Die Messung der Arbeitslosigkeit [1 ed.] 9783428460342, 9783428060344

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Die Messung der Arbeitslosigkeit [1 ed.]
 9783428460342, 9783428060344

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Volkswirtschaftliche Schriften Band 366

Die Messung der Arbeitslosigkeit Von

Martin Riese

Duncker & Humblot · Berlin

MARTIN RIESE

Die Messung der Arbeitslosigkeit

Volkswirtschaftliche Schriften Begründe! von Prof. Dr. Dr. h. c. J. B r o e r m a n n

Heft 366

Die Messung der Arbeitslosigkeit

Von

Dr. Martin Rieee

DUNCKER

& HUMBLOT

/

BERLIN

CIP-Kurztitelaufnahme der Deutschen Bibliothek Riese, Martin: Die Messung der Arbeitslosigkeit / von Martin Riese. — Berlin: Duncker und Humblot, 1986. (Volkswirtschaftliche Schriften; H. 366) ISBN 3-428-06034-2 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1986 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Gedruckt 1986 bei Zippel-Druck, Berlin 36 Printed in Germany I S B N 3-428-06034-2

Vorbemerkung Für zahlreiche Hinweise und Kommentare bin ich den Professoren K. Laski und K. W. Rothschild, beide Universität Linz, zu Dank verpflichtet. Speziell bedanken möchte ich mich auch für die detaillierte und konstruktive Kritik, die Monika Hutter der Arbeit während der ganzen Entstehungszeit angedeihen ließ. Frau M. Mayer-Exner hat die Schreibarbeiten in souveräner Weise erledigt. Das Manuskript wurde im November 1984 abgeschlossen.

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

15

1. Intention

15

2. Einführung in das Thema

16

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

21

1 Inputorientierte Indikatoren

23

1.1 Die Arbeitslosenquote 1.1.1 Konzept 1.1.2 Stocks und Flows 1.1.3 Disaggregierte Arbeitslosenquoten 1.1.4 Standardisierte Arbeitslosenquoten 1.2 Modifizierte Maßzahlen 1.2.1 Berücksichtigung der Arbeitszeitkomponente 1.2.2 „Stille Reserve4 4

.

2 Outputorientierte Indikatoren 2.1 Perry's gewichtete Arbeitslosenquote 2.2 Arbeitslosigkeit und Potentiallücke: Okun's Law 3 Sozialpolitisch orientierte Indikatoren 4

3.1 * Severity-Indices" 3.2 Die amerikanischen "Subemployment-Indices"

23 24 27 52 57 62 66 67 83 84 85 89 90 95

II. Teil: Erklärende Indikatoren

101

1 Theoretische Klassifizierungen der Arbeitslosigkeit

102

1.1 Pragmatische Ansätze 1.1.1 Die traditionelle Unterscheidung von saisonaler, friktioneller, struktureller und konjunktureller Arbeitslosigkeit 1.1.2 „Neue strukturelle Arbeitslosigkeit 4 4 und Arbeitsplatzlücke 1.1.3 Technologische Arbeitslosigkeit

102 102 107 110

8

Inhaltsverzeichnis 1.2 Freiwillige versus unfreiwillige Arbeitslosigkeit 1.2.1 Theoretische Begründung der beiden Konzepte 1.2.2 Die „natürliche" Arbeitslosigkeit

2 Empirische Operationalisierungen 2.1 Operationalisierungen mit Hilfe von Dispersionsmaßen 2.2 Operationalisierungen mit Hilfe von Daten über offene Stellen

111 111 116 120 122 128

2.2.1 Beveridge-Kurven 128 2.2.2 Disaggregierte Gegenüberstellung von Arbeitslosen und offenen Stellen 135 2.2.3 IAB-Methode 142 2.3 Operationalisierungen mit Hilfe der Phillips-Kurve 2.3.1 Lipsey's „Politik-Ansatz" 2.3.2 Messung der „natürlichen" Arbeitslosigkeit

145 145 149

2.4 Messung der Arbeitsplatzlücke

154

2.5 Freisetzungsrechnung und technologische Arbeitslosigkeit

162

Zusammenfassung

168

Anhang A: Der Niehans-Index Anhang B: Der Schutz-Koeffizient Literaturverzeichnis

174 176 180

Abbildungsverzeichnis 1: Verschiedene Konzepte des Begriffs „Dauer der Arbeitslosigkeit"

30

2: Typologie von Arbeitsmärkten, nach Egle 1979

35

3: Verbleibskurve

38

4: Lorenz-Kurve für die Dauer der Arbeitslosigkeit

41

5: Die Arbeitslosenquoten u l - u 7 für USA

65

6: Schematische Darstellung der Potential- und Auslastungsbegriffe

68

7: Messung der „Stillen Reserve"

71

8: Konzentration der Arbeitslosigkeit nach Berufen, Österreich 1973, 1975 126 9: Neoklassischer Arbeitsmarkt mit Friktionen 10: UV-Relation

130 132

11: UV-Kurve aus Querschnittsdaten, nach Thirwall 1969

134

12: Typen von Arbeitslosigkeit nach dem IAB-Konzept

143

13: Lipsey's Klassifikation der Arbeitslosigkeit

146

14: Arbeitsmarktindikator und Inflationsakzeleration

150

15: Potentielle Kapitalintensität nach der Sachverständigenratsmethode

156

B.1: Darstellung des Schutz-Index

177

B.2: Lorenz-Kurve und Schutz-Index

178

Tabellenverzeichnis 1: Vollendete Dauer des Flows μ und bisherige Dauer des Stocks β für ausgewählte Länder (in Monaten) 32 2: Anteil bestimmter Dauerklassen an allen Fällen von Arbeitslosigkeit (f(x)) und an der insgesamt erlebten Arbeitslosigkeit (ϊ(χ)), Prozentwerte

40

3: Vergleich der Bestands- und der Zugangsschichtung, in Prozent

44

4: Verteilungen der Arbeitslosigkeit, Prozentwerte

50

5: Konten, auf denen sich ein rückläufiger Beschäftigungsgrad niederschlägt

63

6: Definition der Arbeitslosenquoten u l - u 7 für USA, 1. Quartal 1979

64

7: Absichten von Nicht-Erwerbspersonen, einen Arbeitsplatz zu suchen, Jahresdurchschnittswerte 1973, USA 74

Symbolverzeichnis A A* a a* â b By Da Dr Ε e eF ex F Fij F(x) f(x) Gij gi gy G(x) G(x) g(x) g (χ) Η h hi

h(x) I INZ

Abgänge aus der Arbeitslosigkeit Arbeitsplatzpotential Kapitalintensität potentielle Kapitalintensität Trendwert der Kapitalintensität Beschäftigtenquote (E/L) berufsbedingt strukturelle Arbeitslose im Beruf i und der Region j absolute mittlere Abweichung relative mittlere Abweichung Erwerbstätige Wachstumsrate der Erwerbstätigen Freisetzungsrate mittlere fernere Lebenserwartung eines x-Jährigen friktionell Arbeitslose friktionell Arbeitslose im Beruf i und der Region j kumulierte Häufigkeit (Verteilungsfunktion) zu f(x) relative Häufigkeit (Dichtefunktion) der vollendeten Dauer der Arbeitslosigkeit in einer Kohorte mobilitätsbedingt strukturell Arbeitslose im Beruf i und der Region j Gewicht der i-ten demographischen Gruppe beim PERRY-Verfahren Outputlücke (output gap) kumulierte Häufigkeit (Verteilungsfunktion) zu g(x) kumulierte Häufigkeit (Verteilungsfunktion) zu g(x) relative Häufigkeit (Dichtefunktion) der bisherigen Dauer der Arbeitslosigkeit in einem Stichtagsbestand Anteil der x-ten „Woche" an der insgesamt erlebten Arbeitslosigkeit einer Kohorte Arbeitsvolumen durchschnittliche Arbeitszeit pro Beschäftigtem Verhältnis der durchschnittlich von Personen der i-ten demographischen Gruppe zu den durchschnittlich von Männern im Alter zwischen 35 und 44 Jahren geleisteten Arbeitsstunden im PERRY-Verfahren relative Häufigkeit (Dichtefunktion) der zukünftigen Dauer der Arbeitslosigkeit in einem Stichtagsbestand Arbeitsmarkt / Konjunkturindikator Inzidenz der Arbeitslosigkeit

12 Κ KJ KS k k* ks L Li 1 Ii L(x) L (x) l(x) 1 (x) m m MF Ν Ρ Pi ρ ρί Pt Pt pm pm* ps ps* q qv R S Sb Sg Sgb SEV Τ Ui Uij

Symbolverzeichnis Größe einer Arbeitslosenkohorte konjunkturell Arbeitslose Kapitalstock Kapitalproduktivität potentielle Kapitalproduktivität Wachstumsrate des Kapitalstocks Arbeitskräftepotential, Erwerbspersonen Arbeitskräftepotential, Erwerbspersonen der i-ten demographischen Gruppe Erwerbsquote spezifische Erwerbsquote der i-ten demographischen Gruppe kumulierte Häufigkeit (Verteilungsfunktion) zu l(x) kumulierte Häufigkeit (Verteilungsfunktion) zu 1 (x) relative Häufigkeit (Dichtefunktion) der vollendeten Dauer der Arbeitslosigkeit in einem Stichtagsbestand Anteil der Arbeitslosigkeitsfälle mit Dauer χ an der insgesamt erlebten Arbeitslosigkeit einer Kohorte Mittelwert Wachstumsrate des mark-up-Satzes Mehrfacharbeitslosigkeit NIEHANS-Index Bevölkerung Bevölkerung der i-ten demographischen Gruppe Verbleibswahrscheinlichkeit eines Arbeitslosen Verbleibswahrscheinlichkeit im Zeitpunkt t für Arbeitslose, die schon i „Monate" Arbeitslosigkeit zurückgelegt haben tatsächliche Preissteigerungsrate erwartete Preissteigerungsrate Arbeitsproduktivität pro Erwerbstätigem (Mannproduktivität) potentielle Mannproduktivität Arbeitsproduktivität pro Stunde (Stundenproduktivität) potentielle Stundenproduktivität Abgangswahrscheinlichkeit eines Arbeitslosen Abgangswahrscheinlichkeit einer offenen Stelle GINI-Koeffizient SCHUTZ-Index berufliche Komponente der strukturellen Arbeitslosigkeit geographische Komponente der strukturellen Arbeitslosigkeit gemischte geographisch-berufliche Komponente der Arbeitslosigkeit „severity"-Index der Arbeitslosigkeit Tbrnoverrate Arbeitslose der i-ten demographischen Gruppe Arbeitslose im Beruf i und der Region j

Symbolverzeichnis Ut Utk _ U u u*

13

w χ xe Y Y* Yk YL y Ζ

Bestand an Arbeitslosen zum Zeitpunkt t hypothetisch in der Dauerklasse k befindliche Arbeitslose zum Zeitpunkt t nicht-konjunkturelle Arbeitslose globale Arbeitslosenquote gleichgewichtige Arbeitslosenquote (Vollbeschäftigungsarbeitslosenquote) „outputgewichtete" Arbeitslosenquote nach PERRY inflationsstabile Arbeitslosenquote konjunkturelle Arbeitslosenquote strukturelle Arbeitslosenquote „verteilungskorrigierte" Arbeitslosenquote spezifische Arbeitslosenquote der i-ten demographischen Gruppe Bestand an offenen Stellen Bestand an offenen Stellen im i-ten Teilmarkt Bestand an offenen Stellen im Beruf i und der Region j Vakanzquote Vakanzquote der i-ten demographischen Gruppe Verbleibskurve durchschnittlicher Stundenverdienst der Beschäftigten der i-ten demographischen Gruppe im Verhältnis zu dem der Männer im Alter von 35 bis 44 Jahren beim PERRY-Verfahren Wachstumsrate der Geldlöhne Arbeitsproduktivitätsfortschrittsrate Reallohnziel Output Potentialoutput kapitalseitig berechneter Potentialoutput arbeitsseitig berechneter Potentialoutput Wachstumsrate des Sozialprodukts Zugänge zur Arbeitslosigkeit

β γ e e(x) κ X Xi μ 7Ti τ

mittlere bisherige Dauer der Arbeitslosigkeit eines Stichtagsbestands mittlere vollendete Dauer der Arbeitslosigkeit eines Stichtagsbestands konstante Ausfallsrate verweilabhängige Ausfallsrate mittlere zukünftige Dauer eines Stichtagsbestands Produktionselastizität der Arbeit Anteil der i-ten demographischen Gruppe am Arbeitskräftepotential mittlere vollendete Dauer der Arbeitslosigkeit einer Kohorte Anteil der i-ten demographischen Gruppe an der Gesamtbevölkerung Rate des technischen Fortschritts

u u° uk us uv Ui V Vi Vij ν Vi v(x) Wi

Einleitung

1. Intention

Keynes hat den guten Ökonomen einmal charakterisiert als einen, der sich auf die Kunst versteht, das richtige Modell zu wählen. „Economics is a science of thinking in terms of models joined to the art of choosing models which are relevant to the contemporary world ... Good economists are scarce because the gift for using vigilant observation to choose good models, although it does not require a highly specialised intellectual technique, appears to be a very rare one.44 (Keynes 1973, S. 296 f)· Heute geht es nicht mehr nur darum, das einem bestimmten Problem angemessene Modell auszuwählen. Die Situation hat sich seit Keynes' Zeiten in einer Hinsicht grundlegend verändert: die zur Verfügung stehenden empirischen Daten und die Vielfalt der verwendeten Indikatoren sind im Zuge der zur Keynesschen parallelen „statistischen Revolution*4 (Kuznets, Clark, Stone) so enorm angewachsen, daß es heute eine nicht minder wichtige Kunst geworden ist, die für ein Problem passenden Daten und Indikatoren zu wählen. Dennoch ist die Beschäftigung mit der informationellen Basis ökonomischer Aussagen nicht gerade ein häufiges Thema unserer Wissenschaft. Für den theoretischen Ökonomen ist ein so pedestrischer Gegenstand von vornherein zu glanzlos. Aber auch die meisten „angewandten Ökonomen44 sind fast ausschließlich an „handfesten4 4 Ergebnissen interessiert und kümmern sich nur ungern um die Tragfähigkeit der Daten oder die Angemessenheit der Methoden. Erstaunlich, besonders im Vergleich zur theoretischen Forschung, wo noch das subtilste (abstruseste?) Argument darauf rechnen kann, von anderen aufgenommen, weiterentwickelt und diskutiert zu werden, ist das fast völlige Fehlen einer breiteren Debatte über die Aussagefähigkeit des statistischen Materials, die Validität der verwendeten Indikatoren oder die Stringenz der Hypothesenprüfung in einem Großteil der empirischen Forschung; es dominiert ein wenig kommunikativer, geradezu monadischer Stil. Die vorliegende Arbeit versucht, in einem ersten Teil, eine Validierung, Systematisierung, Synthetisierung und gelegentliche Erweiterung der in der Literatur verwendeten, divergierenden, oft auch (unbemerkt) parallelen des-

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Einleitung

kriptiven Indikatoren der Arbeitslosigkeit zu geben. Sie bezieht sich dabei nicht auf ein spezifisches System der Arbeitsmarktstatistik, sondern beschäftigt sich mit solchen Problemen, wie sie typischerweise in den meisten Berichtssystemen zur Arbeitslosigkeit in den entwickelten Industrieländern auftreten. Das mag man als Nachteil empfinden, weil gerade Datenfragen in einem engeren Sinn nur anhand einer konkreten Situation studiert werden können. Daß ich mich dennoch für die mittlere Ebene des „idealen Durchschnitts" entschieden habe, liegt daran, daß es gerade nicht meine Intention war, einen Wegweiser durch den Datenbestand eines bestimmten statistischen Amtes zu schreiben, der ohnehin besser von diesem Amt selbst verfaßt wird, sondern mir eher ein allgemein verwendbarer Leitfaden vorschwebte für den kritischen Umgang mit Arbeitsmarktdaten. Über eine möglichst umfassende Beschreibung der Arbeitslosigkeit hinaus gilt es, sie kausal zu erklären. In der theoretischen Literatur wird eine Unzahl möglicher Ursachen von Arbeitslosigkeit genannt; und den meisten ist a priori eine gewisse Plausibilität nicht abzusprechen. Eine Bestimmung des Stellenwerts der verschiedenen Erklärungen für eine konkrete Situation, möglichst in Form einer quantitativen Angabe der den verschiedenen Ursachen zurechenbaren Teile der Gesamtarbeitslosigkeit wäre daher äußerst nützlich. Eine damit verbundene Verlagerung der Aufmerksamkeit von den unfruchtbaren „Glaubenskriegen" über die Ursachen der Arbeitslosigkeit zu einem Diskurs über konkrete Messungen und ihre Problematik wäre m.E. nur von Vorteil. Im zweiten Teil werden verschiedene zu diesem Zweck entwickelte Meßverfahren dargestellt und ihre Verläßlichkeit sowie die Adäquanz gegenüber den theoretischen Konzepten, die sie abzubilden intendieren, überprüft. Dabei zeigt sich, daß die Meßmethoden ein gewisses Eigenleben entwickeln: die meisten von ihnen können nicht eigentlich als Operationalisierungen eines theoretischen Konzepts im strengen Sinn interpretiert werden, vielmehr muß das, was sie messen, als eigenständiges Konstrukt verstanden werden, das zwar „im Geiste" des theoretischen Begriffs erstellt wurde, sich aber keineswegs mit diesem deckt.

2. Einführung in das Thema

Die Arbeitsmärkte in den entwickelten Industriestaaten sind heute reich differenzierte Gebilde, auf denen eine Vielzahl komplexer Vorgänge abläuft. Die Aufgabe der Arbeitsmarktstatistik ist es, Informationen über diese Vorgänge zu sammeln und ihre Komplexität auf (wenige) zusammenfassende Maßzahlen zu reduzieren. Schon allein um sie überhaupt erfaßbar zu ma-

2. Einführung in das Thema

17

chen, muß die unendliche Vielfalt konkreter, individueller Umstände unter Gattungsbegriffe wie „beschäftigt", „arbeitslos" etc. subsumiert werden, wodurch ein historisches und konventionelles Moment einfließt. Stärker noch gilt das für die Zusammenfassung der Daten zu einem Datenmaß oder Indikator wie Erwerbsquote, Arbeitslosenquote, durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit etc. Je nachdem, ob er mehr der Beschreibung, der kausalforschenden Untersuchung oder der Politikformulierung dient, wird man andere Anforderungen an einen Indikator stellen. Allgemeingültige und „richtige" Lösungen kann es hier natürlich nicht geben. Das Berichtswesen über den Arbeitsmarkt ist, wie jedes gute Berichtswesen, in ständigem Fluß: Änderungen im Beschäftigungssystem selbst, neue theoretische Perspektiven oder ein Wechsel in den gesellschaftlich dominierenden Interessen können dazu führen, daß bestimmte Phänomene nunmehr anders, erstmalig oder auch nicht mehr erhoben werden, daß sich die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit oder der Wissenschaft bisher vernachlässigten Indikatoren zuwendet etc. Die Konkretisierung theoretischer Konzepte erfolgt im allgemeinen durch eine operationelle Definition anhand empirisch beobachtbarer Variabler. Zum Beispiel wird festgelegt, daß unter „Oberschicht" jene Haushalte (oder Personen) verstanden werden sollen, deren (Jahres)einkommen eine bestimmte Marke überschreitet. Um eine etwas bessere Annäherung an den gemeinten nicht so eindimensionalen theoretischen Begriff zu erhalten, wird man zusätzlich vielleicht noch Kriterien bezüglich Beruf, Wohngegend, Haushaltsausstattung etc. festlegen. Die operationelle Definition des Begriffs „Arbeitslosigkeit" ist demgegenüber erstaunlich primitiv. Bei den heute hauptsächlich angewendeten Verfahren ist es entweder das Kriterium der aktiven Job-Suche (bei der Labour-Force-Surveymethode) oder der Meldung beim Arbeitsamt (bei der Registrationsmethode), das die Arbeitslosigkeit definiert. Anfang der vierziger Jahre, als die ersten regelmäßigen Stichprobenerhebungen eingeführt wurden, gab es in den USA noch massiven Widerstand gegen eine solche als „oberflächlich" erachtete Operationalisierung der Arbeitslosigkeit (vgl. Long 1942). Aber einmal installierte Indikatoren entwickeln eine beachtliche Beharrungstendenz und werden selbst zu einem Bestandteil der Realität. „The unemployment rate continued to be used for the administrative purposes for which it was designed, and gradually the dissatisfaction with the operational definition of unemployment abated. The unemployment rate was available, and so it was used by both academic researchers and government agencies. The functions of the unemployment rate expanded until it became itself an operational definition for micro- und 2 Riese

18

Einleitung

macro-level economic welfare, policy effectiveness, and other concepts. As a result, more recent criticism of the unemloyment rate has taken a somewhat different tack. The criticism that it is theoretically naive has been replaced by the criticism that the unemployment rate has too many functions." (Sullivan—Hauser 1979, S. 250). In der Tat wird die Arbeitslosenzahl oder -quote — zumindestens in der populären Diskussion — heute als Universalindikator für recht disparate Sachverhalte verwendet. Sie soll angeben, wieviele Personen einen Arbeitsplatz anstreben, aber keinen finden, also die Unterauslastung des Produktionsfaktors Arbeit messen. Weiters soll sie über den damit verbundenen Outputausfall informieren und Aufschluß geben über die sozialpolitische Problemmasse, die mit dem Einkommensausfall bei Arbeitslosigkeit verbunden ist. Darüberhinaus stellt sie einen der am meisten beachteten Indikatoren für die „performance" einer Wirtschaft dar und an ihr wird gemessen, inwieweit das Vollbeschäftigungsziel erreicht wird. Noch eine Reihe weiterer Funktionen wurden der Arbeitslosenquote zugedacht: in vielen Ländern dient die regionale Arbeitslosenquote als Schlüssel für die Zuteilung finanzieller Mittel für regionale Trainings-, Beschäftigungs- und Entwicklungsprogramme (In den USA wurden 1977 nicht weniger als 13 Mrd. US-Dollar, das sind etwa 0.6 % des BNP aufgrund von Zuteilungsformeln, die die Arbeitslosenquote beinhalten, vergeben. Vgl. National Commission 1979, S. 28). In der jüngsten Diskussion um die österreichische Pensionsreform wurde die Arbeitslosenquote als Bestandteil einer Formel für die Beitragsfestsetzung genannt. Im deutschen Stahlarbeiterstreik um die 35-Stundenwoche (1984) wurde der Vorschlag gemacht, den Zeitpunkt der Einführung aufzuschieben, falls eine bestimmte Höhe der Arbeitslosigkeit unterschritten würde. Vorschläge zur Ermöglichung der Notenbankfinanzierung von Budgetdefiziten in Österreich binden diese daran, daß die Arbeitslosenquote eine bestimmte Marke übersteigt (vgl. Nowotny 1978) etc. Natürlich kann eine einzige Maßzahl einem derartigen Spektrum von Fragestellungen nicht in gleicher Weise gerecht werden. Dementsprechend sind eine ganze Reihe von ergänzenden Indikatoren vorgeschlagen worden. Das amerikanische Bureau of Labor Statistics z.B. veröffentlicht seit einiger Zeit einen ganzen Satz von Arbeitslosenquoten ul-u7, die jeweils auf verschiedene Fragestellungen zugeschnitten sind. Für Länder, in denen Kurzarbeit ein weitverbreitetes Mittel der Beschäftigungssicherung ist wie z.B. in der BRD, wird die Unterauslastungsquote des potentiell angebotenen Arbeitsvolumens aussagekräftiger sein als die rein personenbezogene Arbeitslosenquote. Die in vielen Ländern beobachtete Tatsache, daß in der Rezession nicht alle diejenigen, die ihren Arbeitsplatz verlieren, auch in der Ar-

