Die neuen Anlageberatungsregelungen der MiFID II: Eine Untersuchung ausgewählter Verhaltens- und Organisationspflichten der MiFID II und ihrer Umsetzung in das nationale Recht [1 ed.] 9783428554423, 9783428154425

Seit dem 3.1.2018 ist das zweite Finanzmarktnovellierungsgesetz in Kraft, welches die überarbeitete europäische Richtlin

168 115 7MB

German Pages 536 Year 2018

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD FILE

Polecaj historie

Die neuen Anlageberatungsregelungen der MiFID II: Eine Untersuchung ausgewählter Verhaltens- und Organisationspflichten der MiFID II und ihrer Umsetzung in das nationale Recht [1 ed.]
 9783428554423, 9783428154425

Citation preview

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Band 118

Die neuen Anlageberatungsregelungen der MiFID II Eine Untersuchung ausgewählter Verhaltensund Organisationspflichten der MiFID II und ihrer Umsetzung in das nationale Recht

Von

Jana Mansen

Duncker & Humblot · Berlin

JANA MANSEN

Die neuen Anlageberatungsregelungen der MiFID II

Abhandlungen zum Deutschen und Europäischen Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht Herausgegeben von Professor Dr. Holger Fleischer, LL.M., Hamburg Professor Dr. Hanno Merkt, LL.M., Freiburg Professor Dr. Gerald Spindler, Göttingen

Band 118

Die neuen Anlageberatungsregelungen der MiFID II Eine Untersuchung ausgewählter Verhaltensund Organisationspflichten der MiFID II und ihrer Umsetzung in das nationale Recht

Von

Jana Mansen

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen hat diese Arbeit im Jahre 2017 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Ochsenfurt-Hohestadt Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 1614-7626 ISBN 978-3-428-15442-5 (Print) ISBN 978-3-428-55442-3 (E-Book) ISBN 978-3-428-85442-4 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Sommersemester 2017 an der Juristischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen als Dissertation angenommen. Sie berücksichtigt den Stand der Literatur und der Rechtsprechung bis Juni 2017. Während der Entstehung dieser Arbeit haben mich viele Menschen begleitet, denen ich an dieser Stelle danken möchte: An erster Stelle gilt mein Dank meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Gerald Spindler, der den Anstoß zur Erarbeitung dieses Themas und der Verknüpfung mit der Praxis setzte. Seine unermüdliche wissenschaftliche und methodische Unterstützung, seine zahlreichen Anregungen und wertvollen Ratschläge haben maßgeblich zur Realisierung dieser Arbeit beigetragen. Ebenso möchte ich mich bei meinem Zweitgutachter Herrn PD Dr. Alexander Thiele für die zügige Erstellung des Zweitgutachtens sowie bei Herrn Prof. Dr. Rüdiger Krause für die zeitnahe Disputatio bedanken. Weiterhin möchte ich mich beim Lehrstuhl-Team Prof. Spindler, insbesondere bei Christian Schott, Marvin Jäschke und Andreas Seidel, sowie den Experten der Interviews für ihre Unterstützung und die sowohl konstruktive als auch angenehme Zusammenarbeit bedanken. Weiterhin bin ich Marie-Beatrice Dewitz, Sarah Mühlhausen und Lena Sieberts für die motivierenden Gespräche, die mich auf dem Weg zur fertigen Arbeit immer wieder neue Aspekte entdecken ließen, dankbar. Auch die vielen nicht-wissenschaftlichen Gespräche haben meine Arbeit sehr unterstützt. Besonderer Dank gebührt meiner Familie, vor allem meinem Lebensgefährten Julius Schwafferts, meinen Eltern, Achim Mansen und Susanne Mansen, sowie meinen Großeltern, Willi und Marianne Mansen, die mich stets in meinen Vorhaben bestärkt haben und mir jede erdenkliche Unterstützung haben zukommen lassen. Die Verwirklichung meiner Ziele wäre ohne sie nicht denkbar. Bonn, im April 2018

Jana Mansen

Inhaltsverzeichnis 1. Teil Einführung

29

A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 B. Entstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 C. Definitionen der Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33 I. Die aufsichtsrechtliche Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 II. Die zivilrechtliche Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 III. Abgrenzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 D. Anwendungsbereich der MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 I. Persönlicher Anwendungsbereich der MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38 II. Sachlicher Anwendungsbereich der MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1. Emissionszertifikate und Warenderivate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Strukturierte Einlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 3. Vermittlung von Fondsanteilen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 4. Eigenemissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 E. Harmonisierungsgrad . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 I. Der Harmonisierungsgrad im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 II. Der Harmonisierungsgrad der MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 F. Verhältnis von Zivil- und Aufsichtsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 I. Rechtsnatur der Regelungen im WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 II. Mittelbare zivilrechtliche Wirkung der Wohlverhaltenspflichten . . . . . . . . . . . . . 52 III. Weitergehende zivilrechtliche Pflichten möglich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 G. Kundenklassifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

2. Teil Zuwendungen

58

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 I. Europäische Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

10

Inhaltsverzeichnis 1. Der Interessenkonflikt durch Zuwendungen im Gesetzgebungsverfahren . . . . . 58 2. Aktuelle Fassung des Art. 24 MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 3. Vorbereitung der Level-2-Maßnahmen durch ESMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 a) Die Analyse für einen hinreichenden Marktüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 b) Organisatorische Trennung der Beratungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 c) Sonstige Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 4. Delegierte Rechtsakte der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 a) Delegierte Richtlinie (EU) 2017/593 (MiFID II-DLRL) . . . . . . . . . . . . . . . . 65 aa) Die schnellstmögliche Auszahlung der erhaltenen Zuwendung . . . . . . . 65 bb) Katalog zur Bestimmung der geringfügigen nicht-monetären Vorteile 65 cc) Das Analysekonto . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 b) Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 (MiFID II-DLVO) . . . . . . . . . . . . . . 67 aa) Die Marktanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 bb) Die organisatorische Trennung der Beratungsformen . . . . . . . . . . . . . . . 68 cc) Aufklärungspflicht über die Beratungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 c) Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 5. Level-3-Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 II. Zuwendungsregelungen im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 1. Regelungen vor der Umsetzung der MiFID II-Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 a) Zuwendungsverbot gem. § 31d WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 b) Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 aa) Kick-Back . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 (1) Definition: Rückvergütung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 (2) Die Offenkundigkeit des Interessenkonflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 (3) Die Offenkundigkeit des Interessenkonflikts bei freien Beratern . . . 75 (4) Weitergehende Regelungen als im WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 (5) Kenntnis des Anlegers von Provisionszahlungen . . . . . . . . . . . . . . . 78 (6) Fazit zu der Rechtsprechung über Rückvergütungen . . . . . . . . . . . . 78 bb) Innenprovisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (1) Innenprovisionen vor dem 01. 08. 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (2) Innenprovisionen nach dem 01. 08. 2014 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 cc) Aufklärung über Gewinnmargen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (1) Grundsätzlich keine Offenlegungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 (2) Keine Offenlegung im Festpreisgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 c) Fazit zu den Regelungen vor der Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 2. Umsetzungen der MiFID II-Vorschiften zur unabhängigen Beratung: Honoraranlageberatungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 a) Entstehung und Ziele des Honoraranlageberatungsgesetzes . . . . . . . . . . . . . 87 b) Definition Honorar-Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89

Inhaltsverzeichnis

11

c) Informationspflicht über die angebotene Beratungsform . . . . . . . . . . . . . . . 89 aa) Form der Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 bb) Zeitpunkt der Informationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 cc) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91 d) Die Finanzmarktanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 aa) Hinreichender Marktüberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 bb) Keine rechtliche oder wirtschaftliche Verflechtung . . . . . . . . . . . . . . . . 94 e) Strengeres Zuwendungsverbot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 aa) Indirekte Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 bb) Direkte Ausnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 cc) Unterschiedliche Behandlung von monetären und nicht-monetären Zuwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 dd) Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 (1) Sinkendes Beratungsniveau und steigende Kosten . . . . . . . . . . . . . . 98 (2) Bagatellgrenze notwendig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (3) Keine Unabhängigkeit der Anlageentscheidung von der Provision? 100 f) Strengere nationale Zuwendungsregulierung im europäischen Vergleich . . . 100 g) Zusätzliche Regelungen auf nationaler Ebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 aa) § 31 Abs. 4d WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (1) Aufklärung über Interessenkonflikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 (2) Verbot von Festpreisgeschäften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 bb) Honoraranlageberater-Register der BaFin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (1) Ausschließlich formelle Prüfung der Voraussetzungen . . . . . . . . . . . 104 (2) Organisatorische Pflichten des WpDU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 cc) Bezeichnungsschutz gem. § 36d WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (1) Schutzumfang: „Honorarberater“ erfasst? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (2) Schutzumfang: Beraterbezeichnung nur noch für die Honorar-Anlageberatung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (3) Andere Bezeichnung als auf europäischer Ebene . . . . . . . . . . . . . . . 109 (4) Einführung einer geschützten Bezeichnung für die Provisionsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 3. Zwischenfazit zur Umsetzung der europäischen Vorgaben durch das HABG 111 4. Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im 2. FiMaNoG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 a) Änderungen der Kernregelungen des § 31 Abs. 4b-d WpHG . . . . . . . . . . . . 112 aa) Änderung des § 31 Abs. 4b WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 bb) Änderung des § 31 Abs. 4c WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Änderung der Organisationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 c) Die neue Definition der Honorar-Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 116 aa) Erneute Aufklärung über die Beratungsform für Bestandskunden? . . . . 117 bb) Keine Definition für die „allgemeine“ Anlageberatung . . . . . . . . . . . . . 118

12

Inhaltsverzeichnis d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 5. Auswirkungen auf das Zivilrecht? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 a) Konkludenter Honorar-Anlageberatungsvertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 b) Offenkundigkeit des Interessenkonflikts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 c) Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 6. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120

B. Zuwendungen für die abhängige Beratungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 I. Europäische Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 1. Die Zuwendungsregelung des Art. 24 Abs. 9 MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 2. Vorbereitung der Level-2-Maßnahmen durch ESMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 3. Delegierte Richtlinie der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 II. Die nationale Zuwendungsregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 1. Die Zuwendungsregelung des § 31d WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 2. Vergleich der Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 3. Die Umsetzung der MiFID II-Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Qualitätsverbesserung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 b) Analyse als Zuwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 c) Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128 d) Herausgabe der Zuwendungen als Sanktion? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 e) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 4. Das Festpreisgeschäft als Zuwendung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 C. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Verbot – die britische Retail Distribution Review (RDR) als Vorbild? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 I. Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 II. Änderungen durch die Retail Distribution Review (RDR) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 1. Die Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 a) Einführung des Provisionsverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 b) Einführung zwei verschiedener Beratungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 aa) Independent advice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (1) Merkmal der retail investment Produkte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 (2) Merkmal des relevant market . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 (3) Anforderungen an die Merkmale Marktanalyse und unvoreingenommene Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 bb) Restricted advice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 c) Inducements . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 d) Incentives . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 2. RDR Review . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 III. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150

Inhaltsverzeichnis

13

D. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Aufklärung – die Behandlung von Provisionszahlungen in den Vereinigten Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 153 I. Der Broker-Dealer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 II. Der Investment Adviser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 III. Fee-Only Financial Advice . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 IV. Aktuelle Gesetzesentwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 V. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 E. Fazit zu den neuen Zuwendungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 I. Vergleich der Regelung in Deutschland, Großbritannien und den USA . . . . . . . . 162 II. Ist ein absolutes Provisionsverbot für Deutschland sinnvoll? . . . . . . . . . . . . . . . . 164 III. Auswertung der Experteninterviews zur Honorar-Anlageberatung . . . . . . . . . . . . 168 1. Allgemeiner Teil: Grundlegende Fragen zur Honorar-Anlageberatung . . . . . . . 169 a) Keine spürbare Marktveränderung durch die Einführung des HABG . . . . . 169 b) Kaum Bereitschaft des Kunden ein Honorar zu zahlen . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 c) Kenntnis der Beratungsformen durch Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 d) Fehlendes Angebot der Honorar-Anlageberatung aufgrund zu hoher Hürden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 aa) Personelle Trennung der Beratungsformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 bb) Fehlende Notwendigkeit einer zusätzlichen Einführung? . . . . . . . . . . . 175 e) Strengere nationale Regelungen steigern die Anforderungen . . . . . . . . . . . . 176 aa) Annahmeverbot von kleineren nicht-monetären Vorteilen . . . . . . . . . . . 176 bb) Bewertung des Bezeichnungsschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 2. Besonderer Teil: Fragen zur Umsetzung der besonderen Honorar-Anlageberatungsregelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) Die Erfüllung des Merkmals „hinreichende Anzahl am Markt angebotener Finanzprodukte“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b) Die Existenz eines „gleichgeeigneten“ Produkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 c) Werbung mittels Auskehr von Provisionen möglich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 3. Fazit der Auswertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

3. Teil Nachweis der Kosten

181

A. Europäische Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 I. Die Transparenzregelung des Art. 24 Abs. 4 MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 1. Ex-ante und ex-post Offenlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 182 2. Form und Zeitpunkt der Bereitstellung der Kosteninformation . . . . . . . . . . . . . 183 II. Level-2-Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184

14

Inhaltsverzeichnis 1. ESMAs Vorschläge an die Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 b) Kostenberechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 c) Zu berücksichtigende Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 d) Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 e) Opt-Out-Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 2. Delegierte Verordnung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 III. Level-3-Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189

B. Nationale Regelungen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 I. Aktuelle Rechtslage im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 II. Umsetzung der MiFID II-Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 C. Fazit zu dem Nachweis der Kosten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193

4. Teil Bessere Beratungsqualität durch neue Vorgaben für Anlageberater

196

A. Sachkundenachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 I. Europäische Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 1. Die Sachkunderegelung der MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 2. Konkretisierte Anforderungen in den delegierten Rechtsakten . . . . . . . . . . . . . 197 3. ESMAs Sachkundeleitlinien als Level-3-Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 a) Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 b) Allgemeine Regelungen: Kenntnisse und Kompetenzen . . . . . . . . . . . . . . . . 199 c) Jährliche Review . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 d) Mitarbeiter ohne hinreichende Qualifikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 e) Spezielle Anforderungen an den einzelnen Anlageberater . . . . . . . . . . . . . . 201 f) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 II. Die Sachkunderegelungen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 1. Die Anforderungen an die Beratersachkunde vor Umsetzung der europäischen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 a) Allgemeine Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 b) Der Paradigmenwechsel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 c) Die Sachkunde des Beraters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 d) Die Zuverlässigkeit des Beraters . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 e) Die Anzeigeverpflichtung des WpDU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 f) Sanktionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 2. Die Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im 2. FiMaNoG . . . . . . . . . . . . . . . . . 210

Inhaltsverzeichnis

15

3. Die Umsetzung der MiFID II-Vorgaben in der WpHGMaAnzV . . . . . . . . . . . . 210 a) Neue Sachkundeanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 b) Praktischer Fähigkeitsnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 c) Nachweis der Sachkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 d) Zwischenfazit zur Umsetzung der neuen Sachkundeanforderungen . . . . . . . 212 4. Expertenansicht zur praktischen Auswirkung der neuen Sachkunderegelungen 213 5. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 III. Sachkunderegelungen in Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 1. Regelungen nach der RDR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 216 2. Erweiterung der Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 3. Vergleich und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 IV. Die Sachkunderegelungen in den Vereinigten Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . 220 1. Die Regelungen für Investment Adviser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 2. Die Regelungen für Broker-Dealer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 3. Vergleich und Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 221 V. Fazit zu den neuen Sachkundeanforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 222 B. Mitarbeitervergütung ohne Anreize zur Falschberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 I. Europäische Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 1. Die Vergütungsregelungen der MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 2. Konkretisierte Anforderungen in der delegierten Verordnung . . . . . . . . . . . . . . 226 a) ESMAs Vorschläge an die Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 b) Die Regelungen der MiFID II-DLVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 II. Die Vergütungsregelungen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 1. Die Vergütungsregelungen vor der Umsetzung der europäischen Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 2. Die Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im 2. FiMaNoG . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 III. Vergütungsregelungen in Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 IV. Ein Ausblick auf die Regelungen der Vereinigten Staaten von Amerika . . . . . . . . 232 V. Vergleich und Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 C. Gesamtergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234

5. Teil Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

235

A. Die europäische Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 I. Die Aufzeichnungspflichten des Art. 16 Abs. 6 und 7 MiFID II . . . . . . . . . . . . . . 235 1. Hintergrund der Einführung der Aufzeichnungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 2. Die Voraussetzungen der Aufzeichnungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236

16

Inhaltsverzeichnis 3. Die praktischen Umsetzungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 II. ESMAs Regelungsvorschläge an die Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 1. Anknüpfung an die CESR-Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 2. Reichweite der Aufzeichnungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 3. Die Alternative des persönlichen Gesprächs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 4. Die Informationspflicht über die Aufzeichnung und die Herausgabepflicht . . . 242 5. Die Festlegung von internen Aufzeichnungsleitlinien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 6. Die Anforderungen an die Speicherung und die Kontrolle der Aufzeichnungen 244 III. Konkretisierte Anforderungen durch die delegierten Rechtsakte . . . . . . . . . . . . . . 245 1. Datenschutzrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 a) Der Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 b) Eingriff in den Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 c) Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 aa) Der Wesensgehalt und die Gemeinwohlziele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 248 bb) Verhältnismäßige Einschränkung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 (1) Gleichgeeignetes und effektives Mittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 (2) Klare und präzise Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 (3) Keine Ausnahmeregelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 (4) Fehlende Ausgestaltung der Speicherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 (5) Verhältnismäßigkeit i. e.S. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 2. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 IV. ESMAs Q&As als Level-3-Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

B. Die Aufzeichnungsregelungen in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 I. Die Aufzeichnungsregelungen vor der Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 II. Die Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im 2. FiMaNoG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 1. Die Umsetzung unter Berücksichtigung des Datenschutzes? . . . . . . . . . . . . . . 261 a) Anwendungsbereich der Aufzeichnungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 b) Umsetzungsmaßnahmen und Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 c) Dokumentationspflichten bei persönlichen Gesprächen . . . . . . . . . . . . . . . . 265 d) Die Ausgestaltung der Herausgabepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 266 e) Die Anforderungen an die Aufbewahrung und Speicherung . . . . . . . . . . . . . 266 f) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 2. Arbeitsrechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 3. Praxismeinungen der interviewten Experten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 III. Zwischenfazit zur neuen deutschen Aufzeichnungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 C. Die Aufzeichnungsregelungen in Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 D. Aufzeichnungsregelungen in den Vereinigten Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . . . . 274 I. Die Regelungen für Broker-Dealer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

Inhaltsverzeichnis

17

II. Aufzeichnungsregelungen des Dodd-Frank Act für Swaps . . . . . . . . . . . . . . . . . . 276 III. Die Regelungen für Investment Adviser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 IV. Zwischenfazit zu den amerikanischen Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 E. Vergleich, Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278

6. Teil Suitability

280

A. Europäische Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 I. Die neuen Anforderungen der MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 1. Die Geeignetheitsprüfung (Suitability Test) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 a) Neue Kriterien im Rahmen der Geeignetheitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 b) Zusätzliches Kriterium des Kundeninteresses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 c) Die kontinuierliche Geeignetheitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281 2. Die Geeignetheitserklärung (Suitability Report) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 a) Ausnahmeregelung zur telefonischen Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 b) Der Anwendungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 II. ESMAs Vorschläge an die Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 1. Die Geeignetheitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 a) Anwendungsbereich der Geeignetheitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 b) Inhaltliche Anforderungen der Geeignetheitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 c) Einzuholende Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 2. Die Geeignetheitserklärung (Suitability Report) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 3. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 III. Delegierte Verordnung der Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 1. Übernommene Regelungen von ESMA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 2. Regelungen unabhängig von ESMAs Vorschlägen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 3. Keine Definition der „neuen“ Merkmale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 a) Bestimmung der Fähigkeit Verluste zu tragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 291 b) Bestimmung der Risikotoleranz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 IV. ESMAs Q&As Investor Protection als Level-3-Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 B. Deutsche Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294 I. Regelungen vor der Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 295 1. Geeignetheitsprüfung – neue Anforderungen bereits vorhanden . . . . . . . . . . . . 295 2. Der deutsche Suitability Report in Form des Beratungsprotokolls . . . . . . . . . . 297 3. Die Anforderungen der MaComp . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 4. Vergleich der bestehenden Regelungen mit den MiFID II-Vorgaben . . . . . . . . 301

18

Inhaltsverzeichnis II. Die Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im 2. FiMaNoG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 1. Die Geeignetheitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 302 2. Die Geeignetheitserklärung (Suitability Report) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 3. Kritik an der Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 a) Keine zivilrechtlichen Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 305 b) Geringere Intensität der Erläuterung der Geeignetheitsprüfung? . . . . . . . . . 305 c) Genauer Aushändigungszeitpunkt des Protokolls . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 306 d) Aufhebung des Rücktrittsrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 e) Keine Einführung einer Beweislastumkehr . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 307 aa) Aufhebung des information overloads durch Standardisierung? . . . . . . 308 bb) Das Beratungsprotokoll als Beweismittel im Prozess . . . . . . . . . . . . . . . 309 4. Fazit zur Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312

C. Die Anforderungen an die Geeignetheitsprüfung und deren Dokumentation in Großbritannien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 I. Der Suitability Test . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312 II. Der Suitability Report . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 315 III. Die aktuelle Entwicklung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 316 D. Die Geeignetheitsprüfung und deren Dokumentation in den Vereinigten Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 I. Die Regelungen für Investment Adviser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 317 II. Die Regelungen für Broker-Dealer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 318 E. Gesamtfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 I. Vergleich der Regelungen in Deutschland, Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 319 II. Bewertung der neuen Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 F. Exkurs: Angemessenheitsprüfung und Execution-Only-Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . 322 I. Die Angemessenheitsprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 II. Das Execution-Only-Geschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 322 1. Konkretisierte Anforderungen in der MiFID II-DLVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 2. Umsetzung der neuen Anforderungen im 2. FiMaNoG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324

7. Teil Weitere Informationspflichten der WpDU

325

A. Allgemeine Anforderungen an die Informationspflichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 I. Europäische Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325 1. Die Informationsanforderungen der MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 325

Inhaltsverzeichnis

19

2. ESMAs Vorschläge an die Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 a) Ergänzung des Art. 27 MiFID I-DRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 326 b) Ergänzung des Art. 31 MiFID I-DRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 327 3. Konkretisierte Anforderungen in den delegierten Rechtsakten . . . . . . . . . . . . . 327 a) Faire, klare und nicht irreführende Information . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 b) Informationen über Finanzinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 328 4. Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 II. Deutsche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 1. Informationspflichten vor der Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 2. Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im 2. FiMaNoG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 331 B. Exkurs: Information zur Ausführung im besten Kundeninteresse . . . . . . . . . . . . . . . . 332 I. Informationspflicht über Ausführungsplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 II. Jährliche Publizität der Handelsplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 III. Informationspflicht zur Wahl der Handelsplätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 333 IV. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 334

8. Teil Product Governance im Vertrieb

335

A. Europäische Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 335 I. Anforderungen an den Produkthersteller . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336 II. Anforderungen an den Vertrieb und deren Auswirkungen auf die Anlageberatung 337 1. MiFID II-Regelungen für den Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 a) Direkte Pflichten gem. Art. 16 Abs. 3 UA 6 MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . 337 b) Anwendbarkeit der weiteren Product Governance Regelungen auf den Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 338 aa) Überprüfungspflicht gem. Art. 16 Abs. 3 UA 4 MiFID II . . . . . . . . . . . 338 bb) Produktgenehmigungsverfahren gem. Art. 16 Abs. 3 UA 2 MiFID II 339 cc) Inhaltliche Anforderungen der Überprüfungspflicht gem. Art. 16 Abs. 3 UA 4 MiFID II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 (1) Regelmäßige Überprüfung: Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 340 (2) Regelmäßige Überprüfung: Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 341 (3) Maßnahmen bei negativem Prüfergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 (a) Mitteilungspflicht an den Hersteller? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 342 (b) Handlungsalternativen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 c) Das Merkmal des Zielmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 aa) Inhaltsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 bb) Berücksichtigung des Zielmarktkriteriums in der Anlageberatung . . . . 344 (1) Verkauf außerhalb des Zielmarkts ohne Empfehlung . . . . . . . . . . . . 344

20

Inhaltsverzeichnis (2) Empfehlung außerhalb des Zielmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 344 (3) Hinweispflicht bei Empfehlung außerhalb des Zielmarkts . . . . . . . . 345 d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 2. Konkretisierte Anforderungen durch die delegierten Rechtsakte . . . . . . . . . . . . 346 a) ESMAs Vorschläge an die Kommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 346 aa) Keine Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 bb) Zielmarktbestimmung des Vertriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 347 cc) Kommunikation zwischen Vertrieb und Hersteller . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 dd) Kein Maßnahmenkatalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 ee) Vertrieb außerhalb des Zielmarkts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 b) Die Regelungen des Art. 10 MiFID II-DLRL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 aa) Kein eigenständiger Zielmarkt des Vertriebs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 349 bb) Die Produktüberwachungsanforderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 cc) Die Informationspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 c) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 3. ESMA-Leitlinien als Level-3-Maßnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 a) Die Zielmarktbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 351 aa) Zeitpunkt der Festlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 352 bb) Allgemeine Anforderungen an die Zielmarktbestimmung . . . . . . . . . . . 353 cc) Besondere Kriterien zur Bestimmung des Zielmarkts . . . . . . . . . . . . . . 353 b) Verkauf und Empfehlung außerhalb des positiven und negativen Zielmarkts möglich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 354 c) Anforderungen zur Informationsübermittlung an den Hersteller . . . . . . . . . 355 d) Zwischenfazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 355

B. Deutsche Regelungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 I. Anforderungen in der MaComp und der MaRisk . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 II. Umsetzung der europäischen Vorgaben durch das Kleinanlegerschutzgesetz . . . . 357 III. Umsetzung der europäischen Vorgaben durch das 2. FiMaNoG . . . . . . . . . . . . . . 359 1. Änderungen im WpHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 2. Änderungen in der WpDVerOV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 361 3. Fazit zur Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 4. Das 2. FiMaNoG final . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 363 IV. Zivilrechtliche Auswirkungen bei Nichtbeachtung der neuen Regelungen . . . . . . 364 1. Product Governance als Grundprinzip? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 364 2. Anlage- und anlegergerechte Beratung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 3. Deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367 V. Fazit zu den neuen Product Governance Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 367

Inhaltsverzeichnis

21

9. Teil Gesamtfazit

369

Anhang: Experteninterviews . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 A. Experteninterview mit Stefan Adam . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 375 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 379 B. Experteninterview mit Christian Ahlers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 381 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 385 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 C. Experteninterview mit Dirk Beule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 389 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 391 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 393 D. Experteninterview mit Dr. Henning Bergmann und Dr. Arne Hertel . . . . . . . . . . . . . . 395 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 395 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 397 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 398 E. Experteninterview mit Dr. Denise Blessing und Dr. Barbara Roth, LL.M. . . . . . . . . . 401 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 401 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 403 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 404 F. Experteninterview mit Volker Bröcker . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 406 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 407 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 409 G. Experteninterview mit Dr. Markus Engel und Winfried Hager . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 412 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 413 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 415 H. Experteninterview mit Markus Feck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 419 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 420

22

Inhaltsverzeichnis

I. Experteninterview mit Andreas Herrmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 422 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 424 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 426 J. Experteninterview mit Stefan Herting und Sascha Alpers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 428 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 432 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 434 K. Experteninterview mit Dr. Jörg Jäger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 437 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 439 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 440 L. Experteninterview mit Fabian Jenner und Dr. Till Schmidt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 444 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 446 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 447 M. Experteninterview mit Dr. Diedrich Lange . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 449 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 451 N. Experteninterview mit Nikolai Lenarz, LL.M. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 458 O. Experteninterview mit Armin Majic . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 460 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 462 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 463 P. Experteninterview mit Peter Michels und Peter Backes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 465 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 468 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 469 Q. Experteninterview mit Peter Paulisan, Zerroug Yahiaoui und Markus Ginsel . . . . . . . 472 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 472 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 474 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 477

Inhaltsverzeichnis

23

R. Experteninterview mit Dierk Siewert . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 479 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 485 S. Experteninterview mit Dirk Stachowiak . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 494 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 496 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 497 T. Experteninterview mit Sven Witteck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 I. Honoraranlageberatung allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 499 II. Honoraranlageberatung im Detail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 503 III. Fragen zur MiFID II allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 504 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 508 Sachwortregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 532

Abkürzungsverzeichnis a.A. Abl. EU Abs. AEUV a.F. AnsFuG APFA Art. Artt. Aufl. ausf. BaFin BankR BB BDV Begr. Beschl. BGB BGBl. BGH BGHZ BIC BICE BKR BMELV BR-Drs. bspw. BT-Drs. BVerfG BVI bzw. CAR CCZ CESR C.O.B. COBS Conn. Ins. L. J. CPD DAV

anderer Ansicht Amtsblatt der Europäischen Union Absatz Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und der Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts Association of Professional Financial Advisers Artikel Artikeln Auflage ausführlich Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bankrecht Betriebs-Berater – Zeitschrift für Recht, Steuern und Wirtschaft Bundesverband deutscher Vermögensberater Begründung Beschluss Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidung des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Best Interest Contract Best Interest Contract Exemption Zeitschrift für Bank- und Kapitalmarktrecht Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz Bundesrat-Drucksache beispielsweise Bundestag-Drucksache Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Bundesverband Investment und Asset Management e.V. beziehungsweise customer agreed remuneration Corporate Compliance Zeitschrift Committee of European Securities Regulators Compliance Officer Bulletin Conduct of Business Sourcebook Connecticut Insurance Law Journal Continuing Professional Development Deutscher Anwaltsverein

Abkürzungsverzeichnis DB DEA ders. dies. DK DLRL DLVO DOL DRL DSGVO DSW DVO EBA EBOR ECON EGV EIOPA ERISA ErwG. ESMA ESMA-VO EU EuGH EURIBOR EuZW f./ ff. FAMR FAWG FCA FiMaNoG FINRA FinVermV Fn. FRUG FS FSA gem. Geo. Wash. L. Rev. GG ggf. grds. GWR HABG HdB HGB h.M. Hrsg. HS

Der Betrieb Designated Examin Authority derselbe dieselbe Die Deutsche Kreditwirtschaft Delegierte Richtlinie Delegierte Verordnung U.S. Department of Labor Durchführungsrichtlinie Datenschutzgrundverordnung Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. Durchführungsverordnung European Banking Authority European Business Organization Law Review Economic and Monetary Affairs Commitee EG-Vertrag – Vertrag zur Gründung der europäischen Gemeinschaft European Insurance And Occupational Pensions Authority Employee Retirement Income Security Act of 1974 Erwägungsgrund European Securities and Markets Authority Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörden-Verordnung Europäische Union Europäischer Gerichtshof Euro Interbank Offered Rate Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht folgende/ fortfolgende Financial Advice Market Review Financial Advice Working Group Financial Conduct Authority Finanzmarktnovellierungsgesetz Financial Industry Regulatory Authority Verordnung über die Finanzanlagenvermittlung Fußnote Finanzmarktrichtlinie-Umsetzungsgesetz Festschrift Financial Service Authority gemäß The George Washington Law Review Grundgesetz gegebenenfalls grundsätzlich Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht Honorar-Anlageberatungsgesetz Handbuch Handelsgesetzbuch herrschende Meinung Herausgeber Halbsatz

25

26 IAA IDD IDD-RL i.E. IFA insb. i.S.d. i.S.e. Iss. i.V.m. JW KapitalanlageR KapMR KK KWG LG LIBOR lit. MiFID MiFIR mind. MüKo m.w.N. NAPFA NASD NJW Nr. N.Y.U. L. & Bus. NZG OLG § §§ PIA PFS Q.J. ECON RdF RDR RefE RegE Rn. S. s. SEA SEC SIB SJ SPS SRO

Abkürzungsverzeichnis Investment Adviser Act initial disclosure document Insurance Distribution Directive im Ergebnis independent financial adviser insbesondere im Sinn des im Sinne eines Issue in Verbindung mit Juristische Woche (Zeitschrift) Kapitalanlagerecht Kapitalmarktrecht Kölner Kommentar Gesetz über das Kreditwesen Landgericht London Interbank Offered Rate littera Markets in Financial Instruments Directive Markets in Financial Instruments Regulation mindestens Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen Association of Personal Financial Advice National Association of Securities Dealers Neue Juristische Wochenschrift Nummer NYU Journal of Law & Business Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht Oberlandesgericht Paragraph Paragraphen Personal Investment Authority Personal Finance Society The Quarterly Journal of Economics Recht der Finanzinstrumente Retail Distribution Review Referentenentwurf Regierungsentwurf Randnummer Satz siehe Securities Exchange Act Securities Exchange Commission Securities Investment Board The Solicitors’ Journal Statement of Professionality Standing Self-Regulatory Organization

Abkürzungsverzeichnis St. John’s L. Rev. SYSC TA TC UA U. Pa. J. Bus. L. VAB VG vgl. Vill. L. Rev. Vol. Vorb. VuR vzbv WM WpDU WpDVerOV WpHG WpHGMaAnzV z. B. ZBB ZEuP ZFR ZGR ZHR ZIP zit. ZRP

27

St. John’s Law Review Senior Management Arrangements, Systems and Controls Sourcebook Technical Advice Training and Competence Sourcebook Unterabsatz University of Pennsylvania Journal of Business Law Verband der deutschen Auslandsbanken e.V. Verwaltungsgericht vergleiche Villanova Law Review Volume Vorbemerkung Verbraucher und Recht Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht – Wertpapiermitteilung Wertpapierdienstleistungsunternehmen Wertpapierdienstleistungs-Verhaltens- und Organisationsverordnung Wertpapierhandelsgesetz WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung zum Beispiel Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft Zeitschrift für Europäisches Privatrecht Zeitschrift für Finanzmarktrecht Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Zeitschrift für Wirtschaftsrecht zitiert Zeitschrift für Rechtspolitik

1. Teil

Einführung A. Einleitung Die Finanzmarktkrise im Jahr 2008 hat auf drastische Art und Weise die Schwächen – und vor allem Lücken – in dem bis dato bestehenden regulatorischen Rahmen der Anlageberatung aufgezeigt. Daher sahen sich die Verantwortlichen gezwungen, diesen grundlegend zu überarbeiten und auf die neue Situation an den Finanzmärkten anzupassen.1 Die Märkte haben sich weiterentwickelt und sind vielschichtiger geworden.2 Zudem steigt die Anzahl der angebotenen Finanzprodukte kontinuierlich, da diese fortlaufend neu entwickelt werden.3 Gleichzeitig werden die Finanzprodukte immer komplexer.4 So wurde die Finanzmarktrichtlinie MiFID II (Markets in Financial Instruments Directive)5 als Nachfolgeregelung zur MiFID6, (im Folgenden als MiFID I bezeichnet) implementiert. Zusätzlich wurde die

1 Vgl. ErwG. Nr. 3 und 4 der MiFID II, Richtlinie 2014/65/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Märkte für Finanzinstrumente sowie zur Änderung der Richtlinien 2002/92/EG und 2011/61/EU, Abl. EU L 173/349, v. 12. 6. 2014, im Folgenden nur MiFID II; Kurz, DB 2014, 1182; Möllers/Poppele, ZGR 2013, 437, 438; Salewski, GWR 2012, 265; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 1. 2 Kurz, DB 2014, 1182; Buck-Heeb, ZHR 177 (2013), 313; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 1. 3 Kurz, DB 2014, 1182; Buck-Heeb, ZHR 177 (2013), 313; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 1. 4 Kurz, DB 2014, 1182; Buck-Heeb, ZHR 177 (2013), 313; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 1. 5 s. Fn. 1. 6 Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21.04.2004 über Märkte für Finanzinstrumente, zur Änderung der Richtlinien 85/611/EWG und 93/6/EWG des Rates und der Richtlinie 2000/12/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und zur Aufhebung der Richtlinie 93/22/EWG des Rates, Abl. EU L 145/1 v. 30. 04. 2004. Diese trat am 21. 04. 2004 in Kraft und wurde 2006 von einer Durchführungsrichtlinie, Richtlinie 2006/73/EG der Kommission zur Durchführung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit sowie in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, Abl. EU L 241/26 v. 02. 09. 2006, im Folgenden MiFID I-DRL, begleitet, die im Wesentlichen Begriffsbestimmungen und organisatorische Anforderungen für die Wertpapierdienstleistungsunternehmen nach Art. 13 MiFID I beinhaltet.

30

1. Teil: Einführung

MiFIR7 als Verordnung festgesetzt, die ohne nationalen Umsetzungsakt direkte Anwendung findet8 und Begriffsbestimmungen und Transparenzgebote für die jeweiligen Handelsplätze beinhaltet. Neben diesen Primärrechtsakten wurden delegierte Rechtsakte in Form von Richtlinien und Verordnungen zur Umsetzung erlassen. Die MiFID II stellt für alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union ein verbindliches rechtliches Fundament für Wertpapierdienstleistungen und Anlagetätigkeiten in der EU dar.9 Somit lässt sich bereits hier festhalten, dass die MiFID II nicht die Aufgabe der punktuellen Erneuerung ihrer Vorgängerregelung hat, sondern ein eigenständiges, darüberhinausgehendes gemeinsames neues Regelwerk bildet. Mithin ist sie das „Herzstück der europäischen Finanzmarktregulierung“10. Schließlich betreffen die neuen Regelungsstandards der MiFID II das gesamte Geschäft der Banken und Finanzakteure, da der Ablauf der Produkterstellung bis hin zum Vertrieb neu strukturiert und reglementiert wird.11 Im Folgenden sollen die neuen Regelungen der MiFID II ausschließlich auf ihre Auswirkungen für die Anlageberatung in Deutschland untersucht, an wesentlichen Punkten Abweichungen zu anderen Mitgliedsländern aufgezeigt und diese am System des amerikanischen Kapitalmarkts erörtert werden. Um den Hintergrund und die unterschiedliche Herangehensweise an die hinter den Regelungen stehenden Konfliktpotenziale aufzuzeigen, soll jedoch nur auf die mitgliedstaatlichen Regelungen der anderen Rechtsordnungen vor der Umsetzung der MiFID II eingegangen werden, da durch Umsetzung dieser vergleichbare Regelungen entstehen.

B. Entstehung Es stand außer Frage, dass es zu einer neuen Regelung für die europäischen Finanzmärkte kommen würde. Unsicher war jedoch lange wann und vor allem wie. So legte bereits am 20. 10. 2011 die Europäische Kommission einen ersten Entwurf für die neuen Regelungen der MiFID II und der MiFIR vor,12 dem am 08. 12. 2010 eine Konsultation zur Überarbeitung der MiFID I voranging.13 Im Überarbeitungsverlauf legten aufgrund von Uneinigkeiten über die Regelungsreichweite sowohl das Eu7

Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. 05. 2014 über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 648/2012, Abl. EU L 173/84 v. 12. 06. 2014, im Folgenden MiFIR. 8 Vgl. Art. 55 MiFIR. 9 Philipp, EuZW 2014, 483. 10 Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 1. 11 Lange, DB 2014, 1723 f.; Möllers/Poppele, ZGR 2013, 437, 438. 12 Kurz, DB 2014, 1182; Lange, DB 2014, 1723. 13 Europäische Kommission, Public Consultation – Review of the Markets Financial Instruments Directive (MiFID); Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 3.

B. Entstehung

31

ropäische Parlament,14 als auch der Europäische Rat15 Änderungsentwürfe vor.16 Auf der Grundlage aller Entwürfe konnten im Rahmen der sog. Trilog-Verhandlung zwischen Kommission, Rat und Parlament17 letztlich alle streitigen Punkte bis zum 14. 01. 2014 ausgeräumt und weitere offene Themen auf politischer Ebene abschließend geklärt werden.18 Nachdem die Richtlinie und die Verordnung das EU Parlament passiert hatten19 und durch den Rat verabschiedet worden sind,20 traten sie, 20 Tage nach Veröffentlichung, im Amtsblatt der Europäischen Union, am 02. 07. 2014 in Kraft. Da die Richtlinie und die Verordnung ergänzungs- und auslegungsbedürftig sind, wurde die Kommission diesbezüglich gem. Artt. 290, 291 AEUV zum Erlass delegierter Rechtsakte befugt, um den Mitgliedstaaten die Umsetzung zu erleichtern.21 Die Grundlagen für die Konkretisierung erarbeitet die europäische Wertpapieraufsichtsbehörde, die European Securities and Markets Authority (ESMA). Sie bereitet die sog. Level-2-Maßnahmen in der Form von delegierten Rechtsakten und technischen Standards vor, die durch die EU-Kommission im Endorsment-Verfahren angenommen und verabschiedet werden.22 Zwar bat die Kommission ESMA bereits am 23. 04. 2014 Technical Advices zu formulieren,23 woraufhin diese auch zügig im

14 Die Änderungsvorschläge des Europäischen Parlaments zur MiFID II und MiFIR wurden am 26. 10. 2012 veröffentlicht und werden als Änderungsvorschläge EP bezeichnet. Europäisches Parlament, Änderungen v. 26. 10. 2012 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente zur Aufhebung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (Neufassung), COM(2011) 0656 – C7 – 0382/2011 – 2011/0298(COD), P7_TA-PROV(2012)0406. 15 Der Rat veröffentlichte am 20. 06. 2012 den sog. Presidency Compromise, der als zweiter Entwurf zur MiFID II und MiFIR die Entwürfe der Europäischen Kommission ersetze, Europäischer Rat, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on markets in financial instruments repealing Directive 2004/39/EC of the European Parliament and of the Council (Recast) – Presidency Compromise of 20 June 2012, 2011/0298 (COD); Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on markets in financial instruments and amending Regulation (EMIR) on OTC derivatives, central counterparties and trade respositories – Presidency Compromise of 20 June 2012, 2011/0296 (COD); s. dazu Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn 6 f. 16 Kurz, DB 2014, 1182. 17 Diese dauerte von Juli 2013 bis Januar 2014 an. 18 Kurz, DB 2014, 1182; Lange, DB 2014, 1273; Barnier, Pressemitteilung v. 14. 01. 2014; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn 4. 19 Am 15. 04. 2014. 20 Am 13. 05. 2014. 21 Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn 6 f. 22 Kurz, DB 2014, 1182; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn 6 f.; Eichhorn/Klebeck, RdF 2014, 1, 2. 23 Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn 8.

32

1. Teil: Einführung

Mai 2014 ein Consultation Paper24 und ein Discussion Paper25 vorlegte, welchen die technische Stellungnahme in Form eines Final Reports am 19. 12. 2014 folgte.26 Allerdings verzögerten sich aufgrund der Fülle an Aufgaben die Konkretisierungsmaßnahmen insgesamt,27 sodass die Kommission erst am 07. 04. 2016 als erste Level2-Maßnahme den Entwurf der Delegierten Richtlinie (EU) 2017/593 (die finale Fassung wird im Folgenden als MiFID II-DLRL bezeichnet) mit Vorschriften zum Investorenschutz veröffentlichte.28 Es folgte am 25. 04. 2016 der Entwurf der Delegierten Verordnung (EU) 2017/565 (die finale Fassung wird im Folgenden als MiFID II-DLVO bezeichnet) über Ausnahmeregelungen.29 Diese und alle weiteren Entwürfe wurden vom Rat angenommen und am 31. 03. 2017 im Amtsblatt veröffentlicht.30 Anschließend informierte die Kommission ESMA am 20. 07. 2016 über die Entscheidung, die vorgeschlagenen technischen Regelungsstandards mit einigen Änderungen zu erlassen. Aufgrund dieser verspäteten Konkretisierungsmaßnahmen, die die für die Marktteilnehmer hinsichtlich der Fülle an Maßnahmen ohnehin knapp bemessene Umsetzungsfrist bis zum 03. 07. 201631 verkürzte,32 schlug die Kommission auf der Grundlage von Art. 53 Abs. 1 AEUV vor, die ursprüngliche Umsetzungsfrist bis zum

24

ESMA, Consultation Paper. Da ESMA bis zum 03. 01. 2015 eine Technische Stellungnahme an die EU-Kommission übermitteln musste, waren im Consultation Paper hauptsächlich entsprechende Themen enthalten. 25 ESMA, Discussion Paper. Das Discussion Paper behandelte hingegen die Mandate der Technischen Standards. 26 ESMA, Final Report. 27 s. zur Verfahrensübersicht und der einzelnen Arbeiten von ESMA: https://www.esma.eu ropa.eu/policy-rules/MiFID-ii-and-mifir (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 28 Delegierte Richtlinie (EU) 2017/593 der Kommission vom 7. April 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf den Schutz der Finanzinstrumente und Gelder von Kunden, Produktüberwachungspflichten und Vorschriften für die Entrichtung beziehungsweise Gewährung oder Entgegennahme von Gebühren, Provisionen oder anderen monetären oder nicht-monetären Vorteilen, Abl. EU L 87/500 v. 31. 03. 2017, im Folgenden als MiFID II-DLRL bezeichnet. 29 Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 der Kommission vom 25. April 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates in Bezug auf die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen und die Bedingungen für die Ausübung ihrer Tätigkeit in Bezug auf die Definition bestimmter Begriffe für die Zwecke der genannten Richtlinie, Abl. EU L 87/1, v. 31. 03. 2017, im Folgenden als MiFID II-DLVO bezeichnet. 30 Abl. EU L 87 v. 31. 03. 2017. Zur Übersicht aller delegierten Rechtsakte s. http://eur-lex. europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=OJ:L:2017:087:TOC (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 31 Diese begann am 20. 07. 2014 und sollte ursprünglich 24 Monate betragen, sodass die Regelungen 30 Monate nach Inkrafttreten der Richtlinie, mithin ab dem 03. 01. 2017, Geltung erlangen sollten. 32 Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn 9.

C. Definitionen der Anlageberatung

33

03. 07. 2017 zu verlängern.33 Dieser Vorschlag wurde in Form einer Richtlinie34 am 30. 06. 2016 umgesetzt, sodass die MiFID II und die MiFIR erst ab dem 03. 01. 2018 Geltung erhalten. Unter Berücksichtigung dieser Entwicklung entschied sich der deutsche Gesetzgeber, die ursprünglich geplante Umsetzung der MiFID II Anforderungen entgegen der Überlegungen im RefE35 nicht im 1. Finanzmarktnovellierungsgesetz (FiMaNoG) umzusetzen, sondern die europäischen Entwicklungen abzuwarten. Im September 2016 erschienen der RefE für ein 2. FiMaNoG36 und im Dezember 2016 der RegE für ein 2. FiMaNoG37 zur Umsetzung der MiFID II in nationales Recht. Letzterer wurde an den Finanzausschuss übersandt, der diesen nur in kleineren Punkten veränderte.38 Der Bundestag hat in 3. Lesung am 30. 03. 2017 und der Bundesrat am 21. 04. 2017 die Beschlussvorlage des Finanzausschusses beschlossen. Am 23. 06. 2017 wurde das 2. FiMaNoG im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.39 Damit wurden die europäischen Regelungen pünktlich bis zum 03. 07. 2017 in nationales Recht umgesetzt und treten wie vorgesehen am 03. 01. 2018 in Kraft.40

C. Definitionen der Anlageberatung Um im weiteren Verlauf dieser Arbeit die zuvor dargestellten Regelungen und Vorschläge hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die nationalen Regelungen zur 33 Europäische Kommission, Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente in Bezug auf bestimmte Daten v. 10. 02. 2016, COM(2016) 56 final, 2016/0033 (COD), Vorschlag erfolgte am 10. 11. 2015. 34 Richtlinie (EU) 2016/1034 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. 06. 2016 zur Änderung der Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente, Abl. EU L 175/8, Art. 1. 35 Referentenentwurf für ein Finanzmarktnovellierungsgesetz Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften aufgrund europäischer Rechtsakte (Finanzmarktnovellierungsgesetz – FiMaNoG), abrufbar unter: http://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Downloads/DE/Bi bliothek/Gesetzesmaterialien/18_wp/FinanzmarktnovG/refe.pdf?__blob=publicationFile (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). Im Folgenenden RefE 1. FiMaNoG. 36 Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz – 2. FiMaNoG), abrufbar unter: http://linklaters.de/fileadmin/redaktion/Gesellschaftsrecht_M_A/Gesetzesmate rialien/FimanoG/160929_Referentenentwurf_Zweites-Finanzmarktnovellierungsgesetz.pdf (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 37 Gesetzentwurf der Bundesregierung, Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz – 2. FiMaNoG), BT-Drs. 18/10936. 38 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses v. 29. 03. 2017, BT-Drs. 18/ 11775. 39 BGBl. 2017, Teil I Nr. 39, S. 1693, v. 24. 06. 2017. 40 Ausnahmen hiervon s. Art. 26 2. FiMaNoG.

34

1. Teil: Einführung

Anlageberatung zu untersuchen, muss diese zunächst definiert und somit von der Anlagevermittlung auf der einen Seite und der Vermögensverwaltung auf der anderen Seite abgegrenzt werden. Dabei ist auf die unterschiedliche Definitionsweise im Aufsichtsrecht und im Zivilrecht zu achten.

I. Die aufsichtsrechtliche Anlageberatung Aufsichtsrechtlich41 bedarf es, um den Tatbestand der Anlageberatung zu erfüllen, einer ausdrücklichen oder konkludenten Empfehlung über ein Finanzprodukt unter Berücksichtigung des Anlageinteresses.42 Das Anlageinteresse wird anhand von Analysen der Anlegereigenschaften, der Anlegerkenntnisse, der Anlegererfahrungen sowie den Anlagezielen des Anlegers bestimmt.43 Ebenso definiert die MiFID II die Anlageberatung legal gem. Art. 4 Abs. 1 Nr. 4 als „[…] Abgabe persönlicher Empfehlungen an einen Kunden entweder auf dessen Aufforderung oder auf Initiative der Wertpapierfirma, die sich auf ein oder mehrere Geschäfte mit Finanzinstrumenten beziehen“. So braucht es zwingend eine fachkundige Bewertung des potentiellen Finanzprodukts durch den Berater; insb. einer Empfehlung eines zum Anleger passenden Produkts.44 Eine solche Empfehlung liegt grds. dann vor, wenn der Anlageberater dem Anleger zu einer bestimmten Handlung rät, die in seinem Interesse liegt.45 Zudem muss sie speziell auf die individuellen Lebensverhältnisse des Anlegers angepasst, mithin für ihn geeignet sein.46 Die Befolgung der Empfehlung seitens des Anlegers braucht es hingegen nicht.47 Abzugrenzen ist die

41 s. die Legaldefinition in § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 9 WpHG und § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 1a KWG: „Abgabe von persönlichen Empfehlungen an den Kunden oder deren Vertreter, die sich auf die Geschäfte mit bestimmten Finanzinstrumenten beziehen, sofern die Empfehlung auf eine Prüfung der persönlichen Umstände des Anlegers gestützt oder als für ihn geeignet dargestellt wird und nicht ausschließlich über Informationsverbreitungskanäle oder die Öffentlichkeit bekannt gegeben wird (Anlageberatung)“; s. dazu Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 41. 42 Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 2 Rn. 113; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 260; Eberius, Regulierung der Anlageberatung und behavioral finance, 5. 43 Eberius, Regulierung der Anlageberatung und behavioral finance, 5. 44 Reiter/Methner/Nittel/Ebermann, in: A/B/H/S, HdB Bank- u. KapMR, Kap. 8 Rn. 9; Edelmann, in: Assmann/Schütze, HdB KapitalanlageR, § 3 Rn. 3 f.; s. BaFin, Merkblatt – Gemeinsames Informationsblatt der BaFin und der Deutschen Bundesbank zum Tatbestand der Anlageberatung (Stand Juli 2013); Krisl, Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG, 8. 45 Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 2 WpHG Rn. 94; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 36; Balzer, ZBB 2007, 333, 335; Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 2 Rn. 113. 46 Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 2 WpHG Rn. 94; Ritz, in: J/V/R/B, WpHG, § 2 Rn. 211 f.; Spindler, in: L/B/S, Kap. 33 Rn. 41 „persönliche“ Empfehlung; Mülbert, WM 2007, 1149, 1154. 47 Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 2 WpHG Rn. 94.

C. Definitionen der Anlageberatung

35

Empfehlung von einer bloßen Information, die keinen Rat beinhaltet.48 Insgesamt ist die Anlageberatung dem aufsichtsrechtlichen Katalog der Finanzdienstleistung zuzuordnen, sodass diese grds. erlaubnispflichtig ist und unter den Voraussetzungen der §§ 31 ff. WpHG zu erfolgen hat.49 Allerdings verändert sich der Anlageberatungsbegriff durch die MiFID II, da das Tatbestandsmerkmal der persönlichen Empfehlung weiter gefasst wird. Wurde noch nach MiFID I50 das Vorliegen einer solchen abgelehnt, wenn die Empfehlung über öffentlich zugängliche Informationsverbreitungskanäle, wie bspw. das Radio oder der Fernseher, abgegeben wurde, so ist dies nach MiFID II-DLVO kein grds. Ausschlussgrund.51 Damit genügt es für die Anlageberatung, wenn ganze Kundengruppen in Form von personalisierten E-Mails, Chats oder Börsenbriefen angesprochen werden.52 Dies entspricht bereits der Ansicht des deutschen Gesetzgebers gem. § 2 Abs. 3 Nr. 9 WpHG.53

II. Die zivilrechtliche Anlageberatung Zivilrechtlich wird der – zumeist konkludent – geschlossene Anlageberatungsvertrag von der Rechtsprechung vermutet, wenn sich der Anlageinteressent aufgrund seiner offensichtlich fehlenden Kapitalmarktkenntnisse hilfesuchend an einen Anlageberater wendet.54 Irrelevant für das Vorliegen einer Anlageberatung sei jedoch grds. von welcher Partei die Initiative zur Beratung ausgegangen ist.55 Daher ist die 48 Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 2 WpHG Rn. 94; zu den einzelnen Medien s. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 42; Lingen, Anlageberatung im Spannungsfeld zwischen Verbraucherschutz und Überregulierung, 27. 49 Kühne/Schulz, in: E/S/C/L, PraktikerHdB, Rn. 13; Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 2 WpHG Rn. 93; Krisl, Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG, 7. 50 So ErwG. 79 MiFID I-DRL. 51 So ErwG. 14 MiFID II-DLVO. 52 Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 259. 53 Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 259. 54 BGHZ 123, 126 = NJW 1993, 2433 – Bond; BGH BKR 2008, 199 Rn. 14 m.w.N.; BGHZ 189, 13 = ZIP 2011, 756; Balzer, in: Welter/Lang, Kap. 7, Rn. 7.3 ff. m.w.N.; Edelmann, in: Assmann/Schütze, HdB KapitalanlageR, § 3 Rn. 4; Krisl, Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG, 8; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 267 f.; Einsiedler, WM 2013, 1109, 1110. Kritisch dazu Krüger, NJW 2013, 1845; Buck-Heeb, WM 2012, 625, 626 f.; Spindler, NJW 2011, 1920, 1921; Herresthal, ZBB 2012, 89, 92 ff.; Lingen, Anlageberatung im Spannungsfeld zwischen Verbraucherschutz und Überregulierung, 58. Anders hingegen das englische Recht, welches nur selten einen Anlageberatungsvertrag annimmt und Konfliktfälle über das Deliktsrecht (negligence) löst, dessen verletzte Sorgfaltspflichten aber durch die vertraglichen Beziehungen konkretisiert werden, s. Woods v. Martinis Bank LtD (1959) 1 QB 55; Schlüter, in: D/K/B, Bank- und KapMR, § 99 Rn. 75 ff. 55 Kumpan, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 2 WpHG Rn. 95; Ritz, in: J/V/R/B, WpHG, § 2 Rn. 209; Einsiedler, WM 2013, 1109, 1110.

36

1. Teil: Einführung

o.g. Bewertung durch den Berater auch im Vertragsrecht essentiell, da der Anleger ohne diese, ausschließlich anhand der bloßen Fakten, zu keinem Anlageentschluss gelangen würde.56 Der Anlageberatungsvertrag ist, mangels zivilrechtlicher Normierung,57 eine schuldrechtliche Sonderverbindung i.S.e. Geschäftsbesorgungsvertrag gem. §§ 611, 675 BGB.58 Trotz der Letztentscheidungskompetenz des Anlegers hinsichtlich des Erwerbs eines Finanzprodukts, entstehen aus dem Beratungsverhältnis für den Berater erhebliche Aufklärungs- und Prüfungspflichten gegenüber dem Kapitalanleger.59 Dementsprechend stellt sich bei Pflichtverletzungen die Frage der Haftung des Finanzinstituts gem. §§ 280 Abs. 1, 311 BGB.60 Insb. ist nach dem Bond-Urteil61 für die zivilrechtliche Anlageberatung nicht nur die Empfehlung des Anlageobjekts, sondern die Aufklärung über dessen Chancen und Risiken für den Anleger im Einzelfall entscheidend.62

III. Abgrenzung Der Empfehlung kommt sowohl in der aufsichtsrechtlichen als auch in der zivilrechtlichen Definition wesentliche Bedeutung zu und ist mithin das entscheidende Merkmal zur Abgrenzung gegenüber der Anlagevermittlung und der Vermögensverwaltung. Bei der Anlagevermittlung fehlt das wesentliche Element der Bewertung von Anlagemerkmalen mit anschließender Empfehlung.63 Ein Anlagevermittlungsver56

Krisl, Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG, 8. Nikolaus/d’Oleire, WM 2009, 2129, 2123. 58 Kühne/Schulz, in: E/S/C/L, PraktikerHdB, Rn. 16; Bamberger, in: D/K/B, Bank- und KapMR, § 52 Rn. 11; Sprau, in: Palandt, § 675 Rn. 35. 59 Edelmann, in: Assmann/Schütze, HdB KapitalanlageR, § 3 Rn. 14; Krisl, Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG, 8. 60 Krisl, Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG, 7; Grüneberg, in: Palandt, § 280 Rn. 47 ff. 61 BGHZ 123, 126 = NJW 1993, 2433 – Bond. 62 Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Kreditinstitute, 90; Edelmann, in: Assmann/Schütze, HdB KapitalanlageR, § 3 Rn. 15 ff.; Eberius, Regulierung der Anlageberatung und behavioral finance, 5; Lingen, Anlageberatung im Spannungsfeld zwischen Verbraucherschutz und Überregulierung, 61 ff.; Bamberger, in: D/K/B, Bank- und KapMR, § 52 Rn. 11. Der Anlageberater erklärt zunächst die Merkmale des Anlageobjekts und die aktuelle Marktsituation sowie weitere mögliche Risiken. Letztlich gibt er eine Prognose hinsichtlich der Entwicklungen des Anlageprodukts ab. Maßstab für die Beratung und die daraus resultierenden Empfehlungen sind alleine die Interessen des Anlegers. Sind dessen Interessen gefährdet, so muss der Berater den Konflikt ausschalten oder zumindest diesen dem Anleger gegenüber offen legen, s. Nikolaus/d’Oleire, WM 2009, 2129, 2123. 63 Edelmann, in: Assmann/Schütze, HdB KapitalanlageR, § 3 Rn. 8; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 2 Rn. 96, § 31 Rn. 268; Ritz, in: J/V/R/B, WpHG, § 2 Rn. 161; Eberius, Regulierung 57

D. Anwendungsbereich der MiFID II

37

trag i.S.e. Auskunftsvertrags64 kommt zustande, indem der Anleger (konkludent) verdeutlicht, dass es ihm auf die verbindliche Auskunft über das Anlageobjekt ankommt und der Anlagevermittler darauf eingeht.65 Anders als der Anlageberater, der ausschließlich im Kundeninteresse handelt, steht der Anlagevermittler damit auch näher „im Lager“ der Finanzproduktinitiatoren.66 Auch die Vermögensverwaltung lässt sich von der Anlageberatung anhand des Merkmals der persönlichen Empfehlung abgrenzen. Anstatt dem Anleger ein Produkt zu empfehlen, aufgrund dessen dieser eine Anlageentscheidung treffen kann, nimmt der Vermögensverwalter die Anlageentscheidung im Rahmen seines vereinbarten Handlungsspielraums nach eigenem Ermessen selbst vor.67

D. Anwendungsbereich der MiFID II Nach der Abgrenzung der Anlageberatung, muss auch der Anwendungsbereich der MiFID II festgelegt werden, um die Auswirkungen der neuen Regelungen auf die Anlageberatung beurteilen zu können. Der Regelungshintergrund „Finanzmarktkrise“ zeigt sich auch in dem sowohl sachlich als auch personell deutlich erweiterten68 Anwendungsbereich der MiFID II. Diese Ausdehnung wurde explizit vorgesehen, um bislang unregulierte, aber sich immer größerer Beliebtheit erfreuender, Produkte erfassen zu können, wie auch bislang ausgenommene Finanzakteure. Auf diese Weise sollen deutlich gewordene der Anlageberatung und behavioral finance, 6; vgl. Buck-Heeb/Lang, in BeckOGK § 675 Rn. 132; allg. zur Anlagevermittlung Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 44 ff. Zu den Rechtsgrundlagen der Haftung des Anlagevermittlers, vgl. Benedict, ZIP 2005, 2129. 64 Je nach Situation kann dieser als Dienstvertrag mit Geschäftsbesorgungscharakter oder bei einmaliger Auskunft als Werkvertrag ausgestaltet sein, vgl. Edelmann, in: Assmann/ Schütze, HdB KapitalanlageR, § 3 Rn. 9. 65 BGH NJW-RR 1993, 1114; BGHZ 158, 110 = NJW 2004, 1732; BGH NJW-RR 2000, 998; BGH NJW-RR 2005, 1120; BGH NJW 2007, 1632; BGH NZG 2008, 117; BGH NJW 2008, 3700 Rn. 11; Edelmann, in: Assmann/Schütze, HdB KapitalanlageR, § 3 Rn. 8; Einsiedler, WM 2013, 1109, 1110; Grüneberg, in: Palandt, § 280 Rn. 52. 66 Krisl, Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG, 9; Assmann, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 2 Rn. 113; s. auch Reiter/Methner/Nittel/Ebermann, in: A/B/H/S, HdB Bank- u. KapMR, Kap. 8 Rn. 9, Rn. 11 ff. die den Vermittler sogar als Vertreter des Produktgebers ansehen. Das reine Weiterleiten von Kunden an interessierte Wertpapierdienstleistungsunternehmen oder eine Botentätigkeit sind jedoch unzureichend. 67 RegE RiLiUG, BT-Drs. 13/7142, S. 101; Schäfer, in: Assmann/Schütze, HdB KapitalanlageR, § 23 Rn. 1, 7; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 269, 287; Kumpan, in: Schwark/ Zimmer, KMRK, § 2 WpHG Rn. 81; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rn. 29; Krisl, Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG, 10; Rödel, Aufklärungspflicht und Schadenersatz, 132. 68 Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 10; Pfisterer, Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz, 10; Geier/Schmitt, WM 2013, 915.

38

1. Teil: Einführung

Regelungslücken sowie die daraus resultierenden Gefahren aufgehoben werden.69 Insb. wird so das Ziel, ein einheitliches Regelwerk für Wertpapierdienstleistungen zu schaffen, weiter vorangetrieben.

I. Persönlicher Anwendungsbereich der MiFID II Beachtet man obiges Regelungsziel und den Zweck der Erweiterung des Anwendungsbereiches, so ist es überraschend, dass trotz erheblicher Diskussion im Vorfeld die Anwendung der MiFID II für Versicherungsproduktevermittler (sowie für Versicherungsprodukte allgemein) ausgeschlossen wurde.70 Diese sollen separat durch eine neue IDD-RL71 geregelt und neue Anlegerschutzbestimmungen für deren Vertrieb geschaffen werden.72 Die im Folgenden zu untersuchenden Vorschriften der Anlageberatung richten sich überwiegend an Wertpapierfirmen. Diese sind, ebenso wie Marktbetreiber, Datenbereitstellungsdienste und Drittlandfirmen73 gem. Art. 1 Abs. 1 MiFID II vom Anwendungsbereich der MiFID II erfasst. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 MiFID II definiert die Wertpapierfirma als „[…] juristische Person, die im Rahmen ihrer üblichen beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit gewerbsmäßig eine oder mehrere Wertpapierdienstleistungen für Dritte erbringt und/oder eine oder mehrere Anlagetätigkeiten ausübt“. Mithin sind, so auch ausdrücklich ErwG. 12 MiFID II, „[…] keine natürlichen Personen […], die eine andere berufliche Tätigkeit ausüben“ in den Regelungsbereich einbezogen.74 Die Tätigkeit der Wertpapierdienstleistung bzw. Anlageberatung muss zudem gewerblich ausgeführt werden.75 Einen ausf. Katalog der Wertpapierdienstleistungen bzw. Anlageberatung enthält Anhang A Abschnitt C MiFID II. Die delegierten Richtlinien76 eröffnen als Level-2-Maßnahmen den Anwendungsbereich auch für Verwertungsgesellschaften i.S.d. Art. 6 Abs. 4 der OGAW-

69

ErwG. 3, 5 MiFID II. Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 11. 71 Richtlinien des Europäischen Parlaments und des Rates über Versicherungsvermittler vom 20. 01. 2016 über Versicherungsbetrieb, Abl. EU L 26/19. 72 ErwG. 87 MiFID II; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 11. 73 Legal definiert in Art. 4 Abs. 1 Nr. 57 MiFID II. Die Anwendung der MiFID II auf Drittlandfirmen, Art. 1 Abs. 2 lit. b) MiFID II, trägt dem Ziel Rechnung, den Anlegerschutz zu erhöhen, indem auch diese nach kontroverser Diskussion erfasst sind und mithin den gleichen Anforderungen, der gleichen Aufsicht und den gleichen Sanktionen unterliegen. Dies gilt auch für die Verordnung gem. Art. 1 f MiFIR. 74 s. dazu bereits Pfisterer, Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz, 11. 75 ErwG. 12 MiFID II. 76 Art. 1 Abs. 1 MiFID II-DLRL. 70

D. Anwendungsbereich der MiFID II

39

Richtlinie77 und Art. 6 Abs. 6 AIFM-Richtlinie.78 Mithin gelten die Regelungen auch für die individuelle Verwaltung von Portfolios und Nebendienstleistungen in Form von Anlageberatung über Finanzinstrumente i.S.d. MiFID I und Verwahrung und technische Verwaltung in Bezug auf die Anteile von Organismen für gemeinsame Anlagen. Dies entspricht dem deutschen Begriff der Wertpapierdienstleistungsunternehmen, welche gem. § 2 Abs. 4 WpHG „Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und nach § 53 Abs. 1 Satz 1 des Kreditwesengesetzes tätige Unternehmen, die Wertpapierdienstleistungen allein oder zusammen mit Wertpapiernebendienstleistungen gewerbsmäßig oder in einem Umfang erbringen, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert“, sind. Daher wird im Folgenden der Begriff des Wertpapierdienstleistungsunternehmens (WpDU) synonym verwandt.

II. Sachlicher Anwendungsbereich der MiFID II Der sachliche Anwendungsbereich wurde dadurch, dass neue Finanzinstrumente erfasst werden und einige bislang unter der MiFID I geltende Ausnahmeregelungen aufgehoben wurden, detaillierter und umfangreicher geregelt. Im Folgenden werden nur die Veränderungen mit (indirektem) Bezug zu den nachfolgenden Ausführungen dargestellt. 1. Emissionszertifikate und Warenderivate Als Finanzprodukt gelten nun – ohne die noch in MiFID I Anhang I Abschnitt C Nr. 10 MiFID I genannten weiteren Voraussetzungen – gem. Anhang I Abschnitt C Nr. 10, 11 der MiFID II das Emissionszertifikat sowie Derivate auf Emissionszertifikaten. Hiermit versucht der Richtliniengeber die von ihm festgestellten betrügerischen Handlungen in diesem Bereich zu unterbinden.79 Auch Warenderivate sind gem. Anhang I Abschnitt C Nr. 6 MiFID II Finanzinstrumente, wenn sie geliefert werden können und über einen geregelten Markt, MTF oder OTF gehandelt werden.80 77

Richtlinie 2009/65/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. 07. 2009 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), Abl. EU L 302/32. 78 Richtlinie 2011/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 08. 06. 2011 über die Verwalter alternativer Investmentfonds und zur Änderung der Richtlinien 2003/41/EG und 2009/65/EG und der Verordnungen (EG) Nr. 1060/2009 und (EU) Nr. 1095/2010, Abl. EU L 174/1. 79 Vgl. ErwG. 11 MiFID II. 80 Die Problematik des „Schlupflochs“ hinsichtlich der Voraussetzung der Lieferbarkeit und des Markts soll, so ErwG. 10 MiFID II, durch delegierte Rechtsakte aufgelöst werden, um auch hier den Regelungszweck nicht zu gefährden.

40

1. Teil: Einführung

2. Strukturierte Einlagen Art. 1 Abs. 4 MiFID II öffnet den Anwendungsbereich der MiFID II für strukturierte Einlagen,81 ohne diese jedoch als Finanzinstrument zu qualifizieren.82 Damit soll die Lücke, die durch das Fehlen von europäischen Regelungen zu strukturierten Einlagen entstanden ist, geschlossen werden und das Vertrauen der Anleger83 in den Kapitalmarkt gestärkt werden.84 Jedoch finden die Regelungen der MiFID II nur beschränkt, auf die in Art. 1 Abs. 4 MiFID II abschließend85 genannten Artt. (Artt. 9 Abs. 3; 14; 16 Abs. 2, 3, 6 sowie Artt. 23 bis 26, 28, 29 [ausgenommen Art. 29 Abs. 2 UA 2], 30 und Artt. 67 bis 75 MiFID II), Anwendung. Ausdrücklich ausgenommen bleiben grds. solche strukturierten Einlagen, die keine Einlagen beinhalten, sondern ausschließlich an Zinssätze (bspw. EURIBOR oder LIBOR) gebunden sind.86 Künftig müssen also für den Vertrieb von strukturierten Einlagen Organisationspflichten und Vorgaben zur Vermeidung von Interessenkonflikten, insb. die Durchführung von Geeignetheits- und Angemessenheitsprüfung, eingehalten werden.87 Jedoch sollen nur der Verkauf und die Beratung, nicht hingegen die bloße Hereinnahme, einer strukturierten Einlage unter die Richtlinie fallen.88 Beides wird jedoch nicht weiter definiert. Daher muss die Hereinnahme einer Einlage weiterhin als reines Bankgeschäft angesehen werden.89 Eine derartige Einschränkung scheint im Hinblick auf das – ausdrücklich in ErwG. 39 statuierte – Ziel, den Anlegerschutz und das Anlegervertrauen zu stärken, widersprüchlich. Denn der von den Richtliniengebern erkannte regelungsfreie Be81 Diese werden in Art. 4 Abs. 1 Nr. 43 MiFID II legal definiert als „[…] Einlage im Sinne des Artikels 2 Absatz 1 Nummer c der Richtlinie 2014/49/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (Einlagensicherungs-RL), die bei Fälligkeit in voller Höhe zurückzuzahlen ist, wobei sich die Zahlung von Zinsen oder einer Prämie bzw. das Zins- oder Prämienrisiko aus einer Formel ergibt, die von Faktoren abhängig ist“. 82 Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 20; Geier/Schmitt, WM 2013, 915, 916 noch zum Ratsentwurf. 83 Zur Bedeutung des Vertrauens s. Thiele, Finanzaufsicht, 79 ff. 84 ErwG. 39 MiFID II; s. auch die Übernahme des Ziels in die nationalen Regelungen BTDrs. 813/16, S. 230. 85 Geier/Schmitt, WM 2013, 915, 916 zum Ratsentwurf; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 23. 86 ErwG. 39 MiFID II. 87 Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 23; Geier/Schmitt, WM 2013, 915, 916 zum Ratsentwurf. 88 s. Art. 1 Abs. 4 MiFID II und ErwG. 40 MiFID II; Geier/Schmitt, WM 2013, 915, 916 zum Ratsentwurf; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 22. 89 Vgl. die Definition des Bankgeschäftes des § 1 Abs. 1 Nr. 1 KWG; Geier/Schmitt, WM 2013, 915, 916 zum Ratsentwurf; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 22.

E. Harmonisierungsgrad

41

reich für strukturierte Einlagen, der gerade durch die Neuregelung aufgehoben werden sollte, bliebe weiterhin für solche Institute bestehen, die nur solche verkaufen oder Beratungsleistungen für diese erbringen und zugleich keine weiteren erlaubnispflichtigen Bank- oder Finanzdienstleistungen ausführen.90 3. Vermittlung von Fondsanteilen Die bislang gem. Art. 3 MiFID I bzw. § 2a Abs. 1 Nr. 7 WpHG und § 2 Abs. 6 Nr. 8 KWG bestehende Bereichsausnahme für die Vermittlung und Beratung von Anteilen an Investmentvermögen kann erhalten bleiben,91 wenn die unter die Ausnahme fallenden freien Fondsvermittler anderweitig einer Aufsicht unterstellt wurden, Art. 3 Abs. 2 MiFID II. Diese Aufsicht muss hinsichtlich des Zulassungsverfahrens, der ständigen Überwachung und der Wohlverhaltenspflichten den Anforderungen der MiFID II entsprechen. In diesem Zusammenhang sind die Neuregelungen der Verhaltenspflichten für Finanzanlagevermittler gem. §§ 11 ff. FinVermV vom 01. 01. 2013 zu berücksichtigen.92 4. Eigenemissionen Gemäß Art. 4 Abs. 1 Nr. 5 MiFID II braucht es für die Qualifikation der Eigenemission als Wertpapierdienstleistung nicht mehr die Voraussetzung, dass der Verkauf im Zusammenhang mit einer anderen Wertpapierdienstleistung erbracht wird.93 Damit sind sowohl WpDU und Kreditinstitute von der Richtlinie erfasst, wenn sie Finanzinstrumente vertreiben, die sie selbst ausgeben und zugleich Anlageberatungstätigkeit für den Kunden leisten, als auch – um Unklarheiten zu vermeiden – solche, die hierbei keine Beratung anbieten.94

E. Harmonisierungsgrad Für den Gang der Untersuchung und die Gegenüberstellung, ob die Regelungen der MiFID II ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt wurden, muss zuvor der Grad der Harmonisierung der MiFID II festgestellt werden.

90

Geier/Schmitt, WM 2013, 915, 916 zum Ratsentwurf. Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 25. 92 Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 27; Geier/Schmitt, WM 2013, 915, 919 zum Ratsentwurf. Auf diese soll hier jedoch aufgrund des Schwerpunkts der Anlageberatung nach dem WpHG nicht weiter eingegangen werden. 93 So noch die Präambel der MiFID I; Geier/Schmitt, WM 2013, 915, 917 zum Ratsentwurf; Kurz, DB 2014, 1882, 1886. 94 Vgl. ErwG. 45 MiFID II. 91

42

1. Teil: Einführung

I. Der Harmonisierungsgrad im Allgemeinen Eine der Kernaufgaben der EU ist die Harmonisierung von innerstaatlichen Rechtsnormen.95 Harmonisierung96 bedeutet die Abstimmung der Mitgliedstaaten auf eine einheitliche Politik innerhalb der Europäischen Union, mit dem Ziel einen gemeinschaftlichen, störungsfreien Binnenmarkt zu schaffen und die gemeinsame Entwicklung voran zu treiben.97 Mithin sollen die nationalen Rechtsordnungen einander angeglichen werden, um eine Rechtsgemeinschaft zu schaffen und damit das Funktionieren des Binnenmarkts zu erleichtern.98 Denn durch die Angleichung werden Rechtsunterschiede zwischen den einzelnen Mitgliedstaaten verringert bzw. beseitigt.99 Der Grad der Harmonisierung enscheidet also darüber, inwieweit ein einheitliches, also ein gemeinsames Recht geschaffen wird, oder, ob den Mitgliedstaaten weiterhin Spielräume verbleiben, um strengere nationale Regelungen umzusetzen.100 Ist eine Richtlinie vollharmonisierend, so dürfen die Migliedsstaaten weder mildere noch strengere Vorschriften im Anwendungsbereich der Richtlinie erlassen.101 Liegt hingegen nur eine mindestharmonisierende Richtlinie vor, so hält der europäische Gesetzgeber noch eigene Wege der Mitgliedstaaten im Rahmen der Umsetzung offen.102 Denn auf diese Weise wird kein abschließender europäischer Standard geschaffen und der nationale Gesetzgeber kann strengere Regelungen erlassen.103

II. Der Harmonisierungsgrad der MiFID II Die MiFID II bestimmt nicht ausdrücklich ihren Harmonisierungsgrad, sodass dieser durch Auslegung zu ermitteln ist.104 Dabei müssen Wortlaut, Zielsetzung und Regelungssystematik berücksichtigt werden.105 Bei fehlenden konkreten gegenteiligen Anhaltspunkten soll davon auszugehen sein, dass es sich um eine vollhar-

95

Frenz, Europarecht, Rn. 738. Teilweise werden in den verschiedenen Bestimmungen des AEUV zur Harmonisierung verschiedene Begriffe „Rechtsangleichung“ oder „Koordinierung“ synonym verwendet. 97 Bergmann, Handlexikon der Europäischen Union, Harmonisierung; Eckel, EuZW 2015, 418, 419. 98 Classen, in: Groeben/Schwarze/Hatje, AEUV, Art. 114 Rn. 10; Frenz, Europarecht, Rn. 733. 99 Frenz, Europarecht, Rn. 733. 100 Haag, in: Bieber/Epiney/Haag, Die Europäische Union, § 14 Rn. 29. 101 Spindler, in: L/B/S, BankrechtK, Kap. 33 Rn. 30a. 102 Vgl. Möllers, ZEuP 2016, 325, 331. 103 Vgl. Möllers, ZEuP 2016, 325, 345. 104 Veil, ZGR 2014, 544, 569. 105 Leible/Schröder, in: Streinz, EUV/AEUV, Art. 114 Rn. 26. 96

E. Harmonisierungsgrad

43

monisierende Regelung handelt.106 Diese Sichtweise ist vor dem Hintergrund entstanden, dass sich auf der Ebene der europäischen Gesetzgebung in den letzten Jahren zunehmend die Tendenz abzeichnet, ausschließlich vollharmonisierende Richtlinien zu erlassen, sofern nicht zu dem – in der Beliebtheit der Kommission ohnehin stetig steigenden – Mittel der Verordnung107 gegriffen wird.108 Dies wird vor allem aus dem im Jahre 2002 neu begründeten und anschließend noch einmal reformierten Gesetzgebungsverfahren, dem sog. Lamfalussy-Verfahren,109 geschlossen.110 Es wurde entwickelt, um die Gesetzgebung zu beschleunigen und letztlich ein einheitliches Binnenrecht zu schaffen.111 Tatsächlich lässt sich entgegen einer Literaturmeinung112 alleine aus dem neuen Gesetzgebungsverfahren noch kein Rückschluss auf die Intensität der Rechtsangleichung ziehen – wurde es doch auch zum Zweck der Effizienz entwickelt.113 Auch Richtlinien, die nicht vollharmonisierend sind, können, vor allem bei entsprechend strenger Auslegung, zu einer starken Harmonisierung des nationalen Rechts führen, sodass der Zweck des neuen Gesetzgebungsverfahrens ebenfalls durch eine Richtlinie, die nur Mindestanforderungen stellt, herbeigeführt werden kann. Die Intensität des Harmonisierungsgrads der MiFID II lässt sich auch nicht ohne Weiteres durch einen Rückschluss auf den der MiFID I ablesen. Zwar nimmt die wohl h.M.114 für letztere eine Vollharmonisierung an, jedoch mit der Begründung, dass diese keine Mindestklauseln mehr enthalte und auf das Lamfalussy-Verfahren verweise.115 Eine pauschale Übertragung des hergeleiteten Harmonisierungsgrads 106

Classen, in: Groeben/Schwarze/Hatje, AEUV, Art. 114 Rn. 24; noch stärker Veil, ZGR 2014, 544, 549, der grds. bei heutigen Richtlinien von einer Vollharmonisierung ausgehen will. 107 s. dazu Mülbert, ZHR 176 (2012), 369, 373 f.; Veil, ZGR 2014, 544, 549. 108 Veil, ZGR 2014, 544, 569; die Tendenz ebenfalls erkennend Möllers, ZEuP 2016, 325, 331 f. 109 Es besteht aus vier Stufen, wobei drei für die Rechtsetzung agieren, indem auf der ersten Stufe Basisrechtsakte in Form von Richtlinien oder Verordnungen erlassen werden, die auf zweiter Ebene mittels Durchsetzungsakte der Kommission konkretisiert werden. Zusätzlich werden auf dieser Stufe technische Regulierungs- und Durchführungsstandards erlassen, die auf dritter Stufe durch sekundäre Rechtsquellen in Form von Leitlinien und Empfehlungen weiter verdichtet werden. Und der vierten und letzten Stufe, die der Überwachung dient, s. Möllers, ZEuP 2016, 325, 327 f., Veil, ZGR 2014, 544, 551 ff.; s. ausf. Lamfalussy u. a., Schlussbericht des Ausschusses der Weisen über die Regulierung der europäischen Wertpapiermärkte. 110 Eckel, EuZW 2015, 418, 420 f.; Möllers, ZEuP 2008, 480, 489. 111 Möllers, ZEuP 2008, 480, 482. 112 Möllers, ZEuP 2008, 480, 500; mittlerweile wohl anderer Ansicht, da er die MiFID II, die auch im Lamfalussy-Verfahren entstand, als Mindestharmonisierung einstuft s. Möllers, ZEuP 2016, 325, 344 f. 113 Veil, ZGR 2014, 544, 569. 114 Eckel, EuZW 2015, 418, 421; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 30a; Möllers, ZEuP 2008, 480, 500. 115 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 30a; Eckel, EuZW 2015, 418, 421 jeweils m.w.N.

44

1. Teil: Einführung

scheidet aufgrund des zuvor zum Lamfalussy-Verfahren Gesagten aus.116 Auch werden in den ErwG. der MiFID II Mindeststandards genannt.117 Dennoch ist zu konstatieren, dass der Spielraum für nationale Regelungen im Vergleich zur MiFID I deutlich eingeschränkt wurde und auch eine beachtliche inhaltliche Konkretisierung der Vorschriften und viele Details im Zusammenspiel mit den technischen Standards von ESMA festgelegt wurden.118 Gegen eine Vollharmonisierung könnte jedoch zunächst sprechen, dass der europäische Gesetzgeber ganz bewusst zwischen der Regelung in einer Verordnung, der MiFIR, und der Regelung in einer Richtlinie, der MiFID II, unterschieden hat.119 Die Verordnung bedarf keines weiteren Umsetzungsakts und ist direkt im nationalen Recht anwendbar, sodass die Mitgliedstaaten keinen Gestaltungsspielraum haben.120 Hingegen wurde die Richtlinie ausweislich des ErwG. 7 gewählt, um auch nationalen Besonderheiten gerecht zu werden. Jedoch lässt sich alleine aufgrund der Wahl zwischen Verordnung oder Richtlinie nicht automatisch auf deren Harmonisierungscharakter schließen, da auch eine Verordnung Ausnahmen für nationale Gesetzgeber vorsehen oder lediglich Mindeststandards festsetzen kann.121 Darüber hinaus ist es auch in einer vollharmonisierten Richtlinie möglich, Ausnahmen für die nationalen Bedürfnisse von Mitgliedstaaten zu schaffen. Zudem bleibt bislang unklar, wann die Kommission eine Verordnung und wann eine Richtlinie bevorzugt,122 sodass es von der jeweiligen Kommission abhängig ist, in welcher Form die neuen Regelungen erscheinen.123 Bei der Betrachtung der ErwG. der MiFID II fällt zunächst der fünfte auf.124 Nach diesem soll die MiFID I zum einen um Mindeststandards ergänzt, aber zum anderen auch um detaillierte Grundätze erweitert werden. Allerdings bezieht sich ErwG. 5 lediglich auf festgestellte Schwächen in der Unternehmensführung und -kontrolle der Finanzunternehmen und auf die Gefahr der damit einhergehenden Nachteile und des Vertrauensverlusts der Anleger. 116 So aber Eckel, EuZW 2015, 418, 421 ohne weitere Angabe von Gründen, warum auch die Rahmenrichtlinien, vor allem die MiFID II, vollharmonisierenden Charakter besitzen soll. 117 ErwG. 5 MiFID II, s. dazu 1. Teil E.I.1. 118 Wenzel/Cordiaß, in: Europäische Finanzmarktregulierung, 13. 119 Zu den einzelnen Gründen s. Europäische Kommission, Commission Staff Working Paper, Impact Assessment, v. 20. 10. 2011, SEC(2011) 1226 final; Veil/Lerch, WM 2012, 1557, 1559. 120 Europäische Kommission, Commission Staff Working Paper, Impact Assessment, v. 20. 10. 2011, SEC(2011) 1226 final. 121 Mülbert, ZHR 176 (2012) 369, 373; Veil/Lerch, WM 2012, 1557, 1559. 122 Mülbert, ZHR 176 (2012) 369, 373. 123 Möllers, ZEuP 2016, 325, 332; vom Temperament der Kommission abhängig Mülbert, ZHR 176 (2012) 369, 374; von der Entschlossenheit der jeweiligen Kommission abhängig Veil, ZGR 2014, 544, 567. 124 s. dazu Möllers, ZEuP 2016, 325, 344; Poelzig, Stellungnahme zum Entwurf des 2. FiMaNoG im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 3.

E. Harmonisierungsgrad

45

Aber auch die ErwG. 120, 122, 137, 138 und 150125 erklären ausdrücklich die Erstellung von Mindeststandards, bzw. die Möglichkeit den Emittenten für die Zulassung auch strengere Regelungen aufzuerlegen. Auch in den den ErwG. zugrundeliegenden Regelungen wird es den Mitgliedstaaten frei gestellt, entsprechende Regelungen (bspw. Artt. 29 Abs. 6, 30 Abs. 3 MiFID II) vorzunehmen – „Die Mitgliedstaaten können […]“. Dies stimmt mit der Begründung des Kommissionsvorschlags zur MiFID II-Regelung überein, welcher für die Sanktionen ausdrücklich Mindestanforderungen vorsah.126 Allerdings erstreckten sich darin die Mindestanforderungen ausschließlich auf die Sanktionen und die Bedeutung der Kommissionsbegründung hat durch den Gang des Gesetzgebungsverfahrens, vor allem im Trilog-Verfahren, bei dem auch Rat und Parlament ihre Vorstellungen eingebracht haben, abgenommen.127 Dies sind jedoch – zumindest für den Sanktionsteil und die Aufsichtsbefugnisse – Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Mindestharmonisierung.128 Gegen die Qualifizierung der gesamten Richtlinie als mindestharmonisierend sprechen jedoch, neben der allgemeinen Tendenz zur Vollharmonisierung, weitere Gründe. So spricht die gleiche Kommissionsbegründung zur Neufassung der MiFID I davon, dass die den Mitgliedstaaten eingeräumten Ermessensspielräume ggf. reduziert werden müssen und die Festlegung eines einheitlichen Regelwerkes angestrebt werde.129 Auch die ErwG. der MiFID II legen fest, dass ein Harmonisierungsumfang erreicht werden soll, der notwendig ist, um den Anlegern ein hohes Schutzniveau zu bieten und gleichzeitig den WpDU die Dienstleistungserbringung in der Union durch die Herkunftslandaufsicht zu gestatten.130 Mithin sprechen diese insgesamt eher für die Intensität der Vollharmonisierung. Der Anlegerschutz alleine würde auch auf eine Mindestharmonisierung hinweisen, da dieser stärker ausfallen könnte, wenn die Mitgliedstaaten strengere Regelungen erlassen dürften.131 Dieser steht hier jedoch im Zusammenhang mit dem Prinzip der Herkunftslandaufsicht und dem bereits in der Ermächtigungs-

125

Diese ErwG. befassen sich mit den Spezialthemen der Bereitstellung von Eigenmitteln und den Befugnissen der Aufsichtsbehörden. 126 Europäische Kommission, Kommissionsbegründung für die Neufassung der MiFID, v. 20. 10. 2011, KOM(2011)656 endg.; s. auch Veil/Lerch, WM 2012, 1557, 1559. 127 Veil, ZGR 2014, 544, 569. 128 So ebenfalls für den Entwurf Veil/Lerch, WM 2012, 1557, 1559; sowie für die endgültige Regelung Veil, ZGR 2014, 544, 569. 129 Europäische Kommission, Kommissionsbegründung für die Neufassung der MiFID v. 20. 10. 2011, KOM(2011)656 endg., S. 3; s. auch Veil/Lerch, WM 2012, 1557, 1559. 130 ErwG. 3 MiFID II. 131 Forschner, Wechselwirkungen von Aufsichtsrecht und Zivilrecht, 56, zum gleichlautenden ErwG. MiFID I.

46

1. Teil: Einführung

grundlage aufgezeigten Zweck, der wiederum auf die Vollharmonisierung hindeutet.132 Zudem wurde die Europäische Union von der „Hochrangigen Gruppe für Finanzaufsicht der EU“ ersucht, stärker harmonisierte Vorschriften als bislang auszuarbeiten.133 Da die Vorschriften der MiFID I bisher vollharmonisierenden Charakter besaßen, ginge dies nur, wenn die Regelungen der MiFID II ebenfalls vollharmonisierend wären. Das durchgehend als notwendig empfundene, einheitliche für alle Finanzinstitute im Binnenmarkt geltende europäische Regelwerk134 ließe sich darüber hinaus am einfachsten durch eine vollharmonisierende Richtlinie schaffen – da hier die Abweichungen ausschließlich auf expliziten Ausnahmeklauseln beruhen. Dass ErwG. 7 die Richtlinie als geeignetes Mittel darstellt, um auch auf die nationalen Besonderheiten der Mitgliedsländer einzugehen, steht dem nicht entgegen. Vielmehr handelt es sich hierbei um eine Öffnungsklausel, die den eigentlich abschließenden Charakter der einzelnen Regelungen verdeutlicht. Dies wird vor allem in Art. 24 Abs. 12 MiFID II deutlich, der es den Mitgliedstaaten erlaubt, strengere Regelungen für die unabhängige Beratung zu schaffen, sofern solche aufgrund der Besonderheiten des nationalen Markts erforderlich sind.135 Dies wiederum ist nur mittels Anzeige des Mitgliedstaates bei der Kommission und deren Genehmigung möglich. Darüber hinaus wird in der Richtlinie auch deutlich, dass keine weitergehenden Vorschriften erlaubt sind.136 So sieht bspw. Art. 12 Abs. 7 MiFID II explizit vor, dass „Die Mitgliedstaaten […] an die Anzeige eines direkten oder indirekten Erwerbs von Stimmrechten oder Kapital an die zuständigen Behörden und die Genehmigung eines derartigen Erwerbs durch diese Behörden keine strengeren Anforderungen stellen [dürfen], als in dieser Richtlinie vorgesehen ist“. Sind strengere Regelungen als in der Richtlinie aufgeführt zulässig, so wird dies ausdrücklich benannt.137 Daher sind diese Regelungen der MiFID II abschließend, sodass es solcher expliziten Öffnungsklauseln bedarf. Auch die Ermächtigungsgrundlage, Art. 53 Abs. 1 AEUV, der MiFID II lässt alleine keinen Rückschluss darauf zu, ob den Mitgliedstaaten Abweichungen über die Richtlinie hinaus ermöglicht werden müssen. Zwar wird teilweise vertreten, dass vollharmonisierende Regelungen nur auf Art. 114 AEUV gestützt werden dürfen,138 jedoch zeigt sich in der Ermächtigungsgrundlage des Art. 53 Abs. 1 AEUV vielmehr 132 Forschner, Wechselwirkungen von Aufsichtsrecht und Zivilrecht, 56, zum gleichlautenden ErwG. MiFID I. 133 ErwG. 6 MiFID II. 134 ErwG. 6 MiFID II. 135 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 30a; i.E. Poelzig, Stellungnahme zum Entwurf des 2. FiMaNoG im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 3. 136 s. zur MiFID I Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 30a. 137 So bspw. für verbundene Vermittler in Art. 29 Abs. 6 MiFID II. 138 Möllers, ZEuP 2016, 325, 355.

E. Harmonisierungsgrad

47

das Ziel, grenzüberschreitende, selbständige Tätigkeiten ausdrücklich zu erleichtern. Dies wäre mit Hilfe einer vollharmonisierenden Regelung zu erreichen.139 In einer Gesamtbetrachtung der einzelnen ErwG. und der Regelungen der Richtlinie zeigt sich, dass kein einheitlicher Harmonisierungsgrad für die gesamte Richtlinie vorliegt, sondern vollharmonisierende Vorschriften und Mindestanforderungen bestehen.140 Der deutsche Gesetzgeber muss bei der Umsetzung der MiFID II-Vorschriften in das nationale Recht folglich für jede Norm gesondert überprüfen, ob er die dortigen Anforderungen erweitern darf, oder ob dies nur mittels einer Anzeige bei der Kommission bzw. überhaupt nicht zulässig ist.141 Für den im Folgenden zu untersuchenden Art. 24 MiFID II wurde eine Öffnungsklausel eingearbeitet, sodass es sich bei diesem um eine vollharmonisierende Vorschrift handelt. Gleiches gilt für Art. 16 MiFID II, der ebenfalls in Abs. 11 eine Öffnungsklausel enthält. Eine Erweiterung der Regelungen, aufgrund der Gegebenheiten des nationalen Markts, ist jedoch nur nach vorheriger Anmeldung bei der Kommission möglich. Keine Öffnungsklausel enthalten die zu untersuchenden Artt. 9, 23 und 25 MiFID II. Sowohl die ErwG. als auch die Formulierung „Die Mitgliedstaaten verlangen […]“, Art. 25 Abs. 1 MiFID II, sprechen gegen eine Einordnung der Vorschriften als Mindeststandard, sondern für ihren vollharmonisierenden Charakter. Mithin darf der Gesetzgeber auch hier die europäischen Vorgaben bei der Umsetzung nicht überschreiten. Er kann jedoch zusätzlich und damit in diesem Falle „weitergehende“ Regelungen treffen für Gebiete und Themenbereiche, die auf europäischer Ebene nicht berücksichtigt wurden und damit keine Regelung erfahren haben.142 Hierbei ist jedoch genau zu differenzieren zwischen Sachverhalten, die auf europäischer Ebene diskutiert und verworfen wurden – bspw. die schriftliche Protokollierung von Kundengesprächen anstatt diese aufzuzeichnen – und solchen, die keine Berücksichtigung im Gesetzgebungsprozess erfuhren. Denn nur letztere ermöglichen eigenständige Regelungen des nationalen Gesetzgebers. Eine genaue Festlegung seitens des europäischen Gesetzgebers wäre, zum einen aus Rechtssicherheitsgründen und zum anderen in Hinblick auf das Ziel eine ein-

139

Forschner, Wechselwirkungen von Aufsichtsrecht und Zivilrecht, 56. Veil, ZGR 2014, 567 f., 570; wohl auch schon ders./Lerch, WM 2012, 1557, 1559; Poelzig, Stellungnahme zum Entwurf des 2. FiMaNoG im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 3; a.A. Vollharmonisierung Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 30a; Eckel, EuZW 2015, 418, 421; Lerch, Anlageberater als Finanzintermediär, 412 f.; noch offen mit Tendenz zur Vollharmonisierung aufgrund der MiFID II Entwürfe der Kommission Klein, Die Beratungsprotokollpflicht im System des europarechtlichen determinierten Anlegerschutzes, 547; Mindestharmonisierung Möllers, ZEuP 2016, 325, 344 f. 141 Veil/Lerch, WM 2012, 1557, 1559; Poelzig, Stellungnahme zum Entwurf des 2. FiMaNoG im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 3. 142 Poelzig, Stellungnahme zum Entwurf des 2. FiMaNoG im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 3. 140

48

1. Teil: Einführung

heitliche Regelung zu schaffen, wünschenswert gewesen.143 Im vorliegenden Fall wird das level-playing-field (gemeinsames Recht) relativiert, jedoch nicht so gravierend, wie im Falle einer ausschließlich mindestharmonisierenden Richtlinie.144 Aber auch vor dem Hintergrund, dass aufgrund der neuen Wahlmethode, in Form der Verordnung und des Lamfalussy-Verfahrens, immer mehr Richtlinien ohne nähere Betrachtung als vollharmonisierend charakterisiert werden, hätte der Gesetzgeber hier eine deutliche Aussage treffen und damit Stellung beziehen müssen.

F. Verhältnis von Zivil- und Aufsichtsrecht Für den weiteren Gang der Untersuchung ist vorab zu klären, welcher rechtlichen Natur die deutschen Wohlverhaltenspflichten sind und inwieweit hier eine Änderung durch die MiFID II vorgenommen wird. Bei der Einordnung der WpHG-Vorschriften als zivilrechtliche Normen, könnten auch diese entsprechend dem überwiegend vollharmonisierenden Charakter der MiFID II (s. 1. Teil E.) anzupassen sein. Anderenfalls könnte die Bestrebung, durch die MiFID II ein einheitliches Regelwerk für alle Mitgliedstaaten zu schaffen, über das deutsche Zivilrecht ausgehebelt werden.145 Daher ist zu untersuchen, ob durch die neuen europäischen Regelungen auch das Zivilrecht auf nationaler Ebene eine Modifikation erfahren soll. Des Weiteren spielt im Rahmen der praktischen Anwendung die Einordnung der Rechtsnatur der WpHG-Vorschriften, insbesondere der Wohlverhaltenspflichten, zur Bestimmung der vetraglichen Pflichten der Anlageberater eine wesentliche Rolle. Denn zivilrechtliche Pflichten können aufgrund der Privatautonomie von den Parteien des Beratungsvertrages ausgeschlossen werden, öffentlich-rechtliche Vorschriften hingegen nicht.146 Im Falle der Charakterisierung der WpHG-Vorschriften als öffentlich-rechtliche Vorschriften, stellt sich sodann die Frage, inwieweit aufsichtsrechtliche Pflichten die zivilrechtlichen bzw. vertraglichen Pflichten des Anlageberaters beeinflussen können. Dabei ist es gerade die Eigenschaft des Kapitalmarktrechts, dass dieses sowohl den zivilrechtlichen Bereich berührt, als auch das Aufsichtsrecht umfasst, indem es zum einen die Marktorganisation, die darauf bezogenen Tätigkeiten und das marktbezogene Verhalten reguliert, um sowohl den Funktionsschutz des Kapitalmarkts als auch den individuellen Anlegerschutz zu gewährleisten.147 Mithin weist das Kapitalmarktrecht bildlich gesprochen einen ja143

Ebenfalls im Hinblick auf den dann nicht bestehenden Prüfungsumfang der Richtlinie auf ihren Harmonisierungsgrad Möllers, ZEuP 2016, 325, 351; Veil, ZGR 2014, 544, 569. 144 So Möllers, ZEUP 2016, 325, 345, der annimmt, dass die MiFID II mindestharmonisierend ist. 145 s. dazu Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 26. 146 Buck-Heeb/Lang, in: BeckOGK § 675 Rn. 155; s. als Bsp. für den möglichen Ausschluss des Beratungsprotokolls im Zivilrecht und die fehlende Möglichkeit im Aufsichtsrecht BuckHeeb, ZHR 177 (2013) 310, 320 f. 147 Oulds, in: Kümpel/Wittig, Rn. 14.141 f.; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 26 ff.; Thiele, Finanzaufsicht, 64 ff.

F. Verhältnis von Zivil- und Aufsichtsrecht

49

nusköpfigen Charakter148 auf. Darüber hinaus ist die Frage für die Wahl des Rechtsweges entscheidend.149 Letztlich hat also die Rechtsnatur der Vorschriften auch eine Auswirkung auf die Durchsetzungsmöglichkeiten und damit zugleich auf die Ausmaße der europäischen Vorgaben.

I. Rechtsnatur der Regelungen im WpHG Daher ist zunächst festzustellen, ob die WpHG-Vorschriften zivilrechtliche oder aufsichtsrechtliche Regelungen sind. Die Wohlverhaltenspflichten gem. § 31 ff. WpHG sind ausdrücklich im WpHG normiert und nicht im BGB in Form eines Beratungsvertrags. Auch die neuen Regelungen zur Umsetzung verortet der Gesetzgeber im WpHG. Aufgrund dieser Festlegung spricht bereits die Stellung der Normen gegen den Willen des Gesetzgebers, diesen einen zivilrechtlichen Charakter zu verleihen.150 Dies wird vor allem dadurch deutlich, dass der Gesetzgeber die Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie151, die ebenfalls die Beratung der Darlehensnehmer ausgestaltet, im BGB geregelt hat. Der Gesetzgeber erklärt in seiner Begründung auch ausdrücklich das Novum, dass nun die Kreditwürdigkeitsprüfung auch zivilrechtlich geregelt werde und damit eine gleichwertige Schutzpflicht für den Verbraucher entstehe.152 Er betont, dass es ihm hier ausdrücklich um den Verbraucherschutz ginge und deshalb eine zivilrechtliche Regelung erforderlich sei. Mithin erkennt er, dass seine bisherigen Regelungen öffentlich-rechtlicher Natur waren und er, sofern er eine zivilrechtliche Wirkung herbeiführen möchte, diese durch Verortung im BGB erreicht.153 Dennoch wollen einige Autoren den Regelungen eine Doppelwirkung bzw. Doppelnatur154 zuschreiben, sodass den Wohlverhaltenspflichten je nach Sachverhalt sowohl eine zivilrechtliche als auch eine aufsichtsrechtliche Wirkung zugesprochen 148

Für den Begriff der „Janusköpfigkeit des Kapitalmarktrechts“ s. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 8. 149 Einsele, ZHR 180 (2016), 233. 150 Herresthal, WM 2014, 773, 776. 151 Richtlinie 2014/17/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04. 02. 2014 über Wohnimmobilienkredite für Verbraucher und zur Änderung der Richtlinie 2008/48/EG und 2013/36/EU und der VO (EU) Nr. 1093/2010, Abl. EU L 60, 34. 152 Begr. RegE Umsetzung Wohnimmobilienkreditrichtlinie, BT-Drs. 18/5922, S. 62, 96. 153 A.A. wohl Einsele, ZHR 180 (2016), 233, 236, da die parallele Vorschrift in § 18 KWG unstreitig öffentlich-rechtlich sei, aber die §§ 31 ff. WpHG primär Kundeninteressen schützen würden. Einsele scheint daraus die privatrechtliche Wirkung der §§ 31 ff. WpHG herleiten zu wollen; die ErwG. der MiFID für eine zivilrechtliche Qualifikation der Richtlinie heranziehend, Grundmann, WM 2012, 1745, 1752. 154 Möllers, in: KK/WpHG, § 31 Rn. 9 ff.; zum Modell wenn auch ablehnend Fuchs, in: Fuchs, WpHG, Vor §§ 31 ff. Rn. 78; ausf. zur pro- und kontra Aufstellung der Doppelnatur für § 31d WpHG Rohwetter, Die Vermeidung von Interessenkonflikten durch das Zuwendungsverbot des § 31d WpHG, 134 ff.

50

1. Teil: Einführung

wird. Die bloße Feststellung, dass es ineffektiv wäre, wenn der Gesetzgeber ein und dieselbe Regelung zweimal formulieren muss, damit sie im Zivilrecht und im Aufsichtsrecht Geltung erlangt, vermag als Argument alleine nicht überzeugen.155 Die Abgrenzungsnotwendigkeit wird alleine aufgrund der oben gezeigten Abbedingungsmöglichkeiten deutlich. Denn das Aufsichts- und das Zivilrecht haben als Teilrechtsordnung unterschiedliche Funktionen.156 Gegen eine Durchbrechung spricht außerdem, dass die ausschließliche Durchsetzungs- bzw. Eingriffskompetenz bei der BaFin als staatliche Aufsichtsbehörde liegt.157 Des Weiteren ist fraglich, ob dem europäischen Gesetzgeber, schließlich beruhen die Wohlverhaltenspflichten auf der MiFID I, überhaupt eine Kompetenz zusteht, das nationale Zivilrecht zu harmonisieren. Die Regelungskompetenz für die MiFID I wird auf Art. 47 EGV a.F. (Nachfolgeregelung ist Art. 53 Abs. 1 AEUV) gestützt. Aus dieser Grundlage lässt sich jedoch keine Ermächtigung für die Regelung des Zivilrechts herleiten.158 Die ErwG. der MiFID I, insb. ErwG. 25, der von Aufsichtsrecht spricht,159 zeigen keine andere Auffassung. Nicht zuletzt entschied auch der EuGH in seiner Genile-Entscheidung160, dass die MiFID I ausschließlich das Aufsichtsrecht regle.161 Ergo gilt dies auch für die MiFID II,162 die auf Art. 53 Abs. 1 AEUV, der Nachfolgeregelung des Art. 47 EG beruht. Auch hier lassen sich keine gegenteiligen ErwG. finden.163 Besonders bedeutend für die rein aufsichtsrechtliche Wirkung der MiFID II ist die Gesetzesentwicklung.164 So wurden zwischenzeitlich durchaus zivilrechtliche Sanktionen diskutiert, um einen einheitlichen Regelungsstandard zu schaffen. Die Kommission hatte in ihrer Konsultation zur Überarbeitung der MiFID I genau diese unterschiedlichen zivilrechtlichen Regelungen der Mit155

A.A. Forschner, Wechselwirkung von Aufsichtsrecht und Zivilrecht, 203. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 30; Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 167, 171 f. 157 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, Vor §§ 31 ff. Rn. 77; Forschner, Wechselwirkungen von Aufsichtsrecht und Zivilrecht, 204; Lerch, Anlageberater als Finanzintermediäre, 414; a.A. Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, Vorb. zu § 31 WpHG Rn. 15. 158 Für Art. 49 EUV Nobbe/Zahrte, in: MüKo-HGB, Anlageberatung, Rn. 58; Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, Vorb. zu § 31 WpHG Rn. 14; Harnos, ZEuP 2015, 546, 552; allg. eine Ermächtigungsgrundlage für die Harmonisierung des nationalen Zivilrechts aus dem EGVertrag und dem AEUV verneinend Assmann, FS Schneider, 36, 42 und insb. nicht für Art. 47 Abs. 2 EGVund Art. 53 Abs. 2 AEUV, 49. Allgemein Harnos, BKR 2014, 1, 7; Rothenhöfer, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts, 55, 68. 159 Nobbe/Zahrte, in: MüKo-HGB, Anlageberatung, Rn. 58, 61. 160 EuGH NZG 2013, 786 Rn. 57. 161 A.A. Grundmann, WM 2012, 1745, 1752. 162 Veil, ZGR 2014, 544, 549, 550; Klein, Die Beratungsprotokollpflicht im System des europarechtlich determinierten Anlegerschutzes, 548; zu der rein aufsichtsrechtlichen Ermächtigung des Art. 53 AEUV s. ausf. Harnos, ZEuP 2015, 546, 550 ff. 163 A.A. Einsele, ZHR 180 (2016), 233, 238 f., da der Wortlaut wohl auch die Harmonisierung von nicht öffentlichem Recht zulasse und die Trennung von öffentlichem und Privatrecht in anderen Mitgliedstaaten nicht getroffen werde. 164 Möllers, ZEuP 2016, 325, 348. 156

F. Verhältnis von Zivil- und Aufsichtsrecht

51

gliedstaaten als störend befunden und wollte diese bei der Überarbeitung durch die MiFID II nun vereinheitlichen.165 Ebenso war in dem Parlamentsentwurf der MiFID II in Art. 9 Abs. 8a MiFID II-EP vorgesehen, dass zivilrechtliche Sanktionen für den Fall eines Verstoßes des Leitungsorgans gegen die Vorschriften der Richtlinie eingeführt werden.166 In der endgültigen Fassung der MiFID II sind solche Vorschriften jedoch nicht mehr zu finden. Diese spricht in Art. 69 Abs. 2 UA 3 MiFID II nur noch von Entschädigungen und Abhilfemaßnahmen.167 Mithin sollten keine zivilrechtlichen Regelungen getroffen werden. Der Verweis, dass andere Mitgliedstaaten die Regelungen der MiFID I auch auf zivilrechtlicher Ebene umgesetzt haben,168 ist für die Einordnung der Rechtsnatur nicht zielführend, da die MiFID I und letztlich auch die MiFID II lediglich aufsichtsrechtliche Umsetzungspflichten vorgeben, aber den Mitgliedstaaten die Umsetzung auch im Zivilrecht möglich bleibt.169 Zumal der europäische Gesetzgeber – sowie auch manche Mitgliedstaaten der EU – die strenge Trennung von Zivil- und Aufsichtsrecht, wie sie auf deutscher Ebene vorherrscht, nicht kennt.170 Der deutsche Gesetzgeber hat die Umsetzung der Richtlinien jedoch ausschließlich im WpHG verortet und nicht im BGB, obwohl diese – so gerade die Regelungen zur HonorarAnlageberatung – sprachlich durchaus auch im Zivilrecht hätten verortet werden können.171 Dass die MiFID II ausdrücklich den Anlegerschutz zu einem Ziel der Richtlinie erklärt, führt nicht automatisch dazu, der Richtlinie auch eine zivilrechtliche Pflichtenzuordnung zuzusprechen.172 Zwar indizieren Individualinteressen eine zivilrechtliche Einordnung, jedoch können die kapitalmarktrechtlichen 165 Europäische Kommission, Public Consultation – Review of the Markets in Financial Instruments Directive (MiFID), S. 63, Nr. 7.6.2; Möllers, ZEUP 2016, 325, 348. 166 Europäisches Parlament, Änderungen v. 26. 10. 2012 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente zur Aufhebung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (Neufassung), COM(2011)0656 – C7 – 0382/2011 – 2011/0298(COD), P7_TA-PROV(2012)0406; Möllers, ZEuP 2016, 325, 348; Lerch, Anlageberater als Finanzintermediäre, 412; Krisl, Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG, 58. 167 Möllers, ZEuP 2016, 325, 348. 168 So begründet gem. Sec. 150 des Financial Services and Markets Act 200 eine Verletzung der Verhaltenspflichten – zu denen auch das FCA Handbook, COBS, gehört – für den einzelnen Anleger unmittelbare Haftungsansprüche gegen das WpDU, s. zu den zivilrechtlichen Ansprüchen der einzelnen Mitgliedstaaten ausf. Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, 219; Grundmann, WM 2012, 1745, 1752; Möllers, ZEuP 2016, 325, 347; in diese Richtung wohl auch Einsele, 180 ZHR (2016), 233, 239, die allgemein feststellt, dass einige Mitgliedstaaten die Trennung zwischen privatem und öffentlichem Recht nicht treffen. 169 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 28a. 170 Nobbe/Zahrte, in: MüKo-HGB, Anlageberatung, Rn. 56. 171 Ähnlich Koch, ZBB 2014, 212 215; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 29; Forschner, Wechselwirkung von Aufsichtsrecht und Zivilrecht, 203; zur zivilrechtlichen sprachlichen Ausgestaltung Herresthal, WM 2014, 773, 776. 172 So wohl Einsele, ZHR 180 (2016), 233, 241.

52

1. Teil: Einführung

Regelungen (vgl. die Janusköpfigkeit) sowohl individuelle Interessen schützen als auch Marktordnungsgesichtspunkte. Für eine zivilrechtliche Einordnung müssten folglich ausschließlich individuelle Interessen als Schutzzweck der Norm vorliegen. Anders als Einsele, die die ErwG. 74 S. 2 MiFID II (der die WpDU verpflichtet, die erhaltene Provision an den Kunden auszukehren) und 86 S. 2 MiFID II (der den Grundsatz der ehrlichen, redlichen und professionellen Handlung für jede Kundenbeziehung vorschreibt), als Ausdruck der zivilrechtlichen Bedeutung der MiFID II bewertet,173 ist hierin auch das Streben des europäischen Gesetzgebers zu sehen, dem bisherigen Fehlverhalten der Banken Einhalt zu gebieten, um dadurch das Vertrauen der Anleger zurück zu gewinnen und den Finanzmarkt zu stabilisieren. Zwar ist die Folgerung von Einsele, dass der individuelle Anlegerschutz grds. dem institutionellen vorangehe, im Kern richtig, als dass sich beide gegenseitig bedingen, jedoch nicht zwingend in dieser Reihenfolge und auch nicht mit der Konsequenz, dass daraus zwingend zivilrechtliche Pflichten durch die MiFID II vorgesehen werden. Mithin sind die §§ 31 ff. WpHG und auch deren Veränderungen durch die MiFID II dem öffentlichen Recht zuzuordnen, sodass deren Pflichten ausschließlich aufsichtsrechtliche Qualität besitzen.174

II. Mittelbare zivilrechtliche Wirkung der Wohlverhaltenspflichten Aufgrund der aufsichtsrechtlichen Zuordnung der Wohlverhaltensvorschriften und dem daraus resultierenden parallelen Regelungssystem im Aufsichts- und Zivilrecht, wobei letzteres stark durch die zivilrechtliche Rechtsprechung ausgestaltet wird, kann es zu unterschiedlichen Pflichten für die WpDU in den Teilrechtsgebieten kommen.175 Um dies zu verhindern bzw. um einen Gleichlauf der Pflichten herzustellen, geht die überwiegende Meinung der Literatur176 von einer Ausstrahlungs173

Einsele, ZHR 180 (2016), 233, 241. Statt vieler BGH NJW 2014, 2947, 2950 Rn. 35; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 30; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, Vor §§ 31 ff. Rn. 77; Nobbe/Zahrte, in: MüKo-HGB, Anlageberatung, Rn. 56; Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, Vorb. zu § 31 WpHG Rn. 12; Brandl/Klausberger, ZFR 2009, 131; Harnos, BKR 2014, 1, 7; Koch, ZBB 2014, 212, 215; Rothenhöfer, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts, 55, 63. Zu § 31d WpHG Rohwetter, Die Vermeidung von Interessenkonflikten durch das Zuwendungsverbot des § 31d WpHG, 132, 139; Krisl, Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG, 42; a.A. Assmann, FS Schneider, 37, 39, 45 „Primat des Zivilrechts“; Einsele, 180 ZHR (2016), 233, 268. 175 Ausf. dazu Harnos, BKR 2014, 1, 6; Möllers, ZEuP 2016, 325, 346. 176 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, Vor §§ 31 ff. Rn. 80 m.w.N.; Nobbe/Zahrte, in: MüKo-HGB, Anlageberatung, Rn. 62, 72; Brandl/Klausberger, ZFR 2009, 131, 132; Rothenhöfer, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts, 55, 70 f.; Rohwetter, Die Vermeidung von Interessenkonflikten durch das Zuwendungsverbot des § 31d WpHG, 159; Lerch, Anlageberater als Finanzintermediäre, 425; Harnos, BKR 2014, 1, 6 auch nach Ablehnung des BGH weiterhin für 174

F. Verhältnis von Zivil- und Aufsichtsrecht

53

wirkung der Wohlverhaltenspflichten auf den zivilrechtlichen Anlageberatungsvertrag aus.177 Die Ausgestaltungen dieser Ausstrahlungswirkungen sind im Einzelnen derart vielfältig, dass hier nicht im Detail darauf eingegangen werden soll.178 Anheim ist allen Meinungen, dass die Parteien durch Abschluss des Beratungsvertrags privatautonom die einzuhaltenden Pflichten festlegen, jedoch die Parteivorstellung von den aufsichtsrechtlichen Regelungen beeinflusst wird.179 Die Rechtsprechung ist bei der Beurteilung, ob die Wohlverhaltenspflichten auf das Zivilrecht ausstrahlen oder dieses konkretisieren, bislang nicht sonderlich hilfreich. Während der BGH zunächst andeute, er könne der Ausstrahlungswirkung folgen, indem er erklärte, dass wenn die §§ 31 ff. WpHG a.F. nicht lediglich aufsichtsrechtlicher Natur seien, diese „[…] für Inhalt und Reichweite (vor-)vertragliche[r] Aufklärungs- und Beratungspflichten von Bedeutung sein“180 könnten,181 so revidierte er dies ausdrücklich mit den Urteilen vom 17. 09. 2013182 und 03. 06. 2014.183 Er statuierte darin ausdrücklich, dass die Wohlverhaltenspflichten ausschließlich öffentlich-rechtlicher Natur seien und keinen Einfluss auf das zivilrechtliche Schuldverhältnis nähmen.184 Eine klare Ablehnung der Ausstrahlungstheorie kann darin jedoch nicht gesehen werden.185 In der Entscheidung vom 03. 06. 2014 erklärt der BGH zugleich, dass das Aufsichtsrecht durch seine Grundprinzipien im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung i.S.d. §§ 133, 157 BGB Bestandteil des anwendbar haltend; letztlich, wenn auch anders bezeichnend, wohl ebenso Herresthal, WM 2014, 771. 177 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, Vor §§ 31 ff. Rn. 82 f. 178 s. zur Ausstrahlungswirkung Buck-Heeb/Lang, in: BeckOGK § 675 Rn. 158; s. zur rechtsfortbildenden (judikativen) Konkretisierung der gesetzlichen Schutzpflichten aus §§ 241 Abs. 2, 311 Abs. 1 BGB am Maßstab der allgemeinen Wohlverhaltenspflichten sowie des vertraglichen Pflichtenkanons aus einem Honorar-Anlageberatungsvertrags am Maßstab des § 31 Abs. 4b-d WpHG (Typisierungsmaßstab) Herresthal, WM 2014, 771, 778, wobei es sich hierbei letztlich auch nur um eine weitere Ausformung der Ausstrahlungswirkung handelt. 179 s. bspw. Nobbe/Zahrte, in: MüKo-HGB, Anlageberatung, Rn. 62. 180 BGHZ 170, 226, 232 = NJW 2007, 1876, 1878 Rn. 18. 181 BGHZ 170, 226, 232 = NJW 2007, 1876, 1878 Rn. 18; daraus die Zulässigkeit der Ausstrahlungswirkung ableitend Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, Vorb. zu § 31 WpHG Rn. 12. 182 BGH BKR 2014, 32, Rn. 20, auch wenn der BGH selber darauf verweist dies schon immer so gesehen zu haben. Ausf. zur Diskrepanz Harnos, BKR 2014, 1, 5; ebenfalls eine Distanzierung von der vorherigen Rechtsprechung als eine einheitliche annehmend Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 28b. Vermittelnd Buck-Heeb/Lang, in: BeckOGK § 675 Rn. 159, die von „präzisiert“ sprechen und gleichzeitig auf den Wiederspruch dieser Rechtsprechung zu der Interessenkonflikt-Rechtsprechung, in der der BGH sehr wohl auf die §§ 31 ff. WpHG abstellte, hinweisen (Rn. 160 ff.). 183 BGHZ 201, 310 = NJW 2014, 2947. 184 BGHZ 201, 310 = NJW 2014, 2947, 2950 Rn. 35. Dieser sprach den Wohlverhaltensregelungen ebenfalls keine zivilrechtliche Wirkung zu. 185 A.A. Harnos, BKR 2014, 1, 5; Koch, ZBB 2014, 212; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 28b.

54

1. Teil: Einführung

Beratungsvertrags wird.186 Zwar könne der Anleger nicht erwarten, dass die Bank sich hinsichtlich sämtlicher aufsichtsrechtlichen Pflichten auch zivilrechtlich binden will, jedoch könne er davon ausgehen, dass die Bank die „[…] tragenden Grundprinzipien des Aufsichtsrechts beachtet“187. Dies erinnert stark an die zuvor dargestellte Literaturmeinung. Mit seiner Entscheidung steht der BGH immerhin im Einklang mit der Genile-Entscheidung des EuGH,188 dennoch weist seine Rechtsprechung189 insgesamt eine Inkonsistenz auf, dessen Widersprüchlichkeit in der letztgenannten Entscheidung gipfelt. Aus kompetenzrechtlicher Sicht ist das Vorgehen des BGH hingegen nachvollziehbar, da bei direkter Anknüpfung an die Wohlverhaltenspflichten eine Vorlagepflicht an den EuGH entstünde.190 Indem er die vorliegende Ausgestaltung wählt, umgeht er diese, kann sich aber dennoch den Problemen des Aufsichtsrechts widmen und einen Gleichlauf der Rechtsgebiete, sofern er dies für sinnvoll erachtet, ermöglichen. Daneben bleibt ihm die Möglichkeit, flexibel auf die besonderen Verhältnisse und Parteivereinbarung in der jeweiligen Sachverhaltskonstellation einzugehen, ohne sich an das starre Aufsichtsrecht zu binden.191 Mithin wird ebenfalls deutlich, dass der Gesetzgeber, sofern er eine Übertragung der Regelungen des Aufsichtsrechts in das Zivilrecht wünscht, aktiv werden muss.192 Anhand der jüngsten Ausgestaltung der Regelungen zur Honorar-Anlageberatung und auch hinsichtlich der Umsetzung der MiFID II durch das 2. FiMaNoG ist dies jedoch nicht geschehen. Daher liegt eine Parallelität ohne gegenseitige Berührungspunkte des Aufsichtund Zivilrechts nicht vor.193 Eine direkte Anknüpfung der aufsichtsrechtlichen Normen an die Rechtsverhältnisse zwischen Kunde und WpDU ist mit der Rechtsprechung aufgrund des eigenständigen Charakters ebenfalls abzulehnen. Dennoch können sich in besonderen Konstellationen Verschränkungen zwischen den Teilrechtsgebieten ergeben, wenn es sich um anerkannte Grundprinzipien handelt. Da es sich um tatsächlich gebildete Grundsätze handeln muss, wird dies auch weiterhin der Ausnahmefall bleiben. 186

BGHZ 201, 310 = NJW 2014, 2947, 2950 Rn. 36. BGHZ 201, 310 = NJW 2014, 2947, 2950 Rn. 36. 188 EuGH NZG 2013, 786 ff. Dieser sprach den Wohlverhaltensregelungen ebenfalls keine zivilrechtliche Wirkung zu. s. dazu Buck-Heeb/Lang, in: BeckOGK § 675 Rn. 160. 189 s. vor allem BGHZ 170, 226, 234 = NJW 2007, 1876, 1878 Rn. 23; BGH NJW 2009, 1416, 1417 Rn. 12 m. Anm. Dieckmann/Langen. 190 Harnos, BKR 2014, 1, 8; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 29; vgl. Fuchs, in: Fuchs, WpHG, Vor §§ 31 ff. Rn. 83a „Gefahr vor gewissen ,Automatismen‘“. 191 s. zur Flexibilität Koch, ZBB 2014, 212. 192 In diese Richtung ebenfalls Koch, ZBB 2014, 212, 216; Forschner, Wechselwirkungen von Aufsichtsrecht und Zivilrecht, 207. 193 Ähnlich Buck-Heeb, ZIP 2013, 1401, 1411 „dass eine Wirkung eintritt“; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, Vor §§ 31 ff. Rn. 83a; jegliche Wirkung ablehnend Krisl, Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG, 59. 187

G. Kundenklassifikation

55

III. Weitergehende zivilrechtliche Pflichten möglich? Sofern unter Hinweis auf den vollharmonisierenden Charakter der MiFID I darauf verwiesen wird, dass dieser auch das Zivilrecht betrifft,194 so ist dies mit derselben Begründung, wie bereits im 1. Teil F.I. gefunden, entschieden abzulehnen.195 Dies gilt auch für die MiFID II. Da weder eine Maximalharmonisierung noch Gesetzgebungskompetenz auf europäischer Ebene zur Regelung des Zivilrechts besteht – dies wurde ausdrücklich durch den EuGH bestätigt –, stellt es auch keine Umgehung der Richtlinie dar, wenn strengere zivilrechtliche Pflichten durch die Parteien vereinbart werden.196 Solche strengeren Pflichten erfüllen sogar das Richtlinienziel des Anlegerschutzes stärker, als die aufsichtsrechtlichen Regelungen. Da der Gesetzgeber bislang keine gesetzlichen Regelungen im Zivilrecht erlassen hat, um die Vorgaben der MiFID II umzusetzen, ist auf zivilrechtlicher Ebene in letzter Konsequenz weiterhin die Rechtsprechung mit der Auslegung des konkludent geschlossenen Beratungsvertrags, bzw. den vorvertraglichen Pflichten, betraut – ohne dass diese an die neuen Regelungen der MiFID II gebunden wäre.

G. Kundenklassifikation Nicht nur zwischen dem Zivil- und dem Aufsichtsrecht bestehen unterschiedliche Pflichten des Beraters, sondern auch innerhalb des Aufsichtsrechts. Diese richten sich danach, welche Kundengruppe beraten wird. Die Änderungen der durch die MiFID I erstmalig eingeführten (und damit für diese Arbeit als bekannt vorausgesetzt, da sie in § 31a WpHG in das nationale Recht umgesetzt wurde197) Kundenklassifizierung, sollen im Folgenden dargestellt werden, da diese die im nachfolgenden zu bewertenden Pflichten bedingen. Das dreigliedrige Kundenbild, welches zwischen Kleinanleger/Privatkunde, professioneller Kunde und geeigneter Gegenpartei unterscheidet,198 bleibt ausdrücklich erhalten.199 Dies zeigt Art. 30 Abs. 1 MiFID II, der feststellend anführt, 194

s. Mülbert, WM 2007, 1149, 1157. Assmann, FS Schneider, 36, 52. 196 Schwark, in: Schwark/Zimmer, KMRK, Vorb. zu § 31 WpHG Rn. 16; Spindler, in: L/B/ S, BankR, Kap. 33 Rn. 26 ff.; Forschner, Wechselwirkungen von Aufsichtsrecht und Zivilrecht, 205; Eberius, Regulierung der Anlageberatung und behavioral finance, 23, der keine „zivilrechtlich relevante Obergrenze“ in der MiFID I erkennt. 197 s. aber bspw. ausf. hierzu Lingen, Anlageberatung im Spannungsfeld zwischen Verbraucherschutz und Überregulierung, 69 ff.; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 97 m.w.N. 198 s. statt vieler zur Kundenklassifizierung Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 97 – 102; Brinkmann, in: Renz/Hense, Wertpapier-Compliance in der Praxis, 323, jeweils m.w.N. 199 Vgl. ErwG. 86, 103 MiFID II; Buck-Heeb, ZHR 177 (2013), 310, 335; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 32. 195

56

1. Teil: Einführung

dass WpDU geeignete Gegenparteien redlich, ehrlich und professionell beraten müssen – ein solcher Passus war in der MiFID I für diese nicht explizit enthalten.200 Aufgrund der Erkenntnis aus der Finanzmarktkrise, dass es nicht nur dem Kleinanleger schwerfällt, Investitionsrisiken zu erkennen, sondern auch Anlegern aus den anderen Kategorien, werden einige Wohlverhaltenspflichten auch auf die Beziehung zu geeigneten Gegenparteien ausgedehnt.201 Darüber hinaus soll keine Kategorisierung der kommunalen Behörden und Gebietskörperschaften als geeignete Gegenpartei erfolgen.202 Für die deutsche Aufsichtspraxis ergibt sich hieraus jedoch kein Handlungsbedarf, da dies bereits die ständige Verwaltungspraxis der BaFin darstellt.203 Eine klarstellende Regelung in § 31a WpHG wäre hierfür wünschenswert gewesen, erhielt jedoch keinen Einzug durch das 2. FiMaNoG in den neuen § 67 WpHG. Eine Verschärfung derart, dass angenommen werden kann, der professionelle Kunde verfüge über entsprechende finanzielle Mittel, um Verluste tragen zu können, gilt gem. Art. 54 Abs. 3 UA 2 MiFID II-DLVO nur noch für sog. geborene professionelle Kunden. Das Argumentum e contrario zeigt, dass bei gekorenen professionellen Kunden Informationen zu den finanziellen Verhältnissen und Kenntnissen eingeholt werden müssen.204 Für diesen darf der Berater nur noch annehmen, dass er entsprechende Erfahrungen und Kenntnisse hinsichtlich Finanzanlagen habe und damit Risiken adäquat einschätzen könne. Dies ist mit Blick auf die Voraussetzungen der Hochstufungsoption des Privatkunden zu einem professionellen Kunden stringent. Denn für die Hochstufung gem. Anhang II Abschnitt 2 MiFID II205 genügt es, wenn nur zwei der drei Optionen vorliegen, also der Kunde an dem relevanten Markt während der vier vorhergehenden Quartale durchschnittlich pro Quartal zehn Geschäfte von erheblichem Umfang abgeschlossen hat und zugleich mindestens ein Jahr lang in einer beruflichen Position im Finanzsektor tätig ist oder war, die Kenntnisse über die geplanten Geschäfte oder Dienstleistungen voraussetzt.206 Die dritte Voraussetzung – nach der der Kunde im Besitz eines Finanzinstrument-Portfolios sein muss, welches sowohl Bardepots und Finanzinstrumente umfasst, als auch 500.000 EUR übersteigt –, die die finan200

Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 32. So muss bspw. auch die geeignete Gegenpartei gem. Art. 30 Abs. 1 i.V.m. Art. 24 Abs. 4, 5, Art. 25 Abs. 6 MiFID II über die Kosten der Wertpapierdienstleistung aufgeklärt werden. ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.12 Nr. 3; ErwG. 104 MiFID II; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 32; ders., ZBB 2016, 226, 228; Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 224 f. 202 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33, Rn. 101; Balzer, ZBB 2016, 226, 228; Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 224 f. 203 Vgl. Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 224 f.; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 101; Kurz, DB 2014, 1182, 1185; Balzer, ZBB 2016, 226, 228; BaFin, GZ: WA 31-Wp 2002 – 2007/ 0127, Rundschreiben R 33 – 2/2012 Derivative Zinsgeschäfte auf kommunaler Ebene. 204 Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 263. 205 § 31a Abs. 7 S. 3 WpHG enthält ebenfalls diese Anforderungen. 206 A.A. Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 263. 201

G. Kundenklassifikation

57

zielle Belastbarkeit des Kunden nachweist, bliebe bei diesem Beispiel unberücksichtigt. Allerdings könnte sich eine solche Belastbarkeit bereits aus der Voraussetzung der zehn Geschäfte pro Quartal im erheblichen Umfang ergeben. Eine weitere Änderung im Rahmen des professionellen Kunden ist die grds. Einstufung von regionalen und nationalen Regierungen (bspw. die deutschen Bundesländer) und deren Schuldenverwaltungen als professionelle Kunden gem. Anhang II Abs. 3 MiFID II.207 Es überrascht, dass die MiFID II keine eigenständige positive Definition des Kleinanlegers einführt.208 Lediglich aus Art. 4 Abs. 1 Nr. 11 MiFID II ergibt sich eine Negativdefinition. Demnach ist ein Kleinanleger jede natürliche oder juristische Person, die kein professioneller Kunde ist. Dies stimmt mit der deutschen Definition des Privatkunden überein, § 31a Abs. 3 WpHG. Allerdings nutzt auch der deutsche Gesetzgeber den Begriff des Kleinanlegers, so bspw. bei der Einführung des Kleinanlegerschutzgesetzes.

207

s. dazu bereits Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 224. Kritisch bezüglich des Schutzes für „unterdurchschnittliche Anleger“ Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 225. 208

2. Teil

Zuwendungen A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis I. Europäische Regelung 1. Der Interessenkonflikt durch Zuwendungen im Gesetzgebungsverfahren Nicht ohne Grund ist eines der Ziele der MiFID II, insb. des im Folgenden zu besprechenden Art. 24 MiFID II, das Vertrauen der Anleger in den Finanzmarkt zurückzugewinnen. Dieses hat nicht zuletzt durch die Finanzmarktkrise Schaden genommen. Allen voran hat die Insolvenz von Lehman-Brothers bei einem Großteil der Anleger den Eindruck hinterlassen, dass Anlageberater nicht in ihrem, sondern im eigenen Interesse beraten.1 Die Berater seien einem ständigen Verkaufsdruck durch das Unternehmen ausgesetzt, sodass ein guter Verkäufer zugleich ein schlechter Berater sein müsse.2 Zudem werde der Anleger nicht ausreichend über die Kosten informiert und der Verkäufer hauptsächlich auf den Vertrieb hausinterner Produkte getrimmt.3 Dies greift nun Art. 24 Abs. 4 MiFID II auf, indem künftig zwischen der abhängigen, also der provisionsgestützten, und der unabhängigen, der honorarbasierten, Anlageberatung unterschieden werden soll. Schließlich machte der europäische Gesetzgeber die Zuwendungen, die der Berater nicht direkt mit dem Kunden mittels Beratungsvertrag vereinbart,4 sondern in Form von Provisionen durch den Emittenten des Produkts erhält – sofern der Kunde auch dieses Produkt erwirbt – als Hauptaspekt für die Beeinflussung des Beraters aus.5 Der Berater erhält eine Vergütung in Form einer Transaktionsgebühr oder, wenn das Anlageobjekt aus Teilen an Investmentfonds bzw. Zertifikaten besteht und hierbei Verwaltungsgebühren oder Ausgabeaufschläge anfallen, in Form von Provisionen.6 1 2 3 4 5 6

Reiter/Methner, WM 2013, 2053. Reiter/Methner, WM 2013, 2053. Reiter/Methner, WM 2013, 2053. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 102. Pfisterer, Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz, 31. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 102.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

59

Ohne Zweifel kann durch diese Praxis ein Interessenkonflikt seitens des Beraters entstehen, indem dieser nicht eine risikoadäquate Mehrung des Anlagevermögens im Kundeninteresse verfolgt, sondern eine überdurchschnittliche, zumeist riskante Kapitalerhöhung, um letztlich seine Provision zu maximieren.7 Da der Berater zugleich ein größeres Wissen über den Kapitalmarkt und die Vergütungssituation aufweist, liegt ein typischer Prinzipal-Agent-Konflikt vor.8 Durch die Finanzmarktkrise zeichnete sich ab, dass die bestehenden Regelungen der MiFID I und der MiFID I-DRL, die mit §§ 31 ff. WpHG im nationalen Recht umgesetzt wurden, aufgrund der in der Praxis weit ausgeschöpften Ausnahmeregelungen9 nicht genügen. Deshalb forderte die Kommission in ihrem Consultation Paper zur Überarbeitung der MiFID I und – trotz erheblicher Kritik – im Kommissionsentwurf ein Zuwendungsverbot für Anlageberater und Portfolioverwalter für den Fall, dass diese sich als unabhängige Anlageberater firmieren.10 Insgesamt versuchte die Kommission dem oben beschriebenen Interessenkonflikt durch die Einführung einer sog. unabhängigen Beratung zu begegnen.11 Dieser Vorschlag liegt, wie sich zeigen wird, nahe bei der endgültigen Regelung. Denn die Kommission sah, neben zusätzlichen Anforderungen, für die unabhängige Beratung in Art. 24 Abs. 5 MiFID II-E ein Annahmeverbot von Provisionen oder monetären Vorteilen von einem Dritten, oder die im Namen eines Dritten gezahlt wurden, vor.12 Nach ErwG. 51 MiFID II-E sollten nicht-monetäre Vorteile, wie bspw. Schulungen, weiterhin angenommen werden dürfen, sofern sie das WpDU nicht beeinträchtigen im bestmöglichen Kundeninteresse zu handeln.13 Ein vollständiges Provisionsverbot wurde aus Kostengründen jedoch abgelehnt.14 Während auch der Entwurf des Rates ein ähnliches Provisionsverbot vorsah,15 das vorab zu Spannungen zwischen den befürwortenden (Großbritannien und Nieder7 Reiter/Methner, WM 2013, 2053, 5054 f.; Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 102; Pfisterer, Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz, 31. 8 Reiter/Methner, WM 2013, 2053, 2054; Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 793 ff. s. für das Problem der versteckten Informationsasymmetrie Akerlof, 84 Q.J. ECON 488 (1970), der anhand des Beispiels des Gebrauchtwagenmarkts anschaulich darstellt, dass der Kunde (Gebrauchtwagenkäufer) ohne Information die Qualität des Produkts (Gebrauchtwagen) nicht sinnvoll beurteilen und damit keine optimale Entscheidung treffen kann. 9 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 102. Teilweise wurde den Anforderungen auch nicht nachgekommen, s. Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 795. 10 Europäische Kommission, Public Consultation – Review of the Marktes in Financial Instruments Directive (MiFID), S. 60; Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 102; Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 797. 11 Veil/Lerch, WM 2012, 1065, 1069. 12 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 104. 13 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 104. 14 Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 797. 15 Europäischer Rat, Proposal for a Directive of the European Parliament and of the Council on markets in financial instruments repealing Directive 2004/39/EC of the European Parliament

60

2. Teil: Zuwendungen

landen)16 und den ablehnenden Mitgliedstaaten (bspw. Frankreich) führte, machte sich der im Anschluss an diese Veröffentlichung zusammentretende Ausschuss für Wirtschaft und Währung (ECON-Ausschuss) energisch für mehr Transparenz an Stelle von Provisionsverboten stark und widersprach damit dem Konzept des unabhängigen Beraters.17 Seiner Ansicht nach würden durch die Einführung des Begriffs „unabhängige Beratung“ alternative Formen als nachteilig empfunden.18 Daher verwundert es auch nicht, dass der kurz darauf erschienene Vorschlag des Europäischen Parlaments19 hinter dem Kommissionsentwurf zurückbleibt und kein allgemeines Provisionsverbot vorsieht.20 Insgesamt hält aber auch dieser Vorschlag an dem Konzept eines unabhängigen Anlageberaters und dessen Provisionsverbot fest.21 Letztlich hielt das Konzept zur Einführung einer unabhängigen Beratung auch der Trilog-Verhandlung stand.22 2. Aktuelle Fassung des Art. 24 MiFID II In der nun endgültigen Fassung sind die unabhängige Beratung in Art. 24 Abs. 4, 7 MiFID II und die neuen Zuwendungsregelungen für die abhängige Beratung in Art. 24 Abs. 9 MIFID II (s. 2. Teil B.I.1.) im Abschnitt 2 geregelt. Dieser erhält Bestimmungen zum Anlegerschutz in Form von „Allgemeine[n] Grundsätze[n] der Kundeninformation“. Gem. Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. a) i) MiFID II muss dem Kunden vor Beginn des Anlageberatungsgespräches durch den Anlageberater mitgeteilt werden, ob dieser die Anlageberatung unabhängig erbringt. Eine Legaldefinition der unabhängigen Beratung erfolgt nicht.23 Vielmehr wird die neue Form der unabhängigen Beratung and of the Council (Recast) – Presidency Compromise of 20 June 2012, 2011/0298 (COD) (s. 1. Teil, Fn. 15); „restriktiver“ Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 104. 16 Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 797. 17 Europäisches Parlament, Ausschuss für Wirtschaft und Währung, Entwurf eines Berichts über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente zur Aufhebung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (Neufassung) v. 16. 3. 2012, 2011/0298(COD), S. 136. Vgl. hierzu Veil/Lerch, WM 2012, 1605, 1608 f.; Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 798; Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 104. 18 Europäisches Parlament, Ausschuss für Wirtschaft und Währung, Entwurf eines Berichts über den Vorschlag für eine Neufassung der MiFID, 16. 03. 2012, 2011/0298(COD), S. 136; Veil/Lerch, WM 2012, 1605, 1608; Müchler/Trafkowski, 2013, 101, 104. 19 Europäisches Parlament, Änderungen v. 26. 10. 2012 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente zur Aufhebung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (Neufassung), COM(2011)0656 – C7 – 0382/2011 – 2011/0298(COD), P7_TA-PROV(2012)0406. 20 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 103. 21 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 103. 22 Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation, 798. 23 Zum Entwurf Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 104.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

61

„durch die Hintertüre“24 in das Gesetz eingeführt; die Voraussetzungen für diese ergeben sich nämlich aus den folgenden Absätzen des Art. 24 MiFID II. Dies mag daran liegen, dass die unabhängige Beratung keine eigenständige Form der Wertpapierdienstleistung sein soll, sondern eine Unterform der allgemeinen Anlageberatung.25 Nach Art. 24 Abs. 7 lit. b) S. 1 MiFID II darf der Berater bzw. das WpDU keine „[…] Gebühren, Provisionen oder andere monetäre und nichtmonetäre Vorteile einer dritten Partei oder einer Person, die im Namen einer dritten Partei handelt […]“ annehmen oder behalten, wenn die unabhängige Anlageberatung angeboten wird.26 Daher erscheint es auf den ersten Blick so, als sei tatsächlich ein Provisionsverbot für den Anlageberater im Rahmen der unabhängigen Anlageberatung eingeführt worden. Jedoch statuiert S. 2 eine Ausnahmeregelung hierfür: „Kleinere nichtmonetäre Vorteile, die die Servicequalität für den Kunden verbessern können und die von ihrem Umfang und ihrer Art her nicht vermuten lassen, dass sie die Einhaltung der Pflicht der Wertpapierfirma, im bestmöglichen Interesse ihrer Kunden zu handeln, beeinträchtigen, sind unmissverständlich offenzulegen und fallen nicht unter diesen Buchstaben.“. Ein gänzliches Verbot der Provisionszahlung existiert also auch für die unabhängige Anlageberatung nicht. Zusätzlich sieht Art. 24 Abs. 7 lit. a) MiFID II, wie der Kommissionsentwurf, weitere Voraussetzungen für die unabhängige Anlageberatung vor. So muss das WpDU „[…] eine ausreichende Palette von auf dem Markt angebotenen Finanzinstrumenten [bewerten], die hinsichtlich ihrer Art und Emittenten oder Produktanbieter hinreichend gestreut sein müssen […]“. Damit soll gewährleisten werden, „[…] dass die Anlageziele des Kunden in geeigneter Form erreicht werden können […]“, Art. 24 Abs. 7 lit. a) MiFID II. Zugleich darf gem. Art. 24 Abs. 7 lit. a) i) MiFID II keine Beschränkung auf solche Finanzprodukte vorgenommen werden, die „von der Wertpapierfirma selbst oder von Einrichtungen emittiert oder angeboten werden, die in enger Verbindung zur Wertpapierfirma stehen,“ oder gem. Art. 24 Abs. 7 lit. a) ii) MiFID II, die „von anderen Einrichtungen emittiert oder angeboten werden, zu denen die Wertpapierfirma so enge rechtliche oder wirtschaftliche Beziehungen, wie etwa Vertragsbeziehungen, unterhält, dass das Risiko besteht, dass die Unabhängigkeit der Beratung beeinträchtigt wird“. In Zusammenschau mit der nach MiFID I bereits eingeführten Pflicht des Anlageberaters, die Anlageempfehlung im besten Kundeninteresse zu erbringen, ergibt sich daraus eine deutliche Stärkung der Unabhängigkeit der Beratung.27 Zum einen werden der zu analysierende Markt und damit das zu bewertende Produktspektrum festgelegt und ausgedehnt, und zum anderen muss der Anlageberater daraus das am besten ge-

24 25 26 27

Veil/Lerch, WM 2012, 1605, 1608; i.E. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 104. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 104. s. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120a. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 104.

62

2. Teil: Zuwendungen

eignete Finanzinstrument auswählen.28 Indem der Kunde zu Beginn des Gesprächs über die Beratungsform und damit indirekt über den Umfang der Analyse informiert werden muss, könnte sich diese als Vorteil für die unabhängige Beratung herausstellen.29 Hierfür müsste dies allerdings dem Anleger bewusst werden, was durch die alleinige Aufklärung über die zu erbringende Beratungsform nicht der Fall sein wird. 3. Vorbereitung der Level-2-Maßnahmen durch ESMA In einem ersten Consultation Paper vom 22. 05. 2014 (s. zum Arbeitsauftrag von ESMA 1. Teil B.) veröffentlichte ESMA notwendige Voraussetzungen hinsichtlich der unabhängigen Beratung allgemein und speziell hinsichtlich des Auswahlprozesses für die zu empfehlenden Anlageobjekte.30 Entgegen aller Vorurteile berücksichtigte ESMA überwiegend die hierzu in einer Vielzahl eingegangene Kritik31 und veröffentlichte im Anschluss am 19. 12. 2014 in ihrem Final Report einen abgeänderten Final Advice.32 a) Die Analyse für einen hinreichenden Marktüberblick Ein wesentliches Anliegen von ESMA war die Konkretisierung der Maßstäbe für die Unabhängigkeit der Anlageberatung.33 Die Anforderungen an den hinreichenden Überblick über die am Markt verfügbaren Finanzanlageprodukte sind für ESMA ein wesentliches Kriterium zur Feststellung der Unabhängigkeit.34 ESMA betont, dass eine genaue Anzahl hierfür nicht beziffert werden kann, sondern vielmehr im Einzelfall zu bestimmen ist – aber keinesfalls von den Interessen des WpDU oder des Anlageberaters beeinflusst werden darf.35 Nach Ansicht von ESMA muss das WpDU – sofern es eine unabhängige Beratung erbringen möchte – einen Auswahlprozess definieren und implementieren, der zum einen nach Typ, Emittent oder Anbieter diversifiziert und sich nicht auf eigene Produkte oder solche von eng verbundenen Unternehmen beschränkt.36 Letztere Voraussetzung ergänzte ESMA in ihrem Final Advice, sodass für das Vorliegen einer engen Verbindung nun auch andere wirtschaftliche oder rechtliche Verbindungen

28

Vgl. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 104. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 104. 30 ESMA, Consultation Paper. 31 Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 163. 32 Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 163. 33 Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 150. 34 ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.16, Nr. 7; Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 150. 35 ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.16, Nr. 8, 10. 36 ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.16, Nr. 1. i); ESMA, Final Report, Kap. 2.16, S. 147, TA Nr. 1 i). 29

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

63

berücksichtigt werden müssen.37 Weiterhin gibt ESMA den WpDU vor, dass die in der Analyse enthaltenen eigenen emittierten Finanzprodukte proportional zur Gesamtzahl aller bewerteten Produkte stehen müssen.38 Zudem sollte die Auswahl einen verhältnismäßigen Umfang hinsichtlich der Anzahl und der Auswahl der Produkte, gemessen am Beratungsumfang, widerspiegeln. Zugleich sollten auch Auswahl und Anzahl den substantiellen Teil der am Markt verfügbaren Finanzprodukte abbilden.39 Hier reduzierte ESMA – auch aufgrund der Kritik in den eingegangenen Stellungnahmen40 – richtigerweise die Anforderungen derart, dass nur noch adequatly representative Produkte der Analyse zugrunde gelegt werden müssen und nicht mehr der substantial part der am Finanzmarkt verfügbaren Produkte abgebildet werden muss.41 Für die WpDU war die Einschränkung notwendig, um eine qualitative und nicht ausufernde Analyse fertigen zu können – schließlich sollte die Qualität über der Quantität stehen. Dennoch ist zu berücksichtigen, dass es sich zwar bei der Analyse um einen kostenrelevanten Faktor handelt, die geforderten Informationen aber den Instituten, die zugleich Eigenhandel betreiben, ohnehin vorliegen und damit nur eine untergeordnete Rolle spielen.42 Zuletzt soll nach Ansicht von ESMA ein Vergleich der Finanzprodukte derart stattfinden, dass all ihre relevanten Aspekte – u. a. Risiken, Kosten, Komplexität und Kundenstruktur – berücksichtigt werden.43 Dadurch werde sichergestellt, dass weder die Auswahl noch die Empfehlung des Instruments in einseitiger Weise vorgenommen wurde.44 Dieser Vergleich ist zwingende Voraussetzung für die Erbringung der unabhängigen Beratung.45 Allerdings darf das WpDU sich auf Produktgruppen (range) spezialisieren, wenn dies für die Kunden erkennbar ist und nur solche mit gleichem Interessenschwerpunkt anspricht.46 Um dies zu gewährleisten muss der Kunde bestätigen, dass er nur in dieser bestimmten Produktgruppe investieren möchte.47 Zugleich muss das WpDU diese auch für ihn als geeignet bewerten.48 Eine solche Spezialisierung ermöglicht es mehreren, insb. kleineren WpDU, den Zugang 37

Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 162. ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.16, Nr. 1 iv); ESMA, Final Report, Kap. 2.16, S. 147, TA Nr. 1 iv). 39 ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.16, Nr. 1 ii), iii). 40 Vgl. ESMA, Final Report, Kap. 2.16, S. 145, Nr. 6; kritisch Walz, RdF 2014, 198, 200. 41 ESMA, Final Report, Kap. 2.16, S. 147, TA Nr. 1 iii); Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 158. 42 Veil/Lerch, WM 2012, 1065, 1069. 43 ESMA, Final Report, Kap. 2.16, TA Nr. 1 v). 44 Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 151 zum CP. 45 ESMA, Final Report, Kap. 2.16, TA Nr. 2. 46 ESMA, Final Report, Kap. 2.16, TA Nr. 3; Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 151 zum CP. 47 ESMA, Final Report, Kap. 2.16, TA Nr. 3 iii); Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 151 zum CP. 48 ESMA, Final Report, Kap. 2.16, TA Nr. 3 iv). 38

64

2. Teil: Zuwendungen

zur unabhängigen Beratung zu öffnen. Die noch im Consultation Paper vorgesehene Pflicht, den Kunden bei Fehlen der Geeignetheit an ein anderes Institut zu verweisen, hat ESMA nicht im Final Advice aufgenommen.49 Damit wurde von der Vorlage des britischen Rechts, welches eine solche Verweispflicht vorsieht, abgewichen (s. 2. Teil C.II.1.b)aa)(2)). Dies ist jedoch zu begrüßen, da auch in keiner anderen Branche eine Verweispflicht an den Konkurrenten besteht. Den Anlageberatern würden erneut strengere Pflichten auferlegt, ohne dass diese von weiteren Nutzen wären, da es dem mündigen Anleger durchaus zugetraut werden kann, sich eigenständig ein anderes Institut herauszusuchen. Immerhin klappt dies bei Autoverkäufern, Friseuren, Ärzten etc. auch. b) Organisatorische Trennung der Beratungsformen Zugleich entwirft ESMA organisatorische Anforderungen für die WpDU, die beide Beratungsformen parallel anbieten. Diese sind verpflichtet eine fortlaufende Kontrolle darüber einzurichten, dass beide Beratungsformen getrennt voneinander erfolgen.50 Anknüpfungspunkt ist hierbei die relevant person. Diese darf nicht zugleich abhängige und unabhängige Beratung erbringen. Ebenso soll dadurch sichergestellt werden, dass der Kunde nicht über die zu erbringende Art der Beratung verwirrt wird.51 Eine genaue Definition der relevant person erhält auch der Technical Advice nicht. Eine solche wäre hilfreich, da eine vollständige Trennung gerade bei kleineren WpDU nicht umsetzbar ist und dies auf den Verzicht des Angebots einer Beratungsform hinaus läuft.52 Aus ESMAs Erklärung lässt sich jedoch ableiten, dass mindestens der einzelne Anlageberater gemeint ist.53 Hieraus darf jedoch nicht der Rückschluss gezogen werden, dass dies bereits für die geforderte Trennung ausreicht, da so der Beeinflussung durch die übergeordnete Ebene (bspw. in Form von Verkaufszahlen oder Produktvorgaben mit Wissen um die darin enthaltenen Provisionen) nicht entgegengewirkt werden kann.54 c) Sonstige Anforderungen Neben der Analyse als Merkmal der Unabhängigkeit sieht ESMA auch eine Informationspflicht über die Form der Anlageberatung vor.55 Diese soll rechtzeitig vor der Erbringung der Wertpapierdienstleistung auf einem dauerhaften Datenträger erfolgen (Nr. 4 i). Damit die Unabhängigkeit zum Unterscheidungsmerkmal wird, 49 ESMA, Final Report, Kap. 2.16, S. 146, Nr. 9, Kap. 2.16, S. 148, TA Nr. 3 iv); Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 159. 50 ESMA, Final Report, Kap. 2.16, S. 146, Nr. 11, Kap. 2.16, S. 148, TA Nr. 4 iii). 51 ESMA, Final Report, Kap. 2.16, S. 146, Nr. 11. 52 Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 156; s. Witteck, Interview v. 14. 09. 2016. 53 Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 160. 54 So aber Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 160. 55 ESMA, Final Report, Kap. 2.16, S. 148, TA Nr. 4.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

65

soll die Bezeichnung als solche nicht als allgemeine Firmierung des WpDU möglich sein, sondern nur für den unabhängigen Bereich (Nr. 4 ii)). 4. Delegierte Rechtsakte der Kommission Artt. 12 und 13 der MiFID II-DLRL konkretisieren die Annahme von monetären und nicht-monetären Vorteilen. Hingegen enthalten Artt. 52 und 53 MiFID II-DLVO weitergehende Angaben zu den Voraussetzungen der unabhängigen Anlageberatung. Diese sind aufgrund der Form der Verordnung direkt anwendbar. Die Vorgaben der zuerst genannten Richtlinie müssen hingegen von den nationalen Gesetzgebern umgesetzt werden. a) Delegierte Richtlinie (EU) 2017/593 (MiFID II-DLRL) aa) Die schnellstmögliche Auszahlung der erhaltenen Zuwendung Mit dem Ziel detaillierte Bedingungen für die Annahme oder Vergabe von Anreizen zu schaffen und damit den Anlegerschutz und die Beratungsqualität zu verbessern, reglementiert die Kommission in Art. 12 Abs. 1 MiFID II-DLRL die Auszahlung der erhaltenen Provision, der Gebühr oder des nicht-monetären Vorteils an den Kunden. Diese soll so schnell wie nach vernünftigem Ermessen möglich erfolgen. Für die Auszahlung müssen die WpDU Unternehmensleitlinien erstellen, die gewährleisten, dass die erhaltenen Vergütungen jedem Kunden zugeordnet und ausgezahlt werden, Art. 12 Abs. 1 UA 1 MiFID II-DLRL. Über die Auszahlung ist der Kunde regelmäßig, bspw. im Bericht, zu informieren, Art. 12 Abs. 1 UA 3 MiFID II-DLRL. Allerdings gibt die Kommission, trotz des Erfordernisses der schnellstmöglichen Auszahlung, keine generelle Zeitvorgabe vor, da die angenommenen Zahlungen zu unterschiedlichsten Zeitpunkten beim WpDU eingehen und mehrere Kunden gleichzeitig betreffen können.56 Für Unternehmen, die sowohl Ausführungs- als auch Analysetätigkeiten anbieten, wird eine separate Bepreisung der Dienstleistungen vorgesehen.57 bb) Katalog zur Bestimmung der geringfügigen nicht-monetären Vorteile Des Weiteren übernimmt die Kommission ESMAs Modell eine nicht abschließende Aufzählung zur Bestimmung von geringfügigen nicht-monetären Vorteilen einzuführen, die angenommen werden dürfen, Art. 12 Abs. 3 MiFID II-DLRL. Diese 56 57

ErwG. 24 MiFID II-DLRL. ErwG. 26 MiFID II-DLRL.

66

2. Teil: Zuwendungen

Vorteile müssen dennoch vor der Erbringung der Dienstleistung offengelegt werden, Art. 12 Abs. 3 UA 3 MiFID II-DLRL. Eine geringfügige nicht-monetäre Vergütung liegt nach Ansicht von ESMA und der Kommission vor, wenn sie „[…] vertretbar und verhältnismäßig und […] sich in einer Größenordnung [bewegt], die es unwahrscheinlich macht, dass sie das Verhalten der Wertpapierfirma in einer Weise beeinfluss[t], die den Interessen des betreffenden Kunden abträglich ist“, Art. 12 Abs. 3 UA 2 MiFID II-DLRL. Als Beispiele nennt die Kommission die „Information oder Dokumentation zu einem Finanzinstrument oder einer Wertpapierdienstleistung, die generisch angelegt oder individuell auf die Situation eines bestimmten Kunden abgestimmt ist“ (Art. 12 Abs. 3 lit. a) MiFID II-DLRL) oder die „Teilnahme an Konferenzen, Seminaren und anderen Bildungsveranstaltungen zu den Vorteilen und Merkmalen eines bestimmten Finanzinstruments oder einer bestimmten Wertpapierdienstleistung“ (Art. 12 Abs. 3 lit. c) MiFID II-DLRL), bzw. die „Bewirtung in vertretbarem Geringfügigkeitswert, wie Bewirtung während geschäftlicher Zusammenkünfte oder der […] [zuvor] genannten Konferenzen, Seminaren und anderen Bildungsveranstaltungen“ (Art. 12 Abs. 3 lit. d) MiFID II-DLRL). Ebenso beurteilt die Kommission – bei entsprechender Offenlegung – Schriftmaterial von Emittenten bzw. potentiellen Emittenten, welches bei Dritten in Auftrag gegeben wurden, oder diese dafür bezahlt werden für die Neuemission zu werben, bzw. wenn der Dritte beauftragt wird, laufend ein solches Material zu fertigen.58 Kleinere Marktkommentare zu Wirtschaftsstatistiken, die zur Verfügung gestellt werden, sowie Informationen über bevorstehende Veröffentlichungen, wenn diese nur die eigene Meinung wiedergeben und keine substantielle Analyse enthalten, sollen ebenfalls hierunter fallen.59 Hingegen soll jeder nicht-monetäre Vorteil, der die Übertragung von Wertmitteln Dritter auf das WpDU beinhaltet, nicht als geringfügig angesehen werden.60 Gleichzeitigt wird darin die Beeinträchtigung der Verhaltenspflicht des WpDU im bestmöglichen Kundeninteresse zu handeln gesehen.61 Eine solche nicht abschließende Aufzählung ist zu begrüßen, da sie den Banken praktische Beispiele an die Hand gibt, die auch einen Rückschluss auf nicht aufgelistete Situationen zulassen und damit den Umgang mit nicht-monetären Zuwendungen insgesamt erleichtert. cc) Das Analysekonto Zahlungen für externe Analysen, die über ein sog. Analysekonto finanziert werden, werden unter den Voraussetzungen des Art. 13 MiFID II-DLRL ebenfalls 58 59 60 61

ErwG. 29 MiFID II-DLRL. ErwG. 29 MiFID II-DLRL. ErwG. 30 MiFID II-DLRL. ErwG. 30 MiFID II-DLRL.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

67

nicht als Anreize gewertet.62 So ist die Analyse eines Drittens dann kein Anreiz, wenn sie über das Analysekonto, auf welches ausschließlich Gelder des Kunden für die jeweilige Analyse fließen, gezahlt werden, Art. 13 Abs. 1 MiFID II-DLRL. Der Betrag, der für die Analyse bezahlt werden soll, darf sich nicht an dem Volumen und/ oder dem Wert des für den Kunden ausgeführten Geschäfts richten, sondern muss von dem WpDU festgesetzt werden.63 Vor allem muss die Qualität der Analysen laufend durch das Wertpapierunternehmen geprüft werden, Art. 13 Abs. 5 MiFID II-DLRL. Dieses ist zudem für das Analysekonto haftbar, Art. 13 Abs. 1 lit. b) iii) MiFID IIDLRL. Wird ein solches Analysekonto genutzt, müssen dem Kunden vor der Analyse die Kosten dafür offengelegt werden sowie eine jährliche Information über die Gesamtkosten erfolgen, Art. 13 Abs. 1 UA 2 MiFID II-DLRL. b) Delegierte Verordnung (EU) 2017/565 (MiFID II-DLVO) aa) Die Marktanalyse Art. 53 MiFID II-DLVO legt nähere Vorgaben für das Auswahlverfahren der Finanzinstrumente fest, die in der unabhängigen Beratung bewertet werden müssen. Hier übernimmt die Kommission die Vorgaben und Wertungen von ESMA (s. 2. Teil A.I.3.a)), allerdings ohne weitergehende Konkretisierung. Sie verdeutlicht dafür erneut, dass sich ohne das Vorliegen der konkretisierten Analyse, kein Institut als unabhängig bezeichnen darf, Art. 53 Abs. 1 UA 2 MiFID II-DLVO. Insgesamt müssen jedoch alle Bewertungen auf einer angemessenen Anzahl am Markt vorhandener Finanzinstrumenten beruhen, damit die alternativen Angebote entsprechend abgebildet werden können.64 Zu der Spezialisierung auf bestimmte Produktgruppen innerhalb der Analyse verweist die Kommission richtigerweise auf die bereits am Markt bestehenden Spezialisierungen zu „grünen“ und „ethisch vertretbaren“ Anlagen.65 Hierdurch ist die vergleichbare Regelung im britischen Recht als Vorlage erkennbar, die ebenfalls eine Beschränkung auf ethisch vertretbare Produkte zulässt, wenn dies offen gelegt wird und für den jeweiligen Kunden geeignet ist (s. 2. Teil C.II.1.b)aa)(2)). Gleichzeitig wird damit noch einmal verdeutlicht, dass die Produktpalette in der unabhängigen Beratung nicht automatisch sehr breit sein muss, sondern dass Beschränkungen grds. möglich sind.66

62

Nähere Konkretisierungen für gesonderte Einzelfälle, die hier nicht näher erläutert werden sollen, trifft ESMA in ihren Q&As in Fragen 7 – 11, ESMA, Q&As investor protection, S. 47 f. 63 ErwG. 27 MiFID II-DLRL. 64 ErwG. 70 MiFID II-DLVO. 65 ErwG. 71 MiFID II-DLVO. 66 Balzer, ZBB 2016, 226, 231.

68

2. Teil: Zuwendungen

bb) Die organisatorische Trennung der Beratungsformen Die Anforderung von ESMA eine organisatorische Trennung einzuführen übernimmt die Kommission ebenfalls. Jedoch beantwortet sie die streitige Frage bis auf welche Ebene, die personelle Trennung durchgeführt werden muss, indem sie vorgibt, dass das WpDU sicherstellen muss, „[…]dass sowohl die Formen der einzelnen Beratungsleistungen als auch die Berater deutlich voneinander getrennt werden […]. Die Wertpapierfirma darf es keiner natürlichen Person gestatten, sowohl unabhängige als auch nichtunabhängige Beratungsleistungen zu erbringen.“67. Nach Ansicht der Kommission ist das Anbieten beider Beratungsformen durch denselben Berater für den Kunden irreführend.68 Damit ist bspw. eine Urlaubsvertretung bereichsübergreifend nicht möglich, jedoch die einheitliche Filialleitung, wenn diese nicht aktiv berät.69 Folglich ist künftig kleineren Banken, die eine solche Trennung aufgrund geringer Mitarbeiterzahlen organisatorisch und personell nicht erbringen können, die Pluralität beider Formen nicht möglich.70 Ob hiermit der Verbreitung der unabhängigen Beratung Hilfe geleistet wird, muss daher bezweifelt werden. Ab welcher Managementebene die Beratungsformen wieder zusammenlaufen dürfen, lässt die Kommission hingegen auch offen. cc) Aufklärungspflicht über die Beratungsform Die bereits von ESMA geforderte Aufklärung im Vorfeld der Beratung, mittels dauerhaften Datenträgers, wird durch die Kommission in Art. 53 Abs. 3 lit. a) MiFID II-DLVO aufgenommen und eine allgemeine Informationspflicht über die Unterscheidung der Beratungsformen in Art. 52 MiFID II-DLVO konkretisiert. Nach letzterer muss dem Kunden gem. Abs. 1 klar und präzise erklärt werden, ob und warum eine Beratung unabhängig oder abhängig ist – einschließlich dem Verbot in der unabhängigen Beratung Anreize anzunehmen. Werden dem Kunden beide Formen angeboten, so muss genau aufgeschlüsselt werden welche Teile welcher Beratungsform zugeordnet sind, Art. 52 Abs. 1 S. 2 MiFID II-DLVO. Zusätzlich darf sich das WpDU nicht als vollständig unabhängig bezeichnen. Unabhängig von der Beratungsform muss dem Kunden ebenfalls der Auswahlprozess der bewerteten Finanzinstrumente erläutert werden, Art. 52 Abs. 2 MiFID II-DLVO. Sind in der Auswahl sowohl eigene, bzw. Finanzinstrumente von Unternehmen mit engen Verbindungen und solche ohne enge Verbindungen, so muss hier die Trennung deutlich gemacht werden, Art. 52 Abs. 4 MiFID II-DLVO.

67

231. 68 69 70

tern.

Art. 53 Abs. 3 lit. c) MiFID II-DLVO. Dieser Ansicht ebenfalls Balzer, ZBB 2016, 226, ErwG. 72 MiFID II-DLVO. Balzer, ZBB 2016, 226, 231. s. hierzu Witteck, Interview v. 14. 09. 2016, für die Gladbacher Bank mit 140 Mitarbei-

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

69

Aus diesen Anforderungen ergibt sich, dass die WpDU künftig nicht mehr darauf verweisen können, dass sie keine unabhängige Beratungsleistung anbieten und den Kunden auf ggf. erfolgende Nachfragen nicht damit beruhigen können, dass dies der bisherigen Beratung entspricht. Sie müssen vielmehr die Unterschiede herausstellen und damit, wenn sie nur eine Beratungsform anbieten, dezidiert Auskunft über das Konkurrenzmodell geben. c) Gesamtergebnis Insgesamt zeigt sich, dass die Kommission die Ausarbeitungen von ESMA übernimmt und die Unternehmen nicht vor weitere Anforderungen stellt. Somit werden die WpDU, die sich bei der Umsetzung an die ESMA-Vorschläge hielten, keine großen Änderungen mehr auf sich nehmen müssen. Ggf. trägt hier die Kommission auch der Verzögerung und der großen Menge an umzusetzenden Vorschriften Rechnung. 5. Level-3-Maßnahmen In Form von Q&As hat ESMA weitere Klarstellungen hinsichtlich der Interpretation und der Implementierung der Vorgaben sowohl für die WpDU, als auch für die nationalen Aufsichtsbehörden erlassen. In diesen macht sie deutlich, dass auch in der unabhängigen Beratung eigene Produkte empfohlen werden können, wenn sie durch die entsprechenden Vorgaben als am besten geeignetes Produkt ermittelt wurden. Werden jedoch überwiegend eigene Produkte oder solche mit enger Verbindung empfohlen, stellt ESMA die Unabhängigkeit in Frage.71 In einem solchen Fall muss das Unternehmen gründlich und intern prüfen, ob und inwieweit das Kundeninteresse betroffen ist oder sein könnte. Dieser Prüfbericht muss dem Kunden und der nationalen Aufsichtsbehörde auf Verlangen zur Verfügung gestellt werden. Auch verdeutlicht ESMA erneut, dass kostenlose Recherchen von Drittanbietern unter Zuwendungen zu subsumieren sind und diese nur unter den besonderen Ausnahmeregelungen angenommen werden dürfen.72 Hierfür muss das WpDU entsprechende interne Regelungen einführen, die die Bestimmung eines bspw. erlaubten, geringwertigen nicht-monetären Vorteils ermöglichen. ESMA gibt hier das Beispiel, dass es sich bei detaillierten Rechercheberichten und Gesprächen mit Rechercheanalysten nicht mehr um geringwertige nicht-monetäre Vorteile handelt.73 Zusätzlich müssen diese auf die Einhaltung der speziellen Anforderungen der unabhängigen Beratung geprüft werden. Dies gilt auch für Recherchen von Unternehmen, die nicht

71 72 73

ESMA, Q&As investor protection, S. 38. ESMA, Q&As investor protection, S. 42. ESMA, Q&As investor protection, S. 44.

70

2. Teil: Zuwendungen

den Anforderungen der MiFID II unterliegen, sowie für Recherchen, die von einem anderen Unternehmen der Unternehmensgruppe erstellt wurden.74

II. Zuwendungsregelungen im deutschen Recht 1. Regelungen vor der Umsetzung der MiFID II-Vorgaben Bislang wurde im deutschen Recht, vor allem im WpHG, nicht zwischen einer abhängigen und einer unabhängigen Anlageberatung unterschieden. Vielmehr galt für alle WpDU, die Anlageberatung anbieten, die Zuwendungsregelung des § 31d WpHG, der durch das FRUG aufgrund von Art. 26 MiFID-I DRL erlassen wurde und damit die Bestimmungen über Interessenkonflikten der Artt. 18, 19 MiFID I konkretisiert.75 Für die Annahme und Offenlegung auf zivilrechtlicher Ebene findet sich zugleich eine Fülle an zivilrechtlicher Rechtsprechung. Beides soll zum besseren Vergleich kurz dargestellt werden. a) Zuwendungsverbot gem. § 31d WpHG § 31d WpHG verbietet in Abs. 1 in Zusammenhang mit der Erbringung der Anlageberatung Zuwendungen von Dritten anzunehmen oder an Dritte zu gewähren, die nicht Kunden dieser Dienstleistung sind. Ausgenommen von diesem Verbot sind jedoch solche Zuwendungen, die nach Nr. 1, „[…] darauf ausgelegt sind, die Qualität der für den Kunden erbrachten Dienstleistung zu verbessern und der ordnungsgemäßen Erbringung der Dienstleistung im Interesse des Kunden im Sinne des § 31 Abs. 1 Nr. 1 nicht entgegen“ stehen. Zugleich muss nach Nr. 2 deren „Existenz, Art und Umfang der Zuwendung oder, soweit sich der Umfang noch nicht bestimmen lässt, die Art und Weise seiner Berechnung, […] dem Kunden vor der Erbringung der Wertpapierdienstleistung oder Wertpapiernebendienstleistung in umfassender, zutreffender und verständlicher Weise deutlich offen gelegt“ werden. Dies kann in standardisierter und zusammengefasster Form gem. § 31d Abs. 3 WpHG erfolgen. Mithin wird auch im deutschen Recht die Problematik der Zuwendungen als Interessenkonflikt erkannt und in Form eines Verbotes mit Ausnahmevorbehalt eingeschränkt.76 Zuwendungen werden demnach als Auslöser für Interessenkonflikte verstanden und grds. verboten.77 § 31d WpHG liegt folglich ein ähnlicher Regelungszweck wie den Regelungen für die unabhängige Beratung zugrunde, denn 74

ESMA, Q&As investor protection, S. 45. Just, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 1; zum Begriff und der Bedeutung der Zuwendungen für den deutschen Bankensektor, s. Klee, MiFID II: Auswirkungen der geänderten Behandlung von Zuwendungen, 41, 43 f. 76 Krisl, Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG, 191; Koch, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 31d WpHG Rn. 1. 77 Assmann, ZBB 2008, 21, 23. 75

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

71

auch dieser soll verhindern, dass sich das WpDU von anderen Erwägungen als dem Kundeninteresse leiten lässt.78 Die Annahme von Zuwendungen von Dritten ist also verboten, wobei der Dritte jede Person ist, die außerhalb der Beziehung des WpDU (Anlageberater) und dem Kunden steht.79 Um den Schutzzweck der Norm zu gewährleisten, ist ein mittelbarer Bezug zwischen Zuwendung und Dienstleistung für das Vorliegen eines Dritten ausreichend.80 Die Zuwendung muss einen oben beschriebenen Interessenkonflikt begründen können.81 Ausgenommen sind mangels Interessenkonflikt nach Abs. 1 S. 2 WpHG solche Zuwendungen, die im Auftrag des Kunden an das WpDU geleistet wurden. Der Kunde muss sich jedoch der Anweisung und den daraus resultierenden Konsequenzen bewusst sein, sodass findige Umgehungsmöglichkeiten (bspw. durch die Vereinbarung einer solchen Zahlung durch AGB) ausgeschlossen sind.82 Die Voraussetzungen des § 31d Abs. 1 Nr. 1 WpHG – die Qualitätsverbesserungen und die fehlende Beeinträchtigung des Beraters aufgrund der Zuwendung seine Dienstleistung nicht ordnungsgemäß im Kundeninteresse zu erfüllen – und die der Nr. 2 – also der Offenlegung – müssen kumulativ vorliegen.83 Aufgrund dessen kann es sein, dass die Zuwendung zwar die Qualität der Dienstleistung des WpDU verbessert, aber dennoch gem. § 31d WpHG verboten ist, da sie die Voraussetzung von Nr. 2 nicht erfüllt. Der durch die Ausnahmeregelungen vorausgesetzte Mehraufwand des WpDU erschien damals tatsächlich geeignet, um Interessenkonflikte durch Zuwendungen zu beseitigen.84 Indem der europäische Gesetzgeber u. a. die Regelungen zur unab78

Koch, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 31d WpHG Rn. 2; i.E. Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31d Rn. 1a. 79 RegE FRUG, BT-Drs. 16/4028, S. 67; Just, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 17; Assmann, ZBB 2008, 21, 22; Koch, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 31d WpHG Rn. 21. Um eine Umgehung der Vorschrift zu vermeiden, werden auch solche Dritte erfasst, die kein eigenes Interesse an dem Abschluss des Geschäftes haben, folglich auch Zahlstellen, s. Rozok, BKR 2007, 217, 219, der als Dritte ebenfalls Vertriebsgesellschaften ohne wertpapieraufsichtsrechtlich relevante Tätigkeiten ansieht, die die Zahlungsströme umleiten. Ebenso werden unternehmensinterne Zuwendungen, die an die Vermittlung bestimmter Produkte geknüpft sind sowie Zuwendungen innerhalb eines Konzerns von § 31d WpHG erfasst. 80 Just, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 21. 81 Just, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 21. 82 Assmann, ZBB 2008, 21, 26; zur Unwirksamkeit der AGB-Klausel BGH NJW 2014, 924; Jordans, BKR 2015, 309, 312. 83 Just, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 27; Koch, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 31d WpHG Rn. 36; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31d Rn. 20. 84 Zum Zeitpunkt der Einführung des § 31d WpHG enthielt dieser jedoch noch in Abs. 4 eine Vermutungsregelung, die besagte, dass eine Zuwendung, die im Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung geflossen ist, eine Qualitätsverbesserung bezweckt. Eine solche wurde damals bereits als Absurdität, die die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung aushebelt, aufgefasst und ist mittlerweile gestrichen worden, s. dazu Assmann, ZBB 2008, 21, 23; ebenfalls kritisch Koch, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 31d WpHG Rn. 38.

72

2. Teil: Zuwendungen

hängigen Beratung einführt, zeigt sich, dass er die bisherige Ausgestaltung als Verbot mit Ausnahmevorbehalt als unzureichend zur Lösung des Interessenkonflikts erachtet. b) Rechtsprechung Die zivilrechtliche Rechtsprechung, die schon vor der Einführung des § 31d WpHG begann,85 setzt sich mit der Thematik des Interessenkonflikts durch KickBacks und Innenprovisionen auseinander.86 Diese soll hier nicht im Einzelnen aufgeschlüsselt, sondern nur in ihren drei Ausprägungen kurz zusammengefasst werden.87 Es lässt sich dabei eine Aufspaltung der Rechtsprechung zwischen den Aufklärungspflichten über aufklärungspflichtige Rückvergütung – auch als sog. Kick-Backs bezeichnet – und über Innenprovisionen verzeichnen sowie eine Abgrenzung zur Aufklärung über Gewinnmargen erkennen. aa) Kick-Back Vielfach hat sich der BGH in seiner Rechtsprechung mit der Definition der KickBacks, vor allem in Abgrenzung zu den Innenprovisionen, auseinandergesetzt und fortlaufend nachjustiert, u. a. weil diese regelmäßig als Ansatzpunkt für die rechtliche Beurteilung dient.88 (1) Definition: Rückvergütung Zuletzt definierte der BGH Kick-Backs wie folgt: „Aufklärungspflichtige Rückvergütungen in diesem Sinne sind – regelmäßig umsatzabhängige – Provisionen, die im Gegensatz zu versteckten Innenprovisionen nicht aus dem Anlagevermögen, sondern aus offen ausgewiesenen Provisionen wie zum Beispiel Ausgabeaufschlägen und Verwaltungsvergütungen gezahlt werden, deren Rückfluss an die beratende Bank aber nicht offenbart wird, sondern hinter dem Rücken des Anlegers erfolgt. Hierdurch kann beim Anleger zwar keine Fehlvorstellung über die Wert85

So beschäftigte sich bereits das Reichsgericht im Jahre 1905 mit versteckten Provisionen, s. RG JW 1905, 118. Auch seitens des BGH wurde die Problematik früh erkannt und in den unterschiedlichsten Konstellationen diskutiert, s. BGH NJW-RR 1990, 604; BGH NJW-RR 1992, 56; BGHZ 146, 235 = BGH NJW 2001, 962, BGH NJW 2007, 1876. 86 s. überblicksartig Habersack, WM 2010, 1245; Winter, WM 2014, 1606; Jordans, BKR 2011, 456; ders., BKR 2015, 309; Ludwig/Clouth, NZG 2015, 1369; Casper, ZIP 2009, 2409; Einsiedler, WM 2013, 1109; Zoller, BB 2013, 520. 87 Zu den jeweils einzelnen Urteilen und deren Bewertung in Bezug auf den Interessenkonflikt s. insb. Lerch, Anlageberater als Finanzintermediäre, 115 ff.; Jordans, BKR 2011, 456; ders., BKR 2015, 309; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 177 ff. 88 BGH ZIP 2009, 2380, 2383 m. Anm. Vardinek/Röh; BGH ZIP 2011, 855; BGH NJW 2011, 3231; BGH, Urt. v. 05. 11. 2013 – XI ZR 19/12 –, juris; Bruchwitz/Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 80.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

73

haltigkeit der Anlage entstehen, er kann jedoch das besondere Interesse der beratenden Bank an der Empfehlung gerade dieser Anlage nicht erkennen. Danach handelt es sich auch dann um aufklärungspflichtige Rückvergütungen, wenn diese nicht aus einem Agio oder aus Verwaltungsgebühren, sondern aus sonstigen offen ausgewiesenen Vertriebskosten fließen, wobei es auch nicht darauf ankommt, ob die Zahlung des Anlegers ’über die Bank’ oder direkt an die Fondsgesellschaft erfolgt.“89 Hierunter fallen offen ausgewiesene Aufgabeausschläge bzw. Provisionen, offen ausgewiesene Vertriebsprovisionen,90 offen ausgewiesene Eigenkapitalbeschaffungskosten91 sowie Verwaltungsgebühren.92 Damit die Zahlung umsatzabhängig ist, muss die Höhe abhängig von der tatsächlich vermittelten Anlage sein, sodass der Berater seine Provision durch die Höhe und Anzahl der vermittelten Beteiligungen bestimmen kann.93 Unerheblich ist es, ob der Kunde direkt an die Bank oder an die Fondsgesellschaft zahlt.94 Auch die Aufschlüsselung von Vertriebsprovisionen in Teilbeträge als „Weichkosten“95 steht der Einordnung als Rückvergütung nicht entgegen.96 Durch diese Beispiele zeigt sich, dass trotz zahlreicher Definitionsversuche, der Begriff weiterhin klärungsbedürftig bleibt.97 (2) Die Offenkundigkeit des Interessenkonflikts Seit seiner ersten Kick-Back-Entscheidung leitet der BGH die Aufklärungspflichten des Anlageberaters über den Erhalt von Rückvergütungen aus dem (konkludent geschlossenen) Beratungsvertrag her. So statuierte er in dieser Entscheidung, dass es die Pflicht der Bank ist, den Anleger ungefragt über Rückvergütungen vollständig, richtig und verständlich aufzuklären.98 Werden diese Pflichten verletzt, so begründet die Verletzung eine Haftung des Anlageberaters. 89 BGH, Urt. v. 05. 11. 2013 – XI ZR 19/12 Rn. 10 m.w.N.–, juris; vgl. Jordans, BKR 2015, 309, 312. 90 BGH ZIP 2014, 1165. 91 BGH ZIP 2014, 1165. Vereinnahmt die Bank aus den im Prospekt ausgewiesenen Eigenkapitalbeschaffungskosten Provisionen, so handelt es sich nach der Definition des BGH um aufklärungspflichtige Rückvergütungen, s. BGH ZIP 2014, 1165; Jordans, BKR 2015, 309, 312. 92 Erdmann, in: Assmann/Schütze, HdB KapitalanlageR, § 3 Rn. 26; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 172. 93 BGH BKR 2013, 386, 387 Rn. 18. 94 BGH ZIP 2014, 1165 Rn. 12. 95 BGH NJW-RR 2014, 559 Rn. 14. 96 BGH NJW-RR 2014, 559 Rn. 15. 97 I. E. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 172. 98 BGHZ 146, 235 = BGH NJW 2001, 962, 963 – Kick-Back I. Dem Urteil lag jedoch nicht die klassische, sich später häufig wiederholende, Konstellation zugrunde, dass der BGH darüber zu befinden hatte, ob der Zuwendungsempfänger über die Rückvergütungen hätte aufklären müssen, sondern das auszahlende Institut, vgl. Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 180.

74

2. Teil: Zuwendungen

Der BGH begründet seine Entscheidung damit, dass durch die Vergütung des Beraters die Gefahr der Einflussnahme entsteht, da der Berater durch den Erhalt veranlasst werden könnte, nicht mehr im Kundeninteresse, sondern im eigenen Interesse (Erzielung der Provision) zu handeln.99 Nach Ansicht des BGH handelt es sich um eine „schwerwiegende Treuwidrigkeit“100, wenn sich der Berater hinter dem Rücken des Kunden von der Depotbank an Provisionen und Gebühren beteiligen lässt.101 Auf diesen Interessenkonflikt stützt der BGH auch die in den nächsten Jahren folgenden Kick-Back-Entscheidungen. Insb. bestätigt und erweitert er die darauf stützende Aufklärungspflicht über Rückvergütung derart, dass neben dem Bestehen einer Rückvergütung auch über deren exakte Höhe aufgeklärt werden muss.102 Denn nur so kann der Kunde einschätzen, in welchem Umfang die Bank ein eigenes Interesse verfolgen könnte, aber auch in welchem Maß sein eigenes Interesse berücksichtig wird.103 Einschränkend fügte der BGH jedoch hinzu, dass es sich hierbei um umsatzabhängige Provisionen handeln muss.104 Die Vehemenz des BGH, mit der er die Aufklärungspflicht über die konkrete Höhe festlegt, ist erstaunlich, denn mit dieser kann der Anleger nur dann weitere Schlüsse (bspw. wie hoch oder wie stark der Anreiz für den Berater ist, genau dieses Produkt zu empfehlen) ziehen, wenn er einen Referenzwert, bspw. einen Mittelwert, kennt.105 Aus diesem Grund muss in Großbritannien neben der erhaltenen Provision auch die Höhe der marktüblichen Provision, die die Aufsichtsbehörde FCA ermittelt, bekannt gegeben werden.106 Gleichzeitig verneinte der BGH eine Aufklärungspflicht über die Beschränkung des Angebots auf hauseigene Fonds.107 Vielmehr kann der Anleger nicht erwarten, dass Produkte der Konkurrenz Berücksichtigung finden, es sei denn die Bank geriert ein solches Verhalten nach außen.108 In diesem Verhalten liegt nach Ansicht des BGH auch kein Verstoß gegen § 31 Abs. 1 S. 2 WpHG a.F., also gegen die Pflicht zur Vermeidung von Interessenkonflikten.109 Dementsprechend besteht bei konzernei99

BGHZ 146, 235 = BGH NJW 2001, 962. BGHZ 146, 235 = BGH NJW 2001, 962, 963. 101 BGHZ 146, 235 = BGH NJW 2001, 962, 963. 102 BGHZ 170, 226 = BGH NJW 2007, 1876, 1878. 103 BGHZ 170, 226 = BGH NJW 2007, 1876, 1878. 104 BGHZ 170, 226 = BGH NJW 2007, 1786, 1789. 105 A.A. Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 182 f. 106 s. zum System in Großbritannien 2. Teil C.I.; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 183. 107 BGHZ 170, 226 = BGH NJW 2007, 1876, 1878; zustimmend Sethe, FS Nobbe, 769, 780 f. 108 BGHZ 170, 226 = BGH NJW 2007, 1876, 1878. 109 BGHZ 170, 226 = BGH NJW 2007, 1876, 1878. 100

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

75

genen Produkten ebenfalls keine Aufklärungspflicht über die Rückvergütungen. Zwar ist hier ein Drei-Personen-Verhältnis gegeben, jedoch kann der Anleger, bei genauer Betrachtung der Konzernstruktur, das Gewinninteresse im Konzern erkennen.110 Deshalb besteht hier gerade keine Fehlvorstellung des Anlegers, über die er aufzuklären ist.111 (3) Die Offenkundigkeit des Interessenkonflikts bei freien Beratern Als ebenso offenkundig, wie das Interesse konzerneigene Produkte zu verkaufen, sah es der BGH (III. Senat) an, dass „freie Berater“ durch die Anlagegesellschaften Provisionen erhalten und deshalb kein Interessenkonflikt und damit auch keine Offenlegungspflicht besteht.112 Er begründet dies mit der unterschiedlichen Beratungssituation, da der Bankkunde regelmäßig weitere entgeltliche Verträge mit der Bank, so bspw. den Depotvertrag, unterhält.113 Dies ist hingegen bei einem freien Berater in der Regel nicht der Fall. Nach Ansicht des BGH erschließt sich dem typisierten Bankkunden aus diesem Vergleich die Provisionszahlung.114 Ein aufklärungsrelevanter Interessenkonflikt kann sich auch bei einem freien Anlageberater aus der Höhe der Provision ergeben, sofern diese Einfluss auf die Werthaltigkeit der Anlage nimmt.115 Deshalb besteht auch eine Aufklärungspflicht für freie Berater ab einer 15 Prozent-Schwelle für Innenprovisionen.116 Der XI. Senat übernahm diese Sichtweise und begründete die Unterscheidung ebenfalls mit einer typisierenden Betrachtungsweise, da die Bank längerfristige, kostenpflichtige Verträge mit dem Anleger unterhält.117 Zudem unterscheidet auch der Gesetzgeber in § 31d WpHG sowie hinsichtlich der Definition der Finanzdienstleistungen zwischen Berufsgruppen.118 Gleiches soll auch für dem Unternehmen angehörige Tochtergesellschaften gelten, da es sich bei ihnen um selbstständige juristische Personen handelt, gegenüber denen nach objektivierter Betrachtungsweise der Anleger keine solchen Erwartungen hegt.119

110 Eine Aufklärungspflicht alleine aus dem Drei-Personen-Verhältnis herleitend OLG Düsseldorf, Urt. v. 02. 05. 2013 – I-6 U 84/12 –, juris. 111 I. E. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 173c; Kotte, BB 2014, 1353, 1354; Habersack, WM 2010, 1245, 1251. 112 BGHZ 185, 185 Rn. 5 = NJW-RR 2010, 1064; Habersack, WM 2010, 1245, 1248. 113 BGHZ 185, 185 Rn. 5 = NJW-RR 2010, 1064. 114 BGHZ 185, 185 Rn. 5 = NJW-RR 2010, 1064. 115 Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 159. 116 BGH NJW-RR 2012, 372. 117 BGH NJW 2011, 3227 Rn. 30. 118 BGH NJW 2011, 3227 Rn. 30 f.; BGH NJW 2011, 3229 Rn. 6 f.; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 160. 119 BGH NJW 2012, 2952, 2953 Rn. 13; BGH, Urt. v. 18. 04. 2013 – III ZR 83/12 Rn. 21 ff. –, juris.

76

2. Teil: Zuwendungen

Bei näherer Betrachtung erscheint es jedoch zweifelhaft, dass der Kunde die Beratung in der Bank aufgrund bestehender Depotverträge als kostenlose Nebendienstleistung der Bank einstuft, hingegen aber die des freien Beraters als kostenpflichtige Hauptleistung.120 Vielmehr macht sich der Kunde keinerlei Gedanken über die Vergütung, sofern er nicht gesondert Beträge hierfür zahlen muss.121 Tatsächlich glaubt der Kunde nicht, er erhalte eine kostenfreie Beratung, sondern er verdrängt er die Kostenfrage.122 Indirekt sind ihm der Aufwand und das Knowhow hinter einer Beratungsleistung bewusst, anderenfalls würde er die Recherche und Anlage selbst vornehmen. Die vorgenannte Differenzierung zwischen den beiden Beratern ist auch deshalb fragwürdig, da der Anleger letztlich auch bei einem bankgebundenen Berater zu der Überlegung kommen müsste, dass die Gebühren aus seinem Depotvertrag o. ä. für eine auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Beratung unzureichend sind.123 Dies einerseits nicht wissend und die Kostendeckung annehmend, soll er nach Ansicht des BGH jedoch zugleich wissen, dass die Beratungsleistung bei einem freien Anlageberater durch einen Dritten vergütet wird. Dies ist in sich widersprüchlich. Zudem ließe sich diese Sichtweise nicht aufrechterhalten, wenn sich der Kunde zwar an ein Kreditinstitut für die Anlageberatung wendet, dort jedoch keinen Depotvertrag abschließt. Darüber hinaus müsste dann für den freien Anlageberater auch eine Aufklärungspflicht für den Fall eintreten, dass er dauerhafte Beratungsdienstleistungsverträge zur Beratung und Betreuung mit dem Anleger eingeht und sich diese Dienstleistung vergüten lässt.124 Das Abstellen auf die Erkennbarkeit des Gewinninteresses seitens des Anlegers in einer konkreten Situation ist zudem eine neue Herangehensweise des BGH.125 Zuvor ließ er dies grds. offen, bzw. der Berater musste noch grds. über die Höhe der Provision aufklären.126

120

Habersack, WM 2010, 1245, 1250 ff.; Nobbe, BKR 2011, 302, 303; Herresthal, ZBB 2010, 305, 308 m.w.N.; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 18; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 165. 121 Witteck, Interview v. 14. 09. 2016. 122 Witteck, Interview v. 14. 09. 2016; a.A. Michels/Backes, Interview v. 15. 11. 2016. 123 I. E. Fullenkamp, NJW 2011, 421, 423; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 191; Winter, WM 2014, 1606, 1609; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 165, 262. 124 OLG Stuttgart BKR 2010, 288, 291 f.; OLG München BKR 2011, 16; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 189; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 165, 161. 125 Vgl. Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 187. 126 BGHZ 170, 226 = BGH NJW 2007, 1786, 1878; BGH NJW 2009, 1416, 1417 m. Anm. Dieckmann/Langen; BGH NJW 2014, 2348.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

77

Die unterschiedlichen Aufklärungspflichten sind zwar nach der hier vertretenen Ansicht nicht stringent,127 stehen jedoch im Einklang mit der Ansicht des BGH, dass weder über Konkurrenzprodukte beraten werden muss, noch darüber, dass ausschließlich konzerneigene Produkte angeboten werden, da der Kunde dies nicht erwarten kann. Aufgrund der Statuierung eines „flächendeckenden – aufsichtsrechtlichen – Transparenzgebots“128 durch den XI. Senat in seiner Entscheidung vom 03. 06. 2014 (s. 1. Teil F.II.), ist es nicht unwahrscheinlich, dass auch der III. Senat aus diesem eine Aufklärungspflicht für freie Anlageberater für Innenprovisionen und KickBacks herleitet.129 Denn § 17 FinVermV, der inhaltlich der Regelung des § 34f GewO gleicht – der für frei Anlagevermittler Anwendung findet –, verbietet die Provisionsannahme von Dritten. Es sei denn, diese wurde hinsichtlich ihrer Existenz, Höhe und Art dem Anleger offengelegt und steht der ordentlichen Vermittlung der Anlage im Interesse des Anlegers nicht entgegen. Mithin besteht durch § 17 FinVermV eine aufsichtsrechtliche Regelung ab dem 01. 01. 2013. Es wäre auch möglich, sofern man die Ausstrahlungslehre auf das Zivilrecht vertritt, eine Aufklärungspflicht ab diesem Zeitpunkt anzunehmen.130 Auch die neueren Regelungen des Honorar-Anlageberaters, die ebenfalls den freien Berater betreffen können, könnten zur Begründung eines flächendeckenden Transparenzgedanken131 und damit zur Statuierung einer Aufklärungspflicht heran gezogen werden.132 Nicht zuletzt deshalb, weil der III. Zivilsenat ohnehin bereits in zwei Obiter Dicta die Ableitung der Pflichten aus § 31d WpHG angedeutet hatte, wenn auch bislang § 31d WpHG in seinen Entscheidungen keine Anwendung fand.133

127 Fullenkamp, NJW 2011, 421, 422; Buck-Heeb, BKR 2010, 309, 315; Grundmann, WM 2012, 1745, 1751; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 187. 128 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 32, s. dazu 2. Teil A.II.1.b)bb)(2). 129 Bruchwitz/Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 95; ähnlich Ludwig/Clouth, NZG 2015, 1369, 1377, die dem freien Anleger empfehlen sämtliche Provisionen offen zu legen; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 164; in diese Richtung auch Herresthal, WM 2014, 773, 778, 780, 781 Fn. 82; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 190. 130 Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 163. 131 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 32. 132 Aufgrund § 17 FinVermV eine künftige zivilrechtliche Rechtsprechung zur Aufklärungsverpflichtung für freie Berater annehmend Tilp auf dem Bankrechtstag 2013, Breilmann/ Fuchs, WM 2013, 1437, 1445. 133 BGHZ 185, 185 = NJW-RR 2010, 1064 Rn. 14; BGH NJW-RR 2011, 913 Rn. 11; Ludwig/Clouth, NZG 2015, 1369, 1370.

78

2. Teil: Zuwendungen

(4) Weitergehende Regelungen als im WpHG Diese Aufklärungspflichten finden auch auf Produkte, die nach anderen Regelungen als denen des WpHG vertrieben werden, Anwendung,134 da es sich bei diesen um zivilrechtliche Pflichten aus dem Beratungsvertrag handelt und nicht um aufsichtsrechtliche Regelungen des WpHG. Anders sind jedoch Lebensversicherungen zu beurteilen, da diese eine Art Gewinnmarge darstellen, die nicht ohne weiteres aufklärungspflichtig sind.135 Darüber hinaus können sich die Banken seit 1990 nicht mehr auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum hinsichtlich der Offenlegungspflicht von Kick-Backs für den Zeitraum vor der Kick-Back-Entscheidung II berufen,136 da sowohl erste Urteile zu Offenlegungspflichten als auch befürwortende Stimmen in der Literatur bestanden.137 (5) Kenntnis des Anlegers von Provisionszahlungen Festzuhalten ist, dass den Anleger keine Erkundigungsobliegenheit über die Zahlung von Rückvergütungen trifft,138 anderenfalls wäre die Aufklärungspflicht sinnlos. Auch muss er nicht kontrollieren, ob der Berater ihn ordnungsgemäß über diese aufgeklärt hat.139 Fragt er jedoch nach der Zahlung oder der Rückvergütungshöhe und investiert ohne vorherige Antwort, so kann er sich aufgrund von § 242 BGB (Treu und Glauben) nicht auf die Verletzung der Aufklärungspflicht berufen.140 Hat der Anleger Kenntnis von den Provisionszahlungen, fragt aber nicht nach der genauen Höhe, so ist dies ein Indiz dafür, dass die Höhe der Provisionszahlung für seine Anlageentscheidung nicht von Belang ist141 – wenn die Geschäfte vergleichbar sind.142 Eine Vermutung des Anlegers ist hierfür jedoch nicht ausreichend.143 (6) Fazit zu der Rechtsprechung über Rückvergütungen Zusammenfassend zeigt sich, dass der BGH für die Annahme von aufklärungspflichtigen Rückvergütungen an das Vorliegen von fünf Voraussetzungen an134 BGH NJW 2009, 1416, 1417 – m. Anm. Dieckmann/Langen; BGH NJW 2016, 3024; Jordans, BKR 2011, 456, 458; kritisch in der Lit: Brocker, BKR 2007, 365, 369; Dieckmann/ Langen, NJW 2009, 1417, 1419; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 173. 135 BGH NJW 2014, 3360. 136 Jordans, BKR 2011, 456, 459. 137 BGH NJW 2010, 2339 Rn. 3, 10; BGH BKR 2014, 457; zuvor bereits OLG Frankfurt NZG 2010, 1073, 1074. 138 BGHZ 185, 185 Rn. 13 = NJW-RR 2010, 1064; BGHZ 170, 226 Rn. 22 f. = NJW 2007, 1876. 139 BGH VuR 2016, 344. 140 BGH NJW 2014, 2348; zustimmend Kropf, ZBB 2014, 331, 335. 141 BGH BKR 2013, 203 Rn. 22; OLG Frankfurt WM 2010, 1313 Rn. 5; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 214. 142 BGH VuR 2016, 344. 143 BGH VuR 2016, 344.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

79

knüpft.144 So muss es sich um Vertriebsprovisionen handeln (1), die offen ausgewiesen wurden (bspw. bei Ausgabeaufschlägen) (2). Diese müssen seitens des Kunden an den Anbieter geleistet werden (3). Sie fließen dann hinter dem Rücken des Kunden ganz oder teilweise an die Bank zurück (4). Dadurch entsteht ein für den Kunden nicht ersichtliches Eigeninteresse der Bank (5), die entsprechende Anlage zu vermitteln.145 Die Aufklärung über die Rückvergütung muss ausdrücklich im Prospekt oder in der mündlichen Beratung erfolgen. Ein bloßer Hinweis, dass der Vermittler eine Betriebsprovision erhält ist unzureichend, da hieraus nicht die beratende Bank als Vermittler hervorgeht.146 bb) Innenprovisionen Eine so klare Rechtsprechung, wie zu den Rückvergütungen besteht für Innenprovisionen nicht. Vielmehr handelt es sich um eine komplizierte, in verschiedenen Verästelungen aufgespaltene Rechtsprechung und entsprechende Diskussion in der Literatur.147 Innenprovisionen sind nicht offen ausgewiesene, von einem Dritten gezahlte Vertriebsprovisionen, die als Anteil der Beschaffungs- oder Herstellungskosten bereits versteckt im Preis der Anlage enthalten sind.148 Anders als Kick-Backs waren diese bis zum 01. 08. 2014 nicht aufklärungsbedürftig. (1) Innenprovisionen vor dem 01. 08. 2014 Wesentliches Augenmerk legte der BGH hier nicht auf den Interessenkonflikt, sondern auf die Reduzierung der Ertragsaussichten des Anlegers, wenn aus seiner Anlagesumme die Vertriebskosten finanziert wurden.149 Denn auf diese Weise schmälert sich die Anlagesumme, die für den Gewinn angelegt werden kann.150 Indem der Berater diese Situation offen legt, kommt er seiner Pflicht zur objektgerechten Beratung nach.151

144

Bruchwitz/Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 81. Diese Voraussetzungen zuletzt bestätigt in BGH NJW 2014, 2348, 2349; s. dazu Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 175 ff. 146 BGH BKR 2014, 200 Rn. 19; BGH NJW 2011, 3227 Rn. 27. 147 s. alleine dazu die Angaben des BGHZ 201, 310 = BGH NJW 2014, 2947 Rn. 20 f. 148 BGH NJW 2011, 3227 Rn. 22; BGH NJW 2012, 2873 Rn. 47; Wiechers, WM 2012, 477, 481; Jooß, WM 2011, 1260, 1266; Bruchwitz/Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 83. 149 BGHZ 158, 110 Rn. 33 = NJW 2004, 1732; BGH NJW 2005, 3208, 3210 f.; BGH NJWRR 2006, 685 Rn. 5; BGH NJW-RR 2014, 559 Rn. 14. 150 BGHZ 158, 110 Rn. 33 = NJW 2004, 1732; BGH NJW 2005, 3208, 3210 f.; BGH NJWRR 2006, 685 Rn. 5; BGH NJW-RR 2014, 559 Rn. 14. 151 Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 191. 145

80

2. Teil: Zuwendungen

Er muss jedoch nicht genau erläutern, welches Vertriebsinstitut die Innenprovisionen erhält.152 Erst ab einer Höhe von 15 Prozent, gemessen am Eigenkapital,153 soll nach Ansicht des BGH eine Aufklärungspflicht eintreten.154 Diese Schwellenwert-Rechtsprechung des III. Senats bestätigte dieser noch Ende 2013.155 Denn Innenprovisionen ab einer solchen Höhe bergen das Potential, die Werthaltigkeit der Anlage zu beeinflussen und es könnte dadurch eine Fehlvorstellung des Anlegers über diese entstehen.156 Fragt der Anleger jedoch gezielt nach der konkreten Provisionshöhe, so ist diese auch dann exakt anzugeben, wenn sie unterhalb der 15 Prozent-Schwelle liegt.157 (2) Innenprovisionen nach dem 01. 08. 2014 Mit seinem Urteil vom 03. 06. 2014 verwarf der BGH sowohl die bisherige Schwellenwert-Rechtsprechung und damit auch die von ihm so mühevoll ausdifferenzierte Unterscheidung von Innenprovisionen und Rückvergütungen, indem er mit fragwürdiger Begründung eine Stichtagsregelung zum 01. 08. 2014 einführte, ab der gleichermaßen Rückvergütungen und Innenprovisionen grds. offen zu legen sind.158 Für die Zeit vor dem 01. 08. 2014 traf er keine Entscheidung, erklärte jedoch, dass sich die Banken auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum berufen können.159 Mithin besteht bis zum 01. 08. 2014 weiterhin eine Aufklärungspflicht ab einer Beeinflussung der Wertigkeit der Anlage, sodass die Schwellenwert-Rechtsprechung für diese Fälle anwendbar bleibt.160 Den erzielten Gleichlauf mit den Rückvergütungen begründet der BGH anhand eines mittlerweile „flächendeckenden – aufsichtsrechtlichen – Transparenzgebots“161.162 So ist durch die Einführung des Gesetzes zur Novellierung des Finanz152

BGHZ 158, 110 Rn. 39 = NJW 2004, 1732. OLG Schleswig ZIP 2013, 2303. 154 BGHZ 158, 110, 118, 121 = NJW 2004, 1723; BGH NJW 2004, 2378; Jordans, BKR 2011, 456, 459; Einsiedler, WM 2013, 1109, 1111. 155 BGH NJW-RR 2014, 559, 561. Der XI. Zivilsenat hingegen entschied im Jahre 2006 Schwellenwert unabhängig, sodass in der Literatur darüber diskutiert wurde, ob dies die Aufhebung der Schwellenwertgrenze sei, s. BGHZ 170, 226 Rn. 23 ff = NJW 2007, 1876; Koch, BKR 2010, 177, 179; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 176. Dieser Diskussion trat der XI. Senat 2007 entgegen, indem er erklärte, dass die Schwellenwerte des III. Senats weiterhin Anwendung fänden, BGH BKR 2008, 199, 201. 156 BGHZ 158, 110,118 = NJW 2004, 1732; BGH NJW 2014, 559; Jordans, BKR 2011, 456, 460; ders., BKR 2015, 309, 312. 157 BGHZ 158, 110, 118, 121 = NJW 2004, 1723; BGH NJW-RR 2011, 913 Rn. 21. 158 BGH NJW 2014, 2947; s. dazu m.w.N. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 175. 159 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 22. 160 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 175; s. jüngst BGH NJW 2016, 3024, 3025 Rn. 10. 161 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 32. 162 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 36. 153

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

81

anlagenvermittlers und Vermögensanlagenrechts § 31d WpHG seit Juni 2012 auf alle Vermögensanlagen des sog. grauen Kapitalmarkts163 anwendbar.164 Ebenso besteht seit Januar 2013 ein für Finanzanlagenvermittler i.S.d. § 34f GewO geltendes Verbot, welches an § 31d WpHG angelehnt ist. Weiterhin begründet er seine Auffassung mit der Anwendung des Honoraranlageberatungsgesetzes zum 01. 08. 2014. Er knüpft an diesen Tag seine Stichtagsregelung an, da seit dem das Transparenzgebot auch auf die Honorar-Anlageberatung ausgeweitet wurde.165 Dies erstaunt, da der Honorar-Anlageberater gem. § 31 Abs. 4c Nr. 2 WpHG grds. keine Zuwendungen mehr annehmen darf, wenn er diese nicht an den Kunden auskehrt.166 Das vom BGH festgestellte Transparenzgebot soll beim Anleger berechtigte Erwartungen hinsichtlich der Aufklärung wecken, welche konkludent in den Beratungsvertrag einbezogen werden.167 Die in den Regelungen zuvor enthaltenen Offenlegungsanforderungen über Zuwendungen, die der Berater durch einen Dritten erhält, definieren nach Ansicht des BGH einen generellen Grundsatz, der letztlich auch zu einer zivilrechtlichen Offenlegungspflicht führt. Dabei hätte es dieser Anknüpfung an die neuen Regelungen und der Konstruktion eines flächendeckenden Transparenzgebots168 nicht bedurft. Bereits zuvor war ausdrücklich ein Transparenzgedanke in § 31d WpHG hinsichtlich der Zuwendungen formuliert, sodass bereits ab dem Jahr 2007 mit der Umsetzung des Art. 26 MiFID I-DRL ein zivilrechtliches Transparenzgebot – nach heutiger Begründung des BGH – verankert gewesen wäre.169 Mit der Berufung auf ein „flächendeckende[s] – aufsichtsrechtliche[s] – Transparenzgebot“170 macht der BGH zudem einen Schritt rückwärts im Vergleich zur jüngst bestärkten Trennung von Zivilrecht und Aufsichtsrecht.171 Dabei ist jedoch zu beachten, dass sich der BGH nicht an das Aufsichtsrecht binden will, da dieses anderen Zwecken dient als der Haftung im Zivilrecht.172 Dennoch übernimmt der BGH offensichtlich aufsichtsrechtliche Vorga163 Der graue Kapitalmarkt besteht in Abgrenzung zum weißen Kapitalmarkt, der nur Institute und Produkte erfasst, die der Aufsicht unterstehen und dem schwarzen Kapitalmarkt, der Akteure erfasst, die ohne die erforderliche Erlaubnis tätig werden oder verbotene Geschäfte ausüben, aus Produkten, die keine Erlaubnis brauchen und auch keiner Aufsicht unterliegen, Fußwinkel, BaFin Journal 3/2014, 9, 10; ausf. Lingen, Anlageberatung im Spannungsfeld zwischen Verbraucherschutz und Überregulierung, 233 m.w.N. Durch mehrere Maßnahmenpakte wurde der graue Kapitalmarkt in jüngster Zeit jedoch spürbar reguliert, s. Assmann, in: Assmann/Schütze, HdB KapitalanlageR, § 1 Rn. 92 ff. 164 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 33. 165 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 22, 34. 166 Bruchwitz/Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 89. 167 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 36. 168 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 32. 169 Buck-Heeb, WM 2014, 1601, 1605; Bruchwitz/Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 89. 170 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 32. 171 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 32 ff., 38; vgl. Buck-Heeb, WM 2014, 1601, 1604. 172 Jordans, BKR 2015, 309, 312.

