gilt künftig nicht mehr für „[…] Anteile[n] an Organismen für gemeinsame Anlagen, die keine OGAW sind, und Aktien, in die ein Derivat eingebettet ist“, Art. 25 Abs. 4 S. 2 lit. a) i) MiFID II. Nach wie vor sollen Schuldverschreibungen oder sonstige verbriefte Schuldtitel und Geldmarktinstrumente grds. als nicht-komplex gelten, ausgenommen sind neben solchen, die in ein Derivat eingebettet sind, künftig auch solche „[…] die eine Struktur enthalten, die es dem Kunden erschwert, die damit einhergehenden Risiken zu verstehen“, Art. 25 Abs. 4 S. 2 lit. a) ii) MiFID II. Ausgeschlossen sind nun auch sog. strukturierte OGAW gem. Art. 36 Abs. 1 UA 2 der Verordnung (EU) Nr. 583/2010. Entsprechend des erweiterten Anwendungsbereichs der MiFID II wurden strukturierte Einlagen als grds. nicht-komplexe Finanzprodukte aufgenommen, es sei denn, sie enthalten eine „[…] Struktur […], die es dem Kunden erschwert, das Ertragsrisiko oder die Kosten eines Verkaufs des Produkts vor Fälligkeit zu verstehen“, Art. 25 Abs. 4 S. 2 lit. a) v) MiFID II. Nach Art. 25 Abs. 4 MiFID II sollen zudem die nach Anhang I Abschnitt B Nr. 1 genannten Instrumente nicht komplex sein. Aus der Zusammenschau mit Art. 16 Abs. 10 MiFID II, nachdem keine „[…] Finanzsicherheiten in Form von Rechtsübertragungen mit Kleinanleger zur Besicherung oder Deckung bestehender oder künftiger, tatsächlicher, möglicher oder voraussichtlicher Verpflichtungen der Kunden […]“ abgeschlossen werden dürfen, und ErwG. 80, der ebenfalls darauf abstellt, dass das Execution-Only-Geschäft nicht in Verbindung mit der Gewährung von Krediten oder Darlehen stehen soll, ist davon auszugehen, dass eigentlich auf Anhang I Abschnitt B Nr. 2 der Gewährung von Krediten oder Darlehen an Anleger für die Durchführung von Geschäften mit einem oder mehreren Finanzinstrumenten verwiesen werden sollte.231 1. Konkretisierte Anforderungen in der MiFID II-DLVO Die MiFID II-DLVO konkretisiert darüber hinaus in Art. 57, wann ein Finanzprodukt als nicht komplex einzustufen ist. Für die deutschen WpDU ergeben sich aus dem Vergleich der neuen europäischen Anforderungen und denen aus § 7 WpDVerOV, der auf Art. 38 MiFID I-DRL beruht, lediglich zwei neue Kriterien. Zum einen müssen die WpDU nun berücksichtigen, dass nicht komplexe Finanzprodukte keine Klausel bzw. „[…] Bedingung oder Auslöser, durch die bzw. den die Art oder das Risiko der Investition oder des Auszahlungsprofils entscheidend verändert werden könnte […]“ enthalten und zum anderen, dass „[…] keine expliziten oder impliziten Ausstiegsgebühren (bestehen), die dazu führen, dass die Investition auch dann illiquide wird, wenn technisch häufig Möglichkeiten zur Veräußerung, zum Rückkauf oder zur sonstigen Realisierung des betreffenden Instruments bestehen“.

231

Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 232.

324

6. Teil: Suitability

2. Umsetzung der neuen Anforderungen im 2. FiMaNoG Die Anforderungen des Art. 25 Abs. 4 MiFID II finden sich im RegE 2. FiMaNoG in § 63 Abs. 10 WpHG-E fast gleichlautend wieder. Zugleich nimmt der Gesetzgeber hier die Anforderungen auf, dass die Wertpapierdienstleistung nicht mit der Gewährung eines Darlehens in Zusammenhang stehen darf. Die Ausnutzung einer bestehenden Kreditobergrenze oder die Einräumung einer Überziehungsmöglichkeit soll dennoch möglich sein. Damit folgt auch der deutsche Gesetzgeber der hier vertretenen Ansicht, dass es sich bei der Verweisung auf Anhang I Abschnitt B Nr. 1 um ein redaktionelles Versehen handelt. Zwar ist es im bestehenden Gesamtkonzept des Anlegerschutzes zu begrüßen, dass die Anforderungen an die nicht-komplexen Produkte, unter Rückschau auf die in den letzten Jahren verwendeten kritischen Produkte, angepasst wurden. Jedoch wäre ein ausdrücklicher nicht standardisierter Hinweis, den der Anleger wahrnimmt und versteht, effektiver und würde ausreichenden Schutz und gleichzeitige Entscheidungsfreiheit für den Anleger bieten, anstatt den Anwendungsbereich der beratungsfreien Geschäfte immer enger zu ziehen.232 Dadurch wird der Anleger ohne Ausweichmöglichkeit gezwungen, eine Beratung in Anspruch zu nehmen, die für ihn weder kostenlos ist noch zwingend einen Mehrwehrt enthält.233 Die Entscheidung, auch die des ahnungslosen Kleinanlegers, ob er eine Beratung in Anspruch nehmen möchte oder nicht, muss auch seitens der Gesetzgeber akzeptiert werden. Alles andere ist ein vermeintlicher Schutz des Anlegers vor sich selbst, der dem Anleger jede eigenständige Entscheidungsfreiheit abnimmt.

232 233

I.E Möllers/Poppele, ZGR 2013, 437, 461. Vgl. Langenbucher, ZHR 177 (2013), 679, 698; Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 232.

7. Teil

Weitere Informationspflichten der WpDU A. Allgemeine Anforderungen an die Informationspflichten Wie bereits festgestellt, führt die MiFID II neue Informationspflichten ein bzw. erweitert bestehende Anforderungen. So müssen die WpDU darlegen, ob sie die Anlageberatung unabhängig oder abhängig erbringen (Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. a) i) MiFID II), den Kunden über den Umfang der Produktanalyse informieren (Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. a) ii) MiFID II) sowie darüber, ob eine regelmäßige Beurteilung der Eignung des Finanzprodukts vorgenommen wird (Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. a) iii) MiFID II). Zusätzlich besteht die Informationspflicht des WpDU über Kosten und Nebenkosten, Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. c) MiFID II. Dass das informationsbasierte Modell ein essentieller Bestandteil des Anlegerschutzes ist, da es die natürliche Informationsasymmetrie zwischen dem Berater und dem Anleger abbaut, aber zugleich bei der Fülle an Informationspflichten an seine Grenzen stößt (information overload), wurde bereits angesprochen. Daher verwundert die Einführung weitergehender Informationspflichten, da der europäische Gesetzgeber jüngst bestrebt war, diese übersichtlicher zu gestalten, bspw. in Form der Produktinformationsblätter bzw. der Basis-Informationsblätter nach der PRIIPsVerordnung. Die neuen Informationspflichten sollen nun im Folgenden näher untersucht werden.

I. Europäische Regelung 1. Die Informationsanforderungen der MiFID II Art. 24 Abs. 4 MiFID II übernimmt die bereits in Art. 19 Abs. 3 MiFID I statuierte Pflicht dem Kunden Informationen über Finanzinstrumente und Anlagestrategien, die auch geeignete Leitlinien und Warnhinweise zu den mit einer Anlage verbundenen Risiken umfassen, zur Verfügung zu stellen. Neu ist, dass gem. Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. b) MiFID II in den Leitlinien auch die Frage beantwortet werden soll, ob die empfohlenen Finanzinstrumente für Privatkunden oder für professionelle Kunden konzipiert wurden und mit dem Zielmarkt (s. hierzu noch 8. Teil) übereinstimmen.1 Bislang musste nur gem. Art. 31 Abs. 1 MiFID I-DRL der Einstufung 1

Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 77.

326

7. Teil: Weitere Informationspflichten der WpDU

des Kunden in Kleinanleger oder professioneller Kunde bei der Informationsweitergabe Rechnung getragen werden. Hier wird sich die Praxis umgewöhnen und die Produkte entsprechend nach Kundenkategorien ausrichten müssen, da diese bislang überwiegend nach den Anlagezielen ausgerichtet aufgelegt wurden.2 Die Regelung des Art. 19 Abs. 2 MiFID I, dass Informationen grds. redlich, eindeutig und nicht irreführend dargestellt werden müssen, findet sich nun in Art. 24 Abs. 3 MiFID II.3 Zugleich müssen gem. Art. 24 Abs. 5 MiFID II die Informationen für den Anleger verständlich sein. 2. ESMAs Vorschläge an die Kommission Während sich die Richtlinie hinsichtlich neuer Vorgaben zurückhält, hat ESMA einige Vorschläge zu deren Konkretisierung, insb. zur Erweiterung der bislang geltenden Anforderungen nach Art. 31 Abs. 1 und 2 MiFID I-DRL zur Aufklärung über Risiken der Finanzprodukte und hinsichtlich Art. 27 MiFID I-DRL zur redlichen, eindeutigen und nicht irreführenden Informationserteilung der Kommission unterbreitet. a) Ergänzung des Art. 27 MiFID I-DRL Zunächst dehnt ESMA den Anwendungsbereich auch auf professionelle Kunden aus, obwohl Art. 24 Abs. 3 MiFID II der Formulierung des Art. 19 Abs. 2 MiFID I entspricht. Gleichzeitig schließt sie aber geeignete Gegenparteien ausdrücklich aus.4 Mit diesen muss jedoch ausdrücklich gem. Art. 30 Abs. 1 MiFID II ehrlich, redlich und professionell umgegangen sowie eine redliche, eindeutige und nicht irreführende Kommunikation geführt werden. Mithin müssen sowohl dem Kleinanleger, als auch dem professionellen Kunden bei einem Hinweis auf Vorteile eines Finanzinstruments oder einer Wertpapierdienstleistung die relevanten Risiken an prominenter Stelle in offensichtlicher Form aufgezeigt werden.5 Für den Kleinanleger macht ESMA zur Einhaltung dieser Pflicht weitere Vorgaben. Die prominente Wahrnehmung soll durch das Layout herbeigeführt werden.6 Zudem muss die Schriftgröße für den Warnhinweis genau so groß sein, wie für die Herausstellung der Vorteile. Darüber hinaus müssen alle Informationen in einer einheitlichen Sprache – nicht Terminologie – abgefasst sein, es sei denn der Kunde hat verschiedensprachigen Informationen zugestimmt.7 Für beide Kundenarten dürfen Warnungen nicht ver2

Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 77; Balzer, ZBB 2016, 226, 229. Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 123. 4 ESMA, Final Report, Kap. 2.12, S. 102, Nr. 9, S. 103, TA Nr. 2; Lenarz, in: MiFID II/ MiFIR, Rn. 129. 5 ESMA, Final Report, Kap. 2.12, S. 103, TA Nr. 4; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 130. 6 ESMA, Final Report, Kap. 2.12, S. 103, TA Nr. 2; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 125. 7 ESMA, Final Report, Kap. 2.12, S. 103, TA Nr. 2; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 126. 3