2. Einführung in das Thema

19

beitslosenstatistik aufscheinen, sondern daß sich insbesondere (verheiratete) Frauen, Jugendliche und ältere Personen z.T. in den Haushalt, die Schule oder (Früh)rente zurückziehen und somit statistisch nicht mehr zu den Erwerbspersonen gerechnet werden, obwohl sie bei einer Besserung der Konjunktur z.T. wieder in den Arbeitsmarkt zurückkehren und somit Arbeitsplätze besetzen würden, hat die Notwendigkeit deutlich gemacht, ein über das herkömmliche Erwerbspersonenkonzept hinausgehendes Arbeitskräftepotentialkonzept zu entwickeln. Die meisten gebräuchlichen Maße der Arbeitslosigkeit wie auch der Beschäftigung beziehen sich auf Bestandsgrößen; sie liefern somit nur Momentaufnahmen der Situation zu einem bestimmten Zeitpunkt. Da sich die Bestände aber aus ständig wechselnden Individuen zusammensetzen, ist eine Bestandsgrößen-Perspektive für manche Fragestellungen, z.B. die Zahl und Charakteristika der insgesamt von Arbeitslosigkeit Betroffenen, irreführend. Solche auf Flowgrößen bezogene Fragestellungen sind in den letzten Jahren zunehmend mehr in den Vordergrund getreten, sowohl in der neoklassisch gerichteten Labor-TUrnover-Theorie als auch in der Theorie der dualen oder segmentierten Arbeitsmärkte. Es zeigte sich, daß die meisten statistischen Erhebungssysteme in ihrer jetzigen Form darauf nur ungenügend eingerichtet sind. Ideal dazu wären Längsschnittdaten, die die „Karriere" einer Person mit ihren verschiedenen Stationen im und außerhalb des Beschäftigungssystems über einen längeren Zeitraum aufzeichnen. Solche Daten stehen aber nur ausnahmsweise zur Verfügung. Verfahren, die es ermöglichen, aus der Struktur des Stocks auf (manche) Charakteristika des Flows zu schließen, gewinnen bei dieser Datenlage an Bedeutung. Probleme der geschilderten Art sind Gegenstand von I, 1. Die traditionelle Arbeitslosenzählung ist, wenn ein berühmtes Marx-Wort aus einem anderen Zusammenhang hier verwendet werden darf, ein „wahres Eden der Gleichheit": jeder Arbeitslose, gleichgültig ob Mann oder Frau, alt oder jung, in einem angesehenen oder wenig geachteten Beruf, zählt gleich viel. Diese für einen ökonomischen Indikator ungewöhnliche egalitäre Perspektive ist denn auch auf heftige Kritik gestoßen. Hütt 1977, S. 49 f, z.B. findet sogar, daß „there can be no measure of utilization or idleness. We shall conceive of 'unemployment' or 'idleness', ... as a condition or quality. It cannot be thought of quantitatively. ... We cannot add together, say, the number of hours of utilization of a locomotive, of the track, and of the signals. Similarly, we cannot aggregate the employment (das Gleiche gilt wohl auch für die Arbeitslosigkeit, M.R.) of the engine driver, the fireman, the guard, and the signalman." Wenn man auch nicht gleich so weit gehen muß, ist es doch offensichtlich, daß die Arbeitslosigkeit 2*

20

Einleitung

z.B. eines hochqualifizierten kinderlosen Ingenieurs, dessen Verlobte einen guten Beamtenposten hat, nicht in jeder Hinsicht über denselben Leisten geschlagen werden kann wie die eines Straßenarbeiters mit fünf unversorgten Kindern. Unter dem Gesichtspunkt des dadurch verlorenen Outputs wird der erste schwerer wiegen, vom Gesichtspunkt der Bedürftigkeit hingegen der zweite. Die herkömmliche Arbeitslosenstatistik muß hier in Richtung einer Potentialoutputrechnung einerseits bzw. eines Systems Sozialer Indikatoren anderseits erweitert werden. Diesen Themen widmen sich die Kapitel I, 2 und 3. Arbeitslosigkeit bildet aber nicht nur einen wichtigen Gegenstand einer (weit gefaßten) gesellschaftlichen Berichterstattung. Arbeitslosigkeit war immer auch ein zentrales Phänomen theoretischer Erklärung. Praktisch alle nationalökonomischen Doktrinen machen mehr oder minder detaillierte, mehr oder weniger empirisch testbare Aussagen zur Arbeitslosigkeit. Kapitel II, 1 gibt einen kurzen Überblick über die wichtigsten Ansätze. Bemerkenswert ist, wie wenig die erhobenen Arbeitslosendaten in der Regel direkt beitragen können zur Klärung theoretischer Fragen. Das läßt einmal vermuten, daß Theorie und Statistik(produktion) den Kontakt zueinander weitgehend verloren haben. Anderseits liegt es aber wohl auch an der vorhin erwähnten Symptomdefinition der Arbeitslosigkeit. Diese bringt es mit sich, daß das statistische Material nicht unmittelbar zur Klärung analytischer Fragen, wie beispielsweise nach dem Umfang struktureller Arbeitslosigkeit, der Höhe der „natürlichen" Arbeitslosenquote oder den durch technischen Fortschritt bedingten Freisetzungen, verwendet werden kann, sondern daß dazu verschiedenste synthetische Rechenverfahren notwendig sind, die das Ausgangsmaterial für die jeweilige Fragestellung aufbereiten. Darin, daß die Symptomdefinition offen ist für eine Vielzahl solcher Verfahren und die möglichen Fragestellungen nicht schon vorweg durch eine spezielle Operationalisierung (etwa nach bestimmten Ursachenkomplexen) eingegrenzt sind, läßt sich umgekehrt auch wieder ein Vorteil sehen (vgl. auch Sullivan —Hauser 1979). Mit solchen analytisch-synthetischen Rechenverfahren befaßt sich Kapitel II, 2.

Ι. Teil: Beschreibende Indikatoren Die geläufigen Indikatoren, mit denen das Zustandsbild des Arbeitsmarktes beschrieben wird, insbesondere die Arbeitslosenquote, erscheinen uns heute so natürlich und selbstverständlich, daß man sich gar nicht mehr bewußt wird, daß auch sie Konventionen und Artefakte sind. Dabei sind sie in ihrer heutigen Form kaum älter als einige Jahrzehnte und in ihrer systematischen Gestalt ebenso Produkte der „statistischen Revolution" der dreißiger und vierziger Jahre wie die Begriffe des Volkseinkommens und seiner Komponenten. Sicher gibt es — speziell in den europäischen Staaten — auch schon ältere Erhebungen: Aufzeichnungen der Gewerkschaften über ihre arbeitslosen Mitglieder, Volkszählungen, bei denen auch der Beschäftigungsstatus festgestellt wurde, oder die (schon recht systematischen) Zahlen über „unterstützte Arbeitslose" staatlicher Arbeitslosenfürsorgestellen, welche in Österreich z.B. schon 1918 erhoben wurden (vgl. Stiefel 1979, S. 52 ff). Mit den heutigen Begriffen operierende in kürzeren Abständen durchgeführte Erhebungen kamen aber erst später. Durch die Massenarbeitslosigkeit der Großen Depression stieg die Dringlichkeit genauerer Unterlagen und nicht zuletzt waren es die neuen theoretischen Entwicklungen der „Keynesschen Revolution", unter deren Einfluß die heute gängigen Konzepte systematisch entwickelt wurden. Aber erst 1954 wurden sie in einer Empfehlung der Eighth International Conference of Labour Statisticians der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) definitiv kodifiziert. Die enge Verzahnung von ökonomischer Theorie, wirtschaftlicher Realität und ihrem statistischen Abbild läßt sich am besten in Ländern verfolgen, die Stichprobenerhebungen zur Ermittlung der Arbeitslosigkeit durchführen, weil sich hier die Meßkonzepte in Gestaltung und Strukturierung des Fragenprogramms unmittelbar niederschlagen. In den USA z.B. (vgl. National Commission 1979, Ch. 2, Adams 1979) wurde vor dem Zensus 1940 im wesentlichen das „gainful worker" Konzept verwendet: alle Personen (über 10 Jahren) wurden nach der Tätigkeit (occupation), die sie gewöhnlich ausübten, unabhängig davon ob sie gegenwärtig in Arbeit standen oder nicht, klassifiziert. Die Arbeitslosigkeit wurde (neben sporadischen direkten Erhebungen) berechnet, indem von den „gainful workers"

22

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

die durch laufende Betriebserhebungen ermittelten Erwerbstätigen abgezogen wurden (Levitan—Taggart 1974, S. 3). Ein solches Meßkonzept findet seine Parallele in dem damals herrschenden neoklassischen Denken, nach welchem langfristig jeder Arbeitswillige Beschäftigung findet und Arbeitslosigkeit nur als vorübergehendes untergeordnetes Phänomen Platz hat. Das später eingeführte Labour-Force-Konzept dagegen, das die Arbeitslosen und die Erwerbstätigen jeweils gesondert und direkt erfaßt, paßte viel besser zu den sich verbreitenden keynesianischen Lehren, die in der Arbeitslosigkeit das zentrale Problem sehen. Nach dem Labour-Force-Konzept wird die Gliederung der Bevölkerung nicht mehr nach ihrer gewöhnlichen Tätigkeit, sondern nach der spezifischen Aktivität zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgenommen, ein Perspektivenwechsel nicht unähnlich dem von der stärker längerfristig-wachstumszentrierten (neo)klassischen Sicht zur eher kurzfristig-konjunkturellen bei Keynes. Die Arbeitslosenquote wurde, wie bereits erwähnt, schon früh als Maß für so unterschiedliche Sachverhalte wie — Unterauslastung des Inputs „Arbeit", — den Verlust an Output und — die sozialen Belastungen durch Arbeitslosigkeit verwendet. Diese Universalfunktion der Arbeitslosenquote ist zunehmend problematischer geworden. Heute ist Arbeitslosigkeit durch die höhere Erwerbsbeteiligung (verheirateter) Frauen, durch die Ausweitung von Teilzeitarbeit wie auch durch die viel stärkere Einflußnahme des Staates über Beschäftigungs- und Transferprogramme eine viel heterogenere Größe als zu Zeiten, als der männliche Arbeitnehmer, der allein für seine Familie zu sorgen hatte, die Regel war. Auch die Wirtschaftspolitik stellt heute viel höhere Ansprüche an statistische Information als früher 1. Eine grundlegende Revision der um das Labour-Force-Konzept aufgebauten Arbeitsmarkt-Berichterstattung wurde indes nicht vorgenommen. Vielmehr wurde eine Vielzahl verfeinerter, ergänzender oder auch konkurrierender Indikatoren vorgeschlagen. Die folgende Darstellung solcher Indikatoren ist nach den drei oben genannten undifferenziert der Arbeitslosenquote zugedachten Funktionsbereichen gruppiert. Im ersten Kapitel (I, 1) werden Maßzahlen behandelt, bei denen die mangelnde Ausnützung des Arbeitsinputs im Vordergrund steht. Dafür hat auch die traditionelle Arbeitslosenquote am stärksten ihre Be1 Im letzten Jahrzehnt hat mit der Restauration marktgläubiger Doktrinen und der darin postulierten bescheideneren Rolle für Wirtschaftspolitik allerdings auch der Stellenwert, der statistischer Information zugemessen wird, wieder abgenommen.

1 Inputorientierte Indikatoren

23

deutung behalten; ihrer Beschreibung und Deutung ist ein ausführlicher Unterabschnitt (I, 1.1) gewidmet. Im zweiten Kapitel (I, 2) geht es um Indikatoren, die Arbeitslosigkeit vornehmlich unter dem Gesichtspunkt des dadurch verlorenen Outputs beschreiben. Im dritten (I, 3) schließlich werden Indikatoren diskutiert, die die sozialpolitische Dimension der Arbeitslosigkeit herauszuarbeiten versuchen. 1

Inputorientierte Indikatoren

Die (Unter)auslastung des Inputs „Arbeit" kann auf verschiedene Weise gemessen werden. Die traditionelle Arbeitslosenquote geht davon aus, daß die Personenzahl der zu einem bestimmten Zeitpunkt am Markt in Erscheinung tretenden Arbeitsanbieter, gemessen als Zahl der Erwerbspersonen (= Erwerbstätige + Arbeitslose), das Ausmaß des relevanten Arbeitsangebots angibt und bezieht entsprechend die nichtgenützten Arbeitskräfte (Arbeitslosen) auf diese Grundgesamtheit. Dieses Maß kann natürlich in vielfältiger Weise modifiziert werden: der Arbeitslosenbegriff kann enger oder weiter als bei dem Standardkonzept gefaßt werden und auch die Bezugsgröße kann über die konventionell gemessene Erwerbspersonenzahl hinausgehen. Es hat sich insbesondere gezeigt, daß die Trennung Erwerbspersonen versus Nicht-Erwerbspersonen recht fließend ist: ein Teil der Personen, die in einem Zeitpunkt außerhalb der Labour Force sind, ist „am Sprung" und befindet sich schon bald (wieder) in einem Beschäftigungsverhältnis oder auf Arbeitssuche; für einen anderen Teil liegt das letzte Arbeitsverhältnis noch gar nicht lange zurück. Die Beziehung vieler Nichterwerbspersonen zum Arbeitsmarkt ist somit enger als es die isolierte Klassifikation zu einem bestimmten Zeitpunkt vermuten läßt und ihre Einstellungen, Aktionen und Aspirationen wirken stärker und direkter auf das Arbeitsmarktgeschehen ein als es in ihrem Zählstatus zum Ausdruck kommt. Dieses Kapitel behandelt im ersten Unterabschnitt I, 1.1 Konzept, Aussagekraft und Reichweite der konventionellen Arbeitslosenquote. Der zweite Unterabschnitt I, 1.2 befaßt sich mit verschiedenen Erweiterungen, insbesondere in Richtung auf ein über das enge Erwerbspersonenkonzept hinausgehendes (Arbeitskräfte-)Potentialkonzept. 1.1 Die Arbeitslosenquote

Die Zahl der Arbeitslosen bzw. die Arbeitslosenquote sind die Indikatoren par excellence, durch die die Unterauslastung des Faktors Arbeit ge-

24

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

messen werden soll. Sie gehören zu den in der Öffentlichkeit und der wirtschaftspolitischen Diskussion am stärksten beachteten Wirtschaftszahlen. In I, 1.1.1 werden ganz kurz und stichwortartig das heute übliche Meßkonzept der Arbeitslosigkeit und einige damit zusammenhängende Probleme erörtert. Abschnitt I, 1.1.2 befaßt sich ausführlicher mit der wichtigen Unterscheidung von Bestands- und Bewegungsgrößen der Arbeitslosigkeit. In I, 1.1.3 wird der Stellenwert disaggregierter oder spezifischer Arbeitslosenquoten für einzelne Teilmärkte behandelt. I, 1.1.4 schließlich befaßt sich mit dem bei uns noch wenig benützten, in den USA weit verbreiteten Konzept der „standardisierten" Arbeitslosenquoten. 1.1.1 Konzept Die Abgrenzung jener Personen, die als arbeitslos anzusehen sind, ist keineswegs aus einem theoretischen Konzept eindeutig deduzierbar. Der Personenkreis, der unter diesem Begriff erfaßt wird, ist denn auch in verschiedenen Ländern und auch innerhalb der meisten Länder in verschiedenen Perioden unterschiedlich abgegrenzt worden. Eine internationale Vereinheitlichung wurde von der Internationalen Arbeitsorganisation ILO wiederholt angestrebt. Die Richtlinien dieser Organisation werden heute in den meisten Ländern akzeptiert, wenngleich mannigfaltige nationale Modifikationen und Interpretationen einen internationalen Vergleich der Arbeitslosenzahlen nach wie vor sehr schwierig machen. Die auch heute noch im wesentlichen gültigen Festlegungen wurden auf der Eighth International Conference of Labour Statisticians der ILO 1954 getroffen (wiederabgedruckt in Sorrentino 1979, S. 69). Etwas vereinfacht gehören demnach zu den Arbeitslosen alle jene Personen ab einem bestirnten Alter, die während einer bestimmten Periode (der Referenzperiode) ohne Arbeitsplatz sind, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen und (selbständige oder unselbständige) Arbeit suchen. Weiters gelten als arbeitslos erwerbslose Personen, die bereits Vorkehrungen getroffen haben, später als in der Referenzperiode einen neuen Arbeitsplatz anzutreten sowie Personen, die vorübergehend oder auf unbestimmte Zeit von ihrem Betrieb nicht beschäftigt und nicht entlohnt werden. Die beiden zuletzt genannten Personengruppen brauchen das Kriterium der Arbeitssuche nicht erfüllen. In derselben Empfehlung der ILO wird auch der Begriff der Beschäftigung präzisiert: Als Beschäftigte oder Erwerbstätige gelten alle Personen, die in der Referenzperiode zur Erzielung von Lohn oder Gewinn gearbeitet haben, auch wenn sie vorübergehend wegen Krankheit, Arbeitskonflikten

1 Inputorientierte Indikatoren

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oder Urlaub von ihrem Arbeitsplatz abwesend waren. Als beschäftigt gelten auch unbezahlt mithelfende Familienangehörige, wenn sie während der Referenzperiode wenigstens ein Drittel der Normalarbeitszeit gearbeitet haben. Die Summe aus Arbeitslosen und Beschäftigten wird auch als Erwerbspersonen, Arbeitskräftepotential oder Labour Force bezeichnet. Weiters wird auch noch zwischen „zivilem Arbeitskräftepotential" — unter Ausschluß der Heeresangehörigen — und „totalem Arbeitskräftepotential" — bei Einschluß derselben — unterschieden. Durch die ILO-Definitionen ist nur ein Rahmen abgesteckt, der erst konkretisiert werden muß, was von Land zu Land auf unterschiedliche Weise geschieht. Die meisten Probleme ergeben sich bei der Bestimmung der Zahl der Arbeitslosen und betreffen insbesondere folgende Bereiche (vgl. dazu auch OECD 1976, Koller—König 1977, S. 2 ff, Sorrentino 1979, S. 4 ff, Freiburghaus 1980, S. 82 f): — Erhebungsmethode Neben meist nur in größeren Zeitabständen durchgeführten Volkszählungen und neben Betriebserhebungen sind es vor allem zwei Verfahren, die zur Ermittlung der Arbeitslosen verwendet werden: die Registration bei Stellen der Arbeitsmarktverwaltung und die Bevölkerungsstichprobe. Die erste Methode bildet die Grundlage der „offiziellen" Arbeitslosenzahlen in einigen europäischen Ländern wie Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Österreich, die daneben auch noch eine (zumindestens jährliche) Stichprobenerhebung durchführen, während in den USA, Kanada, Australien, Japan, Schweden, Italien, u.a. Labour-ForceSurveys die Hauptquelle für die Arbeitslosen- (und Beschäftigten)zahlen darstellen. Bei der Registrationsmethode fallen die Zahlen der ausgewiesenen Arbeitslosigkeit gewissermaßen als Nebenprodukt von auf andere Ziele ausgerichtetem Verwaltungshandeln an; sie werden damit stark von allen Regelungen des Leistungsrechts, den Aktivitäten, der Organisation und dem Image der Arbeitsmarktverwaltung sowie von deren Veränderungen beeinflußt. Einerseits liegen die Zahlen (gemessen an einem „idealen Konzept") zu niedrig, weil nur solche Personen erfaßt werden können, die sich aus irgendeinem Grund beim Arbeitsamt melden; anderseits sind die Zahlen durch Personen überhöht, die sich, ohne ernsthaft Arbeit zu suchen, aus Gründen des Leistungsrechts registrieren lassen. Beim Stichprobenverfahren wird der Arbeitsmarktstatus in der Referenzperiode für eine repräsentative Auswahl der gesamten Bevölkerung ermittelt. Somit werden auch arbeitslose Personen erfaßt, die sich

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

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beim Arbeitsamt nicht melden, insbesondere neu oder wieder in das Erwerbsleben Eintretende. Die Befragungsergebnisse beruhen auf der Selbsteinschätzung der Betroffenen (bzw. der Einschätzung des für sie antwortenden Haushaltsmitglieds) und enthalten somit ein subjektives Moment der Situationsdefinition. Bei den Labour-Force-Surveys besteht somit die Gefahr, daß man nicht genau weiß, was eigentlich gemessen wird; dieses Problem existiert bei den Registrierungsstatistiken nicht. Anderseits weicht das Erhebungskonzept bei diesen wohl stärker von einem „idealen" theoretischen Standard ab als bei jenen. Von einem statistischen Gesichtspunkt aus haben die Registrierungen gegenüber den Labour-Force-Surveys zwei bedeutende Vorzüge: + ) als Totalerhebungen lassen sie sich beliebig aufgliedern, während bei den Stichprobenerhebungen eine tiefere Gliederung durch das Anwachsen des Stichprobenfehlers erschwert wird. + ) eine über die Bestandsgrößen hinausgehende Erhebung auch von Zu- und Abgängen (Bewegungsgrößen) stößt bei dem Registrationsverfahren auf keine methodischen Probleme. Beim Stichprobenverfahren hingegen können Bruttoströme üblicherweise2 nur für jene Personen (Haushalte) des Samples berechnet werden, die in zwei aufeinanderfolgenden Erhebungen erfaßt werden, wodurch sich der Umfang der verwertbaren Stichprobe bedeutend verringert und mögliche Verzerrungen in der Repräsentativität entstehen (vgl. Kalachek 1978). — Nichterwerbstätigkeit Die ILO-Definition fordert, daß der Arbeitslose „ohne Arbeitsplatz" sei. In manchen Ländern, z.B. in Österreich vor 1973, werden aber auch Arbeitssuchende, die in Beschäftigung stehen, mitgezählt; in manchen Ländern (Deutschland, Frankreich) steht eine geringfügige Beschäftigung dem Status als Arbeitsloser nicht entgegen. In den USA wiederum gilt jeder, der auch nur eine Stunde in Arbeit stand, als „beschäftigt", was den Status „arbeitslos" ausschließt (vgl. Sorrentino 1979, S. 11). — Verfügbarkeit Nach den Intentionen der ILO-Definition sollten nur jene Personen zu den Arbeitslosen gerechnet werden, die dem Arbeitsmarkt sofort zur 2 Das gilt, sofern zu jedem Befragungszeitpunkt nur der gegenwärtige Arbeitsmarktstatus erfragt wird. „Retrospektive" Erhebungen über den Status zu einem früheren Zeiptunkt könnten das Problem zwar umgehen, sind aber aufgrund von Erinnerungsmängeln wenig verläßlich; bzw. würden, gleichzeitig mit einer Befragung zum gegenwärtigen Status, die Befragten überfordern.

1 Inputorientierte Indikatoren

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Verfügung stehen. In etlichen Ländern fehlt aber ein Test, ob diese Voraussetzung auch tatsächlich erfüllt ist (Sorrentino 1979, S. 7 0· — Aktive Arbeitssuche Hier stellt sich das Problem, wie deutlich der Erwerbswunsch ausgeprägt sein muß und wie er sich artikulieren muß, damit das für die Arbeitslosigkeit konstitutive „Tatbestandsmerkmal" der aktiven Arbeitssuche erfüllt ist. Bei den Registrationsverfahren wird davon ausgegangen, daß die Registrierung — allerdings auch nur diese — die aktive Arbeitssuche dokumentiert; bei den Stichprobenverfahren bleibt häufig offen, innerhalb welcher Frist in der Vergangenheit die Person am Arbeitsmarkt aktiv geworden sein muß. (In den USA gilt dafür seit 1967 ausdrücklich eine Frist von vier Wochen.) Inaktive Jobsucher sollen nicht als arbeitslos eingestuft werden; eine spezielle Gruppe unter diesen bilden die „discouraged workers", die ihre Arbeitssuche aufgegeben haben, weil sie keine Erfolgssaussichten sehen. Neben diesen Hauptbereichen, in denen internationale Unterschiede auftreten, liegen den in den einzelnen Ländern verwendeten Arbeitslosigkeitsdefinitionen auch noch abweichende Festlegungen zugrunde in bezug auf die Altersgrenzen (meist sind nur untere Grenzen spezifiziert, ganz selten Höchstaltersgrenzen), die Periodizität der Erhebungen (meist monatlich, in manchen Ländern aber auch nur vierteljährlich; subsidiäre Erhebungen noch seltener), die Referenzperiode (bei den Registrationsverfahren meist ein Tag, bei den Stichprobenerhebungen eine Woche), darauf, ob Teilzeitbeschäftigung Suchende miteingeschlossen sind oder nicht etc. (Sorrentino 1979, S. 7 f). Für die Ermittlung der Arbeitslosen quote sollte die Zahl der Arbeitslosen auf jenen Personenkreis bezogen werden, der von Arbeitslosigkeit betroffen werden kann. Als Nennergrößen werden verschiedene Größen verwendet: das zivile Arbeitskräftepotential, das totale Arbeitskräftepotential, die abhängigen Erwerbspersonen, gegen Arbeitslosigkeit Versicherte u.a.m. (Sorrentino 1979, S. 11, Clement 1975, S. 486). 1.1.2 Stocks und Flows Die meisten offiziellen Nachweise der Arbeitslosigkeit beziehen sich auf Bestandsgrößen (Stocks) zu einem bestimmten Stichtag (z.B. arbeitslose Bauarbeiter in Tirol zum 31. Mai 1985) oder auf Durchschnitte aus solchen Bestandsdaten (z.B. jahresdurchschnittliche Arbeitslosenquote).