82

2. Teil: Zuwendungen

ben, um den Pflichtenstandard des Beraters auf zivilrechtlicher Ebene auszulegen.173 Diese scheint er sogar über die Pflichten des Aufsichtsrechts hinaus auszudehnen, da er nicht an die nach dem WpHG erfassten Anlageprodukte anknüpft, sondern z. B. Medienfonds oder den Grundstückskauf in seine Rechtsprechung mit einbezieht.174 Zwar hatte der BGH dies bereits einmal entschieden, jedoch zeigt sich hier die entsprechende Erweiterung der zivilrechtlichen Haftung und damit einhergehende Unsicherheiten.175 Wie der XI. Senat die Schwellenwert-Rechtsprechung des III. Senats beurteilt, hat er ausdrücklich offengelassen. Allerdings verweist er auf die Möglichkeit des Bestehens eines unvermeidbaren Rechtsirrtums.176 Auch diese Begründung hält der näheren Betrachtung nicht Stand.177 So bedarf es im Zivilrecht für den Vorsatz auch eines Bewusstseins über die Pflichtwidrigkeit des eigenen Handelns.178 Mithin entfällt der Vorsatz, wenn sich der Handelnde entweder über die Tatumstände oder die Rechtswidrigkeit seines Handelns irrt.179 Kein Irrtum hingegen sind Rechtsblindheit, Rechtsgleichgültigkeit oder Leichtfertigkeit.180 Es obliegt dem Handelnden, die Rechtslage zuvor zu prüfen und bei Unsicherheit Rechtsrat einzuholen.181 Muss er mit der Möglichkeit rechnen, dass die Rechtsprechung in seiner Situation einen anderen Standpunkt einnehmen wird, so handelt er schuldhaft.182 War die Rechtsprechung uneinheitlich und unübersichtlich, so muss seine Handlung angesichts der Rechtsprechungslage zumindest vertretbar sein.183 Damit er sich jedoch auf den unvermeidbaren Rechtsirrtum in einer solchen Lage berufen kann, müsste zugleich die Voraussetzung vorliegen, dass der Handelnde nicht mit einer Rechtsprechungsänderung bzw. einer anderen Beurteilung

173 Weck, BKR 2014, 374, 376 f.; Balzer/Lang, BKR 2014, 377, 378; Bruchwitz/Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 89. 174 Buck-Heeb, WM 2014, 1601, 1605. 175 Buck-Heeb, WM 2014, 1601, 1605. 176 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 22. 177 I. E. Balzer/Lang, BKR 2014, 370, 380; Weck, BKR 2014, 370, 374; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 179. 178 BGH NJW 1965, 962, 963. 179 Ellenberger, in: E/S/C/L, PraktikerHdB, Rn. 1077 f.; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 229; Casper, ZIP 2009, 2409, 2410. 180 Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 276 Rn. 11; Harnos, BKR 2012, 185, 187 f.; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 229. 181 Grüneberg, in: Palandt, BGB, § 276 Rn. 11 m.w.N.; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 230; Casper, ZIP 2009, 2409, 2411. Für die Rechtsblindheit BGH NJW 1970, 1082 f. zu versicherungsrechtlichen Pflichten. 182 Ellenberger, in: E/S/C/L, PraktikerHdB, Rn. 1078; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 230. 183 Casper, ZIP 2009, 2409, 2411.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

83

des Sachverhalts hätte rechnen müssen.184 Tatsächlich wurde die Offenlegung von Innenprovisionen in der Rechtsprechung und in der Literatur185 kontrovers diskutiert und beurteilt.186 Hier besteht die für den Rechtsirrtum benötigte unklare Rechtslage. Allerdings musste bei solch kontroverser Diskussion und der verzweigten Rechtsprechung durchaus mit einer Rechtsprechungsänderung bzw. mit einer anderen Beurteilung der Offenlegungspflicht, gerechnet werden.187 Indem der BGH hier die Anforderungen als ausreichend betrachtet, setzt er sich in Widerspruch zu seinen bisher strengen Anforderungen, die er jüngst für die Ablehnung des unvermeidbaren Rechtsirrtums über die Aufklärung von Rückvergütungen ab 1990 bestätigte.188 Dies erkennt auch der BGH und begründet die unterschiedliche Auffassung mit der für die Rückvergütungen seit längerem bestehenden einheitlichen Handhabung.189 Damit nimmt der BGH eine Herabsetzung der Voraussetzungen für die Annahme eines unvermeidbaren Rechtsirrtums vor.190 Das Ergebnis der Entscheidung des BGH ist jedoch ausdrücklich zu begrüßen. So war bislang nicht immer klar erkennbar, ob eine Innenprovision oder eine Rückvergütung vorliegt.191 Auch dem Kunden war eine Unterscheidung kaum möglich.192 Durch das Urteil entfällt zumindest für zukünftige Sachverhalte die schwerwiegende Unterscheidung zwischen Innenprovision und Rückvergütung. Zudem ist für die Zeit vor dem 01. 08. 2014 Rechtsfrieden geschaffen, da die Möglichkeit besteht, sich auf einen unvermeidbaren Rechtsirrtum zu berufen. Jedenfalls ist es nun die Erwartung des Anlegers, dass das WpDU die aufsichtsrechtlichen Vorschriften zur Aufklärung einhält.

184 BGH NJW 2007, 428, 430 Rn. 26; BGH NJW 2006, 3271, 3272 f.; BGH NJW 1998, 2144; BGH NJW 1983, 2318, 2321. 185 Bereits die Reaktionen auf das Urteil aus 2006 zur Differenzierung der Rückvergütung und Innenprovisionen, welches zwar grundlegend in der Literatur aufgrund der Haftungseinschränkung Anklang fand, aber niemals ein ernsthaftes Begründungsmodell liefern konnte, zeigen dies deutlich. Für eine Zusammenfassung der einzelnen Literaturstimmen s. Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 193 ff. 186 Buck-Heeb, WM 2014, 1601, 1603. 187 I. E. Buck-Heeb, WM 1601, 1603. 188 So noch 1990, s. Heun-Rehn/Lang/Ruf, NJW 2014, 2909, 2910; Jordans, BKR 2015, 309, 312; nicht überzeugt von der Lösung über den Rechtsirrtum ebenfalls Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 188. Bestätigt durch BGH BKR 2014, 457. 189 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 28 ff. 190 Balzer/Lang, BKR 2014, 370, 380; Buck-Heeb, WM 2014, 1601, 1603; Hoffmann/ Bartlitz, ZIP 2014, 1505, 1507; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 175c. 191 Buck-Heeb/Lang, in: BeckOGK, § 657 Rn. 378. 192 Buck-Heeb/Lang, in: BeckOGK, § 675 Rn. 378; Habersack, WM 2010, 1245, 1252; s. zur Unterscheidung Nobbe, BKR 2011, 302.

84

2. Teil: Zuwendungen

cc) Aufklärung über Gewinnmargen Gewinnmargen spielten insb. bei Zertifikaten, die in der Finanzkrise zumeist zum Totalverlust der Anleger führten, eine wesentliche Rolle. Daher sollen diese unter Berücksichtigung des Hintergrunds der MiFID II hier ebenfalls kurz dargestellt werden, da der BGH für deren Beurteilung ebenfalls auf den Interessenkonflikt abstellt. Insb. finden sich Ausnahmen für Festpreisgeschäfte in den neuen Regelungen zur Honorar-Anlageberatung, die mit Hilfe der hier dargestellten zivilrechtlichen Rechtsprechung an entsprechender Stelle bewertet werden sollen (s. 2. Teil A.II.2.g)aa)(2)).193 (1) Grundsätzlich keine Offenlegungspflicht Obwohl zuvor vielfach von der Instanzrechtsprechung und der Literatur eine Aufklärungspflicht für Gewinnmargen – unabhängig davon, ob es sich um Rückvergütungen oder Gewinnmargen handelte – angenommen wurde,194 entschied sich der BGH gegen eine solche für Wertpapiergeschäfte mit eigenen Anlageprodukten.195 Seiner Ansicht nach ist der Interessenkonflikt offensichtlich, wenn die Bank Produkte aus ihrem eigenen Bestand vertreibt.196 Anders wäre dies, wenn besondere Umstände hinzu treten – bspw. wenn die Anlage einen negativen Marktwert beinhaltet. Diese Aufklärungspflicht entspringt daher auch nicht dem Interessenkonflikt – dieser ist offenkundig – sondern der anlegergerechten Beratung.197 In den kurz darauf erschienenen ersten beiden Lehman-Brother-Urteilen198 bestätigte und erweiterte der BGH seine Auffassung auch auf fremde Produkte, an

193

Da diese Ausnahmen sich überwiegend auf das Festpreisgeschäft beziehen, bleiben hier die Offenlegungspflichten bei Zinswetten sowie im Kommissionsgeschäft (Swap-Entscheidung I-V) unberücksichtigt. s. dafür bspw. BGH NJW 2015, 2248; BGH NJW 2015, 1095, 1097 Rn. 31 ff.; BGHZ 189, 13 = ZIP 2011, 756; BGH BKR 2016, 291; BGH NZG 2016, 1077; Ludwig/Clouth, NZG 2015, 1369, 1375; Spindler, NJW 2011, 1920, 1922; Grundmann, WM 2012, 1745, 1750; Winter, WM 2014, 1606, 1608; Zoller, GWR 2016, 495. 194 LG Frankfurt WM 2008, 1061, 1067; LG Hamburg WM 2009, 1282; s. dazu Spindler, WM 2009, 1821, 1824. Begründet wurde dies damit, dass anderenfalls durch Anpassung des Vergütungskonzepts die Aufklärungspflicht umgangen werden könne. Zudem sei es für den Kunden nicht ersichtlich, ob die Bank ein Eigengeschäft tätige oder ein Kommissionsgeschäft, s. Edelmann, in: Assmann/Schütze, HdB KapitalanlageR, § 3 Rn. 28. Teilweise wurde auch eine Aufklärungspflicht aus dem eigenständig neben dem Kaufvertrag geschlossenen Beratungsvertrag hergeleitet, s. Schwab, BKR 2011, 450, 452; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 208 ff. 195 BGHZ 189, 13 = ZIP 2011, 756. 196 BGH NJW 2013, 3574 Rn. 23; OLG Hamburg ZIP 2010, 973, 974; OLG Köln BKR 2011, 334, 336; Koch, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 31d WpHG Rn. 88; Spindler, WM 2009, 1821, 1825; ders., in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 182. 197 BGH NJW 2013, 3574 Rn. 23; Nobbe, BKR 2011, 302, 303; Jordans, BKR 2011, 456, 461. 198 BGH NJW 2012, 66; BGH NJW-RR 2012, 43.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

85

denen die Bank aufgrund eines rabattierten Einkaufspreises Gewinne akquirierte.199 Denn hier treten die natürlichen gegenläufigen Interessen von Käufer und Verkäufer zu Tage.200 Eine Aufklärungspflicht ist auch deshalb zu verneinen, da die Gewinnmarge keine versteckten Kosten, die die Einlage mindern, enthält – eine aufklärungspflichtige Innenprovision liegt deshalb nicht vor.201 (2) Keine Offenlegung im Festpreisgeschäft Zudem entschied der BGH, in Übereinstimmung mit der bis zu diesem Zeitpunkt vorliegenden Instanzrechtsprechung und der Literatur, dass keine Pflicht zur Offenlegung von Gewinnmargen bei Festpreisgeschäften besteht.202 Hierbei tritt die Bank als gewöhnliche Verkäuferin in einem Zwei-Personen-Verhältnis auf, sodass das gegenläufige Interesse nach Ansicht des BGH offenkundig ist.203 Zwar liegt in dem Bankgeschäft noch die Besonderheit, dass parallel und konkludent ein Beratungsvertrag geschlossen wird, der den Berater verpflichtet ausschließlich im Interesse des Anlegers zu agieren.204 Dies bedeutet dennoch nicht, dass die Empfehlung eines solchen Produkts nachteilig für den Anleger wäre. Außerdem erfolgt hier die Zahlung der Gewinnmarge nicht hinter dem Rücken des Anlegers.205 Mithin muss eine Differenzierung zwischen dem Festpreisgeschäft (als Eigengeschäft) und dem treuhänderischen Kommissionsgeschäft vorgenommen werden.206 Diese ist für den Kunden nicht einfach, jedoch gibt es gewisse Anzeichen, die auch der Kleinanleger erkennen kann.207 So entsteht bei der Vereinbarung eines festen Preises ein Festpreisgeschäft.208 Ebenso ist der Ausschluss des Rückgaberechts, sofern die Wertpapiere unverkäuflich sind oder wenn dem Anleger kein Weisungsrecht zukommt, ein Indiz hierfür.209 Damit steht die Entscheidung im Einklang zur Rechtsprechung über das fehlende Aufklärungserfordernis bei der

199

BGH NJW-RR 2012, 43; BGH ZIP 2013, 2001 Rn. 38. Winter, WM 2014, 1606, 1607 f. 201 BGH NJW-RR 2012, 43, 46. 202 BGH NJW 2011, 2130; BGH NJW-RR 2012, 43. 203 BGHZ 189, 13 = ZIP 2011, 756, 760 f. Rn. 38; BGH NJW-RR 2012, 43 Rn. 38 ff.; BGHZ 191, 119 = NJW 2012, 66 Rn. 35 ff.; OLG Dresden BKR 2012, 293, 297 f.; Komo, NZG 2011, 1178, 1179 f. 204 s. dazu Spindler, WM 2009, 1821, 1822. 205 Langen, BB 2010, 17, 18. 206 Spindler, WM 2009, 1821, 1822, 1824; Bausch, NJW 2012, 354, 356; Zoller, BB 2013, 520, 523; zum Begriff des Kommissionsgeschäfts und des Festpreisgeschäftes statt vieler, Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 17, 18. 207 Spindler, WM 2009, 1821, 1822, 1824. 208 Spindler, WM 2009, 1821, 1822, 1824. 209 Spindler, WM 2009, 1821, 1822; ders., in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 182; Seibert, Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, Teil C, § 1 Rn. 199. 200

86

2. Teil: Zuwendungen

Empfehlung und dem Vertrieb von ausschließlich hauseigenen Produkten (s. 2. Teil A.II.1.b)aa)). Fraglich ist jedoch, ob der Anleger ausschließlich auf die Indizien des Festpreisgeschäftes vertrauen muss, oder ob seitens der Bank über die Geschäftsart aufzuklären ist. Der BGH verneint eine solche Aufklärungspflicht, da dies für den Kunden eine funktionslose Information wäre.210 Die Bank würde den Anleger nur darüber aufklären, dass sie ihm weder Gewinnspanne noch deren Höhe offen legen muss.211 Daher wäre dem Anleger eine Einschätzung der Gewinnmargen weiterhin nicht möglich.212 Zuzugeben ist, dass alleine die Information der Bank, dass sie Geschäfte im Wege eines Festpreisgeschäftes als Eigengeschäft vornimmt, keine Aussage darüber trifft, ob die Bank tatsächlich Gewinnmargen realisiert.213 Schließlich kann die Bank, wenn auch selten, neutrale Eigengeschäfte abschließen. Auch steht die Entscheidung grds. im Einklang mit der Rechtsprechung zur fehlenden Aufklärungspflicht des freien Anlageberaters (s. 2. Teil A.II.1.b)aa)). Jedoch hinkt der Vergleich derart, dass für den Kunden nicht gleichermaßen offensichtlich ist, ob ein Festpreis- oder Kommissionsgeschäft abgeschlossen wird, wie die Unterscheidung zwischen freien Beratern und der Beratung durch den Bankmitarbeiter.214 Außerdem ist zu berücksichtigen, dass nur durch die Aufklärung über die Geschäftsart dem Kunden auch tatsächlich bewusst wird, dass ein Festpreisgeschäft vorliegt und er daraus die entsprechenden Schlüsse hinsichtlich der Gewinnmargen ziehen könnte. Zugleich würde das Verhältnis zwischen Beratungs- und Kaufvertrag gewahrt. Auf diese Weise würde die Bank auch ihre Verpflichtung zur anleger- und anlagegerechten Beratung aus dem parallel geschlossenen Beratungsvertrag gerecht, der letztlich Auslöser dieser Sondersituation ist.215 Darüber hinaus würde nicht entgegen allen anderen Wirtschaftssubjekten von der Bank verlangt, ihre Gewinne offen zu legen.216

210

BGH BKR 2014, 32, 33 Rn. 11; bestätigt durch BVerfG NJW 2013, 2957, 2958. BGH BKR 2014, 32, 33 Rn. 11; bestätigt durch BVerfG NJW 2013, 2957, 2958; in diese Richtung bereits BGH NJW-RR 2013, 244, 245 Rn. 26; BGHZ 191, 119 = NJW 2012, 66, 69 Rn. 35 ff. für „fremde Anlageprodukte, [die] im Wege des Eigengeschäfts (§ 2 III 2 WpHG) zu einem über dem Einkaufspreis liegenden Preis veräußert werden“ (Rn. 37); OLG Frankfurt, Urt. v. 16. 03. 2011 – 23 U 55/10 –, juris; OLG Celle WM 2010, 609; OLG Hamburg BKR 2010, 250, 252 Rn. 40 f.; Spindler, WM 2009, 1821, 1825 m.w.N.; Harnos, BKR 2014, 1, 3. 212 Zoller, BB 2013, 520, 523. 213 So Wiechers, WM 2012, 477, 485. 214 s. dazu bereits Schäfer, WM 2012, 200; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 207, 210; bereits an letzterer Unterscheidung zweifelnd Winter, WM 2014, 1606, 1610. 215 Den Konflikt ausf. erläuternd Buck-Heeb, BKR 2010, 1, 4; Winter, WM 2014, 1606. 216 Vgl. Michels/Backes, Interview v. 15. 11. 2016; Buck-Heeb, BKR 2010, 1, 2. 211

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

87

c) Fazit zu den Regelungen vor der Umsetzung Es zeigt sich, dass sowohl § 31d WpHG als auch die zivilrechtliche Rechtsprechung das Eigeninteresse der WpDU als Gefahr für den Anleger einstufen und als aufklärungsbedürftig erachten. Dabei geht das Aufsichtsrecht den Weg des Verbots mit Ausnahmevorbehalt. Es legt den WpDU, um die Ausnahmemöglichkeit auszuschöpfen, deutlich schwierigere Regelungen auf, als das Zivilrecht. Allerdings knüpft es die Ausnahme auch an die Offenlegung des Interessenkonflikts. Die zivilrechtliche Rechtsprechung nimmt keine generelle Aufklärungspflicht und kein Zuwendungsverbot an. Sie leitet eine solche aus dem regelmäßig konkludent geschlossenen Beratungsvertrag bei schwerwiegenden Interessenkonflikten ab, da das WpDU durch diesen verpflichtet ist, ausschließlich im besten Kundeninteresse zu agieren.217 Ein solch schwerwiegender Interessenkonflikt liegt nach Ansicht des BGH immer dann vor, wenn der Anleger nicht mit dem Gewinninteresse der Bank rechnen muss.218 Mithin handelt es sich bei den Entscheidungen um statuierte Ausnahmefälle für eine Aufklärungspflicht. Allerdings bezieht die zivilrechtliche Rechtsprechung die Wertung des § 31d WpHG nun auch über den flächendeckenden Transparenzgedanken219 ein. Im Zusammenspiel der Regelungen zeigt sich im deutschen Recht auch vor der Einführung der Honorar-Anlageberatung ein umfangreiches System der Zuwendungsregelungen. 2. Umsetzungen der MiFID II-Vorschiften zur unabhängigen Beratung: Honoraranlageberatungsgesetz a) Entstehung und Ziele des Honoraranlageberatungsgesetzes Im vorauseilenden Gehorsam220 hat der deutsche Gesetzgeber bereits Regelungen zur Umsetzung der MiFID II in Form des Gesetzes zur Förderung und Regulierung der Honorarberatung über Finanzinstrumente,221 das sog. Honoraranlageberatungsgesetz (HABG) erlassen. Dieses trat zum 01. 08. 2014 in Kraft. Damit sollte den Vorschlägen, die im Kommissionsentwurf enthalten sind, Rechnung getragen werden und zugleich noch kommende weitere europäische Konkretisierungen möglich

217

Ludwig/Clouth, NZG 2015, 1396, 1370. Ludwig/Clouth, NZG 2015, 1396, 1970. 219 BGH NJW 2014, 2947 Rn. 32. 220 Oder auch als „Vorpreschen“ bezeichnet: Möllers, ZEuP 2016, 325, 340; „Vorgriff“ Roth/Blessing, CCZ 2017, 163. 221 Gesetz zur Förderung und Regulierung der Honorarberatung über Finanzinstrumente, (Honoraranlageberatungsgesetz = HABG) vom 15. 07. 2013, BGBl. 2013, Teil I Nr. 39 2013, S. 2390 ff. Neben der Regulierung des Honorar-Anlageberaters im WpHG enthält in §§ 34h, 34f GewO auch neue Regelungen für den Finanzanlagenvermittler, die hier keine weitere Berücksichtigung finden sollen, s. dazu Will, NJW 2015, 1477. 218

88

2. Teil: Zuwendungen

bleiben.222 Aufgrund der europäischen Vorlage dient auch das HABG zur Verhinderung des zuvor aufgezeigten Interessenkonflikts (s. 2. Teil A.I.1.) und zugleich zur Schaffung von mehr Transparenz über die Vergütungsformen in der Anlageberatung.223 Vor allem sollte durch das HABG die bislang vorherrschende Fehlvorstellung des Anlegers, dass die Beratungsleistung kostenlos sei, richtig gestellt werden.224 Durch das HABG wird der Anwendungsbereich der §§ 31 ff. WpHG erweitert und per Gesetz – neben der provisionsgestützten – eine zweite Form der Anlageberatung, die sog. Honorar-Anlageberatung, manifestiert.225 Es handelt sich bei dieser um einen Unterfall der Anlageberatung,226 denn § 31 Abs. 4c S. 6 WpHG statuiert, dass die bisherigen Regelungen zur Anlageberatung auch auf die neue Form Anwendung finden. Damit entsprechen die neuen Regelungen insofern dem europäischen Vorbild. Neu an dieser Regelung ist die gesetzliche und damit einheitliche Manifestierung der Honorar-Anlageberatung, da diese zuvor bereits angeboten und – wenn auch nur vereinzelt227 – wahrgenommen wurde. Folglich sollte diese Beratungsform durch die gesetzliche Verankerung gefördert werden.228 Ob dies gelungen ist, gilt es im Folgenden zu zeigen. Die Verortung der Vorschriften für den Honorar-Anlageberater und seine besonderen Verhaltenspflichten in § 31 Abs. 4c-4d WpHG sowie seine besonderen Organisationspflichten in § 33 Abs. 3a WpHG führt die bisherige Struktur des WpHG fort und ist gelungen. Weitere Ergänzungen finden sich in § 36c WpHG für das öffentliche Register für Honorar-Anlageberater und in § 36d WpHG für den Bezeichnungsschutz.

222 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 1, 15; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112a; Kurz, DB 2014, 1182; Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 105. 223 Kirchhartz, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 3 Rn 82; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112a; Tiefensee/Kuhlen, WM 2014, 2105; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 202; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120b. 224 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 1; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112a; Voß, in: J/V/R/B, § 31 Rn. 506; Begner, BaFin Journal 7/2014, 11. s. dies als Ergebnis der empirischen Studie v. Tekathen, Honorarberatung im Finanzdienstleistungsbereich, 343. 225 Kirchhartz, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 3 Rn. 82; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112a; Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 506; Veil/Lerch, WM 2012, 1605, 1610; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 202: „Alternative“. 226 Herresthal, WM 2014, 773, 774; Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 105 „Alternative“; Kirchhartz, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 3 Rn. 8 „gesetzlicher Sonderfall der Anlageberatung“. 227 Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 2. 228 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 1; Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 2.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

89

b) Definition Honorar-Anlageberatung Eine Legaldefinition der Honorar-Anlageberatung lässt sich – wie auch schon auf unionsrechtlicher Ebene – im WpHG nicht finden. Jedoch wird in dem zeitgleich durch das HABG eingeführten § 34h Abs. 1 GewO die Vergütungsform des Honorars definiert als „[…] ohne von einem Produktgeber eine Zuwendung zu erhalten oder von ihm in anderer Weise abhängig zu sein […]“. Eine Übertragung auf das WpHG ist möglich, da auch alle weiteren Vorschriften die gleichen Voraussetzungen enthalten.229 Daher erscheint das Fehlen einer Definition im WpHG als redaktionelles Versehen.230 c) Informationspflicht über die angebotene Beratungsform § 31 Abs. 4b WpHG statuiert eine vorvertragliche231 Informationspflicht des WpDU gegenüber dem Kunden, diesen unmittelbar vor dem Beginn des Beratungsgesprächs darüber aufzuklären, ob eine provisionsgestützte oder honorarbasierte Beratung erbracht wird. Die Aufklärung soll in verständlicher Form erbracht werden und damit dem Kunden die Vergütungsstruktur verdeutlichen sowie ihn zugleich eine bewusste Entscheidung treffen lassen.232 Der RegE HABG233 sah diese Verpflichtung ausschließlich für die Honorar-Anlageberatung vor.234 Dies hätte jedoch im Widerspruch zur Informationspflicht des Art. 24 Abs. 4 MiFID II gestanden, der eine grundlegende Aufklärung über die Erbringung der unabhängigen Beratung vorsieht.235 aa) Form der Aufklärung Während der RefE HABG noch Vorgaben zur Form der Aufklärung – sie konnte standardisiert erfolgen – enthält, findet sich in der finalen Fassung keine Angabe mehr dazu. Hieraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass der Gesetzgeber 229

Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 23. Eine weitere Übertragung der Vorschriften der GewO auf das WpHG ist jedoch ausgeschlossen, da diese zwei strikt voneinander zu trennende Beratungsformen beschreiben. Der Honorar-Finanzanlagenberater darf im Gegensatz zum Honorar-Anlageberater nur über bestimmte Anteile an Investmentvermögen gem. § 34h GewO beraten und untersteht der Gewerbeaufsicht und nicht der BaFin, s. Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 24. In dieser Arbeit soll nur die Beratung nach WpHG berücksichtigt werden. 231 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 203; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112b. 232 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 14; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112b; Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 508; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120c. 233 Entwurf eines Gesetzes zur Förderung und Regulierung einer Honorarberatung über Finanzinstrumente (Honoraranlageberatungsgesetz) v. 06. 02. 2013, BT-Drs. 17/12295. 234 § 31 Abs. 4b S. 1 Nr. 1 WpHG-E RefE HABG. 235 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 106. 230

90

2. Teil: Zuwendungen

keine Form ausschließen wollte236 oder die standardisierte Form ablehnt.237 Es muss vielmehr die WpDVerOV zur Bestimmung der geeigneten Form herangezogen werden.238 Dementsprechend muss gem. § 5 Abs. 5 S. 1 WpDVerOV dem Kunden die Information mittels eines dauerhaften Datenträgers zur Verfügung gestellt werden. Eine Aufklärung in Form von AGB der Banken ist unzureichend.239 Grds. muss die Information gem. § 31 Abs. 2 S. 1 WpHG, § 4 WpDVerOV redlich, eindeutig und nicht irreführend sein.240 Wird keine Honorar-Anlageberatung erbracht, so muss das WpDU im Anschluss an diese Erklärung gem. § 31 Abs. 4b S. 2 Alt. 1 WpHG den Anleger darüber aufklären, ob es Zuwendungen annehmen und nach Alt. 2, ob es diese auch behalten darf. Die Vorschrift liest sich als Ergänzung zu § 31d WpHG.241 bb) Zeitpunkt der Informationspflicht Einen genauen Informationszeitpunkt zur Aufklärung über die Form der Anlageberatung sieht das Gesetz nicht vor. Allerdings soll die Aufklärung rechtzeitig erfolgen. Unter Berücksichtigung des Gesetzgebungsverfahrens – in welchem der Bundesrat eine Aufklärung zeitlich vor der Beratung und in optisch hervorgehobenen Gestaltung forderte242 – ist der Kunde vor der vertraglichen Bindung aufzuklären.243 Mangels weiterer Angaben gilt dies auch für die Informationspflicht aus § 31 Abs. 4b S. 2 WpHG über die Annahme und das Behalten von Provisionen, da diese im systematischen Zusammenhang zu S. 1 steht und den gleichen Schutz bezweckt.244 Neukunden werden somit in der Praxis mittels Formular vor Beginn des eigentlichen Beratungsgesprächs auf die Beratungsform hingewiesen.245 Dies trifft jedoch ausschließlich auf Neukunden zu, da § 5 Abs. 4 WpDVerOV für Bestandskunden festlegt, dass diese rechtzeitig alle wesentlichen Änderungen in 236 Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112b; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120c. 237 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses v. 17. 04. 2013, BT-Drs. 17/ 13131, S. 7 für die Einführung der standardisierten Form; Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 36. 238 Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 510; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 203. 239 Erläuterung des Bundesministeriums für Finanzen zur zweiten Verordnung zur Änderung der Wertpapierdienstleistungs- Verhaltens- und Organisationsverordnung zu Nr. 2 Buchst. c), abrufbar unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Aufsichtsrecht/dl_2.wpd verov_erlaeuterungen.pdf?__blob=publicationFile&v=4 (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 240 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 106; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 84. 241 Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 36. 242 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 7; Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 17/ 12295, S. 21; Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 508. 243 Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 509; i.E. Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 192 f. 244 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 203. 245 Witteck, Interview v. 14. 09. 2016.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

91

Bezug auf die Informationen gem. § 31 Abs. 4b WpHG durch das WpDU mitgeteilt bekommen. Folglich ist hiervon die Mitteilung über die Form der Anlageberatung erfasst, sodass alle Bestandskunden zum Inkrafttreten des HABG am 01. 08. 2014 über die Beratungsform informiert werden mussten.246 cc) Fazit Eine bewusste Entscheidung des Anlegers zwischen den beiden Beratungsformen aufgrund der neu eingeführten Aufklärungspflicht ist tatsächlich nicht eingetreten.247 Vielmehr erhält der Anleger nur den Hinweis, dass im Folgenden „wie immer“ keine Honorar-Anlageberatung erbracht wird. Da er seiner Ansicht nach noch nie eine Vergütung und tatsächlich auch noch nie ein Honorar bezahlt hat, fällt ihm folglich die neue Beratungsform als solche nicht auf.248 Eine Verbreitung der Honorar-Anlageberatung, bzw. die Möglichkeit einer bewussten Entscheidung durch die Aufklärung, ist somit von vorneherein nicht gegeben. Den Instituten ist hier jedoch kein Vorwurf zu machen, da ihnen nicht auferlegt werden kann, die Vorteile eines Konkurrenzmodels zu erläutern. Hier hätte der Gesetzgeber die Initiative ergreifen müssen, bspw. in Form von medialer Aufklärung, um die Honorar-Anlageberatung als neue gesetzliche Form bekannt zu machen und zu erläutern.249 So könnte bspw. der Gesetzgeber Informationsblätter erstellen, in denen er objektiv die Vor- und Nachteile gegenüberstellt.250 Bei der Erstellung eines solchen Informationsblattes sollten die jeweiligen Verbände mit einbezogen werden, um die Neutralität zu gewährleisten. Eine verpflichtende Zurverfügungstellung dieser Information im Vorfeld der Beratung bräuchte es jedoch nicht.251 Dies wäre ein zusätzliches Blattpapier auf dem ohnehin stetig wachsenden Stapel an Informationen, die der Kunde im Vorfeld und während der Beratung sammelt. Daher liegt die Vermutung nahe, dass dieses ohne registriert zu werden eingesammelt und im besten Falle abgeheftet wird. Vielmehr sollte diese Information als Broschüre ausgestaltet und ausgelegt werden, um das allgemeine Interesse des Kunden an dem Thema Beratung zu wecken. Eine solche Regelung ist zwar auf europäischer Ebene nicht vorgesehen. Sie hätte jedoch zusammen mit allen weiteren deutschen Sonderregelungen angezeigt werden können, da diese Regelung die deutsche Sondersituation des gewachsenen Provisions246

Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 190. s. dazu die Auswertung der Experteninterview 2. Teil E.III. 248 Vgl. Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 249 I. E. Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 261, die von einem echten Marketing-Nachteil für seriöse Provisionsberatung sprechen; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 347 f.; zum „Informationskampagnenvorteil“ s. Habschick/Evers, Anforderungen an Finanzvermittler – mehr Qualität. Bessere Entscheidungen. Zur positiven grundrechtlichen Zulässigkeit solcher „Werbung“ für die Honorar-Anlageberatung s. Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 347 f. 250 So auch der Vorschlag von DIE LINKE, Entschließungsantrag vom 29. 03. 2017, BTDrs. 18/11788, S. 3 Nr. 2. 251 A.A. DIE LINKE, Entschließungsantrag vom 29. 03. 2017, BT-Drs. 18/1788, S. 3 Nr. 2. 247

92

2. Teil: Zuwendungen

markts und die fehlende Kenntnis des deutschen Anlegers über die Beratungsformen berücksichtigt und aufhebt. d) Die Finanzmarktanalyse Des Weiteren regelt § 31 Abs. 4c WpHG die Grundlagen des Beratungsgesprächs. Zum einen nach Abs. 1 S. 1 Nr. 1, die der Beratung zugrundeliegenden Anlageobjekte und in Abs. 1 S. 1 Nr. 2 die für die Beratung erhaltenen Zuwendungen. aa) Hinreichender Marktüberblick Gem. § 31 Abs. 4c Nr. 1 WpHG muss der Honorar-Anlageberater über einen Marktüberblick und damit über Kenntnisse des der Beratung zugrundeliegenden Angebotsspektrums verfügen.252 Er muss daher für seine Anlageempfehlung eine hinreichende Anzahl an Finanzinstrumenten überprüfen. Das Tatbestandsmerkmal hinreichend wird durch den am 01. 08. 2014253 neu eingeführten § 5b WpDVerOV konkretisiert. Dieser legt fest, dass mit der hinreichenden Anzahl nur solche Finanzinstrumente als Menge erfasst werden sollen, die für den Anleger i.S.d. § 31 Abs. 4 S. 2 WpHG geeignet sind.254 Geeignet sind diese, wenn sie für den Kunden aufgrund seiner Erfahrung verständlich sind, seinen Anlagezielen entsprechen und die Risikoerwartungen des Anlegers berücksichtigen.255 Aufgrund der Kundenbezogenheit der Analyse, ist deren Umfang im Einzelfall zu bestimmen.256 Mit der Einführung von § 5b WpDVerOV wurde zugleich die Diskussion um die vollständige Marktanalyse257 obsolet.258 252 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 15; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112c; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120d. 253 Durch die zweite Verordnung zur Änderung der Wertpapierdienstleistungs- Verhaltensund Organisationsverordnung. 254 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 204; Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 515; Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 173; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120d. 255 Rothenhöfer, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 31 WpHG Rn. 269; Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 487. 256 Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 516; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112c; Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 174. 257 Hier wurde in Anlehnung an die bereits zu § 60 VVG bestehende Problematik diskutiert, dass nicht alle Finanzprodukte in die Bewertung einbezogen werden müssen, sondern eine objektive und ausgewogenen Untersuchung mit einem am Einzelfall zu bestimmenden Umfang ausreichend ist. 258 Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 516; Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 174 f. s. dazu die Erläuterung des Bundesministeriums für Finanzen zur zweiten Verordnung zur Änderung der Wertpapierdienstleistungs- Verhaltens- und Organisationsverordnung zu Nr. 3 (s. 2. Teil, Fn. 239). Zu beachten ist zudem, dass aufgrund der Verortung der Honorar-Anlageberatung im WpHG und deren ausschließlicher Anwendbarkeit auf Wertpapiere und Vermögensanlagen

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

93

Des Weiteren müssen die der Empfehlung zugrundeliegenden Angebote auch hinsichtlich ihrer Art (§ 31 Abs. 4c Nr. 1 lit. a) WpHG) sowie der Emittenten und Anbieter der Anlageobjekte (lit. b)) hinreichend breit gestreut sein. Diese Voraussetzung wird ebenfalls von § 5b WpDVerOV dahingehend konkretisiert, dass von dem Tatbestandsmerkmal auf dem Markt angebotene Finanzinstrumente nur solche erfasst werden, die mit vertretbarem Aufwand verfügbar sind. Zugleich muss für die Streuung sowohl eine Unterscheidung hinsichtlich Funktionsweise und Ausstattung, als auch nach Art und Umfang der Risiken sowie für die Kosten vorgenommen werden, § 5b Abs. 2 WpDVerOV. Es muss folglich eine Auswahl stattfinden, die eine repräsentative Vielzahl widerspiegelt und zugleich bestmöglich den individuellen Kundeninteressen gerecht wird.259 Die Befürchtung der Finanzdienstleister, dass es aufgrund des ungeklärten Tatbestandsmerkmals hinreichend und der daraus bestehenden Haftungsgefahr gem. § 280 Abs. 1 BGB zu negativen Auswirkungen auf die Honorar-Anlageberatung kommen könnte, wurde so seitens des Gesetzgeber verhindert.260 Zugleich sollen mit den vorgestellten Regelungen Art. 24 Abs. 7 lit. a) MiFID II sowie die Konkretisierungen von ESMA bzw. der Kommission umgesetzt werden, die ebenfalls eine solche Streuung verlangen (s. 2. Teil A.I.3.a) und 2. Teil A.I.4.b)aa)).261 Es fehlen jedoch die Verhältnismäßigkeitserwägungen hinsichtlich des Umfangs der Finanzdienstleistung und der Eigenständigkeit der Finanzunternehmen.262 Sowohl auf europäischer Ebene als auch im nationalen Recht wird auf eine Mindestanzahl verzichtet und zugleich eine Berücksichtigung der Kosten, Risiken und der Komplexität des Produkts gefordert. Anders als in der deutschen Gesetzgebung, ist es auf europäischer Ebene erlaubt, die Auswahl auf ein bestimmtes Segment zu konzentrieren, sofern dadurch immer noch ein Vergleich unterschiedlicher Anbieter mit verschiedenen Instrumenten möglich ist.263 Eine solche Regelung findet sich auch im britischen Recht (s. 2. Teil C.II.1.b)aa)(2)). Dies will der deutsche Gesetzgeber mit der Erweiterung der Vorgaben im 2. FiMaNoG nachholen (s. 2. Teil A.II.4.). Auch Nr. 1 lit. b) entspricht dem in Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. a) ii) MiFID II verankerten Prinzip, dass eine Beschränkung auf Eigenemissionen unzulässig ist.264

weitere Produkte wie Versicherungen, Darlehen, Bausparverträge, Mantelprodukte in der Analyse nicht zu berücksichtigen sind, s. Reiter/Methner, WM 2013, 2053, 2057. 259 Erläuterung des Bundesministeriums für Finanzen zur zweiten Verordnung zur Änderung der Wertpapierdienstleistungs- Verhaltens- und Organisationsverordnung zu Nr. 3 (s. 2. Teil, Fn. 239); Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 518. 260 Auf die Gefahr machten die Verbände früh aufmerksam, s. Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 38 m.w.N. 261 Voß, in: J/R/V/B, WpHG, § 31 Rn. 519. 262 Vgl. Voß, in: J/R/V/B, WpHG, § 31 Rn. 520. 263 Voß, in: J/R/V/B, WpHG, § 31 Rn. 520. 264 Voß, in: J/R/V/B, WpHG, § 31 Rn. 521.

94

2. Teil: Zuwendungen

bb) Keine rechtliche oder wirtschaftliche Verflechtung Gem. § 31 Abs. 4c Nr. 1 HS. 1 1. Alt. WpHG dürfen nicht nur solche Anlageobjekte ausgewählt werden, zu dessen Emittenten oder Anbieter eine enge Beziehung besteht. Ausweislich der Gesetzesbegründung liegt eine enge Verbindung vor, wenn die Voraussetzungen des § 1 Abs. 10 KWG a.F.265 erfüllt sind und somit das WpDU unmittelbar oder mittelbar 20 % der Stimmrechte oder des Kapitals an dem Emittenten hält.266 Dies gilt gem. HS. 1 Alt. 2 auch für Emittenten mit denen das WpDU in sonstiger Weise wirtschaftlich verflochten ist. Die wirtschaftliche Nähebeziehung wird durch die Gesetzesmaterialien beispielhaft konkretisiert.267 Eine solche besteht auch beim Vertrieb von Produkten der sog. hauseigenen Emittenten oder Anbietern, wenn der Träger ein Finanzverband, bzw. eine Finanzgruppe ohne rechtliche Konzernqualität, ist und dadurch die Emittenten/Anbieter als hauseigen qualifiziert werden.268 Hiervon wären bspw. sämtliche Sparkassen betroffen. Auffällig ist, dass die Verhaltens- und Informationspflichten strenger angelegt sind, als bislang durch die Rechtsprechung auf zivilrechtlicher Ebene ausgestaltet (s. 2. Teil A.II.1.b)).269 Diese erlaubt bei gleichzeitiger Erkennbarkeit die Beschränkung auf hauseigene Produkte.270 Durch die hiervon abweichende Regelung zeigen sowohl der europäische, als auch der deutsche Gesetzgeber konkludent, dass sie in dieser Konstellation keine Offenkundigkeit des Interessenkonflikts erkennen und daher anders als der BGH eine Aufklärungspflicht einführen. Schließlich ist die Auflösung der Interessenkonflikte eines der Ziele der MiFID II und des HABG. e) Strengeres Zuwendungsverbot § 31 Abs. 4c Nr. 2 WpHG legt ein weiterreichenderes Zuwendungsverbot fest, als bisher in § 31d WpHG für die provisionsbasierte Anlageberatung geregelt ist.271 Die Honorar-Anlageberatung soll sich allein durch das privatautonom ausgehandelte Beratungsentgelt tragen, welches seitens des Kunden an den Berater zu zahlen ist.272 Um dies zu gewährleisten, werden sämtliche Provisionszahlungen verboten; auch 265

Aufgehoben. Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 15; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112d; Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 107; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120d. 267 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295 S. 15, bspw. besteht eine enge Verbindung über einen Interessenverband, einen Finanzverband oder eine Finanzgruppe. 268 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 15. 269 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101,108. 270 BGHZ 170, 226 = NJW 2007, 1876, 1878 Rn. 21; Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 108. 271 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 15; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112e. 272 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 15; Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 179; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120e. 266

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

95

solche, die gem. § 31d WpHG erlaubt wären.273 Der Gesetzeswortlaut ist hierzu eindeutig, indem er ausdrücklich die Annahme von „[…] nicht monetäre[n] Zuwendungen von einem Dritten, der nicht Kunde dieser Dienstleistung ist oder von dem Kunden dazu beauftragt worden ist[…]“274, untersagt. Bedenklich ist jedoch, dass der Zuwendungsbegriff in § 31 Abs. 4c WpHG nicht neu definiert wird und eine Übertragung des Begriffs aus § 31d Abs. 2 WpHG aufgrund der Beschränkung im Wortlaut auf § 31d ausscheidet.275 Ausweislich der Gesetzesbegründung, soll dieser dennoch für die Honorar-Anlageberatung gelten, da damit ein „[…] über § 31d WpHG hinausgehendes Zuwendungsverbot […]“276 geschaffen werden kann.277 aa) Indirekte Ausnahme Ein vollständiges Zuwendungsverbot wurde analog zur europäischen Gesetzgebung ebenfalls nicht eingeführt, da Zuwendungen monetärer Art ausweislich des Wortlautes grds. angenommen werden dürfen, wenn diese nicht „im Zusammenhang“ mit der Honorar-Anlageberatung stehen.278 Unter Berücksichtigung der Wertung von § 31d WpHG, muss der Zusammenhang jedoch eng ausgelegt werden, sodass bereits ein mittelbarer Bezug ausreichend ist, um einen Interessenkonflikt zu gerieren.279 Ausdrücklich erfasst sind – anders als im Entwurf280 – auch Zuwendungen, die von einem Dritten, bzw. von einem durch den Kunden beauftragten Dritten, an das WpDU geleistet werden, da es keinen Unterschied macht, ob das Unternehmen die Vergütung durch einen Dritten erhält oder direkt selbst einbehält (bspw. bei Aufgabeaufschlägen).281 Dies ist in der Provisionsberatung gem. § 31d WpHG noch möglich.282 Eine solche Regelung ist, insb. vor dem Negativbeispiel aus Großbritannien (s. 2. Teil C.III.), zu begrüßen. Anderenfalls könnte mit dem Kunden vereinbart werden, dass dieser den Produktanbieter anweist, dem Berater eine aus seinem Anlagebetrag entnommene Summe als Provision zu zahlen.

273

Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 205. § 31 Abs. 4c Nr. 2 S. 1 WpHG. 275 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 109. 276 Begr. RegE AnsFuG, BR-Drs. 814/12, S. 14. 277 Begr. RegE AnsFuG, BR-Drs. 814/12, S. 14; Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 109. 278 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 109. 279 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 109; Koch, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 31d WpHG Rn. 28; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31d Rn. 10 f. 280 s. hierzu noch negativ bewertend Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 109. 281 So zum Entwurf Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 109. 282 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31d Rn. 21 ff. 274

96

2. Teil: Zuwendungen

bb) Direkte Ausnahme § 31 Abs. 4c Nr. 2 S. 3 WpHG statuiert zusätzlich eine ausdrückliche Ausnahmeregelung, indem monetäre Zuwendungen dann angenommen werden dürfen, wenn das Anlageprodukt nicht zuwendungsfrei zu erlangen ist. Dies gilt nur, wenn auch kein gleichartiges bzw. gleichgeeignetes Anlageobjekt am Markt verfügbar ist. Nach Annahme und Erhalt der Zuwendungen durch das WpDU müssen diese vollständig und unverzüglich an den Kunden ausgekehrt werden.283 Für die Beurteilung, ob auch tatsächlich kein gleichgeeignetes, zuwendungsfreies Anlageobjekt am Markt verfügbar ist, soll eine hinreichende Anzahl von Finanzprodukten i.S.d § 31 Abs. 4c Nr. 1 WpHG berücksichtigt werden.284 Darüber hinaus ist bislang nicht weitergehend festgelegt worden, wann Finanzprodukte als gleichartig angesehen werden.285 Die Feststellung einer Gleichartigkeit wirft einige Schwierigkeiten aufgrund der Vielzahl der Gestaltungen und Strukturmerkmale der einzelnen Produkte auf. Nur weil ein Produkt der gleichen Kategorie angehört, ist es nicht vergleichbar.286 So können Produkte unterschiedlicher Produktgruppen trotz verschiedener Ausgestaltung die gleiche Wirkung haben. In einem solchen Fall wäre fraglich, ob diese gleichartig i.S.d. § 31 Abs. 4c Nr. 2 S. 2 WpHG sind, wenn sich der Kunde bspw. ausdrücklich für eine bestimmte Produktgruppe entschieden hat.287 Letztlich wird es auf den Einzelfall ankommen, welche Produkte gleichartig sind. Einer stärkeren Transparenz, wie sie der Gesetzgeber erzielen wollte, ist hiermit nicht gedient. Ebenfalls birgt der Begriff Rechtsunsicherheit, sodass hier eine Nachjustierung wünschenswert ist. Darüber hinaus führt der Gesetzgeber durch das Merkmal der Gleichartigkeit als Voraussetzung zur Annahme von Zuwendungen ein weiteres Kriterium ein, welches die europäische Regelung nicht vorsieht.288 Die Regelung der Annahme von monetären Zuwendungen ist zudem in einer Nuance strenger.289 Denn gem. Art. 24 Abs. 7 lit. b) MiFID II dürfen diese nicht angenommen und behalten werden. Die Annahme ist also nur dann verboten, wenn die Zuwendung auch behalten wird. Möglich bleibt sie jedoch immer, wenn die Provision vollständig an den Kunden

283 Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112i; Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 231; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120e. 284 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 15; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120d; dennoch unklar wie weitreichend diese Analyse sein muss DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 14 f. 285 DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 14 f. 286 s. dazu auch die Experteninterviewauswertung 2. Teil E.III.2.b). 287 Vgl. Yahiaoui, Interview v. 04. 04. 2017. 288 DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 14 f. 289 Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 200 m.w.N.; Stellungnahme-Bundesrat, BT-Drs. 18/ 11290, S. 7; vgl. auch Roth/Blessing, CCZ 2017, 163, 167.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

97

ausgekehrt wird. Auf nationaler Ebene geht dies jedoch nur, wenn kein gleich geeignetes Finanzprodukt am Markt verfügbar ist.290 Der skizzierten Ausnahmeregelung liegt die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, dass ein absolutes Provisionsverbot die Auswahl der am Markt verfügbaren Finanzprodukte über die Maße einschränken würde, da nicht berücksichtigt wird, dass nicht jedes Finanzinstrument provisionsfrei zu erwerben wäre.291 Eine solche Einschränkung wiederspricht damit nach Ansicht des Gesetzgebers dem ursprünglichen Schutzzweck des Honorar-Anlageberatungsgesetzes.292 Diese Betrachtungsweise beruht jedoch auf der Fehlvorstellung, dass sich die am Markt erwerblichen Finanzprodukte in Produktgruppen mit und ohne Provision einteilen ließen; tatsächlich kann die Provision jedoch von den Parteien autonom verhandelt werden.293 Die Produktausgestaltung mit einer Provision ist in Bezug auf deren Struktur und Eigenschaft letztlich aber überflüssig, da keine Unterschiede im Vergleich zu provisionsfreien Produkten zu erkennen sind.294 Daher kann durchaus die Situation entstehen, dass der Kunde bei zwei konkurrierenden Unternehmen den gleichen Preis zahlen müsste, das eine Institut jedoch Provisionen erhält – welche nach der Neuregelung auszukehren wären – und das andere nicht.295 In dieser Konstellation wäre die Erlaubnis des Abschlusses des Geschäftes mit Provision, welche ausgekehrt werden muss, für den Kunden vorzugswürdiger.296 cc) Unterschiedliche Behandlung von monetären und nicht-monetären Zuwendungen Insgesamt zeigt sich, dass für nicht-monetäre Zuwendungen ein vollständiges Verbot vorliegt und auch die in Ausnahmefällen erhaltenen monetären Zuwendungen nicht von dem WpDU einbehalten werden dürfen, sondern an den Kunden weitergeleitet werden müssen. Anders ist dies in Art. 24 Abs. 7 lit. b) MiFID II auf europäischer Ebene geregelt; hier sind nicht-monetäre Zuwendungen grds. erlaubt.297

290 Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 200. Zur Kritik s. DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 14 f. 291 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 15; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 205. 292 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 15; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 205. 293 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 110; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120 f.; vgl. auch Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 294 Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 295 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 110. 296 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120 f. 297 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120k.

98

2. Teil: Zuwendungen

dd) Kritik (1) Sinkendes Beratungsniveau und steigende Kosten Das Annahmeverbot von nicht-monetären Zuwendungen betrifft auch Produktschulungen sowie Informationsmaterialien/-veranstaltungen.298 Diese sind einerseits als Verkaufsveranstaltungen des Emittenten anzusehen.299 Andererseits bieten diese dem Berater die Möglichkeit, innerhalb kürzester Zeit alle für ihn notwendigen Produktinformationen zu erhalten und dem Emittenten direkt (kritische) Fragen zu stellen.300 Durch ein Teilnahmeverbot an solchen Schulungen ist der Berater auf anderweitige Informationsbeschaffung angewiesen. Dadurch wird letztlich die Gefahr der einseitigen Information durch den Emittenten minimiert. Zugleich reduziert sich das Risiko, dass der Berater aus Bequemlichkeit nur solche Produkte empfiehlt, die er ohne Aufwand bei Produktschulungen kennengelernt hat. Die eigenständige Produktrecherche ist jedoch zeitintensiver301 und nimmt grds. mehr Personen in Anspruch. Dies wirkt sich zum einen auf die Beratungshonorare aus und zum anderen auf die Bereitschaft der Unternehmen die Honorar-Anlageberatung überhaupt einzuführen. Denn solange der kostengünstigere und einfachere Weg der Provisionsberatung, bei der Produktschulungen besucht werden dürfen, bestehen bleibt, steht zu erwarten, dass dieser präferiert wird.302 Andererseits kann dies auch dazu führen, dass sich die Honorar-Anlageberater (bspw. aus Zeitgründen) weniger kritisch mit Informationen auseinandersetzen, um vermeintlich attraktive Honorarmodelle anbieten zu können. Dadurch wäre das Beratungsniveau gefährdet, was letztlich die Akzeptanz, überhaupt ein Honorar für die Beratungsleistung zu zahlen, weiter senken würde. Die Möglichkeit an den Produktschulungen gegen Entrichtung einer Gebühr teilzunehmen, stellt die meisten Schulungsanbieter derzeit noch vor ein Berechnungsproblem.303 Zum einen sind überwiegend Pauschalen für die Verpflegung sowie Raummiete etc. vereinbart und zum anderen, darf der Preis nicht zu hoch sein, damit sich die Honorar-Anlageberater die Teilnahme noch leisten können, aber auch nicht zu niedrig, sodass wiederum von einer Zuwendung gesprochen werden kann.304 Die Zielvorstellung des Gesetzgebers, die Honorar-Anlageberatung zu einer echten Alternative der Provisionsberatung zu etablieren, konnte so nicht in der Praxis umgesetzt werden. Daher sollte der Gesetzgeber besser dem europäischen Vorbild 298 s. BVI, Stellungnahme Referentenentwurf 2. FiMaNoG; ders., Stellungnahme in der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 5; Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/ 11290, S. 8. 299 Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 300 Hermann, Interview v. 12. 12. 2016; Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 301 Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 302 I. E. allgemein Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 105. 303 Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016; Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 304 Ausf. Siewert, Interview v. 28. 09. 2016.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

99

der MiFID II folgen und weiterhin nicht-monetäre Zuwendungen erlauben, da die Nachteile des Verbotes die Vorteile überwiegen, oder Bagatellgrenzen bzw. Regelungen für Produktinformationen einführen. (2) Bagatellgrenze notwendig Wie sich in der Praxis gezeigt hat,305 ist die strengere Anforderung keine nichtmonetären Vorteile anzunehmen für die WpDU durchaus eine Belastung. So müssen bspw. sämtliche Weihnachtsgeschenke, wie kleine Taschenkalender im Wert von 5 Euro, zurückgeschickt werden.306 Hier entstehen administrativer Aufwand und erhebliche Portokosten. Aber auch der Kaffee während des Geschäftstermins darf nicht vom Geschäftspartner übernommen werden. Hier sollte der Gesetzgeber eine Bagatellgrenze einführen, da der einzelne Kaffee oder der Taschenkalender nicht mit der Ursprungsintention des Gesetzgebers erhebliche Beeinflussungen durch nichtmonetäre Vorteile, wie bspw. durch die Einladung zur Produktschulung auf Mallorca mit der Familie, entspricht. Der Gesetzgeber wird nicht ernsthaft glauben können, dass sich ein Berater von einem 5-Euro-Kalender beeinflussen lässt.307 Dies würde dem Berater nämlich zum einen sämtlichen gesunden Menschenverstand absprechen und zum anderen die Praxis der hausinternen Anlagepolitik308 vollständig außer Acht lassen. Allerdings muss in solchen Fällen auch der Eindruck auf den Kunden berücksichtigt werden, der dadurch entsteht, dass der Honorar-Anlageberater mit dem Kugelschreiber des Fonds X und dem Taschenkalender des Fonds Y während des Beratungsgesprächs arbeitet. Um keinen getrübten Eindruck der Unabhängigkeit in solchen Situationen entstehen zu lassen, könnten hierfür jedoch interne Leitlinien des WpDU erstellt werden, dass dieser bspw. diese Kugelschreiber während des Beratungsgesprächs nicht nutzt oder die Beratungsräumlichkeiten neutral zu gestalten sind. Auf rechtlicher Ebene besteht ausdrücklich keine Bagatellgrenze, jedoch kann ein solcher Graubereich auf praktischer Ebene entstehen. Für die BaFin ist es nicht möglich, zu kontrollieren, ob der Berater eine Tasse Kaffee auf einer Veranstaltung konsumiert hat, obwohl er diese nicht in Rechnung gestellt bekommen hat. Aus einer solchen, einmaligen Situation wird sich keine Beeinflussung ableiten lassen, sodass sie toleriert werden kann. Einige WpDU stellen hierzu interne Regelungen auf, um auch diesen Bereich transparent abzudecken.309 Für die Rechtssicherheit wäre eine offizielle Regelung, die diesen praktischen Graubereich erlaubt und in Gesetzestext gießt, wünschenswert. Diese nicht-mone305

s. Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016; Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016. 307 Vgl. Lange, Interview v. 18. 01. 2017. 308 s. Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016. 309 s. Siewert, Interview v. 28. 09. 2016, der darauf hinweist, dass die BaFin dann nicht einschreitet. 306

100

2. Teil: Zuwendungen

tären Zuwendungen, die unterhalb der Bagatellgrenze liegen, sollten dann jedoch nach europäischem Vorbild offen gelegt werden. (3) Keine Unabhängigkeit der Anlageentscheidung von der Provision? Die Kritik,310 der Kunde könne gezielt mit der Durchleitung der Provisionen geworben werden, geht fehl. Zwar minimiert sich der Beratungsbetrag um die entsprechende Provision, sodass sich der Berater dadurch als „günstiger“ gerieren kann. Diese Situation wäre aber letztlich ein positiver Aspekt für den Wettbewerb unter den Honorar-Anlageberatern, da die Provision nur in o.g. Ausnahmefällen angenommen und durchgeleitet werden darf. Zudem ließe sich dieser Effekt auch durch Neukundenrabatte oder günstige Folgegebühren erzielen.311 Diese müsste jedoch der Berater finanzieren, während er von der Durchleitung der Zuwendungen keinen wirtschaftlichen Nachteil hat. Daraus ergibt sich jedoch, dass der Berater kein finanzielles Eigeninteresse bei der Durchleitung der Provisionen verfolgt. Somit liegt bei dieser Konstellation nicht der eigentliche Interessenkonflikt vor, den die Honorar-Anlageberatung verhindern soll. Die Befürchtung, der Berater ließe sich dennoch – um den Kunden zu werben – von der Provision beeinflussen, ist auch deshalb kaum haltbar, weil die Fälle, in denen es kein gleich geeignetes Produkt ohne Provision gibt, gegen null tendieren.312 f) Strengere nationale Zuwendungsregulierung im europäischen Vergleich Insgesamt sind die deutschen Ausnahmeregelungen für die Annahme von Zuwendungen strenger als auf europäischer Ebene gefordert (s. 2. Teil A.II.2.e)bb) und 2. Teil A.II.2.e)aa)).313 Zwar ist die MiFID II an dieser Stelle vollharmonisierend (s. 1. Teil E.II.), allerdings enthält Art. 24 Abs. 12 MiFID II eine Öffnungsklausel unter der Voraussetzung, dass strengere nationale Regelungen notwendig sind, um Gefahren oder Risiken zu verhindern, die durch die europäischen Regelungen nicht abgedeckt werden. Der deutsche Gesetzgeber hat, wie in der Ausnahmeregelung vorgesehen, eine Mitteilung an die Kommission gesendet,314 in der er erklärt, dass solche Regelungen, 310 vzbv, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 17; Mattil & Kollegen, Stellungnahme 2. FiMaNoG, S. 5 f.; Reiter/Methner, WM 2013, 2053, 2058 „Schnäppcheneffekt“. 311 Vgl. Lange, Interview v. 18. 01. 2017. 312 Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 313 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120k; Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 200. 314 Mitteilung der Regierung der Bundesrepublik Deutschland an die Europäische Kommission vom 27. 06. 2014, abrufbar unter: https://ec.europa.eu/info/sites/info/files/file_import/ de_art_4_0_de_0.pdf (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018).

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

101

wie sie der deutsche Gesetzgeber durch das HABG eingeführt hat, auf europäischer Ebene nicht vorhanden sind. Daher besteht Handlungsbedarf die Honorar-Anlageberatung zu fördern, was auch der europäische Gesetzgeber erkannt hat. Des Weiteren wird ausgeführt, dass durch die Einführung des HABG eine Harmonisierung mit dem europäischen Recht durch die MiFID II stattfinden soll. Hier ist jedoch anzumerken, dass die Mitteilung noch auf Grundlage der MiFID IRegelungen erfolgte und der europäische Gesetzgeber zu diesem Zeitpunkt an der MiFID II-Regelung zur unabhängigen Beratung arbeitete.315 Es bestand also kein akuter Handlungsbedarf und damit kein Grund die Regelungen der MiFID II nicht abzuwarten. Gegenteiliges führt die Regierung in ihrer Mitteilung nicht an. Die Ausführung, dass auf diese Weise eine Harmonisierung mit dem europäischen Recht stattfinden soll, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar. Denn wie gezeigt, weichen die nationalen Regelungen deutlich von den europäischen Vorgaben ab.316 Der Gesetzgeber geht jedoch auch im 2. FiMaNoG zur Anpassung der Regelungen an die MiFID II von der Übereinstimmung aus und hat daher keine weitere Mitteilung an die Kommission vorgenommen. Solche Alleingänge sind, vor dem Ziel des einheitlichen europäischen Regelwerks, abzulehnen.317 g) Zusätzliche Regelungen auf nationaler Ebene Der Gesetzgeber hat nicht nur im vorauseilenden Gehorsam die von ihm erwarteten Regelungen der MiFID II im HABG umgesetzte, sondern auch darüber hinausgehende Regelungen getroffen. Diese sollen im Folgenden dargestellt und bewertet werden. aa) § 31 Abs. 4d WpHG (1) Aufklärung über Interessenkonflikte § 31 Abs. 4d S. 1 WpHG regelt die ausreichende Information und die Aufklärung über bestehende Interessenkonflikte. Dafür muss das WpDU darüber aufklären, „[…] dass es selbst Anbieter oder Emittent der Finanzinstrumente ist“ (Nr. 1), „[…] dass eine enge Verbindung oder eine sonstige wirtschaftliche Verflechtung zum Anbieter oder Emittenten besteht, “ (Nr. 2) oder, dass ein „[…] eigene[s] Gewinninteresse[s] oder das Interesse eines mit ihm verbundenen oder wirtschaftlich verflochtenen Emittenten oder Anbieters an dem Geschäftsabschluss“ besteht (Nr. 3). In diesen Fällen sollte kein Verbot eingeführt werden, da ansonsten in dieser Situation geeignete Finanzinstrumente dem Anleger nicht zugänglich gemacht

315 316 317

Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 204 „merkwürdig anmutend“. Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 204. s. ebenfalls Feck, Interview v. 09. 01. 2017.

102

2. Teil: Zuwendungen

werden könnten.318 Die daraus resultierenden Interessenkonflikte sollen mittels rechtzeitig vor der Empfehlung erfolgender und verständlicher Aufklärung des Kunden ausgeräumt werden.319 Folglich handelt es sich bei diesen Informationspflichten um eine Präzisierung des Verbots der Interessenkollision bei der Anlageberatung.320 Es mag stimmen, dass die Einführung einer Offenlegungspflicht der genauen Summe, die das WpDU oder das mit ihm verflochtene Unternehmen erhält, anlegerfreundlicher gewesen wäre, da der Kunde durch die exakte Höhe das Eigeninteresse besser bewerten und in seine Anlageentscheidung miteinbeziehen kann.321 Ihm wird jedoch durch die neu eingeführte Offenlegung das Eigeninteresse deutlich gemacht. Es macht sicherlich einen Unterschied, ob sich das Gewinninteresse im drei- oder vierstelligen Bereich bewegt, jedoch hat der Anleger keinen Referenzwert über die Gewinnmarge anderer Emittenten zum Vergleich.322 Der Zahl fehlt es folglich an Aussagekraft. Indem in der Honorar-Anlageberatung zusätzliche Voraussetzungen geschaffen wurden, das am besten geeignetste Produkt für den Kunden herauszufiltern, ist die Möglichkeit auf eigene oder verbundene Produkte zurückzugreifen, bereits nicht mehr ohne Weiteres möglich.323 Der Anreiz, auf diese zurückzugreifen, wird zusätzlich durch den erhöhten Begründungsaufwand und die Offenlegungspflicht vermindert. Mithin ist der Kunde ausreichend geschützt. Das Argument, dass der Kunde solche Offenlegungshinweise nicht immer wahrnimmt und deshalb nicht von der Einschränkung der Unabhängigkeit Kenntnis erlangt,324 kann zu keiner anderen Beurteilung führen. Denn hierbei handelt es sich um ein allgemeines Problem der Informationsüberlastung, welches durch ein Gesamtkonzept aufgelöst werden muss. Dem Anleger seine freie und eigenbestimmte Entscheidung durch ein Verbot zu nehmen, ist nicht gerechtfertigt. Es darf an dieser Stelle jedoch nicht übersehen werden, dass dem WpDU – anders als anderen Verkäufern – auferlegt wird, dem Kunden deutlich zu machen, dass es mit dem Abschluss des Vertrags eigene Gewinninteressen verfolgt.325

318 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 15; Kurz, DB 2014, 1182, 1183; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120g. Damit bleibt auch der Vorschlag des Bundesrats, ein generelles Verbot von Geschäften mit eigenen oder dem WpDU nahestehenden Finanzanlageprodukte einzuführen, unbeachtet, s. Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 17/12295, S. 22. 319 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 25; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112k; zum Interessenkonflikt Buck-Heeb, WM 2012, 625, 629; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 112k. 320 Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 43; Kirchhartz, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht, § 3 Rn. 82. 321 Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 43. 322 s. deshalb die Einführung der Äquivalenzwerte in Großbritannien, 2. Teil C.I. 323 Siewert, Interview v. 23. 09. 2017. 324 s. Mattil & Kollegen, Stellungnahme 2. FiMaNoG, S. 5 f. 325 Kritisch Michels/Backes, Interview v. 15. 11. 2015.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

103

Der Gesetzgeber gibt durch die Einführung dieser Offenlegungspflichten konkludent zu verstehen, dass er nicht gänzlich der bisherigen Rechtsprechungsauffassung des BGH folgt (s. 2. Teil A.II.1.b)). Nach dieser muss aufgrund der Offenkundigkeit des Interessenkonflikts gerade nicht über das Gewinninteresse beim Vertrieb eigener Produkte aufgeklärt werden.326 Hier mag der Gesetzgeber jedoch auch Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. a) ii) MiFID II im Blick gehabt haben. Dieser statuiert eine allgemeine Aufklärungspflicht des Kunden darüber, ob eine umfangreiche Analyse der Finanzinstrumente vorgenommen wurde und darüber, ob die Palette an Finanzinstrumenten auf Finanzinstrumente beschränkt ist, die von Einrichtungen emittiert oder angeboten wurden, die in enger Verbindung zu dem WpDU stehen. Es handelt sich hierbei also um eine allgemeine und nicht nur für die unabhängige Beratung geltende Aufklärungspflicht, sodass die hier besprochene Aufklärungspflicht seitens des deutschen Gesetzgebers falsch verortet wurde.327 Dies greift der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum RegE 2. FiMaNoG ebenfalls auf – allerdings ohne diese Begründung anzugeben.328 Er schlägt eine grds. Offenlegung des möglichen Interessenkonfliktes bei einer Vermischung von Anlageberatung mit dem Vertrieb von Finanzinstrumenten, die vom WpDU selbst oder einem eng verbundenen Unternehmen emittiert werden, vor.329 Hingegen sieht die Bundesregierung hier fälschlicherweise keinen Korrekturbedarf.330 (2) Verbot von Festpreisgeschäften § 31 Abs. 4d S. 2 WpHG verbietet darüber hinaus den Abschluss von Festpreisgeschäften im Rahmen der Honorar-Anlageberatung. Dieses wird dort erstmals legal definiert als „[…] Geschäft mit dem Kunden zu einem festen oder bestimmbaren Preis für eigene Rechnung […]“. Der Gesetzgeber begründet das Verbot mit der Unvereinbarkeit des Gewinnerzielungsinteresses im Festpreisgeschäft und der Unabhängigkeit des Honorar-Anlageberaters.331 Auch hier nimmt der Gesetzgeber eine andere Position ein, als der BGH (s. 2. Teil A.II.1.b)cc)(2)).332 Dieser lehnte bislang Aufklärungspflichten aufgrund der Offensichtlichkeit des Eigeninteresses für Gewinnmargen bei Festpreisgeschäften 326 BGH NJW 2013, 3574 Rn. 23; BGHZ 191, 119 = NJW 2012, 66 Rn. 44; BGH NJW-RR 2012, 43 Rn. 47; BGH NJW 2011, 2873 Rn. 19; OLG Hamburg ZIP 2010, 973, 974; OLG Köln BKR 2011, 334, 336; Koch, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 31d WpHG Rn. 88; Spindler, WM 2009, 1821, 1825; ders., in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 182, 120 g. 327 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 207; a.A. Poelzig, Stellungnahme zum Entwurf des 2. FiMaNoG im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 10. 328 Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/11290, S. 9. 329 Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/11290, S. 9. 330 Stellungnahme Bundesregierung, BT-Drs. 18/11290, S. 17. 331 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 15; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120h. 332 s. hierzu bereits Balzer auf dem Bankrechtstag 2014, Breilmann/Fuchs, WM 2013, 1437, 1444.

104

2. Teil: Zuwendungen

ab.333 Allerdings enthält § 31 Abs. 4d S. 3 WpHG eine Ausnahmeregelung, nach der das Festpreisgeschäft ausnahmsweise zulässig ist, wenn dabei ein eigenes oder konzerninternes Finanzinstrument an den Kunden veräußert wird. Damit soll die Unmöglichkeit des Erwerbs eines solchen Finanzprodukts aufgrund fehlenden Sekundärmarkts in der Zeichnungsphase verhindert werden.334 Dem neuen Ansatz, den Interessenkonflikt in Form eines Verbotes aufzulösen, kann nicht gefolgt werden. Vielmehr hätte der Gesetzgeber hier ebenfalls zu einer vermittelnden Lösung durch Information greifen können, indem der Kunde über die Form des Ausführungsgeschäftes als Festpreisgeschäft aufgeklärt werden muss. Auf diese Weise wird dem WpDU das Festpreisgeschäft nicht grds. abgeschnitten und es hält gleichzeitig seine Pflicht, den Kunden bestmöglich zu beraten, ein. Wenn das WpDU dem Kunden erklärt, dass es sich um ein Festpreisgeschäft handelt, muss sich dieser nicht auf einzelne, für ihn oftmals schwer zu erkennende Anzeichen, verlassen. Ebenso weiß er dadurch, dass das Unternehmen eigene Gewinninteressen verfolgen könnte und kann die Empfehlung einordnen. Zwar mag hier das WpDU „doppelt“ durch das Honorar des Kunden und die Gewinnmarge verdienen,335 jedoch nur unter den zusätzlichen strengen Voraussetzungen der Marktanalyse und unter Aufklärung des Kunden. Die Lösung über die Aufklärung würde folglich Transparenz schaffen und die Honorar-Anlageberatung für WpDU nicht unattraktiver ausgestalten, als die Provisionsberatung. Vor allem würde so ein zu weites Auseinanderfallen der europäischen und der nationalen Regelung verhindert. bb) Honoraranlageberater-Register der BaFin Die Honorar-Anlageberatung hat nicht nur inhaltliche Regelungen erfahren, sondern auch Ordnungsregelungen, insb. durch § 36c WpHG. Dieser weist zwar einen Bezug zur europäischen Regelung auf, findet dort jedoch kein direktes Pendant.336 So braucht es auf nationaler Ebene für die Erbringung der Honorar-Anlageberatung einen Eintrag in das Honoraranlageberater-Register337 der BaFin, sodass der Begriff des Honorar-Anlageberaters einen Bezeichnungsschutz erfährt. (1) Ausschließlich formelle Prüfung der Voraussetzungen § 36c Abs. 1 WpHG verpflichtet die BaFin zur Führung eines öffentlich zugänglichen Registers für die Honorar-Anlageberater, welches von Jedermann auf der Internetseite der BaFin eingesehen werden kann. Damit kann vor der Beratung verifiziert werden, ob das WpDU, welches die Honorar-Anlageberaterbezeichnung 333

BGH NJW 2012, 66; BGH NJW-RR 2012, 43. Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 15. 335 Deshalb ablehnend Ahlers, Interview v. 20. 12. 2016. 336 Ritz, in: J/V/R/B, WpHG, § 36c Rn. 1. 337 Abrufbar unter: https://portal.mvp.bafin.de/database/HABInfo/ (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 334

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

105

führt, auch tatsächlich die Voraussetzungen dafür erfüllt.338 Denn für die Aufnahme in das Register und damit für die Erlaubnis sich als Honorar-Anlageberater zu firmieren,339 müssen die in § 36c Abs. 2 WpHG genannten Voraussetzungen vorliegen. Demnach müssen die WpDU eine gültige Erlaubnis nach § 32 KWG für Bankgeschäfte bzw. Finanzdienstleistungen und nach § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 9 WpHG zur Erbringung von Anlageberatungstätigkeiten nachweisen, die Anlageberatung gem. § 2 Abs. 3 S. 1 Nr. 9 WpHG erbringen zu dürfen. Zugleich muss das WpDU i.S.d. § 33 Abs. 3a WpHG strukturiert sein. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen prüft die BaFin lediglich formell.340 Nur die Pflichten aus § 33 Abs. 3a WpHG werden mittelbar über den durch das WpDU vorzulegenden Prüfbericht kontrolliert.341 (2) Organisatorische Pflichten des WpDU Gem. § 33 Abs. 3a S. 1 WpHG muss das WpDU nachweisen, dass die HonorarAnlageberatung „organisatorisch, funktional und personell“ getrennt von der provisionsgestützten Beratung erbracht wird, bzw. es ausschließlich Honorar-Anlageberatung anbietet. Um dies zu erfüllen muss das WpDU sicherstellen, dass keinerlei Verflechtungen zur provisionsgestützten Beratung bestehen, also keine Einflussnahme möglich ist.342 § 12 Abs. 6 S. 2 Nr. 2 WpDVerOV bestimmt dazu, dass der Anlageberater, der die provisionsbasierte Beratungstätigkeiten erbringt, nicht zugleich auch unabhängige Beratungsleistungen anbieten darf. Dies entspricht nicht nur dem Gesetzeszweck, sondern auch der Vorgabe der Kommission (s. 2. Teil A.I.4.b)bb)). Allerdings muss sich nun der einzelne Berater entscheiden, ob er künftig die Provisionsberatung oder die Honorarberatung durchführen möchte, was sich in der Praxis gerade aufgrund langjähriger Kundenbeziehung – insb., wenn diese Kunden nicht in die vom Berater gewählte Beratungsform wechseln möchten – schwierig gestaltet.343 Speziell für kleine WpDU ist eine strikte Trennung aufgrund der bislang fehlenden Kundenresonanz für die Honorar-Anlageberatung unwirtschaftlich.344 Anders ist jedoch die Begründung des Gesetzgebers, der auch von einer Trennung der Leitung (direkter Vorgesetzter) spricht, zu verstehen.345 Dieses Verständnis ließe sich zum Teil durch die offene Formulierung in § 12 Abs. 6 WpDVerOV umsetzen. Dieser fordert, dass die Vertriebsvorgaben so ausgestaltet werden, dass kein Einfluss 338

Ritz, in: J/V/R/B, WpHG, § 36c Rn. 6. Begr. RegE HABG BT-Drs. 17/12295, S. 16; Tiefensee/Kuhlen, WM 2014, 2105. 340 Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 28. 341 Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 28. 342 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 16; Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 46; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120j. 343 s. Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016; Witteck, Interview v. 14. 09. 2016. 344 s. Witteck, Interview v. 14. 09. 2016; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120k. 345 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 16; Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 46; Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 110. 339

106

2. Teil: Zuwendungen

auf die Honorar-Anlageberatung ausgeübt werden kann. Dies soll in Abhängigkeit von der Größe, der Organisation sowie der Art, des Umfangs und der Komplexität der Geschäftstätigkeit erfolgen. Demnach müsste jedenfalls die Beraterebene getrennt werden. Berät der übergeordnete Leiter ebenfalls aktiv, so ist auch dieser erfasst. Anderenfalls wäre er nur mittelbar mit der Koordination und der Aufsicht über die Honorar-Anlageberater mit der Honorar-Anlageberatung betraut.346 Dennoch könnte dieser durch entsprechende Anweisungen und indirekter Auswahl an Produkten, die Unabhängigkeit der im direkten Kundenkontakt stehenden Berater beeinflussen. Diese Problematik ließe sich jedoch durch die Einführung von Chinese Walls,347 wie diese bereits für die Compliance-Funktion im Unternehmen vorgesehen sind, verhindern.348 Es reicht also die funktionelle und räumliche Trennung sowie die Schaffung von Zutritts- und Zugriffsbeschränkung auf Daten. Diese Lösung würde sowohl dem Verständnis des nationalen als auch dem des europäischen Gesetzgebers entsprechen und die Belastung der WpDU so gering wie möglich halten.349 Darüber hinaus besteht ohne die Trennung auf unterster Ebene ein Restrisiko, ob der Berater tatsächlich die Bereiche trennen kann – mag dies auch mittels unterschiedlicher EDV-Software technisch möglich sein.350 Zusätzlich ist ein ständiger Wechsel zwischen den Beratungsformen als potentielle Fehlerquelle anzusehen, da bei der Honorar-Anlageberatung strengere Anforderungen beachtet werden müssen.351 Diese Problematik ist durch die Trennung auf Beraterebene aufgelöst. Außerdem lässt sich die Alternative der zweiten besonderen Beratungsform auch sichtbar für den Kunden darstellen, indem sie durch andere Berater durchgeführt wird.352

346

A.A. Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 185, die Meinung des Gesetzgebers habe keinen Anhaltspunkt im Wortlaut gefunden. 347 Diese halten die „[…] Auswirkungen von Interessenkonflikten zwischen dem Wertpapierdienstleistungsunternehmen und seinen Kunden oder zwischen seinen verschiedenen Kunden möglichst gering“, s. BaFin, Rundschreiben 4/2010 (WA)-MaComp, Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, AT 6.2. Die Einhaltung der Chinese Walls wird mittels sog. Watch-Listen, nicht öffentlicher und laufend aktualisierter Listen mit den relevanten Produkten und Informationen, überprüft; zur Lösung des Problem mittels Chinese-Walls, s. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120j; ders., FS Säcker, 469, 483. 348 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120j. 349 s. zur Belastung Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120j. 350 Zur EDV-Software Michels/Backes, Interview v. 15. 11. 2016. 351 A.A. und damit keinerlei Risiken erkennend bei der Erbringung beider Beratungsformen durch einen Berater Walz, RdF, 2014, 198, 200. 352 So bereits ESMAs Vorstellung (2. Teil A.I.3.b)).

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

107

cc) Bezeichnungsschutz gem. § 36d WpHG Gem. § 36d Abs. 1 WpHG dürfen die Begriffe des Honorar-Anlageberaters, der Honorar-Anlageberaterin und Honorar-Anlageberatung nur dann geführt werden, wenn das WpDU unter den Voraussetzungen des § 36c WpHG in das Register eingetragen wurde. Mit diesem Bezeichnungsschutz soll die Honorar-Anlageberatung mit den gesteigerten Wohlverhaltenspflichten für den Anleger sofort erkennbar werden und dadurch dessen Vertrauen gewinnen.353 § 36d Abs. 2 WpHG stellt Ausnahmen für ausländische Unternehmen auf354 und Abs. 3 regelt die Sanktionsbefugnis der BaFin bei Verstößen. (1) Schutzumfang: „Honorarberater“ erfasst? Nach dem Wortlaut von § 36d Abs. 1 WpHG sollen auch „abweichende Schreibweisen“ geschützt sein, in der die zuvor genannten Schreibweisen enthalten sind.355 Es folgt jedoch eine umfangreiche Aufzählung von Alternativen, der es – wenn tatsächlich jede abweichende Schreibweise hätte erfasst werden sollen – nicht bedurft hätte.356 Vielmehr soll durch diese Formulierung Schutz davor gewährt werden, dass bspw. Honorar-Anlageberatung ohne Bindestrich geschrieben wird und daraus unterschiedliche Konsequenzen entstehen.357 Die Aufzählung der zweiten Alternative, die das geschützte Wort verändert, zeigt deutlich dass das Wort als gesamtes und nicht die einzelnen Silben geschützt sind.358 Anderenfalls wären auch der „Berater“, der „Anlageberater“ und die „Anlageberatung“ entgegen des Schutzzweckes erfasst.359 Dies bestätigt der Vergleich mit § 39 Abs. 1 KWG, der die General-Begriffe „Bank“ und „Bankier“ sowie „jede Bezeichnung in der das Wort ,Bank‘ oder ,Bankier‘ enthalten ist“ umfasst, sodass der Gesetzgeber für einen

353

Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 16; Ritz, in: J/V/R/B, WpHG, § 36d Rn. 2. Hinsichtlich der Vereinbarkeit dieser Regelung mit dem europäischen Pass s. Ritz, in: J/V/R/B, WpHG, § 36d Rn. 14. 355 Ritz, in: J/V/R/B, WpHG, § 36d Rn. 4; ohne Angabe von Gründen befürwortend für abweichende Schreibweisen hingegen nicht für Abkürzungen wie Honorar-Berater Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 51 f.; Tiefensee/Kuhlen, WM 2014, 2105; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120i, der nur die explizit benannten Schreibweisen als geschützt betrachtet. 356 Tiefensee/Kuhlen, WM 2014, 2105, 2106; i.E. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 111. 357 Vgl. Tiefensee/Kuhlen, WM 2014, 2105, 2106. 358 Tiefensee/Kuhlen, WM 2014, 2105, 2106; Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 111. 359 Tiefensee/Kuhlen, WM 2014, 2105, 2106. Historisch kann auch durch das Eckpunktepapier des BMELV, Qualitätsoffensive Verbraucherfinanzen, Eckpunkte für eine gesetzliche Regelung des Berufsbildes der Honorarberatung, als Vorgänger des Gesetzesentwurfs keine andere Interpretation erfolgen. Dieses wurde zwar verworfen, aber in Folge des dortigen 3-Säulen-Modells wurde erheblich über die Beraterbezeichnung diskutiert, s. bspw. Entschließungsantrag DIE LINKE, BT-Drs. 17/13248, S. 4. 354

108

2. Teil: Zuwendungen

umfassenden Schutz eine bestehende Vorlage gehabt hätte.360 Des Weiteren entstünden Rechtsunsicherheiten darüber, wie weit der Begriff bei abweichender Schreibweise noch geschützt ist. Es ist richtig, dass der durchschnittliche Anleger nicht auf die orthographische Schreibweise achtet361 und deshalb ohne weitere Aufklärung auch nicht den Unterschied zwischen Honorar-Berater und HonorarAnlageberater erkennen wird. Wird er jedoch ausdrücklich über diesen Unterschied aufgeklärt, kann er diesen auch beachten.362 Die missbräuchliche Verwendung von nicht geschützten Begriffen wie Honorarberater zur Irreführung des Anlegers fällt außerdem unter den Anwendungsbereich von §§ 3, 5 UWG und ist mithin verboten.363 Da derzeit solche Bezeichnungen am Markt gebräuchlich sind, wäre eine Klarstellung seitens des Gesetzgebers wünschenswert gewesen, ist jedoch auch nicht im 2. FiMaNoG erfolgt.364 (2) Schutzumfang: Beraterbezeichnung nur noch für die Honorar-Anlageberatung? Die darüber hinaus bestehende Forderung, die Benutzung der Bezeichnung „Beratung“ oder „beraten“ im Zusammenhang mit der provisionsbasierten Finanzdienstleistung zu verbieten,365 ist abzulehnen.366 Wie bereits festgestellt, ist die irreführende Nutzung von abgekürzten Bezeichnungen aufgrund von §§ 3, 5 UWG verboten (2. Teil A.II.2.g)cc)(1)). Zudem zeigt auch hier der Vergleich mit § 59 VVG,367 dass der Gesetzgeber eine entsprechende Vorlage zur Einführung einer solchen Regelung kannte und sich offensichtlich bewusst dagegen entschieden hat.368 Darüber hinaus bräuchte es bei entsprechender Aufklärung des Kunden über die unterschiedlichen Beratungsmodelle und den Interessenkonflikt durch Provisionen keine Begriffsjurisprudenz. Durch ein Verbot über die Führung der Beraterbezeichnung würde zudem konkludent der provisionsgestützten Tätigkeit, die Bera-

360

Tiefensee/Kuhlen, WM 2014, 2105, 2107. Vgl. Tiefensee/Kuhlen, WM 2014, 2105, 2107. 362 I. E. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 109. 363 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120i. 364 Ausf. 2. Teil A.II.4. Allerdings hat die Praxis hierauf größtenteils reagiert und entsprechende Bezeichnungen geändert, s. Beule, Stellungnahme, v. 09. 03. 2017. 365 Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 52. 366 So auch Tiefensee/Kuhlen, WM 2014, 2105, 2107; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120i. 367 Eine Verkürzung auf Berater oder Versicherungsberater verbietet § 59 VVG. Diese dürfen sich nur dann Versicherungsberater nennen, wenn sie keinen wirtschaftlichen Vorteil von einem Versicherer erhalten oder in anderer Weise von diesem abhängig sind. Wird die Dienstleistung über Provisionen vergütet muss die Bezeichnung Versicherungsvermittler, bzw. Versicherungsvertreter oder Versicherungsmakler geführt werden. 368 s. zur VVG Reform und dem Bezeichnungsschutz Tiefensee/Kuhlen, WM 2014, 2105, 2107; zur Unterscheidung von Beratern und Vermittlern Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 361

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

109

tungsleistung an sich abgesprochen.369 Dies entspricht weder der Realität noch der Absicht des Gesetzgebers und ist damit als zu weitgehend abzulehnen. (3) Andere Bezeichnung als auf europäischer Ebene Auffällig ist, dass der Gesetzgeber einerseits ein zusätzliches Register mit einhergehendem Bezeichnungsschutz als eine über die MiFID II hinausgehende Maßnahme einführt, andererseits aber einen anderen Begriff als den dort verorteten wählt. Anstelle der „unabhängigen Beratung“ führt der Gesetzgeber einen sperrigen und praxisuntauglichen Begriff ein, der für den Anleger aufgrund des Honorars im Namen ohne weitere Ausführungen negativ wirkt.370 Hatte er seiner Ansicht nach doch bislang noch nie etwas für die Beratungsleistung bezahlt. Das weiß auch der Gesetzgeber, da er den Irrglauben über die kostenlose Beratung durch das HABG ausräumen möchte.371 Das Signalwort „Honorar“ macht darüber hinaus den bestehenden Interessenkonflikt nicht hinreichend deutlich und lässt die weiteren Merkmale der Honorar-Anlageberatung unberücksichtigt. Letztere waren jedoch beiden Gesetzgebern besonders wichtig.372 Insofern ist der europäische Begriff „unabhängige Beratung“ passender gewählt, der direkt im Namen den Interessenkonflikt anspricht. Eine Verwirrung des Kunden durch den Begriff „unabhängige Beratung“ kann nicht festgestellt werden.373 Die Vorstellung, es fände eine altruistische Beratung statt, wird durch diesen Begriff nicht erzeugt – auch wenn nicht mehr das Honorar im Vordergrund steht.374 Zwar wurde der Begriff der Honorar-Anlageberatung bereits vor der Einführung des HABG genutzt, – so die quirin Bank – allerdings ist diese Beratungsform derart unbekannt, dass eine Umorientierung oder Verwirrung nicht entstehen kann. Die fehlende Kenntnis über die andere Beratungsform liegt zum einen an der fehlenden Bekanntmachung seitens des Gesetzgebers. Zum anderen aber auch an dem gewählten Begriff, da der Kunde bei der Erklärung, im Folgenden werde keine Honorar-Anlageberatung erbracht, nicht hellhörig wird.375 Indem der Berater erklären müsste, er berate nicht unabhängig, besteht zumindest die Chance, dass der Anleger aufmerkt und nachfragt.376 Dies 369

Vgl. DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 21. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 106. Dies fällt nun auch den Abgeordneten in der 1. Beratung zum 2. FiMaNoG auf, s. die Rede von Sarah Ryglewski (SPD), Plenarprotokoll 18/ 215, S. 21577; s. auch die zu Protokoll gegebene Rede von Dr. Gerhard Schick (Bündnis 90/ DIE GRÜNEN), Plenarprotokoll 18/215, S. 21608; a.A. Walz, RdF 2014, 198, 199, der „Honorar-Anlageberatung“ als einzigen neutralen Begriff bewertet. 371 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 1. 372 Begr. RegE HABG, BT-Drs. 17/12295, S. 1, die Anforderungen sollten über die der herkömmlichen Beratung hinausgehen. 373 So aber Walz, RdF 2014, 198, 199; für die Beibehaltung der bisherigen Bezeichnung DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 21. 374 Dies befürchtend Paulisan, Interview v. 04. 04. 2017. 375 Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 376 Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 370

110

2. Teil: Zuwendungen

würde den Interessenkonflikt offen legen und damit auch das Aufklärungsziel des Gesetzgebers erreichen. Zugleich würde das Bestreben des deutschen Gesetzgebers, die MiFID II sprachlich Eins-zu-eins umzusetzen, weiter fortgesetzt. Das Argument, dass mit der Einführung des Begriffs „unabhängige Beratung“, die Provisionsberatung als qualitativ schlechter dargestellt werde, obwohl hinsichtlich der Sachkunde der Berater keine Unterschiede bestehen, mag nicht überzeugen.377 Hinsichtlich der Sachkundeanforderung ist dies zweifelsfrei richtig. Allerdings wird die provisionsbasierte Beratung als gesetzlicher Standardfall nicht abgewertet, vielmehr wird der Interessenkonflikt, der ebenfalls zweifelsfrei besteht, im Namen offensichtlich angesprochen ohne die abschreckende Wirkung des Honorars zu betonen. Darüber hinaus entfiele bei Einführung des Begriffs der unabhängigen Beratung die Diskussion zur geschützten Schreibweise. Offensichtlich ist dies nun auch dem Gesetzgeber aufgefallen, da er im 2. FiMaNoG schlussendlich eine Legaldefinition der unabhängigen Beratung einführt, welche aber leider weiterhin auch an das Honorar anknüpft (s. 2. Teil A.II.4.c)). (4) Einführung einer geschützten Bezeichnung für die Provisionsberatung Um die Differenzierung und die Existenz der unterschiedlichen Beratungsformen deutlich zu machen, könnte der Gesetzgeber neben dem geschützten Begriff für die Honorar-Anlageberatung auch einen allgemeingültigen Begriff für die Provisionsberatung als Pendant einführen.378 Auf der europäischen Ebene wird sprachlich klar zwischen der nicht unabhängigen und der unabhängigen Beratung unterschieden. Eine solche sprachliche Differenzierung sollte auch auf deutscher Ebene eingeführt werden. Der neue Begriff müsste jedoch der Einordnung der Honorar-Anlageberatung als Unterform der Provisionsberatung gerecht werden. So handelt es sich bei der Provisionsberatung um den Standardfall der Beratung, dies spricht jedoch nicht dagegen diese einheitlich und gesetzlich definiert zu bezeichnen.379 Da sich die Honorar-Anlageberatung und damit deren Bezeichnung noch nicht etabliert haben, könnte durch die Einführung eines Begriffs für die Provisionsberatung als Hauptberatungsform eine größere Aufmerksamkeit entstehen. Der Kunde müsste sich mit der neuen Bezeichnung seines bisherigen Beraters und deren Bedeutung auseinandersetzen. Zugleich würde der für den Kunden nicht mehr nachvollziehbare380 „Bezeichnungsdschungel“ strukturiert und das eigentlich gewollte „Gütesiegel“381 doch noch zum Tragen kommen. Eine Stigmatisierung der provisionsbasierten 377

Dies andeutend DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 21. Für die Einführung einer Legaldefinition für die unabhängige und die nicht-unabhängige Anlageberatung vzbv, Stellungnahme in der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zum 2. FiMaNoG, S. 5. Die Verwendung von „nicht-unabhängig“ als Legaldefinition für die provisionsbasierte Beratung im Entschließungsantrag vom 29. 03. 2017 vorschlagend, DIE LINKE, BT-Drs. 18/11788, S. 2 Nr. 2. 379 So aber indirekt DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 21. 380 s. Jenner, Interview. v. 16. 01. 2017. 381 Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 106. 378

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

111

Beratung ist durch die Bezeichnung als „nicht unabhängig“ oder „Provisionsberatung“ nicht verbunden, da diese den WpDU keine schlechte Beratung unterstellt, sondern nur die zwei unterschiedlichen Formen aufgezeigt werden. Schließlich müssen sie den Kunden ohnehin darüber aufklären, welche Leistung sie erbringen und was dies bedeutet.

3. Zwischenfazit zur Umsetzung der europäischen Vorgaben durch das HABG Das HABG bemüht sich, die europäischen Vorgaben sehr genau umzusetzen sowie den nationalen Marktgegebenheiten gerecht zu werden und erlässt deshalb Sondervorschriften. Bei der gewollten Eins-zu-eins-Umsetzung der MiFID II-Vorgaben fallen die im Folgenden dargestellten, kleineren Abweichungen auf, die auszubessern sind. Auch die Ausweitung der europäischen Vorgaben und die nationalen Sonderregelungen sollte der Gesetzgeber noch einmal überdenken. Denn bei genauerer Betrachtung der Informationspflichten zeigt sich, dass § 31 Abs. 4b S. 1 WpHG die Aufklärung über die Anlageberatungsform Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. a) i) MiFID II umsetzt.382 Beide Regelungen verpflichten das WpDU zur Informationserbringung vor der Beratung. Zusätzlich und ohne Pendant auf europäischer Ebene fordert die deutsche Regelung für den Fall, dass sich der Anleger für die provisionsbasierte Anlageberatung entscheidet, dass er gem. § 31 Abs. 4b S. 2 WpHG über den Erhalt und das Behalten Dürfen von Provisionen aufzuklären ist.383 § 31 Abs. 4c Nr. 1 WpHG hingegen übernimmt die Anforderungen aus Art. 24 Abs. 7 lit. a) MiFID II vollständig.384 Abweichende bzw. weitergehende Regelungen trifft der deutsche Gesetzgeber auch für Provisionen in § 31 Abs. 4c Nr. 2 WpHG, der Art. 24 Abs. 7 lit. b) MiFID II umsetzt.385 Denn die europäische Regelung enthält anders als das HABG kein Annahmeverbot von nicht-monetären Zuwendungen.386 Monetäre Zuwendungen dürfen nur nicht angenommen und behalten werden. Das HABG verbietet dies hingegen, wenn ein vergleichbares Finanzinstrument ohne Provision erhältlich ist.387 Die Feinheit des europäischen Verbots, diese nicht annehmen und behalten zu dürfen, beachtet der deutsche Gesetzgeber somit nicht und legt den WpDU weitergehende Verpflichtungen auf, indem diese zusätzlich nach gleichgeeigneten provisionsfreien Produkten suchen müssen, bevor sie Provisionen annehmen und auskehren dürfen. 382

Vgl. Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 17 zum MiFID II-E. Vgl. Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 200 f. 384 I. E. Kurz, DB 2014, 1182, 1183; Möllers, in: KK/WpHG §§ 36c, 36d Rn. 17 zum MiFID II-E. 385 Vgl. Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 17 zum MiFID II-E. 386 Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 201; Kurz, DB 2014, 1182, 1183. 387 Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 200; Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/11290, S. 7; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120i. 383

112

2. Teil: Zuwendungen

Ohne europäisches Pendant bleiben sowohl die §§ 31 Abs. 4d und 33 Abs. 3a WpHG als auch die Vorschriften hinsichtlich des Honoraranlageberater-Registers und des Bezeichnungsschutzes, §§ 36c und 36d WpHG.388 Allerdings entspricht die organisatorische, funktionelle und personelle Trennung der unabhängigen von der abhängigen Beratung im Kern den europäischen Ansichten, da auch die MiFID IIDLVO eine solche vorsieht.389 Neben den vielen deutschen Sonderregelungen bleibt jedoch die europäische Vorgabe, dass sich die WpDU nicht insgesamt als unabhängig bezeichnen dürfen, wenn sie beide Beratungsformen anbieten, ohne deutsches Pendant. Auch die mögliche Produktbeschränkung bei ausdrücklicher Kennzeichnung und ausschließlicher Ansprache von dafür geeigneten Kunden fehlt bislang im deutschen Recht. Auch hier sollte der Gesetzgeber, soweit die Regelungen nicht ohnehin in Form der Verordnung erlassen wurden, diese umsetzen bzw. zumindest auf diese verweisen. 4. Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im 2. FiMaNoG Während die Umsetzung der europäischen Vorgaben mit Ausnahme des „Vorpreschens“390 des Gesetzgebers durch das HABG zunächst schleppend verlief, wurde das 2. FiMaNoG innerhalb von 7 Monaten beschlossen (s. zum Erscheinen der einzelnen Entwürfe 1. Teil B.). Sah der RefE 1. FiMaNoG keine großen Veränderungen des bislang geschaffenen HABG vor, so orientierten sich die Entwürfe zum 2. FiMaNoG an den zwischenzeitlich erschienenen MiFID II-DLRL und MiFID IIDLVO. a) Änderungen der Kernregelungen des § 31 Abs. 4b-d WpHG Alle drei Entwürfe führen zu einer Neuordnung des WpHG. So findet sich der § 31 WpHG künftig in § 64 WpHG-E RegE 2. FiMaNoG.391 Hier wird § 31 Abs. 4b WpHG mit Ergänzungen zu § 64 Abs. 1 WpHG-E, § 31 Abs. 4c WpHG mit Änderungen zu § 64 Abs. 5 WpHG-E und § 31 Abs. 4d WpHG ebenfalls mit Änderungen zu § 64 Abs. 6 WpHG-E. Die Kernregelungen der HABG bleiben somit erhalten.

388

Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 37; vgl. Möllers, in: KK/WpHG, §§ 36c, 36d Rn. 17 zum MiFID II-E. 389 Walz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 199. 390 Möllers, ZEuP 2016, 325, 340. 391 § 57 WphG-E RefE 1. FiMaNoG, s. zu diesem Klee, MiFID II: Auswirkungen der geänderten Behandlung von Zuwendungen, 48 f.; § 55 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

113

aa) Änderung des § 31 Abs. 4b WpHG Der Passus des § 31 Abs. 4b WpHG, der den Aufklärungszeitpunkt vor den Abschluss des Beratungsvertrags festlegt, wurde bereits im RefE des 1. FiMaNoG gestrichen und damit an den Wortlaut des Art. 24 Abs. 4 MiFID II angeglichen. Künftig muss die Aufklärung nur noch rechtzeitig vor der Beratung stattfinden. Gestrichen wurde auch die Verpflichtung zur Aufklärung, dass Zuwendungen angenommen und behalten werden dürfen. Die auf den ersten Blick kontraproduktiv erscheinende Streichung, steht im Zusammenhang mit den gravierenden Offenlegungs- bzw. Informationsverpflichtungen des Art. 52 Abs. 1 MiFID II-DLVO, nach welchem die WpDU dezidiert die Unterschiede sowie Vor- und Nachteile der Beratungsformen offen legen müssen. Damit müssen die WpDU künftig nicht nur erklären, dass sie keine unabhängige Beratung erbringen, sondern auch warum sie nicht unabhängig sind. Folglich muss die Einnahme von Provisionen sowie die Beschränkung auf gewisse Produktgruppen offen gelegt werden.392 Eine ausdrückliche Regulierung war hier aufgrund der Form der Verordnung nicht notwendig, ein entsprechender Hinweis wäre jedoch zur besseren Handhabung hilfreich gewesen. Die Regelung mag für die provisionsgestützte Beratung vor allem in Kombination mit der neuen Begrifflichkeit der unabhängigen Honorar-Anlageberatung zunächst als „Marketingnachteil“393 wirken, entspricht jedoch der Offenlegung der tatsächlichen Gegebenheiten. Zudem ist – so zumindest der BGH – dem Kunden die Beschränkung auf hauseigene Produkte ohnehin offenkundig, sodass sich aus der ausdrücklichen Offenlegung kein Nachteil ergibt. Darüber hinaus sind den Kunden durchaus auch die Vorzüge der Provisionsberatung bewusst. So führen die Kunden oft als Vorteil an, dass sie sich nach der Beratung frei entscheiden und Angebote vergleichen können, ohne eine hohe Beratungsgebühr bezahlen zu müssen.394 In § 64 Abs. 1 Nr. 2 WpHG-E wurde aufgrund der MiFID II-DLRL zusätzlich die Anforderung eingeführt, den Kunden zu Beginn der Beratung über den Umfang der dem Angebot zugrundeliegenden analysierten Produktpalette zu informieren. Damit wird dieses Merkmal der unabhängigen Beratung unterstrichen und ein weiterer Punkt für Nachfragen seitens der Kunden geschaffen. Gem. § 64 Abs. 1 Nr. 3 WpHG-E muss dem Kunden mitgeteilt werden, ob eine regelmäßige Geeignetheitsbeurteilung erfolgt.395 Insgesamt ist aber auch diese neue Informationspflicht als nicht zielführend zu bewerten. Denn die reine Information über die Beratungsform, die Annahme von Provisionen oder die Beschränkung auf hauseigene Produkte wird von dem Kunden ohne Kenntnisse über Alternativen als gegeben hingenommen. Richtigerweise ist dem Kunden ein gewisses Maß an Eigeninformation im Vorfeld der Beratung auf392 393 394 395

Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 260 f. s. Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 261. Tekathen, Honorarberatung im Finanzdienstleistungsbereich, 344. s. dazu ausf. 6. Teil A.I.1.c).

114

2. Teil: Zuwendungen

zuerlegen, jedoch muss dabei auch berücksichtigt werden, dass die Provisionsberatung sich über Jahre etabliert hat. Der Gesetzgeber hatte durch das 2. FiMaNoG die Chance, diese Situation zu evaluieren und aktiv zu werden, bspw. durch eine gemeinsam mit den Vertretern beider Beratungsformen erstellen Broschüre (s. 2. Teil A.II.2.c)cc)) Zugleich hätte er die Veränderungen durch das 2. FiMaNoG, insb. hinsichtlich der unabhängigen Honorar-Anlageberatung, auch medial präsentieren können, anstatt diese leise und ohne Aufsehen zu erlassen. bb) Änderung des § 31 Abs. 4c WpHG § 31 Abs. 4c Nr. 1 WpHG wird in § 64 Abs. 5 Nr. 1 WpHG-E sprachlich an die europäischen Vorgaben angepasst, indem der Berater nicht nur für die Empfehlung, sondern auch für die Beratung eine „ausreichende Palette“ von Finanzinstrumenten „berücksichtigen“ (anstatt „zugrunde legen“) muss, anstatt eine „hinreichende Anzahl“. Ausweislich der Begründung der Entwürfe, sollen unter „rechtliche oder wirtschaftliche Verbindung in sonstiger Weise“396 auch Vertragsbeziehungen subsumiert werden. Dies entspricht dem europäischen Wortlaut. Jedoch bestehen solche regelmäßig zur Pflichten- und Haftungsrisikoverteilung, die unter anderem auch dazu dienen, Emittenten, die nicht unter die MiFID I oder MiFID II fallen, zur Weitergabe der notwenigen Informationen für die Anlageberatung zu verpflichten.397 Es sollten daher nur Vertragsbeziehungen verboten werden, die so enge Verbindungen knüpfen, dass dadurch tatsächlich eine Gefahr für den Anleger entsteht.398 Anstatt eine allgemeine Informationspflicht hinsichtlich der Offenlegung über Interessenkonflikte beim Vertrieb von eigenen Finanzprodukten, bzw. solcher von eng verbundenen Unternehmen, nach europäischen Vorbild zu statuieren,399 hält der Gesetzgeber an seinem alten Modell fest.400 Er betont, dass es sich bei dieser Offenlegungspflicht um eine Konkretisierung der allgemeinen Offenlegungspflicht für Interessenkonflikte i.S.d. § 63 Abs. 1 WpHG-E handelt und damit der besonderen Stellung des unabhängigen Honorar-Anlageberaters nachgekommen wird.401 § 31 Abs. 4c Nr. 2 WpHG wird in § 64 Abs. 5 Nr. 2 WpHG-E ergänzt. Die im Ausnahmefall angenommenen Provisionen sollen nicht mehr unverzüglich nach Erhalt ausgezahlt werden, sondern so schnell wie nach vernünftigem Ermessen möglich. Damit ist jedoch auch sobald wie möglich nach Erhalt der Provision ge-

396 397 398 399 400 401

Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 235. DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 18. DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 18. So der Vorschlag des Bundesrats, Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/11290, S. 8. Vgl. § 64 Abs. 6 S. 1 WpHG-E RegE 2. FiMaNoG. Stellungnahme Bundesregierung, BT-Drs. 18/11290, S. 16.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

115

meint.402 Allerdings wäre die bisherige Fassung die geeignetere Form, um der Anforderung aus der MiFID II-DLRL zur schnellstmöglichen Auszahlung (s. 2. Teil A.I.4.a)aa)) gerecht zu werden. Zudem soll der Kunde über die Auszahlung unterrichtet werden. Dies kann ausweislich der Entwurfsbegründung auch im regelmäßigen Bericht erfolgen.403 Im 2. FiMaNoG hat es der deutsche Gesetzgeber verpasst, die strengere nationale Regelung hinsichtlich des nicht-monetären Zuwendungsverbots in der HonorarAnlageberatung, den europäischen Vorschriften anzupassen.404 Vielmehr wird erneut die Stärkung des Anlegerschutzes auf geäußerte Kritik betont.405 Indem der Gesetzgeber dies jedoch für die Finanzportfolioverwaltung erlaubt, schafft er eine Diskrepanz zwischen diesen Formen, die so nicht auf europäischer Ebene existiert.406 Zugleich hat der Gesetzgeber davon abgesehen, die hier geforderte Bagatellgrenze einzuführen. Im Gegenteil stellt er ganz klar heraus, dass er auch einen parktischen Graubereich nicht duldet. Dies zeigt sich vor dem europäischen Hintergrund der Erlaubnis von kleineren nicht-monetären Regelungen für die unabhängige Anlageberatung und der ausschließlichen Einführung der positiven Liste mit erlaubten kleineren nicht-monetären Zuwendungen für die nationale Finanzportfolioverwaltung. So ist bspw. die Bewirtung ausdrücklich in dieser positiven Liste der kleineren nicht-monetären Zuwendungen aufgeführt. b) Änderung der Organisationspflichten Aufgrund der Neuordnung des WpHG befindet sich § 33 Abs. 3a WpHG künftig in § 80 Abs. 7 WpHG-E. Die Beschlussfassung des Finanzausschusses fügt in Abs. 7 neu ein, dass das WpDU, welches unabhängige Honorar-Anlageberatung erbringt, auf seiner Internetseite angeben muss, ob es diese Dienstleistung in der Hauptniederlassung anbietet und in welchen Zweigniederlassungen.407 Die noch im RefE 2. FiMaNoG enthaltene Konkretisierung der personellen und sachlichen Trennung des § 33 Abs. 3a WpHG durch einen neuen § 8 WpDVerOV-E findet sich im RegE nicht mehr. Stattdessen wurde dieser sprachlich an die neue Honorar-Anlageberatungsdefinition angepasst in einem eigenen RefE WpDVerOV408 aufgenommen. 402

Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 235 f. Begr. RefE 2. FiMaNoG, S. 309, (s. 1. Teil, Fn. 36); Begr. RegE 2. FiMaNoG, BTDrs. 18/10936, S. 236. 404 s. zum RefE 2. FiMaNoG Klee, Auswirkungen der geänderten Behandlung von Zuwendungen, 48. 405 s. zur Kritik Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/11290, S. 7; zur Stärkung des Anlegerschutzes Stellungnahme Bundesregierung, BT-Drs. 18/11290, S. 16. 406 DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 17. 407 Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, v. 29. 03. 2017, BT-Drs. 18/ 11775, S. 252. 408 Referentenentwurf des Bundesministerium für Finanzen über die Verordnung zur Konkretisierung der Verhaltensregeln und Organisationsanforderungen für Wertpapierdienst403

116

2. Teil: Zuwendungen

Nach diesem ist vorgesehen, dass die Trennung „[…] entsprechend ihrer409 Größe und der Organisation sowie der Art, des Umfangs und der Komplexität ihrer Geschäftstätigkeit […]“ vorgenommen werden muss, sodass sichergestellt ist, „[…] dass seitens der übrigen Anlageberatung kein Einfluss auf die unabhängige Honorar-Anlageberatung ausgeübt werden kann“. Dies würde für kleinere WpDU eine Abkehr von den strengen Anforderungen bedeuten. Der neue § 80 Abs. 8 WpHG-E konkretisiert nun, dass die WpDU Grundsätze einführen müssen, die die Zuordnung der Zuwendung zu jedem einzelnen Kunden ermöglichen. Damit wird ein Arbeitsschritt, den die WpDU praktisch ohnehin durchführen müssen, gesetzlich reglementiert. Ohne eine Zuordnung wäre eine Auszahlung an den einzelnen Kunden nicht möglich gewesen. c) Die neue Definition der Honorar-Anlageberatung Die Regelung des Honoraranlageberater-Registers (§ 36c WpHG) findet sich sprachlich gekürzt ohne Abs. 4, aber auch ohne inhaltliche Änderung, in § 93 WpHG-E wieder; der bereits kritisierte Bezeichnungsschutz mit ausschließlich redaktionellen Änderungen in § 94 WpHG-E. Die redaktionellen Änderungen des § 94 WpHG-E tragen der Einführung der bislang fehlenden Definition der unabhängigen Honorar-Anlageberatung (s. 2. Teil A.II.2.g)cc)(3)) Rechnung. Bereits der RefE 1. FiMaNoG führte in § 57 Abs. 7 Nr. 1 WpHG-E die Legaldefinition dahingehend ein, dass die Berater „[…] rechtzeitig vor der Beratung und in verständlicher Form darüber informieren: 1. ob die Anlageberatung als unabhängige Anlageberatung (Honorar-Anlageberatung) erbracht wird oder nicht“. Eine solche ist zwar sehr zu begrüßen, jedoch vermochte diese Form – auch wenn sie die Honorar-Anlageberatung als unabhängig beschrieb – nicht, die bereits beschriebene Problematik der falschen Assoziation des Kunden, ein zusätzliches Honorar zahlen zu müssen, aufzulösen.410 Schließlich bleibt es bei der negativ besetzten Bezeichnung der Honorar-Anlageberatung. Diesen Fehler versucht der Gesetzgeber nun im RegE 2. FiMaNoG zu beheben, indem er in § 64 Abs. 1 Nr. 1 WpHG-E in der Definitionsklammer noch das Wort „unabhängig“ der Honorar-Anlageberatung voranstellt und in den weiteren Regelungen die Begrifflichkeit der Honorar-Anlageberatung mit der unabhängigen Honorar-Anlageberatung austauscht. Damit hat nun auch der Gesetzgeber erkannt, dass aufgrund der fehlenden Etablierung eine Umbenennung der Beratungsform nicht zur Verwirrung der

leistungsunternehmen (WpDVerOV) vom 09. 05. 2017, abrufbar unter: http://www.bundesfi nanzministerium.de/Content/DE/Downloads/Gesetze/2017 - 05 - 09-WpDVerOV.pdf?__blob= publicationFile&v=1 (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 409 Des WpDU. 410 s. 2. Teil A.II.2.g)cc)(3)); vzbv, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 1; a.A. DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 14.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

117

Kunden führt. Mithin versucht der Gesetzgeber, Fehler durch sein „Vorpreschen“411 bei der Einführung des HABG wiedergutzumachen. Er hat folglich einen Kompromiss gefunden, die deutsche Regelung den europäischen Vorschriften anzupassen, ohne seine ursprüngliche Definition aufgeben zu müssen. Dies ist positiv zu bewerten, denn nun wird sich dem Kunden die Frage aufdrängen, warum er keine unabhängige Honorar-Anlageberatung erhält. Dennoch wird die dadurch erreichte Signalwirkung durch das negativ belastete Wort des Honorars verringert. Daher sollte das Wort „Honorar“ vollständig aus der Definition gestrichen werden, sodass zum einen ein vollständiger Gleichlauf mit der europäischen Regelung erzielt und zum anderen dem Anleger die Unterscheidung noch stärker verdeutlicht wird. aa) Erneute Aufklärung über die Beratungsform für Bestandskunden? Mit der Einführung der neuen Definition der unabhängigen Honorar-Anlageberatung entsteht jedoch die bislang vom Gesetzgeber nicht erkannte Frage, ob die WpDU aufgrund der Umbenennung der Honorar-Anlagerberatung in unabhängige Honorar-Anlageberatung erneut sämtliche Kunden, die sie zum 01. 08. 2014 darüber aufgeklärt haben, dass sie keine Honorar-Anlageberatung durchführen, nun zum 03. 01. 2018 darüber aufklären müssen, dass sie keine unabhängige Honorar-Anlageberatung durchführen. Die weiteren Änderungen durch das 2. FiMaNoG sind geringfügig und haben keine wesentliche Veränderung der Honorar-Anlageberatung vorgenommen. Es handelt sich vielmehr um eine Umbenennung unter gleichbleibenden Voraussetzungen, sodass der Kunde durch die erneute Aufklärung keine neuen Sachinformationen erhält. Allerdings wäre auf diese Weise der neue Begriff etabliert und die Einführung des zusätzlichen Wortes „unabhängig“ könnte zu der erhofften Auseinandersetzung des Kunden mit den Beratungsformen führen. Der Kunde würde diese Information auch gezielt zur Kenntnis nehmen, da er sie separat erhielte. Zusätzlich muss berücksichtigt werden, dass nach der MiFID II-DLVO der Kunde auch darüber aufzuklären ist, warum ein Unternehmen nicht unabhängig agiert und damit darüber, dass es Provisionen annimmt und sich auf gewisse Produkte beschränkt. Die Aufklärungspflicht ist damit weiter gefasst als zuvor. Jedoch sind dies Informationen, die sich zuvor implizit aus der Aufklärung über die Beratungsform ergaben. Aufgrund dessen und aufgrund des Fehlens neuer Sachinformationen, rechtfertigen sich der Aufwand und die Kosten, die den WpDU durch die erneute Aufklärung entstünden, nicht. Hier hätte der Gesetzgeber eine Art Übergangsvorschrift einführen müssen, um klarzustellen, dass keine erneute Aufklärung für Bestandskunden notwendig ist.

411

Möllers, ZEuP 2016, 325, 340.

118

2. Teil: Zuwendungen

bb) Keine Definition für die „allgemeine“ Anlageberatung Indem der Gesetzgeber die neue Definition einführt, wird der Vorschlag des Bundesrats412 einen vollständigen übergeordneten Begriff des unabhängigen Finanzberaters, der sich nicht an den Produktkategorien orientiert, einzuführen, abgelehnt. Dies ist in der Konsequenz richtig, obwohl der übergeordnete Begriff reflektiert, dass sich der Kunde in der Regel allumfassend beraten lassen möchte und zu Beginn der Beratung regelmäßig keine Vorstellung über die unterschiedlichen Produkte und darüber, welche für ihn geeignet sein könnten, hat. Die Ablehnung trägt den aufgrund der Komplexität der unterschiedlichen Regelungen bereits gescheiterten Bemühungen im Eckpunktpapier Rechnung einen solchen Begriff zu etablieren. So sollte auch weiterhin nach den unterschiedlichen Kategorien getrennt werden, aber für alle der gleiche Grundstamm „unabhängig“ im Namen eingeführt werden. Zugleich lehnt es der Gesetzgeber damit bedauerlicherweise ab, eine gesetzlich normierte Bezeichnung für die Provisionsberatung in Abgrenzung zur HonorarAnlageberatung einzuführen (s. 2. Teil A.II.2.g)cc)(3)). d) Zwischenfazit Insgesamt zeigt sich, dass der Gesetzgeber überwiegend nur Wortlautanpassungen vornimmt, um eine sprachliche Eins-zu-eins-Umsetzung der MiFID II zu ermöglichen. Hier wäre es jedoch sinnvoller gewesen, das aufgrund diverser Umsetzungsakte sprachlich uneinheitliche Gesetz nicht noch weiter – ohne jeden Nutzen – zu zerstückeln. Auch der Finanzausschuss hat es in seiner Beschlussempfehlung verpasst, die hier angeführten Änderungen bzw. Ergänzungen aufzunehmen, um die unabhängige Honorar-Anlageberatung als gesetzliche Alternative besser zu etablieren; vielmehr übernimmt der Finanzausschuss die Anforderungen. Damit sind die hier zum RegE beschriebenen Regelungen entsprechend in der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses mit gleichem Wortlaut und Nummerierung enthalten und sowohl vom Bundestag, als auch vom Bundesrat beschlossen worden. Diese wurde am 23. 06. 2017 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Die noch im RefE enthaltenen Regelungen der WpDVerOV wurden nicht aufgenommen, sondern in einem eigenständigen RefE erneut zur Diskussion gestellt. Hier bleibt abzuwarten, ob der Gesetzgeber die Chance nutzt und noch nachbessert. Die bereits entgegen der Vollharmonisierung erlassenen deutschen Sonderregelungen über die Annahme von Zuwendungen im HABG hat der deutsche Gesetzgeber mit Verweis auf den nationalen Anlegerschutz ohne erneute Anzeige bei der Kommission fälschlicherweise auch im 2. FiMaNoG beibehalten.

412

Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/11290, S. 3 f.

A. Zuwendungsregelungen für die unabhängige Beratungspraxis

119

5. Auswirkungen auf das Zivilrecht? Der Gesetzgeber hat sich mit der Schaffung der Honorar-Anlageberatung für eine Regelung im Aufsichtsrecht entschieden. Damit folgt er seiner Tendenz, den Beratungsvertrag gänzlich ungeregelt zu lassen und ausgesprochen detaillierte und zugleich – zumindest reflexartig – anlegerschützende Regelungen im Aufsichtsrecht zu verorten.413 Aufgrund des zuvor erörterten Verhältnisses des Aufsichts- und Zivilrechts und dem vom BGH entwickelten flächendeckenden Transparenzgedanken414 (1. Teil F.) könnten diese dennoch Auswirkungen auf den zivilrechtlichen Beratungsvertrag haben, die im Folgenden erörtert werden sollen. a) Konkludenter Honorar-Anlageberatungsvertrag Die Rechtsprechung des BGH geht bisweilen davon aus, dass der Beratungsvertrag konkludent zwischen den Parteien zustande kommt. Dabei käme es nicht auf die Vereinbarung eines Honorars an.415 Wie Herresthal richtig anmerkt, kann diese Ansicht nicht aufrechterhalten werden, da gerade die Honorarvereinbarung – wie der derzeitige und auch künftige Name schon andeutet – ein wesentliches Merkmal des Beratungsvertrags ist.416 Vielmehr ist hier, wie auch sonst in der ständigen Rechtsprechung, der Preis eine essentialia negotii.417 Ohne die Vereinbarung eines solchen, kann kein Honorar-Anlageberatungsvertrag geschlossen werden. Des Weiteren ist auch die Annahme eines Rechtsbindungswillens zum Abschluss eines HonorarAnlageberatungsvertrags fraglich,418 da dieser Vertrag – anders als der für die provisionsgestützte Beratung – nicht nur dem Berater Pflichten auferlegt, sondern auch dem Anleger. Aus dem provisionsgestützten Beratungsvertrag ergibt sich für den Anleger schließlich noch keine Pflicht, Kapital zur Verfügung zu stellen, sondern erst durch die zusätzliche Vereinbarung eine Anlage zu erwerben. Ein Rechtsbindungswille ließe sich allenfalls dann konstruieren, wenn sich der Anleger bewusst einen im Honoraranlageberater-Register der BaFin verzeichneten Berater aussucht, da dieser nur Honorar-Anlageberatungsverträge abschließen kann und der Anleger das Angebot nur dahingehend verstehen darf.419 b) Offenkundigkeit des Interessenkonflikts Auch die bisherige Rechtsprechung hinsichtlich der Offenlegungspflichten unter Berücksichtigung der Offenkundigkeit (s. 2. Teil A.II.1.b)aa)(2) und (3)) wird sich 413 414 415 416 417 418 419

Herresthal, WM 2014, 773, 775. BGH NJW 2014, 2947 Rn. 32. BGHZ 100, 117, 118 f. = WM 1987, 495. Herresthal, WM 2014, 773, 774. Herresthal, WM 2014, 703, 775. Herresthal, WM 2014, 703, 775. Herresthal, WM 2014, 703, 775.

120

2. Teil: Zuwendungen

verändern, da der Anleger nun zu Beginn der Beratung über die Form der Anlageberatung aufgeklärt wird und die provisionsgestützte Beratung als abhängig dargestellt wird. Dies wird durch die neuen Regelungen der MiFID II-DLVO noch deutlicher als bislang durch die Regelungen des HABG. Damit wird für den Kunden der Interessenkonflikt offensichtlich, sodass er darüber nicht mehr aufgeklärt werden müsste.420 Des Weiteren wäre die Unterscheidung zwischen Banken mit Offenlegungspflichten und bankunabhängigen Beratern, für die der BGH bislang die Offenkundigkeit ihrer wirtschaftlichen Abhängigkeit annahm, obsolet.421 Dies wird verstärkt dadurch, dass dem Kunden nun auch Angaben zu der, der Empfehlung zugrundeliegenden Produktpalette gemacht werden müssen und ihm dadurch die enge Verbindung zwischen WpDU offen gelegt wird. c) Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB Die Schutzgesetzeigenschaft ist zumindest für § 31 Abs. 4b-d WpHG – und letztlich auch für die neuen Regelungen durch das 2. FiMaNoG – abzulehnen. Diese normieren spezielle Verhaltensanforderungen für die Sonderbeziehung der HonorarAnlageberatung.422 Diese begründen keinesfalls eine Jedermanns Pflicht.423 Auch die allein auf Schadensersatz gerichtete Rechtsfolge ist insoweit unzureichend.424 6. Zwischenfazit Das Ziel, die unabhängige Honorar-Anlageberatung zu stärken und den Interessenkonflikt offenkundig zu machen, wurde bislang nicht erreicht. Die Bereitschaft des Anlegers für eine Beratungsleistung zu zahlen, unabhängig davon, ob später tatsächlich eine Anlage erfolgt, ist bislang am Markt nicht spürbar.425 Vielmehr ist die provisionsgestützte Beratung weiterhin die Beratung erster Wahl. Dies liegt auch am geringen Angebot der Honorar-Anlageberatung, da für die Banken kein Anreiz besteht sich freiwillig einem solchen Mehraufwand und Kostenapparat auszusetzen.426 Die Umstellung oder parallele Einführung ist gerade für kleinere Banken aufgrund der personellen und finanziellen Anforderungen unrentabel.427 Zusätzlich ist eine kontinuierliche Verschärfung der Vorschriften zu er420

Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 112; Veil/Lerch, WM 2012, 1605, 1611. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 112. 422 Herresthal, WM 2014, 773, 779. 423 Herresthal, WM 2014, 773, 779; i.E. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 112. Allgemein zur Qualifikation der WpHG-Vorschriften als Schutzgesetz Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 65 f. 424 Herresthal, WM 2014, 773, 779. 425 Tekathen, Honorarberatung im Finanzdienstleistungsbereich, 340. 426 Dies vor Einführung bereits befürchtend Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 109. 427 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 120i. 421

B. Zuwendungen für die abhängige Beratungspraxis

121

warten. Hier könnten Referenzwerte zu der Provisionshöhe oder die Offenlegung des Gewinninteresses bei Eigenemissionen gefordert werden. Auch auf zivilrechtlicher Ebene besteht hinsichtlich der BGH-Rechtsprechung Unsicherheit. Hier müsste der Gesetzgeber durch die Einführung von zusätzlichen Regelungen im Vertragsrecht, die eine präzisere Steuerung von dispositiven und konstitutiven Regelungen unter Berücksichtigung der Privatautonomie der Parteien ermöglichen, Abhilfe schaffen. Diese wird nun der BGH ausdifferenzieren, was im Hinblick auf die Gewaltenteilung bedenklich ist. Dass der BGH ein Pendant auf zivilrechtlicher Ebene schaffen wird, scheint nach dessen jüngsten Verständnis absehbar. Immerhin geht er davon aus, dass der Gesetzgeber spätestens seit der Einführung des HABG einen flächendeckenden Transparenzgedanken verfolgt und deshalb öffentlich-rechtliche Pflichten auf das Vertragsverhältnis ausgeweitet werden müssen.

B. Zuwendungen für die abhängige Beratungspraxis Die Regelungen der MiFID II enthalten, neben der Regulierung der unabhängigen Anlageberatung, auch verschärfte Vorschriften zum Umgang mit Zuwendungen für die abhängige Anlageberatung.

I. Europäische Regelungen 1. Die Zuwendungsregelung des Art. 24 Abs. 9 MiFID II Art. 24 Abs. 9 MiFID II verbietet die Annahme von Zuwendungen von Dritten für die abhängige Anlageberatung. Es sei denn, die gezahlte Gebühr, die Provision oder der Vorteil ist gem. lit. a) dazu bestimmt, die Qualität der jeweiligen Dienstleistung für den Kunden zu verbessern und beeinträchtigt nach lit. b) nicht die Erfüllung der Verpflichtung des WpDU, im bestmöglichen Interesse der Kunden zu handeln. Erfasst werden sowohl monetäre, als auch nicht-monetäre Zuwendungen. Darüber hinaus wird das WpDU gem. Art. 24 Abs. 9 UA 2 S. 1 MiFID II verpflichtet dem Kunden „Die Existenz, die Art und der Betrag […] der Gebühr oder Provision […]“, bzw. die Berechnungsmethode, sofern der genaue Betrag noch nicht feststeht, „[…] vor Erbringung der betreffenden Wertpapier- oder Nebendienstleistung in umfassender, zutreffender und verständlicher Weise unmissverständlich offen […]“ zu legen. Die neue Regelung verschärft damit Art. 19 Abs. 1 MiFID I i.V.m. Art. 26 lit. b) MiFID I-DRL, die die unmissverständliche Offenlegung von Art und Betrag der Gebühr, Provision oder Zuwendung fordern sowie die Annahme lediglich dann gestatten, wenn die Zuwendung auf die Qualitätsverbesserung ausgelegt ist.428 Damit 428

Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 167a.

122

2. Teil: Zuwendungen

wurde zugleich die Streitigkeit, die in Deutschland 2013 während der Einführung der Regelungen für Zuwendungsverzeichnisse geführt wurde, auf europäischer Ebene zugunsten der damaligen h.M. entschieden.429 2. Vorbereitung der Level-2-Maßnahmen durch ESMA ESMA bereitete auch hier die Konkretisierung der Level-2-Maßnahmen vor, ging aber in ihrem Consultation Paper weit über die Konkretisierung hinaus und versuchte ein auf Level-1-Ebene abgelehntes Provisionsverbot durch die Hintertüre einzuführen.430 So führte sie unter Ordnungsnummer 2.15 Punkt 10431 eine nicht abschließende Negativliste mit Umständen oder Situationen ein, in denen eine Qualitätsverbesserung nicht gegeben ist.432 Dies war nach ESMA der Fall, wenn die Zuwendungen für den wesentlichen („normalen“) Geschäftsbetrieb des die Zuwendung erhaltenden WpDU verwendet werden, bzw. Güter oder Dienstleistungen als nicht-monetäre Zuwendung dafür angeboten werden.433 Dieser ist jedoch – nicht zuletzt aufgrund erheblicher Kritik am Vorgehen von ESMA434 – im Technical Advice nicht mehr zu finden.435 Vielmehr sollen die Unternehmen nun sicherstellen, dass Provisionen nicht mehr grds., sondern von Fall zu Fall vereinbart werden.436 An der Einführung einer Negativliste hält ESMA hingegen fest.437 Werden die Zuwendungen nicht vollständig an den Kunden weitergegeben und ist nur eine der in der Liste aufgeführten Bedingung erfüllt, so soll die Zuwendung nicht grds. als qualitätsverbessernd angesehen werden.438 Diese Formulierungen erinnern an die der unabhängigen Beratung. Zum Beispiel, wenn ESMA festlegt, dass eine Erhöhung der Dienstleistungsqualität vorliegt, wenn der Kunde neben der abhängigen Beratung zusätzlich Zugang zu einer breiten Palette geeigneter Finanzinstrumente – einschließlich einer angemessenen Zahl von In429 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 167a. Denn im Rahmen der Umsetzungsgesetzgebung wurde darüber diskutiert, ob die in MiFID I angestrebte Qualitätsverbesserung eine konkrete sei, also gefordert werden musste, dass das WpDU tatsächlich investiert, oder ob eine abstrakte Eignung der Zuwendung zur Qualitätsverbesserung ausreichend ist, vgl. Krammer, Stellungnahme im Rahmen der Konsultation 02/2012, WA 31-Wp 2002 – 2009/0010, S. 4 – 6. 430 Vgl. Möllers, ZEuP 2016, 325, 342; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 48. 431 ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.15, Nr. 10. 432 Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 47; Pfisterer, Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz, 34. 433 ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.15, Nr. 10. 434 So sahen die Verbände hierin eine erhebliche Einschränkung des Angebots – vor allem für Kleinanleger – und einen Verstoß gegen den ErwG. 73 MiFID II, s. Pfisterer, Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz, 35. 435 Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 48. 436 ESMA, Final Report, Kap. 2.15, S. 141, TA Nr. 11. 437 ESMA, Final Report, Kap. 2.15, S. 141, TA Nr. 11; Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 48. 438 ESMA, Final Report, Kap. 2.15, S. 141, TA Nr. 11.

B. Zuwendungen für die abhängige Beratungspraxis

123

strumenten dritter Produktanbieter ohne enge Verbindungen zu dem betreffenden WpDU – erhält.439 Wurde durch den teilweise sehr weiten Wortlaut das Ziel der Konkretisierung verfehlt, so sieht ESMA darüber hinaus noch immer strengere Regelungen als in der Richtlinie gefordert vor. So legt ESMA fest, dass die genaue Höhe der Zuwendung dem Kunden ex-post mitgeteilt werden muss, wenn diese zu Beginn noch nicht bestimmbar war.440 Darüber hinaus soll das WpDU den Kunden mindestens einmal jährlich einen Bericht über die laufenden Zuwendungen zukommen lassen.441 Beide Anforderungen lassen sich so nicht im Richtlinientext wiederfinden. 3. Delegierte Richtlinie der Kommission Die Kommission legt in der MiFID II-DLRL ebenfalls ihren Schwerpunkt auf den Aspekt der Qualitätssteigerung durch Zuwendungen, indem auch sie eine nicht abschließende Positivliste entwirft, welche definiert, wann eine Qualitätsverbesserung vorliegt, Art. 11 Abs. 2 MiFID II-DLRL.442 Außer der positiven Formulierung sind in den Bedingungen für die Qualitätsbewertung keine Unterschiede zu ESMAs Vorschlägen festzustellen.443 Zu beachten ist jedoch, dass es nach Ansicht der Kommission für die Qualitätssteigerung nur eines einmalig verbesserten Dienstleistungsniveaus bedarf, jedoch keiner ständigen Qualitätssteigerung im Zeitverlauf.444 Allerdings hält die Kommission in Art. 11 Abs. 3 MiFID II-DLRL ausdrücklich fest, dass die WpDU die Anforderungen für die Qualitätsverbesserung gem. Abs. 2 kontinuierlich erfüllen müssen, solange diese die Gebühr, die Provision oder den nicht-monetären Vorteil erhalten, entrichten bzw. gewähren. Die Erbringung einer zusätzlichen oder höherrangigen Dienstleistung ist für den jeweiligen Kunden gerechtfertigt, wenn diese in einem angemessenen Verhältnis zu dem Umfang des erhaltenen Anreizes steht, Art. 11 Abs. 2 lit. a) MiFID II-DLRL. Hierfür führt die Kommission drei Beispiele an, die auch ESMA schon aufgezählt hat.445 Zugleich dürfen die Zuwendungen nicht unmittelbar der Empfängerfirma, 439

Vgl. ESMA, Final Report, Kap. 2.15, S. 141, TA Nr. 11 i) a)-c). ESMA, Final Report, Kap. 2.15, S. 141, TA Nr. 16 ii). 441 ESMA, Final Report, Kap. 2.15, S. 141, TA Nr. 16 iii). 442 ErwG. 21 MiFID II-DLRL. 443 Dies zeigt sich bereits in den ErwG., in denen festgestellt wird, dass Gebühren, Provision oder nicht-monetärer Vorteile nur dann gezahlt oder angenommen werden sollen, wenn dadurch entweder eine zusätzliche oder eine höherrangige Dienstleistung erbracht werden kann, ErwG. 22 MiFID II-DLRL. 444 ErwG. 23 MiFID II-DLRL. 445 Dies soll dann der Fall sein, wenn neben der abhängigen Beratung dem Kunden zugleich ein Zugang zu einer breiten Palette von geeigneten Finanzinstrumenten, einschließlich einer angemessenen Zahl von Instrumenten von Drittproduktanbieter, die keine enge Verbindung mit dem WpDU aufweisen, gewährt wird. Oder die abhängige Beratung in Verbindung mit entweder einem Angebot einer jährlichen Geeignetheitsbewertung der Finanzinstrumente des 440

124

2. Teil: Zuwendungen

ihren Anteilseignern oder den Beschäftigten zugutekommen, ohne dass der betreffende Kunde einen materiellen Vorteil verspürt, Art. 11 Abs. 2 lit. b) MiFID IIDLRL. Darüber hinaus ist die Annahme von laufenden Zuwendungen gerechtfertigt, wenn dem betreffenden Kunden ein fortlaufender Vorteil in Relation zu diesen zukommt, Art. 11 Abs. 2 lit. c) MiFID II-DLRL. Unzulässig ist eine solche Zuwendung jedoch, wenn die Erbringung der betreffenden Dienstleistungen aufgrund des Zuwendungserhalts befangen oder verzerrt ist, Art. 11 Abs. 2 UA 2 MiFID II-DLRL. Gem. Art. 11 Abs. 5 lit. a) MiFID II-DLRL soll vor der Erbringung der Dienstleistung die Offenlegung der Zahlung oder der Gewährung des Vorteils gegenüber dem Kunden erfolgen. Eine zusammenfassende Offenlegung der einzelnen Bestandteile ist künftig nicht mehr möglich, da sich die Form an Art. 24 Abs. 9 MiFID II orientieren soll.446 Vielmehr muss die genaue Höhe, bzw. bei geringfügigen Vorteilen nur die generische Beschreibung, offen gelegt werden, Art. 11 Abs. 5 lit. a) MiFID II-DLRL. War die Höhe im Vorfeld nicht bestimmbar und wurde dem Kunden nur die Berechnungsweise offen gelegt, so muss ihm nachträglich die genaue Höhe mitgeteilt werden, Art. 11 Abs. 5 lit. b) MiFID II-DLRL. Erhält das WpDU fortlaufende Anreize, so sind dem Kunden individuell die auf seine Dienstleistungen entfallenden Anreize mind. einmal jährlich in genauer Höhe darzulegen (s. hierzu noch ausf. 3. Teil). Ebenfalls bestimmt Art. 11 Abs. 4 MiFID II-DLRL, dass das WpDU die Zuwendungen nachweisen muss, indem es eine Auflistung der erhaltenen Zuwendung mit Erklärung der Verwendung und der daraus resultierenden Qualitätsverbesserung erstellt.

II. Die nationale Zuwendungsregelung 1. Die Zuwendungsregelung des § 31d WpHG Wie bereits festgestellt, legt § 31d Abs. 1 Nr. 1 WpHG, wie in Art. 24 Abs. 9 MiFID II gefordert, ein grds. Zuwendungsverbot mit der Ausnahmeregelung für den Erhalt von Zuwendungen und Provisionen zur Qualitätsverbesserung fest (s. 2. Teil A.II.1.a)). Allerdings kann es auf deutscher Ebene sein, dass aufgrund von § 31d Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 WpHG die Annahme der Zuwendung trotz Qualitätsverbesserung verboten ist, da sie die interessengerechte Beratung des Kunden beeinträchtigt.447 Bei dieser Beurteilung können die Höhe und die besonderen Vereinbarungen der Zuwendung als Indizien herangezogen werden.448

Kunden oder in Kombination mit einer anderen fortlaufenden Dienstleistung mit wahrscheinlichem Wert für den Kunden, bspw. eine Beratung über die vorgeschlagene optimale Portfoliostrukturierung des Kunden, erbracht wird. 446 Balzer, ZBB 2016, 226, 235. 447 Just, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 32. 448 Just, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 33; Assmann, ZBB 2008, 21, 28.

B. Zuwendungen für die abhängige Beratungspraxis

125

Anders als nun auf europäischer Ebene gefordert, genügt für die Qualitätsverbesserung des § 31d WpHG die positive Wirkung der Zuwendung für eine Kundengruppe. Es kommt also nicht auf den konkreten Zusammenhang zum jeweiligen Wertpapierdienstleistungsgeschäft an.449 Nach Ansicht des nationalen Gesetzgebers ist es außerdem ausreichend, wenn durch die Zuwendung erstmals ein bestimmtes Angebot für den Kunden erbracht werden kann.450 Somit müsste die Zuwendung entweder den Aufbau bzw. den Erhalt einer effizienten Infrastruktur für den Erwerb oder für die Veräußerung von Finanzprodukten fördern.451 Der von der Kommission geforderte Nachweis über den Erhalt und die Verbesserung der Dienstleistungsqualität findet sein Vorbild in der seit 2013 bestehenden Regelung in § 31d Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WpHG i.V.m. § 14 Abs. 2 Nr. 5 WpDVerOV. Zugleich legt die BaFin hierzu Verwaltungsvorschriften durch die MaComp Modul AT 8.2. fest. Diese verpflichtet die WpDU, die erhaltenen Zuwendungen und deren Verwendung zur Qualitätssteigerung in einem unternehmensinternen Zuwendungsund Verwendungsverzeichnis gegenüber der BaFin zu dokumentieren.452 Zugleich werden darin Maßnahmen des WpDU festgehalten, die zur Sicherstellung der Einhaltung der Verpflichtung im besten Kundeninteresse zu agieren erfolgt sind. Mithin erfüllen die nationalen Regelungen die neuen europäischen Voraussetzungen. Anders als in der MiFID II-DLRL der Kommission vorgesehen, können die Zuwendungen gem. § 31d Abs. 3 WpHG453 in standardisierter und zusammengefasster Form vor Erbringung der Dienstleistung offen gelegt werden.454 2. Vergleich der Regelungen Es zeigt sich, dass die neuen Regelungen der MiFID II weitergehen, als die bisher geltenden. Die Qualitätsverbesserung muss künftig national strenger gehandhabt werden und sich an den Beispielen der delegierten Rechtsakte orientieren. Eine neue Formulierung braucht es hierfür nicht, da auch bisher aufgrund des europäischen Hintergrunds zur Auslegung des § 31d WpHG, die europäischen Beispiele herangezogen wurden.455 Eine Klarstellung wäre dennoch wünschenswert. Die zusammengefasste Offenlegung gem. § 31d Abs. 3 WpHG muss hingegen gestrichen 449

Assmann, ZBB 2008, 21, 28; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31d Rn. 10; Just, in: J/V/R/B, § 31d Rn. 29. 450 Just, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 30; Assmann, ZBB 2008, 21, 27; so auch die Vorgabe der CESR, s. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 166. 451 Begr. RegE FRUG, BT-Drs. 16/4028, S. 67. 452 Just, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 30; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31d Rn. 51; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 171. 453 Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31d Rn. 45. 454 Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1162. 455 Just, in: J/V/R/B, WpHG, § 31d Rn. 33; Koch, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 31d WpHG Rn. 4, 45; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31d Rn. 40 f., wendet diese ebenfalls zur Auslegung an.

126

2. Teil: Zuwendungen

werden.456 Darüber hinaus zeigt sich die Vorreiter- bzw. Beispielsfunktion des 2013 eingeführten Zuwendungsverzeichnisses. 3. Die Umsetzung der MiFID II-Regelungen § 31d WpHG wurde ebenfalls verschoben und befindet sich im 2. FiMaNoG in § 70 WpHG-E. Wesentliche Veränderungen des § 31d WpHG brachte der RefE 2. FiMaNoG, der im anschließenden RegE überwiegend sprachliche Verbesserungen erfuhr. Die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses,457 die vom Bundestag und Bundesrat beschlossen wurde, sieht keine Änderungen zu § 70 WpHG-E vor. Das 2. FiMaNoG wurde am 23. 06. 2017 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Bereits im RefE 1. FiMaNoG wird die Definition des Personenkreises der Dritten, „die im Auftrag des Kunden tätig werden“ in den Abs. 1 S. 1 aufgenommen, sodass § 31d Abs. 1 S. 2 WpHG darin aufgeht und deshalb entfällt.458 Die Offenlegung der erhaltenen Zuwendungen soll gem. § 70 Abs. 1 Nr. 2 WpHG-E RegE 2. FiMaNoG verschärft werden, indem diese anstatt deutlich künftig unmissverständlich offen gelegt werden müssen.459 Voraussetzungen, wann dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt ist, werden nicht festgelegt. Dies wäre jedoch wünschenswert, um die Betonung des „Honorars“ der abhängigen Beratung in Form von Zuwendungen deutlicher zu machen.460 Hierfür jedoch eine rechnungsähnliche Ausgestaltung zu fordern, ist zu weitgehend. Es reicht aus, dass der Anleger die Zuwendungen ohne weitere Bemühungen erkennen kann.461 Ebenso wird nun in § 70 Abs. 1 Nr. 1 WpHG-E verlangt, dass die Dienstleistung nicht nur im Interesse – wie dies § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG vorsieht – sondern im bestmöglichen Interesse erbracht wird. Indem der ehemalige Wortlaut des § 31d Abs. 2 S. 1 WpHG dahingehend geändert wird, dass dieser Zuwendungen nicht mehr als geldwerten Vorteil, sondern als nicht-monetären Vorteil definiert, findet keine inhaltliche Änderung, sondern nur eine redaktionelle Anpassung an den Richtlinienwortlaut statt.462

456

Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1162. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, v. 29. 03. 2017, BT-Drs. 18/ 11775, S. 210. 458 § 61 WpHG-E RefE 1. FiMaNoG, § 60 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG. Im Folgenden soll vereinzelt die Entwicklung in den Entwürfen aufgezeigt werden, wobei auf das aktuelle Ausgangsergebnis des RegE 2. FiMaNoG abgestellt wird. 459 Klee, MiFID II: Auswirkungen der geänderten Behandlung von Zuwendungen, 47, die von einer verbindlicheren Formulierung spricht; Buck-Heeb/Poelzig, BKR 2017, 487, 488. 460 Als Preisschild der abhängigen Beratung bezeichnend vzbv, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 16. 461 A.A. vzbv, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 18. 462 Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 238. s. hierzu die umgesetzte Forderung der deutschen Kreditwirtschaft, geldwerte Vorteile durch nichtmonetäre Vorteile zu ersetzen, DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 21. 457

B. Zuwendungen für die abhängige Beratungspraxis

127

a) Qualitätsverbesserung Neu eingeführt wird in § 70 Abs. 1 WpHG-E ein S. 2, der die WpDU verpflichtet nachzuweisen, dass die Qualität der Dienstleistung durch die Zuwendung verbessert wurde.463 Indem der Gesetzgeber festhält, dass jegliche von ihnen erhaltene oder gewährte Zuwendungen dazu bestimmt sind, die Qualität der jeweiligen Dienstleistung für den Kunden zu verbessern, wird deutlich, dass die Verbesserung nicht allgemein für die Dienstleistung eintreten soll, sondern für den speziellen Kunden. Der im RefE des 2. FiMaNoG aufgenommene und sich nun im eigenen RefE zur WpDVerOV befindende § 6 WpDVerOV-E wurde sprachlich an die neue Definition der unabhängigen Honorar-Anlageberatung angepasst. § 6 Abs. 2 WpDVerOV-E enthält Merkmale für die Qualitätsverbesserung mit entsprechenden Beispielen. So soll eine Qualitätsverbesserung vorliegen, wenn dem Kunden gegenüber durch die Zuwendung eine höherwertige oder zusätzliche Dienstleistung erbracht werden kann, die in einem angemessenen Verhältnis zu der Zuwendung steht (Nr. 1). Beispielhaft wird hier, die aus der Honorar-Anlageberatung bekannte, breite Produktpalette, die fortlaufende Dienstleistung nach der Beratung, der günstige Zugang zu einer breiten Produktpalette und der verbesserte Zugang zu Beratungsdienstleistungen, bspw. in Form eines weit verzweigten Regionalnetzes, angeführt. Mit dem letztgenannten Beispiel versucht der Gesetzgeber erneut den Sparkassen und den Raiffeisenbanken bildlich gesprochen unter die Arme zu greifen, da diese die neuen Anforderungen der MiFID II aufgrund ihrer Struktur – die vom europäischen Gesetzgeber offensichtlich bei Erstellung der Neuregelungen kaum Berücksichtigung fand – besonders hohe Hürden nehmen müssen. Eine Absicherung der Provisionserträge ist hierin jedoch nicht zu sehen.464 Tatsächlich sollte jedoch die Ausnahmeregelung straffer gefasst werden, um nicht zu weit von der Anforderung abzuweichen, dass die bei einem Kundengeschäft eingenommene Provision auch diesem Kunden zugutekommt. Hier könnte auf den Erhalt des regionalen Filialnetzes im direkten Umfeld des Kunden abgestellt werden.465 Zudem darf die Zuwendung nicht unmittelbar dem annehmenden WpDU, seinen Gesellschaftern oder Beschäftigten zugutekommen (Nr. 2). Die Gewährung einer laufenden Zuwendung muss durch den laufenden Vorteil zugunsten der Kunden gedeckt sein. Damit ist nun auch festgelegt, dass Bestandsprovisionen zu einem fortlaufenden Vorteil für den einzelnen Kunden führen müssen, sodass die Aufrechterhaltung des Qualitätsstandards bspw. durch Produktschulungen hierfür nicht mehr ausreicht. Dies wird eine spürbare Verschärfung für die gängige Praxis der WpDU darstellen. Insgesamt übernimmt der deutsche Gesetzgeber damit die Vorgaben der MiFID II-DLRL. § 6 WpDVerOV

463

s. bereits § 60 Abs. 1 S. 2 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG. So aber vzbv, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 15. 465 Gänzlich ablehnend vzbv, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 15; kritisch aber die MiFID II-DLRL nicht als abschließend ansehend und daher die Regelung als möglich betrachtend Buck-Heeb/Poelzig, BKR 2017, 485, 488. 464

128

2. Teil: Zuwendungen

wurde in der Fassung vom 17. 10. 2017 ohne Veränderungen am 23. 10. 2017 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.466 b) Analyse als Zuwendung Darüber hinaus wird in § 7 WpDVerOV-E des RefE WpDVerOV, wie schon zuvor im RefE 2. FiMaNoG, die Analyse als Zuwendung aufgenommen, es sei denn, sie erfüllt die im Weiteren aufgezählten Voraussetzungen. Diese Neuerung setzt nunmehr Art. 13 MiFID II-DLRL um. Bedauerlicherweise verpasst es der Gesetzgeber, hier eine Definition der Analyse zu verorten, um sicher zu stellen, dass diese, wie in den ErwG. 28, 29 MiFID II-DLRL festgelegt, nicht mit der Analysedefinition der Marktmissbrauchsverordnung gleichzusetzen ist, sondern enger gefasst werden muss.467 Gem. Abs. 3 müssen WpDU, wenn sie ein Analysekonto führen, dem Kunden oder der BaFin auf Verlangen eine Zusammenstellung der in § 70 Abs. 3 S. 2 WpHG-E aufgelisteten Informationen aushändigen. Auch hiermit werden die Vorgaben der MiFID II-DLRL umgesetzt (s. 2. Teil A.I.4.a)cc)). Die Anlayse ist auch in § 7 WpDVerOV in der Fassung vom 17. 10. 2017, die am 23. 10. 2017 im Bundsgesetzblatt veröffentlicht wurde, als Zuwendung aufgeführt.468 c) Offenlegung Die Möglichkeit der Standardisierung der Offenlegung gem. § 31d Abs. 3 WpHG wird richtigerweise gestrichen. Obwohl der dahinter stehenden Begründung, dass die bisherige Regelung auf Art. 26 MiFID I-DRL beruhe und dieser bis auf die standardisierte Offenlegung vollständig in Art. 24 Abs. 9 MiFID II aufgegangen ist und daher der Standardisierungszusatz gestrichen werden musste,469 nicht gefolgt werden kann.470 Wie in Art. 11 Abs. 5 MiFID II-DLRL vorgesehen, eröffnet der Gesetzgeber in einem neuen Abs. 4 des § 70 WpHG-E die Möglichkeit, Existenz, Art und Umfang geringfügig nicht-monetärer Vorteile auf generischer Basis darzustellen. Andere nicht geringwertige Vorteile sind jedoch mit der exakten Höhe anzugeben, wobei hier noch fraglich ist, wie bspw. das WpDU den Wert einer Produktschulung bestimmen soll.471 466

BGBl. Nr. 69, vom 23. 10. 2017, S. 3565. DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 21. 468 BGBl. Nr. 69, vom 23. 10. 2017, S. 3565. s. ausführl. zur Research als Zuwendung Roth/ Blessing, CCZ 2017, 163, 165 f. 469 Begr. RefE 1. FiMaNoG, S. 223 (s. 1. Teil, Fn. 35). 470 Die Argumentation, dass der fehlende S. 2 zur Standardisierung lediglich den übertragenen ersten Satz konkretisiere, geht fehl, schließlich hätte der europäischen Gesetzgeber den Zusatz der zusammengefassten Offenlegung ebenfalls übernehmen können – hätte er dies auch gewollt, s. DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 19. 471 s. dazu bereits die Problematik für die Veranstalter die Teilnahmekosten in Rechnung zu stellen, 2. Teil A.II.2.e)dd)(1)). Die Aufnahme einer Liste mit Regelungsbeispielen für kleinere 467

B. Zuwendungen für die abhängige Beratungspraxis

129

Die WpDU müssen nachträglich den genauen Betrag der erhaltenen Zuwendungen offen legen, wenn sie vorher nur die Art und Weise der Berechnung angegeben haben, § 70 Abs. 1 S. 3 WpHG-E. Erhält das WpDU fortlaufend Zuwendungen, so müssen diese mindestens einmal jährlich individuell für den Kunden offen gelegt werden, § 70 Abs. 1 S. 4 WpHG-E. Hier erfolgt eine Eins-zu-einsUmsetzung der zuvor besprochenen Anforderungen der MiFID II-DLRL. Es wird auch ein neuer Abs. 6 eingeführt, der die WpDU verpflichtet, separate Gebühren für jeden Auftrag des Kunden auszuweisen. Diese sollen nur die Kosten der Ausführung wiedergeben. Abs. 7 nimmt den alten § 31d Abs. 5 WpHG ohne Veränderungen auf. Hingegen verweist Abs. 8 pauschal auf die MiFID II-DLRL zur Konkretisierung und in Abs. 9 wird dem Bundesministerium für Finanzen eine Verordnungsermächtigung eingeräumt. d) Herausgabe der Zuwendungen als Sanktion? Als „Sanktion“ hat der Bundesrat für den neuen § 70 WpHG-E vorgeschlagen, dass bei Nichteinhaltung der erforderlichen Offenlegung der Zuwendung, bzw. bei Unterbleiben der nachträglichen Unterrichtung, der Kunde die Herausgabe der erlangten Zuwendungen vom WpDU verlangen kann oder die Übernahme des erworbenen Finanzprodukts gegen Erstattung des Kaufpreises.472 Eine solche Regelung würde zwar zu einer Disziplinierung der WpDU führen und die Möglichkeit des Kunden, die Anlageempfehlung objektiv zu beurteilen unzweifelhaft stärken, da er das Provisionsinteresse des Beraters kennt. Jedoch würde der deutsche Gesetzgeber damit wieder eine nationale Sonderregelung einführen. Darüber hinaus ist dies kein aufsichtsrechtlicher Anknüpfungspunkt, sondern eine zivilrechtliche Vertragsausgestaltung, die sich nur dann anbietet, wenn der Gesetzgeber den Anlageberatungsvertrag zivilrechtlich regeln würde.473 Dieser sollte aber auch durch die Umsetzung der MiFID II-Regelungen nicht eingeführt werden.474 Durch die Verortung einer solchen Regelung im WpHG käme die Trennung zwischen Aufsichtsrecht und Zivilrecht noch weiter ins Wanken und ist daher abzulehnen. e) Zwischenfazit Insgesamt weitet sich mit den neuen Regelungen der vorliegenden Entwürfe der ursprüngliche Anwendungsbereich des § 31d WpHG deutlich aus, wobei jedoch die Kernregelungen beibehalten werden. Grundlegend neu sind die Regelungen zum Gastgeschenke wie z. B. Kugelschreiber fordernd DK, Erste Bewertung Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 18. 472 Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/11290, S. 8 f. 473 I. E. Poelzig, Stellungnahme zum Entwurf des 2. FiMaNoG im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 10. 474 Stellungnahme Bundesregierung, BT-Drs. 18/11290, S. 17.

130

2. Teil: Zuwendungen

Analysekonto durch die MiFID II-DLRL. Ebenso werden die Vorgaben zur Kostentransparenz475 auch für die Zuwendungen aufgeführt. Indem der Gesetzgeber die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses beschlossen hat, der die hier vorgestellten Regelungen des RegE 2. FiMaNoG übernommen hat, verpasst er es, die zuvor angeführten Ergänzungen und Änderungen vorzunehmen. Das 2. FiMaNoG wurde am 23. 06. 2017 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. 4. Das Festpreisgeschäft als Zuwendung? Die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahren zum 2. FiMaNoG diskutierte Forderung,476 dass auch das Festpreisgeschäft als Zuwendung behandelt werden solle, da dieses die gleichen Interessenkonflikte wie die Annahme von Provisionen entstehen lasse, ist abzulehnen. Die Befürworter einer solchen Regelung führen an, dass der Berater von der Gewinnmarge, die aufgrund der Spanne zwischen dem Einkaufspreis für das Finanzprodukt, den das WpDU zahlt, und dem als Festpreis ausgestalteten Verkaufspreis, den der Kunde an das WpDU zahlt, entsteht, ebenfalls verleitet wird, nicht im besten Kundeninteresse zu handeln.477 Da die Zuwendungsregelungen nun verschärft wurden, bestehe sogar eine besondere Gefahr, dass die WpDU überwiegend auf das nicht erfasste Festpreisgeschäft ausweichen.478 Dabei übersehen die Befürworter, dass eine solche Regelung nur im Einklang mit den MiFID II Anforderungen statuiert werden kann, oder der deutsche Gesetzgeber gem. Art. 24 Abs. 12 MiFID II eine Sonderregelung gegenüber der Kommission anzeigen und begründen müsste.479 Eine solche Anzeige für das Festpreisgeschäft liegt nicht vor. Die MiFID II knüpft, im Gegensatz zum WpHG, nicht an den Begriff der Zuwendung an, sondern an den der Anreize. Im Wortlaut werden diese für beide Beratungsformen explizit als Gebühren, Provisionen und Vorteile bezeichnet – bzw. im Englischen als fee, commission und benefit. Diese Begriffe werden jedoch nicht weiter definiert.480 475 Zur Umsetzung der Regelungen für die Kostentransparenz s. 3. Teil B.II.; für die allgemeinen europäischen Vorgaben der Kostentransparenz s. 3. Teil A. 476 Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/11290, S. 9; vzbv, Stellungnahme in der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zum 2. FiMaNoG, S. 4 f.; noch weitergehend der Vorschlag von DIE LINKE, Entschließungsantrag vom 29. 03. 2017, BT-Drs. 18/11788, S. 3 Nr. 1, in welchem sie fordern sämtliche Vertriebsanreize zu erfassen. 477 Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/11290, S. 9. 478 Klee, MiFID II: Auswirkungen der geänderten Behandlung von Zuwendungen, S. 50 f. 479 I. E. aber zur Offenlegung der Gewinnmarge Poelzig, Stellungnahme zum Entwurf des 2. FiMaNoG im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 10. 480 s. zum Begriffsverständnis von Zuwendungen in der MiFID II ausführlich Roth/Blessing, CCZ 2017, 163, 164 f.

B. Zuwendungen für die abhängige Beratungspraxis

131

Nach allgemeiner Begriffsbestimmung handelt es sich bei einer Gebühr um einen für eine Dienstleistung zu zahlenden Betrag.481 Eine Provision hingegen stellt eine „regelmäßig in Prozenten […] berechnete Form der Vergütung für geleistete Dienste“,482 i. d. R. die Besorgung eines Handelsgeschäftes, dar.483 Die bei einem Festpreis entstehende Gewinnmarge ergibt sich jedoch aus der Differenz des Einkaufs- und Verkaufspreises. Eine Vergütung für die Beratung oder die Durchführung des Erwerbs ist hierin nicht angelegt. Damit könnte die Gewinnmarge des Festpreisgeschäftes ausschließlich einen Vorteil darstellen. Art. 24 Abs. 9 MiFID II spricht jedoch nur von nicht-monetären Vorteilen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus Art. 19 Abs. 1 MiFID I i.V.m. Art. 26 MiFID I-DRL, welche durch Art. 24 Abs. 9 MiFID II verschärft werden. Die Überschrift des Art. 26 MiFID I-DRL stellt zwar auf Anreize ab, die tatsächlich durch die Gewinnmarge eines Festpreisgeschäftes entstehen können, jedoch nimmt der Wortlaut nur auf Gebühren, Provisionen und nicht-monetäre Vorteile Bezug, sodass die Überschrift dahingehend konkretisiert wird. Dieses Konzept findet sich in Art. 11 MiFID II-DLRL wieder. Zudem muss gem. Art. 19 Abs. 1 lit. b) MiFID I die Gebühr, die Provision oder eine nicht in Geldform angebotene Zuwendung durch einen Dritten oder einer in seinem Auftrag handelnden Person gezahlt bzw. gewährt werden. Folglich waren nach der MiFID I nur Anreize in einem Dreipersonenverhältnis erfasst. Ein solches Dreipersonenverhältnis ergibt sich auch aus Art. 24 Abs. 9 MiFID II.484 Dieser skizziert den Sachverhalt, dass die WpDU eine Gebühr, eine Provision oder einen nicht-monetären Vorteil im Zusammenhang mit der Erbringung einer Wertpapier (-neben-)dienstleistung von einer Partei erhalten, die nicht Kunde oder eine durch den Kunden beauftragte Person ist. Damit ist das Festpreisgeschäft nicht von Art. 24 Abs. 9 MiFID II erfasst.485 Der Gesetzgeber erkennt das Gefährdungspotential des Festpreisgeschäftes, indem er 481 Definition aus Duden, abrufbar unter: http://www.duden.de/rechtschreibung/Gebuehr (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018); Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesen, S. 770; Gablers Wirtschaftslexikon, abrufbar unter: http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/4332/ge buehr-v11.html (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). Gebühren fallen dann nicht unter den Zuwendungsbegriff, wenn sie zur Erbringung der Dienstleistung notwendig sind, Just, in: J/V/ R/B, WpHG, § 31d Rn. 14. 482 Definition aus Gablers Wirtschaftslexikon, abrufbar unter: http://wirtschaftslexikon.gab ler.de/Definition/provision.html (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 483 Duden, abrufbar unter: http://www.duden.de/rechtschreibung/Provision (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). s. zu den hier einschlägigen Provisionen auch die bereits besprochene Rechtsprechung zu Rückvergütungen und Innenprovisionen 2. Teil A.II.1.b). 484 I. E. ohne Begründung Poelzig, Stellungnahme zum Entwurf des 2. FiMaNoG im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 10; DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 24. 485 Poelzig, Stellungnahme zum Entwurf des 2. FiMaNoG im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 10; DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. Fi-

132

2. Teil: Zuwendungen

dieses gem. § 31 Abs. 4d WpHG für die Honorar-Anlageberatung ausdrücklich regelt. Er trifft jedoch keine der Kommission anzeigepflichtigen Regelungen für die Provisionsberatung. So trägt er den Unterschieden der Zuwendungen im Dreipersonenverhältnis und dem Festpreisgeschäft im Zweipersonenverhältnis Rechnung. Zugleich gewährleistet er den Gleichlauf mit der zivilrechtlichen Rechtsprechung, die das Festpreisgeschäft ebenfalls nicht als Zuwendung erfasst (s. 2. Teil A.II.1.b) cc)(2)). Die hier zuvor zur Zivilrechtsprechung gefundene Lösung, in Form der Aufklärung über das Vorliegen eines Festpreisgeschäftes, würde auch im Aufsichtsrecht das Gefahrenpotential auffangen, da sich dem Kunden das Eigeninteresse der Bank indirekt aus dieser Information ergibt. Durch diese Kenntnis im Zusammenhang mit der neuen Kostentransparenz (s. hierzu 3. Teil ),486 nach der die Gewinnmarge offen gelegt werden muss, wäre der Kunde hinreichend informiert und kann eigenständig über die Eingehung eines Festpreisgeschäftes entscheiden. Eine Erfassung des Festpreisgeschäfts als Zuwendung ist deshalb nicht notwendig.

C. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Verbot – die britische Retail Distribution Review (RDR) als Vorbild? Nicht nur Deutschland, sondern auch andere Mitgliedstaaten haben sich bereits vor Erlass der MiFID II bzw. der delegierten Rechtsakte mit der Problematik des Interessenkonflikts auseinandergesetzt und zum Teil bereits eigene nationale Regelungen erlassen. So auch Großbritannien487, welches am 01. 01. 2013 ein vollständiges Verbot über die Annahme von Provisionen durch die Retail Distribution Review (RDR)488 einführte. Dieses – und nicht die Umsetzung der MiFID II-Vorgaben in Großbritannien – soll im Folgenden aufgezeigt werden. Darüber hinaus kennen sowohl das niederländische als auch das dänische Kapitalmarktrecht ein Provisionsverbot.489

MaNoG, S. 24; a.A. Ahlers, Interview v. 20. 12. 2016; wohl auch vzbv, Stellungnahme in der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zum 2. FiMaNoG, S. 4 f. 486 Stellungnahme Bundesregierung, BT-Drs. BT-Drs. 18/10936, S. 28; DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 24. 487 Unter die Bezeichnung Großbritannien fallen England, Wales, Schottland und Nordirland. Es sollen nur die gemeinsamen Rechtsvorschriften betrachtet werden. 488 Retail Distribution Review, abrufbar unter: https://www.fca.org.uk/static/pubs/guidance/ fg12-15.pdf (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 489 Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 29.

C. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Verbot

133

I. Entwicklung Ausgangspunkt für die Einführung eines Provisionsverbots waren Studien, die die britische Aufsichtsbehörde Financial Service Authority (FSA)490 in Auftrag gegeben hat, um ihre bisherigen Anstrengungen zu überprüfen.491 Auch in Großbritannien bestand zu diesem Zeitpunkt ein Interessenkonflikt aufgrund von Provisionszahlungen. Vor allem sollte verifiziert werden, ob die zur Verfügung stehenden Informationsangaben seitens des Anlegers wahrgenommen, verstanden und genutzt werden. So lag vor der Einführung des Provisionsverbots durch die RDR – vor allem in Bezug auf die Transparenz der Annahme von Zuwendungen – in Großbritannien ein differenziertes System für die Anlageberatung vor. Es fällt auf, dass die Regelungen – vor allem zur Offenlegung von Provisionen –, die nun auf deutscher und europäischer Ebene eingeführt wurden/werden, zum Zeitpunkt der RDR-Einführung in Großbritannien teilweise schon praktiziert wurden. Die ersten Wohlverhaltenspflichten beruhen auf dem Financial Service Act 1986, der die damals neu geschaffene Aufsicht – Securities and Investment Board (SIB)492 – ermächtigt, gegen den bestehenden Interessenkonflikt des Beraters vorzugehen. Sie erließ die Statements of Principles als „Maxime des Kapitalmarktrechts“493. Eines der Principles bestimmt, dass WpDU Interessenkonflikte zu vermeiden haben und wenn sie doch auftreten, gerecht gegenüber dem Kunden ausgetragen werden sollten.494 Darüber hinaus sollte das WpDU seine Interessen nicht über die des Kunden stellen dürfen. Diese ersten Wohlverhaltenspflichten schrieben vor, dass Zuwendungen dann nicht angenommen werden dürfen, wenn diese die ordnungsgemäße Ausführung der Dienstleistung gegenüber dem Kunden gefährden.495 Außerdem sollte die Annahme von Provisionen bei Privatkunden grds. offen gelegt werden. Diese Regelungen wurden durch die polarisation496 im Jahre 1987 und die 490 s. zur Einführung der FSA in den 90er Jahren und die Hintergründe zur „Ersetzung“ durch die FSA Schlüter, in: D/K/B, Bank- und KapMR, § 99 Rn. 11 ff. 491 FSA, A Review of Retail Distribution, DP 07/01; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 322; McMeel, 87 St. John’s L. Rev. 595, 610 f. 492 Quasi als Vorgänger der FSA, s. Bliesener, Aufsichtsrechtliche Verhaltenspflichten beim Wertpapierhandel, 77. Das SIB war privatrechtlich organisiert und ihm wurde die Aufgabe übertragen einen regulatorischen Rahmen zu entwickeln, s. Halfpap, Kapitalmarktaufsicht in Europa und den USA, 55, 57. 493 Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 121. 494 SIB, Glossary and Interpretation of Conduct Business Rules, 1990; vgl. heute Principle 8, FCA, Handbook, PRIN 2.1.1.R. 495 Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 122. 496 s. ausf. zur polarisation: FSA, Reforming Polarisation: Making the market work for consumers, Consultation Paper 121, Rn. 2.4; Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 48; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 113; London Economics, Report to the Financial Service Authority: Polarisation and Financial Services Intermediary Regulation – A review for the Financial Services Authority, Section 3, S. 7; Moloney, How to Protect Investors, 268.

134

2. Teil: Zuwendungen

depolarisation im Juni 2005 weiter verschärft. Nicht-monetäre Zuwendungen sollten nur erlaubt sein, wenn diese zu einer Verbesserung der Servicequalität führen.497 Seit der depolarisation, und damit dem Regelungsstand vor Einführung des Provisionsverbots durch die RDR, unterscheidet das britische Recht drei Kategorien von Beratern: independent advisers, tied agents und multi-tied agents, denen verschieden Pflichten obliegen.498 Die ersten beiden Beratungsformen entstanden bereits in der polarisation und wurden inhaltlich nicht verändert.499 Independent Adviser müssen Angebote im besten Interesse des Kunden abgeben und über die ganze Palette von auf dem Markt verfügbaren Produkten beraten.500 Hingegen sind tied agents Agenten (Vermittler) eines Produktemittenten und beraten nur hinsichtlich dessen Produkte.501 Der durch die depolarisation „neue“ multi-tied agent, ist ein ebenfalls nicht-unabhängiger Berater, der Produkte von mehreren unterschiedlichen Emittenten anbieten darf.502 Welchen Status der jeweilige Berater innehat, muss er dem Kunden zu Beginn der Geschäftsbeziehung in Form des sog. initial disclosure document (IDD) mitteilen.503 Anders als im deutschen Recht, wurde also keine allgemeine Aufklärungspflicht statuiert, sondern diese an den Status des jeweiligen Beraters geknüpft. Dem Kunden soll so ermöglicht werden, zu erkennen, ob der Berater unabhängig oder als Agent für

497

Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 122; McMeel, 87 St. John’s L. Rev. 595, 608 f. 498 Vgl. Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 123 f.; McMeel, 87 St. John’s L. Rev. 595, 606 f.; Brandt, C.O.B. 2010, 73(Feb), 1, 11. 499 Mit der Einführung der Trennung zwischen den beiden Beratungsformen wollte das SIB, als zuständige Aufsichtsbehörde, die ihrer Ansicht nach missbräuchliche Vergütungsstruktur der Anlageberatung auflösen. Denn es wurden zu dieser Zeit Extra-Provisionen seitens der Emittenten an den Berater gezahlt für das Überschreiten gewisser Volumina beim Verkauf ihrer Produkte. Ebenso wurden den Beratern durch die Emittenten Kredite gewährt, die bei Erreichen der Umsatzziele nicht zurück gefordert wurden, s. Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 123 f. 500 FSA, Reforming Polarisation: Making the market work for consumers, Consultation Paper 121, Rn. 2.5; London Economics, Report to the Financial Service Authority: Polarisation and Financial Services Intermediary Regulation – A review for the Financial Services Authority, Section 3, S. 8; Moloney, How to Protect Investors, 268; Brandt, C.O.B. 2010, 73(Feb), 1, 11. 501 London Economics, Report to the Financial Service Authority: Polarisation and Financial Services Intermediary Regulation – A review for the Financial Services Authority, Section 3, S. 9; Moloney, How to Protect Investors, 268; Brandt, C.O.B. 2010, 73(Feb), 1, 11. 502 Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 49; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 113; Brandt, C.O.B. 2010, 73 (Feb), 1, 11. 503 FSA, Reforming Polarisation: A menu for being open with consumers, Including feedback on CP166, 06/2004, Rn. 1.8; Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 49; Moloney, How to Protect Investors, 268.

C. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Verbot

135

einen Produktanbieter agiert.504 Daneben sollte die Offenlegung der Kosten dem Kunden den Interessenkonflikt des Beraters offenbaren und zugleich aufzeigen, dass er letztlich die Kosten alleine trägt.505 Dennoch erinnert die Trennung der Berater aufgrund der Produktpalette an die zusätzlichen Anforderungen, die unabhängige Berater auf europäischer Ebene und (unabhängige) Honorar-Anlageberater auf nationaler Ebene tragen müssen. Die Einführung der Trennung zwischen den Beratern erfolgt vor einem ähnlichen Hintergrund, nämlich aufgrund der undurchsichtigen Vergütungsstruktur. Vor der polarisation wurden Extra-Provisionen für das Überschreiten gewisser Volumina beim Verkauf ihrer Produkte seitens der Emittenten an den Berater gezahlt.506 Die Auflockerung in der depolarisation ist darauf zurück zu führen, dass FSA feststellen musste, dass auch dieses System den Anleger nicht vor nachteiligen Fehlkäufen schützen konnte.507 Zugleich wurden weitere Offenlegungspflichten, wie sie jetzt auch auf europäischer und nationaler Ebene zu finden sind, eingeführt. Zusätzlich zum IDD musste ein fees and commission statement, auch menu genannt, in Form eines Formulars, zu Beginn der Vertragsbeziehungen508 an den Kunden ausgehändigt werden.509 Dieses legte dem Kunden die maximale Höhe der erhaltenen Provision, die der Berater grds. von einem Produktanbieter erhält, offen.510 Die genaue Höhe für die jeweils einzelnen Produkte wurde nicht ausdifferenziert; anders jedoch seit 1997511 für die sog. packaged products.512 Daneben enthält das menu Angaben zu von FSA erhobenen, durchschnittlichen bzw. markt-

504

FSA, Reforming Polarisation: Making the market work for consumers, Consultation Paper 121, Rn. 2.4; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 113. 505 Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 113. 506 FSA, Reforming Polarisation: Making the market work for consumers, Consultation Paper 121, Rn. 2.5; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 123. 507 FSA, Reforming Polarisation: Making the market work for consumers, Consultation Paper 121, Rn. 5.1 ff.; Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 48 f. 508 „At the same time as they provide the IDD“, s. FSA, Reforming Polarisation: A menu for being open with consumers, Including feedback on CP166, 06/2004, Rn. 1.9, 2.9. 509 FSA, Reforming Polarisation: Implementation – Feedback on CP 04/3 (A menu for being open with consumers) and made text, PS 04/27 Rn. 1.5 ff.; Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 49. 510 FSA, Reforming Polarisation: A menu for being open with consumers, Including feedback on CP166, 06/2004, Rn. 2.8. 511 Als packaged products werden Pensionen, Renten, Bonds, passiv verwaltete Fonds (Exchanged Traded Funds = ETF) und kollektive Kapitalanlagen erfasst, s. Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 128; Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 53. 512 FSA, Reforming Polarisation: A menu for being open with consumers, Including feedback on CP166, 06/2004, Rn. 2.40.

136

2. Teil: Zuwendungen

üblichen Gesamtprovisionshöhen in tabellarischer Form.513 Für hauseigene Produkte muss außerdem das sog. commission equivalent ausgehändigt werden, welches die Vertriebskosten des Produkts offen legt.514 Mithin werden dem Anleger zu Beginn der Beratung die genauen Kosten und darüber hinaus – weitergehend als auf europäischer Ebene nun gefordert – Referenzwerte zum Vergleich der üblichen Marktprovision offenbart. Aber auch dieses System ist nach den Auswertungen der von FSA in Auftrag gegebenen Studien gescheitert. Das menu hatte das Ziel, dem Anleger verständlich zu machen, dass er die Kosten selbst trägt. Dadurch sollte zugleich ein Wettbewerb zwischen den WpDU ausgelöst werden, der eine grds. Senkung der Kosten zur Folge hat. Gerade diese Ziele wurden jedoch verfehlt.515 Vielmehr blieben die Provisionshöhen konstant,516 die Vielzahl an verschiedenen Provisionen verringerte sich nicht517 und die Honorar-Anlageberatung wurde auch nicht signifikant stärker nachgefragt.518 Als Ergebnis weiterer Studien ließ sich dieses Anlegerverhalten damit begründen, dass der Anleger nach wie vor die provisionsgestützte Beratung bevorzugt, da er immer noch glaubt, dass diese seitens Dritter finanziert wird.519 Die Problematik eines Interessenkonflikts wurde, wenn sie gesehen wurde, nicht weiter reflektiert.520 Als Erklärung für dieses Phänomen wird angeführt, dass der Anleger seinem persönlichen Berater kein Eigeninteresse zu-

513 FSA, Reforming Polarisation: A menu for being open with consumers, Including feedback on CP166, 06/2004, Rn. 1.10, 2.6, 2.8, Annex 7; Schafstädt, Das Spannungsverhältnis zwischen Provisionsberatung und Honorarberatung im Versicherungsmarkt, 300. Zu der Auswertung der Studie s. auch Schelling, Vergütungssystem und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 322 ff. 514 Heute noch FCA, Handbook, COBS 6.4.3.R., COBS 6 App. 6; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 129. 515 CRA International, „An Empirical Investigation into the Effects of the Menu“ – Report prepared for the Financial Services Authority, S. 4; Schafstädt, Das Spannungsverhältnis zwischen Provisionsberatung und Honorarberatung im Versicherungsmarkt, 301. 516 CRA International, „An Empirical Investigation into the Effects of the Menu“ – Report prepared for the Financial Services Authority, S. 25; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 322 ff. 517 CRA International, „An Empirical Investigation into the Effects of the Menu“ – Report prepared for the Financial Services Authority, S. 32, 34 ff.; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 322 ff. 518 CRA International, „An Empirical Investigation into the Effects of the Menu“ – Report prepared for the Financial Services Authority, S. 39 ff.; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 322 ff. 519 FSA, Service and costs disclosure. Qualitative Research with potential and recent purchasers of financial products, CR 65a, S. 30 ff., 50; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 322 ff. 520 FSA, Service and costs disclosure. Qualitative Research with potential and recent purchasers of financial products, CR 65a, S. 52 ff.; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 322 ff.

C. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Verbot

137

schreibt.521 Insb. deshalb, weil dieser ihm von Bekannten/Freunden/Familie empfohlen wurde und er auch nicht das Gefühl habe, dass der Berater sich in einem Interessenkonflikt befindet.522 Die Honorar-Anlageberatung wurde hingegen als Variante für Anleger, die viel Geld anlegen wollen, wahrgenommen.523 Es zeigt sich, sofern die Studien aufgrund der unterschiedlichen Marktverhältnisse und der unterschiedlichen Kundengepflogenheiten übertragen werden können, dass auch für die europäischen und deutschen Regelungen nicht durchweg nur positive Ergebnisse zu erwarten sind. In Großbritannien wurde deutlich, dass die Aufklärung, so wie sie momentan auf europäischer und nationaler Ebene ausgestaltet ist, nicht ausreicht, um die Honorar-Anlageberatung tatsächlich zu stärken und den Interessenkonflikt vollständig offenzulegen. Allerdings führten in Großbritannien auch die Bezeichnung des unabhängigen Beraters und die Vergleichswerte nicht weiter. Dies mag jedoch an dem dreistufigen Berater-Modell liegen und der auch dort möglichen Annahme von Provisionen bei Offenlegung. Dass die Vergleichswerte unbeachtet blieben, überrascht jedoch. Aus dieser Erkenntnis schloss FSA, dass eine Offenlegung alleine unzureichend ist, um den Interessenkonflikt aufzuschlüsseln.524 Die neu eingeführte RDR soll folglich Klarheit schaffen, wie die Beratung ihr Beratungskonzept dem Kunden näher bringt, die potentielle Verfälschung des Kundengewinns durch die Beratervergütung herausstellen und den Beratungsstandard erhöhen.525 Dabei soll ein vollständiges neues Konzept526 sowohl für die Berater als auch Emittenten aufgelegt werden, welches speziell für retail investment Produkte aber auch packaged products gelten soll.527 Damit sind einfache Produkte, wie bspw. Aktien (Namensaktien), Versicherungsprodukte sowie Hypotheken/Grundpfandrechte nicht von dem An521 FSA, Service and costs disclosure. Qualitative Research with potential and recent purchasers of financial products, CR 65a, S. 64; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 322 ff. 522 FSA, Service and costs disclosure. Qualitative Research with potential and recent purchasers of financial products, CR 65a, S. 28 ff., 64; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 322 ff. 523 FSA, Service and costs disclosure. Qualitative Research with potential and recent purchasers of financial products, CR 65a, S. 53; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 322 ff. 524 McCarthy, (Chairman of the FSA), „Is The Present Business Model Bust?“ Rede bei Gleneagles Savings&Pensions Industry Leaders’ Summit; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 322. 525 Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 51; Schafstädt, Das Spannungsverhältnis zwischen Provisionsberatung und Honorarberatung im Versicherungsmarkt, 301. 526 FSA, A Review of Retail Distribution, DP07/01 Rn. 2.12; auch als Paradigmenwechsel bezeichnet, s. Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 326. 527 FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR – feedback to CP 09/18 and finale rules, Policy Statement 10/6, Rn. 2.7; FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, CP 09/18, Rn. 2.6.

138

2. Teil: Zuwendungen

wendungsbereich erfasst.528 Für Wertpapierkäufe ohne Beratung (non-advised service) sowie für den basic advice529 finden die Regelungen zur Beratungsgebühr gem. FCA Handbook, COBS 6.1 A.2R ebenfalls keine Anwendung.530

II. Änderungen durch die Retail Distribution Review (RDR) 1. Die Regelung Die RDR enthält drei wesentliche Komponenten: die Beratervergütung, die Offenlegung des Beratungsservices und die Fachkompetenz der Berater.531 Diese drei Komponenten stehen in einem Zusammenspiel und müssen auch zusammen betrachtet werden, wobei die Vergütung des Beraters die Hauptfunktion übernimmt. a) Einführung des Provisionsverbots Seit dem 01. 01. 2013 darf gem. FCA Handbook, COBS 6.1 A.4R die Vergütung des Beraters, wenn dieser eine persönliche Empfehlungen für retail investment Produkte abgibt, nur noch auf einer Vereinbarung zwischen dem Kunden und dem Berater beruhen und nicht mehr zwischen dem Berater und dem Produktanbieter.532 Es erfolgt damit eine sog. customer agreed remuneration (CAR).533 Das Unternehmen darf keine Provisionen, Vergütungen oder andere Vorteile im Zusammenhang mit der persönlichen Empfehlung oder einem zusammenhängenden Service mehr seitens des Produktanbieters annehmen, auch wenn es diese an den Kunden auskehren würde.534 Mithin ist diese Regelung strenger als die europäische und sogar die deutsche.

528

Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 53. Diese Form ist zu trennen vom independent und restricted advice. Gem. FCA, Handbook COBS 9.6 handelt es sich um eine kurze und einfache Form der Finanzberatung, die vorgefertigte Fragen verwendet, um festzustellen ob eine Beteiligungsform (bspw. Aktie) oder ein anderes Produkt den Interessen des Kunden entspricht. Da für diese Beratungsform die Regelungen über das Beratungshonorar nicht anwendbar sind, findet sie im weiteren Verlauf dieser Arbeit keine Berücksichtigung. s. dazu Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 10 f. 530 FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR – feedback to CP 09/18 and finale rules, Policy Statement 10/6, Rn. 4.9; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 12. 531 Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 51. 532 s. Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 12. 533 FCA, Handbook, COBS 6.1 A, 6.1 A.4.R.; FSA, A Review of Retail Distribution, DP07/ 01 Rn. 3.75; s. Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 326 f. 534 Allerdings darf das WpDU nicht-monetäre Vorteile annehmen, die die FCA in einer Liste aufführt, wenn diese allen WpDU zur Verfügung gestellt werden, s. FCA, Handbook COBS 2.3.16.G. 529

C. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Verbot

139

Zugleich wird es dem Produktanbieter gem. FCA Handbook, COBS 6.1B.5R verboten dem Beratungsunternehmen Provisionen oder andere Zuwendungen in Zusammenhang mit der persönlichen Empfehlung zukommen zu lassen. Zu beachten ist jedoch, dass gewerbliche Kunden (professional clients) und geeignete Gegenparteien (eligible counterparties) nicht von FCA Handbook, COBS 6.1.1R Abs. 1 erfasst sind, da sich dieser nur an Kleinanleger bzw. private Anleger (retail client) richtet.535 Für diese gilt das Provisionsverbot nicht, sodass hier ein weiterer Unterschied zur europäischen Regelung besteht. Der Produktanbieter muss den Preis seines Produkts abzüglich der Vergütung des Beraters für seinen Service angeben. Sodann soll eine Art „Preisdiskussion“ zwischen dem Berater und dem Kunden über die bereits erbrachten und noch zu erbringenden Dienstleistungen des Beraters stattfinden.536 Die zusätzlichen Gebühren werden auf den Produktpreis zugerechnet, sodass der Kunde einen vollständigen Preis erhält und durch mehr Transparenz eine höhere Kundenzufriedenheit entsteht.537 Dem Kunden muss, in ausreichender Zeit vor der Empfehlung, die Vergütungsstruktur verständlich und in einfacher Sprache offengelegt werden, FCA Handbook, COBS 6.1.17R, 19G. In welchem Dokument die Struktur offen gelegt wird, bspw. zusammen mit der Beratungsform, bleibt dabei den WpDU überlassen, FCA Handbook, COBS 6.1 A.21G, 6.1 A.18G. Das WpDU kann für jeden Kunden einzeln ein Vergütungsmodell erstellen oder dies in standardisierter Form anbieten, FCA Handbook, COBS 6.1 A.11R, 6.1 A.12R. Auch das Preissystem in Form von Stundenlohn, Festbetrag oder eine in Prozent ausgestaltete Beteiligung bleibt den Parteien überlassen, FCA Handbook, 6.1 A.22R.538 Einzige Voraussetzung ist, dass die Vergütung den Berater nicht beeinflussen darf, nicht im besten Kundeninteresse zu handeln. Andauernde Vergütungszahlungen dürfen somit auch nur bei einem fortgesetzten Beratungsservice gezahlt werden, FCA Handbook, COBS 6.1 A.26G. Ebenso muss das WpDU erklären, wie der Kunde den Service kündigen und die damit verbundenen Gebühren einstellen kann.539 Die Vergütung ist zudem produktneutral auszugestalten, sodass eine höhere Vergütung für einzelne Produkte unzulässig ist. Anderenfalls könnte der Berater hier wiederum von der Vergütung beeinflusst werden. Informationen über die erhaltenen Zahlungen, wozu diese verwendet wurden und wie sie ggf. von dem üblichen Zahlungsmodell des WpDU abweichen, muss für jeden Kunden schriftlich für fünf Jahre festgehalten werden, FCA Handbook, COBS 6.1 A.27R. 535

Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 12; Schafstädt, Das Spannungsverhältnis zwischen Provisionsberatung und Honorarberatung im Versicherungsmarkt, 302 f. 536 FSA, Factsheet For investment advisers – Adviser charging, No.010, S. 2. 537 s. ausf. zur Berechnung und Darstellung der Preise Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 15. 538 Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 54. 539 FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR – feedback to CP 09/18 and finale rules, Policy Statement 10/6, Rn. 4.37.

140

2. Teil: Zuwendungen

Damit wird das bisherige Modell, dass der Kunde den gesamten Preis an den Produktanbieter zahlt und dieser dann einen Teil davon an den Berater weiterleitet, nicht verboten.540 Es liegt vielmehr auch im Rahmen der Vereinbarung zwischen Kunden und Berater, wie die Zahlung – bspw. per Scheck direkt an den Berater oder über den Produktanbieter an den Berater – erfolgen soll, s. FCA Handbook, COBS 6.1B.9R.541 Wesentlicher Unterschied zum bisherigen Modell ist jedoch, dass der Kunde dies mit dem Berater bespricht542 und dem Produktanbieter klare Anweisungen zukommen lässt.543 Um Missbrauch vorzubeugen, müssen die Zahlungen durch den Emittenten an den Berater jedoch zum gleichen Betrag und zur gleichen Zeit erfolgen, wie der Emittent Zahlungen vom Kunden erhält.544 Im Gegenzug ist es dem Produktanbieter ebenfalls verboten, dem Berater monetäre Zuwendungen, insb. Rabatte, zukommen zu lassen.545 Diese Vergütungsform wird häufig als Schlupfloch von den Beratern genutzt.546 Indem der Berater dem Kunden zum Ende der Beratung mehrere Seiten mit den wesentlichen zusammen gefassten Informationen vorlegt, in denen auch die schriftliche Anweisung gegenüber dem Emittenten enthalten ist, die adviser charge aus dem Investment an den Berater auszuzahlen,547 legt er faktisch seine Provision selber fest. b) Einführung zwei verschiedener Beratungsformen Indem FSA die Beratungsdienstleistungen in restricted advice und independent advice548 neu kategorisierte,549 löste sie die vielen unterschiedlichen Bezeichnungen in der Beratungslandschaft auf und versucht die Unterschiede dieser Formen noch 540

Vgl. Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 17; Brandt, C.O.B. 2010, 73(Feb), 1, 18; i.E. Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 327. 541 FSA, A Review of Retail Distribution, DP07/01 Rn. 3.76, 3.80. 542 FSA, A Review of Retail Distribution, DP07/01 Rn. 3.76. 543 Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 17. 544 FCA, Handbook, COBS 6.1B.9.R.; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 327. 545 FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, DP09/18, Rn. 4.17; FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR – feedback to CP 09/18 and finale rules, Policy Statement 10/6, Rn. 4.19 ff.; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte, 327; Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 54. 546 Cazier, „Das Provisionsverbot ist fantastisch für britische Berater“, Interview mit FONDS professionell Online v. 03. 07. 2013. 547 Cazier, „Das Provisionsverbot ist fantastisch für britische Berater“, Interview mit FONDS professionell Online v. 03. 07. 2013. 548 FCA, Handbook, COBS 6.2 A.3.R.; Clark, SJ 157/2, 10. 549 FCA, Handbook, COBS 6.2 A.5.R.; FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR – feedback to CP 09/18 and finale rules, Policy Statement 10/6, Rn. 2.8 ff.; FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, DP09/18, Rn. 2.5; Schafstädt, Das Spannungsverhältnis zwischen Provisionsberatung und Honorarberatung im Versicherungsmarkt, 303; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 330.

C. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Verbot

141

deutlicher herauszustellen.550 Trotz der begrifflichen Unterscheidung findet für beide Beratungsformen die adviser charging rule Anwendung. aa) Independent advice Ein independent advice liegt gem. FCA Handbook, COBS 6.2 A.3R dann vor, wenn eine persönliche Empfehlung an einen Privatkunden in Bezug auf retail investment Produkte gegeben wird, die den Anforderungen der Regelungen für die unabhängige Beratung entspricht. Mithin muss der independent adviser seine Empfehlung auf eine umfassende und faire Marktanalyse des relevanten Markts stützen.551 Zudem braucht er einen allumfassenden Marktüberblick. Zugleich soll die Empfehlung unvoreingenommen und uneingeschränkt erfolgen.552 Dass der Berater eine unabhängige Beratung erbringt, muss er dem Kunden schriftlich vor der Beratung mitteilen, FCA Handbook, COBS 6.2 A.5R. Folglich muss der Berater ähnliche Kriterien wie auf europäischer Ebene für die unabhängige Beratung vorgesehen erfüllen. (1) Merkmal der retail investment Produkte Wie die MiFID II erweitert auch die RDR ihren Anwendungsbereich durch die Erweiterung des retail investment Produkts, sodass dem Anleger für mehrere Produkte eine unabhängige Beratung angeboten werden kann.553 Zu den retail investment Produkten zählen nun packaged products554 und nicht regulierte gemeinsame Kapitalanlagen, Investment Trusts und strukturierte Kapitalanlageprodukte.555 Die 550

FSA, Retail Distribution Review – Interim Report, Rn. 3.8 f.; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 330 f. 551 FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, DP09/18, Rn. 2.13; Clark, SJ 157/2, 10. 552 FSA, Retail Distribution Review: Independent and restricted advice – finalised guidance, FG 12/15, Rn. 2.2. 553 FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, DP 09/18, Rn. 2.5, 2.7.; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 3. Die neue Definition ist auch im Hinblick auf die damals bevorstehende PRIPS Regelung auf EU-Ebene erlassen worden. s. Schafstädt, Das Spannungsverhältnis zwischen Provisionsberatung und Honorarberatung im Versicherungsmarkt, 303. 554 s. zur alten Definition 2. Teil C.I. Nun werden auch Fonds nach der OGAW-Richtlinie (Richtlinie 2014/91/EU des europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Juli 2014 zur Änderung der Richtlinie 2009/65/EG zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) im Hinblick auf die Aufgaben der Verwahrstelle, die Vergütungspolitik und Sanktionen; Abl. EU v. 28. 08. 2014, L 257/186), geschlossene börsennotierte Fonds, private Pensionspläne, Lebensversicherungen und langfristige Versicherungsverträge erfasst, s. FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, DP 09/18, Rn. 2.6. 555 Die strukturierten Produkte umfassen ebenso Derivate als Optionen, Futures und Finanzdifferenzgeschäfte, s. FSA, Retail Distribution Review: Independent and restricted advice –

142

2. Teil: Zuwendungen

Definition ist hinsichtlich künftig neuer Produkte jedoch offen formuliert, sodass auch diese bei Vertrieb an retail investment clients entsprechend eingestuft werden können.556 Eine Spezialisierung auf einen bestimmten Markt soll grds. möglich sein, wenn das gesamte Segment des Spezialgebiets für die Beratung analysiert wird.557 (2) Merkmal des relevant market Der zu analysierende relevant market enthält die in Großbritannien angebotenen retail investment Produkte, die zu den Kundenbedürfnissen passen.558 Dieser kann jedoch im Einzelfall durch Kundenangaben bspw. dahingehend eingeschränkt werden, dass ausschließlich ethische Kapitalanlagen berücksichtigt werden sollen.559 Kann ein WpDU nicht alle Produkte, die hinsichtlich der Kundenbedürfnisse passend sind, abdecken, so muss es sich als restricted adviser kennzeichnen.560 Bezieht sich die unabhängige Beratung nur auf einen Teilmarkt, kann die Bezeichnung als independent nur rechtmäßig sein, wenn ein Namenszusatz erläutert, auf welches Marktsegment sich die unabhängige Beratung bezieht und die Beschränkung sowie die Art des spezialisierten Markts schriftlich offen gelegt werden.561 Es muss zudem Sicherungssysteme einrichten, die verhindern, dass das Unternehmen außerhalb des speziellen Markts Empfehlungen ausspricht, sondern stattdessen den Kunden an andere Unternehmen verweist, COBS 6.2 A.22G. Auch hier sieht man deutlich die Vorbildfunktion für die europäischen Regelungen – auch wenn ESMA aufgrund erheblicher Kritik den Verweis verworfen hat (s. 2. Teil A.I.3.a)). (3) Anforderungen an die Merkmale Marktanalyse und unvoreingenommene Beratung Der independent adviser darf sich aufgrund des Merkmals der unvoreingenommenen Beratung hinsichtlich der Produktauswahl für die Marktanalyse nicht von vorneherein auf retail investment Produkte beschränken, sondern muss auch andere,

finalised guidance, FG 12/15 Rn. 2.3; Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 53. 556 Clark, SJ 157/2, 10, 11; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 3 f. 557 FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, DP09/18, Rn. 2.13. 558 FCA, Handbook, COBS 6.2 A.11.G.; FSA, Retail Distribution Review: Independent and restricted advice – finalised guidance, FG 12/15 Rn. 2.6; Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 57; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 4. 559 FSA, Retail Distribution Review: Independent and restricted advice – finalised guidance, FG 12/15 Rn. 2.6, 2.7; FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, DP 09/18, Rn. 2.15; FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR – feedback to CP 09/18 and finale rules, Policy Statement 10/6, Rn. 2.13.; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 4. 560 Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 57. 561 FCA, Handbook, COBS 6.2 A.4.G.(2), COBS 6.2 A.4.G, 6.2 A.6.R; FSA, Retail Distribution Review: Independent and restricted advice – finalised guidance, FG 12/15 Rn. 2.9; Brandt, C.O.B. 2010, 73(Feb), 1, 14.

C. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Verbot

143

dem Kundeninteresse entsprechende Kategorien berücksichtigen.562 Die Analyse muss auch solche Produkte erfassen, die nicht in Großbritannien emittiert wurden, aber in Großbritannien vertrieben werden.563 Bietet ein WpDU independent advice an und vertreibt seine eigenen Produkte oder die der Schwesterfirma, so muss es darlegen, dass die Empfehlung dieses Produkts auf einer zuvor durchgeführten unabhängigen und unbeschränkten Analyse beruht.564 Ist die Vergütung für eigene Produkte hingegen höher als für Dritte, so liegt keine unbefangene Empfehlung vor. Um unvoreingenommen und ohne Einfluss des Produktanbieters agieren zu können, darf das Beratungsinstitut gem. FCA Handbook, COBS 6.2 A.15G keinerlei vertragliche Beziehungen unterhalten bzw. Beschränkungen oder Verpflichtungen gegenüber einem Produktanbieter unterliegen, die die Beratung im besten Kundeninteresse negativ beeinflussen können.565 Davon erfasst sind auch Produktschulungen.566 Beratungsfirmen, die in einem Konzernverbund mit Produktanbietern stehen, müssen alle erforderlichen Anstrengungen unternehmen, um sicher zu stellen, dass die finanziellen Interessen des Mutter- oder Schwesterunternehmens den eigenen Beratungsservice nicht berühren.567 bb) Restricted advice Der restricted advice ist deutlich offener. So werden im Umkehrschluss sämtliche Beratungsleistungen, die nicht unter independent advice subsumiert werden können, erfasst.568 Allerdings gelten auch für den restricted advice die gleichen Angemessenheits-,569 Anreiz-570 und Vergütungsanforderungen sowie der gleiche Standard hinsichtlich der Beraterausbildung wie für den independent advice.571 Die Beratung

562 FCA, Handbook, COBS 6.2 A.17.G.; FSA, Retail Distribution Review: Independent and restricted advice – finalised guidance, FG 12/15 Rn. 2.22; Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 57; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 5. 563 FSA, Retail Distribution Review: Independent and restricted advice – finalised guidance, FG 12/15 Rn. 2.19. 564 Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 57. 565 FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, DP 09/18, Rn. 2.17; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 6. 566 FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, DP 09/18, Rn. 2.17; Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 327. 567 FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, DP 09/18, Rn. 2.18. 568 FSA, Retail Distribution Review: Independent and restricted advice – finalised guidance, FG 12/15 Rn. 3.2. 569 Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 58. 570 Geregelt in FCA, Handbook, COBS 2.3.1.R. 571 FSA, Retail Distribution Review: Independent and restricted advice – finalised guidance, FG 12/15; Rn. 3.3; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 6. s. hierzu noch 4. Teil A.III.