A. Allgemeine Anforderungen an die Informationspflichten

327

schleiert, abgeschwächt oder unverständlich gemacht werden.8 Zusätzlich müssen alle Informationen, abhängig von dem gewählten Kommunikationsmittel, aktuell gehalten werden.9 Als ausdrückliche Ergänzung zu Art. 27 Abs. 6 MiFID I-DRL führt ESMA zusätzlich den Vorschlag ins Feld, dass Angaben über eine Wertentwicklung künftig auf Entwicklungssituationen in verschiedenen – sowohl positiven als auch negativen – Marktsituationen beruhen sollen sowie die Natur und die Risiken des jeweiligen Finanzprodukts einbezogen werden.10 b) Ergänzung des Art. 31 MiFID I-DRL Explizit schlägt ESMA diese Erweiterung auch für Art. 31 Abs. 1 MiFID I-DRL vor.11 Jedoch muss dem Kunden nur generell und nicht individuell die Funktionsweise und die Wertentwicklung erläutert werden.12 Künftig sollen dem Kunden auch Informationen über die verschiedenen Möglichkeiten des Ausstiegs und diesbezüglichen Risiken sowie Konsequenzen bzw. Schwierigkeiten aufgezeigt werden.13 Auch muss dem Kunden dargelegt werden, wie lange ein Finanzinstrument gehalten werden müsste, damit sich die Transaktionskosten amortisieren.14 Die Informationspflichten über zusammengesetzte Finanzprodukte, die bislang in Art. 31 Abs. 4 MiFID I-DRL geregelt waren, sollen nach Ansicht von ESMA dahingehend erweitert werden, dass auch die Rechtsnatur des Produkts (Eigenkapital oder Verbindlichkeit) sowie die Risiken, die sich aus der Interaktion der einzelnen Bestandteile ergeben, aufgezeigt werden müssen.15 Enthält das Finanzprodukt eine Garantie oder Kapitalsicherung, so soll der Kunde über deren Art und Umfang informiert werden und wenn diese von einer dritten Person gegeben wird auch darüber.16 3. Konkretisierte Anforderungen in den delegierten Rechtsakten Die Kommission hat ESMAs Vorschläge nicht nur übernommen, sondern mit weiteren Anforderungen in Art. 44 MiFID II-DLVO konkretisiert.17 8

ESMA, Final Report, Kap. 2.12, S. 103, TA Nr. 4; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 131. ESMA, Final Report, Kap. 2.12, S. 103, TA Nr. 4; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 132. 10 ESMA, Final Report, Kap. 2.12, S. 103, TA Nr. 3; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 128. 11 ESMA, Final Report, Kap. 2.13, S. 110, TA Nr. 8. 12 Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 80. 13 ESMA, Final Report, Kap. 2.13, S. 110, TA Nr. 9; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 81. 14 ESMA, Final Report, Kap. 2.13, S. 110, TA Nr. 9. 15 ESMA, Final Report, Kap. 2.13, S. 110, TA Nr. 10. 16 ESMA, Final Report, Kap. 2.13, S. 110, TA Nr. 9; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 83. 17 s. Buck-Heeb/Poelzig, BKR 2017, 485, 487. 9

328

7. Teil: Weitere Informationspflichten der WpDU

a) Faire, klare und nicht irreführende Information Art. 44 Abs. 1 MiFID II-DLVO statuiert die Anforderungen für die WpDU, um eine faire, klare nicht irreführende Information an Kleinanleger, professionelle Kunden und potenzielle Kleinanleger zu richten. Damit übernimmt auch die Kommission trotz gleichlautendem Wortlaut von Art. 24 Abs. 4 MiFID II und Art. 19 Abs. 3 MiFID I die Erweiterung auf den professionellen Kunden, allerdings nicht für den potenziellen professionellen Kunden. Hierbei scheint es sich jedoch mehr um ein redaktionelles Versehen zu handeln. Denn praktisch wird der potenzielle professionelle Kunde von den WpDU einbezogen werden, da diese keine unterschiedlichen Materialien für potenzielle professionelle Kunden und professionelle Kunden erstellen und ausgeben werden. Nach Art. 44 Abs. 2 lit. b) und c) MiFID II-DLVO ist der Risikohinweis nach wie vor für beide Kundengruppen bei einer Vorteilsdarstellung hinzuzufügen. Nun gelten die einheitliche Schriftgröße und die erkennbare graphische Darstellung zur leichten Erkennbarkeit des Risikohinweises auch für professionelle Kunden. Die Informationen dürfen, wie von ESMA vorgeschlagen, nun für beide Kundengruppen nicht verschleiert, abgeschwächt oder unverständlich sein, Art. 44 Abs. 2 lit. e) MiFID IIDLVO. Das Erfordernis der gleichen Sprache für alle Informationen, es sei denn der Kunde hat verschiedenen Sprachen zugestimmt, findet sich in Art. 44 Abs. 2 lit. f) MiFID II-DLVO für beide Kundengruppen wieder sowie die Aktualität nach ESMAs Vorschlag in lit. g). Nicht in ESMAs Vorschlägen enthalten war, dass die Informationen für die jeweilige Kundengruppe verständlich sein muss, Art. 44 Abs. 2 lit. d) MiFID IIDLVO. Dies entspricht Art. 27 Abs. 2 MiFID I-DRL. Durch die generelle Aufnahme des professionellen Kunden ergibt sich hieraus jedoch, dass nach wie vor hinsichtlich der Informationsdichte und -darstellung zwischen professionellen Kunden und Kleinanlegern unterschieden werden darf. Dies ist zu begrüßen, da es gerade dem professionellen Kunden auf eine schnellere Abwicklung und geringere Informationsdichte ankommt. Auf den Informationen muss der Name des WpDU abgedruckt sein, Art. 44 Abs. 2 lit. a) MiFID II-DLVO. Art. 27 Abs. 6 der MiFID I-DRL wurde wie von ESMA vorgeschlagen in Art. 44 Abs. 6 um lit. d) MiFID II-DLVO ergänzt, sodass bei der Darstellung der künftigen Wertentwicklung ebenfalls die Informationen auf positiven und negativen Szenarien mit unterschiedlichen Marktbedingungen beruhen und die Risiken der Analyse der einbezogenen Instrumente widerspiegeln müssen. b) Informationen über Finanzinstrumente In Art. 48 MiFID II-DLVO hat die Kommission die Vorschläge von ESMA zur Ergänzung des Art. 31 MiFID I-DRL übernommen.

A. Allgemeine Anforderungen an die Informationspflichten

329

So müssen die Informationen über die Finanzinstrumente dem Kunden rechtzeitig übermittelt und die Wesensmerkmale, die Funktionsweise und die Wertentwicklung unter verschiedenen – sowohl positiven als auch negativen – Marktbedingungen sowie die damit verbundenen spezifischen Risiken detailliert erläutert werden, Art. 48 Abs. 1 MiFID II-DLVO. Die spezifischen Risiken berücksichtigen künftig nicht nur das Risiko des Verlustes der gesamten Kapitalanlage, sondern auch explizit die „[…] Risiken im Zusammenhang mit einer Insolvenz des Emittenten und damit verbundener Erzeugnisse (z. B. ,Bail-In‘)“, Art. 48 Abs. 2 lit. a) MiFID II-DLVO. Die von ESMA vorgeschlagene Erweiterung auf Informationen über Hindernisse und Beschränkungen für Fehlinvestitionen, worunter auch eine Veranschaulichung der Möglichkeiten des Ausstiegs und dessen Folgen und der Zeitraum der Amortisierung der Transaktionskosten fällt, hat die Kommission in Art. 48 Abs. 2 lit. c) MiFID II-DLVO aufgenommen. Art. 48 Abs. 4 MiFID II-DLVO verändert Art. 31 Abs. 4 MiFID I-DRL dahingehend, dass – wie von ESMA vorgeschlagen – auch über die Rechtsnatur des Produkts informiert werden muss. Außerdem ist Abs. 4 grds. anwendbar, die zusätzliche Voraussetzung, dass die Risiken des zusammengesetzten Finanzinstruments größer sind als generelle Risiken, muss nicht mehr erfüllt sein. Auch in Art. 48 Abs. 5 MiFID II-DLVO werden von der Kommission ESMAs Vorschläge aufgegriffen, indem nicht nur über den Garantiegeber Informationen erteilt werden müssen, sondern auch über Art und Umfang der Garantie selbst. Diese Angaben sind nun auch für den Kapitalschutz anzuwenden. Zugleich verändert die Kommission den Wortlaut der MiFID I-DRL dahingehend, dass nicht mehr Kleinanleger sondern Kunden erfasst sind. Damit sind diese Informationen künftig auch professionellen Kunden auszuhändigen.18 4. Zwischenfazit Die auf den ersten Blick in der MiFID II gleichbleibend erscheinenden generellen Informationspflichten werden durch die Vorschläge von ESMA und deren Übernahme in die MiFID II-DLVO durch die Kommission im Detail ergänzt. Eine wesentliche Änderung ist die Ausweitung der Informationspflichten gegenüber professionellen Kunden, wobei die Informationen hinsichtlich des Kenntnisstandes entsprechend angepasst werden dürfen. Ob diese Kunden solche zusätzlichen Informationen benötigen, ist hingegen zweifelhaft. Nur bedingt ersichtlich ist ebenfalls, ob die zusätzlichen Informationen den Anleger neben den ohnehin vielfältigen Informationen weiter aufklären. Die ein-

18

Vgl. Buck-Heeb/Poelzig, BKR 2017, 485, 487.

330

7. Teil: Weitere Informationspflichten der WpDU

zelnen Merkmale sind an sich schon nicht geeignet präzise Auskünfte zu geben.19 So wird der Amortisationszeitraum für die Deckung der Transaktionskosten durch fehleranfällige bzw. ungenaue Prognosen errechnet.20 Jedoch sind die graphischen Anforderungen für Hinweise generell geeignet eine optische Verhältnismäßigkeit und damit auch eine bewusstere Wahrnehmung des Kunden zwischen positiven und negativen Merkmalen herbeizuführen, sofern er diese unter allen ausgehändigten Informationen überhaupt noch zur Kenntnis nimmt.

II. Deutsche Regelungen 1. Informationspflichten vor der Umsetzung Wie bereits festgestellt, wurden keine wesentlichen Neuerungen mit der MiFID II oder der MiFID II-DLVO eingeführt, sondern bestehende Regelungen ausgeweitet bzw. konkretisiert. Aufgrund der Umsetzung von MiFID I-Vorgaben bestehen bereits grundlegende Pflichten den Kunden redlich, ehrlich und nicht irreführend zu informieren, § 31 Abs. 2 S. 1 WpHG.21 § 31 Abs. 3 S. 1 WpHG greift die rechtzeitige Informationspflicht des Kunden in verständlicher Form über Art und Risiken der Finanzinstrumente auf. Konkretisiert werden diese durch §§ 4 und 5 der WpDVerOV.22 Diese übernehmen für die hier untersuchten Bereiche die Anforderungen der MiFID I-DRL, sodass die zuvor besprochenen Ergänzungen auch im deutschen Recht noch nicht vorhanden sind.23 Allerdings bestehen durch BT 3.3 der MaComp weitergehende verwaltungspraktische Anforderungen an die Informationserteilung durch die WpDU. So müssen bereits heute aufgrund von BT 3.3.3 MaComp Risiken in gleicher ausf. Weise dargestellt werden wie Vorteile.24 Auch muss nach BT 3.3.2. MaComp die Aktualität der Informationen abhängig des Mediums gewährleistet sein.25 BT 3.3.1 MaComp greift die Informationsaufbereitung bzw. -menge auf und statuiert, dass sich diese an den Kenntnissen und an dem Verständnis der Kundengruppe ausrichten.26 19

In diesem Zusammenhang von wesentlichen Unsicherheitsfaktoren sprechend Balzer, ZBB 2016, 226, 229. 20 Balzer, ZBB 2016, 226, 229. 21 s. Just, in: J/V/R/B, WpHG, Vor § 31 Rn. 7 f.; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 3. 22 Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 38, 49. 23 s. bspw. für die Ergänzung von § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 WpDVerOV Balzer, ZBB 2016, 226, 229; für die allgemeinen deutschen Darstellungsanforderungen nach § 4 WpDVerOV s. Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 217 ff. 24 Ausf. Theißen, in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, Kap. 18 Rn. 254 ff.; Walz, in: Krimphove/Kruse, BT 3 Rn. 58 ff. 25 Walz, in: Krimphove/Kruse, BT 3 Rn. 51 ff. 26 Ausf. Theißen, in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, Kap. 18 Rn. 253; Walz, in: Krimphove/Kruse, BT 3 Rn. 22 ff.