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I. Teil: Beschreibende Indikatoren

Streng davon zu unterscheiden sind Aussagen, die sich auf Bewegungsgrößen (Flows) beziehen (z.B. alle im März 1985 zum Arbeitslosenregister zugegangenen Frauen); solche Gesamtheiten werden in Anlehnung an die in der Bevölkerungsstatistik gebräuchliche Terminologie häufig Kohorten genannt. Selbst eine so einfache Aussage wie: „1982 waren 40% aller Arbeitslosen über 50 Jahre alt" hat nur Sinn, wenn genau spezifiziert wird, ob sie sich auf (den Durchschnitt von) Stockgrößen oder auf eine Flowgröße bezieht. Wie noch zu zeigen sein wird, sind die Strukturen von Bestands- und Bewegungsgesamtheiten in der Regel sehr unterschiedlich. Die grundsätzliche Beziehung zwischen Stock- und Flowgrößen ist einfach. Der Bestand an Arbeitslosen zum Zeitpunkt t U t setzt sich zusammen aus den Restbeständen aller in der Vergangenheit zugegangenen Kohorten. Bezeichnet man mit K t die Größe der Kohorte, die im Zeitraum zwischen den Zeitpunkten t - 1 und t zugegangen ist, und mit („Verbleibswahrscheinlichkeit", „survival rate") jenen Teil der im Zeitpunkt t schon i Perioden Arbeitslosen, der auch in der nächsten Periode arbeitslos bleibt, so ergibt sich folgender Zusammenhang (vgl. auch Björklund 1978, S. 423): (1.1)

U t = K t + K M Pt_i + Kt_2 Pt_2 Pt2, + K t . 3 P{_3 pf_2 Pt.! + ....

Der erste Summand gibt die im gerade abgelaufenen „Monat", nennen wir ihn „August", zugegangenen Arbeitslosen an, die sich am Ende dieser Periode noch alle im Bestand befinden (über Weiterverbleib oder Ausscheiden wird annahmegemäß am Ende jedes „Monats" entschieden). Der zweite Summand gibt die im „Juli" zugegangenen Arbeitslosen an, multipliziert mit dem Anteil der Ende „Juli" gerade ein „Monat" Arbeitslosen, die einen weiteren „Monat" in der Arbeitslosigkeit verbringen etc. Diese Überlegungen können entscheidend vereinfacht werden, wenn man einen stationären Zustand unterstellt. Der „steady state" bedeutet, daß alle Kohorten gleich groß sind und daß die Verbleibswahrscheinlichkeiten nur von der schon in der Arbeitslosigkeit zurückgelegten Zeitspanne abhängen, zwischen verschiedenen Zeitpunkten aber nicht variieren. Dadurch können die Zeitindices in (1.1) entfallen und (1.1) vereinfacht sich zu (1.2)

U = Κ + Kp 1 + Kp'p 2 + Kp ! p 2 p 3 + ....

Eine weitere Vereinfachung ergibt sich, wenn die Verbleibswahrscheinlichkeiten nicht mit der bisher schon zurückgelegten Spanne von Arbeitslosigkeit variieren, sondern davon unabhängig sind (Markov-Eigenschaft). In (1.2) können dann auch die hochgestellten Indices entfallen und es ergibt sich (1.3)

U = Κ + Kp + K(p) 2 + K(p) 3 + ... = K-^- = — 1-P q

1 Inputorientierte Indikatoren

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wobei q = 1 - p die Abgangswahrscheinlichkeit pro Periode („Monat") bezeichnet. Die rechte Seite von (1.2) bzw. (1.3) kann nun auch statt als Summe der Restbestände aller früheren Kohorten als Summe der von einer Kohorte insgesamt erlittenen Mann„monate" gedeutet werden. Der erste Summand gibt die Anzahl der Kohortenmitglieder an, die die erste Periode (den ersten „Monat") durchmachen, der zweite Summand gibt die Anzahl an, die einen weiteren „Monat" erleben, usw. Alternativ ergibt sich die Summe der Mann„monate" natürlich auch als Produkt aus Kohortengröße Κ und mittlerer Arbeitslosigkeitsdauer der Kohorte, welche mit μ bezeichnet werden soll. Daraus folgt — für den stationären Zustand — (1.4)

U = Κμ

Für den Markov-Fall ist darüberhinaus (1.5)

„ =

{

Das entscheidende Bindeglied zwischen Stock- und Flowgrößen bildet somit, wie auch intuitiv leicht einsehbar ist, die (durchschnittliche) Dauer.

Die mittlere Dauer des Flows und die „kurze" Sicht des Arbeitsmarktes

Die empirische Bestimmung der „durchschnittlichen Dauer der Arbeitslosigkeit" ist nun keineswegs eine so unproblematische Sache wie man vermuten würde. Die statistischen Nachweise zur „Dauer der Arbeitslosigkeit" beziehen sich in der Regel nicht auf die von einer Kohorte erlebte Arbeitslosigkeit, sondern vielmehr auf die Spannen, die die zu einem bestimmten Stichtag arbeitslosen Personen bis dorthin in der Arbeitslosigkeit zugebracht haben. Der Unterschied der beiden Konzepte kann anhand der folgenden Abbildung verdeutlicht werden (vgl. ähnliche Diagramme in Salant 1977, Main 1981, Akerlof—Main 1981 u.v.a.): Jede horizontale Strecke versinnbildlicht einen Fall von Arbeitslosigkeit, der zu einem bestimmten Zeitpunkt beginnt und nach einer gewissen Dauer, welche durch die Länge der Strecke angegeben wird, endet. Die mittlere Dauer des Flows μ für die zwischen den Zeitpunkten t - 2 und t - 1 zugegangene Kohorte ergibt sich für dieses einfache Beispiel als Mil + Mi2 + Mi3 + M14 4

Analog kann die durchschnittliche Dauer für die zwischen t - 1 und t zugegangene Kohorte berechnet werden.

I. T i l : Beschreibende Indikatoren

30

Abbildung 1: Verschiedene Konzepte des Begriffs „Dauer der Arbeitslosigkeit"

Die mittlere Dauer hingegen, welche die am Stichtag im Bestand befindlichen Personen bis dorthin schon durchgemacht haben, die wir mit β bezeichnen wollen, beträgt: (I 7)

ß

=

Bn + Βi4 + B 2 2 + B 2 3 + B25

Die „bisherige Dauer des Stocks" β weist gegenüber der „vollendeten (abgeschlossenen) Dauer des Flows" μ zwei Verzerrungen auf (vgl. Salant 1977, S. 41):

1 Inputorientierte Indikatoren

31

— zum einen geht nur die bis zum Stichtag aufgelaufene Dauer in die Erhebung ein, während die (unbekannte) Spanne zwischen Stichtag und Ausscheiden aus der Arbeitslosigkeit unberücksichtigt bleibt („interruption bias") — zum anderen sind die Langfristarbeitslosen im Stichtagsbestand verglichen mit dem Flow überrepräsentiert, weil die Wahrscheinlichkeit, in die Stichtagserhebung einbezogen zu werden, umso größer ist, je länger die Arbeitslosigkeit dauert („length-bias"). Die erste Verzerrung bewirkt, daß der Mittelwert der bisherigen Dauer im Vergleich zur vollendeten Dauer zu niedrig liegt, die zweite Verzerrung, daß der Mittelwert der Dauer für den Stock den Mittelwert der Dauer für den Flow überschätzt. Welche der beiden Verzerrungen überwiegt, hängt vom Zeitverlauf der Ausfallsrate ab, i.e. die Wahrscheinlichkeit, die Arbeitslosigkeit zu beenden, in Abhängigkeit von der schon zurückgelegten Arbeitslosigkeitsspanne. Bei abnehmender Ausfallsrate — welche für die Arbeitslosigkeit als typisch angenommen werden kann — überwiegt der „length bias", sodaß die mittlere vollendete Dauer des Flows unter der mittleren bisherigen Dauer des Stocks liegen wird (μ < β). Die konkrete Berechnung von μ kann mit Hilfe der aus der statistischen Theorie geläufigen Methoden zur Bestimmung der mittleren Verweildauer von Erneuerungsmassen vorgenommen werden (vgl. z.B. Kellerer 1951, 1958, 1965, Pfanzagl 1955, 1972, Wetzel 1971, Esenwein—Rothe 1976). Im Kern ergibt sich die mittlere Verweildauer aus der Division von Durchschnittsbestand und Flowgröße. Das ist auch intuitiv leicht einsichtig: wenn z.B. während eines Jahres im Durchschnitt U Personen arbeitslos sind, so fällt eine Gesamtdauer von U Mannjahren an; diese verteilt sich aber auf alle Κ während des Jahres auftretenden Fälle von Arbeitslosigkeit (= die Kohorte der während des Jahres zum Arbeitslosenregister zugehenden Fälle), so daß sich eine durchschnittliche Verweildauer von μ= U/K ergibt. Wie oben (Gl. (1.4)) gezeigt wurde, ist diese Formel nur für den stationären Zustand exakt; sie liefert aber auch sonst recht brauchbare (Näherungs)ergebnisse. Ein Hauptergebnis der meisten Arbeiten zu diesem Themenbereich ist, daß die durchschnittliche vollendete Dauer des Flows μ erstaunlich kurz ist — insbesondere im Vergleich zu der mittleren bisherigen Dauer des Bestands ß9 jener Größe, die in den meisten Ländern „naiverweise" als Dauer sans phrase angesehen wird bzw. zumindest wurde, bevor die hier dargestellten Debatten ins Bewußtsein einer breiteren (Fach)öffentlichkeit gedrungen sind. Aus der folgenden Tabelle 1 ist ersichtlich, daß — für die ver-

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

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schiedensten Länder und Konjunktursituationen — μ u m ein Beträchtliches unter β liegt. Täbelle 1 Vollendete Dauer des Flows μ und bisherige Dauer des Stocks β für ausgewählte Länder (in Monaten) μ Canada

BRD

1

Österreich 2

USA

ß

1976

2,06

3,21

1977

2,27

3,35

1978

2,31

3,58

1979

2,16

3,44

1980

2,21

3,42

1972

1,59

4,55

1973

1,71

4,95 4,46

1974

1,88

1975

2,79

5,96

1976

3,66

7,44

1973

2,03

4,66

1974

2,09

5,13

1975

1,98

4,48

1976

2,12

4,74

1977

1,86

4,71

1974

1,29

2,23

1975

2,10

3,25

1976

1,84

3,64

1977

1,66

3,30

1978

1,45

3,02

1 μ jeweils für den Zeitraum Anfang Oktober des Vorjahres bis Ende September des genannten Jahres, β für Stichtag Ende September 2 μ jeweils für den Zeitraum von Anfang September des Vorjahres bis Ende August des genannten Jahres, β für Stichtag Ende August. Quelle: Für Canada: Hasan—Debroucker 1982, S. 741; für BRD: Cramer— Egie 1976, S. 495; für Österreich: berechnet nach Riese 1979, S. 10 und 13; für die USA: berechnet nach Akerlof—Main 1981, S. 1009.

D a ß die (vollendete) Dauer (des Flows) nur wenige Wochen beträgt, bedeutet weiter, daß die Individuen, die den Bestand ausmachen, sehr rasch wechseln. Die Gesamtzahl der z.B. während eines Jahres überhaupt von A r -

1 Inputorientierte Indikatoren

33

beitslosigkeit Betroffenen liegt beträchtlich höher als der Durchschnittsbestand vermuten ließe. Diese Überlegung führt zu einer instruktiven Zerlegung der Arbeitslosenquote: u

(1.8)

u =

r

u

= -

κ

-r

=

X &

wobei U wieder den (Durchschnitts)bestand an Arbeitslosen, L das Arbeitskräftepotential und Κ den Arbeitslosenflow, i.e. die Gesamtzahl der während des Beobachtungszeitraums zur Arbeitslosigkeit zugegangenen (oder alternativ auch: der aus der Arbeitslosigkeit abgegangenen) Fälle bedeutet. Nach dem zuvor Ausgeführten stellt der erste Ausdruck die durchschnittliche Verweildauer des Flows dar; das Verhältnis der Fälle Κ zum Arbeitskräftepotential wird häufig als Turnoverrate (T) oder „Betroffenheitsquote" bezeichnet. Die Zahl der Fälle ergibt sich weiters aus der Multiplikation der unterschiedlichen von Arbeitslosigkeit betroffenen Personen Ρ mit der durchschnittlichen Häufigkeit, mit der diese während des Beobachtungszeitraumes von Arbeitslosigkeit betroffen wurden, d.h. ihrer Mehrfacharbeitslosigkeit (MF). Bezeichnet man den Anteil der unterschiedlichen von Arbeitslosigkeit betroffenen Personen am Arbeitskräftepotential als Inzidenz der Arbeitslosigkeit (INZ = -jj), so läßt sich die Arbeitslosenquote folgendermaßen zerlegen: (1.9)

u = μ · INZ · MF

Diese Zerlegung erhöht die Aussagekraft der Arbeitslosenquote entscheidend. Das eher diffuse Arbeitslosigkeitsrisiko, das sie ausdrücken soll, wird aufgespalten in: — das Risiko, überhaupt arbeitslos zu werden (ausgedrückt in INZ) — die Stabilität oder Instabilität der Wiedereingliederung (ausgedrückt in MF) — das Risiko, bei eingetretener Arbeitslosigkeit arbeitlos zu bleiben (ausgedrückt in μ; vgl. (1.5)). Solche Zerlegungen ergaben ζ. B., daß die Arbeitslosigkeit der Jugendlichen typischerweise durch hohe Turnoverraten bei eher kurzer Dauer bestimmt ist, während die Gewichtung dieser beiden Faktoren bei den Älteren tendenziell umgekehrt ist. Bestimmte Berufe wie Gaststätten- und Küchenberufe und andere Saisonberufe weisen extrem hohe Betroffenheitsquoten auf, die Mehrfacharbeitslosigkeit ist im allgemeinen umso höher, je niedriger das Ausbildungsniveau ist etc. (vgl. z.B. Egle 1977, 1979, Riese 1980 u.a.). Hinter gleich hohen Arbeitslosenquoten für verschiedene demogra3 Riese

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I. Teil: Beschreibende Indikatoren

phische Gruppen oder verschiedene Zeitperioden können somit recht unterschiedliche Konstellationen stehen. Das hervorstechendste Ergebnis solcher Zerlegungen, das in vielen Studien nachgewiesen werden konnte, ist, daß die hohen Arbeitslosenquoten der meisten „Problemgruppen" durch enorme Bewegungen, i.e. hohe Turnoverraten, Zustandekommen, während ihre durchschnittliche Dauer gar nicht so sehr von der anderer Gruppen abweicht. Diese „kurze", „dynamische" oder „Turnover-Sicht" (z.B. Holt 1970, Hall 1972, Perry 1972, Feldstein 1973) steht in Gegensatz zu der älteren Sicht z.B. der amerikanischen Strukturalisten der sechziger Jahre, in der die Problemgruppen eher als ein starrer Block wenig mobiler und durch lange Arbeitslosigkeitsdauer gekennzeichneter Personen erscheinen. „In contrast with the previously held perceptions, the dynamic view emphasises the continuous internal motion of labour markets, with workers moving rapidly between jobs, unemployment, and non-participation. A familiar theme of this literature is that, if properly measured, the average duration of (completed spells of) unemployment is quite short and that frequent transitions into and out of unemployment characterize the experience of labour force groups that typically experience high unemployment rates. This emphasis on labour market flows has important theoretical as well as policy implications. On the theoretical level it tends to support the equilibrium view of labour markets and characterizes the unemployment experience as a transitory phenomenon. On the policy level the welfare significance of unemployment tends to be discounted, since the burden of unemployment is assumed to be widely shared among a large number of workers who stay unemployed for only a brief period. In this perspective, job availability becomes less of a policy concern than measures to encourage job holding for longer periods do. These implications of the turnover view have been supported by the coincidental, though independent, development of the search theory and the theory of contracts." (Hasan—Debroucker 1982, S. 735 f). Barrett —Södersten 1975 verwenden die Zerlegung der Arbeitslosenquote in die Komponenten Dauer und Betroffenheit für einen Vergleich zweier nationaler Arbeitsmärkte (USA und Schweden). Während die amerikanische Arbeitslosigkeit durch besonders hohen Turnover und ziemlich kurze Dauer gekennzeichnet ist, werden in Schweden nur relativ wenige Personen überhaupt von Arbeitslosigkeit betroffen, sind dafür aber im Schnitt bedeutend länger arbeitslos. Die Autoren schließen daraus auf einen sogenannten „captive worker effect" in Schweden, d.h. daß die Aussicht auf eine lange Arbeitslosenspanne die Arbeiter an ihre Arbeitsplätze „fesselt", auch dann, wenn gesamtwirtschaftlich ein Arbeitsplatzwechsel wünschenswert und

1 Inputorientierte Indikatoren

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produktiv wäre. Die in den USA im Durchschnitt kürzere Dauer interpretieren sie dann — trotz der insgesamt höheren Arbeitslosenquote — als Indikator für höhere Effizienz des Arbeitsmarktes. Diese Schlußfolgerungen scheinen freilich übertrieben, wenn man bedenkt, daß bei weitem nicht alle Arbeitsplatzwechsel via Arbeitslosigkeit vollzogen werden, eine lange durchschnittliche Arbeitslosigkeitsdauer somit keineswegs notwendigerweise generelle Schwierigkeiten beim Arbeitsplatzwechsel anzeigt. (Gerade wenn der Anteil der Arbeitsplatzwechsel, die sich über Arbeitslosigkeit vollziehen, zwischen den beiden Ländern recht verschieden ist, wie vermutet werden kann, werden Vergleiche der durchschnittlichen Arbeitslosigkeitsdauer und der durchschnittlichen Arbeitsplatzwechseldauer recht unterschiedliche Ergebnisse zeitigen.) Überdies kann Ineffizienz des Arbeitsmarktes nicht ausschließlich an langer Dauer festgemacht werden; exzessiver Tbrnover kann ebenso ein Anzeichen von Ungleichgewicht sein wie lange Dauer. Analog zu der Zerlegung der Arbeitslosenquote in das Produkt aus Turnoverrate und mittlerer Verweildauer kann auch die Vakanzquote (= Bestand offener Stellen τ Arbeitskräftepotential) in „Fluktuationsquote" (Offene-Stellen-Flow 7 Arbeitskräftepotential) und mittlere Laufzeit zerlegt werden. Durch Zusammenführung der in ihre Komponenten aufgespaltenen Arbeitslosen- und Vakanzquote gelangt man zu einer aufschlußreichen und schon relativ reichhaltigen TVpisierung von (Teil)arbeitsmärkten (siehe Egle 1979, S. 137 ff). Wenn man sich auf die Komponenten Dauer der Arbeitslosigkeit und Laufzeit der offenen Stellen beschränkt, ergibt sich der bei Egle 1979, S. 140 f, für die Typisierung regionaler Arbeitsmärkte verwendete Raster wie in Abbildung 2: Laufze* offenen Stellen

Π

Dauer der Arbeitslosigkeit

m

IV

Abbildung 2: Typologie von Arbeitsmärkten, nach Egle 1979

36

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

Als Referenzpunkt (Koordinatenursprung) wird der Bundesdurchschnitt der Arbeitslosigkeitsdauer und der Laufzeit der offenen Stellen verwendet. Ein regionaler Teilarbeitsmarkt im Feld I a wird idealtypischerweise durch Profildiskrepanzen von Arbeitskräften und Arbeitsplätzen mit einer Tendenz zu Arbeitsplatz-Mangel gekennzeichnet sein. Das Feld Ib zeigt die Regionen mit Profildiskrepanzen, in denen tendenziell Arbeitskräfte-Mangel herrscht, der Quadrant II jene Regionen, in denen Arbeitskräfte-Mangel herrscht. In Quadrant III liegen die überdurchschnittlich reibungslos funktionierenden Arbeitsmärkte, und in IV schließlich die Arbeitsamtsbezirke mit Arbeitsplatz-Mangel. Natürlich ist diese Charakterisierung nur annäherungsweise gültig wie man leicht sieht: wenn etwa in Quadrant IV trotz langer Dauer der Arbeitslosigkeit nur relativ wenig Arbeitskräfte betroffen sind und gleichzeitig die kurze Laufzeit der offenen Stellen mit hohen Zugängen verbunden ist, muß nicht unbedingt Arbeitsplatz-Mangel daraus folgen. Die Verteilung der Dauer des Flows und die „lange" Sicht des Arbeitsmarkts

Die TUrnover-Sicht der Arbeitslosigkeit ist nicht unwidersprochen geblieben. In einer sorgfaltigen Arbeit haben Akerlof—Main 1980 für die USA nachgewiesen, daß die mittlere vollendete Dauer μ eine zu kurze durchschnittliche Arbeitslosigkeit suggeriert. Sie konnten zeigen, daß bei Mehrfacharbeitslosigkeit die durchschnittliche Länge der aufeinanderfolgenden Arbeitslosigkeitsspannen abnimmt. Dadurch liegt die mittlere Arbeitslosigkeitsdauer für Personen mit nur einem Arbeitslosigkeitsfall schon über μ und erst recht befinden sich Personen, die mehrmals betroffen wurden — was immerhin innerhalb eines Jahres schon bei ca. ιΔ der Fall ist — insgesamt länger im Status der Arbeitslosigkeit als μ anzeigt, μ ist somit für die Arbeitslosigkeitserfahrung keiner Gruppe repräsentativ. Fundamentaler noch sind Einwendungen gegen die „kurze" Sicht, die kritisieren, daß sich diese auf irreführende statistische Artefakten stützt bzw. das vorliegende Material in unzulässiger Weise interpretiert. Kern der Kritik, wie sie zuerst von Clark und Summers 1979 vorgebracht wurde, ist, daß die vielen kurzen Arbeitslosigkeitsspannen, die in der Turnover-Sicht so betont werden, von geringer Relevanz für das Gesamtphänomen sind, weil sie insgesamt nur wenig zur Arbeitslosigkeit beitragen. Obwohl die meisten Spannen tatsächlich von kurzer Dauer sind, wird dennoch der größte Teil der Arbeitslosigkeit in langen Spannen zugebracht. Man kann den Grundgedanken an folgendem einfachen Beispiel veranschaulichen. Wöchentlich soll eine Kohorte zur Arbeitslosigkeit zugehen,

1 Inputorientierte Indikatoren

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die aus 10 Kurzzeitarbeitslosen besteht, die nur eine Woche arbeitslos sind, und einem Langzeitarbeitslosen, der 20 Wochen arbeitslos bleibt. Die Tbrnover-Sicht würde für diesen Fall hervorheben, daß ca. 90% der Kohorte nur eine Woche arbeitslos sind; bzw. die mittlere Dauer μ nur ca. drei Wochen beträgt. Ein gänzlich anderes Bild ergibt sich aber, wenn man dieselbe Situation dadurch charakterisiert, daß 2Δ der insgesamt „erlittenen" Arbeitslosigkeit auf lange Spannen entfällt, und nur Vi auf Kurzzeitarbeitslosigkeit. Für einen steady state wiederholt sich (nicht zufällig) dieses Verhältnis von 2Δ Langzeitarbeitslosen zu ιΔ Kurzzeitarbeitslosen in der Zusammensetzung des Arbeitslosenbestandes zu einem beliebigen Zeitpunkt: dieser setzt sich aus 10 in der Woche des Stichtags zugegangenen Kurzzeitarbeitslosen und 20 Langzeitarbeitslosen zusammen, die zu verschiedenen Zeitpunkten innerhalb der letzten 20 Wochen zugegangen sind, alle einen unterschiedlichen Teil ihrer Arbeitslosigkeit bereits zurückglegt haben, letzten Endes aber annahmegemäß erst 20 Wochen nach Eintritt in die Arbeitslosigkeit wieder ausscheiden werden. Exakter lassen sich die hier relevanten Zusammenhänge mit Hilfe sogenannter „Verbleibskurven" (vgl. Freiburghaus 1978, S. 149 ff) veranschaulichen; es handelt sich dabei um dasselbe Konzept wie es auch in der Bevölkerungsstatistik (vgl. Feichtinger 1973, S. 69) und der Erneuerungstheorie (vgl. Bartholomew 1973, S. 182) als „Überlebensfunktion" bzw. „Survivor Function" bekannt ist. Die Verbleibskurve v(x) gibt an, welcher Anteil einer zum gleichen Zeitpunkt zugegangenen Kohorte von Arbeitslosen nach Ablauf einer bestimmten Zeitspanne χ noch arbeitslos ist. Wenn man die Verteilung der vollendeten Dauer für eine Kohorte mit f(x) bezeichnet, so gibt die kumulierte Verteilung F(x) = /Ô f(z)dz den Anteil der insgesamt bis χ aus der Arbeitslosigkeit Ausgeschiedenen an und entsprechend l - F ( x ) = v(x) die Verbleibskurve. Oder umgekehrt: die Ableitung der Verbleibskurve liefert die Verteilung der vollendeten Dauer der Kohorte. Abb. 3 illustriert den Zusammenhang: Xi „Wochen" nach dem Zugangszeitpunkt der Kohorte sind noch K[L-F(xi)] Personen arbeitslos. Im Zeitpunkt X2 noch K[1-F(x2)] . Der Unterschied K[F(x2) - F(xi)] sind genau jene, die zwischen xi und X2 ausgeschieden sind, d.h. deren abgeschlossene Dauer genau in das Intervall (χι, X2) fällt. Ihr Anteil an der gesamten Kohorte beträgt demnach F(X2) - F(xi) was beim Übergang zu infinitesimal kleinen Klassenbreiten gegen f(x) strebt. Die Fläche unter der Kurve repräsentiert bekanntlich (vgl. z.B. Piesch 1975, S. 3) den Mittelwert μ: man kann sie sich (näherungsweise) zusammengesetzt denken entweder aus (schmalen) horizontalen Balken mit der

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I. Teil: Beschreibende Indikatoren

v(x)"

Abbildung 3: Verbleibskurve

Länge χ und der Höhe f(x), oder aus vertikalen Streifen mit der Höhe l - F ( x ) und (infinitesimal schmaler) Standseite dx. Die erste Darstellung entspricht der Definition des Mittelwerts als Summe der mit ihren Häufigkeiten gewichteten individuellen Dauern (μ = f xf(x)dx); bei der zweiten findet man μ über Summierung der von der Kohorte erlittenen Mann„wochen" (μ = f Kv(x)dx - K = / [1-F(x)]dx) 3 . In der Bevölkerungsstatistik entspricht dem Mittelwert μ die Lebenserwartung eines Neugeborenen eo. Die insgesamt von der Kohorte „erlittene" Arbeitslosigkeit ergibt sich natürlich als Produkt aus Kohortengröße Κ und mittlerer Dauer μ. 3 Die Äquivalenz der beiden Ausdrücke kann durch partielle Integration leicht nachgewiesen werden. (A) [ l-F(x) ] dx = [ l-F(x) ] χ I ~ + ./" f(x) χ dx Der erste Term auf der rechten Seite wird schon für das maximal mögliche, als endlich angenommene, χ Null.