144

2. Teil: Zuwendungen

ist ebenfalls im bestmöglichen Kundeninteresse zu erbringen. Bankberater können grds. nur restricted advices erbringen.572 Der wesentliche Unterschied liegt nach Ansicht von FSA in der Offenlegung in welchen Punkten das WpDU nicht den Regelungen des independent advice folgt.573 Die Unterschiede kann das Unternehmen frei beschreiben. Es darf jedoch nicht über diese täuschen,574 sondern muss den beschrieben Service tatsächlich erbringen. Dabei muss es zwingend die Bezeichnung restricted advice verwenden.575 Findet sich kein passendes Anlageprodukt im Beratungsspektrum des WpDU, darf dieses keine persönliche Empfehlung an den Kunden aussprechen, FCA Handbook, COBS 6.2 A.22G.576 Trotz dieser zwei selbständigen Beratungsarten des restricted und independent advice kann ein WpDU beide Arten der Beratung gleichzeitig erbringen. Es darf sich dann jedoch nicht in seinem übergeordneten Dachnamen als independent bezeichnen und muss dem Kunden die Trennung und den Unterschied klar vor Augen führen, FCA Handbook, COBS 6.2 A.6R. Als Unterkategorie des restricted advice ist der simplified advice anzusehen.577 Der simplified advice ist ein rationalisierter, bzw. verschlankter Beratungsprozess, der sich auf zwei besondere Bedürfnisse des Kunden spezialisiert und keine umfassende Analyse der Umstände des Kunden vornimmt, die nicht direkt mit den besonderen Bedürfnissen in Berührung stehen.578 Eine Unterkategorie ist er deshalb, weil nicht alle Investmentprodukte, die für die Kundenbedürfnisse passen könnten, dem Beratungsangebot zugrunde gelegt werden.579 In der Regel wird der simplified advice durch automatisierte und prozessorientierte Abläufe, vor allem im Internet

572

FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, DP 09/18, Rn. 2.32. Dies kann gem. FCA, Handbook, COBS 6.2 A.6.R. schriftlich, aber auch gem. COBS 6.2 A.9R mündlich erfolgen, wenn es zur verpflichtenden mündlichen Interaktion mit dem Retail Kunden kommt, s. auch Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 58; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 6. 574 Eine Täuschung liegt bspw. vor, wenn das Unternehmen (konkludent) erklärt, dass es sich auf Produkte beschränkt, die am besten geeignet sind für eine bestimmte Kundengruppe oder erklärt, dass es sich ausschließlich auf die Produkte des Typs A beschränkt und dann den Kunden dazu anhält, alle seine Investments in diesen Bereich zu verlegen, es sei denn, dies entspräche tatsächlich dem bestmöglichen Kundeninteresse, s. FSA, Retail Distribution Review: Independent and restricted advice – finalised guidance, FG 12/15 Rn. 4.4, 3.6. 575 Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 7; Brandt, C.O.B. 2010, 73(Feb), 1, 16. 576 s. ausf. Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 8. 577 FSA, Retail Distribution Review: Independent and restricted advice – finalised guidance, FG 12/15 Rn. 3.6; Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 58; Brandt, C.O.B. 2010, 73(Feb), 1, 15. 578 FSA, Simplified Advise – finalised guidance, Rn. 2.1 f.; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 9. 579 FSA, Simplified Advise – finalised guidance, Rn. 2.3; Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 59. 573

C. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Verbot

145

oder am Telefon, erstellt.580 Mit dieser Beratungsform soll den Bedürfnissen der Kunden entsprochen werden, die sich den vollständigen Beratungsservice finanziell nicht leisten können oder wollen.581 c) Inducements Weiterhin gelten für die WpDU, insb. für die Vermögensverwaltung,582 die regulären Inducement-Regelungen gem. FCA Handbook, COBS 2.3.1R, wenn diese keinen restricted oder independent advice erbringen.583 Anreize, sowohl monetärer als auch nicht-monetärer Art, dürfen gewährt und angenommen werden, wenn diese vom Kunden stammen, oder wenn sie durch eine dritte Person ermöglicht werden und zu einer Qualitätsverbesserung führen. Zugleich dürfen diese die Interessenwahrungspflicht des WpDU gegenüber dem Kunden nicht beeinträchtigt.584 Ihr Erhalt muss dem Kunden in verständlicher Form vor der Beratung offengelegt werden. Mithin ist diese Regelung das britische Pendant zum deutschen § 31d WpHG – bzw. die Umsetzung von Art. 26 MiFID I-DRL. Dementsprechend findet sich auch im FCA Handbook, COBS 2.3.14G die Regelung, dass nicht-monetäre Zuwendungen angenommen werden dürfen, wenn diese die Servicequalität verbessern und keine Gefahr für die Beratung im besten Kundeninteresse darstellen. FCA Handbook, COBS 2.3.15G legt zudem eine mit der europäischen vergleichbare Positivliste mit Situationen fest, in denen die o.g. Voraussetzungen vorliegen. d) Incentives Neben den inducements werden auch die incentives als Ursache eines möglichen Interessenkonflikts angesehen und entsprechend reguliert. FSA führte eine in-houseincentives Struktur ein, um Bonussysteme, die rein auf dem Verkaufsvolumen liegen, zu unterbinden. Denn aufgrund von solchen Anreizsystemen könnte bspw. der Manager nicht mehr objektiv die Verkäufe seiner Mitarbeiter überprüfen.585 Daher sollen die WpDU Kontroll- und Steuermechanismen einführen, die ein System 580 FSA, Simplified Advise – finalised guidance, Rn. 2.2; Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 58, deshalb auch streamlined advice. 581 FSA, Simplified Advise – finalised guidance, Rn. 3.14. 582 Hier steht wohl eine der größeren Veränderungen des britischen Rechts an, da die MiFID II diese unter bestimmten Anforderungen von der Annahme von Provisionen ausschließt. 583 FCA, Handbook, COBS 2.3.6 A.; FCA, Markets in Financial Instruments Directive II Implementation – Consultation Paper III, CP 16/29, Rn. 2.10; vgl. Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung, 327. 584 FCA, Handbook, COBS 2.3.1.R.; FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR – feedback to CP 09/18 and finale rules, Policy Statement 10/6, Rn. 4.47 ff. 585 FSA, Guidance Consultation: Risks to customers by financial incentives, S. 10.

146

2. Teil: Zuwendungen

enthalten, das Anzeichen für ein falsches Verkaufsverhalten der Berater erkennt, sowie ein Qualitätsüberwachungssystem, welches Risiken erkennt und entschärft. 2. RDR Review Entgegen des Ende 2014 – knapp 2 Jahre nach Inkrafttreten – veröffentlichten Post Implementation Review586, welches von Financial Conduct Authority (FCA), als Nachfolgerin von FSA, in Auftrag gegeben wurde, um erste Auswirkungen der RDR abzubilden, ist das Problem des Interessenkonflikts nicht aufgelöst worden. Die Studie, die von unabhängigen, externen, europäischen Gutachtern erstellt wurde,587 kam zu dem Ergebnis, dass die Beratung aufgrund des Provisionsverbots deutlich weniger befangen sei.588 Die Produktkosten seien, aufgrund fehlender Provisionen und einfacherer Konstruktion, gesunken589 und es sei keine befürchtete Beratungslücke feststellbar.590 Einzig die Beratungskosten, seien ohne ersichtlichen Grund gestiegen,591 jedoch würden sich die Berater nun langfristig nach den Kundenwünschen richten, indem sie segmentieren und qualifizierteren und abgestimmten Service für das jeweilige Kundensegment anbieten.592 Lediglich das Offenlegungsdokument müsse nachgebessert werden, da für einige Anleger immer noch unverständlich sei, wie die Beratung vergütet werde und worin der Unterschied zwischen dem independent und dem restricted advice besteht.593 Jedoch erstellten FCA und HM Treasury im Oktober 2015 ein neues Papier „Financial Advice Market Review (FAMR) Call for input“, in dem sie unter anderem nach den Ursachen für die entstandene Beratungslücke suchen. Mithin erkennt nun auch FCA an, dass eine solche besteht. Diese war bereits von Deloitte in ihrer Marktstudie594 prognostiziert worden. Die Studie kam zu dem Ergebnis, dass 5,5 Millionen Anleger (11 Prozent der Gesamtanleger) bei Einführung des Provisionsverbots keine Finanzberatung mehr in Anspruch nehmen würden bzw. dies nicht mehr können. Auch die weiteren Ergebnisse595 der Deloitte-Studie können in 586

FCA, Post-implementation review of the Retail Distribution Review – Phase 1. FCA, Post-implementation review of the Retail Distribution Review – Phase 1, Rn. 1.3. 588 FCA, Post-implementation review of the Retail Distribution Review – Phase 1, Rn. 1.4. 589 FCA, Post-implementation review of the Retail Distribution Review – Phase 1, Rn. 1.4. 590 FCA, Post-implementation review of the Retail Distribution Review – Phase 1, Rn. 1.4. 591 Europe Economist, Final Report, Executive Summary, S. 2. 592 Europe Economist, Final Report, Executive Summary, S. 3 593 Europe Economist, Final Report, Executive Summary, S. 4. 594 Deloitte, Bridging the advice gap – Delivering investment products in a post-RDR world. 595 Von 2140 befragten Erwachsenen wollten 32 Prozent selbständig Recherchen und Registrierung durchführen, 27 Prozent sich selbständig informieren und über Finanzvermittler kaufen und 24 Prozent ihren Finanzberater nur noch für wesentliche Anlagefragen aufsuchen, um so das Honorar gering zu halten. Ein weiteres konträres Ergebnis von Deloitte war die Feststellung, dass immer noch 87 Prozent der Kunden an die kostenlose Beratung glauben würden und die Offenlegungsbemühungen mithin gescheitert sind. 587

C. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Verbot

147

dem Final Report aus 2016 von FCA und HM Treasury596 gefunden werden. Der Rückgang der agierenden Makler – waren es 1987/1988 noch ca. 110.000 abhängige und 25.000 unabhängige Vermittler, so sind 2012/2013 nur noch 11.000 abhängige und 25.000 unabhängige Vermittler aktiv –597 wird damit begründet, dass sich der Beratungsaufwand für kleinere Anlagesummen nicht lohne.598 Größere WpDU hatten mit Erscheinen der RDR bereits angekündigt, dass sie sich auf vermögende Privatkunden spezialisieren werden.599 Zudem fragen nur noch wenige Kunden die Beratungsleistungen nach, was ebenfalls mit den hohen Kosten, der Unzufriedenheit mit dem angebotenen Service und dem Vertrauensverlust der Anleger in die Beratung aufgrund von vorangegangenen Fehlberatungen begründet wurde.600 Wegen der hohen Kosten, sei einigen Anlegern der Zugang zur Finanzberatung nicht mehr möglich.601 Es zeigt sich, dass die geäußerten negativen Befürchtungen vor Einführung der RDR nicht bloße Schwarzmalerei waren. Dennoch wollen FCA und HM Treasury an diesem Modell insgesamt festhalten. Dies bekräftigen sie in ihrem jüngsten Report.602 Dies gilt auch für die Umsetzungen der Vorschriften zur MiFID II.603 Allerdings soll das Problem der Beratungslücke durch diverse Maßnahmen minimiert bzw. abgeschafft werden. In ihrem Final Report stellten FCA und HM Treasury 28 Verbesserungsvorschläge zu der derzeitig aktuellen Marktsituation vor. Deren Umsetzungsfortschritt beschreiben FCA und HM Treasury in ihrem Progress Report aus April 2017 positiv. Zur Einführung neuer Maßnahmen wurde unter anderem Financial Advice Working Group604 (FAWG) eingesetzt, die unterschiedliche Maßnahmen einführen wird/eingeführt hat, um den Kunden an den Finanzmarkt heranzuführen. Dafür wurde der Begriff des regulated advice verändert. An diesen 596

FCA/HM Treasury, Financial Advice Market Review – Final report. Hierbei muss jedoch berücksichtigt werden, dass 2008 über 40.000 unabhängige Berater am Markt agierten. Schafstädt, Das Spannungsverhältnis zwischen Provisionsberatung und Honorarberatung im Versicherungsmarkt, 304. 598 FCA/HM Treasury, Financial Advice Market Review – Final report, S. 7. 599 So kündigte bspw. die Lloyds Banking Group an, persönliche Finanzberatung nur noch für Kunden mit einem Vermögen von 100.000 Pfund anzubieten. Kunden unter 100.000 Pfund hätten nach ihrer Untersuchung keinen Bedarf für eine Honorarberatung. Diese sollten künftig nur noch allgemein Informationen zu Sparprodukten erhalten. So wie die Lloyds Banking Group haben viele Berater ihre Geschäft analysiert und sind zu demselben Entschluss gekommen, s. Pankl, Provisionsverbot würde gewaltige Beratungslücke verursachen, Beitrag v. 12. 10. 2012, FONDS professionell Online. 600 FCA/HM Treasury, Financial Advice Market Review – Final report, S. 7. 601 FCA/HM Treasury, Financial Advice Market Review – Final report, S. 7. 602 FCA/HM Treasury, Financial Advice Market Review (FAMR) – Progress report, S. 2 ff. 603 Die Veränderungen des independent und den restricted advices durch die MiFID II sollen hier nicht thematisiert werden. Insgesamt will die FCA die neuen Regelungen auf beide Formen anwenden. s. zu den vorgeschlagenen Änderungen FCA, Markets in Financial Instruments Directive II Implementation – Consultation Paper III, CP 16/29, S. 17 ff. 604 Bestehend aus Mitgliedern des FAMR Expert Advisory Panel, FCA Consumer Practitioniers and Smaller Business Practitioniers Panel. 597

148

2. Teil: Zuwendungen

knüpfen die strengen Anforderungen der FCA. Allerdings war dessen Abgrenzung zur weniger strengen und damit kostengünstigeren guidance bislang unklar, sodass viele WpDU den regulated advice in Rechnung stellten. Nun knüpft der regulated advice ausdrücklich und im Einklang mit der MiFID I an die persönliche Empfehlung an, sodass die Abgrenzung für die WpDU einfacher werden soll und die Beratung für die Kunden günstiger. Auf diese Weise sollen wieder mehr Kunden Informationen erhalten, um eigenständige Investitionsentscheidungen zu treffen.605 In diesem Rahmen hat FAWG auch die Rules of Thumb and Nudges vorgestellt, um den Anleger allgemeine Grundregeln zum Verhalten am Finanzmarkt näher zu bringen.606 Des Weiteren nimmt die FCA consultations vor, um die Umsetzung einiger Vorschläge aus der FAMR zu konkretisieren. So führt die FCA eine consultation durch, um Klarstellungspotentiale hinsichtlich der Förderung von simplified bzw. streamlined advice aufzudecken.607 Hierzu veröffentlichte FCA im September 2017 die Streamlined advice and related consolidated guidance608, welche im Dezember 2017 noch einmal überarbeitet wurde.609 Mit dieser schafft die FCA eine grundsätzliche guidance, die jedoch für die WpDU nicht bindend ist.610 Gleichwohl sollen die Unternehmen diese bei ihrer Umsetzung des streamlined advice heranziehen und als Ergänzung zum Handbook beachten. Dabei versteht FCA unter streamlined advice nur einen Oberbegriff, der sowohl den simplified advice als auch den focused advice erfasst.611 Ebenso kann unter den Begriff des steamlined advice auch der (voll-)automatische Service, der sog. Roboadvice, zu subsumieren sein.612 FCA versucht in ihrer guidance den WpDU anhand von good and poor practices aufzuzeigen, wie sie einen solchen Service einrichten und betreiben können. So sollten die WpDU vor der Einführung zunächst den Zielmarkt bestimmen, für den sie den Service anbieten möchten. Anhand des festgelegten Zielmarkts sollte der Service 605

FCA/HM Treasury, Financial Advice Market Review (FAMR) – Progress report, S. 2, 4. FAWG, Rules of Thumb and Nudges – Improving the financial wellbeing of UK consumers. 607 FCA/HM Treasury, Financial Advice Market Review (FAMR) – Progress report, S. 5; FCA, Guidance on Consultation GC17/4: Financial Advice Market Review (FAMR) – Implementation part 1. 608 FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, abrufbar unter: https://www.fca.org.uk/publication/finalised-guidance/fg-17 - 08.pdf (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 609 s. zur Entstehung https://www.fca.org.uk/publications/finalised-guidance/fg17 - 8-stre amlined-advice-consolidated-guidance (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 610 FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 2 Rn. 1.6. 611 FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 4 Rn. 2.2. 612 FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 4 Rn. 2.4. 606

C. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Verbot

149

ausgelegt werden.613 Auch bei der Erbringung des streamlined advice sind die Product Governance Regelungen (s. 8. Teil) anzuwenden. Die WpDU müssen entscheiden, ob die entsprechenden Produkte überhaupt im Rahmen des streamlined advice angeboten werden können. FCA geht grds. davon aus, dass je komplexer, je risikoreicher, je stärker konzentriert oder je illiquieder die Produkte, desto ungeeigneter sind diese für den streamlined advice.614 Daneben haben die WpDU Filterprozesse zu Beginn des Beratungsvorgangs einzuführen, um herauszufinden, ob die Kundenwünsche und -bedürfnisse überhaupt durch diesen Service erfüllt werden können.615 Insgesamt müssen die WpDU bei der Erstellung des Prozesses sicherstellen, dass keine ungeeigneten Produkte empfohlen werden und der Service überhaupt für den Kunden geeignet ist.616 Auch deshalb sollen die WpDU beobachten, wer den Service nutzt und eingreifen, sofern Kunden eine falsche Beratung erhalten.617 Es gelten die allgemeinen Informationspflichten für den streamlined advice, sodass diese bei der Darstellung des Services beachtet werden müssen. Letztlich müssen auch hier die Informationen redlich, klar und nicht irreführend sein. Vor allem ist der Kunde über die Art des erbrachten Service aufzuklären. Ihm sind die Unterschiede zu anderen Beratungsformen zu erläutern. Dabei sollen nicht ausschließlich Fachbegriffe verwendet werden, sondern es soll eine kundengerechte Darstellung eingeführt werden.618 Für den streamlined advice gelten, wenn dieser an retail clients eine perönliche Empfehlung über retail investment products ausspricht, ebenfalls die adviser charging and remuneration rules (COBS 6.1 A).619 Mithin wird auch hier mit dem Kunden eine adviser charge vereinbart und die Vergütungsstruktur muss rechtzeitig offen gelegt werden (s. 2. Teil C.II.1.a)).620 Zudem gelten die Kompetenzanfoderung für die Berater (s. 4. Teil A.III.). Dies gilt insb. dann, wenn der Kunde das automatische System mit einem Berater gemeinsam bedient und diesem jederzeit weitere Fragen stellen kann.621 Handelt es sich um ein vollautomatisches System, welches der Kunde ohne weitere Unterstützung einer natürlichen Person bedient, so soll dieses mit Hilfe eines vollausgebildeten

613

2.13. 614 615 616 617 618

2.30. 619 620 621

FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 5 f. Rn. 2.7, FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 7 Rn. 2.6. FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 7 Rn. 2.17. FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 9 f. Rn. 2.21 f. FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 10 Rn. 2.33. FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 13 Rn. 2.29, FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 39 Rn. 4.1, 4.2. FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 40 Rn. 4.4 ff. FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 43 Rn. 4.20.

150

2. Teil: Zuwendungen

Beraters entwickelt werden.622 Besteht eine Mischform, in der der Berater dem Kunden nur Informationen während der Durchführung des Systems erteilt, soll der Berater derart geschult sein, dass er erkennen kann, wann der Kunde die Hilfe eines professionellen Beraters benötigt.623 Ausweislich des aktuellen Fortschrittsberichts und den zwischenzeitlich erschienenen guidances, kann zwar die Beratungslücke verringert werden, jedoch zeigt der Bericht zugleich, dass hierfür eine Fülle an Maßnahmen notwendig sind, deren Wirkung erst verlässlich in einigen Jahren bewertet werden kann, um diese wieder zu schließen. Dies sieht auch die FCA, da sie für 2019 eine Review der FAMR-Maßnahmen plant. Die Zwischenzeit geht deutlich zu Lasten des Anlegers. Die jüngst erschienene guidance zum streamlined advice macht außerdem deutlich, dass auch bei den abgeschwächten und damit „günstigeren“ Modellen eine Fülle an Voraussetzungen erbracht werden sollen. Damit wird einerseits richtigerweise dem Anlegerschutz Rechnung getragen, andererseits wird dadurch auch diese Form der Beratung nicht so kostengünstig anzubieten sein, als dass diese nun für jeden Anleger eine Alternative darstellt und damit zur vollständigen Aufhebung des advice gaps führt.

III. Zwischenfazit Es zeigt sich, dass Großbritannien, als „Vorreiter“ in der europäischen Union, versucht den durch externe Anreize verursachten Interessenkonflikt – bisweilen nicht mit gänzlichem Erfolg – aufzulösen. Alle drei Regelungen führen eine Trennung zwischen zwei Beratergruppen ein, die an ein unterschiedliches Beratungsspektrum knüpft. Hier zeigt sich auf britischer Ebene, dass der relevante Markt ausdrücklich anhand der Anlegerinteressen definiert werden soll. Dies wurde in der MiFID II-DLVO aufgenommen und gilt somit auch unmittelbar auf allen nationalen Ebenen. Der Kundenwunsch ist ein effektiver Maßstab, um einen Mehraufwand für die Institute zu beschränken, da Produkte außerhalb des Wunschbereiches ohnehin von dem Kunden unberücksichtigt bleiben. Jedoch besteht hierin eine Missbrauchsgefahr, da es letztlich dem Berater überlassen bleibt, den Markt anhand der Kundenwünsche einzugrenzen. Allerdings muss die generelle Beschränkung nun auch nach europäischem und damit ebenso im nationalen Recht im Firmennamen offen gelegt werden. Eine nach dem Wortlaut derart genaue Ausdifferenzierung, wie in der MiFID II bzw. § 31 Abs. 4c Nr. 1 WpHG bezüglich der Ausführung der Analyse, erfolgt nicht. Diese ließe sich jedoch durch eine Erweiterung der FCA Regelung einführen. Hier zeigt sich das grds. Verständnis der englischen Regelungen, die regelmäßig abstrakt gehalten sind und auf einigen „high-level-rules“ beruhen, dass die WpDU eigen622 623

FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 42 f. Rn. 4.17 ff. FCA, Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, S. 43 Rn. 4.21.

C. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Verbot

151

verantwortlich die Regelungen in die Praxis umsetzen müssen.624 Dadurch findet eine enge Abstimmung der WpDU und FCA statt.625 Gleich ist hingegen die Regelung, dass der independent adviser nicht ausschließlich seine eigenen Produkte empfehlen darf und eine solche Empfehlung ebenfalls das Ergebnis einer unbefangenen Marktanalyse sein muss.626 Die RDR erscheint teilweise als Vorlage der MiFID II-Regelung gedient zu haben. So sind auch die Offenlegungspflichten zu Beginn der Beratung vertraut. Weitergehend ist hingegen das vollständige Provisionsverbot, welches auch auf nationaler Ebene in Deutschland von einigen Vertretern als einzige Lösung gefordert wird.627 Die Zuwendungsregelungen außerhalb der RDR orientieren sich an den europäischen Vorgaben. So dürfen Anreize angenommen werden, wenn diese die Service Qualität verbessern und keine Gefahr für die Beratung im besten Kundeninteresse darstellen. Zusätzlich findet sich im FCA Handbook eine mit den delegierten Rechtsakten vergleichbare Liste, die solche nicht-monetären Zuwendungen enthält, bei denen davon ausgegangen wird, dass sie diese Anforderungen erfüllen. Die weitergehenden deutschen Regelungen hinsichtlich des Festpreisgeschäftes oder des Honoraranlageberater-Registers finden auf britischer Seite kein Pendant. Vielmehr müssen die britischen Regelungen zur Honorarberatung hinsichtlich der professionellen Kunden und geeigneten Gegenparteien erweitert werden, wenn diese sich an einen independent adviser wenden, um die europäischen Vorgaben zu erfüllen. Der Verlauf in Großbritannien – von der Aufklärung über verschiedene Beratungs- und Vergütungsmodelle hin zum Provisionsverbot – scheint einen ersten Vorgeschmack auf die mögliche europäische und auch deutsche Entwicklung zu geben. Schließlich handelt es sich um denselben Interessenkonflikt, der in allen drei Regelungen verhindert werden soll. Auch haben alle drei Regelungen das Ziel, dem Kunden eine bewusste Entscheidung über die Beratungsform zu ermöglichen. In Großbritannien hat dies laut der FCA-Studie nicht funktioniert. Mit einem solchen Resultat ist derzeit auch auf deutscher Ebene zu rechnen. Die Regelungen hinsichtlich der Offenlegung zu Beginn der Beratung sind sehr ähnlich; die britischen ermöglichen sogar mittels Referenzwert einen Vergleich der Provisionen. Dass der deutsche Anleger diesen mehr Aufmerksamkeit schenken wird, als die Briten, ist nicht zu erwarten. Dies zeigt sich auch in der bisher geringen Nachfrage der HonorarAnlageberatung als alternative Beratungsform. Der deutsche Kunde erkennt den Interessenkonflikt nach wie vor nicht. Hier ist eine Parallele zum britischen Markt zu erkennen.

624 625 626 627

s. zur abstrakten Ausgestaltung Veil/Wundenberg, Englisches Kapitalmarktrecht, 142 f. Veil/Wundenberg, Englisches Kapitalmarktrecht, 142 f. FSA, Distribution of retail investments: Delivering the RDR, DP 09/18, Rn. 2.10. s. jüngst vzbv, Pressemitteilung v. 20. 04. 2017.

152

2. Teil: Zuwendungen

Für eine ähnliche Entwicklung, bei Einführung eines vollständigen Provisionsverbots auf dem deutschen Markt, bestehen Anzeichen. Es muss jedoch beachtet werden, dass der britische Markt bereits im Vorfeld, als das Provisionsverbot eingeführt wurde, stärker reguliert war. Eine Umsetzung des Provisionsverbotes ohne solche Zwischenschritte hätte vermutlich noch gravierendere Auswirkungen und ist deshalb für den deutschen Markt nicht ratsam. Zwar zeigte die erste Studie einen Erfolg des Provisionsverbots, jedoch ist mittlerweile die Beratungslücke offensichtlich, und es haben sich erkennbar neue Absatzkanäle gebildet.628 Da die Kleinanleger eine geringere Bereitschaft haben, die teuren Beratungsleistungen in Anspruch zu nehmen, spezialisieren sich die Anbieter auf wohlhabende Kunden. Den Kleinanlegern bleibt der Erwerb über Plattformen und Execution-Only. Eine solche Situation wird auch in Deutschland erwartet, obwohl gerade durch die Einführung des Kleinanlegerschutzgesetzes dieser Anleger besonders geschützt werden sollte. Zwar sind die Befürchtungen, dass die vielen freien Anlageberater diese Regulierung nicht überstehen werden, nicht eingetreten.629 Jedoch haben viele Banken sich umorientiert und vertreiben nun als vertikal integrierte Unternehmen ausschließlich ihre eigenen Produkte. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass der britische Markt anders aufgebaut ist als der deutsche. Während in Deutschland vieles über den Bankberater abgewickelt wird, dominieren in Großbritannien die Versicherungsunternehmen und Investmentmanager, die als unabhängige Berater (independent financial adviser = IFA) 76 Prozent der gesamten Versicherungsprodukte und als Intermediäre 46 Prozent des totalen Investmentvolumens bedienen.630 In Deutschland gibt es lediglich eine kleinere Anzahl an freien Beratern, während der Großteil des Beratungsgeschäfts durch die Banken erbracht wird. Für diese ist der Vertriebsweg der Honorarberatung weniger geeignet als für freie Berater. FCA sieht drei Jahre nach Einführung des Provisionsverbotes Nachbesserungsbedarf aufgrund der entstandenen Beratungslücke, will aber an ihrem Provisionsverbot festhalten. Die Fehlentwicklung soll durch neue Beratungsformen, die weniger Aufwand für die WpDU bedeuten – und damit geringere Kosten für den Kunden –, ausgeglichen werden. Ob solche Maßnahmen anschlagen, oder ob doch Lockerungen hinsichtlich des Provisionsverbotes eingeführt werden müssen, bleibt abzuwarten. Für den deutschen Markt ist eine solche Situation jedenfalls nicht tragbar. Der Kunde bevorzugt nach wie vor die persönliche Beraterbeziehung. Es findet zwar ein Generationswechsel statt, sodass jüngere Bankkunden durchaus technikaffin sind, allerdings erhält auch die „jüngere Generation“ lieber eine klar strukturierte Empfehlung eines persönlichen Beraters, als sich selber in ein Thema einzulesen und dann entsprechende technische Tools nutzen zu können.631 Eine 628

N.N., Provisionsverbot: Britische Berater leiden nicht unter Absatzkrise, Beitrag v. 24. 09. 2014, FONDS professionell Online. 629 Marray/Becken, REGULIERUNG: Asset Management ohne Asset Manager, Beitrag v. 04. 11. 2014, Börsenzeitung, S. B 22. 630 Niemeyer/Thorun, The New Financial System in Great Britain, 64. 631 Stachowiak, Interview v. 12. 04. 2017.

D. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Aufklärung

153

Akzeptanz von solchen technischen und unpersönlichen Lösungen ist daher momentan kaum erkennbar und kann auch die überwiegende Anzahl der Anleger (noch) nicht erreichen. Das Nebeneinander der Provisions- und Honorarberatung in Deutschland zeigt zudem einen klaren Vorteil auf. Dem Kunden obliegt die Wahl, welche Beratungsform er in Anspruch nehmen möchte. Der britische Anleger wird in dieser Hinsicht entmündigt. Allerdings ist auch hier die Aufklärungsproblematik hinsichtlich Vergütung und Beratungsform gegeben, welche in Großbritannien, nicht durch die Offenlegung zu Beginn der Beratung ausgeräumt werden konnte. Jedoch kann der Kleinanleger bei Co-Existenz beider Beratungsformen weiterhin die provisionsgestützte Beratung in Anspruch nehmen, sodass für ihn keine Beratungslücke entsteht. Die Großbanken erbringen nämlich auch für ihn weiterhin Beratungsleistungen. Darüber hinaus zeigt sich, dass auch die britischen Berater ein Schlupfloch gefunden haben und die Höhe ihrer Provisionen nun selbst bestimmen können, indem diese durch den Produktanbieter auf Anweisung des Kunden bezahlt werden. Auch dies spricht nicht für die besondere Transparenz und bewusste Entscheidung des Anlegers im britischen System.

D. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Aufklärung – die Behandlung von Provisionszahlungen in den Vereinigten Staaten von Amerika Der durch Provisionen ausgelöste Interessenkonflikt ist auch dem amerikanischen Markt als Gefahr für die Funktionsfähigkeit der Märkte und für den einzelnen Anleger bekannt. Anders als in Deutschland herrscht in den USA jedoch historisch begründet ein Trennbankensystem.632 Zwar wurde dieses 1999 durch den Gramm-Leach Bliley Act derart gelockert, dass Banken und Broker nunmehr gemeinsam agieren können,633 jedoch werden auch aktuell die Wertpapierdienstleistungen noch überwiegend von Brokern und Investment Advisern übernommen,634 wohingegen den Banken das sog. Commercial Banking obliegt.635 Derzeit bestehen sogar Überlegungen das Trennbankensystem i.S.d. Glass-Steagall-Acts wieder einzuführen.636

632

Eingeführt im Jahre 1993 durch den Glass-Steagall Act. Manzei, WM 2009, 393; Halfpap, Kapitalmarktaufsicht in Europa und den USA, 108. 634 Laby, 55 Vill. L. Rev. 701, 702. 635 Manzei, WM 2009, 393. 636 s. Braunberger/Armbruster, Vorteil Goldman Sachs, Beitrag v. 02. 05. 2017, Frankfurter Allgemeine Zeitung. 633

154

2. Teil: Zuwendungen

I. Der Broker-Dealer Der Broker-Dealer ist eine Person, die sowohl geschäftlich637 die Durchführung von Transaktionen mit Wertpapiergeschäften für die Rechnung Dritter tätigt (Broker), als auch den Kauf und Verkauf von Wertpapieren auf eigene Rechnung ausführt (Dealer).638 Grundlegend wird der Broker-Dealer für die Durchführung der Transaktion durch Provisionen bzw. Margen vergütet, sodass hier die größte Gefahr eines Interessenkonflikts besteht.639 Auch hier entsteht die bereits dargestellte Anreizwirkung, das eigene Provisionsinteresse vor das der Kunden zu stellen. Allerdings lassen sich die Broker-Dealer seit den 90er Jahren auch über Aufgabeaufschläge vergüten.640 Ein Provisionsverbot oder eine Handlungsform, in der Provisionen verboten sind, kennt das amerikanische Recht nicht. Vielmehr verfolgt das amerikanische Recht mit dem grds. geltenden Full-and-Fair-Disclosure-Prinzip den Ansatz, Interessenkonflikte mittels Transparenz und Informationsfluss zu beseitigen und so den Anleger zu schützen.641 Dementsprechend muss der Broker-Dealer aufgrund verschiedener Vorschriften, bspw. der Betrugsbekämpfungsvorschriften, dem Kunden seine Vergütung vor Abschluss der Transaktion offen legen.642 Die Offenlegung erfasst die Vergütung für den Agenturhandel und Verkaufsprovisionen.643 Zusätzlich muss er Vertriebs- und Vertriebsfolgeprovisionen (sog. Sales Loans) im Prospekt angeben.644 Bei einem Eigengeschäft muss er dem Kunden diese Geschäftsart und den enthaltenen Preisaufschlag (Mark-Up) aufzeigen und 637 Das Tatbestandsmerkmal „geschäftlich“ statuiert, dass diese Regelung nur für diejenigen gelten soll, die einer solchen Tätigkeit in regelmäßigen Abständen öffentlich nachgehen, anstatt diese auf isolierter Basis auszuführen, s. Cox/Hillmann/Langevoort, Securities Regulation, Kap. 18, 1020. Anderenfalls würden viele Individuen oder Firmen, die viel investieren ebenfalls unter die Definition fallen und entsprechenden Regelungen unterliegen. 638 Gem. Sec. 3 (4) Securities Exchange Act 1934 (SEA). Diese müssen sich bei der SEC und der Selbstverwaltungsbehörde FiNRA registrieren. 639 Cox/Hillmann/Langevoort, Securities Regulation, Kap. 19, 1078; Laby, 55 Vill. Rev. 701, 702; zu den Arten der Vergütung s. Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VI, Kap. 8, 439 ff., 447 „transaction based compensations“. 640 Laby, 55 Vill. Rev. 701, 739. 641 FINRA Rule 2110 – Recommendations, abrufbar unter: http://finra.complinet.com/en/ display/display_viewall.html?rbid=2403&element_id=8228&record_id=11290&filtered_ tag= (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018); Manzei, WM 2009, 939, 935; zum Full-and-FairDisclosure Prinzip s. Halfpap, Kapitalmarktaufischt in Europa und den USA, 113. 642 Rule 10b -10 SEA und MSRB Regel G -15, s. S. 17 Code of Federal Regulations (CFR) 240.10b-10 – Confirmation of transactions Rn. V. 4., abrufbar unter: https://www.law.cornell. edu/cfr/text/17/240.10b-10 (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 643 SEC, Guide to Broker-Dealer Registration, 5. Conduct Regulation of Broker-Dealers, Nr. 4. 644 Vgl. Sec. 10 (a) (1) SEA; Manzei, WM 2009, 393, 396. Bei Investmentfonds müssen die Angaben zu den verschiedenen Ausgestaltungen erfolgen und deren mögliche Auswirkungen auf das Investment erläutert werden, s Sec. 5 (b) (1), (2) SEA.

D. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Aufklärung

155

erklären, ob dieser marktüblich ist.645 Darüber hinaus muss der Broker-Dealer, wenn er ein Festpreisgeschäft abschließt, seine Kunden über bestehende Handelsspannen (markup, markdowns) aufklären – allerdings nur, wenn der Preis unverhältnismäßig zum Marktpreis ist.646 Allerdings ist der Broker-Dealer nicht verpflichtet, die exakte Höhe oder eine Berechnungsmethode anzugeben.647 Der Broker-Dealer unterliegt nicht der für den Investment Adviser geltenden fiduciary duty, sondern nur einem „suitability standard“, nach der Broker-Dealer fair, ehrlich und in Übereinstimmung mit den vorgegebenen Standards mit ihren Kunden agieren müssen sowie nur „suitable“ (geeignete) Finanzinstrumente empfehlen dürfen.648

II. Der Investment Adviser Der Investment Adviser berät geschäftlich und entgeltlich bezüglich Kapitalanlagen und spricht direkt oder indirekt Empfehlungen649 über Finanzinstrumente aus. Anders als in Deutschland kauft oder verkauft er jedoch nicht eigenständig Wertpapiere und führt auch keine anderen Transaktionen durch.650 Der Tätigkeitsmittelpunkt ist die unabhängige und regelmäßige Beratung der Kunden über deren Vermögenswerte.651 Grds. wird der Investment Adviser durch die sog. Advisory Fee für die Beratungsleistung oder Vermögensverwaltung vergütet.652 Es besteht somit, verglichen mit dem deutschen Provisionsmodell, nicht die Situation, dass der Kunde im Glauben ist, die Beratungsleistung werde durch seine Depotgebühren oder sonstigen Verträge mit der Bank beglichen, oder gar, dass er die Beratungsleistung kostenlos erhält. 645 Manzei, WM 2009, 393, 396; SEA, Release No. 30608 v. 20. 04. 1992; 17 CFR 240.15 g4, abrufbar unter: https://www.law.cornell.edu/cfr/text/17/240.15 g-4 (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 646 Bliesener, Aufsichtsrechtliche Verhaltenspflichten beim Wertpapierhandel, 65. 647 SEC, Guide to Broker-Dealer Registration, 5. Conduct Regulation of Broker-Dealers, Nr. 4, Fn. 6. 648 Bakhtiari/Boice/Majors, 87 St. John’s L. Rev. 313, 318. 649 Die Empfehlung eines Investment Advisers kann in unterschiedlichster Form – von der persönlichen Empfehlung im Kundengespräch bis hin zu einem standardisierten Beratungsbriefes an eine Vielzahl von Kunden – vorliegen. 650 Sec. 203 Investment Advisers Act (IAA), s. Cox/Hillmann/Langevoort, Securities Regulation, Kap. 19, 1077; Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VII, Kap. 8, 356 ff. 651 Erstmals festgehalten in SEC v. Capital Gains Research Bureau, 375 U.S. 180, 187 (1963). 652 Manzei, WM 2009, 393, 396; s. zu den Gestaltungsmöglichkeiten der Advisory Fee Frankel/Laby, § 12.03 (A), 12 – 63 ff.; Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VII, Kap. 8, 442 f. Ausf. zum verbundenen Service Angebot des Investment Advisers und dem Broker-Dealer „wrap fee“ Frankel/Laby, § 12.03 (A), 12 – 64 f.

156

2. Teil: Zuwendungen

Die Advisory Fee darf jedoch nicht als Anteil des Wert- bzw. Vermögenszuwachses des Kunden berechnet werden.653 So werden alle ungewissen Vereinbarungen verboten, damit der Adviser nicht zu hochspekulativen Geschäften angeregt wird.654 Die Ausgestaltung der Fee, obliegt den Parteien, so kann diese bspw. als Stundensatz (einmalige Gebühr) berechnet werden.655 Die konkrete Vergütung wird letztlich mit Abschluss des Advisory Agreement, dem Beratungsvertrag, vereinbart.656 Eine Obergrenze des Beratungshonorars ist nicht vorgesehen. Jedoch sieht SEC die Verpflichtung des Investment Advisers, auf überdurchschnittliche hohe Honorare im Vergleich zum Marktüblichen hinzuweisen und zu erläutern, dass es günstigere Anbieter am Markt gibt.657 Zugleich muss das Unternehmen dem Kunden oder dem potenziellen Kunden vor oder während des Beratungsvertragsabschlusses eine Broschüre übergeben.658 In dieser müssen Interessenkonflikte aber auch die Art und Struktur der Vergütung des Beraters offengelegt werden659 – vor allem Gebühren, die im Zusammenhang mit der Kapitalanlage entstehen –, bspw. Depotgebühren, Investmentfondskosten, Brokerage- oder andere Transaktionskosten. Ebenso muss der Kunden darüber aufgeklärt werden, ob der Adviser für den Verkauf von Wertpapieren besondere Vergütungen erhält sowie über den daraus resultierenden Interessenkonflikt. Bezieht das Unternehmen mehr als 50 Prozent der Vergütung des Beraters für die Beratungsleistung aus Provisionen oder anderen Entschädigungen, so muss es dies als primäre Vergütungsquelle angeben. Werden Beratungsgebühren zusätzlich zu den Provisionen vereinnahmt, so ist dem Kunden mitzuteilen, ob die Beratungsgebühren bei Erhalt der Provision reduziert werden. Übernimmt der Adviser Broker-Tätigkeiten und erhält hierfür eine erfolgsabhängige Vergütung, so werden diese und der daraus resultierende Interessenkonflikt aufgezeigt. Werden von einer dritten Person, die nicht Kunde ist, für die Empfehlung eines Investment Produkts oder eine andere Finanzdienstleistung wirtschaftliche Vorteile gezahlt, so ist dies in der Broschüre und als Interessenkonflikt offenzulegen.

653 Sec. 205 (a) (I) IAA; s. dazu SEC, General Information on the Regulation of Investment Advisers. Ausnahmeregelungen sind möglich für Verträge mit einer Investmentgesellschaft, wenn der Betrag der Beteiligungen $ 1.000.000 nicht übersteigt, s. Cox/Hillmann/Langevoort, Securities Regulation, Kap. 19, 1080; Loss/Seligmann/Paredes, Securities Regulation VII, Kap. 8, 444 ff. 654 Cox/Hillmann/Langevoort, Securities Regulation, Kap. 19, 1080. 655 Cox/Hillmann/Langevoort, Securities Regulation, Kap. 19, 1078; Frankel/Laby, § 12.03 (A), 12 – 63 ff.; oder als Ausgabeaufschlag Laby, 55 Vill. L. Rev. 701, 702. 656 Manzei, WM 2009, 393, 396. 657 SEC, General Information on the Regulation of Investment Advisers. 658 Sec. 203 (3) IAA – brochure-rule. 659 Item 5 ADV Part 2 A, abrufbar unter: https://www.sec.gov/about/forms/formadv-part2. pdf (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018); SEC, General Information on the Regulation of Investment Advisers; Frankel/Laby, § 12.03 (A), 12 – 64.

D. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Aufklärung

157

Einige Investment Adviser bzw. deren Organisationen haben sich – zusätzlich zu den Anforderungen von SEC – Verhaltensstandards auferlegt. Diese bestimmen bspw., dass die Fee nicht an Transaktionszahlen geknüpft werden darf, dass die Fee angemessen zum angebotenen Service ist, oder, dass sämtliche Vergütungen, Gegenleistungen oder Vorteile, die von Dritten gezahlt oder an Dritte gezahlt werden, dem Kunden offengelegt werden müssen.660 Neben der Vergütungsstruktur muss zusätzlich dargestellt werden, wie das Unternehmen die der Empfehlung zugrundeliegende Marktanalyse durchführt und welche Investmentstrategien es verfolgt.661 Zugleich muss eine Erklärung erfolgen, dass die Investition in Wertpapiere oder andere Kapitalanlageprodukte immer mit Risiken, vor allem Verlustrisiken, verbunden ist. Für jede wesentliche Anlagestrategie oder Analysemethode muss das darin wohnende Risiko erläutert werden. Kommt es bei einer Anlagestrategie zu besonders häufigen Transaktionen, müssen deren Auswirkungen auf die Gesamtanlage dargestellt werden, bspw. die erhöhten Brokerage- oder Transaktionskosten. Dies gilt ebenfalls für die Sicherheiten. Die Broschüre muss jährlich auf den neusten Stand gebracht werden. Bei materiellen Veränderungen muss eine Aktualisierung erfolgen, bzw. eine aktuelle Version auf der Homepage des Unternehmens verfügbar sein.662 Da der Investment Adviser sog. Treuepflichten (Fiduciary Duties) unterliegt, muss er Interessenkonflikte und damit auch solche aus Zuwendungen verhindern, vgl. Sec. 204 – 3, 206 (4)-4 IAA.663 Des Weiteren ergibt sich daraus eine Loyalitätspflicht, die erfordert, dass der Berater im besten Interesse seiner Kunden agiert und dazu verpflichtet ist, nicht die Kundeninteressen seinen eigenen unterzuordnen.664 Damit sind die Anforderungen im Vergleich zu denen der Broker-Dealer höher, da der Investment Adviser bspw. ein am besten geeignetes Finanzinstrument empfehlen muss, der Broker-Dealer hingegen nur ein geeignetes.

III. Fee-Only Financial Advice Auch in den USA gibt es seit einigen Jahren Berater, die für ihre Beratungsleistung auf Provisionen verzichten und das Pendant zu den Honorarberatern bilden, 660

Frankel/Laby, § 12.03 (B), 12 – 70 f. Item 8 ADV Part 2 A (s. 2. Teil, Fn. 659). 662 SEC, General Information on the Regulation of Investment Advisers. 663 SEC, General Information on the Regulation of Investment Advisers; Schelm, Sorgfaltsund Loyalitätspflichten im Investmentrecht, 132. Die fiduciary duties sind nicht ausdrücklich im Investment Adviser Act festgelegt, jedoch enthält dieser grundlegende Bestimmungen bezüglich der Betrugsbekämpfung. Diese wurden durch den Supreme Court als Einführung von generellen Treuepflichten für Investment Adviser interpretiert, SEC v. Capital Gains research Bureau, Inc., 375 U.S. 180, 191 – 92 (1963). s. ausf. Bakhtiari/Boice/Majors, 87 St. John’s L. Rev. 313, 316 f. 664 s. Bakhtiari/Boice/Majors, 87 St. John’s L. Rev. 313, 317. 661

158

2. Teil: Zuwendungen

die bereits vor Einführung des HABG auf deutscher Ebene agierten.665 Diese haben sich in Berufsverbänden zusammengeschlossen, unter welchen die National Association of Personal Financial Advice (NAPFA) für den sog. der Fee-Only Financial Advice federführend ist. Diese hat sich bzw. ihren Mitgliedern eine Selbstverpflichtung durch den Fiduciary Oath666 auferlegt. Nach diesem muss der Berater alle Anstrengungen unternehmen, um nach Treu und Glauben sowie im besten Interesse des Kunden zu handeln. Zugleich sollen die Berater alle Interessenkonflikte, die die Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit des Beraters beeinträchtigen oder vernünftigerweise beeinträchtigen können, vor der Verpflichtung des Beraters sowie während der Vertragslaufzeit offenlegen. Der Berater oder eine Partei, an welcher der Berater ein finanzielles Interesse hat, erhält keine Vergütung, die von dem Kauf oder Verkauf eines Finanzprodukts eines Kunden abhängig ist. Insb. erhält der Berater keine Vergütung oder sonstige Entschädigung von einer anderen Partei, die auf der Überweisung eines Kunden oder des Kunden beruht. Mit dem Fiduciary Oath betont NAPFA die im deutschen Recht verankerten wesentlichen Kriterien der Honorar-Anlageberatung, indem es die Unabhängigkeit von Provisionen oder sonstigen Vergütungen durch Dritte herausstellt sowie die Offenlegung aller möglichen Interessenkonflikte, die diese Unabhängigkeit beeinträchtigten können.

IV. Aktuelle Gesetzesentwicklung Neben den bisherigen Regelungen scheiterte 2010 der Versuch des Department of Law (DOL) Provisionen gänzlich abzuschaffen. Im April 2015 schlugen sie hierzu veränderte neue Regelungen vor,667 die angenommen wurden und ab dem 10. April 2017 Anwendung finden sollten. Unter anderem durch den Präsidentenwechsel wurden diese erneut um 60 Tage verschoben,668 sodass sie erst am 09. 06. 2017 in Kraft traten.669 Allerdings beinhalten diese für einige Regelungen einen Umsetzungszeitraum bis zum 01. 01. 2018.670 Zugleich hat Präsident Trump durch sein Memorandum DOL aufgetragen eine ökonomische und rechtliche Analyse durchzuführen, ob die neuen Regelungen negativen Einfluss auf das gewünschte Anlegerverhalten haben.671 Fällt die Prüfung des DOL negativ aus, so ist die Regelung zu 665

Tekathen, Honorarberatung im Finanzdienstleistungsbereich, 34. Abrufbar unter: https://www.napfa.org/mission-and-fiduciary-oath (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 667 s. ausf. zur Entwicklung Avci/Narayanan/Seyhun, 13 N.Y.U. J.L. & Bus. 337, 354 f. 668 s. DOL, Field Assistent Bulletin No. 2017 – 01, abrufbar unter: https://www.dol.gov/ agencies/ebsa/employers-and-advisers/guidance/field-assistance-bulletins/2017 - 01 (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 669 Federal Register, Rule 82 FR 16902, 16902. 670 Federal Register, Rule 82 FR 16902, 16902. 671 Trump, Presidential Memorandum on Fiduciary Duty Rule, v. 03. 02. 2017. 666

D. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Aufklärung

159

ändern bzw. gänzlich aufzuheben.672 Folglich bleibt abzuwarten, ob die aktuell vorliegenden Regelungen so bestehen bleiben.673 Eine solche Fiduciary Regelung ist insb. vor dem Hintergrund bemerkenswert, dass ursprünglich SEC mit der Etablierung neuer Regelungen im Dodd-Frank Act674 beauftragt wurde.675 Die geplante Angleichung der Anforderungen der Broker-Dealer und der Investment Adviser hat SEC jedoch bislang noch nicht vorgenommen. Vorschläge von SEC diesbezüglich wurden für April 2017 erwartet, jedoch liegen diese noch nicht vor. Allerdings hat nun auch SEC erkannt, dass die Regelungen des DOL die ihrer Aufsicht unterliegenden retail investors betrifft und ruft nun diese und andere Marktteilnehmer dazu auf, ihre Ansichten diesbezüglich mit SEC zu teilen.676 Ggf. wird die SEC noch vor der Implementierung der Fiduciary Rule des DOL einheitliche Standards setzen. Dennoch sollen im Folgenden kurz die Regelungen des DOL vorgestellt werden, da diese den Fiduciary-Standard des Employee Retirement Income Security Act of 1974 (ERISA), um Personen, die hinsichtlich Altersvorsorge und Pensionsplänen beraten und Produkte verkaufen, erweitern sollen.677 Damit sind auch Broker-Dealer von diesem erfasst.678 Nicht erfasst sind hingegen Investment Adviser und BrokerDealer, die ausschließlich retail investment Produkte anbieten bzw. dazu beraten. Die größeren Asset Manager wie Wells Fargo, Charles Schwab oder Raymond James sind jedoch von der Neuregelung betroffen und haben überwiegend Systeme ein672

Trump, Presidential Memorandum on Fiduciary Duty Rule, v. 03. 02. 2017; vgl. Avci/ Narayanan/Seyhun, 13 N.Y.U. J.L. & Bus. 337, 339 f. 673 Vgl. Avci/Narayanan/Seyhun, 13 N.Y.U. J.L. & Bus. 337, 341. Dies gilt auch hinsichtlich des Vorhabens von Präsident Trump den Kapitalmarkt in Gänze zu deregulieren. 674 Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act (Dodd-Frank Act), abrufbar unter: https://www.gpo.gov/fdsys/pkg/PLAW-111publ203/pdf/PLAW-111publ203.pdf (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 675 Sec. 913(g)(1) des Dodd-Frank Wall Street Reform und des Consumer Protection Acts hat einen neuen § 15(k) in den SEA Act eingeführt, der die SEC ermächtigt einen standard of conduct für Broker-Dealer sowie für Investment Adviser unter Sec. 211 IAA zu erlassen, der einheitliche Standards bei einer Investmentempfehlung über Securities für Retail Customer festlegt. Sec. 913(g)(2) Dodd-Frank Act und Sec. 211(g)(1) IAA fügen hinzu, dass die SEC Regelungen erlassen kann, um einheitlich die Handlung im besten Kundeninteresse unabhängig der finanziellen oder sonstigen Interessen der Broker, Dealer oder Investment Adviser zu gewährleisten. s. dazu Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VI, Kap. 8, 442; Avci/Narayanan/Seyhun, 13 N.Y.U. J.L. & Bus. 337, 354. Hierzu wurde 2011 eine Studie durchgeführt, s. Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VI Kap. 8, 446. 2013 wurde festgestellt, dass die Annahme von commission-based compensations nicht dem einheitlich fiduciary standard widerspricht. s. zum Hintergrund der Notwendigkeit die Standards der Broker-Dealer und Investment Adviser anzugleichen, Turner, 23 Conn. Ins. L.J. 263. 676 Clayton, Public Comments from Retail Investors and Other Interested Parties on Standards of Conduct for Investment Advisers and Broker-Dealers. Die bereits eingegangenen Antworten sind abrufbar unter: https://www.sec.gov/comments/ia-bd-conduct-standards/iabd conductstandards.htm (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 677 DOL, Conflict of Interest Final Rule v. 08. 04. 2016, Federal Register, Vol. 81, No. 68, S. 20946; s. DOL, Conflict of Interest FAQs, (Part II – Rule). 678 Avci/Narayanan/Seyhun, 13 N.Y.U. J.L. & Bus. 337, 355.

160

2. Teil: Zuwendungen

geführt, nach denen die Leistungen sowohl durch Commissions als auch durch Fees vergütet werden können.679 Jede Person, die eine individuelle Investmentempfehlung abgibt, unabhängig ihrer Bezeichnung, soll künftig an die Treuepflicht gebunden sein.680 Damit müssen am besten geeignete Altersversorgungen und nicht nur passende empfohlen werden.681 Dadurch und indem Zahlungen, die hierzu einen Interessenkonflikt auslösen können, verboten werden, soll ausschließlich das Kundeninteresse an erster Stelle stehen.682 Es sei denn, die Zahlung unterliegt einer der zahlreich vorhandenen Ausnahmeregelungen. Dies ist der Fall, wenn die Provisionsannahme dem Kunden offen gelegt wird.683 Es wird eine sog. Best Interest Contract Exemption (BICE) geschaffen.684 So können Provisionen im Bereich der Beratung über IRA rollovers und Fonds dann angenommen werden, wenn ein Vertrag mit dem Kunden geschlossen wird, der festhält, dass in seinem besten Interesse gehandelt wird (Best Interest Contract = BIC).685 Der Adviser bzw. der Broker muss nun dem Kunden nachweisen, dass auch tatsächlich kein Interessenkonflikt entstanden ist, oder die Transaktion im besten Interesse des Kunden erfolgte.686 Die erhaltenen Provisionen müssen detailliert offen gelegt werden.687 Damit soll die Verwendung von Produkten mit hohen Provisionsraten eingedämmt, aber kein generelles Provisionsverbot geschaffen werden.688

679

DiChristopher, SEC Chair White: Important to get fiduciary duty rule right, Beitrag v. 10. 11. 2015, CNBC online; Iacurci/Idzelis, Broker-dealers split on commissions in wake of DOL fiduciary rule, Beitrag v. 30. 10. 2016, Investment News. 680 DOL, Conflict of Interest FAQs, (Part II – Rule), S. 1. 681 DOL, Conflict of Interest FAQs, (Part I – Exemptions), S. 1. 682 Vgl. Loss/Seligmann/Paredes, Securities Regulation VI, Supplement 2017, 497. 683 s. Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VI, Supplement 2017, 497. 684 s. DOL, Best Interest Contract Exemption with Amended Applicability Dates, abrufbar unter abrufbar unter: https://www.dol.gov/sites/default/files/ebsa/laws-and-regulations/rulesand-regulations/completed-rulemaking/1210-AB32 - 2/best-interest-contract-exemption-withamended-applicability-dates.pdf (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 685 DOL, Proposed Fiduciary Rule v. 22. 04. 2015, Federal Register, Vol. 80, No. 75, 21928, 21948; Seligmann/Paredes, Securities Regulation VI, Supplement 2017, 497 f.; Avci/Narayanan/Seyhun, 13 N.Y.U. J.L. & Bus. 337, 355. 686 DOL, Best Interest Contract Exemption with Amended Applicability Dates, S. 9 f. (s. 2. Teil, Fn. 684). 687 DOL, Best Interest Contract Exemption with Amended Applicability Dates, S. 10 (s. 2. Teil, Fn. 684). 688 Bereits Präsident Obama betonte, dass durch die vorgeschlagene Regelung kein generelles Provisionsverbot geschaffen werden soll, Marte, Obama calls for higher standards on brokers giving retirement advice, Beitrag v. 23. 02. 2015, The Washington Post.

D. Die Lösung des Interessenkonflikts mittels Aufklärung

161

V. Zwischenfazit Insgesamt fällt auf, dass das US-Recht – verglichen mit dem deutschen Recht – einen anderen Ansatz wählt. Während im WpHG (konkretisiert in der WpDVerOV) dem WpDU auferlegt wird, an erster Stelle konkrete Maßnahmen zur Interessenvermeidung zu ergreifen und wenn diese nicht ausreichen, den Interessenkonflikt offen zu legen, verfolgt das US-Recht mit dem Ansatz des Full-and-Fair-Disclosure die vollständige Offenlegung des Interessenkonflikts. Zugleich ist zumindest der Investment Adviser über die Fiduciary Duty gebunden, das Interesse des Kunden voranzustellen. Dies mag mit der Historie des Börsencrashs aus 1929 zusammenhängen, um das nach den aufgedeckten Marktmanipulationen verloren gegangene Anlegervertrauen zurückzugewinnen.689 Die amerikanische Strategie für Interessenkonflikte, so auch im Zuwendungsfall, ist die Aufklärung des Anlegers, damit dieser eine fundierte Anlageentscheidung treffen kann und zugleich vor Fehlinformationen geschützt wird. Aufgrund der Vereinbarung der Advisory Fee und der Offenlegung der Vergütungsangaben in der Broschüre, entsteht auch keine Fehlvorstellung des Anlegers, er erhielte die Beratungsleistung unentgeltlich, oder diese werde durch die Depotgebühren etc. mitvergütet. Die Provisionsdiskussion hat folglich auch nicht eine solche Ausprägung, wie bspw. in Deutschland. Es erstaunt jedoch, dass der Investment Adviser zusätzlich noch Provisionen annimmt. Eigentlich müsste der Kunde davon ausgehen, dass er durch die Advisory Fee die Beratungsleistung vollständig vergütet hat. Die Annahme von solchen Zahlungen muss der Adviser jedoch aufgrund seiner Treuepflicht (Fiduciary Duty) gegenüber dem Anleger offenlegen. Dies entspricht der deutschen Zivilrechtsprechung, die in einem solchen Fall eine nicht vom Anleger zu erwartende Vergütung als offenlegungspflichtig ansieht. Die Tendenz der Broker-Dealer, sich durch eine Fee vergüten zu lassen, überrascht nicht, da zunehmend Investment Adviser auch BrokerDealer Tätigkeiten ausführen und als solche registriert sind und andersherum. Doch auch der Broker-Dealer, der sich über Provisionen, insb. Vertriebs- und Vertriebsfolgeprovisionen (Sales Loans) vergüten lässt, hat diese entsprechend dem Prinzip des Full-and-Fair-Disclosure offenzulegen. Aufgrund dieser Überschneidungen ist die Einführung einer Fiduciary Rule für die Broker-Dealer zu begrüßen, um Beratungsdefizite auszugleichen. Dies sollte nicht nur durch DOL für Personen, die hinsichtlich Altersvorsorge und Pensionsplänen beraten, sondern künftig auch SEC für Broker-Dealer, die Retail Investments anbieten, statuiert werden. Eine ähnliche, jedoch strengere Regelung, wie von DOL eingeführt, besteht auf deutscher Ebene in § 31d WpHG. Insgesamt ist bei der Betrachtung der weniger strengen Regulierung des Interessenkonflikts auf amerikanischer Seite zu berücksichtigen, dass dieser aufgrund der bewussten Vergütung durch den Kunden und der zusätzlichen Provisionsoffenlegung 689 Halfpap, Kapitalmarktaufsicht in Europa und in den USA, 111; Manzei, WM 2009, 393, 394, insb. Fn. 25.

162

2. Teil: Zuwendungen

auch nicht so groß ist wie auf deutscher oder europäischer Ebene. Indem der Adviser eine direkte Vergütung erhält, haben die zusätzlichen Provisionen nicht ein solches Gefährdungspotential, wie sie bei einer ausschließlichen Vergütung durch diese enthielten. Hier sind die Erweiterung der Pflichten auch auf die Broker-Dealer und die stärkeren Offenlegungspflichten ausreichend. Eine an dieses Modell anknüpfende Regelung wurde ebenfalls durch die Erweiterung des § 31 WpHG mit den Vorschriften zur Honorar-Anlageberatung eingeführt. Künftig muss auch in Deutschland zu Beginn der Beratung über das Vergütungsmodell informiert werden. Mithin ist die Situation angenähert an die in den USA. Jedoch bleibt die Intensität des Konflikts eine andere, da sich der Berater weiterhin ausschließlich über die Provisionen finanzieren kann. Indem für den Anleger durch die Honorar-Anlageberatung eine Alternative geschaffen werden sollte, zeigt sich, dass auch das deutsche und das europäische Recht teilweise einen mit dem amerikanischen Prinzip des Full-and-Fair-Disclosure vergleichbaren Ansatz verfolgen.

E. Fazit zu den neuen Zuwendungsregelungen I. Vergleich der Regelung in Deutschland, Großbritannien und den USA Stellt man alle drei Konzepte gegenüber, so erkennt man unterschiedliche Regulierungsgrade für die Handhabung der Provisionsvergütung. Auf der einen Seite stehen die USA mit einer Offenlegungspolitik, den fiduciary duties für Investment Adviser und einer grds. Vergütung durch den Kunden und auf der anderen Seite Großbritannien mit einem absoluten Verbot von Provisionen. Deutschland stellt quasi eine Mischform dieser beiden Systeme dar, indem sowohl die Provisionsberatung, die ein Zuwendungsverbot mit Ausnahmeregelung unter Offenlegung verfolgt, als auch eine reine Honorar-Anlageberatung, bei der die Annahme von Provisionen grds. verboten ist, es sei denn diese werden u. a. ausgekehrt, angeboten werden können. Es ist jedoch zu beobachten, dass sich die amerikanische Regelung der deutschen durch die mögliche Ausweitung der fiduciary duties auf Broker-Dealer annähert. Gleichzeitig gleicht sich die deutsche Regelung partiell mit dem im Vergleich zum EU-Recht strengeren Zuwendungsverbot in der Honoraranlageberatung den britischen Regelungen an. Auffällig ist, dass alle drei Länder zunächst das Offenlegungsprinzip verfolgten, aber mit dessen Wirkung nicht zufrieden waren und deshalb dieses unterschiedlich stark weiterentwickelt haben. Kleinere oder größere Anlageskandale haben alle drei Systeme im Laufe der Zeit hervorgebracht, sodass keines eine ideale Lösung darstellt. Zu berücksichtigen ist auch, dass die Marktstruktur in allen drei Ländern unterschiedlich ist und einzig in Deutschland der Vertrieb überwiegend über die Banken erfolgt.

E. Fazit zu den neuen Zuwendungsregelungen

163

Aufgrund des gemeinsamen Ausgangspunkts der drei Regelungen muss dem Kunden in allen Systemen die Vergütungsstruktur offengelegt werden. Dies geschieht ebenfalls unterschiedlich intensiv. Im amerikanischen System bespricht der Investment Adviser mit dem Kunden sein Honorar und muss zugleich seine ggf. zusätzlich erhaltenen Provisionen offenlegen. Auf deutscher Ebene wird nicht grds.690 direkt über die Vergütung gesprochen, sondern es muss dem Kunden offengelegt werden, welche Beratungsform im Folgenden erbracht wird. Daraus hat der Kunde seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Erfolgt eine provisionsgestützte Beratung, so muss der Berater dem Kunden erklären, warum er keine unabhängige Beratung erbringt und so die Provisionen offen legen. Wählt der Kunde einen Honorar-Anlageberater, so legt auch dieser die ggf. erhaltenen Provisionen offen und schüttet sie an den Kunden aus. In Großbritannien hingegen muss der Berater mit dem Kunden eine Adviser Charge vereinbaren, bei der letztlich keine Provisionen angenommen werden dürfen. Die Honorar-Anlageberatung in Deutschland ist insofern der britischen Regelung sehr ähnlich. Hingegen nähert sich die amerikanische Regelung ggf. der deutschen Provisionsberatung vor allem mit § 31d WpHG über die Ausnahme zur Wahrung von Kundeninteressen an. Überspitzt formuliert, könnte man die deutsche Regelung hinsichtlich der Offenlegung des Interessenkonfliktes als Zwischenstufe bezeichnen. Es zeigt sich, dass die deutsche Regelung Probleme der britischen Regelung hinsichtlich der Beratungslücke für Kleinanleger auffängt, indem auch die provisionsgestützte Beratung für diejenigen erhalten bleibt, die sich ein hohes Beratungshonorar nicht leisten können oder wollen. Würde die Alternative deutlicher aufgezeigt, bspw. durch die Einführung des Begriffs „unabhängige Beratung“ oder durch Kenntnisvermittlung ggü. dem Kunden, würde sich der Kunde ganz bewusst entscheiden, sodass nicht – wie in der Studie von FCA belegt – die Aufklärung über den Interessenkonflikt ergebnislos bliebe. Offensichtlich sieht dies, zumindest hinsichtlich der Bezeichnung, der Gesetzgeber nun ebenfalls so und ändert die Legaldefinition auf „unabhängige Honorar-Anlageberatung“ ab. Ein Schritt in die richtige Richtung. Der amerikanische Markt scheint keinen derart hohen Interessenkonflikt aufzuweisen, denn hier ist die Honorarberatung das gängige Modell. Jedoch erscheint es dort aus deutscher Sicht noch fernliegender, dass der Kunde mit Provisionszahlungen Dritter zusätzlich zu seinem Honorar rechnet. Tatsächlich ist dies jedoch der Fall. Über solche zusätzlichen Vergütungen muss der Berater – wie von der deutschen Zivilrechtsprechung ebenfalls gefordert – aufklären. Wie festgestellt, haben diese Provisionen auch nicht die gleiche, starke Anreizwirkung. Auf diese Weise könnte auch das Gesamthonorar geringer ausfallen als bspw. in Großbritannien, sodass in Amerika keine Beratungslücke existiert. 690 In der Honorar-Anlageberatung wird selbstverständlich eine Vergütungsvereinbarung getroffen, dies ist jedoch in der Regel nicht die vom Kunden überwiegend gewählte Beratungsform, sodass hier vom Regelfall der Provisionsberatung ausgegangen werden soll.

164

2. Teil: Zuwendungen

Somit verfolgen die deutsche und amerikanische Regelung im Grundsatz weiterhin in unterschiedlicher Ausprägung das Offenlegungsprinzip,691 mit dem Unterschied, dass auf deutscher Ebene nur in der Honorar-Anlageberatung ein direktes Entgelt gezahlt wird. Mithin trauen diese Rechtsordnungen dem Anleger zu, eigenständig informierte Entscheidungen zu treffen. Im Gegensatz dazu steht die britische Regelung, die einen vollständigen Protektionismus für den Anleger verfolgt.

II. Ist ein absolutes Provisionsverbot für Deutschland sinnvoll? Ein Provisionsverbot ist als ultima ratio nur dann notwendig, wenn eine Gefahr für einen Marktteilnehmer besteht und sich diese nicht anderweitig auflösen lässt.692 Folglich müsste der Anleger durch die Annahme von Zuwendungen so stark gefährdet sein, dass mildere Publizitätsmaßnahmen keine Schutzwirkung mehr entfalten. Die bereits bestehenden Vorschriften weisen eine hohe Regulierungsdichte auf, beinhalten jedoch auch noch Verschärfungspotential. Gem. § 31d WpHG sind grds. Zuwendungen verboten, es sei denn diese sind im Interesse des Anlegers oder verbessern die Dienstleistungsqualität. Zudem sind dem Anleger die Zuwendungen offen zu legen, sodass er deren Konfliktpotential bereits heute erkennen kann. Dies ist jedoch bislang nicht der Fall. Eine mögliche Ursache für die fehlende Kenntnis des Anlegers über den Interessenkonflikt könnte in der weit gefassten Ausnahmeregelung liegen, nach der bislang viele Provisionen erlaubt waren. Bevor die Ausnahmeregelung also vollständig gestrichen wird, sollte sie an dieser Stelle zunächst weiter verschärft werden. Dies hat auch der europäische Gesetzgeber gesehen und führte Verschärfungen der Ausnahmeregelungen ein, indem fortlaufende Provisionen nur noch angenommen werden dürfen, wenn diese auch zu einer kontinuierlichen Qualitätsverbesserung führen. Des Weiteren muss die Provision nicht einer Kundengruppen, sondern dem einzelnen Anleger zugutekommen. Hier sollten zunächst die praktischen Auswirkungen der Verschärfungen abgewartet werden und ggf. weiterhin bestehende Spielräume verringert werden. Trotz der Offenlegung des Provisionserhalts, glauben weiterhin viele Anleger, dass sie die Beratungsleistung kostenlos erhalten und ihr Berater keine eigenen Interessen verfolgt. Diesem Fehlverständnis sollte die Einführung der HonorarAnlageberatung entgegentreten, indem diese als Alternative zur provisionsgestützten Beratung ein Honorar fordert und ggf. erhaltene Zuwendungen auskehrt. Im Vergleich sollte der Kunde dann entsprechende Rückschlüsse ziehen und zwischen den beiden Vergütungsmodellen wählen. Vor der Einführung eines Provisionsverbots 691 In Deutschland in der Provisionsberatung durch die Ausnahmeregelung des Zuwendungsverbots, welches die Annahme u. a. nur bei Offenlegung erlaubt. 692 Assmann, ZBB 2008, 21, 22.

E. Fazit zu den neuen Zuwendungsregelungen

165

könnte auch an dieser Stelle nachgebessert werden, indem die alternative Beratungsform dem Kunden aktiv nähergebracht wird, da er eine solche bislang nicht kennt. Ein weiterer Gefahren- und damit Anknüpfungspunkt für die Verschärfung der existierenden Regelungen, ist die Möglichkeit der standardisierten Offenlegung über den Zuwendungserhalt. Diese wurde aufgrund von Art. 24 Abs. 9 MiFID II bereits gestrichen und eine neue Kostentransparenz (s. 3. Teil) eingeführt, sodass auch hier die Wirkung der neuen Regelungen vor Einführung eines Verbotes abgewartet werden sollte. Die Offenlegungsvariante, welche die zwischen dem Anleger und dem Berater bestehende Informationsasymmetrie (und ggf. Interesseninkongruenz) ausräumen könnte, stößt jedoch aufgrund der Vielzahl an Informationen an ihre Grenze.693 Der Anleger kann die Gesamtheit an Informationen nicht mehr aufnehmen (information overload).694 Hier realisiert sich das sog. Informationsrisiko. Gleichzeitig ist der Anleger überfordert, alleine die Marktinformationen zu analysieren, sodass er sich keine rationale Meinung für seine Anlageentscheidung bilden kann (Verhaltensrisiko). Diese Risiken hat der Gesetzgeber bislang durch die vermittelnde Variante des Mischmodells aus Aufklärung und paternalistischen Teilverboten geregelt.695 Zwar entstehen hierdurch komplexe Regelungsstrukturen und finanzieller Aufwand für die WpDU, jedoch würde eine Abkehr von diesem durch ein ausdrückliches Provisionsverbot im Gegensatz zum gesetzlichen Gesamtgefüge stehen.696 Ein weiterer Ansatzpunkt den Interessenkonflikt zu minimieren, wären weitere Vorschriften zur Beratervergütung einzuführen, damit dieser nicht nach Verkäufen oder ähnlichem gestaffelt bezahlt wird, sondern die reine Beratungsleistung im Vordergrund steht (s. 4. Teil B.). Zudem ist festzuhalten, dass Zuwendungen nicht grundlegend als „gefährlich“ zu betrachten sind. Nicht durch jede Provisionszahlung realisiert sich ein möglicher Interessenkonflikt. Vielmehr können durch Zuwendungen kostengünstigere Angebote gemacht und auch eine höhere Qualität geboten werden, die der Anleger nicht gesondert vergüten muss. Insb. müssten die WpDU bei einem vollständigen Provisionsverbot überlegen, wie sie kostendeckend arbeiten könnten, da auch die Quersubventionierung, die derzeit den Kleinanlegern zugutekommt, entfiele.697 Bislang zahlen die kapitalstärkeren Kunden durch ihr größeres Anlagevolumen größere Provisionssummen als Kleinanleger und unterstützen damit deren Beratung. 693

I. E. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 105. Zum information overload mit Bezug zu den Erkenntnissen der behavioral finance s. Spindler, FS Säcker, 469, 474 ff. m.w.N. 695 Vgl. Langenbucher, ZHR 177 (2013), 681, 701; Pfisterer, Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz, 37 ff. 696 Eine allgemeine Änderung durch die neuen Regelungen erkennend, diese aber wohl positiv bewertend Langenbucher, ZHR 177 (2013), 681, 701. 697 Dazu ausf. Klee, MiFID II: Auswirkungen der geänderten Behandlung von Zuwendungen, 54. 694

166

2. Teil: Zuwendungen

Hingegen spräche für die Einführung eines vollständigen Provisionsverbots, dass dadurch die vollständige Auflösung der Provisionsstreitigkeiten und des dahinterstehenden Interessenkonflikts herbei geführt werden könnte.698 Dem Anleger würde augenblicklich klar, dass er den Berater direkt vergüten muss. Zudem könnte eine dadurch entstehende Steigerung der Beratungsqualität dafürsprechen, da sich der Berater nun aufgrund des fehlenden Interessenkonflikts vollständig auf die Anlageziele des Kunden konzentrieren könnte. Der Kunde käme schließlich nur wieder, wenn die Beratung qualitativ zufriedenstellend war. Zu letzterem ist jedoch festzustellen, dass die Beratung grds. am Erfolg des Anlageprodukts gemessen wird, welches sich sowohl bei schlechter, als auch bei guter Beratung positiv wie negativ entwickeln kann.699 Das einzelne Beratungsgespräch lässt sich vom Kunden nur schwer beurteilen; hier muss er sich auf seine subjektive Einschätzung verlassen.700 Zudem mag der Honorar-Anlageberater zwar nicht von den Zuwendungen beeinflusst sein, dennoch betrachtet auch dieser ökonomische Gesichtspunkte, sodass eine völlig interessenkonfliktfreie Beratung auch durch diese Beratungsform nicht gewährleistet werden kann.701 Außerdem ist zu berücksichtigen, dass durch ein Provisionsverbot für den Berater die Möglichkeit entfiele an kostenlosen Produktschulungen teilzunehmen (s. 2. Teil A.II.2.e)dd)(1)). Dies wäre für Beratungsqualität nicht förderlich. Zwar könnte er entweder die Recherchen eigenständig tätigen oder die Produktschulungen selbst vergüten, jedoch würden sich beide Varianten in den Beratungskosten widerspiegeln. Um zu verhindern, dass der Berater durch kostenlose Produktschulungen negativ im Kundensinne beeinflusst wird, könnten interne Hausvorschriften eingeführt werden.702 Ein Provisionsverbot bedürfte es dafür nicht. Daher sprechen letztlich die besseren Argumente gegen ein vollständiges Provisionsverbot.703 Durch ein flächendeckendes Provisionsverbot wird dem Anleger die fundierte Entscheidung abgenommen. Damit wird er seiner Privatautonomie beraubt und zugleich nicht mehr als mündiger Verbraucher angesehen. Auf der anderen Seite soll er dennoch am Markt agieren und sich selbst (bspw. hinsichtlich der Altersvorsorge) absichern dürfen. Dies sind jedoch zwei Gegensätze, die so nicht zusammenpassen. Des Weiteren entspricht es nicht der bisherigen Gesetzessystematik im WpHG, paternalistische Entscheidungen für den Anleger zu treffen. Ihm wird zwar ein besonderer Schutzbedarf zugesprochen, jedoch muss er selbstständig agieren. Ein 698

Möllers/Poppele, ZGR 2013, 475, 437; a.A. Klein, WM 2011, 2117, 2119. Herting/Alpers, Interview v. 13. 02. 2017. 700 Michels/Backes, Interview v. 15. 11. 2016. 701 Vgl. Klee, MiFID II: Auswirkungen der geänderten Behandlung von Zuwendungen, 53. 702 Hermann, Interview v. 12. 12. 2016. 703 Klein, WM 2011; Veil/Lerch, WM 2012, 1605, 1610; a.A. Möllers/Poppele, ZGR 2013, 437, 475. 699

E. Fazit zu den neuen Zuwendungsregelungen

167

verstärkter Schutz für den Anleger ist mittels § 31d WpHG und durch die Wahlmöglichkeit der Honorar-Anlageberatung gegeben. Hier bestehen auch noch Möglichkeiten diesen auszuweiten. Außerdem könnten aufgrund des vollständigen Provisionsverbots die vom Gesetzgeber gewollten Marktfunktionen – Allokations- und Vermögensbildungsfunktion – nicht vollständig aufrechterhalten werden. Diese gelingen nur, wenn alle Bürger einen Marktzugang haben und gezielte Anlageentscheidungen treffen können. Mithin braucht es auch den Kleinanleger. Wie die Erfahrungen in Großbritannien zeigen, führt ein vollständiges Provisionsverbot zu einer Beratungslücke für dieses Kundensegment. Auch der deutsche Kunde zeigt bislang wenig Interesse an der Honorar-Anlageberatung, sodass eine vergleichbare Situation entstünde. Der Kunde fragt die Beratungsleistung aufgrund des Honorars nicht mehr nach und zugleich konzentrieren sich die Beratungsdienstleister auf den vermögenden Kunden. Zwar haben FCA und HM Treasury bedeutende Anstrengungen unternommen, um die entstandene Lücke ihrer jüngsten Einschätzung nach erfolgreich zu schließen, jedoch waren die Kleinanleger zwischenzeitlich von der Beratung ausgeschlossen. Die Etablierung von Techniken, die den WpDU eine kostengünstige Beratung ermöglichen, nimmt einige Zeit in Anspruch. Die eingeführten, verschlankten Beratungsprozesse (streamlined advice), die den Kleinanleger mittels ausgearbeiteten Informationsmaterial bei der Entscheidungsfindung unterstützen sollen, sowie der Robo Advice, ersetzen keine vollständige Beratung. So berücksichtigt bspw. letzterer keine weichen Faktoren und kann nur mit gewissen Vorkenntnissen sinnvoll genutzt werden.704 Dass in den USA das System der Honorarberatung funktioniert, liegt mitunter auch daran, dass es über lange Zeit gewachsen ist (und zugleich ein Trennbankensystem vorliegt). Dennoch darf auch hier der Investment Adviser Provisionen annehmen, obwohl er eine Vergütung durch den Kunden erhält, wenn er diese offen legt. Mithin wird kein alles oder nichts Prinzip erzwungen. Eine Verhinderung der Beratungslücke kann auch nicht durch die Implementierung solcher Techniken zeitgleich mit einem Provisionsverbot garantiert werden, da berücksichtigt werden muss, dass der deutsche und englische Markt unterschiedliche Strukturen aufweisen. Dem Kleinanleger staatliche Zuschüsse zur Honorarberatungsleistung zu gewähren,705 wäre zwar eine Möglichkeit die Kosten für diesen aufzufangen, stellt jedoch einen erheblichen Eingriff des Staates in das Marktgefüge dar,706 unabhängig von der praktischen Problematik der konkreten Ausgestaltung der Bemessungsgrundlagen etc. 704

s. Witteck, Interview v. 14. 09. 2016. s. hierzu den Vorschlag von Habschick/Evers, Anforderungen an Finanzvermittler – mehr Qualität, bessere Entscheidung, 152. 706 Dies vorschlagend, aber skeptisch hinsichtlich der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit Reiter/Methner, WM 2013, 2053, 2059; die staatliche Förderung ohne Begründung ablehnend Klein, WM 2011, 2117, 2119; Loff/Hahne, WM 2009, 1301, 1307. 705

168

2. Teil: Zuwendungen

Darüber hinaus wird dem Anleger durch das Provisionsverbot die Möglichkeit genommen, sich von verschiedenen WpDU kostenlos beraten zu lassen.707 Die Provision wird erst mit Abschluss des Kaufvertrags über das Anlageprodukt an den Berater gezahlt. Bei der ausschließlichen Honorar-Anlageberatung müsste der Kunde jede Beratungsleistung separat vergüten, wenn er Produkte und Konditionen vergleichen möchte. Die Entscheidung des Gesetzgebers kein vollständiges Provisionsverbot einzuführen, sondern ein paralleles System von Provisions- und Honorar-Anlageberatung ist daher die richtige Entscheidung. Schließlich ist auch mit der Abschaffung von Provisionen nicht gewährleistet, dass der Berater eine qualitativ hochwertige Beratung erbringt und das passende Produkt empfiehlt. Dem Anleger muss die Wahl bleiben. Allerdings muss an den Regelungen für Honorar-Anlageberatung nachjustiert werden, da diese bislang zum einen bei den Anlegern zu wenig bekannt ist und zum anderen für die Banken aufgrund der hohen finanziellen Kosten – vor allem für die kleineren Banken – wirtschaftlich keine Alternative darstellt. Jedoch kann durch die Koexistenz beider Beratungsformen, das eigentliche Ziel, dem Anleger den Interessenkonflikt vor Augen zu führen, erreicht werden, ohne größere Eingriffe in den Markt vorzunehmen. Mithin war es richtig die Honorar-Anlageberatung gesetzlich als Alternative zu formulieren. Schließlich beinhalten beide Systeme Risiken, Vor- und Nachteile.

III. Auswertung der Experteninterviews zur Honorar-Anlageberatung Die qualitative Befragung von Experten soll die Praxiseinschätzung zu den seit 2014 bestehenden Regelungen der Honorar-Anlageberatung aus Sicht der Banken, deren Verbände und Verbraucherschützern, herausstellen. Anhand dieser werden mögliche Hemmnisse zur Einführung der Honorar-Anlageberatung sowie Gründe für deren geringe Verbreitung im Markt herausgearbeitet.708 Wie zu erwarten, spiegelt sich die Diskussion, die über die Reichweite der Regelungen der MiFID II geführt wurde, ebenso in den Experteninterviews wider. Während den einen die Regelungen der Honorar-Anlageberatung zu weit gehen und damit für die breite Praxis als nicht umsetzbar erscheinen, sind den anderen diese Vorgaben wiederum nicht umfassend genug, wie bspw. im Fall der Ausnahmeregelung für Festpreisgeschäfte bei Eigenemissionen. Insgesamt wurden für die empirische Studie 25 Personen befragt, von denen fünf schriftlich Stellung genommen haben, bzw. eine Person sowohl schriftlich als auch mündlich Antworten gegeben hat. Die genauen Antworten finden sich in 15 Inter707

Vgl. Klein, WM 2011, 2117, 2119. Zur Bedeutung der Honorar-Anlageberatung aus Kundensicht s. die empirische Studie v. Tekathen, Honorarberatung im Finanzdienstleistungsbereich, 123 ff. 708

E. Fazit zu den neuen Zuwendungsregelungen

169

views und fünf schriftlichen Stellungnahmen im Anhang dieser Arbeit. Die befragten Personen sind nachweislich ihrer beruflichen Tätigkeit in Banken, Verbänden, Verbraucherzentralen oder Vermögensberatungen Experten auf dem Gebiet der Anlageberatung bzw. der Honorar-Anlageberatung. Aufgrund des bereits festgestellten geringen Angebots der Honorar-Anlageberatung, ist die Vertretung dieser Experten deutlich geringer, als die der Experten, die der Provisionsberatung zuzuordnen sind; hier konnten nur sieben Experten für insgesamt drei Interviews gewonnen werden. In der nachfolgenden Auswertung wurden der Gruppe der HonorarAnlageberatungsexperten auch die Experten der Verbraucherzentralen zugerechnet (zwei Interviews). Allen Personen wurden dieselben Fragen gestellt. Von diesen wurde jedoch je nach persönlicher Schwerpunktsetzung der Experten abgewichen, bzw. zusätzliche Argumente erörtert. Die direkt in der Honorar-Anlageberatung agierenden Experten, sowie ein Experte der Provisionsexpertengruppe mit dem besonderen Schwerpunkt der Honorar-Anlageberatung, erhielten drei zusätzliche Fragen zur praktischen Umsetzung der besonderen gesetzlichen Anforderungen dieser Beratungsform, die im Anschluss an den allgemeinen Teil ausgewertet werden. 1. Allgemeiner Teil: Grundlegende Fragen zur Honorar-Anlageberatung a) Keine spürbare Marktveränderung durch die Einführung des HABG Als erste wesentliche Überraschung lässt sich aus den Expertenantworten, unabhängig der Gruppe der Honorar-Anlageberater oder der „Provisionsberatung“, eine eindeutige Antwort auf die Frage, ob ein verstärktes Kundeninteresse nach der Einführung des HABG an der Honorar-Anlageberatung zu spüren sei, festhalten. Diese lautet eindeutig nein. Weder die Honorar-Anlageberater noch die provisionsgestützten Berater erhielten gezielte Nachfragen zu dieser Beratungsform; vielmehr mussten die Honorar-Anlageberater mit den Kunden in den Dialog treten. Auch das Honoraranlageberater-Register habe keine Publizität dieser Beratungsform gebracht.709 Eine Kundenwahrnehmung als Alternative finde nicht statt. Als Erklärung dieser Einschätzung wurde die geringe Präsenz der Honorar-Anlageberatung am Markt angeführt.710 So wurde diese immer noch als eine Nische,711 wenn nicht sogar als nicht etabliert angesehen.712 Jedoch wurden teilweise Veränderungen dahingehend bemerkt, dass der Kunde in Ausnahmefällen nach der Aufklärung über die

709 710 711 712

Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016. Herting, Interview v. 13. 02. 2017. Lenarz, Interview v. 17. 10. 2016. Bergmann, Interview v. 13. 10. 2016.

170

2. Teil: Zuwendungen

zu erbringende Beratungsform i.S.d. § 31 Abs. 4b WpHG nach der Höhe des Honorars für die Beratung fragte.713 Diese Frage kann jedoch richtigerweise von den Instituten, die keine HonorarAnlageberatung anbieten, nicht beantwortet werden. Zum einen da sie selber diese Form nicht anbieten und entsprechend ein Honorar nicht kalkulieren und zum anderen existieren unterschiedliche Honorarformen bei den Anbietern der Honorarberatung, die individuell für den Kunden angepasst werden können, sodass nicht pauschal auf Stundensätze verwiesen werden kann. Hier zeigt sich eine Schwäche des Gesetzes. Bekundet der Anleger entsprechendes Interesse, so können die provisionsgestützten Berater dieses nicht objektiv und informativ beantworten. Das aufkommende Interesse wird folglich im Keim erstickt. Hier müsste der Gesetzgeber aktiv werden und die Kunden über beide Beratungsformen aufklären und auch die Frage nach dem Honorar zumindest im Ansatz beantworten, denn diese Aufgabe kann nicht dem Konkurrenzmodell übertragen werden. Vereinzelt wird, trotz der fehlenden Nachfrage nach der Honorar-Anlageberatung, ein verändertes Bewusstsein der Kunden hinsichtlich der Bankberatungsleistung festgestellt. So soll der Kunde die Beratungsleistung als nicht immer zu seinen Bedürfnissen passend hinterfragen.714 Dies führe jedoch nicht automatisch zu einer Nachfrage nach der Honorar-Anlageberatung, zeige jedoch das Interesse, sich außerhalb des üblichen Systems zu bewegen. Parallel lässt sich bankseitig ebenso vereinzelt eine ähnliche Beobachtung machen, da zwar keine Honorar-Anlageberatung angeboten wird, aber dafür innerhalb der Provisionsberatung ähnlich gestaltete Preismodelle existieren. Diese erfüllen jedoch nicht sämtliche Voraussetzungen der Honorar-Anlageberatung.715 Hier lässt sich vielleicht vorsichtig anfügen „noch nicht“ – denn auch mit der Zeit könnten diese Modelle ausgeweitet und technisch angepasst werden. Dies hängt folglich von der Nachfrage des Kunden ab. Die Entwicklung eines Wettbewerbs innerhalb der Provisionsberatung sei nach Ansicht der Experten jedoch keine Folge der Einführung des HABG, sondern eine allgemeine Folge der Finanzkrise. Hier lässt sich ergänzen, dass die Banken grds. aufgrund diverser Umstände (Niedrigzinsphase, höheres Risikokapital) dazu gezwungen sind, neue Einnahmemöglichkeiten zu gerieren716 und auch deshalb neue Absatzmöglichkeiten zu testen. Zugleich stellt dies eine Antwort auf die hohen Anforderungen der Honorar-Anlageberatung dar und kommt den Kunden entgegen, die die provisionsgestützte Beratung bereits hinterfragen. Denn gäbe es keine Kunden für solche Zwischenmodelle, so würden in der jüngsten Vergangenheit diese nicht so zahlreich eingeführt. 713

Backes, Interview v. 15. 11. 2016. Adam, Interview v. 24. 01. 2017. 715 Ausdrücklich Lange, Interview v. 18. 01. 2017; aber Bergmann, Interview v. 13. 10. 2016 „Flat-fee“; Jäger, Interview v. 24. 10. 2016 „Depot-Modell“. 716 s. hierzu die neuerdings erhobenen Kontogebühren sowie Abhebungsgebühren am Geldautomat. 714

E. Fazit zu den neuen Zuwendungsregelungen

171

b) Kaum Bereitschaft des Kunden ein Honorar zu zahlen Allerdings widerspricht die zuvor angestellte Vermutung der Expertenmeinung hinsichtlich der Kundenbereitschaft ein Honorar für die Beratungsleistung zu bezahlen. Auch die Experten der Honorar-Anlageberatung bewerteten diese bei einem durchschnittlichen Anleger als kaum vorhanden. Die Antwort der Experten aus der Gruppe der Provisionsberatung ist hier noch eindeutiger, indem diese aktuell nur eine sehr geringe Bereitschaft vermuten.717 Begründet wird dies damit, dass der Kunde nach wie vor glaubt, er erhielte die Beratung kostenlos, bzw., dass der Kunde die Einrichtung „Bank“ als öffentliche Infrastruktur wahrnehme und deshalb eine kostenlose Beratung erwarte.718 Außerdem wäre die Beratung, wenn die Quersubventionierung entfiele und alle Ressourcen und Tools in die Beratung eingepreist würden, teurer als das, was der Kunde bereit sei zu bezahlen.719 Bisweilen würden nach ca. 40 % der Beratungsgespräche keine Abschlüsse getätigt,720 sodass das wirtschaftliche Risiko, kein geeignetes Produkt zu finden, aus Kundensicht sehr hoch sei. Allerdings stellt auch die Expertengruppe der Provisionsberatung fest, dass Kunden mit einem größeren Vermögen durchaus kostensensitiv seien. Diese würden sich vorab genau über die Beträge informieren, die aufgrund von Provisionen oder Gebühren von ihrem Anlagevolumen abgezogen werden. Daher sind diese oft bereit, dass im direkten Vergleich teilweise für sie günstigere Honorar zu bezahlen.721 Gerade diese Zielgruppe wird mit den zuvor erwähnten Modellen angesprochen, sodass sich die aufgestellte Vermutung des Parallelwettbewerbs nicht grundlegend mit der Bereitschaft des Kunden, ein Honorar zu zahlen widerspricht. Die Expertengruppe der Honorar-Anlageberatung sieht die Bereitschaft des Kunden zur Honorarzahlung hingegen differenzierter. Der durchschnittliche Kunde sei zunächst nicht bereit ein Honorar zu bezahlen. Nach der Aufklärung über die versteckten Kosten und die Provisionen, wobei die des Beraters dabei nur die Spitze des Eisbergs darstellten und tatsächlich ganz andere Stellen noch mitverdienten,722 sei die Honorarzahlung ein akzeptabler Weg für den Kunden.723 Insb. sei die Bereitschaft ein Honorar zu zahlen der Kunden, die sich bereits im Vorfeld mit der Beratungsdienstleistung beschäftigt haben724 oder die der Kunden, die selber für Dienstleistungen vergütet würden, größer.725

717 Backes, Interview v. 15. 11. 2016; Majic, Stellungnahme 21. 12. 2016; Jäger, Interview v. 24. 10. 2016; Stachowiak, Interview v. 12. 04. 2017; Beule, Stellungnahme vom 09. 03. 2017. 718 Ahlers, Interview v. 20. 12. 2016. 719 Herting, Interview v. 13. 02. 2017; Lange, Interview v. 18. 01. 2017. 720 Hertel, Interview v. 13. 10. 2016. 721 Lenarz, Interview v. 17. 10. 2016; Bröcker, Interview v. 04. 10. 2016. 722 Yahiaoui, Interview v. 04. 04. 2017. 723 Paulisan, Interview v. 04. 04. 2017; Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 724 Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016. 725 Siewert, Interview v. 28. 09. 2016.

172

2. Teil: Zuwendungen

Auch hier zeigt sich, dass es nicht prinzipiell an der Ablehnungshaltung des Kunden liegt, dass die Honorar-Anlageberatung nicht angenommen wird, sondern auch an der fehlenden Kenntnis des Kunden über diese Beratungsform. c) Kenntnis der Beratungsformen durch Aufklärung Die Kenntnis des Kunden wird auch nicht durch die Aufklärung gem. § 31 Abs. 4b WpHG herbeigeführt. Nur circa die Hälfte der Experten der Provisionsberatung geht davon aus, dass der Kunde die Unterscheidung kennt und ausreichend aufgeklärt ist, während die andere Hälfte dieser Expertengruppe vermutet, dass der Kunde die Aufklärung nicht als wichtig erkennt. Vielmehr gehe sie im Rahmen der gesamten Informationsmenge unter. Auch erzeuge die Information, dass im Folgenden keine Honorar-Anlageberatung erbracht werde, bei dem Anleger keinen Rückschluss darauf, dass ein weiteres Beratungsmodell existiere. Schließlich werde der Kunde nicht über die andere Beratungsform und deren Inhalt aufgeklärt. Dies wurde bereits im Rahmen dieser Arbeit problematisiert und Aufklärungsarbeit seitens des Gesetzgebers gefordert (s. 2. Teil A.II.4.a)). Überwiegend gehen die Experten auch davon aus, dass der durchschnittliche Kunde im Vorfeld der Beratung und damit auch vor der Aufklärung keine Kenntnis von der Alternative der Honorar-Anlageberatung hat. Nur Kunden, die sich aktiv informieren, würden auch die weiteren Beratungsmöglichkeiten kennen.726 Diese Kundengruppe befindet sich jedoch in der Minderheit. Dieses Problem wurde auch seitens des europäischen Gesetzgebers erkannt und durch die zusätzlichen Aufklärungsanforderungen in der MiFID II-DLVO ergänzt. Es bleibt abzuwarten, ob damit der Kunde künftig Kenntnis von der alternativen Beratungsform erhält und damit die Nachfrage nach der Honorar-Anlageberatung steigt. d) Fehlendes Angebot der Honorar-Anlageberatung aufgrund zu hoher Hürden? Ein weiterer Grund für die bislang fehlende Nachfrage der Honorar-Anlageberatung mag das fehlende Angebot sein. Dieses ließe sich mit den hohen Anforderungen, die die Banken bei der zusätzlichen Einführung der alternativen Beratungsform erfüllen müssen, bzw. dem hohen Risiko bei der Umstellung begründen. Sowohl die Expertengruppe der Provisionsberatung als auch die der Honorar-Anlageberatung sehen hier Probleme. Der überwiegende Teil der Provisionsberatungsexperten geht davon aus, dass es sich zum jetzigen Zeitpunkt und auf langfristige Sicht nicht lohnen wird, die Honorar-Anlageberatung zusätzlich einzuführen. Die Hürden durch die erforderliche personelle und organisatorische Trennung, gespiegelt an der bislang geringen Nachfrage, seien zu hoch. Es wird allerdings auch 726 A.A. Kenntnis der zweiten Beratungsform Lange, Interview v. 18. 01. 2017; Lenarz, Interview v. 17. 10. 2016; Hertel, Interview v. 13. 10. 2016.

E. Fazit zu den neuen Zuwendungsregelungen

173

angeführt, dass die Einführung der Honorar-Anlageberatung als alleinige Form vermutlich die gleichen Anforderungen stellen würde, wie die Einführung der alleinigen Provisionsberatung.727 Jedoch akquiriere die zusätzliche Einführung der Honorarberatung nicht die gleiche Kundenanzahl. Auch die Honorar-Anlageberatungsexperten zeigen Verständnis für die bislang noch nicht erfolgte Umstellung bzw. Einführung. So wurden auch hier Zweifel geäußert, ob sich das Angebot der Honorar-Anlageberatung alleine bereits trägt.728 Auch sei ein Start in die Honorar-Anlageberatung, aufgrund von Altlasten bzw. bereits einkalkulierten Bestandsprovisionen, die dann entfielen, und der allgemeinen wirtschaftlichen Lage im Niedrigzinsumfeld, für kleinere Institute nahezu unmöglich und auch für größere sehr schwierig.729 aa) Personelle Trennung der Beratungsformen Die Problematik des erheblichen Mehraufwands zeigt auch die innerhalb beider Gruppen sehr unterschiedlich beantwortete Frage nach dem notwendigen Grad der personellen Trennung bei paralleler Einführung der Honorar-Anlageberatung zur Provisionsberatung. Einigkeit innerhalb der Provisionsberatungsexpertengruppe bestand jedoch darin, dass die oberste Führungsebene/Vorstand nicht von der Trennung betroffen sein soll. Es wurde befürwortet, keine Trennung einzuführen, da die Berater entsprechend geschult werden könnten und selbst kein Eigeninteresse am Honorar oder Provision hätten, da beides nicht an sie gezahlt würde. Hier ist anzumerken, dass letzteres Argument nur für festangestellte Berater gelten kann. Für andere Experten war die Trennung auf Beraterebene ausreichend, da so Fehler beim Wechsel zwischen den Beratungsformen vermieden werden könnten und auch dem Kunden der Unterschied in der Beratungsform personell verdeutlicht werden könnte. Weitere Probleme ließen sich durch entsprechendes Controlling verhindern. Eine solche Trennung wurde von kleineren Banken jedoch als undurchführbar beschrieben.730 Die dritte vertretene Variante der Experten der Provisionsberatungsgruppe würde auch die Ebene über dem Berater trennen, da diese Einfluss auf den jeweiligen Berater nehmen könnte. In der Expertengruppe Honorar-Anlageberatung wurde hingegen angeführt, dass die Philosophie nur dann gelebt werden könne, wenn sogar die oberste Ebene getrennt werde.731 Es wurde aber auch die Auffassung vertreten, dass sich ein gemeinsames Angebot von Honorar-Anlageberatung und Provisionsberatung gegenseitig ausschließe, da es eine strikte Trennung der Beratung vom Vertrieb bräuchte.732 727 728 729 730 731 732

Beule, Stellungnahme v. 09. 03. 2017. Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016. Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. Witteck, Interview v. 14. 09. 2016. Adam, Interview v. 24. 01. 2017 Ahlers, Interview v. 20. 12. 2016.

174

2. Teil: Zuwendungen

Überraschenderweise finden sich auch in der Honorar-Anlageberatungsexpertengruppe Stimmen, die sich für eine parallele Durchführung beider Beratungsformen durch einen Berater aussprechen, da dieser dem Kunden unvoreingenommen die Unterschiede aufzeigen könne und dann den Kunden vor eine aktive Wahl stelle, welche Beratungsform dieser für sich als passender betrachtet. Die Consorsbank, die beide Beratungsformen anbietet und entsprechend im Honoraranlageberater-Register registriert ist, hat eine Trennung der Berater und der Leitung des Honorar-Anlageberatungsteams vorgenommen.733 Wobei auch hier betont wurde, dass dies bei einer reinen Online-Bank einfacher möglich sei, als in einer Filiale und es dennoch zu Unverständnis bei den Kunden führte, die nun ggf. nicht mehr mit ihrem langjährigen Berater interagieren konnten, da dieser in die andere Beratungsform gewechselt ist.734 Für Kunden, die die Honorar-Anlageberatung wünschten, deren Berater aber nun ausschließlich die provisionsgestützte Beratung anbietet, wurden extra Provisionsmodelle eingeführt, die dem Modell der Honorar-Anlageberatung ähnlich sind, damit die Kunden ihren Berater behalten konnten und in die Provisionsberatung wechselten. Dies zeigt, dass die Beraterbeziehung eine essentielle Rolle aus Kundensicht spielt und deshalb bei der Neueinführung der Honorar-Anlageberatung berücksichtigt werden muss. Zusätzlich konnte beobachtet werden, dass der Kunde, der aktiv vor die Wahl der Beratungsform gestellt wurde, auch hierfür den Berater um Rat fragen wollte. Die hier aufgeführten Erwägungen hinsichtlich der einzelnen Regelungen wurden bereits in der Arbeit dargestellt und bewertet (s. 2. Teil A.I.4.b)bb)). § 8 WpDVerOV-E, der die Trennung abhängig von der WpDU-Größe ausgestalten soll, würde die von den Experten geäußerten Erfahrungen und Ansichten berücksichtigen. Eine vollständige Abschaffung dieser Trennung ist aufgrund der europäischen Vorgaben nicht möglich. Jedoch kann der Gesetzgeber aufgrund von Art. 24 Abs. 12 MiFID II Sonderregelungen erlassen, in denen er geringere Anforderungen für kleinere Institute vorsieht. In diesem Fall ist der deutsche Markt tatsächlich spezieller. Die Provisionsberatung ist als Modell über Jahre gewachsen und der deutsche Kunde kennt die Honorar-Anlageberatung immer noch nicht. Daher ist die Einführung einer neuen Beratungsform unter Berücksichtigung der hohen Anforderungen aus Bankensicht kaum lohnenswert. Außerdem besteht die Marktstruktur in Deutschland, anders als in anderen Mitgliedstaaten, aus vielen kleinen Instituten, die den neuen Anforderungen sowohl personell als auch finanziell nicht gewachsen sind und deshalb von vorneherein die Alternative nicht erbringen können. Diese kleineren Institute gewährleisten aber die flächendeckende Versorgung aller Kundengruppen, insb. der der Kleinanleger, die nach europäischer Ansicht besonders zu schützen sind. Die europäischen Regelungen berücksichtigen damit nicht das deutsche Marktge733 734

Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016. Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016.

E. Fazit zu den neuen Zuwendungsregelungen

175

füge, sodass es sich hier um nationale Besonderheiten handelt, die eine Ausnahmeregelung ermöglicht hätten. Allerdings hätte der Gesetzgeber hier, um eine wirkliche Etablierung der Honorar-Anlageberatung zu erreichen, anstatt 2014 bereits alle Anforderungen vollständig erfüllen zu lassen, von Anfang an eine stufenweise Einführung beschließen können, die eine langsame Umstellung mit Vergünstigungen bis zum Anwendungsbeginn der europäischen Regelungen 2018 ermöglicht hätte. Ebenso wäre eine Stichtagsregelung sinnvoll gewesen, die das Ausschleichen von Provisionen und damit eine finanzielle Umstellung ermöglicht.735 Durch diese Ausnahmemöglichkeit hätten für sehr kleine Institute geringere Anforderungen vorgesehen werden können, die kontinuierlich ansteigen.736 Wie gezeigt hätten mehrere Möglichkeiten bestanden, das in der Praxis gravierende Problem und eine der Hemmschwellen zur Einführung abzumildern, als nur eine (noch nicht beschlossene) verhältnismäßige Umsetzung in § 8 WpDVerOV-E festzulegen. § 8 wurde jedoch ohne Veränderungen am 23. 10. 2017 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.737 bb) Fehlende Notwendigkeit einer zusätzlichen Einführung? Für die fehlende Bereitschaft, die Honorar-Anlageberatung einzuführen, spricht zudem auch der fehlende Druck. Die Experten beider Gruppen gehen überwiegend davon aus, dass in Deutschland künftig kein Provisionsverbot ohne Ausnahmemöglichkeit, wie es bspw. in Großbritannien der Fall ist, eingeführt werden wird.738 Nach Ansicht der Verbraucherzentralen und einiger Experten der Honorar-Anlageberatungsgruppe liegt dies an der zu großen Lobby der Provisionsberatung. Allerdings wünschen sich auch nicht alle Honorar-Anlageberatungsexperten ein solches, da auch sie in der Provisionsberatung eine für bestimmte Kunden geeignete Beratungsform sehen.739 Der überwiegende Teil der Provisionsberatungsexperten und ein Honorar-Anlageberatungsexperte740 sehen in der Einführung des Provisionsverbotes die Gefahr, dass einige Kunden von der Beratungsleistung abgeschnitten werden, da ihnen die Zahlung eines Honorars nicht möglich wäre, bzw. sie dies nicht zahlen wollen würden. Eine Lösung dieses Problems ist aus Expertensicht nicht ohne Weiteres möglich.741 Nach überwiegender Ansicht können Robo-Advisors und an735 736

2017. 737 738

2016. 739

Ähnlich Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. Eine deminimis-Lösung für kleine Institute vorschlagend Lange, Interview v. 18. 01. BGBl. Nr. 69, vom 23. 10. 2017, S. 3565. A.A. Ahlers, Interview v. 20. 12. 2016; auf langfristige Sicht Michels, Interview v. 15. 11.

Yahiaoui, Interview v. 04. 04. 2017. Feck, Interview v. 09. 01. 2017. 741 Eine durch das Provisionsverbot entstehende Beratungslücke generell ablehnend Ahlers, Interview v. 20. 12. 2016. 740

176

2. Teil: Zuwendungen

dere FinTech-Lösungen maximal einen Teil der Kunden auffangen.742 Diese seien allerdings bereits jetzt technikaffin, während die ältere Generation durch diese Beratungsformen nicht erreicht werde. Die teilweise Schließung der Beratungslücke sei auch nur dann möglich, wenn der Robo-Advice derart ausgestaltet würde, dass er nicht ebenfalls unter das für die Beratung geltende Provisionsverbot fiele. Allerdings sei die Beratung sehr vielschichtig, sodass es auf die Ausrichtung des Robo-Advice ankäme, um überhaupt die Beratungsleistung ersetzen zu können. Dieser sei jedoch grds. geeignet, eine Vorsondierung durchzuführen oder über allgemeine Aspekte aufzuklären. Als weitere Lösungsmöglichkeiten wurden einfachere Produkte, bspw. in Form eines standardisierten, öffentlich-rechtlichen Instruments wie die „Deutschland-Rente“ vorgeschlagen.743 Zugleich wurde festgestellt, dass bereits heute Produkte nach bestimmten Merkmalen, bspw. für eine Familie mit zwei Kindern, konzipiert werden. Wenn diese Merkmale entsprechend transparent und verständlich dargestellt würden, könnte der Kunde versuchen, sich eigenständig einer Gruppe zuzuordnen und die Merkmale abgleichen, um passende Finanzinstrumente zu finden.744 Eine ähnliche „Vergleichsgruppe“ ist zukünftig ohnehin durch den Zielmarkt zu bestimmen, sodass dieser Vorschlag im Falle eines Provisionsverbotes sofort umgesetzt werden könnte. e) Strengere nationale Regelungen steigern die Anforderungen aa) Annahmeverbot von kleineren nicht-monetären Vorteilen Ein weiterer Grund für die fehlende Etablierung der Honorar-Anlageberatung könnten auch die strengeren nationalen Regelungen zur Annahme von Zuwendungen in der Honorar-Anlageberatung sein. So stellen zwar die Experten der Provisionsberatung teilweise heraus, dass diese Frage für die Einführung der Honorar-Anlageberatung keine wesentliche Rolle spiele, da es wirtschaftlich keinen Unterschied mache, ob geringfügige nicht-monetäre Vorteile angenommen werden dürften oder nicht und bspw. die personelle Trennung die Entscheidung stärker beeinflusse. Dennoch empfindet ein Großteil der Provisionsexperten, ebenso wie die Experten der Honorar-Anlageberatungsgruppe, diese Regelung als nationales goldplating des deutschen Gesetzgebers, welches im europäischen Vergleich sowie im Vergleich zur nationalen Vermögensverwaltung wettbewerbsverzerrend sei. Zudem ist in beiden Expertengruppen die Meinung präsent, dass die Regelungen überzogen seien, da keine Beeinflussung von solch kleinen nicht-monetären Zuwendungen ausgehe, da der einzelne Berater sehr wohl reflektieren könne. Nicht zuletzt bringen auch die Experten der Provisionsberatung dahingehende Zweifel an, dass die Honorar-Anlageberater durch diese Regelung von wesentlichen Informationsangeboten der Hersteller abgeschnitten würden, welche nicht zur Beeinflussung führen würden, 742 743 744

Für die vollständige Schließung der Lücke Paulisan, Interview v. 04. 04. 2017. Ahlers, Interview v. 20. 12. 2016. Backes, Interview v. 15. 11. 2016.

E. Fazit zu den neuen Zuwendungsregelungen

177

sondern die Qualität der Beratung verbesserten. Die Experten aus der HonorarAnlageberatungsgruppe ergänzten diese Auffassung um die praktischen Schwierigkeiten, dass nicht jeder Emittent eine Rechnung über die Produktschulung stellen könne und es auch bei allen Bemühungen schwierig sei, eine solche Schulung aufgrund von Getränkepauschalen etc. auf einen genauen Betrag zu berechnen. Zugleich stelle diese deutsche Sonderregelung auch eine finanzielle Belastung der Honorar-Anlageberater dar, da bspw. alle Weihnachtsgeschenke auf eigene Portokosten an den Versender zurückgesendet werden müssen. Hier ist sicherlich zu ergänzen, dass sich dies mit der Zeit einspielen wird, allerdings sind dies unnötig hohe Hürden, die keinen Mehrwert für den Anleger erzielen. Mögen diese Regelungen auch offiziell nicht der ausschlaggebende Faktor für die fehlende Bereitschaft die Honorar-Anlageberatung als Alternative einzuführen sein, so lässt sich dennoch aus allen Antworten der Experten der Provisionsberatung erkennen, dass diese die Regelung zur Honorar-Anlageberatung genau beobachten. bb) Bewertung des Bezeichnungsschutzes Auch zur zusätzlichen deutschen Regelung des Bezeichnungsschutzes wurden die Experten beider Gruppen befragt. Sowohl der Bezeichnungsschutz als solches, als auch der Begriff an sich werden nicht nur zwischen den Expertengruppen, sondern auch innerhalb der einzelnen Gruppen sehr kontrovers beurteilt. Ein überwiegender Konsens besteht darin, dass ein Bezeichnungsschutz grds. sinnvoll sei, um eine Abgrenzung mit Außenwirkung zu erzielen und die Alternative zu etablieren. Allerdings stellen einige Experten der Provisionsberatung fest, dass ein solcher Schutz nur entstehen könne, wenn der Begriff positiv besetzt und bekannt sei, was für die Honorar-Anlageberatung nicht der Fall sei. Dies könne auch nicht durch mögliche Änderungen des Begriffs in „unabhängige Honorar-Anlageberatung“ verbessert werden. Einerseits bestünden zu viele unterschiedliche Begriffe, die der Kunde nicht mehr auseinanderhalten könne,745 andererseits sei der Begriff der Honorar-Anlageberatung durch das geringe Angebot nicht präsent. Der Begriff Honorar-Anlageberatung wird an sich jedoch nicht als negativ aufgefasst, auch wenn er anders klingt als in der Richtlinie.746 Vielmehr seien die Begriffe der Richtlinie stigmatisierend und der deutsche Begriff passender gewählt.747 Erstaunlicherweise gibt es Experten aus der Honorar-Anlageberatungsgruppe, die den Begriff der Honorar-Anlageberatung und insb. die Betonung des Honorars dem europäischen Begriff der „unabhängigen Beratung“ vorziehen.748 Durch die Nennung des Honorars im Namen sei für den Kunden die Vergütung sofort offensichtlich und es käme nicht zu Missverständnissen, wenn diesem bei der unabhängigen Be745 746 747 748

A.A. Lange, Interview v. 18. 01. 2017. Jäger, Interview v. 24. 10. 2016. Lenarz, Interview v. 17. 10. 2016. Paulisan, Interview v. 04. 04. 2017; Yahiaoui, Interview v. 04. 04. 2017.

178

2. Teil: Zuwendungen

ratung ein Honorar in Rechnung gestellt werde. Zudem sei das Honorar auch nicht negativ besetzt, da ein solches auch bei einem Rechtsanwalt oder Arzt entrichtet werden muss. Vielmehr wäre der Begriff „unabhängig“ abgenutzt. So sei der Begriff zwar insgesamt sperrig und würde in der Praxis verkürzt verwendet, aber es läge nicht am wording, dass die Honorar-Anlageberatung nicht bekannt sei.749 Zum Teil wird ausdrücklich festgehalten, dass das Register keinesfalls die erhoffte Publizität brachte. Der durchschnittliche Kunde kenne dies nicht. Es sei ausschließlich bei solchen Personen bekannt, die sich ohnehin mit den Beratungsformen auseinandersetzten.750 Andere Experten aus der Honorar-Anlageberatung vertreten die vollständig konträre Ansicht, dass die europäischen Begriffe zwingend gewählt werden müssten, da das Honorar negativ besetzt sei und nur so eine wirkliche Aufmerksamkeit auch bei der Aufklärung erzielt werden könne.751 2. Besonderer Teil: Fragen zur Umsetzung der besonderen Honorar-Anlageberatungsregelungen Nicht zuletzt geben auch die Antworten der Experten zu den gesonderten Fragen für die Honorar-Anlageberatung Aufschluss über die hohen Anforderungen und die vom deutschen Gesetzgeber zusätzlich geschaffenen Regelungen. a) Die Erfüllung des Merkmals „hinreichende Anzahl am Markt angebotener Finanzprodukte“ Die Sicherstellung seitens der WpDU, dass für die persönliche Anlageempfehlung eine hinreichende Anzahl am Markt angebotener Finanzprodukte analysiert und bewertet wurde, ist auf den ersten Blick eine sehr hohe Herausforderung. Praktisch werde der gesamte Markt in einer Art Matrix abgebildet, welche sich immer weiter verfeinert.752 Die Erstellung und die Kontrolle einer solchen seien sehr aufwändig. Dies müsse grds. auch in der Provisionsberatung erbracht werden,753 die jedoch teilweise von vorneherein auf hauseigene Produkte beschränkt sei. In der HonorarAnlageberatung könne hingegen keine subjektive Gewichtung nach Provisionen Einfluss finden. Ob es allerdings für den Kunden grds. zu einem besseren Ergebnis führe, wenn für ihn 100 Produkte überprüft werden anstelle von zehn, könne pauschal nicht beantwortet werden.754 Zudem ist dies eine enorme Kostenfrage, deren Be-

749

Feck, Interview v. 09. 01. 2017. Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016; i.E. Ahlers, Interview v. 20. 12. 2016. 751 Ahlers, Interview v. 20. 12. 2016; Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 752 Adam, Interview v. 24. 01. 2017; Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016; Paulisan, Interview v. 04. 04. 2017; Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 753 Lange, Interview v. 18. 01. 2017 „normales Handwerkszeugs“. 754 Zweifelnd im anderen Kontext Alpers, Interview v. 13. 02. 2017. 750

E. Fazit zu den neuen Zuwendungsregelungen

179

antwortung dem Kunden selbst obliegt. Mithin zeigt sich hierin ein Vorteil des Nebeneinanders der Provisions- und der Honorar-Anlageberatung. b) Die Existenz eines „gleichgeeigneten“ Produkts Das deutsche Recht sieht nur dann die Möglichkeit vor, Zuwendungen anzunehmen und auszukehren, wenn kein gleichgeeignetes Produkt ohne Provisionen am Markt erhältlich ist. Die Frage, wann ein gleichgeeignetes Produkt vorliegt, ist auch durch die Experten der Honorar-Anlageberatung nicht pauschal eindeutig zu beantworten, denn alle Produkte seien grds. unterschiedlich, aber in gewissen Kategorien vergleichbar. Es komme folglich darauf an, wie eng die Vergleichskategorien gezogen werden. Während die einen zu dem Ergebnis kommen, dass aufgrund der zuvor dargestellten „Matrixanalyse“ grds. mehrere gleichgeeigneten Produkte vorliegen, bzw. Produkte mit Provisionen ausgeschlossen werden könnten und es solcher Produkte deshalb gar nicht bedürfe,755 so stellen andere für den aktiven Fondsbereich fest, dass bei diesen eine Vergleichbarkeit sehr schwierig herzustellen sei. So würde jeder Fonds von einem bestimmten Manager verwaltet und verfolge eine andere Investmentstory. Wünsche der Kunde einen bestimmten aktiven Fonds, so gäbe es deshalb keinen gleichgeeigneten. Dies zeigt die Problematik der durch den deutschen Gesetzgeber zusätzlich eingeführten Regelung sehr deutlich. Die Experten erklären zudem, dass es zwar teilweise möglich sei Produkte ohne Provisionen zu erwerben, aber nicht grds. Denn diese würden zwar mit dem Emittenten vereinbart, bzw. Provisionsabsprachen innerhalb des Unternehmens getroffen, sodass über solche und deren Aufhebung gesprochen werden könne, jedoch seien nicht alle Emittenten im Finanzuniversum erreichbar. Häufig müssten Produkte über Plattformen oder Broker bezogen werden, sodass auf Absprachen kein Einfluss genommen werden könne und die Produkte mit Provisionen erworben werden müssten.756 Folglich wäre nach Expertenansicht die europäische Regelung ausreichend gewesen. c) Werbung mittels Auskehr von Provisionen möglich? In der Tat ist es auch so, dass mit der Auskehr der Provisionen geworben werden könnte, da sich der Anleger auf diese Weise auch das Honorar leisten könne.757 Dies wird jedoch überwiegend abgelehnt, da eine solche Werbung nicht dem Gedanken der Honorar-Anlageberatung entspreche und aufgrund der gleichen Geeignetheit nur noch zu einem verschwindend geringen Prozentsatz möglich sei. Darüber hinaus wurde die Erfahrung gemacht, dass diese Produkte nicht zwingend die beste Wahl 755 Lange, Interview v. 18. 01. 2017, Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016; Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 756 Lange, Interview v. 18. 01. 2017; Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 757 Yahiaoui, Interview v. 04. 04. 2017.

180

2. Teil: Zuwendungen

waren, um Kunden langfristig sinnvolle Anlagen zu vermitteln – auch wenn diese nur auf Kundenwunsch eingekauft wurden. Es zeigt sich also, dass eine von dem HABG nicht beabsichtigte Missbrauchsmöglichkeit durch die Auskehr möglich ist. Allerdings führt diese nicht zur langfristigen Kundenzufriedenheit und ist aufgrund der zusätzlichen nationalen Einschränkung auch nur im geringen Ausmaß möglich. Dies ist eine positive Auswirkung der nationalen Sonderregelung. 3. Fazit der Auswertung Die Experteninterviews spiegeln folglich die bereits in dieser Arbeit aufgezeigten Schwierigkeiten der Honorar-Anlageberatung wider und zeigen noch einmal deutlich, dass der Gesetzgeber die Chance verpasst hat, im Rahmen des 2. FiMaNoG nachzujustieren, um die Honorar-Anlageberatung wirklich als Alternative zu etablieren. Würde kundenseitig durch den Gesetzgeber und die Medien Kenntnis über die alternative Beratungsform geschaffen, so bestünde nach der Expertenmeinung durchaus ein Kundeninteresse. Dieses würde im Zusammenspiel mit der Verringerung einiger gesetzlicher Anforderungen das Angebot der Honorar-Anlageberatung oder alternativer Modelle stärken. Nur so würde das offizielle Gesetzesziel, die Honorar-Anlageberatung als eigenständige alternative Beratungsform zu etablieren, erreicht.

3. Teil

Nachweis der Kosten A. Europäische Regelungen Der europäische Gesetzgeber unternimmt neben den Provisionsregelungen und der Einführung der unabhängigen Anlageberatung einen weiteren Versuch die Entstehung der Interessenkonflikte durch versteckte Vergütungen des Beraters zu unterbinden, indem er in Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. c) MiFID II eine neue Kostentransparenz einführt. Dahinter steht unter anderem auch das Ziel der MiFID II, dem Anleger künftig sämtliche relevanten Informationen an die Hand zu geben und damit seinen Schutz zu verbessern.1 Damit muss der Kunde auch über die Kosten der Beratung ausdrücklich informiert werden. Um die bessere Aufklärung und damit die informierte Entscheidung des Kunden herbeizuführen, muss dieser zutreffend und ggf. regelmäßig über alle Gebühren, Provisionen und Vorteile unterrichtet werden, die die Firma im Zusammenhang mit der Anlageberatung, die sie dem Kunden geleistet hat, erhalten und auf ihn übertragen hat.2

I. Die Transparenzregelung des Art. 24 Abs. 4 MiFID II Nach der neuen Regelung sollen dem (potentiellen) Kunden Informationen bezüglich sämtlicher Kosten und Gebühren des Finanzinstruments, die nicht aufgrund des Marktrisikos der Anlage entstehen, aufgezeigt werden, Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. c) S. 1 und UA 2 S.1 MiFID II. Insgesamt soll dem Kunden Aufschluss über die Kosten und Nebenkosten der Wertpapierdienstleistung gegeben werden. Dies beinhaltet eine separate Aufschlüsselung der Kosten für etwaige Beratungsleistungen sowie für die der empfohlenen oder verkauften Produkte.3 Allerdings wird das Ziel dieser Regelung, dem Kunden aufzuzeigen, dass er für die Beratungsleistung zahlen muss, nicht erreicht werden. Schließlich sieht die Regelung vor, dass das WpDU die vorgenannten Aufwendungen nur als aggregierte Gesamtkosten angeben muss.4 Diese sollen ausweislich Art. 24 Abs. 4 S. 2 1 2 3 4

Vgl. ErwG 72. ErwG 74. Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. c) MiFID II. Art. 24 Abs. 4 UA 2 S. 1 MiFID II; Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1158.

182

3. Teil: Nachweis der Kosten

lit. c) MiFID II dem Kunden die Möglichkeit geben, deren Auswirkung auf die Rendite der Anlage abzuschätzen.5 Erst in einem zweiten Schritt, und dieser ist das tatsächlich Neue an der Regelung, ist dem Kunden – leider nur – auf sein Verlangen eine Einzelkostenaufstellung auszuhändigen, Art. 24 Abs. 4 UA 2 S. 1 MiFID II. Der Hinweis, dass der Kunde eine solche Kostenaufstellung verlangen kann, wird aufgrund der Fülle an Informationen genauso unbemerkt an diesem vorübergehen, wie bspw. die Aufklärung über die Beratungsform.6 Da die WpDU ohnehin Systeme vorhalten müssen, die sämtliche Einzelpositionen ausweisen können, wäre es keine zusätzliche Belastung gewesen, eine personalisierte Gesamtaufstellung für jeden Kunden zu fertigen und die Einzelaufstellung direkt auszuhändigen.7 Die Informationen zur Kostentransparenz müssen künftig allen Kunden zur Verfügung gestellt werden – also auch professionellen Kunden und geeigneten Gegenparteien.8 1. Ex-ante und ex-post Offenlegung Während der Laufzeit der Anlage müssen dem Anleger regelmäßig, mindestens jährlich, die Gesamtkosten der Anlage zur Verfügung gestellt werden.9 Mithin müssen die WpDU die Kosteninformation doppelt zur Verfügung stellen – einmal rechtzeitig vor der Dienstleistungserbringung bzw. vor dem Produkterwerb (ex-ante disclosure) und mind. einmal jährlich während der Laufzeit (ex-post disclosure).10 Der genaue Offenlegungszeitpunkt, insb. für die Einzelpositionen auf Nachfrage des Kunden, wird durch die MiFID II nicht näher konkretisiert. Diese Transparenzanforderungen gelten auch für Koppelungsgeschäfte, da die Kosten für alle Bestandteile gem. Art. 24 Abs. 11 MiFID II getrennt auszuweisen sind. Ebenso muss das Unternehmen in dieser Aufstellung nachweisen, ob es Zuwendungen erhalten hat. Für die Annahme von Zuwendungen kann an dieser Stelle auf die bereits erfolgten Ausführungen verwiesen werden (s. 2. Teil A.I.2., 2. Teil B.I.1.).

5

Art. 24 Abs. 4 UA 2 S. 1 MiFID II. Vgl. Ahlers, Interview v. 20. 06. 2016. 7 Zu den Systemen s. Kurz, DB 2014, 1182, 1184; Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1162. 8 Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 37; Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 226. Zur Opt-OutMöglichkeit für diese Anlegergruppen s. 3. Teil A.II.1.e). 9 Art. 24 Abs. 4 UA 2 S. 2 MiFID II; Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1159; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 37. 10 Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1158; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 84; i.E. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 110. 6

A. Europäische Regelungen

183

2. Form und Zeitpunkt der Bereitstellung der Kosteninformation Eine bestimmte Form der Bereitstellung und auch der Darstellung der Kosteninformation findet sich in der MiFID II nicht. In Zusammenschau mit den weiteren Vorschriften, vor allem Art. 16 Abs. 6 MiFID II zur Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation, ist eine Übermittlung der Kosten auf den ausdrücklich in der MiFID II thematisierten und damit als zulässig erachteten Wegen in Form von Fax oder E-Mail möglich.11 Aus Beweisgründen empfiehlt sich allerdings die Bereitstellung auf einem dauerhaften Datenträger, damit nicht nur die Bereitstellung, sondern auch dessen Inhalt nachvollziehbar ist.12 Offen sind die Anforderungen an die Bereitstellung der Kosteninformation, wenn das Geschäft über elektronische Kommunikationswege abgeschlossen wird.13 Ausweislich Art. 24 Abs. 4 MiFID II, soll der Kunde aufgrund der dargestellten Gesamtkosten die Abzüge von seiner Anlagesumme abschätzen und dadurch eine fundierte Anlageentscheidung treffen können. Gem. Art. 24 Abs. 4 S. 1 MiFID II muss die Information rechtzeitig erfolgen. Daraus ergibt sich, dass diese Information dem Kunden vor dem Abschluss des Vertrags bzw. vor der Ordererteilung vorliegen muss.14 Diese Ansicht stützt auch ErwG. 83 MiFID II, der unter Berücksichtigung der Informationsdringlichkeit dem Kunden die Information mit hinreichender Zeit zum Lesen und Verstehen zukommen lassen will.15 Schwierig erscheint dies, wenn der Kunde die Beratung mittels Telefon, E-Mail oder Fax wählt. Folglich müsste ihm während des Beratungstelefonats eine E-Mail oder ein Fax mit den Kosteninformationen zugesandt werden, welche/s dieser zur Kenntnis nehmen müsste und daraufhin eine informierte Anlageentscheidung treffen könnte.16 Die elektronische Übermittlung dieser Informationen wird aufgrund von Sicherheitsaspekten jedoch oft seitens des Kunden abgelehnt, bzw. scheitert daran, dass der Kunde kein elektronisches Postfach bei der Bank unterhält.17 Unter Berücksichtigung der Schnelligkeit und der Einfachheit dieser Kommunikationsmittel, welche mitentscheidend für deren Wahl sind, wird durch die Zusendung ein Kommunikationsbruch bzw. eine Verzögerung erzeugt, die die Beratung erschwert anstatt den Kunden zu schützen. Eine Opt-Out-Möglichkeit, zumindest für Privatkunden, besteht bislang nicht und auch für professionelle Kunden und geeignete Gegenparteien sind diese nur unter strengen Voraussetzungen möglich.18

11

Ausf. Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1159. Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1159. 13 Vgl. Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1160. 14 I. E. Balzer, ZBB 2016, 226, 230. 15 Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 136; Balzer, ZBB 2016, 226, 230. 16 So der Vorschlag von Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1160; zum Problem s. auch BuckHeeb/Poelzig, BKR 2017, 485, 487 f. 17 DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 13. 18 Vgl. 3. Teil A.II.1.e). 12

184

3. Teil: Nachweis der Kosten

Ggf. könnte hier auf eine ähnliche Handhabung, wie für die telefonische Beratung und der nachträglichen Zusendung des Beratungsprotokolls nach deutschem Vorbild, zurückgegriffen werden.19 Gem. § 34 Abs. 2a S. 3 WpHG kann der Kunde den Geschäftsabschluss vor Erhalt des Protokolls im Rahmen der telefonischen Anlageberatung tätigen, ihm ist aber unverzüglich nach Abschluss der Beratung das Protokoll zusenden (s. 6. Teil B.I.). Allerdings ist der Schutzzweck des Beratungsprotokolls ein anderer. Dieses soll der Aufsichtsbehörde die Aufsicht über die Einhaltung der Wohlverhaltenspflichten gem. §§ 31 ff. WpHG ermöglichen.20 Jedoch werden die Beratungsprotokolle auch dahingehend genutzt, die ordnungsgemäße Beratung nachweisen zu können, da sie den Beratungsablauf dokumentieren.21 Insgesamt ist eine kombinierte Lösung aus der mündlichen Mitteilung der Kosten sowie der nachträglichen unverzüglichen Zusendung der aggregierten Gesamtkosten, wenn der Kunde dies ausdrücklich wünscht, sachgerechter, als dem Kunden während des Telefonats per E-Mail oder Fax, die Kostenaufstellung zukommen zu lassen.22 Dies mag zwar, verglichen zum mündlichen Beratungsgespräch vor Ort, die gleiche Zeitspanne zur Kenntnisnahme darstellen, allerdings findet hier ein Medienwechsel statt, der außerdem weitere Empfangseinrichtungen und MultitaskingFähigkeiten des Anlegers voraussetzt. Zugleich muss berücksichtigt werden, dass ohne diese Möglichkeit das Risiko der zwischenzeitlich eintretenden Kursschwankungen besteht. Um einen Gleichlauf mit den europäischen Wertungen zu erhalten, sollte hier ebenfalls nur eine Möglichkeit geschaffen werden, das Geschäft ohne Kosteninformation abzuschließen und kein dem § 34 Abs. 2a WpHG vergleichbares Rücktrittsrecht eingeführt werden.23

II. Level-2-Maßnahmen 1. ESMAs Vorschläge an die Kommission Den nur grundlegenden Richtlinientext hat ESMA in ihren weitreichenden Vorschlägen an die Kommission konkretisiert.

19

Ähnlich DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 16. Begr. RegE FRUG, BT-Drs. 16/4028, S. 75; Fett, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 34 WpHG Rn. 1 m.w.N. 21 Ausf. Einsele, ZRP 2014, 190. 22 Ähnlich DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 13. 23 Das Rücktrittsrecht hat der europäische Gesetzgeber für die Geeignetheitserklärung nicht übernommen. I. E. aber unter Verweis auf die Anforderungen der PRIIPs VO, DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 16. 20

A. Europäische Regelungen

185

a) Anwendungsbereich Zunächst widmet sich ESMA dem Anwendungsbereich. Dieser ist sowohl für die ex-ante als auch die ex-post Informationspflicht überwiegend gleich. In beiden Fällen muss das WpDU Finanzinstrumente empfehlen, worunter die Anlageberatung fällt, oder vermarkten.24 Unter letzterem ist der aktive Vertrieb eines Finanzprodukts zu subsumieren.25 Ebenso ist der Anwendungsbereich der Richtlinie nach den Vorschlägen von ESMA eröffnet, wenn das WpDU dem Kunden für das Finanzprodukt ein KID oder KIID zur Verfügung stellen muss.26 Für die nachträgliche Informationspflicht muss zusätzlich zwischen dem WpDU und dem Kunden eine dauerhafte Geschäftsbeziehung bestehen, um zu vermeiden, dass die einmalige Ordererteilung zu einer nachträglichen Kosteninformation führt.27 Durch diese ausdrückliche Klarstellung seitens ESMA sind jedoch auch Depotverträge, bzw. die Depotverwaltung als dauerhafte Geschäftsbeziehung anzusehen, welche eine nachträgliche Informationspflicht auslösen.28 Diese Regelung ist dennoch zu begrüßen, da auf diese Weise keine nachvertragliche Informationspflicht statuiert wird, sondern nur das aufsichtsrechtliche Pflichtenprogramm für bestehende Vertragsbeziehungen erweitert wird.29 b) Kostenberechnung Zusätzlich hat ESMA die Berechnungsmethoden für die anzugebenden Kosten detailliert ausgearbeitet. Die Kosteninformation, die dem Kunden vor Abschluss des Geschäfts mitgeteilt werden muss, muss auf den in der Vergangenheit real angefallenen Kosten für dieses Finanzprodukt beruhen.30 Liegen dem WpDU solche Zahlen nicht vor, müssen diese geschätzt werden; ebenso ist mit volatilen Kosten nach bestem Wissen und Gewissen zu verfahren.31 In einem solchen Fall, ist der Kunde darauf sowie auf mögliche Abweichungen zu den tatsächlichen Kosten, hinzuweisen.32 Allerdings müssen die Unternehmen in nicht vorgegebenen Zeitspannen ihre Schätzung anhand der im Nachhinein bekannt gewordenen tatsächlichen Kosten überprüfen.33 24

ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 122, TA Nr. 4 i). Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 93. 26 ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 122, TA Nr. 4 ii). 27 ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 116, Nr. 18. 28 Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 99; Balzer, ZBB 2016, 226, 230. 29 Kritisch zur nachvertraglichen Verpflichtung vor ESMAs Vorschlägen, Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 228. 30 ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 124, Nr. 16; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 96. 31 ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 124, Nr. 16; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 96. 32 ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 120, Nr. 32; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 96. 33 ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 124, Nr. 17; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 96. 25

186

3. Teil: Nachweis der Kosten

Die nachträglichen Informationen sollen auf den tatsächlich entstandenen Kosten, die dem einzelnen Kunden zugeordnet werden müssen, berechnet werden.34 c) Zu berücksichtigende Kosten Anzugeben sind nach Ansicht von ESMA auch die Beratungskosten, die einmaligen Anfangs- und Endkosten, die Transaktionskosten, die fortlaufenden und die indirekten Kosten.35 Ausgeschlossen sind nur solche Kosten, die sich aus dem Marktrisiko ergeben, welches nach Ansicht von ESMA jedoch eng auszulegen ist.36 Dieses soll sich nur auf die Wertveränderung von Basiswerten beziehen.37 Mithin müssen auch anfallende Hedging-Kosten aufgeführt werden, da diese allenfalls mittelbar durch das Marktrisiko verursacht werden.38 Ebenso konkretisiert ESMA die Aussage von Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. c) MiFID II, dass auch etwaige Zahlungen Dritter offen gelegt werden müssen, indem ESMA Zahlungen von Dritten an das WpDU als Kosten der Dienstleistung beurteilt, die separat ausgewiesen werden müssen.39 Auf die daraufhin vielfach geäußerte Kritik, dass es sich bei Zuwendungen nicht um Kosten im eigentlichen Sinn handelt, also solche die der Anleger trägt, reagiert ESMA faktisch gar nicht.40 Folglich müssen künftig dauerhafte Zuwendungen sog. Bestandsprovisionen dem Kunden exakt und auf ihn personalisiert offen gelegt werden.41 Dies kann anders als bislang nach § 31 Abs. 3 WpHG nicht in standardisierter Form erfolgen, da Art. 24 Abs. 9 MiFID II einen solchen Zusatz nicht vorsieht.42 Zusätzlich veröffentlicht ESMA zwei Tabellen in Annex 2.14.1 in der sie alle Kostenpositionen für die Wertpapierdienstleistung (Tabelle 1) und alle Kostenpositionen für das Finanzinstrument (Tabelle 2) darstellt. In beiden differenziert sie jeweils zwischen Kosten, die dem Kunden durch die Wertpapierleistung entstehen und solchen, die durch bzw. im Finanzinstrument entstehen.43 d) Darstellung Zur Darstellung der Kosten äußert sich auch ESMA nicht explizit. Durch die Ausgabe der Tabelle kann diese jedoch als Darstellungsmuster angesehen werden. Andererseits erklärt ESMA ausdrücklich, dass die Höchstwerte und Schwankungen 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43

ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 124, Nr. 18. ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 125, Annex 2.14.1. ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 119, Nr. 25; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 103. ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 119, Nr. 25 f. Ausf. Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1162. ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 123, TA Nr. 11; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 104. ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 115, Nr. 15 f.; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 104. ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 123, TA Nr. 11; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 104. Vgl. Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1162. Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 105.

A. Europäische Regelungen

187

dargestellt werden müssen sowie eine Erklärung des Dargestellten erfolgen muss, was eine graphische Darstellung nahelegt.44 Allerdings bleibt auch die Möglichkeit der Textform offen.45 Aus der Darstellung muss sich jedoch die Auswirkung der kumulativen Kosten auf die Rendite ergeben, Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. c) MiFID II. ESMA greift auch die von Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. c) MiFID II geforderte Zusammenfassung für beide Informationspflichten auf, indem diese Kosten als Betrag und als Prozentsatz dargestellt werden müssen.46 Ob ausschließlich die Kosten für die Wertpapierdienstleistung und daneben die Kosten für das Finanzprodukt zusammengefasst werden sollen, oder ob diese beiden Endergebnisse ebenfalls kumuliert werden müssen, lässt ESMA offen.47 e) Opt-Out-Regelungen ESMA unterstreicht, dass Art. 24 Abs. 4 MiFID II explizit auch professionelle Kunden und geeignete Gegenparteien erfasst.48 Allerdings erweitert ESMA diese Vorgaben, indem sie in einem engen Rahmen eine Opt-Out-Regelung für beide Anlegergruppen vorschlägt.49 Eine solche Regelung müsste vertraglich vereinbart werden, ist jedoch für professionelle Kunden grds. für den Fall der Anlageberatung ausgeschlossen, oder wenn das Finanzinstrument in ein Derivat eingebettet ist.50 Letztere Ausnahme gilt auch für die geeignete Gegenpartei, wenn diese beabsichtigt ein solches Finanzinstrument an ihre Kunden zu vertreiben.51 Zwar formuliert ESMA ausdrücklich, dass nur ein in ein Derivat eingebettetes Finanzprodukt vorliegen muss, jedoch muss dies aufgrund des ähnlichen Risikos und der ähnlichen Wirkungsweise auch grds. für Derivate gelten.52 Liegen diese Umstände nicht vor, so können die WpDU und professionelle Kunden sowie geeignete Gegenparteien die Kosteninformationspflicht nur teilweise ausschließen.53 Dies ergibt sich aus der Formulierung von ESMA, die von einer limited application spricht.54 Diese Formulierung wird von der Kommission in der MiFID II-DLVO übernommen, indem diese auf eine beschränkte Anwendung abstellt, Art. 50 Abs. 1 MiFID II-DLVO. Wie weitgehend eine Einschränkung statt44 45 46 47

1160. 48 49 50 51 52 53 54

Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 118; s. ESMA, Q&As investor protection, S. 58 f. Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1160; s. ESMA, Q&As investor protection, S. 58 f. Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 114; ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 123 TA Nr. 12. Ausf. dazu Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 106 ff.; Roth/Blessing, WM 2016, 1157, ESMA, Final Report, Kap. 2.14, S. 121, Nr. 1. Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 88; Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1160. Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1160. Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1160. Offenlassend Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1160. Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1160; Balzer, ZBB 2016, 226, 230. Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1160.

188

3. Teil: Nachweis der Kosten

finden darf, wird nicht festgelegt. Zugleich muss als Ausgangspunkt der Regelung Art. 24 Abs. 4 MiFID II betrachtet werden. Dieser sieht keine Opt-Out-Möglichkeit vor, sodass ein vollständiger Ausschluss zu weit ginge.55 Daher können nur geringfügige Abweichungen von der Ursprungsregelung vereinbart werden, bspw. in Form von ausgelassenen Kosten oder verkürzter Darstellung. 2. Delegierte Verordnung der Kommission Die MiFID II-DLVO übernimmt alle ESMA Vorschläge in Art. 50, die an dieser Stelle aufgrund ihrer direkten Anwendbarkeit zusammengefasst dargestellt werden sollen. Den Anwendungsbereich statuiert Art. 50 Abs. 5 lit. a) MiFID II-DLVO für Wertpapierfirmen, die den Kunden Finanzinstrumente empfehlen oder anbieten. Die zuvor besprochenen Opt-Out-Regelungen finden sich ohne Änderungen für professionelle Kunden in Art. 50 Abs. 1 UA 1 MiFID II-DLVO und für geeignete Gegenparteien in Art. 50 Abs. 1 UA 3 MiFID II-DLVO. Gem. Art. 50 Abs. 2 MiFID II-DLVO müssen die WpDU im Zusammenhang mit Anhang II der MiFID II-DLVO den Kunden ex-ante und ex-post die Kosten für die Wertpapierdienstleistung und Nebendienstleistung (lit. a)) sowie alle Kosten im Zusammenhang mit der Konzeption und Verwaltung (lit. b)) offen legen. Dabei müssen die Zahlungen Dritter getrennt ausgewiesen und die aggregierten Kosten addiert werden. Dieser Betrag ist sowohl in Prozent als auch in Form eines Geldbetrages darzustellen. Art. 50 Abs. 3 MiFID II-DLVO sieht vor, dass Fremdwährungen zu kennzeichnen sind und mit dem aktuellen Wechselkurs versehen werden müssen. Zusätzlich müssen die daraus resultierenden Kosten angegeben werden. Wurden die Kosten auf ex-ante Basis berechnet, müssen die tatsächlich entstandenen Kosten als Näherungswerte für die zu erwarteten Kosten herangezogen werden, Art. 50 Abs. 8 MiFID II-DLVO. Sind solche nicht bekannt, müssen nachvollziehbare Schätzungen vorgenommen werden. In jedem Fall müssen die ex-ante Annahmen anhand der ex-post Erfahrungen überprüft und ggf. angepasst werden. Art. 50 Abs. 9 MiFID II-DLVO enthält die Verpflichtung zur jährlichen ex-post Information bei fortlaufender Geschäftsbeziehung. Die Kosten müssen für den Kunden individualisiert sein, dürfen aber zusammen mit der regelmäßigen Berichtserstattung erfolgen. Hinsichtlich der Darstellungsweise der Kosten gibt die Kommission in Art. 50 Abs. 10 MiFID II-DLVO vor, dass diese die Wirkung der Gesamt- und Nebenkosten auf die Rendite der Anlage veranschaulicht, die voraussichtlichen Kostenspitzen und -schwankungen anzeigt und eine Beschreibung enthält.

55 I. E. Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1160; Balzer, ZBB 2016, 226, 230; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 114.

B. Nationale Regelungen in Deutschland

189

III. Level-3-Maßnahmen Auch für die Kostentransparenz trifft ESMA in ihren Q&As Klarstellungen zum praktischen Umgang. So müssen WpDU dann die exakten Kosten, ggf. mit Hilfe des Emittenten, berechnen, wenn das Produkt innerhalb eines Jahres gekauft und verkauft wurde.56 Entsprechen die Kosten in etwa dem Jahresdurchschnitt, können die WpDU auf diesen zurückgreifen, anderenfalls müssen sie die besten Anstrengungen unternehmen, die tatsächlichen Kosten zu ermitteln.57 Hinsichtlich der Darstellung der kumulativen Kosten erklärt ESMA ausdrücklich, dass eine Beschreibung in Textform oder Tabelle genügt, sofern die Spitzen und Schwankungen dargestellt werden.58 Dies entspricht der hier zuvor vertretenen Ansicht. Die WpDU sind nach Ansicht von ESMA verpflichtet, dem Kunden, mindestens einmal jährlich, die Gesamtkostenaufstellung zukommen zu lassen. Es steht ihnen jedoch frei, dies häufiger zu tun.59 In einem solchen Fall sollen die jährlichen und die zusätzlichen Aufstellungen hinsichtlich der Berechnung und des Aufbaus vergleichbar sein, um den Kunden nicht zu verwirren.60 Außerdem sollte der Kunde über die zusätzlichen Aufstellungen und deren Bedeutung informiert werden. Erneut gibt ESMA ein tabellarisches Beispiel zur möglichen Darstellung der Kosten, verlangt jedoch – bedauerlicherweise – auch dieses Mal nicht, dass die konkrete Beispieldarstellung übernommen wird.61 Diese ist übersichtlich und böte dem Kunden durch eine einheitliche Darstellung eine bessere Vergleichsmöglichkeit. Allerdings betont ESMA, dass die WpDU dem Kunden die Nachfrage zur Einzelkostenaufstellung so einfach wie möglich machen müssen.62 Eine gute Praxis ist nach Ansicht von ESMA bei der Online-Übermittlung der Gesamtkostenaufstellung, die Nachfrage mittels Hyperlinks zu ermöglichen. Außerdem wäre es eine gute Praxis, den Kunden über sein Recht zur Nachfrage der Einzelkostenaufstellung zusammen mit der Übermittlung der aggregierten Gesamtkostenaufstellung zu informieren.

B. Nationale Regelungen in Deutschland I. Aktuelle Rechtslage im deutschen Recht Dem deutschen Recht sind Offenlegungspflichten nicht unbekannt – an dieser Stelle ist an Art. 19 Abs. 1 MiFID I i.V.m. Art. 26 lit. b) MiFID I-DRL (s. 2. Teil B.I.1.) sowie an § 31d Abs. 1 Nr. 1 WpHG zu erinnern (s. 2. Teil A.II.1.a) und 2. Teil 56 57 58 59 60 61 62

ESMA, Q&As investor protection, S. 58. ESMA, Q&As investor protection, S. 58. ESMA, Q&As investor protection, S. 58 f. ESMA, Q&As investor protection, S. 57. ESMA, Q&As investor protection, S. 57. ESMA, Q&As investor protection, S. 64. ESMA, Q&As investor protection, S. 65.

190

3. Teil: Nachweis der Kosten

B.II.1.).63 In diesem Zusammenhang ist ebenso auf das bereits dargestellte unternehmensinterne Zuwendungsverzeichnis hinzuweisen, welches die Institute gem. § 31d Abs. 1 Nr. 1 WpHG i.V.m. § 14 Abs. 2 Nr. 5 WpDVerOV, konkretisiert durch die MaComp, führen müssen. Somit sind die neuen europäischen Erfordernisse zumindest teilweise schon erfüllt. Gem. § 31 Abs. 3 WpHG sind dem Kunden bereits heute rechtzeitig und in verständlicher Form Informationen über die Risiken und die Art des Finanzinstruments an die Hand zu geben, damit er eine fundierte Anlageentscheidung treffen kann.64 Hierfür muss das WpDU dem Kunden auch die Kosten und Nebenkosten zur Verfügung stellen, § 31 Abs. 3 S. 2 Nr. 4 WpHG. Dies kann in standardisierter Form geschehen, § 31 Abs. 3 WpHG. Ausschließlich für Privatkunden wird die Kostenaufstellung näher in § 5 Abs. 2 Nr. 5 WpDVerOV geregelt. Hiernach muss dem Privatkunden der Gesamtpreis offen gelegt werden, welchen er im Zusammenhang mit dem Finanzinstrument, der Wertpapierdienstleistung oder der Wertpapiernebendienstleistung zu zahlen hat.65 Dieser muss die Gebühren, Provisionen, Entgelte, Auslagen und durch das WpDU abzuführende Steuern enthalten. Ist die Angabe eines genauen Preises nicht möglich, so muss die Berechnungsgrundlage dargestellt werden, damit der Kunde diese überprüfen kann.66 Provisionen sind in jedem Fall separat aufzuführen.67 Zusätzlich muss die Aufstellung einen Hinweis enthalten, dass dem Kunden weitere Kosten durch die Finanzanlage entstehen können.68 Folglich bestehen bereits auf nationaler Ebene konkrete Vorgaben zur Kostentransparenz, die hinsichtlich der separaten Ausweisung von Zuwendungen, der Offenlegung der Berechnungsgrundlage sowie der Abgabe eines Risikohinweises den europäischen Anforderungen entsprechen. Diese brachten jedoch bislang nicht den gewünschten Erfolg. Künftig müssen die nationalen Vorschriften auch auf geeignete Gegenparteien und professionelle Kunden ausgeweitet werden. Eine positive Veränderung aus dieser Ausweitung lässt sich hinsichtlich der Aufhebung des Interessenkonflikts noch nicht erahnen. Neu sind die konkreten europäischen Vorgaben zu der genauen Auflistung, welche Kosten dargestellt werden müssen und die standardisierte Offenlegung mittels Preisverzeichnis ausschließt.69 Die Möglichkeit des Kunden eine Einzelaufstellung zu verlangen ist in diesem Zusammenhang ebenfalls neu. Diese kann, sofern der Anleger sie nutzt, zu einem für ihn positiven Erkenntnisgewinn führen. Auch noch nicht auf nationaler Ebene verankert ist die Überprüfung der Kalkulationsgrundlage aufgrund aktueller Zahlen, wenn der genaue 63

Ausf. Harnos, BKR 2014, 1 f. Vgl. statt vieler Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 150 f.; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 170 f. 65 Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 371. 66 Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 371, 373. 67 Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 371, 373. 68 Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 372. 69 Vgl. Roth/Blessing, WM 2016, 1157, 1162. 64

B. Nationale Regelungen in Deutschland

191

Preis im Vorfeld nur als voraussichtliche Berechnung angegeben werden konnte.70 Die entscheidendste Änderung ist die nachträgliche Pflicht des WpDU, die tatsächlich entstandenen Kosten dem Kunden bei Unterhaltung einer laufenden Vertragsbeziehung offen zu legen.71

II. Umsetzung der MiFID II-Vorgaben Die neuen Regelungen werden in § 63 Abs. 7 WpHG-E RegE 2. FiMaNoG72 umgesetzt. Nicht nur die Verortung der Regelung, auch dessen Inhalt hat sich stetig gewandelt. Während der Gesetzgeber noch im RefE 1. FiMaNoG den WpDU eine jährliche Informationspflicht über die tatsächlich entstandenen Kosten auferlegen wollte, ohne dass eine laufende Geschäftsbeziehung bestand, korrigierte er dies bereits im RefE 2. FiMaNoG und passte in dieser Hinsicht die vielfach kritisierte nationale Regelung an die endgültige europäische Vorgabe an.73 In Abs. 7 des § 63 WpHG-E spiegelt sich nun die Trennung auf europäischer Ebene zwischen den Kosten der Dienstleitung (Nr. 2 lit. a)) und den Kosten des Finanzprodukts (Nr. 2 lit. b)) wider. Gem. Abs. 7 Nr. 2 lit. c) WpHG-E sind dem Kunden etwaige Zahlungsmöglichkeiten einschließlich solcher durch Dritte offenzulegen. Hier bleibt – zumindest demjenigen, der die Regelung von ESMA nicht vor Augen hat – unklar, dass damit nach dem europäischen Text wohl „[…] Zahlungsmöglichkeiten des Kunden sowie etwaiger Zahlungen durch Dritte […]“,74 mithin der separate Ausweis von Zuwendungen gemeint sein soll.75 Die Informationen müssen dem Kunden insgesamt rechtzeitig übermittelt werden, § 63 Abs. 7 S. 1 WpHG-E. Mit dieser Formulierung knüpft der Regierungsvorschlag direkt an die Terminologie des Art. 46 Abs. 2 i.V.m. Art. 50 MiFID II-DLVO an. Dies beinhaltet jedenfalls den Zeitpunkt vor dem Vertragsschluss, bzw. geht über diesen hinaus, da der Kunde die Aufstellung noch in seine Entscheidung zum Vertragsschluss mit einbeziehen soll.76 Ebenfalls nimmt der deutsche Gesetzgeber, wie auf europäischer Ebene vorgesehen, die Kosten von der Nachweispflicht aus, die durch das Marktrisiko entstehen. Indem der Gesetzgeber den Bezug zur MiFID II-DLVO herstellt, ist auch für das deutsche Recht dieser Begriff, wie oben bereits zu ESMA dargestellt, eng auszu70

Roth/Blessing, WM 2016, 1152, 1162. Vgl. Roth/Blessing, WM 2016, 1152, 1162. 72 § 57 Abs. 6 WpHG-E RefE 1. FiMaNoG; § 57 Abs. 6 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG. 73 Balzer, ZBB 2016, 226, 230; Klee, MiFID II: Auswirkungen der geänderten Behandlung von Zuwendungen, 47 f.; DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 2. 74 Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. c) MiFID II. 75 DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 16; dies., Stellungnahme öffentliche Anhörung des Finanzausschusses zum 2. FiMaNoG, S. 15. 76 Vgl. Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/11290, S. 3 f., der den Zeitpunkt der Aushändigung der Kostenaufstellung auf „vor Vertragsschluss“ konkretisieren wollte sowie die entsprechende Antwort der Bundesregierung, BT-Drs. 18/11290, S. 16 f. 71

192

3. Teil: Nachweis der Kosten

legen. Entsprechend der europäischen Vorgaben, führt der deutsche Gesetzgeber auch die Pflicht zur Einzelaufstellung auf Nachfrage des Kunden ein, § 63 Abs. 7 S. 5 WpHG-E. Aus dieser kann der Anleger die Brutto und Nettotarife ablesen und einen Vergleich zu den Tarifen der Honorarberatung herstellen.77 Eine Verpflichtung explizit Nettotarife auszuweisen, so wie dies der Bundesrat zunächst gefordert hat,78 findet sich so auf europäischer Ebene nicht und wurde deshalb seitens der Bundesregierung abgelehnt.79 Ein direkter Ausweis wäre auf den ersten Blick transparenter, jedoch ergibt sich ein solcher ohnehin durch die Beschäftigung mit der Kostenaufstellung.80 Die Umsetzungsvorschriften konnten hier insgesamt kurz ausfallen, da die Level-2-Maßnahmen in Form der Verordnung erlassen wurden und direkt Anwendung finden. Im Rahmen der Kostentransparenz lässt der deutsche Gesetzgeber ebenfalls unberücksichtigt, dass der Kunde aus der Kosteninformation ohne Wissen um Alternativen keine Rückschlüsse ziehen kann und damit die Kosten als gegeben hinnimmt. Vielen Anlegern ist die Möglichkeit der Honorar-Anlageberatung nicht bekannt. Hier wäre es, wie zuvor dargestellt, nützlich, dem Kunden seitens des Gesetzgeber objektiv die Vor- und Nachteile beider Beratungsformen darzustellen (s. 2. Teil A.II.2.c)cc)). Auch wäre es wünschenswert gewesen, wenn sehr genaue Vorgaben in standardisierter Form, zur kundengerechten Darstellung der Kosten erlassen worden wären, bspw. durch die verbindliche Übernahme von ESMAs Anschauungstabelle. Nur so kann eine verschleierte bzw. derart komplexe Aufstellung der Kosten, die der Kunde nur noch mit Expertenhilfe lesen und verstehen kann, vermieden werden. Die Kostenaufstellung sollte deshalb verbindlich so ausgestaltet sein, dass der Kunde auf einen Blick erkennt, welche Kosten für ihn entstehen und wie diese seine Rendite beeinflussen. Der Finanzausschuss hat in seiner Beschlussvorlage, die durch den Bundesrat und Bundestag beschlossen und veröffentlicht wurde, nur eine kleine Änderung des § 63 Abs. 7 WpHG-E hinsichtlich der Informationspflicht für zertifizierte Altersvorsorge- und Basisrentenverträgen im Sinne des Altersvorsorgeverträge-Zertifizierungsgesetzes vorgenommen. Da der Bundestag und der Bundesrat die Beschlussempfehlung angenommen haben und das Gesetz am 23. 07. 2017 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde, verpasst es der Gesetzgeber, die hier aufgezeigten Probleme auszubessern.

77 Vgl. DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 24, zur Diskussion um das Festpreisgeschäft als Zuwendung. 78 Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/11290, S. 3 f. Sich diesem Vorschlag anschließend DSW, Stellungnahme zum 2. FiMaNoG, S. 7 ff. 79 Stellungnahme Bundesregierung, BT-Drs. 18/11290, S. 24 f. 80 BVI, Stellungnahme in der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zum 2. FiMaNoG, S. 4.

C. Fazit zu dem Nachweis der Kosten

193

C. Fazit zu dem Nachweis der Kosten Zusammenfassend zeigt sich, dass durch die neuen Regelungen in Art. 24 Abs. 4 MiFID II, Art. 50 MiFID II-DLVO und § 63 WpHG des 2. FiMaNoG eine Verschärfung der existierenden Pflichten stattfindet, indem regelmäßig über sämtliche Kosten für alle Kundenkategorien sowohl in Euro als auch in Prozent berichtet werden muss, anstatt nur über den Erhalt von Zuwendungen, Kosten und Nebenkosten. Dies muss nicht nur vor der Anlageentscheidung, sondern bei dauerhafter Geschäftsbeziehung auch mindestens einmal jährlich geschehen. Zu begrüßen ist, dass dem WpDU keine generelle dem Beratungsvertrag nachgelagerte Informationspflicht auferlegt wird, sondern eine solche nur bei laufenden Geschäftsbeziehungen eingreifen soll. So wird auch ein Gleichlauf mit der Zivilrechtsprechung hergestellt, da der BGH nachvertragliche Verpflichtung aus dem Beratungsvertrag bislang abgelehnt hat.81 Allgemein zeigt sich, dass die Offenlegungspflichten im Zusammenhang mit den verstärkten Zuwendungsregelungen letztlich dazu führen sollen, sich dem Modell der Honorar-Anlageberatung anzunähern.82 Denn durch die konkrete und ggf. regelmäßige Offenlegung zeigen sich die sonst teilweise nicht wahrgenommenen Zuwendungen deutlich. Auf diese Weise wird eine weitere Verdeutlichung des durch die Zuwendungen entstehenden Interessenkonflikts des Beraters vorgenommen. Die Einführung der Honorar-Anlageberatung erfolgte auf nationaler Ebene in Form von verschärften Regelungen, ohne Bekanntmachung in der Bevölkerung und damit nur halbherzig. Im Zusammenspiel mit der neuen Kostentransparenz relativiert sich dies. Dem Kunden müssen 2018 erstmals der volle Betrag, der mit dem Finanzprodukt zusammenhängenden Kosten, sowohl in Prozent, als auch in Euro offen gelegt werden. 2019 erfolgt sodann erstmals ex-post die Offenlegung der im Jahr 2018 tatsächlich entstandenen Kosten. Sicherlich wird auch diese Offenlegung nicht alle Anleger erreichen. Jedoch werden einige überrascht sein, wie hoch die Kosten auf das Jahr und in Euro gerechnet tatsächlich waren.83 Er kann somit entsprechend den Erwägungsgründen der MiFID II eine informiertere Anlageentscheidung treffen. Diejenigen, die daraufhin die Einzelaufstellung anfordern, sehen sämtliche Kosten, deren genaue Höhe sowie Entgelte, die auf ihr Produkt und damit auf ihren Gewinn eingewirkt haben. Dabei können je nach Anlage mehrere tausend Euro zusammenkommen. Hier stellt sich dem Anleger dann durchaus die Frage, wie sich dies vermeiden ließe in Form von Alternativen und sodann, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre eine vermeintlich teure Beratungsstunde in Anspruch zu nehmen.

81 82 83

BGHZ 162, 306 = BKR 2005, 236, 237 f. Müchler/Trafkowski, ZBB 2013, 101, 102; Grigoleit, ZHR 177 (2013), 264. Lenarz, Interview v. 17. 10. 2016.

194

3. Teil: Nachweis der Kosten

Auch bislang haben die Banken eine Kostenaufklärung vorgenommen. Allerdings bestand diese in der Aushändigung von allgemeinen Preisverzeichnissen,84 die die Kosten standardisiert und überwiegend in Prozent angeben. Folglich liegt der Unterschied zur künftigen Handhabung darin, dass der Anleger erstmals den exakten Preis in Euro sieht, den er persönlich bereits bezahlt hat. Dies hat eine bedeutend stärkere Wirkung, als die Aussage, dass 0,7 Prozent seines Anlagebetrags bspw. für die Verwaltung abgezogen werden. Auch der bisherige, harmlos wirkende Verweis, dass pro Transaktion eine Mindestprovision in Höhe von zwei Euro anfällt, konkretisiert sich in der Jahresgesamtaufstellung zu einer konkreten Summe. Demnach „hinkt“ auch der Vergleich, dass eine solche Wirkung bereits mit der Einführung der Zuwendungsverzeichnisse bzw. mit der bestehenden Kostentransparenz entstehen sollte.85 Eine nachträgliche Offenlegung in Euro erfolgte nämlich nicht. Zwar obliegt es dem Anleger als mündigem Verbraucher, die Kosten seiner Investitionsentscheidung eigenständig im Blick zu haben, jedoch ist dies bei allen anderen Dienstleistungen durch eine Kostenaufstellung im Vorhinein exakt und auch in Einzelpositionen mit entsprechendem Eurobetrag möglich – so bspw. bei einem Kostenvoranschlag. Allerdings wird richtigerweise in keinem anderen Sektor von den Akteuren verlangt die Gewinnmarge offenzulegen.86 So ist es letztlich das Verhandlungsgeschick eines jeden Einzelnen wie hoch seine Gewinnmarge bei Vertragsabschluss ausfällt. Der Veräußerer und Eigentümer eines Gegenstandes kann aus seinem Eigentumsrecht heraus nach seinem Interesse eigenständig festlegen, für welchen Preis er bereit ist, sein Eigentum an einen Dritten zu übertragen. Dies kann sowohl über als auch unter dem objektiven Wert der Sache liegen oder dem Wert, den er bei Eigentumserwerb bereit war dafür auszugeben. Der Interessent entscheidet für sich, ob ihm die Preisvorstellung zusagt. Dies kann unabhängig der möglichen vom Veräußerer angestrebten Gewinnmarge geschehen, da diese am endgültigen Veräußerungspreis nichts verändert. Darüber hinaus wissen grds. beiden Vertragsparteien, dass jeder einen Vertrag nur dann abschließt, wenn er für ihn vorteilig ist. Diese Überlegungen greifen jedoch künftig durch die nachträgliche Einzelaufstellung nicht mehr für die Gewinnmarge im Bankensektor. Langfristig ist sogar zu erwarten, dass die Offenlegungsvorschriften kontinuierlich verschärft werden. Wurde die Offenlegung der Einzelaufstellung zunächst nur auf Nachfrage eingeführt, so ist der nächste Schritt, diese verpflichtend an den Kunden auszuhändigen. Schließlich müssen die WpDU ohnehin entsprechende Systeme vorhalten, um eine personalisierte Gesamtkostenaufstellung zu erstellen. Auch in dem neuen Verfahren der Kostentransparenz besteht die Gefahr des information overloads. Allerdings erhält der Kunde diese Information einmal jährlich personalisiert in Euro berechnet und unabhängig von der Beratung, sodass diese 84

Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 151. s. Bergmann/Hertel, Interview v. 13. 10. 2016 zur Kenntnis über Zuwendungen aufgrund des Verzeichnisses. 86 Michels/Backes, Interview v. 15. 11. 2017. 85

C. Fazit zu dem Nachweis der Kosten

195

einen anderen Effekt entfalten kann als eine zusätzliche Information im Beratungsgespräch. Durch die Einführung der Honorar-Anlageberatung auf der einen und der Kostentransparenz auf der anderen Seite wird eine allmähliche Marktumstellung eingeleitet. Durch die transparente Ausgestaltung kann der Kunde nicht nur die Performance der Anbieter vergleichen, sondern auch explizit deren Kosten.87 Dadurch kann ein neuer Wettbewerbsaspekt begründet werden. Dieser lässt sich derzeit bereits durch die Einführung der zuvor beschrieben neuen Preismodelle bzw. Depots, die zwar nicht die Honorar-Anlageberatungsregeln erfüllen aber diesen vom Prinzip her angenähert sind, beobachten. Durch die Kostentransparenz der MiFID II, müssen auch in diesen Modellen dem Kunden personalisiert die Zuwendungen herausgefiltert und veranschaulicht werden, sodass eine Umstellung auf deren Ausschüttung technisch sicherlich möglich wäre. Einige Banken schütten diese bereits heute aus.88 Von den Unterschieden der zuvor dargestellten Beratungsarten blieben nur noch die Recherchearten und -verfahren mit hauseigenen Produkten übrig, sodass die Trennlinie zwischen Honorar-Anlageberatung und den weiteren Modellen allmählich verschwindet. Ein solcher Wettbewerb ist grds. zu befürworten, sofern er nicht in einen ruinösen Preiswettbewerb ausufert.89 Der Kunde kann sich eigenständig orientieren, indem ihm transparent verschiedene Modelle zur Verfügung stehen. Aufgrund dessen kann er ein passendes Angebot heraussuchen, ohne dass es eines Eingriffs in den Markt mittels Verbot bedürfte. Auch die WpDU können sich langsam und kundenorientiert umstellen. Indem jedoch alternative Preismodelle aufgrund der Kostentransparenz an Zuwachs gewinnen und diese zugleich nicht die hohen Hürden der Honorar-Anlageberatung erbringen müssen, wird die Honorar-Anlageberatung auch in Zukunft nicht an Bedeutung gewinnen. Daher wird sie sich auch nicht weiter etablieren.

87 88

2017. 89

s. Lenarz, Interview v. 17. 10. 2016. So bspw. die comdirekt bank AG, die Consorsbank; vgl. auch Adam, Interview v. 24. 01. Lenarz, Interview v. 17. 10. 2016.

4. Teil

Bessere Beratungsqualität durch neue Vorgaben für Anlageberater Der europäische Gesetzgeber setzt auch bei der Schlüsselfigur der Interessenkonflikte – dem Anlageberater – an, um sein Ziel, den Anlegerschutz zu verbessern, zu erreichen. Durch die Erhöhung der Qualitätsanforderungen und durch die Regulierung der Beratervergütung sollen Fehlerquellen in der über den Berater entstehenden Verbindung zwischen Finanzinstitut und Kunden verringert werden. Zugleich soll die Beratungsqualität durch regelmäßige Schulungen des Beraters gesteigert werden. Diese Neuerungen sollen im Folgenden betrachtet und in Bezug zu den bereits vorhandenen deutschen Regelungen gesetzt werden.

A. Sachkundenachweis I. Europäische Regelung 1. Die Sachkunderegelung der MiFID II Art. 25 Abs. 1 MiFID II führt eine neue Rechenschaftspflicht für WpDU ein. Diese müssen, sofern es die Aufsichtsbehörde verlangt, darlegen, dass ihre in der Anlageberatung sowie zum Zweck der Informationsweitergabe beschäftigten Mitarbeiter die dafür jeweils benötigte Fachkenntnis aufweisen.1 Sie müssen vor allem die Vertriebsanforderungen erfüllen können.2 Ergänzend schreibt Art. 24 Abs. 2 MiFID II vor, dass ein WpDU bzw. der von ihm eingesetzte Berater, die angebotenen oder empfohlenen Anlagen verstehen muss. Um diese Kenntnis überhaupt zu ermöglichen, findet sich in Art. 16 Abs. 3 UA 6 MiFID II die flankierende Vorschrift, dass die WpDU, die nicht eigenständig Produkte auflegen, entsprechende Vorkehrungen treffen müssen, um die notwendigen Informationen zu erhalten (s. dazu 8. Teil). Zusätzlich müssen die WpDU gem. Art. 16 Abs. 2 MiFID II angemessene Strategien und Verfahren vorsehen, die ausreichen, um sicherzustellen, dass die Firma, deren Leitung und die Mitarbeiter die Regelungen der MiFID II einhalten. 1 2

s. dazu Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 82a f. Kurz, DB 2014, 1182, 1185; Möllers/Poppele, ZGR 2013, 437, 471.

A. Sachkundenachweis

197

Obwohl es sich bei diesen Regelungen grds. um eine Selbstverständlichkeit handelt, war es dem europäischen Gesetzgeber ein Anliegen, eine solche Regelung ausdrücklich zu formulieren.3 Die während der Finanzmarktkrise vertriebenen Finanzprodukte waren derart komplex strukturiert, dass selbst den Anlageberatern ihre Funktion und die damit einhergehenden Risiken nicht vollständig verständlich waren.4 Mithin war die Beratungsqualität zu diesem Zeitpunkt deutlich herabgesetzt.

2. Konkretisierte Anforderungen in den delegierten Rechtsakten Die MiFID II-DLVO hält sich aufgrund der Beauftragung von ESMA zur Erstellung von Leitlinien zurück und stellt in Art. 21 Abs. 1 lit. d) MiFID II-DLVO nur fest, dass WpDU ausschließlich Mitarbeiter beschäftigen dürfen, die über die Fähigkeiten, Kenntnisse und Erfahrungen verfügen, die zur Erfüllung der ihnen zugewiesenen Aufgaben erforderlich sind. Damit übernimmt Art. 21 Abs. 1 lit. d) MiFID II-DLVO die Anforderung des Art. 5 Abs. 1 lit. d) MiFID I-DRL. Die Erfahrungen, Kenntnisse und Fähigkeiten werden durch ESMAs Richtlinien als Level-3-Maßnahme weitergehend konkretisiert (s. hierzu 4. Teil A.I.3.). Hier ist jedoch anzumerken, dass diese keine Rechtsverbindlichkeit besitzen.5 Allerdings können die Leitlinien als sekundäre Rechtsquellen angesehen werden.6 Art. 26 MiFID II-DLVO konkretisiert die Anforderung des Art. 16 Abs. 2 MiFID II und führt ein Beschwerdemanagement ein. Damit übernimmt Art. 26 Abs. 1 MiFID II-DLVO zunächst Art. 10 MiFID I-DRL und fügt diesem eine Bandbreite an Konkretisierungen hinzu. Nach diesem müssen die WpDU eindeutige, aktuelle und genaue Regelungen für den Umgang mit Beschwerden einführen, die sicherstellen, dass diese unverzüglich bearbeitet werden und vor allem der Eingang aufgezeichnet und Lösungsmaßnahmen ergriffen wurden.7 Diese Regelungen müssen von dem WpDU veröffentlicht werden. Auf Verlangen oder mit Bestätigung der Beschwerde müssen diese zusätzlich dem Kunden zur Verfügung gestellt werden.8 Dabei muss die Möglichkeit eine Beschwerde einzureichen grds. kostenlos sein. Das für die Bearbeitung der Beschwerde zuständige und dafür einzurichtende Beschwerdemanagement9 muss eindeutig und in verständlicher Sprache mit dem Kunden kommunizieren10 sowie diesem den Standpunkt des WpDU zur Beschwerde mitteilen.11 Gleichzeitig muss es den Kunden auf die Möglichkeit der alternativen 3

Kurz, DB 2014, 1182, 1185. Kurz, DB 2014, 1182, 1185. 5 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 5 6 Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 16. 7 Art. 26 Abs. 1 MiFID II-DLVO. 8 Art. 26 Abs. 2 MiFID II-DLVO. 9 Art. 26 Abs. 3 MiFID II-DLVO. 10 Art. 26 Abs. 4 MiFID II-DLVO. 11 Art. 26 Abs. 5 MiFID II-DLVO. 4

198

4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

Streitbeilegung nach Art. 14 lit. h) Richtlinie 2013/11/EU bzw. auf die Möglichkeit der zivilrechtlichen Klage hinweisen. Die Compliance-Abteilung, die auch die Beschwerdemanagementfunktion übernehmen kann, überprüft die Bearbeitung der Beschwerden dahingehend, ob alle Risiken und Probleme ermittelt und behoben wurden.12 Die WpDU sind zudem verpflichtet, die Beschwerden an die zuständige Behörde und, wenn nach nationalem Recht vorgesehen, auch an die Stelle zur alternativen Streitbeilegung weiterzuleiten bzw. über deren Abwicklung zu informieren.13 3. ESMAs Sachkundeleitlinien als Level-3-Maßnahme ESMA hat für diese Anforderungen Konkretisierungen in Form von Leitlinien namens „Kriterien der Beurteilung der Kenntnisse und Kompetenzen“ erarbeitet.14 Dabei stellen diese nach Ansicht von ESMA lediglich Mindeststandards dar, die durch die zuständigen nationalen Aufsichtsbehörden erweitert werden können.15 Dem strengen Consultation Paper,16 welches nicht zuletzt die deutschen Finanzinstitute wachrüttelte – da diese bis zu diesem Zeitpunkt kaum Veränderungen der bereits seit vier Jahren geltenden, strengen nationalen Anforderungen erwarteten –, folgte der abgemilderte Final Report.17 Dieser enthält dennoch einige, auch für die deutschen WpDU und die BaFin, neue Regelungen. a) Anwendungsbereich Der Anwendungsbereich ist neben dem Anlageberater auf Personen, die dem Kunden Informationen im Zusammenhang mit Dienstleistungen18 vermitteln, erweitert, sodass künftig auch Mitarbeiter von Vermögensverwaltungsinstituten, die Finanzportfoliodienstleistungen anbieten und Kunden betreuen, erfasst sind.19 12 13 14 15

Nr. 7. 16

Art. 25 Abs. 7 MiFID II-DLVO. Art. 25 Abs. 6 MiFID II-DLVO. s. Ermächtigung in Art. 25 Abs. 9 MiFID II. ESMA, Final Report – Guidelines for the assessment of knowledge and competence, III

ESMA, Consultation Paper – Draft guidelines for the assessment of knowledge and competence. 17 ESMA, Final Report – Guidelines for the assessment of knowledge and competence. Die Leitlinien des Final Reports wurden am 22. 03. 2016 in allen Sprachen der Mitgliedstaaten veröffentlicht. Die deutsche Version der Leitlinien wird wie folgt zitiert: ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen. 18 I.S.d. Anhang I Abschnitt A und B der MiFID II. 19 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, II Nr. 4 lit. d), e.) ESMA stellt hier jedoch im Anhang zur Abgrenzung von Informationsweitergebenden und nicht erfassten Mitarbeitern konkrete Beispiele zur Verfügung, ESMA, Final Report – Guidelines for the assessment of knowledge and competence, Annex V, S. 26 Nr. 50. So sind bspw.

A. Sachkundenachweis

199

Die Abgrenzung ist insofern bedeutend, da den Anlageberater strengere Anforderungen an Niveau und Ausmaß treffen als den informationsweitergebenden Mitarbeiter.20 Die zu dieser Differenzierung eingegangene Kritik, dass es keinen höheren Standard für die Berater brauche, sondern beide Personengruppen für ihre jeweilige Tätigkeit entsprechend qualifiziert sein müssen,21 ist zwar grds. richtig, jedoch übersieht sie, dass die Anlageberatung ein mehr an Informationsweitergabe durch die zusätzliche Empfehlung ist und ESMA dies durch die höheren Anforderungen ausdrückt. b) Allgemeine Regelungen: Kenntnisse und Kompetenzen Die Firmen sollen sicherstellen, dass die Mitarbeiter über notwendige Kenntnisse und Kompetenzen verfügen, um die regulatorischen und rechtlichen Anforderungen sowie die geschäftsethischen Standards einzuhalten.22 Zugleich sollen sie gewährleisten, dass die Mitarbeiter die Firmenpolitik sowie interne Verfahren zur Einhaltung der MiFID II kennen und anwenden.23 Nach Ansicht von ESMA sind „angemessene Qualifikationen“ solche, die durch sonstige Prüfungen oder Schulungen nach den in den Leitlinien niedergelegten Kriterien erworben werden können.24 Außerdem fasst ESMA hierunter Erfahrungen, die zur Erfüllung der Aufgaben notwendig sind, um die einschlägigen Dienstleistungen zu erbringen.25 Die Definition der angemessenen Erfahrung hat im Final Report, im Vergleich zum Consultation Paper, richtigerweise eine deutliche Entschärfung erfahren. Eine angemessene Erfahrung liegt vor, wenn der Mitarbeiter aufgrund seiner vorherigen Tätigkeit nachweisen kann, dass er in der Lage ist, die einschlägige Dienstleistung zu erbringen. Die Tätigkeit muss jedoch nur noch über einen Zeitraum von sechs Monaten in einem vollzeitäquivalenten Modell ausgeübt worden sein. Damit reagiert ESMA auf die berechtigte Kritik, dass ihre Forderung einer fünfjährigen durchgehenden Vollzeitbeschäftigung innerhalb der gleichen Firma überzogen und zugleich diskriminierend ist, da durch eine solche Formulierung Anlageberaterinnern, die in Mutterschaftsurlaub gehen, oder schwer erkrankte Mitarbeiter ausgeschlossen

Rezeptionisten, die lediglich Informationsmaterial an den Kunden weitergeben ohne dessen Inhalt zu erläutern vom Anwendungsbereich ausgeschlossen. 20 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, VI Nr. 13. 21 ESMA, Final Report – Guidelines for the assessment of knowledge and competence, Annex V, S. 25 Nr. 47. 22 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, VI Nr. 14. 23 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, VI Nr. 15. 24 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, II Nr. 4 lit. g). 25 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, II Nr. 4 lit. f).

200

4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

werden.26 Zugleich besteht keine Notwendigkeit die Erfahrung in einer Firma zu sammeln; vielmehr sind unterschiedliche Modelle für das Fachwissen des einzelnen Beraters durchaus förderlich.27 Ebenso geht einmal gewonnene Erfahrung nicht durch eine längere Pause grds. verloren.28 Sie mag verblassen, frischt aber mit Wiedereinstieg auf. Auch die Zeitspanne von fünf Jahren wurde richtigerweise von ESMA auf sechs Monate gesenkt, da Erfahrung nicht die einzige Qualifikationsmöglichkeit ist und diese bspw. durch besondere Abschlüsse ausgeglichen werden kann. Hier sind künftig die nationalen Aufsichtsbehörden gehalten, Kriterien festzulegen. c) Jährliche Review Neben der Erstellung unternehmensinterner Leitlinien zur Gewährleistung der Mitarbeiterqualifikation – sowohl hinsichtlich der Gewährleistung, dass die erforderlichen Qualifikationen vorhanden sind, als auch hinsichtlich einer genauen Positionsbeschreibung und dem entsprechenden Qualifikationsniveau29 – müssen die WpDU mindestens einmal jährlich eine interne und externe Überprüfung der Erfahrungen und des Weiterbildungsbedarfs ihrer Mitarbeiter durchführen. Hiermit soll die Kompetenz gewährleistet und zugleich regulatorische Änderungen an die Mitarbeiter weitergegeben werden.30 Die grundlegende Idee, dass der Berater nicht nur einmalig zu Beginn seiner Tätigkeit entsprechend qualifiziert ist, sondern sich aufgrund der Schnelllebigkeit des Finanzmarkts weiterbilden muss, um diese Qualifikation aufrecht zu erhalten, ist der richtige Ansatz. Positiv zu bewerten ist auch, dass ESMA dies als eine interne Regelung ausgestalten will, indem sie den WpDU die Prüfung überlässt und keine Nachweise für die einzelnen Berater an die jeweilige Aufsichtsbehörde verlangt. Allerdings hätte es zur Qualifikationskontrolle keiner solch starren Regelung bedurft. Für die deutschen WpDU ist die Sachkunde der Berater essentiell. Wird ein Kunde aufgrund mangelnder Kenntnisse des Beraters falsch beraten, so begründet dies zugleich eine zivilrechtliche Haftung aus dem Beratungsvertrag.31 Diese ist 26 ESMA, Final Report – Guidelines for the assessment of knowledge and competence, Annex V Nr. 38 f.; Deutsche Bank, Response to EMSA CP, S. 2, 43; so verweist schon Baur, in: J/V/R/B, WpHG, § 34d Rn. 5 zur alten Hasen Regelung des § 4 S. 3 WpHGMaAnzV darauf, dass die Regelung hinsichtlich der Unterbrechung im Einklang mit den grds. Wertungen der Rechtsordnung auszulegen ist. 27 BVI, Position Paper v. 08. 07. 2015, S. 2; German Banking Industry Committee, Responding to this Paper (ESMA/2015/573), S. 2. 28 BVI, Position Paper v. 08. 07. 2015; S. 1 f. 29 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.IV Nr. 19, Nr. 20 lit. a). 30 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.IV Nr. 20 lit. b). 31 Jäger, Interview v. 24. 10. 2016.

A. Sachkundenachweis

201

regelmäßig „schmerzlicher“ für das Unternehmen als die vorgesehene Geldbuße der Ordnungswidrigkeit.32 Zugleich ist die Beratungsqualität ein Abgrenzungsmerkmal auf dem mit hoher Beraterdichte ausgestatteten deutschen Markt.33 Nicht zuletzt wird gerade in Deutschland sehr oft die Beratungsqualität medial geprüft. Werden Fälle bekannt, in denen Falschberatungen aufgrund mangelnder Qualifikation durchgeführt wurden, erleidet das Unternehmen einen spürbaren Reputationsschaden. Mithin hat das Unternehmen ein bedeutendes Eigeninteresse, aufgrund der zivilrechtlichen und der „Reputationshaftung“.34 d) Mitarbeiter ohne hinreichende Qualifikation Erfüllt ein Mitarbeiter ESMAs Qualifikationsanforderungen nicht, so darf dieser die Dienstleistung für maximal vier Jahre nur unter Aufsicht erbringen.35 Die Aufsicht kann nur ein Mitarbeiter ausführen, der sowohl über die angemessene Erfahrung als auch über die angemessene Qualifikation verfügt und zugleich die gleiche Verantwortung wie in der eigenen Beratungssituation trägt.36 Einer ununterbrochenen Aufsicht, wie noch im Consultation Paper gefordert, bedarf es nun richtigerweise nicht mehr. Vielmehr muss diese an die bisher erlangte Qualifikation und Erfahrung des nicht im Sinne der Leitlinien qualifizierten Mitarbeiters angepasst sein.37 Dies ist zu begrüßen, denn anderenfalls wäre die Aufsicht einer rundum Betreuung gleichgekommen, die für die Unternehmen keinen Mehrnutzen gehabt hätte, da sie so zwei Berater auf einer Position gebunden hätten. Auf diesem Wege können nun die erforderlichen Qualifikationen und Erfahrungen im Unternehmen gewonnen werden. Indem die Aufsichtsperson gleich haftet, ist gewährleistet, dass diese keine Aufsicht auf dem Papier durchführt, sondern eine der Situation angemessene. e) Spezielle Anforderungen an den einzelnen Anlageberater Einen entsprechend qualifizierten Berater zu finden, ist jedoch nach den ESMALeitlinien künftig nicht mehr ohne Weiteres möglich, denn dieser muss eine Fülle an Voraussetzungen nachweisen, die nicht alle auf die Anlageberatung zugeschnitten sind.

32

Jäger, Interview v. 24. 10. 2016. Jäger, Interview v. 24. 10. 2016. 34 Jäger, Interview v. 24. 10. 2016. 35 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.IV Nr. 20 lit. d), h). 36 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.IV Nr. 19, Nr. 20 lit. e), f). 37 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.IV Nr. 20 lit. d); zuvor ESMA, Consultation Paper – Draft guidelines for the assessment of knowledge and competence, V.V Nr. 25 lit. h); BVI, Position Paper v. 08. 07. 2015, S. 4. 33

202

4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

Selbstverständlich ist es, dass der Berater die wesentlichen Merkmale und Risiken der angebotenen und empfohlenen Produkte kennt und bei großen und komplexen Produkten besonders sorgfältig handelt.38 Dass er jedoch Kenntnisse zu allgemeinen steuerlichen Auswirkungen der Produkte und in Zusammenhang mit Geschäften aufweisen soll,39 ist angesichts des deutschen Steuersystems eine hohe Hürde. Diese könnte nur aufgebrochen werden, indem ESMA sich hier auf grundlegende Hinweise beschränkt. Bislang ist die steuerrechtliche Beratung in Deutschland den Steuerberatern oder entsprechend spezialisierten Anwälten überlassen und wird nicht durch die Berater angeboten.40 Vielmehr ist es dem einzelnen Bankberater auch nicht erlaubt, eine persönliche steuerliche Beratung für den einzelnen Kunden durchzuführen. Nach Ansicht von ESMA ist dies jedoch nicht zu berücksichtigen, da bereits unter MiFID I auf die mit dem Produkt zusammenhängenden steuerlichen Abläufe hätte hingewiesen werden müssen.41 Enthält das Produkt künftig eine besondere Steuerstruktur, muss diese dem Kunden erläutert werden. Einschränkend fügt ESMA jedoch hinzu, dass keine Kenntnisse für den individuellen Kunden verlangt werden, sondern produktbezogene Kenntnisse ausreichen.42 Dies ist auch mit dem deutschen System vereinbar. Es genügt folglich, wenn der Berater grundlegende allgemeine steuerliche Kenntnisse aufweist sowie grundlegende steuerliche Kenntnisse für die einzelnen Produktkategorien hat und nur bei besonderen steuerlichen Produkten spezielle Kenntnisse besitzt. Damit dürften allerdings diese Produkte nur von Spezialisten angeboten werden, sodass das Angebotsspektrum zurückgehen wird. Zusätzlich muss der Berater alle Kosten und Gebühren im Zusammenhang mit der Art des angebotenen und empfohlenen Produkts verstehen; ebenso solche, die durch die Beratung und damit zusammenhängenden Dienstleistungen anfallen.43 Diese Anforderung steht im Zusammenhang mit der Kostentransparenz (s. 3. Teil) der MiFID II, sodass diese ohnehin durch das Unternehmen umzusetzen und nur noch dem Berater zu vermitteln ist. Durch aktualisierte Angaben muss der Berater in der Lage sein, potentielle Veränderungen und die Auswirkungen auf die Geeignetheit des Produkts festzustellen – auch dahingehend, dass das Produkt eventuell für den Anleger nicht mehr

38

lit. a). 39

lit. a). 40

ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.III Nr. 18 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.III Nr. 18

Vgl. Deutsche Bank, Response to EMSA CP, S. 3. ESMA, Final Report – Guidelines for the assessment of knowledge and competence, Annex V Nr. 63. 42 ESMA, Final Report – Guidelines for the assessment of knowledge and competence, Annex V Nr. 64. 43 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.III Nr. 18 lit. b). 41

A. Sachkundenachweis

203

passend sein könnte.44 Noch weitergehend soll der Berater ein Verständnis aufweisen, wie die Märkte und die an ihnen stattfindende Preisbildung funktionieren.45 Dazu muss er nachweisen, dass er versteht, wie sich nationale oder globale Ereignisse auf die Märkte und auf die Preisbildung auswirken.46 Im Grundsatz mag diese Anforderung berechtigt sein, wird jedoch durch jüngere politische Ereignisse in Frage gestellt. Die Wahl des US-Präsidenten Trump zeigt, dass solche Bewertungen und damit das nachzuweisende Verständnis im spekulativen Bereich liegen. Zunächst hieß es, dass Trump im Vergleich zu Kandidatin Clinton keine Chance hätte. Sollte er dennoch gewinnen, so würde der Börsenkurs massiv einbrechen. Entgegen aller Prognosen wurde Trump als Präsident gewählt und der Börsenkurs ist angestiegen.47 Damit dürften sich die von ESMA aufgestellten Anforderungen auf ein gewisses Grundverständnis und dessen Nachweis beschränken. Ebenso braucht der Berater Kenntnis über den Unterschied von vergangenen und zukünftigen Wertentwicklungen und Grenzen vorausschauender Prognosen.48 Er muss die relevanten Daten der Art der Anlageprodukte kennen und deren spezifische Marktstrukturen. Gleichzeitig muss er Grundkenntnisse über die Bewertungsansätze der Anlageprodukte aufweisen, die er empfiehlt.49 Zusätzlich soll er ein Verständnis für die grundlegende Portfolioverwaltung haben, für die Aspekte des Marktmissbrauchs sowie für die Bekämpfung von Geldwäsche.50 Mag dieses im ersten Moment in sich stringent und selbstverständlich klingen, ist dies runtergebrochen auf jeden Berater enorm. Hier sollten die deutschen Aufsichtsbehörden der deutschen Filialstruktur Rechnung tragen und diese Anforderungen auf ein Grundverständnis des einzelnen Beraters reduzieren, wenn eine Art „Hausmeinung“ von spezialisierten Teams zentral erarbeitet wird und diese der einzelne Berater versteht und in seine Beratungen einfließen lässt.51

44

lit. d). 45

lit. e). 46

ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.III Nr. 18 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.III Nr. 18

ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.III Nr. 18 lit. e), f). 47 s. zur Kurssteigerung, Schäfer, Aktienindex Dow Jones steigt erstmals über 20.000 Punkte, Beitrag v. 24. 01. 2017, Frankfurter Allgemeine Zeitung. 48 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.III Nr. 18 lit. g). 49 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.III Nr. 18 lit. i), j), k). 50 ESMA, Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, V.III Nr. 18 lit. i), l). 51 Vgl. das System der UBS, Herting/Alpers, Interview v. 13. 02. 2017.

204

4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

f) Zwischenfazit Beachtlich ist, dass ESMA spürbar von ihren ursprünglichen Anforderungen zugunsten der Berater abgewichen ist.52 Gleichzeitig zeigt der Vergleich mit dem Richtlinientext jedoch deutlich, dass die Anforderungen durch ESMA verschärft wurden.

II. Die Sachkunderegelungen in Deutschland 1. Die Anforderungen an die Beratersachkunde vor Umsetzung der europäischen Regelungen Wie bereits angedeutet, kennt das deutsche Recht schon heute einen Sachkundenachweis.53 a) Allgemeine Voraussetzungen Gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG dürfen WpDU Dienstleistungen nur mit der zugehörigen Sachkunde anbieten. Des Weiteren konkretisiert § 34d WpHG den § 31 Abs. 1 WpHG.54 So schreibt § 34d Abs. 1 S. 1 WpHG den WpDU vor, dass diese nur Mitarbeiter in der Anlageberatung, Compliance Funktion und Vertriebsorganisation beschäftigen dürfen, wenn sie über ausreichend Sachkunde verfügen und die für die Tätigkeit notwendige Zuverlässigkeit besitzen.55 Eine ähnliche Anforderung findet sich zugleich in AT 7.1 MaRisk. Zur Konkretisierung hat die BaFin die WpHGMitarbeiteranzeigenverordnung (WpHGMaAnzV) erlassen.56 § 34d Abs. 1 WpHG 52

Vgl. 4. Teil A.I.3.b). Ebenso sollte der Berater ursprünglich einzelne Markttheorien kennen, die in der Praxis durchaus kontrovers hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit diskutiert werden. Die Kenntnisse hinsichtlich der Marktstrukturen etc. sollte sich auf alle Anlageprodukte beziehen und nicht nur auf solche, die das WpDU anbietet. 53 Eine Verpflichtung der WpDU, nur Mitarbeiter mit entsprechenden Kenntnissen, Erfahrungen und Fähigkeiten zu beschäftigen, enthielt bereits Art. 5 Abs. 1 lit. d) MiFID I, der entsprechend durch § 34d WpHG umgesetzt wird. Eine wie von § 34d WpHG vorgesehene Registrierungspflicht enthielt die MiFID I hingegen nicht; vielmehr wurde dieser Bereich vollständig unreguliert gelassen, sodass in der deutschen Regelung auch kein Verstoß gegen die Vollharmonisierung der MiFID I bestand, Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 14; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d WpHG Rn. 5; Halbleib, WM 2011, 673, 674. 54 Halbleib, WM 2011, 673, Möllers/Wenninger, NJW 2011, 1697, 1698. 55 Günther, WM 2012, 2267, 2268; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 82; Bamberger, in: D/K/B, Bank- und KapMR, § 52 Rn. 123. Diese Regelung wurde durch das Gesetz zur Stärkung des Anlegerschutzes und der Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Kapitalmarkts (AnsFuG – BGBl. I, S. 538) vom 05. 04. 2011 eingeführt. Parallel sieht § 25a Abs. 1 S. 1, 3 Nr. 4 KWG vor, dass Kreditinstitute für eine angemessene personelle Ausstattung zu sorgen haben. s. zu diesem ausf. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 82 f. 56 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 1; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 82; Fedchenheuer, Die Qualifikationsanforderung an Anlageberater, 70.

A. Sachkundenachweis

205

regelt i.V.m. der WpHGMaAnzV zum einen eine Anzeigeverpflichtung der WpDU über die Aufnahme der Tätigkeit ihrer Mitarbeiter und deren Veränderungen sowie über beim WpDU über den Mitarbeiter eingegangene Kundenbeschwerden an die BaFin.57 Das WpDU muss sich durch Vorlage von entsprechenden Sachkundenachweisen des jeweiligen Anlageberaters von dessen Eignung überzeugen.58 Hier kommt es nicht auf eine formale, sondern auf die inhaltliche Betrachtungsweise an.59 Diese müssen jedoch gegenüber der BaFin ausdrücklich nicht vorgelegt werden.60 Allerdings ist das WpDU gem. § 6 WpDPV verpflichtet, jährliche Prüfberichte über die Anzahl sowie Art und Weise der Behandlung von Kundenbeschwerden im Einzelnen an die BaFin zu übermitteln.61 Daneben steht der BaFin gem. § 35 Abs. 1 WpHG das Recht zu, anlassunabhängig Sonderprüfungen vorzunehmen und dazu Auskünfte und Unterlagen zu verlangen.62 Unabhängig von diesem werden die Anzeigen gem. §§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 2, 7 WpHGMaAnzV aufgrund von § 36 WpHG jährlich überprüft. Für die Bearbeitung der Kundenbeschwerden sieht § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 WpHG vor, dass diese nach Regelungen erfolgen, die gewährleisten, dass die Bearbeitung angemessen und unverzüglich für Privatkunden erfolgt sowie jede Beschwerde und deren Abhilfemaßnahmen dokumentiert werden. Zwar kennt damit das deutsche Recht auch Vorgaben zum Beschwerdemanagement, allerdings gelten diese nur für Privatkunden.63 b) Der Paradigmenwechsel Folglich erkannten damit auch der deutsche Gesetzgeber und die BaFin die Schlüsselposition des Anlageberaters.64 Auch die Intention ist eine ähnliche, da der deutsche Gesetzgeber eine einheitliche Mindestqualifikation der Anlageberater sicherstellt65 und zugleich eine disziplinierende Wirkung gegenüber den WpDU herbei führen wollte, da diesen die Bedeutung ihrer Mitarbeiterauswahl verdeutlicht wurde.66 Darüber hinaus erfolgte im deutschen Recht ein „Paradigmenwechsel“67, da die BaFin in die Lage versetzt wurde, die innere Struktur der WpDU durch die 57

Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 1; Kurz, DB 2014, 1182, 1185 Fn. 133; Baur, in: J/V/ R/B, WpHG, § 34d Rn. 9 ff. 58 Kurz, DB 2014, 1182, 1185 Fn. 133; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 11. 59 Baur, in: J/V/R/B, WpHG, § 34d Rn. 5. 60 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 11. 61 s. dazu Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 9. 62 Fedchenheuer, Die Qualifikationsanforderung an die Anlageberater, 78. 63 Schäfer, BaFin-Journal 10/12, 4. 64 Begr. RegE AnsFuG, BT-Drs. 17/4739, S. 9, 23; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 3; Günther, WM 2012, 2267, 2268. 65 Yoo, BaFin Journal, 08/2012, 8, 9; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 2; Baur, in: J/V/R/ B, WpHG, § 34d Rn. 2. 66 Yoo, BaFin Journal, 08/2012, 8, 9; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 3. 67 Yoo, BaFin Journal, 08/2012, 8, 9.

206

4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

Fluktuation der Mitarbeiter zu beobachten und bei Verdacht aufgrund gehäufter Beschwerdeanzeigen risiko- und zielorientierter eingreifen zu können.68 Die auf nationaler Ebene bestehenden Regelungen sind zwar sehr detailliert, aber nicht so streng wie die, die ESMA in ihren Leitlinien vorschlägt. Folgt die BaFin auch weiterhin ESMAs Verwaltungspraxis, so müssen die bestehenden Regelungen künftig anhand dieser ausgelegt werden. c) Die Sachkunde des Beraters Als Sachkunde i.S.d. zuvor genannten Regelungen sind kognitives, erlernbares Fachwissen und aufgrund europarechtskonformer Auslegung auch entsprechende Fähigkeiten erfasst.69 § 1 WpHGMaAnzV konkretisiert die Sachkundeanforderungen in einer nicht abschließenden Aufzählung.70 Erforderlich ist die in der Kundenberatung notwendige Sachkunde hinsichtlich der Bedarfsmittel, Lösungsmöglichkeiten, Produkterstellung und -information, Serviceerwartungen sowie des Kundengesprächs und der -betreuung.71 Zugleich muss der Anlageberater die rechtlichen Grundlagen der Anlageberatung, insb. die Anforderungen des WpHG, KAGB und die vertraglichen Pflichten, die sich unmittelbar aus dem Anlageberatungsvertrag ergeben, kennen und achten.72 Hier sind vor allem Informationspflichten, Offenlegung von Interessenkonflikten, die Aushändigung von Produktinformationsblättern und die Erstellung eines Beratungsprotokolls erfasst.73 Zudem beinhaltet die Sachkunde die fachlichen Grundlagen, indem der Anlageberater die Funktionsweise und Risiken der Finanzinstrumente und die im Zusammenhang mit dem Finanzinstrument anfallenden Kosten kennen muss.74 Hier mussten die WpDU auch bisher die steuerlichen Auswirkungen mitberücksichtigen.75 Nach den neuen Vorgaben wird diese Anforderung nun verstärkt. Zusätzlich ist die Kenntnis hinsichtlich der Kosten entsprechend der neuen Kostentransparenzregelungen zu konkretisieren, sodass der Berater den genauen Preis des Produkts und den für die Beratung sowie für zusätzliche Kosten aufschlüsseln kann. Ohne Verständnis oder entsprechende Kenntnis im Bereich der Anlagestrategien, Kosten, Handelbarkeit, Ausführungsplätzen und damit auch von volkswirtschaftlichen Zusammenhängen, Risikomanagement und Portfoliotheorie kann der Berater folglich keine anlage- und 68

Yoo, BaFin Journal, 08/2012, 8, 9; Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 9. Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 5. 70 Bauer, in: J/V/R/B, WpHG, § 34d Rn. 4; Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 21 f. 71 Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 15; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 8; Günther, WM 2012, 2267, 2269 f.; Fedchenheuer, Die Qualifikationsanforderungen an Anlageberater, 138 f. 72 Ausf. zu den einzelnen Anforderungen Fedchenheuer, Die Qualifikationsanforderungen an Anlageberater, 124 ff. 73 Vgl. Fedchenheuer, Die Qualifikationsanforderungen an Anlageberater, 127. 74 § 1 Abs. 1 Nr. 3 WpHGMaAnzV. 75 Fedchenheuer, Die Qualifikationsanforderungen an Anlageberater, 137. 69

A. Sachkundenachweis

207

anlegergerechte Beratung erbringen.76 Auch müsste diese bisher allgemeine Anforderung dahingehend konkretisiert werden, dass der Berater die Preisbildungsmechanismen am Markt versteht – vor allem unter Berücksichtigung politischer und besonderer Ereignisse. An dieser Stelle könnte ESMAs Anforderung der Kenntnis über die zukünftige und vergangene Wertentwicklung sowie die Grenzen von vorausschauenden Prognosen aufgenommen werden. Allerdings braucht der einzelne Berater diese Kenntnisse, wie ebenfalls von ESMA vorgesehen, nur für die von ihm tatsächlich angebotenen oder empfohlenen Produkte,77 sodass das WpDU hier den Verantwortungsbereich und mithin auch die Sachkundeanforderung regulieren kann.78 Den Nachweis kann der Anlageberater gegenüber dem WpDU gem. § 4 WpHGMaAnzV durch die Vorlage eines Berufsabschlusses, der dort nicht abschließend aufgeführten Berufe, nachweisen.79 Eine ausdrückliche Regelung, wie in ESMAs Leitlinien vorgesehen, dass der Berater durch angemessene Erfahrung seine Eignung nachweisen kann, sieht § 4 S. 3 WpHGMaAnzV vor. Dieser spricht jedoch von einer ununterbrochenen Tätigkeit. Die Regelung wird heute bereits entsprechend ausgelegt, sodass die Unterbrechung aufgrund von Krankheit oder Schwangerschaft nicht schadet.80 Wie weit die Unterbrechung gehen darf war bislang nicht eindeutig und könnte nun durch ESMAs Regelungen konkretisiert werden. d) Die Zuverlässigkeit des Beraters Ohne Gegenstück in den aktuellen Leitlinien von ESMA, aber auch ohne Gegenstück in sämtlichen Regelungen zur MiFID II, muss der deutsche Berater auch seine charakterlich Eignung und Zuverlässigkeit, die § 6 WpHGMaAnzV81 an die Achtung des fremden Eigentums knüpft, nachweisen.82 Bei § 6 WpHGMaAnzV handelt es sich um eine widerlegbare Vermutung.83 Der Nachweis der Zuverläs76

Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 26; i.E. Günther, WM 2012, 2267, 2270. Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 15. 78 Bauer, in: J/V/R/B, WpHG, § 34d Rn. 4. 79 So bspw. durch den Abschluss eines Studiengangs der Fachrichtung Banken, Finanzdienstleistung, oder durch eine abgeschlossene Ausbildung als Bankbetriebswirt. 80 Baur, in: J/V/R/B, WpHG, § 34d Rn. 5; max. 12 Monate Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 34d Rn. 13; Fedchenheuer, Die Qualitätsanforderung an Anlageberater, 94; Schäfer, in: Heidl, § 34d WpHG Rn. 26. 81 Er ist unzuverlässig, wenn er in den letzten 5 Jahren vor Beginn der Tätigkeit als Anlageberater wegen eines Verbrechens oder wegen Diebstahl, Unterschlagung, Erpressung, Untreue, Geldwäsche, Urkundenfälschung, Hehlerei, Wucher, Insolvenzstraftaten oder Steuerhinterziehung verurteilt wurde, s. dazu ausf. Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 43; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 14; Bauer, in: J/V/R/B, WpHG, § 34d Rn. 6; Günther, WM 2012, 2267, 2272. 82 s. zur MiFID I und § 34d Abs. 1 S. 1 WpHG Fedchenheuer, Die Qualitätsanforderung an Anlageberater, 94. 83 Fedchenheuer, Die Qualitätsanforderung an Anlageberater, 151 m.w.N. 77

208

4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

sigkeit steht im Kontext mit weiteren an das WpDU gerichteten Vorschriften zur Zuverlässigkeit seiner Mitarbeiter.84 Insofern wundert es nicht, dass die Zuverlässigkeit bislang bei den BaFin Anzeigen kaum eine Rolle gespielt hat.85 e) Die Anzeigeverpflichtung des WpDU Hat der Mitarbeiter sowohl Sachkunde, als auch Zuverlässigkeit gegenüber dem WpDU nachgewiesen, muss das WpDU den Mitarbeiter vor Aufnahme der Tätigkeit bei der BaFin anzeigen (Erstanzeige).86 Änderungen der übermittelten Daten sind der BaFin via Änderungsanzeige mitzuteilen.87 Auch zeigt das WpDU Kundenbeschwerden von Privatkunden gem. § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 WpHG aufgrund der Tätigkeit des Mitarbeiters, die in seinen Einflussbereich fällt – nicht hingegen aufgrund der Ausführung von Kundenaufträgen etc.88 – der BaFin an, unabhängig davon, ob diese berechtigt sind oder nicht.89 Im Vergleich zu den europäischen Regelungen fällt insb. die Nachweispflicht zu Beginn der Tätigkeit des Beraters gegenüber dem WpDU sowie die Anzeigeverpflichtung des WpDU über die Aufnahme der Tätigkeit durch einen neuen Berater gegenüber der BaFin auf.90 Ein solcher Nachweis zu Beginn des Arbeitsverhältnisses fügt sich in den Ablauf des Bewerbungsgespräches ein, in welchem der Berater seine Qualifikation anpreist und diese zu Beginn des Arbeitsverhältnisses nachweisen muss. Damit ist der status quo für die Qualifikationskontrolle gelegt. Das WpDU weiß auf diese Weise von jedem Berater den Kenntnisstand und kann Schulungen zu Produkten und regula84 So regelt bspw. § 9 Abs. 2 Nr. 4 Geldwäschegesetz (GwG), dass das WpDU interne, regelmäßige Sicherungsmaßnahmen errichtet, die die Zuverlässigkeit der Mitarbeiter überprüfen. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 4 GwG ist ein Mitarbeiter dann zuverlässig, „[…]wenn er die Gewähr dafür bietet, dass die Pflichten nach […] [dem GwG], sonstige geldwäscherechtliche Pflichten und die beim Verpflichteten eingeführten Grundsätze, Verfahren, Kontrollen und Verhaltensrichtlinien zur Verhinderung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung sorgfältig beachtet, Tatsachen […] dem Vorgesetzten oder Geldwäschebeauftragten, soweit ein solcher bestellt ist, meldet und sich nicht selbst an zweifelhaften Transaktionen oder Geschäften aktiv oder passiv beteiligt.“ 85 DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 27. 86 Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 46, 52; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 15; Günther, WM 2012, 2267, 2268; Laban, Organisations- und Verhaltenspflichten in der Anlageberatung nach Inkrafttreten des AnsFuG, 152. 87 Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 53; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 15; Günther, WM 2012, 2267, 2268; Laban, Organisations- und Verhaltenspflichten in der Anlageberatung nach Inkrafttreten des AnsFuG, 153. 88 Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 60; vgl. Schäfer, in: Heidel, § 34d WpHG Rn. 45 ff. 89 Günther, WM 2012, 2267, 2268; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 16; Bauer, in: J/V/ R/B, WpHG, § 34d Rn. 10. 90 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 82a; zur nicht vorhandenen Registrierungspflicht auf europäischer Ebene s. Möllers/Poppele, ZGR 2013, 437, 471.