A. Allgemeine Anforderungen an die Informationspflichten

331

Einen Umsetzungsakt für die neuen europäischen Anforderungen in Form der Ergänzung der §§ 4 und 5 WpDVerOV durch den deutschen Gesetzgeber bedarf es aufgrund der Ausgestaltung der Regelungen als Verordnung hingegen nicht. Insofern kommen ausschließlich Ergänzungspflichten bei der Kundeninformation im oben dargestellten Ausmaß auf die deutschen WpDU zu. Diese sind jedoch aufgrund der Verwaltungspraxis durch die MaComp ebenfalls nur partiell. Die wesentliche europäische Neuerung, dass die Informationspflichten auch für professionelle Kunden gelten, ist für die deutschen WpDU auch nicht gravierend. Das deutsche Recht bezieht sich bereits heute ausdrücklich auf den Kunden und nicht speziell auf den Kleinanleger, sodass Mindestanforderungen gegenüber allen Kundenkategorien erfüllt werden müssen.27 Die Regelungen hinsichtlich der Angabe der Laufzeit und entsprechenden Ausstiegsmöglichkeiten sowie der optischen Gestaltung des Warnhinweises sind dem deutschen Recht auch nicht fremd und wurden zuletzt besonders im Rahmen des Kleinanlegerschutzgesetzes28 diskutiert.29 So wurde bspw. ein hervorgehobener Warnhinweis bezüglich der mit dem Finanzprodukt zusammenhängenden Risiken sowie der Verlustmöglichkeit für die Werbung eingeführt, § 12 Abs. 2 VermAnlG. 2. Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im 2. FiMaNoG Allerdings hat der Gesetzgeber die Informationspflichten auch in seinen bisherigen Gesetzesentwürfen aufgenommen. So müssen weiterhin gem. § 63 Abs. 6 S. 1 WpHG-E des RegE 2. FiMaNoG30 die dem Kunden zugänglich gemachten Informationen redlich, eindeutig und nicht irreführend sein. Anstelle des Wortlautes von Art. 48 MiFID II-DLVO, nach dem die Wesensmerkmale, die Funktionsweise und die Wertentwicklung unter verschiedenen – sowohl positiven als auch negativen – Marktbedingungen sowie die damit verbundenen spezifischen Risiken detailliert erläutert werden sollen, stellt der deutsche Gesetzgeber ausschließlich auf die vorgeschlagenen Anlagestrategien, Ausführungsplätze sowie Kosten und Nebenkosten, die ebenfalls rechtzeitig und in der deutschen Fassung zusätzlich in verständlicher Form zu erbringen sind, ab, § 63 Abs. 7 WpHG-E des RegE 2. FiMaNoG31. Eine Übernahme des Art. 48 MiFID II-DLVO ist hiermit, trotz des ähnlichen Wortlauts, offensichtlich nicht gewollt. Ein Verweis an dieser Stelle auf die MiFID II-DLVO wäre hilfreich, damit die WpDU die dort zusätzlichen genannten und direkt geltenden Kriterien, auf einen Blick mitberücksichtigen können. § 4 WpDVerOV-E 27

Zur Anwendbarkeit auf alle Kundenkategorien s. Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 167. BGBl. I 2015, 1114. Ausf. zu den unterschiedlichen Warnhinweisen in der Werbung Buck-Heeb, NJW 2015, 2535, 2539. 29 s. m.w.N. für das Kleinanlegerschutzgesetz Buck-Heeb, NJW 2015, 2535, 2539; Jesch/ Siemko, BB 2014, 2570. 30 § 55 Abs. 5 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG. 31 § 55 Abs. 6 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG. 28

332

7. Teil: Weitere Informationspflichten der WpDU

sieht vor, dass die Informationen aus § 64 Abs. 6 S. 1 dem Kunden für jedes zu empfehlende Instrument unmittelbar vor der Empfehlung und auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden. Gem. § 63 Abs. 7 Nr. 1 lit. c) WpHG-E32 muss dem Kunden mitgeteilt werden, ob die Art des Finanzinstruments für Privatkunden oder professionelle Kunden bestimmt ist. Damit werden die Voraussetzung des Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. b) MiFID II wörtlich umgesetzt. Jedoch hat der Gesetzgeber die Anforderungen aus Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. b) MiFID II derart aufgeteilt, dass die Leitlinien gem. § 63 Abs. 7 lit. a) WpHG-E und die Warnhinweise gem. § 63 Abs. 7 lit. b) WpHG-E in separaten Nummern aufgezählt werden. Eine solche Aufteilung ist misslich, da im Gegensatz zur europäischen Fassung nun der Eindruck entsteht, dass die Leitlinien separat, als eigenständige Anlage, einzureichen sind, obwohl sich nach Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. b) MiFID II die Leitlinien und die Warnhinweise auf die Risiken beziehen müssen.33 Die weiteren Voraussetzungen ergeben sich direkt aus der Verordnung. Der Gesetzgeber hat die hier vorgestellten Regelungen des RegE 2. FiMaNoG in der unveränderten Beschlussempfehlung des Finanzausschusses beschlossen und veröffentlicht. Insgesamt handelt es sich damit bei den neuen allgemeinen Regelungen zur Informationspflicht nur um geringfügige Neuerungen für die WpDU.

B. Exkurs: Information zur Ausführung im besten Kundeninteresse Aufgrund der Beschränkung dieser Arbeit auf die Anlageberatung soll an dieser Stelle nur kurz darauf hingewiesen werden, dass die bereits seit der MiFID I in Art. 21 (umgesetzt in § 33a WpHG) niedergelegten Grundsätze zur Ausführung der Kundenaufträge im besten Kundeninteresse – insb. derart, dass für den Kunden der beste Preis erzielt und dabei zugleich die Marktverfassung sowie die Abwicklungssicherheit berücksichtigt werden muss (Best-Execution) – auch weiterhin in Art. 27 MiFID II erhalten bleiben, jedoch eine Verschärfung erfahren. Neben der Anforderung, dass die WpDU für die Weiterleitung von Kundenaufträgen zu einem bestimmten Handelsplatz künftig keine Vergütung, kein Rabatt oder einen nichtmonetärer Vorteil gewähren bzw. erhalten dürfen, Art. 27 Abs. 2 MiFID II, wird eine Mitteilungspflicht gegenüber dem Kunden über wesentliche Veränderungen zur Auftragsdurchführung statuiert, Art. 27 Abs. 7 MiFID II. Zudem bestehen künftig drei Informationspflichten des WpDU gegenüber dem Kunden.

32 33

§ 55 Abs. 6 lit. c) WpHG-E RefE 2. FiMaNoG. DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 11 f.

B. Exkurs: Information zur Ausführung im besten Kundeninteresse

333

I. Informationspflicht über Ausführungsplätze Der Kunde muss künftig gem. Art. 27 Abs. 3 MiFID II nach der Ausführung des Geschäfts zunächst über den Ausführungsplatz (Handelsplatz) informiert werden.34 Diese Information muss ausf. Angaben zu den Kursen, den Kosten sowie der Schnelligkeit und Wahrscheinlichkeit der Ausführung einzelner Finanzinstrumente enthalten, Art. 27 Abs. 3 S. 3 MiFID II. Hierzu hat die Kommission eine eigenständige Verordnung mit Kriterien erlassen, die die technischen Regulierungsstandards im Detail aufzeigen.35

II. Jährliche Publizität der Handelsplätze Als neue Verpflichtung trifft das WpDU gem. Art. 27 Abs. 6 MiFID II eine jährliche Publizitätspflicht. Das WpDU muss die für das WpDU aufgrund des Handelsvolumens fünf wichtigsten Handelsplätze, auf denen es Aufträge durchführt, für jede Klasse von Finanzinstrumenten zusammenfassen und veröffentlichen. Gleiches gilt für Informationen zur erreichten Ausführungsqualität.36 Durch diese Informationen soll es dem Kunden nun möglich sein, festzustellen, warum das WpDU diese fünf Plätze ausgewählt hat und ob es zukünftig daran festhält.37 Hierzu liegen ebenfalls technische Regulierungsstandards vor.38

III. Informationspflicht zur Wahl der Handelsplätze Eine weitere Informationspflicht statuiert, dass das WpDU Informationen zur Auswahl der Handelsplätze offen legt, indem die „[…] Faktoren, die für die Wahl gerade des Ausführungsplatzes ausschlaggebend sind“ benannt werden müssen, Art. 27 Abs. 5 S. 1 MiFID II.39 Diese war bereits durch die MiFID I normiert worden und wird nun durch Art. 25 Abs. 5 S. 2 MiFID II dahingehend konkretisiert, dass die 34

s. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 15. Delegierte Verordnung (EU) 2017/575 v. 08. 06. 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/ 65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente durch technische Regulierungsstandards bezüglich Daten, die Ausführungsplätze zur Qualität der Ausführung von Geschäften veröffentlichen müssen, Abl. EU 87/152, v. 31. 03. 2017, s. auch ESMA, Q&As investor protection, S. 13 ff.; s. zur MiFID II Regelung Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 15. 36 s. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 15. 37 Happel/Süss, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 725. 38 Delegierte Verordnung (EU) 2017/576 v. 08. 06. 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/ 65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die jährliche Veröffentlichung von Informationen durch die Wertpapierfirmen zur Identität von Handelsplätzen und zur Qualität der Ausführung, Abl. EU 87/166, v. 31. 03. 2017. 39 s. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 15. 35

334

7. Teil: Weitere Informationspflichten der WpDU

Kunden in geeigneter Form und damit durch „klar[e], ausführlich[e] und verständlich[e]“ Informationen, zu informieren sind. Grds. hat das WpDU vorab das Einverständnis des Kunden über ihre Ausführungspolitik für Aufträge einzuholen. Können nach diesen Grundsätzen die Aufträge auch außerhalb des Handelsplatz ausgeführt werden, ist der Kunden ausdrücklich auf diese Möglichkeit hinzuweisen und dessen Einverständnis zu dieser einzuholen, Art. 27 Abs. 5 UA 3 MiFID II.