39

1 Inputorientierte Indikatoren

Das oben angesprochene Clark—Sim2i22ers-„Paradoxon" kann nun an Hand der Abb. 3 präziser formuliert werden: obwohl die Verbleibskurve im Anfangsstadium rasch abfällt, d.h. tatsächlich schon nach wenigen Wochen ein großer Anteil der Kohorte die Arbeitslosigkeit wieder verlassen hat (für den Zeitpunkt xi z.B. gegeben durch die Strecke F(xi)), so tragen diese vielen kurzen Fälle doch wenig zur Gesamtarbeitslosigkeit bei. Der Anteil einer bestimmten Dauerklasse an der Gesamtarbeitslosigkeit ist graphisch durch das Verhältnis eines horizontalen Streifens (für die Klasse (χι, X2) in Abb. 3 schraffiert) zu der Gesamtfläche unter der Verbleibskurve gegeben, ~

~

χ

fix)

und wird im weiteren mit 1 (χι, X2) bezeichnet bzw. mit 1 (x) = ^ \ wenn die Klassenbreite infinitesimal klein ist. Der Beitrag aller z.B. kürzer als xi dauernden Fälle ist durch den Anteil des Flächenstücks A1B an der Gesamtfläche unter der Verbleibskurve gegeben, wobei L (xi) = j x 1 z_f(z) j) a ß gjçh unterschiedliche Schlußfolgerungen ergeben, je nachdem ob man die Verteilung der Merkmalsträger betrachtet oder die Anteile, die die Merkmalsträger an der gesamten Merkmalssumme haben, ist in der statistischen Theorie zwar wohlbekannt (vgl. z.B. Piesch 1975, S. 21 f)> wird aber offenbar in der Praxis nicht immer genügend beachtet. Für verschiedene Länder und Konjunktursituationen konnte, wie in der folgenden Tabelle dargestellt, gezeigt werden, daß es sich bei dieser Unterscheidung nicht bloß um eine statistische Rafinesse handelt, sondern daß sich ganz unterschiedliche Größenordnungen ergeben. Während also z.B. in Österreich von allen 1982 arbeitslos gewordenen Frauen 62% nach höchstens einem Monat wieder aus der Arbeitslosigkeit ausgeschieden waren4, entfällt auf diese kurzfristig Arbeitslosen nur 11% der insgesamt (von den Frauen) erlebten Arbeitslosigkeit. Die knapp 3%, die länger als 12 Monate arbeitslos blieben, trugen hingegen 27% zur insgesamt anfallenden Arbeitslosigkeit bei (vgl. ähnliche Aussagen bei Freiburghaus 1978, S. 243). Der tiefere Grund für die beachtlichen Diskrepanzen zwischen den beiden Verteilungen liegt darin, daß die Arbeitslosigkeit ein stark konzentriertes Phänomen ist. Der Anteil der Fälle bis zu einer bestimmten Dauer an allen Fällen einerseits und der von diesen zur Gesamtarbeitslosigkeit beigetragene Anteil anderseits sind denn auch genau Variablen der Art, wie sie bei der Lorenz-Kurvendarstellung zueinander in Beziehung gesetzt werden (vgl. z.B. Piesch 1975, S. 23). 4 Genauer: aus dem Arbeitslosenregisfer ausgeschieden waren. Das bedeutet nicht notwendigerweise Wiederbeschäftigung, sondern kann auch durch Rückzug in den Haushalt, Schulung, Auswanderung oder Tod erfolgen.

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

40

Täbelle 2 Anteil bestimmter Dauerklassen an allen Fällen von Arbeitslosigkeit (f(x)) und an der insgesamt erlebten Arbeitslosigkeit ( 1 (x)), Prozentwerte BRD Männer 1977 unter 1 Monat 1 - unter 3 Monate 3 - unter 6 Monate 6 - unter 12 Monate über 12 Monate

Frauen 1977

f(x)

T(x)

f(x)

T(x)

45.4 27.6 12.9 8.3 5.8

6.8 15.6 17.9 23.2 36.4

34.3 25.0 15.6 14.6 10.5

3.6 9.8 15.1 28.3 43.3

Österreich Männer 1973 unter 1 Monat 1 - unter 6 Monate 6 - unter 12 Monate über 12 Monate

f(x)

T(x)

f(x)

T(x)

86.04 11.68 1.27 1.00

34.45 36.13 3.52 25.91

69.01 21.11 7.36 2.52

11.91 32.82 28.83 26.44

Männer 1982 unter 1 Monat 1 - unter 6 Monate 6 - unter 12 Monate über 12 Monate Quelle: für BRD: Freiburghaus

Frauen 1973

Frauen 1982

f(x)

ï(x)

f(x)

T(x)

64.41 25.57 6.90 3.12

11.63 30.62 26.11 31.64

62.36 27.35 7.56 2.73

10.65 35.26 27.56 26.54

1978, S. 308, für Österreich: Steiner 1984, Tab. 7a, 7b, 10a,

Die erste Variable ist, wie schon gezeigt wurde, gleich F(x); der zweite Anteil kann durch f 0x dz dargestellt werden, womit sich genau die bekannte Parameterdarstellung der Lorenz-Kurve (siehe Kurve AB in Abb. 4) ergibt. Berücksichtigt man, daß — auch für längere Beobachtungsperioden — ein bedeutender Teil des Arbeitskräftepotentials überhaupt von Arbeitslosigkeit verschont bleibt, also mit einer Dauer von Null anzusetzen ist, so

1 Inputorientierte Indikatoren

41

FW kumulierter Anteil von Arbeitslosigkeitsfällen bis zu einer bestimmten Dauer an allen Arbeitslosigkeitsfällen bzw. am Arbeitskräftepotential Abbildung 4: Lorenz-Kurve für die Dauer der Arbeitslosigkeit

folgt daraus bezogen auf das Arbeitskräftepotential eine Zunahme der Konzentration, wie sie etwa durch die Kurve CB bzw. die zwischen ACB eingeschlossene Konzentrationsfläche repräsentiert wird5. Wenn man auch noch die Mehrfacharbeitslosigkeit einbezieht, ergibt sich naturgemäß eine noch höhere Konzentration (siehe Konzentrationsfläche ADB in Abb. 4). Berechnungen von Disney 1979 für England haben gezeigt, daß (dort) die Berücksichtigung der Mehrfacharbeitslosigkeit den GINI-Koeffizienten beträchtlich erhöht. Akerlof—Main 1981 haben aus dem geschilderten Clark—Summers-„Paradoxon" den Schluß gezogen, daß μ, das arithmetische Mittel der (abgeschlossenen) Dauer der Kohorte, in das jede Spanne mit demselben Gewicht eingeht, eine wenig taugliche Maßzahl ist. Demgegenüber schlagen sie als zusammenfassende Maßzahl der Dauer einen Mittelwert vor, bei dem jede 5

Wie Kellerer—Schaich 1971, S. 55 ff, gezeigt haben, empfiehlt es sich, die Beobachtungsgesamtheit so zu definieren, daß ihr Umfang (möglichst) konstant bleibt. Das ist im vorliegenden Fall für das gesamte Arbeitskräftepotential (annähernd) erfüllt, während die Gesamtheit der von Arbeitslosigkeit Betroffenen im Zeitablauf starken Schwankungen unterliegen kann. Dadurch würden Vergleiche der Konzentration, die sich nur auf die von Arbeitslosigkeit Betroffenen beziehen, erschwert.

42

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

Spanne mit dem Anteil, den diese zur Gesamtarbeitslosigkeit beiträgt, gewichtet wird. Diese von ihnen „experience-weighted spell length" genannte Größe jiEw läßt sich demnach folgendermaßen darstellen: (1.10)

mew = /xT(x)dx

Was Akerlof—Main hier, ohne sich der Parallele bewußt zu sein, wiederentdeckt haben, ist der sogenannte „MeAaj25-Index", eine Maßzahl, die Niehans 1955 zur Charakterisierung von Betriebsgrößen vorgeschlagen hat (vgl. auch Anhang A). Ausgehend von der Beobachtung, daß die durchschnittliche Betriebsgröße, gemessen als Beschäftigte pro Betrieb, bei einem hohen Anteil von Kleinbetrieben recht niedrig liegt, auch wenn die meisten Beschäftigten in Großbetrieben arbeiten — ein offensichtliches Analogon zum Clark—Summers-„Paradoxon* 4 — plädiert er dafür, anstelle des traditionellen Mittelwerts einen mit den Beschäftigtenanteilen gewogenen Index der Betriebsgrößen zu verwenden. Dieser Index hat mehrere wünschenswerte Eigenschaften (siehe die Herleitung bei Niehans 1955, S. 535 f)> wovon die beiden wichtigsten sind: — Der Wechsel eines Beschäftigten aus einem kleineren in einen größeren Betrieb, was intuitiv einem Trend zum Großbetrieb entspricht, erhöht den MeAans-Index, wogegen das arithmetische Mittel bei einer solchen Verschiebung unverändert bleibt; — durch einen neu hinzukommenden Beschäftigten steigt der NiehansIndex, wenn dieser in einen „großen" Betrieb eintritt, er vermindert sich jedoch, wenn er in einen „kleinen" eintritt, was genau das Desiderat erfüllt, eine (relative) Stärkung der Großbetriebe möge durch eine Erhöhung, eine (relative) Stärkung der Kleinbetriebe durch eine Senkung der zu wählenden Maßzahl ausgedrückt werden. Die Scheidelinie zwischen „großen" und „kleinen" Betrieben liegt genau bei der Hälfte des MeAans-Index. Der traditionelle Mittelwert hingegen zeigt in beiden Fällen eine Erhöhung an. Die „experience-weighted spell length", die die genannten Eigenschaften — entsprechend transponiert auf eine Verschiebung einer „Woche" Arbeitslosigkeit von einer kurzen zu einer langen Spanne bzw. ein Hinzutreten neuer Arbeitslosigkeitsfälle — natürlich ebenso aufweist, stellt somit eine sensible, zusammenfassende Maßzahl der Arbeitslosgikeitsdauer dar. Die Attraktivität von με\ν als alternatives Dauermaß rührt jedoch hauptsächlich daher, daß es ein einfaches empirisches Korrelat hat: die mittlere vollendete Dauer eines Stichtagsbestandes y. Dieses Konzept ist neben der mittleren vollendeten Dauer des Flows μ und der durchschnittlichen bishe-

1 Inputorientierte Indikatoren

43

rigen Dauer des Bestands β das dritte Maß, mit dem die durchschnittliche Länge der Arbeitslosigkeitsspannen beschrieben werden kann. Es bezieht sich auf alle zu einem bestimmten Stichtag im Bestand befindlichen Arbeitslosigkeitsfälle, mißt aber — im Gegensatz zu β — wie lange deren Verweildauer von ihrem Eintritt bis zu ihrem (nach dem Stichtag liegenden) Austritt im Durchschnitt beträgt. In dem Schema der Abb. 1 ergibt sich y als (1.11)

7 =

Mu + M14 + M22 = M22 + M23 + M25 5

Wie man beweisen kann (vgl. z.B. Salant 1977, S. 41) gilt für den stationären Zustand (vgl. dessen Definition oben S. 18), daß die Verteilung der vollendeten Dauer für einen Bestand l(x) gleich ist (1.12)

l(x) =

= ϊ(χ) 6

Der Anteil einer bestimmten Dauer(klasse) an der gesamten von einer Kohorte erlittenen Arbeitslosigkeit 1 (x) ist dann identisch mit dem Anteil l(x) der Fälle im Bestand, die eine vollendete Dauer von χ haben. Die mittlere vollendete Dauer des Stichtagsbestandes y = / xl(x)dx ist identisch mit Akerlof—Mains „experience-weighted spell length". Die weiter oben angeführte Überrepräsentation von Langzeitarbeitslosen im Stock („lengthbias") erweist sich somit hier als Vorteil: sie liefert automatisch genau das zur Berechnung des Niehans-lndex bzw. für ^ew erforderliche Wägungsschema. Im stationären Zustand kann 7 überdies ganz einfach berechnet werden: man braucht nur 0, die mittlere bisherige Dauer verdoppeln. Das ist intuitiv leicht einsehbar: die Stichtagserhebung trifft den einen Arbeitslosigkeitsfall früher, den anderen später während seiner Laufzeit, im Durchschnitt aber genau zur Hälfte. Die mittlere vollendete Dauer des Bestandes y ist damit genau doppelt so groß wie die vielerorts erhobene durchschnittliche bisherige Dauer des Stocks ß 1 . Für einen nicht-stationären Zustand, wie er in der Realität natürlich die Regel ist, gelten die angeführten Zusammenhänge, sofern keine gravierenden und abrupten Änderungen auftreten, zumindestens näherungsweise. 6 f(x) bezieht sich hier nicht auf eine spezielle Kohorte wie bei den Ausführungen auf S. 36 bis 42, sondern ist — entsprechend der Definition des stationären Zustands (vgl. oben S. 28) — für alle Kohorten identisch. Das Ergebnis (1.12) ist auch intuitiv leicht einsichtig: die Wahrscheinlichkeit, bei einer Stichtagserhebung erfaßt zu werden, ist umso größer, je länger ein Fall dauert („length-bias"); für die Dauer χ also: xKf(x) dividiert durch alle von der Stichtagserhebung überhaupt erfaßten Fälle, welche durch Κ / v(x) dx gegeben sind. Daraus folgt unmittelbar das oben angegebene Resultat für l(x). 7 Der exakte Beweis dieses Zusammenhangs wird unten FN 9 gegeben.

44

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

Die Unterschiede zwischen den Verteilungen eines Merkmals im Stock und im Flow bzw. die Zusammenhänge zwischen beiden Verteilungen lassen sich in folgender Weise darstellen. Jedes Merkmal, das mit der Dauer korreliert ist, ist unter den Zugängern (Abgängern) anders ausgeprägt als in dem hauptsächlich Langfristarbeitslose enthaltenden Bestand zu einem Stichtag. Wenn j(M/x) die relative Häufigkeit des Merkmals M an allen Arbeitslosigkeitsspannen mit (vollendeter) Dauer χ ist, so ergibt sich die relative Häufigkeit dieses Merkmals im Flow (vgl. Salant 1977, S. 41) als / j(M/x) f(x) dx, während die relative Häufigkeit im Stock gleich / j(M/x) l(x) dx ist. Wie unterschiedlich diese beiden Verteilungen oft sind, wird durch die folgende Tabelle illustriert. Täbelie 3 Vergleich der Bestands- und der Zugangsschichtung, in Prozent BRD 1976 Bestand

Zugang

unter 25 Jahren 25-44 Jahre 45-55 Jahre über 55 Jahre

23.7 46.5 15.6 14.1

40.5 45.0 9.2 5.3

unter 25 Jahren 25-45 Jahre 45-55 Jahre über 55 Jahre

30.5 44.3 15.9 9.3

45.2 39.6 10.5 4.6

9.8 18.7 67.3 4.1

14.0 21.2 61.5 3.3

Männer

Frauen

Österreich 1982 Männer und Frauen unter 19 Jahren 20-24 Jahre 25-55 Jahre ab 56 Jahre Quelle: für BRD: Freiburghaus S. 210, S. 213.

1978, S. 120; für Österreich: Pichelmann—Wagner

Die beiden Verteilungen beantworten verschiedene Fragestellungen: die Zugangsverteilung wird korrekterweise verwendet, wenn es um den Anteil

1984,

1 Inputorientierte Indikatoren

45

verschiedener Gruppen an allen Fällen von Arbeitslosigkeit geht. Die Bestandsverteilung hingegen gibt — wie auch intuitiv leicht einsehbar ist — an, welchen Anteil die einzelnen Gruppen an der insgesamt erlebten Arbeitslosigkeit haben (vgl. auch Freiburghaus 1978, S. 228). Dieselben Überlegungen wie oben für die Arbeitslosigkeit können natürlich auch bezüglich der Länge eines Beschäftigungsverhältnisses angestellt werden. Auch hier gilt: obwohl sehr viele kurze Jobs vorkommen, wird der Großteil der Beschäftigung doch in recht langen Beschäftigungsverhältnissen zugebracht. Oder anders: wenn auch die durchschnittliche Dauer eines Jobs, gemittelt über alle Jobs, eher kurz ist, ist die mittlere Dauer aller zu einem bestimmten Zeitpunkt bestehenden Beschäftigungsverhältnisse sehr lang. Akerlof—Main 1981 berechneten für die USA als durchschnittliche Länge aller im Jänner 1968 gehaltenen Jobs 18.3 Jahre (!) für Männer und 11.6 Jahre für Frauen, während die mittlere vollendete Länge aller Jobs, die zwischen 1968 und 1973 endeten, nur 3.9 bzw. 2.6 Jahre betrug. Hall, früher ein Protagonist der Turnover-Schule (Hall 1972), stellte in einem Artikel mit dem charakteristischen Titel „The Importance of Lifetime Jobs in the U.S. Economy" (Hall 1982) u.a. fest, daß 28% der 1978 bestehenden Beschäftigungsverhältnisse — unter Zugrundelegung stationärer Verhältnisse — länger als 20 Jahre dauern werden; Main 1981, 1982b ermittelte für Großbritannien als durchschnittliche abgeschlossene Joblänge der vollbeschäftigten erwachsenen Männer, die 1968 einen Job hielten, ca. 20 Jahre, ein Wert, der auch über die einzelnen Industrien nur wenig streut. Insgesamt hat die genauere Analyse der Dauerverteilung der Arbeitslosigkeitsfälle und Beschäftigungsverhältnisse gezeigt, daß doch viel mehr Permanenz im Arbeitsmarkt herrscht als die „kurze" Sicht wahrhaben will. „Schnupfen"theorien der Arbeitslosigkeit, wie sie Main 1982 b, S. 331, spöttisch nennt, d.h. Sichtweisen, die Arbeitslosigkeit als von vielen geteiltes, aber nur kurz dauerndes, letztlich harmloses Phänomen interpretieren, werden unglaubwürdig, wenn ein kleiner Prozentsatz der Arbeitslosen den Löwenanteil an der Arbeitslosigkeit trägt. Wenn durch die Elimination der zugegebenermaßen sehr häufigen kurzen Arbeitslosigkeitsfälle die Arbeitslosenquote nür geringfügig gesenkt werden kann, gewinnen Konzepte von „hard core"Arbeitslosigkeit und Maßnahmen, die speziell auf die Langfristarbeitslosen zugeschnitten sind, gegenüber Konzepten freiwilliger Arbeitslosigkeit und Politikoptionen, die vornehmlich das Funktionieren des Arbeitsmarktes verbessern wollen, wieder an Gewicht. Der komplementäre Befund einer erstaunlichen Stabilität der meisten Beschäftigungsverhältnisse diskreditiert Theorien, die den Arbeitsmarkt als permanent geräumt

46

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

postulieren; und läßt Theorien, die Platz für Ungleichgewicht und NichtRäumung, für spezielle Beziehungen zwischen Beschäftigtem und Beschäftiger lassen, plausibler erscheinen. Das Vorkommen zahlreicher kurzer Jobs neben einem bedeutenden Segment von langfristig angelegten „career4 oder gar „lifetime" Jobs paßt gut zu den Konzepten dualer Arbeitsmarkttheorien. Die bisherige Dauer — nochmals betrachtet

Die Verbleibskurve, wie sie oben besprochen wurde, eignet sich auch, Stellenwert und Bedeutung der bisherigen Dauer eines Stichtagsbestandes und ihrer Verteilung näher zu bestimmen. Jeder Stichtagsbestand setzt sich aus den Restbeständen aller früher zugegangenen Kohorten zusammen (vgl. auch Gl. (1.1)); für einen steady state entspricht der Restbestand der vor χ „Wochen4 4 zugegangenen Kohorte heute genau den nach χ Wochen von der heute zugehenden Kohorte noch Verbleibenden. Der Gesamtbestand U als Summe aller Restbestände ergibt sich damit durch U = Κ / v(x)dx = Κ μ, — ein Ergebnis, das oben (Gl. 1.4) schon hergeleitet wurde — und der Anteil derjenigen mit bisheriger Dauer x, den wir mit g(x) bezeichnen, entsprechend als (1.13)

g(x) = ^

= Hixi! U

μ

Die mittlere bisherige Dauer des Bestandes μ kann dann dargestellt werden als (1.14)

β = fx g(x)dx = / [l-G(x)] dx

wobei G(x) die kumulierte Häufigkeitsverteilung (Verteilungsfunktion) zu g(x) ist (vgl. auch FN 3). Oben, (Tab. 1) wurde schon ausgeführt, daß β meist beträchtlich über μ, der mittleren abgeschlossenen Dauer des Flows, liegt. Ob β g μ gilt, hängt — wie erwähnt — von der (verweilabhängigen) „Ausfallsrate 44 ab. Dieser Zusammenhang soll nun etwas näher betrachtet werden. Die Ausfallsrate e (x) gibt an, welcher Prozentsatz der nach χ „Wochen44 noch verbliebenen Kohortenmitglieder im Zeitraum zwischen χ und χ + dx ausscheidet. In der Bevölkerungsstatistik ist diese Größer als (altersabhängige) Sterbewahrscheinlichkeit (siehe Feichtinger 1973, S. 59), in der Erneuerungstheorie als Hazardfunktion (siehe Bartholomew 1975, S. 183) be8 Etwas andere Herleitungen dieses Ergebnisses finden sich bei Salant 1977, S. 56 und Freiburghaus 1978, S. 150.