A. Sachkundenachweis

209

torischen Anforderungen zentral steuern. Dieses bestehende „Mitarbeiterregister“ wird künftig auch die Grundlage der jährlichen internen Überprüfung bilden, da für diese das WpDU ein derartiges benötigt. Daher ist ein solches von Vorteil. Zugleich darf nicht übersehen werden, dass der Gesetzgeber diese Regelung als langfristige Beobachtungsmöglichkeit der BaFin und damit als Frühwarnsystem eingerichtet hat, indem dadurch die Fluktuation von Mitarbeitern und die Qualitätsansprüche innerhalb eines WpDU erkennbar werden.91 Aufgrund dessen kann die BaFin entsprechend bei Missständen tätig werden.92 Die Beibehaltung der Anzeigepflicht zum Register ist jedoch ein weiteres sog. goldplating des deutschen Gesetzgebers.93 Insb. vor dem Hintergrund, dass eine solche auf europäischer Ebene diskutiert und abgelehnt wurde.94 f) Sanktionen Weist der Mitarbeiter nicht die entsprechende Sachkunde oder Zuverlässigkeit auf, kann die BaFin dem WpDU den Einsatz dieses Mitarbeiters gem. § 34d Abs. 4 S. 1 Nr. 1 WpHG verbieten. Das Verbot gilt so lange wie der Sachkunde- bzw. Zuverlässigkeitsmangel besteht.95 Verstößt der Mitarbeiter gegen die Wohlverhaltenspflichten, so kann die BaFin eine Verwarnung aussprechen, § 34d Abs. 4 S. 1 Nr. 2 lit. a) WpHG. Zudem kann die BaFin unanfechtbare Maßnahmen gem. § 34d Abs. 4 S. 2 WpHG veröffentlichen. Die Veröffentlichung der Maßnahmen nach dem WpHG bedarf der Überarbeitung hinsichtlich der Vorgaben aus Art. 71 Abs. 2 MiFID II.96 Dieser verlangt ebenfalls die Veröffentlichung der Sanktionen. Bei der Anpassung muss jedoch unterschieden werden zwischen den Veröffentlichungen für die Registeranzeige bei der BaFin, diese sind nicht in der MiFID II enthalten und bedürfen keiner Anpassung, und hinsichtlich der allgemeinen Veröffentlichung.97 Es müsste die in der MiFID II enthaltene Ausnahmeregelung, dass bei ernsthafter Gefährdung der Finanzmärkte eine Veröffentlichung unterbleiben darf, eingeführt und die nationale Ausnahme der Veröffentlichung bei berechtigtem Unternehmensinteresse gestrichen werden.98 Zugleich müsste eine mit Art. 71 Abs. 1 UA 2 lit. b) MiFID II korrespondierende Möglichkeit der anonymen Veröffentlichung bzw. nach Art. 71

91

Vgl. Günther, WM 2012, 2267, 2272. Begr. RegE AnsFuG, BT-Drs. 17/3628, S. 22; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 16. 93 Deshalb ablehnend DK, Erste Bewertung Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 26. 94 DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 26; dies., Erste Bewertung Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 26. 95 Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 110. 96 Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 118; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 31 97 Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 118; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 31. 98 Möllers, in: KK/WpHG, § 34d Rn. 118; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 31. 92

210

4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

Abs. 1 UA 2 lit. c) MiFID II das gänzliche Absehen von einer Veröffentlichung aufgenommen werden.99 2. Die Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im 2. FiMaNoG § 34d WpHG findet sich künftig in § 87 WpHG-E RegE 2. FiMaNoG100. Hinsichtlich der Anforderungen für die Anlageberatung finden sich kaum Änderungen. Vielmehr soll Abs. 1 vollständig erhalten bleiben, mit ihm also die nach wie vor auf europäischer Ebene nicht geforderte Registrierungspflicht101 der Mitarbeiter bei der BaFin. Richtigerweise bezieht sich die Beschwerdeanzeige nicht mehr auf § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 WpHG (Kundenbeschwerden), sondern auf Art. 16 Abs. 12 i.V.m. Art. 89 MiFID II sowie auf die delegierten Rechtsakte, obwohl es eines solchen Verweises aufgrund des Anwendungsvorrangs der MiFID II-DLVO nicht bedurft hätte. Zur vereinfachten Handhabung ist dieser jedoch sinnvoll.102 Abs. 2 regelt, dass Vertriebsmitarbeiter, die Informationen an Kunden über Finanzinstrumente, strukturierte Einlagen, Wertpapierdienstleistungen oder Wertpapiernebendienstleistungen geben, ebenfalls sachkundig zu machen sind. Da Bundestag und der Bundesrat die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses beschlossen haben und dieses am 23. 06. 2017 veröffentlicht wurde, diese jedoch keine Änderungen an § 87 WpHG-E beinhaltet, bleibt es bei der bestehenden nationalen Regelung und dessen Sonderstellung im Vergleich zu den europäischen Vorgaben. 3. Die Umsetzung der MiFID II-Vorgaben in der WpHGMaAnzV Gem. Art. 20 des RefE 2. FiMaNoG, der nicht im nachfolgenden RegE enthalten ist, soll die WpHGMaAnzV die Anforderungen der ESMA-Leitlinien aufgreifen. Am 29. 05. 2017 stellte die BaFin dafür einen neuen Entwurf der WpHGMaAnzV zur Konsultation. Gem. § 1 Abs. 1 S. 2 WpHGMaAnzV-E soll die Sachkunde künftig kontinuierlich aufrechterhalten werden. Der Konsultationsentwurf der BaFin ist hier noch konkreter, da die Sachkunde kontinuierlich zu wahren und regelmäßig auf den neusten Stand zu bringen ist. Zugleich muss das WpDU diese mindestens einmal jährlich unter Berücksichtigung von gesetzlichen Änderungen sowie des eigenen Wertpapierangebots überprüfen, § 1 Abs. 1 S. 3 WpHGMaAnzV-E. Dementsprechend muss auch auf nationaler Ebene die neue jährliche Prüfung eingeführt werden. Hier sollte der Gesetzgeber klarstellend hinzufügen, dass damit in Übereinstimmung mit 99

Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 31. § 76 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG; § 34d WpHG RefE 1. FiMaNoG. 101 DK, Erste Bewertung Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 26. 102 A.A. DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 27. 100

A. Sachkundenachweis

211

ESMAs Vorgaben keine grds. Überprüfung eines jeden Mitarbeiters und vor allem nicht in Form eines Tests o. ä. gefordert ist.103 Um ein einheitliches Niveau des Kenntnisstandes herbeizuführen, müsste sich das WpDU allerdings im ersten Jahr schon die Qualifikationen der einzelnen Mitarbeiter – bspw. anhand des durch die Nachweispflicht vorliegenden Mitarbeiterregisters – anschauen und neu eingestellte Berater hinsichtlich des Kenntnisstandes dem Unternehmensstandard anpassen. Ausweislich der ausdrücklichen Verordnungsbegründung muss die jährliche Überprüfung nicht durch eine externe Stelle durchgeführt werden.104 Durch die Konkretisierung des S. 2 wird jedoch auch deutlich, dass nicht nur das vorhandene Wissen aufgefrischt werden muss, sondern dieses auch hinsichtlich der aktuellen Gesetzesänderungen erneuert werden muss. Weitergehende Sachkunde wird jedoch nicht verlangt. a) Neue Sachkundeanforderungen Die bisherige Sachkundeaufzählung wird von Abs. 1 in Abs. 2 verschoben und soll ESMAs Anforderungen aufnehmen. Dabei bleibt Nr. 1 zur Kundenberatung unverändert. Die rechtlichen Grundlagen in Nr. 2 erhalten ein zusätzliches lit. c), nach dem der Mitarbeiter verpflichtet ist, die Verwaltungsvorschriften der BaFin hinsichtlich der Geeignetheitsprüfung – und Erklärung (s. 6. Teil B.II.) – zu kennen. Die fachlichen Grundlagen in Nr. 3 werden nach den ESMA-Leitlinien ausgeweitet, indem nun nicht mehr nur nach lit. a) die Funktionsweise des Finanzinstruments als fachliche Grundlage gilt, sondern auch die Funktionsweise des Finanzmarkts, einschließlich der Auswirkungen von diesem auf die Preisentwicklung von Finanzinstrumenten sowie der Einfluss von wirtschaftlichen Kennzahlen oder von nationalen, regionalen oder globalen Ereignissen auf die Märkte und auf den Wert des Finanzinstruments. Gleichzeitig übernimmt die BaFin die ESMA-Anforderung, dass der Berater die Merkmale und Funktionsweisen des Finanzinstruments sowie allgemeine steuerliche Auswirkungen für den Kunden im Zusammenhang mit den Geschäften kennen muss. Er muss die für die Finanzinstrumente relevanten Daten sowie die spezifischen Marktstrukturen bewerten können und Handelsplätze sowie Sekundärmärkte kennen. Die gem. lit. c) vorzuweisende Kenntnis aller anfallenden Kosten im Zusammenhang mit den Geschäften wird in lit. e) verschoben und konkretisiert, indem der Berater die Kosten und Gebühren für den Kunden im Zusammenhang mit dem Finanzinstrument insgesamt kennen muss. Gem. der neuen lit. c) muss der Anlageberater auch die von ESMA geforderte Wertentwicklung von Finanzinstrumenten einschließlich der Unterscheidung von vergangenen und zukünftigen Wertentwicklungsszenarien und die Grenzen von vorausschauenden Prognosen kennen. Die Verordnungsbegründung stellt noch einmal heraus, dass die Kenntnis dabei an zwei verschiedenen Punkten anknüpft: Zum einen an die einmaligen und laufenden Kosten des Finanzprodukts und zum anderen an die Kosten 103 104

DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 44. BaFin, WpHGMaAnzV-E Begr., S. 13.

212

4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

und Gebühren, die mit der Anlageberatung oder der Dienstleistung entstehen.105 Gleichzeitig muss er die Grundzüge der Bewertungsgrundsätze für Finanzinstrumente (lit. d)) und die des Portfoliomanagements (lit. f)) kennen. Zudem braucht der Anlageberater Kenntnisse in Bezug auf Marktmissbrauch und Geldwäsche (lit. g)). Der neue Abs. 3 bestimmt in Übernahme der ESMA Anforderung, dass der Berater, die internen Anweisungen des WpDU zur Einhaltung der rechtlichen Grundlagen gem. Nr. 2 kennen muss. Nach Abs. 4 muss sich die Kenntnis des Beraters nicht mehr nur auf Produkte beziehen, die Gegenstand seiner Anlageberatung sein können, sondern auch auf solche, die das WpDU anbietet. b) Praktischer Fähigkeitsnachweis Abs. 5 regelt die Alte-Hasen-Regelung bzw. den Nachweis der praktischen Anwendung. Überwiegend übernimmt der deutsche Gesetzgeber dazu den Wortlaut der ESMA-Leitlinien und fordert für den Fähigkeitsnachweis, dass der Berater eine vorherige Tätigkeit für einen Zeitraum von sechs Monaten auf Basis eines Vollzeitäquivalents ausgeübt hat. Ausreichend ist es auch hier, wenn dies unter Aufsicht eines mit der Anlageberatung betrauten und mit entsprechender Sachkunde ausgestatteten Mitarbeiters erfolgt, soweit die Aufsicht in Intensität und Reichweite angemessen zu den Kenntnissen des Mitarbeiters steht. Der beaufsichtigende Mitarbeiter muss entsprechend den ESMA-Vorgaben für die Anlageberatungsleistung verantwortlich sein. c) Nachweis der Sachkunde Der bisherige Abs. 2 wird zu Abs. 6 und dahingehend ergänzt, dass zum Nachweis der Sachkunde nicht nur Schulungsnachweise, sondern auch Weiterbildungsnachweise ausreichen. Der neue Abs. 7, der auch noch nicht in der Version des RefE 2. FiMaNoG enthalten war, legt fest, dass die zuvor genannten Sachkundeanforderungen auch für Mitarbeiter gelten, die strukturierte Einlagen verkaufen oder in diesen beraten. d) Zwischenfazit zur Umsetzung der neuen Sachkundeanforderungen Insgesamt bemüht sich der deutsche Gesetzgeber um eine Eins-zu-eins-Umsetzung der ESMA-Leitlinien.106 Dies ist jedoch nicht an sämtlichen Stellen gelungen. Indem die bisherigen Regelungen zur Kundenberatung und die rechtlichen Grundlagen beibehalten werden, werden strengere Anforderungen gestaltet, als dies durch ESMA vorgesehen ist.107 Allerdings stehen diese nicht im Konflikt mit der Regu105 106 107

BaFin, WpHGMaAnzV Begr., S. 13. Begr. RefE 2. FiMaNoG, S. 375 f. (s. 1. Teil, Fn. 36). So auch DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 45.

A. Sachkundenachweis

213

lierung durch die MiFID II, und die Leitlinien sind für den nationalen Gesetzgeber nicht rechtsverbindlich. Allerdings sind bereits die Anforderungen von ESMA sehr weit gehend. Die zusätzlichen Anforderungen sollten daher hinsichtlich der Vorteilhaftigkeit für die jährliche Überprüfung der Sachkunde beibehalten werden und weitere noch darüber hinausgehende Anforderungen entfallen. Indem die BaFin im Vergleich zum RefE, die Einleitung der Kenntnisse der internen Unternehmensanweisungen mit „insbesondere“ in § 1 Abs. 3 gestrichen hat, gibt sie richtigerweise zu erkennen, dass sie hier keine weitergehenden Anforderungen als in den ESMALeitlinien schaffen wollte.108 4. Expertenansicht zur praktischen Auswirkung der neuen Sachkunderegelungen Unabhängig von der befragten Expertengruppe wurde die Sachkunde der Berater und auch deren Fortbildung in der schnelllebigen Finanzbranche als notwendig und sinnvoll bewertet. Die Ausweitung des Adressatenkreises der sachkundig zu machenden Personen, inhaltliche Verschärfungen und die jährliche interne Kontrolle wurden seitens der Experten wahrgenommen, aber nicht als gravierende Erschwerung festgestellt. Schließlich hätten die WpDU ohnehin ein besonderes Eigeninteresse an der Ausbildung ihrer Berater, um eine zivilrechtliche Haftung zu vermeiden und eine entsprechende Qualität zu vermarkten. Teilweise wurde festgehalten, dass sich intern keine oder kaum Änderungen ergäben, da bislang ohnehin sehr stark geschult wurde, sodass bereits heute die Anforderungen erfüllt würden. Kritisch bewertet wurden die Schulungen ausschließlich zu Nachweiszwecken, da diese zum einen ein bürokratischer Aufwand seien und zum anderen bei entsprechender Berufserfahrung nur hinsichtlich neuer Produkte oder veränderter gesetzlicher Regelungen sinnvoll wären.109 Die Experten merkten jedoch auch an, dass es von der Ausbildung und der Häufigkeit der Schulung unabhängig sei, ob ein Berater gute oder schlechte Leistungen erbringe.110 Dies hinge zum einen mit dem persönlichen Interesse des Beraters zusammen und zum anderen mit dessen Charakter.111 Auch gelte dies für beide Beratungsformen. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die neuen Regelungen der Sachkunde aus Expertensicht richtig sind, da diese die Grundlage einer guten Beratung bilden und deshalb bereits heute schon ein sehr hoher Standard in den Häusern herrscht. Schwarze Schafe gäbe es unabhängig von der guten Ausbildung in beiden Systemen. 108

S. 45. 109

Kritisch noch zum RefE DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG,

Backes, Interview v. 15. 11. 2016; Paulisan, Interview v. 04. 04. 2017. Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016; Jäger, Interview v. 24. 10. 2016; Witteck, Interview v. 14. 09. 2016; Stachowiak, Interview v. 12. 04. 2017. 111 Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016. 110

214

4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

5. Zwischenfazit Von der ursprünglichen Erwartung, dass die deutschen Anlageberater von den neuen Sachkundenachweisen kaum betroffen seien, muss bei ausschließlichem Regelungsvergleich Abstand genommen werden. Durch die Leitlinien von ESMA, die in die WpHGMaAnzV übernommen werden sollen, werden diese signifikant erhöht. So hat die BaFin am 24. 07. 2017 die Konsultationsergebnisse und ihren überarbeiteten Entwurf veröffentlicht.112 Die eingegangenen Stellungnahmen kritisieren insbesondere die regelmäßigen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen als strenger als von ESMA vorgesehen.113 Auch sollten die Sachkundeanforderungen, wie von ESMA vorgesehen, abschließend geregelt werden und nicht mit insbesondere eingeführt werden114. Auch diese Kritik wird in dem überarbeiteten Entwurf nicht berücksichtigt. Ausweislich der Experteninterviews sind die WpDU aber tatsächlich bereits gut auf die neuen Anforderungen vorbereitet. Zudem geht der deutsche Gesetzgeber über die europäischen Anforderungen hinaus und lässt die Registrierungspflicht sowie seine bislang geltenden Anforderungen an die Sachkunde des Beraters als zusätzliche Anforderungen bestehen.115 Ein genereller Sachkundenachweis des Beraters gegenüber dem WpDU wird von der MiFID II nicht gefordert, sondern nur auf Verlangen der Aufsichtsbehörde gegenüber dem WpDU. Eine Registrierungspflicht ist überhaupt nicht vorgesehen. Die im Vergleich zum aktuellen nationalen Recht strengere Anforderung von ESMA setzt der deutsche Gesetzgeber um, indem er eine jährliche Überprüfung der Mitarbeitersachkunde und damit erstmalig einen ex-ante Nachweis einführt. Insgesamt sind die Umsetzungsregelungen positiv zu bewerten. Jedoch sollte der Gesetzgeber keine über die europäischen Regeln hinausgehenden zusätzlichen Anforderungen schaffen, da diese das Ziel, ein einheitliches Regelwerk zu schaffen, konterkarieren. Zudem ist an dieser Stelle auch zu berücksichtigen, dass die Anzeigepflicht, die als Mittel gegen die schlechte Beratungsleistung des einzelnen Beraters zu Beginn positiv bewertet wurde,116 kaum Erfolg zeigt. Auch nach der Einführung einer solchen wird die Beratungsqualität weiterhin als schlecht bewertet.117

112 s. dazu https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Konsultation/2017/ kon_0317_WpHGMaAnzV_WpDPV.html (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 113 Vgl. DK, Stellungnahme zum Diskussionsentwurf einer Verordnung zur Änderung der WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung (WpHGMaAnzV) vom 29. Mai 2017, S. 2 f. 114 Vgl. DK, Stellungnahme zum Diskussionsentwurf einer Verordnung zur Änderung der WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung (WpHGMaAnzV) vom 29. Mai 2017, S. 3. 115 I. E. DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 30 f. 116 s. Halbleib, WM 2011, 673, 674. 117 s. Stiftung Warentest, Nur 3 von 23 Banken beraten gut, Finanztest 2/2016, 32.

A. Sachkundenachweis

215

III. Sachkunderegelungen in Großbritannien Auch das britische Recht enthält eine Anzeigepflicht der Mitarbeiter gegenüber der Aufsichtsbehörde.118 So hat das WpDU seinen Mitarbeiter, wenn er bestimmte Aufgaben (controlled function) erfüllt,119 seit dem Financial Services and Marktes Act 2000 vor der Aufnahme dieser Tätigkeiten der FCA zu melden. Dieser wird, wenn er die Voraussetzungen des sog. fit & proper-Test erfüllt, in das Register der FCA eingetragen.120 Der dafür vorgesehene fit & proper-Test prüft die Tauglichkeit der Adviser, indem diese ihre Ehrlichkeit, Kompetenz und finanzielle Solidität nachweisen müssen.121 Auch die bislang geltende deutsche Regelung zum Sachkundenachweis war an diesen angelehnt.122 Um den fit & proper-Test hinsichtlich der Ehrlichkeit zu bestehen, darf der Adviser unter anderem keine Straftat begangen haben, insb. keine Geldwäsche oder Insiderhandel. Ebenso darf er nicht in einem Zivilverfahren verurteilt worden sein; vor allem nicht im Zusammenhang mit Investitionen oder anderen Finanzgeschäften, insb. wegen Betruges.123 Mithin enthält auch das britische Recht ein Zuverlässigkeitskriterium. Für die Erfüllung der finanziellen Solidität, darf der Adviser vor Gericht nicht wegen Ausständen bzw. Zahlungsforderungen, die er nicht fristgerecht beglichen hat, schuldig gesprochen worden sein. Außerdem darf er nicht Insolvenz angemeldet haben.124 Die FCA hat für die Anforderungen der Kompetenz im Rahmen des fit & properTests Anforderungen, Training and Competence, erlassen. Ebenso muss der Adviser durch Erfahrung und Schulungen nachweisen können, dass er für seine Aufgabe geeignet ist.125 Darüber hinaus stellen die WpDU sicher, dass ihre Adviser hinsichtlich der Beurteilung und Aufrechterhaltung von Kompetenz sowie der Führung von Aufzeichnungen geschult sind. Maßgeblich hierfür sind das Senior Management Arrangements, Systems and Controls Sourcebook (SYSC)126 und das Training & Competence Sourcebook (TC)127. Wobei letzteres für Retail Adviser gilt, ersteres für AIFM und Versicherungen. 118 119 120

Fn. 6. 121

Günther, WM 2012, 2267, 2268 Fn. 6; Morton, C.O.B. 2004, 19(Sep), 1, 8 f. s. zur controlled function Morton, C.O.B. 2004, 19(Sep), 1, 4 f. FCA, Approved Persons; FCA, The financial register; Günther, WM 2012, 2267, 2268

FCA, Handbook, FIT 1.G.; Morton, C.O.B. 2004, 19(Sep), 1, 11 f. Günther, WM 2012, 2267, 2268. 123 Für weitere Voraussetzungen s. FCA, Handbook, FIT 2.3.1 G.; Morton, C.O.B. 2004, 19 (Sep), 1, 8 f. 124 FCA, Handbook, FIT 2.3; Morton, C.O.B. 2004, 19(Sep), 1, 11. 125 FCA, Handbook, FIT 2.2. 126 FCA, Handbook, SYSC; s. dazu Veil/Wundenberg, Englisches Kapitalmarktrecht, 141 f. 127 FCA, Handbook, TC. 122

216

4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

FCA definiert Kompetenz dahingehend, dass der Adviser die entsprechenden Fähigkeiten, das Wissen und die Erfahrung haben muss, um die ihm übertragene Aufgabe ordnungsgemäß zu erfüllen.128 Das WpDU hat die Aufrechterhaltung der Beraterkompetenz regelmäßig zu erfüllen.129 Dabei muss es Änderungen an den Handelsplätzen, in Finanzprodukten, regulatorischen Anforderungen und dem Gesetz berücksichtigen.130 Folglich kennt das britische Recht bereits den ex-ante Nachweis. Darüber hinaus muss das WpDU für mindestens fünf Jahre (in Zusammenhang mit der MiFID I, ansonsten nur drei Jahre) Aufzeichnungen über entsprechende Mitarbeiterschulungen, Beurteilungen, und entsprechende Kontrollen etc. aufbewahren.131 Im Jahr 2009 führte Großbritannien die Verpflichtung ein, dass Investment Adviser Produktempfehlungen nur aussprechen dürfen, wenn sie das Produkt und dessen Struktur vollständig verstanden haben.132

1. Regelungen nach der RDR Mit Einführung der RDR im Jahre 2012 wurden diese Regelungen ergänzt bzw. für retail investment adviser neu eingeführt. So sah FSAvor, dass ab dem 31. 12. 2012 alle Adviser den code of ethics unterzeichnen, eine entsprechende Ausbildung besitzen, mindestens 35 Stunden zur Weiterbildung pro Jahr aufwenden müssen und ein Statement of Professionality Standing (SPS) durch eine akkreditierte Stelle erhalten.133 Diese Angaben müssen die WpDU für jeden individuellen Adviser an FSA übermitteln. Zusätzlich übermitteln sog. akkreditierte Stellen an FSA Adviser, die aufgrund von fehlenden Voraussetzungen kein SPS erhalten. Das SPS, welches max. 12 Monate gültig ist, bestätigt, dass der Adviser die Standards erfüllt, sein Fachwissen kontinuierlich auffrischt sowie sich dem code of ethics verpflichtet hat.134 Erfüllen die Adviser die zuvor genannten Voraussetzungen insgesamt nicht, so dürfen sie dem Kunden keine individuelle Anlageempfehlung erteilen. Hintergrund ist der sowohl der deutschen als auch der europäischen Regelung zugrundeliegende Gedanke, dass durch die Anhebung der Qualifikation des Advisers mehr Zufriedenheit bei den Kunden entsteht und damit das Vertrauen in den Finanzmarkt wächst. Zum Nachweis der Qualifikation hat FSA eine Liste erstellt, in der sämtliche von ihr als angemessen betrachteten Abschlüsse für die jeweilige Art der Anlageberatung 128

FCA, Handbook, TC 1.1.4.G. FCA, Handbook, TC 2.1, 2.1.12.R., 2.1.13.G.; s. Morton, C.O.B. 2004, 19(Sep), 1, 26. 130 FCA, Handbook, TC 2.1.13.G. 131 FCA, Handbook, TC 3.1.R.; s. Morton, C.O.B. 2004, 19(Sep), 1, 27. 132 FSA, Using the FSA’s structured investment product advice suitability assessment template, S. 9; Köndgen, FS Hopt, 2113, 2135; Möllers/Poppele, ZGR 2013, 437, 469 f. 133 FCA, Handbook, TC 2.1.15.R.; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 22 f.; s. für den Inhalt des SPS, FCA, Factsheet For investment advisers, Professional standards, No.008, S. 2. 134 Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 23. 129

A. Sachkundenachweis

217

aufgegliedert werden.135 Sie unterscheidet darin zwischen originärer Qualifikation (a) und der Zusatzqualifikation (b), die als Aufbau zur Leistungserbringung benötigt wird. Der code of ethics schreibt allgemeine Grundsätze fest, die der Berater bei seiner Berufsausübung beachten muss. So muss dieser bspw. ein Bewusstsein haben und akzeptieren, dass er im öffentlichen Interesse handelt (100.0).136 Ebenso muss er die folgenden Werte beachten: Die Integrität, indem er ehrlich in allen Businessangelegenheiten agiert; die Objektivität, indem er Interessenkonflikte vermeidet; die Fachkompetenz und die Sorgfalt, indem er seine Fachkenntnisse auf einem hohen Niveau hält, um sicherzustellen, dass der Kunde in Hinblick auf die aktuellen Entwicklungen und Techniken eine professionelle und adäquate Dienstleistung erhält; die Vertraulichkeit, indem er Ergebnisse oder Gesprächsinhalte aus den Beratungsgesprächen nicht offenlegt; die Professionalität, indem er sich an Recht und Gesetze hält und alle Handlungen unterlässt, die seinen Beruf in Verruf bringen.137 Die 35 Fortbildungsstunden pro Jahr müssen 21 strukturierte Stunden aufweisen, die bspw. durch Seminare, Vorträge, Workshops, Konferenzen oder E-Learning absolviert werden können.138 Nicht ausreichend ist Produktrecherche oder Kundenkontakt.139 Zugleich stellt FCA deutlich heraus, dass es nicht darum geht, nur die Anwesenheit bei solchen Veranstaltungen nachzuweisen, sondern effektives Wissen.140 Der individuelle Adviser muss für den Stundennachweis ein sog. continuing professional development (CPD) erstellen, welches sowohl eine Aussage darüber trifft, auf welchen Themengebieten Wissenslücken des jeweiligen Advisers bestehen bzw. welche Lernziele er sich dahingehend setzt.141 Außerdem muss dargestellt werden, wie der Adviser die Wissenslücken schließen, bzw. die Lernziele erreichen will, einschließlich der Stunden und Art der Lerneinheiten, die er dafür aufgewendet hat bzw. aufwenden will.142 Und letztlich, wie diese das gesetzte Ziel erreicht haben; insb., sofern vorhanden, das Testergebnis. Einmal jährlich muss der Adviser den akkreditierten Stellen mitteilen, dass er die Anforderungen seines CPDs erreicht hat. Die akkreditierten Stellen überprüfen die eingereichten Fortbildungsnachweise auf Relevanz, Bewertung und Richtigkeit.143 135

s. FCA, Handbook, TC App. 4.1. Code of ethics A, abrufbar unter: http://www.icaew.com/en/membership/regulations-stan dards-and-guidance/ethics/code-of-ethics-a (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018), s. Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 24. 137 Codes of ethics A (s. 4. Teil, Fn. 136). 138 FCA, Factsheet For investment advisers, Professional standards, No.008, S. 2; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 23. 139 FCA, Factsheet For investment advisers, Professional standards, No.008, S. 2; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 23. 140 FCA, Factsheet For investment advisers, Professional standards, No.008, S. 2. 141 Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 23. 142 Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 23. 143 FCA, Factsheet For investment advisers, Professional standards, No.008, S. 2. 136

218

4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

Vergleichbar mit dem deutschen Recht ist das WpDU für die Qualifikation verantwortlich und hat dafür Sorge zu tragen, dass der Adviser sein SPS erhält.144 Auch muss das WpDU an FCA die Stammdaten des Advisers mittels des Professionals Standard Data Template übermitteln.145 Darüber hinaus teilt das WpDU der FCA mit, wenn es zu drei oder mehr Beschwerden über einen Mitarbeiter innerhalb der letzten 12 Monate gekommen ist, oder die Beschwerde über 50.000 britische Pfund liegt.146 Zusätzlich muss ein Fehlverhalten der Adviser in Bezug auf die Kompetenz, das Nichterreichen der notwendigen Qualifikation innerhalb der gesetzten Frist und die Durchführung einer Aufgabe ohne Kompetenz oder Überwachung der FCA gemeldet werden.147 2. Erweiterung der Regelungen Folglich beinhaltete das britische Recht, anders als das deutsche, schon vor Einführung der MiFID II einen Maßstab zur ex-ante Bewertung der Adviser. Aber auch dieses muss hinsichtlich der neuen europäischen Regelungen verändert werden. FCA hält fest, dass sie die neuen Level-3-Maßnahmen von ESMA akzeptieren will und deshalb das Training and Competence Sourcebook an einigen Stellen erweitern wird, insb. um die Bestimmung aufzunehmen, dass der Berater mind. 6 Monate Erfahrung haben muss, um unbeaufsichtigt arbeiten zu dürfen und max. 4 Jahre beaufsichtigt arbeiten darf, um die entsprechende Kompetenz zu erlangen.148 3. Vergleich und Bewertung Hinsichtlich der Kompetenz zeigt sich die Anlehnung der deutschen Regelung an den fit & proper-Test deutlich. Ebenso ist die Regelung der charakterlichen Eignung dem britischen Recht entnommen. Auch kennen beide Regelungen (aufgrund europäischer Vorgaben) die Meldung von Beschwerden an die jeweilige Aufsichtsbehörde. Anders ist hingegen im deutschen Recht, auch im Vergleich zur Regelung in Großbritannien, die Betonung der vorzeitigen Kontrolle durch die Registrierungspflicht und nicht der ex-ante Kontrolle. Beide Rechtsordnungen kennen eine Anzeige des Mitarbeiters bei der jeweiligen Aufsichtsbehörde vor Aufnahme der Tätigkeiten, aber nur die britischen Regelungen beinhalten ausdrückliche Vorschriften zur nachträglichen Kontrolle der Sachkunde. 144

FCA, Factsheet For investment advisers, Professional standards, No.008, S. 2. FCA, Factsheet For investment advisers, Professional standards, No.008, S. 3. 146 FCA, Adviser reporting requirements. 147 FCA, Handbook, TC 2.1.31.R.; Hill, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1, 24. 148 FCA, Markets in Financial Instruments Directive II Implementation – Consultation Paper III, CP 16/29, S. 109. 145

A. Sachkundenachweis

219

Gänzlich anders handhabt die britische Regelung den Umgang mit der Aufrechterhaltung des Sachkundeniveaus des einzelnen Beraters. Das deutsche Recht kennt keinen Nachweis und keine Verpflichtung zur jährlichen Auffrischung des Wissens. Ein solcher wurde zunächst diskutiert,149 ist aber letztlich nicht umgesetzt worden. Dass die Berater auch im deutschen Recht nicht nur einmalig qualifiziert sein müssen, sondern die Sachkunde aufrechtzuerhalten haben, ergibt sich inzident aus den Bestimmungen, dass die Berater ihre Qualifikation dem WpDU gegenüber nachweisen und dieses anschließend den Berater bei der BaFin anzeigt sowie jede sich im Folgenden ergebende Änderung hinsichtlich des Beraters.150 Zugleich dürfen gem. § 31 Abs. 1 Nr. 1 WpHG nur Dienstleistungen durch entsprechend sachkundige Personen erbracht werden.151 In diesem Zusammenhang steht auch die Eingriffsbefugnis der BaFin, die dem WpDU den Einsatz eines Beraters, der die gesetzlichen Voraussetzungen hinsichtlich seiner Qualifikation nicht mehr erfüllt, untersagen kann.152 Damit hat dieser sehr wohl seine Kenntnisse aufrechtzuerhalten und insb. hinsichtlich neuer Anforderungen zu aktualisieren.153 Insofern trifft auch den deutschen Berater eine Weiterbildungspflicht.154 Er muss jedoch keine zusätzlichen Kenntnisse über sein bisheriges Wissensspektrum hinaus erlernen oder gar eine maximale Stundenanzahl nachweisen. Die britische, ausdrückliche Festlegung, dass die Sachkunde aufrechtzuerhalten ist, schafft Klarheit. Insgesamt ist jedoch der Umgang zur Aufrechterhaltung der Sachkunde nach deutschem Recht vorzugswürdig, da dieser flexibler auf die aktuellen Marktereignisse und Gesetzesänderungen angepasst werden kann. Der jährliche Zeitraum des britischen Rechts mit 35 Stunden ist zu starr angelegt. Gewisse Weiterbildungsmaßnahmen können nur sinnvoll über einen längeren Zeitraum erbracht werden, bzw. auf bestimmten Sachgebieten können sich die Anforderungen schneller oder langsamer verändern. Zugleich ergibt sich aus den 35 Stunden unter besonderen Umständen die Verpflichtung des Beraters, zusätzliche Kenntnisse zu erwerben. Die 35 Stunden sind grds. zur Aufrechterhaltung des status quo ausgelegt, wenn diese jedoch durch die Grundauffrischung noch nicht aufgebraucht sind, muss er weitere Kurse besuchen, um die Stundenanzahl einzuhalten. Es sollte grds. die persönliche Entscheidung des Anlageberaters bleiben, ob er nach der Auffrischung seiner Kenntnisse noch zusätzliche Qualifikationen erlangen möchte oder nicht.

149 So bspw. These p des Thesenpapiers des BMELV, Qualitätsoffensive Verbraucherfinanzen Eckpunkte für eine gesetzliche Regelung des Berufsbildes der Honorarberatung. 150 I. E. Laban, Organisations- und Verhaltenspflichten in der Anlageberatung nach Inkrafttreten des AnsFuG, 149 f. 151 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 10. 152 Fedchenheuer, Die Qualifikationsanforderungen an Anlageberater, 207 f. 153 I. E. Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34d Rn. 10, der die aktuelle Sachkunde des Beraters betont. 154 A.A. Fedchenheuer, Die Qualifikationsanforderungen an Anlageberater, 208.

220

4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

IV. Die Sachkunderegelungen in den Vereinigten Staaten von Amerika Die Vereinigten Staaten von Amerika kennen ebenfalls Vorschriften hinsichtlich der Qualifikation der Investment Adviser und Broker-Dealer, verfolgen hier jedoch erneut einen anderen Ansatz als zuvor auf europäischer Ebene dargestellt. 1. Die Regelungen für Investment Adviser So trifft der IAA keine Aussagen über Mindeststandards hinsichtlich der Ausbildung und Kenntnisse der Investment Adviser.155 Versuche von SEC, entsprechende Regelungen einzuführen, wurden unter anderem mit der Begründung abgelehnt, dass die Offenlegung des Ausbildungsstandards ausreichend sei.156 Sec. 203 (c) (1) (A) IAA bestimmt lediglich, dass der Adviser bei seiner Registrierung Informationen zu seiner Ausbildung und seinen Kenntnissen bereitstellen muss. Nach der sog. brochure rule – Sec. 203 (3) IAA – muss dem (potenziellen) Kunden vor oder während des Abschlusses des Beratungsvertrags eine Broschüre in Form des Form ADV Part 2A (Broschüre) und Part 2B (Broschüren Anhang) übergeben werden.157 In dieser muss der Adviser seine Tätigkeit sowie seine Kenntnisse und Spezialisierungen darlegen, aber auch mögliche Interessenkonflikte offenlegen.158 Mithin liegt es am Kunden, sich über Ausbildungsstandards und darüber, wie weit „sein“ Adviser qualifiziert ist, zu informieren. Allerdings verlangen einige einzelstaatliche Gesetze zusätzlich zur Registrierung das Bestehen eines Tests (exam).159 2. Die Regelungen für Broker-Dealer Anders ist bisweilen die Ausgestaltung für die im Vergleich zum Investment Adviser weniger streng regulierten Broker-Dealer. Für diese hat SEC von ihrer Ermächtigung gem. Sec. 15 (b) (7) Securities Exchange Act (SEA) Gebrauch gemacht und Standards für die Betriebskapazität, die Ausbildung, Erfahrung, 155 Schelm, Sorgfalts- und Loyalitätspflichten im Investmentrecht, 31 Fn. 47; Frankel/Laby §1.02 (A), 1 – 39; Black, 13 U. Pa. J. Bus. L. 59, 64. 156 Frankel/Laby §1.02 (A), 1 – 39. 157 s. dazu Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VII, Kap. 8, 336 f. 158 SEC, General Information on the Regulation of Investment Advisers; Loss/Seligman/ Paredes, Securities Regulation VII, Kap. 8, 337 f. 159 Frankel/Laby §10.1, 10 – 6; Black, 13 U. Pa. J. Bus. L. 59, 64; s. auch http://www.nasaa. org/industry-resources/exams/ (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018) zum Series 65 exam bestehend aus 140 Fragen, die in 180 Minuten mit 72 % beantwortet werden müssen, um Investment Adviser Representative zu werden. Dieser Test kann jedoch umgangen werden, wenn der Abschluss eines Certified Financial Planner (CFP), Chartered Financial Consultant (ChFC), Personal Financial Specialist (PFS), Chartered Financial Analyst (CFA), or Chartered Investment Counselor (CIC) vorliegt. Die Voraussetzungen der Registrierung in den einzelnen Staaten sind unterschiedlich, New York bspw. verlangt kein Exam.

A. Sachkundenachweis

221

Kompetenz und andere Qualifikationen für registrierte Broker-Dealer und die dazugehörigen Personen festgelegt.160 So müssen unter anderem zur Sicherstellung des Knowhows Personen, die zu den Broker-Dealern gehören, bspw. Börsenmakler, und sich direkt mit der Firma oder mit dem Kunden befassen, einen Test bestehen.161 Dabei hat SEC einen Minimum-Katalog an Vorgaben erstellt, verlässt sich aber hinsichtlich der Erstellung und der Durchführung der Tests auf FINRA162 – der für die Broker-Dealer und die Konkretisierung des SEA zuständigen Aufsichtsbehörde.163 Gemäß Sec. 15 (b) I SEA kann SEC die Registrierung bei Hinweisen auf Fehlverhalten oder falschen Angaben verweigern (oder später widerrufen).164 Allerdings bestehen großzügige Ausnahmen von der Registrierungspflicht, sodass hier eine Umgehungsmöglichkeit besteht. Des Weiteren ist SEC ebenfalls für Sanktionen zuständig, Sec. 10 (b) SEA. Zugleich muss sich der Broker-Dealer zusätzlich zur Registrierung bei SEC bei einer Selbstverwaltungsorganisation registrieren, i. d. R. FINRA. Diese verlangen das Bestehen der Series 7 Examination sowie der Series Exam 63.165 Darüber hinaus verlangt NASD Rule 1120 eine dauerhafte Sachkunde des einmal registrierten Broker-Dealers, indem ein computergestütztes Trainingsprogramm zum 2. Jahrestag der Registrierung absolviert werden muss, danach alle drei Jahre. Zusätzlich muss das WpDU den Broker-Dealer hinsichtlich der Produkte und der Dienstleistungen, die dem Kunden angeboten werden, regelmäßig schulen. 3. Vergleich und Bewertung Die Regelungen des amerikanischen Rechts differieren nicht nur im Vergleich zum deutschen Recht, sondern auch hinsichtlich der Ausgestaltung für Investment Adviser und Broker-Dealer. Die Regelungen für letztere weisen allerdings Gemeinsamkeiten mit den Anforderungen für die deutschen Berater auf. Der BrokerDealer ist verpflichtet, seine Sachkunde dauerhaft aufrecht zu erhalten. Er muss dies sogar alle zwei Jahre durch einen Test belegen. Auch seine Qualifikation muss er zu Beginn durch eine Prüfung bei der Aufsichtsbehörde nachweisen. Der deutsche Berater kann seine Beratungsqualifikation zu Beginn der Tätigkeit durch den Nachweis eines von der BaFin akzeptierten Abschlusses darlegen. Einen Test muss 160

Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulations VI, Kap. 8, 601 f. Cox/Hillmann/Langevoort, Securities Regulation, Kap. 18, 1021; Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VI, Kap. 8, 601 f. 162 Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VI, Kap. 8, 602 f.; Black, 13 U. PA. J. Bus. L. 59, 63. 163 FINRA, Books and Records, IV. Electronic Communications. 164 Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VI, Kap. 8, 707. 165 s. hierfür http://www.nasaa.org/industry-resources/exams/series-63-resources/ (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). Es müssen 43 aus 60 gewerteten Multiple-Choice-Fragen innerhalb von 75 Minuten richtig beantwortet werden. Ausf. zu den Exams und den entsprechenden fees, Tuch, 83 Geo. Wash. L. Rev. 101, 120 f. 161

222

4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

er auch ausdrücklich nicht absolvieren, um die Aufrechterhaltung seiner Fähigkeiten nachzuweisen. Mithin sind die amerikanischen Regelungen enger an die Aufsichtsbehörde geknüpft. Gemein ist dem amerikanischen und dem deutschen Recht, dass beide das WpDU verpflichten den Berater regelmäßig hinsichtlich neuer Produkte oder Dienstleistungen, die dem Kunden angeboten werden, zu schulen. Grundsätzlich sind die WpDU nach beiden Rechtsordnungen auch dazu verpflichtet, ihre Berater vor Aufnahme der Tätigkeit bei der Aufsichtsbehörde zu registrieren, bzw. deren Registrierung zu überprüfen.

V. Fazit zu den neuen Sachkundeanforderungen Es zeigt sich, dass die Herangehensweise an die Qualifikation der Mitarbeiter zwischen den europäischen Mitgliedstaaten und den USA deutlich differiert und die USA ein nicht so weit verzweigtes Netzt an Regelungen für die Unternehmen und die Adviser entworfen haben. Zugleich zeichnet sich auch hinsichtlich der europäischen Regelung ab, dass diese maßgeblich durch die bereits in Deutschland und Großbritannien bestehenden Regelungen geprägt wurde. Allen drei Rechtsordnungen ist es jedoch gemein, dass die Aufsichtsbehörden ein Beraterregister führen und den Berater als zentrale Schlüsselfigur für die Beratungsqualität und die Vermeidung von Interessenkonflikten betrachten. Für die Gesamtbetrachtung des Regelungsbildes der Beraterqualifikation lohnt es sich jedoch, einen Schritt zurückzutreten, um das gesamte Ausmaß zu erfassen. Grundlegend ist ein gewisses Maß an Ausbildung und Schulung sowie deren Aufrechterhaltung für die Beratungsqualität notwendig und sinnvoll. Anhand der nun auf europäischer Ebene vorliegenden, dezidierten Anforderungen wird die Sinnhaftigkeit jedoch in Frage gestellt. Auf diese Weise können nur Fehler der ohnehin redlichen Berater abgefangen werden. Ein Berater, der eine Schulung besucht und diese mit einem hervorragenden Zeugnis abschließt, kann in der Praxis etwas vollständig anderes praktizieren, als er zuvor in einer Schulung gelernt hat.166 Daher sind Vorschläge, allgemeine Qualifikationstests, bspw. bei der Industrie- und Handelskammer durchzuführen, um ein einheitliches Qualifikationsniveau sicherzustellen,167 verfehlt. Sachkunde und Qualifikationsnachweise beugen weder kriminellen Energien vor, noch erschweren sie solche. Dieses Fehlverhalten kann nur durch interne Kontrollen aufgedeckt werden. Bspw. indem die Rückabwicklungsquoten des Beraters beobachtet werden und bei Überschreiten eines bestimmten Prozentsatzes

166

s. Witteck, Interview v. 14. 09. 2016. s. Laban, Organisations- und Verhaltenspflichten in der Anlageberatung nach Inkrafttreten des AnsFuG, 234 f. 167

A. Sachkundenachweis

223

direkt das Gespräch mit dem Berater gesucht wird, um die Hintergründe dafür aufzuklären.168 Eine solche Herangehensweise böte sich auch für die BaFin an. Anstatt allen WpDU und Mitarbeitern zusätzliche Anforderungen aufzuerlegen, könnte die BaFin beobachten, in welchen WpDU besonders viele Beschwerden auftreten und ob diese gerechtfertigt sind – schließlich müssen alle Beschwerden gemeldet werden.169 Hier könnte sie dann zusätzliche Anforderungen anbringen oder entsprechende Personen ausschließen. Die detaillierten Vorgaben hinsichtlich der qualifizierten Abschlüsse und Nachweise werden dazu führen, dass die WpDU noch kritischer hinterfragen werden, wo und wie der Berater seine Kenntnisse erlangt hat und lieber einen hochkarätigen Nachweis in Form eines Schulungszertifikats von einem renommierten Schulungsanbieter in ihren Mitarbeiterakten abspeichern, anstatt sich auf die Erfahrungsregel zu verlassen. Dies freut jedoch diejenigen Unternehmen, die sich auf die Schulung in Form von Modulen und Zertifikaten spezialisiert haben.170 Dadurch wird von dem Gesetzgeber ein eigenständiger Wirtschaftszweig kreiert bzw. gefördert. Die Sachkunde wird ebenso durch interne Schulungen erlangt, indem der jeweilige Mitarbeiter bei einem erfahrenen Mitarbeiter lernt und ein interner auf das jeweilige WpDU und seine Kunden angepasster Wissenstransfer stattfindet.171 Solche Schulungen sind grds. immer noch möglich und können über die bislang stattfindenden jährlichen Prüfungen der verantwortlichen Vertriebsbeauftragten und Compliance-Officer durch externe Prüfer bzw. Prüfberichte nachgewiesen werden. Allerdings ist dies aufwendiger, als die Mitarbeiter entsprechend extern zu schulen. Einen Mehrwert in Form einer verbesserten Beratungsleistung dürften am allerwenigsten die Kunden spüren – vielmehr wird diese teurer, da die neuen Schulungskosten finanziert werden müssen. Die Anforderungen berücksichtigen nicht das hohe Eigeninteresse der WpDU, durch qualifizierte Ausbildung der Berater Kunden zu gewinnen, zu binden und sich von der Konkurrenz abzuheben, aber auch um sich vor den gravierenden Folgen der zivilrechtlichen Haftung für Beratungsfehler zu schützen.172 Daher wäre ein gewisser Grundstock an Anforderungen zur Sachkunde und zu deren Aufrechterhaltung der Berater ausreichend. Darüber hinaus zeigt sich anhand der Fülle der neuen Anforderungen, dass diese durch kleine Bankfilialen, oder durch den einzelnen Bankberater, nicht mehr erbracht werden können, sondern kopflastig Teams eingerichtet werden müssen, die 168 So bspw. praktiziert bei der Deutschen Vermögensverwaltung, s. dazu Stachowiak, Interview v. 12. 04. 2017. 169 Witteck, Interview v. 14. 09. 2016. 170 I. E. Witteck, Interview v. 14. 09. 2016. 171 Witteck, Interview v. 14. 09. 2016. 172 Jäger, Interview v. 24. 10. 2016.

224

4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

für die gesamte Bank die politischen Entwicklungen, deren Auswirkungen sowie aktuelle Trends etc. aufnehmen und beurteilen, an denen sich die Berater orientieren.173 Aber auf diesem Wege entstehen neue „Qualitätsprobleme“, denn die Einordnung obliegt immer noch dem einzelnen Berater, der sich jedoch nicht mehr dezidiert mit einzelnen Themen auseinandergesetzt hat, sondern ausschließlich der Hausmeinung folgt. Hier besteht die Gefahr des stumpfen Nachbetens der vorgegebenen Meinung, ohne diese zu hinterfragen. Eine Qualitätssteigerung ist damit nicht in jedem Falle gegeben. Durch die neuen detaillierten Vorgaben, die kleinere WpDU vor hohe Herausforderungen stellen, zeigt sich, dass der europäische Gesetzgeber erneut das deutsche Bankensystem mit seinen kleineren Banken außer Acht lässt.174 Langfristig können die kleineren Banken die stetig steigenden Anforderungen nicht erfüllen, bzw. nicht mehr in jeder Filiale eine entsprechende Beratung anbieten. Damit jedoch weiterhin ein flächendeckendes Beratungsangebot bestehen bleibt, könnten die WpDU bspw. Kompetenz-Teams bilden, die entsprechend geschult sind und bei Bedarf in die jeweilige Filiale kommen und dort die Beratung durchführen. Das Kompetenz-Team hätte nicht nur einen Kostenvorteil, sondern wäre aufgrund der ausschließlichen Beratungstätigkeit sehr spezialisiert. Indem der Filialmitarbeiter ebenfalls an dem Beratungsgespräch teilnimmt, könnte auch die Berater-Kunden-Bindung aufrechterhalten werden. Jedoch würde ggf. die Kompetenz des Filialmitarbeiters als bisheriger Ansprechpartner nach außen für den Kunden abgewertet. Allerdings zeigt dieses Szenario, dass langfristig, aufgrund der stetig steigenden Anforderungen und damit einhergehenden Kosten, das bislang flächendeckende Beratungsangebot eingeschränkt werden wird.

B. Mitarbeitervergütung ohne Anreize zur Falschberatung I. Europäische Regelungen 1. Die Vergütungsregelungen der MiFID II Den zweiten Ansatzpunkt zur Verbesserung der Beratungsqualität, die Beratervergütung, wird an mehreren Stellen aufgegriffen. Das Problem der falschen Anreizwirkung durch Vergütungssysteme der Anlageberater war bereits in der MiFID I enthalten und wurde in ESMA-Leitlinien175 konkretisiert. Allerdings wurde bislang 173 174

2016.

Zur Einrichtung von solchen Head-Teams Herting/Alpers, Interview v. 13. 02. 2017. Ausdrücklich aber in anderem Zusammenhang Michels/Backes, Interview v. 15. 11.

175 ESMA, Guidelines on remuneration policies and practices. Die deutsche Fassung wird im Folgenden als ESMA, Leitlinien Vergütungsgrundsätze und -verfahren zitiert.

B. Mitarbeitervergütung ohne Anreize zur Falschberatung

225

nur reglementiert, dass Interessenkonflikte zu vermeiden sind und diese die Mitarbeiter nicht behindern dürfen, im besten Kundeninteresse zu handeln.176 Die MiFID II greift diesen Themenkomplex gleich an mehreren Stellen auf. So muss das Leitungsorgan des WpDU ein Vergütungssystem für Mitarbeiter, die Kundendienstleistungen erbringen, festlegen, einführen und überwachen, Art. 9 Abs. 3 UA 2 lit. c) MiFID II. Dieses Vergütungssystem soll eine verantwortungsvolle Unternehmensführung, eine faire Behandlung der Kunden und eine Vermeidung von Interessenkonflikten im Verhältnis zu den Kunden ermöglichen, Art. 9 Abs. 3 UA 2 lit. c) MiFID II. Eine persönliche Haftung, sowohl straf- als auch zivilrechtlich, wie sie noch im Parlamentsentwurf zur MiFID II vorgesehen war, wurde jedoch in der endgültigen Fassung nicht aufgenommen.177 Die Vergütung und die Bewertung der für den Kunden erbrachten Mitarbeiterdienstleistung darf den Berater nicht veranlassen, das bestmögliche Kundeninteresse zu vernachlässigen, Art. 24 Abs. 10 S. 1 MiFID II. Zugleich darf keine Vergütungsvereinbarung, keine Verkaufszielvereinbarung oder ähnliches getroffen werden, die die Mitarbeiter des WpDU dazu verleiten könnten, dem Kleinanleger nicht das am besten geeignete, vom WpDU bereit gehaltene Produkt zu empfehlen (S. 2). Darüber hinaus widmet sich auch Art. 23 Abs. 1 i.V.m. Art. 16 Abs. 3 MiFID II der Vergütungsstruktur, indem das WpDU geeignete Vorkehrungen zur Vermeidung, Erkennung oder Regelung von Interessenkonflikten treffen muss, einschließlich solcher, die durch die eigene Vergütungsstruktur oder andere Anreizwirkung durch das WpDU entstehen. Die neuen Organisations- und Verhaltensvorschriften spiegeln den hohen Stellenwert, den der europäische Gesetzgeber dieser potentiellen Fehlerquelle weiterhin beimisst, wider. So sind ausweislich des ErwG. 77 die Regelungen der Vergütungssysteme zum Zwecke des Verbraucherschutzes vorgesehen. Daher überrascht es, dass die Anforderungen an die Vergütungsstruktur im Vergleich zum Vorschlag des europäischen Parlaments verallgemeinert wurden und damit an Strenge verloren haben.178 Dieser sah noch ausdrücklich vor, dass die Vergütung nicht weitgehend von Verkaufszielen, vom Ertragswert der Anlageprodukte oder Finanzinstrumente abhängen darf, Art. 24 Abs. 1b lit. a) MiFID II-EPE. Zudem sollte die Vergütungsstruktur der Mitarbeiter, die Kleinanleger über Finanzinstrumente beraten oder ihnen diese verkaufen, nicht ihre Fähigkeit einschränken, ggf. eine objektive Empfehlung abzugeben oder Informationen in einer Weise zur Verfügung zu stellen, die fair, klar und nicht irreführend ist. Diese Anforderungen fehlen in der endgültigen Regelung.179 176

ESMA, Final Report, Kap. 2.11, S. 96, Nr. 4. Art. 9 Abs. 8a MiFID II-EPE (s. 1. Teil, Fn. 14); Möllers, ZEuP 2016, 325, 343 Rn. 138. 178 Vgl. Möllers, ZEuP 2016, 325, 342 f. 179 A.A. Möllers, ZEuP 2016, 325, 342 f., der verkennt, dass Art. 24 Abs. 10 MiFID II auch die Beurteilung der Mitarbeiter dahingehend verbietet, dass das verwendete Vergütungssystem nicht der Verpflichtung im bestmöglichen Anlegerinteresse zu handeln entgegenstehen darf. 177

226

4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

2. Konkretisierte Anforderungen in der delegierten Verordnung a) ESMAs Vorschläge an die Kommission Die Vorschläge, die ESMA in ihrem Final Report anführt, orientieren sich an den Leitlinien, die ESMA hinsichtlich der Vergütungsstruktur bereits im Jahr 2013 veröffentlicht hat. ESMA schlägt der Kommission vor, dass die Vergütungsstrukturregelungen für alle relevanten Personen gelten sollen, unabhängig davon, ob sie Kleinanleger oder professionelle Kunden beraten, wenn diese bedeutenden – sowohl direkten als auch indirekten – Einfluss auf die von dem WpDU erbrachten Wertpapier- und Wertpapiernebendienstleistungen oder das unternehmerische Verhalten haben.180 Dies soll jedoch nur insoweit gelten, als dass die Vergütung dieser Personen oder ähnliche Anreize zu einem Interessenkonflikt führen könnten, welcher sie veranlasst, gegen die Interessen eines Kunden des WpDU zu handeln.181 Die WpDU sollen nach Ansicht von ESMA ihre Vergütungspolitik, die sie kurz-, mittel- oder langfristig implementieren, nach einem geeigneten internen Verfahren festlegen, welches die Interessen aller Kunden des Unternehmens berücksichtigt.182 Damit soll eine faire Behandlung der Kunden gewährleistet und ein Verstoß gegen ihre Interessen aufgrund von Vergütungspraktiken verhindert werden.183 Das Vergütungssystem muss nach Beratung mit der Compliance-Abteilung durch das Management genehmigt werden.184 Dieses ist ebenfalls für die tägliche Umsetzung und die Compliance Überwachung zuständig.185 Für die inhaltliche Ausgestaltung der Vergütungssysteme möchte ESMA anstelle von ausschließlich oder überwiegend quantitativen Kriterien qualitative – bspw. die Einhaltung von Vorschriften, die faire Behandlung der Kunden und die Qualität der Dienstleistungen – im vollen Umfang berücksichtigen.186 Es soll jederzeit ein Gleichgewicht zwischen fixen und variablen Vergütungen bestehen, damit die Interessen des WpDU oder ihrer relevanten Personen nicht durch die Vergütungsstruktur gegenüber den Interessen eines Kunden begünstigt werden.187

Zwar wählt Art. 24 Abs. 10 MiFID II den Begriff des Kollidierens anstatt den des Entgegenstehens, praktisch ergibt sich daraus jedoch keine Unterscheidung in der Ausführung. Auch kann durch das Tatbestandsmerkmal des Art. 24 Abs. 10 S. 2 MiFID II „auf sonstigem Wege“ die von dem Parlamentsentwurf ausdrücklich aufgeführte und noch in S. 1 ebenfalls enthaltene Leistungsbewertung erfasst sein. 180 ESMA, Final Report, Kap. 2.11, S. 98, TA Nr. 2. 181 ESMA, Final Report, Kap. 2.11, S. 98, TA Nr. 2. 182 ESMA, Final Report, Kap. 2.11, S. 98, TA Nr. 3. 183 ESMA, Final Report, Kap. 2.11, S. 98, TA Nr. 3. 184 ESMA, Final Report, Kap. 2.11, S. 98, TA Nr. 4. 185 ESMA, Final Report, Kap. 2.11, S. 99, TA Nr. 5. 186 ESMA, Final Report, Kap. 2.11, S. 99, TA Nr. 6. 187 ESMA, Final Report, Kap. 2.11, S. 99, TA Nr. 7.

B. Mitarbeitervergütung ohne Anreize zur Falschberatung

227

b) Die Regelungen der MiFID II-DLVO In der MiFID II-DLVO lassen sich einige von ESMAs Vorschlägen wiederfinden. Allerdings hat die Kommission berücksichtigt, dass es bei kleineren Unternehmen je nach Strenge der Ausgestaltung der einzelnen Vorschriften zu erheblichen Problemen kommen kann: So stellt die Kommission fest, dass es bei kleineren WpDU nicht grds. die Unabhängigkeit der Funktion des Compliance-Managements und des Risikomanagements, die die Vergütungsregelungen aufstellen, aufhebt, wenn diese Funktionen durch eine Einzelperson ausgeübt werden.188 Der von ESMA entworfene Anwendungsbereich für die Vergütungsregelung wird überwiegend in Art. 27 Abs. 2 MiFID II-DLVO übernommen. Er wird jedoch dahingehend konkretisiert, dass auch Kundendienstmitarbeiter, Vertriebsmitarbeiter oder sonstige Mitarbeiter, die indirekt an der Erbringung der Wertpapier- oder Nebendienstleistungen beteiligt sind, erfasst werden sollen.189 Zugleich gelten die Vergütungsregelungen auch für Abteilungsleiter bzw. für Personen, die den Vertrieb überwachen. Damit soll gewährleistet werden, dass diesen keine Anreize geboten werden, die sie dazu veranlassen könnten, Druck auf die Mitarbeiter auszuüben, das Kundeninteresse zu vernachlässigen.190 Gleiches gilt für Finanzanalysten, da deren Unterlagen von den Vertriebsmitarbeitern als Grundlage zur Vermittlung herangezogen werden. Die Verantwortlichkeit des Managements und die Ausgestaltung hinsichtlich fixer und variabler Kosten übernimmt die Kommission ebenfalls vollständig in Art. 27 Abs. 3, 4 MiFID II-DLVO. In Art. 27 Abs. 1 MiFID II-DLVO legt die Kommission noch einmal grds. fest, dass WpDU in internen Verfahren Vergütungsregelungen aufzustellen haben, die die Interessen aller Kunden des WpDU berücksichtigen und durch die sichergestellt wird, dass die Kunden fair behandelt werden und „[…] dass ihre Interessen durch die von der Wertpapierfirma übernommenen Vergütungspraktiken kurz-, mittel- oder langfristig nicht beeinträchtigt werden“. Diese Regelungen sollen auch eine Definition der Vergütung festlegen, um eine effiziente und kohärente Anwendung der Bestimmungen sicherzustellen.191 Die MiFID II-DLVO enthält darüber hinaus eine nicht abschließende Aufzählung über direkte und indirekte Vergütungen, die unter die Regelung fallen sollten. Diese enthält Aktien, Aktienbezugsrechte, Beiträge zur Altersvorsorge, Lohnerhöhungen oder Beförderungen, Krankenversicherung, großzügige Dienstreisekostenabrechnungen etc. und entspricht damit der bestehende Vergütungsdefinition von ESMA in den Leitlinien 2013.192

188 189 190 191 192

ErwG. 37 MiFID II-DLVO. ErwG. 41 MiFID II-DLVO. ErwG. 41 MiFID II-DLVO. ErwG. 40 MiFID II-DLVO. ESMA, Leitlinien Vergütungsgrundsätze und -verfahren, S. 4.

228

4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

Insgesamt hat sich die Kommission damit den Vorschlägen und der Ansicht von ESMA hinsichtlich der Vergütungsregelungen angeschlossen. Da sich die Kommission dazu entschlossen hat, den delegierten Rechtsakt in Form einer Verordnung umzusetzen, welche unmittelbare Wirkung erlangt, braucht diese nicht in nationales Recht umgesetzt werden. Dennoch soll im Folgenden ein Blick auf die bisherige Rechtslage im deutschen Recht geworfen werden, um Änderungen aufzeigen zu können.

II. Die Vergütungsregelungen in Deutschland 1. Die Vergütungsregelungen vor der Umsetzung der europäischen Anforderungen In der deutschen Rechtsordnung bestehen viele Einzelregelungen hinsichtlich der Vergütung im Zusammenhang mit Wertpapierdienstleistungen bzw. WpDU. Hier ist das Versicherungsaufsichtsgesetz, die Versicherungsvergütungsverordnung, das Kreditwesengesetz sowie die Institutsvergütungsverordnung zu nennen. Diese agieren jedoch im Hinblick auf das dem jeweiligen Institut innewohnende systemische Risiko.193 Somit haben sie eine andere Schutzrichtung als die Regelungen der MiFID II, die die vergütungsbezogenen Risiken im Hinblick auf das Kundeninteresse regulieren sollen. Daher sollen diese in der folgenden Betrachtung der nationalen Regelungen nicht weiter berücksichtigt werden. Eine mit der europäischen Regelung vergleichbare Schutzrichtung lässt sich in § 33 Abs. 1 S. 2 Nr. 3a WpHG finden, der festlegt, dass Vertriebsvorgaben nicht entgegen der Kundeninteressen ausgestaltet werden dürfen. Die Vertriebsvorgaben erfassen dabei, ausweislich der Regierungsbegründung, auch Bonussysteme.194 § 13 Abs. 3 Nr. 3 WpDVerOV konkretisiert § 31 Abs. 1 WpHG dahingehend, dass die Vergütung der Mitarbeiter unabhängig von der Vergütung von Mitarbeitern mit anderen Aufgabenbereichen und unabhängig von den erwirtschafteten Unternehmenserlösen oder Prämien ausgestaltet wird, sofern eine der Tätigkeiten einen Interessenkonflikt auslösen kann.195 Zusätzlich hat die BaFin die bereits angesprochene ESMA-Leitlinie in ihre Verwaltungspraxis umgesetzt, indem sie diese in die MaComp integriert hat.196 So erlangte diese faktische Bindungswirkung gegenüber den Aufsichtsobjekten.197 Die BaFin wählte hierfür zwar einen anderen Aufbau, um sie in das bereits bestehende Gefüge von nationalen Regelungen zu integrieren und übernahm daher auch teilweise die deutsche Terminologie, aber veränderte die 193 194 195 196 197

Becker, BKR 2014, 151, 153. Begr. RegE AnsFuG, BT-Drs. 17/3628, S. 22; Becker, BKR 2014, 151, 153. Ausf. zu § 13 Abs. 3 Nr. 2 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 149. Becker, BKR 2014, 151, 153. Becker, BKR 2014, 151, 153.

B. Mitarbeitervergütung ohne Anreize zur Falschberatung

229

Leitlinien inhaltlich nicht.198 Da die BaFin mit BT 8 der MaComp die Leitlinien von ESMA umgesetzt hat und diese die Grundlage für ESMAs Technical Advice bildeten, der wiederum die Basis der MiFID II-DLVO darstellt, bestehen aktuell schon viele Übereinstimmungen mit der MiFID II-DLVO. Wie die MiFID II-DLVO differenziert BT 8 der MaComp ebenfalls nicht zwischen Kundengruppen. Erfasst werden „[…] Personen, die die erbrachten Wertpapierdienstleistungen, Wertpapiernebendienstleistungen oder das Verhalten des WpDU maßgeblich beeinflussen können […]“.199 Dass dies auch, wie nun ausdrücklich in der MiFID II-DLVO festgehalten, durch indirekten Einfluss geschehen kann, ergibt sich aus BT 8.1. Nr. 2 MaComp. Dieser erfasst, wie die ErwG. der MiFID II-DLVO, Vertriebsmitarbeiter, Außendienstmitarbeiter, vertraglich gebundene Vermittler sowie Personen, die die Vertriebsmitarbeiter kontrollieren – also deren Vorgesetzte. Eine Abweichung zu den ErwG. der Kommission sowie zu den ESMA Leitlinien 2013 ergibt sich für die Vergütungsdefinition. Diese ist grds. gleichlautend mit den europäischen Vorgaben, allerdings sieht BT 8.1. Nr. 3 MaComp eine Ausnahme für gesetzliche Rentenversicherungen i.S.d. SGB und betriebliche Altersversorgung i.S.d. Betriebsrentengesetzes vor.200 Die Definition der MiFID II-DLVO berücksichtigt jedoch beide als Vergütung. Dennoch kann die deutsche Regelung mit der Ausnahme beibehalten werden, da es sich bei der Festlegung der Vergütungsdefinition um eine Soll-Vorschrift handelt und die Altersversorgung hierfür beispielhaft aufgezählt wurde. So können nationale Besonderheiten weiterhin bestehen bleiben. Die grds. Zielsetzung der Kommission aus Art. 27 Abs. 1 MiFID II-DLVO findet sich wortgleich in BT 8.2.1 Nr. 1. MaComp. Nr. 2 schreibt wie nun Art. 9 Abs. 3 UA 2 lit. c) MiFID II vor, dass die Verantwortung zur Einführung eines solchen Vergütungssystems bei dem Leitungsorgan liegt. Die Compliance-Funktion ist vor Erlass der Vergütungsordnung ebenfalls nach BT 8.2.1 Nr. 3 hinzuzuziehen. Darüber hinaus ist die Compliance-Funktion auch nach 8.2.2. MaComp mit der Überwachung der Einrichtung, Ausgestaltung und Umsetzung des Vergütungssystems betraut. Diese sind, angepasst an die ESMA Leitlinien, detaillierter als die schlichte Aussage der Kommission, dass diese zu überwachen sind. Auch das geforderte Gleichgewicht zwischen fixen und variablen Vergütungen ist Teil, wenn nicht sogar Herzstück, der MaComp (BT 8.3).201 Diese müssen allerdings nicht in einem Gleichgewicht stehen, sondern in einem angemessenen Verhältnis. Dieses wird anhand von § 25a Abs. 5 KWG konkretisiert, sodass die variable Vergütung nicht 100 Prozent der festen Vergütung betragen darf. Im Einzelfall soll die variable Vergütung sogar vollständig entfallen. Auch die Festlegung, dass die variable Vergütung sich nicht ausschließlich an quantitativen Kriterien, sondern an qualitativen Elementen ausrichten muss, ist nach BT 8.3.2. Nr. 2 MaComp in der Verwaltungspraxis der BaFin bereits reglementiert. 198

Becker, BKR 2014, 151, 153. BT 8.1 Nr. 2 MaComp, vom 07. 06. 2010, geändert am 08. 03. 2017; Becker, BKR 2014, 151, 154. 200 Vgl. Becker, BKR 2014, 151, 155. 201 Becker, BKR 2014, 151, 156 ff. 199

230

4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

Mithin zeigt sich, dass sich zwischen der neuen Verordnung und der bereits bestehenden Verwaltungspraxis der BaFin nur unterschiedliche Detaillierungsgrade finden lassen, jedoch keine wesentlichen Neuerungen. Folglich müssen die Unternehmen keine gravierende Umstellung vornehmen, wenn die Regelungen der Verordnung in Kraft treten. 2. Die Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im 2. FiMaNoG Trotz der Regelung in einer Verordnung nimmt § 63 Abs. 3 WpHG-E RegE 2. FiMaNoG202 die Vergütungsregelung auf und statuiert, dass die WpDU sicherstellen müssen, dass die Leistung ihrer Mitarbeiter nicht in einer Weise vergütet oder bewertet wird, die mit der Pflicht, im bestmöglichen Interesse der Kunden zu handeln, kollidiert. Zusätzlich betont § 63 Abs. 3 S. 2 WpHG-E203 den Umgang mit dem Privatkunden. Dieser darf durch eine falsche Anreizsetzung in Form von Vergütungsvereinbarungen, Verkaufszielen oder in sonstiger Weise nicht der Gefahr ausgesetzt werden, dass er durch einen auf diese Weise beeinflussten Berater ein Finanzprodukt empfohlen bekommt, obwohl das WpDU ihm ein geeigneteres Produkt hätte anbieten können. Letztlich fasst die Entwurfsregelung die Anforderungen aus der MiFID II-DLVO zusammen, übersieht jedoch, dass diese gerade nicht zwischen den einzelnen Kundengruppen unterscheidet. Für weitere Bestimmungen hinsichtlich der Vergütung verweist § 63 Abs. 13 WpHG-E auf die MiFID II-DLVO. Durch § 81 Abs. 1 Nr. 3 WpHG-E im RegE 2. FiMaNoG204 soll Art. 9 Abs. 3 UA 2 lit. c) MiFID II umgesetzt werden. Auch dieser überträgt der Geschäftsleitung die Festlegung, Umsetzung und Überwachung der Vergütungsregelungen (im RefE 2. FiMaNoG noch als Vergütungspolitik bezeichnet) an Personen, die Wertpapieroder Wertpapiernebendienstleistungen ggü. Kunden erbringen. Diese müssen dafür Sorge tragen, dass eine verantwortungsvolle Unternehmensführung implementiert wird (a), eine faire Behandlung der Kunden durchgeführt wird (b) und Interessenkonflikte im Verhältnis zu den Kunden vermieden werden (c). Hier übersieht jedoch der Gesetzgeber die Anforderungen der Konsultation der Compliance-Funktion und die ihr übertragene Aufgabe der Überwachung. Allerdings wird der Verstoß des Geschäftsleiters ebenfalls mit einer Ordnungswidrigkeit bei Verstoß gegen § 70 WpHG-E nach § 109 Abs. 8 Nr. 109 WpHG-E geahndet bzw. bei Verstoß gegen § 81 WpHG-E nach § 120 Abs. 8 Nr. 110 WpHG-E. Der Beschlussvorschlag des Finanzausschusses, der durch den Bundestag und den Bundesrat beschlossen und am 23. 06. 2017 als 2. FiMaNoG veröffentlicht wurde, nimmt an den hier zum RegE vorgestellten Regelungen keine Veränderungen mehr vor und räumt damit auch nicht die hier bislang in der deutschen Fassung miss202 § 55 Abs. 2 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG, der dies nur für WpDU, die Wertpapierdienstleistungen erbringen, festlegte. 203 § 55 Abs. 2 S. 2 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG. 204 § 70 Abs. 1 Nr. 3 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG.

B. Mitarbeitervergütung ohne Anreize zur Falschberatung

231

verständliche Formulierung aus. Insgesamt zeigt sich, dass sich für die deutschen WpDU keine bedeutenden Veränderungen ergeben, da sich die deutschen Regelungen bereits an den nicht verbindlichen ESMA-Leitlinien orientierten, die nun in Gesetzesform gegossen wurden.

III. Vergütungsregelungen in Großbritannien Im Zuge der Einführung des Provisionsverbotes durch die RDR hat FSA zugleich Vorgaben für die Vergütungsstruktur der Adviser eingeführt (s. 2. Teil C.II.1.d)). Vorangegangen war eine Review mit dem Ergebnis, dass von 22 autorisierten WpDU, die eigenständige Finanzdienstleistungen anbieten, 20 WpDU Vergütungsstrukturen anwenden, die Fehlanreize setzen und dementsprechend Fehlverkäufe provozieren konnten.205 So wurden weder die Risiken durch die WpDU herausgearbeitet, noch ordnungsgemäß überwacht. Manche Vergütungssysteme waren derart komplex, dass selbst das Management diese nicht mehr überblicken, geschweige denn kontrollieren konnte. Insgesamt wurden Boni überwiegend an die Anzahl der Verkäufe geknüpft, anstatt an qualitative Kriterien. So wurden bspw. Sales-Manager, die die einzelnen Adviser kontrollieren sollten, danach vergütet, wie viele Abschlüsse die von ihnen beaufsichtigten Adviser erzielten.206 Das Ergebnis der Review liest sich daher als „Handbuch“, welches der europäische Gesetzgeber seinen Regelungen zugrunde gelegt hat, um die dort aufgezeigten Missstände künftig auf europäischer Ebene einheitlich zu verhindern. FSAveröffentlichte im September 2012 neue Regelungen zur Vergütungsstruktur, die die Principle 3 der FSA Principles of Business207 und die im FSA Handbook unter dem Kapitel „The Senior Management Arrangements, Systems and Controls“ regulierten organisatorischen und systemischen Kontrollen konkretisierten. Die Vergütungssysteme sollten robuste risikobasierte Business-Qualitäts-Überwachungen aufweisen sowie andere adäquate Kontrollen zur Minderung des Risikos enthalten, um unangemessenes Verhalten bei Verkaufsgesprächen zu verhindern. Gleichzeitig sollten Manager-Informationen herangezogen werden, um Trends oder Muster in einzelnen Tätigkeiten der Vertriebsmitarbeiter zu entdecken und entsprechend darauf reagieren zu können. Auf diese Weise sollte eine ordnungsgemäße Verwaltung der Interessenkonflikte von Vertriebsleitern sichergestellt werden. Eine Aufsicht durch das Senior Management und eine Genehmigung des Vergütungssystems sollte neben einem Verfahren zur Risikoidentifizierung und -begrenzung, ein205

Niemeyer/Thorun, The new financial System in Great Britain, 61. FSA, Guidance to Consultation: Risks to customers from financial incentives, S. 10; FSA, Final Guidance: Risks to customers from financial incentives, S. 10 f. 207 Principle 3: Ein WpDU muss angemessen darauf achten, seine Angelegenheiten verantwortungsvoll und effektiv zu organisieren und zu kontrollieren, vor allem mit einem angemessenen Risikomanagementsystem, FCA, Handbook, PRIN 2.1.1.R. 206

232

4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

schließlich regelmäßiger Überprüfung der Anreize und der Wirksamkeit der Kontrollen, eingeführt werden.208 Im Jahr 2014 führte FCA erneut eine Review durch, die zu dem Ergebnis kam, dass sich die Vergütungssysteme der WpDU deutlich positiv verändert haben.209 Dennoch weist FCA darauf hin, dass sie weiterhin Handlungsbedarf bei der Aufdeckung des Risikos sieht.210

IV. Ein Ausblick auf die Regelungen der Vereinigten Staaten von Amerika Auch im amerikanischen Recht ist die Gefahr des Fehlanreizes durch Bonussysteme nicht unbekannt. So arbeitet SEC an einer neuen Regelung für Bonussysteme, wozu sie gem. Sec. 956 des Dodd-Frank Act ermächtigt wurde.211 Diese neue Regelung würde einen Großteil der Finanzindustrie, sowohl Banken als auch einzelne Investment Adviser treffen.212 Der Dodd-Frank Act legt fest, dass Bonussysteme, die übermäßig sind oder die zu erheblichen Verlusten führen können, verboten werden sollen (i) und dass alle anreizbasierten Vergütungssysteme (Bonussysteme) der Covered Financial Institutions offen gelegt werden sollen (ii). Nach den Vorschlägen von SEC sollen Vergütungen dann als übermäßig anzusehen sein, wenn die gezahlten Beträge unvernünftig oder unverhältnismäßig hinsichtlich ihrer Menge, Art, Qualität und Umfang der Dienstleistungen, die durchgeführt wurde, sind.213 In den Vorschlägen aus dem Jahr 2011 wurde der materielle Verlust nicht definiert, sondern nur statuiert, dass das Senior Management, individuelle Risikoträger und Mitglieder der Risikoträgergruppe erfasst sind. Um unverhältnismäßige Risiken zu vermeiden, müssen drei Schlüsselfaktoren beachtet werden: eine ausgeglichene Gestaltung, unabhängige Risikomanagementkontrollen und eine strenge Überwachung.214 Obwohl die ursprüngliche Frist Ende Juli 2016 ab208

FSA, Final Guidance: Risks to customers from financial incentives, S. 23 f. FSA, Risks to customers from financial incentives – an update, S. 5. 210 s. zur Umsetzung der MiFID II-Vorgaben, die an dieser Stelle nicht explizit besprochen werden sollen, FCA, Markets in Financial Instruments Directive II Implementation – Consultation Paper III, CP 16/29, S. 15 ff. 211 Bereits im Jahre 2011 hatte SEC erste Vorschläge dazu gemacht, die aufgrund des erheblichen Widerspruchs der Finanzindustrie zunächst nicht weiter verfolgt wurden, abrufbar unter: https://www.sec.gov/rules/proposed/2011/34 - 64140.pdf (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). Zur Übersicht über den Vorschlag aus 2011 s. Fross/Morgan, (2011) The Investment Lawyer, Vol. 18, No. 7, p. 23. 212 Farooqi, Incentive-based compensation: Dodd-Frank and the example of Europe. 213 Fross/Morgan, (2011) The Investment Lawyer, Vol. 18, No. 7, p. 23 ff.; Farooqi, Incentive-based compensation: Dodd-Frank and the example of Europe. 214 Fross/Morgan, (2011) The Investment Lawyer, Vol. 18, No. 7, p. 23 ff.; Farooqi, Incentive-based compensation: Dodd-Frank and the example of Europe. 209

B. Mitarbeitervergütung ohne Anreize zur Falschberatung

233

gelaufen ist, nimmt die SEC immer noch weitere Stellungnahmen an. Die ursprüngliche Zielvorgabe, neue Regelungen bis Dezember 2016 zu erlassen, wurde somit nicht erreicht.215

V. Vergleich und Fazit Alle drei Rechtsordnungen bewerten Bonuszahlungen, die an Verkäufe oder andere Anreize geknüpft sind, als potentielle Gefahr für eine kundenorientierte Beratung. Erneut zeigt sich Großbritannien mit den Ergebnissen der Review und den gezogenen Konsequenzen als Vorreiter. Deutschland hat die bisherigen Regelungen von ESMA als auch darüber hinausgehende Vorschriften implementiert, an welchen sich nun ebenfalls ESMA und die europäische Kommission für die delegierten Rechtsakte orientieren. Praktisch entsteht so für die deutschen WpDU kaum Änderungsbedarf in ihren bisher nach der MaComp ausgestalteten und genutzten Vergütungssystemen. Das amerikanische System hat durch den Dodd-Frank Act ebenfalls eine solche Regelung eingeführt, die jedoch noch nicht weiter durch SEC konkretisiert wurde. Insgesamt ist die Regelung der Vergütungsstruktur ein effektives Instrument, um den Interessenkonflikt in der Beratung weiter aufzulösen und eine notwendige Ergänzung zu den Provisionsregelungen. So werden sowohl Anreize von Dritten als auch intern durch die eigene Vergütungsstruktur aufgezeigt und dadurch überwiegend aufgelöst. Positiv zu bewerten ist zugleich, dass nach wie vor die Möglichkeit bestehen bleibt, dass sowohl variable als auch feste Vergütungen gezahlt werden dürfen, sofern sie ausgeglichen sind. Anderenfalls würde den WpDU die Möglichkeit genommen, ihre Mitarbeiter besonders zu motivieren und herausragende Leistungen zu honorieren – so wie es auch in jedem anderen wirtschaftlichen Unternehmen Gang und Gäbe ist. Zugleich ist die variable Vergütung je nach Ausgestaltung ein effektives Mittel den Berater an das beste Kundeninteresse zu binden. Wird er variabel in Abhängigkeit zu dem Erfolg der von ihm empfohlenen Kundenanlagen vergütet, so wird der Berater an dem Kundenerfolg auch ein eigenes Interesse haben. Die Gefahr, dass der Berater besonders gefährliche Geschäfte vorschlägt, um einen möglichst hohen Gewinn des Kunden zu ermöglichen, könnte dadurch minimiert werden, dass der Erfolg langfristig erhalten bleiben muss – ähnlich der Vorstandsvergütung. Dies ist jedoch nur bei laufenden Kundenbeziehungen möglich, sodass auch nur bei diesen ein verstärkter Augenmerk auf diese Variable gelegt werden sollte. 215

SEC, Comments on Proposed Rule: Incentive-Based Compensation Arrangements Release No. 34 – 64140, File No. S7 – 12 – 11. Allerdings hat auch das Consumer Financial Protection Bureau, das Thema der incentive based compensation Ende 2016 aufgenommen, s. CFPB Compliance Bulletin No. 2016 – 3, abrufbar unter: https://s3.amazonaws.com/files.cons umerfinance.gov/f/documents/201611_cfpb_Production_Incentives_Bulletin.pdf (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). In diesem verbietet CFPB solche Vergütungen nicht, formuliert aber ihre Erwartungen an die Ausgestaltungen der ihr zugehörigen Mitglieder, insbesondere soll diese Vergütung strengen internen Leitlinien unterliegen und überwacht werden.

234

4. Teil: Bessere Beratung durch neue Vorgaben für Anlageberater

C. Gesamtergebnis Der Ansatz, den Berater als Schlüsselfigur zur Erhöhung des Anlegerschutzes zu betrachten, ist der richtige. Allerdings sind dieser Methode Grenzen gesetzt. Sie kann nur insoweit funktionieren, wie sie angemessen und sinnvoll ist. Zusätzliche administrative und bürokratische Anforderungen erschweren den ohnehin stark regulierten Beratungsalltag mehr, als sie nutzen. Fortbildungen sind nur dort sinnvoll, wo Wissenslücken bestehen oder sich neue Anforderungen ergeben. Die Betonung der Ausbildung führt zu einem immer undurchdringlicheren Geflecht von Abschlüssen, Titeln und Zertifikaten. Dies geht letztlich zu Lasten des Anlegers, der dieses im Vorfeld der Beratung durchdringen muss. Die Serviceleistung für den Kunden wird auch nicht zwangsläufig durch einen zur Schulung verpflichteten Berater verbessert. Die Vergütungssystemregelungen in Deutschland entsprechen bereits den künftigen europäischen Vorgaben, sodass hier kein weiterer Anlegerschutz für den deutschen Anleger hinzutritt. Auch hier ist eine Grenze erreicht. Eine Verbesserung des Anlegerschutzes ist daher durch die neuen Regelungen der MiFID II und entsprechender delegierter Rechtsakte zumindest für den deutschen Anleger nicht zu erwarten.

5. Teil

Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation Ein weiterer, gerade für die Umsetzung in das deutsche Recht, relevanter Themenkomplex ist die Einführung einer Aufzeichnungspflicht für die elektronische Kundenkommunikation.

A. Die europäische Regelung I. Die Aufzeichnungspflichten des Art. 16 Abs. 6 und 7 MiFID II Gem. Art. 16 Abs. 6 MiFID II muss das WpDU sicherstellen, dass „[…] Aufzeichnungen über alle ihre Dienstleistungen, Tätigkeiten und Geschäfte geführt werden, die ausreichen, um der zuständigen Behörde zu ermöglichen, ihrer Aufsichtspflicht nachzukommen und die […] vorgesehenen Durchsetzungsmaßnahmen zu ergreifen und sich vor allem zu vergewissern, dass die Wertpapierfirma sämtlichen Verpflichtungen, einschließlich denen gegenüber den Kunden oder potenziellen Kunden und im Hinblick auf die Integrität des Marktes, nachgekommen ist“. Unter diese in Art. 16 Abs. 6 MiFID II genannten Aufzeichnungen fallen gem. Art. 16 Abs. 7 MiFID II elektronische Mitteilungen und Telefongespräche. Allerdings nur solche Kommunikationen, die sich auf „[…] die beim Handel für eigene Rechnung getätigten Geschäfte und die Erbringung von Dienstleistungen, die sich auf die Annahme, Übermittlung und Ausführung von Kundenaufträgen beziehen“1. Nach dem von UA 1 geforderten weiten Verständnis sind damit auch Gespräche, die nur über einen möglichen Abschluss eines solchen Geschäftes geführt werden, aufzuzeichnen.2 Die reine Anlageberatungstätigkeit ist von dem Richtlinienwortlaut ausdrücklich nicht erfasst. Die in dieser Arbeit zu untersuchenden Beratungsgespräche sind jedoch indirekt betroffen, da zu Beginn nicht absehbar ist, ob der Kunde im Anschluss einen Auftrag erteilt.3 Das Telefonberatungsgespräch wäre 1 2

236.

Art. 16 Abs. 7 MiFID II. Kurz, DB 2014, 1181, 1185; Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 228; Balzer, ZBB 2016, 226,

3 I. E. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 308; i.E. wohl auch Balzer, ZBB 2016, 226, 236: die Anlageberatung unterfällt „zunächst nicht“ der Aufzeichnungspflicht „Allerdings

236

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

aufzuzeichnen, wenn es einen möglichen Abschluss vorbereitet. Deshalb sollen im Folgenden die Aufzeichnungsvorschriften und ihre Auswirkungen auf die Anlageberatung berücksichtigt werden. 1. Hintergrund der Einführung der Aufzeichnungspflicht Eine solche Regelung ist nicht neu. Bereits durch Art. 51 Abs. 4 MiFID I-DRL wurde den Mitgliedstaaten die Möglichkeit gegeben, die elektronische Kundenkommunikation aufzuzeichnen. In der MiFID I hingegen wurde eine solche nicht reguliert.4 Aufgrund dieser Ermächtigungsgrundlage kam es zu unterschiedlichsten Ausprägungen der Aufzeichnungspflicht in den Mitgliedstaaten, die nun vereinheitlicht werden sollen.5 Zugleich soll der Anleger durch die Aufzeichnung geschützt werden, indem dieser dadurch einen einfachen Nachweis erhält, dass seine Aufträge entsprechend seinen Wünschen durch das WpDU umgesetzt wurden.6 Gleichzeitig soll so marktmissbräuchliches Verhalten der WpDU frühzeitig erkannt werden. Durch die damit verbesserte Marktüberwachung soll die Rechtssicherheit für den Kunden und die Integrität des Finanzmarkts gestärkt werden. Wird die Kommunikation hingegen nicht richtig aufgezeichnet oder falsch wieder gegeben, so soll dem Kunden daraus kein Nachteil entstehen.7 Dem WpDU soll jedoch nach Ansicht der Kommission die Erläuterung seines Verhaltens erleichtert werden.8 2. Die Voraussetzungen der Aufzeichnungspflicht Wesentliche Tatbestandsmerkmale sind neben dem Telefongespräch und der elektronischen Kommunikation, dass das Gespräch zu einer Ausführung von Kundenaufträgen führen kann sowie der Handel auf eigene Rechnung. Außerdem muss sich das Gespräch auf die Entgegennahme, Weiterleitung und Ausführung von Ordern beziehen. Irrelevant ist für die Aufzeichnungspflicht, ob das Gespräch durch einen Anruf seitens des Kunden zu Stande kam, oder ob das WpDU die Initiative ergriffen hat.9 greift die Aufzeichnungspflicht stets dann ein, wenn das Gespräch zur Annahme, Übermittlung oder Ausführung einer Kundenorder führt.“ 4 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 288. Art. 13 Abs. 6 MiFID I sah eine allgemeine Pflicht der WpDU vor, Dienstleistungen und Geschäfte aufzuzeichnen, die sowohl der internen Revision als auch die externe Überprüfung erleichtern sollte. Hierauf bezieht sich Art. 51 Abs. 4 MiFID I-DRL, der den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumte, Aufzeichnungspflichten über die Regeln der MiFID I hinaus vorzusehen. 5 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 290; Europäische Kommission, Public Consultation – Review of the Markets in Financial Instruments Directive (MiFID), S. 74 f. 6 ErwG. 57 MiFID II; Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 291. 7 ErwG. 57 MiFID II. 8 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 291. 9 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 302.

A. Die europäische Regelung

237

Sämtliche elektronische Kundenkommunikation muss für mindestens fünf Jahre, auf Verlangen einzelner Behörden bis zu sieben Jahre, gespeichert werden.10 Welche Gründe dafür sprechen könnten, auf nationaler Ebene weitergehende Aufbewahrungspflichten vorzusehen, wird nicht erläutert. Der Kunde ist über die Aufzeichnung und Speicherung der Gespräche, die zu Geschäften führen oder führen können, zu informieren, Art. 16 Abs. 7 UA 4 MiFID II. Dies soll einmalig sowohl für Bestands- als auch für Neukunden vor der Erbringung der Wertpapierdienstleistung geschehen, Art. 16 Abs. 7 UA 5 MiFID II. Unklar bleibt jedoch, ob die Aufklärung tatsächlich nur einmal erfolgen muss oder vor jeder neuen Wertpapierdienstleistung.11 Aus praktischen Erwägungen erscheint es einfacher, den Kunden automatisiert zu Beginn eines jeden Telefongespräches über die folgende Aufzeichnung zu informieren, da nicht erkennbar ist, ob tatsächlich ein Geschäft abgeschlossen wird bzw. sich ein solches anbahnt.12 Zudem wäre es ein enormer administrativer Aufwand, zu Beginn eines jeden Telefongesprächs zu ermitteln, ob der Kunde bereits über die Aufzeichnung informiert wurde bzw. ob er diese ablehnt. Dafür bedürfte es der Installation einer besonderen Telefonanlage, die alle Kundentelefonnummern der Altkunden gespeichert hat. Verändert sich hier eine Nummer oder ruft der Kunde von einer der Anlage unbekannten Nummer an, müsste er auch erneut belehrt werden. Alternativ müsste ein System eingeführt werden, bei welchem sich der Kunde zunächst mit seinen Kontozugangsdaten registriert, sodass sichergestellt werden kann, dass dieser bereits belehrt wurde.13 Die Konsequenzen aus dem fehlenden Hinweis auf die Aufzeichnung und Speicherung sind fatal.14 So darf das WpDU ohne diese keine telefonischen Wertpapierdienstleistungen erbringen oder telefonische Anlagetätigkeiten für den Kunden ausüben.15 Der Kunde kann die Herausgabe der Aufzeichnungen von dem WpDU gem. Art. 16 Abs. 7 UA 9 MiFID II verlangen. In welcher Art und Weise, insb. in welcher Form die Aufzeichnungen dem Kunden ausgehändigt werden sollen, wird nicht reglementiert.16 Möchte der Kunde eine solche Aufzeichnung und Speicherung nicht, so kann er seine Aufträge ausschließlich über andere Kanäle platzieren, Art. 16 Abs. 7 UA 7 MiFID II. Eine Dispositionsmöglichkeit seitens des Kunden in Form eines Widerspruchs ist nach dem Gesetzeswortlaut nicht vorgesehen.17 Zwar dient diese 10

Art. 16 Abs. 7 UA 9 MiFID II. Kurz, DB 2014, 1181, 1185; a.A. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 318, die von einer eimaligen Aufklärung ausgehen ohne Gedanken zur tatsächlichen Umsetzung. 12 Kurz, DB 2014, 1181, 1185. 13 Dieses Verfahren verwendet bspw. die Consorsbank, Herrmann, Interview v. 12. 12. 2016. 14 Art. 70 Abs. 3, 6 MiFID II: bis zu 5.000.000 E Strafe oder gar Verbot. 15 Art. 16 Abs. 7 UA 6 MiFID II. 16 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 332. 17 Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 228 f.; Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 307, 321. 11

238

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

Vorschrift dem individuellen Anlegerschutz, zugleich aber auch der Aufklärung von marktmissbräuchlichem Verhalten, mithin der Marktintegrität und dem Schutz der Gemeinschaft, sodass letztlich keine Dispositionsbefugnis des Einzelnen darüber bestehen kann.18 Wäre der einfache Widerspruch des Kunden ausreichend, um die Aufzeichnungspflicht für Telefongespräche aufzuheben, wäre dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet, indem der Berater zuvor seinen Kunden in diese Richtung anweisen könnte und letztlich keinerlei Aufzeichnungen erbringen müsste.19 Der Schutzzweck der Norm wäre konterkariert. Eine Bestätigung der Kenntnisnahme der Information über die Aufzeichnung seitens des Kunden muss von dem WpDU jedoch nicht eingefordert werden.20 Erfolgt die Ordererteilung über einen anderen Kanal, so muss dies über einen dauerhaften Datenträger erfolgen, bspw. per E-Mail. Ein persönliches Gespräch bzw. Treffen muss ebenfalls festgehalten werden, wenn es zu einer aufzeichnungspflichtigen Dienstleistung führt oder führen könnte, Art. 16 Abs. 7 UA 7 MiFID II. Hier ist es jedoch ausreichend, dass das Gespräch schriftlich protokolliert wird.21 Eine Tonbandaufnahme wurde zwar im Trilog-Verfahren diskutiert, ebenso wie die Möglichkeit die Telefongespräche schriftlich zu protokollieren,22 jedoch hat beides letztlich keinen Eingang in den Gesetzeswortlaut gefunden,23 sodass eine solche Auslegung nicht anheim steht.

3. Die praktischen Umsetzungsvoraussetzungen Das WpDU muss seine Mitarbeiter für die Aufzeichnung solcher Gespräche technisch und rechtlich schulen und vor allem darauf hinwirken, dass keine privaten, sondern ausschließlich die vom WpDU zur Verfügung gestellten, mit der Aufzeichnungstechnik ausgestatteten Geräte genutzt werden, Art. 16 Abs. 7 UA 8 MiFID II. Denn es sollen alle Gespräche aufgezeichnet werden, die mittels Kommunikationsgeräten des WpDU geführt werden. Hierunter fallen auch solche Gespräche, die mit Kommunikationsmitteln geführt werden, die das Unternehmen billigt bzw. gestattet.24 Dies betrifft insb. private Mobiltelefone des Mitarbeiters, welche dieser im Rahmen einer bring your own device-Praktik geschäftlich nutzt. Dies führt hinsichtlich der Aufzeichnungspflicht zu besonderen rechtlichen Problemen, sodass künftig die bring your own device-Praktik deutlich zurückgehen wird.25 18 19 20 21 22 23 24 25

Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 321. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 321. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 321. s. auch ErwG. 57 MiFID II. Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 229; Kurz, DB 2014, 1182, 1186. Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 229. Art. 16 Abs. 7 UA 3 MiFID II; Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 348, 353. I. E. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 354.

A. Die europäische Regelung

239

Von den Vorschriften zur Aufzeichnungs- und Speicherungspflicht sind ebenfalls vertraglich gebundene Vermittler des WpDU nach Art. 16 Abs. 7 UA 3 MiFID II erfasst. Auch hier hat das WpDU sicherzustellen, dass die regulatorischen Vorgaben eingehalten und entsprechende Geräte genutzt werden.

II. ESMAs Regelungsvorschläge an die Kommission Auffällig ist, dass ESMA sowohl im Consultation Paper als auch in ihrem Final Report zu Beginn auf die damaligen Ausführungen des Committee of European Securities Regulators CESR26 verweist. Im Rahmen der Umsetzung von MiFID I wurde dieser Ausschuss ebenfalls beauftragt, Konkretisierungen vorzubereiten und an die Kommission weiterzuleiten.27 1. Anknüpfung an die CESR-Regelungen Nach Überlegungen von CESR sollten von Art. 13 Abs. 6 MiFID I auch Telefongespräche erfasst sein.28 Diese sollten aufgezeichnet und für mind. ein Jahr gespeichert werden.29 Offensichtlich erkannte CESR hier – anders als der europäische Gesetzgeber heute –, dass es sich dabei für die WpDU um eine Aufgabe größeren Umfangs handelt, indem sie, anders als bei den übrigen Aufzeichnungspflichten, die Aufbewahrungspflicht auf ein Jahr anstatt fünf Jahre reduzierte.30 Aufgezeichnet werden sollten alle Gespräche, die zur Ordererteilung oder -annahme geführt werden. Durch die Aufzeichnung sollte Beratungsfehlverhalten und Marktmissbrauch aufgedeckt werden. Somit entspricht diese Regelung dem Ziel des Anlegerschutzes und der Marktintegrität. Anders als heute sollten für kleinere globale Unternehmen, die die Möglichkeit der Telefonorder wenig nutzen, Ausnahmen gemacht werden. Auch die Kommission schloss sich dieser Auffassung in den Arbeitspapieren an31 und erklärte, dass Telefonaufzeichnungen unabdingbar für den Schutz des Anlegers 26 Committee of European Securities Regulators (CESR) war die Vorgänger-Institution von ESMA. s. zur Entstehung von ESMA ausf. Hitzer/Hauser, BKR 2015, 52; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 143. 27 ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.6, Nr. 2; ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 39, Nr. 2. Art. 13 Abs. 10 MiFID I ermächtigte die Kommission zum Erlass von Durchführungsmaßnahmen, sodass sie die CESR beauftragte, Vorschläge bzw. Empfehlungen auszuarbeiten. 28 CESR, Consultation Paper, v. 01.2005, CESR/05 – 024c, S. 29. s. zur Entwicklung im Überblick auch Bundesverband Deutscher Banken e.V., „Sprachaufzeichnung telefonisch erteilter Wertpapierorders? – Eine Folgenabschätzung“, Anhang S. 14. 29 In complying with the obligation in Article 13(6) of the Directive, an investment firm must; (…) b) keep records of telephone orders on a voice recording system for a period of at least one year. 30 Bundesverband Deutscher Banken e.V., „Sprachaufzeichnung telefonisch erteilter Wertpapierorders? – Eine Folgenabschätzung“, Anhang S. 14. 31 Europäische Kommission, Arbeitsdokument ESC/17/2005-rev1, S. 11.

240

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

und der Integrität der Märkte seien.32 Allerdings sollten aufgrund des technischen Fortschritts keine Ausnahmen gemacht werden. Im Folgenden wurden die Anforderungen schrittweise reduziert und die Telefonaufzeichnungspflicht schließlich vollständig gestrichen.33 Die CESR, wurde im Vorgang zur MiFID II mit der Überprüfung und Bewertung der MiFID I Regelungen beauftragt und hält auch heute an der Notwendigkeit der Aufzeichnung und ihrer damaligen Begründung fest.34 Sie schlägt die Vereinheitlichung der Mitgliedstaatenregelungen vor.35 Die Ziele der CESR führt ESMA bewusst in ihren Vorschlägen an die Kommission fort.36 Vor diesem Hintergrund überraschen auch die von ESMA vertretenen Einzelpositionen nicht. 2. Reichweite der Aufzeichnungspflicht Zunächst stellt ESMA heraus, dass nur solche Gespräche aufzeichnungspflichtig sind, die in Bezug auf die Annahme und Übermittlung von Aufträgen, die Ausführung von Aufträgen im Namen der Kunden und den Handel auf eigene Rechnung geführt werden.37 Mithin soll das Gespräch dann aufgenommen werden, wenn es zu einer solchen Wertpapierdienstleistung führen kann, aber nicht zwingend auch durchgeführt werden muss. Ausdrücklich beschäftigt sich ESMA mit der Aufzeichnungssituation der Anlageberatung. Diese ist auch nach Ansicht von ESMAvon der Aufzeichnungspflicht ausgenommen. Zugleich macht ESMA aber deutlich, dass, sollte es dennoch zur Vorbereitung einer o.g. Wertpapierdienstleitung kommen, die Aufzeichnungspflicht auch für die Anlageberatung besteht.38 Weitere Merkmale zur Trennung benennt ESMA nicht. Also müssen die WpDU selbständig Kriterien festlegen, an denen sie erkennen, dass nun keine reine Anlageberatung mehr durchgeführt wird, sondern die Vorbereitung einer Wertpapierdienstleistung.39 Da dies aufgrund der fließenden Grenzen äußerst schwierig ist, ohne vorherige Aufklärung über die Aufzeichnung keine solche vorgenommen werden darf und zugleich empfindliche Strafen drohen, wenn die Aufzeichnungspflicht verletzt wird, nimmt 32

Europäische Kommission, Working Dokument ESC/18/2005, Explanatory Note, S. 3. Europäische Kommission, Arbeitsdokument ESC/17/2005-rev1, S. 11, 12. 34 CESR, Feedback Statement – CESR Technical Advice to the European Commission in the Context of the MiFID Review: Equity Markets v. 29. 06. 2010, CESR/10 – 975; CESR, Consultation Paper, v. 13. 04. 2010 – CESR Technical Advice to the European Commission in the Context of the MiFID Review – Investor Protection and Intermediaries, CESR/10 – 417 S. 7. 35 CESR, Consultation Paper v. 13. 04. 2010 – CESR Technical Advice to the European Commission in the Context of the MiFID Review – Investor Protection and Intermediaries, CESR/10 – 417, S. 16, 6. 36 ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.6, Nr. 2; ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 39, Nr. 2. 37 ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.6, Nr. 5. 38 ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.6, Nr. 11; ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 41, Nr. 6; Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 308. 39 s. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 340. 33

A. Die europäische Regelung

241

ESMA in Kauf, dass die WpDU kaum eine andere Wahl haben, als auch die ausdrücklich ausgenommene Anlageberatung aufzuzeichnen. Die Anlageberatung wird letztlich immer mit der Absicht verfolgt, dem Kunden ein passendes Finanzprodukt anbieten zu können.40 Mithin liegt in der Anlageberatung immer die „Gefahr“, dass ein Abschluss anvisiert wird. Ohne Klarstellung seitens ESMA, dass nur bestimmte Anhaltspunkte für den Abschluss einer Transaktion die Aufzeichnungspflicht auslösen, ist aufgrund des hohen Risikos jedes Anlageberatungsgespräch aufzuzeichnen. Nach Ansicht von ESMA muss auch die interne Kommunikation des WpDU aufgezeichnet werden, wenn diese eine der Aufzeichnungspflicht unterliegende Wertpapierdienstleistung betrifft.41 ESMA begründet ihre Sichtweise damit, dass nur so sichergestellt werden kann, dass auf diese Weise ein Nachweis über die Übereinstimmung der Kundenaufträge und deren Ausführung erbracht, bzw. marktmissbräuchliches Verhalten aufgedeckt wird. Diese Regelung ist zu weitgehend. Durch den Abgleich des Ausgangsgesprächs mit dem Kunden und der tatsächlichen Ausführung kann die Ordnungsmäßigkeit von letzterer nachgewiesen werden. Die Aufzeichnung der internen Kommunikation würde allenfalls dem Unternehmen die Fehlersuche erleichtert, dies ist jedoch mit den hohen datenschutz- und arbeitsschutzrechtlichen Konsequenzen kaum vereinbar. ESMA erklärt zudem, dass sie im Rahmen des Technical Advice nicht entscheiden könne, ob ein WpDU telefonischen Service anbiete oder nicht.42 Dies lässt erkennen, dass auch ESMA keine Ausnahmen von der Aufzeichnungspflicht vorsehen will und das WpDU die Auswirkungen der Regelungen voll tragen muss, wenn sie sich für das Anbieten eines Telefonservice entscheidet. Damit lehnt ESMA zugleich die Möglichkeit ab, dem Kunden ein Widerspruchsrecht einzuräumen.43 Diese Möglichkeit wird weder in der Richtlinie noch von ESMA thematisiert.44 3. Die Alternative des persönlichen Gesprächs Wird anstelle der elektronischen Kommunikation auf ein persönliches Gespräch ausgewichen, so muss dieses dokumentiert werden. Dafür gibt ESMA einen Minimum-Katalog an, der durch die nationalen Aufsichtsbehörden erweitert werden kann. Es soll vor allem dokumentiert werden, wann (Datum und Uhrzeit), wo (Ort) das Gespräch stattgefunden und wer (Identität) daran teilgenommen hat.45 Zusätzlich soll noch aufgenommen werden, von welchem Gesprächspartner die Initiative zu 40

Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 308. ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.6, Nr. 7; ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 40 f., Nr. 5. 42 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 41, Nr. 7. 43 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 321. 44 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 321. 45 ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.6, Nr. 10; ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 43, Nr. 16 f., S. 46, TA Nr. 10; s. dazu Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 310. 41

242

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

dem Gespräch ausging, sowie andere relevante Informationen über den Kundenauftrag (bspw. der Preis, das Volumen, Art der Order) und wann dieser ausgeführt bzw. weitergeleitet werden soll.46 Dies hat ESMA auf verstärkte Nachfrage, und damit im Interesse der Rechtssicherheit, richtigerweise in ihrem Final Report ergänzt. Eine Aussage darüber, ob die in einigen Ländern bereits bestehenden Pflichten zum Beratungsprotokoll hierfür ausreichend sind, trifft ESMA leider nicht.47 4. Die Informationspflicht über die Aufzeichnung und die Herausgabepflicht ESMA konkretisiert des Weiteren die Informationspflichten des WpDU vor der Aufzeichnung der Kommunikation, indem sie vorgibt, dass diese in derselben Sprache zu erfolgen hat, wie die anschließende Kommunikation.48 Diese Anforderung klingt auf den ersten Blick verständlich und sinnvoll, bedeutet aber in der Praxis, dass die Bankhäuser, die auch am jeweiligen nationalen Standort von unterschiedlich sprachigen Kunden telefonisch kontaktiert werden, die Information über die folgende Aufzeichnung in allen üblicherweise gesprochenen Sprachen der Kunden vorschalten müssen.49 Folglich ist es nicht unrealistisch, dass der Kunde zunächst in deutscher, englischer, spanischer, französischer und türkischer Sprache über die Aufzeichnungspflicht informiert wird. Zur Kundenbindung mag dies offensichtlich nicht beitragen. Dem Kunden muss mitgeteilt werden, dass er aufgezeichnet wird und dass er die Aufzeichnung auf Wunsch innerhalb von fünf Jahren erhalten kann, Art. 16 Abs. 7 MiFID II. Dies muss zudem klar und deutlich geschehen.50 Dahingehend, ob vor jedem Gespräch oder nur einmalig zu Beginn der Kundenbeziehung aufgeklärt werden muss, nimmt ESMA nicht Stellung. Somit muss weiterhin bereits oben Festgestelltes gelten. Auch ESMA legt keine weiteren Anforderungen für die Herausgabepflicht der Aufzeichnungen, insb. zur Ausgestaltung fest.51 Vor dem Hintergrund des Anlegerschutzes muss dem Anleger ein vergleichbares Recht, wie der Aufsichtsbehörde, nämlich ein zeitnaher Zugang ohne größeren Aufwand, an die Hand gegeben werden.52 Das Dokument muss ohne Verzögerung, also jederzeit erreichbar,

46 ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.6, Nr. 10; ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 43, Nr. 16 f., S. 46, TA Nr. 10; s. dazu Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 310. 47 Diese Frage für das deutsche Beratungsprotokoll aufwerfend Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 312. 48 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 40, Nr. 4; Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 319. 49 Vgl. Herting/Alpers, Interview v. 13. 02. 2017. 50 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 40, Nr. 4. 51 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 333. 52 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 333.

A. Die europäische Regelung

243

bereitgestellt werden können.53 Ebenfalls aus Anlegergesichtspunkten ist festzuhalten, dass dem Kunden für die Herausgabe keine spürbaren Kosten entstehen dürfen.54 5. Die Festlegung von internen Aufzeichnungsleitlinien Nach ESMA muss das WpDU Leitlinien festlegen, um sicherzustellen, dass die Aufzeichnungspflicht eingehalten wird.55 Diese sollen – angepasst an die Größe und Ausrichtung des Unternehmens – Kriterien aufführen, die den Tatbestand der Aufzeichnungspflicht auslösen und die nachfolgenden Abläufe beschreiben.56 Das Management soll über einen entsprechenden Überblick und über Kontrollmöglichkeiten verfügen und die Mitarbeiter müssen geschult werden.57 Es müssen Maßnahmen getroffen werden, die die Nutzung von privaten nicht aufzeichnungsfähigen Geräten verhindern, bzw. es muss ein Prozess eingeführt werden, der nachweist, dass eine solche Nutzung aus einer besonderen Situation herrührt.58 Diese Maßnahmen müssen alle der nationalen Aufsichtsbehörde nachgewiesen werden können. ESMA betont, dass die Aufzeichnung technology neutral ausfällt, da sie aufgrund der schnell fortschreitenden technischen Entwicklung keine genauen Vorgaben machen kann und auf diese Weise verhindert werden soll, dass fortwährend neue Bestimmungen notwendig werden.59 Die Firmen sollten jedoch regelmäßig ihre genutzten technischen Geräte auf eine Modernisierung hin überprüfen, um die bestmögliche Umsetzung zu gewährleisten. Sie müssen darüber hinaus ihre gewählte Aufzeichnungsstrategie auf deren Erfolg hin überprüfen – und zwar spätestens in dem Moment, in dem sie ein neues Kommunikationsmittel genehmigen oder dessen Nutzung zulassen.60 Für die Sicherstellung, dass nur aufzeichnungsfähige Geräte genutzt werden, haben die WpDU Listen vorzuhalten, in denen die Mitarbeiter geführt werden, die mit solchen Firmengeräten ausgestattet wurden und denjenigen, die eigene, den

53 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 44, Nr. 20; vgl. Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 15, die aus dem leichten Zugang keine Anforderung zur sofortigen Zurverfügungstellung ableiten wollen, sondern schnellstmöglich. 54 I. E. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 333, die dem Kunden einen ähnlich leichten Zugang gewähren wollen, wie er der nationalen Aufsichtsbehörde zusteht. 55 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 45, TA Nr. 3; Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 322. 56 Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 14. 57 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 45, TA Nr. 2; Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 322. 58 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 45, TA Nr. 3 ii). 59 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 41, Nr. 9; vgl. Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 10. 60 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 41, Nr. 9, S. 45, TA Nr. 4; vgl. Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 14.

244

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

Anforderungen entsprechende Geräte benutzen.61 Die Gefahr, dass bei eigenen Geräten die Kontrolle der Technik nicht möglich ist oder die Technik nicht einwandfrei funktioniert, ist hoch. Indem noch eine zusätzliche Liste mit Geräten und Personen hierzu erstellt werden muss, wird das ursprünglich kostensparende bring your own device-Modell künftig auslaufen.62 Das Risiko und der administrative Überwachungsaufwand lassen auch die Kosten für dieses Modell spürbar steigen. Auch die laufende Aktualisierung der vorgesehenen Mitarbeiterausstattungsliste ist ein erheblicher Aufwand, da Firmenmobiltelefone und Laptops zur Grundausstattung gehören.63 6. Die Anforderungen an die Speicherung und die Kontrolle der Aufzeichnungen Während ESMA in ihrem Consultation Paper noch vorsah, dass alle Aufzeichnungen sowohl auf die Einhaltung der Aufzeichnungspflicht, als auch auf die ordnungsgemäße Durchführung regelmäßig kontrolliert werden sollten, lockert sie diese Voraussetzung im Final Report.64 Die Kontrolle der Aufzeichnungen sei zwar essentiell, jedoch sei eine risikobasierte Überprüfung ausreichend.65 Die Aufzeichnungen sowie andere elektronische Kundenkommunikation müssen auf einem dauerhaften Medium gespeichert werden, auf dem sie erneut abgespielt werden können.66 Zugleich muss die Speicherung in einem solchen Format geschehen, in dem keine nachträglichen Änderungen mehr vorgenommen werden können, oder das Originaldokument gelöscht werden kann. Damit entwickelt ESMA eine deutliche Verschärfung der MiFID I-DRL, die eine solche Möglichkeit vorsah.67 ESMA glaubt, nur auf diesem Wege nicht manipulierte Aufzeichnungen zu erhalten.68

61 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 45 TA Nr. 5; Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 324. 62 Einschränkungen annehmend Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 354. 63 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 353; anders kann dies sein, wenn bereits aktuell ein System besteht, welches alle aufzeichnungspflichtigen Geräte erfasst, bspw. die Festnetztelefone, und in diesem nur noch die Mobiltelefone ergänzt werden müssten, s. Herting, Interview v. 13. 02. 2017. 64 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 42, Nr. 10; Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 326. 65 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 42, Nr. 11. 66 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 44, Nr. 21; Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 330. 67 Vgl. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 331. 68 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 44, Nr. 21.

A. Die europäische Regelung

245

III. Konkretisierte Anforderungen durch die delegierten Rechtsakte Die Kommission hat in Art. 76 MiFID II-DLVO alle Vorschläge von ESMA ohne Änderungen übernommen. Die Erstellung von Leitlinien als „Aufzeichnungs-Policy“69 findet sich in Art. 76 Abs. 1 MiFID II-DLVO wieder. Gem. Art. 76 Abs. 3 MiFID II-DLVO müssen regelmäßige Kontrollen und Anpassungen der Verfahren bei Aufnahme neuer Geräte durchgeführt werden. Die Schulungsverpflichtung der Mitarbeiter wurde in Art. 76 Abs. 5 MiFID II-DLVO und die Stichprobenkontrollen hinsichtlich der Qualität und Vollständigkeit der Aufzeichnungen in Art. 76 Abs. 6 und Abs. 10 UA 3 MiFID IIDLVO aufgenommen. Die unveränderliche Speicherung, die mehrfach abgespielt und kopiert werden kann, ist in Art. 76 Abs. 10 MiFID II-DLVO übernommen worden. Regelungen hinsichtlich des Verfahrens nach Ablauf der Speicherdauer finden sich nicht.70 Art. 76 Abs. 9 MiFID II-DLVO übernimmt ESMAs Anforderung zur Aufzeichnung von Datum inklusive Uhrzeit, Ort, Beteiligten, Initiator und Inhalt des Kundenauftrags bei persönlichen Gesprächen. Mithin bleiben wesentliche Fragen auch nach der MiFID II-DLVO unbeantwortet. Nicht nur hinsichtlich des Aufklärungszeitpunkts und wie „einmalig“ auszulegen ist, sondern auch das Thema Datenschutz wird sowohl von ESMA als auch von der Kommission übergangen. 1. Datenschutzrechtliche Aspekte ErwG. 57 MiFID II stellt in Bezug auf datenschutzrechtliche Aspekte lediglich die Behauptung auf, dass die Regelungen der MiFID II im Einklang mit dem europäischen Datenschutzrecht stehen. Nach ErwG. 106 sowie bei der Überwachung und Ermittlung von personenbezogenen Daten gem. Art. 78 MiFID II müssen die Mitgliedstaaten die Regelungen der Datenschutz-Richtlinien71 beachten. Hier ist zu berücksichtigen, dass die Datenschutz-RL durch die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO)72 aufgehoben und ersetzt wird. Damit ist das europäische Datenschutzrecht der DSGVO ab dem 25. 08. 2018 ohne Umsetzungsakt national anwendbar.73 69

So bezeichnend Blessing/Roth, CCZ 2017, 8, 14. Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 15. 71 Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. 10. 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr, Abl. EU L 281/31 und Richtlinie 2002/58/EG des europäischen Parlaments und des Rates vom 12. 07. 2002 über die Verarbeitung personenbezogener Daten und den Schutz der Privatsphäre in der elektronischen Kommunikation, Abl. EU 201/37. 72 Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates v. 27. 04. 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung). 73 s. ausf. zu den Änderungen Hamann, BB 2017, 1090. 70

246

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

Mithin sollten die Mitgliedsländer bereits deren strengeren Anforderungen bei der Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im Blick haben. ESMA erklärt auf Nachfragen74 lediglich, dass die neuen Bestimmungen im Einklang mit dem Datenschutzrecht stehen.75 a) Der Schutzbereich Gem. Art. 51 GRCh müssen die Organe und Einrichtungen der Europäischen Union – also Kommission, Parlament und der Rat – bei Erlass von Regelungen die Charta der Grundrechte,76 und im Fall der Aufzeichnungspflichten der MiFID II besonders Art. 7 GRCh (Schutz des Privat- und Familienlebens) und Art. 8 GRCh (Schutz von personenbezogenen Daten) beachten.77 Welch hohen Stellenwert der EuGH diesen Artikeln einräumt und unter welchen Voraussetzungen die Grundrechte beschränkt werden können, bzw. welche Anforderungen an das die Grundrechte beschränkende Gesetz zu stellen sind, hat der EuGH ausf. in seinen Entscheidungen zur Vorratsdatenspeicherungs-RL78 dargelegt.79 Die Anforderungen an die beschränkenden Gesetze sind übertragbar. Dennoch muss berücksichtigt werden, dass die Vorratsdatenspeicherung, anders als die hier zu untersuchenden Aufzeichnung, heimlich geschieht. Bei dieser sollten zwar auch sämtliche Daten gespeichert werden, jedoch im Vergleich zur MiFID II nur Verkehrsdaten und keine Inhalte. Indem sich für die aufzeichnungspflichtigen Gespräche nicht ausschließen lässt, dass auch ein Teil des Gespräches persönliche bzw. private Angelegenheiten enthält und diese als Vorbereitung des Auftrages mit aufgezeichnet werden müssen,80 ist der

74

s. bspw. DK, Stellungnahme zum Konsultationspapier von ESMA 2014/549, S. 9 f. ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 43, Nr. 15; Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 338. 76 Jarass, in: Jarass, Charta d. Grundrecht, Art. 51 Rn. 13; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 51 Rn. 3; Meyer/Borowsky, in: Meyer, Charta d. Grundrechte d. Europäischen Union, Art. 51 Rn. 16. 77 Diese werden durch die Datenschutz-Richtlinien konkretisiert, sodass sie auch sekundär zu berücksichtigen sind. Dies gilt entsprechend für die die Richtlinie ersetzende Datenschutzgrundverordnung. 78 RL 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. 03. 2006 über die Vorratsspeicherung von Daten, die bei der Bereitstellung öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder öffentlicher Kommunikationsnetze erzeugt oder verarbeitet werden, und zur Änderung der Richtlinie 2002/58/EG, Abl. EU L 105/54. Mittlerweile aufgehoben. 79 EuGH MMR 2014, 412 – Digital Rights Ireland LtD; EuGH ZD 2017, 124 – Tele2 Sverige. 80 Dass bei der Aufzeichnungspflicht personenbezogene Daten erfasst werden, schon annehmend Buttarelli, Stellungnahme v. 25. 05. 2016, Rn. 20. 75

A. Die europäische Regelung

247

Schutzbereich eröffnet.81 So kann bspw. der Kunde dem Berater mitteilen, dass aufgrund der Schwangerschaft seiner Frau82 ein erhöhter Platzbedarf besteht und man nun einen Verkauf bestimmter Anteile plant, um den anstehenden Hauskauf zu finanzieren. Die Aufzeichnung dieses Gesprächsteils ist auch für die anschließende Beurteilung der Ausführung durch den Berater essentiell. Sowohl aus dem Inhalt und aus dem Zeitpunkt (Datum und Uhrzeit), als auch anhand der Reaktion des Bankmitarbeiters können Rückschlüsse auf das Privatleben des Kunden gezogen werden. Dies gilt auch für die aufzuzeichnende interne Kommunikation, da ggf. die Beweggründe des Kunden als Hintergrundinformation an den Kollegen weitergegeben oder aber auch persönliche Details unter Beraterkollegen ausgetauscht werden. b) Eingriff in den Schutzbereich Durch die Aufzeichnung, Speicherung, stichprobenartige Kontrolle und ggf. Herausgabe der personenbezogenen Daten an die Aufsichtsbehörden wird in das Privatleben gem. Art. 7 GRCh eingeriffen83 und zugleich liegt darin auch die für einen Eingriff nach Art. 8 GRCh vorausgesetzte Verarbeitung der personenbezogenen Daten.84 Dabei sind zum einen das Aufzeichnen und Speichern und zum anderen der Zugriff auf die Daten seitens der Bank, daneben der Zugriff der BaFin, jeweils eigenständige Eingriffe.85 Indem die Gespräche zur Kontrolle der richtigen Ausführung der Kundenaufträge abgehört und kontrolliert werden, liegt eine Verarbeitung i.S.d. Art. 8 GRCh vor und mithin ein Eingriff in ebendiesen.86 Wie bereits festgestellt, wurde für die Aufzeichnungspflicht keine Einwilligungsmöglichkeit oder eine Widerspruchsmöglichkeit geschaffen. Folglich soll dem Kunden keine Wahl gelassen werden, ob er eine Aufzeichnung akzeptiert und ein81 s. zum Schutzbereich des Art. 8 GrCh: Jarass, in: Jarass, Charta d. Grundrechte d. EU, Art 8. Rn. 5 f.; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 8 Rn. 9 f.; Norbert/Bernsdorf, in: Meyer, Charta d. Grundrechte d. Europäischen Union, Art. 8 Rn. 15 f.; Johlen, in: Stern/ Sachs, Art. 8 Rn. 29 ff.; zum Schutzbereicdes Art. 7: Jarass, in: Jarass, Charta d. Grundrechte d. EU, Art 7. Rn. 13 f.; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 7 Rn. 3 f.; Norbert/ Bernsdorf, in: Meyer, Charta d. Grundrechte d. Europäischen Union, Art. 7 Rn. 16; vgl. Weber, in: Stern/Sachs, Art. 7 Rn. 12, 50 f. 82 Bsp. von Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 342; in diese Richtung ebenfalls Bsp. anführend Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 11 f. 83 Weber, in: Stern/Sachs, Art. 7 Rn. 55; vgl. Jarass, in: Jarass, Charta d. Grundrechte d. EU, Art 7. Rn. 27 f.; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 7 Rn. 12; Knecht, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 7 GRCh Rn. 10. 84 Vgl. Jarass, in: Jarass, Charta d. Grundrechte d. EU, Art 8. Rn. 8 f.; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 8 Rn. 12 f. 85 EuGH MMR 2014, 412, 413 Rn. 35 – Digital Rights Ireland LtD, für den Zugriff der Behörde auf die Vorratsdatenspeicherung. 86 Vgl. Jarass, in: Jarass, Charta d. Grundrechte d. EU, Art 8. Rn. 8 f.; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 8 Rn. 12 f.; Gersdorf, in: BeckOK InfoMedienR, Art. 8 Rn. 18.

248

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

willigt oder ablehnt.87 Gäbe jedoch Kunde seine Einwilligung zur Aufzeichnung des Gespräches, so läge bereits kein Eingriff in den Schutzbereich vor.88 Indem der Richtlinientext zudem offenlässt, ob der Kunde bei jedem Anruf über die Aufzeichnung aufgeklärt werden muss oder nur einmal zu Beginn der Beraterbeziehung, ist dem Kunden die Aufzeichnung auch nicht in jeder Situation präsent. Daher kann in der Gesamtschau auch keine konkludente Einwilligung des Kunden zur Aufzeichnung und Nutzung, zumindest nicht ohne jeden Zweifel, wie es für den Eingriff in diese Grundrechte notwendig wäre,89 angenommen werden. c) Einschränkung Eine Einschränkung der Grundrechte durch Gesetz ist möglich, wenn der Wesensgehalt unter Wahrung der Verhältnismäßigkeit erhalten bleibt und erforderlich ist, sowie den Gemeinwohlzielen der Union entspricht, Art. 52 Abs. 1 GRCh.90 aa) Der Wesensgehalt und die Gemeinwohlziele Im Umkehrschluss zur Aussage des EuGH,91 dass keine Verletzung des Wesensgehalts gegeben sei, weil bei der Vorratsdatenspeicherung ausschließlich Verkehrsdaten und nicht der Gesprächsinhalt aufgezeichnet wurde, könnte durch die inhaltliche Aufzeichnungspflicht des Art. 16 Abs. 7 MiFID II eine solche Verletzung vorliegen. Allerdings bestimmt Art. 16 Abs. 7 MiFID II keine generelle Zielrichtung zur Erfassung von persönlichen Daten des Kunden. Auch wird die Erfassung eher der Ausnahmefall sein. Darüber hinaus besteht zumindest durch die einmalige Aufklärung das potentielle Wissen des Kunden, dass das Gespräch aufgezeichnet wird und er solche Details vermeiden könnte. Art. 16 Abs. 7 MiFID II berührt nicht den Wesensgehalt des Art. 7 GRCh. Gleiches gilt für Art. 8 GRCh, da aufgrund der MiFID II-DLVO durch die Speicherung keine Daten unrechtmäßig oder versehentlich gelöscht bzw. verändert werden können.92

87 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 345; Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 228; Balzer, ZBB 2016, 226, 236. 88 Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 8 Rn. 13 m.w.N; Johlen, in: Stern/ Sachs, Art. 8 Rn. 51 ff.. Knecht, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 8 GRCh Rn. 7. 89 Vgl. Jarass, in: Jarass, Charta d. Grundrechte d. EU, Art 8. Rn. 9 zur Bestimmtheit der Einwilligung; Johlen, in: Stern/Sachs, Art. 8 Rn. 53 der die Einwilligung für einen konkreten Fall und nicht eine pauschale Einwilligung fordert. 90 Johlen, in: Stern/Sachs, Art. 8 Rn. 41 ff.; Jarass, in: Jarass, Charta d. Grundrechte d. EU, Art 8. Rn. 11, 12a, Art. 7 Rn. 34 f.; Kingreen, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV, Art. 8 Rn. 14, Art. 7 Rn. 14; Gersdorf, in: BeckOK InfoMedienR, Art. 8 Rn. 21 ff.; Weber, in: Stern/Sachs, Art. 7 Rn. 57; Knecht, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 7 GRCh Rn. 11. 91 EuGH MMR 2014, 412, 413 Rn. 39 – Digital Rights Ireland LtD. 92 EuGH MMR 2014, 412, 413 Rn. 40 für die Vorratsdatenspeicherung.

A. Die europäische Regelung

249

Die Regelung erfolgt ausweislich ErwG. 57 MiFID II Gemeinwohlziele.93 Dieser statuiert, dass durch die Aufzeichnungspflichten der elektronischen Kundenkommunikation der Anlegerschutz gestärkt werden soll, da dem Anleger so eine Nachweismöglichkeit entsteht. Auf diese Weise sollen die ordnungsgemäße Ausführung der Kundenaufträge gestärkt und marktmissbräuchliches Verhalten durch eine verbesserte Überwachung aufgedeckt werden (s. 5. Teil A.). Die Funktionsfähigkeit der Märkte ist ein erklärtes Ziel der Union. Zugleich garantiert Art. 6 GRCh neben dem Recht auf Freiheit auch ein Recht auf Sicherheit,94 sodass die Bekämpfung bzw. Vorbeugung von Kriminalität ebenfalls als Unionsziel einzuordnen ist. Die Aufzeichnung der Gespräche ist auch zur Erfüllung dieser Zwecke geeignet, da so Abweichungen zwischen dem Kundenauftrag und der Ausführung leicht festgestellt werden können und gänzlich abweichendes oder marktmissbräuchliches Verhalten bei Stichprobenkontrollen erkannt werden kann. In den ErwG und in Art. 16 Abs. 6 MiFID II lässt sich, wenn auch umständlich, eine Zweckbindung zur Begrenzung der Aufzeichnung95 finden. Hinsichtlich der Eindeutigkeit wäre es jedoch besser gewesen, die Zweckbindung ausdrücklich in Art. 16 Abs. 7 MiFID II zu verankern.96 bb) Verhältnismäßige Einschränkung (1) Gleichgeeignetes und effektives Mittel Das mit dem Telefonat vergleichbare persönliche Gespräch, welches nach ausf. Diskussion bei Entstehung der MiFID II nicht aufgezeichnet werden muss, ist bei genauer Betrachtung kein gleichgeeignetes und effektives Mittel. Dieses muss anhand des Minimum-Katalogs protokolliert werden (s. 5. Teil A.II.), sodass anschließend nur solche Daten vorliegen, die am Ende eines Telefongespräches auch zusammengefasst aufgenommen werden könnten. In einem persönlichen Gespräch ist die Hemmschwelle, über persönliche Belange zu sprechen, jedoch noch deutlich geringer als am Telefon, sodass die Aufzeichnung von diesen noch wahrscheinlicher wäre. Zudem lässt sich durch ein solches Protokoll die Entwicklung des Geschäfts und dessen Umsetzung nicht derart nachvollziehen, wie durch die vollständige Aufzeichnung eines Telefongesprächs. Auch die spätere Kontrolle zur Qualitätsverbesserung und die Aufklärung und Verhinderung des marktmissbräuchlichen Verhaltens kann nicht in der Ausprägung stattfinden, wie dies bei der Aufzeichnung des gesamten Telefonats möglich ist. Allerdings offenbart sich hier ein systemischer 93 Zur Rechtfertigung des Eingriffs durch Verfolgung von legitimen Ziele, insbs. zum Schutz der nationalen oder öffentlichen Sicherheit s. Weber, in: Stern/Sachs, Art. 7 Rn. 61; Knecht, in: Schwarze, EU-Kommentar, Art. 7 GRCh Rn. 11. 94 So auch die Erwägung des EuGH zur Vorratsdatenspeicherungs-RL, EuGH MMR 2014, 412, 413 Rn. 42 – Digital Rights Ireland LtD. 95 Zur Notwendigkeit der Zweckbindung Johlen, in: Stern/Sachs, Art. 8 Rn. 45. 96 So schon Buttarelli, Stellungnahme v. 25. 05. 2012, Rn. 28.

250

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

Fehler in der Konstruktion der Aufzeichnungspflichten hinsichtlich der Unterscheidung zwischen dem Gesprächsprotokoll und der Aufzeichnung von Telefongesprächen – die Regelung ist inkongruent. (2) Klare und präzise Regelung Hinsichtlich der erforderlichen Beschränkung auf das Notwendigste97 und der damit einhergehenden klaren und präzisen Regelungen98 für die Tragweite und Anwendung der fraglichen Maßnahmen bestehen Zweifel.99 Zwar schreibt die MiFID II-DLVO die Speicherung der Daten ohne Veränderungs- bzw. Löschungsmöglichkeit vor – auch nicht wie zuvor durch Kenntlichmachung –, und der Kunde kann zugleich die Herausgabe der Aufzeichnungen verlangen, um sich eine genaue Kenntnis zu verschaffen. Jedoch wurde ihm keine Eingriffsmöglichkeit an die Hand gegeben. Auch werden keine weiteren Schutzmechanismen für ihn vorgesehen, um die nachteilige Verwendung der Aufzeichnung gegen ihn zu verhindern.100 Hier wäre es aufgrund der Sensibilität der Daten aber durchaus notwendig, Vorgaben dahingehend zu machen, welcher Mitarbeiter die Aufzeichnungen kontrollieren darf, bzw. wer überhaupt Zugang zu den Aufzeichnungen hat.101 Hier dürfte kein Mitarbeiter grds. alle Gespräche mithören oder im Nachgang kontrollieren. Allerdings lässt sich auf andere Weise kaum der Zweck der Aufdeckung von marktmissbräuchlichem Verhalten umsetzen.102 Folglich könnte dieser nur durch Stichprobenkontrollen bzw. bei Verdachtsmomenten verwirklicht werden. Hier wäre eine personelle Trennung zwischen der Beratungsabteilung und der Kontrollabteilung notwendig, um zu verhindern, dass Kollegen sich gegenseitig oder gar sich selbst kontrollieren. Dass das WpDU den Aufsichtsbehörden ein schlüssiges, selbstentwickeltes Konzept über die Aufzeichnung und die Überwachung vorlegen muss, vermag an der Notwendigkeit der verbindlichen groben Festlegung nichts ändern, die dann entsprechend angepasst an die Größe des WpDU implementiert wird. Dies fördert nur, entgegen des Vereinheitlichungsziels der MiFID II, die Einführung unterschiedlicher Regelungen und ist kaum durch die nationalen Aufsichtsbehörden zu kontrollieren. 97 Weber, in: Stern/Sachs, Art. 7 Rn. 62; s. zum Übermaßverbot Johlen, in: Stern/Sachs, Art. 8 Rn. 50. 98 s. Johlen, in: Stern/Sachs, Art. 8 Rn. 45: „Der Gegenstand der Erhebung der Daten muss so genau wie möglich definiert und ausdrücklich festgelegt werden.“ 99 EuGH MMR 2014, 412, 414 – Digital Rights Ireland LtD m.w.N.; darauf auch schon Bezug nehmend Buttarelli, Stellungnahme v. 25. 05. 2012, Rn. 28. 100 ErwG. 57 MiFID II will den Anleger nur gegen die nachteilige Verwendung bei falscher Aufzeichnung schützen. 101 s. dazu allgemein die Ausführungen der ARTICLE 29 Data Protection Working Party in ihrem Schreiben vom 07. 07. 2015 an die Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion der Europäischen Kommission, S. 6, allerdings noch vor den delegierten Rechtsakten. 102 Walz, RdF 2014, 198, 201.

A. Die europäische Regelung

251

Auch macht der Gesetzgeber keine Vorgaben dazu, aus welchem Anlass die nationalen Aufsichtsbehörden auf Telefonaufzeichnungen zugreifen dürfen. Hier fehlt es also an Vorschriften, die den sorgsamen Umgang mit den Daten im Unternehmen sicherstellen und unberechtigte Zugriffe ausschließen. Des Weiteren wird nicht reglementiert, dass die Daten nach Ablauf des Aufbewahrungszeitraums unwiderruflich gelöscht werden müssen. Eine solche hatte der EuGH für die Vorratsdatenspeicherung jedoch als notwendig vorgesehen.103 Wie bereits zuvor festgestellt (s. 5. Teil A. und 5. Teil A.II.), sind sowohl die Regelungen in der Richtlinie als auch in der MiFID II-DLVO hinsichtlich des Aufklärungszeitpunkts bzw. deren Häufigkeit sowie über den Aufzeichnungsumfang nicht „klar und präzise“.104 Die Unklarheit über den Aufnahmeumfang verstößt zudem gegen das Verhältnismäßigkeits- und Notwendigkeitsgebot des Datenschutzrechtes.105 Die von den WpDU zu erstellenden internen Richtlinien sollten verpflichtende Schlagwörter für die Aufnahmepflicht festlegen. Anderenfalls ist die Gefahr zu groß, dass sämtliche Gespräche aufgenommen werden, was wiederrum grundlegend gegen Datenschutzbestimmungen aber auch gegen den Arbeitnehmerschutz verstößt.106 Eine Definition der „elektronischen Kundenkommunikation“ fehlt ebenfalls.107 (3) Keine Ausnahmeregelung Anders als die Vorratsdatenspeicherung, bei der der EuGH das Fehlen einer Ausnahmeregelung108 bemängelte,109 ist der Anwendungsbereich – auch wenn sonst keine weiteren Ausnahmen vorgesehen werden – von vornherein auf Telefongespräche zwischen Kunden und Bankmitarbeitern, die möglicherweise zu einem Geschäftsabschluss führen, beschränkt. Ebenso sind auch nur solche internen Gespräche der Mitarbeiter aufzuzeichnen. Es wird jedoch weder zwischen Kundenarten, noch nach der Art des Geschäfts differenziert und unabhängig eines Verdachts 103

EuGH MMR 2014, 412, 415 Rn. 67 – Digital Rights Ireland LtD. s. dazu ARTICLE 29 Data Protection Working Party in ihrem Schreiben vom 07. 07. 2015 an die Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion der Europäischen Kommission, S. 4. 105 s. dazu ARTICLE 29 Data Protection Working Party in ihrem Schreiben vom 07. 07. 2015 an die Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion der Europäischen Kommission, S. 4; darauf bereits hinweisend Buttarelli, Stellungnahme v. 25. 05. 2012, Rn. 31 ff. 106 s. dazu ARTICLE 29 Data Protection Working Party in ihrem Schreiben vom 07. 07. 2015 an die Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion der Europäischen Kommission, S. 5. 107 s. dazu ARTICLE 29 Data Protection Working Party in ihrem Schreiben vom 07. 07. 2015 an die Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion der Europäischen Kommission, S. 4. 108 s. zum Übermaßverbot Johlen, in: Stern/Sachs, Art. 8 Rn. 50. 109 EuGH MMR 2014, 412, 414 Rn. 55 ff. – Digital Rights Ireland LtD. 104

252

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

über marktmissbräuchliche Handlungen. Jedoch ist bislang nicht bekannt, dass eine Geschäfts- oder Kundenart fehler- oder marktmissbrauchsanfälliger ist. Dies ergibt sich möglicherweise erst nach der flächendeckenden Einführung der Aufzeichnungspflicht in allen Mitgliedstaaten. Diese Möglichkeit sollte jedoch in den kommenden Jahren beobachtet werden. (4) Fehlende Ausgestaltung der Speicherung Weiterhin ist die lange Speicherungsdauer kritisch zu hinterfragen.110 Für die Verlängerungsoption durch die nationalen Aufsichtsbehörden sollte deutlich der Zusatz hervorgehoben werden, dass diese Verlängerung ebenfalls verhältnismäßig sein und auf das Notwendigste beschränkt werden muss.111 Zur Einhaltung des Gebots, dass personenbezogene Daten nicht länger als für die Zwecke notwendig gespeichert werden dürfen,112 sollte die Aufzeichnungsdauer insgesamt gekürzt werden. Eine falsche Ausführung eines Kundenauftrags, die falsche Übermittlung oder gar eine fehlerhafte Annahme dürfte sich bereits vor Ablauf von 5 Jahren herausstellen.113 Die weitere Funktion des Anlegerschutzes rechtfertigt die lange Speicherdauer auch nicht, da die Anlageberatung von der Aufzeichnungspflicht – außer in oben dargestellten Sonderfällen – ausgenommen ist. Nur bei dieser wird der Fehler üblicherweise erst weit nach der eigentlichen Beratung aufgedeckt.114 Entsteht durch die Stichprobenkontrolle der Verdacht marktmissbräuchlichen Verhaltens, so liegt keine anlasslose Aufzeichnung mehr vor und die Speicherung kann durchaus auch weiter als nach Art. 16 Abs. 7 MiFID II fortgeführt werden. Aufgrund der Erfassung von persönlichen Daten muss zudem festgelegt werden, unter welchen Voraussetzungen die nationalen Aufsichtsbehörden die Frist auf 7 Jahre erweitern dürfen. Hier könnte sich beispielsweise an dem deutschen § 34 Abs. 3 S. 3 WpHG orientiert werden,115 der eine Ausdehnung der Speicherfrist durch die BaFin auf Ausnahmefälle begrenzt. Zudem auch nur dann, wenn dies „[…] aufgrund außergewöhnlicher Umstände unter Berücksichtigung der Art des Finanzinstruments oder des Geschäfts für die Überwachungstätigkeit der Bundesanstalt erforderlich ist“. Zwar werden hier auch keine Voraussetzungen für die au110 s. bereits DK, Stellungnahme zum Konsultationspapier von ESMA 2014/549, zu Frage 12, S. 10. Die Notwendigkeit bereits bei der durch die Kommission in den Vorschlägen zur Richtlinie vorgeschlagene dreijährige Aufbewahrungsfrist bezweifelnd, Buttarelli, Stellungnahme v. 25. 05. 2012, Rn. 35 ff. 111 s. dazu ARTICLE 29 Data Protection Working Party in ihrem Schreiben vom 07. 07. 2015 an die Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion der Europäischen Kommission, S. 5. 112 Vgl. EuGH ZD 2017, 124, 129 Rn. 107 – Tele2 Sverige. 113 Vgl. zur wahrscheinlichen Fehleraufdeckung Michels, Interview v. 15. 11. 2016; Witteck, Interview v. 14. 09. 2016. 114 Vgl. Mattil & Kollegen, Stellungnahme 2. FiMaNoG, S. 8. 115 Vgl. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 328, die der Auffassung sind, dass sich die EU-Vorgabe bereits an § 34 Abs. 3 WpHG orientiert.

A. Die europäische Regelung

253

ßerordentliche Verlängerung genannt, jedoch zeigt sich durch die Formulierung, dass mit der Verlängerungsoption restriktiv umzugehen ist. Um sicherzustellen, dass die Daten nicht unnötig länger als der Aufbewahrungsfrist entsprechend vorgehalten werden, sollte eine Regelung eingeführt werden, die die unverzügliche Löschung nach Fristablauf anordnet. Zudem sollte eine Verpflichtung zur sofortigen Löschung von fälschlicherweise aufgezeichneten Gesprächen festgesetzt werden. (5) Verhältnismäßigkeit i. e.S. Darüber hinaus ist es weiterhin offen, ob die starke finanzielle und organisatorische Belastung der WpDU in Relation zu dem durch die Regelung tatsächlich zu erreichenden Anlegerschutz und der Aufdeckung von marktmissbräuchlichem Verhalten steht.116 Zwar haben einige Mitgliedstaaten aufgrund der Ermächtigungsgrundlage in der Durchführungs-RL zur MiFID I bereits entsprechende Regelungen erlassen, aber auch diese müssen nun angepasst werden. Ausnahmen, wie die CESR sie für kleine Betriebe oder für kürzere Zeitspannen vorsah, bestehen nicht, obwohl sich der Aufwand von der damaligen Bewertung der CESR und der heutigen kaum verändert hat. Der Umsetzungsaufwand trifft damit alle Unternehmen gleich. Zur Beurteilung dieses Aufwands muss zunächst das Umsetzungsprozedere analysiert werden. Zunächst müssen die WpDU feststellen, durch welche Medien die Kunden bislang Kontakt aufnehmen können und über welche Mittel sie es taten.117 Hierfür werden regelmäßig Festnetztelefone an den Arbeitsplätzen der Mitarbeiter, Dienstmobiltelefone und bei dem bring your own device-Modell Mobiltelefone der Mitarbeiter genutzt.118 Auf Grundlage dieser Erkenntnis und unter Berücksichtigung der strengen Haftungsfolgen, muss eine neue Kommunikationspolitik erarbeitet werden. Hier ist es den WpDU anzuraten, die Nutzung privater Kommunikationsmittel und die Herausgabe privater Telefonnummern zu untersagen.119 Anderenfalls würde zusätzlich der Aufwand für die „Mitarbeiterkommunikationsgeräteliste“ (s. 5. Teil A.II.) erhöht, denn für die dienstlichen Geräte koordiniert das WpDU die Ausgabe von diesen und zugleich die Anstellungsverträge der Mitarbeiter.120 Bei privaten Geräten ist sie auf die Meldung des Mitarbeiters angewiesen.121 Alleine die 116

Offen lassend Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 228. s. zur Verhältnismäßigkeit der Datenverarbeitung Johlen, in: Stern/Sachs, Art. 8 Rn. 47. 117 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 347; zur Durchführung der Bestandsaufnahme und deren Ergebnissen in der Praxis, s. Bröcker, Interview v. 14. 10. 2016. 118 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 348; teilw. wird die private Mobiltelefonnummer auch auf der Visitenkarte abgedruckt, s. Bröcker, Interview v. 14. 10. 2016. 119 I. E. zustimmend Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 355. 120 s. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 354; es sei denn das WpDU benutzt bereits eine Software, die die Aufzeichnungsmethode auswählt, und hier ließe sich das Mobiltelefon integrieren, s. Herting, Interview v. 13. 02. 2017. 121 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 354.

254

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

Umstellung von privaten Geräten auf Geräte des WpDU ist mit erheblichen Kosten verbunden.122 Zugleich müssen Arbeitsanleitungen und Prozessbeschreibungen ggf. neu gestaltet werden.123 Insgesamt braucht es eine Software, die auf die neuen Aufzeichnungspflichten spezialisiert ist.124 Hier stellt sich die Frage, ob es nicht günstiger wäre, dies auf ein entsprechendes Call-Center auszulagern, wobei dann der persönliche Kundenkontakt verloren ginge. Anderenfalls könnte das WpDU ihr Telefonserviceangebot auf nur einen bestimmten Bereich beschränken.125 Allerdings müsste auch in diesen Fällen eine strukturelle Umorganisation mit Einführung neuer Betriebsabläufe erfolgen. Das bestehende Aufzeichnungs- und Speicherungssystem muss darauf überprüft werden, ob es den neuen Anforderungen gewachsen ist, insb. ob es keine nachträgliche Datenverarbeitung mehr zulässt, oder ob es eines Updates, wenn nicht sogar einer vollständigen Neuanschaffung bedarf.126 Auch die Speicherkapazität mit Kundenzuordnung ist ein herausforderndes Kriterium.127 Darüber hinaus sollte das System einfach zu handhaben sein, um einen einfachen internen Zugriff auf die Daten und deren Kontrolle zu ermöglichen. Zugleich sollten Wartung und SystemUpdates ohne Aufwand möglich sein, um entsprechend nach ESMAs Anforderungen auf die technische Fortentwicklung reagieren zu können. Auch die Mitarbeiter müssen über die neuen Anforderungen grundlegend geschult werden. Zugleich muss eine Regelung dafür gefunden werden, wie mit privaten Gesprächen der Mitarbeiter – sofern dies bislang erlaubt war – verfahren werden soll, wenn sich das WpDU aus Sicherheitsgründen dazu entschließt, jedes Gespräch aufzuzeichnen.128 Mithin zeigt sich in dieser bestenfalls groben Skizze, welch enormer Aufwand129 den WpDU bevorsteht, insb. in personeller, struktureller und technischer Hinsicht. Die dadurch entstehenden Kosten130 werden langfristig in Form von steigenden 122 123 124

2017.

s. zu den Kosten eines festen Telefonplatzes Backes, Interview v. 15. 11. 2016. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 351. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 349; vgl. Herting/Alpers, Interview v. 13. 02.

125 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 347; die Beschränkung der Telefonaufzeichnung auf bestimmte Filialen würde einen erheblichen Einschnitt bedeuten, s. Bröcker, Interview v. 14. 10. 2016. 126 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 356. 127 Backes, Interview v. 15. 11. 2016; i.E. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 356. 128 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 358. 129 s. dafür auch die Ausführungen des Bundesverbands Deutscher Banken e.V., „Sprachaufzeichnung telefonisch erteilter Wertpapierorders? – Eine Folgenabschätzung“. 130 Die DK schätze diese in ihrer Stellungnahme zur Revision der MiFID I auf 632 Mio. E für die Einführung einer entsprechenden Software und zusätzlich 332 Mio. E jährliche operative Kosten, DK, Stellungnahme zu den Legislativvorschlägen der Europäischen Kommission vom 20. 10. 2011, S. 11; zu den monatlichen Kosten eines Telefonplatzes bzw. der Anschaffung einer neuen Telefonanlage, s. Backes, Interview v. 15. 11. 2016.

A. Die europäische Regelung

255

Transaktionskosten auf den Kunden umgelegt werden müssen.131 Dieser verspürt jedoch keinen direkten Mehrwert, wurde die Wertpapierdienstleistung doch bisher auch per Telefon angeboten.132 Letztlich könnte dies sogar einen erschwerten Marktzugang zur Folge haben. Diese „Verschlechterung“ steht dem Ziel des verbesserten Anlegerschutzniveaus und der Verhinderung von marktmissbräuchlichen Verhaltens gegenüber. Auch die Länder, die bereits eine Aufzeichnungspflicht eingeführt haben, haben bisher keine verlässlichen Studien über den Erfolg veröffentlichen können. Anzuerkennen ist jedoch, dass die Maßnahme grds. geeignet ist, das Vertrauen des Anlegers in den Markt zu steigern, wenn ihm der aus der Aufzeichnung herrührende Schutz offensiv genug angepriesen wird. Dennoch stehen die Belastungen des Unternehmens aufgrund fehlender Nachweise in keiner Relation zu den möglichen Erfolgen dieser Regelung. Eine besondere Begründung weshalb eine einheitliche Regelung auf diesem Gebiet notwendig ist, ist ebenfalls nicht ersichtlich. Einige Mitgliedstaaten haben bereits andere Qualifikationen, wie bspw. das deutsche Beratungsprotokoll, welches auch bei telefonischer Anlageberatung geführt wird, geschaffen. Dieses soll zudem nun unter dem Namen Geeignetheitserklärung europaweit durch die MiFID II eingeführt werden (s. hierzu noch 6. Teil). Es ist zudem nicht bekannt, dass in Mitgliedstaaten, in denen keine Aufzeichnungspflichten bestehen, die Kunden öfter Opfer von marktmissbräuchlichem Verhalten werden. 2. Fazit Insgesamt zeigt sich die Regelung sowohl hinsichtlich des Datenschutzes als auch hinsichtlich der Angemessenheit als nicht mit bestehendem EU-Recht vereinbar und bedarf deutlicher Nachbesserung. Angesichts der bisherigen Reaktion von ESMA und der Kommission sowie der fehlenden Sensibilität für dieses Thema in anderen Mitgliedsländern, ist jedoch nicht mit einer baldigen bzw. freiwilligen Korrektur zu rechnen. Es besteht jedoch noch die Möglichkeit, dass der nationale Gesetzgeber an einigen Stellen Konkretisierungen und Ergänzungen vornimmt, um diesem Problem entgegenzuwirken.133 In jedem Falle sollten die WpDU dennoch an einer Umsetzung der technischen Voraussetzungen arbeiten, da mit einer vollständigen Aufhebung der Aufzeichnungspflicht keinesfalls zu rechnen ist. Unklar ist bislang auch, wie mit anderen nicht von der MiFID II genannten Medien, zu verfahren ist.134 Während ESMA sich nicht über entsprechende Tech131 s. zu den Umlegungskosten Bundesverbands Deutscher Banken e.V., „Sprachaufzeichnung telefonisch erteilter Wertpapierorders? – Eine Folgenabschätzung“, S. 9 f. 132 Vgl. Michels, Interview v. 15. 11. 2016. 133 So die Hoffnung von Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 339. 134 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 315.

256

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

niken äußern will, da in diesem Gebiet – wie ESMA richtig anmerkt – ein rasanter Fortschritt herrscht,135 verpasst es der europäische Gesetzgeber, die Richtlinie bei Bedarf anpassen zu können. Gerade hinsichtlich der Videokonferenzen o. ä. wäre eine Regelung des Gesetzgebers nicht nur wünschenswert, da sich diese Techniken immer größerer Beliebtheit erfreuen, sondern auch notwendig, da die Richtlinie aufgrund des Wortlautes und der datenschutzrechtlichen Notwendigkeit der Einschränkung per Gesetz nicht übertragbar ist. Hier ist somit eine Nachjustierung vorprogrammiert.

IV. ESMAs Q&As als Level-3-Maßnahmen In Form von Q&As hat ESMA Fragen von nationalen Aufsichtsbehörden und WpDU beantwortet, um eine einheitliche Interpretation und Implementierung zu gewährleisten. In diesen verdeutlicht ESMA, das sie erwartet, dass sämtliche interne Kommunikation der Mitarbeiter aufgezeichnet wird, wenn es darin um erfasste Geschäfte bzw. um den Umgang mit Ordern und Transaktionen geht.136 Gleichzeitig ist ESMA der Auffassung, dass die WpDU für die Herausgabe der Aufzeichnungen an den Kunden eine Gebühr erheben können, sofern dies nach nationalem Recht erlaubt ist und nicht zur verzögerten Herausgabe oder hohen Kosten führt und damit im Einklang mit Art. 12 der Datenschutz-RL steht.137 Während ESMA hier noch datenschutzrechtliche Überlegungen anstellt, fordert sie gleichzeitig, dass aufzeichnungspflichtige Gespräche von Beginn bis zum Ende aufgenommen werden müssen und nicht nur die essentiellen Teile. Damit lässt ESMA hier das Gebot der Datensparsamkeit außer Acht.138 Gleichzeitig bestätigt ESMA, dass von der Herausgabepflicht auf Verlangen des Kunden auch die interne Kommunikation der Mitarbeiter erfasst ist, wenn sie sich auf die Bereitstellung der Kundenorder bezieht.139 Um jedoch ein übermäßiges Aufzeichnen zu verhindern, gibt ESMA nun auch grobe Orientierungspunkte, wann die Aufzeichnungspflicht entsteht.140 So müssen Gespräche aufgezeichnet werden, wenn diese zu einer Vereinbarung über die Ausführung eines erfassten Geschäfts oder zu einer Handlung auf eigene Rechnung und die Bereitstellung des Kundenauftrags führen. Hiervon erfasst, sieht ESMA die Übermittlung des Auftrags an einen Broker oder die Kommunikation über die Handhabung eines Kundenauftrags.141 Der Versuch hier mehr Klarheit zu schaffen, blieb damit letztlich im Versuchsstadium stecken. Hinsichtlich der Überprüfung der Einhaltung der Aufzeichnungspflichten gibt ESMA an, dass die von dem Unter135 136 137 138 139 140 141

ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.6, Nr. 6; Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 10. ESMA, Q&As investor protection, S. 30. ESMA, Q&As investor protection, S. 30 f. ESMA, Q&As investor protection, S. 34. ESMA, Q&As investor protection, S. 35. ESMA, Q&As investor protection, S. 35 f. ESMA, Q&As investor protection, S. 35 f.

B. Die Aufzeichnungsregelungen in Deutschland

257

nehmen zu implementierenden, internen Regelungen angemessen zur Unternehmensgröße und -art sein sollen.142 Zur Bestimmung der Angemessenheit sollen unter anderem das Volumen und die Häufigkeit des Handels auf eigene Rechnung, von Kundenorder sowie deren Eigenschaften und die der Finanzinstrumente sowie aktuelle Marktbedingungen herangezogen werden. Die Überprüfung muss die Einhaltung des Aufzeichnungsablaufs, die Richtigkeit und die Verfügbarkeiten der Aufzeichnungen sowie die richtige Wiedergabe des aufgezeichneten Inhalts umfassen. ESMA konkretisiert auch die Anforderungen zur Verlängerung der Aufbewahrungsfrist durch die nationalen Behörden, indem sie vorgibt, dass eine Verlängerung bspw. dann möglich ist, wenn eine komplexe Untersuchung aufgrund der Überwachungsaufgabe vorgenommen werden muss.143 ESMA gibt nun aber auch an, dass die nationale Behörde dem WpDU anzeigen muss, wenn sie die Daten, für die sie dem WpDU eine längere Aufbewahrung auferlegt hat, nicht mehr benötigt. Damit sieht nun auch ESMA die Schwierigkeit der langen Aufbewahrungspflicht. Gleichzeitig hat ESMA erkannt, dass die moderne elektronische Kommunikation nicht nur E-Mail, Fax und Telefonate enthält, sondern auch via SMS oder Videokonferenz erfolgen kann, indem sie angibt, dass diese auch von ihrem Begriffsverständnis der elektronischen Kommunikation erfasst sind.144 Eine nicht abschließende Orientierungsliste will ESMA aufgrund des raschen, technischen Fortschritts dennoch nicht erstellen und zeigt damit die bereits festgestellte häufige Aktualisierungsnotwendigkeit der Vorschriften an. ESMA erklärt des Weiteren, dass eine Auslagerung der Aufzeichnungspflichten, bspw. auf ein Callcenter, unter Einhaltung der Voraussetzungen möglich ist.145

B. Die Aufzeichnungsregelungen in Deutschland I. Die Aufzeichnungsregelungen vor der Umsetzung Aufzeichnungspflichten sind dem deutschen Recht nicht unbekannt. So existieren bereits in § 34 WpHG umfassende Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten, die durch § 14 WpDVerOV konkretisiert werden.146 Für Handelsgeschäfte, die per Telefon abgeschlossen werden, bestehen zudem Aufzeichnungspflichten für Kreditund Finanzdienstleistungsinstitute gem. BTO 2.2.1 Nr. 4 MaRisk.147 Diese müssen jedoch nur für drei Monate aufbewahrt werden. Bei dieser geht es ausschließlich um die Aufdeckung von Differenzen im telefonischen Handel, sodass die europäische 142 143 144 145 146 147

ESMA, Q&As investor protection, S. 31 f. ESMA, Q&As investor protection, S. 32. ESMA, Q&As investor protection, S. 33. ESMA, Q&As investor protection, S. 33. Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 34 Rn. 9. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 297.

258

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

Regelung weitergeht, indem sie auch die Überprüfung der Wohlverhaltensregelungen zum Ziel erklärt.148 § 34 Abs. 1 WpHG schreibt den WpDU vor, dass sie Aufzeichnungen über alle getätigten Wertpapierdienst- und Wertpapiernebendienstleistungen erstellen müssen, die der BaFin als Kontrolle zur Einhaltung der Wohlverhaltensregeln des 6. Abschnittes des WpHG dienen. Diese Aufzeichnungen beinhalten aber nicht ausdrücklich die Anfertigung von Telefongesprächsaufnahmen.149 So hat Deutschland von der Ermächtigungsgrundlage in der MiFID I-DRL zur Einführung einer Aufzeichnungspflicht für Telefongespräche keinen Gebrauch gemacht.150 Nach ausgiebiger Diskussion im Bundesrat während des Gesetzgebungsverfahrens151 zur Umsetzung der MiFID I im Jahre 2009 wurde eine solche für § 34 Abs. 2a WpHG abgelehnt.152 Auch der Rechtsausschuss hatte sich aufgrund der durch eine Aufzeichnungspflicht anfallenden Kosten und der erwarteten negativen Kundenreaktion für die Protokollierung und damit gegen die Aufzeichnung der Telefongespräche ausgesprochen.153 Zuvor hatte bereits der Bundesverband Deutscher Banken e.V. im Jahr 2008 eine Studie anfertigen lassen, die die extreme Kostenbelastung der WpDU auswies.154 Darüber hinaus bestanden – zu Recht (s. 5. Teil A.III.1.) – erhebliche Bedenken bezüglich der Verletzung des verfassungsrechtlich garantierten Schutzes der Privatsphäre des Bürgers,155 da es kaum möglich sei mit langjährigen Bankkunden während des Telefonats keine persönlichen Gesprächsthemen zumindest anzuschneiden. Dennoch findet auch in der deutschen Praxis die Aufzeichnung von Telefongesprächen (bspw. bei Direktbanken) Anwendung, vor allem in Form der Zusammenfassung der wesentlichen Punkte am Ende eines Beratungsgesprächs.156 Dies erfolgt jedoch nur nach vorheriger Aufklärung durch Bandansage oder manuell durch den Berater, da anderenfalls eine Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes i.S.d. § 201 StGB vorliegt.157 Folglich kann der Kunde der Aufzeichnung, anders als 148

Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 297. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 295. 150 Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 228; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 201b; Roth/ Blessing, CCZ 2017, 8. 151 Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung v. 31. 07. 2009, BGBl. I, 2512. 152 Kurz, DB 2014, 1181, 1185; Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 228; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 201b. 153 Beschlussempfehlung des Rechtsauschusses, BT-Drs. 16/13672, S. 22. 154 Bundesverband Deutscher Banken e.V., „Sprachaufzeichnung telefonisch erteilter Wertpapierorders? – Eine Folgenabschätzung“, S. 28 ff.; s. hierzu Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 201b. 155 Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 228. 156 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 295. 157 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 295. 149

B. Die Aufzeichnungsregelungen in Deutschland

259

nun auf europäischer Ebene vorgesehen, widersprechen. Um das Einverständnis nachweisen zu können, wird die Zustimmung des Kunden zu Beginn des Gespräches oftmals mitaufgezeichnet.158 Weiterhin fällt auf, dass sich die Aufzeichnungspflicht bislang ausschließlich auf den Geschäftsabschluss bezog und rein interne und organisatorische Vorgänge nicht erfasst wurden.159 Dies ändert sich durch die Level-2-Maßnahmen, da Art. 76 Abs. 1 lit. a) MiFID II-DLVO ausdrücklich auch die Aufzeichnung der internen Kommunikation bestimmt, soweit sich diese auf den Abschluss eines Geschäftes bezieht.160 Führt der Privatkunde mit seinem Berater ein telefonisches Beratungsgespräch, so ist dieses nach § 34 Abs. 2a WpHG durch das WpDU schriftlich zu protokollieren und das Protokoll dem Kunden nach der Beratungsleistung – aber vor Geschäftsabschluss – in Papierform bzw. auf einem dauerhaften Datenträger, vom jeweiligen Berater unterzeichnet, auszuhändigen.161 Da die Übergabe bei der telefonischen Beratung nicht sofort erfolgen kann, muss dem Kunden das Protokoll unverzüglich nach Beendigung der Beratung zugesendet werden.162 Der Kunde kann jedoch auf seinen ausdrücklichen Wunsch – dieser ist im Protokoll festzuhalten – bereits vor Erhalt dieses Protokolls ein Geschäft abschließen. Ihm steht dann ein Rücktrittsrecht innerhalb einer Woche ab Zugang des Protokolls zu, sofern das Protokoll Fehler enthält oder unvollständig ist. Auf dieses Rücktrittsrecht und die Frist ist der Kunde hinzuweisen. (s. ausf. 6. Teil B.I.2) Inhaltlich gleichen die Anforderungen hinsichtlich Anlass, Dauer, Informationsgrundlage, Kundenwünschen und Empfehlungsgründen,163 die § 14 Abs. 6 WpDVerOV für das schriftliche Beratungsprotokoll aufstellt, der Minimum-Liste von ESMA für die Aufzeichnung von Präsenzgesprächen. Nach beiden müssen die Gesprächsteilnehmer, der Initiator (dieser wird auch im Zusammenhang mit dem Anlass der Beratung nach § 14 Abs. 6 WpDVerOV zu nennen sein), Datum und Uhrzeit sowie Ort des Gesprächs und die Angabe aller relevanten Informationen der 158

Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 295. Möllers, in: KK/WpHG, § 34 Rn. 1. 160 Vgl. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 201a, der diese Vorgaben als eine nahezu flächendeckende Aufzeichnungspflicht bezeichnet. Allerdings dürfte es wesentlich mehr interne Kommunikation aber auch Kundenkommunikation geben, die sich nicht auf aufzeichnungspflichtige Geschäfte bezieht. Es wird gerade keine allumfassende Aufzeichnungspflicht statuiert. 161 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 36; Schulz, Der telefonische Vertrieb von Finanzinstrumenten, 148 ff. Das einfache Kürzel ist insofern genügend, um dem Gespräch den teilnehmenden Berater zuzuordnen; es braucht keine Form i.S.d. §§ 126, 126b BGB, s. Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 32 f.; Möllers, in: KK/WpHG, § 34 Rn. 86. 162 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 42 f.; Schulz, Der telefonische Vertrieb von Finanzinstrumenten, 155. 163 Ausf. zu den einzelnen Merkmalen Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 26 ff.; Möllers, in: KK/WpHG, § 34 Rn. 91 ff.; Schäfer, in: Heidel, § 34 Rn. 13 ff.; Schulz, Der telefonische Vertrieb von Finanzinstrumenten, 142 ff.; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 198. 159

260

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

Order, vor allem Angaben zu Preis und Volumina vermerkt werden.164 Unterschiedlich ist jedoch, dass sich § 34 Abs. 2a WpHG nur auf Privatkunden bezieht, hingegen von der Aufzeichnungspflicht gem. Art. 16 Abs. 7 MiFID II alle Kunden erfasst werden, mithin auch professionelle Kunden.165 Hierin zeigt sich, dass der Hintergrund der Normgebung nicht nur im Individualschutz liegt – um die Schutzbedürftigkeit des professionellen Kunden lässt sich sicher streiten –, sondern auch in der Aufdeckung von marktmissbräuchlichem Verhalten.166 Außerdem knüpft ESMA diese Anforderungen nur an die bestimmten Geschäfte und nicht wie im deutschen Recht an die Anlageberatung. Indem sich Art. 16 Abs. 7 MiFID II nicht auf das Beratungsgespräch beschränkt, es vielmehr nur unter besonderen Umständen miterfasst, ist der Anwendungsbereich weiter als der des § 34 Abs. 2a WpHG.167 Mithin bräuchte es eine Erweiterung bzw. gänzlich neue Regelungen für die Protokollierung von Präsenzgesprächen, die dann jedoch die Ausführungen aus § 34 Abs. 2a WpHG mitaufgreifen müssten. Vor allem im deutschen Recht wird ein zivilrechtlicher Herausgabeanspruch der Aufzeichnungen an den Kunden gestaltet werden müssen, ähnlich wie dieser auch für das Beratungsprotokoll in § 34 Abs. 2b WpHG vorgesehen ist.168 Mangels europäischer Vorgaben, wie dem Kunden die Aufzeichnung herauszugeben ist, kann dies auf dieselbe Weise geschehen wie für die BaFin, also mittels eines leichten Zugangs und zeitnah.169 Die von ESMA aufgestellten Kriterien „unter besonderen Umständen“ und „mit vertretbarem Aufwand“ sind hier nicht zielführend.170 Die Telefongespräche weiterhin zu protokollieren, anstatt sie aufzuzeichnen, ist hingegen keine Umsetzungsmöglichkeit für den nationalen Gesetzgeber, da eine solch weite Auslegungsmöglichkeit keinen Eingang in den Richtlinienwortlaut gefunden hat.171 Die Speicherfrist von fünf Jahren ist dem deutschen Recht nicht unbekannt. So sieht bereits § 34 Abs. 3 WpHG eine solche für die bisher zu erstellenden Aufzeichnungen vor. Ebenfalls ist hier die Verlängerungsoption der BaFin in Ausnahmefällen und bei entsprechenden Produkteigenschaften vorgesehen.172 Diese müsste allerdings entsprechend der Vorgabe der Richtlinie auf sieben Jahre begrenzt werden. 164

Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 312. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 312; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 201a. 166 Vgl. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 312. 167 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 313. 168 Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 228; zum Herausgabeanspruch gem. § 34 Abs. 2b WpHG s. Möllers, in: KK/WpHG, § 34 Rn. 116 ff. 169 Vgl. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 333. 170 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 333. 171 Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 228. 172 Möllers, in: KK/WpHG, § 34 Rn. 119. 165

B. Die Aufzeichnungsregelungen in Deutschland

261

Auch die Speichervorgaben des § 14 Abs. 9 WpDVerOV müssen dahingehend angepasst werden, dass eine nachträgliche Bearbeitung der Daten auch unter Kennzeichnung nicht mehr möglich ist.173 Die weiteren Voraussetzungen stimmen bereits mit den MiFID II-Vorgaben überein.174

II. Die Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im 2. FiMaNoG Der deutsche Gesetzgeber hat während des Umsetzungsprozesses vom RefE 1. FiMaNoG zum RegE des 2. FiMaNoG erhebliche Nachbesserungen vorgenommen. Bestand der erste Umsetzungsversuch noch aus einem einzigen Absatz, der alle bislang dargestellten Konstellationen abdecken sollte, so finden sich im RegE 2. FiMaNoG in § 83 WpHG-E mittlerweile acht Absätze zur Umsetzung und die Gesetzesbegründung enthält hilfreiche Erläuterungen. Der Gesetzgeber ist nicht nur um eine wortlautgetreue Umsetzung bemüht, sondern er versucht, die offenen Fragen auf europäischer Ebene zu klären und die bereits herausgearbeiteten Missstände hinsichtlich des Datenschutzes zu beheben. Dies ist ihm durchaus gelungen – die Notwendigkeit einer solchen Aufzeichnungsregelung bleibt allerdings weiterhin zweifelhaft. Die neuen Regelungen finden sich künftig in § 83 WpHG-E, der wie vermutet den bisherigen § 34 WpHG ersetzt. Gleichzeitig entfällt damit das bisherige deutsche Beratungsprotokoll (s. dazu 6. Teil B.II.2.). 1. Die Umsetzung unter Berücksichtigung des Datenschutzes? Im Folgenden soll die Umsetzung der Vorgaben der MiFID II und die Einhaltung der datenschutzrechtlichen Voraussetzungen überprüft werden. Bei der Umsetzung in das nationale Recht hat der deutsche Gesetzgeber die Grundrechte, in diesem Falle das Fernmeldegeheimnis gem. Art. 10 GG, der sowohl den Inhalt des Telefongesprächs als auch dessen äußere Umstände in Form des Datums oder Länge erfasst,175 sowie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung gem. Art. 2 Abs. 1 GG, zu beachten. Zudem hat er die bei der Einführung noch geltende Datenschutz-RL zu berücksichtigen und sollte im Vorgriff die ab dem 25. 05. 2018 direkt geltende DSGVO ebenfalls berücksichtigen. Durch die Umsetzung der europäischen Regelung werden die Banken verpflichtet, Telefongespräche mit ihren Kunden aufzuzeichnen. In denen werden, wie sich bereits auf europäischer Ebene herausstellte, auch höchstpersönliche Informationen ausgetauscht, sodass die Aufzeichnung den geschützten Bereich berührt. 173 174 175

Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 331. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 331. Durner, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 10 Rn. 85 f.

262

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

Darüber hinaus müssen unter Umständen die Aufzeichnungen an die BaFin als staatliche Aufsichtsbehörde weitergegeben werden. Wie bereits festgestellt, würde dies bei einer Eins-zu-eins-Umsetzung der MiFID II-Vorgaben ohne ausdrückliche Einwilligung des Kunden geschehen. Eine solche Einwilligung fordern jedoch Art. 7 lit. a) Datenschutz-RL bzw. künftig Art. 6 Nr. 11 DSGVO. Der Kunde könnte der Weitergabe auch nicht widersprechen. Mithin wäre durch den Erlass der nationalen Regelungen auch der Schutzbereich des Art. 10 GG eröffnet. Um diesen zu rechtfertigen, müssten die neuen Regelungen, die die exakten Voraussetzungen der Speicherung und Verarbeitung der Daten vorgeben, bestimmt und verhältnismäßig sein. a) Anwendungsbereich der Aufzeichnungspflicht In § 83 Abs. 3 S. 1 WpHG-E legt der Gesetzgeber fest, dass Inhalte der elektronischen Kundenkommunikation und Telefongespräche aufgezeichnet werden müssen, wenn es sich um Geschäfte im Rahmen des Handels für eigene Rechnung oder um die „[…] Erbringung von Dienstleistungen, die sich auf die Annahme, Übermittlung und Ausführung von Kundenaufträgen beziehen […]“ handelt. Ganz deutlich hebt der Gesetzgeber hier die auf europäischer Ebene unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten vermisste Zweckbindung (s. 5. Teil A.III.1.) für die Beweissicherung hervor. Gleichzeitig ermächtigt die Regelung die WpDU, zu diesem Zweck personenbezogene Daten zu erheben, zu verarbeiten und zu nutzen. Mithin hat der deutsche Gesetzgeber hier das Problem des Datenschutzes erkannt und gelöst. Es dürfen sowohl inhaltlich, als auch hinsichtlich des Umfangs nur solche Aufzeichnungen vorgenommen werden, die für den Zweck der Beweissicherung erforderlich sind. Solche Aufzeichnungen sind dann als befugt i.S.d. § 201 Abs. 1 StGB anzusehen.176 Ebenfalls besser als auf europäischer Ebene konkretisiert der deutsche Gesetzgeber den aufzeichnungspflichtigen Inhalt. Er gibt an, dass die Teile des Gesprächs bzw. der elektronischen Kundenkommunikation aufgezeichnet werden müssen, „[…] in welchen die Risiken, die Ertragschancen oder die Ausgestaltung von Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen erörtert werden“, § 83 Abs. 3 S. 2 WpHG-E.177 Ein europäisches Pendant besteht für diese Regelung nicht. Eine Ausweitung der MiFID II-Regelung nimmt der Gesetzgeber hingegen nicht vor, da er keine zusätzlichen Anforderungen schafft, sondern die bestehenden konkretisiert, um die Anwendbarkeit für die WpDU zu erleichtern.178 Damit haben die WpDU konkrete Kriterien, die eine Aufzeichnungspflicht auslösen und können danach ihre aufzustellenden internen Leitlinien ausrichten. Indem der Gesetzgeber diese Kri176

Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 245. Begr. RegE 2. FiMaNoG, BR-Drs. 813/16, S. 92. 178 A.A. BDV, Stellungnahme in der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zum 2. FiMaNoG, S. 5. 177

B. Die Aufzeichnungsregelungen in Deutschland

263

terien mit „insbesondere“ einleitet, macht er deutlich, dass die Aufzählung nicht abschließend ist und die WpDU weitere Kriterien aufstellen können, bzw. in vergleichbaren Fällen ebenfalls die Aufzeichnungspflicht ausgelöst wird. Dies ist ein erheblicher Fortschritt zur Orientierung für die WpDU. Genauso wie die europäische Regelung, führt der deutsche Gesetzgeber des Weiteren aus, dass die Aufzeichnungspflicht auch dann besteht, wenn das Gespräch nur den Abschluss vorbereitet, § 83 Abs.3 S. 4 WpHG-E. Nicht nur aus dem Gesetzestext, sondern auch aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass die Regierung die Frage, welche Inhalte aufzeichnungspflichtig sind und die damit einhergehende Unsicherheit der WpDU sowie die Datenschutzprobleme, erkannt hat. Denn hier geht die Regierung deutlich über die europäische Regelung, aber auch über den Wortlaut der deutschen Regelung, hinaus, indem sie vorgibt, dass für WpDU, die ausschließlich Wertpapierdienstleistungen per Telefon bzw. elektronischer Kommunikation anbieten, eine Aufzeichnungspflicht von Gesprächsbeginn an besteht.179 Es sei nicht zu erwarten, dass noch andere Dienstleistungen – außer die aufzeichnungspflichtigen – angeboten werden.180 Bei Instituten, die auch noch andere Dienstleistungen, als die von der MiFID II erfassten, anbieten, entstünde hingegen ein Spannungsverhältnis zwischen der Aufzeichnungspflicht zur Beweissicherung bei der Beratung über Wertpapierdienstleistungen und dem allgemeinen Grundsatz der Datensparsamkeit.181 Zwar macht die Regierung hier richtigerweise keine Angaben zum Aufzeichnungsbeginn, stellt aber zugleich fest, dass zum Zwecke der Beweissicherung zugunsten des Kunden frühzeitig mit der Aufzeichnung begonnen werden soll.182 Es ist hervorzuheben, dass der Gesetzgeber offensichtlich um den Datenschutz bemüht ist, aber gleichzeitig den WpDU eine praktische, handhabbare Lösung bieten möchte. Dies ist grds. positiv zu bewerten. Eine generelle Aufzeichnungspflicht für WpDU, die keinen persönlichen Kontakt zu dem Kunden haben, ist jedoch nicht mit den europäischen Vorgaben vereinbar. Gleichzeitig zeigt die Argumentation der Regierung, dass sie fälschlicherweise davon ausgeht, dass die Beratungsleistung an sich aufzeichnungspflichtig ist.183 Dies ergibt sich auch aus der Unterscheidung zu Execution-Only-Geschäften. Nach Ansicht der Regierung muss bei diesen spätestens bei der Ordererteilung eine bestätigende Zusammenfassung über den Geschäftsabschluss gegenüber dem Kunden aufgezeichnet werden und der Kunde gleichzeitig 179

Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/19036, S. 244. Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/19036, S. 244. 181 Auf europäischer Ebene nun ausdrücklich verankert in Art. 5 Abs. 1 lit. c) DSGVO, diesen bislang auf europäischer Ebene nicht ausdrücklich benannten Teilaspekt des Erforderlichkeits- bzw. Zweckbindungsgrundsatzes wurde im nationalen Recht durch § 3a BDSG aufgegriffen. 182 Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/19036, S. 244. 183 Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drucks. 18/19036, S. 244; i.E. gehen auch Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 12 von der Erfassung der Anlageberatung aus; ebenso Buck-Heeb/Poelzig, BKR 2017, 485, 489. 180

264

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

darauf hingewiesen werden, dass die Order ohne Beratungsleistung erteilt wurde.184 ESMA hingegen hat diese ausdrücklich ausgenommen, es sei denn sie führt zu aufzeichnungspflichtigen Geschäften. Auf diesem Weg nimmt es allerdings die Regierung den WpDU ab, die spitzfindige Unterscheidung zu treffen, was noch eine reine Beratungsleistung darstellt und was bereits den Geschäftsabschluss vorbereitet. Hinsichtlich der Regelung für Execution-Only-Geschäfte, sollten aufgrund deren weitreichenden Auswirkungen bezüglich des aufzeichnungspflichtigen Inhalts diese klarstellend in den Gesetzestext aufgenommen werden.185 b) Umsetzungsmaßnahmen und Informationspflichten Des Weiteren soll das WpDU gem. § 83 Abs. 4 S. 1 WpHG-E „[…] alle angemessenen Maßnahmen [zu] ergreifen, um einschlägige Telefongespräche und elektronische Kommunikation aufzuzeichnen, die über Geräte erstellt oder von Geräten gesendet oder empfangen werden, die das Wertpapierdienstleistungsunternehmen seinen Mitarbeitern oder beauftragten Personen zur Verfügung stellt oder deren Nutzung das Wertpapierdienstleistungsunternehmen billigt oder gestattet“. Hier wurde der RefE 2. FiMaNoG erweitert, um die beauftragten Personen ebenfalls zu erfassen, was zur Verhinderung von Schutzlücken zu befürworten ist. Im Vergleich zum RefE des 1. FiMaNoG, der noch ein ausdrückliches Verbot für die Nutzung von privaten Kommunikationsmitteln der Mitarbeiter vorsah, wenn diese nicht aufzeichnen können bzw. nicht der Kontrolle des WpDUs unterliegen, weicht bereits der RefE 2. FiMaNoG ab. Dieser und der RegE zeichnen nun ein positiv formuliertes Verbot für solche Kommunikationsmittel, wenn die Kommunikation nicht mit Zustimmung des Mitarbeiters aufgezeichnet werden oder nach Abschluss des Geschäftes auf einen eigenen Datenspeicher kopiert werden kann. Damit konkretisieren die letzten Entwürfe das Verbot. Zwar besteht auf europäischer Ebene keine vergleichbare Formulierung, jedoch ist dieses Verbot der Umkehrschluss aus der grds. Aufzeichnungspflicht für alle Telefonate. Abs. 5 nimmt sich der Aufklärungsproblematik an. Hatte es der Gesetzgeber im RefE 1. FiMaNoG versäumt, die Unklarheiten auszuräumen, die auf europäischer Ebene zum Aufklärungszeitpunkt bestehen, so holt er dies bereits im RefE 2. FiMaNoG nach. Er legt zum einen fest, dass richtigerweise nicht nur der Kunde, sondern auch die Mitarbeiter und beauftragte Personen vorab in geeigneter Weise über die Aufzeichnung zu informieren sind. In der Begründung des RegE 2. FiMaNoG führt er weiter aus, dass eine einmalige Information vor der erstmaligen Erbringung der Wertpapierdienstleistung gegenüber dem jeweiligen Kunden ausreichend ist.186 Zum anderen führt er, ohne europäisches Pendant, eine Widerspruchsmöglichkeit des Kunden ein. Ebenso wie bei fehlender Aufklärung zieht der 184 185 186

Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 245. DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 25. Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 245.

B. Die Aufzeichnungsregelungen in Deutschland

265

Widerspruch des Kunden das Verbot der Erbringung einer telefonischen oder mittels elektronischer Kommunikation veranlassten Wertpapierdienstleistung nach sich. Eine bislang übliche Ausgestaltung, dass bei Ablehnung der Aufzeichnung eine solche nicht stattfindet, wurde richtigerweise nicht eingeführt. Mithin hat der deutsche Gesetzgeber zwar die Möglichkeit des Widerspruchs des Kunden geschaffen, jedoch mit der gleichen Konsequenz wie auf europäischer Ebene, dass solche Gespräche telefonisch nicht mehr durchgeführt werden können. Ein solcher ist damit nicht von der europäischen Ebene ausgeschlossen, da auch hier den Kunden frei stand das Telefonat bei fehlendem Einverständnis zu beenden. Das Verbot ist jedoch dahingehend weiter als auf europäischer Ebene, da hier ebenfalls folgerichtig die Beratung erfasst wird. Damit stellt der Gesetzgeber zugleich heraus, dass – wie auf europäischer Ebene – die genannten Leistungen nur telefonisch nicht mehr erbracht werden dürfen. Für weitere Regelungen verweist der Gesetzgeber auf Art. 76 MiFID II-DLVO. Die Einführung einer Widerspruchslösung ist kritisch. Zum einen bietet sie den WpDU Rechtssicherheit, da bei nicht erfolgtem Widerspruch zugleich eine Einwilligung des Kunden zur Aufzeichnung vorliegt. Zum anderen besteht jedoch kein europäisches Pendant. Dies liegt, wie bereits festgestellt, unter anderem am Schutzzweck der Regelung, die nicht nur die Individualinteressen des Anlegers, sondern auch die Marktintegrität schützt, indem marktmissbräuchliches Verhalten aufgedeckt wird. (s. 5. Teil A.). Andererseits wird durch die Einführung der Widerspruchsmöglichkeit eine deutliche Einwilligungserklärung, wie sie Art. 7 lit. c) Datenschutz-RL vorsieht, geschaffen und auch der Eingriff in den Schutzbereich des Art. 10 GG umgangen. Des Weiteren obliegt es dem mündigen Anleger, selber zu entscheiden, ob er sich aufzeichnen lassen möchte und sich damit den zusätzlichen Schutz angedeihen lässt oder nicht.187 Ohne Widerspruchsmöglichkeit scheint es gerade so, als wolle der Gesetzgeber den Anleger vor sich selbst schützen und sehe in ihm keinen Anleger, der eigenständige Entscheidungen treffen kann. Einen solchen dann aber eine eigenständige Entscheidung hinsichtlich der Finanzprodukte treffen zu lassen, wäre paradox. Mithin ist eine solche Vorschrift zwar unter Harmonisierungsaspekten keine Eins-zu-eins-Umsetzung, jedoch beachtet der Gesetzgeber die ihm in den ErwG. auferlegte Gewährleistung der datenschutzrechtlichen Vorgaben. Insgesamt ist diese daher zu begrüßen. c) Dokumentationspflichten bei persönlichen Gesprächen Die im RefE 1. FiMaNoG nur halbherzig umgesetzte Protokollierungspflicht der persönlichen Gespräche durch ausschließlichen Verweis auf die delegierten Rechtsakte, wurde ebenfalls verbessert. Nun sollen persönlich erteilte Aufträge mittels dauerhaften Datenträgern dokumentiert werden, § 83 Abs. 6 S. 1 WpHG-E. Dafür kann der Berater schriftliche Vermerke oder Protokolle anfertigen. 187

s. Jäger, Interview v. 24. 10. 2016; Hertel, Interview v. 13. 10. 2016.

266

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

d) Die Ausgestaltung der Herausgabepflicht Auch setzt der Gesetzgeber die auf europäischer Ebene vorgesehene Herausgabepflicht der Aufzeichnung an den Kunden in § 83 Abs. 7 WpHG-E um. Nach dieser kann der Kunde bis zur Löschung oder Vernichtung die Herausgabe der Aufzeichnungen oder einer Kopie jederzeit verlangen. Ein Verweis auf die MiFID II-DLVO, die die Aufklärung des Kunden über die Herausgabepflicht beinhaltet, bzw. darauf, dass der Kunde – genauso wie die BaFin – die Aufzeichnungen innerhalb kurzer Zeit und mittels leichtem Zugriff herausverlangen kann, wäre wünschenswert gewesen, um eine einfache Handhabung von Gesetzestext und MiFID II-DLVO zu gewährleisten. Gleiches gilt für den Hinweis, dass der Kunde in derselben Sprache zu informieren ist, in der auch das Gespräch geführt wird. e) Die Anforderungen an die Aufbewahrung und Speicherung Richtigerweise hat auch der Gesetzgeber die Aufbewahrungspflicht unter Datenschutzgesichtspunkten in § 83 Abs. 8 WpHG-E konkretisiert. Diese ist grds. auf fünf Jahre beschränkt. Allerdings dürfen nur solche Daten für fünf Jahre gespeichert werden, die auch für die Zwecke der Beweissicherung erforderlich sind. Damit wird der Grundsatz der Datensparsamkeit beachtet. Ausweislich der Regierungsbegründung sind davon auch versehentlich aufgezeichnete Gespräche erfasst.188 Damit wird die bereits zur europäischen Regelung geforderte Ergänzung aufgegriffen (s. 5. Teil A.III.1.) Neu und wiederum ohne europäisches Vorbild führt der deutsche Gesetzgeber gleichzeitig eine Dokumentationspflicht der Löschung und der Vernichtung ein.189 Auch dies ist aus datenschutzrechtlichen Gründen zu begrüßen, da so die Vernichtung der Daten und deren Zeitpunkt nachgewiesen werden kann. Gleichzeitig ist es eine weitere Systemanforderung, die die Unternehmen zu erfüllen haben. Der Gesetzgeber nutzt auch die auf europäischer Ebene vorgesehene Fristverlängerungsoption, allerdings gestaltet der Gesetzgeber diese im nationalen Recht richtigerweise mit Anforderungen aus. So darf die BaFin die Speicherungsdauer nur dann von fünf auf sieben Jahre verlängern, wenn sie vor Ablauf der Fünf-Jahres-Frist Kenntnis von Umständen erlangt, die eine längere Speicherung erfordern, § 83 Abs. 8 WpHG-E. Gleichfalls übernimmt der deutsche Gesetzgeber die europäischen Anforderungen und statuiert in § 83 Abs. 9 WpHG-E, dass die Aufzeichnungen nachträglich nicht mehr verändert werden dürfen. Gleichzeitig schreibt er vor, dass diese nicht unbefugt verwendet und „[…] nicht für andere Zwecke genutzt werden [dürfen], insbesondere nicht zur Überwachung der Mitarbeiter durch das Wertpapierdienstleistungsunternehmen“.

188 189

Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 245. Vgl. Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 15 zum RefE 2. FiMaNoG.

B. Die Aufzeichnungsregelungen in Deutschland

267

Der Gesetzgeber konkretisiert zudem den Zugang der Mitarbeiter zu den gespeicherten Daten. So dürfen diese nur unter bestimmten Voraussetzungen „[…] insbesondere zur Erfüllung des Kundenauftrags oder der Anforderung der Bundesanstalt […]“ auf diese zugreifen, sodass der Zugang hinreichend bestimmt ist – obwohl es sich nicht um eine MiFID II Formulierung handelt.190 Zur Klarstellung sollte hier jedoch die Überprüfung der Einhaltung der Aufzeichnungsregelungen durch die Compliance-Beauftragten ergänzt werden, so wie dies Art. 76 Abs. 6 MiFID II-DLVO vorsieht,191 bzw. auf diesen verwiesen werden. Damit verdeutlicht der Gesetzgeber erneut die datenschutzrechtliche Zweckbindung, aber auch den Mitarbeiterschutz. Darüber hinaus statuiert er, dass nur bestimmte Mitarbeiter zu bestimmten Zwecken die Daten auswerten dürfen. Diese Mitarbeiter sollen nach der Regierungsbegründung intern namentlich bezeichnet werden.192 Auch damit nimmt er den fehlenden Datenschutz auf europäischer Ebene auf. Hier entsteht zwar ebenfalls eine laufende Aktualisierungspflicht einer solchen Mitarbeiterliste, sie gewährleistet jedoch eine genaue Kompetenzverteilung und zugleich Zugangskontrolle im Vergleich zu einer generischen Liste, die nur bspw. die Mitarbeiter der internen Revision erfasst.193 f) Zwischenfazit Zu begrüßen ist, dass der Gesetzgeber die Chance genutzt hat, offene Fragen auf europäischer Ebene sowie datenschutzrechtliche Aspekte zu konkretisieren und dabei gleichzeitig an einer praktischen Lösung für die WpDU interessiert ist. Indem er nun einheitlich an die Erbringung der Wertpapierdienstleistung anknüpft, um wie zuvor gefordert die sprachliche Einheitlichkeit zu wahren und Fehlinterpretationen vorzubeugen,194 ist die befürchtete Einbeziehung der Anlageberatung in die Aufzeichnungspflicht erfolgt, die auf europäischer Ebene ausgeschlossen ist.195 Hier sollte der Gesetzgeber die weitreichenden Konsequenzen überdenken und zur Einheitlichkeit und Klarstellung eine Ausnahme für die Anlageberatung formulieren. Positiv hervorzuheben ist, dass der Gesetzgeber Kriterien für den Beginn der Aufzeichnungspflicht in einer nicht abschließenden Aufzählung festlegt, um eine

190

S. 11. 191

Dies noch bemängelnd DAV, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG,

Ähnlich DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 25 f., die allerdings aufgrund dessen eine vollständige Streichung dieses Passus befürworten. 192 Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/19036, S. 246. 193 A.A. DAV, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 11. 194 DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 3, 23. 195 s. zur damaligen Befürchtung der Strafbarkeit gem. § 201 StGB: DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 24.

268

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

Strafbarkeit der WpDU nach § 201 Abs. 1 StGB zu vermeiden.196 So bietet er den WpDU eine Orientierung, damit diese nicht sicherheitshalber alles aufzuzeichnen. Diesem Ansatz beugt der Gesetzgeber ebenfalls vor, indem nur solche Gespräche aufgezeichnet werden sollen, „soweit“ sie für den Beweissicherungszweck erforderlich sind. Indem der Gesetzgeber zugleich ausdrücklich festlegt, dass auch persönliche Daten erhoben, verarbeitet und genutzt werden können schafft er eine Ermächtigungsgrundlage i.S.d. § 4 Abs. 1 BDSG.197 Dies ist insb. mit Blick auf die DSGVO zu begrüßen, die deutlich strengere Anforderungen an die Ermächtigungsgrundlage stellen wird als bisher.198 Neben den datenschutzrechtlichen Aspekten berücksichtigt der Gesetzgeber zugleich die besondere Vertrauensbeziehung zwischen Berater und Kunde, bei der letzterer vor allem die Vertraulichkeit des Wortes schätzt.199 Indem er eine auf europäischer Ebene zwar nicht vorgesehene Widerspruchsmöglichkeit des Kunden einführt, löst er wiederum die grundrechtlichen Spannungen auf. Der Gesetzgeber hat im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens besonderes Augenmerk auf die Regelung zur Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation, insb. der Aufzeichnung von Telefongesprächen, gelegt und vor allem viele Fehler zwischen dem Entwurf des 1. FiMaNoG sowie zwischen dem RefE und dem RegE des 2. FiMaNoG ausgebessert. Indem er jedoch die Beschlussempfehlung des Finanzausschusses, die an den hier zum RefE vorgestellten Regelung keine Änderungen mehr vornimmt, beschlossen und veröffentlicht hat, übersieht er seine Fehleinschätzung zur grds. Aufzeichnungspflicht der Beratungsgespräche und lässt weitere zuvor dargestellte Probleme unreguliert. 2. Arbeitsrechtliche Aspekte Ebenfalls regelungsbedürftig, und im 2. FiMaNoG bislang nur teilweise berücksichtigt, wurden arbeitsrechtliche Aspekte, die hier allerdings nur am Rande angeschnitten werden sollen.200 So hat gem. § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der „Einführung und Anwendung von technischen Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen“. Da es sich bei der europäischen und letztlich auch der deutschen Umsetzungsregelung um zwingendes Recht handelt, dürften dem Betriebsrat keine Interventionsrechte zustehen.201 Der Ausschluss des Mitbestim196 DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 24; Bedenken wegen § 201 bereits bei der damaligen Diskussion zur Umsetzung der Ermächtigungsgrundlage in das nationale Recht, Böhm, BKR 2009, 221, 226 f. 197 DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 24. 198 Vgl. Hamann, BB 2017, 1090. 199 Vgl. die Ausführungen der Experten, bspw. Michels/Backes, Interview v. 15. 11. 2016; Herting/Alpers, Interview v. 13. 02. 2017. 200 Vgl. Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 359; Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 13. 201 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 359; Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 13.

B. Die Aufzeichnungsregelungen in Deutschland

269

mungsrechtes über eine gesetzliche Regelung, in der die technische Einrichtung vorgeschrieben ist,202 ist in der aktuellen Fassung der nationalen Regelung ebenfalls nicht zu sehen. Bei der Installation und dem dauerhaften Gebrauch von Aufzeichnungssoftware bei der elektronischen Kundenkommunikation ist die Überwachung der Mitarbeiter objektiv möglich, auch wenn diese vom Gesetzgeber in § 83 Abs. 9 WpHG n.F. als Zweck ausgeschlossen wurde.203 Es reicht jedoch die objektive Aufzeichnungsmöglichkeit aus.204 Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation und insb. der von ESMA geforderten internen Kommunikation, soll der Überprüfung der Ausführung der Kundenaufträge dienen und zugleich marktmissbräuchliches Verhalten aufdecken. Insofern kann durch die Kontrolle der Aufzeichnungen, wie vorgesehen, das Verhalten und die Leistung des jeweiligen Mitarbeiters kontrolliert werden. Die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Mitbestimmungspflicht seitens des Betriebsrates liegen mithin vor. Damit steht dem Betriebsrat ein Mitspracherecht hinsichtlich der Ausgestaltung zu und er darf sich für einen sachgerechten Interessenausgleich einsetzen. Dennoch ist dabei zu beachten, dass dem Betriebsrat nur ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung zusteht, nicht hingegen bei der Planung.205 Es müsste ein Katalog erarbeitet werden, wie mit aufgedeckten Verstößen je nach Intensität umgegangen werden soll, bspw. in Form von Nachschulungen, Ermahnung oder Abmahnungen, letztlich Entlassung.206 Alles ließe sich zusammenfassend in einer Betriebsvereinbarung festhalten. 3. Praxismeinungen der interviewten Experten Die Einführung einer Aufzeichnungs- und Speicherpflicht für elektronische Kundenkommunikation und insb. für Telefongespräche ist ein die Praxis belastendes Thema. Die befragten Experten bemängeln, dass nicht klar sei, ab wann aufgezeichnet werden müsse und dies entsprechend zu Problemen führe. So entstünden Fragen dahingehend, ob ein System angeschafft werden müsse, welches alles aufzeichnet und damit ggf. datenschutzrechtliche Fragen aufwirft, oder ob dem Berater die Aufzeichnung manuell überantwortet werden soll und das WpDU damit die Gefahr in Kauf nimmt, dass versehentlich nicht alles aufgezeichnet wird. Überwiegend wird auch betont, dass der Kunde mit der Aufzeichnung nicht einverstanden sein könnte, bzw. sich dabei unwohl fühle, da die Bank doch etwas Besonderes sei. Der Kunde sei im Bankenbereich viel sensibler im Umgang mit seinen Daten als 202

s. Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 523 f. Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 13. 204 BAG NJW 1976, 261 ff.; Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 13. 205 Richardi, in: Richardi, BetrVG, § 87 Rn. 514; Werner, in: BeckOK ArbR, § 87 BetrVG Rn. 97. 206 Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 361. 203

270

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

bspw. in sozialen Medien.207 Zudem würden die Mitarbeiter aus Sicht des Kunden durch die Aufzeichnung unter Generalverdacht gestellt. Außerdem rede nicht nur der Kunde, sondern auch der Berater mit langjährigen Kunden über persönliche und private Angelegenheiten, die er nicht aufzeichnen möchte. Ein weiteres Problem sei die Information in der gleichen Sprache, da manche Banken viele internationale Kunden haben und damit vorab mehrere Aufklärungstexte per Band ansagen lassen müssten. Letztlich stehen diese Umsetzungsprobleme vor der klaren Aussage, dass die Experten keine Veränderung durch die Aufzeichnung erwarten. Bereits heute werde das Beratungsprotokoll auch bei telefonischen Beratungen angefertigt, sodass dadurch kleinere Fehlkommunikationen, wie bspw. das falsche Verständnis von zehn oder 100 Aktien, aufgedeckt werden könnten. Solche Schreib- bzw. Kommunikationsfehler werden jedoch regelmäßig zeitnah bemerkt und im Kundensinne schnell korrigiert. Hierfür bräuchte es folglich eine solche Aufzeichnungspflicht nicht. Insgesamt wird die Aufzeichnungspflicht von allen Experten, auch solchen die auf eine bereits bestehende Telefonanlage aufbauen können, als hoher Aufwand bewertet, da nicht nur aufgezeichnet, sondern auch dem Kunden zugeordnet gespeichert und kontrolliert werden müsse. Kleinere Filialen überlegen die telefonischen Angebote auf bestimmte Plätze zu beschränken oder gar abzuschaffen. Insb. werden viele das Angebot, ihre Berater auch auf dem Mobiltelefon zu kontaktieren, massiv einschränken oder gänzlich nicht mehr anbieten, weil auf diesem keine lückenlose Aufzeichnung gewährleistet werden kann, bzw. diese noch sehr kompliziert ist, da sich ein entsprechender dritter Anbieter zu Aufzeichnungszwecken zwischenschalten muss. Anhand der Expertenmeinungen wird die große Herausforderung, mit der die WpDU durch die neuen Aufzeichnungspflichten konfrontiert werden, deutlich. Es zeichnet sich ausweislich der Expertenantworten jedoch ab, dass diese weder den Anleger stärker schützen, noch marktmissbräuchliches Verhalten in besonderem Umfang aufdecken werden, sondern das Angebot der Anlageberatung, wenn nicht beschränken, dann jedenfalls spürbar verändern werden.