IV. Fazit Ziel der alten und der neuen Regelungen ist unter anderem die Informationsasymmetrie zwischen Kunde und Berater abzubauen. Bereits zur MiFID I und deren Umsetzung in das nationale Recht entstanden Bedenken, ob Privatkunden überhaupt willens und in der Lage seien, Ausführungsgrundsätze ex-ante oder Verhaltensverstöße ex-post zu erkennen.40 So mögen eine weitere Wettbewerbssteigerung und die daraus resultierende Effizienzsteigerung des Markts, vor allem durch die neue Veröffentlichungspflicht der fünf wichtigsten Handelsplätze, wünschenswert sein. Dadurch löst sich jedoch die Informationsüberladung des Kunden nicht auf. Im Gegenteil werden dem Kunden hier noch mehr Informationen an die Hand gegeben, um die Information, die er vorher schon nicht verstanden oder berücksichtigt hat, besser zu verstehen. Dem paternalistischen Modell ist zwar nicht der Vorzug einzuräumen, allerdings hätten hier die Informationen insgesamt überarbeitet werden müssen, anstatt neue und aber neue Kriterien, über die auch noch zu informieren sind, hinzufügen. Bei der Fülle an Informationen wäre eine Beispiel-Dokumentation, wie dies von ESMA für die Darstellung der Kosten geschah, hilfreich.

40 v. Hein, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 33a Rn. 11; Koch, BKR 2012, 485; Moloney, EBOR 2005, 341, 390.

8. Teil

Product Governance im Vertrieb WpDU müssen bei der Empfehlung von Finanzprodukten für den jeweiligen Kunden auch die Vorgaben des Zielmarktes berücksichtigen (s. 7. Teil A.I.1.). Nicht nur die Vorgabe der Berücksichtigung, sondern auch die Zielmarktvorgabe selbst wurde bislang sowohl auf europäischer Ebene, als auch im nationalen Recht gesetzlich nicht geregelt. Die MiFID II führt die Bestimmung des Zielmarkts mit Art. 16 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 2 im Rahmen der Produktüberwachungspflichten, sog. Product Governance, neu ein.

A. Europäische Regelungen Indem die Regelungen in Art. 16 MiFID II verortet sind, handelt es sich primär um eine Organisationspflicht der WpDU zur Vermeidung von Interessenkonflikten1 – und zwar schon bevor die eigentliche Anlageberatung beginnt. Allerdings wirken diese Pflichten noch auf die Beratung als solche fort und sollen deshalb in dieser Arbeit auf ihre Auswirkungen für die Beratung untersucht werden. Hintergrund dieser neuen Organisationspflicht ist die gewonnene Erkenntnis, dass nicht alle in der Finanzmarktkrise zu Tage getretenen Probleme für den Anleger hinreichend durch das Informationsmodell gelöst werden können.2 Insb. sollen die neuen Pflichten verhindern, dass unpassende Produkte für die Anleger überhaupt erst auf den Markt kommen bzw. an die falschen Kundengruppen vertrieben werden.3 Diese Erkenntnis wird mit der Einführung von Produktinterventionsrechten der Aufsichtsbehörden – die in dieser Arbeit nicht näher erläutert werden sollen4 – konsequent fortgeführt. Für die Umsetzung der zuvor genannten Ziele geht die MiFID II einen zweispurigen Weg, indem zum einen die Hersteller des Produkts (manufacturer) und zum anderen der Vertrieb (distributor) neue Anforderungen erfüllen müssen. Aufgrund der Beschränkung dieser Arbeit auf die Anlageberatung soll im Folgenden nur ein kurzer Überblick über die Anforderungen an den Hersteller

1 2 3 4

Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 474; Spindler, FS Köndgen, 616, 626. Buck-Heeb, ZHR 179 (2015), 782, 784. I. E. Lange, DB 2014, 1723, 1725; Busch, WM 2017, 409, 420. Ausf. m.w.N. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 97d.

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8. Teil: Product Governance im Vertrieb

gegeben werden,5 da die Vertriebsvorgaben auf diesen aufbauen.6 Im Anschluss daran sollen die Vorgaben für den Vertrieb dargestellt und auf ihre Auswirkungen für die Anlageberatung untersucht werden.

I. Anforderungen an den Produkthersteller Der Anwendungsbereich für den Hersteller ist nicht genau festgelegt, insb. findet sich keine Legaldefinition des Produktherstellers. Aus dem Wortlaut der Regelungen in Art. 16 Abs. 3 UA 2 MiFID II ergibt sich jedoch, dass unter Produkthersteller ein WpDU i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 MiFID II zu fassen ist, das „Finanzinstrumente zum Verkauf an Kunden konzipiert“.7 Dieses muss gem. Art. 16 Abs. 3 UA 3 und 4 MiFID II ein internes Produktgenehmigungsverfahren für neue Produkte und für wesentliche Veränderungen von bestehenden Produkten einführen, welches einen Zielmarkt für Endkunden in der jeweiligen Kundengruppe festlegt. Zugleich sollen die WpDU sicherstellen, dass für diesen Zielmarkt alle Risiken bewertet werden und die beabsichtigte Vertriebsstrategie dem Zielmarkt entspricht. Der Hersteller muss zudem seine Produkte so ausgestalten, dass sie den Bedürfnissen der Kunden innerhalb des festgelegten Zielmarkts entsprechen, Art. 24 Abs. 2 MiFID II. Darüber hinaus treffen den Hersteller sog. after sales Pflichten, die diesem auferlegen das Finanzprodukt „[…] regelmäßig zu überprüfen und dabei alle Ereignisse zu berücksichtigen, die einen wesentlichen Einfluss auf das potentielle Risiko für den bestimmten Zielmarkt haben könnten“8. Damit einhergehend hat der Hersteller zu „[…] beurteilen, ob das Finanzinstrument weiterhin den Bedürfnissen des bestimmten Zielmarkts entspricht und ob die beabsichtigte Vertriebsstrategie immer noch geeignet ist“, Art. 16 Abs. 3 UA 4 MiFID II. Der Hersteller ist zudem verpflichtet, alle relevanten Informationen an den Vertrieb weiterzugeben. Diese Anforderungen werden durch die MiFID II-DLRL weiter konkretisiert. Außerdem hat ESMA Leitlinien zum Product Governance Verfahren herausgegeben.

5

Für detaillierte Ausführungen s. Spindler, FS Köndgen, 616, 626 m.w.N. Geier/Druckenbrodt, RdF 2015, 21, 24; Buck-Heeb, CCZ 2016, 2 „beziehen“. 7 Ausf. zum Begriff „konzipieren“ und dessen Reichweite Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 477 ff. 8 Art. 16 Abs. 3 UA 4 MiFID II. 6

A. Europäische Regelungen

337

II. Anforderungen an den Vertrieb und deren Auswirkungen auf die Anlageberatung 1. MiFID II-Regelungen für den Vertrieb Da die Anlageberatung neben der Geeignetheitsprüfung des Produkts und den Bedürfnissen des Kunden auch den Zielmarkt gem. Art. 24 Abs. 2 MiFID II berücksichtigen muss, muss sich das WpDU an den Vorgaben des Herstellers hierfür orientieren. Allerdings richten sich die neuen Product Governance Pflichten nicht nur an den Hersteller, sondern auch an die „Wertpapierfirma, [die] Finanzinstrumente anbietet oder empfiehlt“9, ohne diese selbst konzipiert zu haben und damit an den reinen Vertrieb. Eine Legaldefinition des Vertriebs enthält die MiFID II nicht.10 a) Direkte Pflichten gem. Art. 16 Abs. 3 UA 6 MiFID II Die Wertpapierfirmen, die Finanzinstrumente anbieten und empfehlen, müssen gem. Art. 16 Abs. 3 UA 6 MiFID II angemessene Vorkehrungen treffen, um die vom Hersteller zur Verfügung gestellten Informationen sachgerecht zu erhalten. Zugleich sollen sie – also die einzelnen Berater – die Merkmale und den bestimmten Zielmarkt jedes Finanzprodukts verstehen. Welche Informationen im Einzelnen weitergegeben werden müssen, legt die Richtlinie ebenso wenig fest, wie sie Aussagen zu den angemessenen Empfangsvorkehrungen trifft. Damit ergeben sich die notwendigen Informationen aus dem Zusammenhang der weiteren Regelungen für den Hersteller. Da der Vertrieb den Zielmarkt bei der Empfehlung eines Produkts berücksichtigen muss, müssen zumindest dieser sowie die entsprechende Vertriebsstrategie weitergegeben werden.11 Um dem Berater das erforderliche Verständnis über den Zielmarkt und die Merkmale des Finanzinstruments zu ermöglichen, müssen zudem Information über die Kriterien zur Bestimmung des Zielmarkts an den Vertrieb übermittelt werden.12 Gleiches gilt für Änderungen aufgrund der erfolgten Überprüfungspflichten. Angemessene Vorkehrungen zum Informationserhalt sind folglich alle Kommunikationsmittel, über die diese Informationen üblicherweise übermittelt werden können – E-Mail, Fax, Brief, Telefon und neuere Kommunikationsmittel bspw. Videokonferenzen. Nach dem Wortlaut des Art. 16 Abs. 3 UA 6 MiFID II muss der Vertrieb jedoch nur angemessene Vorkehrungen zum Erhalt bereithalten. Aus der Formulierung „zu erhalten“ ergibt sich eine passive Verhaltenspflicht des Vertriebs.13 9

Art. 16 Abs. 3 UA 6 MiFID II. Geier/Druckenbrodt, RdF 2015, 21, 24. 11 Vgl. Busch, WM 2017, 409, 413 f. 12 Vgl. Busch, WM 2017, 409, 413. 13 Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 531; a.A. ohne Begründung Pfisterer, Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz, 27, der dem Vertrieb eine Pflicht zur Einholung der Informationen vom Hersteller auferlegen will. 10

338

8. Teil: Product Governance im Vertrieb

Hierfür spricht insb. die vorangegangene Pflicht des Herstellers, dem Vertrieb die notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen. Aus der praktischen Perspektive muss jedoch festgehalten werden, dass dem Hersteller nicht grds. alle Vertriebsstätten bekannt sind, sodass er diesen nicht automatisch die Informationen zukommen lassen kann.14 In einem solchen Fall kann es jedoch nicht ausreichen, wenn der Vertrieb sich darauf berufen darf, dass er über die entsprechenden Kommunikationsmittel verfügt, wenn er feststellt, dass er keine Informationen vom Hersteller bekommt. Um dem Sinn und Zweck der Regelung, einen stärkeren Anlegerschutz zu etablieren und den Vertrieb von unpassenden Produkte an einen Anleger zu verhindern, sollte der Vertrieb verpflichtet werden, bei Nichterhalt zumindest dem Hersteller anzuzeigen, dass er dessen Finanzprodukte vertreibt und dafür entsprechende Informationen benötigt.15 Eine Nachforschungspflicht kann jedoch aufgrund des ausdrücklichen Wortlautes nicht angenommen werden.16 Das WpDU, insb. der Anlageberater, muss den Zielmarkt (Art. 16 Abs. 3 UA 6 MiFID II) sowie die von ihm angebotenen oder empfohlenen Finanzprodukte verstehen, Art. 24 Abs. 2 UA 2 MiFID II.17 Hierbei ist festzuhalten, dass die Richtlinie ausdrücklich das Verständnis des Beraters hinsichtlich des Zielmarkts vorschreibt und die bloße Kenntnis von diesem nicht genügen lässt.18 Folglich muss sich dieser mit dem Zielmarkt und den darin enthaltenen Kundenleitbildern auseinandersetzen. Zugleich muss er beurteilen, ob die Finanzprodukte den Bedürfnissen des Kunden entsprechen und diese im Kundeninteresse liegen sowie den festgelegten Zielmarkt bei der Empfehlung berücksichtigen. Folglich müssen die Berater durch das WpDU im Umgang mit dem Zielmarkt und dessen Bedeutung für ihre Beratungstätigkeit geschult werden.19 b) Anwendbarkeit der weiteren Product Governance Regelungen auf den Vertrieb aa) Überprüfungspflicht gem. Art. 16 Abs. 3 UA 4 MiFID II Gem. Art. 16 Abs. 3 UA 4 MiFID II hat das WpDU, die von ihm angebotenen und vermarkteten Finanzprodukte regelmäßig zu überprüfen. Hier fehlt zwar, wie in Art. 16 Abs. 3 UA 6 S. 1 MiFID II, die Aufzählung der Empfehlung („anbieten und empfehlen“), allerdings bietet auch der Vertrieb Finanzinstrumente an, sodass diese 14

Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 531. Eine Nachfrageobliegenheit für das nationale Recht nach § 33 Abs. 3d S. 1 WpHG annehmend Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 4. 16 A.A. Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 531, der den WpDU auferlegt sich die Informationen zu beschaffen. 17 Für die Vorgaben zum Verständnis der Finanzinstrumente und damit den Qualifikationsanforderungen der Anlageberater s. bereits Teil 4. Teil A.I. 18 I. E. Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 6. 19 Vgl. Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 475. 15

A. Europäische Regelungen

339

Regelung ebenfalls für diesen greift.20 Es ist gerade ein wesentliches Merkmal des Vertriebs, dass dieser dem Endkunden Produkte anbietet bzw. Produkte entsprechend vermarktet. Nicht stichhaltig hingegen sind die Argumente, dass sich sowohl die vorangehenden als auch die nachfolgenden Regelungen an den Hersteller richten21 und die Überprüfungspflicht mit der Formulierung außerdem eingeleitet wird, wodurch ein Bezug zu den vorherigen Pflichten hergestellt würde, die sich sprachlich an den Hersteller richten.22 Denn der Vergleich mit den Vorgaben, die sich ausdrücklich an den Hersteller richten und mit der Formulierung „Wertpapierfirma, die Finanzinstrumente (zum Verkauf an Kunden) konzipiert“ eingeleitet werden, zeigt, dass bewusst eine abweichende Formulierung gewählt wurde. Diese soll vielmehr zum Ausdruck bringen, dass die Überwachungspflicht nicht erst mit dem (konkludenten) Angebot auf Abschluss eines Beratungsvertrags oder eines Kommissionsgeschäftes beginnen soll, sondern bereits mit der Vermarktung und damit der Anwendungsbereich des Vertriebs weit auszulegen ist.23 Dies entspricht dem Anlegerschutzaspekt der Norm. bb) Produktgenehmigungsverfahren gem. Art. 16 Abs. 3 UA 2 MiFID II Da für den Vertrieb die Überwachungspflicht gem. Art. 16 Abs. 3 UA 4 MiFID II anwendbar ist, stellt sich die Frage, ob der Vertrieb auch von der, der Überwachungspflicht zugrundeliegenden Anforderung, der Einführung eines internen Produktgenehmigungsverfahrens, erfasst ist. Eine eigenständige Zielmarktbestimmung durch den Vertrieb ist jedoch abzulehnen. Art. 16 Abs. 3 UA 2 MiFID II statuiert ausdrücklich diese Pflicht nur für Wertpapierfirmen, die Finanzinstrumente zum Verkauf an Kunden konzipieren und damit für den Hersteller. Hiergegen kann auch nicht eingewandt werden, dass durch die Formulierung „außerdem“ des Art. 16 Abs. 3 UA 4 MiFID II, die zuvor ausdrücklich für den Hersteller geltenden Regelungen – einschließlich der Einführung eines Produktgenehmigungsverfahren, welches den Zielmarkt bestimmt – auch für den Vertrieb

20

1727. 21

Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 511; Busch, WM 2017, 409, 414; Lange, DB 2014, 1723,

Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 7. Offen lassend Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 7. 23 Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn 511, der den Anwendungsbereich der Regelungen für den Vertrieb an dieses Merkmal anknüpft. 22

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8. Teil: Product Governance im Vertrieb

anwendbar sind.24 Eine solche Interpretation geht auch nicht aus der englischen Fassung (also) oder der französischen Fassung (aussi) hervor. Vielmehr trennt die Regelung sprachlich klar und ausdrücklich bei der Festlegung der Pflicht zwischen den beiden Wertpapierfirmen. Entweder die Regelung andressiert eine Wertpapierfirma, die Finanzinstrumente konzipiert oder eine Wertpapierfirma, die Finanzinstrumente anbietet oder empfiehlt, jedoch nicht konzipiert hat. Einer solchen Unterscheidung hätte es nicht bedurft, wenn grds. sowohl für den Hersteller als auch für den Vertrieb sämtliche Product Governance Regelungen anwendbar sein sollten. Diese klare Trennung kann nicht durch die Einführung des Wortes „außerdem“ aufgehoben werden. Da der Wortlaut als äußerste Grenze der Auslegung gilt, können darüber hinausgehende Regelungen, die zwar den ursprünglichen Zweck fördern, nicht abgeleitet werden. Art. 16 Abs. 3 UA 2 MiFID II ist somit nicht für den Vertrieb anwendbar. Zwar würde eine solche Bestimmung durch den Vertrieb das Ziel der Regelung stärker umsetzen, da der Vertrieb aufgrund des direkten Kundenkontakts und den daraus resultierenden Informationen diesen konkreter bestimmen kann.25 Jedoch ist es ausreichend, wenn der Vertrieb seinen eigenen Kundenstamm untersucht und anhand dieser Daten den vom Hersteller vorgegebenen Zielmarkt konkretisiert. cc) Inhaltliche Anforderungen der Überprüfungspflicht gem. Art. 16 Abs. 3 UA 4 MiFID II (1) Regelmäßige Überprüfung: Zeitpunkt Eine genaue zeitliche Vorgabe, wann die regelmäßige Prüfung vorzunehmen ist, enthält die Richtlinie nicht.26 Auch erschließt sich aus dem Zusammenhang noch nicht, wie die Ereignisse zu bestimmen sind und ob bei Bekanntwerden eines solchen Ereignisses eine Überprüfung eingeleitet werden muss. Nur so könnte der Anlegerschutz in der Form, dass keine ungeeigneten Produkte auf den Markt, bzw. an die falsche Kundengruppe gelangen, erreicht werden. Anderenfalls würde die jährliche Prüfung ein Ereignis nicht berücksichtigen und damit den Anforderungen nicht gerecht werden, wenn dieses erst kurz nach der Prüfung stattfinden würde. Dieses würde erst bei der nächsten Prüfung im darauffolgenden Jahr berücksichtigt. Müsste aufgrund dieses Ereignisses der Zielmarkt oder die Vertriebsstrategie geändert werden, so wäre dieses Produkt ein knappes Jahr lang „falsch“ vertrieben worden. Dementsprechend müsste eine grds., regelmäßige Überprüfung ohne Anlass ein24

So aber Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 517; ohne Begründung nur mit Verweis auf ESMAs Consultation Paper dies annehmend Pfisterer, Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz, 27. 25 s. hierzu ESMA 8. Teil A.II.2.a)bb). 26 Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 528.

A. Europäische Regelungen

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geführt werden sowie eine Überprüfungspflicht bei Vorliegen eines Ereignisses. Der Rhythmus der regelmäßigen Überprüfungspflicht sollte abhängig von der Risikogeneigtheit der Finanzinstrumente gewährleistet werden, da letztlich risikobeeinflussende Ereignisse bei der Überprüfung berücksichtigt werden müssen.27 Mithin sollten risikoreiche Produkte häufiger überprüft werden.28 (2) Regelmäßige Überprüfung: Dauer Auch hinsichtlich der Zeitspanne, in der ein Produkt überprüft werden muss, macht die MiFID II keine Aussagen. Die Überprüfungspflicht endet denknotwendig mit dem Ende der Laufzeit des Finanzinstruments, da dieses nach Ablauf nicht mehr vertrieben wird.29 In jedem Fall muss die Produktbeobachtungspflicht enden, wenn kein Kunde ein solches mehr hält und das WpDU dieses Produkt auch nicht mehr vertreibt. Solange das WpDU jedoch ein Produkt unabhängig davon anbietet und vermarktet, ob einer ihrer Kunden ein solches hält, braucht es die durch die Überprüfung gewonnenen Informationen zur Beurteilung, ob der Zielmarkt für die potentiellen Kunden noch passend ist.30 Nimmt ein WpDU ein Produkt aus dem Programm, ist offen, ob die Pflicht noch fortbesteht, wenn Kunden des WpDU dieses weiterhin halten. Der Kunde hätte in diesem Fall jedoch nur einen Vorteil von der weiteren Überprüfungspflicht des WpDU, wenn dieses verpflichtet wäre, dem Kunden die Veränderungen im Zielmarkt oder in der Vertriebsstrategie mitzuteilen.31 Eine solche Pflicht ist in den Regelungen der MiFID II jedoch nicht enthalten.32 Sie mag aus Anlegerschutzaspekten grds. dem Ziel, keine unpassenden Finanzprodukte an die Kunden zu vertreiben, helfen, jedoch entspricht sie nicht dem Konzept der Anlageberatung, welche mit der Abgabe der Empfehlung endet. Ebenso ist der Vertrieb als solches mit Verkauf und Übereignung des Produkts abgeschlossen. Eine solche Informationspflicht kann nur im Rahmen von zivilrechtlichen Vereinbarungen statuiert werden. Eine Informationspflicht des WpDU gegenüber dem Kunden, dass sich der Zielmarkt des von ihm gehaltenen Produkts verändert hat und dieses deshalb nicht mehr seiner Kundengruppe entspricht, besteht folglich nicht.33 Mithin endet die Überprüfungspflicht des WpDU, wenn dieses das Produkt nicht mehr vertreibt, obwohl Kunden dieses weiter halten.34

27 28 29 30 31 32 33 34

Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 521. Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 521. Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 522. Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 522. Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 522. Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 522. Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 522. Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 522.