1 Inputorientierte Indikatoren

47

kannt. Sie liefert keine gegenüber der Verbleibfunktion neue Information, sondern bereitet nur die darin enthaltene Information anders auf. Es gilt:

Eine konstante Ausfallsrate gibt einen brauchbaren Referenzpunkt für die folgenden Überlegungen ab. Wenn e (x) = e = const, sein soll, d.h. wenn die Wahrscheinlichkeit, aus der Arbeitslosigkeit abzugehen, unabhängig davon ist, wie lange sie bisher schon gedauert hat, so muß die Verbleibsfunktion, wie man aus (1.15) ersieht, eine Exponentialfunktion sein: v(x) = e-*x

(1.16)

Der Mittelwert μ = / v(x)dx beträgt dann, wie man leicht sieht, μ = -γ. Weiter folgt, daß für diesen Fall die Verteilung (L17)

_ _ dlHWi dx

f(x )

=

_ d^OO _ dx

€ e.f X

und die Verteilung (1,8)

g(x)

1



=

= ψ

=

e

e~

identisch sind und damit auch ihre Mittelwerte μ = β. Allgemeiner läßt sich der Zusammenhang zwischen f(x) und g(x) durch die folgende — für den steady state gültige — tautologische Erweiterung von f(x) herstellen: (1.19)

f(x) =

1-F(X)

-

μ

- μ = 6 (Χ) · g(x) μ

Für eine konstante Ausfallsrate gilt — wie gezeigt — μ = -γ, so daß für diesen Fall f(x) = g(x) folgt. Wenn hingegen e(x) eine fallende Funktion von χ ist (abnehmende Ausfallsrate), werden kurze Verweildauern in f(x) stärker, lange aber schwächer vertreten sein als in g(x); dementsprechend wird μ < ß sein. Genau das Umgekehrte gilt für den Fall zunehmender Ausfallsraten. Das Konzept der bisherigen Dauer wird heute von den meisten Autoren als wenig aussagekräftig angesehen. Main 1982 a, S. 100, wendet ein: „Unlike the first two measures (das sind die abgeschlossene Dauer des Flows und die abgeschlossene Dauer des Stocks, M.R.) it is not possible to relate the interrupted spell length to the final experience of any group of economic agents ... (it) has the disadvantage of reporting on incomplete economic events — the half-time results." Egle 1979, S. 56 meint gar: „Während in den amtlichen statistischen Berichten über das Arbeitsmarktgeschehen ausschließlich die bisherige Dauer der Arbeitslosigkeit veröffentlicht

48

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

ist, wird dieser Größe in der arbeitsmarkttheoretischen Literatur kaum eine Bedeutung zugesprochen, weil sie wegen der oben angeführten Mängel als Schätzung für die eigentlich interessierende, beendete oder abgeschlossene Dauer der Arbeitslosigkeit sowohl im Niveau als auch in der Struktur (nach bestimmten Personengruppen) große Verzerrungen aufweist" Im folgenden wird ausgeführt, daß dieses Konzept doch mehr nutzbare Informationen enthält als gemeinhin angenommen wird. (1) Für einen steady state ist die durchschnittliche bisherige Dauer des Stocks gleich der durchschnittlichen zukünftigen Dauer, weil die Stichtagserhebung im Mittel die Arbeitslosen so trifft, daß sie gerade gleich viel ihrer Arbeitslosigkeit noch vor sich haben wie sie schon hinter sich haben (vgl. auch Layard 1981). Dieses Resultat wurde schon weiter oben verwendet, um zu zeigen, daß die mittlere vollendete Dauer gleich ist der doppelten bisherigen Dauer, i.e. y = 2 β9. Spezieller gilt, was nicht ganz so offensichtlich ist, daß auch die Verteilungen der bisherigen und der zukünftigen Dauer identisch sind. Bezeichnen wir die Häufigkeitsverteilung (Dichtefunktion) der zukünftigen Dauer in einem Bestand mit h(x), so gilt (1.20)

h(x) = / 0 ° ° g(t) ^

dt = j

f 0°° f(t+x) dt = ™

= g(x)

gibt an, welcher Anteil der nach t „Wochen" noch verbleibenden Mitglieder einer Kohorte genau nach weiteren χ „Wochen" aus der Arbeitslosigkeit ausscheiden wird, i.e. eine zukünftige Dauer von χ „Wochen" hat, oder die „x-jährige Ausfallsrate eines t-Jährigen". Der Anteil der χ Perioden später Ausscheidenden am Gesamtbestand h(x) ergibt sich dann, indem der Anteil mit bisheriger Dauer t mit dieser Ausfallsrate multipliziert wird und über alle bisherigen Dauern summiert (integriert) wird. 9 Formal läßt sich dieses intuitiv ohne weiteres einsichtige Resultat folgendermaßen herleiten. Die mittlere zukünftige Dauer des Bestands, welche mit χ bezeichnet werden soll, ergibt sich als

(A)

* =

ex g(x)dx

Wobei ex, analog zum Gebrauch in der Demographie (vgl. Feichtinger 1973, S. 67) die durchschnittliche weitere Verweildauer der Arbeitslosen ist, die schon χ „Wochen" Arbeitslosigkeit hinter sich haben (= „mittlere fernere Lebenserwartung eines x-jährigen") und g(x) wieder den Anteil der Arbeitslosen mit bisheriger Dauer χ am Bestand bedeutet. ex seinerseits ist, (B)

ex = —

[ l - F ( z ) ] dz

l-F(x) Daraus ergibt sich für die mittlere zukünftige Dauer χ

oo oo 1 FY

oo

(C) χ = f Q f x —^ dz dx = f Q [ l-G(x) ] dx = β Der Erwartungswert der vollendeten Dauer des Bestands y ergibt sich entsprechend als (D) y = I (ex + χ) g(x) dx = χ + β = 2ß

1 Inputorientierte Indikatoren

49

(2) Eine weitere Interpretationsmöglichkeit der Verteilung der bisherigen Dauer, die über ihren unmittelbaren Aussagegehalt hinausgeht, ist die Deutung von g(x) als Anteil, den die x-te „Woche" an der insgesamt erlittenen Arbeitslosigkeit ausmacht (vgl. Layard 1981, Riese 1983 c). Die insgesamt von der Kohorte durchgemachte Arbeitslosigkeit Κ μ kann durch Summierung der Mann„wochen", die die Kohorte erleidet, ermittelt werden. Die erste „Woche" erleidet die gesamte Kohorte, die in der zweiten Woche noch Verbleibenden erleiden eine weitere Woche, die in der dritten „Woche" noch eine usw. Es gilt: (1.21)

Κμ = Κ f ν (x) dx = Κ / [ l-F(x) ] dx ~

1-Fix)

Entsprechend gibt g (χ) = " 1 } den Anteil an, den die x-te „Woche" zur Gesamtarbeitslosigkeit beiträgt; graphisch wird er durch das Verhältnis eines (infinitesimal) schmalen vertikalen Streifens zur Gesamtfläche unter der Verbleibkurve dargestellt (vgl. Abb. 3). Diese Anteile können, sofern die Verbleibskurve bekannt ist, für jede Kohorte berechnet werden. Sie entsprechen den sogenannten „Reduktionsfaktoren" in der Versicherungsmathematik (siehe Kellerer 1951, S. 45): mit diesen soll ausgedrückt werden, um welchen Prozentsatz die Versicherungsaufwendungen für Krankheit reduziert werden können, wenn für den ersten, zweiten, x-ten Krankheitstag keine Leistungen erbracht werden. Das Besondere im vorliegenden Fall ist, daß — für einen steady state oder auch noch bei annähernder Geltung stationärer Bedingungen — die „Reduktionsfaktoren" g (χ) in der Verteilung der bisherigen Dauer im Bestand g(x) schon (zumindestens näherungsweise) vorliegen. Zu welch unterschiedlichen Einschätzungen man kommen wird, je nachdem, ob man die Anteile betrachtet, die Arbeitslosigkeitsspannen mit einer bestimmten Länge zur Gesamtarbeitslosigkeit beitragen (= Verteilung 1 (x)), oder die Anteile, die eine bestimmte „Woche" ausmacht g(x), veranschaulicht die folgende Tabelle: Obwohl also beispielsweise in der BRD 1977 die Arbeitslosenspannen mit einer Dauer von über einem Jahr 39,6% der Gesamtarbeitslosigkeit ausmachten, entfallen doch nur 13,8% der anfallenden Arbeitslosigkeit auf Zeiten, in denen die Arbeitslosen schon länger als ein Jahr ohne Arbeit waren. Umgekehrt machen kurze Spannen von einem Monat nur 5,1% der anfallenden Arbeitslosigkeit aus, obwohl anderseits 21,6% der gesamten Arbeitslosigkeit im ersten Monat erlebt wurde. Als Erinnerungsgrößen sind in Tab. 4 auch noch die Verteilung der insgesamt anfallenden Arbeitslosenfälle nach ihrer (abgeschlossenen) Dauer (= Verteilung f(x)) und die Vertei4 Riese

26.7

25.5

Anteil der Fälle mit Länge ... an allen Arbeitslosigkeitsfällen (f(x)) 40.2

Anteil von Fällen mit bisheriger Dauer... am Bestand (g(x)) 16.0

10

BRD, Männer und Frauen 1977

21.8

11.1

20.6

25.9

18.5

7.7

13.8

39.6

20.4

64.4

40.8

11.6

57.3

25.6

50.7

30.6

16.1

6.9

7.5

26.1

Österreich, Männer 1982

6.1

3.1

0.9

31.6

unter 1- unter 6- unter über 12 1 Monat 6 Monate 12 Monate Monate

ö(x) = L(x) + [ l-F(x) ] -

1978, S. 308 f. S. 242 sowie eigene Berechnungen10 auf dieser Grundlage. Für Österreich: Steiner 1984, Tabelle 10a.

18.1

14.3

20.3

16.7

1- unter 3- unter 6- unter über 12 3 Monate 6 Monate 12 Monate Monate

G(x) bzw. g(x) kann über folgende aus Abb. 3 leicht ersichtliche Beziehung ermittelt werden:

Quelle: für BRD: Freiburghaus

23.7

12.7

Anteil der Dauerklasse ... an der Gesamtarbeitslosigkeit (g(x)) 21.6

Anteil von Arbeitslosigkeitsspannen mit Länge ... an der Gesamtarbeitslosigkeit(f(x)) 5.1

unter 1 Monat

Verteilungen der Arbeitslosigkeit, Prozentwerte

Tabelle 4 50 I. Teil: Beschreibende Indikatoren

1 Inputorientierte Indikatoren

51

lung der bisherigen Dauer im Bestand (= Verteilung g(x)) angeführt. Die — zumindest für Österreich — beträchtlichen Abweichungen von g(x) und g(x) spiegeln einerseits die Nicht-Stationarität des Prozesses, anderseits Unschärfen bei der Berechnung der Verbleibskurve aufgrund der spärlich zur Verfügung stehenden Daten wider. Die Berücksichtigung der Verteilung g(x) bzw. ihre Interpretation als „Reduktionsfaktoren" bringt zusätzliche nützliche Aufschlüsse über die Arbeitslosigkeit. Obwohl die Konzentration in langen Spannen eklatant ist, ist das nicht gleichbedeutend damit, daß sich die Arbeitslosigkeit hauptsächlich aus Zeiten zusammensetzt, in denen die Arbeitslosen schon lange arbeitslos sind. Auch bei schließlich recht langen Arbeitslosenspannen entfällt ein beträchtlicher Teil auf die Anfangsphase, die unter Wohlfahrtsgesichtspunkten anders zu beurteilen ist als spätere Phasen. Es ist bekannt, daß die Desperation der Arbeitslosen, ihre psychischen und finanziellen Belastungen im Laufe der Arbeitslosigkeit beträchtlich variieren (vgl. Brinkmann 1976, Bundesanstalt für Arbeit 1978, S. 209), der Verlust an (betriebsspezifischem) Humankapital wird mit längerer Dauer zunehmend gravierender. Die adäquate Charakterisierung für die Verteilung dieser Lasten ist die Verteilung g (χ). Die durch die Betrachtung der Verteilung g(x) nahegelegte „kürzere" Sicht in Tab. 4 ist keineswegs zufällig. Wie man aus Abb. 3 leicht erkennen kann, muß stets gelten: G(x) > L (x), d.h. die Fläche der kumulierten vertikalen Streifen, ist stets größer als die Fläche der kumulierten horizontalen Streifen. Im steady state drückt sich darin einfach der „interruption-bias" bei der bisherigen Dauer aus. Dadurch muß die „lange" Sicht, wie sie im vorigen Abschnitt besprochen wurde, doch wieder etwas relativiert werden. Die alleinige Betrachtung von 1 (x) bzw. L (x) würde zu einer etwas überzogenen Interpretation der Langfristigkeit der Arbeitslosigkeit verleiten; die Mitberücksichtigung von g (χ) bzw. G (χ) bildet hier ein nützliches Korrektiv. Bei aller Permanenz im Arbeitslosenbestand ist doch zu jedem Zeitpunkt ein beträchtlicher Teil gerade erst zugegangen bzw. wird (wegen h(x) = g(x)) bald wieder abgehen. Da eine abgeschlossene kurze Spanne nur zustande kommt, wenn sowohl die bisherige als auch die zukünftige Arbeitslosigkeit von kurzer Dauer ist, ergibt sich eine bedeutend schwächere Besetzung der kurzen Fälle in l(x) als in g(x) bzw. h(x). (3) Die Verteilung der bisherigen Dauer im Bestand kann schließlich dazu verwendet werden, die Konzentration der Arbeitslosigkeit in der Kohorte auf einfache Art zu berechnen. In Abb. 4 wurde die Konzentation der insge4:

52

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

samt von einer Kohorte „erlittenen" Arbeitslosigkeit an Hand eines LorenzKurven-Diagramms veranschaulicht. Als zusammenfassende Maßzahlen der Konzentration kommen insbesondere der Gini-Koeffizient oder der Schutz-Koeffizient in Frage. (Für eine Darstellung des letzteren, siehe Anhang B.) Für die Bestimmung des Gini-Koeffizienten müssen aus den üblicherweise ausschließlich zur Verfügung stehenden Daten zur bisherigen Dauer des Stocks zuerst die Verteilungen f(x) und 1 (x) — bzw. l(x) für den steady state — über eher aufwendige Verfahren hergeleitet werden und danach der Wert des Koeffizienten in einem langwierigen Rechengang ermittelt werden. Der Schuiz-Index hingegen kann mit den Daten über die Verteilung der bisherigen Dauer — zumindest unter der Annahme eines stationären Zustands — leicht und direkt berechnet werden (vgl. Riese 1983 a). Wie aus Abb. 3 ersichtlich ist, gilt stets: (1.22)

μ G (χ) = μ L(x) + [1-F(x)]x

An der Stelle χ = μ vereinfacht sich diese Beziehung zu (1.23)

F (μ) -

Ζ(μ) = 1 - G (μ)

bzw. für den steady state mit L(x) = L(x) und G(x) = G(x) zu: (1.24)

¥(μ)

- LOO = l-GOO

Die linke Seite dieser Gleichung kann im Lorenz-Kurven-Diagramm als Abstand zwischen der 45°-Linie und der Lorenz-Kurve an der Stelle des arithmetischen Mittels gedeutet werden. Dieser Abstand stellt gleichzeitig den Schutz-Koeffizienten dar (vgl. Anhang B). Aus der rechten Seite ersieht man, daß dieser gleich ist dem Anteil der Fälle im Bestand mit bisheriger Dauer > μ. Somit kann aus den in der Regel direkt verfügbaren Daten über die bisherige Dauer im Bestand ohne aufwendige Umrechnungen ein relativ anspruchsvolles Konzentrationsmaß für den Flow berechnet werden. Einzig μ muß zusätzlich ermittelt werden, was aber — wie in Gl. (1.4) gezeigt — nur die Globalgrößen von Arbeitslosenbestand und -ström erfordert.

1.1.3 Disaggregierte

Arbeitslosenquoten

Die bisherigen Betrachtungen bezogen sich auf die Zähl der Arbeitslosen bzw. die Arbeitslosenquote nur als globale Indikatoren. Der einzige Arbeitsmarkt ist aber natürlich eine Fiktion, wenn auch für bestimmte Fragestellungen eine nützliche und angemessene Vereinfachung. Die Teilmärkte, aus denen sich „der" Arbeitsmarkt zusammensetzt, sind in der Realität

1 Inputorientierte Indikatoren

53

sehr heterogen und auch Typus und Bedeutsamkeit der in ihnen auftretenden Arbeitslosigkeit unterscheiden sich beträchtlich. Durch Berechnung von Arbeitslosenquoten für verschiedene Untergruppen des Arbeitskräftepotentials kann ein differenzierteres Bild der einzelnen Teilmärkte vermittelt werden. Der Grad der Dispersion zwischen den Arbeitslosenquoten verschiedener Gruppen ist zudem ein wichtiges Kriterium für die Charakterisierung des Typus der Arbeitslosigkeit (vgl. II, 2.1). Wie weit der Gesamtarbeitsmarkt disaggregiert werden kann und soll, hängt in erster Linie von dem verfügbaren statistischen Material ab. Allgemeingültiges läßt sich dazu nicht viel sagen. Anzumerken ist, daß auch ein zu hoher Detaillierungsgrad Nachteile hat: höherer Aufwand an Kosten und Zeit, Gefahr der Verletzung der Geheimhaltungspflicht, Unbequemlichkeit in der Benutzung und Gefahr, daß gerade das Wesentliche der Information verlorengeht (Menges—Skala 1973, S. 351). Häufig anzutreffende und ökonomisch bedeutungsvolle Gliederungsmerkmale sind etwa Alter, Geschlecht, Beruf, Branche, Qualifikation, Nationalität, Rasse, Familienstand, Region oder Kombinationen davon z.B. Alter — Geschlecht, Rasse — Geschlecht etc. Nicht alle genannten Dimensionen eignen sich in gleicher Weise zur Bildung gruppenspezifischer Arbeitslosenquoten. Berufsspezifische Arbeitslosenquoten etwa, deren Dispersion häufig Verwendung in Phillips-Kurvenanalysen findet, sind insofern problematisch, als im Verlaufe der Arbeitslosigkeit die Zuordnung zu dem ursprünglichen Beruf immer fraglicher wird. Mobilität in andere Berufe findet entweder tatsächlich statt oder müßte stattfinden, damit die Arbeitslosen wieder einen Arbeitsplatz bekommen. Santomero—Seater 1978, S. 509, schlagen dementsprechend vor, für solche sektoralen Arbeitslosenquoten die Arbeitslosen invers zu ihrer schon zurückgelegten Spanne der Arbeitslosigkeit zu gewichten. Komplementär dazu ergäbe sich dann eine Restkategorie „frei schwebender", keinem Beruf zuordenbarer Arbeitsloser. Probleme dieser Art treten bei allen Gliederungsmerkmalen auf, deren Ausprägungen für den Arbeitslosen durch Arbeitslosigkeit verändert werden können (z.B. auch Branche, Region). Der Zusammenhang zwischen den spezifischen Arbeitslosenquoten der Teilmärkte und der globalen Quote für den Gesamtmarkt ist einfach. Die Globalquote ergibt sich als gewichtete Summe der spezifischen Quoten, wobei die Erwerbspersonenanteile der einzelnen Gruppen Xi = ^ die Gewichte abgeben (1.25)

U

=

L

=

= Σ ui Xi Li

L

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

54

Die Darstellung (1.25) macht auch klar, daß in der globalen Arbeitslosenquote vom Durchschnitt (stark) abweichende Arbeitslosenquoten kleiner Gruppen verdeckt werden. Als für alle Gruppen „repräsentative" Quote ist das so gewogene arithmetische Mittel daher nicht gerade ideal. Andere Zentralitätsmaße wie der Median oder der Scheidewert11 könnten hier plastischere Aussagen liefern. Der Median ist durch die spezifische Arbeitslosenquote jener Gruppe gegeben, für die gilt, daß die Hälfte der Erwerbspersonen in Gruppen mit höherer, die andere Hälfte in Gruppen mit niedrigerer Arbeitslosenquote liegt, der Scheidewert ist die spezifische Arbeitslosenquote jener Gruppe, für die gilt, daß genau die Hälfte der Arbeitslosen aus Gruppen mit niedrigerer, die Hälfte aus Gruppen mit höherer Arbeitslosenquote kommt. Besonders geeignet für den vorliegenden Zusammenhang scheint aber eine anstatt mit Erwerbspersonenanteilen mit Arbeitslosenanteilen gewichtete Summe der spezifischen Quoten, welche mit u v bezeichnet werden soll: (1.26)

u

v

Ui = Σ Ui -77- = Σ Ui Li

JLJ L

Wie man aus (1.26) leicht ersieht, gehen die Arbeitslosenquoten mit einem zu ihrer Höhe proportioneilen Gewicht in die Berechnung ein. Das entspricht auch genau der Zielrichtung dieses Indikators: gravierende Probleme auf einzelnen Teilmärkten, die durch hohe partielle Arbeitslosenquoten angezeigt werden, sollen auch dann, wenn diese Teilmärkte im Vergleich zum Gesamtmarkt relativ klein sind, in der aggregierten Arbeitslosenquote nicht zugedeckt werden. Diese Vorgangsweise ist ähnlich der bei der Berechnung von aggregierten Sozialindikatoren üblichen Verwendung von gleitenden Wägungsschemata, bei denen die Teilindikatoren, die die größten Zielrealisierungsdefizite aufweisen, am stärksten gewichtet werden (vgl. Drewnowski 1974, S. 48 f)· Formal entspricht die „korrigierte" Arbeitslosenquote u v dem von Niehans 1955 eingeführten Index zur Messung von Betriebsgrößen. Wie aus der ausführlicheren Darstellung dieses Index in Anhang A ersichtlich ist, gilt (1.27)

u v = u(V 2 + 1)

wobei V den (gewichteten) Variationskoeffizienten der spezifischen Arbeitslosenquoten bezeichnet. 11 So bei Menges—Skala 1973, S. 349 f. Bei Prais 1976, S. 49 wird eine solche Maßzahl als F/orence-Median (nach Florence 1972) bezeichnet.

1 Inputorientierte Indikatoren

55

Aus der Theorie der Sozialindikatoren ist die Forderung bekannt, daß ein aussagekräftig konstruierter Indikator nicht nur das durchschnittliche Niveau, sondern auch die mehr oder minder (un)gleiche Verteilung einer Variablen zum Ausdruck bringen solle (vgl. Drewnowski 1974, S. 24 f). Bei dem oben in (1.25) angegebenen Wägungsschema der partiellen Arbeitslosenquoten mit den Labour-Force-Anteilen spielen Distributionsaspekte der Arbeitslosigkeit keine Rolle; bei identischen Gesamtzahlen für Arbeitslose U und Arbeitskräftepotential L ergibt sich unabhängig von der Verteilung auf die einzelnen Gruppen dieselbe Arbeitslosenquote u. Um den Verteilungsaspekt miteinzubeziehen, hat Drewnowski 1974, S. 41 ff, vorgeschlagen, den Durchschnittswert eines Indikators mit dem Faktor (1 -GiniIndex seiner Verteilung) zu multiplizieren. Bei absoluter Gleichverteilung ergibt sich somit dieser Durchschnittswert selbst; je ungleicher die Verteilung, desto niedriger fällt der endgültige Indexwert, i.e. unter Einschluß der Verteilung, aus. Ganz analog kann die Maßzahl u v interpretiert werden. Auch sie ist, wie (1.27) deutlich macht, das mathematische Produkt aus einem Durchschnittswert (u) und einer die (Un)gleichverteilung wiederspiegelnden Größe, hier: V 2 + l . Anstelle des aufwendig zu berechnenden Gini-Maßes wird der Variationskoeffizient verwendet und auch dieser braucht nicht explizit kalkuliert werden, sondern ist in dem einfachen Wägungsschema mit den Arbeitslosenanteilen (siehe (1.26)) schon implizit enthalten. Im Gegensatz zu dem Verfahren bei Drewnowski ist u v so konstruiert, daß eine ungleichere Verteilung nicht durch einen niedrigeren, sondern durch einen höheren Wert des Indikators angezeigt wird, was — anders als bei den ein positives Gut ausdrückenden Lebensniveauindikatoren — im vorliegenden Kontext auch anschaulicher ist. Wie man aus (1.26) bzw. (1.27) leicht sieht, gilt stets (1.28)

u < u v < max (uO i

Bei absoluter Gleichheit der partiellen Arbeitslosenquoten in allen Teilmärkten (V 2 =0) fallen u v und die übliche Globalquote zusammen. Je ungleicher die Verteilung, desto größer wird u v . Bei extremer Ungleichverteilung, i.e. alle Arbeitslosigkeit ist bei einer Gruppe konzentriert^nimmt u v den Wert der spezifischen Arbeitslosenquote dieser Gruppe an (-jj in (1.26) wird für diese Gruppe 1, die Arbeitslosenanteile aller anderen Gruppen sind 0). Die hier vorgeschlagene Maßzahl u v erfüllt somit die elementaren Anforderungen an einen um Verteilungsgesichtspunkte erweiterten Indikator. Die leicht durchschaubare Konstruktion und einfache Berechenbarkeit würden

56

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

die Verwendung solcher „verteilungskorrigierter 4 4 Arbeitslosenquoten durchaus nahelegen. Das Mißliche an dem Indikator u v , ebenso wie an den oben kurz angesprochenen Median- und Scheidewerten, ist, daß ihre Höhe von der jeweils zugrundegelegten Dimension, entlang welcher die Teilmärkte gebildet werden, abhängt und mit dieser variiert. Das liegt in der Natur der Sache, weil die Ungleichheit eben je nach Perspektive (Alter, Rasse, Beruf etc.) unterschiedlich ausgeprägt ist. Dennoch bedeutet die Vielzahl solcherart möglicher „verteilungskorrigierter" Arbeitslosenquoten einen Nachteil für ihre Akzeptanz. Eine andere interessante Methode, spezifische Arbeitslosenquoten zu globalen Indikatoren zusammenzufassen, findet sich bei Clogg (1979, S. 159 ff). Er konstruiert — analog zu den in der Demographie verwendeten „Querschnittssterbetafeln" — „Erwerbslebenstafeln" für die im laufenden Jahr Geborenen, die unter Zugrundelegung der altersspezifischen Mortalitätsraten, Erwerbs- und Arbeitslosenquoten dieses Jahres angeben, wieviele Jahre ein Mitglied der Neugeborenen-Kohorte durchschnittlich während seines Lebens in verschiedenen Arbeitsmarktstatus zubringen wird 12. Das stellt eine instruktive Aggregierung über die aiiersspezifischen (Arbeitslosen)quoten dar. Für die USA 1970 ergibt sich z.B., daß männliche Weiße bei einer Lebenserwartung von ca. 68 Jahren mit 26.5 Jahren außerhalb der Labour-Force, 1.5 Jahren Arbeitslosigkeit und 40 Jahren Beschäftigung rechnen können, während weibliche Weiße bei einer Lebenserwartung von 75.6 Jahren im Durchschnitt (unter den Bedingungen des Jahres 1970) nur etwas über 22 Jahre als Erwerbstätige vor sich haben, 1.1 Jahre arbeitslos und über 51 Jahre außerhalb der Labour-Force verbringen. Genau wie aus einer gewöhnlichen Sterbetafel auch die weitere Lebenserwartung eines x-Jährigen ex abgelesen werden kann, können aus den „Erwerbslebenstafeln" nicht nur die Erwartungswerte der Zeitdauer in den verschiedenen Arbeitsmarktstatus bei der Geburt, sondern in jedem beliebigen Alter abgelesen werden. So hatte ein männlicher Weißer mit 35 Jahren noch 27 Beschäftigten jähre, 8.6 Jahre außerhalb der Labour-Force und 0.7 Jahre Arbeitslosigkeit vor sich. Die Aufbereitung des Zahlenmaterials in dieser Form legt die anonymen Querschnittsdaten um auf die Lebensperspektive des Individuums. Sie geht 12 Bei Clogg wird noch eine Reihe weiterer Arbeitsmarktstatus wie „discouragement" oder „underemployment by low income" unterschieden. Entsprechend sind auch noch weitere Quoten, die die Wahrscheinlichkeit dieser Zustände angeben, notwendig.