III. Zwischenfazit zur neuen deutschen Aufzeichnungspflicht Insgesamt zeigt sich, dass der Gesetzgeber die auf europäischer Ebene angesprochenen Probleme versucht zu lösen. Insb. hinsichtlich des Datenschutzes208 setzt er deutliche Maßstäbe. Dies ist zu begrüßen. Allerdings schießt er hierbei teilweise über das Ziel hinaus, indem er auch die Anlageberatung, die auf europäischer Ebene explizit ausgeschlossen wurde, von der Aufzeichnungspflicht erfasst.

207

A.A. Michels, Interview v. 15. 11. 2016; Majic, Stellungnahme 21. 12. 2016; Stachowiak, Interview v. 12. 04. 2017. 208 Welches hier aufgrund der eigentlichen Ausrichtung der Arbeit keinesfalls in Gänze ausgebreitet werden konnte, sondern nur grobe Problemfelder aufzeigen sollte.

C. Die Aufzeichnungsregelungen in Großbritannien

271

Auf europäischer Ebene sollte für die nächste Reform berücksichtigt werden, dass durch die WpDU erhebliche Datenmengen erfasst, gespeichert und kontrolliert werden müssen, um den Zweck der Aufdeckung von marktmissbräuchlichem Verhalten zu erfüllen. Dies beinhaltet einen erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwand und wird nicht zu dem gewünschten Ergebnis führen, da auch durch diese Kontrolle marktmissbräuchliches Verhalten nicht zwingend aufgedeckt wird. Die vom deutschen Gesetzgeber zusätzlich eingeführte Aufzeichnungspflicht der Anlageberatung könnte jedoch für den Anleger zu dem positiven Ergebnis führen, dass dieser eine weitere Kontrollmöglichkeit des Beratungsgesprächs erhält. Das im Rahmen des Beratungsgesprächs anzufertigende Protokoll und die telefonische Aufzeichnung des Beratungsgesprächs müssen inhaltlich übereinstimmen.209 Als weiteren positiven Aspekt könnte dies zu einer Disziplinierung des Beraters führen.210 Auch der BaFin wird damit eine weitere Kontrollmöglichkeit an die Hand gegeben. Für die WpDU stellt die doppelte Ausführung zum einen erheblichen Mehraufwand sowie ein erhöhtes Haftungsrisiko dar.211 Diese nationale Doppelbelastung ist auch nicht mit der erhöhten Beraterdisziplin und dem Anlegerschutz zu rechtfertigen, da der Kunde zunächst einmal die Telefonaufzeichnung zum Abgleich von dem WpDU herausverlangen müsste und diese damit regelmäßig erst nach Abschluss des Geschäfts erhält. Folglich wird hier nur eine weitere Möglichkeit geschaffen, nachträglich eine sich nicht im Sinne des Anlegers entwickelnde Anlage rückabzuwickeln.

C. Die Aufzeichnungsregelungen in Großbritannien Anders als der deutsche Gesetzgeber hat Großbritannien auch auf diesem Gebiet im März 2008 Vorschriften zur Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation eingeführt, die die WpDU ab März 2009 anzuwenden hatten. Diese hatten allerdings auch nicht den Anlegerschutz, sondern ausschließlich den europäischen Teilaspekt effektiver Verfolgung von marktmissbräuchlichem Verhalten zum Ziel.212 Daher wurde die Aufbewahrungsdauer der Aufzeichnungen auf 6 Monate begrenzt. Im Jahr 2011 erfolgte dann die Erweiterung der Aufzeichnungspflichten auch für Mobiltelefone, die bis zu diesem Zeitpunkt ausgenommen waren.213 Auch die von den Regelungen der FCA erfassten Unternehmen müssen Sorge dafür tragen, dass

209

Hinsichtlich der Dopplung der Aufzeichnungen s. Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 15 f. s. Jäger, Interview v. 24. 10. 2016. 211 I. E. für den Mehraufwand Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 16. 212 FSA, Telephone Recording: recording of voice conversations and electronic communications, Policy Statement 08/1, S. 3. 213 FSA, Taping: Removing the mobile phone exemption, Consultation Paper 10/07. 210

272

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

keine Gespräche über private Mobiltelefone geführt werden, wenn sie diese nicht aufzeichnen können.214 Die aktuellen Regelungen finden sich im FCA Handbook unter COBS 11.8 „Recording telephone conversations and electronic communications“. Von diesen sind Firmen, die Kundenorder erhalten oder ausführen, bzw. die die Ausführung von Kundenorder ermöglichen, betroffen.215 Allerdings nur, wenn es sich dabei um Finanzinstrumente handelt, die auf einem ordentlichen Markt zugelassen sind bzw. deren Zulassung beantragt wurde, oder um Instrumente, die im Zusammenhang mit der Investition in zuvor genannte Finanzinstrumente stehen. Darüber hinaus betrifft die Aufzeichnungspflicht nur solche Aktivitäten, die von einer Einrichtung des WpDU in Großbritannien durchgeführt werden.216 Die WpDU stellen sicher, dass alle Telefonate aufgenommen werden und eine Kopie hiervon aufbewahrt wird. Dies betrifft sowohl die von dem WpDU zur Verfügung gestellten elektronischen Kommunikationsmittel, als auch eigene Kommunikationsmittel der Angestellten oder Beauftragten. Letzteres gilt auch dann, wenn die Nutzung solcher Geräte durch das WpDU verboten ist oder sanktioniert wird.217 Außerdem besteht in Großbritannien die Pflicht des Unternehmens zu verhindern, dass Geräte benutzt werden, bei denen die Aufzeichnung unmöglich ist.218 Die noch in den delegierten Rechtsakten fehlende Definition der elektronischen Kundenkommunikation findet sich hingegen in einem klarstellenden Zusatz des FCA-Handbook, der Fax, E-Mails aber auch Instant Messaging, also SMS und MMS, als solche definiert. Eine Ergänzung – wie sie im Jahr 2011 für Mobiltelefongespräche erfolgte – könnte an dieser Stelle ohne Weiteres auch für die Videotelefonie eingefügt werden. Dies stimmt mit ESMAs Definition in ihren Q&As überein. Inhaltlich müssen solche Gespräche aufgezeichnet werden, die zwischen einem Angestellten bzw. einem Auftragnehmer des WpDU und dem Kunden geführt werden oder im Kundenauftrag mit einer dritten Person und dieses zu einer Beauftragung des WpDU führt, eine der gesetzlich erfassten Tätigkeiten durchzuführen.219 Um den europäischen Anforderungen zu entsprechen, muss FCA außerdem noch interne Gespräche der Mitarbeiter aufnehmen, wenn sich diese auf aufzeichnungspflichtige Geschäfte beziehen. 214

FSA, Taping of mobile phones Feedback on CP10/7 and final rules, Policy Statement 10/ 17, S. 6. 215 Nicht erfasst werden Aktivitäten zwischen Maklern oder Maklern und Verwahrstellen desselben Fonds, das Unternehmensfinanzierungsgeschäft und Corporate Treasury, FCA, Handbook, COBS 11.8.2.R. Dafür werden Servicegesellschaften bzw. Dienstleistungsunternehmen, nicht direktive gemeinnützige Vereine, nicht direktive Versicherer und OGAW Qualifier erfasst, FCA, Handbook, COBS 11.8.3.R. 216 FCA, Handbook, COBS 11.8.4.R. 217 FCA, Handbook, COBS 11.8.5.R. 218 FCA, Handbook, COBS 11.8.5 A.R. 219 FCA, Handbook, COBS 11.8.8.R.(1).

C. Die Aufzeichnungsregelungen in Großbritannien

273

Ebenfalls hat FCA eine den europäischen Regelungen vergleichbare Klarstellung eingefügt. Auch im britischen Recht müssen Gespräche, die den Abschluss eines erfassten Geschäfts vorbereiten, aufgezeichnet werden.220 Diese Aufzeichnungspflicht trifft jedoch – anders als auf europäischer Ebene – nur Telefongespräche mit professionellen Kunden und geeigneten Gegenparteien.221 Künftig sind von dieser auch solche Gespräche mit Privatkunden betroffen.222 Gespräche ohne Berührungspunkte zu erfassten Tätigkeiten müssen nicht aufgezeichnet werden.223 Nach Ansicht von FCA sind Gespräche von Investment-Analysten, retail financial adviser und Mitarbeitern des Backoffices regelmäßig nicht aufzeichnungspflichtig.224 Hinsichtlich der Anlageberatung trifft dies auch ESMAs Ansicht; insgesamt ist die britische jedoch weiter als die europäische Ansicht. Während der Speicherung von sechs Monaten muss FCA ein einfacher und schneller Zugang ermöglicht werden. Anders als auf europäischer Ebene müssen nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen erkennbar sein, sind aber (noch) nicht verboten.225 Indem FCA aber keine exakten technischen Vorgaben macht, hält sie die Einführung von Techniken, die sich dem stetigen technischen Fortschritt anpassen, offen. Auch hier zeigt sich die Vorreiterrolle Großbritanniens für die europäischen Regelungen. Wobei die Briten, zumindest solange sie Mitglied der EU sind, einige größere Veränderungen hinnehmen müssen. So muss die Speicherdauer der Aufzeichnungen von sechs Monaten auf fünf Jahre erweitert werden.226 Dass FCA die Ermächtigungsregelung nutzt, um die Speicherdauer auf sieben Jahre auszuweiten, ist aufgrund der bislang geltenden kurzen Speicherungsdauer unwahrscheinlich. Insb. vor dem Hintergrund, dass bei der erstmaligen Einführung der Aufzeichnungspflicht in Großbritannien eine dreijährige Speicherdauer diskutiert und sich letztlich auf sechs Monate geeinigt wurde.227 Anhand der Pressereaktion zeigt sich der Einschnitt durch diese Erweiterung. So wird getitelt: „FCA loses fight in MiFID II call recording“,228 obwohl sich die Regelungen – zumindest aus deutscher Sicht – stark ähneln. Die neuen Regelungen sind ausweislich der Stellungnahmen des

220

FCA, Handbook, COBS 11.8.9.G.(1). FCA, Handbook, COBS 11.8.8.R.(2). 222 Vgl. FCA Markets in Financial Instruments Directive II Implementation – Consultation Paper III, CP 16/29, S. 111. 223 FCA, Handbook, COBS 11.8.9.G.(1). 224 FCA, Handbook, COBS 11.8.9.G.(2). 225 FCA, Handbook, COBS 11.8.10.R. 226 Vgl. FCA, Markets in Financial Instruments Directive II Implementation – Consultation Paper III, CP 16/29, S. 113. 227 Prentice/Lofchi/Highman, Telephone taping and capturing electronic communications: obligations for UK firms; US implications and perspectives, Beitrag v. 17. 03. 2008, lexology. 228 N.N., FCA loses fight on MiFID II call recording, Beitrag v. 02. 07. 2015, out-law. 221

274

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

britischen Regulierers, insb. FCA MiFID-Koordinator Stephan Hanks, nicht im Sinne von FCA.229 Hinsichtlich der Anpassung an die MiFID II-Vorgaben muss der Anwendungsbereich entsprechend auf die von diesem erfassten Akteure und Produkte erweitert werden, insb. um die weitergehenden Geschäfte des Art. 16 Abs. 7 MiFID II, bspw. um Transaktionen, die auf eigene Rechnung vorgenommen werden.230 In diesem Zuge überlegt FCA, den Anwendungsbereich grds. auszuweiten, um so einen flächendeckenderen Verbraucherschutz zu erhalten.231 Die bestehenden Ausnahmeregelungen für retail financial adviser und WpDU, die Unternehmensfinanzierungen anbieten, müssen hinsichtlich des Erhalts und Übermittlung von Kundenaufträgen ausgesetzt werden.232 Insgesamt zeigt sich, dass die britischen WpDU, im Gegensatz zu den deutschen, für die die Einführung ein Novum ist, auf die Neuerungen eingestellt sind. Im Vergleich zu Deutschland wurde die bestehende Aufzeichnungsregelung in Großbritannien nach und nach verschärft – zuletzt im Jahr 2013 –, löste aber dennoch Proteste bei den Unternehmen aus. Dies zeigen auch entsprechende Studien, die feststellten, dass die Aufzeichnungspflichten in großen WpDU nicht flächendeckend umgesetzt wurden.233 Unter anderem wurde dies mit technischen Schwierigkeiten für die Aufzeichnung bei Mobiltelefonen begründet. Dies lässt – wie bereits der Advice Gap durch das flächendeckende Provisionsverbot – keinen unvoreingenommenen Ausblick auf die Umsetzung der europäischen Regelungen zu.

D. Aufzeichnungsregelungen in den Vereinigten Staaten von Amerika Auch den Vereinigten Staaten von Amerika ist die Aufzeichnung von elektronischer Kundenkommunikation im Rahmen des Wertpapierhandels nicht unbekannt. Sind die Verhaltenspflichten für die Investment Adviser und Broker-Dealer für die Zuwendung einem anderen Regime zugeordnet, so bestehen hinsichtlich der Aufklärungspflichten gewisse Ähnlichkeiten.

229

N.N., FCA loses fight on MiFID II call recording, Beitrag v. 02. 07. 2015, out-law; Walker, FCA admits losing MiFID II recording fight, Beitrag v. 30. 06. 2015, FT Adviser. 230 FCA, Developing our approach to implementing MiFID II conduct of business and organisational requirements, Discussion Paper DP 15/3, S. 36. 231 FCA, Developing our approach to implementing MiFID II conduct of business and organisational requirements, Discussion Paper DP 15/3, S. 36; FCA, Markets in Financial Instruments Directive II Implementation – Consultation Paper III, CP 16/29, S. 112. 232 s. zur Erweiterung den Vorschlag von FCA, Markets in Financial Instruments Directive II Implementation – Consultation Paper III, CP 16/29, S. 112. 233 Anderson, Banks ignore UK’s mobile phone regulations, Beitrag v. 17. 03. 2014, Reuters.

D. Aufzeichnungsregelungen in den Vereinigten Staaten von Amerika

275

I. Die Regelungen für Broker-Dealer Jeder Broker-Dealer, der bei SEC registriert ist, wird gem. Sec. 17a-4 SEA dazu verpflichtet, Aufzeichnungen über jegliche Kommunikation, die mit seiner Tätigkeit zusammenhängt, für drei Jahre – davon zwei mit leichtem Zugang – aufzuzeichnen.234 Zu der aufzeichnungspflichtigen Kommunikation gehört ausweislich des Wortlautes auch die interne Kommunikation.235 Nach Auffassung von FINRA ist von der elektronischen Kommunikation auch solche via Instant Messaging erfasst236 und ist damit fortschrittlicher als die europäische Regelung. Es besteht jedoch keine ausdrückliche Pflicht zur Aufzeichnung von Telefongesprächen. Vielmehr verdeutlicht FINRA, dass schriftliche Kommunikation, hier sowohl in Papierform als auch elektronisch, aufbewahrt werden muss.237 Ebenso wie auf europäischer Ebene darf das WpDU die Nutzung von Geräten, bei denen sie keine Aufzeichnungen vornehmen kann, nicht erlauben.238 Ein Verbot für die Benutzung von eigenen Geräten durch angestellte Broker-Dealer besteht auch im amerikanischen Recht nicht. Jedoch sollte das WpDU in der Lage sein, auch auf diese E-Mails zuzugreifen bzw. sie aufzuzeichnen.239 Gleichzeitig mit der Aufzeichnungspflicht obliegt dem WpDU eine Überwachungspflicht der aufgenommenen Kommunikation, insb. hinsichtlich der Vertraulichkeit.240 Dafür müssen sie regelmäßig die Aufzeichnungssysteme auf Gesetzeskonformität überprüfen.241 Dem WpDU obliegt die Wahl zwischen der Speicherung in Papierform oder auf elektronische Weise. Entscheidet es sich für letztere, so muss das System vorab durch die Designated Examin Authority (DEA) geprüft werden.242 Genauso wie auf europäischer Ebene dürfen die Daten nachträglich nicht verändert werden können. Das System erkennt folglich, wann ein Medium gespeichert wurde und ob es verändert 234 Prentice/Lofchi/Highman, Telephone taping and capturing electronic communications: obligations for UK firms; US implications and perspectives, Beitrag v. 17. 03. 2008, lexology. 235 Zusätzlich noch einmal klarstellend FINRA, Books and Records, IV. Electronic Communications. „For purpose of the Securities Exchange Act, the term records is defined to mean „accounts, correspondence, memorandums, tapes, discs, papers, books, and other documents or transcribed information of any type, wheter expressed in ordinary or machine language.“ Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VII, Kap. 8, 4. s. auch § 3(a)(37) SEA. 236 FINRA, Books and Records, IV. Electronic Communications; NASD, Notice to Members 03 – 33 (July 2003) (Clarification for Members Regarding Supervisory Obligations and Recordkeeping Requirements for Instant Messaging); i.E. auch Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VII, Kap. 8, 4, die die Definition als modern und weitgehend beschreiben, sodass auch der Einfluss von fortschreitender Technik erfasst werden soll. 237 FINRA Rule 2210 (a) (2): Communication with the Public, abrufbar unter: http://finra. complinet.com/en/display/display_main.html?rbid=2403&element_id=10648 (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 238 FINRA, Books and Records, IV. Electronic Communications. 239 FINRA, Books and Records, IV. Electronic Communications. 240 FINRA, Books and Records, IV. Electronic Communications. 241 FINRA, Books and Records, B. Supervision. 242 FINRA, Books and Records, II. Electronic Storage Media.

276

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

wurde. Gleichzeitig gewährleistet es, wie auf europäischer Ebene gefordert, einen schnellen Zugriff auf die gespeicherten Daten. Ziel der Regelung ist – anders als auf europäischer Ebene – ausschließlich die Kontrolle des Verhaltens der Broker-Dealer.243 Dass die Regelungen der Sec. 17(a) SEA keinen Schutz für die Anleger entfalten, entschied bereits der Supreme Court in der Entscheidung Touche Ross & Co v. Redington.244 Folglich besteht auch für die amerikanischen Broker-Dealer eine Aufzeichnungsund Aufbewahrungspflicht, die die elektronische Kommunikation in Form von E-Mails erfasst. Eine vergleichbare, ausdrückliche Verpflichtung zur Aufzeichnung von Telefongesprächen ergibt sich jedoch nicht aus zuvor dargestellten Regelungen.

II. Aufzeichnungsregelungen des Dodd-Frank Act für Swaps Als Reaktion auf die Finanzmarktkrise, verpflichtete der Dodd-Frank Act im Jahre 2010 Swap-Händler und große Swap-Teilnehmer, täglich Handelsaufzeichnungen über die Swaps und alle damit zusammenhängende Datensätze zu führen. Zusätzlich müssen auch die aufgezeichneten Mitteilungen vorgehalten werden, zu denen sowohl E-Mails, Telefongespräche (auch Mobiltelefone), als auch Instant Messages gehören.245 Zu speichern sind die Aufzeichnungen grds. für fünf Jahre, wobei in den ersten beiden Jahren ein einfacher Zugriff möglich sein muss.246 Für die Aufzeichnung der Kommunikation gilt hingegen eine verkürzte Frist von einem Jahr.247 Die Dokumente müssen ebenfalls derart gespeichert werden, dass sie nicht gelöscht oder überschrieben werden können.248 Zudem muss das System automatisch verifizieren, dass die Speicherung korrekt abläuft.249 Durch diese Regelung wurde auch im amerikanischen Recht eine vergleichbare Regelung hinsichtlich der Aufzeichnung der telefonischen Kommunikation für Transaktionen eingeführt, die sich jedoch ausschließlich auf Swaps beziehen.

243

Cox/Hillmann/Langevoort, Securities Regulation, Kap. 18, 1071. 442 U.S. 560 (1979), S. 569. 245 Commodity Futures Trading Commission (CFTC) § 23.202(a)(1) und (b)(1) Daily Trading Records, abrufbar unter: https://www.gpo.gov/fdsys/granule/CFR-2013-title17-vol1/ CFR-2013-title17-vol1-sec23-202 (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018); Dodd-Frank Act, Public Law 111 – 203 July 21 – 2010, 124 Stat. 1707 (s. 2. Teil, Fn. 674). 246 CFTC § 23.203(1). 247 CFTC § 23.203(2). 248 CFTC § 1.31(b)(1)(ii)(A). 249 CFTC § 1.31(b)(1)(ii)(B). 244

D. Aufzeichnungsregelungen in den Vereinigten Staaten von Amerika

277

III. Die Regelungen für Investment Adviser Gem. Sec. 204 – 2(a) IAA muss der Investment Adviser seine Kommunikation aufzeichnen bzw. speichern.250 Sämtliche schriftliche Kommunikation muss ebenfalls aufbewahrt und gespeichert werden, Sec. 203 (a) IAA. Besondere Guidelines, dass hiervon auch elektronische Kommunikation, insb. E-Mails, umfasst sein sollen, bestehen hingegen nicht. Allerdings knüpft die Aufzeichnungspflicht nicht an ein Kommunikationsmedium an, sodass auch elektronische Kommunikation – hier insb. E-Mails oder Tonbandaufnahmen – erfasst ist, wenn die weiteren Voraussetzungen des Sec. 204 (A) IAA vorliegen.251 Die Aufzeichnung muss für fünf Jahre aufbewahrt werden; die ersten 2 Jahre im Büro des Advisers, Sec. 204 – 2(e) IAA. Gemäß Sec. 204 – 2(g)(3) IAA können die records auch elektronisch aufbewahrt werden, dann hat der Adviser jedoch dafür Sorge zu tragen, dass diese nicht verloren gehen, nachträglich geändert oder zerstört (gelöscht) werden können.252 Sie dürfen nur bestimmten Personen zugänglich sein. Zugleich müssen sie leicht abrufbar sein.253 Die einzelnen Voraussetzungen der Aufzeichnungspflicht können aufgrund des Umfangs hier nicht näher dargestellt werden.254 Allerdings ist auffällig, dass die Empfehlung und die Beratung des Advisers eine Aufzeichnungspflicht auslöst und damit dem deutschen System nähersteht als dem britischen oder dem europäischen, vgl. Sec. 204 – 2(a)(7) IAA. Nach diesem ist der Adviser verpflichtet, sämtliche schriftliche Kommunikation, die er erhält und Kopien der schriftlichen Kommunikation, die er versendet, aufzubewahren, wenn er eine Empfehlung ausspricht, einen Rat erteilt oder dergleichen vorbereitet. Nach Auffassung von SEC muss auch die interne Kommunikation, die sich auf den Rat bezieht, aufbewahrt werden. Anders als nach deutschem Verständnis zu vermuten wäre, ist von der elektronischen Kundenkommunikation nach Ansicht von SEC jedoch nicht zwingend das Telefongespräch erfasst. Hintergrund der Vorschrift ist ausweislich Sec. 204 (a) IAA das öffentliche Interesse und der Verbraucherschutz. Anders als bei den bisher untersuchten Vorschriften spielt hier die Aufdeckung von marktmissbräuchlichem Verhalten nur eine untergeordnete Rolle.255

250 251 252 253 254 255

Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VII, Kap. 8, 435. Frankel/Laby, § 18.01, S. 18 – 4. s. dafür auch Frankel/Laby, § 18.01, 18 – 4 f. Sec. 204 – 1(g)(2) IAA. Ausf. Frankel/Laby, § 18, 18 – 1. s. zur Aufdeckung von Insiderhandel Frankel/Laby, § 18.02 (B), 18 – 13 ff.

278

5. Teil: Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation

IV. Zwischenfazit zu den amerikanischen Anforderungen Es zeigt sich, dass auch das amerikanische Recht entsprechende Regelungen zur Aufzeichnung und Speicherung von Berater-Kundenkommunikation enthält. Die scharfen Anforderungen für die Aufzeichnung der Telefongespräche ergeben sich jedoch nur für die Swap-Geschäfte aus dem Dodd-Frank Act. Grds. können die weiteren Regelungen für die Broker-Dealer und Investment Adviser auch dazu führen, dass Telefongespräche aufgenommen werden. Allerdings muss die Kommunikation der Anlageberatung aufgezeichnet werden. Das amerikanische Recht sondiert nicht – auch hinsichtlich des Datenschutzrechts, welches in der amerikanischen Rechtsordnung nicht den Stellenwert trägt, wie in den anderen hier besprochenen Rechtssystemen –, welche Informationen aufzeichnungspflichtig sind, sondern lässt alles aufzeichnen. Diese Variante ist hinsichtlich ihrer praktischen Umsetzung für die amerikanischen WpDU einfacher.

E. Vergleich, Fazit und Ausblick Insgesamt zeigt sich, dass allen drei Rechtsordnungen Aufzeichnungspflichten nicht unbekannt sind. Während in Deutschland bislang jedoch keine Telefongespräche aufgezeichnet werden müssen, hat Großbritannien dies im Jahr 2009 aufgrund der Ermächtigungsgrundlage der MiFID I-DRL partiell für einige Finanzakteure und bestimmte Geschäfte vorgeschrieben. Ebenso haben die USA im Rahmen des Dodd-Frank Acts im gleichen Zeitraum auf die Finanzmarktkrise reagiert und für bestimmte Akteure Aufzeichnungspflichten für Telefongespräche erlassen. Die Aufzeichnungspflichten gehen jedoch unterschiedlich weit, da in den USA nur Swap-Händler und größere Swap-Teilnehmer erfasst sind, die dann jedoch alle Telefongespräche aufnehmen müssen. In Großbritannien sind mehrere Akteure erfasst, allerdings sind die Aufzeichnungspflichten auf einzelne Geschäfte beschränkt. Hinsichtlich der bestehenden Speicherungspflichten ähneln sich alle Vorschriften – auch die bereits in Deutschland bestehenden. Wesentlich sind ein rascher Zugriff und die Verhinderung von Datenverlust durch Löschung oder Überschreibung. Auch hier steht auf europäischer Ebene eine Ausweitung bevor, da künftig keine nachträglichen Änderungen mehr vorgenommen werden dürfen. Hingegen bestimmen die USA als einzige Rechtsordnung ausdrücklich, dass die Kommunikation in der Anlageberatung aufgezeichnet werden muss. Hier muss zum Zweck des Anlegerschutzes jede E-Mail, die einen Rat enthält, gespeichert werden. Diesen Schutzzweck hat u. a. das Anlageberatungsprotokoll auf deutscher Ebene inne. Allerdings enthalten die neuen Regelungen zur Aufzeichnungspflicht von Telefongesprächen und E-Mails auf europäischer Ebene – die auf Umwegen die Anlageberatung indirekt erfassen – auch diesen Anlegerschutzgedanken. Da der bisherige Vorreiter Großbritannien derzeit über eine Ausweitung der Pflichten auch

E. Vergleich, Fazit und Ausblick

279

für die Anlageberatung nachdenkt und dies in den USA bereits Gang und Gäbe ist, ist es nicht abwegig, sich auch auf europäischer Ebene auf eine solche Pflicht in absehbarer Zeit einzustellen. Die Belastung der WpDU auf europäischer Ebene hinsichtlich der Auswahlkriterien, die die Speicherungspflicht in Gang setzen, umgeht das amerikanische System, indem dieses auf solche verzichtet und alles aufzeichnen lässt. Für die Unternehmen wäre dieses System eine spürbare Entlastung. Es kollidiert jedoch mit dem europäischen und nationalen Datenschutzrecht – vor allem hinsichtlich der Datensparsamkeit. Dennoch ist es für die Praxis schwierig, den genauen Moment abzupassen, der die Aufzeichnungspflicht auslöst und die entsprechende Technik und Mitarbeiterschulungen hierfür sind sehr teuer. Voraussichtlich wird sich jedoch der Trend entwickeln, dass die Anzahl der aufzeichnungspflichtigen Daten – ähnlich wie die dem Anleger nachweislich zu übergebenden Informationen – stetig steigen wird, vor allem je mehr Daten das WpDU ohnehin aufgrund der Differenzierungsproblematik speichert. Besonders beachtlich ist im Vergleich auch die lange Speicherdauer, die auf europäischer Ebene nun eingeführt wurde. Diese ist auch den Rechtsordnungen, die bereits solche oder ähnliche Pflichten eingeführt haben, unbekannt. Hier sind Vorhaltungspflichten von sechs bis zwölf Monaten vorgesehen – abgesehen von besonderen Ausnahmen im Einzelfall. Kein rechtliches, sondern ein praktisches Problem vor dem die Unternehmen stehen, ist die technische Umsetzung, insb. die Aufzeichnung der Gespräche über Mobiltelefone. Diese wurden vom Gesetzgeber kaum berücksichtigt. Für die WpDU wird die Zeit bis zum 03. 01. 2018 immer knapper und dadurch die Umstellung deutlich aufwändiger und teurer. Insb. muss neben dem Aufwand auch die simpelste Umgehungsmöglichkeit durch Nutzung eines nicht registrierten Zweittelefons berücksichtigt werden. Denn marktmissbräuchliches Verhalten geschieht nicht aus Versehen, sondern benötigt ein gewisses Maß an krimineller Energie, die sich durch die Aufzeichnungspflichten wohl kaum aufhalten lässt.

6. Teil

Suitability A. Europäische Regelungen I. Die neuen Anforderungen der MiFID II 1. Die Geeignetheitsprüfung (Suitability Test) Art. 25 Abs. 2 MiFID II übernimmt die durch Art. 19 Abs. 4 MiFID I eingeführten und in Art. 35 MiFID I-DRL konkretisierten Vorschriften zur Geeignetheitsprüfung. Er legt fest, dass ein WpDU, das Anlageberatung erbringt, notwendige Informationen über die Kenntnisse und Erfahrungen des (potentiellen) Kunden in Bezug auf Produkttyp bzw. Dienstleistungsart, hinsichtlich der finanziellen Verhältnisse des Kunden und dessen Anlageziele einholen muss (Explorationspflicht). a) Neue Kriterien im Rahmen der Geeignetheitsprüfung Zwar bleibt die bisherige Dreiteilung der einzuholenden Informationen in Kenntnisse und Erfahrung des Kunden, der finanziellen Situation und die Anlageziele erhalten, jedoch werden die letzten beiden Kategorien um inhaltliche Anforderungen erweitert. Im Rahmen der finanziellen Verhältnisse muss künftig auch die Fähigkeit des Anlegers Verluste zu tragen abgefragt und in der Kategorie der Anlageziele die Risikotoleranz des Anlegers ermittelt werden. Aufgrund des Fehlens einer eigenständigen Definition scheinen die neuen Kriterien – zumindest ohne weitergehende Konkretisierung – nicht unbekannt.1 So sah bereits Art. 35 Abs. 4 MiFID I-DRL vor, dass die Risikobereitschaft des Kunden in die Geeignetheitsbeurteilung einfließen soll. Hier könnte es jedoch aufgrund der neuen ausdrücklichen Bestimmungen der MiFID II nun zur verstärkten Berücksichtigung kommen, wenn diese bislang nur eine untergeordnete Rolle bei den einzelnen Prüfungen spielten.2

1 2

Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 100. Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 100; vgl. Kurz, DB 2014, 1182, 1184.

A. Europäische Regelungen

281

Zudem sieht Art. 25 Abs. 2 UA 2 MiFID II bei der Empfehlung von Produktbündeln i.S.d. Art. 24 Abs. 11 MiFID II vor,3 dass diese insgesamt für den Kunden geeignet sein müssen. b) Zusätzliches Kriterium des Kundeninteresses Art. 24 Abs. 2 UA 2 MiFID II schreibt vor, dass dem Kunden nur solche Finanzprodukte empfohlen werden dürfen, die seinen Interessen entsprechen. Diese Pflicht wird zwar zusätzlich zu der des Art. 25 Abs. 2 MiFID II angeführt, jedoch konkretisiert sie weder die Geeignetheitsprüfung noch stellt sie eine zusätzliche Pflicht neben der Geeignetheitsprüfung dar.4 Denn durch die Geeignetheitsprüfung empfiehlt der Berater dem Kunden grds. ein Produkt im Interesse des Anlegers, sodass hier nur eine inhaltliche Verknüpfung entsteht.5 Allerdings ist Trafkowski zuzustimmen, der die Pflicht des Art. 24 Abs. 2 UA 2 MiFID II als Organisationspflicht des WpDU in Abgrenzung zur Verhaltenspflicht des Art. 25 Abs. 2 MiFID II erkennt, die sicherstellt, dass der Berater nicht von sachfremden Erwägungen geleitet wird.6 c) Die kontinuierliche Geeignetheitsprüfung Anders, als im Gesetzgebungsverfahren noch diskutiert, sollen die regelmäßigen Eignungsprüfungen nur nach Vereinbarung mit dem Kunden erfolgen, Art. 25 Abs. 6 UA 4 MiFID II. Allerdings muss dem Kunden gem. Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. a) iii) MiFID II vor Beginn der Anlageberatung mitgeteilt werden, ob eine solche regelmäßige Geeignetheitsbeurteilung stattfindet.7 Die befürchtete Aufoktroyierung einer nachvertraglichen Beratungspflicht ist damit ausgeblieben.8 Vielmehr ergibt sich hieraus, dass das europäische Recht, genauso wie das deutsche Zivilrecht, die Pflichten des Beraters nach Abschluss der Beratung für beendet betrachtet und keine 3

Nach Art. 24 Abs. 11 MiFID II muss das WpDU bei verbundenen Produkten oder Dienstleistungen darüber informieren, ob die einzelnen Pakete auch separat erworben werden können und dementsprechend auch die Kosten und Gebühren für diese einzeln darstellen, s. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 105b. Zugleich hat das WpDU dem Kleinanleger eine angemessene Beschreibung der verschiedenen Bestandteile der Vereinbarung bzw. des Pakets vorzulegen, die die Wechselwirkungen der Risiken aus den einzelnen Produkten darlegt und beschreibt, wie sich dieses verändert, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass sich die Risiken des Produktbündels von denen der einzelnen Produkte unterscheiden, s. Balzer, ZBB 2016, 226, 229. 4 Kurz, DB 2014,1182, 1184 „indirekt verknüpft“. 5 Kurz, DB 2014, 1182, 1184. 6 Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 252; offen lassend Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 105b. 7 s. Balzer, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 44. 8 s. noch Art. 25 Abs. 5 MiFID II-EPE; s. Möllers/Poppele, ZGR 2013, 437, 460 f.; kritisch Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 227.

282

6. Teil: Suitability

weiteren Pflichten hinsichtlich einer Überwachung der Empfehlung vorsieht.9 Daher sind Formulierungen, die eine regelmäßige Geeignetheitserklärungspflicht aus Art. 25 Abs. 6 MiFID II ableiten und nur mit Gedankenstrichen die Vereinbarung darüber zwischen Kunden und Berater anführen, missverständlich.10 Allerdings wird durch die Informationspflicht der häufig verbreiteten Kundenansicht, dass der Anlageberater auch eine „Nachbetreuung“ schulde, Rechnung getragen.11 Ihm wird dadurch verdeutlich, dass die der Beratung zugrundeliegende Geeignetheitsprüfung ausschließlich den aktuellen Zeitraum erfasst.12 2. Die Geeignetheitserklärung (Suitability Report) Gleichzeitigt sieht Art. 25 Abs. 6 UA 2 MiFID II vor, dem Kleinanleger die Ergebnisse der Geeignetheitsprüfung in einem sog. Suitability Report darzustellen. Dieser muss dem Kunden auf einem dauerhaften Datenträger übermittelt werden. Inhaltlich muss der Bericht die erbrachte Leistung benennen und ihm darstellen, wie die Beratung auf seine wirtschaftlichen Vorlieben, Ziele und sonstige Merkmale eingeht. Dieser soll dem Kunden vor Geschäftsdurchführung übergeben werden.13 a) Ausnahmeregelung zur telefonischen Beratung Ist dies aufgrund der gewählten Beratungsform, so bspw. bei der Telefonberatung, nicht möglich, kann die Übermittlung des Suitability Reports auch unmittelbar nach der vertraglichen Bindung erfolgen, wenn der Kunde diesem Vorgang zugestimmt hat (lit. a)) und die Wertpapierfirmen dem Kunden die Option eingeräumt haben, das Geschäft zu verschieben, um den Suitability Report vor Geschäftsabschluss zuzustellen (lit. b)), Art. 25 Abs. 6 UA 3 MiFID II. Damit ist die europäische Regelung, zumindest nach der ausschließlichen Betrachtung der MiFID II-Bestimmungen, weiter als die deutsche Regelung.14 Letztere lässt nämlich dem Anleger das Beratungsprotokoll unverzüglich nach der Beratung zur Verfügung stellen und räumt dem Kunden bei telefonischem Abschluss des Geschäftes ein Rücktrittsrecht für den Fall der Unrichtigkeit bzw. Unvollständigkeit des Protokolls nach dessen Erhalt ein, § 34 Abs. 2a WpHG.15

9

Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 227. s. bspw. Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264. 11 Balzer, ZBB 2016, 226, 233. 12 Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, 238. 13 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 107. 14 Positiv bewertend Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 266; i.E. Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264. 15 Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 266; Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264. 10

A. Europäische Regelungen

283

b) Der Anwendungsbereich Die europäischen Regelungen gelten ausweislich des Wortlautes sowohl für die mündliche, fernmündliche als auch für die schriftliche Beratung, da dieser hier nicht weiter differenziert.16 Dagegen bleibt unklar, ob auch geeignete Gegenparteien und professionelle Kunden von der Geeignetheitsprüfung und der Übergabe des Suitability Reports erfasst werden. Der Wortlaut der Regelung der Geeignetheitsprüfung erfasst jede Beratung und es müssen dem Kunden die Beratungsgründe dargelegt werden, Art. 25 Abs. 2 MiFID II. Aber nur dem Privatkunden bzw. dem Kleinanleger muss der Suitability Report ausgehändigt werden, Art. 25 Abs. 6 MiFID II. Diese Formulierung ist übereinstimmend mit der des ErwG. 82 MiFID II.17 Damit muss der Suitability Report nicht dem professionellen Kunden ausgehändigt werden. Für professionelle Kunden gilt ohnehin, dass der Berater von dessen Kenntnissen für das jeweilige Produkt, für welches er als professionell eingestuft wurde, ausgehen darf.18 Daher nimmt der Berater keine Geeignetheitsprüfung in diesem Bereich vor, die er dann als Erklärung aushändigen könnte.19 Allerdings darf nicht mehr von der finanziellen Belastbarkeit eines gekorenen professionellen Kunden ausgegangen werden, sodass diese zu überprüfen ist20 und darüber eine Geeignetheitserklärung angefertigt werden sollte. Vor allem unter Berücksichtigung, dass der neue Richtlinientext explizit die Fähigkeit Verluste zu tragen als Prüfkriterium benennt. Geeigneten Gegenparteien muss keine Geeignetheitserklärung ausgehändigt werden. Art. 30 Abs. 1 MiFID II schließt die Pflicht zur Geeignetheitsprüfung aus, sodass auch keine Erklärung hierüber abgegeben werden kann. Die weiterhin bestehende Anwendbarkeit des Art. 25 Abs. 6 MiFID II bezieht sich damit ausschließlich auf den Bericht über die erbrachte Dienstleistung.21 Eine solch eindeutige Regelung, wie für die geeignete Gegenpartei, fehlt zumindest aufgrund der neuen Ausnahmeregelung für den gekorenen professionellen Kunden. Hier wäre eine Klarstellung wünschenswert,22 da daraus ein überordentlicher Protektionismus für den gekorenen professionellen Anleger folgt.

16

Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 257. Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 258. 18 Vgl. MiFID II Anhang II. 19 Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 258. 20 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 97 ohne Begründung; a.A. Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 254. 21 I. E. Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 254; a.A. ohne Begründung Spindler, in: L/B/ S, BankR, Kap. 33 Rn. 97. 22 Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 258. 17

284

6. Teil: Suitability

II. ESMAs Vorschläge an die Kommission Nach Ansicht von ESMA ist die Geeignetheitsprüfung das wichtigste Element der Regelungen für den Anlegerschutz – nicht zuletzt, weil diese sowohl von der abhängigen und unabhängigen Anlageberatung, als auch von der Vermögensverwaltung durchgeführt werden muss.23 ESMA bezieht sich in ihren Vorschlägen auf ihre Guidelines aus 201224 und Art. 35 MiFID I-DRL und erweitert diese.25 Sie verpasst es jedoch, eine Definition für die neuen Anforderungen der Risikotoleranz und der Fähigkeit Verluste zu tragen einzuführen.26 1. Die Geeignetheitsprüfung a) Anwendungsbereich der Geeignetheitsprüfung Nach Ansicht von ESMA trägt das WpDU die Verantwortung für die Geeignetheitsprüfung und muss dieses dem Kunden verdeutlichen.27 Eine Geeignetheitsprüfung soll nicht nur bei der Empfehlung zum Kauf eines Finanzprodukts, sondern auch dann stattfinden, wenn dem Kunden vom Kauf abgeraten oder der Verkauf bzw. das Halten eines Finanzprodukts empfohlen wird.28 Beide Regelungen entspringen ESMAs Leitlinien 2012.29 Berät das WpDU mehrere natürliche Personen gemeinsam oder eine juristische Person, so müssen Regelungen getroffen werden, wie und auf wessen Interesse abzustellen ist.30 Für einen solchen Fall schlägt ESMA vor, dass es auf die Kenntnis des Vertreters der juristischen bzw. natürlichen Person ankommt.31 Alle im Folgenden dargestellten inhaltlichen Anforderungen sollen nach Ansicht von ESMA ebenfalls Anwendung finden, wenn die Anlageberatung nicht durch eine natürliche Person, sondern durch ein voll- oder semi-automatisches System erfolgt.32 Dies stellt ein Novum dar und ist darauf zurück zu führen, dass sich diese Beratungsformen erst in jüngster Zeit zum Trend entwickelt haben.33 Daher ist die Einbeziehung an dieser Stelle ausdrücklich zu begrüßen, da es anderenfalls zu er23 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 149, Nr. 1; i.E. Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 244. 24 ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID-Anforderungen an die Eignung. 25 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 150, Nr. 6. 26 Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 242. 27 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 154, TA Nr. 1 i). 28 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 154, TA Nr. 1 ii). 29 ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID-Anforderungen an die Eignung S. 5 Nr. 13. 30 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 154, TA Nr. 1 ii). 31 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 156, TA Nr. 1 xii). 32 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 156, TA Nr. 1 xiii). 33 Vgl. zum Robo-Advice, Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 265 f.

A. Europäische Regelungen

285

heblichen Umgehungsmöglichkeiten käme, wenn diese Formen geringeren Anforderungen, als die Beratung durch den natürlichen Berater, unterlägen. b) Inhaltliche Anforderungen der Geeignetheitsprüfung Die WpDU müssen adäquate Regelungen und Abläufe einführen, die sicherstellen, dass die Art, die Eigenschaften inklusive der Kosten und die Risiken der Instrumente vom Kunden verstanden werden.34 Diese Regelungen und Abläufe müssen Bewertungen enthalten, die unter Einbeziehung der Kosten und der Komplexität der Finanzprodukte feststellen, ob gleichwertige Finanzinstrumente das Profil des Kunden ebenfalls erfüllen können.35 Im Vergleich zur ESMA Leitlinie 2 aus 2012 ist diese Regelung nur hinsichtlich des Vergleichs mit anderen verfügbaren Finanzprodukten neu.36 Aber auch die aktuellen Vorschläge enthalten keinen eigenständigen, der Geeignetheitsprüfung nachgelagerten Vergleich der Finanzprodukte.37 Vielmehr sollen bei der Auswahl aus mehreren geeigneten Produkten die Komplexität und die Kosten im Vergleich zu anderen Produkten berücksichtigt werden.38 Einen tatsächlichen Vergleich haben die WpDU jedoch künftig im Falle des Finanzproduktwechsels bzw. bei der Depotumschichtung durchzuführen. In dieser Situation sollen die WpDU über die Finanzprodukte, die der Kunde bereits besitzt, Informationen einholen und diese mit dem vorgeschlagenen Produkt vergleichen, um festzustellen, dass die Vorteile des Wechsels zwischen den Finanzinstrumenten die damit verbundenen Kosten überwiegen.39 Zwar lassen sich diese Anforderungen nicht in der Richtlinie wieder finden, jedoch gestaltet ESMA die Anforderungen nicht derart aus, als dass die WpDU nun ein am besten geeignetes Produkt finden müssten, anstatt, wie von der Richtlinie vorgesehen, ein geeignetes Produkt.40 Ein Vorteil liegt nicht nur in geringeren Kosten, sondern auch in geringeren Risiken oder der Anhebung der allgemeinen Portfolioqualität.41 Das Argument, dass durch diese Vorschrift die Gefahr geschaffen würde, dass der Kunde sich beschwere, nicht das günstigste Produkt erhalten zu haben,42 34

ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 151, Nr. 9. ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 151, Nr. 9; Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 245; Balzer, ZBB 2016, 226, 232. 36 ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID-Anforderungen an die Eignung, S. 6 Nr. 18. 37 Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 245. 38 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 154, TA Nr. 1 iii); Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 262. 39 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 155, TA Nr. 1 x), xi); vgl. Trafkowski, in: MiFID II/ MiFIR, Rn. 247; Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 263. 40 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 150, Nr. 8. 41 Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 247. 42 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 150, Nr. 8. 35

286

6. Teil: Suitability

läuft somit ins Leere. Zudem kann der Vergleich so auch innerhalb der Grenzen des eigenen Produktangebots stattfinden.43 c) Einzuholende Informationen Den Umfang der einzuholenden Informationen bestimmen die WpDU unter Berücksichtigung des von ihnen angebotenen Services eigenständig.44 Bei einer dauerhaften Kundenbeziehung, bspw. in Form der dauerhaften Beratung, ist die Einholung der Informationen zwingend. Hier hat das WpDU Prozesse zum Erhalt aktueller Kundeninformationen einzuführen, die zugleich sicherstellen, dass die eingeholten Informationen verlässlich sind.45 Hierfür stellt ESMA eine nicht abschließende Liste mit möglichen Maßnahmen auf, die mit der Leitlinie 5 und deren flankierenden Leitlinien aus dem Jahre 2012 vergleichbar sind.46 So sollen bspw. den Kunden nur einfache und leicht verständliche Fragen gestellt werden, die die Ansichten und Bedürfnisse des Kunden reflektieren und die benötigten Informationen beinhalten (lit. d)). Insgesamt soll dem Kunden die Bedeutung seiner Antworten bewusst gemacht werden (lit. a)). Nach wie vor soll die Empfehlung unterbleiben, wenn das WpDU aufgrund der Prüfung feststellt, dass sich in ihrem Finanzuniversum kein geeignetes Produkt befindet.47 2. Die Geeignetheitserklärung (Suitability Report) Der Suitability Report ist dem Privatkunden zu übergeben, um diesem aufzuzeigen, wie die geäußerte Empfehlung auf ihn zugeschnitten wurde. Damit soll der Suitability Report die Gründe beinhalten, wie das Finanzprodukt zu den Kundenzielen bzw. -bedürfnissen passt und wie die Kundenkenntnisse und Erfahrungen, aber auch die Anlegereinstellung zu Risiken und die Fähigkeit Verluste zu tragen, berücksichtigt wurden.48 Hierin verbirgt sich die ehemalige Leitlinie 7 des Leitlinienpakets 2012.49

43

Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 262. ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 154, TA Nr. 1 vii). 45 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 154, TA Nr. 1 vi). 46 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 155, TA Nr. 1 viii) lit. a) – lit. e); ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID-Anforderungen an die Eignung, S. 11 Nr. 41. 47 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 154, TA Nr. 1 iv); vgl. Trafkowski, in: MiFID II/ MiFIR, Rn. 244. 48 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 156, TA Nr. 2. 49 ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID-Anforderungen an die Eignung, S. 13 Nr. 51, 52; vgl. Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 242. 44

A. Europäische Regelungen

287

Auch soll der Suitability Report einen Hinweis enthalten, wenn Finanzprodukte einer regelmäßigen Geeignetheitsprüfung bedürfen.50 Aus dieser Formulierung ergibt sich jedoch keine Pflicht zur regelmäßigen Geeignetheitsprüfung. Hier ist Trafkowski zuzustimmen, dass die WpDU in solchen Fällen besonders auf die Formulierung zu achten haben, um eine Fehlvorstellung des Anlegers über das automatische Erfolgen einer solchen Prüfung auszuschließen.51 Bietet das WpDU hingegen eine fortgeführte Geeignetheitsprüfung an, so müssen solche Suitability Reports nur die Abweichungen zu den Vorherigen darstellen und können für gleichbleibende Ergebnisse auf den Ursprungsreport verweisen.52 Auch diese Vorgabe lässt sich als Leitlinie 6 des Leitlinienpakets aus 2012 identifizieren.53 3. Zwischenfazit Der Vergleich der Vorschläge und der Leitlinien aus 2012 zeigt, dass ESMA überwiegend ihrer bisherigen Auffassung folgt. Neu sind die Übertragung der Anforderungen auf semi- und vollautomatische Beratungsformen und der Vergleich der neuen und bestehenden Finanzprodukte bei einem Finanzproduktwechsel auf dessen Vorteilhaftigkeit.

III. Delegierte Verordnung der Kommission In Art. 54 MiFID II-DLVO hat sich die Kommission erneut überwiegend den zuvor dargestellten Vorschlägen von ESMA zur Geeignetheitsprüfung und für die Übergabe des Suitability Reports angeschlossen. 1. Übernommene Regelungen von ESMA In Abs. 1 findet sich die Regelung, dass die Geeignetheitsprüfung in die Zuständigkeit des WpDU fällt und es den Kunden unmissverständlich darüber informiert sowie in Abs. 1 UA 2, dass diese Regelungen ebenfalls für voll- bzw. semiautomatische Beratungssysteme gelten. In Abs. 2 folgt sodann die bereits bekannte Verpflichtung der WpDU festzulegen, in welchem Umfang Informationen eingeholt werden müssen, und dass durch die eingeholten Informationen die Anlageziele des Kunden auch hinsichtlich seiner Risikobereitschafft, seiner Anlageziele und seiner Risikotragfähigkeit sowie seiner Kenntnisse und Erfahrungen erfasst werden können. Dies entspricht Art. 35 Abs. 1 lit. a) – c) der MiFID I-DRL, welche durch die 50

ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 156, TA Nr. 3. Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 264. 52 ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 156, TA Nr. 3. 53 ESMA, Leitlinien zu einigen Aspekten der MiFID-Anforderungen an die Eignung, S. 12 Nr. 47. 51

288

6. Teil: Suitability

nationalen Gesetzgeber umgesetzt wurden und sich nun direkt aus der Verordnung ergeben. Zugleich fordert auch die Kommission, dass die WpDU angemessene Schritte unternehmen müssen, um die Verlässlichkeit der Informationen sicher zu stellen und bedient sich an ESMAs nicht abschließender Aufzählung von Maßnahmen, Art. 54 Abs. 7 MiFID II-DLVO. In Abs. 7 UA 2 übernimmt die Kommission außerdem das Erfordernis, bei laufenden Beratungshandlungen geeignete Strategien und Verfahren zur Pflege von zweckdienlichen und aktuellen Informationen anzuwenden und nachweisen zu können. Erfolgen zudem vereinbarte laufende bzw. regelmäßige Geeignetheitsprüfungen, müssen diese entsprechend ESMAs Vorschlägen nur die Veränderungen zum vorherigen Report aufzeigen, Art. 54 Abs. 12 UA 3 MiFID II-DLVO. Zusätzlich statuiert die Kommission, dass diese mindestens einmal jährlich erfolgen sollen und je nach Risikoprofil des Kunden und Art des Finanzinstruments die jährliche Anzahl zu erhöhen ist, Art. 54 Abs. 13 MiFID II-DLVO. Allgemein trifft die WpDU auch die bereits vorgestellte Hinweispflicht, ob ein Finanzinstrument bzw. eine Dienstleistung einer fortlaufenden Geeignetheitsüberprüfung bedarf, Art. 54 Abs. 12 UA 2 MiFID II-DLVO. In Art. 54 Abs. 11 MiFID II-DLVO wird der Vergleich der Kosten und Vorteile bei der Umschichtung statuiert. Grds. müssen die WpDU die Art, die Kosten und die Risiken nachvollziehen und unter Berücksichtigung der Kosten und Komplexität beurteilen können, ob diese dem Profil des Kunden gerecht werden, Art. 54 Abs. 9 MiFID II-DLVO. Hier fehlt jedoch der noch in ESMAs Vorschlägen ausdrücklich geforderte Vergleich mit anderen Produkten. Indem jedoch Kosten und Komplexität berücksichtigt werden müssen, muss denknotwendig ein Abgleich mit anderen Finanzstrukturen und Komplexitätsgraden stattfinden, um diese Kriterien entsprechend einstufen zu können. Hieraus wird jedoch deutlich, dass – wie bereits festgestellt – aus dem Vergleich keine eigenständige Prüfung von anderen Produkten erfolgen sollte. Welche Dienstleistungen jedoch miteinander vergleichbar sind, ergibt sich aus den Anforderungen hingegen nicht. So ist dies bereits als problematisch bei der deutschen Regelung der Annahme von Zuwendungen in der Honorar-Anlageberatung für Finanzinstrumente erörtert worden. Für die Dienstleistung erweist sich dies als ungemein schwieriger.54 Der Abs. 6 des Art. 54 der MiFID II-DLVO enthält ESMAs Vorschläge, dass bei Personengruppen und juristischen Personen Grundsätze zur Person der Kenntnisermittlung festgelegt werden müssen. Diese sind nun schriftlich festzuhalten. In Vertretungsfällen ist, so wie von ESMA vorgesehen, auf die Kenntnis der Vertreter abzustellen, Art. 54 Abs. 6 UA 2 MiFID II-DLVO. Dies entspricht der nationalen zivilrechtlichen Regelung des § 166 BGB für die Fälle der offenen Stellvertretung i.S.d. § 164 BGB. Nach diesem kommt es für die Beratung auf die Kenntnisse und die Erfahrungen des Vertreters an, für die Informationen über die finanziellen Verhält54 Daher eine Streichung der Dienstleistung aus Art. 54 Abs. 11 MiFID II-DLVO fordernd Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 263.

A. Europäische Regelungen

289

nisse und die Anlageziele jedoch auf die Person des Vertretenen.55 Zugleich werden von der MiFID II-DLVO, da hier keine Unterscheidung zwischen den Stellvertretungsarten vorgenommen wird, auch mittelbare Stellvertreter erfasst. Damit wird für das deutsche Recht die nationale Streitigkeit zur Behandlung von mittelbaren Stellvertretern gelöst und die aufsichtsrechtlichen und zivilrechtlichen Anforderungen der mittelbaren Stellvertretung laufen parallel.56 Art. 54 Abs. 12 MiFID II-DLVO statuiert, wie von ESMAvorgeschlagen, dass die Geeignetheitserklärung dem Kleinanleger einen Überblick über die erbrachte Beratung und der daraus resultierenden Empfehlung sowie dem Zusammenhang zwischen dieser und seinen Anlagezielen sowie seiner persönlichen Situation abbilden soll.57 Gleichzeitig muss er erkennen, wie diese mit der Anlagedauer, seinen Kenntnissen und Erfahrungen und seiner Risiko- und Verlusttragungsfähigkeit zusammenhängen. Es fällt hier jedoch auf, dass der Zeitpunkt abweichend von der Ursprungsregelung der MiFID II geregelt wird. Denn dieser soll „vor der Durchführung des Geschäftes“ erfolgen, hingegen nach dem Wortlaut der MiFID II-DLVO „bei der Vornahme einer Anlageberatung“ und damit während der Anlageberatung. Dies wäre im spätesten Fall zeitgleich mit der Aussprache der Empfehlung, da diese die Anlageberatung beendet. Da der Bericht die erbrachte Anlageberatung im Überblick und die durch das Anlagegespräch entwickelte Empfehlung in Bezug zu den Anlagekriterien des Anlegers setzen soll, kann dieser aber nur nach der Empfehlung übergeben werden. Um die Anknüpfung an die Anlageberatung zu wahren und damit so eng wie möglich am Wortlaut zu agieren, müsste der Bericht unverzüglich nach der Empfehlung übergeben werden. Damit ist der Zeitpunkt deutlich enger als in der Richtlinie vorgegeben. Denn nach dieser wäre jeder Zeitpunkt vor der Durchführung des Geschäfts ausreichend gewesen. Aus dieser Anknüpfung an die Anlageberatung und dadurch an die Empfehlung wird jedoch zugleich die Auffassung der Kommission deutlich, dass der Suitability Report immer ausgehändigt werden soll und nicht an die Durchführung des Geschäftes knüpft. Folglich muss dieser auch bei einer Halteempfehlung ausgehändigt werden. Die Anknüpfung an die Durchführung des Geschäfts, ist ohnehin zweifelhaft, da diese eine zeitliche Bestimmung zur Herausgabe des Reports festlegt und nicht eine Voraussetzung zur Übergabe.58

55 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 93; i.E. Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31a Rn. 21 ff.; Bamberger, in: D/K/B, Bank- und KapMR, § 52 Rn. 109. 56 Zur Streitigkeit und ohne Vorliegen der MiFID II-DLVO diese Lösung befürwortend Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 93; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31a Rn. 33; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 32. 57 s. dazu auch Roth/Blessing, CCZ 2017, 8, 15. 58 A.A. Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 266 ohne Kenntnis der MiFID II-DLVO; Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264.

290

6. Teil: Suitability

Bietet das WpDU eine regelmäßige Geeignetheitsbeurteilung nach Art. 54 Abs. 12 MiFID II-DLVO an, so muss sie gem. Art. 52 Abs. 5 MiFID II-DLVO Angaben über die Häufigkeit und den Umfang machen, inwiefern die zusammengetragenen Informationen erneut beurteilt werden und wie sie dem Kunden die Aktualisierungen mitteilen.59 2. Regelungen unabhängig von ESMAs Vorschlägen Ausdrücklich hält die Kommission noch einmal fest, dass das WpDU bei einem professionellen Kunden davon ausgehen kann, dass er über entsprechende Erfahrungen und Kenntnisse verfügt. Dies gilt nach Art. 54 Abs. 3 UA 2 MiFID II auch für professionelle Kunden des Anhangs II Abschnitt I der MiFID II. Für diese ist auch davon auszugehen, dass sie die mit dem Vorgang einhergehenden Anlagerisiken finanziell tragen können. Das entspricht der Annahme des Art. 35 Abs. 2 UA 2 MiFID I-DRL. Damit erfolgt die zuvor gewünschte Klarstellung hinsichtlich der Vornahme der Geeignetheitsprüfung für professionelle Kunden (6. Teil A.I.2.b)). Eine solche ist folglich auch künftig nicht notwendig. Des Weiteren übernimmt die Kommission die Anforderungen des bisherigen Art. 35 Abs. 3 und 5 MiFID I-DRL, sodass die Herkunft und Höhe des regelmäßigen Einkommens, die vorhandenen Vermögenswerte – einschließlich liquider Vermögenswerte –, Anlagen und Immobilienbesitz des Kunden sowie dessen finanzielle Verpflichtungen abgefragt werden müssen, Art. 54 Abs. 4 MiFID II-DLVO. Zusätzlich müssen gem. Art. 54 Abs. 5 MiFID II-DLVO von dem Kunden geplante Anlagezeiträume, Risikopräferenzen, sein Risikoprofil und der Anlagezweck ermittelt werden. Auch darf ohne die erforderlichen Informationen für die Geeignetheitsprüfung, keine Empfehlung ausgesprochen werden, Art. 54 Abs. 8 MiFID IIDLVO. Ist keine Wertpapierdienstleistung oder kein Finanzinstrument für den Kunden geeignet, so darf das WpDU auch kein Handelsgeschäft empfehlen oder beschließen, Art. 54 Abs. 10 MiFID II-DLVO. Um noch einmal herauszustellen, dass Art. 25 Abs. 5, Abs. 6 UA 4 MiFID II gerade nicht vorschreibt, dass die Wertpapierfirmen nun verpflichtet sind, eine regelmäßige Geeignetheitsprüfung durchzuführen, wenn dieses nicht ausdrücklich vereinbart wurde, sieht Art. 58 Abs. 1 MiFID II-DLVO vor, dass über die Erbringung der regelmäßigen Geeignetheitsprüfung eine Rahmenvereinbarung abzuschließen ist. In dieser sollen die Rechte und Pflichten des WpDU und des Kunden niedergelegt sein. Entsprechend des früheren Art. 37 MiFID I-DRL müssen die WpDU gem. Art. 55 MiFID II-DLVO, Dienstleistungen, Geschäfte und Finanzinstrumente, mit denen der Kunde vertraut ist, sowie Art, Umfang und Häufigkeit der vom Kunden getätigten Finanzgeschäfte sowie dessen Zeitraum abfragen. Außerdem müssen sie 59

Ausf. zu den Vorschlägen von ESMA Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 276 ff.

A. Europäische Regelungen

291

Informationen über den Bildungsstand und Beruf bzw. früher relevante Berufe des Kunden einholen, um die Kenntnisse und Erfahrungen zu bestimmen, Art. 55 Abs. 1 MiFID II-DLVO. Dabei darf sich das WpDU auf die vom Kunden übermittelten Informationen verlassen, es sei denn, dass diese Informationen offensichtlich veraltet, unzutreffend, oder unvollständig sind, Art. 55 Abs. 3 MiFID II-DLVO. 3. Keine Definition der „neuen“ Merkmale In der MiFID II-DLVO fehlen nach wie vor die Definition der Risikotoleranz und die der Fähigkeit Verluste zu tragen. Aus den Begriffen „Risikotoleranz“ und „Fähigkeit Verluste zu tragen“ allein lässt sich weder Umfang noch Inhalt dieser Tatbestandsmerkmale ableiten. Die englische und die französische Fassung der MiFID II helfen hierfür ebenfalls nicht weiter, da auch diese nur die wörtliche Übersetzung der deutschen Begriffe enthalten (engl. Fassung ability to bear losses und risk tolerance, franz. Fassung capacité à subir des pertes und tolérance au risque). a) Bestimmung der Fähigkeit Verluste zu tragen Das Tatbestandsmerkmal der Fähigkeit Verluste zu tragen wird jedoch mit dem der finanziellen Verhältnisse verknüpft, indem Informationen über die finanziellen Verhältnisse einschließlich (bzw. including) der Fähigkeit Verluste zu tragen einzuholen sind.60 Somit werden die finanziellen Verhältnisse konkretisiert, indem das Merkmal der Verlusttragungsfähigkeit als Unterkategorie ausdrücklich betont wird. Bereits Art. 35 Abs. 1 lit. b) MiFID I-DRL konkretisierte die Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 MiFID I zur Einholung der finanziellen Verhältnisse, sodass es sich bei der Einführung dieser Unterkategorie um ein bereits nach der MiFID I-DRL verankertes Merkmal handelt.61 Gem. Art. 35 Abs. 1 lit. b) MiFID I-DRL musste die Anlage so beschaffen sein, „dass etwaige mit dem Geschäft einhergehende Anlagerisiken für den Kunden seinen Anlagezielen entsprechend finanziell tragbar sind“. Aus dieser Fassung ergab sich bereits die Überprüfung der Fähigkeit des Kunden, die mit der Anlage verbundenen Risiken tragen zu können. Zwar koppelt der alte Wortlaut das Merkmal an die Anlageziele und die Anlage selbst, jedoch ergibt sich diese Verbindung auch aus 60 s. Kurz, DB 2014, 1182, 1184, die feststellt, dass „[…] i m R a h m e n der finanziellen Situation des Kunden auch Informationen über die Fähigkeit des Kunden, Verluste zu tragen, eingeholt werden müssen […]“; Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR Rn. 242: „Es ist lediglich klargestellt worden, dass die finanziellen Verhältnisse auch die Verlusttragungsfähigkeit des Kunden und die Anlageziele auch seine Risikotoleranz b e i n h a l t e n .“ (Hervorhebungen durch die Verfasserin). 61 Vgl. zu Art. 35 MiFID-DRL Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, 45 f.

292

6. Teil: Suitability

Art. 25 Abs. 2 MiFID II. Auch dort sollen die Informationen dazu eingeholt werden, um „[…] dem Kunden Wertpapierdienstleistungen und Finanzinstrumente zu empfehlen, die für ihn geeignet sind und insbesondere seiner Risikotoleranz und seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, entsprechen“. Für diese Ansicht spricht des Weiteren, dass ESMA und die Kommission die aktuellen Regelungen des Art. 35 MiFID IDRL aufrechterhalten erhalten wollen.62 Auch aus dem Vergleich mit der englischen Version des Art. 35 Abs. 1 lit. b) MiFID I-DRL, nach der der Kunde „[…] able financially to bear any related investment risks consistent with his investment objectives […]“ sein musste, lässt sich keine andere Auffassung herleiten. Folglich muss der Kunde auch nach dieser die Risiken des Investments entsprechend seinen Anlagezielen finanziell tragen können. Allerdings sind die Risiken einer Anlage Verluste bzw. der Totalverlust. Damit legte auch die englische Fassung indirekt die Fähigkeit des Anlegers Verluste zu tragen als Merkmal fest. Entgegen der MiFID II-Formulierung findet sich in Art. 35 Abs. 3 MiFID I-DRL bei der ausdrücklichen Konkretisierung der finanziellen Verhältnisse nicht das Merkmal der Verlusttragungsfähigkeit. Jedoch sind nach der genannten Norm für die Beurteilung der finanziellen Verhältnisse des Kunden Informationen über Herkunft und Höhe seines regelmäßigen Einkommens, seine Vermögenswerte einschließlich der liquiden Vermögenswerte, Anlagen und Immobilienbesitz sowie seinen regelmäßigen finanziellen Verpflichtungen, einzuholen. Diese geben letztlich darüber Aufschluss, wie der Anleger einen Verlust verkraften würde. Folglich wurde bereits aufgrund der MiFID I-DRL, die Fähigkeit Verluste zu tragen indirekt geprüft. Indem der europäische Gesetzgeber dieses nun auf die Ebene der Level-1-Maßnahme hebt und ausdrücklich betont, zeigt er dessen Wichtigkeit auf, eine andere inhaltliche Bedeutung oder Reichweite als auf der Ebene der MiFID I-DRL ergibt sich daraus jedoch nicht. b) Bestimmung der Risikotoleranz Das Merkmal der Risikotoleranz findet sich wörtlich ebenfalls nicht in der MiFID I-DRL.63 Jedoch müssen hinsichtlich der Anlageziele nach Art. 35 Abs. 4 MiFID I-DRL Informationen über die Präferenzen des Risikos und des Risikoprofils des Kunden eingeholt werden. Folglich handelt es sich zum einen objektiv darum, welches Risiko der Kunde bislang bei vorherigen Anlagegeschäften eingegangen ist, und subjektiv, wie er seine Risikobereitschaft selber einschätzen würde.64 62

Nr. 6. 63

ESMA, Consultation Paper, Kap. 2.17, Nr. 6; ESMA, Final Report, Kap. 2.17, S. 150,

s. zur Risikobereitschaft Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, 109. 64 Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, 109 f. m.w.N.

A. Europäische Regelungen

293

Bei der Aufzählung der Risikotoleranz lässt sich weder ein subjektiver noch ein objektiver Faktor ablehnen, sodass es sich hierbei um die Zusammenfassung der beiden Informationspunkte handelt, so wie dies bspw. durch den deutschen Gesetzgeber in § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 WpDVerOV mit der Anforderung der Risikobereitschaft umgesetzt wurde. c) Zwischenfazit Aufgrund der fehlenden Definition und der (indirekten) Behandlung der Tatbestandsmerkmale in der MiFID I-DRL zeigt sich, dass der europäische Gesetzgeber diese nun ausdrücklich betonen und in jedem Fall unmittelbar bei der Überprüfung berücksichtigen lassen wollte, aber inhaltlich weiter von deren bisherigen Anforderungen ausgegangen ist.65 Dies entspricht auch dem Anlegerschutz, als einer der Zielsetzungen der MiFID II. Da für diese keine weitergehenden Bestimmungen vorliegen, wie die Risikotoleranz und die Fähigkeit Verluste zu tragen zu ermitteln ist, kann der nationale Gesetzgeber zur Ausgestaltung die vorherigen eigenen Maßstäbe ansetzen.66 In jedem Falle wäre es sowohl für die nationalen Gesetzgeber im Rahmen der Umsetzung als auch für die Finanzakteure wünschenswert, wenn hierzu noch eine Klarstellung seitens des europäischen Gesetzgebers erfolgen würde, insb. um das Ziel, ein einheitliches Regelwerk zu schaffen, zu verwirklichen.

IV. ESMAs Q&As Investor Protection als Level-3-Maßnahme ESMA hat in ihren Q&As als Level-3-Maßnahme zu bestimmten Fragen ihre Sichtweise zur Auslegung der MiFID II, MiFID II-DLVO und der MiFID II-DLRL dargelegt. Da die BaFin ihre Verwaltungspraxis regelmäßig eng an den Vorgaben der ESMA Auffassung auslegt, wird diese faktisch verbindlich für die WpDU. In den vorliegenden Q&As finden sich vor allem sehr konkrete Anforderungen hinsichtlich der Geeignetheitsprüfung und der Geeignetheitserklärung, die sich in dieser Weise zum Teil weder aus der Richtlinie noch aus der MiFID II-DLVO hätten ablesen lassen. So soll dem Kleinanleger auch dann ein Suitability Report übergeben werden, wenn im Anschluss keine Transaktion erfolgt. Damit legt ESMA die hier bereits zur MiFID II-DLVO vertreten Ansicht (s. 6. Teil A.III.1.) als ihre Verwaltungspraxis fest. Sie begründet dies treffend damit, dass Art. 4 Abs. 1 Nr. 4 MiFID II für die Definition der Anlageberatung kein Erfordernis einer der Empfehlung nachfolgen-

65

Von einer Erweiterung der Pflichten ohne weitere Begündung ausgehend Buck-Heeb/ Poelzig, BKR 2017, 485, 491. 66 s. zur Risikobereitschaft Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, 106.

294

6. Teil: Suitability

den Transaktion vorsieht.67 Folgerichtig und in Übereinstimmung mit der Richtlinie kann dann der Suitability Report auch nicht mit dem Bericht über die erfolgte Transaktion zusammen gefasst werden, da dieser denknotwenig erst nach der Durchführung des Geschäfts ausgehändigt werden kann.68 Eine solche Zusammenfassung wäre nur in den Fällen möglich, wenn der Bericht unter den besonderen Voraussetzungen des Art. 25 Abs. 6 UA 3 MiFID II später erfolgen darf. Der Report muss nicht separat erfolgen, wenn dem Kunden vor Durchführung des Geschäfts weitere Berichte im Zusammenhang mit der Anlageberatung auszuhändigen sind.69 Auch Notizen über das persönliche Gespräch gem. Art. 16 Abs. 7 MiFID II dürfen mit dem Suitability Report zusammen in einem Dokument ausgehändigt werden, wenn dieser alle Voraussetzungen der einzelnen Anforderungen erfüllt, entsprechend den Aufbewahrungsregelungen gesichert und dem Kunden zur Verfügung gestellt wird.70 Ohne Anknüpfungspunkt in der Richtlinie oder der MiFID II-DLVO muss der Bericht eine Datums- und Zeitangabe über die Durchführung der Beratung sowie über die Aushändigung an den Kunden enthalten.71 Wird der Suitability Report persönlich in Papierform ausgehändigt, so werden sich die WpDU dies künftig quittieren lassen. Darüber hinaus gibt ESMA Beispiele für Situationen, in denen WpDU keine Empfehlung aussprechen dürfen, da kein Finanzprodukt für den Kunden geeignet ist. Nach wie vor darf auch in solchen Fällen die Transaktion durchgeführt werden, wenn der Kunde insistiert und gegen den Rat des WpDU das Geschäft durchführen möchte.72 Er ist dann ausdrücklich über die für ihn fehlende Geeignetheit und die dadurch entstehenden Risiken hinzuweisen. Weiterhin ist dies zu dokumentieren, insb. auf wessen Initiative die Transaktionsdurchführung beruht.

B. Deutsche Regelung Zwar gelten die Regelungen der MiFID II-DLVO direkt für deutsche WpDU, dennoch sollen hier kurz die Regelungen vor der Geltungserlangung der MiFID IIDLVO und auch die teilweise erfolgenden Umsetzungsbemühungen des deutschen Gesetzgebers dargestellt werden, um die Veränderungen für die WpDU besser beurteilen zu können.

67 68 69 70 71 72

ESMA, Q&As investor protection, S. 24. ESMA, Q&As investor protection, S. 24. ESMA, Q&As investor protection, S. 24. ESMA, Q&As investor protection, S. 29. ESMA, Q&As investor protection, S. 24. ESMA, Q&As investor protection, S. 27.

B. Deutsche Regelung

295

I. Regelungen vor der Umsetzung 1. Geeignetheitsprüfung – neue Anforderungen bereits vorhanden Die bereits bestehenden Regelungen der MiFID I zur Geeignetheitsprüfung wurden im deutschen Recht in § 31 Abs. 4 WpHG umgesetzt.73 So prüft der Berater, ob das konkrete Geschäft bzw. das Finanzinstrument den Anlagezielen des jeweiligen Kunden entspricht und ob dieser die aus dem Geschäft entstehenden Anlagerisiken gemessen an seinen Anlagezielen finanziell tragen kann.74 Damit besteht bereits heute eine Regelung zur Überprüfung der finanziellen Situation und der Fähigkeit des Anlegers Verluste zu tragen. Zusätzlich muss durch den Berater überprüft werden, ob der Anleger die spezifischen Anlagerisiken aufgrund seiner Erfahrung und seinen aktuellen Kenntnissen verstehen kann.75 Die hierfür benötigten Informationen muss er durch Befragung des Kunden einholen (Explorationspflicht).76 Erlangt das WpDU diese Informationen nicht, so darf es keine Empfehlung aussprechen.77 Konkretisiert werden diese Regelungen durch die § 6 WpDVerOVund der MaComp in BT 6, 7. § 6 Abs. 2 WpDVerOV entspricht bereits heute Art. 55 Abs. 1 MiFID II-DLVO, da dieser die entsprechenden Anforderungen aus Art. 25 MiFID I-DRL, die § 6 WpDVerOV umsetzt, übernimmt. Und auch Abs. 1 enthält bereits einige Anforderungen des Art. 54 MiFID II-DLVO, der die Anforderung aus Art. 35 Abs. 4 MiFID I-DRL übernimmt. So müssen die Grundlage und die Höhe des regelmäßigen Einkommens überprüft und finanzielle Verpflichtungen und vorhandenes Vermögen insb. Bargeld, Immobilien und Kapitalanlagen abgefragt werden. Dies sieht auch Art. 54 Abs. 4 MiFID II-DLVO vor. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 WpDVerOV müssen – wie auch in Art. 54 Abs. 5 MiFID II-DLVO vorgesehen – hinsichtlich der durch die Geschäfte verfolgten Ziele, Angaben über die Anlagedauer, die Risikobereitschaft des Kunden und den Zweck der Anlage erfragt werden.78 Damit ergeben sich künftig die Anforderungen aus § 6 WpDVerOV direkt aus Art. 51 und 54 MiFID II-DLVO. Wie bereits festgestellt, besteht keine weitere Definition der neuen Tatbestandsmerkmale der Risikotoleranz und der Fähigkeit Verluste zu tragen, jedoch wurden diese indirekt durch die MiFID I-DRL bereits eingeführt (s. 6. Teil A.III.3.). Hinsichtlich der Zielsetzung, besteht Übereinstimmung zwischen dem deutschen Kriterium, ob die Risiken der Anlage für den Kunden finanziell tragbar sind, § 31 Abs. 4 S. 2 WpHG, und dem europäischen Merkmal, die Fähigkeit Verluste zu 73 74 75 76 77 78

Vgl. Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 85. Kurz, DB 2014, 1182, 1184; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 88 ff. Im Detail hierzu Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rn. 136 ff. Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 442. § 31 Abs. 4 S. 2 WpHG, s. Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 443. Ausf. Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rn. 139 ff.

296

6. Teil: Suitability

tragen.79 Denn auch das deutsche Kriterium dient, neben dem Schutz der WpDU vor zahlungsunfähigen Kunden, dem Anlegerschutz.80 So sollen die Angaben über die finanziellen Verhältnisse es dem Berater ermöglichen, nachzuvollziehen, ob der Kunde den Verlust seiner Anlage ohne gravierende Einschnitte in seinen bisherigen Lebensstil verkraften kann.81 Je eher der Kunde die Anlagemittel zurück benötigt, desto geringer ist objektiv seine Fähigkeit Anlagerisiken zu verkraften.82 Folglich hat der deutsche Gesetzgeber die Anforderungen aus der MiFID I-DRL ordnungsgemäß umgesetzt. Eine ausdrückliche Benennung dieser Prüfung mit der Fähigkeit Verluste zu tragen findet sich entsprechend der Umsetzung der MiFID I-DRL-Vorgaben hingegen nicht. Mithin sollte der Gesetzgeber dieses Merkmal in die neuen Regelungen ausdrücklich aufnehmen, um dessen Bedeutung zu betonen. In § 6 Abs. 1 Nr. 2 WpDVerOV findet sich ausdrücklich die Überprüfung der Risikobereitschaft des Kunden. Zugleich soll mit der Überprüfung der finanziellen Verhältnisse die Risikotragfähigkeit des Kunden herausgefiltert werden.83 Die Risikotoleranz ist somit objektiv zu berücksichtigen.84 Mit der Abfrage der persönlichkeitsabhängigen Einstellung des Anlegers zum Risiko, wird auch die subjektive Komponente berücksichtigt.85 So wurde auch dieses Merkmal entsprechend umgesetzt. Wie gezeigt erfüllen die WpDU damit bereits heute die „neuen“ Merkmale.86 Indem diese nun ausdrücklich betont werden und als direktes Merkmal abzufragen sind, sollten die WpDU ihre ohnehin darauf ausgerichtete Prüfung optisch und schriftlich auf diese Merkmale auslegen und diese Begrifflichkeiten einführen.

79

I. E. Balzer, ZBB 2016, 226, 232; Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 262; Kurz, DB 2014, 1182; Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, 236. 80 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 254; Bamberger, in: D/K/B, Bank- und KapMR, § 52 Rn. 108; nur den Anlegerschutz bejahend Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rn. 141; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 89. 81 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 255; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rn. 141. 82 Gurtner-Mayr, Suitability- und Aproppriatenesstest in der Vermögensverwaltung und Anlageberatung, 74; s. zu den einzelnen Merkmalen der Risikotragbarkeit Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, 151 ff. 83 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 255; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 89. 84 Schommer, Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG, 152; a.A. Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 227 neue Risikotoleranz nur subjektiver Faktor. 85 Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rn. 140. 86 Keine neuen Anforderungen annehmend: Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 262 unter Verweis auf § 6 Abs. 1 Nr. 2 WpDVerOV und die MaComp pauschal für beide neuen Kriterien; Kurz, DB 2014, 1182, 1184; noch zum MiFID II-E Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, 236. Noch unschlüssig und weitere Forderungen abwartend, dennoch einen Mehraufwand und dadurch steigende Kosten vermutend Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 105a; noch offen Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 227.

B. Deutsche Regelung

297

Allerdings sollte der Gesetzgeber zusätzlich einheitliche Maßstäbe einführen, wie die Fähigkeit Verluste zu tragen und die Risikotoleranz zu bestimmen sind.87 Denn sowohl im nationalen als auch im europäischen Recht fehlen nicht nur die Definitionen dieser Begriffe, sondern auch einheitliche Bewertungsstandards.88 Vielmehr ist es jedem WpDU selbst überlassen, wie es diese Kriterien ausfüllt. Aufgrund dessen ist es für den Kunden schwierig, die einzelnen Bewertungen zu vergleichen.89 2. Der deutsche Suitability Report in Form des Beratungsprotokolls Auch der Bericht über die Geeignetheit ist dem deutschen Recht bekannt – allerdings in Form des sog. Beratungsprotokolls gem. § 34 Abs. 2a WpHG. § 34 Abs. 2a S. 1 WpHG verpflichtet das WpDU ein schriftliches Anlageberatungsprotokoll für Privatkunden zu erstellen. Dieses muss von dem jeweiligen Berater unterzeichnet90 und dem Kunden unverzüglich nach der Beratungsleistung auf einem dauerhaften Datenträger ausgehändigt werden, § 34 Abs. 2a S. 2 WpHG.91 Damit ist die deutsche Regelung strenger als die Richtlinie, die keine unverzügliche Übergabe verlangt, sondern nur vor Geschäftsdurchführung.92 Sie kommt jedoch den Anforderungen der MiFID II-DLVO nahe (s. 6. Teil A.III.1.). Findet das Gespräch nicht persönlich statt, sodass die Übergabe des Protokolls in Anschluss an die Beratung nicht sofort erfolgen kann – bspw. bei der telefonischen Beratung – so muss dem Kunden das Protokoll unverzüglich nach Beendigung der Beratung zugesendet werden, § 34 Abs. 2a S. 3 WpHG (s. bereits 5. Teil B.I.).93 Der Kunde kann jedoch auf seinen ausdrücklichen Wunsch bereits vor Erhalt dieses Protokolls ein Geschäft abschließen.94 Ihm steht dann jedoch ein Rücktrittsrecht innerhalb einer Woche ab Zugang des Protokolls zu, sofern das Protokoll Fehler 87 I. E. Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, 128 aber ohne Bezug zur MiFID II. 88 s. zum Fehlen von Bewertungsstandards zur Bestimmung des Anlagerisikos Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, 128; Witteck, Interview v. 14. 09. 2016. 89 Schommer, Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, 128. 90 Das einfache Kürzel ist insofern genügend, um dem Gespräch den teilnehmenden Berater zuzuordnen; es braucht keine Form i.S.d. §§ 126, 126b, Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 32 f.; Möllers, in: KK/WpHG, § 34 Rn. 86. Die Unterschrift ausdrücklich fordernd und auch keine Faksimilestempel zulassend Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 34 Rn. 25. 91 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 36; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 34 Rn. 27 f. 92 Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264. 93 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 42 f.; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 34 Rn. 35; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 201; Maier, VuR 2011, 3, 4; Schulz, Der telefonische Vertrieb von Finanzinstrumenten, 155. 94 § 34 Abs. 2a S. 4 WpHG, s. dazu Schäfer, in: Heidel, § 43 WpHG Rn. 20.

298

6. Teil: Suitability

enthält oder unvollständig ist.95 Der Kunde ist auf dieses Rücktrittsrecht und die Frist hinzuweisen.96 Die europäische Regelung ist an dieser Stelle milder, da sie kein Rücktrittsrecht des Kunden bei fehlerhaften oder falschen Protokollen für diese Beratungsvariante vorsieht.97 Vielmehr muss dem Kunden bei der Beratung mittels Fernkommunikation angeboten werden, das Geschäft um eine Woche zu verschieben, damit der Kunde den Bericht zuvor erhalten kann. Schlägt er dies aus und wünscht die Durchführung des Geschäftes zuvor, kann er auch bei Fehlern im Protokoll nicht mehr zurücktreten.98 Das deutsche Beratungsprotokoll muss gem. § 14 Abs. 6 WpDVerOV den Anlass der Anlageberatung (Nr. 1), die Dauer des Beratungsgesprächs (Nr. 2), die der Beratung zugrundeliegenden Informationen über die persönliche Situation des Kunden, einschließlich der nach § 31 Abs. 4 S. 1 des WpHG einzuholenden Informationen enthalten. Zusätzlich muss es die Finanzinstrumente und Wertpapierdienstleistungen, die Gegenstand der Anlageberatung sind (Nr. 3), die vom Kunden im Zusammenhang mit der Anlageberatung geäußerten wesentlichen Anliegen und deren Gewichtung (Nr. 4), die im Verlauf des Beratungsgesprächs erteilten Empfehlungen und die für diese Empfehlungen genannten wesentlichen Gründe (Nr. 5) aufführen.99 Für den Fall der Zusendung des Beratungsprotokolls muss der ausdrückliche Wunsch des Kunden festgehalten werden, dass dieser das Geschäft vor Erhalt des Protokolls abschließen wollte, § 14 Abs. 6 S. 2 WpDVerOV. Es fällt auf, dass die deutschen Anforderungen teilweise weitergehen als von europäischer Seite für den Suitability Report gefordert. Die hierin geforderten Aufzeichnungen zum Anlass und der Dauer finden sich im europäischen Bericht nicht.100 Betrachtet man neben den europäischen Geeignetheitskriterien auch die europäischen Anforderungen an die Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten des Art. 76 Abs. 9 MiFID II-DLVO, ergibt sich jedoch ein anderes Bild.101

95

Ausf. zur Rechtsnatur und den Rechtsfolgen des ausgeübten Rücktrittsrecht Schulz, Der telefonische Vertrieb von Finanzinstrumenten, 157 ff.; Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 34 Rn. 70. 96 Schäfer, in: Heidel, § 43 WpHG Rn. 20; Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 34 Rn. 70. 97 Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264. 98 I. E. Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264, die die europäische Regelung aufgrund der dadurch entstehenden Rechtssicherheit für die WpDU positiv bewerten. 99 Ausf. zu den einzelnen Merkmalen Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 26 ff.; Möllers, in: KK/WpHG, § 34 Rn. 91 ff.; Schäfer, in: Heidel, § 34 Rn. 13 ff.; Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 34 Rn. 15 ff.; Maier, VuR 2011, 3, 4; Klein, Die Beratungsprotokollpflicht im System des europarechtlich determinierten Anlegerschutzes, 207 ff.; zur Verwaltungspraxis der BaFin s. MaComp BT 6.2. 100 Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264, die Autorinnen lassen allerdings die Aufzeichnungspflichten und ESMAs Q&As investor protection außer Acht. 101 Eine ähnliche Querverbindung in anderem Zusammenhang ziehend Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 201.

B. Deutsche Regelung

299

Zwar ist auf europäischer Ebene die Anlageberatung an sich nicht protokollierungspflichtig (s. 5. Teil), jedoch alle Gespräche, die u. a. die Erbringung der Dienstleistungen, die sich auf die Annahme, Übermittlung und Ausführung von Kundenaufträgen beziehen, vorbereiten. In diesen kann die Anlageberatung miterfasst sein, sodass diese Vorschriften ebenfalls zu berücksichtigen sind. Dementsprechend müssen auch auf europäischer Ebene bei persönlichen Gesprächen, die sich auf die erfassten Geschäfte beziehen, Gesprächsteilnehmer, Initiator (dieser wird auch im Zusammenhang mit dem Anlass der Beratung nach § 14 Abs. 6 WpDVerOV zu nennen sein), Datum und Uhrzeit sowie Ort des Gesprächs und die Angabe aller relevanten Informationen der Order, vor allem Angaben zu Preis und Volumina, protokolliert werden (s. 5. Teil A.II.). Damit bestehen nach europäischer Regelung zumindest unter besonderen Voraussetzungen für die Anlageberatung auch solche Anforderungen, wie im deutschen Recht grds. vorgesehen. Zudem muss berücksichtigt werden, dass ESMA in ihren Q&As und damit in ihrer Verwaltungspraxis sehr deutlich formuliert, dass der Bericht eine Datums- und Zeitangabe über die Durchführung der Beratung und die Aushändigung des Protokolls enthalten soll.102 Einen ausdrücklichen Nachweis zum Beweis des Zugangs fordert das deutsche Recht bislang nicht. Der Nachweis, wann der Suitability Report ausgehändigt wurde, wird ausdrücklich nicht verlangt. Da jedoch § 34 Abs. 2a WpHG eine aufsichtsrechtliche Norm ist, muss das WpDU letztlich verwaltungsrechtlich den Zugang des Beratungsprotokolls belegen.103 Der Zugangsnachweis wird praktisch auch den genauen Zeitpunkt festhalten. Dies gilt insb. für den Zugang des Protokolls bei der Zusendung nach Geschäftsabschluss für die Ausnahme der telefonischen Beratung bzw. anderen Kommunikationsmitteln, die die Vorabzusendungen nicht ermöglichen.104 Damit entsprechen auch die bestehenden nationalen Regelungen den neuen Anforderungen der Verwaltungspraxis von ESMA. Der europäischen Regelung sind jedoch keine den §§ 34 Abs. 2a WpHG, 14 Abs. 6 S. 1 Nr. 4 WpDVerOV vergleichbare Regelungen über Angaben der Kundenanliegen und deren Gewichtung bekannt.105 Hier ist die nationale Regelung strenger als die europäische. Sowohl die europäische als auch die nationale Regelung enthalten die Anforderung, die wesentlichen Gründe für die Empfehlung anzugeben. Bislang hat ESMA auch in ihren Q&As keine weitergehenden Aussagen über die Reichweite der Begründung getroffen, sodass aufgrund der bislang bestehenden Übereinstimmungen auch in diesem Falle davon ausgegangen werden darf, dass die WpDU hier keine

102

ESMA, Q&As investor protection, S. 24. Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 34 Rn. 30; Pfeifer, BKR 2009, 485, 489. 104 Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 201. 105 Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264; s. zu wesentlichen Anliegen Koller, in: Assmann/ Schneider, WpHG, § 34 Rn. 20. 103

300

6. Teil: Suitability

weiteren Anforderungen aus Art. 25 Abs. 6 MiFID II als bisher treffen.106 Auch bislang muss das Beratungsprotokoll die dem Kunden ausgesprochene Empfehlung aufführen und die Gründe hierfür angeben.107 Das Protokoll enthält damit die Gründe des Beraters, weshalb er diese Handlungsalternative am überzeugendsten für den jeweiligen Kunden findet.108 Damit ist die Begründung bereits mit den zuvor abgefragten Anlagezielen des Kunden verbunden, indem der Berater aufzeigt, wie diese mit dem empfohlenen Finanzinstrument übereinstimmen.109 Nach Ansicht der BaFin kann dies auch nicht standardisiert im Vorfeld des Beratungsprotokolls erfasst werden, sondern ist für jedes Beratungsgespräch individuell in einem Freifeld zu entwickeln.110 Eine Unterschrift des Beraters, so wie diese § 34 Abs. 2a S. 2 WpHG vorsieht, findet sich weder in der MiFID II-DLVO noch in ESMAs Vorbereitungen der Level2-Maßnahmen noch in ihren Q&As. Allerdings findet ESMA deutliche Worte zu den im nationalen Recht umstrittenen Auswirkungen, für den Fall, dass der Kunde das Beratungsprotokoll unterschreibt.111 Hier schlägt sich ESMA auf die Seite der Verbraucherschützer und schließt sich deren Argument an, dass durch die Unterschrift des Kunden dieser für Fehler oder Lücken der Beratung bzw. des Protokolls die Verantwortung übernehme.112 Daher sollen die Geeignetheitserklärungen nach Ansicht von ESMA nicht durch den Kunden unterschrieben werden, um den daraus resultierenden Anlegerschutz nicht zu untergraben.113 Mithin klärt sich auf europäischer Ebene, die im deutschen Recht streitige Frage der Beweiswirkung des Protokolls bei Kundenunterschrift. Entsprechend des Wortlautes von ErwG. 57 MiFID II und ESMAs Klarstellung ist eine Beweiswirkung durch Unterzeichnung des Kunden, zumindest für künftige Geeignetheitserklärungen abzulehnen.114 3. Die Anforderungen der MaComp Da ESMA ihre Leitlinien 2012 als Grundlage der MiFID II-DLVO beibehalten hat, finden sich zwischen dieser und der in der MaComp festgelegten Verwal106 Ebenfalls dieser Meinung aber noch abwarten hinsichtlich noch ausstehender ESMAVorgaben Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 227; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 198. 107 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 31; Maier, VuR 2011, 3, 5. 108 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 31; Maier, VuR 2011, 3, 5. 109 Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 31. 110 BaFin, MaComp BT 6.2 Nr. 6. 111 Zu der umstrittenen Beweiswirkung der Unterschrift s. anstatt vieler, Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 203; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 34 Rn. 33 ff.; Klein, Die Beratungsprotokollpflicht im System des europarechtlich determinierten Anlegerschutzes, 332 ff., jeweils m.w.N. 112 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 43, Nr. 18. 113 ESMA, Final Report, Kap. 2.6, S. 43 f., Nr. 18. 114 In diese Richtung Buck-Heeb, ZBB 2014, 211, 229.

B. Deutsche Regelung

301

tungspraxis der BaFin, die sich ebenfalls an den Leitlinien 2012 orientiert, Übereinstimmungen. So sind, wie nun in Art. 54 Abs. 1 MiFID II-DLVO vorgesehen, die WpDU gem. BT 7.1 Nr. 1, 5 MaComp für die Durchführung der Geeignetheitsprüfung zuständig und machen dies ihren Kunden entsprechend deutlich.115 BT 7.4 legt die einzuholenden Informationen fest.116 Darunter fallen die finanziellen Verhältnisse und die Risikotoleranz,117 die sich nun in Art. 54 Abs. 2 MiFID II-DLVO finden. Die detaillierten Vorgaben hinsichtlich des Anlagezeitraums und der Anlageziele finden ihr Pendant in Art. 54 Abs. 4 und 5 MiFID II-DLVO. Auch enthält die MaComp bereits gleiche Vorgaben zum Umgang mit Personengruppen und juristischen Personen. Gem. BT 7.7 müssen auch hierfür im Vorfeld entsprechende Strategien festgelegt werden.118 In BT 7.2 (Vorkehrungen zum Verständnis) und in BT 7.5 (Zuverlässigkeit der Informationen) finden sich die entsprechenden Vorgaben des Art. 54 Abs. 7, 9 MiFID II-DLVO zur Sicherstellung der Zuverlässigkeit der Kundeninformationen und des Kundenverständnisses wieder. Bei dauerhaften Kundenbeziehung sind die eingeholten Informationen ebenfalls zu aktualisieren, BT 7.6 MaComp119 und Art. 54 Abs. 13 MiFID II-DLVO. Bereits nach BT 7.4 Nr. 10 darf der Berater i.S.d. Art. 54 Abs. 8 MiFID II-DLVO bei Nichterhalt der benötigten Informationen keine Empfehlung aussprechen. Auch kann der Berater nach BT 7.4 Nr. 8 bei professionellen Kunden von dessen üblichen Kenntnissen für das Produkt, für welches er als professionell eingestuft wurde, ausgehen.120 Es zeigt sich, dass durch die Umsetzung der ESMA Leitlinien aus 2012 in die Verwaltungspraxis der BaFin durch die MaComp faktisch viele Voraussetzungen von den WpDU schon heute erfüllt werden, die nun MiFID II-DLVO vorschreibt. Neu sind hingegen – wie auf europäischer Ebene auch – die Erstreckung der Anforderungen auf die halb- bzw. vollautomatischen Systeme und die Anforderungen bei Umschichtungen sowie die Kosten-Nutzen-Analyse. 4. Vergleich der bestehenden Regelungen mit den MiFID II-Vorgaben Wie bereits festgestellt, stimmen die nationalen Regelungen, aufgrund der detaillierten Vorgaben zur MiFID I und der wenigen Ergänzungen, bereits heute überein. Auch die auf europäischer Ebene „neu“ eingeführten Merkmale – die Fähigkeit, Verluste zu tragen, sowie die Risikotoleranz121 – werden bereits heute ab115 116 117 118 119 120 121

s. zu BT 7 MaComp Auerbach/Adelt, in: Krimphove/Kruse, BT 7 Rn. 22 ff. Auerbach/Adelt, in: Krimphove/Kruse, BT 7 Rn. 53 ff. Auerbach/Adelt, in: Krimphove/Kruse, BT 7 Rn. 54. Auerbach/Adelt, in: Krimphove/Kruse, BT 7 Rn. 150. Auerbach/Adelt, in: Krimphove/Kruse, BT 7 Rn. 137 ff. Auerbach/Adelt, in: Krimphove/Kruse, BT 7 Rn. 79. Als objektives und subjektives Kriterium bezeichnend Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 227.

302

6. Teil: Suitability

gefragt und bewertet.122 Auch die inhaltlichen Konkretisierungen finden sich in § 6 WpDVerOV auf gesetzlicher Ebene und in der BT MaComp und damit in der Verwaltungspraxis der BaFin wieder. Letztere sind künftig nicht mehr nur Anforderung der BaFin, sondern in Form der Verordnung als gesetzliche Regelung für die WpDU verpflichtend. Zusätzlich müssen die WpDU die Vorschriften der Geeignetheitsprüfung auch bei halb- bzw. vollautomatischen Systemen anwenden und bei Umschichtungen die Kosten-Nutzen-Analyse durchführen. Die europäischen Regelungen zur Geeignetheitserklärung scheinen sich an den bislang geltenden Vorschriften des deutschen Beratungsprotokolls zu orientieren, bleiben aber in einigen Punkten hinter diesen zurück. Dies betrifft das Rücktrittsrecht bei der telefonischen Beratung, die Verpflichtung zur Unterzeichnung des Protokolls durch den Berater und der unverzüglichen Übermittlung.123 Die Angaben hinsichtlich Datum, Uhrzeit und Anwesenden können sich durch die weiteren Vorschriften der allgemeinen Aufzeichnungspflicht ergeben, sind jedoch explizit nicht erfasst.124 Allerdings nimmt ESMA diese offensichtlich in ihre Verwaltungspraxis auf, sodass sich die deutschen WpDU nicht umstellen müssen. Faktisch gleich bleibt auch der Nachweis, wann der Suitability Report ausgehändigt wurde, der nun explizit in den europäischen Regelungen aufgenommen wurde. Künftig entfallen dürfte die Regelungen über Angaben der Kundenanliegen und deren Gewichtung.125 Insgesamt treffen die WpDU aber keine schwerwiegenden Erweiterungen zu dem aktuellen Stand im nationalen Recht.

II. Die Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im 2. FiMaNoG 1. Die Geeignetheitsprüfung § 64 Abs. 3 S. 1 WpHG-E126 setzt Art. 24 Abs. 2 MiFID II fast gleichlautend um, vergisst jedoch die ausdrückliche Erwähnung des potentiellen Kunden. So muss das WpDU von seinem Kunden Informationen „1. über Kenntnisse und Erfahrungen […] in Bezug auf Geschäfte mit bestimmten Arten von Finanzinstrumenten oder Wertpapierdienstleistungen, 2. über die finanziellen Verhältnisse […], einschließlich seiner Fähigkeit, Verluste zu tragen, und 3. über seine Anlageziele, einschließlich seiner Risikotoleranz“, soweit diese erforderlich sind, einholen. Damit soll nach europäischem Vorbild dem Berater ermöglicht werden „[…] dem Kunden ein Finanzinstrument oder eine Wertpapierdienstleistung empfehlen zu können, das oder die für ihn geeignet ist und insbesondere seiner Risikotoleranz und seiner Fähigkeit, 122 123 124 125 126

Balzer, ZBB 2016, 226, 232; Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 262; Kurz, DB 2014, 1182. Vgl. Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264. Kritisch Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264. Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264. § 55 Abs. 10 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG.

B. Deutsche Regelung

303

Verluste zu tragen, entspricht“. S. 2 betont, dass nur für den Kunden geeignete Produkte empfohlen werden dürfen. S. 4 entspricht Art. 24 Abs. 2 UA 2 MiFID II und statuiert, dass die Anforderung der Geeignetheit auch für verbundene Produkte gilt. S. 3 verweist nun richtigerweise auf die weitergehenden Anforderungen der MiFID II-DLVO, anstatt die in S. 1 Nr. 1 – 3 statuierten Anforderungen erneut aufzuzählen (so noch § 57 Abs. 11 S. 2 WpHG-E RefE 1. FiMaNoG). 2. Die Geeignetheitserklärung (Suitability Report) Die Geeignetheitserklärung wird legal definiert als eine Erklärung über die Geeignetheit der Empfehlung, die dem Privatkunden auf einem dauerhaften Datenträger vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt wird. Sie wird künftig in § 64 Abs. 4 S. 1 WpHG-E geregelt. Die Geeignetheitserklärung soll die erbrachte Beratung benennen und erklären, „[…] wie sie auf die Präferenzen, Anlageziele und die sonstigen Merkmale des Kunden abgestimmt wurde“, § 64 Abs. 4 S. 2 WpHG-E. Begrifflich unterscheidet sie sich damit von dem vorherigen Beratungsprotokoll. Nach dessen Wortsinn erwartet der Anleger eine Wiedergabe dessen, was im mündlichen Beratungsgespräch besprochen wurde.127 Eine inhaltliche Veränderung ist damit jedoch nicht gemeint, da bereits gem. § 14 Abs. 6 WpDVerOV die Gründe, weshalb das Produkt für den Anleger geeignet ist, angegeben werden mussten. Nach Ansicht der befragten Experten, die sich mit der hier vertretenen Auffassung deckt, werden die europäischen Anforderungen bereits heute durch das Beratungsprotokoll erfüllt. Für weitere inhaltliche Anforderungen verweist S. 4 auf Art. 54 Abs. 12 MiFID IIDLVO. Gleichzeitig übernimmt der deutsche Gesetzgeber eins-zu-eins die Anforderungen für die Beratung mittels Fernkommunikation und streicht damit auch die Rücktrittsmöglichkeit bei fehlerhaften oder unvollständigen Beratungsprotokollen, § 64 Abs. 4 S. 4 WpHG-E. Zwar hat der Gesetzgeber den Wortlaut der Regelung im Laufe des Gesetzgebungsverfahren dahingehend verändert, dass dieser die Ausgabe der Geeignetheitserklärung nur an den Kauf oder Verkauf knüpft, jedoch statuiert die Gesetzesbegründung eine solche Pflicht auch für die Halteempfehlung.128 Hierzu wurde kritisiert, dass zum einen der Wortlaut über die europäischen Anforderungen hinausgehen würde129 und zum anderen, dass es überproportionale Kosten verursache, da 127

s. Engel, Interview v. 15. 03. 2017. Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/19036, S. 235. s. auch die ausdrückliche Erklärung der Bundesregierung als Erwiderung auf die Stellungnahme des Bundesrats (S. 9 f.), der fordert eine Geeignetheitserklärung auch dann ausdrücklich aufzunehmen, wenn nur eine Halteempfehlung bzw. wenn grds. eine aus der Anlegeberatung resultierende über Geschäfte mit bestimmten Finanzprodukten abgegebene Empfehlung vorliegt, Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/121290, S. 25 f. 129 DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 16; VAB, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 5 f. 128

304

6. Teil: Suitability

kein Geschäft anfalle, aber dennoch eine Geeignetheitserklärung abgegeben werden müsse.130 Dadurch könnten die WpDU verleitet werden, immer einen Kauf oder Verkauf zu empfehlen. Richtig ist, dass der Richtlinientext in Art. 25 Abs. 6 UA 2 MiFID II statuiert, dass dem Kunden die Geeignetheitserklärung vor der Durchführung des Geschäfts zur Verfügung gestellt werden soll. Die Ansicht, dass damit gemeint sei, dass der Suitability Report nur mit Bezug zu einem Geschäft erstellt und ausgehändigt werden soll,131 geht jedoch aus den bereits dargestellten Gründen fehl (s. 6. Teil A.II.1.a), 6. Teil A.III.1. und 6. Teil A.IV.). Mit der Formulierung „vor Vertragsschluss“ soll die Geeignetheitserklärung zeitlich vor jeder zivilrechtlichen Bindung zum Erwerb oder der Veräußerung eines Produkts abgegeben werden und nicht erst nach der Bindung vor Durchführung des Geschäfts.132 Damit wird der deutschen Trennung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft Rechnung getragen.133 Die Anlageberatung endet aber, wie ESMA in ihren Q&As richtigerweise feststellt, nicht mit dem Kauf oder Verkauf, sondern vor Geschäftsdurchführung. Zuzugeben ist, dass der Bezug des deutschen Gesetzgebers auf den ErwG. 87 MiFID II-DLRL, der sich auf die inhaltlichen Anforderungen des Art. 25 Abs. 2 MiFID II bezieht und hierfür auch die Geeignetheit einer Halteentscheidung bestimmt, nicht ohne weitere Erläuterung stimmig ist.134 Aus diesem geht jedoch hervor, dass für die Halteempfehlung eine Geeignetheitserklärung vorzunehmen ist. Außerdem erschließt sich das Argument, warum die Austeilung von dieser überproportionale Kosten verursacht, nicht. Schließlich besteht der Mehrauffand ausschließlich darin, die ohnehin computerunterstützt durchgeführte Geeignetheitsprüfung zusammenzufassen und entsprechende Freifelder zu ergänzen. Der Berater fertigt zu jedem Beratungsgespräch bereits währenddessen und vorsorglich ein solches an.135 Zudem begründet es einen Verstoß gegen die Beratung im Interesse des Kunden, sich von einem vermeintlichen überproportionalen Aufwand abhalten zu lassen, eine Halteempfehlung auszusprechen und kann daher nicht ernsthaft diskutiert werden. Zumal die Vorgehensweise, bei Halteempfehlungen eine Geeignetheitsprüfung vorzunehmen und ein Beratungsprotokoll auszustellen, gängige Verwaltungspraxis der BaFin ist, vgl. BT 7.1 Nr. 3 MaComp. Darüber hinaus muss die Halteentscheidung genauso geeignet sein und entsprechend nachgewiesen werden können, da diese ebenso schwerwiegende Folgen haben kann wie der Kauf 130

VAB, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 5 f. So bspw. Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264. 132 Stellungnahme Bundesregierung, BT-Drs. 18/11290, S. 15. 133 Vgl. Poelzig, Stellungnahme zum Entwurf des 2. FiMaNoG im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 7. 134 DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 16; dies., Erste Bewertung Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 16. 135 Lingen, Anlageberatung im Spannungsfeld zwischen Verbraucherschutz und Überregulierung, 150. 131

B. Deutsche Regelung

305

eines nicht geeigneten Produkts oder der zu frühe Verkauf eines Produkts. Die Auffassung des deutschen Gesetzgebers ist daher zu begrüßen. § 64 Abs. 8 WpHG-E136 konkretisiert die regelmäßige Berichtspflicht dahingehend, dass diese „[…] eine Erklärung darüber enthalten, wie die Anlage den Präferenzen, den Anlagezielen und den sonstigen Merkmalen des Kunden entspricht“, wenn der Berater den Kunden dahingehend informiert hat, dass er die Geeignetheit des Finanzprodukts fortlaufend überprüft. Die Informationspflicht, ob eine regelmäßige Eignungsbeurteilung vorgenommen wird, hat der Gesetzgeber in § 64 Abs. 1 Nr. 3 WpHG-E wörtlich umgesetzt. 3. Kritik an der Umsetzung Der Gesetzgeber ist deutlich um eine Eins-zu-eins-Umsetzung bemüht und will den WpDU keine nationalen Sonderanforderungen auferlegen. So streicht er das Rücktrittsrecht des Anlegers bei fehlerhaftem oder unvollständigem Protokoll in der telefonischen Beratung und die Unterschrift des Beraters. Zugleich wurden die Anforderungen des Beratungsprotokolls vollständig durch die der Geeignetheitserklärung ersetzt.137 Folglich gibt der Gesetzgeber damit auch seine aktuellen strengeren Regelungen auf. Diese Anpassungen sind richtig, da die MiFID II in diesem Falle keine Öffnungsklausel für strengere nationale Regelungen vorsieht. a) Keine zivilrechtlichen Regelungen Bemerkenswert ist, dass der Gesetzgeber auch im Zuge der MiFID II keine zivilrechtlichen Anforderungen für die Beratung schaffen will, aber für den Zeitpunkt der Aushändigung der Geeignetheitserklärung abweichend von dem ansonsten übernommenen Richtlinienwortlaut an den Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags knüpft.138 Dies zeigt sich vor allem in dem Vergleich zum Wortlaut des § 55 Abs. 11 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG, welcher gemäß der Richtlinien an den Zeitpunkt „vor Ausführung des Geschäfts“ anknüpfte. b) Geringere Intensität der Erläuterung der Geeignetheitsprüfung? Wie hier vertreten, geht auch der Gesetzgeber von keiner Veränderung des Beratungsablaufs in der Bankenpraxis durch die Ersetzung des Beratungsprotokolls mit der Geeignetheitserklärung aus. So weist er explizit darauf hin, dass eine Wort136

§ 55 Abs. 11 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG; § 55 Abs. 12 WpHG-E RefE 1. FiMaNoG. Erklärung zum Erfüllungsaufwand, RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 4; Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/19036, S. 193 f., 235; Begr. RefE 2. FiMaNoG, S. 266 (s. Fn. 36). 138 Zum Anknüpfungspunkt DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 15. 137

306

6. Teil: Suitability

lautanpassung (nur) deshalb notwendig war, weil sich die Anforderung zur Einholung der Kundeninformation anstatt aus Art. 35 Abs. 1 der MiFID I-DRL nun aus der MiFID II selbst ergeben.139 Zugleich erklärt er, dass sich die Regelungen zur inhaltlichen Bestimmung der Informationen aus § 34 Abs. 4 WpHG (bzw. aus der daraus resultierenden WpDVerOV) nun direkt aus Art. 54 MiFID II-DLVO ergeben. Durch diese Erklärung eröffnet auch die unterschiedliche Formulierungen in der aktuellen Gesetzesfassung (WpHG) und die des 2. FiMaNoG keine andere Betrachtung. So formuliert § 31 Abs. 4 S. 2 WpHG, dass die Geeignetheit des Produkts danach bestimmt wird, ob das Geschäft den Anlagezielen des Kunden entspricht. Der künftige § 64 Abs. 4 S. 2 WpHG-E, legt hingegen fest, dass die Geeignetheitserklärung erläutern muss, wie die Beratung auf die Präferenzen, Anlageziele und sonstige Merkmale des Kunden abgestimmt wurde. Eine Abschwächung der Anforderungen durch die neue Begrifflichkeit der Abstimmung ist ausdrücklich aufgrund der Gesetzesbegründung nicht erfolgt.140 Eine Irritation der WpDU durch diese Wortwahl scheitert zudem daran, dass auch die MiFID II-DLVO in Art. 54 Abs. 2 S. 2 lit. a) vorgibt, dass die WpDU die Informationen einholen, die sie benötigen, um nach vernünftigen Ermessen davon auszugehen können, dass die empfohlene Anlage den Anlagezielen des Kunden entspricht. Damit übernimmt Art. 54 MiFID II-DLVO die inhaltlichen Anforderungen des § 31 Abs. 4 S. 2 WpHG. Hingegen geht § 64 Abs. 4 S. 2 WpHG-E nicht auf die inhaltlichen Anforderungen der Geeignetheitsprüfung ein, sondern auf die der Erklärung. Eine Anpassung des Wortlautes ist daher nicht zwingend geboten.141 c) Genauer Aushändigungszeitpunkt des Protokolls Aus deutscher Sicht enthalten die neuen Regelungen Erleichterungen für die WpDU, indem die Zeit zur Übergabe der Geeignetheitserklärung von „unverzüglich nach Abschluss der Anlageberatung“ auf „vor Vertragsschluss“ geändert wird.142 Dies zeigt auch der Vergleich mit der Regelung zum Geschäftsabschluss mittels Fernkommunikation. Bei diesem soll die Aushändigung „unmittelbar“ nach vertraglicher Bindung erfolgen. Die Anforderung „unmittelbar“ ist gleich zu setzen mit der Anforderung der unverzüglichen Aushändigung, da die spätere Aushändigung der Geeignetheitserklärung nur dann möglich ist, wenn der unverzüglichen Zusen139 Begr. RefE 2. FiMaNoG, S. 308 (s. Fn. 36); Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/ 19036, S. 235. 140 A.A. DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 17 f.; dies., Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 18 f.; dies., Erste Bewertung Regierungsentwurf 2. FiMaNoG; offen lassend Mattil & Kollegen, Stellungnahme 2. FiMaNoG, S. 7. 141 A.A. DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 17 f.; dies., Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 18 f.; dies., Erste Bewertung Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 17. 142 Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264; DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 17.

B. Deutsche Regelung

307

dung nach Abschluss des Vertrags durch den Anleger zugestimmt wurde (lit. a)).143 Jedoch muss bei der Auslegung vor Vertragsschluss zugleich die Anforderung der MiFID II-DLVO berücksichtigt werden, die verlangt, dass die Aushändigung des Berichts „bei Vornahme einer Anlageberatung“ erfolgt. Es muss also trotz der Formulierung „vor Vertragsschluss“ ein direkter zeitlicher Zusammenhang zur Anlageberatung bestehen (6. Teil A.III.1.). Es ist daher den WpDU zu empfehlen, nicht wesentlich von ihrer bisherigen Aushändigungspraxis abzuweichen. Nicht zuletzt auch als Schutz vor Behauptungen, dass Protokoll sei nachträglich durch den Berater verfälscht worden.144 d) Aufhebung des Rücktrittsrechts Weiterhin ist auch die Aufhebung des Rücktrittsrechts aus Anlegersicht ein Rückschritt für dessen Schutz,145 birgt jedoch mehr Rechtssicherheit für die WpDU, da diese nicht mehr mit einem solchen rechnen müssen und damit nicht mehr für eventuell in der Zwischenzeit entstandene Kursschwankungen einstehen müssen.146 Zugleich wird seitens der Verbände gelobt, dass dadurch die bisherigen Unsicherheiten zur Rücktrittslösung aufgehoben und eine unbürokratische Beratung ermöglicht werde.147 Allerdings dürfte es sich hierbei um wenige Fälle handeln, da das Rücktrittsrecht nur bei fehlerhaften oder unvollständigen Berichten ausgeübt werden durfte. Damit überwiegt die Herabsetzung des Anlegerschutzes den positiven Effekt für die WpDU; ist jedoch konsequent zur Vereinheitlichung der europäischen Dokumentationspflichten. Dies scheint auch der deutsche Gesetzgeber festgestellt zu haben, indem er in der Begründung der Entwürfe explizit betont, dass entsprechende Schutzmechanismen durch die WpDU eingeführt werden müssen, die sicherstellen, „[…] dass dem Kunden keine Verluste daraus entstehen, dass in der Erklärung die persönliche Empfehlung unzutreffend oder unfair dargestellt wird […]“148. e) Keine Einführung einer Beweislastumkehr Indem die WpDU eigenständige Schutzmechanismen für fehlerhafte und unvollständige Beratungsprotokolle aufstellen sollen, führt weder der europäische noch

143

A.A. wohl DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 15 f. Unter anderem aus diesem Grund die bisherige Regelung zur unverzügliche Herausgabe des Beratungsprotokolls befürwortend, Mattil & Kollegen, Stellungnahme 2. FiMaNoG, S. 6 f. 145 So ebenfalls vzbv, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 14, die jedoch verkennen, dass der deutsche Gesetzgeber nicht ohne Weiteres das Rücktrittsrecht als nationale Sondervorschrift wieder aufnehmen kann. 146 Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 264. 147 DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 17. 148 Begr. RegE 2. FiMaNoG, BT-Drs. 18/10936, S. 235. 144

308

6. Teil: Suitability

der deutsche Gesetzgeber eine Beweislastumkehr für die Geeignetheitserklärung ein.149 Dabei wird bereits heute die anlegerschützende Wirkung des Beratungsprotokolls aufgrund seiner Länge, der Vielzahl an Informationen und der oft fehlerhaften bzw. unvollständigen Ausfüllung bezweifelt.150 aa) Aufhebung des information overloads durch Standardisierung? Tatsächlich besteht das heutige Beratungsprotokoll aus einer Vielzahl von Seiten und wird durch die Ersetzung mit der Geeignetheitserklärung nicht wesentlich gekürzt151 – ggf. sogar verlängert, wenn durch die Ermächtigung in § 64 Abs. 10 WpHG-E noch detaillierte Anforderungen erlassen werden. Bereits heute kann der Kunde aufgrund des information overload das Beratungsprotokoll nicht vor der Ausführung des Geschäfts durchlesen und verstehen. Eine Standardisierung, so wie bspw. vom Bundesrat in seiner Stellungnahme gefordert wurde,152 würde zwar das Protokoll verkürzen und dieses ggf. für den Verbraucher vergleichbarer machen. Jedoch kann dies nur mit den europäischen Vorgaben einheitlich stattfinden, die grds. keine solchen Standards vorsehen.153 Damit könnten nur in allgemein übergeordneten Kategorien solche Standardisierungen stattfinden.154 Eine Verkürzung oder bessere Verständlichkeit wird damit allgemein nicht erreicht werden können.155 Vielmehr besteht auch die Gefahr, dass durch eine Standardisierung nur noch einzelne Punkte blind abgehakt werden, ohne diese tatsächlich tiefgreifend zu erörtern.156 Dies ist bereits aktuell der Fall,157 sodass durch eine gesetzlich vorgesehene Standardisierung diesem Verhalten noch Vorschub geleistet würde. Zudem ist es 149 Zur aktuellen Beweislastsituation ausf. statt vieler Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 202, 204 ff.; Schulz, Der telefonische Vertrieb von Finanzinstrumenten, 175 ff., 182 ff. m.w.N. 150 Ausf. zur anlegerschützenden Funktion Freitag, ZBB 2016, 1, 7 ff. m.w.N. 151 Den Umfang des bisherigen Beratungsprotokolls als zu umfassend und nachteilig für den Anleger bewertend DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 17. 152 Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 18/11290, S. 6 f.; dem zustimmend DSW, Stellungnahme zum 2. FiMaNoG, S. 9 f.; erneut vorschlagend, DIE LINKE, Entschließungsantrag vom 29. 03. 2017, BT-Drs. 18/11788, S. 3 Nr. 3; vzbv, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 12. 153 Stellungnahme Bundesregierung, BT-Drs. 18/12290, S. 16; s. auch zu den Zulässigkeitsgrenzen der Standardisierung Klein, Die Beratungsprotokollpflicht im System des europarechtlich determinierten Anlegerschutzes, 323 ff. 154 Grds. deshalb jede Form der Standardisierung als strengere Regelung ablehnend und nur unverbindliche Musterstandardisierung zulassend Poelzig, Stellungnahme zum Entwurf des 2. FiMaNoG im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses, S. 7 f. 155 s. dazu Einsele, ZRP 2014, 190, 192. 156 Die Standardisierung zwar grds. befürwortend, aber das „tick the box“-Problem ebenfalls sehend DSW, Stellungnahme zum 2. FiMaNoG, S. 9 f. 157 Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 34 Rn. 15.

B. Deutsche Regelung

309

gerade der Zweck der Geeignetheitserklärung, dem Kunden individuell die Gründe darzulegen, weshalb ihm ein bestimmtes Produkt empfohlen wurde und wieso dieses zu seine Bedürfnisse passt.158 Dies ist nur mittels Freifeld, welches der Berater für jeden Kunden individuell ausfüllen muss, darzustellen. Indem das Protokoll künftig als Geeignetheitserklärung benannt wird, wird dem Kunden zusätzlich suggeriert, das Produkt sei geeignet, sodass er noch weniger die Wichtigkeit der Geeignetheitserklärung zur Überprüfung des Beratungsgesprächs erkennt.159 bb) Das Beratungsprotokoll als Beweismittel im Prozess Eine anlegerschützende Wirkung hätte die Geeignetheitserklärung jedoch als Beweismittel im Prozess erhalten können. Die Sanktionierung in Form der Ordnungswidrigkeit i.S.d. § 39 Abs. 2 Nr. 19a-c WpHG bzw. künftig gem. § 120 Abs. 8 Nr. 41, Abs. 20 WpHG-E, auch wenn für diese in Umsetzung des Art. 70 Abs. 3 lit. a) xi), Abs. 6 MiFID II nun eine Geldbuße bis zu 5 Millionen Euro möglich ist, ist nicht effektiv. Zudem ist die Ausreizung des neuen Bußgelds nicht zu erwarten. Für das Beratungsprotokoll wird die Nützlichkeit für den Anleger bezweifelt,160 da das WpDU nicht verpflichtet ist, die Richtigkeit und Vollständigkeit des Protokolls zu beweisen. Hiervon besteht nur die Ausnahme bei der Geltendmachung des Rücktrittsrechts im Rahmen der Fernkommunikation. Das WpDU kann sich vielmehr darauf berufen, dass das Protokoll falsch ist.161 Der Anleger kann sich hingegen nur auf Beratungsfehler, die sich unmittelbar aus dem Protokoll ergeben, stützen. Er muss die Richtigkeit des Protokolls beweisen.162 Hierfür entfaltet das Protokoll lediglich Indizwirkung.163 Gleichzeitigt besteht das Problem, dass vielfach die Beratungsprotokolle in der Vergangenheit falsch ausgefüllt und entsprechende Angaben nur oberflächlich eingetragen wurden.164 Zum Teil wurden Protokolle gar nicht ausgehändigt.165 Dies 158 Stellungnahme Bundesregierung, BT-Drs. 18/12290, S. 26; s. zu vorherigen Standardisierungsbemühungen des Bundesrats bereits Klein, Die Beratungsprotokollpflicht im System des europarechtlich determinierten Anlegerschutzes, 317 ff. 159 Mattil & Kollegen, Stellungnahme 2. FiMaNoG, S. 7. 160 So bereits Koller, FS Schneider, 651, 666; Maier, VuR 2011, 3, 11. 161 A.A. Maier, VuR 2011, 3, 7. 162 Koller, FS Schneider, 651, 666; ders., in: Assmann/Schneider, WpHG, § 34 Rn. 32. 163 Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 34 Rn. 32; Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 202. 164 vzbv, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG, S. 14 f.; Einsele, ZRP 2014, 190; s. hierzu Ortmann/Tutone, Evaluierung der Beratungsdokumentation im Geldanlage- und Versicherungsbereich, Studie des Instituts für Transparenz GmbH (ITA), v. 18. 02. 2014, S. 13; s. auch Klein, Die Beratungsprotokollpflicht im System des europarechtlich determinierten Anlegerschutzes, 292 ff. 165 Stiftung Warentest, Nur 3 von 23 Banken beraten gut, Finanztest 2/2016, 32, 34.

310

6. Teil: Suitability

kann damit erklärt werden, dass die Berater ungerne Dinge aufnehmen, die ihnen nachträglich eine falsche Beratung nachweisen.166 Auf der anderen Seite sind die Anforderungen der inhaltlichen Bestimmung sehr detailliert, lassen aber weiterhin einen großen Interpretationsspielraum zu. Es wäre daher – wie bereits vom Bundesrat zur Einführung des Beratungsprotokolls für formelle Mängel gefordert167 – eine effektive Gestaltungsmöglichkeit, den WpDU eine Beweislast für die fehlerfreie Beratung für den Fall aufzuerlegen, dass das Beratungsprotokoll unvollständig, nicht oder nicht rechtzeitig erstellt wurde. Es ist gerade der Berater, der sich dezidiert mit den Bedürfnissen und Wünschen des Kunden auseinandergesetzt hat und die einzelnen Finanzprodukte hinsichtlich der Geeignetheit für den jeweiligen Kunden untersucht und anschließend dem Kunden das seiner Ansicht nach am besten geeignete Produkt empfohlen hat.168 Dies gilt auch unabhängig von der Beratungsform. Die Überlegungen, die der Berater zum Zeitpunkt der Empfehlung gemacht hat, lassen sich somit nachweisen.169 Zwar kann die Beratung schon längere Zeit zurückliegen, sodass sich der Berater nachvollziehbarerweise nicht an das einzelne Gespräch erinnert, aber diesem Problem stehen auch andere Dienstleister gegenüber, die die Möglichkeit von Gesprächs- bzw. Aktennotizen170 nutzen. Auf diese Weise ließen sich die teilweise befremdlich anmutenden Aussagen, dass sich der Berater nicht an das einzelne Gespräch erinnere, aber daran, dass er grds. ordnungsgemäß berate, vermeiden.171 Würde der Berater die Beweislast für den Fall tragen, dass das Beratungsprotokoll lückenhaft, nicht oder nicht rechtzeitig erstellt worden ist, so wäre zugleich die Problematik der vernachlässigten Dokumentationspflichten aufgehoben. Das WpDU hätte einen zusätzlichen Anreiz diese ordentlich zu führen.172 Darüber hinaus bräuchte es nicht noch detaillierte Regelungen über den Protokollinhalt und dessen Auslegung, da die WpDU aus Eigeninteresse dezidierte interne Leitlinien darüber erstellen würden.173 Das Argument gegen die hier vorgeschlagene Beweislastverteilung, dass dadurch ein noch größerer Aufwand für den Berater entstehe, da dieser mehr Informationen 166

Vgl. Maier, VuR 2011, 3, 7; Klein, Die Beratungsprotokollpflicht im System des europarechtlich determinierten Anlegerschutzes, 411. 167 Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 16/12814, S. 32. Diese Forderung hat er unter Verweis auf die bestehenden Defizite der Dokumentation im Rahmen des Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz wiederholt, Stellungnahme Bundesrat, BT-Drs. 17/3628, S. 35. 168 Vgl. Siewert, Interview v. 28. 09. 2016. 169 Siewert, Interview v. 28. 09. 2016; so spricht auch Einsele, ZRP 2014, 190, 192 von der Sachnähe des Beraters zur Problemlösung als Vorteil – beide gehen jedoch von einer grds. Beweislastumkehr zu Lasten des Beraters aus. 170 Feck, Interview v. 09. 01. 2017. 171 s. Feck, Interview v. 09. 01. 2017 zu den Lehman-Prozessen. 172 Einsele, ZRP 2014, 190, 191 f. 173 I. E. Einsele, ZRP 2014, 190, 191 f.

B. Deutsche Regelung

311

erfragen müsste und dies abschreckend auf den Kunden wirken könne,174 verwundert. Aus diesem ergibt sich letztlich nur das Eingeständnis, dass zwar viele Anforderungen gesetzlich reglementiert sind, aber offensichtlich nicht genauestens umgesetzt werden, um wirklich die ordnungsgemäße Beratung nachweisen zu können. Oder die gesetzlichen Regelungen sind nicht ausreichend. Zugleich wird von dem Kunden der Nachweis der fehlerhaften Beratung auf der Grundlage des Beratungsprotokolls verlangt, da er keine weiteren Beweismittel zur Verfügung hat – es sei denn er tritt seinen Anspruch ab und lässt sich selbst als Zeuge vernehmen.175 Das Argument, welches die Bundesregierung gegen diese Beweislastumkehr angebracht hat, greift darüber hinaus nicht mehr. Nach deren Ansicht sollten die Folgen der unrichtigen oder unvollständigen Dokumentationspflichten, wie die für die Patientendokumentation der Ärzte, durch die Rechtsprechung ausgestaltet werden.176 Eine gesetzliche Regelung bräuchte es aufgrund der allgemeinen Beweislastregelungen nicht.177 Unabhängig davon, ob man die Dokumentationspflichten als vergleichbar betrachtet,178 ist hier nur anzumerken, dass der Gesetzgeber mittlerweile den Behandlungsvertrag und die dazugehörigen Dokumentationspflichten zivilrechtlich – nach der Ansicht der Rechtsprechung – reglementiert hat.179 Eine solche Regelung hätte sich nun auch für den Anlageberatungsvertrag und dessen Dokumentationspflichten angeboten. Dies wäre auch im Zuge der MiFID II möglich gewesen, da diese, wie bereits festgestellt, keine Anforderungen an das Zivilrecht stellt (s. 1. Teil F.I.).180 Grds. sind nationale Sonderregelungen auch bei Verankerung im Zivilrecht für die einheitlichen europäischen Regelungen abträglich, jedoch verweist ErwG. 82 MiFID II ausdrücklich auf Schutzmechanismen, die verhindern, dass der Kunde aus fehlerhaften oder unvollständigen Beratungsprotokollen Verluste erleidet. Tatsächlich verweist der deutsche Gesetzgeber auf diesen, schafft aber parallel bestehende Schutzmechanismen ab. Mit der Beweislastumkehr hätte er hingegen den Anleger im Prozess gestärkt und zugleich das Eigeninteresse der WpDU an vollständigen und fehlerfreien Dokumentationen. Eine vollständige Beweislastumkehr in der Form, dass der Berater die Fehlerfreiheit seiner Beratung nachweisen muss, ist weiterhin als zu weitgehend abzulehnen, da diese den Berater unter Generalverdacht stellt und den Anlegern, die ausschließlich „Reuegeld“ aufgrund von Verlusten geltend machen wollen, Vorschub leistet. Außerdem würde das Haftungsrisiko der Banken erhöht, welches in Zu174 Ortmann/Tutone, Evaluierung der Beratungsdokumentation im Geldanlage- und Versicherungsbereich, Studie des Instituts für Transparenz GmbH (ITA), v. 18. 02. 2014, S. 310 f. 175 Ähnlich Einsele, ZRP 2014, 190, 192; Freitag, ZBB 2016, 1, 4. 176 Stellungnahme Bundesregierung, BT-Drs. 16/12814, S. 36; BT-Drs. 17/3803, S. 2. 177 Stellungnahme Bundesregierung, BT-Drs. 16/12814, S. 36; BT-Drs. 17/3803, S. 2. 178 Ablehnend Maier, VuR 2011, 3, 9. 179 Ausf. Freitag, ZBB 2016, 1, 8 f. 180 I. E. Einsele, ZRP 2014, 190, 191.

312

6. Teil: Suitability

sammenschau mit den steigenden Anforderungen letztlich zur Einschränkung des Beratungsangebots führen würde. 4. Fazit zur Umsetzung Indem der Bundestag und der Bundesrat, die vom Finanzausschuss eingereichte Beschlussempfehlung, die keine Änderungen der hier vorgestellten Regelungen des RegE 2. FiMaNoG vorsieht, beschlossen und als 2. FiMaNoG am 23. 06. 2017 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht haben, bleiben die zuvor thematisierten Kritikpunkte unberücksichtigt. Der Gesetzgeber geht damit weiterhin von übereinstimmenden Anforderungen der Geeignetheitserklärung und dem vorherigen Beratungsprotokoll aus. Wie gezeigt, orientieren sich die europäischen Vorschriften an den deutschen, bleiben jedoch teilweise hinter diesen zurück. Damit muss die Aussage des Gesetzgebers eigentlich dahin umgedeutet werden, dass keine besonderen Änderungen durch die neuen Regelungen entstehen.181 Eine Anpassung der Prozesse seitens der WpDU muss nämlich durchaus vorgenommen werden. Schwerwiegende Änderungen oder gar die gefürchtete, aufoktroyierte Nachprüfungspflicht bleiben jedoch aus.

C. Die Anforderungen an die Geeignetheitsprüfung und deren Dokumentation in Großbritannien Nach den Ausführungen der CESR (s. 5. Teil A.II.) ist es naheliegend, dass in den anderen europäischen Mitgliedstaaten keine derart ausdifferenzierten Regelungen zur Beratungsdokumentation existieren, wie bislang im deutschen Recht.182

I. Der Suitability Test Allerdings besteht im britischen Recht bereits seit 1988 die Anforderung, dass nur suitable investments empfohlen werden dürfen.183 Das Erfüllen dieser Anforderung muss so dann aber auch nachgewiesen und dafür dokumentiert werden. Der Financial Service Act 1986 in Sec. 48(2)(k), welche durch die FSA Principles konkretisiert wurde, enthielt eine allgemeine Dokumentationsvorschrift, dahinge181 I. E. Lingen, Anlageberatung im Spannungsfeld zwischen Verbraucherschutz und Überregulierung, 148 f. 182 I. E. Klein, Die Beratungsprotokollpflicht im System des europarechtlich determinierten Anlegerschutzes, 154. 183 Financial Ombudsman Service, assessing the suitability of investments. s. allgemein zur Entwicklung der Dokumentationspflichten Staud, Die Bedeutung der Dokumentationspflichten bei Wertpapiergeschäften, 181 f.

C. Geeignetheitsprüfung und deren Dokumentation in Großbritannien

313

hend, dass ein WpDU seine internen Geschäftsabläufe dokumentieren muss.184 Die Core Rules von FSA statuierten ebenfalls an unterschiedlichen Stellen allgemeine Dokumentationsverpflichtungen gegenüber dem Kunden185 und gaben damit zugleich den Selbstverwaltungsorganisationen (SRO) einen Rahmen für eigenständige Regelungen vor. So erließ die Personal Investment Authority (PIA) in ihre Conduct of Business Rule 5.5.1 (2) i.V.m. Table 5 die Verpflichtung, Aufzeichnungen über die vom Kunden offenbarten Informationen hinsichtlich seiner persönlichen und finanziellen Verhältnisse, seiner Investitionen und anderen Vermögen sowie Anlagezielen und seiner Risikoeinstellung zu erfassen sowie nachzuweisen, dass die ausgesprochene Empfehlung aufgrund dieser Informationen für den Kunden geeignet ist.186 Nachdem 2001 FSA als Finanzbehörde eingeführt wurde, nahm diese die Geeignetheit (Suitability) in ihre Principles auf.187 Das FSA Handbook enthält seit dieser Zeit ebenfalls einheitliche Anforderungen zum Suitability Test.188 Auch diese sahen vor, dass die Empfehlung für den Privatkunden unter Berücksichtigung der Informationen, die dieser offen gelegt hat und weiteren wichtigen Faktoren, die das WpDU kennt oder kennen müsste, geeignet (suitable) ist.189 Durch die neuen (Suitability-)Anforderungen der MiFID I und den gleichzeitig anstehenden grundlegenden Änderungen des nationalen Regelwerkes (Ende der polarisation), entschied FSA ihre bisherigen Anforderungen zu überarbeiten und die neuen Anforderungen der MiFID I als Kernregelungen zu etablieren. Dabei ging FSA jedoch deutlich über den Anwendungsbereich der MiFID I hinaus, indem ab dem 1. November 2007 sowohl Produkte (bspw. Lebensversicherungen und Pensionen) als auch Firmen, die nicht unter den Anwendungsbereich der MiFID I-Regelungen fielen, erfasst wurden.190 Alle Firmen, die Beratung oder Vermögensverwaltung erbrachten und in den Anwendungsbereich des FSA Handbook, COBS fallen, mussten den Suitability Test durchführen. 184 185

188 f. 186

Staud, Die Bedeutung der Dokumentationspflichten im Wertpapiergeschäft, 186 ff. s. ausf. Staud, Die Bedeutung der Dokumentationspflichten im Wertpapiergeschäft,

Staud, Die Bedeutung der Dokumentationspflichten im Wertpapiergeschäft, 191. Principle 9: „A Firm must take reasonable care to ensure the suitability of ist advice and discretionary decisions for any customer who ist entitled to rely upon ist judgement.“, FCA, Handbook, PRIN 2.1.1.R. s. auch bereits zum Principle 9 der SIB als Vorgängerbehörde, welches eine allgemeine Dokumentationspflicht statuierte, Staud, Die Bedeutung der Dokumentationspflichten bei Wertpapiergeschäften, 188. 188 Practical Law Financial Service, FCA Suitability Requirements: COBS 9, practice note. 189 FCA, Handbook, COBS 5.3.5.R in der Fassung vom 01. 12. 2001 bis 30. 10. 2007: „A firm must take reasonable steps to ensure that it does not in the course of designated investment service: (a) make any personal recommendation to a private customer to buy or sell a designated investment; unless the recommendation or transaction is suitable for the private customer having regard to the facts disclosed by him and other relevant facts about the private customer of which the firm is, or reasonably shoul be, abware.“ 190 Practical Law Financial Service, FCA Suitability Requirements: COBS 9, practice note. 187

314

6. Teil: Suitability

Aufgrund des Suitability Tests muss die persönliche Empfehlung für den Kunden geeignet sein. Dafür müssen im Vorfeld Informationen über die Kenntnisse des Kunden und seine Erfahrungen im Bereich der Finanzanlagen und hinsichtlich des spezifischen Produkts, über seine finanzielle Situation und über Investitionsobjekte eingeholt und bei der Empfehlung berücksichtigt werden.191 Damit entspricht diese Regelung einer Eins-zu-eins-Umsetzung der MiFID I Vorgaben192 und enthält ebenfalls die bekannte Dreiteilung der einzuholenden Informationen. Auch die weiteren MiFID I-Vorgaben, so bspw. hinsichtlich der Sicherstellung des Erhalts der notwendigen Informationen, zur Beurteilung der Anlageziele, der Tragfähigkeit der finanziellen Risiken sowie Kenntnisse und Erfahrungen, wurden umgesetzt. Die einzuholenden Informationen richten sich zudem flexibel nach der Art der Transaktion und den Vorkenntnissen des Kunden.193 Gleiches gilt für die Erfragung der finanziellen Situation des Kunden durch Informationen über die Quelle und Existenz seines regulären Einkommens, über sein Vermögen insb. hinsichtlich des liquiden Vermögens und Immobilien sowie finanzielle Verpflichtungen.194 Auf die vom Kunden eingeholten Informationen darf sich das WpDU verlassen, es sei denn die Informationen sind veraltet oder unvollständig.195 Auch darf das WpDU dem Kunden keine Empfehlung aussprechen, wenn dieses nicht vorab die entsprechenden Informationen zur Bewertung erhält.196 Bereits im Jahre 2011 hat FSA in Form einer Guideline das Merkmal des Risikos, welches der Kunde bereit ist zu tragen und tatsächlich finanziell tragen kann, auf dessen Fehleranfälligkeit untersucht.197 So zeigt sie in der Guideline besondere Fehlerquellen auf und gibt Beispiele für good und poor practice. Stützt sich bspw. ein WpDU bei der Risikoanalyse nicht ausschließlich auf computergestützte Programme und kontrolliert diese regelmäßig auf Abweichungen und analysiert diese, so liegt eine good pratice vor.198 Auch die Nutzung unterschiedlicher Prozesse zur Bestimmung der Risikoakzeptanz und der Fähigkeit Verluste zu tragen stellt eine solche dar.199 Gleichzeitig wurde die Einschätzung der Risikoakzeptanz anhand einer Skala von 1 bis 10 durch FSA als schlecht bewertet, da diese nur eine subjektive Ein-

191

Hudson, The Law of Finance, Rn. 10 – 46. Practical Law Financial Service, FCA Suitability Requirements: COBS 9, practice note. 193 FCA, Handbook, COBS 9.2.2.R.(1); Practical Law Financial Service, FCA Suitability Requirements: COBS 9, practice note; Hudson, The Law of Finance, Rn. 10 – 46. 194 FCA, Handbook, COBS 9.2.2.R.(3). 195 Hudson, The Law of Finance, Rn. 10 – 46. 196 FCA, Handbook, COBS 9.2.6.R. 197 FSA, Assessing suitability: Establishing the risk a customer is willing and able to take and making a suitable investment selection – finalised guidance. 198 FSA, Assessing suitability: Establishing the risk a customer is willing and able to take and making a suitable investment selection – finalised guidance, S. 11 Rn. 3.13. 199 FSA, Assessing suitability: Establishing the risk a customer is willing and able to take and making a suitable investment selection – finalised guidance, S. 12 Rn. 3.15. 192

C. Geeignetheitsprüfung und deren Dokumentation in Großbritannien

315

schätzung ohne Anhaltspunkte für die Einschätzung beinhalte.200 Damit hat FSA schon früh ein Augenmerk auf die nun auf europäischer Ebene betonten Merkmale gelegt. FCA übernahm nach ihrer Etablierung im Jahr 2013 die von FSA eingeführten Suitability-Anforderungen in ihrem Handbuch in COBS 9.2.1.R. ff. und ergänzte diese in 2016. Grds. muss auch nach der britischen Regelung nur für Privatkunden die Geeignetheitsprüfung durchgeführt werden, es sei denn es werden Lebensversicherungen empfohlen. Da bereits die MiFID I – Regelungen entsprechend umgesetzt wurden und FCA keine weitergehenden Regelungen einführen will, werden voraussichtlich auch nur die neuen Regelungen hinsichtlich Produktbündeln und periodischen Geeignetheitserklärungen der MiFID II sowie die neuen Regelungen aus der MiFID II-DLVO im Handbook aufgenommen werden.201

II. Der Suitability Report Die britische Geeignetheitsprüfung in Form des Suitability Test muss durch den sog. Suitability Report nachgewiesen werden. Im Glossary des FCA Handbook wird dieser als Bericht, der dem Kunden erläutert warum das WpDU zu der Auffassung gelangt ist, dass die empfohlene Transaktion für den Kunden geeignet ist, definiert. Dieser klingt damit nach dem Pendant der deutschen Anforderungen des Beratungsprotokolls, entpuppt sich jedoch noch nicht einmal als Äquivalent zum europäischen Geeignetheitsbericht. Denn dieser muss dem Kunden so schnell wie möglich (as soon as possible) nach der Transaktion überreicht werden – ausschließlich für Lebensversicherungen gilt hier die Anforderung diesen vor Vertragsschluss auszuhändigen.202 Sowohl die deutsche Regelung als auch die MiFID II fordern hingegen eine Aushändigung des Berichts vor Vertragsschluss bzw. Durchführung des Geschäftes, damit der Kunde seine Entscheidung darauf stützen kann. Eine Aushändigung auf einem dauerhaften Datenträger sieht das britische Recht, anders als auf europäischer und deutscher Ebene, auch nur für Lebensversicherungen vor.203 Grds. haben die Firmen die Wahl, wie sie den Suitability Report zur Verfügung stellen wollen. Er muss nicht als gesondertes Dokument ausgegeben werden, sondern kann auch in andere Informationen (bspw. im Finanzplan) integriert sein, wenn dieser an prominenter Stelle platziert wird.204

200

FSA, Assessing suitability: Establishing the risk a customer is willing and able to take and making a suitable investment selection – finalised guidance, S. 12 Rn. 3.16. 201 FCA, Markets in Financial Instruments Directive II Implementation – Consultation Paper III, CP 16/29, S. 64. 202 FCA, Handbook, COBS 9.4.4.R. 203 FCA, Handbook, COBS 9.4.5.R. 204 Practical Law Financial Service, FCA Suitability Requirements: COBS 9, practice note.

316

6. Teil: Suitability

Besondere Anforderungen für den Suitability Report bei telefonischer Order gelten ebenfalls nur für Lebensversicherungen;205 ein Rücktrittsrecht wie auf deutscher Ebene wird darüber hinaus auch hier nicht genannt. An die europäische Regelung erinnert die Anforderung an den Inhalt des Suitability Reports, die statuiert, dass in Abhängigkeit der Komplexität der Transaktion im Suitability Report alle Wünsche und Bedürfnisse des Kunden aufgenommen werden müssen. Zusätzlich enthält dieser eine Erklärung warum das WpDU zu der Auffassung gelangt ist, dass das empfohlene Produkt unter Berücksichtigung der eingeholten Informationen geeignet ist und eine Erklärung über mögliche Nachteile (Risiken), die dem Kunden durch die Transaktion entstehen können.206

III. Die aktuelle Entwicklung 2015 hat FCA eine Befragung der WpDU207 sowie im Jahr 2016 die FAMR durchgeführt, um wesentliche Aspekte des Suitability Reports neu zu strukturieren. Dabei wurden sowohl Kunden hinsichtlich ihrer Erfahrung mit dem Suitability Report als auch WpDU und regulatorische Organe konsultiert. Bei der Befragung ergab sich, dass die wesentliche Beratungszeit für die Erstellung dieses Reports verwendet werde.208 Dabei entstünden zum einen Berichte, die weit über die Anforderungen hinausgingen, aber auch solche, die diese nicht erfüllen. Andererseits seien die Berichte oft unverständlich für den Kunden und deutlich zu lang. Aufgrund dessen legte die Association of Professional Financial Advisers (APFA) nach Gesprächen mit FCA, Financial Ombudsman Service und Personal Finance Society (PFS) einen Guidance vor, der den WpDU helfen soll die Anforderungen von FCA hinsichtlich eines klaren und strukturierten Suitability Reports zu verstehen.209 In ihrem Bericht aus April 2017 stellen HM Treasury und FCA fest, dass damit die vorgeschlagenen Änderungen aus FAMR 2016 vollständig umgesetzt wurden.210 Die neuen Regelungen hinsichtlich des Aushändigungszeitpunkts, des dauerhaften Mediums, der Sonderregelungen zur Aushändigung bei Telefongesprächen und die Anforderungen der periodischen Reports will FCA in COBS 9 A.3.2 R umsetzen.211 Es zeigt sich, dass eine Art Geeignetheitsprüfung bereits vor den Anforderungen der MiFID I, die vollständig von FSA umgesetzt wurden, etabliert war. Hingegen 205

FCA, Handbook, COBS 9.4.6.R. FCA, Handbook, COBS 9.4.8.R. und 9.4.9.R. 207 FCA, Discussion paper – Smarter consumer communications, DP15/5. 208 Practical Law Financial Service, FCA Suitability Requirements: COBS 9, practice note; FCA, Feedback Statement – Smarter consumer communication, FS16/10, S. 28. 209 AFPA, Smarter Communications and Suitability Reports – guidance note. 210 FCA/HM Treasury, Financial Advice Market review (FMAR) – Progress Report, S. 6. 211 FCA, Markets in Financial Instruments Directive II Implementation – Consultation Paper III, CP 16/29, S. 340. 206

D. Geeignetheitsprüfung und deren Dokumentation in den USA

317

sind die Dokumentationspflichten – wie zu erwarten war – nicht derart dezidiert, wie im deutschen Recht bzw. der nun vorliegenden Vorgaben der MiFID II.

D. Die Geeignetheitsprüfung und deren Dokumentation in den Vereinigten Staaten von Amerika Die Verpflichtung nur für den Kunden geeignete Anlageempfehlungen abzugeben ist auch im amerikanischen Recht verankert.

I. Die Regelungen für Investment Adviser So trifft den Investment Adviser nach Ansicht von SEC als sog. fiduciary die Pflicht nur Empfehlungen auszusprechen, die für den Kunden am besten geeignet sind.212 Hierfür muss er die finanziellen Verhältnisse des Kunden, seine Erfahrungen mit Kapitalanlagen und seine Anlageziele berücksichtigen.213 Dem Vorschlag214 von SEC, eine solche Regelung in den IAA aufzunehmen, wurde nicht nachgekommen, sodass die Geeignetheitsprüfung aus den existierenden Vorschriften als Verpflichtung mittelbar abgeleitet wird.215 Aufgrund der Ausgestaltung als fiduciary duty und der fehlenden gesetzlichen Normierung dieser, ist auch deren Dokumentation nicht ausdrücklich reglementiert. Den Investment Adviser trifft damit nur die Pflicht, Interessenkonflikte, die Risiken der Produkte sowie seine persönlichen Anlagestrategien durch die bereits angesprochene brochure rule (Sec. 204 – 3 IAA, s. oben 2. Teil D.II.) offenzulegen. Diese Informationen müssen dem Kunden vor Eingehung des Vertrags übergeben werden. Damit bleibt es dem Investment Adviser überlassen, wie er die Geeignetheit der individuellen Kundenempfehlung nachweist, bspw. über ausgefüllte Fragebögen des Kunden, Fact Sheets, Bestätigungsschreiben über die erhobenen Anlageziele oder eine Anlagestrategieerklärung.

212 s. die Rede des SEC Commissioner Luis A. Aguilar, A Shared Responsibility: Preserving the Fiduciary Standard. 213 SEC, General Information on the Regulation of Investment Advisers; Manzei, WM 2009, 393, 397. 214 Abrufbar unter: http://www.brightlinesolutions.com/files/Plaze/Release%20IA-1406 %2 0Suitability.pdf (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 215 Manzei, WM 2009, 393, 397.

318

6. Teil: Suitability

II. Die Regelungen für Broker-Dealer Für Broker-Dealer liegen ausdrückliche, detaillierte Regelungen zur Durchführung der Geeignetheitsprüfung vor.216 Dies ist einer der Gründe, weshalb SEC in 2011 ursprünglich angekündigt hatte, einheitliche Regelungen für Broker-Dealer und Investment Adviser zu erlassen (2. Teil D.IV.). Auch Broker-Dealer dürfen nur für den Kunden geeignete Produkte empfehlen, Suitability Doctrine. Dies ist eine wesentliche Unterscheidung zum Investment Adviser, der am besten geeignete Produkte empfehlen muss. Unter den besonderen Voraussetzungen der Anwendbarkeit der DOL Fiduciary Rule obliegt es in diesen Fällen ggf. künftig auch dem Broker-Dealer, ein am besten geeignetes Produkt für den Kunden zu finden, da dieser dann ebenfalls den strengeren fiduciary duties unterliegt. Die Festlegung der Kriterien für die Geeignetheit obliegt den zuständigen SRO.217 Diese konkretisieren die in den Bundesgesetzen enthaltenen Antifraud-Bestimmungen (Betrugsbekämpfungsvorschriften).218 Da die meisten Broker-Dealer der FINRA zugeordnet sind, gelten für diese die Suitability-Anforderungen der FINRARegel 2111.219 Die Anforderungen der FINRA sind im Vergleich sehr weitergehend, da diese für jede Kauf-, Verkauf- oder Halteempfehlung gelten sollen. Hingegen finden die Antifraud-Regelung von SEC nur für den Kauf oder Verkauf Anwendung.220 Der Broker-Dealer beurteilt für die individuelle Eignung des Produkts für den jeweiligen Kunden dessen finanzielle Situation, Bedürfnisse bzw. Wünsche sowie Wertpapierbestände. Insgesamt muss der Broker-Dealer für jeden Kunden ein Investmentprofil anlegen, welches zusätzlich mindestens Angaben zu dem Kundenalter, seinem Steuerstatus, seinen Anlagezielen und Erfahrungen im Anlagebereich, Anlagezeitraum, Liquiditätsbedürftigkeit, sowie Risikotoleranz enthält.221 Diese Angaben sind teilweise bereits aus der deutschen und der europäischen Regelung bekannt. Damit obliegt dem Broker-Dealer die Verpflichtung alle relevanten Informationen über die finanzielle Situation einzuholen und zu aktualisieren. Zusätzlich muss der Broker-Dealer gem. FINRA Rule 2090 seinen Kunden kennen.

216

Manzei, WM 2009, 393, 397. SEC, Guide to Broker-Dealer Registration, 5. Conduct Regulation of Broker-Dealers, Nr. 2. Die SEC und die SRO, hierbei insb. FINRA, sind für die Überwachung des BrokerDealers und mit ihnen verbundene Personen zuständig. 218 s. Rechtschaffen, Kap. 13, 300. 219 s. Rechtschaffen, Kap. 13, 304 f.; Manzei, WM 2009, 393, 397; Bakhtiari/Boice/Majors, 87 St. John’s L. Rev. 313, 318. 220 Simkin, FINRA’s know-your-customer and suitability rules require brokerage changes, new strategies, Beitrag v. 25. 06. 2012, Reuters Blog. 221 s. Bakhtiari/Boice/Majors, 87 St. John’s L. Rev. 313, 318. 217

E. Gesamtfazit

319

Folglich muss auch dieser eine Befragung des Kunden vornehmen, um dessen wesentliche Interessen, Ziele und Verhältnisse zu kennen.222 Eine eigenständige Dokumentationspflicht zum Nachweis der Einhaltung der Geeignetheitsbeurteilung stellt auch FINRA nicht auf.223 FINRA erlaubt den Brokern, einen risikobasierten Ansatz in Bezug auf die Dokumentation der Geeignetheit zu treffen.224 Sie führt als Beispiel an, dass die Empfehlung einer großkapitalisierten, wertorientierten Eigenkapitalsicherheit generell keine schriftlichen Unterlagen über die Empfehlung erfordert. Umgekehrt würde die Empfehlung einer komplexen und/ oder potenziell riskanten Sicherheits- oder Anlagestrategie mit Wertpapieren in der Regel eine Dokumentation erfordern. In allen Fällen muss der Broker die Eignungsprüfung durchführen, doch ob diese auch dokumentiert werden muss, hängt nach Ansicht von FINRA in der Regel von der Komplexität der Sicherheit oder Strategie in Struktur und Leistung und/oder den damit verbundenen Risiken ab. Damit besteht für die Geeignetheitsprüfung, anders als im deutschen Recht, nicht automatisch eine Dokumentationspflicht. Allerdings muss der Broker-Dealer grds. die Einhaltung der FINRA-Regelungen nachweisen. Mithin besteht auch für die Broker-Dealer keine Dokumentationspflicht in Form eines Beratungsprotokolls, welches an die Kunden auszuhändigen ist.

E. Gesamtfazit I. Vergleich der Regelungen in Deutschland, Großbritannien und den Vereinigten Staaten von Amerika Alle drei Rechtsordnungen stimmen darin überein, dass dem Kunden nur eine geeignete Anlage empfohlen werden darf und zu diesem Zweck entsprechende Informationen über den Kunden, seine Wünsche und Bedürfnisse sowie seine finanziellen Verhältnisse einzuholen sind. Die Intensität der Befragung und der benötigten Informationen richtet sich in allen Rechtsordnungen nach der Komplexität der Anlage. Die deutschen und britischen ausformulierten Anforderungen sind inhaltlich überwiegend gleich, da beide die MiFID I Vorgaben umsetzen und sich an den ESMA-Leitlinien orientieren. Anders ist dies in der amerikanischen Rechtsordnung. Für den Investment Adviser bestehen keine ausdrücklichen Regelungen. Seine Anforderungen werden aus dessen Stellung als fiduciary abgeleitet und sind daher weder sehr detailliert, noch mit den hier untersuchten aufsichtsrechtlichen Regelungen vergleichbar. Da dieser aufgrund des fiduciary einen höheren Standard erfüllen muss als der Broker-Dealer, so muss der Investment Adviser mind. dessen Voraussetzungen einhalten. Für den Broker-Dealer hingegen stellt FINRA ebenfalls 222 223 224

Laby, 55 Vill. L. Rev. 701, 726. Zur Dokumentationsanforderung FINRA, FINRA Rule 2111 (Suitability) FAQ. FINRA, FINRA Rule 2111 (Suitability) FAQ.

320

6. Teil: Suitability

eine ausdrückliche Regelung zur Geeignetheitsprüfung auf, die sich auch in die drei bekannten Informationsgebiete aufgliedern lässt. Die einzelnen Anforderungen hinsichtlich Anlagedauer, Vermögensverhältnissen und Erfahrungen sind ebenfalls im europäischen, deutschen und britischen Recht zu finden. Explizit führt FINRA zusätzlich noch den Steuerstatus und das Alter des Kunden an. Auffällig ist darüber hinaus, dass das amerikanische Recht dem Broker-Dealer die Geeignetheitsprüfung für den customer auferlegt, aber nicht zwischen Privatkunden/ Kleinanleger und professionellen Kunden unterscheidet. Denn ein customer, ist jeder, der eine Order bei einem Broker-Dealer abgibt oder ein Konto bei ihm unterhält.225 Hingegen sehen das deutsche und das britische Recht die Geeignetheitsprüfung ausschließlich für Privatkunden vor, wohingegen für professionelle Kunden die Angemessenheitsprüfung ausreichend ist. Aber auch das amerikanische Recht bietet hier eine Restriktionsmöglichkeit, indem der Broker-Dealer eigenständig über die Notwendigkeit der einzuholenden Informationen entscheidet und so ebenfalls bei vorhandenen Kenntnissen die entsprechenden Abstufungen vornehmen kann. Mithin unterliegt die Geeignetheitsprüfung grundlegend einem gleichen Ansatz. Vollständig unterschiedlich werden jedoch die Aufzeichnungspflichten gehandhabt. Während das amerikanische Recht eine Sondervorschriften zur Dokumentation der Geeignetheit oder deren Aushändigung an den Kunden vorsieht, kennt auch das britische Recht nur minimalistische Vorschriften, die sich in einigen Punkten von der deutschen Ausgestaltung deutlich unterscheiden. So muss der sog. Suitability Report erst nach der Transaktion an den Kunden ausgehändigt werden. Allerdings soll dieser ebenfalls darstellen warum die Empfehlung als geeignet angesehen wurde und beinhaltet damit auch die Berücksichtigung der Individualinteressen der Anleger.226 Dennoch bestehen sowohl im britischen als auch im deutschen Recht die gleichen Probleme hinsichtlich der korrekten Ausfüllung der Reports, der Länge und des benötigten Zeitaufwands. Dies findet sich in den amerikanischen Regelungen nicht. Die Broker-Dealer weisen die Einhaltung der Suitability-Regelungen und damit die individuelle Eignung nur gegenüber der entsprechenden Behörde aber nicht gegenüber dem Kunden nach. Erhält der Kunde hingegen vom Investment Adviser aufgrund der brochure rule Informationen zu Risiken der einzelnen Anlagen oder zu Anlagestrategien des Investment Advisers, so sind dies allgemeine Informationen und keine individuellen. Gegenüber SEC muss auch der Investment Adviser die Geeignetheit und damit die individuelle Eignung der Empfehlung nachweisen. Die deutsche Regelung ist damit am kundenfreundlichsten, da nur durch diese der Kunde die Möglichkeit erhält, vorab zu überprüfen, ob seine Angaben im Bera225

Simkin, FINRA’s know-your-customer and suitability rules require brokerage changes, new strategies, Beitrag v. 25. 06. 2012, Reuters Blog. 226 Zweifelnd Klein, Die Beratungsprotokollpflicht im System des europarechtliche determinierten Anlegerschutzes, 154.

E. Gesamtfazit

321

tungsgespräch hinsichtlich seiner Präferenzen etc. auch von dem Berater richtig aufgenommen und umgesetzt wurden.

II. Bewertung der neuen Anforderungen Insgesamt zeigen die neuen Regelungen der MiFID II und die Umsetzung in das deutsche Recht nur wenige Neuerungen. Hiervon geht auch der deutsche Gesetzgeber aus, indem er eine Eins-zu-eins-Ersetzung bzw. Übertragung der alten Anforderungen des Beratungsprotokolls auf die neue Geeignetheitserklärung statuiert und sogar den gleichen Erfüllungsaufwand und keine Mehrkosten für die Geeignetheitsprüfung und -erklärung ansetzt. Schließlich ist auch nicht zu erwarten, dass die BaFin ihre ohnehin schon an den ESMA-Leitlinien orientierte Verwaltungspraxis zugunsten restriktiverer Anforderungen aufgeben wird. Der ursprünglich von der MiFID II vorgesehene erhöhte Anlegerschutz kann damit für den deutschen Anleger nicht erreicht werden – vielmehr muss er bspw. auf das Rücktrittsrecht bei der telefonischen Beratung verzichten. Positiv hervorzuheben ist jedoch, dass der deutsche Gesetzgeber keinen Alleingang unternimmt, um dem deutschen Anleger zu mehr Schutz zu verhelfen. Indem er jedoch die Anforderungen des Beratungsprotokolls auf die Geeignetheitserklärung überträgt, verpasst er die Chance die Komplexität der Beratungsprotokolle, auf deren Erstellung vielfach die wesentliche Zeit in der Beratungssituation verwendet wird, abzumildern und so dem ohnehin schon an Informationen überladenen Kunden ein kurzes prägnantes Informationsmedium über die soeben erfolgte Beratung an die Hand zu geben. Schließlich nimmt der Anleger die Beratungsleistung in Anspruch, um so einfach und effizient wie möglich ohne besonderes eigenes Bemühen an die bestmögliche Anlage zu gelangen. Komplizierte Erklärungen über zwei oder gar mehr Seiten passen deshalb nicht in sein Konzept.227 Auch unternimmt der Gesetzgeber, wie bereits festgestellt, keine Schritte um sicherzustellen, dass die Beratungsprotokolle entgegen heutiger Praxis ordentlich und vollständig ausgefüllt werden. Dies wäre für das nationale Recht auch ohne goldplating in Form einer Beweislastumkehr möglich gewesen. Einzig der Streit um die Bedeutung oder das Erfordernis der Kundenunterschrift wird künftig aufgrund der europäischen Verwaltungspraxis abflauen. Insgesamt wurde dem Beratungsprotokoll ein neues Etikett verpasst; wirkliche Neuerungen lassen sich darin nicht finden – weder in Form der Erleichterungen für die WpDU noch in Form von verstärktem Anlegerschutz.

227

s. Adam, Interview v. 24. 01. 2017.

322

6. Teil: Suitability

F. Exkurs: Angemessenheitsprüfung und Execution-Only-Geschäft Nicht nur die für die Anlageberatung geltenden Regelungen der Geeignetheitsprüfung und der Geeignetheitserklärung wurden erweitert, sondern auch die Regelungen der Angemessenheitsprüfung228, die vorgenommen werden muss, wenn keine Anlageberatung durchgeführt wird. Gleiches gilt für die Regelungen des ExecutionOnly-Geschäfts, bei welchem als Ausnahme weder die Geeignetheits- noch die Angemessenheitsprüfung erbracht werden muss.

I. Die Angemessenheitsprüfung Art. 25 Abs. 3 MiFID II nimmt die Angemessenheitsprüfung, in der Fassung, die bereits durch Art. 19 Abs. 5 MiFID I eingeführt wurde, ohne wesentliche Veränderung auf, sodass die deutschen Regelungen des § 31 Abs. 5 WpHG i.V.m. § 6 WpDVerOV den europäischen Vorgaben noch entsprechen. Die MiFID II-DLVO konkretisiert jedoch in Artt. 55, 56 die Anforderungen. Gem. Art. 56 Abs. 2 MiFID II-DLVO muss das Ergebnis der Angemessenheitsprüfung sowie ggf. ausgesprochene Warnungen, unabhängig davon, ob es sich dabei um eine Warnung aufgrund fehlender Angemessenheit oder aufgrund fehlender Informationen handelt, dokumentieren werden. Eine solche Dokumentationspflicht ergibt sich nicht ausdrücklich aus dem deutschen Recht. Nach § 34 Abs. 1 WpHG i.V.m. § 14 Abs. 1 WpDVerOV muss das WpDU jedoch die erbrachten Dienstleistungen dokumentieren, um die Einhaltung der Regelungen gem. § 31 WpHG gegenüber der BaFin nachzuweisen. Davon sind sowohl die Angemessenheitsprüfung als auch die Warnung erfasst.229 § 63 Abs. 10 WpHG-E des RegE 2. FiMaNoG nimmt nun den Wortlaut des Art. 24 Abs. 3 MiFID II in § 63 Abs. 10 WpHG-E ausdrücklich auf und verweist auf Artt. 55, 56 MiFID II-DLVO.

II. Das Execution-Only-Geschäft Art. 25 Abs. 4 MiFID II übernimmt die Anforderungen für das Execution-OnlyGeschäft, bzw. das beratungsfreie Geschäft, des Art. 19 Abs. 6 MiFID I bzw. § 31 Abs. 7 WpHG. Jedoch wird der Anwendungsbereich für das Execution-Only-Geschäft verringert, indem deutlich mehr Produkte als komplex eingestuft werden, als dies Art. 38 MiFID I-DRL (umgesetzt in § 7 WpDVerOV) vorsah.230 228

Art. 25 Abs. 3 MiFID II. Für die Warnung s. Koller, in: Assmann/Schneider, WpHG, § 31 Rn. 180; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, § 31 Rn. 324. 230 Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 231; Möllers/Poppele, ZGR 2013, 437, 454; ausf. zu den Pflichten des beratungsfreien Geschäfts Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 136 ff. 229

F. Exkurs: Angemessenheitsprüfung und Execution-Only-Geschäft

323

Bislang galten Aktien, die zum Handel an einem geregelten Markt oder an einem gleichwertigen Markt eines Drittlandes zugelassen sind, als nicht komplex. Dies gilt künftig nicht mehr für „[…] Anteile[n] an Organismen für gemeinsame Anlagen, die keine OGAW sind, und Aktien, in die ein Derivat eingebettet ist“, Art. 25 Abs. 4 S. 2 lit. a) i) MiFID II. Nach wie vor sollen Schuldverschreibungen oder sonstige verbriefte Schuldtitel und Geldmarktinstrumente grds. als nicht-komplex gelten, ausgenommen sind neben solchen, die in ein Derivat eingebettet sind, künftig auch solche „[…] die eine Struktur enthalten, die es dem Kunden erschwert, die damit einhergehenden Risiken zu verstehen“, Art. 25 Abs. 4 S. 2 lit. a) ii) MiFID II. Ausgeschlossen sind nun auch sog. strukturierte OGAW gem. Art. 36 Abs. 1 UA 2 der Verordnung (EU) Nr. 583/2010. Entsprechend des erweiterten Anwendungsbereichs der MiFID II wurden strukturierte Einlagen als grds. nicht-komplexe Finanzprodukte aufgenommen, es sei denn, sie enthalten eine „[…] Struktur […], die es dem Kunden erschwert, das Ertragsrisiko oder die Kosten eines Verkaufs des Produkts vor Fälligkeit zu verstehen“, Art. 25 Abs. 4 S. 2 lit. a) v) MiFID II. Nach Art. 25 Abs. 4 MiFID II sollen zudem die nach Anhang I Abschnitt B Nr. 1 genannten Instrumente nicht komplex sein. Aus der Zusammenschau mit Art. 16 Abs. 10 MiFID II, nachdem keine „[…] Finanzsicherheiten in Form von Rechtsübertragungen mit Kleinanleger zur Besicherung oder Deckung bestehender oder künftiger, tatsächlicher, möglicher oder voraussichtlicher Verpflichtungen der Kunden […]“ abgeschlossen werden dürfen, und ErwG. 80, der ebenfalls darauf abstellt, dass das Execution-Only-Geschäft nicht in Verbindung mit der Gewährung von Krediten oder Darlehen stehen soll, ist davon auszugehen, dass eigentlich auf Anhang I Abschnitt B Nr. 2 der Gewährung von Krediten oder Darlehen an Anleger für die Durchführung von Geschäften mit einem oder mehreren Finanzinstrumenten verwiesen werden sollte.231 1. Konkretisierte Anforderungen in der MiFID II-DLVO Die MiFID II-DLVO konkretisiert darüber hinaus in Art. 57, wann ein Finanzprodukt als nicht komplex einzustufen ist. Für die deutschen WpDU ergeben sich aus dem Vergleich der neuen europäischen Anforderungen und denen aus § 7 WpDVerOV, der auf Art. 38 MiFID I-DRL beruht, lediglich zwei neue Kriterien. Zum einen müssen die WpDU nun berücksichtigen, dass nicht komplexe Finanzprodukte keine Klausel bzw. „[…] Bedingung oder Auslöser, durch die bzw. den die Art oder das Risiko der Investition oder des Auszahlungsprofils entscheidend verändert werden könnte […]“ enthalten und zum anderen, dass „[…] keine expliziten oder impliziten Ausstiegsgebühren (bestehen), die dazu führen, dass die Investition auch dann illiquide wird, wenn technisch häufig Möglichkeiten zur Veräußerung, zum Rückkauf oder zur sonstigen Realisierung des betreffenden Instruments bestehen“.

231

Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 232.

324

6. Teil: Suitability

2. Umsetzung der neuen Anforderungen im 2. FiMaNoG Die Anforderungen des Art. 25 Abs. 4 MiFID II finden sich im RegE 2. FiMaNoG in § 63 Abs. 10 WpHG-E fast gleichlautend wieder. Zugleich nimmt der Gesetzgeber hier die Anforderungen auf, dass die Wertpapierdienstleistung nicht mit der Gewährung eines Darlehens in Zusammenhang stehen darf. Die Ausnutzung einer bestehenden Kreditobergrenze oder die Einräumung einer Überziehungsmöglichkeit soll dennoch möglich sein. Damit folgt auch der deutsche Gesetzgeber der hier vertretenen Ansicht, dass es sich bei der Verweisung auf Anhang I Abschnitt B Nr. 1 um ein redaktionelles Versehen handelt. Zwar ist es im bestehenden Gesamtkonzept des Anlegerschutzes zu begrüßen, dass die Anforderungen an die nicht-komplexen Produkte, unter Rückschau auf die in den letzten Jahren verwendeten kritischen Produkte, angepasst wurden. Jedoch wäre ein ausdrücklicher nicht standardisierter Hinweis, den der Anleger wahrnimmt und versteht, effektiver und würde ausreichenden Schutz und gleichzeitige Entscheidungsfreiheit für den Anleger bieten, anstatt den Anwendungsbereich der beratungsfreien Geschäfte immer enger zu ziehen.232 Dadurch wird der Anleger ohne Ausweichmöglichkeit gezwungen, eine Beratung in Anspruch zu nehmen, die für ihn weder kostenlos ist noch zwingend einen Mehrwehrt enthält.233 Die Entscheidung, auch die des ahnungslosen Kleinanlegers, ob er eine Beratung in Anspruch nehmen möchte oder nicht, muss auch seitens der Gesetzgeber akzeptiert werden. Alles andere ist ein vermeintlicher Schutz des Anlegers vor sich selbst, der dem Anleger jede eigenständige Entscheidungsfreiheit abnimmt.

232 233

I.E Möllers/Poppele, ZGR 2013, 437, 461. Vgl. Langenbucher, ZHR 177 (2013), 679, 698; Buck-Heeb, ZBB 2014, 221, 232.

7. Teil

Weitere Informationspflichten der WpDU A. Allgemeine Anforderungen an die Informationspflichten Wie bereits festgestellt, führt die MiFID II neue Informationspflichten ein bzw. erweitert bestehende Anforderungen. So müssen die WpDU darlegen, ob sie die Anlageberatung unabhängig oder abhängig erbringen (Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. a) i) MiFID II), den Kunden über den Umfang der Produktanalyse informieren (Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. a) ii) MiFID II) sowie darüber, ob eine regelmäßige Beurteilung der Eignung des Finanzprodukts vorgenommen wird (Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. a) iii) MiFID II). Zusätzlich besteht die Informationspflicht des WpDU über Kosten und Nebenkosten, Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. c) MiFID II. Dass das informationsbasierte Modell ein essentieller Bestandteil des Anlegerschutzes ist, da es die natürliche Informationsasymmetrie zwischen dem Berater und dem Anleger abbaut, aber zugleich bei der Fülle an Informationspflichten an seine Grenzen stößt (information overload), wurde bereits angesprochen. Daher verwundert die Einführung weitergehender Informationspflichten, da der europäische Gesetzgeber jüngst bestrebt war, diese übersichtlicher zu gestalten, bspw. in Form der Produktinformationsblätter bzw. der Basis-Informationsblätter nach der PRIIPsVerordnung. Die neuen Informationspflichten sollen nun im Folgenden näher untersucht werden.

I. Europäische Regelung 1. Die Informationsanforderungen der MiFID II Art. 24 Abs. 4 MiFID II übernimmt die bereits in Art. 19 Abs. 3 MiFID I statuierte Pflicht dem Kunden Informationen über Finanzinstrumente und Anlagestrategien, die auch geeignete Leitlinien und Warnhinweise zu den mit einer Anlage verbundenen Risiken umfassen, zur Verfügung zu stellen. Neu ist, dass gem. Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. b) MiFID II in den Leitlinien auch die Frage beantwortet werden soll, ob die empfohlenen Finanzinstrumente für Privatkunden oder für professionelle Kunden konzipiert wurden und mit dem Zielmarkt (s. hierzu noch 8. Teil) übereinstimmen.1 Bislang musste nur gem. Art. 31 Abs. 1 MiFID I-DRL der Einstufung 1

Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 77.

326

7. Teil: Weitere Informationspflichten der WpDU

des Kunden in Kleinanleger oder professioneller Kunde bei der Informationsweitergabe Rechnung getragen werden. Hier wird sich die Praxis umgewöhnen und die Produkte entsprechend nach Kundenkategorien ausrichten müssen, da diese bislang überwiegend nach den Anlagezielen ausgerichtet aufgelegt wurden.2 Die Regelung des Art. 19 Abs. 2 MiFID I, dass Informationen grds. redlich, eindeutig und nicht irreführend dargestellt werden müssen, findet sich nun in Art. 24 Abs. 3 MiFID II.3 Zugleich müssen gem. Art. 24 Abs. 5 MiFID II die Informationen für den Anleger verständlich sein. 2. ESMAs Vorschläge an die Kommission Während sich die Richtlinie hinsichtlich neuer Vorgaben zurückhält, hat ESMA einige Vorschläge zu deren Konkretisierung, insb. zur Erweiterung der bislang geltenden Anforderungen nach Art. 31 Abs. 1 und 2 MiFID I-DRL zur Aufklärung über Risiken der Finanzprodukte und hinsichtlich Art. 27 MiFID I-DRL zur redlichen, eindeutigen und nicht irreführenden Informationserteilung der Kommission unterbreitet. a) Ergänzung des Art. 27 MiFID I-DRL Zunächst dehnt ESMA den Anwendungsbereich auch auf professionelle Kunden aus, obwohl Art. 24 Abs. 3 MiFID II der Formulierung des Art. 19 Abs. 2 MiFID I entspricht. Gleichzeitig schließt sie aber geeignete Gegenparteien ausdrücklich aus.4 Mit diesen muss jedoch ausdrücklich gem. Art. 30 Abs. 1 MiFID II ehrlich, redlich und professionell umgegangen sowie eine redliche, eindeutige und nicht irreführende Kommunikation geführt werden. Mithin müssen sowohl dem Kleinanleger, als auch dem professionellen Kunden bei einem Hinweis auf Vorteile eines Finanzinstruments oder einer Wertpapierdienstleistung die relevanten Risiken an prominenter Stelle in offensichtlicher Form aufgezeigt werden.5 Für den Kleinanleger macht ESMA zur Einhaltung dieser Pflicht weitere Vorgaben. Die prominente Wahrnehmung soll durch das Layout herbeigeführt werden.6 Zudem muss die Schriftgröße für den Warnhinweis genau so groß sein, wie für die Herausstellung der Vorteile. Darüber hinaus müssen alle Informationen in einer einheitlichen Sprache – nicht Terminologie – abgefasst sein, es sei denn der Kunde hat verschiedensprachigen Informationen zugestimmt.7 Für beide Kundenarten dürfen Warnungen nicht ver2

Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 77; Balzer, ZBB 2016, 226, 229. Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 123. 4 ESMA, Final Report, Kap. 2.12, S. 102, Nr. 9, S. 103, TA Nr. 2; Lenarz, in: MiFID II/ MiFIR, Rn. 129. 5 ESMA, Final Report, Kap. 2.12, S. 103, TA Nr. 4; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 130. 6 ESMA, Final Report, Kap. 2.12, S. 103, TA Nr. 2; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 125. 7 ESMA, Final Report, Kap. 2.12, S. 103, TA Nr. 2; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 126. 3

A. Allgemeine Anforderungen an die Informationspflichten

327

schleiert, abgeschwächt oder unverständlich gemacht werden.8 Zusätzlich müssen alle Informationen, abhängig von dem gewählten Kommunikationsmittel, aktuell gehalten werden.9 Als ausdrückliche Ergänzung zu Art. 27 Abs. 6 MiFID I-DRL führt ESMA zusätzlich den Vorschlag ins Feld, dass Angaben über eine Wertentwicklung künftig auf Entwicklungssituationen in verschiedenen – sowohl positiven als auch negativen – Marktsituationen beruhen sollen sowie die Natur und die Risiken des jeweiligen Finanzprodukts einbezogen werden.10 b) Ergänzung des Art. 31 MiFID I-DRL Explizit schlägt ESMA diese Erweiterung auch für Art. 31 Abs. 1 MiFID I-DRL vor.11 Jedoch muss dem Kunden nur generell und nicht individuell die Funktionsweise und die Wertentwicklung erläutert werden.12 Künftig sollen dem Kunden auch Informationen über die verschiedenen Möglichkeiten des Ausstiegs und diesbezüglichen Risiken sowie Konsequenzen bzw. Schwierigkeiten aufgezeigt werden.13 Auch muss dem Kunden dargelegt werden, wie lange ein Finanzinstrument gehalten werden müsste, damit sich die Transaktionskosten amortisieren.14 Die Informationspflichten über zusammengesetzte Finanzprodukte, die bislang in Art. 31 Abs. 4 MiFID I-DRL geregelt waren, sollen nach Ansicht von ESMA dahingehend erweitert werden, dass auch die Rechtsnatur des Produkts (Eigenkapital oder Verbindlichkeit) sowie die Risiken, die sich aus der Interaktion der einzelnen Bestandteile ergeben, aufgezeigt werden müssen.15 Enthält das Finanzprodukt eine Garantie oder Kapitalsicherung, so soll der Kunde über deren Art und Umfang informiert werden und wenn diese von einer dritten Person gegeben wird auch darüber.16 3. Konkretisierte Anforderungen in den delegierten Rechtsakten Die Kommission hat ESMAs Vorschläge nicht nur übernommen, sondern mit weiteren Anforderungen in Art. 44 MiFID II-DLVO konkretisiert.17 8

ESMA, Final Report, Kap. 2.12, S. 103, TA Nr. 4; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 131. ESMA, Final Report, Kap. 2.12, S. 103, TA Nr. 4; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 132. 10 ESMA, Final Report, Kap. 2.12, S. 103, TA Nr. 3; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 128. 11 ESMA, Final Report, Kap. 2.13, S. 110, TA Nr. 8. 12 Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 80. 13 ESMA, Final Report, Kap. 2.13, S. 110, TA Nr. 9; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 81. 14 ESMA, Final Report, Kap. 2.13, S. 110, TA Nr. 9. 15 ESMA, Final Report, Kap. 2.13, S. 110, TA Nr. 10. 16 ESMA, Final Report, Kap. 2.13, S. 110, TA Nr. 9; Lenarz, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 83. 17 s. Buck-Heeb/Poelzig, BKR 2017, 485, 487. 9

328

7. Teil: Weitere Informationspflichten der WpDU

a) Faire, klare und nicht irreführende Information Art. 44 Abs. 1 MiFID II-DLVO statuiert die Anforderungen für die WpDU, um eine faire, klare nicht irreführende Information an Kleinanleger, professionelle Kunden und potenzielle Kleinanleger zu richten. Damit übernimmt auch die Kommission trotz gleichlautendem Wortlaut von Art. 24 Abs. 4 MiFID II und Art. 19 Abs. 3 MiFID I die Erweiterung auf den professionellen Kunden, allerdings nicht für den potenziellen professionellen Kunden. Hierbei scheint es sich jedoch mehr um ein redaktionelles Versehen zu handeln. Denn praktisch wird der potenzielle professionelle Kunde von den WpDU einbezogen werden, da diese keine unterschiedlichen Materialien für potenzielle professionelle Kunden und professionelle Kunden erstellen und ausgeben werden. Nach Art. 44 Abs. 2 lit. b) und c) MiFID II-DLVO ist der Risikohinweis nach wie vor für beide Kundengruppen bei einer Vorteilsdarstellung hinzuzufügen. Nun gelten die einheitliche Schriftgröße und die erkennbare graphische Darstellung zur leichten Erkennbarkeit des Risikohinweises auch für professionelle Kunden. Die Informationen dürfen, wie von ESMA vorgeschlagen, nun für beide Kundengruppen nicht verschleiert, abgeschwächt oder unverständlich sein, Art. 44 Abs. 2 lit. e) MiFID IIDLVO. Das Erfordernis der gleichen Sprache für alle Informationen, es sei denn der Kunde hat verschiedenen Sprachen zugestimmt, findet sich in Art. 44 Abs. 2 lit. f) MiFID II-DLVO für beide Kundengruppen wieder sowie die Aktualität nach ESMAs Vorschlag in lit. g). Nicht in ESMAs Vorschlägen enthalten war, dass die Informationen für die jeweilige Kundengruppe verständlich sein muss, Art. 44 Abs. 2 lit. d) MiFID IIDLVO. Dies entspricht Art. 27 Abs. 2 MiFID I-DRL. Durch die generelle Aufnahme des professionellen Kunden ergibt sich hieraus jedoch, dass nach wie vor hinsichtlich der Informationsdichte und -darstellung zwischen professionellen Kunden und Kleinanlegern unterschieden werden darf. Dies ist zu begrüßen, da es gerade dem professionellen Kunden auf eine schnellere Abwicklung und geringere Informationsdichte ankommt. Auf den Informationen muss der Name des WpDU abgedruckt sein, Art. 44 Abs. 2 lit. a) MiFID II-DLVO. Art. 27 Abs. 6 der MiFID I-DRL wurde wie von ESMA vorgeschlagen in Art. 44 Abs. 6 um lit. d) MiFID II-DLVO ergänzt, sodass bei der Darstellung der künftigen Wertentwicklung ebenfalls die Informationen auf positiven und negativen Szenarien mit unterschiedlichen Marktbedingungen beruhen und die Risiken der Analyse der einbezogenen Instrumente widerspiegeln müssen. b) Informationen über Finanzinstrumente In Art. 48 MiFID II-DLVO hat die Kommission die Vorschläge von ESMA zur Ergänzung des Art. 31 MiFID I-DRL übernommen.

A. Allgemeine Anforderungen an die Informationspflichten

329

So müssen die Informationen über die Finanzinstrumente dem Kunden rechtzeitig übermittelt und die Wesensmerkmale, die Funktionsweise und die Wertentwicklung unter verschiedenen – sowohl positiven als auch negativen – Marktbedingungen sowie die damit verbundenen spezifischen Risiken detailliert erläutert werden, Art. 48 Abs. 1 MiFID II-DLVO. Die spezifischen Risiken berücksichtigen künftig nicht nur das Risiko des Verlustes der gesamten Kapitalanlage, sondern auch explizit die „[…] Risiken im Zusammenhang mit einer Insolvenz des Emittenten und damit verbundener Erzeugnisse (z. B. ,Bail-In‘)“, Art. 48 Abs. 2 lit. a) MiFID II-DLVO. Die von ESMA vorgeschlagene Erweiterung auf Informationen über Hindernisse und Beschränkungen für Fehlinvestitionen, worunter auch eine Veranschaulichung der Möglichkeiten des Ausstiegs und dessen Folgen und der Zeitraum der Amortisierung der Transaktionskosten fällt, hat die Kommission in Art. 48 Abs. 2 lit. c) MiFID II-DLVO aufgenommen. Art. 48 Abs. 4 MiFID II-DLVO verändert Art. 31 Abs. 4 MiFID I-DRL dahingehend, dass – wie von ESMA vorgeschlagen – auch über die Rechtsnatur des Produkts informiert werden muss. Außerdem ist Abs. 4 grds. anwendbar, die zusätzliche Voraussetzung, dass die Risiken des zusammengesetzten Finanzinstruments größer sind als generelle Risiken, muss nicht mehr erfüllt sein. Auch in Art. 48 Abs. 5 MiFID II-DLVO werden von der Kommission ESMAs Vorschläge aufgegriffen, indem nicht nur über den Garantiegeber Informationen erteilt werden müssen, sondern auch über Art und Umfang der Garantie selbst. Diese Angaben sind nun auch für den Kapitalschutz anzuwenden. Zugleich verändert die Kommission den Wortlaut der MiFID I-DRL dahingehend, dass nicht mehr Kleinanleger sondern Kunden erfasst sind. Damit sind diese Informationen künftig auch professionellen Kunden auszuhändigen.18 4. Zwischenfazit Die auf den ersten Blick in der MiFID II gleichbleibend erscheinenden generellen Informationspflichten werden durch die Vorschläge von ESMA und deren Übernahme in die MiFID II-DLVO durch die Kommission im Detail ergänzt. Eine wesentliche Änderung ist die Ausweitung der Informationspflichten gegenüber professionellen Kunden, wobei die Informationen hinsichtlich des Kenntnisstandes entsprechend angepasst werden dürfen. Ob diese Kunden solche zusätzlichen Informationen benötigen, ist hingegen zweifelhaft. Nur bedingt ersichtlich ist ebenfalls, ob die zusätzlichen Informationen den Anleger neben den ohnehin vielfältigen Informationen weiter aufklären. Die ein-

18

Vgl. Buck-Heeb/Poelzig, BKR 2017, 485, 487.

330

7. Teil: Weitere Informationspflichten der WpDU

zelnen Merkmale sind an sich schon nicht geeignet präzise Auskünfte zu geben.19 So wird der Amortisationszeitraum für die Deckung der Transaktionskosten durch fehleranfällige bzw. ungenaue Prognosen errechnet.20 Jedoch sind die graphischen Anforderungen für Hinweise generell geeignet eine optische Verhältnismäßigkeit und damit auch eine bewusstere Wahrnehmung des Kunden zwischen positiven und negativen Merkmalen herbeizuführen, sofern er diese unter allen ausgehändigten Informationen überhaupt noch zur Kenntnis nimmt.

II. Deutsche Regelungen 1. Informationspflichten vor der Umsetzung Wie bereits festgestellt, wurden keine wesentlichen Neuerungen mit der MiFID II oder der MiFID II-DLVO eingeführt, sondern bestehende Regelungen ausgeweitet bzw. konkretisiert. Aufgrund der Umsetzung von MiFID I-Vorgaben bestehen bereits grundlegende Pflichten den Kunden redlich, ehrlich und nicht irreführend zu informieren, § 31 Abs. 2 S. 1 WpHG.21 § 31 Abs. 3 S. 1 WpHG greift die rechtzeitige Informationspflicht des Kunden in verständlicher Form über Art und Risiken der Finanzinstrumente auf. Konkretisiert werden diese durch §§ 4 und 5 der WpDVerOV.22 Diese übernehmen für die hier untersuchten Bereiche die Anforderungen der MiFID I-DRL, sodass die zuvor besprochenen Ergänzungen auch im deutschen Recht noch nicht vorhanden sind.23 Allerdings bestehen durch BT 3.3 der MaComp weitergehende verwaltungspraktische Anforderungen an die Informationserteilung durch die WpDU. So müssen bereits heute aufgrund von BT 3.3.3 MaComp Risiken in gleicher ausf. Weise dargestellt werden wie Vorteile.24 Auch muss nach BT 3.3.2. MaComp die Aktualität der Informationen abhängig des Mediums gewährleistet sein.25 BT 3.3.1 MaComp greift die Informationsaufbereitung bzw. -menge auf und statuiert, dass sich diese an den Kenntnissen und an dem Verständnis der Kundengruppe ausrichten.26 19

In diesem Zusammenhang von wesentlichen Unsicherheitsfaktoren sprechend Balzer, ZBB 2016, 226, 229. 20 Balzer, ZBB 2016, 226, 229. 21 s. Just, in: J/V/R/B, WpHG, Vor § 31 Rn. 7 f.; Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 3. 22 Schäfer, in: Heidel, § 31 WpHG Rn. 38, 49. 23 s. bspw. für die Ergänzung von § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 WpDVerOV Balzer, ZBB 2016, 226, 229; für die allgemeinen deutschen Darstellungsanforderungen nach § 4 WpDVerOV s. Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 217 ff. 24 Ausf. Theißen, in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, Kap. 18 Rn. 254 ff.; Walz, in: Krimphove/Kruse, BT 3 Rn. 58 ff. 25 Walz, in: Krimphove/Kruse, BT 3 Rn. 51 ff. 26 Ausf. Theißen, in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, Kap. 18 Rn. 253; Walz, in: Krimphove/Kruse, BT 3 Rn. 22 ff.

A. Allgemeine Anforderungen an die Informationspflichten

331

Einen Umsetzungsakt für die neuen europäischen Anforderungen in Form der Ergänzung der §§ 4 und 5 WpDVerOV durch den deutschen Gesetzgeber bedarf es aufgrund der Ausgestaltung der Regelungen als Verordnung hingegen nicht. Insofern kommen ausschließlich Ergänzungspflichten bei der Kundeninformation im oben dargestellten Ausmaß auf die deutschen WpDU zu. Diese sind jedoch aufgrund der Verwaltungspraxis durch die MaComp ebenfalls nur partiell. Die wesentliche europäische Neuerung, dass die Informationspflichten auch für professionelle Kunden gelten, ist für die deutschen WpDU auch nicht gravierend. Das deutsche Recht bezieht sich bereits heute ausdrücklich auf den Kunden und nicht speziell auf den Kleinanleger, sodass Mindestanforderungen gegenüber allen Kundenkategorien erfüllt werden müssen.27 Die Regelungen hinsichtlich der Angabe der Laufzeit und entsprechenden Ausstiegsmöglichkeiten sowie der optischen Gestaltung des Warnhinweises sind dem deutschen Recht auch nicht fremd und wurden zuletzt besonders im Rahmen des Kleinanlegerschutzgesetzes28 diskutiert.29 So wurde bspw. ein hervorgehobener Warnhinweis bezüglich der mit dem Finanzprodukt zusammenhängenden Risiken sowie der Verlustmöglichkeit für die Werbung eingeführt, § 12 Abs. 2 VermAnlG. 2. Umsetzung der MiFID II-Vorgaben im 2. FiMaNoG Allerdings hat der Gesetzgeber die Informationspflichten auch in seinen bisherigen Gesetzesentwürfen aufgenommen. So müssen weiterhin gem. § 63 Abs. 6 S. 1 WpHG-E des RegE 2. FiMaNoG30 die dem Kunden zugänglich gemachten Informationen redlich, eindeutig und nicht irreführend sein. Anstelle des Wortlautes von Art. 48 MiFID II-DLVO, nach dem die Wesensmerkmale, die Funktionsweise und die Wertentwicklung unter verschiedenen – sowohl positiven als auch negativen – Marktbedingungen sowie die damit verbundenen spezifischen Risiken detailliert erläutert werden sollen, stellt der deutsche Gesetzgeber ausschließlich auf die vorgeschlagenen Anlagestrategien, Ausführungsplätze sowie Kosten und Nebenkosten, die ebenfalls rechtzeitig und in der deutschen Fassung zusätzlich in verständlicher Form zu erbringen sind, ab, § 63 Abs. 7 WpHG-E des RegE 2. FiMaNoG31. Eine Übernahme des Art. 48 MiFID II-DLVO ist hiermit, trotz des ähnlichen Wortlauts, offensichtlich nicht gewollt. Ein Verweis an dieser Stelle auf die MiFID II-DLVO wäre hilfreich, damit die WpDU die dort zusätzlichen genannten und direkt geltenden Kriterien, auf einen Blick mitberücksichtigen können. § 4 WpDVerOV-E 27

Zur Anwendbarkeit auf alle Kundenkategorien s. Voß, in: J/V/R/B, WpHG, § 31 Rn. 167. BGBl. I 2015, 1114. Ausf. zu den unterschiedlichen Warnhinweisen in der Werbung Buck-Heeb, NJW 2015, 2535, 2539. 29 s. m.w.N. für das Kleinanlegerschutzgesetz Buck-Heeb, NJW 2015, 2535, 2539; Jesch/ Siemko, BB 2014, 2570. 30 § 55 Abs. 5 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG. 31 § 55 Abs. 6 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG. 28

332

7. Teil: Weitere Informationspflichten der WpDU

sieht vor, dass die Informationen aus § 64 Abs. 6 S. 1 dem Kunden für jedes zu empfehlende Instrument unmittelbar vor der Empfehlung und auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung gestellt werden. Gem. § 63 Abs. 7 Nr. 1 lit. c) WpHG-E32 muss dem Kunden mitgeteilt werden, ob die Art des Finanzinstruments für Privatkunden oder professionelle Kunden bestimmt ist. Damit werden die Voraussetzung des Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. b) MiFID II wörtlich umgesetzt. Jedoch hat der Gesetzgeber die Anforderungen aus Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. b) MiFID II derart aufgeteilt, dass die Leitlinien gem. § 63 Abs. 7 lit. a) WpHG-E und die Warnhinweise gem. § 63 Abs. 7 lit. b) WpHG-E in separaten Nummern aufgezählt werden. Eine solche Aufteilung ist misslich, da im Gegensatz zur europäischen Fassung nun der Eindruck entsteht, dass die Leitlinien separat, als eigenständige Anlage, einzureichen sind, obwohl sich nach Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. b) MiFID II die Leitlinien und die Warnhinweise auf die Risiken beziehen müssen.33 Die weiteren Voraussetzungen ergeben sich direkt aus der Verordnung. Der Gesetzgeber hat die hier vorgestellten Regelungen des RegE 2. FiMaNoG in der unveränderten Beschlussempfehlung des Finanzausschusses beschlossen und veröffentlicht. Insgesamt handelt es sich damit bei den neuen allgemeinen Regelungen zur Informationspflicht nur um geringfügige Neuerungen für die WpDU.

B. Exkurs: Information zur Ausführung im besten Kundeninteresse Aufgrund der Beschränkung dieser Arbeit auf die Anlageberatung soll an dieser Stelle nur kurz darauf hingewiesen werden, dass die bereits seit der MiFID I in Art. 21 (umgesetzt in § 33a WpHG) niedergelegten Grundsätze zur Ausführung der Kundenaufträge im besten Kundeninteresse – insb. derart, dass für den Kunden der beste Preis erzielt und dabei zugleich die Marktverfassung sowie die Abwicklungssicherheit berücksichtigt werden muss (Best-Execution) – auch weiterhin in Art. 27 MiFID II erhalten bleiben, jedoch eine Verschärfung erfahren. Neben der Anforderung, dass die WpDU für die Weiterleitung von Kundenaufträgen zu einem bestimmten Handelsplatz künftig keine Vergütung, kein Rabatt oder einen nichtmonetärer Vorteil gewähren bzw. erhalten dürfen, Art. 27 Abs. 2 MiFID II, wird eine Mitteilungspflicht gegenüber dem Kunden über wesentliche Veränderungen zur Auftragsdurchführung statuiert, Art. 27 Abs. 7 MiFID II. Zudem bestehen künftig drei Informationspflichten des WpDU gegenüber dem Kunden.

32 33

§ 55 Abs. 6 lit. c) WpHG-E RefE 2. FiMaNoG. DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 11 f.

B. Exkurs: Information zur Ausführung im besten Kundeninteresse

333

I. Informationspflicht über Ausführungsplätze Der Kunde muss künftig gem. Art. 27 Abs. 3 MiFID II nach der Ausführung des Geschäfts zunächst über den Ausführungsplatz (Handelsplatz) informiert werden.34 Diese Information muss ausf. Angaben zu den Kursen, den Kosten sowie der Schnelligkeit und Wahrscheinlichkeit der Ausführung einzelner Finanzinstrumente enthalten, Art. 27 Abs. 3 S. 3 MiFID II. Hierzu hat die Kommission eine eigenständige Verordnung mit Kriterien erlassen, die die technischen Regulierungsstandards im Detail aufzeigen.35

II. Jährliche Publizität der Handelsplätze Als neue Verpflichtung trifft das WpDU gem. Art. 27 Abs. 6 MiFID II eine jährliche Publizitätspflicht. Das WpDU muss die für das WpDU aufgrund des Handelsvolumens fünf wichtigsten Handelsplätze, auf denen es Aufträge durchführt, für jede Klasse von Finanzinstrumenten zusammenfassen und veröffentlichen. Gleiches gilt für Informationen zur erreichten Ausführungsqualität.36 Durch diese Informationen soll es dem Kunden nun möglich sein, festzustellen, warum das WpDU diese fünf Plätze ausgewählt hat und ob es zukünftig daran festhält.37 Hierzu liegen ebenfalls technische Regulierungsstandards vor.38

III. Informationspflicht zur Wahl der Handelsplätze Eine weitere Informationspflicht statuiert, dass das WpDU Informationen zur Auswahl der Handelsplätze offen legt, indem die „[…] Faktoren, die für die Wahl gerade des Ausführungsplatzes ausschlaggebend sind“ benannt werden müssen, Art. 27 Abs. 5 S. 1 MiFID II.39 Diese war bereits durch die MiFID I normiert worden und wird nun durch Art. 25 Abs. 5 S. 2 MiFID II dahingehend konkretisiert, dass die 34

s. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 15. Delegierte Verordnung (EU) 2017/575 v. 08. 06. 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/ 65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente durch technische Regulierungsstandards bezüglich Daten, die Ausführungsplätze zur Qualität der Ausführung von Geschäften veröffentlichen müssen, Abl. EU 87/152, v. 31. 03. 2017, s. auch ESMA, Q&As investor protection, S. 13 ff.; s. zur MiFID II Regelung Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 15. 36 s. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 15. 37 Happel/Süss, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 725. 38 Delegierte Verordnung (EU) 2017/576 v. 08. 06. 2016 zur Ergänzung der Richtlinie 2014/ 65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates durch technische Regulierungsstandards für die jährliche Veröffentlichung von Informationen durch die Wertpapierfirmen zur Identität von Handelsplätzen und zur Qualität der Ausführung, Abl. EU 87/166, v. 31. 03. 2017. 39 s. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 15. 35

334

7. Teil: Weitere Informationspflichten der WpDU

Kunden in geeigneter Form und damit durch „klar[e], ausführlich[e] und verständlich[e]“ Informationen, zu informieren sind. Grds. hat das WpDU vorab das Einverständnis des Kunden über ihre Ausführungspolitik für Aufträge einzuholen. Können nach diesen Grundsätzen die Aufträge auch außerhalb des Handelsplatz ausgeführt werden, ist der Kunden ausdrücklich auf diese Möglichkeit hinzuweisen und dessen Einverständnis zu dieser einzuholen, Art. 27 Abs. 5 UA 3 MiFID II.

IV. Fazit Ziel der alten und der neuen Regelungen ist unter anderem die Informationsasymmetrie zwischen Kunde und Berater abzubauen. Bereits zur MiFID I und deren Umsetzung in das nationale Recht entstanden Bedenken, ob Privatkunden überhaupt willens und in der Lage seien, Ausführungsgrundsätze ex-ante oder Verhaltensverstöße ex-post zu erkennen.40 So mögen eine weitere Wettbewerbssteigerung und die daraus resultierende Effizienzsteigerung des Markts, vor allem durch die neue Veröffentlichungspflicht der fünf wichtigsten Handelsplätze, wünschenswert sein. Dadurch löst sich jedoch die Informationsüberladung des Kunden nicht auf. Im Gegenteil werden dem Kunden hier noch mehr Informationen an die Hand gegeben, um die Information, die er vorher schon nicht verstanden oder berücksichtigt hat, besser zu verstehen. Dem paternalistischen Modell ist zwar nicht der Vorzug einzuräumen, allerdings hätten hier die Informationen insgesamt überarbeitet werden müssen, anstatt neue und aber neue Kriterien, über die auch noch zu informieren sind, hinzufügen. Bei der Fülle an Informationen wäre eine Beispiel-Dokumentation, wie dies von ESMA für die Darstellung der Kosten geschah, hilfreich.

40 v. Hein, in: Schwark/Zimmer, KMRK, § 33a Rn. 11; Koch, BKR 2012, 485; Moloney, EBOR 2005, 341, 390.

8. Teil

Product Governance im Vertrieb WpDU müssen bei der Empfehlung von Finanzprodukten für den jeweiligen Kunden auch die Vorgaben des Zielmarktes berücksichtigen (s. 7. Teil A.I.1.). Nicht nur die Vorgabe der Berücksichtigung, sondern auch die Zielmarktvorgabe selbst wurde bislang sowohl auf europäischer Ebene, als auch im nationalen Recht gesetzlich nicht geregelt. Die MiFID II führt die Bestimmung des Zielmarkts mit Art. 16 Abs. 3 und Art. 24 Abs. 2 im Rahmen der Produktüberwachungspflichten, sog. Product Governance, neu ein.

A. Europäische Regelungen Indem die Regelungen in Art. 16 MiFID II verortet sind, handelt es sich primär um eine Organisationspflicht der WpDU zur Vermeidung von Interessenkonflikten1 – und zwar schon bevor die eigentliche Anlageberatung beginnt. Allerdings wirken diese Pflichten noch auf die Beratung als solche fort und sollen deshalb in dieser Arbeit auf ihre Auswirkungen für die Beratung untersucht werden. Hintergrund dieser neuen Organisationspflicht ist die gewonnene Erkenntnis, dass nicht alle in der Finanzmarktkrise zu Tage getretenen Probleme für den Anleger hinreichend durch das Informationsmodell gelöst werden können.2 Insb. sollen die neuen Pflichten verhindern, dass unpassende Produkte für die Anleger überhaupt erst auf den Markt kommen bzw. an die falschen Kundengruppen vertrieben werden.3 Diese Erkenntnis wird mit der Einführung von Produktinterventionsrechten der Aufsichtsbehörden – die in dieser Arbeit nicht näher erläutert werden sollen4 – konsequent fortgeführt. Für die Umsetzung der zuvor genannten Ziele geht die MiFID II einen zweispurigen Weg, indem zum einen die Hersteller des Produkts (manufacturer) und zum anderen der Vertrieb (distributor) neue Anforderungen erfüllen müssen. Aufgrund der Beschränkung dieser Arbeit auf die Anlageberatung soll im Folgenden nur ein kurzer Überblick über die Anforderungen an den Hersteller

1 2 3 4

Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 474; Spindler, FS Köndgen, 616, 626. Buck-Heeb, ZHR 179 (2015), 782, 784. I. E. Lange, DB 2014, 1723, 1725; Busch, WM 2017, 409, 420. Ausf. m.w.N. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 97d.