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8. Teil: Product Governance im Vertrieb

(3) Maßnahmen bei negativem Prüfergebnis (a) Mitteilungspflicht an den Hersteller? Hat der Vertrieb bei der Überprüfung des Zielmarkts festgestellt, dass dieser nicht mehr den Bedürfnissen gerecht wird, oder dass die Vertriebsstrategie nicht mehr sachgerecht ist, so ist fraglich, ob der Vertrieb diese Ergebnisse dem Hersteller mitteilen muss. Eine Informationspflicht des Herstellers an den Vertrieb lässt sich aus Art. 16 Abs. 3 UA 5 MiFID II ableiten, da der Hersteller dem Vertrieb alle wesentlichen Informationen zukommen lassen muss. Diese richtet sich jedoch ausdrücklich an Wertpapierfirmen, die Finanzprodukte konzipieren.35 Eine generelle Mitteilungspflicht von sämtlichen Verkaufsinformationen des Vertriebs an den Hersteller kann daraus nicht abgeleitet werden. Vorsorglich sei an dieser Stelle angemerkt, dass hier insb. sowohl datenschutzrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Kundendaten berücksichtigt werden müssten, als auch wettbewerbsrechtliche Aspekte bei der Weitergabe von Marktbewertungen, die regelmäßig der Einordnung der potentiellen Risiken zugrunde liegen.36 Eine Mitteilungspflicht scheidet in jedem Fall dann aus, wenn der Vertrieb aufgrund seiner eigenen Erkenntnisse über seine Kunden den vorgegebenen Zielmarkt weitergehend eingeschränkt hat und sich nun dieser engere Zielmarkt nicht mehr als passend herausstellt.37 Diese Information hätte keinen Mehrwert für den Hersteller, da dieser weiterhin an seinem Zielmarkt festhalten könnte. Anders ist dies, wenn der vom Hersteller festgelegte Zielmarkt nicht mehr passend ist, da der Hersteller eine solche Information bei der Konzeption seiner Finanzprodukte berücksichtigen muss. Die MiFID II legt diesem ebenfalls die Prüfpflicht auf, erklärt jedoch nicht, woher der Hersteller seine Informationen beziehen soll, wenn nicht auch über den Vertrieb.38 Allgemein dürfte der Hersteller ausschließlich Angaben zum Volumen der gehaltenen Produkte der Endinvestoren besitzen, aber keine Angaben, wer diese tatsächlich hält bzw. um welche Kundengruppe es sich dabei handelt.39 Werden diese Informationen vom Vertrieb an den Hersteller übermittelt, ließe sich daraus ein erster, grober Vergleich des angestrebten und des tatsächlichen Zielmarkts ziehen, sodass diese Informationen durchaus einen Mehrwert für den Hersteller haben.40 Deshalb sollte zumindest eine Hinweispflicht des Vertriebs an den Hersteller eingeführt werden.41 Sowohl aus Anlegerschutzaspekten als auch aus praktischen Erwägungen sollte der Gesetzgeber zu diesem Punkt ausdrücklich Stellung nehmen. 35

Eine solche Pflicht für WpDU ablehnend Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 524. Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 524. 37 Vgl. Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 262. 38 Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 8. 39 Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 524. 40 A.A. Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 524. 41 Eine Informationspflicht des Vertriebs gegenüber dem Hersteller annehmend Lange, DB 2014, 1723, 1727 f. 36

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(b) Handlungsalternativen Die Überprüfungspflicht des Art. 16 Abs. 3 UA 4 MiFID II statuiert keine Handlungsanweisungen, wie die Unternehmen vorgehen müssen, wenn sie feststellen, dass der Zielmarkt nicht mehr korrekt bestimmt ist oder die Vertriebsstrategie nicht mehr zu dem festgelegten Zielmarkt passt. Die alleinige Statuierung einer Überwachungspflicht ohne daraus resultierende Handlungsverpflichtungen verwirklicht nicht das Ziel, nur passende Produkte auf den Markt zu bringen und an die relevanten Endkundengruppen zu vertreiben. Mithin müssen die Zielmärkte, bzw. auch die Produktüberwachungsmaßnahmen ggf. angepasst werden.42 Ggf. müssten Produkte auch für bestimmte Zielmärkte ausgeschlossen oder nur noch mit einer entsprechenden Beratung vertrieben werden.43 Daher wäre es sinnvoll eine Klarstellung einzufügen, welche Maßnahmen die WpDU ergreifen müssen, wenn sie ein „Fehllaufen“44 der Finanzinstrumente feststellen.45 Da es sich um eine große Anzahl unterschiedlicher Situationen handelt und die WpDU dennoch flexible Handlungsmöglichkeiten benötigen, wäre ein Maßnahmenkatalog mit möglichen Beispielhandlungen als Rahmengerüst wünschenswert. c) Das Merkmal des Zielmarkts aa) Inhaltsbestimmung Wie der Zielmarkt durch die WpDU bestimmt werden soll, erläutert die MiFID II nicht. Aus Art. 24 Abs. 2 MiFID II, der dessen Berücksichtigung bei der Empfehlung neben der Geeignetheitsprüfung vorschreibt, zeigt sich jedoch, dass diese beiden Voraussetzungen unabhängig voneinander bestehen.46 Dafür spricht ebenfalls ErwG. 71 MiFID II. Dies ergibt sich auch aus den jeweiligen Anforderungen der Prüfungen. Während für die Geeignetheitsprüfung das Produkt speziell für den einzelnen Kunden kritisch beurteilt und dabei der Zielmarkt berücksichtigt wird, wird bei der Zielmarktbestimmung das Produkt allgemein für Kundengruppen geprüft. Der Zielmarkt kann als „Minus“47 zur Geeignetheitsprüfung beschrieben werden, da dieser allgemeiner festgelegt wird.48 Eine schlichte Aufteilung der Produkte in die bereits bestehenden Anlegerkategorien ist nach zuvor Festgestelltem jedenfalls nicht ausreichend.49 Eine Definition oder einzelne Kriterien in Form einer nicht abschließenden Liste wären für die Praxis jedoch sehr hilfreich. 42 So ohne Begründung Busch, WM 2017, 409, 415; s. für diese und weitere Maßnahmen Buck-Heeb, ZHR 179 (2015), 782, 808. 43 Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 7; Ritz, in: J/V/R/B, WpHG, Einleitung Rn. 81. 44 Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 8. 45 Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 8. 46 I. E. Busch, WM 2017, 409, 415. 47 s. zum Begriff des „Minus“ Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 9. 48 Vgl. Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 9. 49 Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 6.

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8. Teil: Product Governance im Vertrieb

bb) Berücksichtigung des Zielmarktkriteriums in der Anlageberatung (1) Verkauf außerhalb des Zielmarkts ohne Empfehlung Grds. kann dem Anleger nicht verboten werden ein Produkt zu erwerben, welches nicht seine Kundengruppe als Zielmarkt ausweist.50 So gilt auch bislang, dass dem Kunden zwar keine unpassenden Produkte in der Beratung empfohlen werden dürfen,51 aber durchaus unter gewissen Voraussetzungen verkauft werden können. Nichts Anderes kann hinsichtlich der Zielmarktbestimmung gelten, da keine Gründe für eine unterschiedliche Handhabung ersichtlich sind. Es ist die freie Entscheidung des Kunden, welche Produkte er erwirbt. Allerdings trifft das WpDU in diesem Falle ebenfalls eine Warnpflicht darüber, dass keine Beratung erfolgte oder das Produkt nicht seinem Zielmarkt entspricht, gem. Art. 24 Abs. 2 S. 2 MiFID II.52 (2) Empfehlung außerhalb des Zielmarkts Da Art. 24 Abs. 2 MiFID II nur vorschreibt, dass der Zielmarkt berücksichtigt wird und das Produkt den Interessen des Kunden entsprechen soll, stellt sich die Frage, ob die Zielmarktangabe für die WpDU bei der Beratung zwingend ist, oder ob sie auch außerhalb des Zielmarkts Produkte empfehlen dürfen, bzw. ob sie dann eine Warnpflicht gegenüber dem Kunden trifft. Nach den zuvor dargestellten Anforderungen, muss sich der Vertrieb anhand des vom Hersteller festgelegten Zielmarkts orientieren und unternimmt dabei eine eigenständige Bewertung hinsichtlich seiner Kundengruppen. Dadurch trifft er praktisch eine Vorsortierung, welche Produkte für welche Kundengruppe in Betracht kommen.53 Diese und damit auch der Zielmarkt des Herstellers, müssen bei der Beratung berücksichtigt werden. Die Zielmarktbestimmung und die Zuordnung eines Kunden zu diesem Zielmarkt, bzw. zu einer dem Zielmarkt entsprechenden Endkundengruppe, ersetzen jedoch nicht die Geeignetheitsprüfung, sodass sich auch einzelne Produkte innerhalb dieser Vorsortierung nach eingehender Prüfung der persönlichen Anforderungen des Anlegers als ungeeignet erweisen können. In diesem Falle wäre eine Empfehlung trotz der Einhaltung des vom Hersteller festgelegten Zielmarkts fehlerhaft. Die Einhaltung des Zielmarkts führt nicht zwangsläufig zu einer geeigneten Empfehlung. Aus dem Fall, dass das Produkt zwar dem Zielmarkt des Kunden entspricht, aber für ihn persönlich dennoch nicht geeignet ist, kann jedoch nicht zwangsläufig ein Fehler abgeleitet werden. Die MiFID II-Regelung spricht nur von der Berücksichtigung des Zielmarkts und statuiert folglich kein Verbot der Empfehlung eines Produkts außerhalb dieser Kategorisierung. Die Einbeziehung eines Produkts, 50 51 52 53

Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 7; Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 537. Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 7. Nur allgemeine Warnpflicht Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 537. Lange, DB 2014, 1723, 1727; Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 536.

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welches nicht den Zielmarkt des einzelnen Kunden ausweist, ist auch deshalb nicht „gefährlich“ für den Kunden, da dieses nur dann empfohlen darf, wenn die strenge Geeignetheitsprüfung für das einzelne Produkt positiv ausfällt. So stellt der Zielmarkt immer noch eine gröbere Gliederung der Anforderungen dar, als die Überprüfung der Geeignetheit eines Produkts für den jeweiligen Kunden. Dabei lassen sich auch nicht alle Kunden ganz exakt in die von dem Hersteller erarbeiteten Zielmärkte und deren zugeordneten Produkte eingliedern. Weist ein Produkt grds. risikoarme Strukturen auf, kann dieses dennoch eine optimale Wirkung in dem Portfolio eines risikofreudigen Anlegers erzielen.54 Letztlich kann es nur auf die für den einzelnen Kunden abgestimmte Eignung eines jeden Produkts ankommen, da jeder Anleger und seine Anlagesituation individuell sind. Eine Beschränkung der Empfehlung dahingehend, dass ausschließlich Produkte, die dem des jeweiligen Kunden zugeordneten Zielmarkts entsprechen, empfohlen werden dürfen, ist damit nicht notwendig.55 Vielmehr bietet der Zielmarkt eine Einstufungs- und Beurteilungshilfe bei der Beratung. Für dieses Verständnis streitet auch ErwG. 71 MiFID II, der ausdrücklich festlegt, dass die Anlageberatung nicht durch das Produktgenehmigungsverfahren beeinflusst werden soll.56 Allerdings dürften diese Fälle eher die Ausnahme sein und dem Berater ist an dieser Stelle ganz besonders zu empfehlen, ausf. zu dokumentieren, warum er diesem Kunden ein Produkt, welches eigentlich einem anderen Zielmarkt zugeordnet worden ist, empfiehlt bzw. warum dieses für ihn geeignet ist. (3) Hinweispflicht bei Empfehlung außerhalb des Zielmarkts Wird ein Produkt außerhalb des festgelegten Zielmarkts empfohlen, so könnte den Berater eine Hinweispflicht treffen. Gem. Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. b) MiFID II müssen dem Kunden Informationen über das Finanzinstrument und die vorgeschlagene Anlagestrategie zur Verfügung gestellt werden (s. 7. Teil A.I.1.). Die Informationen über das Finanzinstrument müssen den Anleger insb. über die mit der Anlage verbundenen Risiken aufklären sowie darüber, ob das Finanzinstrument für Kleinanleger oder professionelle Kunden bestimmt ist. Folglich muss der Zielmarkt bei der Aufklärung des Kunden berücksichtigt werden. Da der Kunde auch über mögliche Risiken aufgeklärt werden muss, ist ihm mitzuteilen, wenn das Produkt ursprünglich für einen anderen Kundenkreis oder für einen anderen Zielmarkt bestimmt war. Zwar kann der Erwerb des Produkts in seinem Interesse liegen, jedoch hat die vorherige Einstufung des Zielmarkts gewisse Risiken berücksichtigt und deshalb die Kundengruppe bestimmt, sodass diese Information für den Kunden außerhalb des ur54