1 Inputorientierte Indikatoren

57

damit über die enge inputorientierte Sichtweise hinaus und eignet sich speziell auch für mehr soziologisch orientierte Fragen nach dem Stellenwert der Arbeit im Lebensverlauf verschiedener demographischer Gruppen oder in der Gesellschaft generell. 1.1.4 Standardisierte

Arbeitslosenquoten

Verfahren der Standardisierung von Arbeitslosenquoten sind vor allem in der amerikanischen Literatur gebräuchlich (vgl. Perry 1970, Moore 1973, Modigliani—Papademos 1975, Economic Report of The President 1978). Das Ziel dabei ist, Arbeitslosenquoten auch über längere Zeiträume hinweg, in denen „strukturelle" Änderungen auftreten, vergleichbar zu machen. Ausgangspunkt ist oft die Frage, um wieviel die gegenwärtige globale Arbeitslosenquote allein aus dem Grund höher als in der Vergangenheit liegt, daß Frauen und Jugendliche, deren spezifische Arbeitslosenquoten relativ hoch sind, heute einen größeren Anteil am Arbeitskräftepotential ausmachen als früher. Rein quantitativ können solche Struktureffekte nicht unerhebliche Ausmaße annehmen: vom Anstieg der US-amerikanischen Arbeitslosenquote in den siebziger Jahren kann ca. 1%-Punkt auf Verschiebungen in der Struktur des Arbeitskräftepotentials (gegenüber den fünfziger Jahren) zurückgeführt werden. Die Berechnung standardisierter Arbeitslosenquoten ist im Prinzip ein Indexproblem. Ausgehend von der schon weiter oben (vgl. (1.25)) erwähnten Dekomposition der globalen Arbeitslosenquote u in eine gewichtete Summe der spezifischen Arbeitslosenquoten Ui, wobei die Labour-Force-Anteile der einzelnen Gruppen Xi die Gewichte abgeben, (1.29)

u = Σ UiXi

ergibt sich die standardisierte („fixed weight") Arbeitslosenquote, indem die spezifischen Arbeitslosenquoten der Berichtsperiode statt mit den laufenden Labour-Force-Anteilen mit den Anteilen eines Basisjahres gewogen werden. Verwendet man den Index 1 für die Basisperiode und den Index 2 für die Berichtsperiode sowie Am für die Differenz Ui - Ui, so lautet die standardisierte Arbeitslosenquote u s t a n d (1.30)

Ustand = Σ ufXi = Σ ui Xi1 + Σ Aui Xi1 = u 1 + Σ Am Χ?13

13 Die so standardisierte Arbeitslosenquote ist analog einem Laspeyres-Index. Dieser würde für den vorliegenden Fall lauten (vgl. Esenwein-Rothe 1976, S. 142 ff):

V Σ (A)

, ,

—Γ ui Xf u

i

2 Σ

Uj

1 Xj

Ustand

ϊ—ϊ— = ϊ—Γ = —1 T Σ Ui Xj Σ Ui Xi u Die Division durch die Arbeitslosenquote im Basiszeitraum u 1 wird bei den „standardisierten" Arbeitslosenquoten meist weggelassen. /

A

V

L 2 ,I =

2

Ui

T

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

58

Die standardisierte Arbeitslosenquote drückt aus, um wieviel die Arbeitslosenquote gegenüber dem Ausgangszeitpunkt zugenommen hätte (allgemein: sich verändert hätte), wenn nur die Erhöhung der spezifischen Arbeitslosenquoten in Rechnung gestellt wird oder anders ausgedrückt, wenn nur der sog. /uiragruppeneffekt Σ Aui Xi berücksichtigt wird (vgl. auch Blattner et al. 1982). Zweckmäßig kann eine solche Maßzahl z.B. angewendet werden als Arbeitsmarkt-Anspannungsindikator in einer Phillipskurven-analyse wie bei Perry 1970 oder Modigliani—Papademos 1975. Häufig wird jedoch auch der Schluß gezogen (vgl. die Zusammenstellung von Pressemeldungen bei Shaw—Bell 1974), daß u s tand die „wahre" gegenwärtige Arbeitslosenquote sei. Diese Interpretation läuft freilich einfach darauf hinaus, die Arbeitslosigkeit bestimmter Gruppen, insbesondere von Frauen und Jugendlichen, die früher geringere Anteile am Arbeitskräftepotential hatten, niedriger zu bewerten als die anderer Gruppen, insbesondere der erwachsenen Männer. Das aktuelle Ausmaß des gegenwärtigen Arbeitslosigkeitsproblems, für das die stärker gewordenen Gruppen mit relativ hoher Arbeitslosigkeit immer wichtiger werden, wird durch eine solche Verwendung standardisierter Quoten aber verdeckt. Die Differenz zwischen der tatsächlichen Arbeitslosenquote u 2 und der standardisierten Arbeitslosenquote u s tand wird oft umstandslos als „Struktureffekt" interpretiert. Wie man leicht zeigen kann (vgl. Flaim 1979, Antos et al. 1979, Blattner et al. 1982), ist diese Interpretation aber ungenau. Die Differenz zwischen der Arbeitslosenquote im Berichtszeitraum u 2 und im Basiszeitraum u 1 kann aufgespaltet werden in (1.31)

u 2 - u ! = Σ (uj + Δ Ui) (Xi + Δ Xi) - Σ ul \ l

bzw. (1.32)

u2-ul

= Σ Am \l + Σ ui Δ Xi + Σ Am A Xi

Der erste Term in (1.32) wird als /irtragruppeneffekt oder pure cyclical effect, der zweite als Jniergruppen-, Struktur- oder pure compositional effect und der dritte als joint-effect bezeichnet. Die Differenz von u 2 und u s t a n d ergibt (1.33)

u 2 - Ustand = Σ uf xf - Σ uf Xi = Σ uf Δ Xi = Σ uj Δ Xi + Σ Am A Xi

d.h. sie umfaßt Intergruppeneffekt plus joint-effect 14. Da der joint-effect in der Regel positiv ist15, wird der Struktureffekt dadurch überschätzt. 14 u 2 - Ustand kann alternativ auch als reiner Intergruppeneffekt einer Aufspaltung der Differenz von u 2 und u 1 à^la Paasche gedeutet werden: (A) u 2 - u ' = Σ uf \ f - Σ (ui -Aui) (Xf-AXD = Σ Auj xf + Σ uf Δλί - Σ Δ Ui Δλί wobei die drei Terme wieder als Intragruppen-, Intergruppen- und joint-effect bezeichnet werden können. Aus (A) ist ersichtlich, daß u -u sta nd gleich ist dem reinen Intergruppeneffekt in diesem Sinne.

1 Inputorientierte Indikatoren

59

Alternativ wird der Struktureffekt manchmal auch als Differenz zwischen einer hypothetischen Arbeitslosenquote, die die spezifischen Arbeitslosenquoten des Basiszeitraums mit den Labour-Force-Anteilen des Berichtszeitraums gewichtet (Σ Ui Xi), und der tatsächlichen Arbeitslosenquote des Basiszeitraums (Σ uj Xi) ermittelt. Der sich daraus ergebende Struktureffekt (1.34)

Σ uj xf - Σ uj Χ? = Σ uf Δλί

entspricht genau dem reinen Intergruppeneffekt in (1.32) und unterscheidet sich von dem „großen" Struktureffekt nach (1.33) um den joint-Effekt. Da der letztere in den meisten Berechnungen eine auch numerisch nicht unerhebliche Größe ausmacht, ergeben sich relevante Ambiguitäten bei der Definition des Struktureffekts. Der joint-effect sollte daher explizit berücksichtigt werden. Ein häufig anzutreffendes Verfahren ist es, den joint-effect je zur Hälfte der Intra- und der Intergruppenkomponente zuzuschlagen. Der daraus resultierende (korrigierte) Struktureffekt ergibt sich dann als Mittel aus „großem" (1.33) und „kleinem" Struktureffekt (1.34): 1

(1.35)

S = Σ uf Δλί + ViL Auî ΔΧΐ = Σ U i +

2

Ui

Δλί

Allerdings ist auch diese Vorgangsweise arbiträr und daher wenig befriedigend. Antos et al. 1979 schlagen deshalb vor, den joint-Effekt gesondert auszuweisen. Die Verwendung von Labour-Force-Anteilen Xi für die Berechnung der „standardisierten" Arbeitslosenquote ist nicht unproblematisch. Die Xi ergeben sich nämlich ihrerseits wieder aus dem Zusammenspiel zweier anderer Größen: der Partizipationsrate Ii = ψ der demographischen Gruppe i, i.e. Erwerbspersonen Li durch Bevölkerung Pi, und ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung τπ = wobei Ρ für die Gesamtbevölkerung steht: fl

(L36)

\

Li . Ei Pj Ρ

— Li _ λι

- r - ζτΓΕί E

_

Ii 7Π

- Êir^

Pi ' Ρ

Die Arbeitslosenquote kann daher auch angesetzt werden als (vgl. Kaufmann 1980): 15 Die Zunahme des Gewichts einer demographischen Gruppe Δλί > 0 läßt bei segmentiertem Arbeitsmarkt auch ein Ansteigen ihrer spezifischen Arbeitslosenquote Δ us > 0 erwarten bzw. vice versa für Gruppen mit abnehmendem Gewicht. Diesem sog. „crowding effect" steht allerdings entgegen, daß mit steigender (spezifischer) Arbeitslosigkeit die (spezifische) Erwerbsbeteiligung aufgrund von Entmutigungseffekten zurückgeht, sodaß a priori auch die Kombination Au\ > 0, Δλί < 0 denkbar ist. In den ausführlichen empirischen Untersuchungen für die USA überwiegt der erste Effekt. Vgl. Antos et al. 1979.

60

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

(1.37) Sieht man der Einfachheit halber von joint-Effekten ab, so kann der „kleine" Struktureffekt (1.34) nochmals zerlegt werden in eine rein demographisch bedingte Komponente D (1.38)

Σ il πι

Σ Ii π?

und den Rest E, welcher die Veränderungen in den Erwerbsquoten widerspiegelt: (1.39) Eine analoge Rechnung könnte auch für den „großen" Struktureffekt angestellt werden. Häufig werden die berechneten Struktureffekte dazu verwendet, eine Revision des Vollbeschäftigungszieles in ebendiesem Ausmaß zu begründen: z.B. das in den USA in den sechziger Jahren etablierte Vollbeschäftigungsziel von 4°7o Arbeitslosenquote „entspräche" in den siebziger Jahren einer Marke von ca. 5% (Economic Report of the President 1977, S. 51). Diese scheinbar bloß technische Aussage impliziert auch eine bestimmte Sichtweise des Arbeitsmarktes. Sie bedeutet erstens, daß die zu einem früheren Zeitpunkt, zu dem Vollbeschäftigung als gegeben angesehen wird, realisierten spezifischen Arbeitslosenquoten auch heute noch als vollbeschäftigungskonform gelten können und weiters, daß eine Senkung der spezifischen Völlbeschäftigungsquoten nicht Aufgabe der Makropolitik ist, für welche ja die adjustierte Vollbeschäftigungsmarke Zielgröße ist. Für eine Sichtweise dagegen, die die hohen spezifischen Arbeitslosenquoten bestimmter Gruppen als Ausdruck von Diskriminierung und Arbeitsmarktsegmentation interpretiert, und somit sehr wohl als durch allgemeine Nachfragepolitik beeinflußbar, erscheint eine Adjustierung der Völlbeschäftigungsmarke aufgrund von Strukturverschiebungen des Arbeitskräftepotentials nur als Festschreibung der Diskriminierung und Segmentation (vgl. Barrett 1979). Aber selbst wenn man die oben genannten Implikationen einer Adjustierung akzeptiert, bedeutet eine Anpassung der Völlbeschäftigungsarbeitslosenquote im Ausmaß des Struktureffekts im allgemeinen eine Überschätzung der Völlbeschäftigungsarbeitslosenquote. In Anlehnung an Hughes—Perlman 1982-83, die ein ähnliches Ergebnis für einen spezielleren Fall herleiten, kann der strukturbedingte Anstieg der Vollbeschäftigungsarbeitslosenquote Su* folgendermaßen berechnet werden

1 Inputorientierte Indikatoren (1.40)

61

S u* = Σ uf Δ Xi

wobei die uf die über die Zeit als konstant angenommenen Vollbeschäftigungsmarken für die einzelnen demographischen Gruppen bezeichnen. Ein joint-effect tritt in diesem Fall nicht auf, so daß (1.40) auch ohne weitere Vereinbarung über die Zurechnung des joint-Effekts, als Struktureffekt der Vollbeschäftigungs-Arbeitslosenquote betrachtet werden darf. Der — bei Halbierung des joint-Effekts ermittelte — Struktureffekt S dagegen ist durch (1.35) gegeben. Die Differenz zwischen den beiden ergibt sich dann als: (1.41)

S - Su*

=

£ (Ui-uf) + (u?-uf) 2

Δ λ ί

Sie ist positiv, d.h. der zwischen einem beliebigen Berichts- und Basisjahr berechnete Struktureffekt überschätzt den strukturbedingten Anstieg der Vollbeschäftigungsarbeitslosenquote, wenn die Strukturverschiebung des Arbeitskräftepotentials zugunsten von Gruppen erfolgte, deren konjunkturelle („demand-deficient") Arbeitslosigkeit ui-uf relativ hoch liegt. Dies wird für Frauen und Jugendliche im allgemeinen zutreffen. Eine korrekte Schätzung (S-Su*=0) durch die geläufige Strukturkomponente erhält man nur, wenn zwei Zeitpunkte verglichen werden, in denen die nachfragebedingte Arbeitslosigkeit auf allen Teilmärkten gleich Null ist. Das eigentliche Problem der Standardisierungsverfahren besteht darin (vgl. Cain 1979), daß die Resultate stark davon abhängen, in welcher Weise die Teilgruppen i gebildet werden. Am gebräuchlichsten ist eine kombinierte Gliederung nach Alter und Geschlecht. Die vorhin erwähnte um 1%-Punkt unter der tatsächlichen liegende standardisierte Arbeitslosenquote für die USA für 1970 bezog sich ebenfalls auf diese Klassifikation. Eine nach Bildungsstufen oder auch nach Berufen standardisierte Arbeitslosenquote (für die USA Mitte der siebziger Jahre, Basiszeitraum: 1957) würde hingegen sogar über der tatsächlichen Arbeitslosenquote liegen. Die Strukturverschiebung hin zu Gruppen mit besserer Ausbildung bzw. sichereren Berufen hat die globale Arbeitslosenquote tendenziell also gesenkt. Welche Dimension am besten zur Bildung der Teilgruppen herangezogen werden soll, kann nicht schlüssig entschieden werden. Dadurch kommt ein hohes Maß an Willkürlichkeit in das Konzept der standardisierten Arbeitslosenquote, die eine publizitätsträchtige Prominenz dieses Indikators nicht zweckmäßig erscheinen läßt. Für spezialisiertere Studien hat er dagegen zweifellos seine Berechtigung.

62

I. Teil: Beschreibende Indikatoren 1.2 Modifizierte Maßzahlen

Die Arbeitslosenquote ist zweifellos der am meisten beachtete Indikator des Arbeitsmarktes. Ihr Informationsgehalt kann durch verschiedene Operationen und Spezifizierungen, wie in den vorangegangenen Abschnitten versucht wurde zu zeigen, beträchtlich erhöht werden. Dennoch bleiben viele Phänomene, die auch damit nicht erfaßt werden können. Durch unterschiedliche Arbeits-Arrangements finden dieselben ökonomischen Vorgänge, die sich im einen Fall als Arbeitslosigkeit niederschlagen in einem anderen als Kurzarbeit, Schulung, Pensionierung, verlängertem Schulbesuch, Rückzug in den Haushalt, Beschäftigungen beim Staat oder einer karitativen Organisation 16 etc. ihren Ausdruck. Offene Arbeitslosigkeit ist demnach nur eine unter vielen Möglichkeiten, wie eine verschlechterte Beschäftigungssituation sichtbar werden kann. Einen umfassenden Überblick über mögliche andere Bereiche gibt die folgende Übersicht aus Bundesanstalt für

Arbeit 1974, S. 99. I m allgemeinen ist daraus der Schluß gezogen worden, daß die Zahlen der offenen Arbeitslosigkeit das Beschäftigungsproblem bei weitem unterschätzen und daher um Angaben für die anderen Bereiche ergänzt werden sollten. Umgekehrt ist von bestimmten Autoren auch immer wieder die Ansicht vertreten worden, daß die berichtete Arbeitslosigkeit die „wahre" Arbeitslosigkeit beträchtlich überschätze. Viele Einwände dieser Art haben allerdings Personen im Auge, für die Arbeitslosigkeit — vermeintlich oder tatsächlich — keine (empfindliche) soziale Härte bedeutet, weil sie entweder nur (sehr) kurze Zeit arbeitslos bleiben, oder ihren Lebensunterhalt vom Einkommen anderer Familienmitglieder, von Transfer- oder Vermögenseinkommen bestreiten können. Fragen nach der Adäquanz der Arbeitslosenquote auch als sozialpolitischer Indikator werden ausführlich in Kapitel I, 3 diskutiert. Hier, wo es nur um die (Unter)auslastung des Inputs „ A r b e i t " geht, spielen solche „unechten" Arbeitslosen nur eine Rolle, wenn behauptet wird, daß Arbeitslosigkeit für diese nicht nur keine soziale Deprivation bedeutete, sondern daß sie „eigentlich" dem Arbeitsmarkt gar nicht zur Verfügung stehen. Dies wird in der Literatur, die einen Großteil der Arbeitslosigkeit als Folge des Arbeitslosenversicherungssystems ansieht (Feldstein 1973, Maki—Spindler 1975, Benjamin—Kochin 1979 etc.) häufig unterstellt. Benjamin—Kochin 1979, S. 467, z.B. bringen auf diese Weise sogar das Kunststück zuwege, die enormen Arbeitslosenzahlen der Zwischenkriegszeit 16 Sullivan— Hauser 1979 berichten von religiösen Sekten in den USA, deren Mitglieder nie arbeitslos werden, weil ihre Gemeinschaft immer als „employer of last resort" einspringt.

ptorientierte Indikatoren

63

7Melle 5 Konten, auf denen sich ein rückläufiger Beschäftigungsgrad niederschlägt Bildungspotential

Arbeitskräftepotential Beschäftigung

1. Absolventen des 1. Registrierte Ar1. Bildungssystems beitslosigkeit nehmen mangels ^ Arbeitskräfte, die Arbeitsgelegenheit bei hohem Bekeine Arbeitsuche/ schäftigungsstand Erwerbstätigkeit gearbeitet haben, auf sich nach dem Ver2. Freigesetzte Arlust des Arbeitsbeitskräfte werden platzes aber nicht aus konjunkturellen als Arbeitslose regiGründen in das strieren lassen Bildungssystem ver- ^ Ausländer, die aus setzt (Umschulung, BeschäftigungsVollzeitmaßnahmen mangel in die der Fortbildung, Heimat zurückWeiterbildung aller gehen Art) 4. Arbeitskräfte, die bei hohem Beschäftigungsstand normalerweise eine Beschäftigung aufnehmen würden

Arbeitszeit

1. Weniger Schichten Arbeitskräfte als bei betriebsüblinehmen eine untercher Kapazitätsauswertige Beschäftilastung gung an Arbeitskräfte be- 2. Verzicht auf Überhalten ihren Arstunden beitsplatz, obwohl 3. Kurzarbeit, dies vom ProdukSchlechtwettergeld tionsvolumen nicht 4. Umwandlung von erforderlich ist Vollzeitplätzen in Teilzeitplätze

5. Einpendler, die nicht mehr kommen 6. Vorzeitige Verrentungen Quelle: Bundesanstalt für Arbeit (1974), S. 99

(für Großbritannien) als bloße Chimäre zu erweisen: bereinigt um die durch das Versicherungssystem induzierte Arbeitslosigkeit wäre die Arbeitslosenquote auch damals auf einem „normalen" Niveau geblieben. Eine pragmatische Haltung im Streit, ob die offiziellen Zahlen die „wahre" Arbeitslosigkeit nun über- oder u/iferschätzen, nimmt das amerikanische Bureau of Labor Statistics (BLS) ein. Es versucht, differierenden Meinungen über Bedeutung und Messung der Arbeitslosigkeit dadurch we-

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

64

nigstens teilweise Rechnung zu tragen, daß es — sofern es dazu nicht noch umfassenderer Indikatoren bedarf — regelmäßig nicht nur eine einzige Arbeitslosenquote veröffentlicht, sondern einen ganzen Satz von Arbeitslosenquoten, die — in expliziter Anlehnung an die Terminologie für unterschiedlich umfassende Geldmengenkonzepte — mit ul bis u7 bezeichnet werden. Die nachstehende Tab. 6 1 7 aus National Commission 1979, S. 35, gibt einen Überblick über die Definition der verschiedenen Konzepte18 und exemplarisch auch über ihre relative Höhe. Die Figur zeigt, daß sich alle sieben Reihen in den siebziger Jahren weitgehend parallel entwickelt haben, wenn natürlich auch auf unterschiedlichem Niveau. Tabelle 6 Definition der Arbeitslosenquoten u l - u 7 für USA, 1. Quartal 1979 Measure

Percent Persons unemployed 15 weeks or longer as a percent of civilian labor force

1.2

U2

Job losers as a percent of civilian labor force

2.4

U3

Unemployed persons 25 years and over as a percent of civilian labor force 25 years and over

3.9

U4

Unemployed full-time jobseekers as a percent of full-time labor force

5.2

U5

Official unemployment rate — persons 16 years and over as a percent of civilian labor force 16 years and over

5.7

U6

Full-time jobseçkers plus Vi part-time jobseekers plus Vi total on part-time for economic reasons as a percent of civilian labor force less Vi of part-time labor force

7.2

u,

U7

1

Numerator of U 6 plus discouraged workers as a percent of denominator of U 6 plus discouraged workers

7.9

1

Those who say they want a job but are not looking because they think no work is available for them. Source: US. Department of Labor, Bureau of Labor Statistics, The Employment Situation , (News Release), table A - 7 , June 1, 1979. Quelle: National Commission (1979), S. 35. 17 Ein offensichtlicher Druckfehler in der Tabelle (zwei verschiedene Angaben für u7, einmal mit falscher Definition) wurde korrigiert. Abweichend von der hier getroffenen Festlegung wird u3 bei Shiskin 1976, S. 4, als „unemployed household heads as a percent of the household head labor force" definiert. 18 Die aufeinanderfolgenden Arbeitslosenquoten haben leider nicht die elegante Eigenschaft, daß die sukzessive breiteren Definitionen einfach durch Hinzunahme bestimmter Gruppen auf jeder Stufe gebildet werden (siehe auch Shiskin 1976, S. 10).

ptorientierte Indikatoren

65

Percent

Abbildung 5: Die Arbeitslosenquoten u l - u 7 für USA Quelle: National Commission (1979), S. 35

Die ersten beiden Maße beziehen sich auf Gruppen, deren Arbeitslosigkeit ziemlich zweifelsfrei als „unfreiwillig' 419 eingestuft werden kann. Die nächsten beiden Konzepte betreffen Gruppen, die nicht nur peripher dem Arbeitskräftepotential angehören. u5 ist die offizielle Quote. u6 stellt eine grobe Schätzung des unausgenützten Arbeitszeiivolumens dar. u7 schließlich geht durch die Berücksichtigung der sog. „discouraged workers'4 (siehe ausführlicher I, 1.2.2) in Richtung eines Auslastungsmaßes einer umfassender definierten „Arbeitskraftreserve 4 In der Terminologie der vorliegenden Arbeit könnte man die Abfolge der einzelnen Arbeitslosenquoten auch als Übergang von mehr sozialpolitisch zu immer mehr inputorientierten Indikatoren bezeichnen. Die offizielle Arbeitslosenquote erweist sich als ein Kompromißindikator, bei dem von Werturteilen bezüglich der individuellen Dringlichkeit, Arbeit zu finden, und persönlichen Charakteristika gerade abgesehen wird (vgl. auch Shiskin 1976). 19 „Unfreiwillig 4 ' zumindestens in einem landläufigen Sinn. Vgl. zu dem theoretischen Begriff der „unfreiwilligen Arbeitslosigkeit" unten Abschnitt II, 1.2. 5 Riese