336

8. Teil: Product Governance im Vertrieb

gegeben werden,5 da die Vertriebsvorgaben auf diesen aufbauen.6 Im Anschluss daran sollen die Vorgaben für den Vertrieb dargestellt und auf ihre Auswirkungen für die Anlageberatung untersucht werden.

I. Anforderungen an den Produkthersteller Der Anwendungsbereich für den Hersteller ist nicht genau festgelegt, insb. findet sich keine Legaldefinition des Produktherstellers. Aus dem Wortlaut der Regelungen in Art. 16 Abs. 3 UA 2 MiFID II ergibt sich jedoch, dass unter Produkthersteller ein WpDU i.S.d. Art. 4 Abs. 1 Nr. 1 MiFID II zu fassen ist, das „Finanzinstrumente zum Verkauf an Kunden konzipiert“.7 Dieses muss gem. Art. 16 Abs. 3 UA 3 und 4 MiFID II ein internes Produktgenehmigungsverfahren für neue Produkte und für wesentliche Veränderungen von bestehenden Produkten einführen, welches einen Zielmarkt für Endkunden in der jeweiligen Kundengruppe festlegt. Zugleich sollen die WpDU sicherstellen, dass für diesen Zielmarkt alle Risiken bewertet werden und die beabsichtigte Vertriebsstrategie dem Zielmarkt entspricht. Der Hersteller muss zudem seine Produkte so ausgestalten, dass sie den Bedürfnissen der Kunden innerhalb des festgelegten Zielmarkts entsprechen, Art. 24 Abs. 2 MiFID II. Darüber hinaus treffen den Hersteller sog. after sales Pflichten, die diesem auferlegen das Finanzprodukt „[…] regelmäßig zu überprüfen und dabei alle Ereignisse zu berücksichtigen, die einen wesentlichen Einfluss auf das potentielle Risiko für den bestimmten Zielmarkt haben könnten“8. Damit einhergehend hat der Hersteller zu „[…] beurteilen, ob das Finanzinstrument weiterhin den Bedürfnissen des bestimmten Zielmarkts entspricht und ob die beabsichtigte Vertriebsstrategie immer noch geeignet ist“, Art. 16 Abs. 3 UA 4 MiFID II. Der Hersteller ist zudem verpflichtet, alle relevanten Informationen an den Vertrieb weiterzugeben. Diese Anforderungen werden durch die MiFID II-DLRL weiter konkretisiert. Außerdem hat ESMA Leitlinien zum Product Governance Verfahren herausgegeben.

5

Für detaillierte Ausführungen s. Spindler, FS Köndgen, 616, 626 m.w.N. Geier/Druckenbrodt, RdF 2015, 21, 24; Buck-Heeb, CCZ 2016, 2 „beziehen“. 7 Ausf. zum Begriff „konzipieren“ und dessen Reichweite Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 477 ff. 8 Art. 16 Abs. 3 UA 4 MiFID II. 6

A. Europäische Regelungen

337

II. Anforderungen an den Vertrieb und deren Auswirkungen auf die Anlageberatung 1. MiFID II-Regelungen für den Vertrieb Da die Anlageberatung neben der Geeignetheitsprüfung des Produkts und den Bedürfnissen des Kunden auch den Zielmarkt gem. Art. 24 Abs. 2 MiFID II berücksichtigen muss, muss sich das WpDU an den Vorgaben des Herstellers hierfür orientieren. Allerdings richten sich die neuen Product Governance Pflichten nicht nur an den Hersteller, sondern auch an die „Wertpapierfirma, [die] Finanzinstrumente anbietet oder empfiehlt“9, ohne diese selbst konzipiert zu haben und damit an den reinen Vertrieb. Eine Legaldefinition des Vertriebs enthält die MiFID II nicht.10 a) Direkte Pflichten gem. Art. 16 Abs. 3 UA 6 MiFID II Die Wertpapierfirmen, die Finanzinstrumente anbieten und empfehlen, müssen gem. Art. 16 Abs. 3 UA 6 MiFID II angemessene Vorkehrungen treffen, um die vom Hersteller zur Verfügung gestellten Informationen sachgerecht zu erhalten. Zugleich sollen sie – also die einzelnen Berater – die Merkmale und den bestimmten Zielmarkt jedes Finanzprodukts verstehen. Welche Informationen im Einzelnen weitergegeben werden müssen, legt die Richtlinie ebenso wenig fest, wie sie Aussagen zu den angemessenen Empfangsvorkehrungen trifft. Damit ergeben sich die notwendigen Informationen aus dem Zusammenhang der weiteren Regelungen für den Hersteller. Da der Vertrieb den Zielmarkt bei der Empfehlung eines Produkts berücksichtigen muss, müssen zumindest dieser sowie die entsprechende Vertriebsstrategie weitergegeben werden.11 Um dem Berater das erforderliche Verständnis über den Zielmarkt und die Merkmale des Finanzinstruments zu ermöglichen, müssen zudem Information über die Kriterien zur Bestimmung des Zielmarkts an den Vertrieb übermittelt werden.12 Gleiches gilt für Änderungen aufgrund der erfolgten Überprüfungspflichten. Angemessene Vorkehrungen zum Informationserhalt sind folglich alle Kommunikationsmittel, über die diese Informationen üblicherweise übermittelt werden können – E-Mail, Fax, Brief, Telefon und neuere Kommunikationsmittel bspw. Videokonferenzen. Nach dem Wortlaut des Art. 16 Abs. 3 UA 6 MiFID II muss der Vertrieb jedoch nur angemessene Vorkehrungen zum Erhalt bereithalten. Aus der Formulierung „zu erhalten“ ergibt sich eine passive Verhaltenspflicht des Vertriebs.13 9

Art. 16 Abs. 3 UA 6 MiFID II. Geier/Druckenbrodt, RdF 2015, 21, 24. 11 Vgl. Busch, WM 2017, 409, 413 f. 12 Vgl. Busch, WM 2017, 409, 413. 13 Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 531; a.A. ohne Begründung Pfisterer, Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz, 27, der dem Vertrieb eine Pflicht zur Einholung der Informationen vom Hersteller auferlegen will. 10

338

8. Teil: Product Governance im Vertrieb

Hierfür spricht insb. die vorangegangene Pflicht des Herstellers, dem Vertrieb die notwendigen Informationen zur Verfügung zu stellen. Aus der praktischen Perspektive muss jedoch festgehalten werden, dass dem Hersteller nicht grds. alle Vertriebsstätten bekannt sind, sodass er diesen nicht automatisch die Informationen zukommen lassen kann.14 In einem solchen Fall kann es jedoch nicht ausreichen, wenn der Vertrieb sich darauf berufen darf, dass er über die entsprechenden Kommunikationsmittel verfügt, wenn er feststellt, dass er keine Informationen vom Hersteller bekommt. Um dem Sinn und Zweck der Regelung, einen stärkeren Anlegerschutz zu etablieren und den Vertrieb von unpassenden Produkte an einen Anleger zu verhindern, sollte der Vertrieb verpflichtet werden, bei Nichterhalt zumindest dem Hersteller anzuzeigen, dass er dessen Finanzprodukte vertreibt und dafür entsprechende Informationen benötigt.15 Eine Nachforschungspflicht kann jedoch aufgrund des ausdrücklichen Wortlautes nicht angenommen werden.16 Das WpDU, insb. der Anlageberater, muss den Zielmarkt (Art. 16 Abs. 3 UA 6 MiFID II) sowie die von ihm angebotenen oder empfohlenen Finanzprodukte verstehen, Art. 24 Abs. 2 UA 2 MiFID II.17 Hierbei ist festzuhalten, dass die Richtlinie ausdrücklich das Verständnis des Beraters hinsichtlich des Zielmarkts vorschreibt und die bloße Kenntnis von diesem nicht genügen lässt.18 Folglich muss sich dieser mit dem Zielmarkt und den darin enthaltenen Kundenleitbildern auseinandersetzen. Zugleich muss er beurteilen, ob die Finanzprodukte den Bedürfnissen des Kunden entsprechen und diese im Kundeninteresse liegen sowie den festgelegten Zielmarkt bei der Empfehlung berücksichtigen. Folglich müssen die Berater durch das WpDU im Umgang mit dem Zielmarkt und dessen Bedeutung für ihre Beratungstätigkeit geschult werden.19 b) Anwendbarkeit der weiteren Product Governance Regelungen auf den Vertrieb aa) Überprüfungspflicht gem. Art. 16 Abs. 3 UA 4 MiFID II Gem. Art. 16 Abs. 3 UA 4 MiFID II hat das WpDU, die von ihm angebotenen und vermarkteten Finanzprodukte regelmäßig zu überprüfen. Hier fehlt zwar, wie in Art. 16 Abs. 3 UA 6 S. 1 MiFID II, die Aufzählung der Empfehlung („anbieten und empfehlen“), allerdings bietet auch der Vertrieb Finanzinstrumente an, sodass diese 14

Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 531. Eine Nachfrageobliegenheit für das nationale Recht nach § 33 Abs. 3d S. 1 WpHG annehmend Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 4. 16 A.A. Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 531, der den WpDU auferlegt sich die Informationen zu beschaffen. 17 Für die Vorgaben zum Verständnis der Finanzinstrumente und damit den Qualifikationsanforderungen der Anlageberater s. bereits Teil 4. Teil A.I. 18 I. E. Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 6. 19 Vgl. Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 475. 15

A. Europäische Regelungen

339

Regelung ebenfalls für diesen greift.20 Es ist gerade ein wesentliches Merkmal des Vertriebs, dass dieser dem Endkunden Produkte anbietet bzw. Produkte entsprechend vermarktet. Nicht stichhaltig hingegen sind die Argumente, dass sich sowohl die vorangehenden als auch die nachfolgenden Regelungen an den Hersteller richten21 und die Überprüfungspflicht mit der Formulierung außerdem eingeleitet wird, wodurch ein Bezug zu den vorherigen Pflichten hergestellt würde, die sich sprachlich an den Hersteller richten.22 Denn der Vergleich mit den Vorgaben, die sich ausdrücklich an den Hersteller richten und mit der Formulierung „Wertpapierfirma, die Finanzinstrumente (zum Verkauf an Kunden) konzipiert“ eingeleitet werden, zeigt, dass bewusst eine abweichende Formulierung gewählt wurde. Diese soll vielmehr zum Ausdruck bringen, dass die Überwachungspflicht nicht erst mit dem (konkludenten) Angebot auf Abschluss eines Beratungsvertrags oder eines Kommissionsgeschäftes beginnen soll, sondern bereits mit der Vermarktung und damit der Anwendungsbereich des Vertriebs weit auszulegen ist.23 Dies entspricht dem Anlegerschutzaspekt der Norm. bb) Produktgenehmigungsverfahren gem. Art. 16 Abs. 3 UA 2 MiFID II Da für den Vertrieb die Überwachungspflicht gem. Art. 16 Abs. 3 UA 4 MiFID II anwendbar ist, stellt sich die Frage, ob der Vertrieb auch von der, der Überwachungspflicht zugrundeliegenden Anforderung, der Einführung eines internen Produktgenehmigungsverfahrens, erfasst ist. Eine eigenständige Zielmarktbestimmung durch den Vertrieb ist jedoch abzulehnen. Art. 16 Abs. 3 UA 2 MiFID II statuiert ausdrücklich diese Pflicht nur für Wertpapierfirmen, die Finanzinstrumente zum Verkauf an Kunden konzipieren und damit für den Hersteller. Hiergegen kann auch nicht eingewandt werden, dass durch die Formulierung „außerdem“ des Art. 16 Abs. 3 UA 4 MiFID II, die zuvor ausdrücklich für den Hersteller geltenden Regelungen – einschließlich der Einführung eines Produktgenehmigungsverfahren, welches den Zielmarkt bestimmt – auch für den Vertrieb

20

1727. 21

Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 511; Busch, WM 2017, 409, 414; Lange, DB 2014, 1723,

Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 7. Offen lassend Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 7. 23 Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn 511, der den Anwendungsbereich der Regelungen für den Vertrieb an dieses Merkmal anknüpft. 22

340

8. Teil: Product Governance im Vertrieb

anwendbar sind.24 Eine solche Interpretation geht auch nicht aus der englischen Fassung (also) oder der französischen Fassung (aussi) hervor. Vielmehr trennt die Regelung sprachlich klar und ausdrücklich bei der Festlegung der Pflicht zwischen den beiden Wertpapierfirmen. Entweder die Regelung andressiert eine Wertpapierfirma, die Finanzinstrumente konzipiert oder eine Wertpapierfirma, die Finanzinstrumente anbietet oder empfiehlt, jedoch nicht konzipiert hat. Einer solchen Unterscheidung hätte es nicht bedurft, wenn grds. sowohl für den Hersteller als auch für den Vertrieb sämtliche Product Governance Regelungen anwendbar sein sollten. Diese klare Trennung kann nicht durch die Einführung des Wortes „außerdem“ aufgehoben werden. Da der Wortlaut als äußerste Grenze der Auslegung gilt, können darüber hinausgehende Regelungen, die zwar den ursprünglichen Zweck fördern, nicht abgeleitet werden. Art. 16 Abs. 3 UA 2 MiFID II ist somit nicht für den Vertrieb anwendbar. Zwar würde eine solche Bestimmung durch den Vertrieb das Ziel der Regelung stärker umsetzen, da der Vertrieb aufgrund des direkten Kundenkontakts und den daraus resultierenden Informationen diesen konkreter bestimmen kann.25 Jedoch ist es ausreichend, wenn der Vertrieb seinen eigenen Kundenstamm untersucht und anhand dieser Daten den vom Hersteller vorgegebenen Zielmarkt konkretisiert. cc) Inhaltliche Anforderungen der Überprüfungspflicht gem. Art. 16 Abs. 3 UA 4 MiFID II (1) Regelmäßige Überprüfung: Zeitpunkt Eine genaue zeitliche Vorgabe, wann die regelmäßige Prüfung vorzunehmen ist, enthält die Richtlinie nicht.26 Auch erschließt sich aus dem Zusammenhang noch nicht, wie die Ereignisse zu bestimmen sind und ob bei Bekanntwerden eines solchen Ereignisses eine Überprüfung eingeleitet werden muss. Nur so könnte der Anlegerschutz in der Form, dass keine ungeeigneten Produkte auf den Markt, bzw. an die falsche Kundengruppe gelangen, erreicht werden. Anderenfalls würde die jährliche Prüfung ein Ereignis nicht berücksichtigen und damit den Anforderungen nicht gerecht werden, wenn dieses erst kurz nach der Prüfung stattfinden würde. Dieses würde erst bei der nächsten Prüfung im darauffolgenden Jahr berücksichtigt. Müsste aufgrund dieses Ereignisses der Zielmarkt oder die Vertriebsstrategie geändert werden, so wäre dieses Produkt ein knappes Jahr lang „falsch“ vertrieben worden. Dementsprechend müsste eine grds., regelmäßige Überprüfung ohne Anlass ein24

So aber Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 517; ohne Begründung nur mit Verweis auf ESMAs Consultation Paper dies annehmend Pfisterer, Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz, 27. 25 s. hierzu ESMA 8. Teil A.II.2.a)bb). 26 Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 528.

A. Europäische Regelungen

341

geführt werden sowie eine Überprüfungspflicht bei Vorliegen eines Ereignisses. Der Rhythmus der regelmäßigen Überprüfungspflicht sollte abhängig von der Risikogeneigtheit der Finanzinstrumente gewährleistet werden, da letztlich risikobeeinflussende Ereignisse bei der Überprüfung berücksichtigt werden müssen.27 Mithin sollten risikoreiche Produkte häufiger überprüft werden.28 (2) Regelmäßige Überprüfung: Dauer Auch hinsichtlich der Zeitspanne, in der ein Produkt überprüft werden muss, macht die MiFID II keine Aussagen. Die Überprüfungspflicht endet denknotwendig mit dem Ende der Laufzeit des Finanzinstruments, da dieses nach Ablauf nicht mehr vertrieben wird.29 In jedem Fall muss die Produktbeobachtungspflicht enden, wenn kein Kunde ein solches mehr hält und das WpDU dieses Produkt auch nicht mehr vertreibt. Solange das WpDU jedoch ein Produkt unabhängig davon anbietet und vermarktet, ob einer ihrer Kunden ein solches hält, braucht es die durch die Überprüfung gewonnenen Informationen zur Beurteilung, ob der Zielmarkt für die potentiellen Kunden noch passend ist.30 Nimmt ein WpDU ein Produkt aus dem Programm, ist offen, ob die Pflicht noch fortbesteht, wenn Kunden des WpDU dieses weiterhin halten. Der Kunde hätte in diesem Fall jedoch nur einen Vorteil von der weiteren Überprüfungspflicht des WpDU, wenn dieses verpflichtet wäre, dem Kunden die Veränderungen im Zielmarkt oder in der Vertriebsstrategie mitzuteilen.31 Eine solche Pflicht ist in den Regelungen der MiFID II jedoch nicht enthalten.32 Sie mag aus Anlegerschutzaspekten grds. dem Ziel, keine unpassenden Finanzprodukte an die Kunden zu vertreiben, helfen, jedoch entspricht sie nicht dem Konzept der Anlageberatung, welche mit der Abgabe der Empfehlung endet. Ebenso ist der Vertrieb als solches mit Verkauf und Übereignung des Produkts abgeschlossen. Eine solche Informationspflicht kann nur im Rahmen von zivilrechtlichen Vereinbarungen statuiert werden. Eine Informationspflicht des WpDU gegenüber dem Kunden, dass sich der Zielmarkt des von ihm gehaltenen Produkts verändert hat und dieses deshalb nicht mehr seiner Kundengruppe entspricht, besteht folglich nicht.33 Mithin endet die Überprüfungspflicht des WpDU, wenn dieses das Produkt nicht mehr vertreibt, obwohl Kunden dieses weiter halten.34

27 28 29 30 31 32 33 34

Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 521. Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 521. Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 522. Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 522. Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 522. Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 522. Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 522. Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 522.

342

8. Teil: Product Governance im Vertrieb

(3) Maßnahmen bei negativem Prüfergebnis (a) Mitteilungspflicht an den Hersteller? Hat der Vertrieb bei der Überprüfung des Zielmarkts festgestellt, dass dieser nicht mehr den Bedürfnissen gerecht wird, oder dass die Vertriebsstrategie nicht mehr sachgerecht ist, so ist fraglich, ob der Vertrieb diese Ergebnisse dem Hersteller mitteilen muss. Eine Informationspflicht des Herstellers an den Vertrieb lässt sich aus Art. 16 Abs. 3 UA 5 MiFID II ableiten, da der Hersteller dem Vertrieb alle wesentlichen Informationen zukommen lassen muss. Diese richtet sich jedoch ausdrücklich an Wertpapierfirmen, die Finanzprodukte konzipieren.35 Eine generelle Mitteilungspflicht von sämtlichen Verkaufsinformationen des Vertriebs an den Hersteller kann daraus nicht abgeleitet werden. Vorsorglich sei an dieser Stelle angemerkt, dass hier insb. sowohl datenschutzrechtliche Maßnahmen zum Schutz der Kundendaten berücksichtigt werden müssten, als auch wettbewerbsrechtliche Aspekte bei der Weitergabe von Marktbewertungen, die regelmäßig der Einordnung der potentiellen Risiken zugrunde liegen.36 Eine Mitteilungspflicht scheidet in jedem Fall dann aus, wenn der Vertrieb aufgrund seiner eigenen Erkenntnisse über seine Kunden den vorgegebenen Zielmarkt weitergehend eingeschränkt hat und sich nun dieser engere Zielmarkt nicht mehr als passend herausstellt.37 Diese Information hätte keinen Mehrwert für den Hersteller, da dieser weiterhin an seinem Zielmarkt festhalten könnte. Anders ist dies, wenn der vom Hersteller festgelegte Zielmarkt nicht mehr passend ist, da der Hersteller eine solche Information bei der Konzeption seiner Finanzprodukte berücksichtigen muss. Die MiFID II legt diesem ebenfalls die Prüfpflicht auf, erklärt jedoch nicht, woher der Hersteller seine Informationen beziehen soll, wenn nicht auch über den Vertrieb.38 Allgemein dürfte der Hersteller ausschließlich Angaben zum Volumen der gehaltenen Produkte der Endinvestoren besitzen, aber keine Angaben, wer diese tatsächlich hält bzw. um welche Kundengruppe es sich dabei handelt.39 Werden diese Informationen vom Vertrieb an den Hersteller übermittelt, ließe sich daraus ein erster, grober Vergleich des angestrebten und des tatsächlichen Zielmarkts ziehen, sodass diese Informationen durchaus einen Mehrwert für den Hersteller haben.40 Deshalb sollte zumindest eine Hinweispflicht des Vertriebs an den Hersteller eingeführt werden.41 Sowohl aus Anlegerschutzaspekten als auch aus praktischen Erwägungen sollte der Gesetzgeber zu diesem Punkt ausdrücklich Stellung nehmen. 35

Eine solche Pflicht für WpDU ablehnend Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 524. Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 524. 37 Vgl. Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 262. 38 Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 8. 39 Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 524. 40 A.A. Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 524. 41 Eine Informationspflicht des Vertriebs gegenüber dem Hersteller annehmend Lange, DB 2014, 1723, 1727 f. 36

A. Europäische Regelungen

343

(b) Handlungsalternativen Die Überprüfungspflicht des Art. 16 Abs. 3 UA 4 MiFID II statuiert keine Handlungsanweisungen, wie die Unternehmen vorgehen müssen, wenn sie feststellen, dass der Zielmarkt nicht mehr korrekt bestimmt ist oder die Vertriebsstrategie nicht mehr zu dem festgelegten Zielmarkt passt. Die alleinige Statuierung einer Überwachungspflicht ohne daraus resultierende Handlungsverpflichtungen verwirklicht nicht das Ziel, nur passende Produkte auf den Markt zu bringen und an die relevanten Endkundengruppen zu vertreiben. Mithin müssen die Zielmärkte, bzw. auch die Produktüberwachungsmaßnahmen ggf. angepasst werden.42 Ggf. müssten Produkte auch für bestimmte Zielmärkte ausgeschlossen oder nur noch mit einer entsprechenden Beratung vertrieben werden.43 Daher wäre es sinnvoll eine Klarstellung einzufügen, welche Maßnahmen die WpDU ergreifen müssen, wenn sie ein „Fehllaufen“44 der Finanzinstrumente feststellen.45 Da es sich um eine große Anzahl unterschiedlicher Situationen handelt und die WpDU dennoch flexible Handlungsmöglichkeiten benötigen, wäre ein Maßnahmenkatalog mit möglichen Beispielhandlungen als Rahmengerüst wünschenswert. c) Das Merkmal des Zielmarkts aa) Inhaltsbestimmung Wie der Zielmarkt durch die WpDU bestimmt werden soll, erläutert die MiFID II nicht. Aus Art. 24 Abs. 2 MiFID II, der dessen Berücksichtigung bei der Empfehlung neben der Geeignetheitsprüfung vorschreibt, zeigt sich jedoch, dass diese beiden Voraussetzungen unabhängig voneinander bestehen.46 Dafür spricht ebenfalls ErwG. 71 MiFID II. Dies ergibt sich auch aus den jeweiligen Anforderungen der Prüfungen. Während für die Geeignetheitsprüfung das Produkt speziell für den einzelnen Kunden kritisch beurteilt und dabei der Zielmarkt berücksichtigt wird, wird bei der Zielmarktbestimmung das Produkt allgemein für Kundengruppen geprüft. Der Zielmarkt kann als „Minus“47 zur Geeignetheitsprüfung beschrieben werden, da dieser allgemeiner festgelegt wird.48 Eine schlichte Aufteilung der Produkte in die bereits bestehenden Anlegerkategorien ist nach zuvor Festgestelltem jedenfalls nicht ausreichend.49 Eine Definition oder einzelne Kriterien in Form einer nicht abschließenden Liste wären für die Praxis jedoch sehr hilfreich. 42 So ohne Begründung Busch, WM 2017, 409, 415; s. für diese und weitere Maßnahmen Buck-Heeb, ZHR 179 (2015), 782, 808. 43 Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 7; Ritz, in: J/V/R/B, WpHG, Einleitung Rn. 81. 44 Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 8. 45 Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 8. 46 I. E. Busch, WM 2017, 409, 415. 47 s. zum Begriff des „Minus“ Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 9. 48 Vgl. Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 9. 49 Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 6.

344

8. Teil: Product Governance im Vertrieb

bb) Berücksichtigung des Zielmarktkriteriums in der Anlageberatung (1) Verkauf außerhalb des Zielmarkts ohne Empfehlung Grds. kann dem Anleger nicht verboten werden ein Produkt zu erwerben, welches nicht seine Kundengruppe als Zielmarkt ausweist.50 So gilt auch bislang, dass dem Kunden zwar keine unpassenden Produkte in der Beratung empfohlen werden dürfen,51 aber durchaus unter gewissen Voraussetzungen verkauft werden können. Nichts Anderes kann hinsichtlich der Zielmarktbestimmung gelten, da keine Gründe für eine unterschiedliche Handhabung ersichtlich sind. Es ist die freie Entscheidung des Kunden, welche Produkte er erwirbt. Allerdings trifft das WpDU in diesem Falle ebenfalls eine Warnpflicht darüber, dass keine Beratung erfolgte oder das Produkt nicht seinem Zielmarkt entspricht, gem. Art. 24 Abs. 2 S. 2 MiFID II.52 (2) Empfehlung außerhalb des Zielmarkts Da Art. 24 Abs. 2 MiFID II nur vorschreibt, dass der Zielmarkt berücksichtigt wird und das Produkt den Interessen des Kunden entsprechen soll, stellt sich die Frage, ob die Zielmarktangabe für die WpDU bei der Beratung zwingend ist, oder ob sie auch außerhalb des Zielmarkts Produkte empfehlen dürfen, bzw. ob sie dann eine Warnpflicht gegenüber dem Kunden trifft. Nach den zuvor dargestellten Anforderungen, muss sich der Vertrieb anhand des vom Hersteller festgelegten Zielmarkts orientieren und unternimmt dabei eine eigenständige Bewertung hinsichtlich seiner Kundengruppen. Dadurch trifft er praktisch eine Vorsortierung, welche Produkte für welche Kundengruppe in Betracht kommen.53 Diese und damit auch der Zielmarkt des Herstellers, müssen bei der Beratung berücksichtigt werden. Die Zielmarktbestimmung und die Zuordnung eines Kunden zu diesem Zielmarkt, bzw. zu einer dem Zielmarkt entsprechenden Endkundengruppe, ersetzen jedoch nicht die Geeignetheitsprüfung, sodass sich auch einzelne Produkte innerhalb dieser Vorsortierung nach eingehender Prüfung der persönlichen Anforderungen des Anlegers als ungeeignet erweisen können. In diesem Falle wäre eine Empfehlung trotz der Einhaltung des vom Hersteller festgelegten Zielmarkts fehlerhaft. Die Einhaltung des Zielmarkts führt nicht zwangsläufig zu einer geeigneten Empfehlung. Aus dem Fall, dass das Produkt zwar dem Zielmarkt des Kunden entspricht, aber für ihn persönlich dennoch nicht geeignet ist, kann jedoch nicht zwangsläufig ein Fehler abgeleitet werden. Die MiFID II-Regelung spricht nur von der Berücksichtigung des Zielmarkts und statuiert folglich kein Verbot der Empfehlung eines Produkts außerhalb dieser Kategorisierung. Die Einbeziehung eines Produkts, 50 51 52 53

Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 7; Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 537. Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 7. Nur allgemeine Warnpflicht Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 537. Lange, DB 2014, 1723, 1727; Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 536.

A. Europäische Regelungen

345

welches nicht den Zielmarkt des einzelnen Kunden ausweist, ist auch deshalb nicht „gefährlich“ für den Kunden, da dieses nur dann empfohlen darf, wenn die strenge Geeignetheitsprüfung für das einzelne Produkt positiv ausfällt. So stellt der Zielmarkt immer noch eine gröbere Gliederung der Anforderungen dar, als die Überprüfung der Geeignetheit eines Produkts für den jeweiligen Kunden. Dabei lassen sich auch nicht alle Kunden ganz exakt in die von dem Hersteller erarbeiteten Zielmärkte und deren zugeordneten Produkte eingliedern. Weist ein Produkt grds. risikoarme Strukturen auf, kann dieses dennoch eine optimale Wirkung in dem Portfolio eines risikofreudigen Anlegers erzielen.54 Letztlich kann es nur auf die für den einzelnen Kunden abgestimmte Eignung eines jeden Produkts ankommen, da jeder Anleger und seine Anlagesituation individuell sind. Eine Beschränkung der Empfehlung dahingehend, dass ausschließlich Produkte, die dem des jeweiligen Kunden zugeordneten Zielmarkts entsprechen, empfohlen werden dürfen, ist damit nicht notwendig.55 Vielmehr bietet der Zielmarkt eine Einstufungs- und Beurteilungshilfe bei der Beratung. Für dieses Verständnis streitet auch ErwG. 71 MiFID II, der ausdrücklich festlegt, dass die Anlageberatung nicht durch das Produktgenehmigungsverfahren beeinflusst werden soll.56 Allerdings dürften diese Fälle eher die Ausnahme sein und dem Berater ist an dieser Stelle ganz besonders zu empfehlen, ausf. zu dokumentieren, warum er diesem Kunden ein Produkt, welches eigentlich einem anderen Zielmarkt zugeordnet worden ist, empfiehlt bzw. warum dieses für ihn geeignet ist. (3) Hinweispflicht bei Empfehlung außerhalb des Zielmarkts Wird ein Produkt außerhalb des festgelegten Zielmarkts empfohlen, so könnte den Berater eine Hinweispflicht treffen. Gem. Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. b) MiFID II müssen dem Kunden Informationen über das Finanzinstrument und die vorgeschlagene Anlagestrategie zur Verfügung gestellt werden (s. 7. Teil A.I.1.). Die Informationen über das Finanzinstrument müssen den Anleger insb. über die mit der Anlage verbundenen Risiken aufklären sowie darüber, ob das Finanzinstrument für Kleinanleger oder professionelle Kunden bestimmt ist. Folglich muss der Zielmarkt bei der Aufklärung des Kunden berücksichtigt werden. Da der Kunde auch über mögliche Risiken aufgeklärt werden muss, ist ihm mitzuteilen, wenn das Produkt ursprünglich für einen anderen Kundenkreis oder für einen anderen Zielmarkt bestimmt war. Zwar kann der Erwerb des Produkts in seinem Interesse liegen, jedoch hat die vorherige Einstufung des Zielmarkts gewisse Risiken berücksichtigt und deshalb die Kundengruppe bestimmt, sodass diese Information für den Kunden außerhalb des ur54

Ähnlich Buck-Heeb, ZHR 179 (2015), 782, 808. I. E. Buck-Heeb, ZHR 179 (2015), 782, 808, da eine nicht-zielmarktkonforme Anlage nicht zwangsläufig den Interessen des Anlegers zuwiderlaufen müsse; dies., CCZ 2016, 2, 9 allerdings für die Regelung in § 33 Abs. 3d S. 1 WpHGneu; a.A. Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 262, die eine Empfehlung außerhalb des Zielmarkts von Anfang an als unzulässig erachten, da diese nicht den identifizierten Bedürfnissen entspreche. 56 Spindler, FS Köndgen, 616, 626. 55

346

8. Teil: Product Governance im Vertrieb

sprünglichen Zielmarkts besondere Bedeutung haben kann und besonders berücksichtigt werden muss. Nicht zuletzt soll der Kunde durch die Information aus Art. 24 Abs. 4 S. 2 lit. b) MiFID II eine informierte Anlageentscheidung treffen, Art. 24 Abs. 5 MiFID II. Eine solche enthält auch die Berücksichtigung des abweichenden Zielmarkts. Eine Unterscheidung, ob nur von der Zielmarktvorgabe des Herstellers oder von der intern im Vertrieb vorgenommenen Konkretisierung anhand der eigenen Kundenstruktur abgewichen wurde, ist für das Bestehen der Hinweispflicht irrelevant.57 In beiden Fällen sollte der Kunde aufgeklärt werden, da hier eine von der generellen Risikoeinschätzung differierende, persönlich auf den Kunden zugeschnittene Entscheidung getroffen wird. d) Zwischenfazit Es zeigt sich, dass die Richtlinie sehr weit gefasst ist und einige Fragen nur im Wege der Auslegung beantwortet werden können, so bspw. zur Anwendbarkeit des Produktgenehmigungsverfahrens und der Überwachungspflicht für den Vertrieb. Andere Fragen, bspw. die Hinweispflicht des Vertriebs an den Hersteller bzw. welche Handlungsmaßnahmen bei negativen Überprüfungsergebnissen ergriffen werden müssen, bleiben offen. Hier müssen insb. die delegierten Rechtsakte, bzw. Level-3Maßnahmen weitere Konkretisierungen im Sinne der Richtlinie herbeiführen. Bereits auf der Ebene der MiFID II-Regelungen zeigt sich, dass die Zielmarktvorgaben zwar unabhängig von der Anlageberatung ausgestaltet wurden, aber dennoch eine wesentliche Rolle hinsichtlich der Produktauswahl und der Eignungsbeurteilung für den jeweiligen Kunden, übernehmen. Nicht zuletzt steigert dieser unter Umständen die Dokumentations- und Informationspflichten des einzelnen Beraters. Damit handelt es sich bei der Zielmarktbestimmung nicht ausschließlich um eine im Vorfeld der Anlageberatung stattfinde Regelung, sondern hat auch auf diese entsprechende Auswirkungen. 2. Konkretisierte Anforderungen durch die delegierten Rechtsakte Art. 16 Abs. 12 MiFID II ermächtigt die Kommission zum Erlass von delegierten Rechtsakten i.S.d. Art. 89 MiFID II. Hierzu hatte die Kommission ESMA beauftragt, Vorschläge zu erarbeiten. a) ESMAs Vorschläge an die Kommission ESMA hat der Kommission detaillierte Vorschläge übersandt, die einige der zuvor aufgezeigten Probleme aufgreifen und Lösungsansätze bieten. In diesen stützt ESMA sich unter anderem auf das von allen drei europäischen Aufsichtsbehörden

57

A.A. Roth/Blessing, CCZ 2016, 258, 262.

A. Europäische Regelungen

347

(ESMA, EIOPA und EBA) gemeinsam herausgegebene Positionspapier „Manufacturers’ Product Oversight and Governance Processes“.58 aa) Keine Definition Vorab bleibt festzuhalten, dass auch ESMAs Vorschläge keine Definition des Herstellers oder des Vertriebs enthalten. Nach Ansicht von ESMA ist hier ein weites Verständnis anzuwenden, sodass unter den Vertrieb alle Wertpapierfirmen fallen, die Finanzprodukte und Dienstleistungen anbieten oder empfehlen.59 Damit wird der Vertrieb nicht näher bestimmt, als sich dies aus der Richtlinie ergibt. Auch schlägt ESMA keine Angaben oder Anforderungen für die Zielmarktbestimmung vor. Sie stellt aber das hier bereits zur Richtlinie aufgezeigte Verhältnis der Zielmarktbestimmung und der Geeignetheitsprüfung heraus, indem sie deutlich angibt, dass die Zielmarktbestimmung die Geeignetheitsprüfung nicht ersetzt.60 bb) Zielmarktbestimmung des Vertriebs ESMA statuiert in ihren Vorschlägen die Pflicht des Vertriebs – trotz des zuvor untersuchten ausdrücklichen Wortlautes der Richtlinie – einen eigenen Zielmarkt und eine eigene Vertriebsstrategie aus den Vorgaben des Herstellers zu bestimmen.61 Der Vertrieb verfüge über genauere Informationen aufgrund seiner Kundenähe.62 Ist der Hersteller zugleich auch Vertreiber des Finanzprodukts, so obliegen ihm nicht die doppelten Anforderungen.63 Folglich muss der Vertrieb nach Ansicht von ESMA auch seinen eigenen Zielmarkt beobachten, bzw. überprüfen.64 Die Festlegung eines Zielmarkts ist zwar grds. eine mögliche und auch praktische Methode, um die Erkenntnisse des Vertriebes über den jeweiligen Kundenstamm einzubeziehen, jedoch wäre der Abgleich des Herstellerzielmarkts mit den eigenen Informationen wesentlich milder und würde zu ähnlichen Ergebnissen führen. Zumal der Vertrieb ohnehin bei jeder Einführung eines neuen Produkts zuvor überlegen wird, ob das Produkt überhaupt in sein Sortiment und zu seinem Kundenstamm passt. Eine Verpflichtung, einen vollständig neuen Zielmarkt anhand der Vorgaben des Herstellers zu entwickeln, geht jedoch weit über die Anforderungen hinaus. 58

ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 49, Nr. 3 i); s. dazu auch Buck-Heeb, ZHR 179 (2015), 782, 794. 59 ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 51, Nr. 4; Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 511. 60 ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 51, Nr. 5. 61 ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 59, TA Nr. 21; vgl. Beule, in: MiFID II/MiFIR, Rn. 518; Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 6. 62 ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 52, Nr. 6, S. 59, TA Nr. 21; vgl. Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 6. 63 ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 52, Nr. 6; Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 6, 9. 64 ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 60, TA Nr. 23, 24.

348

8. Teil: Product Governance im Vertrieb

cc) Kommunikation zwischen Vertrieb und Hersteller ESMA statuiert, anders als in der Richtlinie vorgesehen, eine periodische Informationspflicht des Vertriebs über dessen Produkterfahrungen an den Hersteller.65 ESMA nutzt damit einen Gestaltungsspielraum aus, der durch das LamfalussyVerfahren, als Verfahren über mehrere Ebenen, entsteht. Zwar sollen weder ESMA noch die Kommission politische oder strategische Entscheidungen treffen,66 jedoch dürfen die delegierten Rechtsakte i.S.d. Art. 290 Abs. 1 AEUV die vorrangigen Rechtsakte mit Gesetzescharakter, also die MiFID II, modifizieren und ergänzen.67 Dem Rat und dem Europäischen Parlament steht deshalb ein Zurückweisungsrecht zu. Vorliegend hatte die Kommission noch die Möglichkeit, ESMAs weitergehende Vorschläge zu verändern, oder der Rat und das Parlament hätten die Entwürfe der Kommission ablehnen können. ESMA erweitert auch nur die Anforderungen, da in der MiFID II zumindest eine Hinweispflicht bei negativem Prüfergebnis angelegt ist. Allerdings beschränkt ESMA die periodische Informationspflicht auf Informationen, die den Hersteller bei seinen Überwachungspflichten unterstützen.68 So müssen nicht sämtliche Verkäufe gemeldet und auch nur wesentliche Ereignisse zusammengefasst dargestellt werden. Daraus ergibt sich, dass bei fehlenden Vorkommnissen auch keine Mitteilung gemacht werden muss. Der Kerngedanke, der bereits in der Richtlinie angelegt ist, bleibt damit erhalten. Allerdings birgt die von ESMA vorgesehene periodische Pflicht dennoch einen hohen administrativen Aufwand und damit einhergehend hohe Kosten für den Vertrieb. dd) Kein Maßnahmenkatalog ESMA spricht sich, entgegen der hier zuvor vertretenen Auffassung, dagegen aus, einen Maßnahmenkatalog für den Fall von negativen Prüfergebnissen als Handlungsvariante festzulegen, damit die Firmen weiterhin flexibel agieren können.69 Eine Flexibilität wäre jedoch auch durch einen Beispielkatalog mit gewissen Grundanforderungen wie der Informationspflicht möglich gewesen und weniger einschneidend als die Festlegung einer periodischen Informationspflicht. Die Festlegung dieser Pflicht auf der einen Seite und die fehlenden Handlungsmöglichkeiten auf der anderen Seite sind zudem inkonsistent.

65

ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 54, Nr. 14, S. 60, TA Nr. 25; Beule, in: MiFID II/ MiFIR, Rn. 524; Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 7. 66 Art. 10 Abs. 1 UA 2 ESMA-VO; Walla, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Kap. § 11 Rn. 66; Baur/Boegl, BKR 2011, 177, 183. 67 Baur/Boegl, BKR 2011, 177, 183; Hitzer/Hauser, BKR 2015, 52, 54. 68 ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 54, Nr. 14. 69 ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 55, Nr. 17.

A. Europäische Regelungen

349

ee) Vertrieb außerhalb des Zielmarkts Weiterhin hält ESMA fest, dass die Produkte auch außerhalb des vom Hersteller festgelegten Zielmarkts vertrieben werden können.70 Hinsichtlich der Empfehlung außerhalb des Vertriebszielmarkts äußert sich ESMA nicht. ESMA erklärt nur, dass der Vertrieb dafür Sorge zu tragen habe, dass er die Anforderungen für den Vertrieb erfüllt und das Produkt für den Kunden geeignet bzw. angemessen ist.71 Sollten die WpDU einen Trend zur Veräußerung außerhalb des Zielmarkts feststellen, müssen sie notwendige Maßnahmen ergreifen.72 Damit erlaubt auch ESMA eine Empfehlung außerhalb des Zielmarkts in besonderen Fällen, wenn das Produkt für den einzelnen Kunden geeignet ist. b) Die Regelungen des Art. 10 MiFID II-DLRL Die Kommission hat überwiegend die Anforderungen von ESMA übernommen. aa) Kein eigenständiger Zielmarkt des Vertriebs Art. 10 Abs. 1 UA 3 MiFID II-DLRL statuiert für den Vertrieb, dass dieser einen Zielmarkt festlegen muss, wenn dieser vom Hersteller nicht abgegrenzt wurde. Grds. ist der Zielmarkt durch den Vertrieb aufgrund der Informationen des Herstellers und der eigenen Informationen über die Kunden zu entwickeln, Art. 10 Abs. 2 UA 4 MiFID II-DLRL. In ihrer schriftlichen Stellungnahme73 vom 13. 05. 2016 gegenüber dem europäischen Parlament stellt die Kommission eindeutig klar, dass sie mit dieser Formulierung gerade nicht den Vertrieb verpflichten will, einen eigenständigen Zielmarkt festzulegen und ein eigenes internes Produktgenehmigungsverfahren zu etablieren.74 Der Vertrieb soll nur den vorgegebenen Zielmarkt mit seinen Informationen aus der Kundenbeziehung verfeinern (to refine). Während der Hersteller den Zielmarkt bestimmt, soll der Vertrieb bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Produkt auf die finanziellen Bedürfnisse eines einzelnen Kunden ausgerichtet ist, auf den relevanten Zielmarkt achten. Diese Verpflichtung entsteht gem. Art. 24 Abs. 2 UA 2 und Art. 9 Abs. 3 S. 2 lit. b) MiFID II. Diese Ansicht entspricht der hier zuvor dargestellten Auffassung, dass die Anforderung zur Bildung eines eigenständigen Zielmarkts durch den Vertrieb keine Rechtsgrundlage in der MiFID II erfährt. Re-

70

ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 55, Nr. 18. ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 55, Nr. 18. 72 ESMA, Final Report, Kap. 2.7, S. 55, Nr. 18. 73 Europäische Kommission, Schriftliche Stellungnahme auf die Anfragen von Markus Ferber EPP, Mitglied des ECON-Ausschusses, v. 13. 05. 2016. 74 Europäische Kommission, Schriftliche Stellungnahme auf die Anfragen von Markus Ferber EPP, Mitglied des ECON-Ausschusses, v. 13. 05. 2016; ebenso DK, Stellungnahme zu ESMAs Product Governance Richtlinien Vorschlägen, S. 3, 9. 71

350

8. Teil: Product Governance im Vertrieb

gelungen zum Umgang mit dem Vertrieb außerhalb des angegebenen Zielmarkts enthält die MiFID II-DLRL nicht. bb) Die Produktüberwachungsanforderung In Art. 10 Abs. 2 MiFID II-DLRL setzt die Kommission ESMAs Vorschlag zu Produktüberwachungsmaßnahmen des Vertriebs um. Diese müssen sicherstellen, dass die Produkte den Bedürfnissen, den Merkmalen und den Zielen eines Zielmarkts gerecht werden. Hierfür muss das WpDU die Situation und die Bedürfnisse ihrer Kunden ermitteln und bewerten und eine Beeinträchtigung der Kundeninteressen durch finanziellen bzw. kommerziellen Druck vermeiden. Die Produktüberwachungsmaßnahmen müssen regelmäßig überprüft werden, Art. 10 Abs. 4 MiFID IIDLRL. Zugleich muss untersucht werden, ob das Produkt noch mit den Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen des bestimmten Zielmarkts vereinbar ist und dass die Vertriebsstrategie dem bestimmten Zielmarkt entspricht, Art. 10 Abs. 5 MiFID IIDLRL. Die MiFID II-DLRL legt auch den bislang fehlenden Überprüfungszeitpunkt fest. Eine Überprüfungspflicht des Zielmarkts entsteht gem. Art. 10 Abs. 5 MiFID IIDLRL immer dann, wenn dem WpDU bewusst wird, dass der Zielmarkt nicht richtig bestimmt wurde oder, dass das Produkt oder die Dienstleistung dem Zielmarkt nicht mehr gerecht wird. Als Bsp. führt die Kommission die Illiquidität bzw. hochgradige Volatilität an. Damit gelten hier die allgemeinen Wissenszurechnungsregelungen für die Kenntnis des WpDU von diesen Veränderungen.75 Zugleich statuiert hier die Kommission richtigerweise eine ad-hoc-Überprüfungspflicht bei Bekanntwerden dieser Änderungen. cc) Die Informationspflicht Gemäß Art. 10 Abs. 9 MiFID II-DLRL muss der Vertrieb dem Hersteller Informationen über die Verkäufe übermitteln. Zusätzlich sollen dem Hersteller, wenn angebracht, Informationen über die Überprüfungen des Zielmarkts bzw. der Vertriebsstrategie übermittelt werden, um die vom Hersteller durchgeführten Produktüberprüfungen zu unterstützen. Folglich statuiert die Kommission hier, wie zuvor vorgeschlagen, eine Hinweispflicht bei negativen Überprüfungsergebnissen. Zugleich legt sie dem Vertrieb aber, wie von ESMA vorgesehen, eine allgemeine Informationspflicht auf, die so nicht in der MiFID II angelegt war. Im Vergleich mit der Formulierung „sofern angebracht“ für die Informationspflicht über die Überprüfungsergebnisse, ist diese auch nicht anlassbezogen, sondern sowie von ESMA vorgesehen als regelmäßige Pflicht ausgestaltet. Genauere zeitliche Angaben finden sich jedoch auch in der MiFID II-DLRL nicht. Mangels gegenteiliger Ausführungen sind für die inhaltliche Bestimmung dieser Regelung die Überlegungen von ESMA 75

Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 7.

A. Europäische Regelungen

351

heranzuziehen, dass nur die für den Hersteller nützlichen Informationen und auch in Zusammenfassung weitergeleitet werden müssen. c) Zwischenfazit Mithin konkretisiert die MiFID II-DLRL einige zuvor offene Punkte der Artt. 16 Abs. 3, 24 Abs. 2 MiFID II. Richtigerweise stellt die Kommission klar, dass der Vertrieb, entgegen ESMAs Vorschlägen, keinen eigenen Zielmarkt und keine eigene Vertriebsstrategie entwickeln muss. Er muss nur den vom Hersteller vorgegebenen Zielmarkt mit eigenen Informationen über den jeweiligen Kunden anreichern und bei der Empfehlung des Produkts berücksichtigen. Weiterhin offen bleibt die Frage, wie lange die Überprüfungspflicht besteht und wie der Zielmarkt in der Anlageberatung berücksichtigt werden muss. Auch eine genaue Definition der betroffenen Akteure, der neuen Pflichten sowie Merkmale zur Bestimmung des Zielmarkts fehlen. Letztere sind jedoch für die Praxis besonders bedeutend und bereiten Schwierigkeiten bei der Umsetzung dieser Vorgaben. 3. ESMA-Leitlinien als Level-3-Maßnahme ESMA hat am 05. 10. 2016 einen ersten Entwurf für Leitlinien gem. Art. 16 Abs. 11 ESMA-VO zu den Anforderungen an die Produktüberwachung (Product Governance) zur Konsultation veröffentlicht, in welchem sie nähere Bestimmungen für die Verwaltungspraxis festlegen möchte.76 Diesem folgte am 02. 06. 2017 der Final-Report, der nur an einigen Stellen Änderungen vornimmt. Dieser wird nun innerhalb der nächsten 2 Monate in die jeweilige Sprache der Mitgliedstaaten übersetzet und die nationalen Aufsichtsbehörden zeigen ESMA an, ob sie die Leitlinien befolgen werden. Es ist zu erwarten, dass die BaFin auch hier die Leitlinien als Maßstab übernimmt. ESMA definiert in den Leitlinien den Vertrieb als WpDU, welches einem Kunden Finanzprodukte oder Wertpapierdienstleistungen anbietet, empfiehlt oder verkauft.77 Hieraus ergeben sich folglich keine Konkretisierungen. a) Die Zielmarktbestimmung ESMA stellt in ihren Leitlinien insb. ihre Auffassung zum Zielmarkt und dessen Anforderungen dar, sodass sich hieraus weitere Anforderungen für die Anlageberatung ergeben könnten.

76

ESMA, Draft Guidelines on MiFID II product governance requirements. ESMA, Draft Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 21 Nr. 6; ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 32 Nr. 6. 77

352

8. Teil: Product Governance im Vertrieb

Während ESMA in ihrem Leitlinien-Entwurf weiterhin an ihrer Auffassung festhält, dass der Vertrieb einen eigenständigen Zielmarkt aus den Herstellervorgaben entwickeln muss, so ändert sie richtigerweise ihre Auffassung im Final Report. Wie in der Kommissionsbegründung spricht ESMA nun davon, dass der Zielmarkt des Herstellers anhand der eigenen Kundeninformationen „verfeinert“ (refining) werden soll.78 Ebenfalls stellt ESMA heraus, dass der Herstellerzielmarkt übernommen werden darf, wenn sich bei der Überprüfung herausstellt, dass dieser keine Verfeinerung durch den Vertrieb bedarf.79 Nach Ansicht von ESMA ist es das übliche Verfahren, dass der Hersteller zuerst den Zielmarkt bestimmt und diesen an den Vertrieb kommuniziert. Es können jedoch auch Situationen entstehen, in denen die Zielmärkte parallel und ohne Kommunikation entstehen,80 so dass in diesem Falle der Vertrieb einen eigenständigen Zielmarkt bestimmt. Grds. sind Hersteller und Vertrieb für ihre eigene Zielmarktbestimmung verantwortlich.81 Diese Änderungen sind sehr zu begrüßen, da die Anforderung der Bildung eines eigenständigen Zielmarkts gerade für kleinere WpDU in der Vielzahl nicht durchzuführen gewesen wäre. Anstatt des gewollten höheren Kundenschutzes, wäre durch eine solche Anforderung die Produktpalette kleinerer Vertriebe signifikant verringert und damit die Auswahl des Kunden beschränkt worden.82 Insb. stehen nun ESMAs Leitlinien in Einklang mit der ausdrücklichen Ansicht der Kommission, die ebenfalls keinen eigenen Zielmarkt durch den Vertrieb entwickelt lassen wollte.83 aa) Zeitpunkt der Festlegung Der verfeinerte Zielmarkt soll in einem frühen Stadium festgelegt werden, im Rahmen des allgemeinen Entscheidungsprozesses über die Paletten an Produkten bzw. Dienstleistungen, die das WpDU vertreiben will.84 Hierbei soll das WpDU besonders die Wertpapierdienstleistungen, über die die Produkte angeboten werden, berücksichtigen und ggf. bestimmen, dass bspw. nicht-komplexe Produkte, die eigentlich im Execution-Only-Geschäft angeboten werden könnten, nur im Rahmen des beratungsfreien Geschäfts (Angemessenheitsprüfung) angeboten werden dürfen,

78

ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 39 Nr. 38. 79 ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 39 Nr. 38. 80 ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 39 Nr. 39. 81 ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 39 Nr. 39. 82 DK, Stellungnahme zu ESMAs Product Governance Richtlinien Vorschlägen, S. 3, 9. 83 DK, Stellungnahme zu ESMAs Product Governance Richtlinien Vorschlägen, S. 9. 84 ESMA, Draft Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 25 Nr. 23; ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 37 Nr. 27.

A. Europäische Regelungen

353

um ein höheres Schutzniveau zu erreichen.85 Gelangt der Vertrieb zu der Auffassung, dass das Produkt niemals die Bedürfnisse seiner derzeitigen oder potentiellen Kunden erfüllt, so sollte es nicht aufgenommen werden.86 Eine solche Vorabprüfung ist grds. sinnvoll und findet in der Regel bereits aus Eigeninteresse des Vertriebs statt, da dieser keine Produkte aufnehmen will, für welche er keine Abnehmergruppe hat. bb) Allgemeine Anforderungen an die Zielmarktbestimmung Zur Entwicklung des eigenen Zielmarkts aus den Angaben des Herstellers, soll der Vertrieb die Informationen zum Kundenstamm berücksichtigen, die der zuvor durch eine gründliche Analyse der Eigenschaften seiner aktuellen und potentiellen Kundenbasis und sekundäre Marktforschung gewonnen hat.87 Das Verlassen auf den Zielmarkt des Herstellers ist nicht ausreichend, jedoch ist dieser zu respektieren.88 Zur Verfeinerung sollen die WpDU verhältnismäßige – hinsichtlich des WpDU und des Produkts – Abläufe bzw. Verfahren einführen, um die Merkmale des Herstellerzielmarkts mit ihren Kundeninformationen zu überprüfen.89 ESMA verengt die Anforderungen, indem von den allgemeinen grundlegenden Entscheidungen des Herstellers nicht abgewichen werden soll. Die dahinterstehende Überlegung, dass der Hersteller sein Produkt am besten kennt, ist im Grundsatz richtig. Durch die Beschränkung auf die grundlegenden Entscheidungen, wird dem Umstand Rechnung getragen, dass der Hersteller die Kunden i. d. R. nur allgemein einschätzen kann und der Vertrieb genauere Informationen hat. Praktisch wird eine Abweichung von den Vorgaben des Herstellers eher selten vorliegen, dennoch bleibt die Flexibilität des Vertriebs und damit die Produktvielfalt für den Kunden erhalten. cc) Besondere Kriterien zur Bestimmung des Zielmarkts ESMA legt einzelne Kriterien zur Zielmarktbestimmung fest, welche die zur Richtlinie getroffene Annahme bestätigen, dass die Zielmarktbestimmung ein „Minus“90 zur Geeignetheitsprüfung darstellt, da diese auf den einzelnen Kunden abgestimmt ist. ESMA stellt auf die Kriterien der Erfahrung, der finanziellen Ver85 ESMA, Draft Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 25 Nr. 26; ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 37 Nr. 30. 86 ESMA, Draft Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 26 Nr. 28; ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 38 Nr. 32. 87 ESMA, Draft Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 27 Nr. 33, S. 26 Nr. 30; ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 39 Nr. 37, S. 38 Nr. 34. 88 ESMA, Draft Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 27 Nr. 34; ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 39 Nr. 38. 89 ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 39 Nr. 38. 90 Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 9.

354

8. Teil: Product Governance im Vertrieb

hältnisse einschließlich der Fähigkeit Verluste zu tragen, die Risikoeinstellung, die Kundenziele und die Kundenbedürfnisse ab.91 Diese haben sich entgegen des ersten Anscheins auch nicht von den Vorschlägen hin zum Final Report von sechs auf fünf Kriterien verringert; vielmehr wurden die Kundenziele und -bedürfnisse zusammengefasst. Dies stimmt mit der hier vertretenen Auffassung überein. Für den Zielmarkt soll die Kundengruppe entsprechend der Klassifizierung der MiFID II (s. 1. Teil G.) festgelegt werden.92 Die noch in den Vorschlägen enthaltene Möglichkeit der weitergehenden Differenzierung nach gebräuchlichen Kriterien, wie bspw. „anspruchsvolle Kunden“, findet sich im Final Report nicht mehr. Zugleich soll eine positive und negative Abgrenzung erfolgen.93 Aus den einzelnen Merkmalen, die ESMA aufstellt, ergeben sich jedoch bereits negative Abgrenzungskriterien für die Bestimmung des negativen Zielmarkts.94 b) Verkauf und Empfehlung außerhalb des positiven und negativen Zielmarkts möglich? ESMA stellt klar, dass der Zielmarkt zusätzlich zur Durchführung der Geeignetheitsprüfung beachtet werden muss und diese nicht ersetzt.95 Durch die Festlegung des Zielmarkts und der Vertriebsstrategie soll sichergestellt werden, dass das Produkt an die Kundengruppe vertrieben wird deren Bedürfnisse und Ziele es erfüllt.96 Zudem macht ESMA im Zusammenhang mit der negativen Zielmarktbestimmung – für Kundengruppen an die das Produkt nicht vertrieben werden darf – deutlich, dass ein Verkauf außerhalb des positiven Zielmarkts und sogar an den negativen Zielmarkt97 ihrer Ansicht nach möglich ist, wenn es auch der Ausnahmefall sein sollte. Voraussetzung ist jedoch, dass alle gesetzlichen Anforderungen einschließlich der Bereitstellung von Informationen, der Geeignetheits- oder Angemessenheitsprüfung sowie der Identifizierung und dem Management von Inter91

ESMA, Draft Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 23 Nr. 16 ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 34 Nr. 18. 92 ESMA, Draft Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 23 Nr. 16 a); ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 34 Nr. 18 a). 93 s. zum negativen Zielmarkt ESMA, Draft Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 32 Nr. 58; ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 45 Nr. 67; vgl. dazu Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 6. 94 ESMA, Draft Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 32 Nr. 58; ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 45 Nr. 67. 95 ESMA, Draft Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 26 Nr. 29; ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 38 Nr. 33. 96 ESMA, Draft Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 26 Nr. 29; ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 38 Nr. 33. 97 ESMA, Draft Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 35 Nr. 62; ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 46 Nr. 71.

A. Europäische Regelungen

355

essenkonflikten eingehalten wurden. Für den Verkauf an den negativen Zielmarkt muss jedoch eine stärkere Begründung und Rechtfertigung abgegeben werden. Durch die Erwähnung der Durchführung der Geeignetheitsprüfung sowie der ordentlichen Dokumentation, ist folglich die Empfehlung eines Produkts außerhalb des Zielmarkts möglich. c) Anforderungen zur Informationsübermittlung an den Hersteller Die Informationspflicht des Vertriebs gegenüber dem Hersteller konkretisiert ESMA dahingehend, dass dem Hersteller Informationen über Verkäufe und alle weiteren Informationen, die durch die regelmäßigen Überprüfungen der Produkte durch den Vertreiber gewonnen wurden, übermittelt werden.98 Dies beinhaltet auch Angaben darüber, wie der Vertrieb seinen Zielmarkt bestimmt hat.99 Die Vertreiber sollen zudem Daten und Informationen berücksichtigen, die Anhaltspunkte dafür liefern, dass sie den Zielmarkt falsch bestimmt haben.100 Richtigerweise stellt ESMA in dem Final Report klar, dass die Informationen nicht für jeden Verkauf, oder dergleichen übermittelt werden müssen, sondern auf verhältnismäßiger Basis und auch in zusammengefasster Form.101 Essentiell sei die Übermittlung, wenn bspw. der Vertrieb zu dem Schluss kommt, dass der Zielmarkt durch den Hersteller falsch bestimmt wurde.102 Damit nimmt ESMA hier ihre vermittelnden Ansichten aus ihren Vorschlägen für die Kommission wieder auf. d) Zwischenfazit Es ist zu begrüßen, dass ESMA konkretere Angaben darüber macht, wie sie sich die Zielmarktbestimmung vorstellt und welche Informationen der Vertrieb an den Hersteller zu übermitteln hat. Zu begrüßen ist, dass ESMA im Final Report ihre Ansichten aus den Vorschlägen an die Kommission ergänzt und damit bspw. verdeutlicht, dass keine detaillierten Einzelinformationen an den Hersteller notwendig sind. Richtigerweise hat ESMA auch die Anforderung an den Vertrieb, neben dem Zielmarkt des Herstellers einen eigenständigen Zielmarkt zu entwickeln, gestrichen. Leider hat ESMA sich nur halbherzig mit den Merkmalen zur Bestimmung des Zielmarkts auseinandergesetzt. Lediglich eine Zusammenfassung der Kundenziele 98

ESMA, Draft Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 30 Nr. 49; ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 43 Nr. 58. 99 ESMA, Draft Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 23 Nr. 16 a); ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 34 Nr. 18 a). 100 ESMA, Draft Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 30 Nr. 49; ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 43 Nr. 58. 101 ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 43 Nr. 58. 102 ESMA, Final Report Guidelines on MiFID II product governance requirements, S. 43 Nr. 58.

356

8. Teil: Product Governance im Vertrieb

und -bedürfnisse und die Streichung der Möglichkeit, die Kundengruppen anhand weiterer Merkmale zu bestimmen, wurde aufgenommen. Insgesamt ist eine solche Liste sehr zu befürworten, allerdings sollten nicht alle Punkte als verbindlich beachtet werden müssen, sondern nur eine Orientierung geben. Denn je detaillierter bereits der Hersteller hierzu Angaben macht, die der Vertrieb mit eigenen Informationen über die Kunden ergänzen soll, desto aufwändiger wird dies für den Vertrieb und umso teurer werden die Produkte.103 Zudem wird bei der Berücksichtigung von vielen einzelnen Merkmalen die Anwendungsbreite der Produkte eingeschränkt, sodass sich die Produkte immer weiter konzentrieren. Die für den Anleger letzten Endes zur Auswahl stehende Produktpalette dürfte somit zusammenschrumpfen.104 Diese Entwicklung war jedoch keines Falls gewollt.

B. Deutsche Regelungen Das WpHG kannte bis zur Umsetzung der MiFID II-Vorgaben ausdrücklich keine Produktfreigabe bzw. Produktgenehmigungsverfahren.

I. Anforderungen in der MaComp und der MaRisk Allerdings müssen bereits heute die WpDU aufgrund von verwaltungsrechtlichen Regelungen der BaFin vergleichbare Maßnahmen ergreifen. Sowohl in BT 1.2.4 der MaComp als auch in AT 8.1. der MaRisk105 sind Vorgaben zur Gestaltung des sog. Neuproduktprozesses geregelt.106 Die Compliance Funktion erarbeitet gem. der MaComp die Risiken des Finanzprodukts oder der Dienstleistung, während die MaRisk vorsieht, dass die WpDU ihre Geschäftsaktivitäten und damit auch das Produkt, bzw. die Wertpapierdienstleistung verstehen müssen. Zugleich müssen sie vor der Produkteinführung, Markterschließung oder Geschäftsaufnahme die damit einhergehenden Risiken auswerten und ein Risikoprofil erstellen. Anhand diesem ist ein Gesamtkonzept zu erarbeiten. Zeitliche und inhaltliche Vorgaben enthalten jedoch weder die MaComp noch die MaRisk.107 Damit kennen die Hersteller die Kerngedanken der europäischen Regelungen bereits,108 müssen die bestehenden 103 104

S. 2 f. 105

I. E. DK, Stellungnahme zu ESMAs Product Governance Richtlinien Vorschlägen, S. 2 f. Vgl. DK, Stellungnahme zu ESMAs Product Governance Richtlinien Vorschlägen,

BaFin, Rundschreiben 10/2012 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, BA 54-FR 2210 – 2012/0002, v. 14. 12. 2012. 106 s. hierzu Buck-Heeb, ZHR 179 (2015), 782, 791 f.; Langfritz, in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance, Kap. 16 Rn. 177 ff. 107 Buck-Heeb, ZHR 179 (2015), 782, 792, 793. 108 Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 4.

B. Deutsche Regelungen

357

Prozesse aber um die Berücksichtigung des vorgegebenen Zielmarktkriteriums erweitern.109

II. Umsetzung der europäischen Vorgaben durch das Kleinanlegerschutzgesetz Der deutsche Gesetzgeber war auch im Rahmen der Product Governance bereits aktiv und hat, ohne die delegierten Rechtsakte abzuwarten, im Rahmen des Kleinanlegerschutzgesetzes110 bereits in § 33 Abs. 3b-d WpHGneu Umsetzungsregelungen eingeführt.111 Diese sollen allerdings erst zeitgleich mit den anderen Umsetzungsregelungen der MiFID II in Kraft treten. Indem der deutsche Gesetzgeber die Regelungen in § 33 WpHGneu verorten möchte, übernimmt er die Ansicht des europäischen Gesetzgebers, dass es sich bei diesen um Organisationsvorschriften handelt. Die neu in § 33 Abs. 3b-d WpHGneu einzuführenden Regelungen versuchen eine wortlautgetreue Umsetzung der MiFID II-Vorschriften. Richtigerweise enthalten die nationalen Regelungen keine Vorgaben zur Bestimmung des Zielmarkts oder der Festlegung der Vertriebsstrategie für den Vertrieb.112 Eine Überwachungspflicht des Vertriebes wie aus Art. 16 Abs. 3 UA 4 MiFID II ergibt sich auch nicht durch den Wortlaut der Regelungen, da § 33 Abs. 3c S. 1 WpHGneu ausdrücklich bestimmt, dass das WpDU den Zielmarkt „[…] für jedes von ihr konzipierte Finanzinstrument regelmäßig [zu] überprüfen […]“ muss. Der nachfolgende S. 2 mit weiteren Überwachungspflichten wird durch „insbesondere“ direkt mit der vorangegangenen Pflicht verknüpft. Inhaltlich wird der Zielmarkt für den Hersteller weiter konkretisiert, als dies auf der Ebene der MiFID II der Fall ist, indem der Hersteller den „[…]Anlegerhorizont des Endkunden sowie seine Fähigkeit, Verluste, die sich aus der Anlage ergeben können, zu tragen, maßgeblich zu berücksichtigen[…]“ hat.113 „Dabei sind alle relevanten Risiken aus dem Finanzinstrument, insbesondere das Verlust- und Ausfallrisiko sowie das Wertschwankungsrisiko, zu bewerten.“ Hier ging der deutsche Gesetzgeber ebenfalls von dem „Minus“ der Zielmarktbestimmung im Vergleich zur Geeignetheitsprüfung aus. Damit hat er bereits einige Vorgaben aus ESMAs Leitlinien erfasst, obwohl für diese keine Umsetzungspflicht besteht. Für eine solche Bestimmung sind allerdings, wie von ESMA vorgesehen, zwingend Informationsweitergaben zwischen Vertrieb und Hersteller notwendig, ohne dass der deutsche 109

Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 97b ff. In Kraft getreten am 10. 07. 2015, BGBl v. 09. 07. 2015, Teil I Nr. 28, S. 1114 ff. 111 Deshalb auch als „Vorpreschen“ bezeichnet: Möllers/Kastl, NZG 2015, 849, 854 f.; Fuchs, in: Fuchs, WpHG, Einleitung Rn. 86c; Möllers, ZEuP 2016, 325, 340. 112 Vgl. Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 7. 113 § 33 Abs. 3c WpHGneu. 110

358

8. Teil: Product Governance im Vertrieb

Gesetzgeber solche statuiert.114 Des Weiteren sieht er eine Verordnungsermächtigung für diese Bestimmung des Zielmarkts für den Hersteller vor – für den Vertrieb hingegen nicht.115 Zu dieser starren Vorgabe der Zielmarktbestimmung sind die gleichen Erwägungen heranzuziehen wie bei ESMAs Richtlinienvorschläge. Auch diese können zu einer Reduktion der Angebotspalette führen und sollten nicht grundlegend, sondern verhältnismäßig anwendbar sein. Wie auf der europäischen Ebene, fehlt auch im Kleinanlegerschutzgesetz die Definition des Vertriebs. Hier spricht § 33 Abs. 3d S. 2 WpHGneu von „vertreiben und empfehlen“, wohingegen Art. 16 Abs. 3 UA 6 MiFID II von „anbieten und empfehlen“ spricht, wodurch jedoch im Ergebnis keine Abweichung gemeint ist.116 Ebenfalls übernimmt der deutsche Gesetzgeber in § 33 Abs. 3d S. 2 WpHGneu die Anforderung, dass der Vertrieb über angemessene Vorkehrungen verfügen muss, um sich Informationen des Herstellers zu verschaffen. Indem der deutsche Gesetzgeber hier abweichend von der Formulierung der MiFID II anstatt von „zu erhalten“ von „zu verschaffen“ spricht, ist den WpDU hier bei Nichterhalt der Informationen eine aktive Rolle zugeschrieben, die jedoch nicht weiter konkretisiert wird. Nach § 33 Abs. 3d S. 2 WpHGneu muss der Vertrieb ebenfalls „die Merkmale und den Zielmarkt des Finanzinstruments verstehen“.117 Ausdrücklich enthält das Kleinanlegerschutzgesetz keine Aussagen über das Verhältnis der Anlageberatung, insb. der Geeignetheitsprüfung, zu der Bestimmung des Zielmarkts des Herstellers.118 Allerdings erklärt der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung, dass die Regelungen grds. nicht die Pflichten der WpDU ggü. ihren einzelnen Kunden berühren.119 Hier betont der Gesetzgeber explizit die Unabhängigkeit der Geeignetheitsprüfung von der Zielmarktbestimmung.120 Zudem hält er ausdrücklich fest, dass von der Zielmarktbestimmung des Herstellers keine Bindungswirkungen für das beratende WpDU in der Anlageberatung eintreten.121 Eine solche absolute Zweiteilung lässt sich mit Blick auf Art. 24 Abs. 2 MiFID II jedoch nicht vereinbaren. Die WpDU sind im Rahmen ihrer Empfehlung sehr wohl dazu verpflichtet, den Zielmarkt in ihre Abwägung, ob das Produkt geeignet ist oder nicht miteinzubeziehen. Auch ist dem Kunden mitzuteilen, ob das Produkt für Kleinanleger oder für professionelle Kunden bestimmt wurde, Art. 24 Abs. 5 MiFID II. Durch die Formulierung des § 33 Abs. 3d WpHGneu hebt der Gesetzgeber seine in der Gesetzesbegründung erklärte klare Trennung wieder auf.122 114 115 116 117 118 119 120 121 122

Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 6, 8. Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 7. Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 4. Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 4. A.A. Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 9. Begr. RegE Kleinanlegeschutzgesetz, BT-Drs. 18/3994, S. 54. Begr. RegE Kleinanlegeschutzgesetz, BT-Drs. 18/3994, S. 54. Begr. RegE Kleinanlegeschutzgesetz, BT-Drs. 18/3994, S. 54. A.A. Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 9.

B. Deutsche Regelungen

359

Nach dieser Formulierung soll das WpDU sämtliche sachgerechte Informationen über das Finanzinstrument sowie über das Produktfreigabeverfahren einschließlich des bestimmten Zielmarkts, erhalten, welche zur Beurteilung der Geeignetheit bzw. der Angemessenheit erforderlich sind. Die Merkmale des Finanzinstruments werden bereits bei der Geeignetheitserklärung herangezogen. Durch die Aufzählung des Produktfreigabeverfahrens und des Zielmarkts müssen in diesem Zusammenhang auch die Informationen zur Beurteilung der Geeignetheit herangezogen werden. Allerdings geht von diesen ausweislich der Gesetzesbegründung richtigerweise keine Bindungswirkung aus. Dies verlangt jedoch auch die MiFID II nach der hier vertretenen Auffassung nicht, vgl. ErwG. 71 MiFID II. Eine Berücksichtigung der Vorgaben des Zielmarkts als Beurteilungs- und Kategorisierungshilfe ist mithin notwendig, anderenfalls hätte die Zielmarktbestimmung keinen nennenswerten Effekt. Eine verpflichtende Befolgung ist jedoch richtigerweise nicht angezeigt. Die maßgebliche Prüfung ist die der Geeignetheit. Hier sollte der deutsche Gesetzgeber noch eine Klarstellung treffen.

III. Umsetzung der europäischen Vorgaben durch das 2. FiMaNoG Der deutsche Gesetzgeber hat sowohl die Klarstellungsbedürftigkeit seiner durch das Kleinanlegerschutzgesetz geschaffenen Regelungen erkannt, als auch die teilweise noch fehlenden Umsetzungen der europäischen Anforderungen und versucht diese nun im 2. FiMaNoG nachzubessern. 1. Änderungen im WpHG So führt er in § 63 Abs. 4 S. 1 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG123 die Verpflichtung des Herstellers ein, sicherzustellen, dass die konzipierten Finanzinstrumente den Bedürfnissen des festgelegten Zielmarkts entsprechen (lit. a)) und die Vertriebsstrategie ebenfalls dem Zielmarkt entspricht (lit. b)). Neu ist die Ausformung dieser Regelungen als allgemeine Verhaltenspflicht in § 63 WpHG-E, denn als Organisationspflicht in § 80 WpHG-E124. Zusätzlich muss der Hersteller zumutbare Schritte unternehmen, um zu gewährleisten, dass das Finanzinstrument an den bestimmten Zielmarkt vertrieben wird. Damit übernimmt der deutsche Gesetzgeber die Anforderung gem. Art. 24 Abs. 2 S. 1 MiFID II. Er führt jedoch als Verhaltenspflicht in § 63 Abs. 5 WpHG-E ein, dass das WpDU, die von ihm angebotenen und empfohlenen Finanzinstrumente verstehen muss. Damit passt er die Formulierung an die der MiFID II an, indem er nicht mehr von 123 124

§ 55 Abs. 3 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG. Bzw. in § 55 anstatt in § 69 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG.

360

8. Teil: Product Governance im Vertrieb

„empfehlen und vermarkten“ spricht.125 Gem. § 63 Abs. 5 S. 2 WpHG-E muss das WpDU die von ihm angebotenen und empfohlenen Produkte auf deren Vereinbarkeit mit den Kundenbedürfnissen beurteilen und dabei den Zielmarkt berücksichtigen. Zugleich darf das Finanzprodukt nur angeboten oder empfohlen werden, wenn dieses im Interesse des Kunden liegt. Damit greift der deutsche Gesetzgeber die Formulierung des Art. 24 Abs. 2 MiFID II auf und statuiert ausdrücklich die Verknüpfung des Zielmarkts mit der Beratung des WpDU. Eine Verpflichtung der WpDU nur noch innerhalb des Zielmarkts Produkte zu empfehlen, findet sich jedoch auch in dieser Formulierung nicht. § 80 Abs. 9 f. WpHG-E 2. FiMaNoG126 beinhaltet nun die Organisationspflichten der WpDU zur Einführung und Überwachung eines Produktgenehmigungsverfahrens für den Hersteller. Richtigerweise wurde hier vom Gesetzgeber die nähere Bestimmung des Zielmarkts auf Gesetzesebene gestrichen. Auch hat der Gesetzgeber in der Fassung des RegE 2. FiMaNoG richtigerweise die noch im RefE 2. FiMaNoG enthaltenen zusätzlichen Anforderungen zur Berücksichtigung des Verlusts- und Ausfallrisikos sowie das Wertschwankungsrisiko gestrichen, da diese erneut über die Anforderungen der MiFID II hinausgehen würden.127 In § 80 Abs. 10 WpHG-E128 findet sich die Regelung des Art. 16 Abs. 3 UA 4 MiFID II wieder, nach der das WpDU von ihm angebotene oder vermarktete Finanzinstrumente regelmäßig überprüfen muss, unter Berücksichtigung der Ereignisse mit wesentlichem Einfluss auf potentielle Risiken. Durch die Einleitung des S. 2 mit dem Begriff „zumindest“, muss als Mindestanforderung regelmäßig eine Überprüfung stattfinden, ob der Zielmarkt noch den Bedürfnissen entspricht und die beabsichtigte Vertriebsstrategie zur Erreichung des Zielmarkts geeignet ist. Durch die Änderung der Formulierung in S. 1, gelten diese Anforderungen richtigerweise nun auch für den Vertrieb. Dies ergibt sich insb. aus der zunächst im RefE vorgesehenen Formulierung, nach der der festgelegte Zielmarkt für jedes vom WpDU konzipierte und für jedes von dem WpDU vertriebene Finanzinstrument regelmäßig überprüft werden muss. Durch die Anknüpfung mit „zumindest“ wird dem Richtlinientext ebenfalls entsprochen.129 § 80 Abs. 11 S. 1 WpHG-E übernimmt die Pflicht des Herstellers zur Informationsweitergabe, allerdings fehlt nun die Verweisung auf die Geeignetheits- und Angemessenheitsprüfung. Damit orientiert sich der Gesetzgeber ausschließlich am Richtlinienwortlaut. Die Formulierung für den Vertrieb, welcher gem. § 80 Abs. 11 S. 2 WpHG-E über angemessenen Vorkehrungen verfügen muss, um sich die notwendigen Informationen zu verschaffen, bleibt unverändert und enthält damit, 125

Kritisch zuvor Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 4. § 63 Abs. 6 f. WpHG-E RefE 2. FiMaNoG. 127 Zur Kritik s. BVI, Stellungnahme Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 6. 128 § 69 Abs. 10 WpHG-E RefE 2. FiMaNoG. 129 Die Ersetzung von „insbesondere“ mit „zumindest“ fordernd, DK, Stellungnahme Referentenentwurf 2. FiMaNoG, S. 24 f. 126

B. Deutsche Regelungen

361

übereinstimmend mit der MiFID II-DLRL, weiterhin eine aktive Pflicht des Vertriebs. Nach wie vor muss der Vertrieb die Merkmale des Finanzinstruments sowie den Zielmarkt verstehen. Damit ist es, wie auf europäischer Ebene vorgesehen, nicht ausreichend, wenn die Zielmarktbestimmung nur zur Kenntnis genommen wird. Dem Vertrieb wird in § 80 Abs. 12 WpHG-E auferlegt, geeignete Verfahren aufrechtzuerhalten sowie Maßnahmen zu treffen, um sicherzustellen, dass die Anforderungen nach diesem Gesetz eingehalten werden. Folglich ist eine Compliance Prüfung für die Product Governance einzurichten. Besondere Sorgfalt trifft den Vertrieb bei neuen Produkten oder veränderten Dienstleistungen. Eine solche Regelung findet sich als direktes Pendant in der MiFID II nicht. 2. Änderungen in der WpDVerOV Die noch im RefE 2. FiMaNoG enthaltenen Änderungen der WpDVerOV finden sich nun in einem eigenständigen RefE. § 12 WpDVerOV-E regelt die Produktüberwachungspflichten des Vertriebs. Gem. § 12 Abs. 1 WpDVerOV-E müssen die WpDU die Product Governance Anforderungen angemessen und verhältnismäßig umsetzen. Weitere Vorgaben finden sich nicht, jedoch lässt sich daraus ableiten, dass dies sowohl hinsichtlich der Produkte und Dienstleistungen als auch hinsichtlich der Größe der WpDU gilt. Die verhältnismäßige Umsetzung in Zusammenschau mit der Streichung der starren Zielmarktbestimmungsvorgaben ermöglichen es den Vertrieben entsprechend flexibel zu reagieren. Abs. 3 des § 12 WpDVerOV-E RefE 2. FiMaNoG, sah die von ESMA in ihren Leitlinien fälschlicherweise geforderte Zielmarktbestimmung des Vertriebs vor.130 Nach Abs. 3 des nachfolgenden RefE WpDVerOV müssen WpDU, die Finanzinstrumente vertreiben, den Zielmarkt für jedes Instrument näher bestimmen. Hat der Konzepteur keinen Zielmarkt angegeben, so muss es diesen bestimmen, wenn er das Instrument vertreiben möchte, § 12 Abs. 3 S. 2 WpDVerOV-E. Aus der anders gewählten Formulierung als in der Richtlinie, die nur auf den Vertrieb von Finanzinstrumenten und nicht auf das Anbieten und Empfehlen abstellt, sollte sich keine andere Bedeutung herleiten lassen. Im Vergleich zur Formulierung des S.1 Abs. 3 im RefE fällt auf, dass die Konkretisierung gestrichen wurde, dass nur WpDU, die keine eigenen Finanzinstrumente vertreiben, betroffen sind. Die neue Pflicht ist damit weiter und erfasst alle Vertriebe. Durch die eigenständige Formulierung des S. 2 der im RefE 2. FiMaNoG noch durch einen HS mit „insbesondere“ eingeleitet wurde, zeigt sich, dass der Gesetzgeber zwischen S. 1 und S. 2 einen Unterschied macht. Nach ersterem müssen die Zielmärkte näher bestimmt werden und nach letzterem bei Nichtvorliegen eines Herstellermarkts (nur) bestimmt werden. Damit hat der Ge-

130

DK, Erste Bewertung Regierungsentwurf 2. FiMaNoG, S. 5, 14.

362

8. Teil: Product Governance im Vertrieb

setzgeber die Kritik,131 dass der Vertrieb keinen eigenständigen Zielmarkt bestimmen sollte, berücksichtigt. Zwar entspricht der Wortlaut nun dem der MiFID II-DLRL, jedoch ergibt sich die veränderte Ansicht, wie auf europäischer Ebene auch, zudem aus der Gesetzesbegründung.132 Diese ist ebenfalls neu aufgenommen worden. Nach dieser nimmt die MiFID II den Hersteller und den Vertrieb hinsichtlich der Product Governance Vorschriften gleichermaßen in die Pflicht, begründet jedoch wechselseitige Verpflichtungen. Da der Hersteller den Zielmarkt aufgrund fehlendem Kundenkontakt nur abstrakt-generelle bestimmen kann, soll der Vertrieb diesen mit seinen Informationen in der Praxis umsetzen. Diese Auffassung spiegelt die hier vertrete Ansicht wider und ist daher zu begrüßen. Allerdings behält der Gesetzgeber den Wortlaut von § 12 Abs. 7 WpDVerOV-E bei, der festlegt, dass der Vertrieb aus den Informationen des Herstellers und seinen eigenen Informationen über seinen Kundenstamm einen eigenen Zielmarkt bestimmen muss. Hier sollte zur Klarstellung anstatt „bestimmen“ „konkretisieren“ im Wortlaut aufgenommen werden. Dies würde auch, ausweislich der Stellungnahme der Kommission, Art. 10 Abs. 2 UA 4 MiFID II-DLRL entsprechen. Der Vertrieb muss gem. § 12 Abs. 4 WpDVerOV-E angemessene Produktüberwachungsmechanismen einführen, um sicherzustellen, dass die Produkte bzw. Dienstleistungen mit dem Zielmarkt vereinbar sind (Nr. 1) und die Vertriebsstrategie angemessen ist (Nr. 2). Zugleich findet sich hier die negative Zielmarktbestimmung, indem das WpDU gem. Abs. 4 UA 2 S. 3 sämtliche Kundengruppen ermitteln muss, mit deren Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen das Produkt nicht vereinbar ist. Die dem Vertrieb auferlegte Verpflichtung, sich Informationen des Herstellers zu verschaffen, konkretisiert § 12 Abs. 5 WpDVerOV-E, dahingehend, dass das WpDU die Informationen beim Hersteller einzuholen hat, damit es die Vereinbarkeit mit dem Zielmarkt sicherstellen kann. Folglich muss das WpDU dies nicht nur bei Nichterhalt von Informationen dem Hersteller anzeigen, sondern grds. aktiv Informationen einholen. Dies entspricht ebenfalls den Anforderungen der MiFID IIDLRL. Wie auch auf europäischer Ebene vorgesehen, hat der Vertrieb die Finanzprodukte regelmäßig darauf zu überprüfen, ob sie weiterhin den Merkmalen und Bedürfnissen des Zielmarkts entsprechen und die Vertriebsstrategie noch passend gewählt ist, § 12 Abs. 9 i.V.m. § 11 Abs. 13 WpDVerOV-E. Eine erneute Prüfung hat dann zu erfolgen, wenn der Vertrieb Kenntnis davon erlangt, dass der Zielmarkt fehlerhaft bestimmt worden ist, oder die Produkte bzw. Dienstleitungen diesem nicht mehr gerecht werden, insb. bei Illiquidität oder Volatilität aufgrund von Marktveränderung. Auch hier übernimmt der deutsche Gesetzgeber Anforderungen 131

DK, Stellungnahme zu ESMAs Product Governance Richtlinien Vorschlägen, S. 9. Begr. RefE WpDVerOV, S. 31, abrufbar unter: http://www.bundesfinanzministerium.de/ Content/DE/Downloads/Gesetze/2017 - 05 - 09-WpDVerOV.pdf;jsessionid=A3AE5232233 0B5CD426F757EF73EE627?__blob=publicationFile&v=1 (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 132

B. Deutsche Regelungen

363

des Art. 10 Abs. 5 MiFID II-DLRL. Ebenfalls wird dem Vertrieb gem. § 12 Abs. 11 WpDVerOV-E eine in der MiFID II so nicht enthaltene Informationspflicht des Herstellers auferlegt, die aber Art. 10 Abs. 9 MiFID II-DLRL vorsieht. Die WpDVerOV wurde in der Fassung vom 17. 10. 2017 am 23. 10. 2017 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.133 Der § 12 wurde im Vergleich zu der hier dargestellten Fassung nur unwensetlich angepasst. So muss gem. § 12 Abs. 5 WpDVerOV das WpDU nicht mehr bei dem Konzepteur die Informationen einholen, um sicherzustellen, dass die Produkte entsprechend den Bedürfnissen, Merkmalen und Zielen des bestimmten Zielmarktes vertrieben werden, sondern es muss beim Konzepteuer Informationen einholen, die dies sicherstellen. Auch verweist § 12 Abs. 9 WpDVerOV nicht mehr auf § 11 Abs. 13 S. 1 WpDVerOV, sondern trifft eine inhaltlich gleiche eigenständliche Regelung. 3. Fazit zur Umsetzung Auch hier zeigt sich, dass der Gesetzgeber es zwar gut gemeint hatte, als er den WpDU rechtzeitig Regelungen an die Hand geben wollte, um entsprechende Vorgänge und Prozesse frühzeitig einrichten zu können. Allerdings müssen nun Nachbesserungen vorgenommen werden. Insb. der im Kleinanlegerschutzgesetz kaum berücksichtigte Vertrieb muss umfassend geregelt werden. Auch die vom Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung statuierte – wenn auch im Gesetz nicht gänzlich geglückte – absolute Trennung von Zielmarktbestimmung und Anlageberatung konnte so nicht aufrechterhalten werden und wurde dementsprechend korrigiert. Nachdem der Gesetzgeber sich zum Vertrieb außerhalb des Zielmarkts ausdrücklich geäußert hatte, wäre die Aufnahme einer Stellungnahme hierzu in die Gesetzesbegründung für die Praxis wünschenswert gewesen. 4. Das 2. FiMaNoG final Der hier aufgezeigte Änderungsbedarf wurde vom Gesetzgeber hingegen nicht mehr berücksichtigt. Vielmehr wurde der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 29. 03. 2017134, die keine weiteren Änderungen zu den Product Governance Regelungen vorsah, gefolgt und das Gesetz am 30. 03. 2017 in der Fassung beschlossen, die vorliegend als RegE bearbeitet wurde. Dieses wurde am 23. 06. 2017 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

133 134

11775.

BGBl. 69, Nr. 69 v. 23. 10. 2017. Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses, v. 29. 03. 2017, BT-Drs. 18/

364

8. Teil: Product Governance im Vertrieb

IV. Zivilrechtliche Auswirkungen bei Nichtbeachtung der neuen Regelungen Der deutsche Gesetzgeber führt mit der Umsetzung der europäischen Bestimmungen auf gesetzlicher Ebene erstmals Product Governance Regelungen ein. Damit etabliert er ein neues Konzept im Aufsichtsrecht, welches, wie gezeigt auch auf die Beratung des Einzelkunden einwirken kann. Der Gesetzgeber hat die Verortung der Vorgaben im Aufsichtsrecht jedoch bewusst gewählt und wollte keine zivilrechtlichen Regelungen einführen (s. 1. Teil F.). Dennoch soll im Folgenden untersucht werden, ob die neuen, aufsichtsrechtlichen Product Governance Vorschriften auch auf die zivilrechtliche Anlageberatung Auswirkungen haben. 1. Product Governance als Grundprinzip? Trotz der der ausdrücklichen Statuierung der Regelungen im Aufsichtsrecht, könnte eine zivilrechtliche Wirkung von den Regelungen ausgehen. Dafür müsste es sich nach der Rechtsprechung des BGH vom 03. 06. 2014 bei diesen um Grundprinzipien des Aufsichtsrechts handeln, die durch ergänzende Vertragsauslegung i.S.d. §§ 133, 157 BGB Bestandteil des Beratungsvertrags würden.135 Wann ein solches Grundprinzip vorliegt, blieb in der Entscheidung jedoch offen.136 Anlehnend an den entschiedenen Fall, in welchem der BGH in dem aufsichtsrechtlichen Prinzip des Zuwendungsverbots mit der Ausnahme der Offenlegung ein allgemeines, nahezu flächendeckendes Rechtsprinzip erkennt, lässt sich zumindest derzeit kein solches in den Product Governance Regelungen finden. Die vom BGH als Rechtsprinzip erkannten Zuwendungsregelungen waren, anders als die Product Governance Regelungen, bereits in Ansätzen vor der Einführung der endgültigen Regelung durch die MiFID I am 01. 11. 2007 bekannt. Zwar wurden auch die Regelung des § 31d WpHG letztlich erst durch die MiFID I statuiert, so wie nun die Product Governance Regelungen durch die MiFID II, jedoch wurde das Grundprinzip erst 2014 anerkannt. Auch die mit dieser Entscheidung eingeführte Stichtagsregelung lässt keinen anderen Schluss zu. Diese stellt auf die Einführung der Honorar-Anlageberatungsregelungen ab, welche diese Beratungsform erstmals gesetzlich festlegen und damit zu mehr Transparenz über die erhaltenen Zuwendungen führen sollte. Die Festlegung auf den Zeitpunkt des HABG scheint eine praktische Erwägung zu sein, um die Altfälle endgültig zum Ruhen zu bringen und eine klare Regelung für die Zukunft zu statuieren,137 anstatt eine ausdrückliche, inhaltliche Verankerung mit der Gesetzeseinführung herbeizuführen. 135 136 137

Buck-Heeb, ZHR 179 (2015), 782, 816. Balzer/Lang, BKR 2014, 378, 379. I. E. Balzer/Lang, BKR 378, 380.

B. Deutsche Regelungen

365

Das Grundprinzip ist in dem entschiedenen Fall zudem in Form von Verhaltenspflichten ausgestaltet. Die Product Governance Pflichten sind hingegen als Organisationspflichten im Vorfeld der Beratung zu erfüllen, sodass aufgrund der Product Governance Regelungen keine direkte Verknüpfung zur zivilrechtlichen Anlageberatung besteht.138 Zwar ist die Informationspflicht über die Produktkategorisierung sowie die Berücksichtigung des Zielmarkts bei der Wahl des Finanzprodukts für den jeweiligen Endkunden eine Verhaltenspflicht des Beraters. Jedoch ist diese nur ein Teilaspekt der Product Governance Vorgaben. Nach wie vor ist bei der Empfehlung des Produkts die Geeignetheit des Produkts für den Kunden ausschlaggebend, sodass aus dieser einzelnen Verhaltenspflicht der Product Governance Regelungen nichts Anderes abgeleitet werden kann. Ausgehend von dem Wortsinn des Grundprinzips als „entscheidendes, die Sache grundsätzlich bestimmendes Prinzip“139, können die Product Governance Regeln kein solches für den zivilrechtlichen Beratungsvertrag sein. Im Vergleich handelt es sich bei der Frage der Offenlegung von Zuwendungen im Kern um die Finanzierung dieses Vertrags, welche in Form der Leistungsvergütung essentialia negotii ist. Die Product Governance Regelungen sind lediglich Organisationspflichten.140 Eine andere Beurteilung lässt sich auch nicht daraus ableiten, dass der BGH das flächendeckende Grundprinzip an das Transparenzgebot des Aufsichtsrechts knüpft. Die neuen Informationspflichten des Beraters hinsichtlich der Zielmarktbestimmungen fördern ebenfalls die Transparenz. Nach Ansicht des BGH erwarte der Anleger jedoch eine Aufklärung über Zuwendung aufgrund des flächendeckenden Transparenzgebots. Eine solche Erwartungshaltung des Anlegers zur Berücksichtigung des Zielmarkts besteht hingegen derzeit nicht. Zu berücksichtigen ist hier, dass der durchschnittliche Anleger sich zum Entscheidungszeitpunkt des BGH zwar tatsächlich keine Gedanken zur Vergütung des Beraters gemacht hat und dementsprechend auch nicht über die Offenlegung der Zuwendung. Allerdings gab es, anders als aktuell zu den Product Governance Regelungen, zum Entscheidungszeitpunkt dezidierte Rechtsprechungen, sowohl im Aufsichtsrecht als auch im Zivilrecht, sodass die Problematik insgesamt nicht neu und mehreren Anlegern bekannt war. In den Product Governance Regelungen liegt folglich zumindest derzeit kein Grundprinzip, sodass diese nicht in den Beratungsvertrag einbezogen werden können. Dementsprechend hat der Kunde keine Ansprüche auf Einhaltung der entsprechenden Organisationspflichten.141

138

Buck-Heeb, ZHR 179 (2015), 782, 817. Duden, abrufbar unter: http://www.duden.de/rechtschreibung/Grundprinzip (zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018). 140 Buck-Heeb, ZHR 179 (2015), 782, 817. 141 Buck-Heeb, ZHR 179 (2015), 782, 817. 139

366

8. Teil: Product Governance im Vertrieb

2. Anlage- und anlegergerechte Beratung Nach den Kriterien des Bond-Urteils142 ist der Vertrieb zur anlage- und anlegergerechten Beratung verpflichtet.143 Dazu zählt, alle wesentlichen Merkmale des Produkts in die Beratung mit einzubeziehen und für den jeweiligen Kunden zu hinterfragen. In diesem Zusammenhang wäre folglich auch der festgelegte Zielmarkt als Produkteigenschaft zu berücksichtigen. Dieser setzt sich jedoch aus einer Bewertung aller dem Produkt anhaftenden Kriterien zusammen, die der Berater im Rahmen der anlagegerechten Beratung ebenfalls überprüft, sodass es nicht zwingend einer Berücksichtigung der Product Governance Regeln zur Erfüllung der Voraussetzungen bedarf. Zudem kann der Zielmarkt, wie bereits bei der Untersuchung des Aufsichtsrechts festgestellt, auch andere Bestimmungen treffen, als für den letztlichen Endkunden geeignet. Damit führen die abweichende Beurteilung und die darauf beruhende Außerachtlassung des Zielmarkts als ein einziges Merkmal, nicht zu einer fehlerhaften Beratung.144 Daher kann auch aus der Außerachtlassung der Zielmarktbestimmung durch den Berater keine Vermutung für das Vorliegen eines Beratungsfehlers abgeleitet werden.145 Zudem ist zu berücksichtigen, dass organisatorische Anforderungen regelmäßig nicht den Beratungsvertrag und die daraus resultierenden Pflichten berühren, da diese für die Begründung von vertraglichen Pflichten zu unspezifisch sind.146 Dies ist grds. auch hier der Fall.147 Allerdings ergibt sich auch aus zivilrechtlicher Sicht eine Aufklärungspflicht über die Zielmarktbestimmungen, da diese Produktrisiken berücksichtigen und damit eine Wertung des Produkts vornehmen.148 Folglich handelt es sich damit um einen wesentlichen Umstand und ein spezielles Risiko des Produkts, über welches der Kunde nach der Bond-Rechtsprechung aufzuklären ist.149 Bei fehlender Aufklärung läge eine Pflichtverletzung i.S.d. § 280 BGB vor.150 Die mangelhafte Umsetzung der Product Governance Regelungen wirkt sich allenfalls indirekt auf die Pflichtverletzungen aus, bspw. wenn der Berater aufgrund schlechter Schulungen den Zielmarkt nicht versteht und deshalb falsch berät. Hier ist jedoch ausschließlich die Falschberatung als Pflichtverletzung objektiver Verhaltensstandards anzusehen, sodass sich aus solchen Verletzungen der Product 142

BGHZ 123, 126 = NJW 1993, 2433 – Bond. s. zu den Ansprüchen gegenüber dem Hersteller Buck-Heeb, ZHR 179 (2015), 782, 812 ff.; insbesondere zur Möglichkeit der Produkthaftung für Finanzprodukte Spindler, FS Köndgen, 615. 144 I. E. Buck-Heeb, ZHR 179 (2015), 782, 817. 145 A.A. ohne Begründung Heiss, Karlsruher Forum 2014, S. 69. 146 Halbleib, WM 2011, 673, 675. 147 I. E. Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 10. 148 Buck-Heeb, ZHR 175 (2015), 782, 818; i.E. Spindler, in: L/B/S, BankR, Kap. 33 Rn. 97 f. 149 Dietrich, WM 2016, 199. 150 Buck-Heeb, ZHR 175 (2015), 782, 818. 143

B. Deutsche Regelungen

367

Governance-Regelungen keine Vermutungen hinsichtlich der Pflichtverletzungen des Beraters ableiten lassen und der Verstoß gegen die Pflicht zur ordnungsgemäßen Beratung bereits eine eigenständige Pflichtverletzung darstellt.151 Mithin entstehen auch keine Schutzlücken für den Anleger. 3. Deliktsrechtlicher Schadensersatzanspruch Eine Haftung aus § 823 BGB scheidet aufgrund der fehlenden Schutzfunktion für das Vermögen als Anspruchsgrundlage aus.152 Auch entfällt aufgrund der fehlenden Schutzgesetzqualität der Product Governance Regelungen eine Haftung aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 80 WpHG-E bzw. § 69 WpHG-E.153 Diese haben aufgrund ihrer Bestimmungen des internen Vertriebsablaufes und der Unternehmensorganisation nur einen indirekten Einfluss auf die Beratungsleistung für den Kunden und stellen damit keine Jedermann-Pflicht dar. Vielmehr werden durch die neuen Regelungen der Markt und der reibungslose Ablauf geschützt, nicht aber der individuelle Kunde.154 Der Kunde ist jedoch nicht schutzlos gestellt, da ihm entsprechende Ansprüche gegen den Hersteller zustehen.155

V. Fazit zu den neuen Product Governance Anforderungen Die neuen Product Governance Regelungen haben nicht nur neue Anforderungen für den Hersteller und den Vertrieb geschaffen, sondern wirken sich auch auf die Beratungsleistung aus, obwohl diese unabhängig voneinander statuiert wurden. So hat der Anlageberater den Zielmarkt zu kennen und zu verstehen und bei der Vorbereitung der Empfehlung zu berücksichtigen. Des Weiteren trifft ihn eine Hinweispflicht bei einer Empfehlung außerhalb des vorgegebenen Zielmarkts. Zugleich sollte der Berater in diesem Falle, nach hier vertretener Auffassung, seine Dokumentation für eine solche Empfehlung besonders genau gestalten. Zudem ist der Kunde grds. darüber aufzuklären, für welche Kundengruppe das Produkt hergestellt wurde. Richtigerweise entstehen im Rahmen der Anlageberatung keine weiteren Informationspflichten, bspw. darüber, dass sich der Zielmarkt nachträglich verändert hat, es sei denn diese wurde ausdrücklich mit dem Anleger vereinbart. Auch aus zivilrechtlichem Blickwinkel ist der Zielmarkt als Produktmerkmal und als Risikoeinstufung zu berücksichtigen. Jedoch führt dessen Nichtbeachtung auch zivilrechtlich nicht automatisch zu einer Vertragspflichtverletzung. Eine solche liegt

151 152 153 154 155

I. E. Buck-Heeb, CCZ 2016, 2, 10. Buck-Heeb, ZHR 179 (2015), 782, 818. Buck-Heeb, ZHR 179 (2015), 782, 818. I. E. Buck-Heeb, ZHR 179 (2015), 782, 818. s. für diese Buck-Heeb, ZHR 179 (2015), 782, 818; Spindler, FS Köndgen, 615.

368

8. Teil: Product Governance im Vertrieb

hingegen vor, wenn der Berater den Kunden nicht über die vom Zielmarkt abweichende Empfehlung informiert hat. Grundlegend hat der Gesetzgeber mit den Product Governance Regelungen einen richtigen Schritt dahingehend unternommen, nicht nur die Beratung zu regulieren, sondern auch direkt bei der Erstellung des Produkts und dessen Vertrieb anzusetzen. Diese Regelungen sind mit großem Umsetzungsaufwand für alle Akteure verbunden und wirken sich indirekt bis auf die unterste Stufe der Anlageberatung ggü. dem Kunden aus. Eine grds. bessere und qualitativ hochwertigere Verteilung von passenden Produkten an den Kunden ließe sich auf diesem Wege durchaus erzielen, da sich die Hersteller und die WpDU über die Produkte und ihre Wirkung detailliertere Gedanken machen müssen. Zusätzlich droht das scharfe Schwert der Produktintervention der BaFin. Allerdings sollte weiterhin bedacht werden, dass jede Beratungssituation individuell ist und dementsprechend auch die Produkte anders eingesetzt werden können, als ursprünglich kategorisiert. Diese Möglichkeit sollte auch in Zukunft erhalten bleiben und der Berater nicht an starre Zielmarktbestimmungen gebunden werden. Anderenfalls könnte der Kunde, basierend auf den Zielmarktangaben, seine Produkte demnächst selbst auswählen.

9. Teil

Gesamtfazit Die vorliegende Untersuchung zeigt nur einen kleinen Ausschnitt, der aufgrund der MiFID II zukünftig zu erfüllenden neuen Verpflichtungen der WpDU. Aber bereits an diesen wird deutlich, dass sowohl der europäische, als auch der deutsche Gesetzgeber an dem bislang bestehenden Regelungssystem festhalten und dieses mit weiteren Anforderungen aufstocken. Die erweiterten Regelungen, die für einige Mitgliedstaaten grundlegend neu sind, stellen für die deutschen WpDU in der Fülle eine nicht zu unterschätzende Verschärfung der bereits existierenden Vorschriften dar. Diese werden, als nationale Besonderheit, vor allem die kleineren WpDU spüren. Zusätzlich werden zwei vollständig neue Aspekte durch die MiFID II eingeführt: Die gesetzliche Regulierung der unabhängigen Beratung (bzw. der unabhängigen Honorar-Anlageberatung) und die Product Governance Regelungen, die erstmalig direkt beim Hersteller ansetzen. Das Ziel der MiFID II ist es, die in der Finanzmarktkrise im Jahr 2008 offensichtlich gewordenen Missstände und Lücken zu schließen. Allerdings tritt sie erst zehn Jahre später in Kraft. Eine solch große Zeitspanne erklärt sich jedoch mit Blick auf das mit der MiFID II einhergehende Regelungswerk – oder besser der Regelungsflut. Neben der MiFID II tritt, als weitere Level-1-Maßnahme, die MiFIR als Verordnung in Kraft. Zusätzlich wurden 26 technische Regulierungsstandards, eine delegierte Richtlinie (MiFID II-DLRL) und zwei delegierte Verordnungen (MIFID II-DLVO und MiFIR-DLVO1) sowie 3 Durchführungsverordnungen (MiFID II-DVO 2017/980,2 MiFID II-DVO 2017/9813 und MiFID II-DVO 2017/

1 Delegierte Verordnung (EU) 2017/567 der Kommission vom 18. Mai 2016 zur Ergänzung der Verordnung (EU) Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates im Hinblick auf Aufsichtsmaßnahmen zur Produktintervention und zu den Positionen, Abl. EU L 87/90, v. 31. 03. 2017. 2 Durchführungsverordnung (EU) 2017/980 der Kommission vom 7. Juni 2017 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für die Standardformulare, Muster und Verfahren für die Zusammenarbeit der zuständigen Behörden bei der Überwachung, den Überprüfungen vor Ort und den Ermittlungen und für den informationsaustauschzwischen den zuständigen Behörden gemäß der Richtlinie 2014/65/EU des Europäischen Parlaments und des Rates, Abl. EU L 148/3, v. 10. 06. 2017. 3 Durchführungsverordnung (EU) 2017/981 der Kommission vom 7. Juni 2017 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für Standardformulare, Muster und Verfahren zur Konsultation anderer zuständiger Behörden vor einer Zulassung gemäß der Richtlinie 2014/65/ EU des Europäischen Parlaments und des Rates, Abl. EU L 148/6, v. 10. 06. 2017.

370

9. Teil: Gesamtfazit

9884) auf Level-2-Ebene sowie weitere Level-3-Maßnahmen in Form von ESMA Leitlinien und Q&As erlassen. Die MiFID II, mit ihren zahlreichen Artikeln und deren – teilweise mehrere Seiten füllenden – Absätzen und Unterabsätzen (vor allem in den Sanktionsvorschriften), ist nur wenig anwenderfreundlich. Sogar der europäische Gesetzgeber verliert teilweise den Überblick und verweist bspw. falsch (s. 6. Teil F.II.1.). Die Fülle an Level-2-Maßnahmen verfestigt zudem das Bild, dass trotz der Länge der MiFID II, diese nur eine grobe Marschrichtung vorgibt und noch durch weitere Regelungen konkretisiert werden muss. So entsteht, vor allem unter Berücksichtigung der national umzusetzenden Regelungen, ein Geflecht aus Vorschriften, welches für die Anwendungspraxis nur schwer handhabbar ist. Die fehlende Praxistauglichkeit beruht auf der Länge der einzelnen Regelungen. Zusätzlich wird die Auffindbarkeit der einzelnen Vorschriften durch den Wechsel zwischen nationalem Recht und delegierten Verordnungen sowie der zusätzlich bestehenden nationalen Aufsichtspraxis erschwert. Insgesamt lässt sich die MiFID II also, zumindest für die hier untersuchten Regelungen, als „typische“ europäische Kapitalmarktregelung, die „[…] nur reaktiv, […] langsam, und […] qualitativ, wenn vielleicht nicht unterirdisch, so doch in ihrer Detailwut und verworrenen Begrifflichkeit auch nicht gerade vorbildlich“5 ist, beschreiben. Zugleich bringen die Fülle an Regelungen und deren Auslegungsbedürftigkeit die Mitgliedstaaten in einen Umsetzungskonflikt, da sie aufgrund der Aufgabenmenge bereits vor dem Erlass der konkretisierenden Level-2-Maßnahmen aktiv werden mussten. Allerdings enthalten diese zum Teil weitergehende Anforderungen, als sich aus den Level-1-Maßnahmen ergeben. Dies musste auch der deutsche Gesetzgeber feststellen, der bereits vielfach für sein „Vorpreschen“6 kritisiert wurde und dessen regelmäßig sehr weitgreifende Umsetzungsmaßnahmen nach Erlass der delegierten Rechtsakte in Teilen verändert werden mussten. In der Zusammenschau mit der MiFID II zeigt sich jedoch, dass die „Alleingänge“ des deutschen Gesetzgebers in der Vergangenheit gute Regelungsansätze beinhalteten. Viele deutsche Anforderungen, die der Gesetzgeber bspw. als zusätzliche Anforderungen bei der Umsetzung der MiFID I-Vorgaben implementiert hatte, wurden nun aufgegriffen und entsprechend in Form einheitlicher europäischer Regelungen etabliert. Als Beispiel ist insb. das deutsche Beratungsprotokoll zu nennen. Die deutschen WpDU mussten zwar im Vorfeld strengeren Vorgaben folgen, 4 Durchführungsverordnung (EU) 2017/988 der Kommission vom 6. Juni 2017 zur Festlegung technischer Durchführungsstandards für Standardformulare, Muster und Verfahren für die Zusammenarbeit in Bezug auf Handelsplätze deren Geschäfte in einem Aufnahmemitgliedstaat von wesentlicher Bedeutung sind, Abl. L 149/3 v. 13. 06. 2017. 5 Köndgen, Karlsruher Forum 2014, 88, allgemein zu den Schwächen der europäischen Finanzmarktrechtgesetzgebung. 6 Möllers, ZEuP 2016, 325, 340.

9. Teil: Gesamtfazit

371

sie sind durch die MiFID II nun aber weniger von großen Umstellungen betroffen als WpDU in anderen Mitgliedsländern. Ob dies auch für die neuen, nationalen Sonderregelungen gilt, ist noch nicht absehbar. Die strengeren Zuwendungsregelungen der unabhängigen Honorar-Anlageberatung, deren Bezeichnungsschutz, die Vorabanzeigepflicht der Mitarbeiter und die Aufzeichnungspflicht der telefonischen Anlageberatung werden aktuell von der Praxis und der Literatur kritisiert. Bisher scheinen sie das angestrebte Ziel, den Anlegerschutz zu stärken, zu verfehlen, dafür jedoch den WpDU strengere Anforderungen aufzuerlegen. Dies wird im Fall der Honorar-Anlageberatung besonders deutlich. Als alternative Beratungsform hat sie sich nicht etabliert und die Hemmschwellen, diese einzuführen, sind für die WpDU erheblich. Trotz dieser Erkenntnis hat es der deutsche Gesetzgeber verpasst, im 2. FiMaNoG Änderungen vorzunehmen. Für die WpDU bestehen damit weiterhin keine Anreize, diese Beratungsform (zusätzlich) anzubieten. Insb. die kleineren WpDU, welche sich aufgrund der personellen Vorschriften für eine Form entscheiden müssen, bleiben damit bei der sicheren Variante – der Provisionsberatung. Allerdings entwickelt sich durch die Einführung der HonorarAnlageberatung in Zusammenspiel mit der in der MiFID II vorgesehenen neuen Kostentransparenz und dem aktuellen Niedrigzinsumfeld ein Wettbewerb in Form von Vergütungsmodellen, die an die Honorar-Anlageberatung angelehnt sind. Durch diesen kann auch eine Sensibilisierung des Kunden auf den durch Zuwendungen ausgelösten Interessenkonflikt entstehen und somit das hinter der Einführung der Honorar-Anlageberatung stehende Ziel teilweise erreicht werden. Die Zuwendungsproblematik zeigt jedoch auch das Kernproblem der MiFID II. Der europäische Gesetzgeber reagiert nur auf Missstände, anstatt vorausschauend zu planen. So greift er die bisherigen Regelungen auf und erweitert diese, um weitere Situationen zu erfassen, verschärft die Anforderungen und kreiert neue Informationspflichten. Viel hilft jedoch nicht immer viel. Der Anleger ist bereits heute hinsichtlich der Informationsdichte gesättigt (information overload). Er nimmt die Beratung in Anspruch, um leichter und basierend auf aufbereiteten Informationen eine Entscheidung treffen zu können, anstatt eigenständig und damit zeitaufwändig zu recherchieren. Die Verkürzung und Standardisierung ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber auch kein Allheilmittel. Allerdings sollten die auf der einen Seite gekürzten Informationen nicht auf der anderen Seite mit neuen Informationspflichten aufgefüllt werden. Grds. ist jedoch die Aufklärung des Anlegers der richtige Ansatz, um diesem zu einer eigenverantwortlichen Entscheidung zu verhelfen. Daher ist der Weg des europäischen Gesetzgebers, die bestehenden Regelungen zu verschärfen nicht grds. verfehlt, sondern vor dem Kontrast des (Provisions-)Verbots positiv zu beurteilen. Die Entscheidung kein Provisionsverbot ohne Ausnahmemöglichkeit einzuführen, sondern den dahinterstehenden Interessenkonflikt mittels zusätzlicher Vorschriften für die Beratersachkunde, die Geeignetheit-

372

9. Teil: Gesamtfazit

serklärung und die erfolgsunabhängige Vergütung zu begegnen, entspricht darüber hinaus auch dem deutschen bisherigen Regelungsverständnis. Es bleibt jedoch anzumahnen, dass die Regelungen ein Ausmaß erreicht haben, bei dem eine weitere Ausdehnung weder positiv für den Anleger noch für die einzelnen WpDU wäre. Eine Reflektion dieses Problems zeigt sich in den parallel neu eingeführten Ansatzpunkten der Product Governance Regelungen, um nicht im Nachhinein zu agieren, sondern direkt beim Hersteller anzusetzen und den (hier nicht besprochenen) Produktinterventionsregelungen. Allerdings ändert der europäische Gesetzgeber in den aktuellen Vorschriften der MiFID II sein Anlegerverständnis von einem mündigen hin zu einem schutzbedürftigen Anleger.7 Zugleich erweitert er die Pflichten der WpDU für die Dienstleistungserbringung gegenüber professionellen Kunden und geeigneten Gegenparteien. Eine eigenbestimmte Informationssondierung wird damit weder dem Privatanleger noch den professionellen Kunden zugetraut. Allerdings sollen letztlich alle Kunden eine eigenständige und informierte Anlageentscheidung treffen. Die Ausweitung der Regelungen auf die professionellen Kunden nimmt damit auch dem einzelnen Kunden die Möglichkeit, eigenverantwortlich zu entscheiden, ob er diesen zusätzlichen Schutz in Anspruch nimmt oder nicht. Schließlich kann er nicht mehr die Möglichkeit der Hochstufung nutzen, um deutlich weniger Informationen zu erhalten und damit schneller auf Veränderungen am Markt reagieren zu können. Es ist richtig, dass es gerade im Rahmen der Anlagen für die Altersversorgung entsprechende Regelungen braucht. Dies gilt insb. vor der Hintergrund, dass institutionelle Anleger, die Gelder Dritter verwalten, durch entsprechende Verluste keinen unmittelbaren, eigenen Schaden erleiden, der eine disziplinierende Wirkung erzielt.8 Eine gewisse Eigenverantwortlichkeit trifft den Anleger, der sein eigenes Geld investiert, aber schon. Ihm muss auch zugemutet werden Verluste zu tolerieren. Insb. muss den Anbietern am Markt zugetraut werden, dass diese sich um ihre Kunden bemühen, die nach einer Verlusterfahrung verhaltener agieren und sich auf diese Weise entsprechend eigenständig regulieren.9 Hier spiegeln sich insb. die Ergebnisse der zuvor durchgeführten Rechtsvergleiche wider. Sowohl der amerikanische Markt, der ein eigenes Konzept überwiegend über die Aufklärung verfolgt, als auch der britische Markt, der ebenfalls auf die Eigenverantwortung der WpDU abstellt (s. 2. Teil C.III.), zeigen eine solche Möglichkeit auf. Auf diese Weise würde auch das Verhältnis zwischen den WpDU und der Aufsichtsbehörde enger verknüpft, da diese hinsichtlich der Umsetzung spürbar mehr kommunizieren müssten. Zugleich ließe sich so, in Abstimmung mit der Aufsicht, eine praxistaugliche Lösung, für jedes WpDU individuell angepasst, entwickeln.

7 8 9

Tekathen, Honorarberatung im Finanzdienstleistungsbereich, 362. Ähnlich Langenbucher, Karlsruher Forum 2014, 108. I. E. Lobinger, Karlsruher Forum 2014, 101.

9. Teil: Gesamtfazit

373

Jedoch müssen die WpDU die stetig steigenden Anforderungen auch sinnvoll und wirtschaftlich in ihre Beratungspraxis umsetzen. Je umfangreicher die Anforderungen werden, desto kostenintensiver wird die Beratung, die der Kunde (derzeit) nicht bereit ist, durch hohe Honorare zu vergüten. Darüber hinaus ist zu erwarten, dass sich die WpDU nach weniger stark regulierten und deshalb für sie wirtschaftlicheren Tätigkeiten umsehen werden. In beiden Fällen würden jedoch die finanzschwächeren Kunden, die sich dies nicht leisten könnten oder wollten und damit der Kleinanleger, der durch die MiFID II besonders geschützt werden sollte, vom Markt verdrängt. Auch hier muss die Balance aufrechterhalten und dem Markt mehr Vertrauen entgegen gebracht werden. Insgesamt bleibt festzuhalten, dass sich die MiFID II ein ambitioniertes Ziel gesetzt hat. Aus deutscher Sicht werden grds. die wesentlichen Stellschrauben in Form der Steigerung der Beratungsqualität durch Sachkunde, der Vergütungsregelung des Beraters, der Transparenzpflichten und der Einbeziehung des Produktherstellers durch Product Governance Regelungen genutzt. Richtigerweise wurde kein Versuch unternommen die aufgedeckten Missstände mittels Verbot aufzuheben. Dennoch wäre es wünschenswert gewesen, wenn der europäische Gesetzgeber seine Vorgaben bereits auf Level-1-Ebene konkreter und übersichtlicher ausgestaltet hätte, um deren Umsetzung zu vereinfachen. So hatte es der deutsche Gesetzgeber nicht leicht, innerhalb der kurzen Zeit die Vorgaben in nationales Recht zu gießen und diese sinnvoll in das bestehende Regelungsgeflecht, unter Berücksichtigung der nationalen Sonderregelungen, einzubinden. Die in dieser Arbeit vorgenommenen Untersuchungen haben gezeigt, dass der deutsche Gesetzgeber dieses im Rahmen einer Neustrukturierung des WpHG, aber richtigerweise unter Beibehaltung der Aufteilung für die allgemeinen Verhaltensanforderungen umsetzt. Insgesamt hat sich der deutsche Gesetzgeber um eine Eins-zu-eins-Umsetzung bemüht. Tatsächlich wurden an einigen Stellen dennoch nationale Sonderregelungen geschaffen bzw. aufrechterhalten, die den deutschen WpDU zusätzliche Anforderungen auferlegen und deshalb nachteilig sind. Insb. die Mitarbeiteranzeige und die strengeren Honorar-Anlageberatungsregelungen sind hierfür als Beispiele zu nennen. Zugleich schafft er aber durch weitergehende nationale Regelung eine verständlichere Anwendung. So bringt er bspw. zur Aufzeichnung der telefonischen Anlageberatung die auf europäischer Ebene vermisste Klarheit über den aufzeichnungspflichtigen Inhalt. Darüber hinaus hat der deutsche Gesetzgeber auch den nationalen Besonderheiten am Markt Rechnung getragen. Die europäische Richtlinie hat vor allem größere Bankhäuser im „Regelungsblick“ und stellt daher Anforderungen, die entsprechende finanzielle und personelle Mittel voraussetzen. Dies zeigt sich bspw. an den personellen Trennungsvorschriften der unabhängigen Beratung. Die gewachsene deutsche Finanzmarktstruktur weist jedoch neben den größeren Bankhäusern ein weitverzweigtes Filialsystem auf, welches flächendeckend auch die ländlicheren Gebiete mit Kleinstfilialen versorgt. Hier sind vor allem die Sparkassen und Raiffeisenbanken zu nennen. Der deutsche

374

9. Teil: Gesamtfazit

Gesetzgeber hat dies erkannt und versucht durch entsprechende Regelungen gegenzusteuern. Bspw., indem Zuwendungen auch dann der Qualitätsverbesserung dienen, wenn diese den Ausbau oder die Aufrechterhaltung des Filialnetzes ermöglichen. In diesem Kontext steht auch die hinsichtlich der Größe und Organisationsstruktur verhältnismäßige Umsetzung der personellen Trennung zur HonorarAnlageberatung in der vorliegenden Fassung des § 8 WpDVerOV-E. Dies ist positiv hervorzuheben. Weiterhin ist positiv anzumerken, dass der deutsche Gesetzgeber sich auch auf den Stand der MiFID II Regelungen einlässt, indem er bspw. ein bestehendes Rücktrittsrecht des Anlegers bei nachträglicher Aushändigung eines fehlerhaften, unvollständigen oder unrichtigen Beratungsprotokolls bei telefonischer Beratung abschafft. Stattdessen führt er, wie auf europäischer Ebene vorgesehen, die Möglichkeit ein, die Ausführung des Geschäfts solange auszusetzen bis der Anleger die Geeignetheitserklärung erhalten hat. Damit versucht er richtigerweise nicht den aus deutscher Sicht durch die Übernahme der europäischen Regelung gesunkenen Anlegerschutz im „Alleingang“ zu erhöhen. So beinhaltet die nationale Regelung neben einigen Schwächen auch Stärken. Insgesamt ist der deutsche Gesetzgeber unter Berücksichtigung der Umsetzungsvoraussetzungen auf dem richtigen Weg. Einem der Ziele der MiFID II und dementsprechend auch des 2. FiMaNoG, den Anlegerschutz zu stärken, wird partiell entsprochen. Kriminelle Energien oder Falschberatungen können durch diese allerdings auch in Zukunft nicht verhindert werden. Es zeigt sich jedoch, dass die MiFID II und damit auch die deutschen Regelungen überwiegend den status quo der Anlageberatung reglementieren und die künftige Entwicklung kaum einbeziehen. Die MiFID II führt zumindest für den deutschen Markt zu Veränderungen. Durch die stetig steigenden Anforderungen an die WpDU, die niedrigen Zinsen und den Generationenwechsel, wird sich langfristig die Beratungsstruktur verändern. Kleinere Filialen werden fusionieren, um Synergieeffekte zu gewinnen und um Kosten zu sparen. Um weiterhin den Kunden zu erreichen, wird die Beratung mobiler und digitaler werden. Dies wird sich in der Zunahme von Kompetenzteams und Robo-Advices zeigen. Beides wird durch die MiFID II und das 2. FiMaNoG begünstigt, aber Regelungsansätze lassen sich hierfür nur partiell ablesen – so bspw. die Übertragung der Anforderungen für die Geeignetheitsprüfung auf voll- und semiautomatische Systeme. Daher zeichnet sich bereits jetzt die Notwendigkeit ab, sowohl auf europäischer Ebene, als auch im nationalen Recht weitere Regelungen einzuführen, die auch die künftigen Anlageberatungsformen und Marktstrukturen reglementieren. Auch bei diesen muss das Ziel, den Anleger zu schützen, umgesetzt werden. Folglich wird eine weitere Finanzmarktregulierung nicht lange auf sich warten lassen.

Anhang: Experteninterviews A. Experteninterview mit Stefan Adam Position: Honorarfinanzanlagenberater gem. § 34 h GewO bei moneyman24 in Wennigsen Telefonisches Interview am 24. 01. 2017 von 11:05 – 11:45 Uhr

I. Honoraranlageberatung allgemein JM: Hat sich Ihrer Ansicht nach die Honoraranlageberatung oder die Provisionsberatung oder gar beide Beratungsformen seit der Einführung der Honoraranlageberatung als gesetzliche Alternative zur Provisionsberatung verändert und wenn ja, inwiefern? Können Sie ein verstärktes Interesse der Kunden an der Honoraranlageberatung feststellen und wenn ja, wie äußert sich dieses? Adam: Meines Erachtens hat sich das Bewusstsein des Kunden schon verändert. Er bemerkt, dass die Beratung in der Bank nicht zwangsläufig immer das richtige Angebot für ihn darstellt und er sucht gezielt nach einer unabhängigen Beratungsform. Das führt nicht automatisch zu einer Nachfrage der Honoraranlageberatung, aber es ist der erste Schritt in diese Richtung. In Summe hat sich allerdings die Honoraranlageberatung nicht durchgesetzt. Zu beachten ist hierbei jedoch, dass der Blick in das Honoraranlageberater-Register täuscht. Es agieren viel mehr Berater auf Honorarbasis, insbesondere unter den freien Beratern nach § 34f GewO, als dort abgebildet. JM: Wie beurteilen Sie die Bereitschaft des Kunden für eine Beratungsleistung zu zahlen? Dies vor allem im Hinblick darauf, dass der Kunde sich nach der Beratung entschließen kann kein Produkt zu erwerben und damit die Dienstleistung ohne „persönlichen Erfolg“ bezahlen muss. Adam: Die Kunden, die sich an mich wenden sind grundsätzlich schon bereit ein Honorar für die Beratungsleistung zu zahlen. Der durchschnittliche Anleger, so wie ich es leider oft bei meiner Tätigkeit für die Verbraucherzentrale Niedersachsen erlebe, ist hingegen weniger bereit ein Honorar zu zahlen. Dies liegt meines Erachtens aber weniger an der Vorstellung, dass er die Beratung in der Bank kostenlos erhielte, sondern vielmehr am allgemein fehlenden Finanzwissen. So kommt es durchaus vor, dass ich dem Kunden mitteilen muss, dass er für seinen bestehenden

376

Anhang: Experteninterviews

Vertrag ca. 5.000 E Provision gezahlt hat, aber eine weitere Beratungsstunde für 90 E, um dies künftig zu vermeiden ist ihm dann zu teuer. JM: Wird sich der hohe finanzielle Aufwand und auch die aufwändigen Umstrukturierungsmaßnahmen, die gesetzlich vorgeschrieben sind, um die Honoraranlageberatung anbieten zu dürfen, langfristig lohnen? Adam: Die Banken sind meines Erachtens nicht gerade innovativ. Bildlich gesprochen werden diese auf dem Pferd der Provisionsberatung reiten, bis es tot ist. Eine Veränderung würde hier nur eine Gesetzesinitiative herbeiführen, indem Provisionen grundsätzlich verboten werden. Die Banken wissen auch nicht, wie sie eine so große Umstellung bewerkstelligen sollen. Ob sich das lohnt, steht dann wiederum auf einem anderen Blatt. Betrachtet man die Honorarbanken, bspw. die quirin bank AG, von außen, so erscheint mir der Ertrag nicht hinter den Erwartungen zu sein. Daher werden vermutlich auch die Erträge der Banken bei Einführung eines solchen Modells sinken. Dies liegt aber meines Erachtens nicht am Beratungsmarkt, sondern daran, dass die Banken an den Provisionen zu viel Geld verdienen. Denn diese stehen in keiner Relation zur angebotenen Dienstleistung. Muss die Beratungsleistung nun mittels Honorar vergütet werden, fällt diese natürlicherweise deutlich niedriger aus als die derzeitigen Provisionszahlungen. JM: Glauben Sie, dass in absehbarer Zeit ein vollständiges Provisionsverbot, wie es bspw. in Großbritannien bereits existiert, auch in Deutschland eingeführt wird? Wie beurteilen Sie ein solches Verbot? Bitte begründen Sie Ihre Entscheidung. Adam: Ich glaube nicht, dass es ein vergleichbares Provisionsverbot in absehbarer Zeit geben wird. Dazu ist der Gesetzgeber drastisch gesagt „zu feige“ und die Lobby gegen ein solches Verbot zu groß. JM: Glauben Sie, dass möglicherweise entstehende Beratungslücken bei einem vollständigen Provisionsverbot durch die Einführung von neuen Beratungsformen, wie bspw. dem Robo-Advice in den USA (einer auf die einzelnen Kundengruppen zugeschnittene automatische Beratung) geschlossen werden können? Adam: Durch das Provisionsverbot entsteht eine Kostentransparenz und zugleich entfällt die Quersubvention zwischen großen Anlagevolumen und Kleinanlegern. Daher glaube ich schon, dass eine Beratungslücke entsteht, da sich Kleinanleger die Beratung nicht mehr leisten können und wollen. Wenn der Kleinanleger dann auf internetbasierte Angebot umsteigt, glaube ich jedoch nicht, dass das für ihn zwangsläufig schlechter wäre als die persönliche Beratung. Allerdings glaube ich, dass die Anleger, die in diese Beratungslücke fallen, nicht mit solchen Angeboten angesprochen werden. Der Deutsche Anleger ist sehr schwierig. Er verbindet bspw. immer noch Aktien mit Spekulation und will Spekulationen auf jeden Fall vermeiden. Hier fehlt, wie bereits gesagt, das Finanzwissen. Daher glaube ich eher, dass in einem solchen Fall diese Anleger ihr Geld auf dem Konto lassen, anstatt sich online-Beratungen zuzuwenden.

A. Experteninterview mit Stefan Adam

377

II. Honoraranlageberatung im Detail JM: Ist der Kunde Ihrer Ansicht nach durch die Aufklärung, welche Beratungsform im Folgenden erbracht wird, gem. § 31 Abs. 4b WpHG hinreichend über das Bestehen einer Wahlmöglichkeit zwischen den Beratungsformen und über die bestehenden Unterschiede sowie über den Interessenkonflikt in der Provisionsberatung aufgeklärt? Bzw. kennen die Kunden Ihre Ansicht nach die Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Beratungsformen schon vor Ihrer Aufklärung? Adam: Der durchschnittliche Anleger versteht meines Erachtens die unterschiedlichen Modelle der Anlageberatung nicht, geschweige denn die unterschiedlichen Nuancen 34 f, 34 h, 32KWG, Haftungsdach … Hier ist schon viel gewonnen, wenn er überhaupt eine grobe Trennung vornehmen kann. Bislang hat der Anleger nur ein Bewusstsein zwischen „ich zahle direkt ein Honorar an den Berater“ oder nicht. Teilweise findet bei letzterem auch ein Rückschluss auf die Provisionen statt. Aber was die genauen Unterschiede in der Beratungsleistung sind, weiß er nicht. JM: Wie beurteilen Sie das weitergehende Provisionsverbot auf nationaler Ebene für die Honoraranlageberatung, als das durch die MiFID II vorgesehene? (Auf europäischer Ebene dürfen weiterhin nicht monetäre Vorteile – bspw. Produktschulungen und Materialien durch den Emittenten – angenommen werden, nach dem WpHG nicht) Adam: Meines Erachtens ist diese Regelung überzogen. Von einem 5 Euro-Taschenkalender hängt nicht die Produktempfehlung ab. Allerdings könnte auf diese Weise der eine Produktanbieter, der den Kalender versendet hat, schon präsenter sein – und das ist letztlich die Intention des Gesetzgebers dies zu verhindern. Aber um im Bewusstsein des Beraters zu bleiben, haben die Emittenten durchaus andere Möglichkeiten als den 5-Euro-Kalender. Für mich ist diese Vorschrift daher eine Überregulierung. JM: Für die Durchführung der Honoraranlageberatung und der Provisionsberatung innerhalb eines Unternehmens schreibt das WpHG eine personelle, funktionelle und sachliche Trennung der beiden Bereiche vor. Bis zu welcher Ebene bedarf es einer personellen Trennung? Adam: Bei der Einführung der Honoraranlageberatung wurde im Vergleich zur Provisionsberatung eine neue Philosophie eingeführt. Diese ist das Essentielle an der „neuen“ Beratungsform. Damit sich eine solche durchsetzt, muss diese bereits in den obersten Führungsebenen gelebt werden. Die Trennung einzelner Berater richtet hier wenig aus. JM: Ist ein Bezeichnungsschutz, wie ihn § 36d WpHG für die Honoraranlageberatung einführt, indem die Bezeichnung „Honorar-Anlageberater“, „HonorarAnlageberaterin“, „Honorar-Anlageberatung“ oder „Honoraranlageberater“, „Honoraranlageberaterin“, „Honoraranlageberatung“ nur Unternehmen führen dürfen, die bei der BaFin unter Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen im Honoraranlageberatungsregister registriert sind, sinnvoll?

378

Anhang: Experteninterviews

Adam: Insgesamt finde ich eine solche Regelung sinnvoll. Aktuell ist sie allerdings viel zu schwammig und unscharf, um die Aufmerksamkeit des Anlegers zu gewinnen. Die vorgesehene Änderung im Regierungsentwurf des 2. FimanoG, der die Unabhängigkeit mit dem Honorarmodell koppelt ist sinnvoll. Es braucht aber m. E. die Kennzeichnung Unabhängigkeit und ein positives Marketing, um beim Kunden präsent zu werden. Unabhängig muss gleichzeitig mit einer guten und neutralen Beratung in den Köpfen der Anleger verknüpft werden, um den bezweckten Bezeichnungsschutz umzusetzen. JM: Wie kann sichergestellt werden, dass eine „hinreichende Anzahl am Markt angebotener Finanzprodukte, die für den Anleger geeignet sind“ für die Empfehlung für den jeweiligen Kunden analysiert und ausgewertet wurden? Adam: Das ist ein sehr komplexes Feld. Zunächst stellt sich hier die Frage, wie ein Kundenportfolio überhaupt aussehen sollte und welches Research hierfür notwendig ist. Solange der Berater unabhängig von Emittenten agieren kann, ist er ohnehin bemüht, für den Anleger das Bestmögliche rauszusuchen. Dies ändert sich, wenn Provisionszahlungen für bestimmte Produkte im Raum stehen. Bei diesen ist er eher geneigt, auch die eigenen Vorteile zu berücksichtigen. Das ist in der Honoraranlageberatung ausgeschlossen. Ebenfalls besteht bei einigen Beratern die Anlagestrategie bspw. Fonds anhand von Bestenlisten heraus zu suchen und ausschließlich Fonds mit hoher Medienpräsenz zu empfehlen. Dies ist durch die neue Regelung ebenfalls nicht mehr möglich. Vielmehr wird der Portfolioaufbau gestärkt. JM: Wie beurteilen Sie die Ausnahme für die Annahme von Provisionen auch in der Honorarberatung für solche Produkte, für die es kein gleichgeeignetes Ersatzprodukt gibt und nicht ohne Provisionen zu beschaffen ist? Adam: Diese Regelung ist für Ausnahmefälle sinnvoll. Der Standard sollten aber provisionsfreie Produkte sein JM: Ist denn die Möglichkeit gegeben, dass ein Produkt nicht ohne Provisionen zu erwerben ist, da die Provisionszahlung doch ausschließlich auf einer Vereinbarung mit dem Emittenten beruht? Adam: Es ist tatsächlich so, dass derzeit noch nicht alle Produkte ohne Provision zu erhalten sind. So bspw. Offene Immobilienfonds. Es gibt aber bereits einige Anbieter wie z. B. die DAB oder die comdirect bank AG, die die Provisionen regelmäßig auf das Kundenkonto ausschütten. Bei den meisten Fonds kann aber mittlerweile auf ETFs ausgewichen werden. Meines Erachtens können so gut wie alle Anlageklassen durch provisionsfreie Produkte durch solche angeboten werden. JM: Wird auf diese Art und Weise ggf. ein zusätzlicher Anreiz für den Anleger geschaffen, ein Produkt zu erwerben, welches nur mittels Provision zu erlangen ist, um durch die Auskehrung der Provision an ihn die Beratungskosten insgesamt zu senken? Letztlich läge in diesem Fall dann keine von einer Provision unabhängige getroffene Anlageentscheidung vor.

A. Experteninterview mit Stefan Adam

379

Adam: Hier ist ganz einfach die Frage, ob man dies von vorneherein verrechnen will. Aber es ist richtig, dass durch geschicktes Marketing und der grundsätzlichen Auswahl von teuren aktiven Fonds, wodurch hohe Provisionen an den Kunden ausgeschüttet werden, geworben werden kann und dies weder im Einklang mit der Philosophie der Honoraranlageberatung steht noch zwingend im besten Kundeninteresse sein muss. Hier besteht schon eine gewisse Missbrauchsmöglichkeit.

III. Fragen zur MiFID II allgemein JM: Glauben Sie, dass durch eine bessere Ausbildung und vermehrte Sachkundenachweise des Beraters, die der BaFin eingereicht werden müssen, die Qualität der Beratung insgesamt gesteigert werden kann? Adam: Die Sachkunde der Berater ist das Fundament. Hier sollte auch ein gewisses Maß an Verständnis von Finanzmarkttheorien vorhanden sein. Aber das Kernproblem ist die Änderung des allgemeinen Geschäftsmodells von Provision auf Honorar, welches durch verstärkten Sachkundenachweise nicht behoben wird. Denn aktuell haben wir einen recht ordentlich Qualifikationsstandard. JM: Führt die geplante Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation zu Einschränkungen in der Beratung und wenn ja, zu welchen? Adam: Es gibt Kunden, die sehr auf den Schutz ihrer Daten bedacht sind und deshalb auch nicht per E-Mail o. ä. kontaktiert werden wollen. Hier könnte ich mir vorstellen, dass diese auch die Telefonaufzeichnung ablehnen. Somit würden diese aus dem Kundenkreis ausscheiden, da ohne Aufzeichnung nicht mehr beraten werden darf und je nach räumlicher Entfernung regelmäßige persönliche Treffen nicht möglich sind. In jedem Falle würde die Beratung durch den Aufwand des persönlichen Treffens deutlich teurer. Meiner Meinung nach ist diese Anforderung aber überspitzt, da die Finanzbranche ohnehin sehr transparent arbeiten muss. JM: Wie schätzen Sie den Umsetzungsaufwand für die Einführung der Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation in Ihrem Hause ein? Glauben Sie, dass es viele Unternehmen gibt, die sich technisch vollständig umstellen müssen? Adam: Freie Berater arbeiten in der Regel über Dienstleister Pools (z. B. Fondskonzept, netfonds, Fondsnet). Diese stellen uns Plattformen zur Verfügung, auf denen wir die notwendigen Arbeitsmittel finden. Diese werden natürlich durch solche Pflichten immer komplexer. Operativ wird es nicht einfach sein die neuen Regelungen umzusetzen, aber technisch sollte es machbar sein. JM: Künftig soll dem Kunden ein Nachweis über die Gründe, die zu der Empfehlung eines bestimmten Produkts geführt haben, ausgehändigt werden. Wie beurteilen Sie diese Vorgabe?

380

Anhang: Experteninterviews

Adam: Die Frage ist doch eher, welcher Kunde eine detaillierte Dokumentation überhaupt liest? In der Regel können die Gründe noch so schön aufgeschrieben sein, ob auf zwei oder fünf Seiten, der Kunde lässt sich das Dokument geben und will es möglichst schnell unterschreiben. Daher ist hier meines Erachtens weniger mehr. Es reicht völlig aus, wenn der Kunde das Risiko der Anlage verstanden hat. Das muss dem Kunden so deutlich und einfach wie möglich gemacht werden. Aber je mehr ihm übergeben wird und er lesen soll, umso komplizierter erscheint es dem Kunden und genau dieses Komplizierte lehnt er ab. Folglich bietet auch diese neue Regelung nicht mehr Schutz für den Anleger. JM: Herr Adam, ich bedanke mich für das Gespräch!

B. Experteninterview mit Christian Ahlers

381

B. Experteninterview mit Christian Ahlers Position: Referent Team Finanzmarkt beim Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. Telefonisches Interview am 20. 12. 2016 von 10:30 – 11:45 Uhr

I. Honoraranlageberatung allgemein JM: Hat sich Ihrer Ansicht nach die Honoraranlageberatung oder die Provisionsberatung oder gar beide Beratungsformen seit der Einführung der Honoraranlageberatung als gesetzliche Alternative zur Provisionsberatung verändert und wenn ja, inwiefern? Können Sie ein verstärktes Interesse der Kunden an der Honoraranlageberatung feststellen und wenn ja, wie äußert sich dieses? Ahlers: Nein, eine Veränderung der Provisionsberatung konnten wir nicht feststellen. Die Honoraranlageberatung ist bislang nur schleppend angenommen worden. JM: Wie beurteilen Sie die Bereitschaft des Kunden für eine Beratungsleistung zu zahlen? Dies vor allem im Hinblick darauf, dass der Kunde sich nach der Beratung entschließen kann kein Produkt zu erwerben und damit die Dienstleistung ohne „persönlichen Erfolg“ bezahlen muss. Ahlers: Wie bereits festgestellt wird die Honoraranlageberatung bisher kaum als Alternative zur Provisionsberatung wahrgenommen. Dies hat mehrere Gründe. Zunächst werden Bankdienstleistungen von vielen Kunden als Teil der öffentlichen Infrastruktur betrachtet. Entsprechend ist Ihnen nicht bewusst, dass die Beratung in der Bankfiliale – und dort finden die meisten Beratungsgespräche statt – eine Dienstleistung ist, die direkt zu vergüten ist. Es handelt sich also in Teilen um ein grundsätzliches Wahrnehmungsproblem. Dazu kommt fehlende Kostentransparenz. Die Kosten einer Wertpapierdienstleistungen, und damit auch jedes Beratungsgesprächs, müssen zwar dem Kunden gegenüber offen gelegt werden, auch bereits nach aktueller Gesetzeslage. In der Praxis findet diese Offenlegung allerdings nur unzureichend statt. Aufgrund dieses fehlenden Wissens über die Kosten der Provisionsberatung ist die Honoraranlageberatung für die Kunden schwer annehmbar. Wieso sollten sie für etwas bezahlen, das sie woanders vermeintlich kostenlos erhalten? Die Auseinandersetzung mit der Honoraranlageberatung ist vor diesem Hintergrund auch deshalb unattraktiv, da sie das zu zahlende Honorar bereits im Namen trägt. JM: Aber die Zuwendungen werden nicht zuletzt durch § 31d WpHG i.V.m. der MaComp im Zuwendungsverzeichnis offen gelegt. Daher müsste der Anleger eigentlich wissen, dass eine Beratung nicht „umsonst“ ist?

382

Anhang: Experteninterviews

Ahlers: Ja, Zuwendungen müssen offen gelegt werden. In der Praxis bestehen allerdings gleich mehrere Gründe, weshalb Kunden diese Kosten doch nicht wahrnehmen bzw. wahrnehmen können. Zum einen erfolgt die Offenlegung nur bei Zuwendungen; es braucht folglich eine Dreiecks-Beziehung zwischen Kunde, Bank und dem Emittenten des Wertpapiers. Dieses Zuwendungsverständnis entspricht auch dem zivilrechtlichen Begriff der Zuwendung die bspw. im Geschäftsbesorgungsvertrag reguliert ist. Das erste Problem ist nun der Übertrag einer offen gelegten Zuwendung auf die Kostenfrage. Soweit ein Kunde diese Abstraktion vornimmt, kann er schließen, dass die Beratungsleistung vergütet wird und er diese nicht kostenlos erhält sondern über die Zuwendung bezahlt, die der Emittent wiederum einpreist. Allerdings kann oder will eine Bank meist nicht vorhersagen, wie hoch die Zuwendung ausfällt. Daher müssen nach MiFID I nur die Berechnungsmethoden angegeben werden. Das vermittelt dem Anleger jedoch überwiegend keine Vorstellung über die tatsächliche Höhe der Zuwendungen und damit der Kosten. Das zweite Problem ist der am Begriff der Zuwendung hängende Umgehungstatbestand. Bis 2007 waren Wertpapiergeschäfte als Kommissionsgeschäft die Regel. Mit der Umsetzung der MiFID I hat der Gesetzgeber in Deutschland die voraussetzungslose Durchführung von Festpreisgeschäften ermöglicht. Bei Festpreisgeschäften agiert der Vertrieb als Zwischenhändler, der ein Wertpapier vom Emittenten oder an der Börse einkauft und an Stelle einer Zuwendung beim Weiterverkauf eine Marge einbehalten kann. Dadurch wird das Dreiecksverhältnis aufgehoben und der Begriff der Zuwendung läuft ins Leere. Über die Gewinnmarge besteht aufsichtsrechtlich keine Aufklärungs- bzw. Offenlegungspflicht. JM: Ändert sich dieser Zustand durch die neue Kostentransparenz in der MiFID II. Diese sieht nun in Art. 24 MiFID II vor, dass die Kosten sowohl für die Dienstleistung (Beratung) als auch für das einzelne Produkt offen zu legen sind und sogar nachträglich die tatsächlich entstanden Kosten. Ahlers: Meines Erachtens führt auch die neue Kostentransparenz nicht zu dem gewünschten Ergebnis. Vorweg möchte ich kurz festhalten, dass das System der Festpreisgeschäfte meines Erachtens nach eine Art Bestandsschutz für die Provisionsberatung schafft. Müsste auch im Festpreisgeschäft die Gewinnmarge wirksam offen gelegt werden, hätte dies weitreichende Folgen für die Vertriebspraxis. Unserer Kenntnis nach nutzen insbesondere Filialbanksysteme Festpreisgeschäfte zur Finanzierung und gleichzeitig internen Provisionierung des Vertriebsnetzes durch die produktgebenden Zentralinstitute. Da die Filialstruktur der beiden Finanzgruppen einen bedeutenden Teil der Finanzinfrastruktur in Deutschland ausmacht ist der Punkt politisch sensibel. Die Filialbanksysteme stehen unter erhöhtem Wettbewerbsdruck durch Digitalisierung, leiden unter den niedrigen Kreditzinsen und sehen sich neuen Eigenkapitalregelungen aus dem Basel-Prozess gegenüber. Vor diesem Hintergrund spielt die interne Finanzierung über Vertriebsmargen eine gewichtige Rolle für deren Stabilität und damit den Erhalt der bisherigen Infrastruktur. Es ist daher in meinem

B. Experteninterview mit Christian Ahlers

383

Augen politisch gewollt, die EU-Regelungen nicht auf Festpreisgeschäfte auszudehnen. Dass die Bundesregierung den Erhalt der Finanzinfrastruktur im Auge hat ist gut und richtig. Allerdings muss der tatsächliche Bedarf stärker aus Sicht von Verbrauchern definiert werden und weniger als Bestandsschutz der bisherigen Systeme missverstanden werden. Dass die Aufrechterhaltung von Infrastruktur durch Fehlanreize erkauft wird, indem EU-Recht gedehnt wenn nicht gar gebrochen wird, ist dabei gleich mehrfach kurzsichtig. Es erschwert den notwendigen Kulturwandel im Finanzsektor und schwächt das Vertrauen von Verbrauchern in das Finanzsystem sowie in die EU als Gesetzgeber. Das nennt man wohl einen Bärendienst. Zurück zur Neuregelung der Offenlegungspflichten. Dass auch durch das neue Kostentransparenzmodell keine Verbesserung eintritt, erkennt man daran, dass dem Kunden in einem ersten Schritt nur die aggregierten Gesamtkosten des Finanzprodukts und der Dienstleistung (Beratung) offen gelegt werden müssen. Erst im zweiten Schritt, und der erfolgt nur auf Nachfrage des Kunden, müssen die einzelnen Positionen ausgewiesen werden. Ausschließlich aus dieser Aufstellung ergeben sich die Kosten für die Beratungsleistung. Hier ist es nun aber tatsächlich so, dass auch die Gewinnmarge des Festpreisgeschäftes offen gelegt werden muss. Das wiederum müsste der Kunde aber wissen. Erzählt wird ihm dies sicher nicht. Ebenso muss Art. 24 Abs. 9 MiFID II, der die Offenlegung der Zuwendungen verlangt, einbezogen werden. Es sollten unseres Erachtens nicht nur die Zuwendungen offen gelegt werden, sondern alles was Vertriebsanreize schafft. Die Beschränkung auf Zuwendungen ist eine deutsche Interpretation des Richtlinientextes. In der europäischen, meiner Ansicht nach an vielen Stellen leider eher schlechten, deutschen Übersetzung wird von Vorteilen gesprochen. Der deutsche Gesetzgeber macht hieraus Zuwendungen im bisherigen Sinne, was wiederum das Festpreisgeschäft ausnimmt. Das ist aber auf europäischer Ebene unseres Erachtens nicht so gewollt; vielmehr kennt man dort diese spezielle Handhabung der Zuwendung ausschließlich im Dreiecksverhältnis nicht. Dass das deutsche Festpreissystem auch weiterhin beibehalten werden soll, zeigt sich zudem auch in den Regelungen im Gesetzentwurf zur Umsetzung der MiFID II. Der Entwurf sieht vor, dass Wertpapierkäufe und -verkäufe in Folge unabhängiger Beratung nicht in Form von Festpreisgeschäften vorgenommen werden dürfen. Dies ist unserer Ansicht nach auch sinnvoll. Allerdings macht der Gesetzgeber im gleichen Atemzug eine folgenschwere Ausnahme und lässt Festpreisgeschäfte doch zu wenn das Wertpapierdienstleistungsunternehmen gleichzeitig auch der Emittent des Finanzprodukts ist. Wir lesen das so, dass Finanzgruppen, die Festpreisgeschäfte und damit Margen zur internen Finanzierung nutzen, unabhängige Beratung anbieten sollen, ohne dass das EU-rechtliche geforderte Provisionsverbot verletzt wird. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen: Damit können Banken und Sparkassen unabhängige Beratung für ihre hauseigenen Produkte anbieten und damit

384

Anhang: Experteninterviews

doppelt verdienen. Zum einen durch das Beratungshonorar und zum anderen durch die Gewinnmarge im Festpreisgeschäft. Das ist doch Wahnsinn! JM: Glauben Sie, dass in absehbarer Zeit ein vollständiges Provisionsverbot, wie es bspw. in Großbritannien bereits existiert, auch in Deutschland eingeführt wird? Wie beurteilen Sie ein solches Verbot? Bitte begründen Sie Ihre Entscheidung. Ahlers: Ja, davon bin ich überzeugt. Die Frage ist allerdings nur wann. Die Einführung eines Provisionsverbots wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Dies liegt an unserem deutschen Banksystem, welches sich nur langsam umstellen kann. Zudem hängen viele Arbeitsplätze an der Provisionsberatung. Das ist ein nicht unerheblicher Faktor. JM: Glauben Sie, dass möglicherweise entstehende Beratungslücken bei einem vollständigen Provisionsverbot durch die Einführung von neuen Beratungsformen, wie bspw. dem Robo-Advice in den USA (einer auf die einzelnen Kundengruppen zugeschnittene automatische Beratung) geschlossen werden können? Ahlers: Zunächst halte ich den Begriff des Advice Gap für problematisch. Dieser Begriff stammt aus dem UK Financial Advice Market Review (FAMR), der im August 2015 durch die FCA und HM Treasury in Auftrag gegeben wurde. Dieser stellt allerdings explizit keinen Advice Gap fest, sondern legt eine solche Beratungslücke vielmehr als Arbeitshypothese seiner Bearbeitung zu Grunde und entwickelt entsprechende Vorschläge zur Gegensteuerung. Mit dem Begriff will man dabei die Menge derjenigen Kunden beschreiben, die keine direkt zu vergütende Beratung nachfragen. Dass diese Kundengruppe existiert ist logisch, da Beratung eine Dienstleistung mit einer normalen Kostenfunktion ist. Bei jedem Preis am Markt ist es daher normal, dass einige Konsumenten nicht gewillt oder fähig sind einen solchen zu bezahlen. Genauso gut könnten wir also von einem Käse-Gap oder von einem Weihnachtsbaum-Gap sprechen. Die Frage, der sich der FAMR richtigerweise widmet ist, warum genau keine Beratung nachgefragt wird. Desinteresse, Kosten, mangelndes Vertrauen etc. und welche Lösungsmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Lässt man den Begriff für einen Moment zu, muss man ehrlichweise hinzufügen, dass die Kunden, die sich heute in einer Bank „beraten“ lassen bereits Teil eines viel größeren Advice Gaps sind. Denn diese erhalten weniger eine Beratung als ein Verkaufsgespräch. Oftmals ist die Situation, die wir erleben wie folgt: Jemand hat geerbt oder möchte etwas in seine Altersvorsorge investieren und geht mit der Vorstellung einen bestimmten Betrag X anlegen zu wollen in die Bank um sich beraten zu lassen. Statt dem Kunden neue Produkte zu verkaufen, sollte der Berater zunächst einmal auf die aktuelle Vermögenssituation des Kunden achten. Zumeist bestehen hier noch Kredite bspw. für die Wohnung, das Haus, das Auto oder die Küche. Hier müsste dann zunächst geschaut werden, wie diese abgelöst werden könnten mit dem Betrag X und was der Kunde dadurch sparen könnte. Dies rentiert sich zumeist stärker als in zusätzliche Finanzprodukte zu investieren. Dies wäre unseres Erachtens eine kundenorientierte Beratung.

B. Experteninterview mit Christian Ahlers

385

Nun zu ihrer Frage, ob eine Beratungslücke im Sinne einer mangelnden Nachfrage nach Beratung durch neuere Beratungsmethoden verringert werden kann. Für diejenigen Kunden, bei denen die Kosten tatsächlich der ausschlaggebende Faktor sind, können automatisierte Beratungsangebote in der Tat helfen, die Kosten der Dienstleistung zu verringern. Auch die gesetzliche Normierung zusätzlicher Beratungsformate ist denkbar. Die Anlageberatung unter MiFID II ist regulatorisch betrachtet anspruchsvoll und daher teuer. In vielen Fällen benötigen Verbraucher unserer Ansicht nach dabei (noch) gar keine Spezialberatung zum Wertpapierkauf sondern eine grundlegenden aber umfassende Finanzberatung. Ein anderer Ansatzpunkt ist die Produktebene. Durch die Regulierung von Beratungsformaten adressieren sie die Ebene der individuellen Entscheidung über Produkte. Aktuell ist es so, dass Anleger überwiegend nicht die richtige Entscheidung bezüglich des passenden Produktes treffen. Das kann man auch so angehen, dass sie eine Art Standardprodukt anbieten. In Deutschland sind öffentlich-rechtliche Produkte im Gespräch, bspw. unter dem Schlagwort Deutschland-Rente. Solche Lösungen sind bereits aus Schweden und anderen Ländern bekannt und dort erfolgreich.

II. Honoraranlageberatung im Detail JM: Ist der Kunde Ihrer Ansicht nach durch die Aufklärung, welche Beratungsform im Folgenden erbracht wird, gem. § 31 Abs. 4b WpHG hinreichend über das Bestehen einer Wahlmöglichkeit zwischen den Beratungsformen und über die bestehenden Unterschiede sowie über den Interessenkonflikt in der Provisionsberatung aufgeklärt? Bzw. kennen die Kunden dadurch ihre Wahlmöglichkeit zwischen den Beratungsformen. Ahlers: Wie Sie bereits angesprochen haben, wird dem Kunden nur erklärt, dass im Folgenden die Provisionsberatung erbracht wird, aber nicht, dass es auch die Möglichkeit der Honorarberatung gibt. Mithin kennt er weder die Unterscheidung noch die Wahlmöglichkeit. Vielmehr ist es nach derzeitigem Stand sogar so, dass bspw. eine Sparkasse, die die Provisionsberatung erbringt, dem Kunden mitteilen darf, dass sie eine unabhängige Beratung anbietet. Denn die Bezeichnung unabhängige Beratung ist nicht legal definiert. Im Entwurf des MiFID II Umsetzungsgesetzes wird aktuell diskutiert, ob die unabhängige Beratung im Sinne der Richtlinie „Honorar-Anlageberatung“ oder „unabhängige Honorar-Anlageberatung“ heißen soll. In jedem Fall wird die bisherige Provisionsberatung nicht legal definiert und darf daher im Rahmen des Lauterkeitsrechts heißen wie sie will. JM: Hätte der Gesetzgeber hier nicht verstärkt auf die neue Alternative aufmerksam machen müssen, denn den Banken, die die Provisionsberatung anbieten, kann es wohl kaum auferlegt werden über ein Konkurrenzmodell zu beraten?

386

Anhang: Experteninterviews

Ahlers: Ja, es war und ist Aufgabe des Gesetzgebers die Honoraranlageberatung bekannt zu machen. Dass das nicht umfassender passiert lässt vermuten, dass der Gesetzgeber selber nicht an die Einführung einer wirklichen Alternative glaubt oder glauben will. JM: Für die Durchführung der Honoraranlageberatung und der Provisionsberatung innerhalb eines Unternehmens schreibt das WpHG eine personelle, funktionelle und sachliche Trennung der beiden Bereiche vor. Bis zu welcher Ebene bedarf es einer personellen Trennung? Ahlers: Die Idee, ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen könnte sowohl unabhängige als auch abhängige Beratung nebeneinander anbieten, ohne dass eine Beeinflussung stattfindet, ist schon an sich nicht haltbar. Denn würde bspw. Provisionen wie Margen vollständig verboten, hätten z. B. Sparkassen trotzdem weiter Anreize hauseigene Produkte zu verkaufen. Sie würden dann als Eigentümerinnen an den höheren Gewinnen der Deka oder eines anderen Zentralinstituts profitieren. Vielmehr muss Beratung klar vom Vertrieb getrennt werden. JM: Ist ein Bezeichnungsschutz, wie ihn § 36d WpHG für die Honoraranlageberatung einführt, indem die Bezeichnung „Honorar-Anlageberater“, „HonorarAnlageberaterin“, „Honorar-Anlageberatung“ oder „Honoraranlageberater“, „Honoraranlageberaterin“, „Honoraranlageberatung“ nur Unternehmen führen dürfen, die bei der BaFin unter Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen im Honoraranlageberatungsregister registriert sind, sinnvoll? Ahlers: Wie bereits festgestellt sind wir mit dem Begriff der Honoraranlageberatung aus mehreren Gründen nicht zufrieden. Zum einen wird sich der Begriff der Honoraranlageberatung nicht durchsetzen bzw. hat sich nicht durchgesetzt. In der Praxis wird dies verkürzt als Honorarberatung bezeichnet. Zum anderen sind auch die Bezeichnung und der Bezeichnungsschutz nicht als Art Gütesigel beim Verbraucher angekommen, sondern vielmehr negativ besetzt. Dies liegt mit an dem bereits im Namen angeführten Honorar für eine im Auge des Anlegers ansonsten kostenlose Leistung. Dass es ein solches Register gibt, hat sich beim Verbraucher auch nicht herumgesprochen. Ein erster Schritt wäre, bei der Umsetzung die Begriffe der MiFID II zu übernehmen und sich nicht weiter auf den negativ besetzten Honorarbegriff zu stützen. Unabhängige Beratung würde dann schlicht unabhängige Beratung heißen. Provisionsberatung abhängige Beratung oder einfach Verkauf.

B. Experteninterview mit Christian Ahlers

387

III. Fragen zur MiFID II allgemein JM: Glauben Sie, dass durch eine bessere Ausbildung und vermehrte Sachkundenachweise des Beraters, die der BaFin eingereicht werden müssen, die Qualität der Beratung insgesamt gesteigert werden kann? Ahlers: Grundsätzlich befürworten wir eine bessere Qualifikation der Berater. Es ist oftmals noch so, dass die Feinheiten der einzelnen Produktgruppen nicht bekannt sind, sondern Wissen vor allem zu hauseigenen Produkten vorliegt. Daher ist der Ansatzpunkt, der bessere Qualifikation und mehr Sachkundenachweise fordert, richtig. Zugleich muss die BaFin hier die Kenntnisse und Qualifikationen engmaschig kontrollieren können und entsprechendes Personal zur Verfügung gestellt bekommen. JM: Führt die geplante Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation zu Einschränkungen in der Beratung und wenn ja, zu welchen? Ahlers: Hier bin ich nicht so sehr im Thema, allerdings kann ich allgemein sagen, dass diese Anforderung neue Bürokratie schafft und wir eher für schlanke Prozesse und einfache Regelungen plädieren. Bei dieser Regelung besteht zudem die Unklarheit, ab wann bei einem Telefonat aufgezeichnet werden muss. Die Haftungssituation ist für den Anleger hier nach wie vor schlecht, da er die Beweislast trägt. Dies ändert sich auch durch die Aufzeichnungspflicht für die elektronische Kundenkommunikation nicht. Die Beweislast umzukehren wäre eine einfachere Variante gewesen. Zur übermäßigen Bürokratie möchte ich noch allgemein festhalten, dass durch die MiFID II, die PRIIPs, IDD-RL etc. immer mehr Regelungen erlassen werden. Es kommen zusätzlich die ESMA-Ausführungen und manche Durchführungsverordnungen hinzu. Diese Fülle an Regelungen ist kaum noch überschaubar. Hierdurch entstehen unwahrscheinliche Kosten und insbesondere die kleinen Institute leiden darunter. Dies ist auch von uns nicht gewollt, auch wenn wir dies des Öfteren vorgeworfen bekommen. Dieser Wust an Regelungen entsteht im Kern dadurch, dass durch diese ein an sich faules System gerettet werden soll, welches nicht funktioniert und auch durch die neuen Regelungen nicht besser funktionieren kann. Dabei müsste letztlich nur eine einfache Regelung eingeführt werden: Wer Finanzprodukte vertreibt darf keine Beratungsleistung anbieten. JM: Künftig soll dem Kunden ein Nachweis über die Gründe, die zu der Empfehlung eines bestimmten Produkts geführt haben, ausgehändigt werden. Wie beurteilen Sie diese Vorgabe? Ahlers: Die Geeignetheitserklärung löst das bisherige Beratungsprotokoll ab, das den Verlauf der Beratung darstellen sollte. Die Geeignetheitserklärung soll hingegen nur noch das Ergebnis, also die Gründe für die Auswahl eines Finanzproduktes wieder geben.

388

Anhang: Experteninterviews

Die heutigen Regelungen zu Beratungsprotokollen sind aus unserer Sicht leider schlecht. Es ist so, dass der Berater das Protokoll anfertigt und der Anleger die Beweislast trägt. Der Berater hat aber einen starken Anreiz sich selbst aus der Haftung zu nehmen, zumal die Vorgaben des Gesetzgebers zur Ausgestaltung der Protokolle sehr weich sind und diese somit durch die Anbieter ausgelegt werden können. Unseres Erachtens wäre die A-Lösung eine Beweislastumkehr. Die wird aller Voraussicht nach aber nicht kommen. Daher wäre die B-Lösung detaillierte Vorgaben zu schaffen, was genau in die Erklärung aufgenommen werden muss. Hierzu sollte unserer Ansicht nach zum Suitability-Statement eine Verordnungsermächtigung in das Gesetz aufgenommen werden, welche die BaFin ermächtigt Regelungen zur Standardisierung der Suitability-Statements zu erlassen. JM: Herr Ahlers, ich danke Ihnen für das Gespräch!

C. Experteninterview mit Dirk Beule

389

C. Experteninterview mit Dirk Beule Position: Rechtsanwalt und Syndikus in der Rechtsabteilung bei HSBC Trinkaus & Burkhardt AG in Düsseldorf Schriftliche Stellungnahme vom 09. 03. 2017

I. Honoraranlageberatung allgemein JM: Hat sich Ihrer Ansicht nach die Honoraranlageberatung oder die Provisionsberatung oder gar beide Beratungsformen seit der Einführung der Honoraranlageberatung als gesetzliche Alternative zur Provisionsberatung verändert und wenn ja, inwiefern? Können Sie ein verstärktes Interesse der Kunden an der Honoraranlageberatung feststellen und wenn ja, wie äußert sich dieses? Beule: Aus rechtlicher Sicht ist eine Änderung festzustellen, da mit der Einführung der Regelungen zur Honorar-Anlageberatung durch das Honoraranlageberatungsgesetz (Gesetz zur Förderung und Regulierung einer Honorarberatung über Finanzinstrumente vom 15. 06. 2015, BGBl. I vom 18. 07. 2013, 2390 ff.) erstmalig ein formaler Rahmen für diese Beratungsform geschaffen wurde. Dieser Rahmen besteht im Wesentlichen aus organisatorischen Anforderungen, Informationspflichten und einem Bezeichnungsschutz. Der Änderungsbedarf für die Provisionsberatung folgte aus der Einführung des Bezeichnungsschutzes nach § 36d WpHG. Soweit Bezeichnungen verwendet wurden, die Wortteile der geschützten Begriffe enthielten, wurde eine Änderung erforderlich. Zur Vermeidung einer Unterlassungsforderung durch Wettbewerber oder Verbände wegen Verstoßes gegen § 5 Abs. 1 UWG war es ratsam, darüber hinaus Bezeichnungen zu ändern, die Anlass für eine Verwechslung geben konnten. Eine weitere Änderung wurde durch die unabhängig von der Ausgestaltung der Anlageberatung geltende Informationspflicht des § 31 Abs. 4b WpHG herbeigeführt. Alle Kunden – nicht nur solche von Honorar-Anlageberatern – werden seit August 2014 zusätzlich informiert, ob die Honorar-Anlageberatung angeboten wird oder nicht. Die mit § 31 Abs. 4b S. 2 WpHG eingeführte Informationspflicht über die Annahme von Zuwendungen ist der Sache nach keine neue Information. Ein Kunde muss bereits seit November 2007 über Zuwendungen informiert, sofern das Wertpapierdienstleistungsunternehmen zur Entgegennahme oder Gewährung von Zuwendungen berechtigt ist (vgl. insb. § 31d Abs. 2 WpHG). Aus Praktikersicht ist zu ergänzen, dass mir keine Nachfrage nach einer Honoraranlageberatung durch Kunden bekannt geworden ist. JM: Wie beurteilen Sie die Bereitschaft des Kunden für eine Beratungsleistung zu zahlen? Dies vor allem im Hinblick darauf, dass der Kunde sich nach der Beratung

390

Anhang: Experteninterviews

entschließen kann, kein Produkt zu erwerben und damit die Dienstleistung ohne „persönlichen Erfolg“ bezahlen muss. Beule: Bevor ich die Frage aus Praktikersicht beantworte, möchte ich auf folgende Tatsache hinweisen. Die Auskehrung einer Zuwendung durch den HonorarAnlageberater an seinen Kunden wird steuerlich als Ertragszahlung aus Kapitalanlagen gewertet. Dies hat bei Kunden, die der Kapitalertragssteuer unterliegen, zur Konsequenz, dass bei der Auskehrung unter Beachtung eventueller Freibeträge Kapitalertragsteuer, Solidaritätszuschlag und ggfls. Kirchensteuer einbehalten und an das Finanzamt abgeführt werden müssen. Bei den übrigen Kunden wird der Betrag kundenindividuell besteuert, nachdem der Kunde den Erhalt der Zuwendung in seiner Steuerklärung angeben hat. Dieser Umstand hat die betriebswirtschaftliche Konsequenz, dass der Wert der ausgekehrten Zuwendungen für den Kunden geringer ist als der Wert der Zuwendung, die ein Wertpapierdienstleister im Rahmen der Provisionsberatung behält. Soweit der Honorar-Anlageberater betriebswirtschaftlich den gleichen Ertrag kalkuliert wie der Provisionsberater hat dies für den Kunden zur Folge, dass sein Nettoaufwand für den Honorar-Anlageberater in Höhe des Steuerabzugs höher ist als sein Nettoaufwand für den Provisionsberater. Aus Praktikersicht sehe ich aktuell nur eine sehr geringe Bereitschaft von Kunden in Deutschland, für eine Anlageberatung eine Zahlung zu leisten. Aus der Beobachtung des Wettbewerbs sind mir aus dem 1. Jahrzehnt des Jahrtausends Versuche zur Einführung einer Beratungsvergütung bekannt, die erfolglos geblieben sind. Dieser Versuch blieb erfolglos, obwohl sich zahlreiche Kunden zunächst mit Erfolg zu Wertpapieranlagen beraten ließen, u. a. zu Emissionen am Neuen Markt. JM: Wird sich der hohe finanzielle Aufwand und auch die aufwändigen Umstrukturierungsmaßnahmen, die gesetzlich vorgeschrieben sind, um die Honoraranlageberatung anbieten zu dürfen, langfristig lohnen? Beule: Aus Praktikersicht bin ich nicht sicher, ob der Aufwand für die Einführung der Honorar-Anlageberatung als „hoch“ zu bezeichnen ist. Der Aufwand dürfte nicht wesentlich höher sein als die Einführung bzw. der Betrieb der Provisionsberatung. Die wesentliche Schwierigkeit dürfte darin bestehen, ausreichende Erträge zu erzielen. Es dürfte sehr schwierig sein, ob aus den eigenen Kunden ausreichend viele bereit sind, Vereinbarungen über auskömmliche Vergütungen abzuschließen. JM: Glauben Sie, dass in absehbarer Zeit ein vollständiges Provisionsverbot, wie es bspw. in Großbritannien bereits existiert, auch in Deutschland eingeführt wird? Wie beurteilen Sie ein solches Verbot? Bitte begründen Sie Ihre Entscheidung. Beule: Es ist schwer, dazu eine Einschätzung abzugeben. Aus rechtlicher Sicht ist anzumerken, dass es aktuell den Grundsatz eines Zuwendungsverbots gibt (vgl. § 31d Abs. 1 S. 1 WpHG). Dieses Verbot wird tendenziell eine größere Bedeutung erhalten, da mit MiFID II ab Januar 2018 verschärfte Anforderungen an die qualitätsverbessernde Wirkung gelten werden (vgl. Art. 11 ff. Delegierte RichtlinieEntwurf vom 07. 04. 2016, C(2016) 2031).

C. Experteninterview mit Dirk Beule

391

Der Hinweis auf ein vollständiges Provisionsverbot in Großbritannien nimmt Bezug auf das als Konsequenz des Retail Distribution Review von der Financial Services Authority (FSA) angeordnete Provisionsverbot. Dieses Verbot betrifft ausschließlich den Vertrieb an MiFID-Privatkunden und soll diese vor unsachgemäßen Interessenkonflikten schützen. Während durch ein solche Maßnahme das Risiko geschaffen wird, dass ein Wertpapierdienstleister sein Angebot gegenüber MiFID-Privatkunden mangels ausreichender Ertragschancen reduziert oder einstellt, wurden in Deutschland bereits 2011 andere Maßnahmen ergriffen, um die Beratungsqualität zu steigern. Mit dem Anlegerschutz- und Funktionsverbesserungsgesetz wurde die (Mindest-)Qualifizierung von Anlageberatern, Vertriebsbeauftragten und Compliance-Beauftragten vorgegeben. Es wurde ein Berater- und Beschwerderegister bei der BaFin geschaffen, die insbesondere mit dem Beschwerderegister Anhaltspunkte für Fehlverhalten erhalten. Außerdem wurde mit dem Produktinformationsblatt ein Mindeststandard für die Anlegerinformation geschaffen. Diese Schritte erscheinen mir sinnvoller, um die Qualität der Anlageberatung zu verbessern. JM: Glauben Sie, dass möglicherweise entstehende Beratungslücken bei einem vollständigen Provisionsverbot durch die Einführung von neuen Beratungsformen, wie bspw. dem Robo-Advice in den USA (einer auf die einzelnen Kundengruppen zugeschnittene automatische Beratung) geschlossen werden können? Beule: Nein, Beratungslücken würden dadurch nicht geschlossen werden (können). Adressat des Provisionsverbots wäre das Wertpapierdienstleistungsunternehmen. Das Verbot würde in Bezug auf die Tätigkeit der Anlageberatung (ähnlich wie das ab Januar 2018 geltende Verbot für Finanzportfolioverwaltung, vgl. § 64 Abs. 7 WpHG-RegE zum 2. FimanoG) ausgesprochen werden. Davon wäre auch der RoboAdvice betroffen. Es dürfte keinen Unterschied machen, ob die Auswahl und Bewertung der Finanzinstrumente durch einen als Anlageberater handelnden Menschen durchgeführt wird oder auf einem mathematischen Modell beruht, das von Menschen entwickelt wurde und betrieben wird.

II. Honoraranlageberatung im Detail JM: Ist der Kunde Ihrer Ansicht nach durch die Aufklärung, welche Beratungsform im Folgenden erbracht wird, gem. § 31 Abs. 4b WpHG hinreichend über das Bestehen einer Wahlmöglichkeit zwischen den Beratungsformen und über die bestehenden Unterschiede sowie über den Interessenkonflikt in der Provisionsberatung aufgeklärt? Beule: Aus rechtlicher Sicht und aus Praktikersicht erfolgt meines Erachtens eine ausreichende Aufklärung über den Interessenkonflikt. Neben dem Hinweis nach § 31 Abs. 4b WpHG wird der Kunde über Interessenkonflikte auch nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 WpHG informiert. Die Information erfolgt regelmäßig durch eine mehrseitige

392

Anhang: Experteninterviews

Darstellung der Ursachen der Interessenkonflikte. Zusätzlich verlangt die gefestigte Rechtsprechung des BGH, dass Kunden grundsätzlich bei jeder Anlageberatung durch Angaben zu Vertriebsvergütungen und zum anfänglichen negativen Marktwert auf (schwerwiegende) Interessenkonflikte hingewiesen werden. Den Hinweis auf die Wahlmöglichkeit zwischen den Beratungsformen beurteile ich aus rechtlicher Sicht als ausreichend. Der Kunde hat nach den gesetzlichen Vorgaben die Wahl zwischen Honorar-Anlageberatung und provisionsbasierter Beratung und wird über diese Wahlmöglichkeit informiert. Aus Praktikersicht gebe ich allerdings zu Bedenken, dass eine Honorar-Anlageberatung für Kunden vielfach wirtschaftlich keinen Sinn macht und mangels Anbieter auch nicht erreichbar ist. Die angegebene Alternative besteht nicht durchgehend, so dass der Hinweis aus praktischer Sicht eher dahin gehen müsste, dass der Anleger auf Beratung verzichtet. JM: Kennen die Kunden Ihre Ansicht nach die Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Beratungsformen schon vor Ihrer Aufklärung und wenn nicht, was glauben Sie woran dies liegt? Beule: Informierte Kunden kennen diese Angebotsform. Diese dürften aber die Minderheit darstellen. Die Mehrheit wird dieses Angebot mangels breitem Angebot bzw. breiter Werbung nicht kennen. JM: Wie beurteilen Sie das weitergehende Provisionsverbot auf nationaler Ebene für die Honoraranlageberatung, als das durch die MiFID II vorgesehene? (Auf europäischer Ebene dürfen weiterhin nicht monetäre Vorteile – bspw. Produktschulungen und Materialien durch den Emittenten – angenommen werden, nach dem WpHG nicht) Beule: Aus rechtlicher Sicht wäre zu überlegen, ob diese nationale Regelung europarechtskonform ist. Insbesondere bei grenzüberschreitenden Sachverhalten habe ich Zweifel, ob die nationale Regelung hält. Gleichzeitig dürfte aus Praktikersicht zu berücksichtigen sein, dass der Unterschied aus wirtschaftlicher Sicht nicht relevant sein dürfte. JM: Für die Durchführung der Honoraranlageberatung und der Provisionsberatung innerhalb eines Unternehmens schreibt das WpHG eine personelle, funktionelle und sachliche Trennung der beiden Bereiche vor. Bis zu welcher Ebene bedarf es einer personellen Trennung? Beule: Die Anforderung zur Trennung der Honorar-Anlageberatung von der Provisionsberatung ist nach meinem Verständnis nicht eindeutig geregelt und daher durch Auslegung zu ermitteln. Ich neige zu der Ansicht, dass grundsätzlich eine Trennung bis unterhalb der Geschäftsleitung ein wirksames Mittel ist, um die gegenseitige Beeinflussung weitestgehend auszuschließen. JM: Ist ein Bezeichnungsschutz, wie ihn § 36d WpHG für die Honoraranlageberatung einführt, indem die Bezeichnung „Honorar-Anlageberater“, „HonorarAnlageberaterin“, „Honorar-Anlageberatung“ oder „Honoraranlageberater“, „Ho-

C. Experteninterview mit Dirk Beule

393

noraranlageberaterin“, „Honoraranlageberatung“ nur Unternehmen führen dürfen, die bei der BaFin unter Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen im Honoraranlageberatungsregister registriert sind, sinnvoll? Beule: Meines Erachtens ist ein Bezeichnungsschutz sinnvoll. Im Gegenzug zu den erhöhten organisatorischen Anforderungen sollten Honorar-Anlageberater geschützt werden, indem nur sie ihr „Alleinstellungsmerkmal“ kommunikativ verwenden können. Dieses Ziel wird durch einen Bezeichnungsschutz erreicht.

III. Fragen zur MiFID II allgemein JM: Glauben Sie, dass durch eine bessere Ausbildung und vermehrte Sachkundenachweise des Beraters, die der BaFin eingereicht werden müssen, die Qualität der Beratung insgesamt gesteigert werden kann? Beule: Nach meiner Auffassung wirkt eine bessere Aus- und Fortbildung qualitätsverbessernd. Die Anforderung zur Aus- und Fortbildung von Bankmitarbeitern besteht seit langer Zeit (vgl. u. a. § 25a Abs. 1 S.1, S. 3 Nr. 4 und S. 4 KWG; AT 7.1 der MaRisk (Rundschreiben 10/2012 (BA) vom 14. 12. 2012 der BaFin; § 9 Abs. 2 Nr. 3 GwG). Aufgrund der gestiegenen Anforderungen an Anlageberater ist ein detaillierter Anforderungskatalog an Zuverlässigkeit und Sachkunde zu begrüßen. Zum aktuellen Zeitpunkt müssen die Sachkundenachweise beim Wertpapierdienstleistungsunternehmen vorgehalten werden. Sie werden der BaFin nicht automatisch übermittelt (vgl. § 1 Abs. 2 und § 3 Abs. 2 WpHG-MaAnzV für die Nachweise und § 7 WpHG-MaAnzV für die Mitteilung an die BaFin). Ihre Existenz und Ordnungsmäßigkeit ist Bestandteil der jährlichen Prüfung nach § 36 WpHG. Vermehrte Sachkundenachweise und eine automatische Einreichung der Nachweise bei der BaFin haben m. E. keine Auswirkung auf den Ausbildungsstand der Anlageberater. JM: Führt die geplante Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation zu Einschränkungen in der Beratung und wenn ja, zu welchen? Beule: Wenn unter elektronischer Kommunikation die Gesamtheit der Kommunikation über Telefon und andere elektronische Kanäle, z. B. Email, zu verstehen ist, halte ich es aus rechtlicher Sicht für vorstellbar, dass die Beratung in einigen Fällen nicht mehr über diese Kanäle erbracht wird. Abhängig von den persönlichen Umständen des Kunden und den Möglichkeiten des Wertpapierdienstleisters kann dies auch zu einer Einstellung der Beratung des betroffenen Wertpapierdienstleisters gegenüber dem einzelnen Kunden führen. Diese Folge dürfte eintreten, wenn Kunde oder Wertpapierdienstleister keinen anderen Kommunikationskanal, insbesondere das persönliche Gespräch, ermöglichen können oder wollen. In den Fällen, in denen der Kunde mit der Aufzeichnung der Beratung nicht einverstanden ist, wird das Wertpapierdienstleistungsunternehmen diesen Kommu-

394

Anhang: Experteninterviews

nikationskanal nicht mehr für diese Dienstleistung nutzen dürfen. Mit einer Weigerung ist insbesondere bei der telefonischen Kommunikation zu rechnen. Eine andere Einschränkung ist denkbar, wenn ein Wertpapierdienstleistungsunternehmen den mit der Einführung der Aufzeichnung verbundenen Aufwand als zu hoch beurteilt und deshalb vermeiden möchte. Dies kann beispielsweise bedeuten, dass Anlageberater telefonisch nur noch an ihrem Festnetzanschluss erreichbar sind, aber nicht mehr über ihr Mobiltelefon. JM: Wie schätzen Sie den Umsetzungsaufwand für die Einführung der Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation in Ihrem Hause ein? Glauben Sie, dass es viele Unternehmen gibt, die sich technisch vollständig umstellen müssen? Beule: Nach meiner Vermutung ist der Aufwand bezogen auf unser Haus überschaubar, da es auf bestehende Systeme aufbauen kann. Insbesondere die seit langem geltende Aufzeichnungspflicht für Telefongespräche im Handel (vgl. BTO 2.2.1 Nr. 4 MaRisk) hat dazu geführt, dass wir für den aufwändigsten Teil der Aufzeichnung bestehende Systeme erweitern, aber nicht neu einführen müssen. Wertpapierdienstleister, deren Schwerpunkt im Privatkundenbereich liegt, werden nach meiner Einschätzung einen relativ gesehen viel höheren Aufwand betreiben müssen als wir. JM: Künftig soll dem Kunden ein Nachweis über die Gründe, die zu der Empfehlung eines bestimmten Produkts geführt haben, ausgehändigt werden. Wie beurteilen Sie diese Vorgabe? Beule: Es handelt sich um eine sinnvolle Vorgabe, durch die der Anleger mit zusätzlichen wertvollen Informationen versorgt wird. Gleichzeitig hat diese Vorgabe eine disziplinierende Wirkung auf die Berater. Die Kehrseite dieser Anforderung ist zusätzlicher Aufwand, u. a. in zeitlicher Hinsicht, für den Kunden gerade bei wiederholten Beratungsgesprächen mitunter wenig Verständnis haben. JM: Herr Beule, ich bedanke mich für Ihre Stellungnahme!

D. Experteninterview mit Henning Bergmann und Arne Hertel

395

D. Experteninterview mit Dr. Henning Bergmann und Dr. Arne Hertel Position Dr. Bergmann: Rechtsanwalt/Abteilungsdirektor, Leiter Kapitalmarktrecht und Beteiligungsmanagement, Deutscher Sparkassen und Giroverband Position Dr. Hertel: Rechtsanwalt, Beteiligungsmanagement und Kapitalmarktrecht, Deutscher Sparkassen und Giroverband Persönliches Interview in den Räumlichkeiten des DSGV am 13. 10. 2016 von 11:00 – 12:30

I. Honoraranlageberatung allgemein JM: Hat sich Ihrer Ansicht nach die Honoraranlageberatung oder die Provisionsberatung oder gar beide Beratungsformen seit der Einführung der Honoraranlageberatung als gesetzliche Alternative zur Provisionsberatung verändert und wenn ja, inwiefern? Können Sie ein verstärktes Interesse der Kunden an der Honoraranlageberatung feststellen und wenn ja, wie äußert sich dieses? Dr. Bergmann: Für die Sparkassen spielt die Honoraranlageberatung derzeit keine Rolle. Aber auch insgesamt hat sich die Honoraranlageberatung nicht etablieren können. Wir haben uns bereits vor der Einführung der Honoraranlageberatung im Gesetz an Hand einer Studie darüber informiert, ob ein solches Beratungsangebot überhaupt unseren Kundenwünschen entsprechen würde und erhielten eine negative Rückmeldung. Dies liegt aber auch daran, dass der Deutsche Sparkassen- und Giroverband ein breites Kundensegment bedient. Für vermögendere Privatkunden können die Honoraranlageberatung oder ähnliche Modelle durchaus eine Alternative darstellen. Dazu existieren auch entsprechende Vergütungsmodelle, bspw. durch Flat-Fees. JM: Wie beurteilen Sie die Bereitschaft des Kunden für eine Beratungsleistung zu zahlen? Dies vor allem im Hinblick darauf, dass der Kunde sich nach der Beratung entschließen kann, kein Produkt zu erwerben und damit die Dienstleistung ohne „persönlichen Erfolg“ bezahlen muss. Dr. Bergmann/Dr. Hertel: Ca. 40 % der Beratungen münden bei den Sparkassen nach Schätzungen nicht in eine Transaktion. Das heißt, die Beratung war für den Kunden wirklich entgeltlos. In der provisionsgestützten Beratung hat dies für den Kunden keine Auswirkungen, denn der Kunde entlohnt die Beratungsleistung nicht direkt. Dem Honoraranlageberater darf so etwas jedoch nicht zu oft passieren, ansonsten ist der Kunde nicht mehr bereit für die Leistung ein oftmals üppiges Honorar zu bezahlen. Der Honorarberater steht gewissermaßen unter Druck, dem Kunden den Mehrwert seiner Leistung immer wieder zu vergegenwärtigen.

396

Anhang: Experteninterviews

Wie bereits festgestellt, ist es zum einen nicht der Wunsch der Kunden, für die Dienstleistung „Anlageberatung“ direkt zu bezahlen. Unsere Kunden wollen in der Regel langfristig planen und kommen teilweise nur einmal im Jahr vorbei, um sich zu erkundigen, ob sich alles entsprechend entwickelt. Oftmals müssen hier keine Veränderungen vorgenommen werden. JM: Wird sich der hohe finanzielle Aufwand und auch die aufwändigen Umstrukturierungsmaßnahmen, die gesetzlich vorgeschrieben sind, um die Honoraranlageberatung anbieten zu dürfen, langfristig lohnen? Dr. Bergmann: Es gab tatsächlich Versuche, eine solche einzuführen. Jedoch sind vor allem die jetzigen regulatorischen Anforderungen beim gleichzeitigen Angebot von Provisionsberatung und Honorarberatung sehr hoch und bedeuten sowohl personellen als auch finanziellen Aufwand, der nur einer Hand voll potentieller Kunden gegenüber steht, die sich für die Honoraranlageberatung interessieren. Daher lohnt es sich nicht, diesen Weg zu gehen. JM: Glauben Sie, dass in absehbarer Zeit ein vollständiges Provisionsverbot, wie es bspw. in Großbritannien bereits existiert, auch in Deutschland eingeführt wird? Wie beurteilen Sie ein solches Verbot? Bitte begründen Sie Ihre Entscheidung. Dr. Bergmann/Dr. Hertel: Nein, das glauben wir nicht. Die Märkte in Deutschland und Großbritannien sind dafür auch viel zu unterschiedlich. Während in Deutschland die Wertpapierberatung überwiegend von den Banken übernommen wird, wird diese Aufgabe in Großbritannien überwiegend von anderen Vermittlern wahrgenommen. Studien zeigen auch, dass Anlageberatung in Großbritannien nicht annähernd in dem Maße wie in Deutschland für breite Bevölkerungsschichten verfügbar ist (advice gap). Käme es jedoch zu einem solchen Provisionsverbot, so würde dies deutliche Strukturveränderung des bisher gewachsenen deutschen Marktes mit sich bringen. Leidtragende wären insbesondere Kunden, die sich die hohen Stundensätze nicht leisten könnten. Sie wären von der Finanzberatung abgeschnitten. JM: Glauben Sie, dass möglicherweise entstehende Beratungslücken bei einem vollständigen Provisionsverbot durch die Einführung von neuen Beratungsformen, wie bspw. dem Robo-Advice in den USA (eine auf die einzelnen Kundengruppen zugeschnittene automatische Beratung) geschlossen werden können? Dr. Bergmann/Dr. Hertel: Nein, eine derartige Beratungslücke könnte auch nicht durch ein solches oder anderweitiges Angebot geschlossen werden. Viele deutsche Kunden schätzen gerade die Berater-Kundenbeziehung und würden diese nicht durch einen „Roboter“ ersetzen wollen. Robo-Advice richtet sich insofern an bestimmte Anleger. Hier ist zunächst einmal anzumerken, dass der Robo-Advice, auch wenn er sich als Beratung bezeichnet, in der Regel gar keine solche ist. Beratung erfordert, dass sie von ihrem Kunden eine Vielzahl von Informationen einholen. Auf dessen Basis gilt es, dem Kunden ein für ihn geeignetes Finanzinstrument zu empfehlen. Die am

D. Experteninterview mit Henning Bergmann und Arne Hertel

397

Markt aktiven Robo-Advisor versuchen, den Bedarf des Kunden nur mittels einiger weniger Fragen zu ermitteln. Den Anforderungen an die Anlageberatung wird das nicht gerecht. Auch die Folgepflichten, wie z. B. die Erstellung eines Beratungsprotokolls, werden nicht eingehalten. Allerdings sind Internetangebote im Kommen, insbesondere bei technik- und internetaffinen Kunden. Den breiten Markt hingegen werden diese vermutlich nicht erreichen. Der typische Bankkunde kommt, wie bereits gesagt, zu einem Beratungsgespräch, um die persönliche Empfehlung seines Beraters zu hören, mit ihm zusammen den Bedarf zu erarbeiten. Zu diesem hat er in der Regel eine langjährige Beziehung, die nicht durch einen Robo-Advice zu ersetzen ist. Die durch ein Provisionsverbot entstehende Lücke kann der Robo-Advice folglich nicht schließen. Internetangebote sind jedoch durchaus sinnvoll; insbesondere als Vorabinformationstool oder auch als Abschlusstool. Im Falle einer echten Internetberatung dürfte wichtig sein, dass der Kunde an jedem Punkt die Möglichkeit hat, mit einem Berater Rücksprache zu halten. Denn nicht alles ist immer nur schwarz oder weiß.

II. Honoraranlageberatung im Detail JM: Ist der Kunde Ihrer Ansicht nach durch die Aufklärung, welche Beratungsform im Folgenden erbracht wird, gem. § 31 Abs. 4b WpHG hinreichend über das Bestehen einer Wahlmöglichkeit zwischen den Beratungsformen und über die bestehenden Unterschiede sowie über den Interessenkonflikt in der Provisionsberatung aufgeklärt? Dr. Bergmann/Dr. Hertel: Unsere Kunden werden in ihrem ersten Gespräch darauf hingewiesen, dass wir nur die Provisionsberatung erbringen. Dies erhält er auch schriftlich. In jedem Beratungsgespräch legen wir dem Kunden die Zuwendung zu jedem einzelnen Produkt offen. Dies erfolgt zum einen mündlich und da dem Kunden über das Gespräch auch das Beratungsprotokoll ausgehändigt wird, auch schriftlich. Der Kunde weiß also, dass Zuwendungen fließen. Mehr als den Kunden über den Erhalt der Zuwendung in genauer Höhe bei jedem Produkt zu informieren, können wir letztlich allerdings auch nicht. An dem Beispiel der Zuwendungen verdeutlichen sich die Einflüsse der Mitgliedstaaten in der Entstehung der Richtlinie. An vielen Stellen ist die MiFID II von anderen Rechtsordnungen wie bspw. Großbritannien geprägt und deckt nicht unbedingt die Strukturen des deutschen Marktes, insbesondere die Strukturen der Sparkassen und Genossenschaftsbanken, ab. Aber das Zuwendungsverzeichnis- und Verwendungsverzeichnis, welches in Deutschland in der MaComp zu finden ist, wurde für die neuen europarechtlichen Regelungen als Vorlage verwendet. Daher erhalten die Kunden bereits jetzt einen Überblick über die Zuwendungen und können diese einschätzen.

398

Anhang: Experteninterviews

JM: Kennen die Kunden Ihrer Ansicht nach die Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Beratungsformen schon vor Ihrer Aufklärung und wenn nicht, was glauben Sie, woran dies liegt? Dr. Hertel: Ich glaube schon, dass der Kunde die unterschiedlichen Beratungsformen kennt. JM: Für die Durchführung der Honoraranlageberatung und der Provisionsberatung innerhalb eines Unternehmens schreibt das WpHG eine personelle, funktionelle und sachliche Trennung der beiden Bereiche vor. Bis zu welcher Ebene bedarf es einer personellen Trennung? Dr. Bergmann/Dr. Hertel: Insbesondere das Tatbestandsmerkmal der personellen Trennung der Berater, unabhängig bis zu welcher Stufe man diese vornimmt, ist eine hohe Hürde und macht die Honoraranlageberatung zu einer Spezialdienstleistung, die die meisten Banken so nicht anbieten können. Die damit einhergehenden Kosten sind, gerade für kleinere Institute, schlichtweg ein Ausschlusskriterium. Dass durch die Einführung dieses Tatbestandsmerkmal die Honoraranlageberatungsform bereits aufgrund der hohen Anforderung von den meisten Banken nicht erfüllt werden kann und sich dadurch nicht als echte Alternative etablieren wird, haben wir bereits zu Beginn der Gesetzgebung moniert. Leider ohne Erfolg. JM: Glauben Sie denn, dass der Berater zwischen den Beratungsformen „switchen“ kann und in der provisionsgestützten Beratung einem Interessenkonflikt unterliegt und in der Honoraranlageberatung nicht? Dr. Hertel: Bei der Honoraranlageberatung handelt es sich lediglich um eine andere Form der Vergütung. Sowohl bei der Provisionsberatung als auch bei der Honorarberatung gilt es, den Kunden anlage- und anlegergerecht zu beraten. Für den angestellten Berater spielt die Art der Vergütung letztlich auch keine Rolle, denn er persönlich erhält weder das Honorar noch die Zuwendung. Daher glaube ich schon, dass derselbe Berater beide Formen der Anlageberatung erbringen kann.

III. Fragen zur MiFID II allgemein JM: Führt die geplante Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation zu Einschränkungen in der Beratung und wenn ja, zu welchen? Dr. Hertel: Zunächst ist hier anzumerken, dass wir gute Erfahrungen mit wesentlich milderen Mitteln gemacht haben, bspw. dem Beratungsprotokoll. Dieses würde ich sogar als gleich effizient betrachten. Daher haben wir uns immer gegen die Sprachaufzeichnungspflicht ausgesprochen. Kunden sind in Deutschland skeptisch, was die Aufzeichnung von Beratungsgesprächen angeht. Zwischen Kunde und Berater besteht meist eine langjährige Beziehung, so dass oftmals auch offen über private Umstände gesprochen wird. Und

D. Experteninterview mit Henning Bergmann und Arne Hertel

399

genau deshalb schätzt der Kunde das persönliche Gespräch, denn der Berater ist „näher dran“; man kennt sich. Dies könnte jedoch durch die Aufzeichnungspflicht verloren gehen. JM: Aber nach den bisherigen Vorgaben sowohl in der RL als auch auf deutscher Ebene soll doch das Beratungsgespräch nicht aufgezeichnet werden? Dann wäre die Gefahr nicht ganz so groß? Dr. Hertel: In den kürzlich veröffentlichten Q&A nimmt ESMA mittlerweile den Standpunkt ein, dass nicht mehr nur das Gespräch, welches zu einer Order führt oder führen könnte, aufgezeichnet werden muss, sondern alles. Der Referentenentwurf des FiMaNoG II hingegen sieht vor, dass die Aufzeichnungspflicht „erst“ dann beginnt, wenn von Wertpapieren im Allgemeinen gesprochen wird. Hier zeigt sich, dass die Richtlinie als Level I-Maßnahme viele Details ausgeklammert hat. Diese müssen nun durch Level II-Maßnahmen und durch die nationale Umsetzung ausgefüllt werden. Das ist bei einem derart sensiblen Thema ausgesprochen schwierig und schafft bei den Marktteilnehmern erhebliche Verunsicherung. Hätte der Gesetzgeber eine Aufzeichnung der Anlageberatung gewollt, so hätte er dies in der Richtlinie festgehalten. Der Vorstoß ESMAs geht meines Erachtens ganz klar über den Anwendungsbereich von Level I hinaus. Für eine entsprechende Komplettaufzeichnung gibt es schlichtweg keine Ermächtigungsgrundlage. JM: Wie schätzen Sie den Umsetzungsaufwand für die Einführung der Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation in Ihrem Hause ein? Glauben Sie, dass es viele Unternehmen gibt, die sich technisch vollständig umstellen müssen? Dr. Hertel: Der Aufwand ist enorm. Die meisten Telefonanlagen bzw. Telefonanbieter können eine Aufzeichnung heute noch gar nicht leisten. Auch die Kosten sind erheblich. Wir haben berechnet, dass allein die Archivierung eines 10-minütigen Gesprächs ca. 20 Cent kosten wird. Angesichts der Datenmengen und der Aufbewahrungsfristen kommt einiges zusammen. Die Speicherung ist aber nicht alles. Jedes Gespräch muss einem Kunden zugeordnet werden können. Schließlich gilt es, Gespräche im Nachgang zu kontrollieren oder aber dem Kunden auf Wunsch herauszugeben. Um das zu ermöglichen, müssen sie auch in anderen Systemen Änderungen herbeiführen. Die Fragen im Zusammenhang mit der Sprachaufzeichnung sind zahlreich. JM: Wie werden Sie künftig mit den Mobiltelefonen verfahren? Und wird die Möglichkeit der Beratung mittels Telefon überhaupt stark nachgefragt? Dr. Bergmann/Dr. Hertel: Die Variante der Mobiltelefone wird zukünftig nicht leichter. Diese wird bislang speziell im Private Banking genutzt. Gerade wenn der Kunde eine höhere Summe investiert hat, so erwartet er eine Erreichbarkeit seines Beraters, die wir mittels Mobiltelefon bieten konnten. Aber die Aufzeichnung und anschließende Zuordnung des über das Mobiltelefon geführten Gesprächs zu dem

400

Anhang: Experteninterviews

jeweiligen Kunden kann nicht gewährleistet werden, so dass dieser Kommunikationsweg künftig nicht mehr angeboten werden kann. Dies hat auch Nachteile für den Kunden. Hier stellt sich mir die Frage, ob wir die Schraube nicht überdrehen. Warum kann der Kunde nicht selber entscheiden, inwieweit er diesen zusätzlichen Schutz über die Aufzeichnung des Gesprächs möchte, oder ob er das Risiko eingeht und auf die Aufzeichnung verzichtet. Unsere Beobachtung ist, dass viele Kunden die zunehmende Bevormundung ablehnen. JM: Künftig soll dem Kunden ein Nachweis über die Gründe, die zu der Empfehlung eines bestimmten Produkts geführt haben, ausgehändigt werden. Wie beurteilen Sie diese Vorgabe? Dr. Hertel: Hier zeigt sich, wie zuvor bereits angesprochen, die Vorreiterrolle Deutschlands in vielen Bereichen. Europäische Geeignetheitserklärung und deutsches Beratungsprotokoll sind sich in vielen Bereichen sehr ähnlich. In unserem Beratungsprotokoll führen wir bereits die Gründe der Empfehlung an, so dass hier keine großen Neuerungen auf uns zukommen werden. JM: Herr Dr. Bergmann, Herr Dr. Hertel ich danke Ihnen für das Gespräch!

E. Experteninterview mit Denise Blessing und Barbara Roth

401

E. Experteninterview mit Dr. Denise Blessing und Dr. Barbara Roth, LL.M. Position Dr. Denise Blessing: Vice President, Syndikusrechtsanwältin, CIB Advisory, Corporate & Investment Banking Compliance bei der UniCredit Bank AG (HypoVereinsbank) Position Dr. Barbara Roth, LL.M.: Chief Compliance Officer bei der UniCredit Bank AG (HypoVereinsbank) Schriftliche Stellungnahme vom 10. 01. 20171

I. Honoraranlageberatung allgemein JM: Hat sich Ihrer Ansicht nach die Honoraranlageberatung oder die Provisionsberatung oder gar beide Beratungsformen seit der Einführung der Honoraranlageberatung als gesetzliche Alternative zur Provisionsberatung verändert und wenn ja, inwiefern? Können Sie ein verstärktes Interesse der Kunden an der Honoraranlageberatung feststellen und wenn ja, wie äußert sich dieses? Dr. Blessing/Dr. Roth: Durch die gesetzliche Verankerung der Honoraranlageberatung wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen für beide Beratungsformen konkretisiert. Für die Anbieter entsprechender Beratungsleistungen bestehen seitdem klare Wettbewerbs- und Verhaltensstandards, beispielsweise bei der Annahme von Provisionen oder dem Produktauswahlprozess. Eine verstärkte Nachfrage nach Honoraranlageberatungsleistungen ist aus unserer Sicht nicht feststellbar. JM: Wie beurteilen Sie die Bereitschaft des Kunden für eine Beratungsleistung zu zahlen? Dies vor allem im Hinblick darauf, dass der Kunde sich nach der Beratung entschließen kann kein Produkt zu erwerben und damit die Dienstleistung ohne „persönlichen Erfolg“ bezahlen muss. Dr. Blessing/Dr. Roth: Nach unserer Wahrnehmung reagieren Kunden nach wie vor sehr verhalten auf die honorargestützte Anlageberatung. Über die Gründe hierfür lässt sich nur spekulieren. Eine Ursache könnte neben dem nach wie vor überschaubaren Angebot an entsprechenden Anbietern, die weiterhin verfestigte Vorstellung bei Kunden sein, dass eine Beratung nichts koste. Auch der Umstand, dass Anlageberater regelmäßig keine Gewähr für den Erfolg ihrer Anlageempfehlung übernehmen und damit der Kunde das wirtschaftliche Risiko trägt, könnte

1 Die getroffenen Aussagen stellen ausschließlich die persönliche Meinung der Autorinnen dar und geben nicht die allgemeine Position der UniCredit Bank AG (Hypo Vereinsbank) wieder.

402

Anhang: Experteninterviews

Kunden davor abschrecken, noch „zusätzlich“ für die Beratung als solche zu zahlen. JM: Wird sich der hohe finanzielle Aufwand und auch die aufwändigen Umstrukturierungsmaßnahmen, die gesetzlich vorgeschrieben sind, um die Honoraranlageberatung anbieten zu dürfen, langfristig lohnen? Dr. Blessing/Dr. Roth: Das lässt sich gegenwärtig nicht abschätzen, da uns keine Kenntnisse zu Aufwand und Ertrag von Honoraranlageberatungsleistungen vorliegen. JM: Glauben Sie, dass in absehbarer Zeit ein vollständiges Provisionsverbot, wie es bspw. in Großbritannien bereits existiert, auch in Deutschland eingeführt wird? Wie beurteilen Sie ein solches Verbot? Bitte begründen Sie Ihre Entscheidung. Dr. Blessing/Dr. Roth: Aus unserer Sicht besteht derzeit von Seiten des deutschen Gesetzgebers – außerhalb der Finanzportfolioverwaltung – keine direkte Intention Provisionen generell zu untersagen. Vielmehr basieren sowohl die MiFID II als auch der gegenwärtige Gesetzentwurf für ein 2. FiMaNoG weiterhin auf einem zweigleisigen Anlageberatungskonzept. Die Honoraranlageberatung soll danach nicht an die Stelle der provisionsgestützten Beratung treten, sondern diese sinnvoll ergänzen. Gleichwohl besteht unseres Erachtens die Gefahr eines indirekten Provisionsverbots über die Hintertüre. Anhaltspunkte hierfür sind z. B. die im Rahmen der MiFID II eingeführten verschärften Anforderungen hinsichtlich der Qualitätsverbesserungseignung (insbesondere bei Bestandsprovisionen) und der Offenlegungspflichten. Die hohen regulatorischen Hürden bei der Rechtfertigung von Zuwendungen könnten dazu führen, dass Institute zur Vermeidung etwaiger Haftungsrisiken bestimmte Dienstleistungs- oder Produktangebote nur noch bei direkter Kostenübernahme durch den Kunden anbieten können. Dies liefe auf ein De-facto-Provisionsverbot zulasten des Kunden hinaus. JM: Glauben Sie, dass möglicherweise entstehende Beratungslücken bei einem vollständigen Provisionsverbot durch die Einführung von neuen Beratungsformen, wie bspw. dem Robo-Advice in den USA (einer auf die einzelnen Kundengruppen zugeschnittene automatische Beratung) geschlossen werden können? Dr. Blessing/Dr. Roth: Wir gehen derzeit davon aus, dass der Einsatz von RoboAdvice ähnlichen Anforderungen unterliegen wird, wie die „klassische“ (provisionsgestützte) Anlageberatung. Ein vollständiges Provisionsverbot hätte damit voraussichtlich auch Auswirkungen auf die digitale Beratung. Ob Rob-Advice im Falle eines vollständigen Provisionsverbots damit eine echte Alternative wäre, lässt sich derzeit nicht beurteilen.