Ähnlich Buck-Heeb, ZHR 179 (2015), 782, 808. I. E. Buck-Heeb, ZHR 179 (2015), 782, 808, da eine nicht-zielmarktkonforme Anlage nicht zwangsläufig den Interessen des Anlegers zuwiderlaufen müsse; dies., CCZ 2016, 2, 9 allerdings für die Regelung in § 33 Abs. 3d S. 1 WpHGneu; a.A. Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 262, die eine Empfehlung außerhalb des Zielmarkts von Anfang an als unzulässig erachten, da diese nicht den identifizierten Bedürfnissen entspreche. 56 Spindler, FS Köndgen, 616, 626. 55

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8. Teil: Product Governance im Vertrieb

sprünglichen Zielmarkts besondere Bedeutung haben kann und besonders berücksichtigt werden muss. Nicht zuletzt soll der Kunde durch die Information aus Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. b) MiFID II eine informierte Anlageentscheidung treffen, Art. 24 Abs. 5 MiFID II. Eine solche enthält auch die Berücksichtigung des abweichenden Zielmarkts. Eine Unterscheidung, ob nur von der Zielmarktvorgabe des Herstellers oder von der intern im Vertrieb vorgenommenen Konkretisierung anhand der eigenen Kundenstruktur abgewichen wurde, ist für das Bestehen der Hinweispflicht irrelevant.57 In beiden Fällen sollte der Kunde aufgeklärt werden, da hier eine von der generellen Risikoeinschätzung differierende, persönlich auf den Kunden zugeschnittene Entscheidung getroffen wird. d) Zwischenfazit Es zeigt sich, dass die Richtlinie sehr weit gefasst ist und einige Fragen nur im Wege der Auslegung beantwortet werden können, so bspw. zur Anwendbarkeit des Produktgenehmigungsverfahrens und der Überwachungspflicht für den Vertrieb. Andere Fragen, bspw. die Hinweispflicht des Vertriebs an den Hersteller bzw. welche Handlungsmaßnahmen bei negativen Überprüfungsergebnissen ergriffen werden müssen, bleiben offen. Hier müssen insb. die delegierten Rechtsakte, bzw. Level-3Maßnahmen weitere Konkretisierungen im Sinne der Richtlinie herbeiführen. Bereits auf der Ebene der MiFID II-Regelungen zeigt sich, dass die Zielmarktvorgaben zwar unabhängig von der Anlageberatung ausgestaltet wurden, aber dennoch eine wesentliche Rolle hinsichtlich der Produktauswahl und der Eignungsbeurteilung für den jeweiligen Kunden, übernehmen. Nicht zuletzt steigert dieser unter Umständen die Dokumentations- und Informationspflichten des einzelnen Beraters. Damit handelt es sich bei der Zielmarktbestimmung nicht ausschließlich um eine im Vorfeld der Anlageberatung stattfinde Regelung, sondern hat auch auf diese entsprechende Auswirkungen. 2. Konkretisierte Anforderungen durch die delegierten Rechtsakte Art. 16 Abs. 12 MiFID II ermächtigt die Kommission zum Erlass von delegierten Rechtsakten i.S.d. Art. 89 MiFID II. Hierzu hatte die Kommission ESMA beauftragt, Vorschläge zu erarbeiten. a) ESMAs Vorschläge an die Kommission ESMA hat der Kommission detaillierte Vorschläge übersandt, die einige der zuvor aufgezeigten Probleme aufgreifen und Lösungsansätze bieten. In diesen stützt ESMA sich unter anderem auf das von allen drei europäischen Aufsichtsbehörden

57

A.A. Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 262.

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(ESMA, EIOPA und EBA) gemeinsam herausgegebene Positionspapier „Manufacturers’ Product Oversight and Governance Processes“.58 aa) Keine Definition Vorab bleibt festzuhalten, dass auch ESMAs Vorschläge keine Definition des Herstellers oder des Vertriebs enthalten. Nach Ansicht von ESMA ist hier ein weites Verständnis anzuwenden, sodass unter den Vertrieb alle Wertpapierfirmen fallen, die Finanzprodukte und Dienstleistungen anbieten oder empfehlen.59 Damit wird der Vertrieb nicht näher bestimmt, als sich dies aus der Richtlinie ergibt. Auch schlägt ESMA keine Angaben oder Anforderungen für die Zielmarktbestimmung vor. Sie stellt aber das hier bereits zur Richtlinie aufgezeigte Verhältnis der Zielmarktbestimmung und der Geeignetheitsprüfung heraus, indem sie deutlich angibt, dass die Zielmarktbestimmung die Geeignetheitsprüfung nicht ersetzt.60 bb) Zielmarktbestimmung des Vertriebs ESMA statuiert in ihren Vorschlägen die Pflicht des Vertriebs – trotz des zuvor untersuchten ausdrücklichen Wortlautes der Richtlinie – einen eigenen Zielmarkt und eine eigene Vertriebsstrategie aus den Vorgaben des Herstellers zu bestimmen.61 Der Vertrieb verfüge über genauere Informationen aufgrund seiner Kundenähe.62 Ist der Hersteller zugleich auch Vertreiber des Finanzprodukts, so obliegen ihm nicht die doppelten Anforderungen.63 Folglich muss der Vertrieb nach Ansicht von ESMA auch seinen eigenen Zielmarkt beobachten, bzw. überprüfen.64 Die Festlegung eines Zielmarkts ist zwar grds. eine mögliche und auch praktische Methode, um die Erkenntnisse des Vertriebes über den jeweiligen Kundenstamm einzubeziehen, jedoch wäre der Abgleich des Herstellerzielmarkts mit den eigenen Informationen wesentlich milder und würde zu ähnlichen Ergebnissen führen. Zumal der Vertrieb ohnehin bei jeder Einführung eines neuen Produkts zuvor überlegen wird, ob das Produkt überhaupt in sein Sortiment und zu seinem Kundenstamm passt. Eine Verpflichtung, einen vollständig neuen Zielmarkt anhand der Vorgaben des Herstellers zu entwickeln, geht jedoch weit über die Anforderungen hinaus. 58

ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 49, Nr. 3 i); s. dazu auch Buck-Heeb, ZHR 179 (2015), 782, 794. 59 ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 51, Nr. 4; Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 511. 60 ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 51, Nr. 5. 61 ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 59, TA Nr. 21; vgl. Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 518; Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 6. 62 ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 52, Nr. 6, S. 59, TA Nr. 21; vgl. Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 6. 63 ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 52, Nr. 6; Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 6, 9. 64 ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 60, TA Nr. 23, 24.

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8. Teil: Product Governance im Vertrieb

cc) Kommunikation zwischen Vertrieb und Hersteller ESMA statuiert, anders als in der Richtlinie vorgesehen, eine periodische Informationspflicht des Vertriebs über dessen Produkterfahrungen an den Hersteller.65 ESMA nutzt damit einen Gestaltungsspielraum aus, der durch das LamfalussyVerfahren, als Verfahren über mehrere Ebenen, entsteht. Zwar sollen weder ESMA noch die Kommission politische oder strategische Entscheidungen treffen,66 jedoch dürfen die delegierten Rechtsakte i.S.d. Art. 290 Abs. 1 AEUV die vorrangigen Rechtsakte mit Gesetzescharakter, also die MiFID II, modifizieren und ergänzen.67 Dem Rat und dem Europäischen Parlament steht deshalb ein Zurückweisungsrecht zu. Vorliegend hatte die Kommission noch die Möglichkeit, ESMAs weitergehende Vorschläge zu verändern, oder der Rat und das Parlament hätten die Entwürfe der Kommission ablehnen können. ESMA erweitert auch nur die Anforderungen, da in der MiFID II zumindest eine Hinweispflicht bei negativem Prüfergebnis angelegt ist. Allerdings beschränkt ESMA die periodische Informationspflicht auf Informationen, die den Hersteller bei seinen Überwachungspflichten unterstützen.68 So müssen nicht sämtliche Verkäufe gemeldet und auch nur wesentliche Ereignisse zusammengefasst dargestellt werden. Daraus ergibt sich, dass bei fehlenden Vorkommnissen auch keine Mitteilung gemacht werden muss. Der Kerngedanke, der bereits in der Richtlinie angelegt ist, bleibt damit erhalten. Allerdings birgt die von ESMA vorgesehene periodische Pflicht dennoch einen hohen administrativen Aufwand und damit einhergehend hohe Kosten für den Vertrieb. dd) Kein Maßnahmenkatalog ESMA spricht sich, entgegen der hier zuvor vertretenen Auffassung, dagegen aus, einen Maßnahmenkatalog für den Fall von negativen Prüfergebnissen als Handlungsvariante festzulegen, damit die Firmen weiterhin flexibel agieren können.69 Eine Flexibilität wäre jedoch auch durch einen Beispielkatalog mit gewissen Grundanforderungen wie der Informationspflicht möglich gewesen und weniger einschneidend als die Festlegung einer periodischen Informationspflicht. Die Festlegung dieser Pflicht auf der einen Seite und die fehlenden Handlungsmöglichkeiten auf der anderen Seite sind zudem inkonsistent.

65

ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 54, Nr. 14, S. 60, TA Nr. 25; Beule, in: MiFID II/ MiFIR, Rn. 524; Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 7. 66 Art. 10 Abs. 1 UA 2 ESMA-VO; Walla, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Kap. § 11 Rn. 66; Baur/Boegl, BKR 2011, 177, 183. 67 Baur/Boegl, BKR 2011, 177, 183; Hitzer/Hauser, BKR 2015, 52, 54. 68 ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 54, Nr. 14. 69 ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 55, Nr. 17.