66

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

Im folgenden betrachten wir nur noch die m. E. überzeugendere These, wonach die berichtete Arbeitslosigkeit nur eine unter vielen Formen der Unterauslastung des Arbeitsinputs darstellt. In I, 1.2.1 werden Ansätze, zusätzlich auch die Arbeitsze/ikomponente zu berücksichtigen, dargestellt. In I, 1.2.2 werden Verfahren diskutiert, die es erlauben sollen, jene NichtErwerbspersonen zu identifizieren, die unter ökonomischen Gesichtspunkten in vieler Hinsicht mit den Arbeitslosen gleichgestellt werden müßten („Stille Reserve4 '). 1.2.1 Berücksichtigung

der Arbeitszeitkomponente

Neben dem Umstand, daß das Erwerbspersone/ipotential praktisch nie vollständig ausgelastet ist, gilt im allgemeinen auch, daß die effektive Arbeitszeit der Beschäftigten nicht mit ihrer potentiell möglichen übereinstimmt. Die Arbeitslosenquote bzw. ihr Komplement zu 1, i.e. der „Auslastungsgrad des Erwerbspersonenpotentials4 4 drücken den ersten Sachverhalt aus; für den zweiten bedarf es einer analogen Maßzahl, welche als „Auslastungsgrad der potentiellen (Jahres)arbeitszeit44 bezeichnet werden kann. Beide multipliziert ergeben den „Auslastungsgrad des potentiellen Arbeitsvolumens 44 = [(Erwerbstätige τ Erwerbspersonenpotential) x (effektive Arbeitszeit τ potentielle Arbeitszeit)] (vgl. Bach et al. 1977). So einfach und einleuchtend das Konzept einer solchen zusätzlich zur „Personenkomponente44 noch zu berücksichtigenden „Arbeitszeitkomponente44 ist, so wenig selbstverständlich ist seine empirische Konkretisierung. Die Bestimmung der potentiellen Arbeitszeit ist noch schwieriger und muß notgedrungen noch vager bleiben als die Festlegung der potentiellen Erwerbspersonen (vgl. auch Clement 1975). Im folgenden werden zwei Verfahren exemplarisch dargestellt. (1) Bei Bach et al. 1977, 1978 werden (für die BRD 1960-1975) zunächst durchschnittliche effektive Jahresarbeitszeiten je Erwerbstätigem ermittelt. Bei der Spärlichkeit von offiziellen Daten in diesem Bereich war ein aufwendiges Rechenwerk, welches die kalendermäßigen Vorgaben, die tariflichen Regelungen bezüglich Wochenarbeitszeit und Erholungsurlaub, die Krankenstände, Mehrarbeitsstunden, Ausfallzeiten durch Kurzarbeit, Schlechtwetter, Streiks und Aussperrungen sowie einen Teilzeiteffekt berücksichtigt, notwendig, um diese Größe zu ermitteln. Danach wurde die potentielle durchschnittliche Jahresarbeitszeit bestimmt, indem von der tariflichen jährlichen Arbeitszeit einerseits die im Durchschnitt der Beobachtungsperiode durch Krankheit ausgefallene Zahl von Stunden abgezogen und anderseits der im Beobachtungszeitraum maximal realisierte Anteil von Mehr-

ptorientierte Indikatoren

67

arbeitsstunden hinzugezählt wurde. Die Division der beiden Größen ergibt den Auslastungsgrad der Zeitkomponente des Arbeitsvolumens. Multipliziert mit dem Auslastungsgrad der Personenkomponente [hier definiert als Erwerbstätige τ (Erwerbstätige + Registrierte Arbeitslose + Stille Reserve), vgl. dazu unten S. 67 ff? 0] ergibt sich der Auslastungsgrad des gesamten Arbeitsvolumens; er betrug z.B. 1975 90.7% gegenüber 94.3% bei der Personenkomponente allein. Diese Maßzahl schwankt naturgemäß stärker als die üblicherweise allein beachtete Personenkomponente. (2) Sehr ähnlich dem Auslastungsgrad des Arbeitsvolumens ist der vom amerikanischen Bureau of Labor Statistics (BLS) berechnete Indikator „labor force time lost" (siehe dazu Gilroy 1975). Auch hier werden die nicht genutzten Erwerbspersonenstunden in Beziehung gesetzt zu den potentiell angebotenen. Die verlorenen Stunden ergeben sich als Summe aus: — den von den Arbeitslosen angebotenen Stunden (Vollzeit- und TeilzeitArbeitssuchende werden unterschiedlich gewichtet); und — den von der in der amerikanischen Arbeitsmarktrealität nicht unwichtigen Kategorie der sog. „part-timers for economic reasons*4 (das sind Personen, die Vollzeitarbeitsplätze anstreben, aber nur Teilzeitarbeitsplätze haben) unfreiwillig weniger gearbeiteten Stunden. Die potentiell angebotenen Stunden setzen sich zusammen aus den tatsächlich gearbeiteten Stunden, wofür in den USA einigermaßen verläßliche offizielle Zahlen existieren, und den verlorenen.

122 „Stille Reserve" Die bisher behandelten Modifikationen der. Arbeitslosenquote bleiben alle21 im Rahmen des Erwerbspersonen-(Labour-Force)Konzepts, d.h. das Arbeitsangebot wird den Erwerbspersonen (= Erwerbstätige plus Arbeitslose) gleichgesetzt und die Auslastungsmaße auf diese Grundgesamtheit bezogen. Die Gesamtzahl der (potentiellen) Arbeitsanbieter stimmt aber keineswegs mit den ausgewiesenen Erwerbspersonen überein: entweder weil das Erfassungsverfahren manche in einem ökonomischen Sinne als Anbieter zu wertende Personen ausschließt oder weil bestimmte Personen erst in einer günstigeren Konjunktursituation oder erst unter veränderten struk20 Die Zahlen beziehen sich hier auf das gesamte, nicht nur das unselbständig beschäftigte Erwerbspersonenpotential. 21 Mit Ausnahme von u7 (vgl. S. 64), bei welchem auch die in diesem Abschnitt näher zu besprechenden „discouraged workers" einbezogen werden. *

68

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

turellen Bedingungen ihr Arbeitsangebot aktualisieren würden. Dieses Problemfeld wird in der Literatur unter Stichworten wie „Stille Reserve4 4, „versteckte (oder verdeckte) Arbeitslosigkeit44, „Arbeitsmarktreserve 44, oder „discouraged workers44 behandelt. Bevor auf Fragen der Operationalisierung und Quantifizierung der verschiedenen Begriffe eingegangen wird, soll durch die folgende Figur aus Klauder—Kühlewind 1980, S. 22, eine präzisere Abgrenzung gegeben werden. Schematische Darstellung der Potential- und Auslastungsbegriffe (am Beispiel der Entwicklung spezifischer Erwerbsquoten) v H :

— —

1

^

totales Potential 100 % bei Altersgruppen im erwerbsfähigen Alter

latentes Potential (bei bestimmten Zielen oder Annahmen)

konjunkturelles Potential

durchschn. Erwerbsbeteiligu effektive Erwerbsbeteiligung durchschn. Erwerbstätigkeit effektive Erwerbstätigkeit

1) „konjunkturneutral", wenn konjunkturelle Ausschläge sich ausgleichen

d) effektiver Auslastungsgrad des konjunkturellen Potentials

a) latente stille Reserve b) konjunkturelle stille Reserve

e) durchschnittlicher Auslastungsgrad des konjunkturellen Potentials

c) registrierte Arbeitslose

f) durchschnittliche Arbeitslosigkeit

Zeit g) durchschnittliche Abweichung der Erwerbsbeteiligung vom konjunkturellen Potential h) konjunkturelle Abweichung der Erwerbsbeteiligung vom Durchschnittstrend

Abbildung 6: Schematische Darstellung der Potential- und Auslastungsbegriffe Quelle: Klauder—Kühlewind

(1980), S. 22.

ptorientierte Indikatoren

69

Die Bedeutung der meisten Begriffe ist offensichtlich und braucht daher nicht näher erläutert zu werden. Nur auf die zwei wichtigsten soll kurz eingegangen werden. Über das tatsächlich beobachtete Erwerbspersonenpotential hinaus, das durch die dick gezogene Wellenlinie repräsentiert wird, gibt es Personen, die nur unter den gegebenen Bedingungen noch nicht in Erscheinung getreten sind, die aber bei veränderten Rahmenbedingungen und attraktiveren Arbeitsplätzen als Anbieter auf dem Arbeitsmarkt auftreten würden; diese sind nur längerfristig und durch entsprechende wirtschaftspolitische Maßnahmen mobilisierbar (vgl. Egle—Ernst—Schnur 1976, S. 30 f)· Sie werden hier als „latente Stille Reserve" bezeichnet. Das Hauptaugenmerk gilt in den meisten Untersuchungen dem „konjunkturellen Potential44 bzw. korrespondierend dazu der „(konjunkturellen) stillen Reserve„Dieses konjunkturelle Potential knüpft an die in Zeiten der Hochkonjunktur realisierte Erwerbsbeteiligung an. Es umfaßt damit alle Personen, die bei günstiger Arbeitsmarktlage bereit, geeignet und nach den persönlichen Voraussetzungen in der Lage sind, eine entsprechende Beschäftigung auszuüben. In dieser Größe kommt somit der empirisch beobachtbare Wunsch der Bevölkerung nach Teilnahme am Erwerbsleben zum Ausdruck.4 4 (Klauder—Kühlewind 1980, S. 9 f). Die Berücksichtigung der „stillen Reserve44 ist unter verschiedenen Gesichtspunkten von Bedeutung (siehe Klauder—Kühlewind 1980, S. 10 ff): In vielen Studien ist gezeigt worden, daß die Erwerbsbeteiligung zyklischen Schwankungen unterliegt. Aus a priori Überlegungen heraus sind sowohl pro- als auch antizyklische Schwankungen denkbar: bei schlechter Konjunkturlage geben arbeitslos Gewordene die Arbeitsplatzsuche auf, andere, die unter besseren Bedingungen einen Arbeitsplatz angestrebt hätten, nehmen die Suche erst gar nicht auf. Umgekehrt werden bei günstiger Beschäftigungslage zusätzliche Personen angeregt, in den Arbeitsmarkt einzutreten. Diese sogenannte Entmutigungs/Ermutigungs- oder discouraged worker-Hypothese würde demnach ein prozyklisches Schwanken der Erwerbsbeteiligung erwarten lassen. Die sog. Zusatzarbeiter- oder additional worker-Hypothese hingegen geht davon aus, daß im Falle der Arbeitslosigkeit des Haupterhalters einer Familie andere Familienmitglieder neu ins Erwerbsleben eintreten, um den Ausfall an Familieneinkommen (wenigstens teilweise) zu kompensieren, welche bei einem neuerlichen Konjunkturaufschwung dann wieder ausscheiden. Dadurch käme es zu einer antizyklischen Bewegung der Erwerbsquoten. Die beiden Hypothesen können durchaus nebeneinander gelten, wobei es dann eine empirische Frage ist,

70

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

welcher Effekt überwiegt. Die meisten Studien ergaben eine Dominanz des Entmutigungseffektes und auch Abb. 6 geht von einer prozyklischen Entwicklung der Erwerbsquoten aus. Ein bedeutender Teil der Auslastungsschwankungen des Arbeitskräftepotentials wird dann nicht in der berichteten Arbeitslosigkeit sichtbar, weil die Abwärtsbewegungen zum Teil in der stillen Reserve aufgefangen werden bzw. die im Aufschwung neu eingestellten Arbeitskräfte teilweise aus der stillen Reserve kommmen. Eine umfassendere Analyse kann daher auf eine Miteinbeziehung der Stillen Reserve nicht verzichten. Auch für die Dimensionierung arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitischer Programme ist ihre Berücksichtigung notwendig, weil durch den Zuzug aus der Stillen Reserve die Zahl der neuzuschaffenden Arbeitsplätze höher liegen muß als die wirtschaftspolitisch intendierte Reduktion der Arbeitslosenzahl. Schließlich ist eine Potentialbetrachtung auch bei der Prognose der Erwerbspersonen angebracht: würde einfach die tatsächliche Entwicklung der Erwerbsquoten extrapoliert, würde eine (etwaig) bestehende Tendenz zur Unterbeschäftigung unkontrolliert in die Zukunft fortgeschrieben; werden hingegen die bei Vollbeschäftigung zu erwartenden Erwerbsquoten, also das „konjunkturelle Potential'vorausgeschätzt, ist klar ausgewiesen, welche Konjunktursituation die Prognose unterstellt. Auf ein Sonderproblem soll noch kurz hingewiesen werden: in den meisten empirischen Umsetzungen der in Abb. 6 dargestellten Konzepte wird die Betrachtung auf das inländische Erwerbspersonenpotential eingeschränkt. Ausländische Arbeitskräfte könnten in die Rechnung miteinbezogen werden, indem die Arbeitskräfte der klassischen Auswanderungsländer, oder zumindest ihr mobiler Teil, in den Immigrationsländern als — nahezu unbegrenztes — „latentes Potential" betrachtet werden. Für die kurzfristig-konjunkturelle Komponente schlug Jüttner 1972 vor, den bei Hochkonjunktur beobachteten NettoZustrom (!) von Ausländern als Vergleichsnorm heranzuziehen: eine Unterauslastung des konjunkturellen Potentials würde demnach schon vorliegen, wenn nicht kontinuierlich ein Nettozustrom ausländischer Arbeitskräfte absorbiert wird, ein konstanter Ausländersia/id also kumulativ stets wachsende Lücken anzeigen. Das erscheint heute (1985) als Potentialdefinition übertrieben und der Vorschlag Jüttners eher als Beispiel dafür, wie stark auch Meßkonzepte von der jeweiligen Konjunktursituation, in der sie geboren werden, eingefärbt sind. Im folgenden sollen nun verschiedene Versuche der Operationalisierung und Quantifizierung der Potentialkonzepte bzw. der Potentiallücken (Stillen Reserve) diskutiert werden. Den meisten Überlegungen liegen Jahreswerte der Erwerbsbeteiligung bzw. deren (Netto)änderungen zugrunde.

ptorientierte Indikatoren

71

Es ist bemerkenswert (vgl. Mincer 1966), daß die Amplitude der jährlichen Saisonschwankungen oft schon höher liegt als die Nettoänderungen; die (jährlichen) Bruttoströme in die und aus der Labour-Force übertreffen diese erst recht bei weitem. In Anlehnung an Egle 1979, S. 26, können die verwendeten Verfahrensweisen zur Schätzung der Stillen Reserve folgendermaßen systematisiert werden: Messung der Stillen Reserve

Querschnittsanalysen

Daten

Daten

Zeitreihenanalysen

großen

großen

Abbildung 7: Messung der „Stillen Reserve4' Quelle: adaptiert aus Egle 1979, S. 26.

Direkte Befragungen

In den meisten Ländern beinhalten die in relativ großen Abständen stattfindenden Völkszählungen auch Fragen, die für den hier interessierenden Problemkreis relevant sind; desgleichen die häufiger stattfindenden Mikrozensen. Darüberhinaus werden in vielen Ländern fallweise Sondererhebungen mit speziellem Fragenprogramm durchgeführt. In Österreich z.B. (vgl. die zusammenfassende Darstellung bei Bartunek 1980) wurden seit 1971 mehrere solcher Sondererhebungen durchgeführt: Anfang der siebziger Jahre waren sie darauf ausgerichtet, Größenordnungen des latenten Potentials abzutasten, indem nichtberufstätige Personen nach ihrer prinzipiellen Bereitschaft, Arbeit aufzunehmen, befragt wurden. Seit 1978 richtete sich das Interesse mehr auf die Erfassung versteckter Arbeitslosigkeit: zuerst (Mikrozensus Juni 1978 und Mikrozensus

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I. Teil: Beschreibende Indikatoren

September 1979) nur in dem Sinn, daß erfragt wurde, wieviel Personen einen Arbeitsplatz suchen. Neben den Arbeitslosen wurde so der Kreis von Personen ermittelt, der bei einer Erfassung nach der Survey-Methode als arbeitslos klassifiziert worden wäre (hauptsächlich Hausfrauen, mit deutlichem Abstand dann noch Studenten und Pensionisten —, Alterspensionisten wurden in die Erhebung nicht einbezogen). Im Mikrozensus September 1982 (vgl. Bartunek 1983) wurden dann auch noch Fragen eingefügt, durch die — in Anlehnung an das amerikanische „discouraged worker4'-Konzept — jener Personenkreis umgrenzt werden sollte, der seine Arbeitsplatzsuche wegen vermuteter Erfolglosigkeit aufgegeben hatte. Für die BRD kommen Egle et al. 1976, S. 99, zu folgender Einschätzung bezüglich verschiedener dort durchgeführter Befragungen: „Generell variieren die Ergebnisse stark mit den Nuancierungen in der Fragestellung. Je stärker der hypothetische Charakter der Frage nach der Erwerbsbereitschaft ist, desto höher liegt der Anteil der möglicherweise aktivierbaren Personen. Je mehr dagegen auf vorhandene Pläne zum Eintritt ins Erwerbssystem abgestellt wird, desto kleiner wird der Anteil des latenten Zusatz-Potentials. Eine aussagekräftige Quantifizierung des latenten weiblichen Arbeitskräftepotentials kann aus derartigen relativ allgemein gehaltenen Befragungen nur bedingt erwartet werden." Auch der Zeitpunkt der Befragung beeinflußt das Ergebnis: in Hochkonjunkturphasen kann angenommen werden, daß kaum konjunkturelle Reserven vorhanden sind und — mit einer geeigneten Fragestellung — ziemlich rein die latente Reserve der aus strukturellen Gründen nicht erwerbstätigen, aber erwerbsbereiten Personen erfaßt wird (Egle et al. 1976, S. 101 f)> während in Rezessionsphasen eine Mischung aus konjunktureller und latenter Reserve vorliegt, wobei die Rückwirkungen der (zyklisch) verschlechterten Beschäftigungssituation auch auf die Strukturkomponente die Ergebnisse recht vage macht. Am weitesten entwickelt sind die direkten Befragungen in den USA. Seit 1967 werden — auf Anregung des Gordon-Kommittees (President's Committee 1962) — im Rahmen der monatlichen Haushaltsstichprobe CPS (Current Population Survey) nicht nur die Erwerbstätigen und Arbeitslosen ermittelt, sondern auch die Personen, die in keine dieser beiden Kategorien fallen, zu arbeitsmarktrelevanten Tatbeständen befragt 22. Einen Überblick 22 Die Fragen bezüglich der Nicht-Erwerbspersonen werden jeweils nur an ein Viertel des Samples gestellt und zwar — seit 1970 — an jene Haushalte, die das Sample im nächsten Monat verlassen. Gegenwärtig gehört derselbe Haushalt in vier aufeinander folgenden Monaten dem Sample an, scheidet dann für acht Monate aus, und kommt dann nochmals für vier Monate in die Stichprobe. Vor 1970 wurden die Fragen über Nicht-Erwerbspersonen jeweils an jene Haushalte gestellt, die erstmals bzw. wieder in das Sample eintraten, also im ersten und fünften Monat. Interessanter weise ging durch die neue Erhebungsmethode die Zahl derer, die angaben, einen Job zu wollen, und jene, die beabsichtigten, die Jobsuche in den nächsten zwölf

ptorientierte Indikatoren

73

über die verwendeten Kategorien und eine Vorstellung von den empirischen Größenordnungen gibt folgende Tabelle aus Gellner 1975, S. 22; (die amerikanischen Termini sind ihrer speziellen Konnotationen wegen unübersetzt beibehalten worden). Da diese Zahlen auch noch nach Alter, Beruf, Rasse und Bildungsstand gegliedert vorliegen, ist daraus ein sehr differenziertes und rezentes Bild der Stellung zum Erwerbsleben für die gesamte Bevölkerung ableitbar. Es können je nach geäußerter (bzw. in der Vergangenheit beobachteter) Übertrittsneigung in die Labour-Force unterschiedlich eng um den harten Kern der Erwerbspersonen gruppierte Schichten von Nicht-Erwerbspersonen gebildet werden. Als „innerster Kreis" werden in der Literatur (vgl. Flaim 1973, Finegan 1978) meist die sogenannten „discouraged workers" angesehen, das sind jene Nicht-Erwerbspersonen, die die Frage, ob sie einen Arbeitsplatz wünschen mit „ja" oder „vielleicht" beantwortet haben und als Grund dafür, daß sie dennoch keine konkreten Suchaktionen setzten, angaben, daß sie glauben, keinen Arbeitsplatz zu finden („think cannot get a job"). Genauer: sie dürfen nicht „Schulbesuch" als Hauptaktivität während der Referenzwoche angeben und müssen einen der folgenden Gründe als den alleinigen Grund für ihre Nicht-Suche nennen (vgl. Flaim 1973, S. 9, National Commission 1979, S. 44): „(1) Believes no work available in line of work or area; (2) Had tried but could not find work; (3) Lacks necessary schooling, training, skills or experience; (4) Employers think too young or too old; (5) Other personal handicap in finding a job." Auffällig ist (vgl. Tab. 7), daß nur ein relativ kleiner Teil derjenigen, die überhaupt an einem Job interessiert waren, diese Gründe angab und somit als „discouraged workers" klassifiziert wurde. Ihre frühere Arbeitskarriere wie auch ihre Absichten, in Zukunft Arbeit zu suchen, bestätigen indes, daß die „discouraged workers" enge Bindungen zum Arbeitsmarkt haben. Ihre Zahl, insbesondere jene, die angaben, wegen der ersten beiden — stärker arbeitsmarktorientierten — Gründe keine konkreten Schritte zur Arbeitsplatzsuche zu setzen, schwankt parallel zur Zahl der ausgewiesenen Arbeitslosen. Als die nächste Schicht von Nicht-Erwerbspersonen, die eventuell in den Erwerbspersonenstatus überwechseln könnten, betrachtet Gellner 1975 diejenigen, die angeben, einen Job zu wollen und „other reasons", das sind eben verschiedenste nicht in ein allgemeines Schema passende individuelle Monaten aufzunehmen, systematisch zurück, wohl weil die Interviewten schon besser mit dem Interviewer vertraut waren und ihre Arbeitsmarktwünsche nicht so übertrieben (Flaim 1973).

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

Tabelle 7 Absichten von Nicht-Erwerbspersonen, einen Arbeitsplatz zu suchen, Jahresdurchschnittswerte 1973, USA (Numbers in thousands)

Worked last year Total not in the labor force

Sex, job desire, reason for nonparticipation

Total Men Want job now In school Ill health, disability Home responsibilities Think cannot get job Other reasons Do not want job now In school In health, disability Home responsibilities Retirement, old age Other reasons Women Want job now In school Ill health, disability Home responsibilities Think cannot get job Other reasons Do not want job now In school Ill health, disability Home responsibilities Retirement, old age Other reasons

... ...

...

...

...

57.218 14,539 1,395 647 274 22 225 227 13,145 3,115 2,401 204 5,927 1,498 42,680 3,064 580 345 1,020 454 665 39,615 3,002 2,171 31,942 1,238 1,262

Total

10.043 3,714 753 370 109 14 106 154 2,961 1,579 351 18 495 518 6.329 1,126 243 116 316 168 283 5,204 1,084 394 3,336 63 327

Vergleichsgrößen: total civilian noninstitutional population in labor force employed unemployed Quelle: Gellner 1975, S. 22.