E. Experteninterview mit Denise Blessing und Barbara Roth

403

II. Honoraranlageberatung im Detail JM: Ist der Kunde Ihrer Ansicht nach durch die Aufklärung, welche Beratungsform im Folgenden erbracht wird, gem. § 31 Abs. 4b WpHG hinreichend über das Bestehen einer Wahlmöglichkeit zwischen den Beratungsformen und über die bestehenden Unterschiede sowie über den Interessenkonflikt in der Provisionsberatung aufgeklärt? Dr. Blessing/Dr. Roth: Aus unserer Sicht wird durch § 31 Abs. 4b WpHG, insbesondere in der Gesamtschau mit § 31 Abs. 4c, 4d und § 36d WpHG, eine ausreichende Transparenz gewährleistet. JM: Kennen die Kunden Ihre Ansicht nach die Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Beratungsformen schon vor Ihrer Aufklärung und wenn nicht, was glauben Sie woran dies liegt? Dr. Blessing/Dr. Roth: Hierzu liegen uns keine Erkenntnisse vor. JM: Wie beurteilen Sie das weitergehende Provisionsverbot auf nationaler Ebene für die Honoraranlageberatung, als das durch die MiFID II vorgesehene? (Auf europäischer Ebene dürfen weiterhin nicht monetäre Vorteile – bspw. Produktschulungen und Materialien durch den Emittenten – angenommen werden, nach dem WpHG nicht) Dr. Blessing/Dr. Roth: Das weitergehende nationale Provisionsverbot sehen wir vor dem Hintergrund der Harmonisierungsbestrebungen der MiFID II kritisch. Die MiFID II führt unter dem Begriff der „unabhängigen Anlageberatung“ ein der Honoraranlageberatung gleichwertiges Beratungskonzept ein. Anbieter einer unabhängigen Anlageberatung unterliegen danach – genauso wie Vermögensverwalter – einem grundsätzlichen Zuwendungsverbot, allerdings mit der Einschränkung, dass unter bestimmten Voraussetzungen sog. geringfügige nicht-monetäre Vorteile vereinnahmt werden dürfen. Eine solche Ausnahmeregelung findet sich jedoch – jedenfalls für die Honoraranlageberatung – im Gesetzentwurf zum 2. FiMaNoG gerade nicht. Dies führt zum einen zu möglichen Inkonsistenzen bei der Erbringung von Anlageberatungsleistungen innerhalb der EU und zum anderen zu einer (ungerechtfertigten) Schlechterstellung der Honoraranlageberatung gegenüber der Vermögensverwaltung. JM: Für die Durchführung der Honoraranlageberatung und der Provisionsberatung innerhalb eines Unternehmens schreibt das WpHG eine personelle, funktionelle und sachliche Trennung der beiden Bereiche vor. Bis zu welcher Ebene bedarf es einer personellen Trennung? Dr. Blessing/Dr. Roth: Nach unserem Verständnis ist eine personelle Trennung auf Mitarbeiterebene zu gewährleisten. So verlangt § 12 Abs. 6 Satz 2 Nr. 2 WpDVerOV, dass die mit der Honoraranlageberatung betrauten Mitarbeiter nicht gleichzeitig mit der Erbringung der klassischen (provisionsgestützten) Anlageberatung betraut werden dürfen.

404

Anhang: Experteninterviews

JM: Ist ein Bezeichnungsschutz, wie ihn § 36d WpHG für die Honoraranlageberatung einführt, indem die Bezeichnung „Honorar-Anlageberater“, „HonorarAnlageberaterin“, „Honorar-Anlageberatung“ oder „Honoraranlageberater“, „Honoraranlageberaterin“, „Honoraranlageberatung“ nur Unternehmen führen dürfen, die bei der BaFin unter Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen im Honoraranlageberatungsregister registriert sind, sinnvoll? Dr. Blessing/Dr. Roth: Aus Transparenzgründen halten wir einen Bezeichnungsschutz für Honoraranlageberater grds. für sinnvoll. Kritisch sehen wir hingegen, dass bis heute unklar ist, ob und wenn ja, welche vergleichbaren Bezeichnungen ebenfalls dem Bezeichnungsschutz des § 36d WpHG unterfallen.

III. Fragen zur MiFID II allgemein JM: Glauben Sie, dass durch eine bessere Ausbildung und vermehrte Sachkundenachweise des Beraters, die der BaFin eingereicht werden müssen, die Qualität der Beratung insgesamt gesteigert werden kann? Dr. Blessing/Dr. Roth: Aus unserer Sicht kann eine hohe fachliche Expertise der Mitarbeiter durchaus zur Qualitätsverbesserung in der Anlageberatung beitragen. Vor diesem Hintergrund begrüßen wir auch die im Gesetzentwurf zum 2. FiMaNoG geplante Erstreckung der für Anlageberater geltenden Sachkunde- und Zuverlässigkeitsanforderungen auf Vermögensverwalter. JM: Führt die geplante Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation zu Einschränkungen in der Beratung und wenn ja, zu welchen? Dr. Blessing/Dr. Roth: Es ist derzeit noch nicht abschließend geklärt, ob und inwieweit die Telefonaufzeichnungspflichten auch für die Wertpapierdienstleistung der Anlageberatung zur Anwendung kommen. Anders als der europäische Gesetzgeber scheint der deutsche Gesetzgeber jedoch von einer grundsätzlichen Aufzeichnungspflicht auszugehen. So sollen nach dem aktuellen Gesetzentwurf zum 2. FiMaNoG insbesondere die Gesprächsabschnitte dokumentiert werden, in denen der Anleger über die Risiken, die Risikoklasse des Finanzinstruments, die Ertragschancen oder die Ausgestaltung von Finanzinstrumenten, Finanzdienstleistungen oder strukturierten Einlagen beraten wird. Sollte sich der Gesetzentwurf durchsetzen, würde dies nach unserer Sicht die bestehenden Beratungsprozesse erheblich beeinflussen. JM: Wie schätzen Sie den Umsetzungsaufwand für die Einführung der Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation in Ihrem Hause ein? Glauben Sie, dass es viele Unternehmen gibt, die sich technisch vollständig umstellen müssen? Dr. Blessing/Dr. Roth: Wir schätzen den Umsetzungsaufwand im Bereich der Aufzeichnungspflichten trotz bereits bestehender Aufzeichnungssysteme als er-

E. Experteninterview mit Denise Blessing und Barbara Roth

405

heblich ein. Wie groß der technische Anpassungsbedarf in anderen Häusern ist, können wir nicht beurteilen. JM: Künftig soll dem Kunden ein Nachweis über die Gründe, die zu der Empfehlung eines bestimmten Produkts geführt haben, ausgehändigt werden. Wie beurteilen Sie diese Vorgabe? Dr. Blessing/Dr. Roth: Die Geeignetheitserklärung ersetzt das bisherige Beratungsprotokoll nach § 34 Abs. 2a WpHG. Wir gehen derzeit davon aus, dass die Anforderungen bei der Begründung der abgegebenen Empfehlung bereits weitgehend im Rahmen des Beratungsprotokolls erfüllt werden. So sind gemäß § 14 Abs. 6 WpDVerOV schon heute Angaben zu den Anlagezielen, Kenntnissen und Erfahrungen und den finanziellen Verhältnissen des Kunden sowie die für die erteilten Empfehlungen genannten Gründe zu dokumentieren. Positiv bewerten wir die geplanten Erleichterungen bei Beratungen im Fernkommunikationsbereich (Verschiebungsoption statt Rücktrittsrecht). JM: Frau Dr. Blessing, Frau Dr. Roth, vielen Dank für Ihre schriftliche Stellungnahme!

406

Anhang: Experteninterviews

F. Experteninterview mit Volker Bröcker Position: Abteilungsleiter Wertpapierabteilung (Regulation) der Stadtsparkasse Solingen Schriftliche Stellungnahme vom 04. 10. 2016 und telefonisches Interview am 14. 10. 2016 von 9:00 – 9:40 Uhr

I. Honoraranlageberatung allgemein JM: Hat sich Ihrer Ansicht nach die Honoraranlageberatung oder die Provisionsberatung oder gar beide Beratungsformen seit der Einführung der Honoraranlageberatung als gesetzliche Alternative zur Provisionsberatung verändert und wenn ja, inwiefern? Können Sie ein verstärktes Interesse der Kunden an der Honoraranlageberatung feststellen und wenn ja, wie äußert sich dieses? Bröcker: Meines Erachtens hat sich die Honoraranlageberatung nicht durchgesetzt. Bereits vor dem Honoraranlageberatungsgesetz gab es Versuche einiger weniger Institute, Anlageberatung auf Honorarbasis anzubieten. Diese Versuche sind fast ausnahmslos gescheitert. Auch seitens unserer Kundschaft verspüre ich kein Interesse an einer Honoraranlageberatung. JM: Wie beurteilen Sie die Bereitschaft des Kunden für eine Beratungsleistung zu zahlen? Dies vor allem im Hinblick darauf, dass der Kunde sich nach der Beratung entschließen kann kein Produkt zu erwerben und damit die Dienstleistung ohne „persönlichen Erfolg“ bezahlen muss. Bröcker: Wie schon erwähnt, nehme ich in unsere Kundschaft kein Interesse an der Honoraranlageberatung wahr. Anders als zum Beispiel bei einer anwaltlichen Beratung sind unsere Kunden es nicht gewohnt und auch nicht bereit, für die Beratung zu bezahlen – insbesondere, wenn man keinen „persönlichen Erfolg“ verspürt. Die Honorarberatung wird allenfalls für einen Teil der Kundschaft, insbesondere soweit erhebliches Vermögen vorhanden ist, in Betracht kommen. Für die Breite der Kundschaft wird sich dagegen ein entgeltliches Beratungsangebot nicht durchsetzen. JM: Wird sich der hohe finanzielle Aufwand und auch die aufwändigen Umstrukturierungsmaßnahmen, die gesetzlich vorgeschrieben sind, um die Honoraranlageberatung anbieten zu dürfen, langfristig lohnen? Bröcker: Wollten wir neben der Beratung auf Provisionsbasis auch die Honorarberatung anbieten, müssten wir für die Honorarberatung einen strikt getrennten Geschäftsbereich oder sogar ein Tochterunternehmen gründen. Dieser immense Aufwand würde sich für uns auch langfristig nicht auszahlen.

F. Experteninterview mit Volker Bröcker

407

JM: Glauben Sie, dass in absehbarer Zeit ein vollständiges Provisionsverbot, wie es bspw. in Großbritannien bereits existiert, auch in Deutschland eingeführt wird? Wie beurteilen Sie ein solches Verbot? Bitte begründen Sie Ihre Entscheidung. Bröcker: Ich hoffe, dass sich ein solches Provisionsverbot nicht durchsetzen wird. Dies würde für weite Teile unserer Kundschaft die Beratung unerschwinglich machen. In Großbritannien gibt es historisch anders gewachsene Marktstrukturen als in Deutschland mit den drei Säulen Privatbanken, genossenschaftliche Banken und den Sparkassen. JM: Glauben Sie, dass möglicherweise entstehende Beratungslücken bei einem vollständigen Provisionsverbot durch die Einführung von neuen Beratungsformen, wie bspw. dem Robo-Advice in den USA (einer auf die einzelnen Kundengruppen zugeschnittene automatische Beratung) geschlossen werden können? Bröcker: Wir wollen mit unserem Geschäftsmodell gerade solche Beratungslücken vermeiden. Ich denke auch, dass sich der Robo-Advice noch entwickeln muss. Vor allem muss sich Robo-Advice auch erst einmal in Krisenzeiten behaupten. Die computerunterstützte Anlageberatung kann hilfreich sein – für einen ersten Kontakt mit dem Thema Anlage in Wertpapieren oder um den allgemeinen Beratungsprozess zu unterstützen. Jedoch ist ein Beratungsgespräch deutlich vielschichtiger als es sich durch vorformulierte Fragen abbilden ließe. Wir nutzen in unserem Beratungsprozess ebenfalls die Unterstützung unserer IT, um für unsere Kunden eine optimale Zusammensetzung ihrer Portfolios zu ermitteln. So können wir bspw. dem Kunden direkt im Gespräch den Auswahlprozess visualisieren. Hierfür haben wir extra Beratungsplätze eingerichtet bei denen der Kunde die Eingaben des Beraters, bspw. über die Risikotragfähigkeit, und dessen Auswirkungen sehen. Aber am Ende entscheidet immer noch der Dialog unserer Berater mit unseren Kunden.

II. Honoraranlageberatung im Detail JM: Ist der Kunde Ihrer Ansicht nach durch die Aufklärung, welche Beratungsform im Folgenden erbracht wird, gem. § 31 Abs. 4b WpHG hinreichend über das Bestehen einer Wahlmöglichkeit zwischen den Beratungsformen und über die bestehenden Unterschiede sowie über den Interessenkonflikt in der Provisionsberatung aufgeklärt? Bröcker: Bereits seit August 2014 haben wir alle unsere Depotkunden schriftlich informiert, dass wir die Anlageberatung nicht als Honorar-Anlageberatung erbringen und dass wir stattdessen Zuwendungen unserer Vertriebspartner erhalten. Neue Wertpapierkunden werden von uns vor der Depoteröffnung entsprechend informiert.

408

Anhang: Experteninterviews

Darüber hinaus informieren wir unsere Kunden bei jeder Beratung über die Höhe der uns aus den empfohlenen Wertpapieren zufließenden Zuwendungen und machen damit den vermuteten Interessenkonflikt in jedem Einzelfall deutlich. Dies geschieht zum einen mündlich während der Beratung und zum anderen wird das Gespräch im Beratungsprotokoll wiedergegeben, so dass der Kunde die Information über die Zuwendungen auch schriftlich erhält. Dies gilt sowohl für unmittelbare Provisionen als auch für laufende. Das mag vor dem Beratungsprotokoll anders gewesen sein. Aber mittlerweile ist dieses Verfahren absoluter Standard. Das ist auch gut so, denn für den Kunden sind die Provisionen nicht offensichtlich. Daher müssen wir diese ihm offen legen. Allerdings glaube ich schon, dass der Kunde erwartet, dass wir unsere Beratungsleistung vergütet bekommen und nicht umsonst tätig werden. Daher erzeugt die Offenlegung der Zuwendungen auch keine Verwunderung bei den Kunden. Daher glaube ich auch, dass die neue Kostentransparenz kaum eine Veränderung mit sich bringen wird. Denn zum einen führen wir bereits entsprechende Zuwendungsverzeichnisse und geben auch weitere Kosten an und zum anderen wissen die Kunden, dass eine Vergütung erfolgt. JM: Kennen die Kunden Ihre Ansicht nach die Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Beratungsformen schon vor Ihrer Aufklärung und wenn nicht, was glauben Sie woran dies liegt? Bröcker: Aus dem traditionellen Wertpapiergeschäft sind unsere Kunden mit der provisionsbasierten Beratung vertraut. Da sich die Honoraranlageberatung nicht durchgesetzt hat, ist sie auch nur wenigen Kunden überhaupt bekannt. JM: Glauben Sie, dass es einen Unterschied machen würde, wenn den Kunden mitgeteilt würde, dass keine „unabhängige Beratung“ stattfindet anstelle der bisherigen Erklärung, dass eine provisionsgestützte Beratung erfolgt? Bröcker: Nein, das glaube ich nicht. Denn wir erklären dem Kunden auch, dass wir uns auf gewisse Produktanbieter konzentrieren. Schließlich können wir bei der Vielzahl an Produkten dauerhaft keinen allumfassenden Marktüberblick bieten. Aber das legen wir ihm genauso wie die Provisionszahlungen offen. Daher weiß er auch ohne die Bezeichnung „unabhängige Beratung“, dass wir keine solche bieten. Auf die genaue Bezeichnung kommt es dabei meines Erachtens nicht an. JM: Wie beurteilen Sie das weitergehende Provisionsverbot auf nationaler Ebene für die Honoraranlageberatung, als das durch die MiFID II vorgesehene? (Auf europäischer Ebene dürfen weiterhin nicht monetäre Vorteile – bspw. Produktschulungen und Materialien durch den Emittenten – angenommen werden, nach dem WpHG nicht) Bröcker: Da wir die Honoraranlageberatung nicht anbieten, spielt dieser Punkt für uns keine Rolle.

F. Experteninterview mit Volker Bröcker

409

JM: Für die Durchführung der Honoraranlageberatung und der Provisionsberatung innerhalb eines Unternehmens schreibt das WpHG eine personelle, funktionelle und sachliche Trennung der beiden Bereiche vor. Bis zu welcher Ebene bedarf es einer personellen Trennung? Bröcker: Da in diesem Fall ein eigener Geschäftsbereich oder sogar ein Tochterunternehmen erforderlich ist, müsste die organisatorische Trennung bis unterhalb der Vorstandsebene erfolgen. JM: Ist ein Bezeichnungsschutz, wie ihn § 36d WpHG für die Honoraranlageberatung einführt, indem die Bezeichnung „Honorar-Anlageberater“, „HonorarAnlageberaterin“, „Honorar-Anlageberatung“ oder „Honoraranlageberater“, „Honoraranlageberaterin“, „Honoraranlageberatung“ nur Unternehmen führen dürfen, die bei der BaFin unter Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen im Honoraranlageberatungsregister registriert sind, sinnvoll? Bröcker: Nach der Intention des Gesetzgebers schon.

III. Fragen zur MiFID II allgemein JM: Glauben Sie, dass durch eine bessere Ausbildung und vermehrte Sachkundenachweise des Beraters, die der BaFin eingereicht werden müssen, die Qualität der Beratung insgesamt gesteigert werden kann? Bröcker: In der gesamten Bankenlandschaft sicherlich schon. Wobei wir in unserem Haus schon immer auf eine hohe Qualifikation unserer Kundenberater geachtet haben. Unsere Berater sind alle ausgebildete Bank- und Sparkassenkaufleute mit entsprechenden Zusatzqualifikationen, je mehr die Beratungsanforderungen steigen. JM: Führt die geplante Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation zu Einschränkungen in der Beratung und wenn ja, zu welchen? Bröcker: Das ist noch nicht abzusehen, aber sehr gut möglich. Nach heutigem Sachstand ist noch nicht klar, in welchem Umfang z. B. ein Telefonat, das sich um Wertpapieranlagen dreht, aufzuzeichnen ist. Derzeit müssen wir noch abwarten, bis die letzten Details bekannt werden. Jedoch ist die Aufzeichnungspflicht ein Punkt, der uns wesentlich beschäftigt. Denn wir müssen die Aufzeichnungspflicht für eine Vielzahl an Filialen umsetzen. Am schlimmsten würde es uns treffen, wenn wir auf den einzelnen Dienststellen keine telefonische Wertpapierberatung mehr anbieten könnten. Das wäre dann der Fall, wenn aufgrund der Vorschriften ein so spezielles System erforderlich wäre, welches aufgrund der dadurch entstehenden hohen Kosten nicht für jede Filiale oder jeden Berater realisierbar ist.

410

Anhang: Experteninterviews

Hier zeigt sich, dass der europäische Gesetzgeber nicht an das deutsche Bankensystem gedacht hat, welches gerade aus vielen kleineren Banken und auch kleinen Filialen besteht. Uns trifft die Umsetzung der MiFID II daher teilweise besonders schwer. Zudem stehen wir bei der Aufzeichnungspflicht der elektronischen Kundenkommunikation auch vor einem weiteren Dilemma, denn bislang kann es durchaus passieren, dass wir bei der Erfüllung unserer aufsichtsrechtlichen Pflicht zu viel aufzeichnen und deshalb gegen Datenschutzrecht verstoßen, oder wir agieren datenschutzkonform und zeichnen weniger auf, verletzten dadurch aber unsere aufsichtsrechtlichen Pflichten. JM: Wie schätzen Sie den Umsetzungsaufwand für die Einführung der Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation in Ihrem Hause ein? Glauben Sie, dass es viele Unternehmen gibt, die sich technisch vollständig umstellen müssen? Bröcker: Wir erhalten von der Finanzinformatik, dem zentralen IT-Dienstleister der Sparkassenorganisation, zum Glück eine umfangreiche Unterstützung. Dennoch bedeuten die Anforderungen gerade für uns Sparkassen eine hohe Herausforderung. Bieten wir doch auch die telefonische Beratung in der Fläche in jeder Geschäftsstelle an. Das gilt es zukünftig sinnvoll zu organisieren. Denn wir werden uns interne Regelungen setzen müssen, ab wann ein Berater aufzeichnen muss und wie dies von statten gehen soll. Mobiltelefone werden vermutlich nicht mehr eingesetzt werden können, da hier die lückenlose Aufzeichnung und Speicherung nicht gewährleistet werden kann. Kürzlich haben wir eine Bestandsaufnahme darüber durchgeführt, welche Geräte bislang verwendet wurden. Dabei ist uns aufgefallen, dass auf den Visitenkarten der Berater teilweise auch private Mobiltelefonnummern abgedruckt waren. Darüber werden in der Regel keine Geschäfte abgeschlossen – allerdings müsste in einem solchen Fall demnächst der Berater, bevor es näher ins Detail geht, den Kunden über ein aufnahmefähiges Gerät zurück rufen. Mithin läge ein Bruch in der Kommunikation vor, welcher für den einzelnen Kunden kaum nachvollziehbar ist. Zudem könnte durch die Aufzeichnung auch das Kundenvertrauen insgesamt unterlaufen werden. Zwar ist es der Kunde gewohnt bei vielen Gesprächen aufgezeichnet zu werden, jedoch gerade bei Bankgeschäften nicht. Das ist ein sensibler Bereich, in dem unter anderem private Informationen ausgetauscht werden. Dass sich daher gegen die Aufzeichnung von Kundenseite Widerstand aufbaut, kann ich mir durchaus vorstellen. Des Weiteren gibt es auch praktische Erwägungen, die durch die internen Regelungen abgedeckt werden müssen. Denn wir können nicht vor jedem Kundentelefonat einen Aufklärungstrailer abspielen und anschließend alles aufzeichnen – immerhin muss nicht jedes Gespräch aufgezeichnet werden. Es liegt mithin am Berater, die Situation während des Gesprächs fortwährend daraufhin zu überprüfen,

F. Experteninterview mit Volker Bröcker

411

ob sich das Gespräch aufzeichnungspflichtigen Inhalten zuwendet, um dann entsprechend zu reagieren. Gerade die Anfangszeit wird hier nicht leicht werden, und es Bedarf gleichzeitig der Einführung eines entsprechenden Kontrollsystems. Denn auch hier bestehen zwei Risiken, zum einen die Verletzung der aufsichtsrechtlichen Verpflichtung und zum anderen die zivilrechtlichen Anforderungen an die Beratungssituation. Fällt durch das Kontrollsystem auf, dass ein Berater noch nicht richtig mit den neuen Aufzeichnungspflichten umgehen kann, muss hier sofort gehandelt werden. Allerdings liegt dann bereits ein Pflichtverstoß vor. Insgesamt sind dies viele Herausforderungen, die es künftig zu meistern gilt. JM: Künftig soll dem Kunden ein Nachweis über die Gründe, die zu der Empfehlung eines bestimmten Produkts geführt haben, ausgehändigt werden. Wie beurteilen Sie diese Vorgabe? Bröcker: Diese Vorgabe wird von uns noch am leichtesten umzusetzen sein, entspricht sie doch schon in etwa den Anforderungen aus dem heute schon auszustellenden Beratungsprotokoll. JM: Der Kunde ist künftig über die Geeignetheit seines Finanzproduktes – auch nach Erwerb der Anlage – regelmäßig (jährlich) zu informieren. Wie beurteilen Sie diese zusätzliche Anforderung? Bröcker: Die ursprünglich vorgesehene Pflicht zur Nachberatung ist in der MiFID II nicht normiert worden. Dennoch kann es sein, dass wir uns Kunden gegenüber freiwillig verpflichten werden, in bestimmten Abständen die fortwirkende Geeignetheit der empfohlenen Finanzinstrumente zu bewerten. Auch ohne vertragliche Verpflichtung bieten wir unseren Kunden bei Bedarf auch heute schon an, ihre Depotpositionen zu überprüfen. JM: Herr Bröcker, ich danke Ihnen für das Gespräch und Ihre schriftliche Stellungnahme!

412

Anhang: Experteninterviews

G. Experteninterview mit Dr. Markus Engel und Winfried Hager Position Dr. Markus Engel: Direktor Recht der Sparkasse Saarbrücken, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Position Winfried Hager: Vertriebsmanagement Wertpapiere der Sparkasse Saarbrücken Telefonisches Interview vom 15. 03. 2017 von 15:00 – 15:45 Uhr

I. Honoraranlageberatung allgemein JM: Hat sich Ihrer Ansicht nach die Honoraranlageberatung oder die Provisionsberatung oder gar beide Beratungsformen seit der Einführung der Honoraranlageberatung als gesetzliche Alternative zur Provisionsberatung verändert und wenn ja, inwiefern? Können Sie ein verstärktes Interesse der Kunden an der Honoraranlageberatung feststellen und wenn ja, wie äußert sich dieses? Dr. Engel: Wir als Sparkasse können derzeit keine genaue Einschätzung abgeben, da wir momentan die Honoraranlageberatung nicht anbieten. Meiner Kenntnis nach bietet derzeit keine Sparkasse in Deutschland diese Beratungsform an. Hager: Mir ist zudem auch kein Fall bekannt, in dem sich ein Kunde aktiv in einem Beratungsgespräch für die Honoraranlageberatung interessiert hätte. JM: Wie beurteilen Sie die Bereitschaft des Kunden für eine Beratungsleistung zu zahlen? Dies vor allem im Hinblick darauf, dass der Kunde sich nach der Beratung entschließen kann kein Produkt zu erwerben und damit die Dienstleistung ohne „persönlichen Erfolg“ bezahlen muss. Dr. Engel: Wir glauben, dass momentan die Kundenakzeptanz bezüglich eines solchen Honorars nicht sehr hoch wäre. JM: Wird sich der hohe finanzielle Aufwand und auch die aufwändigen Umstrukturierungsmaßnahmen, die gesetzlich vorgeschrieben sind, um die Honoraranlageberatung anbieten zu dürfen, langfristig lohnen? Dr. Engel: Hierzu können wir keine Angaben machen. JM: Glauben Sie, dass in absehbarer Zeit ein vollständiges Provisionsverbot, wie es bspw. in Großbritannien bereits existiert, auch in Deutschland eingeführt wird? Wie beurteilen Sie ein solches Verbot? Bitte begründen Sie Ihre Entscheidung. Dr. Engel: Ob ein solches Verbot eingeführt wird oder nicht ist letztlich die Entscheidung des Gesetzgebers, die wir nicht beeinflussen können. Jedoch setzen wir uns durch unseren Verband und dessen Tätigkeit bei der Deutschen Kreditwirtschaft dafür ein, dass ein solches nicht eingeführt wird. Die Konsequenz aus der Einführung

G. Experteninterview mit Markus Engel und Winfried Hager

413

eines solchen Verbots in Großbritannien war nach meiner Kenntnis, dass nur noch besser Verdienende eine Beratungsleistung in Anspruch nehmen konnten und viele Kunden keine Beratungsleistung mehr in Anspruch nehmen. Eine solche Situation würde bei der Einführung eines Provisionsverbotes in Deutschland in ähnlicher Form entstehen. Dies ist jedoch konträr zu der Vorstellung des Gesetzgebers, der eine flächendeckende und fachlich fundierte Beratung auch für den Kleinanleger wünscht. JM: Glauben Sie, dass möglicherweise entstehende Beratungslücken bei einem vollständigen Provisionsverbot durch die Einführung von neuen Beratungsformen, wie bspw. dem Robo-Advice in den USA (einer auf die einzelnen Kundengruppen zugeschnittene automatische Beratung) geschlossen werden können? Hager: Der Robo-Advisor wird unabhängig von einem künftigen potenziellen Provisionsverbot in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen. Dies ist ein großes Thema insbesondere im Rahmen der Digitalisierung. Ob ein Robo-Advisor die reguläre Beratung, so wie wir sie heute im Kundengespräch anbieten, ersetzen kann, ist abhängig von dessen Ausrichtung und der Zielsetzung der einzelnen Häuser. So kann dieser kundenunterstützend eingesetzt werden, um allgemein im Vorfeld Anlageklassen zu sondieren oder derart bestückt werden, dass er Empfehlungen zu einzelnen Produkten aussprechen kann. Dr. Engel: Aus heutiger Sicht könnte der Robo-Advisor vermutlich auch nur allgemeine Informationen zu Anlageklassen etc. erteilen.

II. Honoraranlageberatung im Detail JM: Ist der Kunde Ihrer Ansicht nach durch die Aufklärung, welche Beratungsform im Folgenden erbracht wird, gem. § 31 Abs. 4b WpHG hinreichend über das Bestehen einer Wahlmöglichkeit zwischen den Beratungsformen und über die bestehenden Unterschiede sowie über den Interessenkonflikt in der Provisionsberatung aufgeklärt? Hager: Der Kunde kennt die Unterscheidung zwischen den beiden Beratungsformen in der Regel nicht. In der Praxis ist diese aber – aufgrund des geringen Angebots – auch nicht relevant. Den Hinweis auf die Beratungsform finden die Kunden unter anderem in der Kundeninformationsbroschüre. Letztlich würde bei der Unterscheidung der Beratungsformen durch den Kunden nur die Honorarfrage erörtert werden. Die Frage wie teuer unsere Beratung in Form der Honorarberatung wäre, könnten wir allerdings nicht beantworten, da wir diese nicht anbieten und deshalb auch nicht entsprechend durchgerechnet haben. JM: Kennen die Kunden Ihrer Ansicht nach die Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Beratungsformen schon vor Ihrer Aufklärung und wenn nicht, was glauben Sie, woran dies liegt?

414

Anhang: Experteninterviews

Dr. Engel: Insgesamt lässt sich die Problematik so zusammenfassen, dass die Honoraranlageberatung in unserem Praxisalltag keine Rolle spielt – auch nicht als alternative Beratungsform. Dies wird sich auch nicht durch eine Umbenennung der Honoraranlageberatung in unabhängige Honoraranlageberatung verändern. JM: Wie beurteilen Sie das weitergehende Provisionsverbot auf nationaler Ebene für die Honoraranlageberatung, als das durch die MiFID II vorgesehene? (Auf europäischer Ebene dürfen weiterhin nicht monetäre Vorteile – bspw. Produktschulungen und Materialien durch den Emittenten – angenommen werden, nach dem WpHG nicht) Dr. Engel: Da wir die Honoraranlageberatung nicht anbieten hat dies keinerlei Auswirkungen für uns. JM: Für die Durchführung der Honoraranlageberatung und der Provisionsberatung innerhalb eines Unternehmens schreibt das WpHG eine personelle, funktionelle und sachliche Trennung der beiden Bereiche vor. Bis zu welcher Ebene bedarf es einer personellen Trennung? Dr. Engel: Meiner Ansicht nach müsste eine Trennung bis einschließlich der zweiten Ebene stattfinden. Folglich dürfte der Vorstand unverändert für beide Bereiche agieren. Die Zahl der Vorstände bestimmt sich schließlich nach wirtschaftlichen Kriterien und Vorgaben der Aufsicht und kann damit nicht von unterschiedlichen Produkten abhängen. Allerdings sollte die Trennung bereits auf der Ebene darunter, also bei den Bereichsleitern, beginnen. JM: Ist ein Bezeichnungsschutz, wie ihn § 36d WpHG für die Honoraranlageberatung einführt, indem die Bezeichnung „Honorar-Anlageberater“, „HonorarAnlageberaterin“, „Honorar-Anlageberatung“ oder „Honoraranlageberater“, „Honoraranlageberaterin“, „Honoraranlageberatung“ nur Unternehmen führen dürfen, die bei der BaFin unter Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen im Honoraranlageberatungsregister registriert sind, sinnvoll? Dr. Engel: Die Etablierung eines Bezeichnungsschutzes würde voraussetzen, dass der Begriff des Honoraranlageberaters vom Kunden positiv aufgefasst wird und er damit eine unabhängige qualitative Beratung assoziiert. Allerdings sind bislang nur so wenige Institute im Honoraranlageberatungsregister eingetragen, dass der Begriff beim Kunden weitestgehend unbekannt sein dürfte und sich damit auch nicht positiv besetzt hat.

G. Experteninterview mit Markus Engel und Winfried Hager

415

III. Fragen zur MiFID II allgemein JM: Glauben Sie, dass durch eine bessere Ausbildung und vermehrte Sachkundenachweise des Beraters, die der BaFin eingereicht werden müssen, die Qualität der Beratung insgesamt gesteigert werden kann? Dr. Engel: Zunächst wurde der Kreis der Sachkundigen neben den Beratern um die Personen erweitert, die nur Informationen weiter geben und keine Anlageberatung leisten. Mithin müssen mehr Personen sachkundig sein als bisher. Wie genau hier eine Abgrenzung zwischen sachkundig zu machenden und anderen Personen zu treffen ist, ergibt sich auch noch nicht deutlich aus der Definition des Regierungsentwurfes. Hier müssen wir die weitere Entwicklung abwarten. Eine inhaltliche Erweiterung der Kenntnisse wurde bezüglich der Steuern, der Portfolioverwaltung, dem Marktmissbrauchsrecht und der Marktmechanismen getroffen. Nicht zuletzt muss eine jährliche Überprüfung der Sachkunde der Mitarbeiter erfolgen. Ob diese neuen Anforderungen tatsächlich zu einem stärkeren Anlegerschutz führen, kann ich nicht beurteilen. Hager: Insgesamt erscheinen die Neuerungen auf den ersten Blick sehr umfangreich. Allerdings führen wir bereits heute eine jährliche Schulung unserer Mitarbeiter durch, so dass wir auch jährlich den Kenntnisstand der Berater sicherstellen. Deshalb ergibt sich hier keine Neuerung für uns. Auch sind bereits Grundlagen des Steuerrechts sowie steuerliche Besonderheiten einzelner Produkte in unseren Kursen enthalten. Damit sind unsere bisherigen Schulungsprogramme für diesen Punkt ebenfalls ausreichend, da keine Steuerberatung an sich erbracht werden darf. Diese ist ausschließlich den entsprechenden Berufen vorbehalten. Wir können nur zu steuerlichen Aspekten mit Bezug zum vorliegenden Geschäft Auskünfte geben. JM: Führt die geplante Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation zu Einschränkungen in der Beratung und wenn ja, zu welchen? Hager: Bei uns führen aufgrund der gesetzlichen Sondervorschriften – bspw. das Rücktrittsrecht bei fehlerhafter Beratungsdokumentation – nur ausgewählte Berater die telefonische Beratung durch. Allerdings wünschen die Kunden in der Regel die persönliche Beratung. Der Kunde wird weiterhin die Möglichkeit der telefonischen Beratung nutzen zumal er die Aufzeichnung bei uns auch bereits aus anderen Bereichen kennt. So wird bspw. die Orderannahme im Telefonbanking innerhalb der Geschäftszeiten aufgezeichnet. JM: Wie schätzen Sie den Umsetzungsaufwand für die Einführung der Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation in Ihrem Hause ein? Glauben Sie, dass es viele Unternehmen gibt, die sich technisch vollständig umstellen müssen? Hager: Die Einführung einer entsprechenden Aufzeichnungssoftware und Speichermedien, die die Anforderungen erfüllen, ist ein großer Aufwand. Wir gehen momentan davon aus, dass wir künftig sehr viele Gespräche aufzeichnen werden.

416

Anhang: Experteninterviews

Schließlich sollen alle Gespräche, die ein aufzeichnungspflichtiges Geschäft vorbereiten aufgezeichnet werden, so dass bei anderer Handhabung immer eine Unsicherheit besteht, ob das Gespräch nun aufzeichnungspflichtig ist oder nicht. Konkrete Ausführungsbestimmungen des Gesetzgebers dazu liegen aktuell noch nicht vor. JM: Künftig soll dem Kunden ein Nachweis über die Gründe, die zu der Empfehlung eines bestimmten Produkts geführt haben, ausgehändigt werden. Wie beurteilen Sie diese Vorgabe? Dr. Engel: Wir gehen davon aus, dass sich diese Anforderungen nicht von denen des bisherigen Beratungsprotokolls unterscheiden werden. Denn auch heute müssen gem. § 14 Abs. 6 WpDVerOV die Gründe für die Empfehlung niedergeschrieben werden. Zwar unterscheidet sich begrifflich das Beratungsprotokoll, bei dem die Wiedergabe des im Beratungsgespräch Besprochenen erwartet wird, von der Geeignetheitserklärung, die sich nur auf die Erklärung der Geeignetheit eines Produkts bezieht. Jedoch ist das Beratungsprotokoll bereits heute entsprechend genormt, so dass Parallelen zwischen dem Beratungsprotokoll und der Geeignetheitserklärung bestehen, da das Beratungsprotokoll nach der WpDVerOV auch den Punkt „Begründung der Empfehlung“ enthalten muss. Allerdings könnte die erste Hälfte des Beratungsprotokolls zur Eruierung des Kunden möglicherweise kürzer ausfallen. JM: Herr Dr. Engel, Herr Hager, ich bedanke mich für das Gespräch!

H. Experteninterview mit Markus Feck

417

H. Experteninterview mit Markus Feck Position: Leiter Gruppe Finanzen und Versicherungen der Verbraucherzentrale NRW Telefonisches Interview am 09. 01. 2017 von 16:00 – 16:40 Uhr

I. Honoraranlageberatung allgemein JM: Hat sich Ihrer Ansicht nach die Honoraranlageberatung oder die Provisionsberatung oder gar beide Beratungsformen seit der Einführung der Honoraranlageberatung als gesetzliche Alternative zur Provisionsberatung verändert und wenn ja, inwiefern? Können Sie ein verstärktes Interesse der Kunden an der Honoraranlageberatung feststellen und wenn ja, wie äußert sich dieses? Feck: Wir als Verbraucherzentrale NRW bieten auch Beratungsleistungen an, allerdings keine solche i.S.d. KWG, da wir nicht vertieft zu einzelnen Produkten beraten. Unsere Beratung endet bei den Produktkategorien. Vielmehr schauen wir uns gemeinsam mit dem Verbraucher an, welche Finanzprodukte er bereits erworben hat und welche zusätzlichen oder anderen Produkte Sinn machen könnten. Sodann händigen wir ihm entsprechendes Informationsmaterial aus, mit Hilfe dessen er weitere Schritte unternehmen kann. Aus dieser Situation heraus können wir keine Veränderung der Beratungssituation feststellen. JM: Wie beurteilen Sie die Bereitschaft des Kunden für eine Beratungsleistung zu zahlen? Dies vor allem im Hinblick darauf, dass der Kunde sich nach der Beratung entschließen kann kein Produkt zu erwerben und damit die Dienstleistung ohne „persönlichen Erfolg“ bezahlen muss. Feck: Mit einem Wort: „schwierig“. Bei den Kunden herrscht der Gedanke vor, dass sie noch nie für eine solche Beratungsleistung ein Honorar bezahlt haben. Daher stellt sich ihnen die Frage, warum sie dies jetzt tun sollten. Dass aber bislang die Beratungsleistung indirekt vergütet wurde, ist ihnen häufig nicht bewusst. Daher lässt sich festhalten, dass je kleiner der Anlagebetrag ist, desto kleiner ist auch die Bereitschaft des Kunden für eine Beratungsleistung ein Honorar zu bezahlen. Bei größeren Anlagebeträgen – aus dem Bauch heraus, ohne Belege, würde ich diese ab einer fünfstelligen Summe als solche definieren – ist die Bereitschaft durchaus größer. Vor allem haben sich diese Anleger in der Regel bereits im Vorfeld mit der Beratungsleistung und den Kosten auseinander gesetzt. Für diese ist dann, im Gegensatz zu den Kleinanlegern, auch ein Nutzen erkennbar. JM: Wird sich der hohe finanzielle Aufwand und auch die aufwändigen Umstrukturierungsmaßnahmen, die gesetzlich vorgeschrieben sind, um die Honoraranlageberatung anbieten zu dürfen, langfristig lohnen?

418

Anhang: Experteninterviews

Feck: Ich glaube, dass sich die Banken bei der Einführung der Honoraranlageberatung als gesetzliche Alternative sehr genau die Kosten und Nutzen dieser Beratungsform angesehen haben und sich aufgrund ihrer Überlegungen ganz bewusst gegen die Einführung einer solchen entschieden haben, da es sich aus Bankensicht nicht rentiert. Hier lässt sich als Beispiel die Quirin-Bank anführen. Diese war bereits vor der Einführung des Honoraranlageberatungsgesetzes als Honorarberatung aktiv und hat immer noch Probleme gute Zahlen zu schreiben. Nicht vergessen darf man bei dieser Überlegung, dass es bildlich gesprochen auch ein dickes Brett ist, welches gebohrt werden muss, um den Kunden bei seiner zuvor dargestellten Wahrnehmung der Beratungssituation zu vermitteln, dass die Honoraranlageberatung Vorteile für ihn birgt. JM: Glauben Sie, dass in absehbarer Zeit ein vollständiges Provisionsverbot, wie es bspw. in Großbritannien bereits existiert, auch in Deutschland eingeführt wird? Wie beurteilen Sie ein solches Verbot? Bitte begründen Sie Ihre Entscheidung. Feck: Nein, das glaube ich definitiv nicht. Zum einen ist die Lobby dagegen zu stark. Und zum anderen glaube ich auch nicht, dass es sinnvoll ist damit einige Produkte und Kundengruppen von der Beratungsleistung auszuschließen. Ich habe versucht hier einen Vergleich zu ziehen zu England, jedoch sind die Märkte hier hinsichtlich des Beratungsangebots unterschiedlich, so dass mir dies nicht recht gelingen wollte. Aber dennoch glaube ich, dass auf deutscher Ebene dies der Fall sein wird. Letztlich bin ich aber auch persönlich gegen Verbote. Meines Erachtens muss der informierte Kunde selbst entscheiden dürfen, was er für sich als am besten geeignet ansieht. JM: Glauben Sie, dass möglicherweise entstehende Beratungslücken bei einem vollständigen Provisionsverbot durch die Einführung von neuen Beratungsformen, wie bspw. dem Robo-Advice in den USA (einer auf die einzelnen Kundengruppen zugeschnittene automatische Beratung) geschlossen werden können? Feck: Ja und nein. Alle Kunden können nicht über internetbasierte Angebote aufgefangen werden. Zwar ändern sich das Kundenbild und auch die Angebote, aber es wird auch weiterhin die Kunden geben, die bspw. das persönliche Gespräch bevorzugen. Zudem können diese Systeme keinen 1:1 Ersatz bieten. Denn es müssten hierfür zwei Hürden genommen werden. Die erste wäre, dass der Kunde von sich aus sich aktiv informieren muss. Er muss sich überlegen, dass und wie er Geld anlegen möchte und sich dann für ein entsprechendes Beratungsprogramm entscheiden, anstatt wie bisher den Bankberater zu konsultieren. Die zweite Hürde wäre dann, dass er das Produkt, welches ihm das internetbasierte System anbietet auch verstehen möchte. Folglich müssen die Produkte, die über solche Angebote dem Kunden vorgestellt bzw. empfohlen werden viel einfacher konstruiert werden. Dann könnte dies funktionieren. Aber wie gesagt auch nicht für alle Anleger.

H. Experteninterview mit Markus Feck

419

II. Honoraranlageberatung im Detail JM: Ist der Kunde Ihrer Ansicht nach durch die Aufklärung, welche Beratungsform im Folgenden erbracht wird, gem. § 31 Abs. 4b WpHG hinreichend über das Bestehen einer Wahlmöglichkeit zwischen den Beratungsformen und über die bestehenden Unterschiede sowie über den Interessenkonflikt in der Provisionsberatung aufgeklärt? Feck: Nein, das ist er meiner Ansicht nach nicht. Ich würde sogar sagen, dass die Aufklärung und damit auch die Wahlmöglichkeit seitens des Kunden nicht wahrgenommen werden. Lediglich die Anleger, die einen höheren Anlagebetrag zur Verfügung haben oder diejenigen, die sich grundsätzlich mit der Vergütung von Dienstleistungen beschäftigen, wie bspw. Freiberufler, sind dafür sensibilisiert. Allerdings haben sich diese wie bereits festgestellt in der Regel im Vorfeld über die Anlageberatung und deren Kosten informiert. Die Kunden selbst nehmen die fehlende Aufklärung hingegen auch nicht als Ärgernis wahr, da sie diese nicht kennen. Die Aufklärung die erfolgt, geht daher vollständig ins Leere. JM: Wie beurteilen Sie das weitergehende Provisionsverbot auf nationaler Ebene für die Honoraranlageberatung, als das durch die MiFID II vorgesehene? (Auf europäischer Ebene dürfen weiterhin nicht monetäre Vorteile – bspw. Produktschulungen und Materialien durch den Emittenten – angenommen werden, nach dem WpHG nicht) Feck: Die strengere Regulierung eines Sachverhalts als auf europäischer Ebene gefordert ist eine Eigenart des deutschen Gesetzgebers, immer noch etwas oben drauf zu setzen – es eben ganz besonders gut machen zu wollen. In diesem Falle bin ich allerdings der Ansicht, dass die europäische Regelung vollständig ausreichend ist. Die Ausgabe von nicht-monetären Vorteilen bspw. in Form von Give-Aways wird meines Erachtens den Berater nicht dazu verleiten ein Produkt aufgrund dessen ganz besonders oft zu empfehlen. JM: Für die Durchführung der Honoraranlageberatung und der Provisionsberatung innerhalb eines Unternehmens schreibt das WpHG eine personelle, funktionelle und sachliche Trennung der beiden Bereiche vor. Bis zu welcher Ebene bedarf es einer personellen Trennung? Feck: Also für den einzelnen Berater, der den Kunden direkt berät, finde ich eine Trennung sinnvoll. Mit der Überlegung, dass sein direkter Vorgesetzter, also bspw. der Abteilungsleiter, ihn beeinflussen könnte, bestimmte Produkte verstärkt zu empfehlen, würde ich diesen auch von der Provisionsberatung separieren wollen, wenn er die Honoraranlageberatung leitet. Aber meines Erachtens müsste dies ausreichen und ein Zusammenlaufen der Bereiche in der übergeordneten Position keine weiteren Konflikte auslösen. JM: Ist ein Bezeichnungsschutz, wie ihn § 36d WpHG für die Honoraranlageberatung einführt, indem die Bezeichnung „Honorar-Anlageberater“, „HonorarAnlageberaterin“, „Honorar-Anlageberatung“ oder „Honoraranlageberater“, „Ho-

420

Anhang: Experteninterviews

noraranlageberaterin“, „Honoraranlageberatung“ nur Unternehmen führen dürfen, die bei der BaFin unter Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen im Honoraranlageberatungsregister registriert sind, sinnvoll? Feck: Die Trennung der beiden Formen mittels wording darzustellen finde ich ok. Meines Erachtens liegt es auch nicht an der Bezeichnung, dass sich der Bezeichnungsschutz nicht als quasi Gütesiegel durchgesetzt hat, sondern daran, dass sich das System Honoraranlageberatung grundsätzlich nicht etabliert hat. Auch die Bezeichnung als Honoraranlageberatung an Stelle der Bezeichnung „unabhängige Beratung“ wie in der Richtlinie vorgegeben finde ich ok. Denn es haben sich bislang sehr viele Berater als unabhängig bezeichnet, die es letztlich überhaupt nicht waren. Daher ist die Bezeichnung „unabhängig“ meines Erachtens bereits stark negativ besetzt. Allerdings ist auch nicht von der Hand zu weisen, dass „Honoraranlageberatung“ schon ein ziemliches Begriffsmonster ist.

III. Fragen zur MiFID II allgemein JM: Glauben Sie, dass durch eine bessere Ausbildung und vermehrte Sachkundenachweise des Beraters, die der BaFin eingereicht werden müssen, die Qualität der Beratung insgesamt gesteigert werden kann? Feck: Meines Erachtens sind Sachkundenachweise sehr hilfreich. So ist es mir kürzlich erst passiert, dass auf gezielte Nachfrage der Berater nicht mehr genau erklären konnte, um was für eine Produktart es sich bei seinem Vorschlag genau handelt. Das darf nicht passieren. Denn für mich gilt der Grundsatz, dass wenn jemand etwas richtig verstanden hat, dies auch jemanden, der keine Vorkenntnisse besitzt, in einfachen Sätzen erklären kann. Daher wären zumindest absolute BasicSchulungen angebracht. Selbstverständlich hat die Bank auch ein Eigeninteresse daran, dass keine negativen Beratungsergebnisse aufgrund von Unkenntnis seitens der Berater an die Öffentlichkeit gelangen und trägt dazu bereits heute schon zur Ausbildung bzw. Fortbildung bei. So haben wir in den letzten Jahren auch dahingehend keine Skandale mehr erlebt. Allerdings ist der Deutsche generell sehr vorsichtig in Sachen Finanzanlage. JM: Führt die geplante Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation zu Einschränkungen in der Beratung und wenn ja, zu welchen? Feck: Also eine neue Idee ist die Aufzeichnungspflicht nicht. In vielen anderen Sparten ist dies Gang und Gäbe, so bspw. bei der Vertragsverlängerung Ihres Mobilfunkvertrages. Hierfür ruft Sie Ihr Mobilfunkanbieter an und Sie müssen den wesentlichen Aspekten ausdrücklich zustimmen und werden dafür aufgezeichnet. Allerdings habe ich auch festgestellt, dass sich durch die Aufzeichnungspflicht viele Institutsmitarbeiter unter Generalverdacht gestellt fühlen. Für Beweiszwecke finde ich die Regelung allerdings ok. Wobei ich auch davon ausgehe, dass der Kunde die ersten Male irritiert sein wird, wenn ihm die Aufzeichnung des Gesprächs mitgeteilt

H. Experteninterview mit Markus Feck

421

wird. Allerdings handelt es sich hierbei meiner Ansicht nach auch nur um einen Nebenaspekt. Durch die Einführung der Beratungsprotokolle haben viele Banken die telefonische Anlageberatung stark reduziert und überwiegend erfolgen nur noch Execution-only-Geschäfte mittels Telefonat. Das Beratungsgespräch an sich findet kaum noch telefonisch statt. JM: Künftig soll dem Kunden ein Nachweis über die Gründe, die zu der Empfehlung eines bestimmten Produkts geführt haben, ausgehändigt werden. Wie beurteilen Sie diese Vorgabe? Feck: Das Beratungsprotokoll soll bereits heute die Empfehlungsgründe ausweisen. Allerdings finden Sie dazu in der Regel nur allgemeine Formulierungen. Es wäre daher wünschenswert, wenn der Gesetzgeber eine Regelung erließe, die die Wertpapierdienstleistungsunternehmen dazu verpflichtete explizit für jeden einzelnen Kunden personalisierte Gründe anzugeben, warum gerade dieses Finanzinstrument empfohlen wurde. Noch besser wäre ein Freifeld, so dass der Berater gezwungen wäre eigenständig zu formulieren – in der Hoffnung, dass er nicht via copy and paste aus einem anderen Beratungsprotokoll abschreibt. Leider wird es auch mit der neuen Regelung wahrscheinlich wieder auf allgemeine Formulierungen hinaus laufen; dies bringt dann tatsächlich weder etwas Neues noch eine Verbesserung. Allerdings ließe sich das Problem ganz einfach lösen, indem man in den Haftungsfällen eine Beweislastumkehr einführen würde. Dann bräuchte es diese ganzen Regelungen nicht und sowohl für den Berater als auch für den Kunden würde der Beratungsprozess deutlich verschlankt und beide Parteien könnten sich wieder auf das Wesentliche konzentrieren. Der Berater müsste auch nicht mehr Anforderungen erfüllen als bisher; ausreichend wäre – wie dies bspw. von Rechtsanwälten auch durchgeführt wird – eine Aktennotiz anzufertigen. Dann könnte er dies vor Gericht wiedergeben. Dass bspw. in den Lehman-Brother-Fällen der Berater feststellen konnte, dass er sich nicht mehr an das einzelne Gespräch erinnert und er aber normalerweise immer ordnungsgemäß berät, was letztlich als ausreichend erachtet wurde, würde dann richtigerweise nicht mehr genügen. Das Problem, dass das Gericht nach seinem Ermessen eine Überzeugung bilden muss, sehe ich zwar, allerdings denke ich, dass sich auch dieses auf Dauer einspielen würde. JM: Herr Feck, ich danke Ihnen für das Gespräch!

422

Anhang: Experteninterviews

I. Experteninterview mit Andreas Herrmann Position: Senior Team Head Honorarberatung bei der Consorsbank, BNP PARIBAS Nürnberg Persönliches Interview am 12. 12. 2016 in den Räumlichkeiten der Hauptfiliale der Consorsbank in Nürnberg von 13:00 – 14:05 Uhr

I. Honoraranlageberatung allgemein JM: Hat sich Ihrer Ansicht nach die Honoraranlageberatung oder die Provisionsberatung oder gar beide Beratungsformen seit der Einführung der Honoraranlageberatung als gesetzliche Alternative zur Provisionsberatung verändert und wenn ja, inwiefern? Können Sie ein verstärktes Interesse der Kunden an der Honoraranlageberatung feststellen und wenn ja, wie äußert sich dieses? Herrmann: Hier darf ich kurz anführen, dass wir uns nicht erst seit der Einführung der Honoraranlageberatung mit diesem Thema auseinander setzen. Bereits 2008 haben wir verschiede Vergütungsmodelle für unsere Kunden getestet. Diese basierten sowohl auf einem Stundensatz als auch auf einem Prozentsatz X der dem Vermögen „abgezogen“ wurde. Letztere Variante wurde von den Kunden bevorzugt. Dabei sind wir geblieben. Dies war der Beginn des Modells, welches heute als Honoraranlageberatung angeboten wird und über die Jahre weiter entwickelt wurde. So haben wir bspw. mittlerweile eingeführt, dass wir die Kick-Backs monatlich auszahlen. Und ja, meines Erachtens kam es spätestens durch die Einführung der Honoraranlageberatung als gesetzliche Alternative sehr wohl zu spürbaren Änderungen. Hier ist unter anderem die funktionelle und personelle Trennung zu nennen. Insgesamt bestehen mehr und vor allem detailliertere Regelungen. Allerdings ist es nicht so, dass die Kunden seit der Einführung des Honoraranlageberatungsgesetzes in Scharen kommen. Diese haben, soweit ich das beurteilen kann, überwiegend immer noch keine Kenntnis von der Honoraranlageberatung. Natürlich haben wir damals gehofft, dass durch die Registrierung im Honoraranlageberatungsregister diese Beratungsform eine gewisse Publizität erfahren würde, allerdings war diese leider kaum spürbar. JM: Wie beurteilen Sie die Bereitschaft des Kunden für eine Beratungsleistung zu zahlen? Dies vor allem im Hinblick darauf, dass der Kunde sich nach der Beratung entschließen kann kein Produkt zu erwerben und damit die Dienstleistung ohne „persönlichen Erfolg“ bezahlen muss. Herrmann: Dem allgemeinen Kunden ist es schwer zu vermitteln und zu erklären. Die Kunden, die sich im Vorfeld bereits mit Beratungsformen und Anlageprodukten auseinander gesetzt haben, sind hierfür eher bereit. Insgesamt lässt sich

I. Experteninterview mit Andreas Herrmann

423

jedoch feststellen, dass überwiegend solche Kunden die Honoraranlageberatung als geeignete Beratungsform ansehen, die aktiv anlegen – also handeln – und zugleich größere Summen anlegen. Für den Anleger, der bspw. 20.000 E von seiner Großmutter geerbt hat und diese einmalig anlegen will, lohnt sich das Honorar letztlich nicht. Es profitieren diejenigen, die regelmäßig und dauerhaft mit Informationen zu Marktveränderungen etc. „versorgt“ werden möchten. Dass es sich bei diesen Anlegern um spezifische Berufsgruppen handelt, konnte ich bislang nicht feststellen. JM: Hat sich der hohe finanzielle Aufwand und auch die aufwändigen Umstrukturierungsmaßnahmen, die gesetzlich vorgeschrieben sind, um die Honoraranlageberatung anbieten zu dürfen, langfristig gelohnt? Herrmann: Ja, denn in der Honoraranlageberatung haben Sie kalkulierbare Erträge im Gegensatz zur Provisionsberatung. Diese ist sehr abhängig davon, wie viel der Kunde handelt. Würde die Honorarberatung allerdings als alleinige Beratungsform angeboten, so wäre ich mir nicht sicher, ob sich diese derzeit schon trägt. JM: Glauben Sie, dass in absehbarer Zeit ein vollständiges Provisionsverbot, wie es bspw. in Großbritannien bereits existiert, auch in Deutschland eingeführt wird? Wie beurteilen Sie ein solches Verbot? Bitte begründen Sie Ihre Entscheidung. Herrmann: Nein, das glaube ich nicht. Zumindest nicht auf absehbare Zeit. Denn viele der bekannten deutschen Großbanken haben oder stehen vor Solvenz Probleme(n). Würde nun ein Provisionsverbot eingeführt, würde den Banken ein weiterer Geldhahn abgedreht. Banken suchen derzeit wieder nach neuen Geldquellen. Viele klassische Ertragsquellen versiegen nach und nach. In diesen Kontext ist bspw. auch die Einführung von Kontoführungsgebühren zu verorten. Eine Umstellung auf ausschließliche Honoraranlageberatung ist daher meines Erachtens nicht gewollt. JM: Glauben Sie, dass möglicherweise entstehende Beratungslücken bei einem vollständigen Provisionsverbot durch die Einführung von neuen Beratungsformen, wie bspw. dem Robo-Advice in den USA (einer auf die einzelnen Kundengruppen zugeschnittene automatische Beratung) geschlossen werden können? Herrmann: Dass Beratungslücken durch die Einführung eines absoluten Provisionsverbotes entstehen würden, glaube ich tatsächlich. Insbesondere haben wir dies bereits am Beispiel von Großbritannien gesehen. Allerdings ist es kein Geheimnis, dass wir auch ohne Einführung des Provisionsverbotes planen eine Art Robo-Advice einzuführen für Kunden mit Anlagesummen unter 25.000 E. Dies soll ein vollwertiger Beratungszweig mit Protokoll etc. werden. Wie genau wir dies ausgestallten wollen, ist jedoch derzeit noch nicht absehbar.

424

Anhang: Experteninterviews

II. Honoraranlageberatung im Detail JM: Ist der Kunde Ihrer Ansicht nach durch die Aufklärung, welche Beratungsform im Folgenden erbracht wird, gem. § 31 Abs. 4b WpHG hinreichend über das Bestehen einer Wahlmöglichkeit zwischen den Beratungsformen und über die bestehenden Unterschiede sowie über den Interessenkonflikt in der Provisionsberatung aufgeklärt? Hermann: Nein, das glaube ich nicht. Allerdings erklären wir unseren Kunden sehr ausführlich die Unterschiede der Modelle, damit diese das für sich passende Angebot bei uns aussuchen können – aber wir bieten auch beide Beratungsformen an. Häufig habe ich hier jedoch schon erlebt, dass der Kunde anruft, um eine Anlageempfehlung zu erhalten und die ausführlichen Informationen zu Beginn gar nicht wirklich wahrnimmt bzw. wahrnehmen möchte. Gleichfalls habe ich auch schon erlebt, dass nach der Aufklärung der Kunde nachfragt, wie der Berater denn an der Stelle des Kunden hinsichtlich der geeigneten Beratungsform entscheiden würde. Insgesamt glaube ich, dass die Kunden mittlerweile darauf eingestellt sind, dass sie zu vielen Dingen im Vorfeld der Empfehlung hinsichtlich der Erstellung von Anlegerprofilen befragt werden. Auf eine ausführliche Information hinsichtlich der Beratungsform hingegen noch nicht. JM: Wie beurteilen Sie das weitergehende Provisionsverbot auf nationaler Ebene für die Honoraranlageberatung, als das durch die MiFID II vorgesehene? (Auf europäischer Ebene dürfen weiterhin nicht monetäre Vorteile – bspw. Produktschulungen und Materialien durch den Emittenten – angenommen werden, nach dem WpHG nicht) Herrmann: Es ist tatsächlich auch für die Emittenten zunächst ungewohnt, dass wir sie einladen uns ein bestimmtes Produkt vorzustellen und zu erklären, wir diese Leistung aber bezahlen möchten bzw. müssen. Hier ist es kürzlich einmal vorgekommen, dass wir an der Schulung zu dem Produkt nicht teilnehmen konnten, weil eine Rechnungsstellung seitens des Emittenten nicht möglich war. Dies hat dann meiner Ansicht nach nichts mehr mit Anlegerschutz zu tun, sondern geht vielmehr zu Lasten der Beratungsqualität. Zudem bin ich der Meinung, dass solche Produktschulung, bei der wir gezielt die Emittenten ansprechen, um uns die Produkte aus erster Hand erklären lassen, um so diese Informationen bestmöglich an unsere Kunden weitergeben zu können, notwendig sind. Zudem wird durch die hausinterne Anlagepolitik gesteuert, wie sich ein Portfolio grundsätzlich zusammensetzen soll, bzw. wie die Anlagen- und Emittenten gestreut werden sollen. Daher haben Schulungen oder vielleicht der an Weihnachten zugesendete Kalender keinen Einfluss auf diese Entscheidungen. Hier verkehrt sich vielmehr der Anlegerschutz auf diesem Gebiet zum Teil ins Gegenteil. Aber ich bin gespannt, wie viele Präsente uns dieses Jahr Weihnachten erreichen. Denn diese müssen wir tatsächlich alle zurück schicken. In den letzten Jahren ist dies jedoch deutlich zurückgegangen. Mittlerweile wissen die Versender, dass ich in der

I. Experteninterview mit Andreas Herrmann

425

Honoraranlageberatung tätig bin und nichts annehmen darf. Dies gilt für uns aber auch auf dem anderen Weg. Auch wir machen keine Geschenke. Wir versenden stattdessen Weihnachtskarten, die pro Karte einen bestimmten Betrag (bspw. 1 Euro pro Karte) für ein besonderes Projekt spenden. Dies teilen wir dem Empfänger zusammen mit unseren Weihnachtsgrüßen auf der entsprechenden Karte mit. JM: Für die Durchführung der Honoraranlageberatung und der Provisionsberatung innerhalb eines Unternehmens schreibt das WpHG eine personelle, funktionelle und sachliche Trennung der beiden Bereiche vor. Bis zu welcher Ebene bedarf es einer personellen Trennung? Bzw. wie haben Sie das umgesetzt? Herrmann: Vor der gesetzlichen Umsetzung der Honoraranlageberatung im Honoraranlageberatungsgesetz waren wir vier Teams die unter einer Gesamtleitung standen. Innerhalb dieser vier Teams wurde von jedem Team Provisions- und Honoraranlageberatung angeboten. Mit der Einführung des Honoraranlageberatungsregisters haben wir ein Team als „Extra Team Honoraranlageberatung“ gesondert gestellt. In dieses Team haben alle Berater gewechselt, die nur noch in der Honoraranlageberatung arbeiten wollten. Problematisch war dies unter anderem für die Kunden. Da gab es bspw. Kunden, die bislang immer eine von uns noch vor der Einführung der gesetzlichen Honoraranlageberatung angebotenen Art der Honorarberatung in Anspruch genommen hatten, aber seit bspw. sieben Jahren von ihrem persönlichen Berater beraten wurden und diesen auch behalten wollten. Der Berater hatte aber nicht in das Honoraranlageberatungsteam gewechselt, sondern ist in einem der drei verbliebenen Provisionsteams und darf nach Einführung der personellen und funktionellen Trennung keine Honoraranlageberatung mehr anbieten. Der Kunde ist in diesen Fällen bei seinem Berater geblieben und erhält eine Provisionsberatung, die jedoch ein Provisionsmodell enthält, welches ähnlich strukturiert ist wie der Kunde es zuvor aus seinem „Honorarberatungsmodell“ kennt. Es trägt dann jedoch nicht mehr den Namen Honoraranlageberatung. Die Trennung konnten wir, da wir eine reine online Bank sind, sehr einfach durchführen, indem das eine Team separat sitzt und die Informationen erst bei der den 4 Beratungsteams übergeordneter Ebene zusammen laufen. Wie das allerdings in einer Filiale umzusetzen wäre, weiß ich ehrlich gesagt nicht. JM: Ist ein Bezeichnungsschutz, wie ihn § 36d WpHG für die Honoraranlageberatung einführt, indem die Bezeichnung „Honorar-Anlageberater“, „HonorarAnlageberaterin“, „Honorar-Anlageberatung“ oder „Honoraranlageberater“, „Honoraranlageberaterin“, „Honoraranlageberatung“ nur Unternehmen führen dürfen, die bei der BaFin unter Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen im Honoraranlageberatungsregister registriert sind, sinnvoll? Herrmann: Meines Erachtens bringt dieses Register keine Vorteile. Die besondere Bezeichnung brachte weder, die von uns erhoffte Publizität, noch wird der Begriff von den Kunden als eine Art Gütesigel wahrgenommen. Er ist vielmehr nicht bekannt.

426

Anhang: Experteninterviews

JM: Wie kann sichergestellt werden, dass eine „hinreichende Anzahl am Markt angebotener Finanzprodukte, die für den Anleger geeignet sind“ für die Empfehlung für den jeweiligen Kunden analysiert und ausgewertet wurden? Herrmann: Dafür sind bei uns die Anlagestrategen zuständig, die zunächst definieren, welchen Markt wir überhaupt bedienen wollen und welche Produkte dort existieren. Danach wird das Raster immer engmaschiger. Zudem führt die BNP Paris eine Art Due Diligence für alle Produkte durch. JM: Das deutsche Honoraranlageberatungsgesetz sieht vor, dass dann Provisionen angenommen werden dürfen und an den Kunden ausgekehrt werden müssen wenn kein gleichgeeignetes Finanzprodukt ohne Provisionen am Markt verfügbar ist. Gibt es Ihrer Ansicht nach so etwas wie ein gleichgeeignetes Finanzprodukt? Herrmann: Das ist eine oft gestellte Frage. Tatsächlich meine ich, dass nur ETFs vergleichbar sind und selbst hier kann man dies nicht derart pauschal festhalten (vgl. swap vs. replizierende ETFs). Bei Fonds ist dies hingegen schon eher schwierig. Hier kommt es immer auf die Frage an, was unter „vergleichbar“ zu verstehen ist; also wie eng die Voraussetzungen für eine Vergleichbarkeit gezogen werden müssen. Würde man alles als gleichartig ansehen, was bspw. als Fonds bezeichnet wird, so ist dies meines Erachtens viel zu weit gehend und wiederspricht dem Sinn und Zweck der Vorschriften zur anleger- und anlagegerechten Beratung. Aber auch bei einer stärkeren Eingrenzung bspw. „Fonds Europa Midcaps“ ist nur eine sehr geringe Vergleichbarkeit gegeben. Aus diesem Grund nur noch ETFs anzubieten, halte ich allerdings auch nicht für sinnvoll. Unter Kostengesichtsaspekten möchte ich noch hinzufügen, dass diese Variante kaum Sinn macht, wenn der Kunde bereits nach einem Monat den gezahlten Kick-Back durch die Anlage bereits realisiert hat. JM: Ist die Möglichkeit gegeben, dass ein Produkt nicht ohne Provisionen zu erwerben ist, da die Provisionszahlung doch ausschließlich auf einer Vereinbarung mit dem Emittenten beruht? Herrmann: Theoretisch ist dies möglich aber nicht gewollt. Dann wäre ja ein Provisionsverbot nicht mehr notwendig, weil ohnehin keine Provisionen mehr angeboten würden. Dies wiederum würde die ohnehin schon stark belasteten Banken weiter finanziell treffen und ist deshalb nicht gewollt.

III. Fragen zur MiFID II allgemein JM: Glauben Sie, dass durch eine bessere Ausbildung und vermehrte Sachkundenachweise des Beraters, die der BaFin eingereicht werden müssen, die Qualität der Beratung insgesamt gesteigert werden kann? Herrmann: Wir führen bereits heute jährliche Schulungen durch bspw. hinsichtlich der Beratungsdokumentation. Zudem finden alle zwei Jahre große Schulungen mit unserer Rechtsanwältin statt, die die Berater noch einmal hinsichtlich der

I. Experteninterview mit Andreas Herrmann

427

möglichen Haftungsrisiken sensibilisiert. Zugleich werden alle Dokumentationen im Vier-Augenprinzip versendet. Bevor es an den Kunden geht schaut also noch ein zweiter Berater darüber, so dass Fehler sofort auffallen und bei häufigerem Vorkommen auch direkt gezielt gegengesteuert werden kann. Ebenso haben wir unser Vergütungssystem vollständig von Verkaufszahlen abgekoppelt, um hier mögliche Fehlanreize zu verhindern. Es finden also regelmäßige Quality-Checks statt, die ich auch sehr wichtig finde. Aber sie brauchen dennoch Leute, die sich für die Beratung interessieren und Lust haben zu beraten. Zugleich müssen diese gewisse ethische Grundeinstellungen mitbringen. Denn unabhängig von der Unermüdlichkeit des Gesetzgebers in diesem Bereich neue Vorschriften einzuführen, wird es immer schwarze Schafe geben. Gute Berater finden Sie zudem sowohl in der Provisions- als auch in der Honorarberatung und ebenso auch die schwarzen Schafe. JM: Führt die geplante Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation zu Einschränkungen in der Beratung und wenn ja, zu welchen? Herrmann: Als online-Bank findet unser Kontakt mit dem Kunden grundsätzlich mittels elektronischer Kommunikation statt. Daher ist die Aufzeichnungspflicht, insbesondere die der Telefongespräche für uns keine große Umstellung, da wir dies bereits so praktizieren. Der Kunde erklärt bereits bei der Kontoeröffnung sein Einverständnis zur Aufzeichnung der Telefongespräche und ebenso für weitere Kommunikationswege. Ruft er bei uns an, so muss er sich zuvor mittels seiner Kontodaten identifizieren, so dass wir sicherstellen können, dass wir eine Erlaubnis zur Aufzeichnung haben. Für Neu-Kunden haben wir gesonderte Telefonnummer mit entsprechenden Aufklärungsinformationen. Uns betrifft daher diese Regelung kaum; allerdings kann ich mir vorstellen, dass die Umsetzung für Filialbetriebe eine enorme Umstellung und auch finanzielle Belastung ist. JM: Künftig soll dem Kunden ein Nachweis über die Gründe, die zu der Empfehlung eines bestimmten Produkts geführt haben, ausgehändigt werden. Wie beurteilen Sie diese Vorgabe? Herrmann: In Deutschland gilt seit längerem die Pflicht zur Erstellung eines Beratungsprotokolls, so dass wir die Gründe für unsere Empfehlung bereits heute schon unseren Kunden mitteilen. Im Einzelnen habe ich mich aber mit dem Unterschied des Beratungsprotokolls zum Suitability-Statement noch nicht auseinander gesetzt. Ich könnte mir allerdings vorstellen, dass wir derzeit hier in Deutschland einen höheren Standard haben, als ihn der europäische Gesetzgeber verlangt. JM: Herr Herrmann, ich bedanke mich für das Gespräch!

428

Anhang: Experteninterviews

J. Experteninterview mit Stefan Herting und Sascha Alpers Position Stefan Herting: Executive Director, Head Compliance Wealth Management der UBS Europe SE Position Sascha Alpers: Associate Director, Compliance Wealth Management der UBS Europe SE Persönliches Interview am 13. 02. 2017 in den Räumen der UBS Europe SE in Frankfurt von 10:00 – 10:45 Uhr

I. Honoraranlageberatung allgemein JM: Hat sich Ihrer Ansicht nach die Honoraranlageberatung oder die Provisionsberatung oder gar beide Beratungsformen seit der Einführung der Honoraranlageberatung als gesetzliche Alternative zur Provisionsberatung verändert und wenn ja, inwiefern? Können Sie ein verstärktes Interesse der Kunden an der Honoraranlageberatung feststellen und wenn ja, wie äußert sich dieses? Herting: In der Praxis hat sich die Honoraranlageberatung am deutschen Markt meines Erachtens nicht durchgesetzt. In diesem Punkt hat sich auch drei Jahre nach Einführung des Honoraranlageberatungsgesetzes nicht viel geändert und es ist auch nicht zu erwarten, dass sich hieran mit MiFID II etwas ändern wird. Zur Beurteilung der Marktsituation müssen immer Angebot und Nachfrage berücksichtigt werden. Da in Deutschland nur von sehr wenigen Instituten Honoraranlageberatung angeboten wird, ist diese Form der Anlageberatung dem Kunden kaum bekannt und wird entsprechend selten aktiv nachgefragt. Zwar haben Großbritannien und auch die Niederlande einen ähnlichen, teilweise sogar umfassenderen, Versuch gewagt, jedoch haben diese gezeigt, dass sich diese Beratungsform für beide Seiten nicht bewährt. Ursächlich hierfür waren insbesondere die Kosten. Die Kosten, die der Bank für die Beratungsleistung entstehen und die Gebühren, die der Kunde zu zahlen bereit ist, sind nicht deckungsgleich. Um eine kostendeckende Vergütung einer Honorarberatung zu ermitteln, müsste man bankintern in einem ersten Schritt prüfen, welche Ressourcen und Tools für die Beratungsleistung bspw. für die Geeignetheitsprüfung (Suitability Test) oder die Angemessenheitsprüfung (Appropriateness Test) bisher bereithalten, anwenden, überwachen und je nach regulatorischen Änderungen anpassen müssen. Diese Kosten müssten auf die Kunden umgelegt werden. Ebenfalls müssten Qualitätsverbesserungen eingepreist werden. Unter Berücksichtigung dieser Kosten, dürfte in vielen Häusern die Beratung letztlich so teuer werden, dass sich der einzelne Kunde diese nicht mehr leisten kann, insbesondere im Retail-Bereich.

J. Experteninterview mit Stefan Herting und Sascha Alpers

429

Aber auch die vermögenden Kunden sind nicht bereit solch hohe Honorare für die Beratung zu zahlen. In diesem Zusammenhang fällt auf, dass diese Kunden sehr genau die Performance nach den Kosten vergleichen. Dies erfolgt bankübergreifend. Die exakte Höhe der Beratungskosten spielt dabei eher die untergeordnete Rolle. Essentiell ist für den Kunden, was unterm Strich für sie an Gewinn generiert wird. Sollte die Beratungsgebühr jedoch zu hoch sein, hat diese einen negativen Einfluss auf die Performance. Aus meiner Einschätzung bietet die Honoraranlageberatung auch keine signifikant günstigeren oder besseren Produkte an, oder ist insgesamt günstiger als die provisionsbasierte Beratung. Der Vorteil der Honoraranlageberatung ist (bis zum Inkrafttreten der MiFID II) die im Wesentlichen noch höhere Transparenz der Kosten und die vergleichsweise größere Produktpalette. Die Vertriebsprovision, die wir als Bank erhalten und regulatorisch verpflichtet dazu nutzen, um die Beratungsqualität für den Kunden zu verbessern, dürfte im Fall einer Honoraranlageberatung den Kunden nicht zugutekommen. Diese dürfte bildlich gesprochen vorne in der Kette hängen und mathematisch gesehen, muss der Kunde in der Honoraranlageberatung die gesamten Kosten tragen. Das macht die Honoraranlageberatung weder aus Kunden- noch aus Bankensicht besonders attraktiv. Dass diese Beratungsform für die Kunden nicht sonderlich interessant ist, hat bereits die vergleichbare Regelung in Großbritannien gezeigt. Auch hier wurde bei Einführung der gesetzlichen Regelung zum flächendeckenden Provisionsverbot angenommen, dass dadurch die Beratungsqualität steigen würde. Dies ist jedoch nicht der Fall. Auch der simplified advice, der eingeführt wurde, um die Kosten zu senken, hat nicht die gewünschte Wirkung entfaltet. Für sehr vermögende Profikunden, die mit Millionenbeträgen agieren, mag diese Form interessant sein, für Kleinanleger ist diese hingegen nicht geeignet. So bevorzugen Kleinanleger bereits heute zunehmend die Vermögensverwaltung als eine zeitsparende Beratungsform, da eigene Anlageentscheidungen regelmäßig nicht mehr selbst getroffen werden müssen und umfangreiche individuelle Beratungsprotokolle wegfallen. Dieser verminderte Beratungs- und Dokumentationsaufwand findet sich in der Folge in vergleichsweise geringeren Kosten für die Kunden einer Vermögensverwaltung wieder. JM: Wie beurteilen Sie die Bereitschaft des Kunden für eine Beratungsleistung zu zahlen? Dies vor allem im Hinblick darauf, dass der Kunde sich nach der Beratung entschließen kann kein Produkt zu erwerben und damit die Dienstleistung ohne „persönlichen Erfolg“ bezahlen muss. Herting: Wie bereits festgestellt, ist die Honoraranlageberatung für den einzelnen Kunden auf Grund des zu zahlenden Beratungshonorars gefühlt teurer als die Zahlung einer vergleichsweise höheren Provision in der traditionellen Anlageberatung. Dieser Eindruck wird durch eine empirische Studie von Ernst & Young aus dem Jahr 2013 unterstrichen, wonach insbesondere der deutsche Kunde im europäischen Vergleich am wenigsten bereit ist für die Beratung ein Honorar zu bezahlen.

430

Anhang: Experteninterviews

Alpers: Wesentlicher Werbeaspekt der Honoraranlageberatung war vor allem, dass diese der Beratung eine wesentlich breitere Produktpalette zugrunde legen. Aber den Kunden interessiert nicht aus wie vielen Produkten das für ihn passende ausgewählt wurde – ob es sich dabei um 10 oder um 100 untersuchte Produkte handelt. Er beobachtet die Performance des letztlich als passend herausgesuchten Produkts. Bei lebensnaher Betrachtung ist nachvollziehbar, dass die Bereitschaft des Kunden für eine Beratung wenigstens 200 Euro auszugeben gegen Null tendiert, wenn das „Risiko“ besteht, dass der Berater im Rahmen der Geeignetheitsprüfung – trotz der Prüfung von 100 Finanzinstrumenten auf Transparenz und Kosten – immer auch zu dem Ergebnis gelangen kann, das den Kunden kein geeignetes Instrument empfohlen werden kann. JM: Wird sich der hohe finanzielle Aufwand und auch die aufwändigen Umstrukturierungsmaßnahmen, die gesetzlich vorgeschrieben sind, um die Honoraranlageberatung anbieten zu dürfen, langfristig lohnen? Herting: Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass es zukünftig Präsenz-Banken geben wird, die beide Beratungsformen anbieten werden. Denn das Institut müsste die Honoraranlageberatung in Gänze organisatorisch von der Provisionsberatung trennen. Dass hieße, es bestünde weitestgehend eine vollständige Parallelorganisation. Aber die Bank generiert damit nicht die doppelte Anzahl an Kunden. Ich glaube nicht, dass ein Kunde nur dann ein Institut X auswählt, wenn a) oder b) angeboten wird. Vielmehr schaut der Kunde wiederum nach den Kosten. Und stehen diese aus Sicht des Kunden in einem akzeptablen Verhältnis zur Rendite, ist ihm die Beratungsform letztlich egal. Bei der doppelten Organisation entstünden dem Institut massiv Mehrkosten, denn es bräuchte viele Parallelstrukturen, bspw. eine eigene Research-Abteilung, eine eigene Prozess- und Vertriebsstruktur, eine eigenständige Führungsverantwortlichkeiten bis unter die Vorstandsebene sowie eine räumliche Trennung mittels Informationsbarrieren vom provisionsbasierten Beratungsgeschäft. Um diesen Aufwand aufzufangen, bräuchte es plakativ gesprochen die doppelte Anzahl an Kunden. Inwieweit dies insbesondere in der heutigen Zeit realistisch ist, kann im Raum stehen bleiben. JM: Glauben Sie, dass in absehbarer Zeit ein vollständiges Provisionsverbot, wie es bspw. in Großbritannien bereits existiert, auch in Deutschland eingeführt wird? Wie beurteilen Sie ein solches Verbot? Bitte begründen Sie Ihre Entscheidung. Herting: Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass der deutsche Gesetzgeber diesen Weg einschlagen wird. Zum einen sieht er das Scheitern der Einführung von Provisionsverboten und zum anderen würde dies dazu führen, dass die Banken kleinere Kunden nicht mehr beraten. Würde also ein solches Provisionsverbot dennoch eingeführt, glaube ich, dass viele Kunden von dem Wegfall des Beratungsgeschäfts betroffen sind. Einige Banken werden dann das Beratungsangebot sogar vollständig einstellen müssen. Schließlich führt bereits die Implementierung der MiFID II dazu, dass für viele kleinere Banken schon heute feststeht, dass die Beratung nicht mehr rentabel

J. Experteninterview mit Stefan Herting und Sascha Alpers

431

ausgeübt werden kann und folglich das Wertpapierdienstleistungsangebot beschränkt werden wird. In Zuge dessen haben einige Banken bereits heute den Weg der Vermögensverwaltung eingeschlagen, da diese weniger komplex reguliert ist und in einem stark standardisierten Prozess durchgeführt werden kann. Ein Provisionsverbot könnte somit den Effekt erzielen, dass der Umfang der Wertpapierdienstleistungen der Banken aus Kostengründen beschränkt wird und dem Kleinanleger – wenn überhaupt – nur noch der Weg in stark standardisierte Produkte offen steht. JM: Glauben Sie, dass möglicherweise entstehende Beratungslücken bei einem vollständigen Provisionsverbot durch die Einführung von neuen Beratungsformen, wie bspw. dem Robo-Advice in den USA (einer auf die einzelnen Kundengruppen zugeschnittene automatische Beratung) geschlossen werden können? Herting: Die Einführung eines Robo-Advisor ist in Deutschland sehr schwierig, zumindest wenn er als vollständiger Ersatz für die individuelle Beratungsleistung – so wie wir sie derzeit kennen – eingeführt werden soll. Robo-Advisor treffen nahezu die gleichen Anforderungen wie die face-to-face Beratung, es muss bspw. ebenfalls eine Geeignetheitsprüfung durchgeführt und ein Beratungsprotokoll erstellt werden. Damit stellen sich bereits erste praktische Umsetzungsfragen, bspw. wer unterschreibt das Beratungsprotokoll bei einem Robo-Advisor. Der physische Kundenberater wird hierfür nicht seine Unterschrift verwenden wollen und dürfen, da er in der gesamten Beratung überhaupt nicht involviert war. Gleichfalls lässt sich aber auch dem gesamtverantwortenden Vorstand oder dem programmierenden SoftwareEntwickler faktisch keine tatsächliche Verantwortung angedeihen. Dies stellt schon heute ein Problem bei Robo-Advisor dar. Dort wo heute die Robo-Advisor erfolgreich sind – vor allem in Großbritannien und den USA – sind die Anforderungen für diese Art der Beratung deutlich geringer als in Deutschland. Die Risikoklassifizierungsanforderungen und die Pflichtangaben, die vom Kunden eingeholt werden müssen sind regelmäßig geringer. Die Dokumentationsanforderungen insgesamt sind nicht so streng wie im nationalen Recht. Der Kunde interessiert sich zwar häufig nicht für diese Anforderungen, dennoch muss sie eingehalten werden. Hier zeigt sich, dass insbesondere Großbritannien der Einführung von neuen Beratungsformen viel offener gegenüber steht und diese auch regulatorisch flexibler handhabt. Dies gilt allerdings nicht für die Gebühren oder den Kundenschutz sondern ausschließlich für die Dokumentation.

432

Anhang: Experteninterviews

II. Honoraranlageberatung im Detail JM: Ist der Kunde Ihrer Ansicht nach durch die Aufklärung, welche Beratungsform im Folgenden erbracht wird, gem. § 31 Abs. 4b WpHG hinreichend über das Bestehen einer Wahlmöglichkeit zwischen den Beratungsformen und über die bestehenden Unterschiede sowie über den Interessenkonflikt in der Provisionsberatung aufgeklärt? Herting: Der Kunde bekommt zu Beginn der Beratung so viele Informationen – hier muss man fairerweise schon von einem ganzen Stapel an Informationsmaterial sprechen. Die meisten Informationen haben einen regulatorischen Hintergrund. Diese enthalten unter anderem auch Informationen über die Vertriebsprovisionen sowie eine ausdrückliche Information darüber, ob Honoraranlageberatung erbracht wird. Meines Erachtens unterliegt der Kunde jedoch einem information overkill und wird auch die ausdrückliche Formulierung der unabhängigen Beratung regelmäßig nicht wahrnehmen bzw. ihr eine Bedeutung zumessen können. Er kann vielmehr die ganzen Informationen nicht mehr aufnehmen und das unabhängig davon wie explizit diese Aufklärung aufgenommen würde. Daher macht auch die Formulierung „unabhängige Beratung“ für ihn keinen Unterschied aus. Alpers: Der durchschnittliche Anleger, auf den die BaFin abstellt, kennt zum einen den Unterschied zwischen den beiden Beratungsformen nicht und zum anderen fehlt ihm die Sensibilität, um überhaupt zu wissen, wo die Hürden der Provisionsberatung liegen. Herting: Der Kunde ist darüber hinaus an der Beratungsform an sich nicht interessiert. Wie erwähnt, betrachtet er nach meiner Einschätzung regelmäßig die Kosten und die Performance der Anlage. Erhält er sechs Prozent Rendite, so macht er sich wenig Gedanken über die Kostenstruktur. Dies mag sich dann ändern, wenn er nur noch 2 Prozent Rendite bei uns erhält, aber bei anderen Banken drei bis vier Prozent. Dann wird er uns mit dem vergleichsweise schlechten Abschneiden konfrontieren. Dies ist allerdings unabhängig von der Beratungsform. Die grundsätzliche Enttäuschung eines honorarbasierten Kunden über eine zu geringe Performance dürfte der eines provisionsbasierten Kunden gleichen. JM: Und diese Sichtweise wird sich auch nicht durch die jährliche Gesamtkostenoffenlegung verändern? Herting: Ein Spannungsverhältnis entsteht in diesem Fall, wenn die Performance nicht stimmt. So bspw. wenn der Kunde durch den jährlichen Bericht feststellen würde, dass die Bank 2 Prozent an Gebühren vereinnahmt und er nur 0,7 Prozent Rendite erhält. In diesem Falle wird der Berater durchaus erklären müssen, warum das so ist. Einen Denkanstoß, dass der Kunde nun im Vorfeld besser einen Honorarberater konsultiert hätte, wird dies meines Erachtens aber nicht hervorrufen. Denn dafür müsste es verlässliche Zahlen geben, dass die Performance in der Honoraranlageberatung besser ausfällt, als in der Provisionsberatung. Solche Belege gibt es aber nach meinem Kenntnisstand auch unter der Erfahrungen

J. Experteninterview mit Stefan Herting und Sascha Alpers

433

in Großbritannien nicht. Vielmehr wird in solchen Fällen eine verstärkte Gebühren/ Kostendiskussion hervorgerufen, in der der Kunde Sonderkonditionen verhandeln möchte. JM: Wie beurteilen Sie das weitergehende Provisionsverbot auf nationaler Ebene für die Honoraranlageberatung, als das durch die MiFID II vorgesehene? (Auf europäischer Ebene dürfen weiterhin nicht monetäre Vorteile – bspw. Produktschulungen und Materialien durch den Emittenten – angenommen werden, nach dem WpHG nicht.) Herting: Das spielt für uns momentan keine Rolle, da wir die Honoraranlageberatung – so zumindest Stand heute – auf absehbare Zeit nicht einführen werden. JM: Für die Durchführung der Honoraranlageberatung und der Provisionsberatung innerhalb eines Unternehmens schreibt das WpHG eine personelle, funktionelle und sachliche Trennung der beiden Bereiche vor. Bis zu welcher Ebene bedarf es einer personellen Trennung? Herting: Wir haben uns diese Anforderungen nie im Detail angesehen, da es für uns keine Rolle spielt. Allerdings glauben wir schon, dass die Anforderung der personellen Trennung nicht mit der Trennung auf der untersten Ebene des Beraters erfüllt ist, sondern dass diese sehr viel höher reichen muss. Es soll gerade eine vollständige Transparenz angeboten werden. Nehme ich nur den Berater aus der Provisionsberatung heraus, dann liefen alle weiteren Prozesse gleich ab. Aber spätestens im Accounting müsste ich bei einheitlichen Vertriebswegen, für die durchaus Vertriebsvereinbarungen bestehen, auseinander dividieren was nun vertriebsprovisionsfrei ist und was nicht. Das ist sehr schwierig und macht meines Erachtens unter Berücksichtigung des Ursprungsgedankens der Honoraranlageberatung keinen Sinn. Auf Beraterebene reicht die personelle Trennung daher auf keinen Fall. JM: Ist ein Bezeichnungsschutz, wie ihn § 36d WpHG für die Honoraranlageberatung einführt sinnvoll, indem die Bezeichnung „Honorar-Anlageberater“, „Honorar-Anlageberaterin“, „Honorar-Anlageberatung“ oder „Honoraranlageberater“, „Honoraranlageberaterin“, „Honoraranlageberatung“ nur Unternehmen führen dürfen, die bei der BaFin unter Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen im Honoraranlageberatungsregister registriert sind? Herting: Den Bezeichnungsschutz versteht der Kunde schlichtweg nicht. Man kann diesen weder zu Marketingzwecken nutzen noch um gezielt Kunden anzusprechen.

434

Anhang: Experteninterviews

III. Fragen zur MiFID II allgemein JM: Glauben Sie, dass durch eine bessere Ausbildung und vermehrte Sachkundenachweise des Beraters, die der BaFin eingereicht werden müssen, die Qualität der Beratung insgesamt gesteigert werden kann? Verstärkt sich durch die neuen Regelungen der Anlegerschutz? Alpers: Die MiFID II enthält im Wesentlichen die gleichen Anforderungen an die Sachkunde wie auch die derzeitigen nationalen Regelungen. Die MiFID II ergänzt den Adressatenkreis um die Mitarbeiter, die mit der Finanzportfolioverwaltung betraut sind und unterscheidet zudem noch zwischen zwei Mitarbeitergruppen, zum einen den Kundenberatern und zum anderen denjenigen, die im Sinne eines Boten lediglich Informationen an den Kunden weitergeben. Bei letzteren stellt sich dann die Frage, inwieweit diese ebenso die hohen Sachkundeanforderungen eines Anlageberaters erfüllen müssen bzw. inwieweit sich zwischen diesen beiden deutlich differenzieren lässt. Insgesamt kommen jedoch kaum neue Anforderungen hinzu. ESMA stellt zwar detaillierte Anforderungen, aber bei korrekter Ausführung der bestehenden Regelungen sind wir hier sehr gut aufgestellt. Die Schulungsinhalte und die einzelnen Anforderungen sind allerdings schon seit Jahren enorm und werden mit MiFID II weiterhin geschärft. So muss, meines Wissens, der lediglich Informationen an den Kunden übergebende Mitarbeiter künftig in allen Bereichen die gleichen Kenntnisse wie ein Kundenberater aufweisen – mit Ausnahme der Expertise zu Gebühren und Kosten. Von daher stellen wir uns hier aktuell die Frage inwieweit wir die Ausbildung derjenigen, die nur Informationen weitergeben, der Beraterausbildung annähern und somit einen einheitlichen Qualitätsstandard sichern. Herting: Die meisten Banken verfolgen ohnehin eine Art modularen Ausbildungskatalog. So umfasst unser Schulungsprogramm derzeit eine umfangreiche Dokumentation und beinhaltet unter anderem Präsenzklausuren. Insgesamt dauert die Ausbildung ca. anderthalb Jahre. Im Gegensatz zu anderen ausländischen Behörden bietet die BaFin derzeit keine Zertifizierung an, andere ausländische Aufsichtsbehörden hingegen schon. Hier kann man noch die eigenen Schulungen abnehmen lassen. Alpers: Hinsichtlich der einzelnen Vorgaben von ESMA bspw. die Berücksichtigung des Einflusses von politischen Ereignisse auf die Wertentwicklung des Produkts unternimmt der Berater keine Einzelwertung, sondern eine solche wird für das jeweilige Haus entwickelt und fließt dann in jede Beratung ein. Das ist allerdings auch bereits heute so, dass ihm makroökonomische und politische Risiken vorgegeben werden. Herting: Hier hat sich die Beratung insgesamt gewandelt. Früher hat der Berater zumindest bei uns sehr autonom agiert und sich zu den einzelnen Kriterien selbst eine Meinung gebildet. Hiervon sind jedoch mittlerweile die meisten Banken abgekommen bzw. sind dabei hier eine Umstellung vorzunehmen, indem spezielle Ab-

J. Experteninterview mit Stefan Herting und Sascha Alpers

435

teilungen hierfür eine Art Hausmeinung über alle Anforderungen bilden, diese an die Berater weitergegeben wird und auf diesem Wege in die Beratung einfließt. Anders sind die sehr detaillierten Anforderungen, die der Berater erfüllen muss, auch kaum nachzukommen. JM: Führt die geplante Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation zu Einschränkungen in der Beratung und wenn ja, zu welchen? Herting: Ich kann mich noch sehr gut an die Kundenreaktionen betreffend unserer Einführung von Teilaufzeichnungen erinnern. Über diese haben sich die Kunden massiv beschwert. Da wurde an dem Vertrauen der Bank gegenüber ihren Mitarbeitern gezweifelt und gefragt warum überhaupt aufgezeichnet werden muss. Dabei hat in diesen Fällen der Berater nur vor der Aufzeichnung angekündigt, dass eine solche erfolgt, um bspw. die Order zu dokumentieren. Dabei fühlten sich die Kunden bereits sichtlich unwohl. Ich glaube, dieses Gefühl kennt jeder, der bei seinem Mobilfunkanbieter anruft und zunächst mitgeteilt bekommt, dass das Gespräch zu Qualitätszwecken aufgezeichnet wird. Nun müsste aber streng genommen angesagt werden, dass aus Dokumentationsgründen, zur Sicherstellung von regulatorischen Anforderungen und auch notfalls zur Bearbeitung von Klagen und Beschwerden das Gespräch aufgezeichnet wird. Das wird für viele Kunden zunächst abschreckend sein. Ein weiteres Problem ist die Sprache der Aufklärung. Wir als Bank mit einem internationalen Kundenstamm müssen die Aufklärung den Kunden in ziemlich vielen Sprachen vorschalten, um sicher zu gehen, dass der Hinweis in der richtigen Sprache erfolgt. Ein zweites Problem unter MiFID II ist die Verwendung von Mobiltelefonen. Unsere Berater sind derzeit alle mit Solchen ausgestattet und rufen damit die Kunden an bzw. umgekehrt. Ruft der Berater den Kunden an, müsste dieser als erstes die Ansage erhalten, dass der Kunde nun aufgezeichnet wird. Das ist für die BeraterKundenbeziehung nicht sonderlich förderlich. Im Detail ist eine solche Aufzeichnung technisch aufwendig, teuer und sowohl auf Berater- als auch auf Kundenseite nicht unbedingt beliebt. Andere Banken versuchen erneut den Weg der selektiven Aufzeichnung zu gehen, um private Gespräche nicht aufzeichnen müssen. Hierzu startet ein Berater manuell die Aufzeichnung während des Gesprächsverlaufs. Hierbei entsteht jedoch das regulatorische Problem, dass aus unserer derzeitigen Sicht nicht sichergestellt werden kann, dass die regulatorischen Anforderungen erfüllt werden. Denn ab wann beginnt denn ein Beratungsgespräch? In der Regel ruft der Kunde an und das Gespräch kreist die ersten Minuten über die Familie und private Belange. Erst in einem zweiten Teil werden geschäftliche Aspekte besprochen. Hier müsste der Berater sofort agieren und darauf hinweisen, dass das Gespräch ab sofort aufgezeichnet werden muss und gleichzeitig die Aufzeichnung starten. Oder er muss dann das Gespräch unterbrechen und die Aufzeichnung starten, die eine automatische Ansage zur Aufzeichnung abspielt. Das klappt in der Praxis aus meiner Sicht regelmäßig nicht. Der Berater wird

436

Anhang: Experteninterviews

konfrontiert und nimmt die Informationen auf, aber in mind. 10 Prozent der Fälle vergisst er die Aufzeichnung. Und das ist meines Erachtens noch positiv geschätzt. Außerdem deckt eine selektive Aufzeichnung die ganze Realität ab. Bei Teilaufzeichnungen ist es schwieriger zu kontrollieren, was tatsächlich besprochen und ob auch alles entsprechend dokumentiert wurde. Per permanenter Aufzeichnung kann zwar die gesamte interne als auch externe Kommunikation erfasst werden. Es handelt sich jedoch um riesige Datenmengen. Wenn das sinnvoll kontrolliert werden soll müssten ausschließlich dafür Mitarbeiter abgestellt werden. Alpers: Ich glaube allerdings nicht, dass die Gespräche zu vielen Klärungen beitragen können. Vielleicht wenn es um die Stückzahl geht, bspw. ob 100 oder 1000 Stück geordert wurden. Aber eigentlich sind das eher seltene Fälle. JM: Wie schätzen Sie den Umsetzungsaufwand für die Einführung der Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation in Ihrem Hause ein? Glauben Sie, dass es viele Unternehmen gibt, die sich technisch vollständig umstellen müssen? Herting: Im Mobilbereich wird es bei uns noch spannend. Die Umrüstung aller Mobiltelefone mit entsprechenden SIM-Karten, so dass sich ein auf Aufzeichnungen spezialisierter Anbieter dazwischenschalten kann und die Aufzeichnung übernimmt, ist schon sehr aufwendig. Hier wissen wir noch nicht, wie wir uns final entscheiden werden. Die Identifikation der betroffenen Mitarbeiter und Mobiltelefonen ist für uns eher unproblematisch. Wir nutzen ein Tool, welches entscheidet wie ein Mitarbeiter aufgezeichnet wird, so dass hier das Handy einfach eingefügt werden kann. Momentan umfasst dieses Tool die Festnetztelefone. Mit Hilfe dieses Tools ließe sich dann auch eine aktuelle Liste der betroffenen Mitarbeiter herunterladen und für die Mobiltelefonaufzeichnung nutzen. JM: Künftig soll dem Kunden ein Nachweis über die Gründe, die zu der Empfehlung eines bestimmten Produkts geführt haben, ausgehändigt werden. Wie beurteilen Sie diese Vorgabe? Herting: Bereits heute muss die Risikotoleranz des Anlegers und die Fähigkeit Verluste zu tragen abgefragt werden. Gleichfalls müssen auch heute dem Anleger die Gründe für die Empfehlung des Produktes dargelegt werden. Allerdings wird das nun „neue“ Protokoll etwas anders aufgebaut sein. Für andere Länder, die eine solche Dokumentation derzeit nicht kennen, wird dies herausfordernder sein. JM: Herr Herting, Herr Alpers, ich bedanke mich für das Gespräch!

K. Experteninterview mit Jörg Jäger

437

K. Experteninterview mit Dr. Jörg Jäger Position: Projekt MiFID II, Commerzbank AG Telefonisches Interview am 24. 10. 2016 von 11:00 – 12:22 Uhr

I. Honoraranlageberatung allgemein JM: Hat sich Ihrer Ansicht nach die Honoraranlageberatung oder die Provisionsberatung oder gar beide Beratungsformen seit der Einführung der Honoraranlageberatung als gesetzliche Alternative zur Provisionsberatung verändert und wenn ja, inwiefern? Können Sie ein verstärktes Interesse der Kunden an der Honoraranlageberatung feststellen und wenn ja, wie äußert sich dieses? Dr. Jäger: Meines Erachtens gab es hier keine spürbaren Veränderungen in beiden Beratungsformen. Wenn überhaupt waren die Veränderungen graduell. Durch die Einführung des Honoraranlageberatungsgesetzes hat sich kundenseitig auch keine Nachfrage für diese Beratungsform entwickelt. Insgesamt fehlt uns und den Banken insgesamt daher ein Anreiz diese Beratungsform anzubieten. JM: Wie beurteilen Sie die Bereitschaft des Kunden für eine Beratungsleistung zu zahlen? Dies vor allem im Hinblick darauf, dass der Kunde sich nach der Beratung entschließen kann kein Produkt zu erwerben und damit die Dienstleistung ohne „persönlichen Erfolg“ bezahlen muss. Dr. Jäger: Ich erkenne hier kein Interesse des Kunden. Dies lässt sich auch daran festmachen, dass keine Beschwerden oder sonstige Hinweise zur Honoraranlageberatung oder besser gesagt zu ihrem Fehlen existieren. JM: Wird sich der hohe finanzielle Aufwand und auch die aufwendigen Umstrukturierungsmaßnahmen, die gesetzlich vorgeschrieben sind, um die Honoraranlageberatung anbieten zu dürfen, langfristig lohnen? Dr. Jäger: Auf absehbare Zeit wird sich die Einführung der Honoraranlageberatung m. E. im Breitengeschäft nicht lohnen. Die Kosten sind für uns Banken sehr hoch – zu nennen sind Prozessanpassungen, Umstrukturierung sowie die erhöhten Anforderungen im Vergleich zur abhängigen Beratung. Das gilt sowohl für die Einführung als auch den späteren laufenden Betrieb. In Zusammenschau mit der fehlenden Nachfrage ist es momentan einfach zu unsicher ein solches Geschäft einzuführen. JM: Glauben Sie, dass in absehbarer Zeit ein vollständiges Provisionsverbot, wie es bspw. in Großbritannien bereits existiert, auch in Deutschland eingeführt wird? Wie beurteilen Sie ein solches Verbot? Bitte begründen Sie Ihre Entscheidung.

438

Anhang: Experteninterviews

Dr. Jäger: Ich glaube nicht, dass ein solches Provisionsverbot in Deutschland bald eingeführt wird. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass in den Mitgliedsländern, in denen bereits (Quasi-)Provisionsverbote umgesetzt wurden, Kleinanleger oft keine Beratungsleistung mehr erhalten können. Ich gehe davon aus, dass es erst zu nachhaltigen Änderungen kommen wird, wenn der Gesetzgeber davon ausgehen kann, dass hierdurch das Angebot für Kleinanleger nicht einbricht. Und dieses Risiko ist b.a.w. sehr hoch. Der Gesetzgeber weiß, dass in den Banken aktuell faktisch eine Quersubventionierung der Anlageberatung zu Gunsten der Kleinanleger stattfindet. Die Kunden „zahlen indirekt“ über ihre Transaktionen und die Inducements für die in Anspruch genommene Anlageberatung. Die Größe der einzelnen Order oder der einzelnen Bestände ist also ausschlaggebend. Auch unter Berücksichtigung eventueller Sonderkonditionen zahlen Kleinanleger damit für eine vergleichbare Dienstleistung sowohl absolut als auch relativ weniger als „größere“ Kunden. Käme es dennoch zu einer solchen Veränderung, würde der Markt selbstverständlich darauf reagieren und alternative Preismodelle einführen oder weiter ausbauen. Die Commerzbank AG bietet beispielsweise bereits heute das sogenannte Premium-Depot an. Der Kunde zahlt im Prinzip ein prozentuales Entgelt auf sein Anlagevolumen. Darin sind dann insbesondere alle Entgelte und Transaktionskosten der Commerzbank bei Aktien, Anleihen, Fonds und Zertifikate enthalten. Damit unterscheiden sich im grundsätzlichen Ansatz die Kosten für die Anleger nur noch absolut, aber nicht mehr relativ. Aber die erwähnte Quersubventionierung äußert sich in einem wichtigen Detail. Wir erheben ein (absolutes) Mindestentgelt. Damit ist das Premium-Depot für Kleinanleger weniger attraktiv. Hier erkennen sie sehr gut die Wirkungsweise der aktuellen Quersubventionierung bzw. was geschehen wird, wenn Inducements weitgehend verboten werden. JM: Glauben Sie, dass möglicherweise entstehende Beratungslücken bei einem vollständigen Provisionsverbot durch die Einführung von neuen Beratungsformen, wie bspw. dem Robo-Advice in den USA (einer auf die einzelnen Kundengruppen zugeschnittene automatische Beratung) geschlossen werden können? Dr. Jäger: Ich denke schon, dass dies eine gute Alternative sein wird, die Anleger abzufangen, die aufgrund der Kosten die „persönliche“ Beratungsleistung nicht mehr in Anspruch nehmen können oder wollen. Die Reaktion am Markt bleibt jedoch abzuwarten. Zudem habe ich aktuell den Eindruck, dass die Aufsicht den RoboAdvice eher kritisch sieht. Aber auch hier bleibt abzuwarten, wie sich insbesondere ESMA und BaFin weiter äußern werden.

K. Experteninterview mit Jörg Jäger

439

II. Honoraranlageberatung im Detail JM: Ist der Kunde Ihrer Ansicht nach durch die Aufklärung, welche Beratungsform im Folgenden erbracht wird, gem. § 31 Abs. 4b WpHG hinreichend über das Bestehen einer Wahlmöglichkeit zwischen den Beratungsformen und über die bestehenden Unterschiede sowie über den Interessenkonflikt in der Provisionsberatung aufgeklärt? Dr. Jäger: Der Kunde wird darüber aufgeklärt, welche Beratung stattfindet und welche nicht. Er weiß also, dass es unterschiedliche Beratungsmöglichkeiten gibt. Allerdings findet keine detaillierte Information bzw. Beratung darüber statt, wie das nicht angebotene Geschäftsmodell im Einzelnen funktioniert Dieser Ansatz, dass der Anleger sich eigenständig über die Vor- und Nachteile der Beratungsmodelle informieren soll, wird meines Erachtens im Breitengeschäft nicht so schnell funktionieren. Viele Kunden gehen auch zukünftig ganz selbstverständlich zu ihrer Bank und nehmen den dort angebotenen Service wahr. Nur wenige Kunden setzen sich dezidiert mit den Beratungsangeboten auseinander und/oder entschließen sich teilweise zum Wechsel zu anderen Vergütungsmodellen, die nicht zwingend mit der Honoraranlageberatung gleich zu setzen sind (s. das Premium-Depot-Modell). JM: Ist hier eine bestimmte Kundengruppe absehbar, also bspw. überwiegend Anleger mit hohen Anlagebeträgen? Dr. Jäger: Unter anderem. Allerdings gilt hier das bereits Angesprochene zur Quersubventionierung. Denn die Beratung ist nicht zuletzt durch die ständig steigende „regulatorische Last“ insgesamt sehr teuer geworden und die größeren Anleger nehmen ihre „Zahlerfunktion“ immer mehr wahr. Sie werden ihr Nachfrageverhalten weiter ändern. Für diese Kunden gibt es durchaus die Überlegung die Kosten für die eigene Anlageberatung zu minimieren, indem ein anderes Preismodell gewählt wird. Über Sonderkonditionen sprechen sie ohnehin schon seit Jahren. JM: Wie beurteilen Sie das weitergehende Provisionsverbot auf nationaler Ebene für die Honoraranlageberatung, als das durch die MiFID II vorgesehene? (Auf europäischer Ebene dürfen weiterhin nicht monetäre Vorteile – bspw. Produktschulungen und Materialien durch den Emittenten – angenommen werden, nach dem WpHG nicht) Dr. Jäger: Für uns hat dieses keine Entscheidungsrelevanz, ob wir die Honoraranlageberatung einführen oder nicht. Die absehbaren Unterschiede machen kaum einen spürbaren Unterschied aus. Gravierender ist hier bspw. die Vorgabe der personellen Trennung. Jedoch beobachten wir die Entwicklung sehr genau und überlegen, wie sich die einzelnen Anforderungen auf unser Geschäftsmodell auswirken würden. Allerdings sind wir derzeit mit der Umsetzung der Vorgaben der MiFID II sehr ausgelastet. Aber unsere (Commerzbank) Einführung alternativer Preismodelle war bereits eine erste Reaktion auf die Einführung der veränderten Inducements Regelungen.

440

Anhang: Experteninterviews

JM: Für die Durchführung der Honoraranlageberatung und der Provisionsberatung innerhalb eines Unternehmens schreibt das WpHG eine personelle, funktionelle und sachliche Trennung der beiden Bereiche vor. Bis zu welcher Ebene bedarf es einer personellen Trennung? Dr. Jäger: Aus meiner Sicht wäre eine Trennung auf der Beraterebene die beste Lösung. Die Trennung bis in die Führungsebenen ist mit hohem Aufwand verbunden und bei entsprechend strengem und konsequentem Controlling auch nicht notwendig. In diese Richtung scheint nun auch der deutsche Gesetzgeber zu gehen. Allerdings bleiben die finalen Texte der nationalen Umsetzung der MiFID II abzuwarten. Allerdings glaube ich schon, dass die Trennung für den einzelnen Berater notwendig ist. Alles andere wäre „etwas schizophren“, wenn er einmal abhängig und einmal unabhängig agiert. Hinzu treten auch Probleme in der Prozessbewältigung, die für die beiden Beratungsarten bestimmt nicht identisch wären. Der Berater müsste dauerhaft zwischen zwei Denkprozessen „switchen“. Das ist schwer vorstellbar. JM: Ist ein Bezeichnungsschutz, wie ihn § 36d WpHG für die Honoraranlageberatung einführt, indem die Bezeichnung „Honorar-Anlageberater“, „HonorarAnlageberaterin“, „Honorar-Anlageberatung“ oder „Honoraranlageberater“, „Honoraranlageberaterin“, „Honoraranlageberatung“ nur Unternehmen führen dürfen, die bei der BaFin unter Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen im Honoraranlageberatungsregister registriert sind, sinnvoll? Dr. Jäger: Das kann ich nicht beurteilen, da wir eine solche Beratungsform nicht anbieten. Allerdings „klingt“ „Honoraranlageberatung“ im Vergleich zu dem europäischen Begriff der „unabhängigen Beratung“ schon anders.

III. Fragen zur MiFID II allgemein JM: Glauben Sie, dass durch eine bessere Ausbildung und vermehrte Sachkundenachweise des Beraters, die der BaFin eingereicht werden müssen, die Qualität der Beratung insgesamt gesteigert werden kann? Dr. Jäger: Vorweg möchte ich hier festhalten, dass es unabhängig von der Ausbildung immer gute und schlechte Berater geben wird. Allerdings haben wir uns in Deutschland bereits dezidiert mit dem Sachkundethema auseinander gesetzt und formale Nachweise eingeführt (s. AnsFuG). Im Prinzip ist es jedoch so, dass diese formalen Nachweise „lieb und nett“ sind, aber für Banken mit eigenem Qualitätsanspruch von untergeordneter Bedeutung sind. Denn als Unternehmen habe ich ein eigenes Interesse möglichst gut ausgebildete Berater meinen Kunden „zur Verfügung zu stellen“. Ich muss wohl nicht näher erläutern, dass ich Kunden am besten über Qualität an ein Haus binden kann. Darüber hinaus gibt es selbstverständlich auch den Gedanken des „negativen Vermeidens“. Gut ausgebildete Berater schützen uns auch vor zivilrechtlichen Konsequenzen. Um sich gegen Klagen abzusichern, hat mittlerweile jedes Haus einen Mindeststandard hinsichtlich der Sachkunde und Schu-

K. Experteninterview mit Jörg Jäger

441

lungen seiner Berater definiert. Das Risiko wäre sonst nicht kalkulierbar. Zudem ist uns die Wahrnehmung unserer Beratungsleistung auch durch unsere „noch NichtKunden“ besonders wichtig. Nicht nur gut, sondern sehr gut zu sein und auch am Markt so wahrgenommen zu werden, ist ein zusätzlicher äußerer Anreiz, eine hohe Beratungsqualität anzubieten. Neue Produkte werden immer erklärt und die Berater entsprechend geschult; anderenfalls hätten wir bei fehlerhaften Beratungen mit erheblichen zivilrechtlichen Konsequenzen zu rechnen. Es lässt sich also festhalten, dass das Aufsichtsrecht an dieser Stelle zwar einiges reguliert, jedoch die zivilrechtliche Haftung und der eigene Qualitätsanspruch der eigentliche Ansporn sind. Zu den neuen Regelungen muss jedoch gesagt werden, dass Berater, die jahrelang ihren Beruf erfolgreich ausüben, keine grundsätzlichen Beratungsschulungen mehr benötigen – ausgenommen natürlich über neue Produkte und neue gesetzliche Anforderungen. Eine jährliche Überprüfung ist für mich schlicht ein überbordender Bürokratismus. Stellen sie sich bitte vor, Rechtsanwälte müssten jährlich nachweisen, dass sie noch in der Lage sind, ihren Beruf auszuüben. Dieser Diskussion würde ich sehr gerne zuhören. Nur wird es diese Diskussion sehr wahrscheinlich nie geben. Stattdessen sollte viel mehr auf die freien Vermittler geachtet werden, die nicht der Aufsicht der BaFin, sondern der Gewerbeaufsicht unterliegen. Dies ist inkonsequent und aus Kundensicht aus meiner Sicht gar nicht zu verantworten. JM: Führt die geplante Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation, vor allem die elektronische Kundenkommunikation, zu Einschränkungen in der Beratung und wenn ja, zu welchen? Dr. Jäger: Das muss nicht so sein. Wir bewerten die Aufzeichnungspflicht von Telefongesprächen durchaus positiv. Denn durch die Aufzeichnung werden die Disziplin der Berater und damit die Qualität der Beratungsleistung weiter erhöht. Wesentlich ist hierbei, dass neben der Telefonaufzeichnung – im Beratungsgeschäft – zusätzlich die Geeignetheitserklärung erstellt werden muss – mit ihren Mindestinhalten. Es müssen also zwei unterschiedliche Aufzeichnungen zum „selben Inhalt“ erstellt werden. Hier setzt die Kontrollmöglichkeit der BaFin aber auch die des Kunden an, da ihm beides ausgehändigt werden kann/muss. Alleine durch die Aufzeichnung entsteht also eine Verschärfung des Risikos sowohl hinsichtlich der zivilrechtlichen Haftung als auch hinsichtlich des Aufsichtsrechts. Wir sehen dies als Chance noch besser zu werden, aber auch an einem fairen Wettbewerb teilnehmen zu können. Denn dieses „Abweichungsrisiko“ wird für alle Marktteilnehmer gelten. Und das ist gut so. Nicht im Kundeninteresse stehende Praktiken werden nicht mehr so leicht möglich sein. Zugleich gibt uns die Telefonaufzeichnung übrigens ein Mittel an die Hand unberechtigte Beschwerden seitens der Kunde schnell aus der Welt zu schaffen, da nun diese Gespräche aufgezeichnet wurden. Der Entwicklung sehen wir daher ent- und gespannt entgegen.

442

Anhang: Experteninterviews

JM: Wäre es dann aus dieser Sichtweise nicht konsequent auch die persönlichen Gespräche mittels Tonband aufzunehmen? Dr. Jäger: Nein, dies wäre auch technisch kaum umsetzbar; das wäre vielmehr eine logistische Überforderung. Sie müssten sämtliche Beratungsräume mit entsprechender Technik ausstatten. Und zugleich würden sie den Kunden, die keine Aufzeichnung am Telefon wünschen, die Möglichkeit nehmen ein persönliches Gespräch ohne Aufzeichnung in der Filiale zu führen. Gespräche im „Hoheitsgebiet“ des Kunden möchte ich mir erst gar nicht vorstellen. Erlauben Sie mir hierzu eine übergeordnete Bemerkung. Ihre Frage wurde meines Wissens ernsthaft diskutiert, was mich sehr irritiert. Bereits die Pflicht zur Telefonaufzeichnung ist meines Ermessens ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der europäischen Anleger. Unseren Kunden wird es zukünftig nicht mehr möglich sein, ein telefonisches Anlagegespräch zu führen ohne aufgezeichnet zu werden. Anscheinend wird aktuell das Leitbild des mündigen Bürgers oder Anlegers durch ein paternalistisches Weltbild ersetzt. Kunden müssen meines Ermessens das Recht haben zu entscheiden, ob sie die als Kundenschutz deklarierten regulatorischen Zwangsvorgaben „in Anspruch nehmen“ oder ob sie sich lieber „selbst schützen“. So behindert MiFID II vor allem erfahrene und/oder handelsaffine Kunden. Diese Kunden wollen eine schnelle unkomplizierte Ausführung ihrer Wünsche. Sie wollen keine permanente Wiederholung vermeintlich gut gemeinter Zwangsprozessschritte. Beispiele sind hier Aktienkunden, die wissen wie ein Target Market aussieht oder wie viel die immer wieder „selbe“ Transaktion kostet. Für diese Kunden sind viele neue Vorgaben sinnfrei bzw. sogar gegen ihr Interesse. Viele dieser Kunden können noch nicht mal den „Ausweg Professional“ nehmen. Auch hier reguliert der Gesetzgeber beispielsweise wie vermögend ein Kunde sein muss, damit er Professional werden darf. Gesetzgeber und Aufsicht sollten meines Ermessens ihre Anstrengungen auf wirklich schutzbedürftige Kunden konzentrieren und für diese Kunden geeignete regulatorische Instrumente entwickeln. Mündige Anleger mögen sie hingegen „in Ruhe lassen“. Die aktuelle Entwicklung lässt aber genau diesen Ansatz leider nicht erkennen. JM: Wie schätzen Sie den Umsetzungsaufwand für die Einführung der Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation in Ihrem Hause ein? Glauben Sie, dass es viele Unternehmen gibt, die sich technisch vollständig umstellen müssen? Dr. Jäger: Die Einführung der technischen Aufzeichnungs- und Speichermöglichkeiten kostet schon erhebliche Summen, ist aber im Vergleich zu den weiteren Anforderungen der MiFID II relativ einfach. Telefonanlagen sind ohnehin „schon da“ und müssen „nur noch“ entsprechend konzipiert werden. Anders als bspw. die von Ihnen angesprochene Aufzeichnung des persönlichen Beratungsgesprächs.

K. Experteninterview mit Jörg Jäger

443

JM: Künftig soll dem Kunden ein Nachweis über die Gründe, die zu der Empfehlung eines bestimmten Produkts geführt haben, ausgehändigt werden. Wie beurteilen Sie diese Vorgabe? Dr. Jäger: Hier muss man unterscheiden zwischen Deutschland und dem restlichen Europa. In Deutschland kennen wir seit Jahren das Beratungsprotokoll. Vielen Ländern ist dies hingegen vollkommen fremd. Im Beratungsprotokoll müssen die Gründe einer Empfehlung bereits heute dargelegt werden. In Deutschland wird daher ein „Umbau“ des Beratungsprotokolls notwendig sein – aber nicht mehr. In den anderen Ländern sieht das ganz anders aus. Dort dürfte man in vielen Fällen von einem Kulturschock sprechen müssen. Ich bin daher gespannt, ob diese Vorgabe dort tatsächlich auch so umgesetzt wird, wie sich das Gesetzgeber und Aufsicht vorstellen. In Deutschland haben wir häufig den Eindruck, dass wir deutlich enger beaufsichtigt werden. Mittlerweile glauben wir sogar eine deutliche Wettbewerbsverzerrung erkennen zu können. Mit der Mammutaufgabe MiFID wird dies meines Ermessens nicht besser. Zumindest ist dies meine Befürchtung. JM: Herr Dr. Jäger, ich danke Ihnen für das Gespräch!

444

Anhang: Experteninterviews

L. Experteninterview mit Fabian Jenner und Dr. Till Schmidt Position Fabian Jenner: Abteilungsleiter Compliance, Stellvertretender Compliance-Beauftragter bei Deutsche Postbank AG Position Dr. Till Schmidt: Leiter Compliance WpHG/MaComp bei Deutsche Postbank AG Persönliches Interview am 16. 01. 2017 in den Räumlichkeiten der Deutschen Postbank AG in Bonn von 14:00 – 15:00 Uhr

I. Honoraranlageberatung allgemein JM: Hat sich Ihrer Ansicht nach die Honoraranlageberatung oder die Provisionsberatung oder gar beide Beratungsformen seit der Einführung der Honoraranlageberatung als gesetzliche Alternative zur Provisionsberatung verändert und wenn ja, inwiefern? Können Sie ein verstärktes Interesse der Kunden an der Honoraranlageberatung feststellen und wenn ja, wie äußert sich dieses? Jenner: Wir sind hierfür vielleicht der falsche Ansprechpartner, da wir nicht direkt beim Kunden vor Ort sind, aber entsprechende Rückmeldungen, dass verstärkt die Honoraranlageberatung nachgefragt worden sei, haben wir nicht bekommen. Daher würde ich sagen, dass wir keine Veränderungen seit der Einführung feststellen konnten. Dr. Schmidt: Das sehe ich auch so. JM: Wie beurteilen Sie die Bereitschaft des Kunden für eine Beratungsleistung zu zahlen? Dies vor allem im Hinblick darauf, dass der Kunde sich nach der Beratung entschließen kann kein Produkt zu erwerben und damit die Dienstleistung ohne „persönlichen Erfolg“ bezahlen muss. Jenner: Hier kann ich nur vermuten. Aber meines Erachtens scheint es keine Bereitschaft der Kunden oder eine größere Kundengruppe mit einer solchen Bereitschaft zu geben. Anderenfalls wäre bestimmt die Entscheidung gefallen eine solche Beratungsform einzuführen. Dies könnte sich meines Erachtens auch nur dann ändern, wenn in allen Branchen, die eine Beratungsleistung anbieten, eine Vergütung mittels Honorar stattfindet – quasi ein genereller Paradigmenwechsel vollzogen wird. JM: Wird sich der hohe finanzielle Aufwand und auch die aufwändigen Umstrukturierungsmaßnahmen, die gesetzlich vorgeschrieben sind, um die Honoraranlageberatung anbieten zu dürfen, langfristig lohnen? Jenner: Wie Sie wissen, bietet die Deutsche Postbank AG eine solche Beratungsform nicht an und wird dies auch in absehbarer Zeit voraussichtlich nicht

L. Experteninterview mit Fabian Jenner und Till Schmidt

445

ändern. Gerade aufgrund der detailreichen Regelungen zur personellen Trennung müssten sich kleinere Institute wohl für ein Beratungsmodell entscheiden und dieses müsste auf Anhieb von den Kunden angenommen werden. Das ist eine hohe Herausforderung. JM: Glauben Sie, dass in absehbarer Zeit ein vollständiges Provisionsverbot, wie es bspw. in Großbritannien bereits existiert, auch in Deutschland eingeführt wird? Wie beurteilen Sie ein solches Verbot? Bitte begründen Sie Ihre Entscheidung. Jenner: Wir haben intern einmal durchgerechnet wie teuer ein Depot ungefähr werden müsste, wenn dieses vollständig ohne Provisionen bzw. Drittvergütungen oder Mischkalkulation auskommen müsste. Meines Erachtens war diese Summe letztlich so hoch, dass sich der einzelne Kunde durchaus überlegt, ob er diesen Betrag dafür ausgeben möchte. Zudem liegt die Initiative ein Beratungsgespräch zu führen vielfach aktiv auf Seiten der Deutsche Postbank AG und nicht beim Kunden. Auch diese Situation würde sich durch die Einführung eines Provisionsverbotes verändern, so dass es noch schwieriger würde, den Kunden für eine Beratung zu motivieren. Betrachtet man beide Faktoren in einer Gesamtschau, so würden meiner Ansicht nach wohl einige Kunden der Beratung fern bleiben. Dr. Schmidt: Eine weitere Überlegung in diesem Zusammenhang ist es, den Kosten-/Wert-Faktor aus Kundensicht zu betrachten. Für jede Beratung unabhängig des Anlagebetrags müssen zu Beginn gewisse Serviceleistungen erbracht und entsprechend honoriert werden. Dies mag bei einer größeren Anlagesumme nicht ins Gewicht fallen. Bei kleineren Anlagebeträgen steht dann jedoch das Beratungshonorar nicht mehr im Verhältnis zum Anlagebetrag, so dass sich gerade für Kleinanleger eine solche Beratung nicht rechnen dürfte. JM: Glauben Sie, dass möglicherweise entstehende Beratungslücken bei einem vollständigen Provisionsverbot durch die Einführung von neuen Beratungsformen, wie bspw. dem Robo-Advice in den USA (einer auf die einzelnen Kundengruppen zugeschnittene automatische Beratung) geschlossen werden können? Jenner: Wir versuchen bereits heute „digital & persönlich“ zu agieren, indem wir unsere Prozesse und Abläufe anpassen und die Daten, die der Kunden in der Filiale präsentiert bekommt, auch zu Hause – wenn er sich bspw. mit seinem Kundenkonto anmeldet – gleich aufgebaut wieder findet. Mithin sollen die Barrieren zwischen den Kanälen abgebaut werden. Allerdings ist der Hintergrund genau umgekehrt: Wir möchten hiermit nicht Kunden abfangen, sondern diejenigen gewinnen, die nicht die Umstände eines Filialbesuchs auf sich nehmen möchten. Allerdings würde sich dies meiner Ansicht nach auch im Falle eines Provisionsverbotes als Maßnahme eignen.

446

Anhang: Experteninterviews

II. Honoraranlageberatung im Detail JM: Ist der Kunde Ihrer Ansicht nach durch die Aufklärung, welche Beratungsform im Folgenden erbracht wird, gem. § 31 Abs. 4b WpHG hinreichend über das Bestehen einer Wahlmöglichkeit zwischen den Beratungsformen und über die bestehenden Unterschiede sowie über den Interessenkonflikt in der Provisionsberatung aufgeklärt? Dr. Schmidt: So wie ich das bislang von unseren Beratern vermittelt bekommen habe, erfolgt häufig keine besondere Reaktion seitens des Anlegers auf die Aufklärung, dass wir keine Honoraranlageberatung sondern eine provisionsgestützte Beratung anbieten. Jenner: Hier kann ich nur meine persönliche Einschätzung zu einem Kundendurchschnitt abgeben. Aber ich glaube nicht, dass der Kunde die Aufklärung bewusst aufnimmt, da er vermutlich gar nicht weiß, dass es auf diese ankommt. Dr. Schmidt: Allerdings weiß der Kunde sehr wohl, dass er sich mit dem Beratungsgespräch bei uns noch nicht bindet und ihm allein für dieses auch keine Kosten entstehen. Ein gewisses Gespür hat er also schon. JM: Kennen die Kunden Ihrer Ansicht nach die Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Beratungsformen schon vor Ihrer Aufklärung und wenn nicht, was glauben Sie woran dies liegt? Jenner: Wiederum ist mir hier nur eine persönliche Kundendurchschnittsbetrachtung möglich. Aber auch hier glaube ich nicht, dass er dies wirklich aktiv weiß. Dr. Schmidt: Ich würde dies vom Kundentypus abhängig machen. Es gibt durchaus einige Kunden, die sich vorab gezielt informieren. Hier glaube ich schon, dass diese die Alternativen kennen und auch von ihrer Wahlmöglichkeit wissen. JM: Für die Durchführung der Honoraranlageberatung und der Provisionsberatung innerhalb eines Unternehmens schreibt das WpHG eine personelle, funktionelle und sachliche Trennung der beiden Bereiche vor. Bis zu welcher Ebene bedarf es einer personellen Trennung? Dr. Schmidt: Meines Erachtens würde es wenig Sinn machen mit großem Aufwand neue Vertriebswege einzuführen und technische Möglichkeiten aufzusetzen und dann die übergeordnete Ebene der Berater wieder in eine Hand zu legen. Denn auch diese orientieren sich am Betriebserfolg und könnten so Einfluss auf die Beraterebene nehmen. Daher müssten meiner Ansicht nach die Berater und die übergeordnete Ebene getrennt werden – auch wenn der Wortlaut der Delegierten Verordnung zunächst nur die Berater ausdrücklich in Bezug nimmt. JM: Ist ein Bezeichnungsschutz, wie ihn § 36d WpHG für die Honoraranlageberatung einführt, indem die Bezeichnung „Honorar-Anlageberater“, „HonorarAnlageberaterin“, „Honorar-Anlageberatung“ oder „Honoraranlageberater“, „Honoraranlageberaterin“, „Honoraranlageberatung“ nur Unternehmen führen dürfen,

L. Experteninterview mit Fabian Jenner und Till Schmidt

447

die bei der BaFin unter Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen im Honoraranlageberatungsregister registriert sind, sinnvoll? Dr. Schmidt: Ich kann hier bislang keine große Auswirkung auf den Kunden feststellen. Es bleibt aber abzuwarten, ob sich dies durch die Umbenennung im Rahmen der MiFID II Umsetzung zur unabhängigen Honoraranlageberatung verändert. Ich könnte mir schon vorstellen, dass der Kunde aufmerksam wird, wenn ihm erklärt wird, dass keine unabhängige Honoraranlageberatung angeboten wird. Jenner: Ich glaube, dass sich durch die Einführung des Begriffes keine Veränderung der Kundenwahrnehmung herbeiführen lässt. Denn bereits heute firmieren viele Berater mit den unterschiedlichsten Titeln, so dass jemand, der im Finanzbereich unerfahren ist, schnell den Überblick verliert. Daher glaube ich auch nicht, dass durch den Begriff an sich ein Vertrauensvorschuss gewonnen werden kann.

III. Fragen zur MiFID II allgemein JM: Glauben Sie, dass durch eine bessere Ausbildung und vermehrte Sachkundenachweise des Beraters, die der BaFin eingereicht werden müssen, die Qualität der Beratung insgesamt gesteigert werden kann? Jenner: Tatsächlich sind die bisherigen Regelungen zu Schulungen und Anzeige bei der BaFin streng reguliert und auch intern ist uns sehr an der Ausbildung unserer Berater gelegen, so dass ich eigentlich keinen direkten Handlungsbedarf sehe. Dr. Schmidt: Die neuen Regelungen, insbesondere die von ESMA in ihrer LevelIII-Maßnahme, sind jedoch noch einmal strenger als der aktuelle Status Quo. JM: Führt die geplante Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation zu Einschränkungen in der Beratung und wenn ja, zu welchen? Dr. Schmidt: Die Regelung zur Telefonberatung ist tatsächlich ein großer Punkt der MiFID II, der uns sehr beschäftigt – nicht zuletzt unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten. Vor allem ab wann und wie viel aufgezeichnet werden muss und was passiert, wenn bereits aufgezeichnet wird und dann das Gespräch noch einmal einen Schwenk nimmt auf persönliche Einzelheiten, die nicht der Aufzeichnungspflicht unterliegen. Jenner: Hinsichtlich der Kundenakzeptanz denke ich aber schon, dass wir unseren Kunden die Neuerung vermitteln können und nicht auf generelle Ablehnung stoßen werden. JM: Wie schätzen Sie den Umsetzungsaufwand für die Einführung der Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation in Ihrem Hause ein? Glauben Sie, dass es viele Unternehmen gibt, die sich technisch vollständig umstellen müssen?

448

Anhang: Experteninterviews

Dr. Schmidt: Hier entstehen in der Tat erhebliche Kosten, da es mit der technischen Einführung alleine nicht getan ist, sondern auch noch entsprechende Speicherkapazität – also Datenvolumen – vorgehalten werden muss. Außerdem braucht es eine eigenständige Organisation, damit die Daten jedem Kunden zugeordnet gespeichert und bei Bedarf abgehört werden können. Dies sind hohe Anforderungen. JM: Künftig soll dem Kunden ein Nachweis über die Gründe, die zu der Empfehlung eines bestimmten Produkts geführt haben, ausgehändigt werden. Wie beurteilen Sie diese Vorgabe? Dr. Schmidt: Bislang mussten die tragenden Gründe der Empfehlung angegeben werden; künftig die Geeignetheit. Inwieweit hierin ein Unterschied besteht bspw. derart, dass nicht mehr nur die tragenden Gründe, sondern alle Gründe zur Geeignetheit angegeben werden müssen, bleibt abzuwarten. Dementsprechend kann ich auch noch nicht beurteilen, ob die neue Regelung einen Nutzen für den Kunden birgt, oder ob es sich nur um detaillierte Informationen oder gar die gleichen Informationen handelt. Jenner: Zumal wir die nachfolgende Konkretisierung durch später erschienene Regelungen bspw. bereits bei der MaComp erlebt haben, so dass zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar ist, wie sich dies verändert. JM: Herr Jenner, Herr Dr. Schmidt, vielen Dank für das Gespräch!

M. Experteninterview mit Diedrich Lange

449

M. Experteninterview mit Dr. Diedrich Lange Position: Referent für Kapitalmarktpolitik in der Gruppe Geschäftspolitik der Abteilung Geschäftspolitik/Kommunikation im Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) in Berlin Telefonisches Interview am 18. 01. 2017 von 14:00 – 14:30 Uhr

I. Honoraranlageberatung allgemein JM: Hat sich Ihrer Ansicht nach die Honoraranlageberatung oder die Provisionsberatung oder gar beide Beratungsformen seit der Einführung der Honoraranlageberatung als gesetzliche Alternative zur Provisionsberatung verändert und wenn ja, inwiefern? Können Sie ein verstärktes Interesse der Kunden an der Honoraranlageberatung feststellen und wenn ja, wie äußert sich dieses? Dr. Lange: Ja, aus Sicht der Praxis hat sich der Beratungsmarkt schon etwas verändert. Sie haben vermutlich auch schon in das Honoraranlageberater-Register der BaFin geschaut und festgestellt, dass sich dort nur sehr wenige registriert haben. Ich glaube gerade einmal zwei Banken. Allerdings lässt sich feststellen, dass die Kreditinstitute nun auch honorarbasierte Preismodelle für bspw. ihre Depots anbieten und auch Zuwendungen auskehren, allerdings ohne den Titel des Honoraranlageberaters zu führen und dementsprechend auch nicht sämtliche Voraussetzungen hierfür erfüllen zu müssen. Es fand also eine Verschärfung des Wettbewerbs außerhalb der Honoraranlageberatung statt, allerdings mit ähnlichen Strukturen. Auch die Kunden haben sich meines Erachtens verändert und beschäftigen sich – zumindest zum Teil – mit dem Thema Anlage und wie sie dieses für sich am besten umsetzen können. In diesem Zusammenhang überlegen sie auch, welcher Kanal für sie am besten geeignet ist; ob sie bspw. zu einem – und dann zu welchem – Bankberater gehen oder direkt investieren. Dies hat jedoch meiner Ansicht nach nichts mit der Einführung des Honoraranlageberatungsgesetzes oder den europäischen Regelungen zu tun. Vielmehr sind das die Nachwirkungen der Finanzmarktkrise und der damit einhergehende Ansehensund Bedeutungsverlust der Anlageberatung. JM: Wie beurteilen Sie die Bereitschaft des Kunden für eine Beratungsleistung zu zahlen? Dies vor allem im Hinblick darauf, dass der Kunde sich nach der Beratung entschließen kann kein Produkt zu erwerben und damit die Dienstleistung ohne „persönlichen Erfolg“ bezahlen muss. Dr. Lange: Ich meine zu diesem Punkt gäbe es bereits empirische Untersuchungen, die festgestellt haben, dass die Bereitschaft des Kunden ein Honorar zu zahlen sehr gering ist. Hier besteht eine wirtschaftliche Lücke zwischen der notwendigen Vergütungshöhe, damit die Beratung seitens der Institute wirtschaftlich

450

Anhang: Experteninterviews

erbracht werden kann, und der Bereitschaft des Kunden einen Betrag X für die Beratung auszugeben. Um dies mittels beispielhafter Zahlen aus der Praxis veranschaulichen zu können: eine Stunde Honoraranlageberatung liegt bei ca. 150 Euro; die Bereitschaft des Anlegers aber nur bei 50 bis 80 Euro pro Stunde. Grundsätzlich ist der Anleger gegenüber Stundenhonoraren eher abgeneigt. Allerdings möchte ich hier noch kurz anmerken, dass die Verbraucherzentralen ebenfalls eine Art Finanzberatung auf Stundenhonorarbasis anbieten. Diese ist jedoch anders aufgebaut und führt nicht zur Empfehlung eines bestimmten, für den Anleger geeigneten Produkts. Dennoch ist der Anleger hier bereit ca. 100 Euro die Stunde zu bezahlen. Jedoch glaube ich auch, dass dies eine besondere und größenordnungsmäßig eher überschaubare Klientel sein dürfte, welche nicht mit dem durchschnittlichen Bankkunden vergleichbar ist. JM: Wird sich der hohe finanzielle Aufwand und auch die aufwändigen Umstrukturierungsmaßnahmen, die gesetzlich vorgeschrieben sind, um die Honoraranlageberatung anbieten zu dürfen, langfristig lohnen? Dr. Lange: Das ist für mich sehr schwierig einzuschätzen und eigentlich noch nicht absehbar, da es insbesondere auch von der Entwicklung der Kundennachfrage abhängt. Denn es wird sicherlich einige Kunden geben, die in der Zukunft bereit sind – zumindest in Teilbereichen – neue Wege in der Beratung zu gehen. Andere wiederum, und das ist meines Erachtens der Großteil, wird jedoch immer noch auf die herkömmliche Provisionsberatung als Mittel der Wahl zurückgreifen. JM: Glauben Sie, dass in absehbarer Zeit ein vollständiges Provisionsverbot, wie es bspw. in Großbritannien bereits existiert, auch in Deutschland eingeführt wird? Wie beurteilen Sie ein solches Verbot? Bitte begründen Sie Ihre Entscheidung. Dr. Lange: Ich könnte mir vorstellen, dass bei Einführung eines solchen Verbots auch eine vergleichbare Beratungslücke – unabhängig von den verschiedenen Marktstrukturen in Deutschland und Großbritannien – entsteht. Gleichzeitig würde bei einem strikten Verbot aber der Trend gezwungenermaßen zur Honoraranlageberatung gehen. Dies wäre für uns zwar sehr schwierig, aber wir würden den Kunden nicht alleine lassen. Allerdings, gäbe es dann immer noch die Kunden, die sich eine solche Beratung nicht mehr leisten können oder wollen. Das wäre eine schwierige Situation für alle Beteiligten und sicherlich nicht im Interesse eines praktikablen Anlegerschutzes. JM: Glauben Sie, dass möglicherweise entstehende Beratungslücken bei einem vollständigen Provisionsverbot durch die Einführung von neuen Beratungsformen, wie bspw. dem Robo-Advice in den USA (einer auf die einzelnen Kundengruppen zugeschnittene automatische Beratung) geschlossen werden können? Dr. Lange: Ein Teil der Kundschaft wird mittels solcher Angebote aufgefangen werden können. Gerade der Robo-Advice ist zurzeit stark in der Entwicklung. Allerdings ist er zumindest bislang auf ganz spezielle Kundengruppen zugeschnitten; bspw. auf junge Leute oder Internet begeisterte Kunden. Oder aber auch auf solche

M. Experteninterview mit Diedrich Lange

451

Kunden, die bereits eigene Expertise haben und regelmäßig die Beratung nutzen, aber noch eine zusätzlich Strategie gewinnen möchten. Für den breiten Kundendurchschnitt ist der Robo-Advice hingegen nicht geeignet. Denn der Kunde muss seinem Gegenüber vertrauen. Dies war bislang in der Regel eine greifbare Person, also der persönliche Bankberater. Junge Leute bringen ein solches Vertrauen gegenüber neuen Medien oft aus den Erfahrungen mit den sozialen Medien mit. Aber das Gros der Anleger wird sein Vertrauen nicht einer anonymen Quelle schenken. Zumal der Robo-Advice so wie er derzeit praktiziert wird zwar aktuell in einem steigendem Wettbewerb steht, aber eigentlich eher eine Form der Vermögensverwaltung darstellt. Als Fazit, denke ich jedoch nicht, dass alle Anleger, die sich aufgrund des Provisionsverbots keine Beratung mehr leisten können oder wollen, mittels solcher neuer Beratungsmodelle aufgefangen werden können.

II. Honoraranlageberatung im Detail JM: Ist der Kunde Ihrer Ansicht nach durch die Aufklärung, welche Beratungsform im Folgenden erbracht wird, gem. § 31 Abs. 4b WpHG hinreichend über das Bestehen einer Wahlmöglichkeit zwischen den Beratungsformen und über die bestehenden Unterschiede sowie über den Interessenkonflikt in der Provisionsberatung aufgeklärt? Dr. Lange: Meines Erachtens ist der Kunde informiert und bekommt die Aufklärung auch aktiv mit, zumal in der Identifizierung, Vermeidung und Offenlegung möglicher Interessenkonflikte im Zuge der jüngeren und anstehenden Regulierung ein großer Schwerpunkt liegt. Das Problem hierbei ist jedoch ein anderes. Denn die erfolgende Aufklärung ist vielmehr eine reine Formalität, da es tatsächlich kaum Angebote für die Honoraranlageberatung gibt. Er kann eigentlich gar nicht richtig auswählen – zumindest nicht in einem vergleichbaren Maße wie er sich bei der Provisionsberatung Anbieter aussuchen kann. JM: Kennen die Kunden Ihre Ansicht nach die Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Beratungsformen schon vor Ihrer Aufklärung und wenn nicht, was glauben Sie woran dies liegt? Dr. Lange: Hierüber ist mir keine statistische Untersuchung bekannt, aber meines Erachtens ist der Kunde über das Bestehen der Honoraranlageberatung als alternative Beratungsform informiert und kennt somit auch die Wahlmöglichkeit. JM: Wie beurteilen Sie das weitergehende Provisionsverbot auf nationaler Ebene für die Honoraranlageberatung, als das durch die MiFID II vorgesehene? (Auf europäischer Ebene dürfen weiterhin nicht monetäre Vorteile – bspw. Produktschulungen und Materialien durch den Emittenten – angenommen werden, nach dem WpHG nicht.)

452

Anhang: Experteninterviews

Dr. Lange: Hier möchte ich unter anderem auf die Stellungnahmen der Deutschen Kreditwirtschaft (DK) zum Honoraranlageberatungsgesetz und zum aktuellen Gesetzgebungsverfahren zum 2. FiMaNoG-RegE verweisen, die dieses kritisieren. Denn eine solche unterschiedliche Behandlung ist nicht sinnvoll. So werden doch erhebliche Informationsangebote in der Honoraranlageberatung abgeschnitten (Bsp. Researchmaterial). JM: Spricht man dem Berater nicht zugleich auch die Kompetenz ab, sich qualifiziert verhalten zu können, indem er sich gerade nicht von einem 5-Euro-Taschenkalender als Weihnachtsaufmerksamkeit derart beeinflussen zu lassen, als dass er dann dieses Produkt bevorzugt empfiehlt. Dr. Lange: Das sehe ich genauso. Meines Erachtens hat ein solcher Kalender wie Sie dies in ihrem Beispiel darstellen keinen Einfluss auf die Empfehlung und sollte daher auch zulässig sein. JM: Für die Durchführung der Honoraranlageberatung und der Provisionsberatung innerhalb eines Unternehmens schreibt das WpHG eine personelle, funktionelle und sachliche Trennung der beiden Bereiche vor. Bis zu welcher Ebene bedarf es einer personellen Trennung? Dr. Lange: Hierzu gibt es keine Empfehlung des Verbandes. Sowohl in der europäischen Regelung als auch im nationalen Recht ist es, soweit ich weiß, auch noch nicht ganz eindeutig wie hier die Anforderungen aussehen sollen. Hier müsste das Kreditinstitut an die BaFin heran treten und dies nachfragen bevor es mit der Einrichtung der Honoraranlageberatung beginnt. Meiner persönlichen Ansicht nach wäre die untere Ebene jedoch ausreichend. Zumindest wäre eine personelle Trennung bis zur Vorstandsebene absolut unverhältnismäßig. Dies würde gerade bei kleinen Instituten dazu führen, dass es zweier Vorstandsmitglieder für die Wertpapiergeschäfte bedürfte. Das ist alleine aus personeller Sicht bereits das Aus für die Einführung der Honoraranlageberatung für kleinere Institute. JM: Ist ein Bezeichnungsschutz, wie ihn § 36d WpHG für die Honoraranlageberatung einführt, indem die Bezeichnung „Honorar-Anlageberater“, „HonorarAnlageberaterin“, „Honorar-Anlageberatung“ oder „Honoraranlageberater“, „Honoraranlageberaterin“, „Honoraranlageberatung“ nur Unternehmen führen dürfen, die bei der BaFin unter Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen im Honoraranlageberatungsregister registriert sind, sinnvoll? Dr. Lange: Ein Bezeichnungsschutz ist in diesem Zusammenhang schon notwendig, da mit der Honoraranlageberatung auch gewisse Anforderungen verbunden sind und diese so für den Kunden sichtbar nachgewiesen werden können. Ich glaube auch, dass der Kunde trotz der Vielzahl an Begrifflichkeiten unterscheiden kann bei welchen Bezeichnungen es sich um eine geschützte handelt. Die Frage ist hier vielmehr: „Wie wirkt die Bezeichnung auf den Kunden?“ Insbesondere unter Berücksichtigung der Erweiterung im Regierungsentwurf zum 2. FimanoG, nach der

M. Experteninterview mit Diedrich Lange

453

die Bezeichnung nun „unabhängige Honoraranlageberatung“ lautet. Meines Erachtens führt die neue Bezeichnung zu keiner Verbesserung der Wahrnehmung der Beratungsform. Vielmehr müssten, um diese zu verbreiten und damit dem Kunden präsenter und zugänglicher zu machen, die Bedingungen für das Angebot der Honoraranlageberatung angepasst werden. So müssten bspw. nur für kleinere WpDU in Form einer deminimis-Lösung Ausnahmen zur personellen Trennung eingeführt werden, damit die Beratungsform überhaupt wirtschaftlich für diese Institute wird und dann auch dem Kunden angeboten werden kann. JM: Wie kann sichergestellt werden, dass eine „hinreichende Anzahl am Markt angebotener Finanzprodukte, die für den Anleger geeignet sind“ für die Empfehlung für den jeweiligen Kunden analysiert und ausgewertet wurden? Dr. Lange: Dies ist ganz normales Handwerkszeug eines jeden Anlageberaters. Neu ist nur die entsprechend detailreiche gesetzliche Ausformulierung. Aber praktisch führt jeder Provisionsberater eine solche Analyse durch. Denn jeder Berater unabhängig von der Beratungsform braucht einen umfassenden Marktüberblick. Diesen bricht er dann speziell für jeden Kunden auf das geeignete Finanzinstrument herunter. JM: Gibt es Ihrer Ansicht nach so etwas wie ein gleichgeeignetes Finanzprodukt? Dr. Lange: Es stimmt, dass alle Produkte unterschiedlich sind. Aber sie können dennoch nach verschiedenen Kriterien verglichen werden. Vollkommen gleich gestaltete Produkte gibt es eigentlich nur äußerst selten. Aber gleich geeignete Produkte hingegen schon. Diese sind dann jedoch unterschiedlich ausgestaltet. Insgesamt kann man hier noch festhalten, dass es für den Kunden in der Regel kaum nur ein geeignetes Produkt gibt. Mithin sollte es möglich sein, ein gleich geeignetes Produkt zu finden. JM: Ist die Möglichkeit gegeben, dass ein Produkt nicht ohne Provisionen zu erwerben ist, da die Provisionszahlung doch ausschließlich auf einer Vereinbarung mit dem Emittenten beruht? Dr. Lange: Provisionsvereinbarungen bestehen grundsätzlich nicht immer, sondern z. B. innerhalb von Konzern- oder Verbundstrukturen. Aber es gibt natürlich darüber hinaus noch ein viel größeres Finanzuniversum, welches auch in die Beratung mit einbezogen wird, wenn der Kunde ein solches wünscht. Mit solchen Emittenten außerhalb des Verbunds bestehen keine Vereinbarungen. Aber auch diese Emittenten haben Vorgaben hinsichtlich Verwaltungsgebühren etc. Hierauf können die Institute keinen Einfluss nehmen, da das Produkt nur im Wege von Absatzketten bspw. über Broker und Plattformen erworben werden kann. Folglich ist es also ein Irrglaube, dass die Institute einfach andere Vereinbarungen mit den Emittenten treffen könnten, die keine Provisionen enthalten. JM: Wird auf diese Art und Weise ggf. ein zusätzlicher Anreiz für den Anleger geschaffen, ein Produkt zu erwerben, welches nur mittels Provision zu erlangen ist, um durch die Auskehrung der Provision an ihn die Beratungskosten insgesamt zu

454

Anhang: Experteninterviews

senken? Letztlich läge in diesem Fall dann keine von einer Provision unabhängige getroffene Anlageentscheidung vor. Dr. Lange: Es kann schon sein, dass sich die Auskehr der Provisionen quasi als „Fischköder“ auswirkt. Eine größere Rolle spielt aber meines Erachtens im Wettbewerb die Reduzierung der Ausgabeaufschläge anstelle der Auskehrung von Zuwendungen. JM: Herr Dr. Lange, ich danke Ihnen für das Gespräch!

N. Experteninterview mit Nikolai Lenarz

455

N. Experteninterview mit Nikolai Lenarz, LL.M. Position: Rechtsanwalt, Abteilung Finanzmärkte, Bundesverband deutscher Banken e.V. Zuständig für den Bereich Anlegerschutz Telefonisches Interview am 17. 10. 2016 von 16:16 – 17:00 Uhr

I. Honoraranlageberatung allgemein JM: Hat sich Ihrer Ansicht nach die Honoraranlageberatung oder die Provisionsberatung oder gar beide Beratungsformen seit der Einführung der Honoraranlageberatung als gesetzliche Alternative zur Provisionsberatung verändert und wenn ja, inwiefern? Können Sie ein verstärktes Interesse der Kunden an der Honoraranlageberatung feststellen und wenn ja, wie äußert sich dieses? Lenarz: Für den Verband habe ich die Einführung des Honoraranlageberatungsgesetzes begleitet. Dieses führte allerdings nur den rechtlichen Rahmen für eine Beratungsleistung ein, die zuvor bereits am Markt angeboten wurde. Vor der Gesetzeseinführung gab es nur einen kleinen Markt für die Honoraranlageberatung. Aber auch nach der Einführung haben sich bislang nur wenige Anbieter im Honoraranlageberatungsregister eintragen lassen. Daher scheint diese Form der Beratungsleistung auch weiterhin nur eine Nische zu füllen. Dafür spricht auch, dass die größeren Banken nicht auch in diesem Segment aktiv geworden sind. Denn sähen diese hierin einen Absatzmarkt, würden sie die Chance nicht ungenutzt verstreichen lassen. JM: Wie beurteilen Sie die Bereitschaft des Kunden für eine Beratungsleistung zu zahlen? Dies vor allem im Hinblick darauf, dass der Kunde sich nach der Beratung entschließen kann kein Produkt zu erwerben und damit die Dienstleistung ohne „persönlichen Erfolg“ bezahlen muss. Lenarz: Ich denke schon, dass die Kunden teilweise bereit sind die Beratungsleistung mittels Honorar zu vergüten. Dies betrifft aber wohl eher Kunden, die einen höheren Anlagebetrag investieren wollen. Für kleinere Beträge wird sich die Honoraranlageberatung vielfach nicht lohnen. Denn durchschnittlich liegt das Beratungshonorar für eine Stunde bei ca. 150 E und Sie brauchen für ein Beratungsgespräch grob geschätzt ca. 4 Stunden. Legen sie nun nur einen Betrag von wenigen tausend Euro an, stünde das Beratungshonorar in keiner Relation zur Anlage. Zudem ist es für die Vielzahl der Kunden neu, dass sie ein Honorar bezahlen sollen. Viele Kunden sind daran gewöhnt, dass sie die Beratungsleistung der Bank nicht gesondert bezahlen müssen.

456

Anhang: Experteninterviews

JM: Wird sich der hohe finanzielle Aufwand und auch die aufwändigen Umstrukturierungsmaßnahmen, die gesetzlich vorgeschrieben sind, um die Honoraranlageberatung anbieten zu dürfen, langfristig lohnen? Lenarz: Der Einführungsaufwand für die Unternehmen, gerade durch die personelle und organisatorische Trennung, ist sehr hoch. Dass kein großes Institut dieses Vorhaben bislang umgesetzt hat, spricht meines Erachtens dafür, dass sich der Umsetzungsaufwand derzeit nicht lohnt. JM: Glauben Sie, dass in absehbarer Zeit ein vollständiges Provisionsverbot, wie es bspw. in Großbritannien bereits existiert, auch in Deutschland eingeführt wird? Wie beurteilen Sie ein solches Verbot? Bitte begründen Sie Ihre Entscheidung. Lenarz: Nein, das glaube ich nicht. Zwar gibt es durchaus Bestrebungen von Verbraucherschutzverbänden ein solches Provisionsverbot einzuführen, so dass dies auch in den nächsten Jahren eine wiederkehrende Debatte sein wird. Aber meiner Einschätzung nach wird es bei dem momentanen Modell, dass der Anleger die Wahl zwischen den beiden Geschäftsmodellen der Honoraranlageberatung und der Provisionsberatung hat, bleiben. Denn wir in Deutschland haben anders als in Großbritannien ein sehr breites Anlageberatungsangebot. Es ist möglich, dass jeder Anleger eine Beratungsleistung in Anspruch nehmen kann. In Großbritannien ist hingegen der Markt sehr klein. So können sie bspw. auf dem Land nicht ohne weiteres einen Berater aufsuchen, sondern müssten dafür erst in die nächste Stadt fahren. Das ist bei uns anders. Und ich glaube, dass der Gesetzgeber genau diese Möglichkeit des leichten Zugangs für jeden einzelnen Anleger beibehalten möchte. Vor allem hätte ein solches Provisionsverbot auch strukturelle Auswirkungen auf den Markt. Zum einen würden die Kunden die hohen Kosten für die Beratungsleistungen nicht auf sich nehmen können bzw. wollen. Aber auch die Banken würden sich, aufgrund der hohen Kosten, neuen Vertriebswegen zuwenden. JM: Glauben Sie, dass möglicherweise entstehende Beratungslücken bei einem vollständigen Provisionsverbot durch die Einführung von neuen Beratungsformen, wie bspw. dem Robo-Advice in den USA (einer auf die einzelnen Kundengruppen zugeschnittene automatische Beratung) geschlossen werden können? Lenarz: Der Robo-Advice ist zumindest eine Möglichkeit. Denn ist er einmal eingerichtet, so fallen zumindest für den Unterhalt nur geringe Kosten an. Zugleich könnte auf diese Weise dem Kunden, der keine Honorargebühren zahlen kann oder möchte, aber dennoch nicht ohne Beratung investieren möchte, eine Entscheidungshilfe angeboten werden. Die Frage ist jedoch, wie schnell kann sich ein solches System durchsetzen? Davon abgesehen bestehen zurzeit auch noch rechtliche Probleme. So muss beispielsweise in der „analogen Beratung“ das Beratungsprotokoll geführt werden, welches Freitextfelder vorsieht. In diesen muss der Anlageberater einen eigenständig formulierten Text, die jeweilige Anlagesituation betreffend, eingeben. Dies lässt sich nicht digitalisieren. Wobei sich hier im 2. FiMaNoG einiges ändern könnte, so dass ein Schritt in Richtung Digitalisierung der Beratungsleistung nicht unwahrscheinlich wäre. Allerdings muss ich hinzufügen, dass der Robo-Ad-

N. Experteninterview mit Nikolai Lenarz

457

vice, so wie er momentan angeboten wird, regelmäßig keine Anlageberatung im eigentlichen Sinne darstellt, sondern sich überwiegend auf das beratungsfreie Geschäft bezieht bzw. als Anlagevermittlung einzustufen ist.

II. Honoraranlageberatung im Detail JM: Ist der Kunde Ihrer Ansicht nach durch die Aufklärung, welche Beratungsform im Folgenden erbracht wird, gem. § 31 Abs. 4b WpHG hinreichend über das Bestehen einer Wahlmöglichkeit zwischen den Beratungsformen und über die bestehenden Unterschiede sowie über den Interessenkonflikt in der Provisionsberatung aufgeklärt? Lenarz: Dies kann ich gar nicht so genau beurteilen, da ich den Aufklärungstext der einzelnen Institute nicht kenne. Denn jedes Institut entwickelt den Wortlaut dafür eigenständig. Ich weiß also nicht, wie genau aufgeklärt wird. Ich vermute jedoch, dass die Information eher knapp gehalten wird, indem erklärt wird, dass keine Honoraranlageberatung erbracht wird, bzw., dass sie in Form der Provisionsberatung erfolgt. Ich vermute, dass keine inhaltliche Darstellung beider Beratungsleistungen erfolgt. Dies hängt mit der Erfahrung zusammen, dass der Kunde in der Regel längere Texte nicht liest bzw. aufnimmt. Daher beschränkt man sich zumeist auf die Grundbotschaft. Der Kunde muss sich dann ein Stück weit selbständig informieren. Aber durch die Aufklärung zu Beginn der Beratung wird ihm mitgeteilt, dass es noch eine weitere Beratungsform gibt. Hier kann er dann eigenständig aktiv werden und entsprechende Anbieter konsultieren. JM: Kennen die Kunden Ihrer Ansicht nach die Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Beratungsformen schon vor Ihrer Aufklärung und wenn nicht, was glauben Sie woran dies liegt? Lenarz: Ich glaube, dass die meisten Kunden alleine aufgrund der Einführung des Honoraranlageberatungsgesetzes die verschiedenen Beratungsmöglichkeiten kennen. Eine allgemeine Kenntnis besteht meines Erachtens jedoch spätestens durch die zuvor besprochene Aufklärung zu Beginn der Beratung. Wobei hier dem Kunden nach der Aufklärung die Selbstinformation obliegt. Denn auf der anderen Seite muss man sich fragen, wie weit man den Instituten vorschreiben kann, über Konkurrenzmodelle aufzuklären? JM: Wie beurteilen Sie das weitergehende Provisionsverbot auf nationaler Ebene für die Honoraranlageberatung, als das durch die MiFID II vorgesehene? (Auf europäischer Ebene dürfen weiterhin nicht monetäre Vorteile – bspw. Produktschulungen und Materialien durch den Emittenten – angenommen werden, nach dem WpHG nicht) Lenarz: Ich sehe es durchaus kritisch, dass der Gesetzgeber hier das gold plating verfolgt. Dies ist vor allem wettbewerbsverzerrend, wenn Deutschland strengere Regelungen einführt als in den anderen Mitgliedstaaten.

458

Anhang: Experteninterviews

JM: Für die Durchführung der Honoraranlageberatung und der Provisionsberatung innerhalb eines Unternehmens schreibt das WpHG eine personelle, funktionelle und sachliche Trennung der beiden Bereiche vor. Bis zu welcher Ebene bedarf es einer personellen Trennung? Lenarz: Hier kann ich für den Verband keine Aussage treffen, da für unsere Mitglieder dieses Thema zunächst keine vordringliche Relevanz hatte, so dass wir es als offenen Punkt zunächst zur Seite gelegt haben. JM: Ist ein Bezeichnungsschutz, wie ihn § 36d WpHG für die Honoraranlageberatung einführt, indem die Bezeichnung „Honorar-Anlageberater“, „HonorarAnlageberaterin“, „Honorar-Anlageberatung“ oder „Honoraranlageberater“, „Honoraranlageberaterin“, „Honoraranlageberatung“ nur Unternehmen führen dürfen, die bei der BaFin unter Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen im Honoraranlageberatungsregister registriert sind, sinnvoll? Lenarz: Einen solchen Bezeichnungsschutz erachte ich bei der Etablierung einer Alternative als sinnvoll. Es bietet denjenigen, die in der Honoraranlageberatung tätig sind rechtlichen Schutz. An dem Wort an sich, sowohl hinsichtlich Länge als auch hinsichtlich der Praktikabilität, würde ich mich nicht stören. Es soll letztlich als eine Art Gütesiegel wirken. Den europäischen Begriff finde ich stigmatisierend. Zudem wurde die Richtlinie auch nicht derart ausgestaltet, dass alle Häuser, die keine unabhängige Beratung anbieten, sich als abhängig bezeichnen müssen. Vielmehr darf sich nur derjenige, der die Anforderungen der unabhängigen Beratung erfüllt auch so bezeichnen. Der Begriff der Honoraranlageberatung war zudem in Deutschland schon lange zuvor bekannt und wurde beibehalten. Ich finde diesen sogar treffender gewählt als den europäischen. Zwar muss der Honoraranlageberater zusätzliche Kriterien bei der Auswahl und Beratung erfüllen, jedoch ist das bedeutendste Merkmal das des Honorars. Außerdem ist die Honoraranlageberatung auch nicht pauschal qualitativ besser als die provisionsbasierte Beratung.

III. Fragen zur MiFID II allgemein JM: Glauben Sie, dass durch eine bessere Ausbildung und vermehrte Sachkundenachweise des Beraters, die der BaFin eingereicht werden müssen, die Qualität der Beratung insgesamt gesteigert werden kann? Lenarz: Hier zeigt sich deutlich der Versuch auf europäischer Ebene die deutsche Regelung nachzubilden. Deutschland hatte schon lange bevor auf europäischer Ebene ein Bewusstsein für die Problematik der Sachkunde entstand, Regelungen eingeführt, die streng durch die BaFin kontrolliert werden. Daher wurde sich nun auf europäischer Ebene an diesen orientiert. Daher ist meines Erachtens – allerdings habe ich mich länger nicht mehr mit diesem Themenkomplex auseinander gesetzt – hier kein Anpassungsbedarf in den nationalen Regelungen. Der nationale Standard wird auch nicht nach unten korrigiert, um den europäischen Vorschriften zu ent-

N. Experteninterview mit Nikolai Lenarz

459

sprechen. Ganz genau wissen wir dies allerdings erst, wenn die BaFin die ESMALeitlinien umgesetzt hat. Dies hatte sie aufgrund der Verschiebung der MiFID II auf 2017 zunächst ausgesetzt. Bislang ist mir hierfür noch kein neuer Termin bekannt. JM: Führt die geplante Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation zu Einschränkungen in der Beratung und wenn ja, zu welchen? Wie schätzen Sie den Umsetzungsaufwand für die Einführung der Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation in Ihrem Hause ein? Glauben Sie, dass es viele Unternehmen gibt, die sich technisch vollständig umstellen müssen? Lenarz: Hier muss eine Zweiteilung vorgenommen werden zwischen der elektronischen Kundenkommunikation und den Telefongesprächen. Die Aufzeichnung von Telefongesprächen wird definitiv zu Änderungen führen. Denn die Banken werden ihre Prozesse umstrukturieren müssen. Bislang zeichnen nicht alle Häuser auf und brauchten dazu auch die Zustimmung des Kunden. Ggf. werden sie künftig Systeme einrichten, die es nicht mehr jedem Berater erlauben solche Gespräche anzubieten, oder diese werden nicht mehr für alle Kunden angeboten. Was ich mir auch vorstellen kann, ist eine Umsetzung derart, dass nur noch über bestimmte Telefonnummern eine solche Dienstleistung angeboten wird. Diese müsste der Kunde dann unabhängig von seinem persönlichen Berater anwählen. Zudem glaube ich, dass viele Kunden eine solche Aufzeichnung nicht möchten. Denn gerade in der Anlageberatung – und hier ist nach wie vor nicht ganz klar wie weit die Aufzeichnungspflichten nun gehen sollen – werden auch private Details angegeben, bei denen der Kunde nicht möchte, dass diese von jemand anderem als seinem persönlichen Berater abgehört werden. Und erst Recht nicht durch die BaFin. JM: Was ist Ihrer Ansicht nach ein besonders praxisrelevantes Thema der MiFID II? Lenarz: Meiner Meinung nach ist die Kostentransparenz ein heißes Thema. Denn diese kann schnell ein Wettbewerbsthema werden; je nachdem wie ein Unternehmen seine Finanzinstrumente bepreist, können diese teurer oder günstiger aussehen. Dies könnte die Unternehmen dazu verleiten ihre Preise immer niedriger zu gestalten, so dass als Folge ein ruinöser Preiswettbewerb stattfindet (sog. „race to the bottom“). Dieser war jedoch keines Falls vom Gesetzgeber gewollt. Dass sich ein gewisser Preisdruck aufbaut und die Produkte auf Dauer günstiger werden, ist jedoch über lange Sicht abzusehen und positiv für den Kunden. Die Häuser werden ggf. ihre Geschäftsmodelle anpassen müssen. Aber ich glaube, dass die neue Regelung auch Auswirkungen auf den Kunden hat. Denn dieser bekommt nun erstmalig alles ganz genau auf den E und Cent offen gelegt. Hier wird es durchaus den einen oder anderen Kunden geben, der überrascht ist, wenn er sieht wie hoch die Kosten eines Produktes über 5 Jahre sind. Dieser könnte dann nach günstigeren Varianten fragen. Hierauf werden wiederum die Häuser reagieren. JM: Herr Lenarz, ich danke Ihnen für das Gespräch!

460

Anhang: Experteninterviews

O. Experteninterview mit Armin Majic Position: Leiter des Privatkundenzentrums Berliner Allee 33 bei der Stadtsparkasse Düsseldorf Schriftliche Stellungnahme vom 21. 12. 2016

I. Honoraranlageberatung allgemein JM: Hat sich Ihrer Ansicht nach die Honoraranlageberatung oder die Provisionsberatung oder gar beide Beratungsformen seit der Einführung der Honoraranlageberatung als gesetzliche Alternative zur Provisionsberatung verändert und wenn ja, inwiefern? Können Sie ein verstärktes Interesse der Kunden an der Honoraranlageberatung feststellen und wenn ja, wie äußert sich dieses? Majic: Das Thema Honoraranlageberatung betrifft lediglich indirekt das Haus der SSK Düsseldorf. Im Bereich des Privatkundengeschäftes hat die Einführung des angesprochenen Gesetzes keine wesentliche Änderung in der Kundenwahrnehmung ergeben. Änderungen der Bedingungen zum Wertpapiergeschäft (Punkt 1.4) des Hauses und entsprechende Kundeninformationen haben nur vereinzelt zu Reaktionen geführt. Eine verstärkte Nachfrage nach Honorarberatung ist nicht wahrgenommen worden. JM: Wie beurteilen Sie die Bereitschaft des Kunden für eine Beratungsleistung zu zahlen? Dies vor allem im Hinblick darauf, dass der Kunde sich nach der Beratung entschließen kann kein Produkt zu erwerben und damit die Dienstleistung ohne „persönlichen Erfolg“ bezahlen muss. Majic: Kunden sind heutzutage verstärkt in der Lage Informationen zu erhalten. Ob online oder durch diverse alternative Medien ist die Informationslage durchaus verbessert. Beratung wird zum Teil als Medium genutzt um Zusatzinformationen zu erhalten. Die aktive Nachfrage von Kunden nach Beratung ist bei Kunden in der Altersklasse unter 50 rückläufig. Kunden, die Beratung durch unser Haus wahrnehmen, sind teilweise durchaus kostensensibel. Die Dienstleistung der Beratung bei einem Produktabschluss durch eine Vertriebsvergütung zu bezahlen ist für den allergrößten Teil der Kundschaft in Ordnung. Hinweise darauf, dass der/die Berater/Innen keine persönliche Provision erhalten sind dabei als förderlich zu bezeichnen. Dass eine Bank/Sparkasse durch Geschäftsabschlüsse etwas verdient, wird von Kunden als gewöhnlich und in Ordnung wahrgenommen.

O. Experteninterview mit Armin Majic

461

Es gibt im Segment der Privatkunden mit einem Vermögen bis zu 500.000,00 Euro, welche in meinem Marktbereich betreut werden, keine Bereitschaft für Beratung zu zahlen. Einen festen Betrag zu zahlen, um dann eine Beratung in Anspruch zu nehmen deren Inhalt und Ergebnis vollkommen offen ist, wird nicht nachgefragt. JM: Wird sich der hohe finanzielle Aufwand und auch die aufwändigen Umstrukturierungsmaßnahmen, die gesetzlich vorgeschrieben sind, um die Honoraranlageberatung anbieten zu dürfen, langfristig lohnen? Majic: Die Frage ist durch mich nicht umfassend zu beantworten. Durch die fehlende Nachfrage und keinerlei Ablehnung der Provisionsberatung ist eher davon aus zu gehen, dass ein aktives Angebot der Honorarberatung ein eher selten vertretenes Segment ist bzw. bleibt. JM: Glauben Sie, dass in absehbarer Zeit ein vollständiges Provisionsverbot, wie es bspw. in Großbritannien bereits existiert, auch in Deutschland eingeführt wird? Wie beurteilen Sie ein solches Verbot? Bitte begründen Sie Ihre Entscheidung. Majic: Nein, aus aktueller Sicht wäre ein solcher Schritt nicht nachvollziehbar und untauglich. Deutsche Anleger sind grundsätzlich vorsichtig bei dem Thema Geldanlage. Der Schritt zu Wertpapieranlagen, welche in eine Vermögenstruktur gehören, ist für viele Kunden bereits ein (gefühltes) Wagnis. Hier ist Beratung und Aufklärung das einzige Mittel. Kunden, die keine Anlagealternativen zu Einlagen nutzen, werden durch einen Zwang zur Honorarberatung abgeschreckt. Dem Gesetzgeber sollten die Konsequenzen bewusst sein. Im heutigen Zinsniveau erscheint eine Vermögenstrukturierung über verschiedene Anlageklassen (inklusive Wertpapiere) unabdingbar. JM: Glauben Sie, dass möglicherweise entstehende Beratungslücken bei einem vollständigen Provisionsverbot durch die Einführung von neuen Beratungsformen, wie bspw. dem Robo-Advice in den USA (einer auf die einzelnen Kundengruppen zugeschnittene automatische Beratung) geschlossen werden können? Majic: Entstehende Beratungslücken wie in der vorherigen Antwort bereits geschildert werden geschlossen werden müssen. Die Schwierigkeit wird sich in der Bereitschaft des Kunden aktiv Beratung zu fordern ergeben. Wie gut Beratungen durch automatisierte Systeme sein kann ist nicht abschließend zu beantworten. Die Segmentierung in Gruppen muss sehr differenziert erfolgen, hier kann bereits viel in eine falsche Richtung laufen. Wenn man meint einen Kunden in eine bestimmt Gruppe sortieren zu können stellt man häufig, fast nur durch persönliche Gespräche, fest, dass der Kunde doch andere Erwartungen hat als zunächst durch eine Eingruppierung angenommen.

462

Anhang: Experteninterviews

II. Honoraranlageberatung im Detail JM: Ist der Kunde Ihrer Ansicht nach durch die Aufklärung, welche Beratungsform im Folgenden erbracht wird, gem. § 31 Abs. 4b WpHG hinreichend über das Bestehen einer Wahlmöglichkeit zwischen den Beratungsformen und über die bestehenden Unterschiede sowie über den Interessenkonflikt in der Provisionsberatung aufgeklärt? Majic: Kunden werden über Wahlmöglichkeiten aufgeklärt. Jeder hat die Möglichkeit diese Informationen zu erhalten. Dass ein Interessenskonflikt in der Provisionsberatung besteht ist für mich durchaus zu diskutieren. Ein Kreditinstitut(KI) ist an wirtschaftlichem Erfolg interessiert, dies aber dauerhaft und nicht kurzfristig. Gut beratene Kunden die mit ihrem Institut zufrieden sind, werden langfristig Erträge für ein KI erzielen. Wertsteigerungen und Zuwächse in Kundendepots führen zu Erträgen für KI’s. Wenn Kunden einen Mehrwert durch entsprechende Entwicklungen erzielen und die KI’s im Gleichklang wirtschaftlichen Erfolg erzielen ist hier von keinem Konflikt zu sprechen. JM: Kennen die Kunden Ihre Ansicht nach die Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Beratungsformen schon vor Ihrer Aufklärung und wenn nicht, was glauben Sie woran dies liegt? Majic: Es ist nicht deutlich abzuschätzen wie hoch der Anteil an informierten Kunden und weniger informierten Kunden ist. Eine Aufklärung erfolgt durchaus unabhängig von Beratungen (seinerzeitiger Hinweis auf AGB-Änderungen). JM: Wie beurteilen Sie das weitergehende Provisionsverbot auf nationaler Ebene für die Honoraranlageberatung, als das durch die MiFID II vorgesehene? (Auf europäischer Ebene dürfen weiterhin nicht monetäre Vorteile – bspw. Produktschulungen und Materialien durch den Emittenten – angenommen werden, nach dem WpHG nicht.) Majic: Das Schulungen und Materialien, welche zu besserer Beratung, Aufklärung von Beratern und Kunden und somit höherwertigerer Beratung führen, als Form der Provisionierung dargestellt werden ist fraglich. Emittenten sind an Absatz Ihrer Produkte interessiert, durch Schulungen und Materialien zu Produkten wird hier aber kein angedeuteter Effekt erzielt. Berater sind durchaus kritisch und setzen sich täglich mit vielen Emittenten auseinander. Da führen Schulungen und Materialien zu mehr Fachwissen aber nicht zwangsläufig zu mehr Absatz der Produkte. Wenn Berater eine Bandbreite an Produkten kennen, kann individuell für den Kunden ein passendes Angebot erstellt werden, ohne dabei nur auf Produkte zurückzugreifen für die es Schulungen/Materialien gibt/gegeben hat. JM: Für die Durchführung der Honoraranlageberatung und der Provisionsberatung innerhalb eines Unternehmens schreibt das WpHG eine personelle, funktionelle

O. Experteninterview mit Armin Majic

463

und sachliche Trennung der beiden Bereiche vor. Bis zu welcher Ebene bedarf es einer personellen Trennung? Majic: Kaum durch mich zu beantworten. Ein Berater, der bisher Provisionsberatung ausgeführt hat und entsprechend weitergebildet ist, kann aus meiner Sicht auch eine Honorarberatung erbringen. Wahrscheinlichste Erklärung ist, dass der Gesetzgeber vermeiden will, dass Berater mit persönlicher Provisionierung in einen Konflikt geraten könnten. JM: Ist ein Bezeichnungsschutz, wie ihn § 36d WpHG für die Honoraranlageberatung einführt, indem die Bezeichnung „Honorar-Anlageberater“, „HonorarAnlageberaterin“, „Honorar-Anlageberatung“ oder „Honoraranlageberater“, „Honoraranlageberaterin“, „Honoraranlageberatung“ nur Unternehmen führen dürfen, die bei der BaFin unter Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen im Honoraranlageberatungsregister registriert sind, sinnvoll? Majic: Um in der Außenwirkung eine klare Abgrenzung herzustellen ist ein solcher Schritt sicher nicht völlig falsch. Fraglich erscheint, ob es als eine Art von Qualitätsmerkmal wahrgenommen werden könnte, im Sinne von „Honorar-Anlageberater“ sind wie auch immer geartet besser als vermeintlich normale Berater.

III. Fragen zur MiFID II allgemein JM: Glauben Sie, dass durch eine bessere Ausbildung und vermehrte Sachkundenachweise des Beraters, die der BaFin eingereicht werden müssen, die Qualität der Beratung insgesamt gesteigert werden kann? Majic: JA! Fachwissen und Sicherheit im Umgang mit diversen Aspekten einer guten Beratung (steuerliche Grundlagen, Kompetenzen im Bereich einer wie auch immer gearteten Risikovorsorge und entsprechende Kenntnisse von Wertpapierarten/Märkten/wirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Zusammenhängen sowie Produkten) führen durchaus zu einer besseren Beratung. Eine gewisse Sachkunde müssen entsprechende BeraterInnen mitbringen. JM: Führt die geplante Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation zu Einschränkungen in der Beratung und wenn ja, zu welchen? Majic: Nein. Dokumentation von Kommunikation kann sehr wertvoll sein, und dies insbesondere für Kunden. Der Großteil von Kommunikation im Bereich der persönlichen Beratung erfolgt jedoch nicht in elektronischer Form. JM: Wie schätzen Sie den Umsetzungsaufwand für die Einführung der Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation in Ihrem Hause ein? Glauben Sie, dass es viele Unternehmen gibt, die sich technisch vollständig umstellen müssen?

464

Anhang: Experteninterviews

Majic: Dies wird Aufwand bedeuten, welcher sehr einseitig bei den Dienstleistern gelagert ist. In wie weit man sich völlig umstellen (müssen) wird, ist für mich nicht umfänglich zu beurteilen. JM: Künftig soll dem Kunden ein Nachweis über die Gründe, die zu der Empfehlung eines bestimmten Produkts geführt haben, ausgehändigt werden. Wie beurteilen Sie diese Vorgabe? Majic: Diese Vorgabe erscheint mir als bereits heute erfüllt. Unseren Kunden wird im Rahmen von Beratungsprotokollen ausführlich dargestellt, aus welchen Gründen ein bestimmtes Produkt empfohlen wurde. JM: Herr Majic, vielen Dank für Ihre schriftliche Stellungnahme!

P. Experteninterview mit Peter Michels und Peter Backes

465

P. Experteninterview mit Peter Michels und Peter Backes Position Peter Michels: Prokurist und Bereichsleiter Private Banking Position Peter Backes: Prokurist und Bereichsleiter Vertriebsmanagement Persönliches Interview am 15. 11. 2016 in der Räumlichkeiten der Volksbank Trier eG von 11:00 – 12:00 Uhr

I. Honoraranlageberatung allgemein JM: Hat sich Ihrer Ansicht nach die Honoraranlageberatung oder die Provisionsberatung oder gar beide Beratungsformen seit der Einführung der Honoraranlageberatung als gesetzliche Alternative zur Provisionsberatung verändert und wenn ja, inwiefern? Können Sie ein verstärktes Interesse der Kunden an der Honoraranlageberatung feststellen und wenn ja, wie äußert sich dieses? Michels: Mir ist nicht bekannt, dass bislang auch nur ein einziger Kunde gezielt die Honoraranlageberatung nachgefragt hätte. Backes: Tatsächlich passiert es manchmal, dass im Rahmen der Aufklärung über die im Folgenden zu erbringende Beratungsform, der Kunde nachfragt, wie teuer denn ein solches Honorar wäre. Allerdings besteht letzten Endes kein ernsthaftes Interesse. Eine wirkliche Veränderung durch die Einführung des Honoraranlageberatungsgesetzes kann ich persönlich ebenfalls nicht feststellen. JM: Wie beurteilen Sie die Bereitschaft des Kunden für eine Beratungsleistung zu zahlen? Dies vor allem im Hinblick darauf, dass der Kunde sich nach der Beratung entschließen kann kein Produkt zu erwerben und damit die Dienstleistung ohne „persönlichen Erfolg“ bezahlen muss. Michels: Der Kunde kennt ausschließlich das Provisionssystem und ist daher immer noch davon überzeugt die Beratungsleistung umsonst zu erhalten. Backes: Das stimmt, der Kunde bringt eine gewisse Erwartungshaltung mit, dass die Beratung umsonst ist. Er ist grundsätzlich bereit die gleiche Leistung bei einem Dritten ohne zu zögern zu vergüten, gegenüber der Bank jedoch nicht. Hier erwartet er, dass er die Beratungsleistung als Service kostenlos erhält. Michels: Allerdings würde es dem Kunden zum jetzigen Zeitpunkt auch sehr schwer fallen, die Angemessenheit eines Honorars hinsichtlich der Qualität und dem Erfolg zu messen. Hier müssten noch geeignete Indikatoren aufgestellt werden. JM: Ist dies nicht im Rahmen der Honoraranlageberatung durch die Einführung entsprechender Zusatzkriterien und der Einführung eines Honoraranlageberatungsregisters inklusive entsprechendem Bezeichnungsschutz versucht worden? Dadurch sollte letztlich eine Art Gütesigel für die Honoraranlageberatung entstehen.

466

Anhang: Experteninterviews

Könnte hier nicht ein Mittelweg gegangen werden, der einzelne Aspekte aufgreift, quasi in Form eines Depots mit entsprechenden Volumen? Michels: Solche „Beratungs-Depots“ gibt es in der Tat bereits auf dem Markt. Es muss sich dafür aber erst noch eine entsprechende Struktur entwickeln, um als wirkliche Alternative attraktiv zu werden. JM: Wird sich der hohe finanzielle Aufwand und auch die aufwändigen Umstrukturierungsmaßnahmen, die gesetzlich vorgeschrieben sind, um die Honoraranlageberatung anbieten zu dürfen, langfristig lohnen? Backes: Wenn sich die Kundeneinstellung gegenüber der Zahlung eines Honorars nicht langfristig ändert, wird sich auch die Einführung einer Honoraranlageberatung nicht lohnen. Michels: Ich vergleiche dies immer gerne branchenübergreifen: Überlegen Sie einmal wie die Einstellung zu Elektroautos noch bis vor kurzem war. Wenn es ab 2030 nur noch Autos mit Elektromotoren zu kaufen gibt, wird der Kunde dies akzeptieren. Wenn der Regulator eingreift, wird sich auch die Kundeneinstellung hinsichtlich der Honorarzahlung zwangsläufig ändern und letztlich auch das Modell der Honoraranlageberatung etablieren. Allerdings sind wir als Bank auch gezwungen uns neue Beratungsmodelle zu überlegen. Bislang konnten wir die Beratungsleistung als zusätzlichen Service kostenlos anbieten, da wir uns aus Beständen bzw. aus Zinserträgen finanzieren konnten. Backes: Aufgrund der Zeiten des Niedrigzinses können wir sogar feststellen, dass wir 3 bis 4 Beratungen durchführen, bevor es überhaupt zu einem Abschluss kommt. Hier stellt sich uns dann auch die Frage der Finanzierung für einen solchen Service. Michels: Dies ist insgesamt eine schwierige Situation, in der auch wir gezwungen sind über andere Modelle nachzudenken. Hier muss dann letztlich auch der Kunde mitziehen. JM: Glauben Sie, dass in absehbarer Zeit ein vollständiges Provisionsverbot, wie es bspw. in Großbritannien bereits existiert, auch in Deutschland eingeführt wird? Wie beurteilen Sie ein solches Verbot? Bitte begründen Sie Ihre Entscheidung. Michels: Ich war 2012 in Großbritannien tätig und habe dementsprechend die Einführung dort miterlebt. Als ich die Regelungen der Retail Distribution Review (RDR) gelesen habe, war für mich klar, dass dies auch die Grundlage für die MiFID II und mithin auch für die Einführung eines europäischen Provisionsverbots sein wird. Backes: Allerdings ist diese ja nun sehr aufgeweicht worden. Schauen wir uns jedoch die in der RDR vorgesehenen Beratungstypen näher an, so müssen wir feststellen, dass wir auch nach diesem Modell nicht als unabhängige Beratung agieren könnten. Denn aufgrund unserer Struktur beziehen wir viele Produkte über unseren Dachverband. Hier müsste dann eine vollständig neue Struktur geschaffen werden.

P. Experteninterview mit Peter Michels und Peter Backes

467

JM: Glauben Sie, dass möglicherweise entstehende Beratungslücken bei einem vollständigen Provisionsverbot durch die Einführung von neuen Beratungsformen, wie bspw. dem Robo-Advice in den USA (einer auf die einzelnen Kundengruppen zugeschnittene automatische Beratung) geschlossen werden können? Michels: Ich denke, die Kunden, die sich die Beratungsleistung in einem solchen Fall nicht mehr leisten können oder wollen, würden über zu entwickelnde Digitalisierungsangebote aufgefangen. Dass es Kunden geben wird, die keine Beratungsleistung gegen Honorar in Anspruch nehmen wollen, steht für mich außer Frage und zeigt sich auch deutlich bspw. in einem Vergleich mit der Testamentserstellung durch einen Notar. Personen mit einem großen Vermögen kümmern sich in der Regel sehr sorgfältig um ihre Nachlassangelegenheiten und ersuchen auch den Notar hierfür um Hilfe. Hingegen wird dieser von Personen mit geringem Vermögen weniger konsultiert. Hier herrscht die Überlegung, dass sich dieser Aufwand und die Notargebühr bei „dem bisschen“ sowieso nicht lohne. Dieses Szenario lässt sich auch auf die Honoraranlageberatung übertragen. Backes: Es ist bereits heute nicht unüblich Produktnutzungsmuster für einen Vergleich zwischen bestimmten Produkten aufzustellen. So wird bspw. ein Portfolio für Familien in bestimmten Situationen entwickelt. Nach diesen vorgegebenen Kriterien könnten dann die Anleger sondieren, ob sie viele Übereinstimmungen mit der Vergleichsgruppe haben und dann entsprechend die Produkte beziehen. Das wäre meines Erachtens eine sinnvolle Lösung. Michels: Allerdings sehen wir hier sehr schön das eigentliche Problem der MiFID II, welches sich auf alle anderen verbraucherschützenden Regelungen übertragen lässt. Denn eigentlich soll mit der MiFID II eine Gruppe von – überspitzt dargestellt – 0,5 % der Anleger schützen, die tatsächlich einmal falsch beraten wurden, oder auf andere Weise zu Schaden gekommen sind. Backes: Leider führt dies wie sich am Beispiel des Provisionsverbotes zeigt auch zum Ausschluss von Kundengruppen. Michels: Und diese sollten eigentlich stärker von der MiFID II gestützt werden. Aktuell sind diese Kunden über die Informationsangebote – wobei hier das Thema Information Overload ebenfalls nicht zu unterschätzen ist – und Beratungsprotokolle sowie bereits bestehende Zuwendungsverzeichnisse und Offenlegungspflichten geschützt. Durch die Einführung des Provisionsverbotes, welches meines Erachtens in letzter Konsequenz noch kommen wird, werden diese Kunden aus dem Schutzbereich ausgeschlossen, da diese dann nicht mehr Konsumenten der Anlageberatung sein können oder wollen.

468

Anhang: Experteninterviews

II. Honoraranlageberatung im Detail JM: Ist der Kunde Ihrer Ansicht nach durch die Aufklärung, welche Beratungsform im Folgenden erbracht wird, gem. § 31 Abs. 4b WpHG hinreichend über das Bestehen einer Wahlmöglichkeit zwischen den Beratungsformen und über die bestehenden Unterschiede sowie über den Interessenkonflikt in der Provisionsberatung aufgeklärt? Backes: Hier sei einmal vorweg genommen, dass wir keine Aufklärung darüber durchführen, dass weitere Anlageberatungsformen bestehen und wie diese funktionieren. Vielmehr folgen wir unserer gesetzlichen Pflicht und erklären dem Kunden, dass wir keine Honoraranlageberatung erbringen. JM: Kennen die Kunden Ihrer Ansicht nach die Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Beratungsformen schon vor Ihrer Aufklärung und wenn nicht, was glauben Sie woran dies liegt? Backes: Aufgrund dieser Aufklärung kennt der Kunde die Unterscheidung zwischen den Beratungsformen auch nicht. Michels: Diese Unterscheidung dem Kunden zu vermitteln wäre eigentlich die Aufgabe des Gesetzgebers. Nähme sich dieser allerdings der Aufgabe an, würde dies vermutlich dazu führen, dass wir als einzige Branche auch noch über die Geschäftsmodelle der Konkurrenz aufzuklären hätten und den Kunden dezidiert erklären müssten, welche Vorteile die Konkurrenz für sie bietet. Immerhin sind wir auch die einzige Branche, die über ihre Gewinnmargen aufklären muss. Letztlich greift der Gesetzgeber hier ohnehin erheblich in die wirtschaftlichen und auch operativen Interessen der Banken ein. JM: Für die Durchführung der Honoraranlageberatung und der Provisionsberatung innerhalb eines Unternehmens schreibt das WpHG eine personelle, funktionelle und sachliche Trennung der beiden Bereiche vor. Bis zu welcher Ebene bedarf es einer personellen Trennung? Michels: Hier kommt es immer darauf an, wen sie fragen. Aus regulatorischer Sicht meine ich, dass eine Trennung alleine auf der Beraterebene nicht ausreicht. Es kommt vielmehr auch darauf an wie die Einheiten dahinter operieren, da es möglicherweise andere Prozesslogiken geben wird. Backes: Aus Vertriebssicht reicht meines Erachtens auch die Trennung auf der einzelnen Beraterebene aus. Michels: Wenn ich allerdings den regulatorischen Blick außen vor lasse, müsste der einzelne Berater auch beide Beratungsformen durchführen dürfen. Dies ließe sich dahingehend umsetzen, dass die Systeme sich quasi nach der Entscheidung des Kunden aufgliedern. Entscheidet sich der Kunde für die Honoraranlageberatung, so nimmt der Anlageberater den linken Zweig und führt die Beratung mit diesem System durch; bei der Entscheidung für die Provisionsberatung den rechten.

P. Experteninterview mit Peter Michels und Peter Backes

469

JM: Ist eine solche Trennung bereits auf Beraterebene für kleinere Filialen oder auch kleineren Banken überhaupt umsetzbar, oder hat hier der europäische Gesetzgeber das deutsche Bankensystem nicht berücksichtigt. Michels: In der Form einer vollständigen personellen Trennung der Berater in den einzelnen Filialen kombiniert mit der momentan nicht vorhandenen Nachfrage, ist dies nicht möglich. Ich müsste zum einen entweder einen Berater aus der Provisionsberatung „abzweigen“, oder zusätzliche Berater einstellen für eine Dienstleistung, die von den Kunden nicht nachgefragt wird. Backes: Das deutsche Banksystem ist tatsächlich mit seinen drei Säulen einzigartig und lässt sich nur sehr schwer in das Gefüge der MiFID II aber auch anderen europäischen Regelungen integrieren und das erscheint mir zumindest auch nicht gewollt.

III. Fragen zur MiFID II allgemein JM: Glauben Sie, dass durch eine bessere Ausbildung und vermehrte Sachkundenachweise des Beraters, die der BaFin eingereicht werden müssen, die Qualität der Beratung insgesamt gesteigert werden kann? Backes: Hiermit habe ich mich aufgrund meines Aufgabenbereichs noch nicht allzu sehr befasst. Allerdings konnten wir uns bei der Einführung der deutschen Regelungen hinsichtlich der Beraterqualifikation häufig auf die Alte-Hasen-Regelung berufen. Denn jemandem der 20 bis 30 Jahre seinen Beruf ohne Beschwerde oder sonstige Beanstandungen ausgeführt hat, aber nicht einen entsprechend benannten Abschluss oder Zertifikat vorweisen kann, nicht mehr beschäftigen zu können, kann nicht gewollt sein. Daher hoffe ich, dass eine vergleichbare Regelung nun auch enthalten ist. Eine Auffrischung hinsichtlich neuer regulatorischen Anforderungen müssen wir bereits ohnehin durchführen und entsprechend schulen. Dies findet in der Regel über Webinare statt über diese wir auch Zertifikate ausstellen. Michels: Durch die RDR wurde ebenfalls der Nachweis der Sachkunde in Großbritannien eingeführt. Ich selber war dort mit der Leitung beauftragt, durfte aber keine eigenständige Beratung vornehmen, sondern nur im Beisein eines nach englischem Recht qualifizierten Beraters, da ich das von der Financial Conduct Authority (FCA) geforderte Zertifikat nicht besitze. Ein wesentliches Merkmal, welches mir außerdem deutlich in Erinnerung geblieben ist, war die jährliche Review. Die Berater waren verpflichtet sich jährlich fortzubilden und dieses gegenüber den Aufsichtsbehörden nachzuweisen. Ohne den Nachweis und die Vorlage von Zertifikaten durfte keine Beratung erbracht werden. Dies war schon sehr streng. JM: Führt die geplante Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation zu Einschränkungen in der Beratung und wenn ja, zu welchen?

470

Anhang: Experteninterviews

Michels: Bei meinen vorherigen Arbeitgeber wurden grundsätzlich, nachdem der Kunde darüber informiert worden war, Aufzeichnungen von Telefongesprächen vorgenommen. Ich konnte hier keinerlei Einschränkungen seitens der Kunden erkennen. Auch nicht dahingehend, dass es vermieden worden wäre über private Dinge mit seinem Berater am Telefon zu sprechen. Daher glaube ich, dass die Aufzeichnung keine Auswirkungen auf das Kundenverhalten hat. Vielmehr war es eher so, dass die Kunden die Aufzeichnung geschätzt haben. Denn kam es einmal zu einem Missverständnis – hier sei das klassische Beispiel angeführt ob 10 oder 100 Aktien erworben werden sollten – so konnte relativ schnell durch Abhören des Telefonates im Beisein der Compliance-Abteilung der Fehler ausfindig gemacht werden. Backes: Dem kann ich mich nur anschließen. Denn mittlerweile geben wird so viel in sozialen Medien preis und der Kunde selbst ist die Aufzeichnung von Telefongesprächen in anderen Zusammenhängen bereits gewöhnt. JM: Wie schätzen Sie den Umsetzungsaufwand für die Einführung der Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation in Ihrem Hause ein? Backes: Die Umstellung ist momentan tatsächlich ein großes Thema für uns. Unsere aktuelle Telefonanlage kann zwar Aufzeichnungen tätigen, aber diese nicht mit dem einzelnen Kunden verknüpfen und entsprechend sortiert abspeichern. Ich habe überschlagen, dass wir zur Einführung einer neuen Anlage, die den gesetzlichen Anforderungen entspricht ca. 12 Mio. Euro investieren müssen. Deshalb stehen jetzt auch entsprechende Überlegungen an, wer alles eine solche Telefonanlage benötigt, oder ob bestimmte Beratergruppen davon ausgeschlossen werden können. Denn ein Telefonplatz, der bspw. auch Telefonate weiterleiten kann, kostet bisher ca. 210 Euro im Monat. Dabei ist die Anschaffung und Unterhaltung dieser Plätze die größere Herausforderung, denn Speicherplatz bekommen Sie heut zu tage schon relativ günstig. Allerdings funktioniert die Aufzeichnung der Kundenkommunikation und Zuordnung bislang nur über Voice over IP. Auch müssen wir uns noch Gedanken darüber machen, ob wir das Telefonat vollständig aufzeichnen und im Nachgang sortieren inwieweit speicherpflichtige Inhalte vorliegen, oder ob der Berater mittels Knopfdruck elektronisch die Aufzeichnungsaufklärung einspielt und ab dann alles aufgezeichnet wird. Die letztgenannte Variante hat allerdings den Nachteil, dass sie aufgrund des Dazwischentretens des Beraters fehleranfällig ist und dies zu einer gravierenden Haftung für uns führen kann. Michels: Diese Kosten lassen sich nicht mehr erwirtschaften. Dem Nutzen gegenübergestellt lohnt sich eine solche Einführung für uns schlichtweg nicht. Denn die Beratung läuft letztlich genau gleich ab, unabhängig davon, ob diese aufgezeichnet wird oder nicht. JM: Künftig soll dem Kunden ein Nachweis über die Gründe, die zu der Empfehlung eines bestimmten Produkts geführt haben, ausgehändigt werden. Wie beurteilen Sie diese Vorgabe?

P. Experteninterview mit Peter Michels und Peter Backes

471

Backes: In der Tat müssen wir auch heute bereits die Gründe für die Empfehlung abgeben. Im Kundengespräch werden von Berater und Kunden die wesentlichen Aspekte für eine Anlage herausgearbeitet, die der Berater auch in das computergestützte Beratungssystem einträgt. Dieses entwickelt daraus dann den im Protokoll enthaltenen Satz über die wesentlichen Gründe für die Anlageentscheidung. Da dieser bereits auf diesem Wege standardisiert und ohnehin durch das Gespräch entwickelt wird, trifft uns diese Anforderung nicht gleichermaßen wie bspw. die Einführung einer neuen Telefonanlage. Hier bleibt es momentan abzuwarten, wie tiefgreifend letztlich die Gründe dargestellt werden müssen. JM: Herr Michels, Herr Backes, ich bedanke mich für das Gespräch!

472

Anhang: Experteninterviews

Q. Experteninterview mit Peter Paulisan, Zerroug Yahiaoui und Markus Ginsel Position Peter Paulisan: Geschäftsführer, Diplom-Kaufmann, Certified Financial Planner der 3E Finanzplanung GmbH, Partner der Honorarfinanz-AG Duisburg Position Zerroug Yahiaoui: Geschäftsführer, Diplom-Kaufmann, MBA (USA), Certified Financial Planner der 3E Finanzplanung GmbH, Partner der Honorarfinanz-AG Duisburg Position Markus Ginsel: Geschäftsführer, Diplom-Betriebswirt, Certified Financial Planner der 3E Finanzplanung GmbH, Partner der Honorarfinanz-AG Duisburg Persönliches Interview am 04. 04. 2017 in der Räumlichkeiten der Honorarfinanz AG Duisburg von 11:00 – 12:30 Uhr

I. Honoraranlageberatung allgemein JM: Hat sich Ihrer Ansicht nach die Honoraranlageberatung oder die Provisionsberatung oder gar beide Beratungsformen seit der Einführung der Honoraranlageberatung als gesetzliche Alternative zur Provisionsberatung verändert und wenn ja, inwiefern? Können Sie ein verstärktes Interesse der Kunden an der Honoraranlageberatung feststellen und wenn ja, wie äußert sich dieses? Paulisan: Ja, wir stellen tatsächlich ein verstärktes Interesse der Kunden fest, wenn diese über die Honoraranlageberatung als Alternative aufgeklärt sind. Yahiaoui: Es ist aber in der Tat selten, dass die Kunden von sich aus die Honoraranlageberatung ansprechen. Da wir uns erst kürzlich dazu entschieden haben in die Honoraranlageberatung zu wechseln, haben wir noch viele Mandanten „aus der alten Welt“, die wir über die Vorteile der Honoraranlageberatung aufklären. Bei diesen stoßen wir dann in der Regel auf großes Interesse. JM: Wie beurteilen Sie die Bereitschaft des Kunden für eine Beratungsleistung zu zahlen? Dies vor allem im Hinblick darauf, dass der Kunde sich nach der Beratung entschließen kann kein Produkt zu erwerben und damit die Dienstleistung ohne „persönlichen Erfolg“ bezahlen muss. Paulisan: Die Bereitschaft des Kunden ein Honorar zu bezahlen steht und fällt mit der Aufklärung über die Alternative der Honoraranlageberatung. Wesentlich ist hier die Aufklärung über die wirklichen Kosten eines Produktes und deren Auswirkungen auf die Rendite. Zwar gibt es bereits heute die gesetzliche Aufschlüsselung der Kosten der angebotenen Produkte und Dienstleistungen, aber diese ist regelmäßig so kompliziert oder verklausuliert dargestellt, dass der Kunde nicht auf einen Blick erkennen kann, was er da tatsächlich bezahlt und erst recht nicht, wie sich

Q. Experteninterview mit Peter Paulisan, Zerroug Yahiaoui, Markus Ginsel

473

dies langfristig auswirkt. Findet hier eine entsprechende Aufklärung statt, ist die Bereitschaft ein Honorar zu bezahlen in der Regel vorhanden. Yahiaoui: Hier möchte ich anmerken, dass es auch nicht damit getan ist die Provision, die der einzelne Berater in der „Provisionsberatung“ bekommt unserem Honorar gegenüber zu stellen. Denn die Beraterprovision ist bei den Produkten, die über die herkömmlichen, die „Provisionsberatung“ anbietenden Stellen vertrieben werden, nur die Spitze des Eisbergs. Unterm Strich verdienen ganz andere Stellen an dem Produkt, als der Berater. JM: Wird sich der hohe finanzielle Aufwand und auch die aufwändigen Umstrukturierungsmaßnahmen, die gesetzlich vorgeschrieben sind, um die Honoraranlageberatung anbieten zu dürfen, langfristig lohnen? Yahiaoui: Wir sind überzeugt davon, dass sich die Honoraranlageberatung auf lange Sicht als Beratungsmodell lohnen wird. Wobei ich hier auch festhalten möchte, dass ich „lohnen“ nicht auf finanzielle Aspekte beschränke, sondern auch mein Beraterverständnis bzw. Gewissen mit einbeziehe. Denn nachdem mir einmal der gesamte Ablauf in allen Konsequenzen bewusst geworden ist, möchte ich nur noch in dieser Beratungsform arbeiten und mich konsequent auf die Bedürfnisse des Kunden konzentrieren. Sie können dieses Gefühl in etwa, wie mit der roten Pille aus dem Film Matrix vergleichen; wer diese geschluckt hat, kann auch nicht mehr zurück. Paulisan: Das sehe ich ganz genauso. Allerdings muss ich auch feststellen, dass die tägliche Beratungspraxis für uns seit der Umstellung kein Mehraufwand bedeutet. Allerdings haben wir auch mit unserem bestehenden Unternehmen der 3E Finanzplanung GmbH an die Honorarfinanz-AG „angedockt“. Ausschließlich die Honoraranlageberatung bieten wir über diese an und können daher auf die bereits entwickelten Prozesse und Systeme zurückgreifen. Daher mussten wir diese nicht selber entwickeln. Allerdings ist bspw. der Fragebogen zur Risikoeinstufung mit 30 Seiten schon bedeutend länger, aber das ist zum einen richtig und sehr wichtig zur optimalen Kundenberatung und zum anderen auch durch die weiteren Prozesse gut zu verarbeiten. JM: Glauben Sie, dass in absehbarer Zeit ein vollständiges Provisionsverbot, wie es bspw. in Großbritannien bereits existiert, auch in Deutschland eingeführt wird? Wie beurteilen Sie ein solches Verbot? Bitte begründen Sie Ihre Entscheidung. Yahiaoui: Im Finanzdienstleistungsbereich kann ich mir nicht vorstellen, dass ein flächendeckendes Provisionsverbot kommt. Dafür ist die Lobby einfach zu stark. Paulisan: Für mich ist das auch nur sehr schwer vorstellbar. JM: Glauben Sie, dass möglicherweise entstehende Beratungslücken bei einem vollständigen Provisionsverbot durch die Einführung von neuen Beratungsformen, wie bspw. dem Robo-Advice in den USA (einer auf die einzelnen Kundengruppen zugeschnittene automatische Beratung) geschlossen werden können?