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ee) Vertrieb außerhalb des Zielmarkts Weiterhin hält ESMA fest, dass die Produkte auch außerhalb des vom Hersteller festgelegten Zielmarkts vertrieben werden können.70 Hinsichtlich der Empfehlung außerhalb des Vertriebszielmarkts äußert sich ESMA nicht. ESMA erklärt nur, dass der Vertrieb dafür Sorge zu tragen habe, dass er die Anforderungen für den Vertrieb erfüllt und das Produkt für den Kunden geeignet bzw. angemessen ist.71 Sollten die WpDU einen Trend zur Veräußerung außerhalb des Zielmarkts feststellen, müssen sie notwendige Maßnahmen ergreifen.72 Damit erlaubt auch ESMA eine Empfehlung außerhalb des Zielmarkts in besonderen Fällen, wenn das Produkt für den einzelnen Kunden geeignet ist. b) Die Regelungen des Art. 10 MiFID II-DLRL Die Kommission hat überwiegend die Anforderungen von ESMA übernommen. aa) Kein eigenständiger Zielmarkt des Vertriebs Art. 10 Abs. 1 UA 3 MiFID II-DLRL statuiert für den Vertrieb, dass dieser einen Zielmarkt festlegen muss, wenn dieser vom Hersteller nicht abgegrenzt wurde. Grds. ist der Zielmarkt durch den Vertrieb aufgrund der Informationen des Herstellers und der eigenen Informationen über die Kunden zu entwickeln, Art. 10 Abs. 2 UA 4 MiFID II-DLRL. In ihrer schriftlichen Stellungnahme73 vom 13. 05. 2016 gegenüber dem europäischen Parlament stellt die Kommission eindeutig klar, dass sie mit dieser Formulierung gerade nicht den Vertrieb verpflichten will, einen eigenständigen Zielmarkt festzulegen und ein eigenes internes Produktgenehmigungsverfahren zu etablieren.74 Der Vertrieb soll nur den vorgegebenen Zielmarkt mit seinen Informationen aus der Kundenbeziehung verfeinern (to refine). Während der Hersteller den Zielmarkt bestimmt, soll der Vertrieb bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Produkt auf die finanziellen Bedürfnisse eines einzelnen Kunden ausgerichtet ist, auf den relevanten Zielmarkt achten. Diese Verpflichtung entsteht gem. Art. 24 Abs. 2 UA 2 und Art. 9 Abs. 3 S. 2 lit. b) MiFID II. Diese Ansicht entspricht der hier zuvor dargestellten Auffassung, dass die Anforderung zur Bildung eines eigenständigen Zielmarkts durch den Vertrieb keine Rechtsgrundlage in der MiFID II erfährt. Re-

70

ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 55, Nr. 18. ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 55, Nr. 18. 72 ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 55, Nr. 18. 73 Europäische Kommission, Schriftliche Stellungnahme auf die Anfragen von Markus Ferber EPP, Mitglied des ECON-Ausschusses, v. 13. 05. 2016. 74 Europäische Kommission, Schriftliche Stellungnahme auf die Anfragen von Markus Ferber EPP, Mitglied des ECON-Ausschusses, v. 13. 05. 2016; ebenso DK, Stellungnahme zu ESMAs Product Governance Richtlinien Vorschlägen, S. 3, 9. 71

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8. Teil: Product Governance im Vertrieb

gelungen zum Umgang mit dem Vertrieb außerhalb des angegebenen Zielmarkts enthält die MiFID II-DLRL nicht. bb) Die Produktüberwachungsanforderung In Art. 10 Abs. 2 MiFID II-DLRL setzt die Kommission ESMAs Vorschlag zu Produktüberwachungsmaßnahmen des Vertriebs um. Diese müssen sicherstellen, dass die Produkte den Bedürfnissen, den Merkmalen und den Zielen eines Zielmarkts gerecht werden. Hierfür muss das WpDU die Situation und die Bedürfnisse ihrer Kunden ermitteln und bewerten und eine Beeinträchtigung der Kundeninteressen durch finanziellen bzw. kommerziellen Druck vermeiden. Die Produktüberwachungsmaßnahmen müssen regelmäßig überprüft werden, Art. 10 Abs. 4 MiFID IIDLRL. Zugleich muss untersucht werden, ob das Produkt noch mit den Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen des bestimmten Zielmarkts vereinbar ist und dass die Vertriebsstrategie dem bestimmten Zielmarkt entspricht, Art. 10 Abs. 5 MiFID IIDLRL. Die MiFID II-DLRL legt auch den bislang fehlenden Überprüfungszeitpunkt fest. Eine Überprüfungspflicht des Zielmarkts entsteht gem. Art. 10 Abs. 5 MiFID IIDLRL immer dann, wenn dem WpDU bewusst wird, dass der Zielmarkt nicht richtig bestimmt wurde oder, dass das Produkt oder die Dienstleistung dem Zielmarkt nicht mehr gerecht wird. Als Bsp. führt die Kommission die Illiquidität bzw. hochgradige Volatilität an. Damit gelten hier die allgemeinen Wissenszurechnungsregelungen für die Kenntnis des WpDU von diesen Veränderungen.75 Zugleich statuiert hier die Kommission richtigerweise eine ad-hoc-Überprüfungspflicht bei Bekanntwerden dieser Änderungen. cc) Die Informationspflicht Gemäß Art. 10 Abs. 9 MiFID II-DLRL muss der Vertrieb dem Hersteller Informationen über die Verkäufe übermitteln. Zusätzlich sollen dem Hersteller, wenn angebracht, Informationen über die Überprüfungen des Zielmarkts bzw. der Vertriebsstrategie übermittelt werden, um die vom Hersteller durchgeführten Produktüberprüfungen zu unterstützen. Folglich statuiert die Kommission hier, wie zuvor vorgeschlagen, eine Hinweispflicht bei negativen Überprüfungsergebnissen. Zugleich legt sie dem Vertrieb aber, wie von ESMA vorgesehen, eine allgemeine Informationspflicht auf, die so nicht in der MiFID II angelegt war. Im Vergleich mit der Formulierung „sofern angebracht“ für die Informationspflicht über die Überprüfungsergebnisse, ist diese auch nicht anlassbezogen, sondern sowie von ESMA vorgesehen als regelmäßige Pflicht ausgestaltet. Genauere zeitliche Angaben finden sich jedoch auch in der MiFID II-DLRL nicht. Mangels gegenteiliger Ausführungen sind für die inhaltliche Bestimmung dieser Regelung die Überlegungen von ESMA 75

Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 7.

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heranzuziehen, dass nur die für den Hersteller nützlichen Informationen und auch in Zusammenfassung weitergeleitet werden müssen. c) Zwischenfazit Mithin konkretisiert die MiFID II-DLRL einige zuvor offene Punkte der Artt. 16 Abs. 3, 24 Abs. 2 MiFID II. Richtigerweise stellt die Kommission klar, dass der Vertrieb, entgegen ESMAs Vorschlägen, keinen eigenen Zielmarkt und keine eigene Vertriebsstrategie entwickeln muss. Er muss nur den vom Hersteller vorgegebenen Zielmarkt mit eigenen Informationen über den jeweiligen Kunden anreichern und bei der Empfehlung des Produkts berücksichtigen. Weiterhin offen bleibt die Frage, wie lange die Überprüfungspflicht besteht und wie der Zielmarkt in der Anlageberatung berücksichtigt werden muss. Auch eine genaue Definition der betroffenen Akteure, der neuen Pflichten sowie Merkmale zur Bestimmung des Zielmarkts fehlen. Letztere sind jedoch für die Praxis besonders bedeutend und bereiten Schwierigkeiten bei der Umsetzung dieser Vorgaben. 3. ESMA-Leitlinien als Level-3-Maßnahme ESMA hat am 05. 10. 2016 einen ersten Entwurf für Leitlinien gem. Art. 16 Abs. 11 ESMA-VO zu den Anforderungen an die Produktüberwachung (Product Governance) zur Konsultation veröffentlicht, in welchem sie nähere Bestimmungen für die Verwaltungspraxis festlegen möchte.76 Diesem folgte am 02. 06. 2017 der Final-Report, der nur an einigen Stellen Änderungen vornimmt. Dieser wird nun innerhalb der nächsten 2 Monate in die jeweilige Sprache der Mitgliedstaaten übersetzet und die nationalen Aufsichtsbehörden zeigen ESMA an, ob sie die Leitlinien befolgen werden. Es ist zu erwarten, dass die BaFin auch hier die Leitlinien als Maßstab übernimmt. ESMA definiert in den Leitlinien den Vertrieb als WpDU, welches einem Kunden Finanzprodukte oder Wertpapierdienstleistungen anbietet, empfiehlt oder verkauft.77 Hieraus ergeben sich folglich keine Konkretisierungen. a) Die Zielmarktbestimmung ESMA stellt in ihren Leitlinien insb. ihre Auffassung zum Zielmarkt und dessen Anforderungen dar, sodass sich hieraus weitere Anforderungen für die Anlageberatung ergeben könnten.

76

ESMA, Draft Guidelines on MiFID II product governance requirements. ESMA, Draft Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 21 Nr. 6; ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 32 Nr. 6. 77

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8. Teil: Product Governance im Vertrieb

Während ESMA in ihrem Leitlinien-Entwurf weiterhin an ihrer Auffassung festhält, dass der Vertrieb einen eigenständigen Zielmarkt aus den Herstellervorgaben entwickeln muss, so ändert sie richtigerweise ihre Auffassung im Final Report. Wie in der Kommissionsbegründung spricht ESMA nun davon, dass der Zielmarkt des Herstellers anhand der eigenen Kundeninformationen „verfeinert“ (refining) werden soll.78 Ebenfalls stellt ESMA heraus, dass der Herstellerzielmarkt übernommen werden darf, wenn sich bei der Überprüfung herausstellt, dass dieser keine Verfeinerung durch den Vertrieb bedarf.79 Nach Ansicht von ESMA ist es das übliche Verfahren, dass der Hersteller zuerst den Zielmarkt bestimmt und diesen an den Vertrieb kommuniziert. Es können jedoch auch Situationen entstehen, in denen die Zielmärkte parallel und ohne Kommunikation entstehen,80 so dass in diesem Falle der Vertrieb einen eigenständigen Zielmarkt bestimmt. Grds. sind Hersteller und Vertrieb für ihre eigene Zielmarktbestimmung verantwortlich.81 Diese Änderungen sind sehr zu begrüßen, da die Anforderung der Bildung eines eigenständigen Zielmarkts gerade für kleinere WpDU in der Vielzahl nicht durchzuführen gewesen wäre. Anstatt des gewollten höheren Kundenschutzes, wäre durch eine solche Anforderung die Produktpalette kleinerer Vertriebe signifikant verringert und damit die Auswahl des Kunden beschränkt worden.82 Insb. stehen nun ESMAs Leitlinien in Einklang mit der ausdrücklichen Ansicht der Kommission, die ebenfalls keinen eigenen Zielmarkt durch den Vertrieb entwickelt lassen wollte.83 aa) Zeitpunkt der Festlegung Der verfeinerte Zielmarkt soll in einem frühen Stadium festgelegt werden, im Rahmen des allgemeinen Entscheidungsprozesses über die Paletten an Produkten bzw. Dienstleistungen, die das WpDU vertreiben will.84 Hierbei soll das WpDU besonders die Wertpapierdienstleistungen, über die die Produkte angeboten werden, berücksichtigen und ggf. bestimmen, dass bspw. nicht-komplexe Produkte, die eigentlich im Execution-Only-Geschäft angeboten werden könnten, nur im Rahmen des beratungsfreien Geschäfts (Angemessenheitsprüfung) angeboten werden dürfen,

78

ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 39 Nr. 38. 79 ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 39 Nr. 38. 80 ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 39 Nr. 39. 81 ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 39 Nr. 39. 82 DK, Stellungnahme zu ESMAs Product Governance Richtlinien Vorschlägen, S. 3, 9. 83 DK, Stellungnahme zu ESMAs Product Governance Richtlinien Vorschlägen, S. 9. 84 ESMA, Draft Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 25 Nr. 23; ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 37 Nr. 27.

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um ein höheres Schutzniveau zu erreichen.85 Gelangt der Vertrieb zu der Auffassung, dass das Produkt niemals die Bedürfnisse seiner derzeitigen oder potentiellen Kunden erfüllt, so sollte es nicht aufgenommen werden.86 Eine solche Vorabprüfung ist grds. sinnvoll und findet in der Regel bereits aus Eigeninteresse des Vertriebs statt, da dieser keine Produkte aufnehmen will, für welche er keine Abnehmergruppe hat. bb) Allgemeine Anforderungen an die Zielmarktbestimmung Zur Entwicklung des eigenen Zielmarkts aus den Angaben des Herstellers, soll der Vertrieb die Informationen zum Kundenstamm berücksichtigen, die der zuvor durch eine gründ