474

Anhang: Experteninterviews

Yahiaoui: Die Provisionsberatung ist für die Kunden, die sich ein Honorar nicht leisten können aber eine Beratung wünschen, schon eine Möglichkeit bevor sie überhaupt keine Beratung erhalten und deshalb gar keine Finanzprodukte erwerben. Paulisan: Allerdings glaube ich, dass sich die aus dem Provisionsverbot ergebende Beratungslücke relativ schnell durch die neuen FinTech-Lösungen, insbesondere durch den Robo-Advice schließen wird. Zwar wird die Qualität des RoboAdvisors nicht dieselbe haben wie in der persönlichen Beratung, da dieser nur algorithmisch auf Kundenmerkmale eingehen kann und die persönliche Beratung für jeden Kunden individuell ein Konzept erarbeitet. Aber für diejenigen, die sich kein Honorar leisten können oder wollen aber nicht vollständig auf Beratung verzichten möchten, ist dies eine Alternative zu einem guten Preis. Ohnehin werden FinTechs und damit IT-basierte Beratung in Zukunft eine größere Rolle spielen. Dies bedingt alleine der Generationswechsel. So sind die jüngeren Leute sehr technikaffin. Dies wird sich auch auf die Beratung auswirken.

II. Honoraranlageberatung im Detail JM: Ist der Kunde Ihrer Ansicht nach durch die Aufklärung, welche Beratungsform im Folgenden erbracht wird, gem. § 31 Abs. 4b WpHG hinreichend über das Bestehen einer Wahlmöglichkeit zwischen den Beratungsformen und über die bestehenden Unterschiede sowie über den Interessenkonflikt in der Provisionsberatung aufgeklärt? Bzw. kennen die Kunden Ihrer Ansicht nach die Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Beratungsformen schon vor Ihrer Aufklärung und wenn nicht, was glauben Sie woran dies liegt? Paulisan: Hier lassen sich beide Fragen direkt zusammen beantworten. Weder kennen die Kunden die Alternative der Honoraranlageberatung bevor sie ein reguläres Beratungsgespräch aufsuchen, noch sind sie durch die Erklärung, dass im Folgenden „wie immer“ keine Honoraranlageberatung erfolgt, nicht entsprechend aufgeklärt. Insbesondere wenn dies durch einen Hinweis in einer dem Kunden vorab des Beratungsgesprächs ausgehändigten Broschüre erfolgt, die in der Regel ohnehin nicht gelesen wird. Hier müssten alle Berater die Vor- und Nachteile beider Beratungsformen dezidiert dem Kunden gegenüber stellen und erläutern. Anschließend müsste sich der Kunde aufgrund dieser Aufklärung aktiv entscheiden. Yahiaoui: Die aktive Entscheidung des Kunden ist wesentlich. Ihm nur zu sagen, dass die Provisionsberatung oder Honorarberatung erfolgt ist nicht zielführend, damit der Kunde die Unterschiede kennt. Zur Bedeutung der aktiven Entscheidung möchte ich überspitzt folgendes Beispiel anführen: Wissen Sie warum es in Dänemark im Vergleich zu Deutschland so viele Organspender gibt. Hier ist es genau anders rum als bei uns. Die Dänen sind grundsätzlich Organspender und nur wer aktiv erklärt, dass er dies nicht möchte, wird nicht mehr als Spender in Betracht gezogen.

Q. Experteninterview mit Peter Paulisan, Zerroug Yahiaoui, Markus Ginsel

475

JM: Wie beurteilen Sie das weitergehende Provisionsverbot auf nationaler Ebene für die Honoraranlageberatung, als das durch die MiFID II vorgesehene? (Auf europäischer Ebene dürfen weiterhin nicht monetäre Vorteile – bspw. Produktschulungen und Materialien durch den Emittenten – angenommen werden, nach dem WpHG nicht) Yahiaoui: Es wird sich auf absehbare Zeit zeigen, ob nicht doch praktisch kleinere Ausnahmen möglich sind. Denn meines Erachtens reichen die Vorgaben der MiFID II vollkommen aus. Ich werde weder durch einen kleinen Taschenkalender in meiner Entscheidung beeinflusst noch durch die Teilnahme an einer Fortbildung. Paulisan: Da stimme ich mit Herrn Yahiaoui überein. Wobei ich auch festhalten muss, dass wir eigentlich gar keine Werbematerialien im Alltagsgeschäft bekommen. JM: Für die Durchführung der Honoraranlageberatung und der Provisionsberatung innerhalb eines Unternehmens schreibt das WpHG eine personelle, funktionelle und sachliche Trennung der beiden Bereiche vor. Bis zu welcher Ebene bedarf es einer personellen Trennung? Yahiaoui: Eine optimale Lösung wäre meiner Ansicht nach, wenn ein Berater beides anbieten dürfte. Denn dann könnte er zunächst dezidiert beide Beratungsformen darstellen und der Kunde könnte dann aktiv wählen, welche Form er bevorzugt. Das wäre das Optimal Modell. Denn meiner Ansicht nach kann ein Berater auch beide Beratungsformen zugleich anbieten. Denn gute Beratung hat nicht etwas mit der Vergütung zu tun. Sie werden auch teuer bezahlte Honoraranlageberater finden, die nicht zwingend qualitativ beraten. Das ist letztlich bei allen Dienstleistungen so. Paulisan: Allerdings glaube ich nicht, dass bei den größeren Vertrieben ein Interesse besteht auch gleichzeitig eine Honoraranlageberatung anzubieten, wenn diese freie Vermittler engagieren. Denn in der Regel ist auch dem einzelnen Berater nicht bekannt, was das Unternehmen insgesamt an dem Produkt verdient, sondern nur das was er letztlich bekommt. Würde er aber beide Formen parallel anbieten, dann müsste zur vollständigen Darstellung der Vor- und Nachteile für den Kunden auch das Unternehmen gegenüber dem Berater seine Gewinne offen legen, so dass dieser unter Umständen feststellen könnte, dass seine Provision sehr gering ist im Gegensatz zum Gewinn des Unternehmens. Das Angebot beider Beratungsformen wäre demnach nur dann möglich, wenn das Unternehmen festangestellte Berater beschäftigt. JM: Ist ein Bezeichnungsschutz, wie ihn § 36d WpHG für die Honoraranlageberatung einführt, indem die Bezeichnung „Honorar-Anlageberater“, „HonorarAnlageberaterin“, „Honorar-Anlageberatung“ oder „Honoraranlageberater“, „Honoraranlageberaterin“, „Honoraranlageberatung“ nur Unternehmen führen dürfen, die bei der BaFin unter Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen im Honoraranlageberatungsregister registriert sind, sinnvoll?

476

Anhang: Experteninterviews

Paulisan: Wir begrüßen die Einführung eines geschützten Begriffs für die Honoraranlageberatung als Abgrenzungsmerkmal. Dieser wird von unseren Kunden auch entsprechend wahrgenommen. Yahiaoui: Ob nun Honoraranlageberater oder Honorarberater ist letztlich nicht die entscheidende Differenzierung. Wichtig ist, dass der Kunde mit diesem Begriff eine Unterscheidung zur „Provisionsberatung“ verbindet. Wir finden auch den Begriff des Honorars nicht negativ. Im Gegenteil habe ich sogar das Gefühl, dass dieser positiv besetzt ist, denn ein Honorar bezahlt man auch beim Arzt oder beim Rechtsanwalt. Das wird von den Kunden positiv wahrgenommen. Hingegen ist die Assoziation zur Provision, die eine Verbindung zum Makler weckt, negativ besetzt. Eine Änderung des Begriffs der Honoraranlageberatung auf unabhängige Beratung fände ich nicht gut, denn dieser Begriff hat sich in der Vergangenheit stark abgenutzt. So hat bspw. jahrelang die Deutsche Vermögensberatung damit geworben. Dies wäre für den Kunden kein Abgrenzungskriterium. Paulisan: Außerdem ist das Honorar ein wesentliches Unterscheidungskriterium, denn anderenfalls käme der Kunde zur „unabhängigen Beratung“ und wäre erst einmal irritiert, wenn ich ihm die Honorarvereinbarung präsentiere. Mit dem Honorar im Namen ist dies von vorneherein für den Kunden eindeutig. JM: Wie kann sichergestellt werden, dass eine „hinreichende Anzahl am Markt angebotener Finanzprodukte, die für den Anleger geeignet sind“ für die Empfehlung für den jeweiligen Kunden analysiert und ausgewertet wurden? Paulisan: Das ist schon eine sehr juristische Herangehensweise. Praktisch ermitteln wir ein Weltmarktportfolio indem wir eine Selektion aus allen verfügbaren passiven Fonds anhand der Kundenwünsche zusammenstellen. Dies gestalten wir nach wissenschaftlichen Erkenntnissen. JM: Wie beurteilen Sie die Ausnahme für die Annahme von Provisionen auch in der Honorarberatung für solche Produkte, für die es kein gleichgeeignetes Ersatzprodukt gibt und nicht ohne Provisionen zu beschaffen ist? Gibt es Ihrer Ansicht nach so etwas wie ein gleichgeeignetes Finanzprodukt? Paulisan: Ehrlich gesagt hat mich diese Anforderung etwas überrascht, da zumindest im aktiven Bereich immer eine Story des Managers XY verkauft wird und der Kunde sich mit dessen Überlegungen und Ansätzen identifiziert und diesem Vertraut. Jeder Manager ist jedoch verschieden. Hier gibt es vor allem auch sehr unterschiedliche Marketingaspekte der einzelnen Manager, so dass diese sehr schwierig zu vergleichen sind. Yahiaoui: Wenn der Kunde aber zu mir kommt und sagt ich möchte unbedingt bei Manager XY anlegen, weil er sich mit dessen Story identifiziert, dann gibt es schlichtweg keine Alternative. In diesem Falle müsste ich dann die Kick-BackZahlungen an den Kunden weiter leiten.

Q. Experteninterview mit Peter Paulisan, Zerroug Yahiaoui, Markus Ginsel

477

JM: Ist die Möglichkeit gegeben, dass ein Produkt nicht ohne Provisionen zu erwerben ist, da die Provisionszahlung doch ausschließlich auf einer Vereinbarung mit dem Emittenten beruht? Paulisan: Im aktiven Bereich ist dies nicht möglich, denn jeder Manager trifft Entscheidungen, betreibt Recherchen, beobachtet und dafür möchte dieser letztlich bezahlt werden. JM: Wird auf diese Art und Weise ggf. ein zusätzlicher Anreiz für den Anleger geschaffen, ein Produkt zu erwerben, welches nur mittels Provision zu erlangen ist, um durch die Auskehrung der Provision an ihn die Beratungskosten insgesamt zu senken? Letztlich läge in diesem Fall dann keine von einer Provision unabhängige getroffene Anlageentscheidung vor. Yahiaoui: Das wäre doch eine gute Möglichkeit. Der Kunde erhält eine unabhängige Beratung. Der Emittent schüttet die Zahlungen direkt an den Kunden aus und davon könnte dieser das Beratungshonorar bezahlen. Ich sehe da kein Konfliktpotential. Ginsel: Um aus dieser Konstellation eine nicht unabhängige Entscheidung abzuleiten ist meines Erachtens schon sehr viel Fantasie erforderlich, um ein solches Konstrukt zu bilden.

III. Fragen zur MiFID II allgemein JM: Glauben Sie, dass durch eine bessere Ausbildung und vermehrte Sachkundenachweise des Beraters, die der BaFin eingereicht werden müssen, die Qualität der Beratung insgesamt gesteigert werden kann? Paulisan: Fortbildung ist grundsätzlich sehr wichtig. In jedem Beruf muss sich fortgebildet werden und das gilt insbesondere für die schnelllebige Finanzbranche. Meines Erachtens sind viele Berater auch heute nicht richtig ausgebildet. Es sollte allerdings nicht soweit kommen, dass Fortbildungsnachweise nur des Nachweises wegen zu erbringen sind, sondern wirklich da wo es sinnvoll und notwendig ist. Insbesondere der Honoraranlageberater sollte eine qualitativ gesteigerte Ausbildung auch hinsichtlich der weiteren Vorschriften für diese Beratungsform aufweisen und das dauerhaft. Der einmalige Nachweis, dass etwas gelernt und verstanden wurde, reicht nicht aus. Ich würde sogar so weit gehen und sagen, dass meiner Meinung nach die normalen Berater in den einzelnen Bankfilialen eher nicht als Berater sondern als allgemeine Verkäufer ausgebildet sind und erst im vermögenden Kundensegment entsprechend qualifizierte Berater sitzen. Dies sollte dringen geändert werden. JM: Führt die geplante Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation zu Einschränkungen in der Beratung und wenn ja, zu welchen? Yahiaoui: Wir haben uns bislang mit dieser neuen Anforderung noch nicht weiter auseinander gesetzt, da wir überwiegend unsere Kunden persönlich beraten. Aber ich

478

Anhang: Experteninterviews

kann mir sehr gut vorstellen, dass dies den einen oder anderen Kunden sehr stören wird. Ginsel: Immerhin werden teilweise auch sehr persönliche Sachen besprochen, da man sich bereits länger kennt, die weder ich noch der Kunde aufzeichnen möchte. Vor allem macht dies für mich deshalb auch keinen Sinn, weil der Kunde auch am Telefon sämtliche Unterlagen, insbesondere das Beratungsprotokoll zugesendet bekommt, in welchen letztlich alles was wir besprochen haben dokumentiert wird. Paulisan: Für mich ist diese Anforderung ebenfalls unverständlich. Denn wenn ich letzten Endes das Beratungsgespräch am Telefon aufnehmen muss, dann müsste ich doch auch das persönliche Gespräch vor Ort mittels Tonband mitschneiden. Nur das wäre konsistent. JM: Wie schätzen Sie den Umsetzungsaufwand für die Einführung der Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation in Ihrem Hause ein? Glauben Sie, dass es viele Unternehmen gibt, die sich technisch vollständig umstellen müssen? Yahiaoui: Da wir uns wie bereits fest gestellt noch nicht im Detail mit den Anforderungen auseinander gesetzt haben, können wir auch den letztlich entstehenden Umsetzungsaufwand noch nicht abschätzen. JM: Künftig soll dem Kunden ein Nachweis über die Gründe, die zu der Empfehlung eines bestimmten Produkts geführt haben, ausgehändigt werden. Wie beurteilen Sie diese Vorgabe? Paulisan: Diese führen wir ohnehin in unserer Beratungsdokumentation auf, die neben dem Beratungsprotokoll noch zusätzliche Merkmale anführt. Daher wird dies für uns keine neue Anforderung. JM: Herr Paulisan, Herr Yahiaoui, Herr Ginsel, ich bedanke mich für das Gespräch!

R. Experteninterview mit Dierk Siewert

479

R. Experteninterview mit Dierk Siewert Position: Syndikusrechtsanwalt, Leiter Rechtsabteilung der quirin bank AG, Vorstandsmitglied des Berufsverbandes deutscher Honorarberater Persönliches Interview am 28. 09. 2016 in den Räumlichkeiten der quirin bank AG (Hauptsitz) in Berlin von 15:00 – 17:30 Uhr

I. Honoraranlageberatung allgemein JM: Hat sich Ihrer Ansicht nach die Honoraranlageberatung oder die Provisionsberatung oder gar beide Beratungsformen seit der Einführung der Honoraranlageberatung als gesetzliche Alternative zur Provisionsberatung verändert und wenn ja, inwiefern? Können Sie ein verstärktes Interesse der Kunden an der Honoraranlageberatung feststellen und wenn ja, wie äußert sich dieses? Siewert: Die gesetzliche Verankerung der Honoraranlageberatung war für uns schon ein Meilenstein. Als wir uns Anfang 2006 daran machten, mit der Honorarberatung im Private Banking eine ernstzunehmende Alternative zum bis dato herrschenden Provisionsvertrieb zu etablieren, war das Wissen der Kunden, wie und vor allem auf welchem Weg die in diesem Bereich wichtigsten Finanzdienstleistungen Anlageberatung und Vermögensverwaltung tatsächlich vergütet werden, wenig ausgeprägt. Geholfen, das Thema Vergütung und Interessenkonflikte zumindest in das Bewusstsein interessierter Kundenkreise zu hieven, haben sodann aber die ersten Kick-Back-Urteile Ende 2006. Von Beginn an haben wir uns für ein Provisionsverbot eingesetzt und aktiv an der Aufklärung der Kunden mitgewirkt. Zwar gab es auch bereits zu diesem Zeitpunkt durchaus politisches Interesse an einer Förderung der Honorarberatung, allerdings ohne die Bevölkerung in diese Gedankenspiele einzubeziehen und ihnen auf diese Weise die dem Provisionsvertrieb immanenten Probleme transparent zu machen. Dies änderte sich schlagartig mit der Finanzkrise 2008 und insbesondere dem Zusammenbruch von Lehman Brothers. Mit einem Mal wurde breiteren Bevölkerungsschichten bewusst, dass das ihnen noch kurz zuvor als sichere Anlage verkaufte Lehman-Zertifikat nur der verkaufenden Bank einen finanziellen Vorteil verschafft hatte. Der im weiteren Verlauf insbesondere durch Verbraucherschützer forcierten Debatte um falsche Anreizsysteme im Bereich des Wertpapiervertriebs konnte sich auch die Politik nicht verschließen und begann, sich an der öffentlichen Diskussion zu beteiligen. Hervorzuheben sind hierbei aus meiner Sicht insbesondere die Ansätze des damaligen Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMLV) um Bundesministerin Ilse Aigner, die sicherlich mit Veröffentlichung des Eckpunktepapiers zur Honorarberatung im Juli 2011 ihren Höhepunkt fanden.

480

Anhang: Experteninterviews

Auf Grundlage des Eckpunktepapiers den politischen Prozess zu verfolgen und, im Rahmen der Möglichkeiten auf diesen Einfluss zu nehmen, war sehr spannend. Insbesondere mitzuerleben, was von den eigenen Ideen und denen des BMLV sich am Ende gegen zugegebenermaßen große Widerstände einzelner Lager aus Politik und Wirtschaft durchsetzen wird, war durchaus aufregend. Daher waren wir am Ende über die Einführung der Honoraranlageberatung als gesetzlich verankerte Alternative sehr glücklich, auch wenn mit dem Gesetz nur rund die Hälfte unserer Forderungen umgesetzt wurde. Wenn Sie mich jetzt aber fragen, ob und wenn ja wie uns die seit dem 1. 8. 2014 bestehenden Regelungen helfen, bleibt meine Antwort ein Stück weit verhalten. Die gewählte Begrifflichkeit „Honorar-Anlageberatung“ wirkt wenig verbraucherfreundlich, lenkt sie doch das Augenmerk des Kunden ausschließlich auf die Frage der Vergütung. Dies aber eben gerade nicht im Hinblick auf die Form der Vergütung (unmittelbar oder mittelbar durch den Kunden), sondern primär im Hinblick auf deren Höhe. Ein Honorar zu zahlen, wird von dem Kunden regelmäßig mit einer hohen Vergütung gleichgesetzt. Dass eine Honorar-Anlageberatung aber in der Regel eben nicht teurer, sondern häufig sogar günstiger für den Kunden ist, muss der Honorar-Anlageberater dem Kunden zunächst erklären. Die Assoziationen des Kunden wären anders ausgefallen, hätte man sich 2014 entschlossen, nicht nur den Honorar-Anlageberater gesetzlich zu verankern, sondern für die Alternativform den Begriff des Provisions-Anlageberaters oder schlicht den des Wertpapierverkäufers einzuführen. Gerade dies war politisch aber nicht gewollt. Und so haben wir heute einen Begriff, den am Ende keiner wirklich mag und dessen wahre Hintergründe sich dem Kunden nicht unmittelbar erschließen. Abgesehen hiervon hilft uns das Gesetz aber auch. Interessiert sich ein Kunde für das Modell der Honorarberatung, muss er sich nicht mehr wie in den Jahren davor ausschließlich auf unser Versprechen verlassen, dass wir ihn unabhängig und frei von Drittinteressen beraten, er kann dies vielmehr durch Einsicht in ein öffentliches Register verifizieren. Wer es in das bei der BaFin geführte Register geschafft hat, musste zuvor explizit gegenüber einem Wirtschaftsprüfer nachweisen und durch diesen bestätigt bekommen, dass er die im Gegensatz zum Provisionsvertrieb gesteigerten gesetzlichen Anforderungen erfüllt und sich ausschließlich direkt von dem Kunden bezahlen lässt. Klar ist aber auch, dass der Kunde erst einmal mit uns ins Gespräch kommen muss. Es bleibt weiterhin Aufgabe des Honorarberaters, dem Kunden das Grundproblem, nämlich den der Provisionsberatung innewohnenden Interessenkonflikt zu erläutern. Das Gesetz alleine ist für die Kenntnisvermittlung in keiner Weise ausreichend. Auch nicht für die Verbreitung der Tatsache, dass es eine alternative Beratungsform zur Provisionsberatung – die Honoraranlageberatung – gibt. Denn es besteht keine aktive Ansprache des Kunden durch Kampagnen des Gesetzgebers oder dergleichen. Zwar hatte die BaFin in den ersten Wochen nach Freischaltung des Registers, dieses auf ihrer Startseite verlinkt. Aber auf die Seite der BaFin schauen in

R. Experteninterview mit Dierk Siewert

481

der Regel nur Personen, die sich ohnehin mit dem Thema beschäftigen oder die als geschädigte Anleger auf der Suche nach Hinweisen und Handlungsoptionen sind und hierbei unter Umständen entdecken, dass es mittlerweile sogar die Möglichkeit gibt, sich über den Berater direkt bei der BaFin zu beschweren. Diese Leute entdecken bei ihrer Suche möglicherweise auch das Register. Die Allgemeinheit kennt dieses aber nicht. Nicht zuletzt auch deshalb, weil es mittlerweile auch nicht mehr als Blickfang auf der Startseite verortet ist. Der Gesetzgeber meint hingegen, er habe mit der Schaffung eines öffentlichen Registers genug getan. Hier könne sich nun jeder informieren. Unsere Kunden finden uns regelmäßig über einen anderen Weg. Die meisten unserer Kunden kennen das Prinzip der unmittelbaren Vergütung über Honorare, weil sie häufig als Freiberufler eben genauso bezahlt werden. Diese Kunden wollen ihre Dienstleister in der Regel genauso vergüten, wie sie selbst bezahlt werden. Diesen Kunden muss man den Interessenkonflikt des Provisionssystems grundsätzlich auch nicht mehr erklären, auch wenn sie bei genauer Erläuterung teilweise auch heute nicht erstaunt sind, in welcher Höhe in der Vergangenheit Vergütungen von dritter Seite, quasi hinter ihrem Rücken an ihre ehemaligen Berater geflossen sind. Personen, die skeptisch sind, aber zum ersten Gespräch zu uns kommen, denen kann ich argumentativ und durch Nachweis der Registereintragung ihre Skepsis nehmen. Aber, dass durch das Gesetz aktiv mehr Kunden zu uns kommen, das ist sicher nicht der Fall. Das Gesetz an sich ist durchaus zu begrüßen. Zwar sehen wir im Hinblick auf die MiFID II an einigen Stellen, vor allem bei der Bezeichnung Nachbesserungsbedarf. Es enthält aber auch gute Ansätze wie das Verbot von Festpreisgeschäften. Diese haben unserer Ansicht nach nichts in der Honoraranlageberatung zu suchen. Ein wenig unglücklich waren wir, dass sich das Honorar-Anlageberatungsgesetz, wie es der Name schon sagt, lediglich auf die Anlageberatung beschränkte. Hier ging die Initiative des BMLV seinerzeit deutlich weiter. Allerdings war uns, im Gegensatz zum BMLV damals auch klar, dass es den allwissenden Finanzberater, der auf Honorarbasis zu Wertpapieranlagen, Darlehen und Versicherungen beraten kann, nicht geben wird, nicht geben kann. Die einzelnen Materien sind mittlerweile viel zu komplex und es stellt aus meiner Sicht heute schon eine Herausforderung dar, lediglich in einem Beratungsbereich wirklich gut zu sein und die sich dauert verändernden Märkte und Gesetze im Griff zu behalten. JM: Wie beurteilen Sie die Bereitschaft des Kunden für eine Beratungsleistung zu zahlen? Dies vor allem im Hinblick darauf, dass der Kunde sich nach der Beratung entschließen kann kein Produkt zu erwerben und damit die Dienstleistung ohne „persönlichen Erfolg“ bezahlen muss. Siewert: Der deutsche Kunde ist tatsächlich sehr speziell. Das mag aber auch daran liegen, dass wir in Deutschland jahrelang ein anderes System verfolgt haben.

482

Anhang: Experteninterviews

Denn in diesem wurde dem Kunden über Jahre immer wieder erklärt, dass er die Beratung als Service kostenlos erhalte. Er sieht größtenteils bis heute nicht, was für diesen vermeintlich kostenlosen Service hinter seinem Rücken an den Berater gezahlt wird. Ihm in dieser Situation zu sagen, dass er ab jetzt für einen Service, den er offiziell immer kostenlos erhalten hat, ein Honorar zahlen soll, stößt logischerweise auf Unverständnis. Da ist schon einiges an Aufklärungsarbeit notwendig. Das Honoraranlageberatungsgesetz ist in diesem Punkt leider wenig zielführend, da es den Interessenkonflikt nicht für das breite Publikum transparent macht. Insbesondere liegt dies eben auch an der gewählten Begrifflichkeit. Der europäische Gesetzgeber spricht in MiFID II richtigerweise nicht von der Honorar-Anlageberatung, sondern von der unabhängigen Beratung und stößt den Kunden bereits zu Beginn der Geschäftsbeziehung auf den Kern des Problems. Einen Interessenten zu erklären, warum man als Berater nicht unabhängig ist, ist deutlich komplizierter als zu sagen, dass man für die Beratung kein Honorar nimmt. Stand heute haben wir aber noch den Begriff Honorar-Anlageberatung und so verwundert es auch nicht, wenn Provisionsberater es trotz Lehman-Pleite, zigtausend geschädigter Anleger, fast schon unzähliger Rechtsprechung auch heute noch schaffen ihren Kunden mit einer geschickten Argumentation von den wahren Problemen der Provisionsberatung abzulenken. Ich war schier entsetzt als ich im Sommer 2014 die Kundenanschreiben der Konkurrenz vorgelegt bekam. Durch das Honorar-Anlageberatungsgesetz waren sie gezwungen, nicht nur Neukunden, sondern auch ihren Bestandskunden mitzuteilen, ob sie Anlageberatung in Form der Honorar-Anlageberatung erbringen, oder nicht. Diese Information erfolgte auch, aber in den nächsten Sätzen war plötzlich zu lesen, dass die Beratung auch weiterhin ohne gesondertes Entgelt, „natürlich in der qualitativ hochwertigen Form“ erbracht würde. Die Hinweispflicht wurde also genutzt, um den Kunden geschickt von dem wahren Problem abzulenken. Um es an dieser Stelle ganz deutlich zu sagen. Qualitativ hochwertige Wertpapierberatung kostet Geld. Sie benötigen gut geschulte Berater, die sich ständig weiterbilden müssen. Sie brauchen im Hintergrund weitere Leute für das Research und die permanente Marktbeobachtung. Sie brauchen gute und teure Technik und sie müssen nebenbei auch revisionssicher die in den letzten Jahren hinzugekommenen gesetzlichen Vorgaben erfüllen (insbesondere Bereitstellung von Produktinformationen, Erstellung von Beratungsprotokollen). Alles dies führt dazu, dass gute Beratung Geld kostet. Einem Kunden heute noch das Gegenteil zu vermitteln, halte ich für fahrlässig. Wenn ich heute meinem Kunden sage, unsere Beratung kostet jährlich 1,2 % des betreuten Vermögens ist dies in keiner Weise überzogen. Ich gehe mit jedem Provisionsberater, der wirklich offen seine Kosten und alle Vergütungsbestandteile auf den Tisch legt in den direkten Vergleich. Was der Kunde bei dem Provisionsberater über Umwege zahlt, wird nicht weniger sein, als bei uns, regelmäßig sogar deutlich mehr. Als Honorarberater kann ich aber guten Gewissens sagen, dass ich die Empfehlungen ausschließlich auf objektiver Grundlage ausspreche, selbst wenn das am Ende auch dazu führen kann, dass ich dem Kunden empfehle nichts zu tun und er den „Erfolg“ wie Sie es nennen, wieder ein neues Produkt in seinem Depot zu finden, nicht spürt. Klar, für den Kunden ist gerade auch die Empfehlung, still zu halten und

R. Experteninterview mit Dierk Siewert

483

nicht wieder einer neuen Story hinterherzurennen ungewohnt. Provisionsvertrieb heißt, Geschichten zu erzählen. Immer wieder neue, damit der Kunde zugreift. Dies nicht tun zu müssen ist eine wesentliche Stärke der Honorarberatung, deren Wert Kunde und Berater aber erst nach und nach zu schätzen lernen. Ist der Knoten aber geplatzt, sind sowohl Kunde, als auch Berater für das Provisionssystem verloren. Sie können und wollen nicht mehr zurück. Insgesamt war es ein langer Weg in die Honorarberatung. Bevor wir über die Bereitschaft des Kunden ein Honorar zu zahlen nachdenken, müssen wir uns auch die Beraterseite anschauen. Unser Haus existiert seit 1998, zunächst als auf die Betreuung von wenigen vermögenden Kunden im Raum Berlin spezialisiertes Institut. Bei vermögenden Kunden wird schon relativ lange auf direkte Vergütungskomponenten gesetzt. Vermögende Kunden rechnen nach und sie wollen sehen, wofür sie bezahlen. Häufig diktieren sie ihrem Berater die Konditionen. Wirklich vergleichen konnten sie aber nur, was ihnen der Berater auf der Rechnung unmittelbar auswies. Neben der direkten Vergütung gab es für den Kunden ein mehr oder weniger großes schwarzes Loch. Die Kreativität der Berater, auf welchem Wege sie hinter dem Rücken des Kunden Einnahmen generierten, war groß. Wir haben uns dieses System angesehen und mussten ziemlich schnell feststellen, dass echte Beratung nur funktionieren kann, wenn der Berater nur einem Herren dient. Abhängig sein darf ein Berater aus unserer Sicht nur von den Interessen seines Kunden, deren Wahrnehmung den Kunden dazu bringt, den Berater zu bezahlen. Verfolgt der Berater im Gegensatz hierzu die Interessen eines Dritten, führt dies zu einem unüberwindbaren Konflikt, der im Zweifel zulasten des Kunden geht. Mit diesem Interessenkonflikt wollten wir aufräumen und nebenbei eine echte Honorarberatung für Kunden zugänglich machen, die nicht so viel Vermögen haben, dass sie ihrem Berater die Konditionen diktieren konnten. Von der Idee bis zur Umsetzung war es aber ein durchaus ambitionierter Weg. Derart konsequent war seinerzeit kein anderes Institut. Wir mussten nicht nur den Weg der Kundenansprache neu entwickeln, wir brauchten auch neue Berater. Berater, die die Probleme des Provisionssystems ebenfalls erkannt hatten und so nicht mehr arbeiten wollten. Von dem Willen, zukünftig unabhängig zu beraten bis zum Tagesgeschäft, war es mitunter aber auch ein steiniger Weg. Auch unsere neuen Berater waren schließlich Kinder des Provisionsbankings und mussten zunächst „resozialisiert“ werden. Ein Berater, der es gelernt hatte, Geschichten zu erzählen muss erst lernen, wie er seine Empfehlungen auch ohne diese begründet. Wir mussten also in beide Richtungen wirken; dem Kunden haben wir das wahre Vergütungssystem des Provisionsbankings erklärt und dem Berater, wie er ohne Vorgaben und ausgefeilte Storylines berät. JM: Wird sich der hohe finanzielle Aufwand und auch die aufwändigen Umstrukturierungsmaßnahmen, die gesetzlich vorgeschrieben sind, um die Honoraranlageberatung anbieten zu dürfen, langfristig lohnen?

484

Anhang: Experteninterviews

Siewert: Im Bereich der Wertpapieranlagen mit der Honorarberatung zu starten, ist durchaus eine finanzielle Herausforderung. Die Vereinbarung von Stundensätzen wird von den Kunden praktisch kaum angenommen. Dies ist aus meiner Sicht auch gut zu erklären. Erstens will der Kunde im Zweifel jeder Stunde, die er bezahlt hat, einen konkreten Anlageerfolg zuordnen. Diese Vergütungsform zwingt auch den Honorarberater quasi dazu, in jedem Beratungsgespräch auch eine konkrete Kaufempfehlung auszusprechen. Hierdurch wird ein Druck erzeugt, der den Grundsätzen der unabhängigen Beratung eher abträglich ist. Wir haben daher von Anfang an auf eine kontinuierliche Beratung gesetzt, bei der wir dem Kunden dauerhaft zur Seite stehen und von diesem prozentual auf Basis des betreuten Vermögens bezahlt werden. Diese Form der Bezahlung verschafft beiden Seiten Ruhe. Der Kunde muss sich nicht überlegen, ob und wann er sich an seinen Berater wendet und ungeduldig die Minuten des Beratungsgesprächs zählen und der Berater muss sich nicht jedes Mal krampfhaft überlegen, mit welcher Kaufempfehlung er das Erfolgsbedürfnis des Kunden befriedigt. Dieses Prinzip klingt entspannt, muss in finanzieller Hinsicht aber erst einmal durchgehalten werden. Wenn Sie von einem Kunden für ein Jahr Betreuung am Ende die gleiche Vergütung erhalten, die ein Provisionsberater für den Verkauf einer Anlage upfront bekommt, brauchen sie einen langen Atem. Auf der anderen Seite schaffen sie mit zufriedenen Kunden aber auch ein System, planbarer Einkünfte. Klar waren die ersten Jahre hart und der deutschlandweite Ausbau unseres Filialnetzes hat unsere Aktionäre vor Herausforderungen gestellt. Sie haben aber mit uns an das System geglaubt und wir haben ihnen gezeigt, dass man am Ende mit der von uns gewählten Vergütungsform nachhaltig Erträge erwirtschaften kann. Fairer Weise muss ich aber sagen, dass wir ohne Altlasten gestartet sind. Wir haben die Honorarberatung bei uns aus dem Nichts aufgebaut. Wenn heute eine am Markt etablierte Bank in die Honorarberatung wechseln möchte, sieht sie sich im Gegensatz zu uns zwei Problemen gegenüber. Erstens muss sie die Entscheidung treffen, ob sie zukünftig nur noch Honorar-Anlageberatung oder auch noch Provisionsberatung erbringen möchte. Entscheidet sie sich, beide Varianten anzubieten, muss sie die einzelnen Bereiche funktional, sachlich und vor allem personell trennen. Im Zweifel führt dies zu einen nicht unerheblichen Mehraufwand. Wechselt sie dahingegen komplett in die Honorar-Anlageberatung, verliert sie im Zweifel auch bereits erworbene Ansprüche auf Bestandsprovisionen. Diese Ausfälle sofort mit den Einnahmen aus der Honorarberatung zu kompensieren, wird aus meiner Sicht nicht funktionieren. Diese Bank zahlt also auch erst einmal drauf. Dies mag für Institute mit einer gesunden Kapitaldecke trotzdem eine Option sein, für ein kleines Haus bzw. einen Honorarberater-Einzelkämpfer wird dies schwierig. Aber selbst bei großen Häusern wie der Deutschen Bank oder der Commerzbank, deren finanzielle Lage fast täglich in den Medien diskutiert wird, sehe ich derzeit nicht, wie diese einen solchen Schwenk, sollten sie ihn ernsthaft in Erwägung ziehen, durchhalten könnten.

R. Experteninterview mit Dierk Siewert

485

Deshalb und gerade auch im Hinblick auf die freien Berater haben wir uns von Anfang an auch für Übergangsfristen stark gemacht. Denn diesen ist es finanziell einfach nicht möglich das Modell von der Provisionsberatung auf die Honorarberatung von heute auf morgen umzustellen. Hier sollte ein langsames Ausschleichen der Provisionsberatung möglich sein. Bspw. könnte eine Stichtagsregelung eingeführt werden, die für einen bestimmten Zeitraum die Vereinnahmung von Bestandsprovisionen aus Altverträgen ermöglicht. JM: Glauben Sie, dass in absehbarer Zeit ein vollständiges Provisionsverbot, wie es bspw. in Großbritannien bereits existiert, auch in Deutschland eingeführt wird? Wie beurteilen Sie ein solches Verbot? Bitte begründen Sie Ihre Entscheidung. Siewert: Wir haben uns immer für ein solches Verbot stark gemacht. Aber ich glaube nicht, dass es kommen wird. Die Einführung der Honorarberatung als gesetzliche Alternative war schon ein großer Erfolg.

II. Honoraranlageberatung im Detail JM: Ist der Kunde Ihrer Ansicht nach durch die Aufklärung, welche Beratungsform im Folgenden erbracht wird, gem. § 31 Abs. 4b WpHG hinreichend über das Bestehen einer Wahlmöglichkeit zwischen den Beratungsformen und über die bestehenden Unterschiede sowie über den Interessenkonflikt in der Provisionsberatung aufgeklärt? Kennen die Kunden Ihrer Ansicht nach die Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Beratungsformen schon vor Ihrer Aufklärung und wenn nicht, was glauben Sie woran dies liegt? Siewert: Nein, der Kunde kennt meines Erachtens nicht die Unterscheidung zwischen der Provisions- und der Honorarberatung bzw. genauer gesagt, er kennt den hinter der Provisionsberatung stehenden Interessenkonflikt nicht. Das liegt meines Erachtens auch daran, dass dem Kunden bei der Aufklärung über die im Folgenden zu erbringende Beratungsform nur mitgeteilt wird: „Wir erbringen keine Honoraranlageberatung.“ Das nimmt der Kunde aber überhaupt nicht auf. Denn schließlich hat er noch nie für seine Beratung eine Gebühr bezahlt, wieso sollte er dies jetzt tun. Insbesondere die Aufklärungen der Altkunden zum 01. 08. 2014 waren teilweise völlig konträr zum eigentlichen Sinn der Aufklärung. So lasen sich die Erklärungen teilweise so, dass keine Honorarberatung angeboten wird und dies durchweg nur positiv für den Kunden sei. Hier bräuchte es, wie in der MiFID II vorgesehen, eine klarere Begrifflichkeit, nämlich die der unabhängigen Beratung. Würde dem Kunden zu Beginn mitgeteilt, dass er keine unabhängige Beratung im Folgenden erhält, würde dieser in den meisten Fällen doch hellhörig und zumindest nachfragen: „Wie meinen Sie das? Nicht unabhängig?“ Dann kämen die Berater teilweise in Erklärungsnot und der

486

Anhang: Experteninterviews

Kunde würde anfangen nachzudenken. Denn eine abhängige Beratung positiv darzustellen ist deutlich schwieriger als mitzuteilen, dass man keine Honorarberatung erbringt, bei der der Kunde hauptsächlich das Wort Honorar wahrnimmt und nicht die dahinterstehende Unabhängigkeit. Nach unserer Ansicht müsste das aufgrund der Vorgabe in der MiFID II auch dementsprechend umgesetzt werden. Die Gleichsetzung per Definition, die der erste Referentenentwurf vorsah, ist hierfür nicht ausreichend. Es ist zwar richtig, dass auch der Begriff „unabhängig“ durch Vorfälle wie bspw. Herrn Maschmeyer mit AWD negativ besetzt ist. Es bleibt jedoch ein Signalwort. Und letztlich werden Sie nie ein Wort finden, welches ausschließlich positiv besetzt ist und sich nicht missbrauchen ließe. JM: Wie beurteilen Sie das weitergehende Provisionsverbot auf nationaler Ebene für die Honoraranlageberatung, als das durch die MiFID II vorgesehene? (Auf europäischer Ebene dürfen weiterhin nicht monetäre Vorteile – bspw. Produktschulungen und Materialien durch den Emittenten – angenommen werden, nach dem WpHG nicht) Siewert: Grundsätzlich ist ein Verbot von allem was den Berater beeinflusst nicht ausschließlich im Kundeninteresse zu handeln, also auch nicht-monetäre Vorteile, sehr gut. Jedoch gibt es in Deutschland keine offizielle Bagatellgrenze. Wir haben an dieser Stelle stark rotiert, um die bestmögliche Handhabung zu finden und lehnen deshalb alles ab. Die Eintragung in das Register zu erhalten war sehr aufwendig und diese wollen wir auf keinen Fall durch die Annahme auch nur kleinster Geschenke, bspw. in Form von einer Cola auf einer Veranstaltung oder durch die Zusendung eines Taschenkalenders im Wert von fünf Euro, verlieren. Hier mag man zwar keine tatsächliche Beeinflussung feststellen, aber nach Gesetzestext sind alle nicht-monetären Vorteile verboten. Das führt in der Praxis tatsächlich zu teilweise absurden Situationen. Gehen wir bspw. zu Produktschulungen, so klären wir im Vorfeld ab, dass wir hierrüber eine Rechnung erhalten. Auch wenn alle anderen diese kostenlos erhalten. Ebenfalls die Bewirtung muss in Rechnung gestellt werden. Dies stößt teilweise bei den Emittenten auf Unverständnis, aber auch auf das praktische Problem der Berechnung. Denn auch bei der Rechnung bleibt immer ein Graubereich. Denn ein exakter Wert der empfangenen Leistungen ist nicht immer ermittelbar. Vor allem, was nehmen Sie als Berechnungsgrundlage? Den Marktpreis einer Tasse Kaffee, und wie sieht es aus wenn mit dem Veranstalter eine Getränkepauschale vereinbart wurde? Das erste Weihnachten nach Einführung des Honoraranlageberatungsgesetzes hat uns bspw. auch vor eine echte Herausforderung gestellt. Bei großen Paketen ist es selbstverständlich, dass diese zurück geschickt werden. Da wir als Honoraranlageberater auftreten und damit unabhängig sind, wissen dass die Versender auch. Aber wo ziehen Sie hier die Grenze? Wir sind aufgrund der fehlenden Bagatellgrenze so

R. Experteninterview mit Dierk Siewert

487

verfahren, dass wir jedes Paket neu frankiert und zurück geschickt haben. Und war es auch nur der kleine Taschenkalender. Im nächsten Jahr war es dann deutlich weniger. Aber alleine der administrative Aufwand und auch das Porto sind zusätzliche Kosten, die wir tragen. Hier haben wir aber eine Anfrage an die BaFin gestellt. Diese hat zwar keine offizielle Regelung zu diesem Problem heraus gegeben, dennoch uns mitgeteilt, dass § 31 Abs. 4c Satz 1 Nr. 2 WpHG der Annahme geringwertiger Geschenke oder einfacher Bewirtungen durch Mitarbeiter eines Wertpapierdienstleistungsunternehmens, das Honorar-Anlageberatung erbringt, unter bestimmten Voraussetzungen nicht entgegenstehe. Voraussetzung dafür sei aber, dass das Wertpapierdienstleistungsunternehmen seine Zuwendungsregelungen in einer unternehmensintern Zuwendungsrichtlinie festgelegt. Darin sei neben der Bagatellgrenze selbst auch zu regeln, welche Meldepflichten bei Annahme von geringfügigen Leistungen durch Mitarbeiter im Einzelfall bestehen und ob gegebenenfalls für einen Zeitraum eine Gesamtzuwendungsobergrenze gilt. Ziel der Zuwendungsrichtlinie müsse insgesamt sein, die Wahrung der in § 31 Abs. 4 c und 4 WpHG niedergelegten Kriterien der Honorar-Anlageberatung in Wort und Sinn sicherzustellen. Im Ergebnis könne hiernach im Einzelfall durchaus auch die Annahme von kleinen Sachobjekten (Thema Kalender) und einfachen Erfrischungsgetränken oder Speisen (Ausnahme aber schon wieder Wein, wegen der unterschiedlichen Preisklassen) mit der gesetzlichen Regelung vereinbar sein. Bei Informationsleistungen (Thema Produktschulungen, Informationsveranstaltungen) müsse aber in jedem Einzelfall geprüft werden, ob deren Wert tatsächlich gering ist. Das ist aus unserer Sicht in der Regel zu verneinen. Kurzum, die BaFin scheint am Ende eine Bagatellgrenze zu akzeptieren, wenn das interne Regelwerk der Bank entsprechend klar ausdifferenziert ist und sichergestellt ist, dass der Sinn des Gesetzes nicht ausgehebelt wird. JM: Sind Produktschulungen denn nicht auch für die Beratungsqualität wichtig? Bzw. müssten Sie ohne diese mehr Zeit und Aufwand in die Recherche investieren, so dass hier entweder der Berater weniger informiert ist, oder aber zusätzlicher Aufwand anfällt, den der Kunde über das Honorar tragen muss? Siewert: Also zunächst sind Produktschulungen des Emittenten in der Regel Verkaufsveranstaltungen. Hier ist es durchaus ein merkwürdiges Gefühl für etwas zu bezahlen, wenn man diese auch kostenlos besuchen könnte. Allerdings muss eine solche Schulung nicht einseitig sein. Denn hier habe ich, anders als bei der reinen Datensuche über diverse Informationsmedien, die Möglichkeit in einen direkten Dialog mit dem Emittenten zu treten und auch kritische Fragen zu stellen. Zudem erhalte ich innerhalb von kürzester Zeit eine Menge Informationen entsprechend für mich aufbereitet, die ich mir anderenfalls erst hätte zusammen suchen müssen. Zudem merke ich relativ schnell, wo der jeweilige Nachteil an einem Produkt sein kann; so bspw. wenn der Emittent auf gezielte Nachfragen schweigt. Wir gehen gelegentlich auch auf solche Produktschulungen, allerdings wie eingangs bereits

488

Anhang: Experteninterviews

gesagt, nur gegen Kostenübernahme durch uns. Da es durchaus sein kann, dass die Informationsbeschaffung auf anderem Wege deutlich länger wird und der Beratungsapparat dadurch teurer. JM: Für die Durchführung der Honoraranlageberatung und der Provisionsberatung innerhalb eines Unternehmens schreibt das WpHG eine personelle, funktionelle und sachliche Trennung der beiden Bereiche vor. Bis zu welcher Ebene bedarf es einer personellen Trennung? Siewert: Da wir ausschließlich die Honorarberatung anbieten, mussten wir uns deshalb darüber keinerlei Gedanken machen. Aber bspw. die Consorsbank ist, glaube ich, momentan die einzige Vollbank, die beide Bereiche anbietet. Hier habe ich mich tatsächlich bereits einmal gefragt wie dort die Trennung vollzogen wird. Sie wird definitiv da sein, daran zweifle ich auch überhaupt nicht. Nicht zuletzt sind sie im Register eingetragen und haben auch über die Trennung entsprechende Nachweise bei der BaFin einreichen müssen. Aber die organisatorischen Feinheiten finde ich spannend. Allerdings glaube ich, dass es für eine Bank wie bspw. die Consorsbank einfacher ist, die Trennung umzusetzen. Denn hier könnte man einfach bestimmte Berater räumlich separieren und nur noch die Honorarberatung durchführen lassen. Denn nach dem Geschäftsmodell gibt es keinen direkten Kundenkontakt. Dieser findet ausschließlich telefonisch statt. Den Rest kann man durch die Einführung von Chinese Walls erreichen. Wie ich allerdings bspw. im Filialbetrieb, insbesondere in kleineren Banken, die Berater aufteilen soll bzw. in jeder Filiale noch zusätzliche Honorarberatung anbieten soll, wüsste ich auch nicht. Vor allem mit der Erfahrung hinsichtlich des finanziellen Aufwands, den die Einführung einer solchen Beratung mit sich bringt, und der teilweise doch schwierigen Finanzsituation der einzelnen Häuser macht dies auch wenig Sinn. Mal abgesehen von der Kundenbeziehung zum Berater. JM: Ist ein Bezeichnungsschutz, wie ihn § 36d WpHG für die Honoraranlageberatung einführt, indem die Bezeichnung „Honorar-Anlageberater“, „HonorarAnlageberaterin“, „Honorar-Anlageberatung“ oder „Honoraranlageberater“, „Honoraranlageberaterin“, „Honoraranlageberatung“ nur Unternehmen führen dürfen, die bei der BaFin unter Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen im Honoraranlageberatungsregister registriert sind, sinnvoll? Siewert: Zunächst einmal ist auf europäischer Ebene gar kein solcher vorgesehen. Dieser zusätzliche Schutz ist vom deutschen Gesetzgeber zwar gut gemeint, kreiert jedoch dabei ein Wortungetüm, welches für den täglichen Gebrauch oder im Umgang mit dem Kunden zu sperrig ist. Die im Regelungsbereich der Gewerbeordnung zwischenzeitlich auch von namhaften Juristen vertretene Auffassung, dass ein Honorar-Finanzanlagenberater, als gewerberechtliches Pendant zum Honorar-Anlageberater nach KWG im Gegensatz zu dem regelmäßig auf Provisionsbasis tätigen Finanzanlagenvermittler nur beraten, die Empfehlung am Ende durch Vermittlung des empfohlenen Produkts nicht umsetzen könne, war und ist aus meiner Sicht völlig abwegig. Das war vom

R. Experteninterview mit Dierk Siewert

489

Gesetzgeber nie intendiert. Warum hätte ansonsten gesetzlich geregelt werden sollen, dass auch der Honorar-Finanzanlagenberater erhaltene Provisionen unverzüglich und ungemindert an den Kunden auskehren muss? Rechtlich war die genannte Auffassung daher aus meiner Sicht in keiner Weise haltbar, allein die, entschuldigen Sie bitte die scharfen Worte, schludrige Wortwahl des Gesetzgebers hat ermöglicht, dass eine solch absurde Diskussion aufkommen und Berater und Kunde verunsichern konnte. Leider ist dies jedoch kein Einzelfall. Vieles, was der Gesetzgeber in Folge der Finanzkrise auf den Weg gebracht hat, war nach meinem Dafürhalten mit heißer Nadel gestrickt. Ich erinnere mich hier auch noch gut an den ersten Vorstoß zur Regelung der Honorarberatung, seinerzeit noch ausschließlich auf Grundlage der Gewerbeordnung. In dem entsprechenden Gesetzesentwurf war zu lesen, dass Provisionen nicht angenommen werden dürfen. Wie soll eine Provision an den Kunden weitergereicht werden, die nicht angenommen werden darf? Nicht das Annehmen, sondern das Vereinnahmen ist das Problem. Sie sehen, ein kleines falsches Wort und schon haben Sie eine komplette Verwirrung und ein Gesetz, welches praktisch nicht durchführbar ist. Auch wenn wir per Definition Honorar-Anlageberater sind, bezeichnen wir selbst regelmäßig nur als Honorarberater bzw. als unabhängiger Berater. Diese Begriffe sind eingängiger bzw. spiegeln deutlich schärfer wider, was wir wirklich machen. Was die Begrifflichkeiten anbelangt, mussten aber auch wir erst lernen. Am Anfang waren wir auch der Auffassung, mit der Wahl der Bezeichnung „Honorarberatung“ unser Geschäftsmodell unzweifelhaft zu beschreiben. Wenn es sich aber nicht um einen Kunden handelt, der mit dem Honorarmodell bestens vertraut ist, insbesondere dann, wenn er sich selbst so bezahlen ist, bauen Sie mit der begrifflichen Reduzierung des Beratungsansatzes auf die Form der Vergütung unnötige Hürden beim Kunden auf. Überdies wird das Wort Honorar häufig mit „teuer“ gleichgesetzt. Dieses Problem scheint auch der europäische Gesetzgeber erkannt zu haben. Vor der endgültigen Verabschiedung der MiFID II gab es in Deutschland bereits die gesetzliche Verankerung der Honorar-Anlageberatung. Diese Tatsache hat ihn aber nicht dazu verleitet, die von ihm gewählte Bezeichnung zu überdenken bzw. zu ändern. Er war also anscheinend der Auffassung, dass der Begriff „Independent Advice“ die Sache treffender beschreibt. Dieser Wertung kann ich mich nur anschließen. Ich wünsche mir sehr, dass wir auf nationaler Ebene hier keinen Sonderweg gehen, sondern die europäischen Vorgaben eins zu eins umsetzen. JM: Wie kann sichergestellt werden, dass eine „hinreichende Anzahl am Markt angebotener Finanzprodukte, die für den Anleger geeignet sind“ für die Empfehlung für den jeweiligen Kunden analysiert und ausgewertet wurden? Siewert: Das Finanzuniversum ist tatsächlich sehr groß und hat eine auf den ersten Blick unfassbare Palette an unterschiedlichsten Produkten zu bieten. Das stimmt. Daher ist man im ersten Moment bei den Ermittlungs- und Bewertungskriterien, die ESMA aufstellt und nun vom deutschen Gesetzgeber übernommen wurden, tat-

490

Anhang: Experteninterviews

sächlich „erschlagen“. Vor allem, wenn man bedenkt, dass der nationale Gesetzgeber den aktuellen Gesetzestext erst kurz vor Inkrafttreten durch das Merkmal des hinreichenden Marktüberblicks ergänzt hat. Denn erst kurz zuvor hatte ESMA ihr Consultationpaper mit der entsprechenden Erwartungshaltung veröffentlicht. Um eine Lösung für den Auswahlprozess zu finden muss man sich zunächst völlig frei machen von dem Gedanken, wie diese Herausforderung umgesetzt werden kann bzw. dass dies unmöglich sei. Dabei fängt man mit einem weißen Blatt Papier an und schaut sich den Markt genauer an – erst ganz grob dann immer feiner. Hier ist vor allem fest zu halten, dass wir völlig frei sind von Einflüssen aus Provisionen und entsprechenden Verkaufszielen. Wir können uns den Markt ganz objektiv anschauen und nach eben solchen Kriterien auch bewerten – also ganz ohne Seilschaften, Provisionen, Gefallen, Verkaufsdruck oder ähnlichem. Letzten Endes bildet man eigentlich so etwas wie eine Matrix, ob als Excel-Tabelle oder mit Finanzmarktsystemen. Hierfür schaut man sich an, welche Produktgruppen auf dem Markt angeboten werden und wie man diese objektiv bewertet. Hierfür schreibt man pro Kategorie Pro- und Kontrapunkte auf, die man im Laufe der Betrachtung immer weiter verfeinert. Auf diese Weise wird der Markt bis hin zu den einzelnen Produkten aufgeschlüsselt. Letztlich gelangt man so zu seinem eigenen Finanzuniversum. Für die Entscheidung, welche Produkte darin enthalten sind, hat man durch die Vorüberlegungen gute Gründe, die regelmäßig dann auch die wesentlichen Gründe der Empfehlung im Beratungsgespräch mit dem Kunden darstellen. Hat man sich auf diese Weise seine mit objektiven Kriterien ausdifferenzierte Entscheidungsmatrix und dieser folgend sein Beratungs- und Produktuniversum geschaffen, gilt es nur noch, den Kunden und seine Wünsche genau zu analysieren und beide Ebenen miteinander zu verbinden. Erstaunlich an dieser Übung ist, dass für jede Kategorie am Ende gar nicht mehr so viele Finanzinstrumente in Frage kommen. Es gibt Instrumentengruppen, bei denen aus dem großen Universum am Ende nur eine Handvoll den Prüfkriterien standhalten und aus unserer Sicht für eine Empfehlung in Betracht kommen. Ein solches System zu entwickeln ist zugegebenermaßen nicht leicht und braucht seine Zeit. Zudem muss dies ständig überprüft werden. Nicht nur hinsichtlich neuer Produkte und neuer Erkenntnisse über Produktkategorien. Denn wir können immer nur den aktuellen Markt mit den aktuellen Erkenntnissen abbilden. Vielleicht wissen wir in 10 Jahren auch andere Dinge über ETFs, die wir aus heutiger Sicht gut finden, und aufgrund dessen anders bewerten würden. Nehmen wir beispielsweise Staatsanleihen. Vor 10 Jahre hätte sich keiner eine derartige Entwicklung vorstellen können. Oder gar, dass Staaten insolvent gehen können. Wir müssen aber auch laufend unser Bewertungssystem hinterfragen und ggf. anpassen. Es kann auch hier gut sein, dass wir aufgrund neuer Erkenntnisse und wirtschaftlicher Veränderungen in 10 Jahren unser jetziges System einmal vollständig auf den Kopf gestellt haben. Es ist mithin wirkliche Fleißarbeit.

R. Experteninterview mit Dierk Siewert

491

Aber nur so haben wir die Möglichkeit eine wirkliche Beratung zu liefern und keinen Verkauf von Finanzprodukten als Beratung zu deklarieren, wie es aktuell der Fall ist. Denn mit Beratung hat das, was derzeit in den Banken passiert, in vielen Fällen eigentlich gar nichts zu tun. Würde man die Beratung so durchführen wie sie tatsächlich im WpHG vorgesehen ist und ein für den Kunden geeignetes Produkt heraussuchen, bräuchte es solche Vorschriften, wie ein Beratungsprotokoll – welches in der heutigen Form auch eher der Bank zur Absicherung dient, als dem Kunden nutzt – überhaupt gar nicht. Dementsprechend haben wir uns auch dafür eingesetzt, die Terminologie im WpHG stärker auszudifferenzieren und Produktverkäufer eben gerade nicht Berater zu nennen. Für eine solch deutliche Sprache ist aber der Einfluss der Provisionslobby zu groß, das ist nicht durchsetzbar. Für mich zeigt das Matrixsystem sehr deutlich, dass wir die Begründungsleistung bereits im Vorfeld erbringen. Wir empfehlen ein Produkt aufgrund vollständig objektiver Betrachtung. Es ist somit ein Leichtes dem Kunden diese Gründe nun auch schriftlich an die Hand zu geben. Ebenso wäre auch hier eine Beweislastumkehr zu befürworten. Denn ich als Berater habe mir entsprechend Gedanken gemacht, die ich darlegen kann. Es ist meine Aufgabe den Kunden zu beraten und abzuwägen, also ist die Beweislastumkehr auch nur folgerichtig. Denn die Überlegungen, die ich zum Zeitpunkt der Empfehlung angestellt habe, kann ich nachweisen. Es würde damit ein weiterer Anreiz geschaffen ordentlich zum Wohle des Kunden zu beraten. Vor allem bin ich aufgrund dieser Matrix und meiner Unabhängigkeit auch in der Lage dem Kunden ehrlich zu sagen, dass es meines Erachtens für ihn in seiner aktuellen Situation wenig Sinn macht Finanzprodukte zu erwerben und er bspw. mit einem Sparplan o. ä. besser zurechtkommt. JM: Wie beurteilen Sie die Ausnahme für die Annahme von Provisionen auch in der Honorarberatung für solche Produkte, für die es kein gleichgeeignetes Ersatzprodukt gibt und nicht ohne Provisionen zu beschaffen ist? Gibt es Ihrer Ansicht nach so etwas wie ein gleichgeeignetes Finanzprodukt? Siewert: Klare Antwort, nein. Ein Honorar-Anlageberater, der auf Basis der beschriebenen Entscheidungsmatrix die grundsätzlich zur Empfehlung geeigneten Finanzinstrumente auswählt, muss praktisch zu keinem Zeitpunkt vor die Wahl gestellt werden, ob er sich nicht doch lieber für ein Provisionsprodukt entscheidet. JM: Ist die Möglichkeit gegeben, dass ein Produkt nicht ohne Provisionen zu erwerben ist, da die Provisionszahlung doch ausschließlich auf einer Vereinbarung mit dem Emittenten beruht? Siewert: Grundsätzlich braucht es am Finanzmarkt überhaupt keine Produkte, die Provisionen enthalten. Die Produkte haben schließlich die gleiche Konstruktion und ihre Vor- und Nachteile, wenn die Provision einfach entfiele. Diese wird lediglich von dem Emittent hinzugefügt. Interessiert uns im Einzelfall aber auch mal ein Provisionsprodukt, treten wir an den Emittenten heran und fragen, ob er nicht eine provisionsfreie Tranche hat oder eine solche auflegen möchte. Ist er hierzu nicht

492

Anhang: Experteninterviews

bereit, muss das jeweilige Produkt schon so gut sein, dass es von uns trotzdem eingesetzt wird. Aus meiner Sicht wird dies nur dann der Fall sein, wenn nur dieses eine spezielle Produkt einen bestimmten Markt bzw. eine spezielle Anlagestrategie abbildet. JM: Wird auf diese Art und Weise ggf. ein zusätzlicher Anreiz für den Anleger geschaffen, ein Produkt zu erwerben, welches nur mittels Provision zu erlangen ist, um durch die Auskehrung der Provision an ihn die Beratungskosten insgesamt zu senken? Letztlich läge in diesem Fall dann keine von einer Provision unabhängige getroffene Anlageentscheidung vor. Siewert: Es war in der Tat so, dass wir in unseren Anfängen damit geworben haben, dass wir die Provisionen eins zu eins weiterleiten. Das war lange vor der gesetzlichen Regelung und zudem musste auch kein gleich geeignetes Produkt vorliegen. Die Auskehr der Provisionen an den Kunden war damals mit einem ziemlichen administrativen Aufwand verbunden, da wir uns durch unsere Wirtschaftsprüfer bestätigen ließen, dass wir wirklich alle Provisionen vollständig weiter geben. Hier kamen dann Kunden und verlangten die merkwürdigsten Produkte für die sie dann mit Erwerb gleich die eingerechnete Verkaufsprovision gutgeschrieben bekamen. An einen Kunden erinnere ich mich besonders gut, da ich vor kurzem noch einmal in die Unterlagen geschaut habe – denn auch damals, lange vor den besonderen Protokollpflichten, haben wir die Gespräche schon schriftlich festgehalten. Dieser wollte unbedingt in einen Schiffsfonds investieren und die Provision erhalten. Natürlich haben wir hier zunächst interveniert und ihm erklärt, dass das Produkt eigentlich nicht für ihn passen würde – mittlerweile wissen wir ja alle was mit den Schifffonds passiert ist. Aber wenn der Kunde unbedingt ein Produkt erwerben möchte, dann sind wir ihm auch dabei behilflich. Dieser zeichnete also für einen knackigen Betrag den Schiffsfonds und hatte quasi in diesem Augenblick bereits 5.000 Euro wieder zurück gewonnen aufgrund der durchgereichten Provision. Da hat er sich natürlich zunächst gefreut. Am Tagesende war das Geschäft aber doch negativ für ihn, denn der Fonds hat natürlich nicht so performt, wie es der Kunde erwartet hatte. Allerdings sind dies die absoluten Ausnahmen und kamen in den letzten Jahren auch gar nicht mehr vor. Festzuhalten ist auch, dass durch die neue Gesetzgebung, die die Auskehr der Provisionen auch nur für den Fall erlaubt, dass es kein gleichgeeignetes Produkt ohne Provisionen gibt und diese Situation nur einen verschwindend geringen Prozentsatz ausmacht. Insgesamt ist also zu sagen, dass wir eigentlich keine Provisionen in Finanzprodukten brauchen und die Ausnahme in der Praxis so gut wie nicht existent ist. JM: Gibt es denn eine wirklich unabhängige Beratung, oder besteht nicht auch hier bspw. aufgrund der Vertriebsstruktur bei dem einzelnen Berater ein Verkaufsdruck oder gar eine Manipulationsmöglichkeit bei den Stundensätzen?

R. Experteninterview mit Dierk Siewert

493

Siewert: Das Beispiel mit den Stundensätzen hören wir leider immer wieder. Ja, es ist richtig, dass hier auch die Möglichkeit besteht besonders lange zu beraten – mehr als vielleicht manchmal sinnvoll ist –, um mehr Stundenlohn zu gerieren. Wie bereits ausgeführt, ist die Umstellung auf die Honorarberatung ein enormer finanzieller Aufwand, so dass die Idee für den ein oder anderen auch nahe liegend ist. Allerdings macht das ihr Kunde nicht lange mit. Sie können ihm keine großen Honorare in Rechnung stellen ohne ein entsprechendes Ergebnis zu liefern. Die Kunden hinterfragen schon sehr genau, welche Leistung sie für ihr Honorar erhalten haben und ob es das wert war. Langfristig kann dies also nicht funktionieren. Mithin schaden Sie sich selber. Zudem ist es zwar auch richtig, dass wir solche Stundensätze als Zahlungsoption anbieten, aber dies ist nur eine von vielen Optionen und wird nur ganz vereinzelt nachgefragt. Deutlich beliebter ist die Variante, dass wir Prozente am Volumen erhalten. Mithin müssen wir alleine aus diesen Gründen schon langfristig im Sinne des Kunden planen. Denn wenn dieser nach einem halben Jahr nicht mit unserer Performance zufrieden ist, haben wir je nach Vereinbarung einen Verlust gemacht. Ein weiterer Aspekt ist, dass bei der volumenorientierten Bezahlung der Anreiz zu vielen Transaktionen oder Umschichtungen im Depot entfällt. Zum einen erhalten wir nicht die dabei üblichen Provisionen. Zum anderen erhalten wir auch keine Transaktionsgebühr und zudem auch kein größeres Honorar, da der Grundbetrag letztlich gleich bleibt. Im Gegenteil verursachen wir uns durch die mit solchen Umschichtungen verbundenen administrativen Anforderungen, wie bspw. Protokolle anzufertigen, zusätzliche Arbeit, die letztlich nicht honoriert wird. Daher sind wir von Anfang an gezwungen die Ziele unseres Kunden langfristig nach seinen Wünschen umzusetzen. Wir schneiden uns zwar damit die Kunden ab, die immer mal wieder kurz hier einsteigen und morgen schon wieder in eine andere Anlage investieren. Aber diese sind auch nicht die Kunden, die man im Rahmen einer strategischen Anlageberatung sinnvoll betreuen kann JM: Herr Siewert, ich danke Ihnen für das Gespräch.

494

Anhang: Experteninterviews

S. Experteninterview mit Dirk Stachowiak Position: Repräsentanz für Deutsche Vermögensberatung in Leverkusen Persönliches Interview am 12. 04. 2017 von 15:45 – 17:15 Uhr

I. Honoraranlageberatung allgemein JM: Hat sich Ihrer Ansicht nach die Honoraranlageberatung oder die Provisionsberatung oder gar beide Beratungsformen seit der Einführung der Honoraranlageberatung als gesetzliche Alternative zur Provisionsberatung verändert und wenn ja, inwiefern? Können Sie ein verstärktes Interesse der Kunden an der Honoraranlageberatung feststellen und wenn ja, wie äußert sich dieses? Stachowiak: Dies muss ich ganz klar mit nein beantworten. Weder ist Konkurrenz in Form der Honoraranlageberatung gewachsen, noch hat sich die Situation zu Mitbewerbern verändert. Auch fragen die Kunden nicht nach der Honoraranlageberatung. JM: Wie beurteilen Sie die Bereitschaft des Kunden für eine Beratungsleistung zu zahlen? Dies vor allem im Hinblick darauf, dass der Kunde sich nach der Beratung entschließen kann kein Produkt zu erwerben und damit die Dienstleistung ohne „persönlichen Erfolg“ bezahlen muss. Stachowiak: Meiner Meinung nach ist die Bereitschaft des Kunden ein Honorar für die Beratungsleistung zu bezahlen sehr gering. In der Vorbereitung für dieses Interview bekam ich von 10 Kunden auf die Frage: „Hättest Du Dich von mir auch beraten lassen, wenn ich Dir dafür eine Rechnung ausgestellt hätte?“ 10-mal ein „Nein“ als Antwort bekommen. Ich berate nun seit 17 Jahren Kunden hinsichtlich sämtlicher finanzieller und versicherungstechnischer Angelegenheiten und habe derzeit ca. 900 Kunden, aber bislang wurde ich noch nie gefragt, ob ich auf Honorarbasis arbeiten könnte. Daher schätze ich, dass ca. 90 Prozent aller Kunden auch kein Beratungshonorar bezahlen wollen, ohne dass ein Abschluss erfolgt ist. JM: Wird sich der hohe finanzielle Aufwand und auch die aufwändigen Umstrukturierungsmaßnahmen, die gesetzlich vorgeschrieben sind, um die Honoraranlageberatung anbieten zu dürfen, langfristig lohnen? Stachowiak: Nein, meines Erachtens werden sich diese Bemühungen auch langfristig nicht rentieren. Nehmen Sie bspw. die geplante PKW-Maut. Diese war seitens der Experten von Anfang an als negativ, unrentabel und rechtlich schwierig bewertet worden und damit zum Scheitern verurteilt. Und dennoch wurde diese durchgesetzt. Dieses Vorgehen ist für mich vergleichbar mit der Einführung der Honoraranlageberatung. Wir werden sehen ob und wie sich diese entwickelt. Zudem ist für mich auch der Ansatzpunkt dieses Gesetzes bzw. der Alternative nicht ganz nachvollziehbar. Denn in beiden Beratungsformen gibt es sehr gute

S. Experteninterview mit Dirk Stachowiak

495

Berater, die ihren Kunden die perfekt zu ihnen passenden Produkte liefern, und schwarze Schafe. Der Ansatz der Vergütung trägt meines Erachtens nicht. Vielmehr muss auch der Mensch dahinter betrachtet werden. Denn schwarze Schafe werden auch durch das Honoraranlageberatungsgesetz nicht aussortiert. Ich finde, die kleine Geschichte vom Brotmesser ganz gut, um die Problematik zu verdeutlichen. In dieser schneidet der Mann in der Küche mit seinem japanischen Brotmesser einen frischen Laib Brot. Weil das Messer so extrem scharf und gut verarbeitet ist gelingt dies hervorragend und ganz ohne Mühe. Nun kommt seine Frau nach Hause und ohne zu zögern ersticht er diese mit dem scharfen Brotmesser. Nun ist die Frage: Wer ist schuld? Ist es das Brotmesser, weil es aufgrund seiner perfekten Klinge auch ein Ideales Tötungsinstrument ist, oder der Mann, weil er das Messer dazu Missbraucht hat? Ich erzähle diese Geschichte immer, wenn mir jemand sagt, die Gesellschaft, das System, oder das Produkt (das Brotmesser) ist schlecht. JM: Glauben Sie, dass in absehbarer Zeit ein vollständiges Provisionsverbot, wie es bspw. in Großbritannien bereits existiert, auch in Deutschland eingeführt wird? Wie beurteilen Sie ein solches Verbot? Bitte begründen Sie Ihre Entscheidung. Stachowiak: In Großbritannien konnten wir verfolgen, dass das Provisionsverbot zu einem Rückgang der Beratung und damit zu einer schlechteren Versorgung der breiten Bevölkerung mit Produkten für die Altersversorgung etc. geführt hat. Dies kann keines Falls Ziel des deutschen Gesetzgebers sein. Daher glaube ich nicht, dass ein solches künftig in Deutschland umgesetzt wird. JM: Glauben Sie, dass möglicherweise entstehende Beratungslücken bei einem vollständigen Provisionsverbot durch die Einführung von neuen Beratungsformen, wie bspw. dem Robo-Advice in den USA (einer auf die einzelnen Kundengruppen zugeschnittene automatische Beratung) geschlossen werden können? Stachowiak: Die zuvor aufgezeigte Beratungslücke kann meines Erachtens nicht mittels elektronischer Devices geschlossen werden. Zum einen haben wir die ältere Generation, die noch nicht einmal ein E-Mail-Postfach besitzt. Diese werden mit großer Wahrscheinlichkeit künftig nicht einem Robo-Advisor vertrauen. Aber auch die jüngere Generation, wird nicht zwangsläufig, nur weil sie technikafin ist, diese Beratungsform wählen. Denn im Prinzip handelt es sich bei der jüngeren Generation um User. Diese wollen ihr iPhone, ihre Laptops etc. benutzen, interessieren sich aber nicht für deren Funktionsweise. Wenn die technischen Geräte nicht mehr funktionieren, beschäftigt sich keiner wirklich mit der Problembehebung, sondern man sucht sich Rat bei jemandem, der sich damit auskennt. Der Gründer der Deutschen Vermögensberatung Dr. Reinfried Pohl hat dies mit den Worten: „Der Mensch braucht den Menschen.“ treffend zusammen gefasst. Das trifft auch auf den Robo-Advice zu. Denn eine ordentliche Beratung und eine entsprechende zielorientierte Kundenentscheidung ist nur dann erfolgversprechend, wenn der Kunde versteht worum es geht, was die Unterschiede sind und warum man wie darauf reagiert und welche Produkte deshalb sinnvoll sind. Dementsprechend

496

Anhang: Experteninterviews

muss ich für jeden Kunden individuell die Beratung, aber auch die Form der Erklärung, also wie ich dem Kunden das Wissen vermittle, anpassen. Das kann ein Robo-Advice nicht leisten.

II. Honoraranlageberatung im Detail JM: Ist der Kunde Ihrer Ansicht nach durch die Aufklärung, welche Beratungsform im Folgenden erbracht wird, gem. § 31 Abs. 4b WpHG hinreichend über das Bestehen einer Wahlmöglichkeit zwischen den Beratungsformen und über die bestehenden Unterschiede sowie über den Interessenkonflikt in der Provisionsberatung aufgeklärt? Stachowiak: Nein, das ist der Kunde meines Erachtens nicht. Hier ist aber anzumerken, dass bspw. ein „Wegweiser Finanzberatung“ seitens des Bundesministeriums für Verbraucherschutz herausgegeben wurde, um generell den Kunden über die Anlageberatung zu informieren. Jedoch ist in der Regel der Kunde nicht bereit, sich über mehrere Internetseiten hinweg mit diesem Thema im Vorfeld einer Beratung auseinander zu setzen. Er möchte eine für ihn problemorientierte Lösung, die er versteht. Das ist für den Kunden essentiell. JM: Kennen die Kunden Ihre Ansicht nach die Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Beratungsformen schon vor Ihrer Aufklärung und wenn nicht, was glauben Sie woran dies liegt? Stachowiak: Nein, auch hier glaube ich, dass der Kunde die Wahlmöglichkeit vor der Aufklärung nicht kennt. Wie bereits festgestellt, ist dem Kunden diese Wahlmöglichkeit aber auch nicht so wichtig, so lange er versteht was passiert und was wir in der Beratung besprechen. Wenn Sie es schaffen, andere gewinnen zu lassen, gewinnen auch Sie selber. Das bedeutet: Schaffe ich es als Berater den Kunden so ins Boot zu holen, dass Er versteht, aus welchem Grund er dies oder das ändern bzw. abschließen sollte ist es eine Win-Win-Situation. Mich hat übrigens in den 17 Jahren nicht einmal ein Kunde nach einem Beraterausweis, oder meiner Qualifikation gefragt. JM: Wie beurteilen Sie das weitergehende Provisionsverbot auf nationaler Ebene für die Honoraranlageberatung, als das durch die MiFID II vorgesehene? (Auf europäischer Ebene dürfen weiterhin nicht monetäre Vorteile – bspw. Produktschulungen und Materialien durch den Emittenten – angenommen werden, nach dem WpHG nicht) Stachowiak: Dieser Unterschied hat für mich keine praktischen Auswirkungen, daher habe ich mich nicht weitergehend damit beschäftigt. JM: Für die Durchführung der Honoraranlageberatung und der Provisionsberatung innerhalb eines Unternehmens schreibt das WpHG eine personelle, funktionelle

S. Experteninterview mit Dirk Stachowiak

497

und sachliche Trennung der beiden Bereiche vor. Bis zu welcher Ebene bedarf es einer personellen Trennung? Stachowiak: Da ich mich mit dieser Frage aufgrund fehlender persönlicher Relevanz noch nicht auseinander gesetzt habe, kann ich dies nicht beantworten. JM: Ist ein Bezeichnungsschutz, wie ihn § 36d WpHG für die Honoraranlageberatung einführt, indem die Bezeichnung „Honorar-Anlageberater“, „HonorarAnlageberaterin“, „Honorar-Anlageberatung“ oder „Honoraranlageberater“, „Honoraranlageberaterin“, „Honoraranlageberatung“ nur Unternehmen führen dürfen, die bei der BaFin unter Nachweis der gesetzlichen Voraussetzungen im Honoraranlageberatungsregister registriert sind, sinnvoll? Stachowiak: Kommt auf die Hürde an die ich überspringen muss, um diese Bezeichnung führen zu dürfen. Osteopath ist z. B. nicht geschützt und dennoch gibt es perfekt ausgebildete Menschen, die es erfolgreich praktizieren. Ich als Vermögensberater genieße bei der deutschen Vermögensberatung eine qualitativ, sehr anspruchsvolle, andauernde und begleitende Ausbildung und habe mit meinem Wissen und meiner Erfahrung schon vielen Menschen helfen können, obwohl der Begriff nicht geschützt ist. Honorarberater (lese ich im Internet) machen eine multiple choice Sachkundeprüfung um sich so nennen zu dürfen, die aus eigenen Reihen als „zu einfach“ betitelt wurde. Und dennoch entscheidet letztlich der Berater als Mensch Vorort, ob er dem Kunden schaden will oder nicht. Das hat in den wenigsten Fällen mit mangelndem Fachwissen, oder führen von geschützten Bezeichnungen zu tun.

III. Fragen zur MiFID II allgemein JM: Glauben Sie, dass durch eine bessere Ausbildung und vermehrte Sachkundenachweise des Beraters, die der BaFin eingereicht werden müssen, die Qualität der Beratung insgesamt gesteigert werden kann? Stachowiak: Wie in der Frage zuvor bereits festgestellt, kommt es nicht nur auf die fachliche Qualifikation des Beraters an, sondern auch wesentlich auf die menschliche Qualifikation. Insgesamt bestehen für die Anlageberatung hohe Anforderungen, die in den letzten Jahren kontinuierlich – genauso wie die am Markt verfügbaren Produkte – gestiegen sind. Zusätzlich haben wir intern strenge fachliche und qualitative Anforderungen. So wird beispielsweise die Stornorate zentral überprüft. In einem gewissen Bereich ist eine solche aufgrund von Vertragsänderungen (Scheidung, Jobverlust, Insolvenz etc.) normal. Übersteigt diese jedoch einen gewissen Prozentsatz, so wird der Berater damit konfrontiert und es wird unternehmensintern überprüft wie es dazu kam und ob der Berater bspw. nicht ausschließlich im Kundensinn Verträge geschlossen hat.

498

Anhang: Experteninterviews

JM: Führt die geplante Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation zu Einschränkungen in der Beratung und wenn ja, zu welchen? Stachowiak: Ich glaube nicht, dass die Aufzeichnung zu Einschränkungen führt. Die Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation sowie von Telefongesprächen finde ich vollkommen ok. Anders wäre dies für mich, wenn ich die persönliche Beratung mit dem Kunden via Tonband mitschneiden müsste. Dann entfiele sämtliche zwischenmenschliche Kommunikation. Dann können wir uns auch von Maschinen beraten lassen. Hier finde ich die Handhabung, dass wir ein schriftliches Protokoll über das Gespräch für den Kunden anfertigen, welches er unterschreibt, die beste Lösung. JM: Wie schätzen Sie den Umsetzungsaufwand für die Einführung der Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation in Ihrem Hause ein? Glauben Sie, dass es viele Unternehmen gibt, die sich technisch vollständig umstellen müssen? Stachowiak: Wir sind insofern in diesem Bereich schon sehr gut aufgestellt. Allerdings dürfte für die Banken und andere Institute der Aufwand sehr sehr hoch sein und der Nutzen aus diesen Aufzeichnungen halte ich im Vergleich für sehr gering. JM: Künftig soll dem Kunden ein Nachweis über die Gründe, die zu der Empfehlung eines bestimmten Produkts geführt haben, ausgehändigt werden. Wie beurteilen Sie diese Vorgabe? Stachowiak: Ich finde diese Vorgabe sehr gut, denn sie entspricht sowohl meiner persönlichen als auch der Philosophie der Deutschen Vermögensberatung – weshalb wir diese auch bereits heute erfüllen. Denn der Kunde muss die Beratung und warum die anschließende Empfehlung derart ausgefallen ist verstehen. JM: Herr Stachowiak, ich bedanke mich für das Gespräch!

T. Experteninterview mit Sven Witteck

499

T. Experteninterview mit Sven Witteck Position: Vorstandsmitglied (Stv.) der Gladbacher Bank Zuständigkeitsbereiche: *

Privatkundengeschäft,

*

Vertriebssteuerung,

*

Wertpapiergeschäft/Vermögensverwaltung,

*

Internet/Online-Vertrieb,

*

Zahlungsverkehr/EBL. Telefonisches Interview am 14. 09. 2016 von 15:01 – 15:38 Uhr

I. Honoraranlageberatung allgemein JM: Herr Witteck, bin ich richtig informiert, dass die Gladbacher Bank die Honoraranlageberatung nicht anbietet? Witteck: Ja, wir bieten diese Beratungsform nicht an. Selbstverständlich erklären wir unseren Kunden dies auch entsprechend. Wobei ich bereits vor vielen Jahren bei einem anderen Finanzdienstleister ein mit der Honorarberatung verwandtes Thema bearbeitet habe und hier kundenseitig auf große Schwierigkeiten gestoßen bin, so dass ich in diesem Bereich eine gewisse Erfahrung aufweisen kann. JM: Hat sich Ihrer Ansicht nach die Honoraranlageberatung oder die Provisionsberatung oder gar beide Beratungsformen seit der Einführung der Honoraranlageberatung als gesetzliche Alternative zur Provisionsberatung verändert und wenn ja, inwiefern? Man könnte sogar den Eindruck erlangen, dass dem Kunden durch die Einführung der gesetzlichen Alternative (Honorarberatung) vermittelt wird die Honorarberatung sei etwas Neues? Witteck: Ja, diesen Eindruck kann man gewinnen. Ansonsten sehe ich in meinem Umfeld weder bei der Honorarberatung noch bei der Provisionsberatung große Veränderungen. JM: Können Sie ein verstärktes Interesse der Kunden an der Honoraranlageberatung feststellen und wenn ja, wie äußert sich dieses? Fragen Ihre Kunden überhaupt nach? Witteck: In 99 Prozent der Fälle wird nicht aktiv nach der Honoraranlageberatung gefragt. Zudem erklären wir unseren Kunden ja, dass wir keine Honorarberatung anbieten, sondern eine rein provisionsbasierte Beratung. Das ist für den Kunden auch überhaupt kein Thema. Das verbleibende Prozent der Kunden, kennt in der Regel die

500

Anhang: Experteninterviews

Honorarberatung schon vorher, da diese bspw. ein Konto bei der quirin bank AG haben. Aber auch für diese Kunden stellt es kein Problem dar, dass wir diese Beratungsform nicht anbieten. Mein Fazit ist, dass keine Veränderung der Angebote aber auch keine verstärkte Nachfrage der Kunden besteht und das über die letzten 10 Jahre. JM: Wie beurteilen Sie die Bereitschaft des Kunden für eine Beratungsleistung zu zahlen? Dies vor allem im Hinblick darauf, dass der Kunde sich nach der Beratung entschließen kann kein Produkt zu erwerben und damit die Dienstleistung ohne „persönlichen Erfolg“ bezahlen muss. Witteck: Die Bereitschaft ein Honorar zu zahlen ist extrem niedrig. Ich selbst habe Mitte der 90 Jahre ein honorarbasiertes Preismodell bei der Bank, bei der ich zu diesem Zeitpunkt tätig war, eingeführt, welches unter anderem auf Depotgrößen basierte. Dieses Preismodell hat sich nie durchsetzen können, da die Kunden in sehr großen Schaaren wieder zurück gewechselt sind in das altbekannte (provisionsbasierte) Modell. Die Kunden waren nicht bereit für die Beratungsleistung zu zahlen. JM: Liegt dies unter anderem auch daran, dass der Kunde je nach Anlagesumme im Verhältnis einen hohes Beratungsentgelt bezahlen muss, aber von der Provision hingegen nichts spürt? Witteck: Das ist tatsächlich eine Schwierigkeit. Denn legt der Kunde bspw. einen Betrag von 20.000 Euro an und nimmt dafür eine Beratungsleistung von 4 Stunden in Anspruch, muss ich ihm diese im Honorarmodell entsprechend berechnen. Das stellt letztlich einen extrem großen Prozentsatz auf den Anlagebetrag dar. Und hierin liegt das Problem. Denn viele Kunden sind nicht bereit diesen Betrag zu zahlen. Wenn ich das Beratungsangebot gesetzlich ausschließlich auf die Honorarberatung umstellen würde, würden kleiner Anleger, die geringere Beträge zu Anlagezwecken zur Verfügung haben, sich keine Beratungsleistung mehr angedeihen lassen und dann mit einem sehr ungesunden Halbwissen ggf. selber investieren. JM: Glauben Sie, dass in absehbarer Zeit ein vollständiges Provisionsverbot, wie es bspw. in Großbritannien bereits existiert, auch in Deutschland eingeführt wird? Wie beurteilen Sie ein solches Verbot? Witteck: Naja, also wenn es gesetzlich vorgeschrieben wird, muss es nun einmal umgesetzt werden. Meiner Einschätzung nach würde es in diesem Falle auch mehr Kunden geben, die die Honorarberatung nutzen. Da das Honorarmodell dann ausschließlich vorgeschrieben ist und wir in Deutschland doch sehr auf entsprechende Gesetzesregelungen eingehen. Auf der anderen Seite wird es viele Kunden geben, die sich dann selbständig informieren und keine Beratungsleistung mehr in Anspruch nehmen wollen. Ob das tatsächlich funktioniert und diese durch eigene Recherchen den kompletten Rundumblick und das Fachwissen eines Bankberaters, der sich täglich ausschließlich mit solchen Dingen beschäftigt, aufweisen, würde ich in diesem Zusammenhang direkt in Zweifel ziehen.

T. Experteninterview mit Sven Witteck

501

Bereits in den heutigen Beratungsgesprächen zeigt sich die Informationsbildung des Kunden, der sich vorab informiert hat. Hier ist nur ein sehr selektives angelesenes Wissen vorhanden. Dies wird auch aktiv durch den Kunden nachgefragt aber der Rundblick fehlt in vielen Fällen. Ebenso das tiefere Wissen. So wird bspw. der ETF gezückt, der am Wochenende in der Zeitung stand, aber de fatco weiß der Kunde nicht wie ein solcher funktioniert. Was sind die Gefahren einer solchen Investition und wie stehen die Chancen? Das stellt man immer wieder fest. JM: Glauben Sie, dass möglicherweise entstehende Beratungslücken bei einem vollständigen Provisionsverbot durch die Einführung von neuen Beratungsformen, wie bspw. dem Robo-Advice in den USA (einer auf die einzelnen Kundengruppen zugeschnittene automatische Beratung) geschlossen werden können? Witteck: In Deutschland gibt es den Robo-Advice auch schon. So stellt die Union Investment, die im Verbund der Volks- und Raiffeisenbanken operiert, ein Tool im Internet zur Verfügung mit 6 oder 7 Fragen, die relativ schnell beantwortet werden können und anschließend einen Anlagevorschlag aussprechen. Ich selber habe dies zwar noch nicht ausprobiert, mich jedoch mit einem Kollegen, der das Tool getestet hat, ausgetauscht. Bis zur Eröffnung läuft alles vollelektronisch ab; mit einem VideoIdent-Verfahren innerhalb weniger Minuten. Die Erfahrung meines Kollegen war durchweg positiv, letztlich erhielt er nach der Befragung auch für ihn passende Vorschläge aus denen er auswählen konnte. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass er vom Fach ist und genau einschätzen kann, welche Vorschlägen er realisiert und welche nicht. Ob der Robo-Advice die Lösung ist, wage ich vor allem deshalb zu bezweifeln, da dieser auf viele Dinge – sog. weiche Faktoren – nicht eingeht. Im Endeffekt haben Sie nachher so ein stromlinienförmiges Angebot, welches ggf. alle wie die Lemminge in eine Richtung laufen lässt. Ich persönlich finde es nicht falsch in gewissen Situationen auch ein paar weiche Faktoren für eine kundenorientierte Empfehlung miteinzukalkulieren. JM: Wird sich der hohe finanzielle Aufwand und auch die aufwändigen Umstrukturierungsmaßnahmen, die gesetzlich vorgeschrieben sind, um die Honoraranlageberatung anbieten zu dürfen, langfristig lohnen? Witteck: Wir haben einen ähnlichen Aufwand bereits bei der Einführung der Protokollpflicht im WpHG erlebt. In diesem Zusammenhang haben sich viele Banken aus diesem Thema komplett verabschiedet, da Aufwand und Ertrag in keinem Verhältnis mehr standen und immer noch stehen. Es kann aber für die Kunden nicht gut sein, wenn keine Beratung mehr erfolgt. Ich bin mir nicht sicher, ob wir in 20 Jahren nur noch aufgeklärte Kunden haben, die mit Hilfe des Robo-Advices gute Anlagevorschläge verfolgen. Es wird immer noch Kunden geben die Anlagevorschläge brauchen, sei es weil sie keine Zeit haben sich selbständig zu informieren oder weil sie sich damit nicht beschäftigen möchten oder sich nicht damit in der Tiefe beschäftigen können. Es wird eine persönliche Beratung in irgendeiner Form geben müssen.

502

Anhang: Experteninterviews

JM: Wie beurteilen Sie die Menge an Informationsmaterial, die dem Kunden während eines Beratungsgesprächs übergeben werden? Witteck: Hier wird leider nach dem Motto „Viel hilft viel“ verfahren. Das ist aber aus Verbrauchersicht überwiegend nicht zielführend. JM: Werden diese überhaupt benutz oder sammelt der Kunde diese lediglich ein und heftet sie im besten Falle noch ab? Witteck: Dazu habe ich persönlich eine sehr eindeutige Meinung. Wir in Deutschland gehen gesetzlich über das Maß hinaus, was in Europa verlangt wird. Wenn Sie Fonds-Investments tätigen, dann müssen sie die WAI, die wesentliche Anlegerinformation, und die produktspezifischen Informationen (PIF) aushändigen. Diese Dokumente enthalten zum Teil unterschiedliche Aussagen, da sie bspw. unterschiedliche Bewertungszeiträume zugrunde legen bzw. verschiedene Risikoklassen-Systeme aufweisen. Meine Erfahrung ist hierbei, dass die Kunden davon verwirrt sind und die dargebotenen Informationen überhaupt nicht mehr verstehen. Das ist erstmal kontraproduktiv. Als zweiten Punkt möchte ich anführen, dass es der Gesetzgeber und der Verbraucherschützer grundsätzlich gut mit dem Kunden meint. Der Kunde soll aufgeklärt werden beginnend mit den Basisinformationen über Vermögensanlagen in Wertpapieren. Dann kommen die Informationen über die einzelnen Fondsanlage und letztlich noch das Beratungsprotokoll, in dem festgehalten werden muss, warum genau diese Anlage für den einzelnen Anleger genau passend ist. Ich gehe davon aus, dass 75 % der Kunden diese soeben beschriebenen Informationen sich nicht annähernd angucken. Die Basisinformation finde ich persönlich sehr, sehr gut und gebe diese auch gerne als Nachschlagewerk an den Kunden weiter, wahrscheinlich liest diese aber niemand. Dabei sind diese wirklich gut. So werden sie unter anderem von uns auch dafür genutzt unseren Auszubildenden einen ersten Einblick in die Thematik der Wertpapiere zu eröffnen. Kommen wir zu dem Thema der Produktinformationen. Diese sind für den Kunden viel zu umfangreich und bestimmte Dinge, die helfen würden beim Visualisieren, dürfen Sie aber wiederum dem Kunden nicht aushändigen. Denn genau diese Formen werden vom Gesetzgeber nicht gestattet. Auch hier gehe ich davon aus, dass sich 3/4 der Kunden die ausgehändigten Produktinformationen nicht intensiv anschauen. Das Protokoll, glaube ich, schauen sich mehr Leute an. Wobei das Protokoll in der Form, in der wir das aktuell verwenden, nicht die gewünschte Wirkung entfaltet. JM: In einem ersten Referentenentwurf des 1. Finanzmarktnovellierungsgesetzes (FiMaNoG), in dem die Umsetzung der MiFID II noch berücksichtigt wurde, war vorgesehen das derzeitige Beratungsprotokoll abzuschaffen und dem Kunden nur noch Geeignetheitserklärung auszuhändigen, in der nachgewiesen werden soll, wie die Beratung auf die Ziele und Wünsche des Kunden abgestimmt worden ist bzw. die Gründe für die Empfehlung angegeben werden. Wie beurteilen Sie diese Änderung?

T. Experteninterview mit Sven Witteck

503

Witteck: Das finde ich grundsätzlich sinnvoll. Die Frage ist nur was kommt dabei raus. JM: Woran zweifeln Sie, was dabei rauskommen könnte? Denn im Prinzip legen Sie Ihrem Kunden die Gründe für die Empfehlung ohnehin schon im Gespräch offen, oder? Witteck: Ja genau, das tun wir heute schon. Das Problem ist nur, was macht der Gesetzgeber aus der Regelung? Ich befürchte, dass der deutsche Gesetzgeber es in diesem Falle wieder besonders gut machen möchte und dabei festlegt, dass Dinge aufgenommen werden und Dinge rausgelassen werden müssen, die letztlich nicht weiter helfen. Denn bislang habe ich den Eindruck gewonnen, dass alle Anforderungen, die der deutsche Gesetzgeber den Banken zusätzlich auferlegt hat, wenig geholfen haben. Weder dem Verbraucher, noch der Bank oder gar dem Gesetzgeber selbst.

II. Honoraranlageberatung im Detail JM: Wie klären Sie Ihren Kunden über die im Folgenden zu erbringende Beratungsleistung gem. § 31 Abs. 4b WpHG auf? Witteck: Es wird standardisiert auf einem Formular festgehalten, welches dem Kunden ausgehändigt wird. Zusätzlich wird ihm dies auch noch mündlich erklärt. JM: Kennen die Kunden Ihrer Ansicht nach die Wahlmöglichkeit zwischen den beiden Beratungsformen schon vor Ihrer Aufklärung und wenn nicht, was glauben Sie woran dies liegt? Witteck: Ich gehe immer noch davon aus, dass ganz viele Kunden von der Thematik gar nichts wissen oder nur ein sehr rudimentäres Wissen haben. Andererseits glaube ich auch, dass viele schon Kenntnis von der Unterscheidung und möglichen Interessenkonflikten haben, dieses Thema aber vollständig verdrängen. Allerdings finde ich das immer noch verwunderlich, da die Honorierung mittels Stundensatz für eine Beratungsdienstleistung bspw. bei Notaren oder Rechtsanwälten (Hauptberufsgruppen) gang und gäbe ist. Aber in diesen Fällen gibt es andererseits auch entsprechende (gesetzlich festgelegte) Gebühren-Verordnungen. Der Bankkunde möchte das aber nicht bezahlen. JM: Für die Durchführung der Honoraranlageberatung und der Provisionsberatung innerhalb eines Unternehmens schreibt das WpHG eine personelle, funktionelle und sachliche Trennung der beiden Bereiche vor. Bis zu welcher Ebene würden Sie bei der Einrichtung einer Honorarberatung in Ihrem Hause eine personelle Trennung für notwendig erachten? Witteck: Wir sind eine Bank von in Summe 140 Mitarbeitern. Da ist eine Trennung nicht möglich. Bei der Aufspaltung in Abteilungen müsste ich mich ganz

504

Anhang: Experteninterviews

klar für das ein oder das andere Modell entscheiden. Denn ich könnte noch nicht einmal zwischen Beratern trennen. Zum anderen steht für mich auch ein weiterer Aspekt im Vordergrund. Denn angenommen jeder Berater hat ca. 150 Kunden, die er berät. Davon entscheiden sich 50 für die Honorarberatung und 100 für das provisionsgestützte Modell. Jetzt müsste ich den 50, die sich für die Honorarberatung entschieden haben, sagen, dass ist nicht mehr dein Berater, obwohl du dich seit 20 Jahren mit diesem gut verstehst, da du modelltechnisch nun in eine andere Kundengruppe einzuordnen bist. Ich persönlich hätte als Kunde dafür wenig Verständnis, da es mir bei der Wertpapierberatung immer auf das langjährige Kennen und das gegenseitige Einschätzen ankommt und weniger auf das Honorarmodell. Ich wüsste also nicht, wie wir eine Trennung der Bereiche darstellen sollen. Eine Deutsche Bank oder eine Commerzbank wird das hingegen darstellen können. Diese könnten einfach festlegen, dass künftig 1.500 Berater die Honorarberatung abdecken und 1.500 Berater nur noch die Provisionsberatung anbieten. Das wird wahrscheinlich funktionieren. Aber bereits bei vielen Sparkassen, die deutlich größer sind als wir, hätte ich Schwierigkeiten mir Gedanken zu machen, wie eine effektive Trennung dort funktionieren soll. Das Problem ist einfach, dass wir in Europa unterschiedliche Bankenwelten haben. Das merken wir bspw. auch bei der Aufsicht. Europa denkt nicht an das kleinteilige Bankensystem von Volksbanken und Raiffeisenbanken, das wir hier in Deutschland haben. Sie kennen ausschließlich Großbanken wie bspw. in England oder in Frankreich. Da fehlt jegliches Feeling für das System, welches wir hier haben. Man möchte ein Europa und eine Regelung finden, was ich sogar verstehe, allerdings muss man auch hin und wieder einmal einen tieferen Blick wagen und anerkennen, dass es in den Mitgliedstaaten Unterschiede gibt und diese berücksichtigt werden müssen.

III. Fragen zur MiFID II allgemein JM: Glauben Sie, dass durch eine bessere Ausbildung und vermehrte Sachkundenachweise des Beraters, die der BaFin eingereicht werden müssen, die Qualität der Beratung insgesamt gesteigert werden kann? Müssen unsere Berater mehr ausgebildet werden oder scheint dies mehr ein Problem von anderen Mitgliedstaaten zu sein? Witteck: Ich kenne die Situation von anderen Mitgliedstaaten de facto nicht. Das was ich höre ist, dass in anderen Mitgliedstaaten die Richtlinien bei weitem nicht so streng umgesetzt werden wie bei uns. Das kann ich aber nicht wirklich beurteilen. Zu den Sachkundenachweisen, stellt sich mir die Frage, was es hilft, wenn ich mehr solcher Ausbildungsnachweise an die BaFin schicke. Hier möchte ich gerne einen Schritt nach vorne gehen. Auch wir als kleine Bank im Volksbank- und

T. Experteninterview mit Sven Witteck

505

Raiffeisenverbund bekommen ein Angebot an Schulungen für die Qualifizierung im Wertpapierbereich, welches modular aufgebaut ist und regelmäßig wiederholt werden muss. Ob ich damit die einzelnen Berater wirklich qualifiziere, oder nur eine theoretische Grundlage vermittle und die Berater in der Praxis letztlich sowieso etwas anderes machen, steht dabei noch auf einem völlig anderen Blatt. Ja, ich kann die Leute zu Qualifizierungsmaßnahmen schicken und das tun wir auch. Wobei wir hier sehr viele interne Schulungsmaßnahmen ergreifen. So können jüngere bzw. unerfahrenere Berater direkt von erfahrenen Beratern aus der Praxis lernen; ein interner Wissenstransfer wird so ermöglicht. Diesen Weg halten wir für vernünftig. Das Problem, welches sich hierbei stellt, ist jedoch, dass darüber kein Diplom ausgestellt werden kann, welches dann an die BaFin weitergeleitet werden kann. Ob die BaFin davon mehr hat, wenn sie als Datensammelstelle, Zertifikate ablegt, weiß ich nicht. Grundsätzlich ist mehr Schulung nicht falsch, wenn diese vernünftig, zielgerichtet und praxisorientiert erfolgt. Aber wieso braucht man dafür immer Zertifikate? JM: Vielleicht könnte man für diese internen Schulungen Zertifikate einführen und diese anerkennen zu lassen? Witteck: Bisweilen verfolgen wir bspw. bei kleinsten Änderungen oder Neuerungen am Markt das System, dass die Vertriebsbeauftragten, die für die Selbstkontrolle am Markt zuständig sind, bei Neuerungen alle ihre Leute gemeinsam mit der Compliance-Abteilung und/oder der Revision in diesem Thema schulen. Also bspw. was gehört neu ins Protokoll, wie kann man das formulieren, was muss vermittelt werden und wie bringe ich das dem Kunden nahe. Diese Schulung wird schriftlich festgehalten, da der Compliance Officer dies schriftlich ablegen muss. Aber wie wir daraus bspw. ein Zertifikat kreieren sollen, weiß ich nicht. Dabei ist es letztlich auch so, dass der Vertriebsbeauftragte, der die Selbstkontrolle am Markt durchführt, von dem Compliance-Officer geprüft wird. Beide werden von der Revision geprüft. Insgesamt prüfen wir uns also schon sehr, sehr intensiv. Es ist auch so, dass wir nachweisen müssen, dass wir unsere Leute entsprechend schulen. Das steht wiederum auch in unseren Prüfberichten. Das müsste doch ausreichen, wieso die BaFin hier noch einmal eine Sammelstelle eingerichtet werden soll, ist mir nicht ganz klar. JM: Man versucht auf diesem Wege die Qualität der Berater zu heben und Fehlberatung zu reduzieren. Witteck: Ok, aber dann sollte ich mich zunächst fragen, wie viel Fehlberatung gibt es oder wo treten vermehrt Fehlberatungen, bzw. besser gesagt, Meldungen, die bei der BaFin zur Fehlberatung eingehen, auf. Zunächst sind es nur Meldungen, es heißt ja noch lange nicht, dass diese auch berechtigt sind. Denn man könnte das Ganze Verfahren auch anders herum drehen und schauen, ob es Banken gibt, bei denen besonders viele solcher Meldungen vorliegen. Hier müsste man dann schauen, warum dies so ist bzw. ob die Meldungen berechtigt sind und dann dort ggf. mit gezielten Schulungen eingreifen. Warum muss ich eine solche Schulungsregelung

506

Anhang: Experteninterviews

jetzt für 100 % aller Banken erlassen, wenn es bspw. bei 90 % sehr gut funktioniert. Lediglich bei denen, wo es nicht so gut läuft, sollte nachgehakt werden. JM: Führt die geplante Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation zu Einschränkungen in der Beratung und wenn ja, zu welchen? Und wie schätzen Sie den Umsetzungsaufwand für die Einführung der Aufzeichnung der elektronischen Kundenkommunikation in Ihrem Hause ein? Glauben Sie, dass es viele Unternehmen gibt, die sich technisch vollständig umstellen müssen? Witteck: Zunächst zum Umsetzungsaufwand: Wir haben extra für diese Aufzeichnungen eine neue Telefonanlage anschaffen müssen im Wert von einigen 10.000 Euro. Für eine kleine Bank, wie uns, ist dies ein extremer Kostenfaktor, den letztlich irgendwer bezahlen muss. Wenn es tatsächlich eine Qualitätsverbesserung für den Kunden hat, ist das ja vielleicht auch gerechtfertigt. Wenn der Kunde die Wahlmöglichkeit hätte, würde er, glaube ich, die Aufzeichnung ablehnen. Ich kann mir vorstellen, dass auch bei fehlender Wahlmöglichkeit, der Kunde auf andere Kanäle ausweicht. Da in einem Gespräch mit seinem bekannten Bankberater, doch Dinge besprochen werden, die er wirklich nur zwischen seinem/r Berater/in und sich lassen will. Zwar mag dies heut zu tage komisch anmuten, da wir in elektronischen Medien viel von uns Preis geben. Das ist alles kein Problem. Und letztlich bliebe die Telefonaufzeichnung ja bei uns im Haus. Aber die Leute haben ein ungutes Gefühl dabei. Beim Thema Bank schwingt immer ein ungutes Gefühl mit, denn Bank ist schon etwas Spezielles, etwas Besonderes für die Kunden. Daher werden viele in andere Kanäle gehen. Wobei man folgendes sagen muss: Durch die Protokollierungspflicht der Anlageberatung sind die Anlageberatungsgespräche per Telefon nur noch ganz selten. Es dürfen erstens nur noch wenige Berater diese Telefonate durchführen und hierbei sind viele Voraussetzungen zu beachten. Mittlerweile könnte man die Anlageberatung mittels Telefonat eigentlich schon fast als ein non-event bezeichnen, zumindest was die Kundenseite angeht. Diese kommen dann mittlerweile doch lieber persönlich vorbei. Oder man fährt zu Ihnen. Aber die Anzahl von „execution-only“ Orders ist immer noch hoch, wobei viele Kunden, die früher angerufen haben, das heute im Online-Brokerage erledigen. Mein Verständnisproblem ist jedoch dahingehend, dass mir nicht einleuchtet, warum ein solches Gespräch künftig aufgezeichnet werden muss. Ich bin jetzt 12 Jahre hier, in diesen Jahren gab es 1 oder 2 Mal den Fall – bei mehreren tausend Orders –, dass der Kunde gesagt hat: „Nein, ich wollte nicht 100, sondern 200 Bayer“ oder es war ein anderes Limit. Solche Fälle werden dann entsprechend reguliert. Warum ich das aber jetzt aufzeichnen soll, erschließt sich mir nicht. Ein Beratungsgespräch hingegen aufzuzeichnen macht deutlich mehr Sinn. Denn so kann ich damit dokumentieren, was habe ich dem Kunden gesagt habe bzw. wurde das Besprochene auch nachher im Protokoll richtig wieder gegeben. Dann habe ich aber hier

T. Experteninterview mit Sven Witteck

507

wiederum das Problem, dass ich am Telefon das Gespräch aufzeichne, aber in der live Situation hingegen nicht. Das macht doch keinen Sinn. Das ist inkonsistent. JM: Die Anlageberatung am Telefon an sich muss nicht aufgezeichnet werden, sondern ausschließlich die Ordererteilung, Weiterleitung etc. Allerdings sieht ESMA vor, dass dann eine Aufzeichnungspflicht auch für die Anlageberatung entstehen kann, wenn der Kunde doch noch eine Order erteilt oder es zum Abschluss eines Geschäftes kommt. Da man dies nicht unbedingt zu Beginn weiß und die Vorbereitung bzw. die Möglichkeit einer Ordererteilung schon für die Aufzeichnungspflicht ausreicht, müsste dann doch aufgezeichnet werden. Witteck: Dieser Switch zwischen einem Beratungsgespräch und der entsprechenden Zustimmung auf die Erteilung einer zusätzlichen Order ist tatsächlich nichts Ungewöhnliches. Nicht häufig sagt der Kunde: „Ja gut, die Empfehlung setzen wir bitte um, aber zusätzlich möchte ich noch A B und C kaufen“. Diese Mischsituationen kommen tatsächlich immer wieder vor. JM: Im Beratungsgespräch sollen erweiterte Erkundigungspflichten eingeführt werden. Und zwar soll der Berater die Fähigkeit des Anlegers herausfinden Verluste zu tragen sowie dessen Risikotoleranz. Muss der Berater dies nicht ohnehin schon durch die Abfrage der Risikobereitschaft und Risikotragfähigkeit erfragen. Mithin wäre dies bloß um etikettiert? Witteck: Ich persönlich stelle immer wieder fest, dass die Kunden Probleme haben sich in die Risikoklassen einzuordnen. Hier ist immer Erklärungsbedarf. Problematisch ist hierbei zudem, dass jeder Produktanbieter eigene Maßstäbe für die Klassifizierung der Produkte hat. Das macht es auch nicht einfach. Das ist schon aufwändig mit den Kunden darüber zu sprechen. Hier könnte man durchaus wissenschaftlichere Grundlagen schaffen. Prinzipiell besprechen wir diese Punkte aber schon jetzt in jedem Gespräch ab. JM: Herr Witteck, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Literaturverzeichnis Aguilar, Luis A.: A Shared Responsibility: Preserving the Fiduciary Standard, Rede v. 26. 03. 2010, abrufbar unter: https://www.sec.gov/news/speech/2010/spch032610laa.htm, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Akerlof, George A.: The Market for „Lemons“: Quality Uncertainty and the Market Mechanism, Q.J. ECON, Vol. 84, Iss. 3, 1970, 488 – 500 Anderson, Spencer: Banks ignore UK’s mobile phone regulations, Beitrag v. 17. 03. 2014, Reuters, abrufbar unter: http://uk.reuters.com/article/uk-britain-banks-phones-ifr-idUKB REA2G0VH20140317, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 ARTICEL 29 Data Protection Working Party: Schreiben vom 07. 07. 2015 an die Generaldirektion Finanzstabilität, Finanzdienstleistungen und Kapitalmarktunion der Europäischen Kommission, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/justice/data-protection/article-29/documenta tion/other-document/files/2015/20150707_letter_from_art29_wp_to_dgfisma_on_coming_ delegated_acts_implementing_mifid2vf.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Assies, Paul H./Beule, Dirk/Heise, Julia/Strube, Hartmut (Hrsg.): Handbuch des Fachanwalts Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., Köln 2015 (zit.: Bearbeiter, in: A/B/H/S, HdB Banku. KapMR) Assmann, Heinz-Dieter: Interessenkonflikte aufgrund von Zuwendungen, ZBB 2008, 21 – 32 – Das Verhältnis von Aufsichtsrecht und Zivilrecht im Kapitalmarktrecht, in: Festschrift für Uwe H. Schneider, hrsg. v. Burgard, Ulrich/Hadding, Walther/Mülbert, Peter O./Nietsch, Michael/Welter, Reinhard, Köln 2011, S. 36 – 56 Assmann, Heinz-Dieter/Schneider, Uwe H. (Hrsg.): Wertpapierhandelsgesetz: WpHG, 6. Aufl., Köln 2012 (zit.: Bearbeiter, in: Assmann/Schneider, WpHG) Assmann, Heinz-Dieter/Schütze, Rolf A.: Handbuch des Kapitalanlagerechts, 4. Aufl., München 2015 (zit.: Bearbeiter, in: Assmann/Schütze, HdB KapitalanlageR) Association of Professional Financial Advisers (AFPA): Smarter Communications and Suitability Reports – guidance note, Dezember 2016, abrufbar unter: http://www.apfa.net/Docu ments/Publications/guidance-notes/apfa-smarter-communications-and-suitability-report-gui dance-note-december-2016.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Avci, Burucu S./Narayanan. M. P./Seyhun, H. Nejat: How Should Retirements Plans Be Organized?, 13 N.Y.U. J. L. & Bus. 2017, 37 – 392 Bakhtiari, Ryan K./Boice, Katarina/Majors, Jeffrey S.: Symposium: Revolution in the Regulation of Financial Advice: The U.S., the U.K. and Australia: The Future of Fiduciary Duties for Finanical Advice: The Time for a Uniform Fiduciary Duty is Now, 87 St. John’s L. Rev. 2013, 313 – 335 Balzer, Peter: Umsetzung der MiFID: Ein neuer Rechtsrahmen für die Anlageberatung, ZBB 2007, 333 – 345

Literaturverzeichnis

509

– Einführung in das Reformvorhaben MiFID II/MiFIR, in: MiFID II/MiFIR – Umsetzung in der Bankpraxis, hrsg. v. Teuber, Hanno/Schröer, Ulrich, Heidelberg 2015, S. 3 – 28 (zit.: Balzer, in: MiFID II/MiFIR) – Umsetzung von MiFID II: Auswirkungen auf die Anlageberatung und Vermögensverwaltung, ZBB 2016, 226 – 237 Balzer, Peter/Lang, Volker: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 3. 6. 2014 – XI ZR 147/12, BKR 2014, 377 – 381 Barnier, Michel: Markets in Financial Instruments (MiFID): Commissioner Michel Barnier welcomes agreement in trilogue on revised European rules, Pressemitteilung v. 14. 01. 2014, abrufbar unter: http://europa.eu/rapid/press-release_MEMO-14 – 15_en.htm?locale=en, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit.: Barnier, Pressemitteilung v. 14. 01. 2014) Baur, Georg/Boegl, Martin: Die neue europäische Finanzmarktaufsicht – Der Grundstein ist gelegt, BKR 2011, 177 – 186 Bausch, Stephan: Beratung und Beratungshaftung von Banken im Lichte der Pilotentscheidungen zu Lehman-Zertifikaten, NJW 2012, 354 – 358 Becker, Thorsten: ESMA-Leitlinien „Vergütungsgrundsätze und -verfahren (MiFID)“ und BT 8 der MaComp – neue Vergütungsvorgaben für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, BKR 2014, 151 – 158 beck-online.GROSSKOMMENTAR: zum BGB, hrsg. v. Gsell, Beate/Krüger, Wolfgang/Lorenz, Stephan/Mayer, Jörg (Gesamthrsg.), München, Stand: 15. 07. 2017 (zit.: Bearbeiter, in: BeckOGK) Beck’scher Online-Kommentar Arbeitsrecht: hrsg. v. Rolfs, Christian/Kreikebohm, Ralf/ Giesen, Richard/Udsching, Peter, 43. Edition, München, Stand: 01. 12. 2017 (zit.: Bearbeiter, in: BeckOK ArbR) Begner, Jörg: Honorar-Anlageberatung – Neue Regeln ab August in Kraft, BaFin Journal 07/ 2014, 11 – 13 Benedict, Jörg: Die Haftung des Anlagevermittlers – Von der Vertrags-, Vertrauens- und Garantiehaftung zu einer Berufshaftung?, ZIP 2005, 2129 – 2138 Bergmann, Jan: Handlexikon der Europäischen Union, 5. Aufl., Baden-Baden 2015 (zit.: Bergmann, Handlexikon der Europäischen Union) Beule, Dirk: Product Governance, in: MiFID II/MiFIR – Umsetzung in der Bankpraxis, hrsg. v. Teuber, Hanno/Schröer, Ulrich, Heidelberg 2015, S. 167 – 197 (zit.: Beule, in: MiFID II/ MiFIR) Bieber, Ronad/Epiney, Astrid/Haag, Marcel: Die Europäische Union – Europarecht und Politik, 11. Aufl., Baden-Baden 2015 (zit.: Bearbeiter, in: Bieber/Epiney/Haag, Die Europäische Union) Black, Barbara: How to Improve Retail Investor Protection After the Dodd-Frank Wall Street Reform and Consumer Protection Act, 13. U. Pa. J. Bus. L. 2010, 59 – 106 Bliesener, Dirk H.: Aufsichtsrechtliche Verhaltenspflichten beim Wertpapierhandel, Diss., Berlin 1998

510

Literaturverzeichnis

Böhm, Michael: Regierungsentwurf zur Verbesserung der Durchsetzbarkeit von Ansprüchen aus Falschberatung, BKR 2009, 221 – 230 Brandl, Ernst/Klausberger, Philip: „Ausstrahlungstheorie“ – Zum Verhältnis zwischen Aufsichtsrecht und Zivilrecht nach MiFID und WAG, ZFR 2009, 131 – 136 Brandt, Markus: Aufklärungs- und Beratungspflichten der Kreditinstitute bei der Kapitalanlage – Wertpapiergeschäftliche Informationspflichten im Spiegel kapitalmarktlicher Effizienz, Diss., Baden-Baden 2002 (zit.: Brandt, Aufklärungs- und Beratungspflichten der Kreditinstitute) Brandt, Patrick: An update on the FSA’s Retail Distribution Review proposals, C.O.B. 2010, 73 (Feb), 1, 29 Braunberger, Gerald/Armbruster, Alexander: Vorteil Goldman Sachs, Beitrag v. 02. 05. 2017, Frankfurter Allgemeine Zeitung, abrufbar unter: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirt schaftspolitik/donald-trump-spricht-ueber-zerschlagung-der-grossbanken-14995694.html, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Breilmann, Anja/Fuchs, Karl: Bankenregulierung, Insolvenzrecht, Kapitalanlagegesetzbuch, Honorarberatung – Bericht über den Bankrechtstag am 28. Juni 2013 in Berlin, WM 2013, 1437 – 1445 Brocker, Till: Aufklärungspflichten der Bank bei Innenprovisionsgestaltungen, BKR 2007, 365 – 370 Buck-Heeb, Petra: Zur Aufklärungspflicht von Banken bezüglich Gewinnmargen, BKR 2010, 1–8 – Aufklärung über Rückvergütungen – Die Haftung von Banken und freien Anlageberatern, BKR 2010, 309 – 316 – Der Anlageberatungsvertrag – Die Doppelrolle der Bank zwischen Fremd- und Eigeninteresse –, WM 2012, 625 – 635 – Verhaltenspflichten beim Vertrieb – Zwischen Paternalismus und Schutzlosigkeit der Anleger –, ZHR 177 (2013), 310 – 343 – Die „Flucht“ aus dem Anlageberatungsvertrag, ZIP 2013, 1401 – 1411 – Anlageberatung nach der MiFID II, ZBB 2014, 221 – 232 – Aufklärung über Innenprovisionen, unvermeidbarer Rechtsirrtum und die Überlagerung durch Aufsichtsrecht, WM 2014, 1601 – 1605 – Der Product Governance-Prozess – MiFID II, Kleinanlegerschutzgesetz und die Auswirkungen –, ZHR 179 (2015), 782 – 820 – Das Kleinanlegerschutzgesetz, NJW 2015, 2535 – 2541 – Compliance bei vertriebsbezogener Product Governance – Neuerungen durch die MiFID II bzw. das Kleinanlegerschutzgesetz, CCZ 2016, 2 – 10 Buck-Heeb, Petra/Poelzig, Dörte: „Die Wohlverhaltenspflichten (§§ 63 ff. WpHG n.F.) nach dem 2. FiMaNoG – Inhalt und Durchsetzung“, BKR 2017, 485 – 495 Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin): GZ: WA 31-Wp 2002 – 2007/0127, Rundschreiben R 33 – 2/2012 Derivative Zinsgeschäfte auf kommunaler Ebene, abrufbar

Literaturverzeichnis

511

unter: http://www.thueringen.de/imperia/md/content/tim/abteilung3/referat33/derivate_2_2 012.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Rundschreiben 4/2010 (WA)-MaComp, Mindestanforderungen an die Compliance-Funktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Stand: 08. 03. 2017, WA 31-Wp 2002 – 2009/ 0010, abrufbar unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Rundschrei ben/rs_1004_wa_macomp.html, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Rundschreiben 10/2012 (BA) – Mindestanforderungen an das Risikomanagement – MaRisk, BA 54-FR 2210 – 2012/0002, v. 14. 12. 2012, abrufbar unter: https://www.bafin.de/Shared Docs/Veroeffentlichungen/DE/Rundschreiben/rs_1210_marisk_ba.html, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Merkblatt – Gemeinsames Informationsblatt der BaFin und der Deutschen Bundesbank zum Tatbestand der Anlageberatung, Stand Juli 2013, abrufbar unter: http://www.bafin.de/Shared Docs/Downloads/DE/Merkblatt/dl_mb_110513_anlageberatung_neu.pdf?__blob=publica tionFile&v=7, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Konsultation 03/2017 – Novellierung der WpHGMaAnzV und der WpDPV, WA 11-FR 4100 – 2017/0001, v. 29. 05. 2017, abrufbar unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroef fentlichungen/DE/Konsultation/2017/kon_0317_WpHGMaAnzV_WpDPV.html, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit.: BaFin, WpHGMaAnzV-E) Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV): Qualitätsoffensive Verbraucherfinanzen, Eckpunkte für eine gesetzliche Regelung des Berufsbildes der Honorarberatung, abrufbar unter: http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ver braucherschutz/FinanzenVersicherungen/EckpunktHonorarberatung.pdf?__blob=publication File, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Bundesverband Deutscher Banken e.V.: „Sprachaufzeichnung telefonisch erteilter Wertpapierorders? – Eine Folgenabschätzung“ v. Nov. 2008, abrufbar unter: https://die-dk.de/media/ files/2011 – 11 – 30-DK-Stn-MiFIDII.pdf (als Anlage 2 der Stellungnahme, S. 28), zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Bundesverband deutscher Vermögensberater (BDV): Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz, 2. FiMaNoG, Drucksache) – Öffentliche Anhörung des Finanzausschusses am 08. 03. 2017 – Stellungnahme des Bundesverbandes Deutscher Vermögensberater, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/blob/496276/ed7cd4101e384fd74 92520c5fd9a84db/04-data.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit.: BDV, Stellungnahme in der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zum 2. FiMaNoG) Bundesverband Investment und Asset Management e.V. (BVI): ESMA Consultation Paper on Draft guidelines for the assessment of knowledge and competence (ESMA/2015/753) – BVI’s position paper, abrufbar unter: https://www.bvi.de/fileadmin/user_upload/Regulierung/ Positionen/MiFID/2015_07_08_BVI_position_ESMA_competence.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit. als: BVI, Position Paper v. 08. 07. 2015) – Position des BVI zum Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (2. FiMaNoG), vom 28. 10. 2016, abrufbar unter: https://www.bvi.de/fileadmin/user_upload/Regulierung/Positionen/

512

Literaturverzeichnis

MiFID/2016_10_28_BVI-Position_2._FiMaNoG.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit.: BVI, Stellungnahme Referentenentwurf 2. FiMaNoG) – Position des BVI zum Regierungsentwurf eines Zweites Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften aufgrund europäischer Rechtsakte (2. FiMaNoG) BT-Drs. 18/ 10936, vom 17. 02. 2017, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/blob/495510/8e441dcef1 c6117240c0bcb0d9d61db4/05-data.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit.: BVI, Stellungnahme in der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses) Busch, Danny: Product Governance und Produktintervention unter MiFID II/MiFIR, WM 2017, 409 – 420 Büter, Thomas/Schröer, Ulrich: Telefonaufzeichnung nach MiFID II, in: MiFID II/MiFIR – Umsetzung in der Bankpraxis, hrsg. v. Teuber, Hanno/Schröer, Ulrich, Heidelberg 2015, S. 113 – 143 (zit.: Büter/Schröer, in: MiFID II/MiFIR) Buttarelli, Giovanni: Stellungnahme des Europäischen Datenschutzbeauftragten zu den Vorschlägen der Kommission für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente zur Aufhebung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates und für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente und zur Änderung der Verordnung über OTC-Derivate, zentrale Gegenparteien und Transaktionsregister, v. 25. 05. 2012, Abl. EU 2012/C 147/01 (zit.: Buttarelli, Stellungnahme v. 25. 05. 2012) Calliess, Christian/Ruffert, Matthias (Hrsg.): EUV/AEUV, Kommentar, 5. Aufl., München 2016 (zit.: Beabeiter, in: Calliess/Ruffert, EUV/AEUV) Casper, Matthias: Aufklärung über Rückvergütungen: Zwischen Rechtsfortbildung und Verbotsirrtum, ZIP 2009, 2409 – 2418 Cazier, Stewart: „Das Provisionsverbot ist fantastisch für britische Berater“, Interview mit FONDS professionell Online v. 03. 07. 2013, abrufbar unter: http://www.fondsprofessionell. de/news/vertrieb-praxis/nid/quotdas-provisionsverbot-ist-fantastisch-fuer-britische-berater quot/gid/1010482/ref/1/, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Clark, Rodger: Understanding the FSA Retail Distribution, SJ 157/2, 10 – 11 Claussen, Carsten Peter: Bank- und Börsenrecht, hrsg. v. Erne, Roland, 5. Aufl., München 2014 (zit.: Bearbeiter, in: Claussen, Bank- und Börsenrecht) Clayton, Jay: Public Comments from Retail Investors and Other Interested Parties on Standards of Conduct for Investment Advisers and Broker-Dealers, v. 01. 06. 2017, abrufbar unter: https://www.sec.gov/news/public-statement/statement-chairman-clayton-2017 - 05 - 31 #_edn1, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Committee of European Securities Regulators (CESR): CESR’s Technical Advice on Possible Implementing Measures of the Directive 2004/39/EC on Markets in Financial Instruments, Consultation Paper v. 01.2005, CESR/05 – 024c, abrufbar unter: https://www.esma.europa. eu/sites/default/files/library/2015/11/05_024c.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit.: CESR, Consultation Paper v. 01.2005, CESR/05 – 024c) – Feedback Statement – CESR Technical Advice to the European Commission in the Context of the MiFID Review: Equity Markets v. 29. 06. 2010, CESR/10 – 975, abrufbar unter: https:// www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015/11/10_975.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018

Literaturverzeichnis

513

Consultation Paper, v. 13. 04. 2010 – CESR Technical Advice to the European Commission in the Context of the MiFID Review–Investor Protection and Intermediaries, CESR/10 – 417, abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015/11/10_417.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Cox, James D./Hillmann, Robert W./Langevoort, Donald C. (Hrsg.): Securities Regulation – Cases and Materials, 7th Edition, New York 2013, zit.: Cox/Hillmann/Langevoort, Securities Regulation CRA International: „An Empirical Investigation into the Effects of the Menu“ – Report prepared to the Financial Services Authority, v. 03. 05. 2007, abrufbar unter: http://crai.com/ sites/default/files/publications/an-empirical-investigation-into-the-effects-of-the-menu.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Deloitte: Bridging the advice gap – Delivering investment products in a post-RDR world, 2012, abrufbar unter: http://www2.deloitte.com/content/dam/Deloitte/uk/Documents/financial-ser vices/deloitte-uk-fs-rdr-bridging-the-advice-gap.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Derleder, Peter/Knops, Kai-Oliver/Bamberger, Heinz Georg: Deutsches und europäisches Bank- und Kapitalmarktrecht, 3. Aufl. 2017 (zit.: Bearbeiter, in: D/K/B, Bank- und KapMR) Deutsche Bank: Deutsche Bank’s response to the ESMA Consultation Paper on Draft guidelines for the assessment of knowledge and competence, v. 10. 06. 2015, abrufbar unter: https:// www.esma.europa.eu/press-news/consultations/draft-guidelines-assessment-knowledge-andcompetence, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit.: Deutsche Bank, Response to EMSA CP) Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. (DSW): Stellungnahme der Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz e.V. zum Entwurf eines zweiten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften aufgrund europäischer Rechtsakte –2. FiMaNoG, v. 03. 03. 2017, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/blob/496170/9466e24d584334 959e0a04e242647d1b/09-data.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit.: DSW, Stellungnahme 2. FiMaNoG) Deutscher Anwaltsverein (DAV): Stellungnahme des deutschen Anwaltsvereins durch die Ausschüsse Bank- und Kapitalmarktrecht sowie Handelsrecht zum Referentenentwurf eines zweiten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz – 2. FiMaNoG), Stellungnahme Nr.: 69/2016, Berlin, im Oktober 2016, abrufbar unter: https://anwaltverein.de/de/newsroom/sn69 – 16 – 2-finanzmarktnovellierungsg, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit.: DAV, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG) DiChristopher, Tom: SEC Chair White: Important to get fiduciary duty rule right, Beitrag v. 10. 11. 2015, CNBC online, abrufbar unter: http://www.cnbc.com/2015/11/10/sec-chairwhite-important-to-get-fiduciary-duty-rule-right.html, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK): Stellungnahme zu den Legislativvorschlägen der Europäischen Kommission vom 20. 10. 2011: „Proposal for a DIRECTIVE OF THE EUROPEAN PARLIAMENT AND OF THE COUNCIL on markets in financial instruments repealing Directive 2004/39/EC of the European Parliament and of the Council (Recast)” (COM(2011) 656 final – 2011/0298 (COD)) „Proposal for a REGULATION OF THE EUROPEAN PARLIAMENTAND OF THE COUNCIL on markets in financial instruments and amending Regulation [EMIR] on OTC derivatives, central counterparties and trade repositories” (COM (2011) 652 final – 2011/0296 (COD)), v. 30. 11. 2010, abrufbar unter: https://die-dk.de/me

514

Literaturverzeichnis

dia/files/2011 – 11 – 30-DK-Stn-MiFIDII.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit.: DK, Stellungnahme zu den Legislativvorschlägen der Europäischen Kommission vom 20. 10. 2011) – Stellungnahme zum Konsultationspapier von ESMA 2014/549, abrufbar unter: https://ban kenverband.de/fachthemen/finanzmaerkte/stellungnahmen-dkebf-im-rahmen-der-esma-kon sultationen-zu-mifid-und-mifir/, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Stellungnahme zum Referentenentwurf für ein Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften aufgrund europäischer Rechtsakte (FiMaNoG) vom 16. Oktober 2015, v. 13. 11. 2015, abrufbar unter: https://bankenverband.de/media/files/RCI_2015_01885_Anl01.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit.: DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG) – Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Zweiten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte, Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz – 2. FiMaNoG, v. 28. 10. 2016, abrufbar unter: https://die-dk.de/media/files/Stel lungnahme_DK_FimanoG_RefE.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit.: DK, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG) – Erste Bewertung des Regierungsentwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte, Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz – 2. FiMaNoG, v. 19. 01. 2017, abrufbar unter: https://die-dk.de/media/files/1 70119_Erste_Bewertung_der_DK_zum_2._FimanoG_RegE.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit.: DK, Erste Bewertung Regierungsentwurf 2. FiMaNoG) – Comments on the ESMA Consultation Paper – Draft guidelines on MiFID II product governance requirements (ESMA/2016/1436), v. 05. 01. 2017, abrufbar unter: https://banken verband.de/media/files/DK_STN_ESMA_Guidelines_Product_Governance.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit.: DK, Stellungnahme zu ESMA’s Richtlinien Vorschlägen) – Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung „Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte“ (Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz – 2. FiMaNoG) Stellungnahme öffentliche Anhörung des Finanzausschusses zum 2. FiMaNoG, v. 03. 03. 2017, abrufbar unter: https:// www.bundestag.de/blob/495860/cb95cfdbbd6fe0d3b43140056f32a70e/08-data.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit.: DK, Stellungnahme zum Regierungsentwurf 2. FiMaNoG) – Stellungnahme zum Diskussionsentwurf einer Verordnung zur Änderung der WpHG-Mitarbeiteranzeigeverordnung (WpHGMaAnzV) vom 29. Mai 2017, abrufbar unter: https:// www.bafin.de/SharedDocs/Downloads/DE/Konsultation/2017/dl_kon_0317_stellungnahme_ dk_wphgmaanzv.pdf?__blob=publicationFile&v=2, zuletzt abgerufen am 06. 01. 2018 (zit.: DK, Stellungnahme zum Diskussionsentwurf einer Verordnung zur Änderung der WpHGMitarbeiteranzeigeverordnung (WpHGMaAnzV) v. 29. Mai 2017) Dieckmann, Sabine/Langen, Markus: Anmerkung zu BGH, Beschluss v. 20. 01. 2009 – XI ZR 510/07, NJW 2009, 1417 – 1418 Dietrich, Bernhard: Anlageziele in der Empfehlungshaftung des Anlageberaters, WM 2016, 199 – 204 Eberius, Robert: Regulierung der Anlageberatung und behavioral finance – Anlegerleitbild: homo oeconomicus vs. Realität, Diss., Köln 2013 (zit.: Eberius, Regulierung der Anlageberatung und behavioral finance)

Literaturverzeichnis

515

Eckel, Philipp: Grenzen der Rechtsdurchsetzung durch materiell-rechtliche Harmonisierung am Beispiel des Kapitalmarkt- und Lauterkeitsrechts, EuZW 2015, 418 – 424 Eichhorn, Jochen/Klebeck, Ulf: Drittstaatenregulierung der MiFID II und MiFIR, RdF 2014, 1–9 Einsele, Dorothee: Beratungsprotokolle auf dem Prüfstand, ZRP 2014, 190 – 192 – Verhaltenspflichten im Bank- und Kapitalmarktrecht – öffentliches Recht oder Privatrecht? –, ZHR 180 (2016), 233 – 269 Einsiedler, Marc: Rückvergütungen und verdeckte Innenprovisionen, WM 2013, 1109 – 1115 Ellenberger, Jürgen/Schäfer, Holger/Clouth, Peter/Lang, Volker: Praktikerhandbuch Wertpapier- und Derivategeschäft, 4. Aufl., Heidelberg 2011 (zit.: Bearbeiter, in: E/S/C/L, PraktikerHdB) Europäische Kommission: Arbeitsdokument ESC/17/2005-rev1, Organisational Requirements and identification, management and disclosure of conflicts of interest by investment firms, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal_market/securities/docs/isd/dir-2004 – 39-imple ment/esc-17 – 2005-rev1_en.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Working Dokument ESC/18/2005, Explanatory note: Main differences between working document ESC/ 17/2005 and the CESR level 2 advice, v. 13. 05. 2005, abrufbar unter: http:// ec.europa.eu/internal_market/securities/docs/isd/dir-2004 – 39-implement/esc-17 – 2005-ex planatory_en.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Public Consultation – Review of the Markets in Financial Instruments Directive (MiFID), v. 08. 12. 2010, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/finance/consultations/2010/mifid/docs/con sultation_paper_en.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Kommissionsbegründung für die Neufassung der MiFID, v. 20. 10. 2011, KOM(2011)656 endg., abrufbar unter: http://ec.europa.eu/transparency/regdoc/rep/1/2011/DE/1 – 2011 – 656DE-F1 – 1.Pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Commission Staff Working Paper, Impact Assesment, v. 20. 10. 2011, SEC(2011) 1226 final, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/internal_market/securities/docs/isd/mifid/SEC_2011_122 6_en.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Schriftliche Stellungnahme auf die Anfragen von Markus Ferber EPP, Mitglied des ECONAusschusses, v. 13. 05. 2016, abrufbar unter: http://www.cfinancials.com/mifid/2016. 05.13 %20-%20COM%20Reply%20to%20Comments%20by%20ECON%20Member.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Europäischer Rat: Proposal for a Directive of the European Parliament and the Council of on markets in financial instruments repealing Directive 2004/39/EC of the European Parliament and of the Council (Recast) – Presidency Compromise of 20 June 2012, 2011/0298 (COD), abrufbar unter: http://register.consilium.europa.eu/doc/srv?l=EN&f=ST%2011141 %202 014 %20INIT, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Proposal for a Regulation of the European Parliament and of the Council on markets in financial instruments an damending Regulation (EMIR) on OTC derivatives, central counterparties and trade respositories – Presidency Compromise of 20 June 2012, 2011/0296 (COD), abrufbar unter: http://register.consilium.europa.eu/doc/srv?l=EN&f=ST%201164 6 %202012 %20INIT, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018

516

Literaturverzeichnis

Europäisches Parlament: Ausschuss für Wirtschaft und Währung, Entwurf eines Berichts über den Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente zur Aufhebung der Richtlinie 2004/39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (Neufassung), v. 16. 3. 2012, 2011/0298(COD), abrufbar unter: http://www.eu roparl.europa.eu/meetdocs/2009_2014/documents/econ/pr/895/895700/895700de.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Änderungen v. 26. 10. 2012 zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über Märkte für Finanzinstrumente zur Aufhebung der Richtlinie 2004/ 39/EG des Europäischen Parlaments und des Rates (Neufassung), COM(2011)0656 – C7 – 0382/2011 – 2011/0298(COD), P7_TA-PROV(2012)0406, abrufbar unter: http://www. europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+TA+P7-TA-2012 - 04 06+0+DOC+XML+V0//DE, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Europe Economist: Final Report, Executive Summary, abrufbar unter: https://www.fca.org.uk/ static/documents/post-implementation-review-rdr-phase-1.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 European Securities an Market Authority (ESMA): Leitlinien Vergütungsgrundsätze und -verfahren (MiFID), v. 03. 06. 2013, ESMA/2013/606, abrufbar unter: https://www.esma.eu ropa.eu/sites/default/files/library/2015/11/esma_2013_00580000_de_cor.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Guidelines on remuneration policies and practices (MiFID), v. 01. 10. 2013, ESMA/2013/ 606, abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015/11/2013 606_en.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Discussion Paper – MiFID II/MiFIR, v. 22. 05. 2014, ESMA/2014/548, abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015/11/2014 - 548_discussion_paper_ mifid-mifir.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit.: ESMA, Discussion Paper) – Consultation Paper – MiFID/MiFIR, v. 22. 05. 2014, ESMA2014/549, abrufbar unter: https:// www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2015/11/2014 - 549_-_consultation_paper_ mifid_ii_-_mifir.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit.: ESMA, Consultation Paper) – Consultation Paper – Draft guidelines for the assessment of knowledge and competence, v. 23. 05. 2015, ESMA/2015/753, abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/ files/library/2015/11/2015 - 753_cp_MiFID_guidelines_on_knowledge_and_competence. pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Final Report – Guidelines for the assessment of knowledge and competence, v. 17. 12. 2015, ESMA/2015/1886, abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/201 5 - 1886_-_final_report_on_guidelines_for_the_assessment_of_knowledge_and_competence. pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Final Report – ESMA’s Technical Advice to the Commission on MiFID II and MiFIR, v. 19. 12. 2014, ESMA/2014/1569, abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/ files/library/2015/11/2014 - 1569_final_report_-_esmas_technical_advice_to_the_commis sion_on_mifid_ii_and_mifir.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit.: ESMA, Final Report) – Leitlinien – Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen, v. 22. 03. 2016, ESMA/2015/1886 DE, abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/document/guide lines-assessment-knowledge-and-competence, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018

Literaturverzeichnis

517

– Draft Guidelines on MiFID II product governance requirements, v. 05. 10. 2016, ESMA/ 2016/1436, abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/2016 - 143 6_cp_guidelines_on_product_governance.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Final Report – Guidelines on MiFID II product governance requirements, v. 02. 06. 2017, ESMA35 – 43 – 620, abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/ esma35 - 43 - 620_report_on_guidelines_on_product_governance.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Question and Answers on MiFID II and MiFIR investor Protection, v. 06. 06. 2017, ESMA/ 2016/1444, abrufbar unter: https://www.esma.europa.eu/sites/default/files/library/esma35 43 - 349_mifid_ii_qas_on_investor_protection_topics.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit.: ESMA, Q&As investor protection) Farooqi, Saber: Incentive-based compensation: Dodd-Frank and the example of Europe, Beitrag v. 24. 06. 2015, lexology, abrufbar unter: http://www.lexology.com/library/detail. aspx?g=8d80c4d8 - 7e0c-4a1e-a477-f3cfe0d4e247, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Fedchenheuer, Linda: Die Qualifikationsanforderung an Anlageberater – Ökonomische Analyse des § 34d Abs. 1 WpHG und Regulierungsansätze de lege ferenda, Diss., Baden-Baden 2014 (zit.: Fedchenheuer, Die Qualifikationsanforderung an Anlageberater) Financial Advice Working Group (FAWG): Consumer explanations of „advice“ and „guidance“, March 2017, abrufbar unter: https://www.fca.org.uk/publication/research/fawg-consu mer-explanations-advice-guidance.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Rules of Thumb and Nudges: Improving the financial wellbeing of UK consumers, March 2017, abrufbar unter: https://www.fca.org.uk/publication/research/fawg-rules-of-thumb-nud ges.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Financial Conduct Authority (FCA): Factsheet For investment advisers, Professional standards, No.008, 2012, abrufbar unter: https://www.fca.org.uk/publication/other/fs008-rdr-professiona lism.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Post-implementation review of the Retail Distribution Review – Phase 1, Dezember 2014, abrufbar unter: https://www.fca.org.uk/static/documents/post-implementation-review-rdr-pha se-1.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Developing our approach to implementing MiFID II conduct of business and organisational requirements, Discussion Paper DP 15/3, März 2015, abrufbar unter: https://www.fca.org.uk/ publication/discussion/dp15 - 03.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Discussion Paper – Smarter consumer communication, DP15/5, Juni 2015, abrufbar unter: https://www.fca.org.uk/publication/discussion/dp15 - 05-smarter-consumer-communications. pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Markets in Financial Instruments Directive II Implementation – Consultation Paper III, CP 16/29, September 2016, abrufbar unter: https://www.fca.org.uk/publication/consultation/cp1 6 - 29.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Feedback Statement – Smarter consumer communication, FS16/10, Oktober 2016, abrufbar unter: https://www.fca.org.uk/publication/feedback/fs16 - 10.pdf, zuletzt abgerufen am07. 01. 2018

518

Literaturverzeichnis

– Markets in Financial Instruments Directive II Implementation – Policy Statement I, PS 17/5, 31. 03. 2017, abrufbar unter: https://www.fca.org.uk/publication/policy/ps17 - 05.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Training and Competence, abrufbar unter: https://www.fca.org.uk/firms/training-compe tence, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Guidance on Consultation GC17/4: Financial Advice Market Review (FAMR) – Implementation part 1, April 2017, abrufbar unter: https://www.fca.org.uk/publication/guidanceconsultation/gc17 - 04.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Adviser reporting requirements, abrufbar unter: https://www.fca.org.uk/firms/regulatory-re porting/adviser-reporting-requirements, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Approved persons, abrufbar unter: https://www.fca.org.uk/firms/approved-persons, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – The financial register, abrufbar unter: https://register.fca.org.uk/, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Streamlined advice and related consolidated guidance, FG17/8, abrufbar unter: https://www. fca.org.uk/publication/finalised-guidance/fg-17 - 08.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Financial Conduct Authority (FCA)/HM Treasury: Financial Advice Market Review – Final report, v. März 2016, abrufbar unter: http://www.fca.org.uk/your-fca/documents/financial-ad vice-market-review-final-report, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Financial Advice Market Review (FAMR) – Progress report, April 2017, abrufbar unter: https:// www.fca.org.uk/publication/corporate/famr-progress-report.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Financial Ombudsman Service: Assessing the suitability of investments, abrufbar unter: http:// www.financial-ombudsman.org.uk/publications/technical_notes/assessing-suitability-of-in vestment.htm, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Financial Service Authority (FSA): Reforming Polarisation: Making the market work for consumers, Consultation Paper 121, Januar 2002, abrufbar unter: http://www.fsa.gov.uk/ pubs/cp/cp121.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Reforming Polarisation: A menu for being open with consumers, Including feedback on CP 166, 06/2004, abrufbar unter: http://www.fsa.gov.uk/pubs/cp/cp04_03.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – A Review of Retail Distribution, DP 07/01, June 2007, abrufbar unter: http://www.fsa.gov.uk/ pubs/discussion/dp07_01.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Reforming Polarisation: Implementation – Feedback on CP 04/3 (A menu for being open with consumers) and made text, PS 04/27, November 2007, abrufbar unter: http://www.fsa. gov.uk/pubs/policy/ps04_27.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Service and costs disclosure – Qualitative research with potential and recent purchasers of financial products, CR 65a, Februar 2008, abrufbar unter: http://www.fsa.gov.uk/static/pubs/ consumer-research/crpr65a.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Telephone Recording: recording of voice conversations and electronic communications, Policy Statement 08/1, März 2008, abrufbar unter: http://www.fsa.gov.uk/pubs/policy/ps08_ 01.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018

Literaturverzeichnis

519

– Retail Distribution Review – Interim Report, April 2008, abrufbar unter: http://www.fsa.gov. uk/pubs/discussion/rdr_interim_report.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Distribution of retail investments: Delivering the RDR, CP 09/18, June 2009, abrufbar unter: http://www.fsa.gov.uk/pubs/cp/cp09_18.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Using the FSA’s structured investment product advice suitability assessment template, Oktober 2009, abrufbar unter: http://www.fsa.gov.uk/pubs/other/sip_template_guidance.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Taping: Removing the mobile phone exemption, Consultation Paper 10/07, März 2010, abrufbar unter: https://www.finextra.com/finextra-downloads/newsdocs/cp10_07.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Distribution of retail investments: Delivering the RDR – feedback to CP 09/18 and finale rules, Policy Statement 10/6, März 2010, abrufbar unter: http://www.fsa.gov.uk/pubs/policy/ ps10_06.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Taping of mobile phones Feedback on CP10/7 and final rules, Policy Statement 10/17, November 2010, abrufbar unter: http://www.fsa.gov.uk/pubs/policy/ps10_17.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Assessing suitability: Establishing the risk a customer is willing and able to take and making a suitable investment selection – finalised guidance, März 2011, abrufbar unter: https://www. fca.org.uk/publication/finalised-guidance/fsa-fg11 - 05.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Simplified advise – Finalised guidance, March 2012, abrufbar unter: http://fca.org.uk/static/ pubs/guidance/fg12 – 10.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Retail Distribution Review: Independent and restricted advice – Finalised guidance, June 2012, FG 12/15, abrufbar unter: http://www.fsa.gov.uk/static/pubs/guidance/fg12 - 15.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Guidance Consultation: Risks to customers from financial incentives, September 2012, abrufbar unter: https://www.fca.org.uk/static/pubs/guidance/gc12 - 11.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Final guidance: Risks to customers from financial incentives, Januar 2013, abrufbar unter: https://www.fca.org.uk/publication/finalised-guidance/fsa-fg13 - 01.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Risks to customers from financial incentives – an update, Thematic Review TR14/4, März 2014, abrufbar unter: https://www.fca.org.uk/publication/thematic-reviews/tr14 - 04.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Factsheet For investment advisers – Adviser charging, No.010, abrufbar unter: https://www. fca.org.uk/publication/other/fs010-rdr-adviser-charging.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Professionalism, Stand: 14. 06. 2014, abrufbar unter: http://www.fsa.gov.uk/about/what/rdr/ firms/professionalism, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 FINRA: FINRA Rule 2111 (Suitability) FAQ, abrufbar unter: http://www.finra.org/industry/ faq-finra-rule-2111-suitability-faq, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Books and Records, abrufbar unter: http://www.finra.org/industry/books-records, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018

520

Literaturverzeichnis

Forschner, Julius: Wechselwirkungen von Aufsichtsrecht und Zivilrecht – Eine Untersuchung zum Verhältnis der §§ 31 ff. WpHG und zivilrechtlichem Beratungsvertrag, Diss., Tübingen 2013 (zit.: Forschner, Wechselwirkungen von Aufsichtsrecht und Zivilrecht) Frankel, Tamar/Laby, Arthur: Regulation of Money Managers, edited by Schwing, Ann Taylor, 3rd Edition, New York 2016, Stand: 16. 09. 2015 Freitag, Robert: Die Verteilung der Beweislast für Fehler in der Anlageberatung de lege lata und de lege ferenda – Gedanken zur privatrechtlichen Bedeutung von Beratungsprotokoll und Geeignetheitserklärung, ZBB 2016, 1 – 10 Frenz, Walter: Europarecht, 2. Aufl., Berlin 2015 (zit.: Frenz, Europarecht) Fuchs, Andreas (Hrsg.): Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), Kommentar, 2. Aufl., München 2016 (zit.: Bearbeiter, in: Fuchs, WpHG) Fullenkamp, Josef: Kick-Back – Haftung ohne Ende, NJW 2011, 421 – 426 Fußwinkel, O.: Grauer Kapitalmarkt – Rendite und Risiko: Marktabgrenzung, Regulierung und Verantwortung des Anlegers, BaFin-Journal, 3/2014, 9 – 15 Geier, Bernd/Druckenbrodt, Laura: Product Governance: MiFID II, PRIIP, Kleinanlegerschutzgesetz – quo vadis?, RdF 2015, 21 – 28 Geier, Bernd M./Schmitt, Christian: MiFID-Reform: der neue Anwendungsbereich der MiFID II und MiFIR, WM 2013, 915 – 920 Gerke, Wolfgang/Steiner, Manfred (Hrsg.): Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens, 3. Aufl., Stuttgart 2002 (zit.: Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens) Gersdorf, Hubertus/Paal, Boris P. (Hrsg.): Beck’scher Online-Kommentar Informations- und Medienrecht, 9. Edition, München, Stand: 01. 08. 2015 (zit.: Bearbeiter, in: BeckOK InfoMedienR) Grigoleit, Hans Christoph: Anlegerschutz – Produktinformationen und Produktverbote –, ZHR 177 (2013), 264 – 309 Groeben, Hans von der/Schwarze, Jürgen/Hatje, Armin: Europäisches Unionsrecht – Vertrag über die Europäische Union – Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union – Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 7. Aufl., Baden-Baden 2015 (zit.: Bearbeiter, in: Groeben/Schwarze/Hatje) Grundmann, Stefan: Wohlverhaltenspflichten, interessenkonfliktfreie Aufklärung und MiFID II – Jüngere höchstrichterliche Rechtsprechung und Reformschritte in Europa, WM 2012, 1745 – 1755 Günther, Thomas: Qualitätskontrolle bei Anlageberatern – Der Sachkundenachweis gemäß 34d WpHG in der Bankpraxis –, WM 2012, 2267 – 2272 Gurtner-Mayr, Claudia: Suitability und Appropriateness in der Vermögensverwaltung und Anlageberatung – Betrachtung der Regelungen in der MiFID II und des E-FIDLEG, Zürich 2016 (zit.: Gurtner-Mayr, Suitability und Appropriateness in der Vermögensverwaltung und Anlageberatung) Habersack, Mathias: Die Pflicht zur Aufklärung über Rückvergütungen und Innenprovisionen und ihre Grenzen, WM 2010, 1245 – 1253

Literaturverzeichnis

521

Habschick, Marco/Evers, Jan: Anforderungen an Finanzvermittler – mehr Qualität, bessere Entscheidungen – Studie im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, unter Mitarbeit von Mirko Bendig und Sascha Behnk, Juristischer Teil: Prof. Dr. Ulrich Krüger, Hamburg, September 2008, abrufbar unter: http://www.bmel. de/SharedDocs/Downloads/Verbraucherschutz/FinanzenVersicherungen/StudieFinanzvermitt ler.pdf?__blob=publicationFile, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit.: Habschick/Evers, Anforderungen an Finanzvermittler – mehr Qualität, bessere Entscheidungen) Halbleib, Gernot: Der Einsatz von Mitarbeitern in der Anlageberatung nach der Neuregelung des § 34d WpHG, WM 2011, 673 – 678 Halfpap, Patrick: Kapitalmarktaufsicht in Europa und den USA, Diss., Frankfurt am Main 2008 Hamann, Christian: Europäische Datenschutz-Grundverordnung – neue Organisationspflichten für Unternehmen, BB 2017, 1090 – 1097 Happel, Julia/Süss, Lars-Fredrik: MiFID II – eine neue Handelslandschaft entsteht, in: MiFID II/MiFIR – Umsetzung in der Bankpraxis, hrsg. v. Teuber, Hanno/Schröer, Ulrich, Heidelberg 2015, S. 227 – 264 (zit.: Happel/Süss, in: MiFID II/MiFIR) Harnos, Rafael: Das vorsätzliche Organisationsverschulden bei der Anlageberatung, BKR 2012, 185 – 191 – Die Reichweite und zivilrechtliche Bedeutung des § 31d WpHG – zugleich eine Besprechung des BGH-Urteils v. 17. 9. 2013 – XI ZR 332/12 –, BKR 2014, 1 – 9 – Einfluss des europarechtlichen Effektivitätsgebots auf das Anlegerschutzrecht, ZEuP 2015, 546 – 568 Heidel, Thomas: Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., Baden-Baden 2014 (zit.: Bearbeiter, in: Heidel) Herresthal, Carsten: Kritik der aktuellen Ausdifferenzierungen in der höchstrichterlichen KickBack-Rechtsprechung, ZBB 2010, 305 – 311 – Die Grundlage und Reichweite von Aufklärungspflichten beim Eigenhandel mit Zertifikaten – zugleich eine Besprechung von BVerfG 1 BvR 2514/11 (ZBB 2012, 134 – in diesem Heft), BGH XI ZR 182/10 und BGH XI ZR 178/10, ZBB 2012, 89 – 106 – Die vertragsrechtlichen Folgen der Honoraranlageberatung nach dem WpHG, WM 2014, 773 – 783 Heun-Rhen, Stefan Lars-Thoren/Lang, Sonja/Ruf, Isabelle: Neue (Un-)Klarheit bezüglich Innenprovisionen und Rückvergütungen bei Kapitalanlagen, NJW 2014, 2909 – 2913 Hill, Charlotte: The retail distribution review, C.O.B. 2012, 99(Sep), 1 – 27 Hitzer, Martin/Hauser, Patrick: ESMA – Ein Statusbericht, BKR 2015, 52 – 59 Hoffmann, Jochen/Bartlitz, David: Zeitenwende: Aufklärungspflicht auch über Innenprovisionen. Zugleich Besprechung BGH v. 3. 6. 2014 – XI ZR 147/12, ZIP 2014, 1505 – 1513 Hudson, Alastair: The Law of Finance, 2nd Edition, London 2013 Iacurci, Greg/Idzelis, Christine: Broker-dealers split on commissions in wake of DOL fiduciary rule, Beitrag v. 30. 10. 2016, Investment News, abrufbar unter: http://www.investmentnews. com/article/20161030/FREE/161029902/broker-dealers-split-on-commissions-in-wake-ofdol-fiduciary-rule, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018

522

Literaturverzeichnis

Jarass, Hans D. (Hrsg.): Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Kommentar, 3. Aufl., München 2016 (zit.: Bearbeiter, in: Jarass, Charta d. Grundrechte d. EU) Jesch, Thomas A./Siemko, Sabrina: Das Kleinanlegerschutzgesetz – Verbraucherschutz, schneller als MiFID II erlaubt?, BB 2014, 2570 – 2572 Jooß, Alexander: Rückvergütungen vs. Innenprovisionen, WM 2011, 1260 – 1266 Jordans, Roman: Aufklärungspflichten über Einnahmen aus dem Vertrieb von Finanzprodukten – eine Übersicht über die Rechtsprechung zu Kick-Backs, Provisionen und Margen seit dem Jahr 2000, BKR 2011, 456 – 465 – Aktueller Überblick über die Aufklärungspflichten über Einnahmen aus dem Vertrieb von Finanzprodukten, BKR 2015, 309 – 316 Just, Clemens/Voß, Thorsten/Ritz, Corinna/Becker, Ralf (Hrsg.): Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), München 2015 (zit.: Bearbeiter, in: J/V/R/B, WpHG,) Karlsruher Forum 2014: Karlsruher Forum 2014: Anlegerschutz durch Haftung nach deutschem und europäischem Kapitalmarktrecht – Mit Vorträgen von Katja Langenbucher und Helmut Heiss und Dokumentation der Diskussion, hrsg. v. Lorenz, Egon, Schriftenreihe der Zeitschrift Versicherungsrecht, Band 55, Karlsruhe 2015 (zit.: Teilnehmer, Karlsruher Forum 2014) KK/WpHG: Kölner Kommentar zum WpHG, hrsg. v. Hirte, Heribert/Möllers, Thomas M. J., 2. Aufl., Köln 2014 (zit.: Bearbeiter, in: KK/WpHG) Klee, Constanze: MiFID II: Auswirkungen der geänderten Behandlung von Zuwendungen – Auswirkungen der geänderten Behandlung von Zuwendungen auf Wertpapierdienstleistungen von Kreditinstituten, Saarbrücken 2016 (zit.: Klee, MiFID II: Auswirkungen der geänderten Behandlung von Zuwendungen) Klein, Nico C.: Honorarberatung als „die einzig wahre Lösung“?, WM 2011, 2117 – 2120 – Die Beratungsprotokollpflicht im System des europarechtlich determinierten Anlegerschutzes, Diss., Tübingen 2015 Koch, Jens: Innenprovisionen und Rückvergütungen nach der Entscheidung des BGH vom 27. 10. 2009, BKR 2010, 177 – 184 – Grenzen des informationsbasierten Anlegerschutzes – Die Gratwanderung zwischen angemessener Aufklärung und information overload, BKR 2012, 485 – 493 – Das Nebeneinander aufsichts- und zivilrechtlicher Beratungsvorgaben im Anlegerschutz – Handlungsbedarf für den Gesetzgeber?, ZBB 2014, 212 – 220 Koller, Ingo: Beratung und Dokumentation nach dem § 34 Abs. 2a WpHG, in: Festschrift für Uwe H. Schneider, hrsg. v. Burgard, Ulrich/Hadding, Walther/Mülbert, Peter O./Welter, Reinhard, Köln 2011, S. 651 – 667 Komo, Daniel: Kick-Back-Rechtsprechung des BGH – Aktuelle Entwicklungen, NZG 2011, 1178 – 1180 Köndgen, Johannes: Structured Products from the Perspective of Investor Protection: Can the Courts Police the Market or Do We Need More Regulation?, in: Festschrift für Klaus J. Hopt

Literaturverzeichnis

523

– Unternehmen, Markt und Verantwortung, hrsg. v. Grundmann, Stefan/Haar, Brigitte/Merkt, Hanno/u. a., Band II, S. 2213 – 2143 Kotte, Madlen: Keine Aufklärungspflicht der Banken über Rückvergütungen beim Vertrieb konzerneigener Produkte, BB 2014, 1353 – 1357 Krammer, Alfred: Stellungnahme im Rahmen der Konsultation 02/2012, WA 31-Wp 2002 – 2009/0010, v. 26. 06. 2012, abrufbar unter: https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentli chungen/DE/Konsultation/2012/kon_0212_ueberarbeitung_macomp_wa.html, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Krimphove, Dieter/Kruse, Oliver: MaComp, Mindestanforderungen an die ComplianceFunktion und die weiteren Verhaltens-, Organisations- und Transparenzpflichten nach §§ 31 ff. WpHG für Wertpapierdienstleistungsunternehmen, Kommentar, München 2013 (zit.: Bearbeiter, in: Krimphove/Kruse) Krisl, Denise: Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG: Eine systematische Aufarbeitung des status quo seit Geltung des FinanzmarktrichtlinieUmsetzungsgesetz (FRUG), Diss., Hamburg 2013 (zit.: Krisl, Die Schutzgesetzeigenschaft der Wohlverhaltenspflichten nach §§ 31 ff. WpHG) Kropf, Christian: Rechtliche Schranken im Rahmen der Kick-back-Rechtsprechung des BGH – Besprechung von BGH, Urt. v. 8. 4. 2014 – XI ZR 341/12, ZBB 2014, 331 – 342 Krüger, Ulrich: Aufklärung und Beratung bei Kapitalanlagen – Nebenpflicht statt Beratungsvertrag, NJW 2013, 1845 – 1850 Kümpel, Siegfried/Wittig, Arne (Hrsg.): Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., Köln 2011 (zit.: Bearbeiter, in: Kümpel/Wittig) Kurz, Antje-Irina : MiFID II – Auswirkungen auf den Vertrieb von Finanzinstrumenten, DB 2014, 1182 – 1187 Laban, Konstantin: Organisations- und Verhaltenspflichten in der Anlageberatung nach Inkrafttreten des AnsFuG – Rechtsprobleme und Perspektiven des Anlegerschutzes, Diss., Marburg 2015 (zit.: Laban, Organisations- und Verhaltenspflichten in der Anlageberatung nach Inkrafttreten des AnsFuG) Laby, Arthur B.: Fiduciary Obligations of Broker-Dealers and Investment Advisers, 55. Vill. L. Rev. (2010), 701 – 742 Lamfalussy, Alexandre/Herkströter, Cornelius/Rojo, Luis Angel/Ryden, Bengt/Spaventa, Luigi/Walter, Norbert/Wicks, Nigel: Schlussbericht des Ausschusses der Weisen über die Regulierung der Europäischen Wertpapiermärkte, v. 15. 01. 2007, abrufbar unter: http://ec.eu ropa.eu/internal_market/securities/docs/lamfalussy/wisemen/final-report-wise-men_de.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Lange, Marcus: Product Governance – Neue Anforderungen für die Konzeption und den Vertrieb von Finanzprodukten, DB 2014, 1723 – 1729 Langen, Markus: „BGH schwächt Beratungspflichten auch in Bezug auf Kick-Backs ab“ – Anmerkung zu BGH, Urt. v. 27. 10. 2009 – XI ZR 338/08, BB 2010, 17 – 18 Langenbucher, Katja: Anlegerschutz – Ein Bericht zu theoretischen Prämissen und legislativen Instrumenten, ZHR 177 (2013), 679 – 701

524

Literaturverzeichnis

Langenbucher, Katja/Bliesener, Dirk H./Spindler, Gerald: Bankrechts-Kommentar, 2. Aufl., München 2016 (zit.: Bearbeiter, in: L/B/S, BankR) Lenarz, Nikolai: Informationspflichten im Wertpapiervertrieb, in: MiFID II/MiFIR – Umsetzung in der Bankpraxis, hrsg. v. Teuber, Hanno/Schröer, Ulrich, Heidelberg 2015, S. 29 – 54 (zit.: Lenarz, in: MiFID II/MiFIR) Lerch, Marcus P.: Anlageberater als Finanzintermediäre, Diss., Tübingen 2015 Lingen, Gero: Anlageberatung im Spannungsfeld zwischen Verbraucherschutz und Überregulierung, Diss., Frankfurt 2016 London Economics: Report to the Financial Service Authority: Polarisation and Financial Services Intermediary Regulation – A review to the Financial Services Authority, abrufbar unter: http://www.fsa.gov.uk/pubs/other/polar.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Loss, Louis/Seligman, Joel/Paredes, Troy: Securities Regulation, 5th Edition, Volume VI, New York 2016 (zit.: Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VI) – Securities Regulation, 5th Edition, Volume VII, New York 2017 (zit.: Loss/Seligman/Paredes, Securities Regulation VII) – Securities Regulation, 5th Edition, Cumulative Supplement, New York 2017 (zit.: Loss/ Seligman/Paredes, Securities Regulation, Supplement 2017) Ludwig, Jan/Clouth, Peter: Die Rechtsprechung des BGH zu „schwerwiegenden Interessenkonflikten“ von (anlage-)beratenden Kreditinstituten – System oder reine Kasuistik, NZG 2015, 1369 – 1377 Maier, Arne: Das obligatorische Beratungsprotokoll: Anlegerschutz mit Tücken, VuR 2011, 3 – 12 – Grob fahrlässige Unkenntnis des Anlegers bei Risiko- und Warnhinweisen im Beratungsprotokoll?, VuR 2017, 56 – 59 Manzei, Daniela: Rechtsvergleichende Betrachtung von Verhaltensregeln für Wertpapierdienstleistungsunternehmen im Privatkundengeschäft unter deutschem wie US-amerikanischem Aufsichtsrecht, WM 2009, 393 – 400 Marray, Michael/Beecken, Grit: REGULIERUNG: Asset Management ohne Asset Manager, Beitrag v. 04. 11. 2014, Börsenzeitung, S. B 22, abrufbar unter: https://www.boersen-zeitung. de/index.php?li=1&artid=2014211824, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Marte, Jonelle: Obama calls for higher standards on brokers giving retirement advice, Beitrag v. 23. 02. 2015, The Washington Post, abrufbar unter: https://www.washingtonpost.com/news/ get-there/wp/2015/02/23/raising-the-standard-for-retirement-advice/, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Mattil & Kollegen: Stellungnahme 2. FiMaNoG, v. 02. 03. 2017, abrufbar unter: https://www. bundestag.de/blob/496172/26261cdd26a8e5361fd0052e52aff6ca/14-data.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Maunz, Theodor/Dürig, Günter (Begr.): Grundgesetz-Kommentar, Loseblattsammlung, München, Stand: Ergänzungslieferung 81, September 2017 McCarthy, Callum: Is The Present Business Model Bust? Rede bei Gleneagles Savings&Pensions Industry Leaders’ Summit, v. 16. 09. 2006, abrufbar unter: http://www.mondo

Literaturverzeichnis

525

visione.com/news/is-the-present-business-model-bust-speech-by-callum-mccarthy-chairmanfinancial-/, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 McMeel, Gerard: Intertnational Issues in the Regulation of Financial Advice: A United Kingdom Perspective – The Retail Distribution Review and the Ban on Commission Payments to Financial Intermediaries, 87 St. John’s L. Rev. 2013, 595 – 628 Meyer, Jürgen (Hrsg.): Charta der Grundrechte der Europäischen Union, Kommentar, 4. Aufl., Baden-Baden 2014 (zit.: Bearbeiter, in: Meyer, Charta d. Grundrechte d. Europäischen Union) Möllers, Thomas M. J.: Europäische Methoden- und Gesetzgebungslehre im Kapitalmarktrecht – Vollharmonisierung, Generalklauseln und soft law im Rahmen des Lamfalussy-Verfahrens als Mittel zur Etablierung von Standards, ZEuP 2008, 480 – 505 – Europäische Gesetzgebungslehre 2.0: Die dynamische Rechtsharmonisierung im Kapitalmarktrecht am Beispiel von MiFID II und PRIIP, ZEuP 2016, 325 – 357 Möllers, Thomas M. J./Kastl, Stephanie: Das Kleinanlegerschutzgesetz, NZG 2015, 849 – 855 Möllers, Thomas M. J./Poppele, Mauritz Christopher: Paradigmenwechsel durch MiFID II: divergierende Anlegerleitbilder und neue Instrumentarien wie Qualitätskontrolle und Verbote, ZGR 2013, 437 – 481 Moloney, Niamh: Building a Retail Investment Culture through Law: The 2004 Markets in Financial Instruments Directive, EBOR 2005, 341 – 421 – How to Protect Investors – Lessons from the EC and the UK, Cambridge 2010 (zit.: Moloney, How to protect Investors) – EU Securities and Financial Markets Regulation, 3rd Edition, Oxford 2014 (zit.: Moloney, EU Securities and Financial Markets Regulation) Morton, Guy: Approved persons and senior management update, C.O.B. 2004, 19(Sep), 1 – 36 Müchler, Henny/Trafkowski, Uwe: Honoraranlageberatung: Regulierungsvorhaben im deutschen und europäischen Recht, ZBB 2013, 101 – 114 MüKo-HGB: Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch: HGB, Band 6 Bankvertragsrecht, hrsg. v. Schmidt, Karsten, 3. Aufl., München 2014 (zit.: Bearbeiter, in: MüKo-HGB) Mülbert, Peter O.: Anlegerschutz bei Zertifikaten – Beratungspflichten, Offenlegungspflichten bei Interessenkonflikten und die Änderungen durch das Finanzmarkt-Richtlinie-Umsetzungsgesetz (FRUG), WM 2007, 1149 – 1163 – Regulierungstsunami im europäischen Kapitalmarktrecht, ZHR 176 (2012), 369 – 379 Niemeyer, Frank/Thorun, Christian: The New Financial System in Great Britain – Analysing the Retail Distribtuiton Review and the Ban of Commissions, Norderstedt 2012 (zit.: Niemeyer/ Thorun, The New Financial System in Great Britain) Nikolaus, Max/d’Oleire, Stefan: Aufklärung über „Kick-backs“ in der Anlageberatung: Anmerkung zum BGH-Urteil vom 19. 12. 2006 = WM 2007, 487, WM 2007, 2129 – 2135 N.N.: Provisionsverbot: Britische Berater leiden nicht unter Absatzkrise, Beitrag v. 24. 09. 2014, FONDS professionell Online, abrufbar unter: http://www.fondsprofessionell.de/news/ vertrieb-praxis/nid/britisches-provisionsverbot-freie-berater-leiden-nicht-unter-absatzkrise/ answer/20140926123442/gid/1017303/, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018

526

Literaturverzeichnis

– FCA loses fight on MiFID II call recording, Beitrag v. 02. 07. 2015, Out-law, abrufbar unter: http://www.out-law.com/en/articles/2015/july/fca-loses-fight-on-MiFID-ii-call-recording/, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – National Association of Securities Dealers (NASD): Notice to Members 03 – 33 (July 2003) (Clarification for Members Regarding Supervisory Obligations and Recordkeeping Requirements for Instant Messaging), abrufbar unter: http://www.finra.org/sites/default/files/Noti ceDocument/p003249.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Nobbe, Gerd: Anmerkung zu BGH: Zur „Kick-Back“-Rechtsprechung und insbesondere zur Ausweisung von Rückvergütungen im Prospekt, BKR 2011, 302 – 304 Ortmann, Mark/Tutone, Simone: Evaluierung der Beratungsdokumentation im Geldanlageund Versicherungsbereich, Studie des Instituts für Transparenz GmbH (ITA), v. 18. 02. 2014, abrufbar unter: http://www.ita-online.info/system/comfy/cms/files/files/000/000/025/origi nal/Evaluierung_der_Beratungsdokumentation_im_Geldanlage_und_Versicherungsbereich. pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Palandt, Otto (Begr.): Bürgerliches Gesetzbuch, 77. Aufl., München 2018 (zit.: Bearbeiter, in: Palandt) Pankl, Georg: Provisionsverbot würde gewaltige Beratungslücke verursachen, Beitrag v. 12. 10. 2012, FONDS professionell Online, abrufbar unter: http://www.fondsprofessionell.de/news/ professionell-kommentiert/nid/provisionsverbot-wuerde-gewaltige-beratungsluecke-verursa chen/newskategorie/professionell-analysiert/newsseite/6/gid/1006991/, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Pfeifer, Klaus-Gerhard: Einführung der Dokumentationspflicht für das Beratungsgespräch durch § 34 Abs. 2a WpHG, BKR 2009, 485 – 490 Pfisterer, Pascal: Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz – Analyse und Vergleich zur bestehenden Rechtslage, Wiesbaden 2016 (zit.: Pfisterer, Die neuen Regelungen der MiFID II zum Anlegerschutz) Philipp, Otmar: Kapitalmarktrecht: Neuer Rahmen für Finanzinstrumente – MiFID II und MiFIR, EuZW 2014, 483 Poelzig, Dörte: Stellungnahme zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz – 2. FiMaNoG) und dem Entwurf eines Änderungsantrags der Fraktionen CDU/CSU und SPD – BT Drucksache 18/10936 – Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Finanzen des Deutschen Bundestages am 8. März 2017, 11:30 – 13:00 Uhr, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/blob/496040/d8f980147529723175d2c23d2bbc6c78/13-data.pdf, zuletzt abgerufen am 20. 03. 2017 (zit.: Poelzig, Stellungnahme zum Entwurf des 2. FiMaNoG im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses) Practical Law Financial Service: FCA Suitability Requirements: COBS 9, pratcie note, abrufbar unter: http://uk.practicallaw.com/3 – 517 – 1189, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Prentice, Alix/Lofchi, Steven/Highman, Mark: Telephone taping and capturing electronic communications: obligations for UK firms; US implications and perspectives, Beitrag v. 17. 03. 2008, lexology, abrufbar unter: http://www.lexology.com/library/detail.aspx?g=a3 d56b7d-d2c4 - 4219-ac1 f-4c2b80b9bf57, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018

Literaturverzeichnis

527

Rechtschaffen, Alan N.: Capital Markets, Derivates and the Law – Evolution After Crisis, 2nd Edition, New York 2014 Reiter, Julius/Methner, Olaf: Die Interessenkollision beim Anlageberater – Unterschiede zwischen Honorar- und Provisionsberatung, WM 2013, 2053 – 2059 Renz, Harmut/Hense, Dirk (Hrsg.): Wertpapier-Compliance in der Praxis – Eine Kommentierung aktueller Rechtspflichten, Berlin 2010 (zit.: Bearbeiter, in: Renz/Hense, WertpapierCompliance in der Praxis) Richardi, Reinhard/Thüsing, Gregor/Annuß, Georg/Maschmann, Frank/Forst, Gerrit (Hrsg.): Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) mit Wahlordnung, Kommentar, 15. Aufl., München 2016 (zit.: Bearbeiter, in: Richardi, BetrVG) Rödel, Felix Rudolf Christian Anthony: Aufklärungspflicht und Schadensersatz wegen Aufklärungspflichtverletzung am Beispiel der Anlageberatung, Diss., Frankfurt am Main 2015 (zit.: Rödel, Aufklärungspflicht und Schadenersatz) Rohwetter, Kerstin: Die Vermeidung von Interessenkonflikten durch das Zuwendungsverbot des § 31d WpHG, Diss., Frankfurt am Main 2015 (zit.: Rohwetter, Die Vermeidung von Interessenkonflikten) Roth, Barbara/Blessing, Denise: Die neuen Vorgaben nach MiFID II – Teil 1 – Änderungen im Rahmen der Anlageberatung und Geeignetheitsprüfung, CCZ 2016, 258 – 266 – Die neuen Vorgaben zur Kostentransparenz nach MiFID II, WM 2016, 1157 – 1163 – Die neuen Vorgaben nach MiFID II – Teil 2 – Die Aufzeichnungspflichten betreffend Telefongespräche und elektronischer Kommunikation, CCZ 2017, 8 – 15 – Die neuen Vorgaben nach MiFID II – Teil 3 – Die zulässigkeit und Offenlegung von Zuwendungen, CCZ 2017, 163 – 171 Rothenhöfer, Kay: Interaktion zwischen Aufsichts- und Zivilrecht – Dualismus der Wohlverhaltensregeln des WpHG unter besonderer Berücksichtigung der Vertriebsvergütungen, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts – Deutsches, europäisches und internationales Handels-, Gesellschafts- und Kapitalmarktrecht, hrsg. v. Baum, Harald/Fleckner, Andreas M./Hellgardt, Alexander/Roth, Markus, Berlin 2008, S. 55 – 84 (zit.: Rothenhöfer, in: Perspektiven des Wirtschaftsrechts) Rozok, Matthias: Tod der Vertriebsprovisionen oder Alles wie gehabt? Die Neuregelungen über Zuwendungen bei der Umsetzung der Finanzmarktrichtlinie, BKR 2007, 217 – 225 Ryglewski, Sarah: Rede vor dem Bundestag in der 215. Sitzung am 26.012017, BT-Plenarprotokoll 18/215, S. 21577B Salewski, Sabrina: MAD II, MiFID II, EMIR und Co. – Die Ausweitung des europäischen Marktmissbrauchsregimes durch die neue Finanzmarktinfrastruktur, GWR 2012, 265 – 267 Schäfer, Christoph: Aktienindex Dow Jones steigt erstmals über 20.000 Punkte, Beitrag v. 25. 01. 2017, Frankfurter Allgemeine Zeitung, abrufbar unter: http://www.faz.net/aktuell/fi nanzen/aktienindex-dow-jones-steigt-erstmals-ueber-20 - 000-punkte-14754060.html? GEPC=s5, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Schäfer, Holger: Wertpapierbeschwerden und Beschwerdeanzeigen, in: BaFin Journal 10/12, 4–8

528

Literaturverzeichnis

Schafstädt, Christian: Das Spannungsverhältnis zwischen Provisionsberatung und Honorarberatung im Versicherungsmarkt – Eine rechtsvergleichende und -ökonomische Analyse, Diss., Berlin 2015 (zit.: Schafstädt, Das Spannungsverhältnis zwischen Provisionsberatung und Honorarberatung im Versicherungsmarkt) Schelling, Holger: Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung – Eine Studie zum europäischen, deutschen und englischen Recht, Diss., Berlin 2013 (zit.: Schelling, Vergütungssysteme und Interessenkonflikte in der Anlageberatung) Schelm, Joachim: Sorgfalts- und Loyalitätspflichten im Investmentrecht – Eine rechtsvergleichende Untersuchung des Investmentrechts in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Deutschland, Diss., Berlin 2008 (zit.: Schelm, Sorgfalts- und Loyalitätspflichten im Investmentrecht) Schick, Gerhard: Zu Protokoll gegebene Rede vor dem Bundestag in der 215. Sitzung am 26. 01. 2017, BT-Plenarprotokoll 18/215, S. 21607B Schommer, Frank-Rüdiger: Das Geeignetheitskonzept nach § 31 Abs. 4 WpHG in der Anlageberatung, Diss., Berlin 2013 Schulz, Stephan: Der telefonische Vertrieb von Finanzinstrumenten, Diss., Hamburg 2014 Schwab, Martin: Provisionen, Rückvergütungen und der legitime Erwartungshorizont des Anlagekunden, BKR 2011, 450 – 456 Schwark, Eberhard/Zimmer, Daniel (Hrsg.): Kapitalmarktrechts-Kommentar – Börsengesetz mit Börsenzulassungsverordnung, Wertpapierprospektgesetz, Verkaufsprospektgesetz mit Vermögensanlagen-Verkaufsprospektverordnung, Wertpapierhandelsgesetz, Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 4. Aufl., München 2010 (zit.: Bearbeiter, in: Schwark/ Zimmer, KMRK) Schwarze, Jürgen (Hrsg.): EU-Kommentar, Mithersg.: Becker, Ulrich/Hatje, Armin/Schoo, Johann, 2. Aufl. Baden-Baden 2009 (zit.: Bearbeiter, in: Schwarze, EU-Kommentar) Seibert, Holger: Das Recht der Kapitalanlageberatung und -vermittlung, München 2014 Sethe, Rolf: Die Zulässigkeit von Zuwendungen bei Wertpapierdienstleistungen, in: Festschrift für Gerd Nobbe, Entwicklungsleitlinien im Bank- und Kapitalmarktrecht, hrsg. v. Habersack, Mathias/Joeres, Hans-Ulrich/Krämer, Achim, Köln 2009, S. 769 – 790 Simkin, Morris: FINRA’s know-your-customer and suitability rules require brokerage changes, new strategies, Beitrag v. 25. 06. 2012, Reuters Blog, abrufbar unter: http://blogs.reuters.com/ financial-regulatory-forum/2012/06/25/finras-know-your-customer-and-suitability-rules-re quire-brokerage-changes-new-strategies/, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Spindler, Gerald: Aufklärungspflichten eines Finanzdienstleisters über eigene Gewinnmargen? – Ein „Kick-Back“ zu viel, WM 2009, 1821 – 1868 – Anlegerschutz im Kapitalmarkt- und Bankrecht – Neujustierung durch Behavioral Finance?, in: Festschrift für Franz Jürgen Säcker, hrsg. v. Joost, Detlev/Oetker, Hartmut/Paschke, Marain, München 2011, S. 469 – 486 – Aufklärungspflichten im Bankrecht nach dem „Zins-Swap-Urteil“ des BGH, NJW 2011, 1920 – 1924

Literaturverzeichnis

529

– Produkthaftung für Finanzmarktprodukte? – Parallelen und Unterschiede, in: Festschrift für Johannes Köndgen, hrsg. v. Casper, Matthias/Klöhn, Lars/Roth, Wulf-Henning/Schmies, Christian, Köln 2016, S. 615 – 635 Staud, Rainer Christian: Die Bedeutung der Dokumentationspflichten bei Wertpapiergeschäften, Diss., Regensburg 1999 (zit.: Staud, Die Bedeutung der Dokumentationspflichten bei Wertpapiergeschäften) Stern, Klaus/Sachs, Michael (Hrsg.): EuropäischeGrundrecht-Charta GRh, Kommentar, München 2016 (zit.: Bearbeiter, in: Stern/Sachs) Stiftung Warentest: Nur 3 von 23 Banken beraten gut, Finanztest 2/2016, 33 – 36 Streinz, Rudolf (Hrsg.): EUV/AEUV – Vertrag über die Europäische Union und Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, 2. Aufl., München 2012 (zit.: Bearbeiter, in: Streinz, EUV/AEUV) Szesny, André-M./Kuthe, Thorsten: Kapitalmarkt Compliance, München 2014 (zit.: Bearbeiter, in: Szesny/Kuthe, Kapitalmarkt Compliance) Tekathen, Johannes M. C. : Honorarberatung im Finanzdienstleistungsbereich – konzeptionelle Grundlagen und empirische Untersuchung von Honorarberatung aus Sicht von Privatkunden, Diss., Bad Soden 2015 (zit.: Tekathen, Honorarberatung im Finanzdienstleistungsbereich) Thiele, Alexander: Finanzaufsicht: Der Staat und die Finanzmärkte, Habil. Tübingen 2014 (zit.: Thiele, Finanzaufsicht) Tiefensee, Johannes/Kuhlen, Jan: Rechtsfragen zum Bezeichnungsschutz in der Honorarberatung, WM 2014, 2105 – 2144 Trafkowski, Uwe: Besondere Pflichten für die Anlageberatung, in: MiFID II/MiFIR – Umsetzung in der Bankpraxis, hrsg. v. Teuber, Hanno/Schröer, Ulrich, Heidelberg 2015, S. 77 – 112 (zit.: Trafkowski, in: MiFID II/MiFIR) Trump, Donald J.: Presidential Memorandum on Fiduciary Duty Rule, v. 03. 02. 2017, abrufbar unter: https://www.whitehouse.gov/the-press-office/2017/02/03/presidential-memorandumfiduciary-duty-rule, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Trute, Hans-Heinrich: Wechselseitige Verzahnungen zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht, in: Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, hrsg. v. Hoffmann-Riem, Wolfgang/Schmidt-Aßmann, Eberhard, Baden-Baden 1996, 167 – 224 (zit.: Trute, in: Hoffmann-Riem/Schmidt-Aßmann, Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen) Tuch, Andrew F.: The Self-Regulation of Investment Bankers, 83. Geo. Wash. L. Rev. 2014, 101 – 174 Turner, John A.: Symposium: The Pension Mis-Selling Scandal, The SEC, And The Fiduciary Standard, 23. Conn. Ins. L.J. 2016, 263 – 290 U.S. Department of Labor (DOL): Conflict of Interest FAQs, (Part I – Exemptions), 27. 10. 2016, abrufbar unter: https://www.dol.gov/sites/default/files/ebsa/about-ebsa/our-activities/re source-center/faqs/coi-rules-and-exemptions-part-1.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Conflict of Interest FAQs, (Part II – Rule), Januar 2017, abrufbar unter: https://www.dol.gov/ sites/default/files/ebsa/about-ebsa/our-activities/resource-center/faqs/coi-rules-and-exemp tions-part-2.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018

530

Literaturverzeichnis

U.S. Securities Exchange Commission (SEC): General Information on the Regulation of Investment Advisers, abrufbar unter: https://www.sec.gov/divisions/investment/iaregulation/me moia.htm, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Comments on Proposed Rule: Incentive-Based Compensation Arrangements Release No. 34 – 64140; File No. S7 – 12 – 11, abrufbar unter: https://www.sec.gov/comments/s7 - 12 11/s71211.shtml, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 – Guide to Broker-Dealer Registration, abrufbar unter: https://www.sec.gov/divisions/market reg/bdguide.htm, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Veil, Rüdiger (Hrsg.): Europäisches Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., Tübingen 2014 (zit.: Bearbeiter, in: Veil, Europäisches Kapitalmarktrecht) – Europäische Kapitalmarktunion – Verordnungsgesetzgebung, Instrumente der europäischen Marktaufsicht und die Idee eines „Single Rulebook“, ZGR 2014, 544 – 607 Veil, Rüdiger/Lerch, Marcus: Auf dem Weg zu einem Europäischen Finanzmarktrecht: die Vorschläge der Kommission zur Neuregelung der Märkte für Finanzinstrumente, WM 2012, 1557 – 1565 (Teil I) und 1605 – 1613 (Teil II) Veil, Rüdiger/Wundenberg, Malte: Englisches Kapitalmarktrecht – eine rechtsvergleichende Studie aus der Perspektive des europäischen Kapitalmarktrechts, Köln 2010 (zit.: Veil/ Wundenberg, Englisches Kapitalmarktrecht) Verband der deutschen Auslandsbanken e.V. (VAB): Referentenentwurf eines Gesetzes zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften aufgrund europäischer Rechtsakte (Finanzmarktnovellierungsgesetz) – Stellungnahme des Verbandes der Auslandsbanken e. V., v. 13. 11. 2015, abrufbar unter: https://www.vab.de/Deutsch/Stellungnahmen_Details/?id=refe rentenentwurf_zum_finanzmarktnovellierungsgesetz, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit.: VAB, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG) Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv): Provisionen im Finanzvertrieb verbieten – Stellungnahme des Verbraucherzentrale Bundesverbandes zum Referentenentwurf für ein Finanzmarktnovellierungsgesetz (FiMaNoG) vom 13. 11. 2015, abrufbar unter: http://www. vzbv.de/meldung/provisionen-im-finanzvertrieb-verbieten, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit.: vzbv, Stellungnahme zum Referentenentwurf 1. FiMaNoG) – Forderung für eine verbrauchergerechte Anlageberatung – Stellungnahme zum Referentenentwurf für ein zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz (2. FiMaNoG) vom 29. September 2016, v. 28. 10. 2016, abrufbar unter: http://www.vzbv.de/sites/default/files/vzbv_stel lungnahme_anlageberatung.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit.: vzbv, Stellungnahme zum Referentenentwurf 2. FiMaNoG) – EINSTIEG IN DEN AUSSTIEG! – BESTANDSSCHUTZ FÜR DIE PROVISIONSBERATUNG BEENDEN – Stellungnahme des Verbraucherzentrale Bundesverbands zur öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages zum Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Novellierung von Finanzmarktvorschriften auf Grund europäischer Rechtsakte (Zweites Finanzmarktnovellierungsgesetz – 2. FiMaNoG) v. 02. 03. 2017, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/blob/495706/372d41eec534d5a509865164 5b98350b/14-vzbv-data.pdf, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit.: vzbv, Stellungnahme in der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses zum 2. FiMaNoG)

Literaturverzeichnis

531

– Großbritannien zeigt: Provisionsverbot verbessert Anlageberatung, Pressemitteilung v. 20. 04. 2017, abrufbar unter: http://www.vzbv.de/pressemitteilung/grossbritannien-zeigt-pro visionsverbot-verbessert-anlageberatung, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 (zit.: vzbv, Pressemitteilung v. 20. 04. 2017) Walker, Peter: FCA admits losing MiFID II recording fight, Beitrag v. 30. 06. 2015, FT Adviser, abrufbar unter: http://www.ftadviser.com/2015/06/30/regulation/eu-legislation/fca-admits-lo sing-MiFID-ii-recording-fight-QSFsxhfyOsbl9EWPBp2JeJ/article.html, zuletzt abgerufen am 07. 01. 2018 Walz, Thiemo: Aktuelle ESMA-Konsultationen zu MiFID II, RdF 2014, 198 – 203 – (Un-)Abhängige Anlageberatung nach MiFID II unter Einbeziehung der deutschen Honoraranlageberatung, in: MiFID II/MiFIR – Umsetzung in der Bankpraxis, hrsg. v. Teuber, Hanno/Schröer, Ulrich, Heidelberg 2015, S. 55 – 76 (zit.: Walz, in: MiFID II/MiFIR) Weck, Jochen: Anmerkung zu BGH, Urt. v. 3. 6. 2014 – XI ZR 147/12, BKR 2014, 374 – 377 Welter, Reinhard/Lang, Volker: Handbuch der Informationspflichten im Bankverkehr, Köln 2005 (zit.: Bearbeiter, in: Welter/Lang) Wenzel, Thomas/Cordiaß, Benedikt: MiFID II: Überblick zur Novellierung der Markets in Financial Instruments Directive, in: Europäische Finanzmarktregulierung – Handbuch zu EMIR, MiFID II/MiFIR, PRIIPs, MAD/MAR, OTC-Derivaten und Hochfrequenzhandel, hrsg. v. Ralf Temporale, Stuttgart 2015 (zit.: Wenzel/Cordiaß, in: Europäische Finanzmarktregulierung) Wiechers, Ullrich: Aktuelle Rechtsprechung des XI. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, WM 2012, 477 – 528 Will, Martin: Die gewerbliche Honorar-Finanzanlagenberatung, NJW 2015, 1477 – 1482 Winter, Thomas: Die Prinzipien der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu Innenprovisionen, Rückvergütungen und Gewinnmargen, WM 2014, 1606 – 1610 Yoo, Chan-Jae: Neue Regelungen für die Anlageberatung: Das Mitarbeiter- und Beschwerderegister, BaFin-Journal 08/2012 Zoller, Michael: Das Ende des Kick-Back-Jokers im Kapitalanlagerecht, BB 2013, 520 – 524 – Die Haftung bei Kapitalanlagen – Die wichtigsten höchstrichterlichen Entscheidungen des Jahres 2016, GWR 2016, 495 – 499

Sachwortregister after sales Pflichten 336 Alte-Hasen-Regelung 212 Alternative Streitbeilegung 198 Analyse 34, 62 ff., 92 ff., 103 f., 128 f., 141 ff., 179, 301 f., 314, 325, 328, 353 Analysekonto 66 f., 128 Änderungsanzeige 208 Anlageberatungsvertrag/Beratungsvertrag 35 f., 48 f., 53 f., 55, 58, 73, 78, 81, 84 f., 86 f.,113, 119, 129, 156, 193, 200, 206, 220, 311, 339, 364 ff. Anlagedauer 285, 295, 319 Anlagevermittlung 34, 36 f. Anlegerschutz 38, 45, 51, 60, 115, 150, 196, 234, 238 f., 249 ff., 271, 278, 293, 300, 307, 321, 324 f., 338 ff., 371, 374 Anwendungsbereich 37 ff., 42, 88, 108, 129, 141, 185, 188, 198, 227, 251, 260, 262, 274, 283 f., 313, 322 ff., 326, 336 Anzeigepflicht 132, 209, 214 f., 371 Aufbewahrungspflicht 237, 239, 257, 266, 276, 298 Aufsichtsrecht 34 ff., 48 ff., 55, 77 f., 80 ff., 87, 119, 129, 132, 185, 289, 299, 319, 364 ff., 382 Aufzeichnungspflicht 235 ff., 302, 320, 371, 373 Aufzeichnungsstrategie 243 Ausführungsplatz 206, 331, 333 Ausführungsqualität 333 Auslegung 31, 42 f., 53, 55, 125, 206, 238, 260, 293, 307, 310, 340, 346, 364, 370 Ausstrahlungswirkung 53 Auswahlprozess 62, 68

BaFin 50, 56, 99, 104 ff., 125, 128, 198, 204 ff., 229 ff., 247 ff., 271, 293, 300 ff., 321 ff., 356, 368 Bail-In 329 Beratungsniveau 98

Beratungsprotokoll 184, 206, 242, 255, 259 ff., 270, 278, 282, 297 ff., 374 Beratungsqualität 65, 166, 196 ff., 373 Beschwerde 197 f., 205 f., 208, 210, 218, 223 Beschwerdemanagement 197, 205 Best Execution 332 Beweislastumkehr 307 ff. Bezeichnungsschutz 88, 104, 107, 109, 112, 116, 177 Bildungsstand 220, 291 bring your own device 238, 244, 253 Code of ethics 216 f. Compliance 106, 198, 204, 223, 226 ff., 267, 356, 361 Compliance-Funktion 106, 204, 229 f., 356 Consultation Paper 32, 59, 62, 64, 122, 198 f., 201, 239, 244 Datenschutz 241, 245 f., 251, 255 f., 261 ff., 342 Datenschutz-RL 245, 256, 261 f., 265 dauerhafte Kundenbeziehung 76, 185, 193, 286, 301, 303, 315 f., 332 depolarisation 134 f. Depotumschichtung 285, 288, 301 f., 493 Discussion Paper 32 Dispositionsbefugnis 238 Doppelnatur 49 Doppelwirkung 49 DSGVO 245, 261 ff., 268 Eigenemission 41, 93, 121, 168, Eins-zu-eins-Umsetzung 110 f., 118, 129, 212, 262, 265, 303, 305, 314, 321, 373 Elektronische Kundenkommunikation 235 ff., 244, 269 Emissionszertifikat 39

Sachwortregister Empfehlung 34 ff., 43, 61, 63, 73, 85 f., 92, 104, 114, 120, 129, 138 ff., 155 ff., 178, 199, 216, 225, 259, 277, 281 f., 284, 286, 289 f., 293 ff., 300 ff., 317 ff., 338 ff., 344 ff., 365 Endkunde 336, 339, 343 f., 357, 365 f. Ermächtigungsgrundlage 46, 236, 253, 258, 268, 278 Erstanzeige 208 Europäischer Rat 31 Europäisches Parlament 31 Explorationspflicht 280, 295 Fähigkeit Verluste zu tragen 283, 286, 291 ff., 296 ff., 301, 318 Fehlinvestition 329 Fernmeldegeheimnis 261 feste Vergütung 233 Festpreisgeschäft 84 ff., 103 f., 130 ff., 155, 168 Finanzakteur 30, 37, 278, 293 finanzielle Verhältnisse 280 ff. finanzielle Verpflichtung 290, 295, 314 Finanzmarktkrise 29, 37, 56, 58 f., 179, 276, 278, 335, 369 Finanzproduktwechsel 285, 287 fit & proper-Test 215, 218 Fluktuation 206, 209 Fondsanteil 41 freie Berater 75, 152 Gebot der Datensparsamkeit 256, 263, 266, 279 Geeignete Gegenpartei 56, 139, 183, 187 f., 190, 238, 326 Geeignetheitserklärung 255, 282 ff., 286, 293, 300, 303 ff., 359, 374 Geeignetheitsprüfung 280 ff. Geldwäsche 203, 212, 215 Gemeinwohlziele 248 f. Genile-Entscheidung 50, 54 Gesamtkosten 67, 181 ff., 189, 194 Gesamtkostenaufstellung 189, 194 Gewinnmarge 72, 78, 84 ff., 102, 104, 130 ff., 194 goldplating 176, 209, 321 Grundprinzip 53 f., 364 ff.,

533

halb-/semi- bzw. vollautomatische Systeme 149, 287, 301 f. Handel auf eigene Rechnung 236, 240 Handelsgeschäft 131, 257, 290 Handelsvolumen 333 Harmonisierung 41 ff., 101, 118, 265 Herausgabepflicht 242, 256, 266 hinreichender Marktüberblick 62 ff., 92 ff., 141 Hinweis 287 f., 324 ff., 330 ff., 342, 345 ff., 367 Hinweispflicht 288, 342, 345 ff., 367 Honoraranlageberatungsgesetz 81, 87 Illiquidität 350, 362 information overload 165, 194, 308, 325, 371 Informationsasymmetrie 165, 325, 334 Informationsmodell 335 Informationspflicht 64, 68, 89 f., 94, 102, 111, 149, 185, 187, 191 ff., 206, 242, 264, 282, 305, 325 ff., 341 f., 346, 348, 350 Integrität 217, 235 ff., 265 interne Kommunikation 241, 247, 256, 259, 275, 277 Investitionsrisiko 56, 157 Investment Advisers Act (IAA) 157, 159, 220, 277, 317 jährliche Überprüfung 211, 213 ff., 441 Janusköpfigkeit 49, 52 Kick-Back 72 ff. Kleinanleger 55 ff., 85, 139, 152 f., 163, 165, 167, 174, 225 f., 281 ff., 289, 293, 320, 323 ff., 345, 357 ff., 363, 373 Kleinanlegerschutzgesetz 57, 152, 331, 357 ff., 363 Kommissionsgeschäft 85 f., 339 Kommunikationsmittel 183, 238, 243, 253, 264, 272, 299, 327, 337 f. Kommunikationspolitik 253 konkludente Einwilligung 248 Konkretisierung 31 f., 44, 62, 67, 87, 93, 114 f., 122 f., 129, 197 f., 204, 211, 221, 239, 255, 280, 292, 302, 326, 346, 351, 361 Kontrollmöglichkeit 243, 271 Koordinierung siehe Harmonisierung

534

Sachwortregister

Kosten-Nutzen-Analyse 301 f. Kostentransparenz 130, 132, 165, 181 f., 189 f., 192 ff., 202, 206, 371 Kundenbindung 242 Kundengruppe 35, 55, 125, 144, 164, 172, 174, 229 f., 328, 330, 335 f., 340 ff., 362, 367 Lamfalussy-Verfahren 43, 48, 343 Layout 326 Lebensversicherung 78, 313, 315 f. Letztentscheidungskompetenz 36 Marktmissbrauch 128, 203, 212, 236, 238 f., 241, 249 f., 252 f., 255, 260, 265, 269 ff., 277, 29 Marktüberwachung 236 Maßnahmenkatalog 343, 348 Mindestanforderung 43, 45, 47, 331, 360 mindestharmonisierend 42 ff. Mindestqualifikation 205 Mobiltelefon 238, 244, 253, 270 ff., 276, 279 monetärer Vorteil 128, 332 nachvertragliche Beratungspflicht 193, 281 Neuproduktprozess 356 nicht-monetärer Vorteil 128

185,

Öffnungsklausel 46 f., 100, 305 Organisationspflicht 40, 88, 115, 281, 335, 359 f., 365 organisatorische Trennung 64 ff., 68 ff., 172 Paradigmenwechsel 205 polarisation 133 ff., 313 Portfoliomanagement 212 Preisbildung 203, 207 Preisentwicklung 211 PRIIPs-Verordnung 325, 387 Principles of Business 133, 231, 312 f. Prinzipal-Agent-Konflikt 59 Product Governance 335 ff. Produktbündel 281, 315 Produkterfahrung 348 Produktfreigabeverfahren 359

Produktgenehmigungsverfahren 336, 339, 345 f., 349, 356, 360 Produkthersteller 336, 373 Produktintervention 335, 368, 372 Produktschulung 98 f., 127 f., 143, 166, 177 Produktüberwachung 335, 343, 350 f., 361 f. Professioneller Kunde 55, 57, 326 Provisionsverbot 59 ff., 97, 122, 133 f., 138 ff., 146, 151 f., 154, 160, 164 ff, 175 f., 231, 274, 371 siehe auch Zuwendungsverbot Qualifikation 41, 199 ff., 205, 208, 211, 216 ff. Qualifikationskontrolle 200 Qualitätsansprüche 209 Recherche 69 f., 76, 98, 166, 195, 217 Recht auf informationelle Selbstbestimmung 261 Rechtsangleichung siehe Harmonisierung Rechtsirrtum 78, 80, 82 f. Rechtssicherheit 47, 99, 236, 242, 265, 307 regelmäßige Geeignetheitsbeurteilung 113, 281, 290 Regelungslücke 38 Register 88, 104 ff., 151, 169, 174, 178, 209, 211, 215, 222 Registrierungspflicht 210, 214, 218, 221 relevant person 64 Reputationshaftung 201 Retail Distribution Review (RDR) 132, 138, 146 ff., 216 ff., 231 Risikogeneigtheit 341 Risikomanagement 206, 227, 232 Risikotoleranz 280 ff., 291 ff., 295 ff., 301, 318 Rücktrittsrecht 184, 259, 282, 297 ff., 302, 305, 307, 309, 316, 321, 374 Rückvergütung 72 ff. Sachkundenachweis 196 ff., 215 ff. Sanktion 45, 50 f., 107, 129, 209, 221, 272, 309, 370 Schlüsselposition 205 Schuldverschreibung 323 Schutzmechanismen 250, 307, 311

Sachwortregister Schwellenwert 80, 82 Securities Exchange Act (SEA) 220 f., 275 f. Sekundärmarkt 104, 211 Selbstverwaltungsorganisation 221, 313 Sonderprüfung 205 Steuer 145, 190, 202, 206, 211, 318, 320 strukturierte Einlage 40, 210, 212, 323 Suitability Doctrine 318 Suitability Report 280 ff. Suitability-Test 280 ff. suitable investments 312 Technical Advice 31, 64, 122, 229, 241 Telefonanlage 237, 270 Telefongespräch 235 ff., 249 ff., 258, 260 ff., 269 ff., 275 ff., 316 Transparenzgebot 30, 77, 80 f., 365 Trilog-Verhandlung 31, 45, 60, 238 Überprüfungspflicht 338 ff. Umsetzungsfrist 32 unabhängige Anlageberatung Unterschrift 300, 305, 321

61, 115

variable Vergütung 229, 233 Vergütungsstruktur 89, 135, 139, 149, 157, 163, 225 f., 231, 233 Vergütungssystem 224 ff., 229, 231 ff. Verlängerungsoption 252 f., 260, 266

535

Vermögensverwaltung 34, 36 f., 145, 155, 176, 198, 284, 313 Vermögenswerte 155, 290, 292 Vertrauensbeziehung 268 Vertraulichkeit 217, 258, 268, 275 Vertriebsanforderung 196 Vertriebsorganisation 204 Vertriebsstrategie 36 f., 340 ff., 362 Verwaltungspraxis 56, 206, 228 ff., 293, 299, 301 f., 321, 331, 351 Volatilität 350, 362 vollharmonisierend 42 ff., 55, 100 Vollharmonisierung 43 ff., 118 Vorratsdatenspeicherung 246, 248, 251 Warenderivat 39 Warnung 322, 326 Weiterbildung 200, 212, 214, 216, 219 Wertentwicklung 203, 207, 211, 327 ff., 331 Widerspruch 237 f., 241, 247, 264 f., 268 Wissenszurechnung 350 Wohlverhaltenspflicht 41, 48 ff.,107, 133, 184, 209 Zielmarkt 335 ff. Zuverlässigkeit 204, 207 ff., 215, 301 Zuwendungsverbot 59, 70, 87, 94 ff., 124, 162, 364 siehe auch Provisionsverbot Zuwendungsverzeichnis 122, 126, 190, 194