Percent intend to seek work 43.4 52,9 89,8 94,6 79,8 78,6 87,7 87,7 48,7 64,9 62,1 27,8 6,3 31,9 37,8 85,4 95,1 83,6 86,1 84,5 77,7 27,4 60,6 19,3 18,0 3,2 28,1

Worked 1-5 years ago Total

10.573 3,122 281 64 111 8 60 38 2,842 284 940 33 1,262 323 7,451 859 66 130 356 131 176 6,692 340 823 5,170 120 239

Percent intend to seek work 15.8 14,2 70,8 90,6 60,4 75,0 68,3 71,1 8,5 46,5 6,3 6,1 1,4 10,2 16,5 76,1 90,9 76,9 75,3 73,3 73,9 8,6 32,1 6,9 7,5 1,7 7,1

145 900 88 700 84 400 4 300

ptorientierte Indikatoren

75

Ursachen, als Hinderungsgrund für eine konkrete Jobsuche nannten. Weitere Personengruppen können nach den Analysekonzepten und Fragestellungen des Beobachters aus dem veröffentlichen Material — und feiner noch aus weitergehenden unveröffentlichten Kreuztabellierungen — zusammengestellt werden. Durch direkte Befragungen können somit wichtige Aufschlüsse über das mögliche Erwerbsverhalten der Personen gewonnen werden, die (im Augenblick) außerhalb der Labour-Force stehen, wenngleich keine der identifizierten Gruppen unmittelbar als empirisches Gegenstück zu den weiter oben entwickelten theoretischen Begriffen der Potentialrechnung (vgl. Abb. 6) gedeutet werden kann. Ein gewichtiger Vorteil23 der Erhebung von Erwerbs- bzw. Arbeitslosendaten durch Stichprobenverfahren gegenüber Registrationssystemen wird in diesem Zusammenhang deutlich: im Rahmen von HausAa/isstichproben ergibt sich ganz selbstverständlich die Möglichkeit auch Fragen an die Nicht-Erwerbspersonen zu richten, während dieser Personenkreis für ein Registrationssystem fast notwendigerweise ein „weißer Fleck" bleibt. Trend berech nungen

Der einfachste Typus der Modellrechnungen zur Ermittlung von Erwerbspersonenpotentialen sind die Trendberechnungen. Es geht dabei ausschließlich um das „konjunkturelle Potential"; durch Vergleich mit der tatsächlichen Erwerbsbeteiligung kann daraus die konjunkturelle „stille Reserve" festgestellt werden. Eine Methode (vgl. Jüttner 1972, Egle 1979, S. 38), wie sie auch vom deutschen Sachverständigenrat verwendet wurde, besteht darin, eine (lineare) Trendfunktion zu bilden und diese dann durch die am weitesten vom Trend nach oben abweichende tatsächliche Erwerbsquote zu verschieben. Dies kann global oder auch disaggregiert für verschiedene demographische Gruppen gemacht werden. Bei der disaggregierten Betrachtung ergeben sich meist (vgl. Klauder—Kühlewind 1980) recht unterschiedliche „Hochkonjunkturjahre" (d.h. Maximalabweichungen) für die einzelnen Gruppen. Das bedeutet, daß sich die Entwicklung der globalen Erwerbsquote aus sehr unterschiedlichen Entwicklungen der spezifischen Erwerbsquoten ergibt, sodaß sich eine disaggregierte Betrachtung dringend empfiehlt. Eine ähnliche Vorgangsweise ist die sogenannte peak-to-peak-Methode, wie sie auch auf anderen Gebieten, z.B. bei der Messung der (Sach)kapazi23 Wie anfällig anderseits die Ergebnisse auf auch nur geringfügige Änderungen im SampleDesign sind, vgl. FN 22.

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I. T i l : Beschreibende Indikatoren

tätsauslastung, gebräuchlich ist. Diese z.B. bei Taylor 1970-71, 1976, vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) Nürnberg (Klauder —Kühlewind 1980) und — in etwas modifizierter Form — bei Rothschild 1977 verwendete Methode geht davon aus, daß in Hochkonjunkturjahren die tatsächlich beobachteten Erwerbspersonen und das konjunkturelle Potential übereinstimmen; für die dazwischenliegenden Jahre werden die Werte des Potentials zwischen diesen Eckwerten trendmäßig interpoliert, für die dem letzten Konjunkturhöhepunkt folgenden Jahre wird dieser Trend einfach fortgeschrieben. Das IAB geht so vor, daß die Veränderung der Erwerbsquote zwischen zwei zyklischen Höhepunkten zerlegt wird in — eine demographische Komponente, die die Veränderung der globalen Erwerbsquote aufgrund der sich ändernden alters- und geschlechtsmäßigen Zusammensetzung der arbeitsfähigen Bevölkerung (bei hypothetischer Konstanz der spezifischen Erwerbsquoten) angibt; — Sonderfaktoren wie Einführung eines zusätzlichen Schuljahres oder der flexiblen Pensionsaltersgrenze und — die verbleibende Trend- oder Verhaltenskomponente. Jede dieser Komponenten wird dann gesondert fortgeschrieben, wodurch sich potentielle Erwerbsquoten bzw. die konjunkturelle stille Reserve ergeben. Kritisch muß gegen die peak-to-peak-Methode eingewendet werden (vgl. Taylor 1976, Klauder—Kühlewind 1980, Sandermann 1980, Mertens 1981), — daß sie einen identischen Grad der Auslastung an den Spitzen voraussetzt; und (heute wohl noch gravierender) — daß sie sehr unsichere Resultate erbringt, wenn der letzte zyklische Höhepunkt (sehr) weit zurückliegt. (Das IAB rechnet heute noch mit Werten für die Trendkomponente, die sich aus Veränderungen zwischen den Hochkonjunkturjahren 1961-65 und 1970 ergeben.) Dann kann nämlich kaum entschieden werden, ob es sich bei einem Rückgang bzw. einer Abschwächung des Anstiegs der effektiven Erwerbsquoten nur um einen konjunkturbedingten kurzfristig „reversiblen Rückzug in die stille Reserve" handelt, oder ob inzwischen grundlegendere Änderungen im Erwerbsverhalten stattgefunden haben. Auf einer mehr berechnungstechnischen Ebene kann speziell gegen die I AB-Methode, die Trendkomponente aus der globalen Erwerbsquote zu ermitteln, geltend gemacht werden, daß dadurch das wechselnde Gewicht verschiedener demographischer Gruppen mit (eventuell) divergierenden Trends

ptorientierte Indikatoren

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der spezifischen Erwerbsquoten nicht genügend in Rechnung gestellt wird (vgl. Sandermann 1980). Den Einwänden, daß durch eine lineare Trendanalyse nicht der auf (0.1) eingeschränkte Definitionsbereich von Erwerbsquoten garantiert ist bzw. daß sich aus einer linearen Fortschreibung einer nicht-linearen Entwicklung in der Vergangenheit unrealistische Schätzwerte für das gegenwärtige und zukünftige Potential ergäben, tragen neuere Studien (siehe Egle 1980) dadurch Rechnung, daß sie z.B. mit Sättigungsfunktionen arbeiten. Egle 1980 verwendet etwa eine Erwerbsquotenfunktion in der Form des „gebremsten" Wachstums: (1.42)

1, = A (1-ae-bt)

1 bedeutet die Erwerbsquote, t die Zeit, a und b sind zu schätzende Parameter24. Die Sättigungsgrenze A kann bzw. muß vom Beobachter frei gewählt werden. Kompliziertere Annahmen über den Trendverlauf können z.B. durch die Verwendung von Funktionen mit einem Wendepunkt in der Logit-Analyse berücksichtigt werden (Egle 1980). Ökonometrische Untersuchungen

Bei den Trendberechnungen wurden die Ausschläge der Erwerbsquoten ausschließlich auf den Konjunkturverlauf zurückgeführt; bei den ökonometrischen Untersuchungen wird versucht, auch den Einfluß anderer erklärender Variablen auf die effektive Erwerbsbeteiligung mit Hilfe von Schätzfunktionen quantitativ zu bestimmen. Indem dann anstelle der tatsächlichen Werte der erklärenden Variablen wirtschaftspolitisch intendierte hypothetische Werte bzw. solche, die für eine Hochkonjunktur charakteristisch sind, eingesetzt werden, lassen sich das „latente" bzw. das „konjunkturelle Potential" bestimmen. Durch Vergleich mit der tatsächlichen Erwerbsbeteiligung ergibt sich dann die „latente" bzw. „konjunkturelle Stille Reserve". Es handelt sich entweder um Querschnitts- oder Zeitreihenuntersuchungen. Querschnittsuntersuchungen

Hier kommen Untersuchungen in Betracht, die auf disaggregierten Daten, d.s. solche für einzelne Personen oder Haushalte, aufbauen oder schon zusammengefaßte Daten, meist von Regionen, zur Grundlage haben (vgl. den Überblick bei Buchegger 1972, S. 39 ff). Aufgrund der in der Regel ziemlich großen Zahl von Beobachtungen können auch verhältnismäßig 24

(A)

Der praktischen Berechnung liegt dann die folgende Regressionsgleichung zugrunde: In (1—τ-) = In a - b t

A

78

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

viele erklärende Variable verwendet werden. Probleme ergeben sich daraus, daß zwischen den erklärenden Variablen häufig enge Zusammenhänge bestehen (Multikollinearität) und somit der isolierte Einfluß jeder einzelnen schwer auszumachen ist (vgl. Egle et al. 1976, S. 105). Die Vielzahl der relevanten erklärenden Variablen kann nach Egle et al. 1976, S. 111, unterteilt werden in: — arbeitskräftea/jgeboisimmanente Faktoren wie Alter, Familiengröße, Kinder im schulpflichtigen Alter, Ausbildungsniveau, Gesundheitszustand, Einkommen aus Nichterwerbstätigkeit, Familieneinkommen, Erwerbsstatus des Ehegatten etc. — arbeitskräfteflach/rageimmanente Faktoren wie Niveau der Arbeitslosigkeit, Arbeitsplatzstruktur, Lohnniveau, Arbeitszeit, etc. — infrastrukturelle und rechtliche Faktoren wie Verkehrsangebot, Vorhandensein von Kindergärten und Ganztagsschulen, Sozial-, Steuer- und Rentengesetzgebung. In zahlreichen empirischen Studien (vgl. Bowen—Finegan 1969, Cain 1966 für die USA, Egle et al. 1976, Egle 1979 für die BRD, Buchegger 1976 für Österreich) wurden umfangreiche Schätzungen von Erwerbsquotenfunktionen für verschiedene demographische Gruppen vorgelegt. Damit konnten wertvolle Aufschlüsse über die Determinanten des Erwerbsverhaltens, insbesondere der sekundären Arbeitskräfte, gewonnen werden (vgl. die Zusammenstellung bei Buchegger 1972). Schätzungen für das „latente Potential" lassen sich daraus ableiten, wenn für bestimmte wirtschaftspolitisch beeinflußbare Variablen (z.B. Zahl der Kindergärten, Verkehrsinfrastruktur, Ausbildungsniveau, Arbeitszeit etc.) Zielwerte eingesetzt werden und die sich dann ergebenden Erwerbsquoten berechnet werden. Dies ermöglicht eine disaggregierte, quantitative Abschätzung der latenten Reserven, wobei auch die Maßnahmen, durch die sie mobilisierbar wären, transparent gemacht werden. Berechnungen des „konjunkturellen Potentials" können auf folgende Weise vorgenommen werden: Viele Untersuchungen haben unter den verwendeten Variablen auch eine, die den Beschäftigungsgrad anzeigen soll, meist die regionale Arbeitslosenquote (vgl. z.B. Bowen—Finegan 1969, Buchegger 1976, Egle 1979). Übereinstimmend zeigen sich starke negative Korrelationen zwischen Arbeitslosen- und Erwerbsquoten und zwar für sämtliche Personengruppen (Egle et al 1976, S. 119). Durch Einsetzen von Hochkonjunkturwerten für die Arbeitslosenquote kann dann wieder das „konjunkturelle Potential" bzw. nach Abzug der tatsächlichen Erwerbsbeteiligung die „konjunkturelle Stille Reserve" berechnet werden (vgl. z.B.

ptorientierte Indikatoren

79

Bowen—Finegan 1969, S. 490 f, Egle 1979, S. 44 f). Gegen diese Verfahrensweise muß allerdings eingewendet werden (Mincer 1966): — auf einer berechnungstechnischen Ebene: daß die Erwerbsquote L/P und die Arbeitslosenquote U/L = f tautologisch zusammenhängen, wodurch sich eine falsche („spurious") negative Korrelation ergibt auch dann, wenn zwischen der „saubereren"25 Variable U/P und L/P kein Zusammenhang besteht. Diesem Einwand kann durch Verwendung von U/P anstelle von U/L Rechnung getragen werden. — auf einer konzeptionellen Ebene: daß die negative Korrelation zwischen Erwerbsquote und Arbeitslosenquote in Querschnittsuntersuchungen über Regionen nicht umstandslos als konjunkturelle Sensitivität der Erwerbsbeteiligung gedeutet werden darf, sondern daß sich darin auch langfristige Entwicklungen niederschlagen, insbesondere die Wanderungsströme. Durch selektive Auswanderung von demographischen Gruppen mit relativ hoher Erwerbs- und relativ niedriger Arbeitslosenquote (insbesondere Männer mittleren Alters) aus peripheren Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit in Gebiete mit relativ niedriger Arbeitslosigkeit entsteht ein negativer Zusammenhang zwischen regionalen Erwerbsund Arbeitslosenquoten, welcher längerfristige Anpassungsvorgänge und nicht so sehr die Reaktion auf konjunkturelle Wechsellagen zum Ausdruck bringt. Zeitreihenuntersuchungen

Erwerbsquotenschätzungen über Zeitreihen werden meistens auf der Basis von Bestandsdaten durchgeführt. Generell läßt sich der Zusammenhang so darstellen: (1.43)

1, = a + bit + et + c

wobei 1 die (spezifische) Erwerbsquote, I ein Indikator, der die Arbeitsmarkt- oder allgemeiner die Konjunktursituation abbilden soll, t die Zeit (verschiedene Trendvariablen), a, b, c die zu schätzenden Parameter und e ein Störterm sind. Die reiche Palette von Kontrollvariablen, wie sie bei den Querschnittsuntersuchungen aufgeführt wurden, kann hier natürlich nicht zum Tragen kommen: einerseits, weil meist viel weniger Beobachtungen zur Verfügung stehen und anderseits, weil die Variabilität über die 25 Man könnte umgekehrt aber auch eine falsche („spurious") — nunmehr allerdings positive — Korrelation zwischen U/P und L/P postulieren; dann nämlich, wenn die Arbeitslosenquote U/L eng um einen „natürlichen" Gleichgewichtswert (U/L)* gravitiert und somit jede Steigerung (Senkung) der Quote U/P auf eine Steigerung (Senkung) der Erwerbsquote L/P zurückgeht. Ein solcher die Dominanz des additional-worker-Effekts implizierender Zusammenhang zwischen U/P und L/P konnte allerdings empirisch nicht beobachtet werden.

80

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

Zeit bei etlichen der — hier ja notwendigerweise aggregiert eingehenden — Variablen (z.B. Familiengröße, Gesundheitszustand etc.) sehr gering sein wird. Als Arbeitsmarktindikatoren werden z.B. verwendet: die Erwerbstätigen-Bevölkerungs-Relation E/P (Telia 1964, Dernburg—Strand 1964), die Arbeitslosenquote U/L (Egle 1979) oder verwandte Maßzahlen wie (Arbeitslose + XA Kurzarbeiter) τ Erwerbspersonen (Egle 1980), die mit dem potentiellen Beitrag der Arbeitslosen zum Output gewichtete Arbeitslosenquote (siehe Abschnitt I, 2.1) bei Perry 1977, die Arbeitslosenquote der Männer in mittlerem Alter (35-44 Jahre) bei Clark—Summers 1981 etc. Durch das Trendglied oder eine Variable, die denselben Zweck erfüllt (z.B. 1/P, i.e. der Reziprok wert der Bevölkerung bei Dernburg—Strand 1964), sollen die nicht konjunkturellen Einflußfaktoren auf die Erwerbsquoten zusammengefaßt berücksichtigt werden (Egle et al. 1976, S. 62). Für die spezielle Form der Schätzgleichung steht somit ein weites Feld von Spezifikationen offen. Übereinstimmend konnte in vielen Studien (vgl. Buchegger 1972, S. 61) ein prozyklisches Schwanken der Erwerbsbeteiligung festgestellt werden, insbesondere für verheiratete Frauen und die Altersrandgruppen. Das deutet auf ein Überwiegen des Ermutigungs/Entmutigungseffekts über den Zusatzarbeitereffekt hin. In der bekannten Studie von Dernburg—Strand 1964 wurde zusätzlich versucht, nicht nur den Saldo der beiden Effekte zu schätzen, sondern beide Effekte gesondert. Das geschah mit folgender Regressionsgleichung: (1.44)

φ ) , = lt = a+b φ

+ cφ

ι + 2

+ d± + e

wobei die Erwerbstätigen/Bevölkerungsquote (E/P) nun den Resignationseffekt „rein" wiedergeben soll, während die Größe X/P, das ist der Anteil der auslaufenden Arbeitslosenunterstützungen an der Bevölkerung — versehen mit einem lead von zwei Perioden (d.s. Monate), um den Antizipationseffekt zu berücksichtigen — den Zusatzarbeitereffekt zum Ausdruck bringen soll. Bei Dernburg—Strand wurden signifikante (positive) Koeffizienten für beide Effekte festgestellt. Aus einer Regression von X / P auf E/P und Einsetzen des Ergebnisses konnte dann auch der Nettoeffekt berechnet werden, der ein Überwiegen des Resignationseffektes anzeigte. So verdienstvoll die Trennung der beiden theoretisch erwarteten Effekte und der versuchte Nachweis ihrer gleichzeitigen Wirksamkeit auch ist, so müssen doch schwerwiegende Bedenken gegen Dernburg—Strands Spezifikation angebracht werden (Mincer 1966): der errechnete Koeffizient c in

ptorientierte Indikatoren

81

Höhe von +12,347 würde bedeuten, daß durch das zusätzliche Auslaufen einer Arbeitslosenunterstützung zwölf (!) Personen veranlaßt werden, neu in das Erwerbsleben einzutreten, in der Tat ein sehr unplausibles Ergebnis. Es kommt wahrscheinlich dadurch zustande, daß X als „Proxy" für U, die Gesamtzahl der Arbeitslosen, steht. Da sich die Erwerbsquote L/P tautologisch aus der Summe von E/P und U/P ergibt, müßten die Regressionskoeffizienten bei Verwendung dieser Variablen notwendigerweise den Wert 1 annehmen, b liegt auch bei Dernburg—Strand tatsächlich nahe an 1, in c drückt sich im wesentlichen das Verhältnis U/X aus. Zur Berechnung eines Potentialwertes — im Zusammenhang mit Zeitreihenuntersuchungen handelt es sich immer um das „konjunkturelle Potential" — können die Erwerbsquotenschätzungen verwendet werden, indem für den Arbeitsmarktindikator Hochkonjunktur werte eingesetzt werden. Durch Vergleich mit den tatsächlichen Erwerbspersonen kann dann die „konjunkturelle Stille Reserve" ermittelt werden. Überdies kann noch, wie etwa bei Egle et al. 1976 eine (ökonometrische) Beziehung zwischen offener und verdeckter Arbeitslosigkeit aufgestellt werden. Werden die Erwerbsquoten disaggregiert für einzelne demographische Gruppen geschätzt — was sich wegen der oft divergierenden Entwicklungen dringend empfiehlt —, so kann die stille Reserve strukturiert ausgewiesen werden. Wie sensitiv die berechneten Werte der stillen Reserve häufig sind, hat Gastwirth 1973 für eine Reihe von amerikanischen Modellen gezeigt. Die Variation eines Regressionskoeffizienten um nur die Hälfte seines Standardfehlers verändert die Erwerbsquotenschätzung in vielen Fällen um volle 4 bis 5%-Punkte und damit die geschätzte verdeckte Arbeitslosigkeit, die ja ihrerseits durch Differenzbildung mit der tatsächlichen Erwerbsquote ermittelt wurde, um ein Vielfaches ihres Ausgangsniveaus. Additivität von offener Arbeitslosigkeit und Stiller Reserve?

Die Frage, wie ähnlich bzw. unähnlich berichtete Arbeitslosigkeit und konjunkturelle Stille Reserve sind und ob sie daher zu einer Globalgröße der Unterauslastung des Erwerbspersonenpotentials aggregiert werden können bzw. sollen, wird sehr kontrovers diskutiert. Die Bundesanstalt für Arbeit z.B. weist in den „Überlegungen II zu einer vorausschauenden Arbeitsmarktpolitik" 1978, S. 25, unter dem Oberbegriff „Arbeitslose" Zeitreihen für „registrierte Arbeitslose" und „Stille Reserve" aus; entsprechend wird dann ein „Auslastungsgrad" für das konjunkturelle Potential ermittelt, für den beide Formen der Unterbeschäftigung aggregiert werden. Auch Klauder—Kühlewind 1980, S. 11, treten für 6 Riese

82

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

ein umfassenderes Konzept eines „Unterbeschäftigungsgrades" ein; die Aufteilung des nicht ausgelasteten Potentials in registrierte und nichtregistrierte Arbeitslosigkeit sei von statistischen Konventionen und gesetzlichen Regelungen abhängig und daher nachrangig. Die Zielwerte für einen so definierten Unterbeschäftigungsgrad müssen freilich höher als für eine engere Definition von Arbeitslosigkeit festgelegt werden. Die Argumente gegen eine Addition von offener und versteckter Arbeitslosigkeit bewegen sich auf recht unterschiedlichen Ebenen. Berechnungsund erhebungstechnische Gesichtspunkte bringt Finegan 1978 gegen eine Einbeziehung der „discouraged workers" in die offizielle Arbeitslosenzahl vor. Bei der gegenwärtigen Anlage der Haushaltsstichprobe in den USA zumindest führe eine Zählung auf monatlicher Basis zu Ergebnissen mit recht großem Stichprobenfehler, weil die monatlichen Werte der „discouraged workers" nur auf einem Viertel der Stichprobe beruhen (vgl. FN 22); überdies könnten die „discouraged workers" nur schwer nach all den Merkmalen klassifiziert werden wie die Arbeitslosen, z.B. nach der Dauer, weil dafür ja ermittelt werden müßte, wie lange jemand gerade nicht nach einem Arbeitsplatz gesucht hat. Insgesamt befürchtet Finegan, daß durch eine Einbeziehung der „discouraged workers" wieder stärker subjektive Faktoren in die (erweiterte) Arbeitslosendefinition einfließen würden, wovon diese nach den weitgehend verwirklichten Vorschlägen des GordonKommittees (President's Committee 1962) gerade gereinigt werden sollte. Die National Commission 1979 stützt ihre ablehnende Haltung gegen eine Addition von berichteter Arbeitslosigkeit und „discouraged workers" auf empirische Beobachtungen. In einer Sondererhebung (für die USA) wurde ermittelt, daß der Anteil von „discouraged workers", die im darauffolgenden Jahr in die Labour-Force eintreten, nicht signifikant von jenem anderer Nicht-Erwerbspersonen, die angaben, einen Arbeitsplatz zu wollen, abweicht. „... among those classified as not in the labor force and wanting a job now, discouraged workers do not have a distinctive attachment to the labor force" (National Commission 1979, S. 45). Diese und ähnliche Befunde veranlaßten die Mehrheit der Kommission, eine Fortführung des getrennten Nachweises der „discouraged workers" zu empfehlen. Auf einer konzeptionellen Ebene sprechen folgende Gründe gegen eine Aggregierung von offener und versteckter Arbeitslosigkeit: die Wohlfahrtsverluste durch Arbeitslosigkeit werden für die typischerweise „sekundäre Arbeitskräfte" umfassende Stille Reserve erheblich geringer sein als für die offenen Arbeitslosen (vgl. Gordon 1967). Der Umfang der angebotenen Arbeitszeit und die Produktivität der versteckt Arbeitslosen weichen z.T. erheblich von den Werten bei den offiziell Arbeitslosen ab (vgl. Jüttner 1972).

torientierte Indikatoren

83

Manche (z.B. Sandermann 1980) bezweifeln auch, daß Arbeitswille und Verfügbarkeit bei beiden Gruppen vergleichbar sind. Aus prinzipiellen Gründen wendet sich Mincer 1966 gegen die Kalkulation eines auch die versteckten Arbeitslosen umfassenden „manpower gap". Die Variationen der Erwerbsquoten seien Ausdruck eines optimalen Timing-Prozesses der Erwerbsbeteiligung. Besonders sensitiv reagieren die sekundären Arbeitskräfte. Ihnen stehen Alternativrollen zur Verfügung, oder neoklassisch gewendet: ihre Opportunitätskosten der Beschäftigung sind hoch. Der Nettogewinn, in den Arbeitsmarkt einzutreten, bzw. der Nettoverlust, ihn bei schlechteren Arbeitsmarktbedingungen wieder zu verlassen, sind daher gering, woraus sich ein häufiger und leichter Wechsel zwischen Erwerbstätigkeit und Nicht-Erwerbstätigkeit dieser Gruppen ergibt. „It is paradoxical that the optimazition of timing labor-force activities creates the illusion of disguised unemployment" (Mincer 1966, S. 103). Im Lichte der weiteren Entwicklung der neoklassischen Theorie der Arbeitslosigkeit, die nun auch offene Arbeitslosigkeit als rein angebotsseitig determiniertes Ergebnis eines optimierenden individuellen Kalküls interpretiert (vgl. Friedman 1968, Lucas—Rapping 1970 u.a.), könnte allerdings gegen eine solche additive Verfahrensweise gerade von dieser Seite wenig einzuwenden sein.

2 Outputorientierte Indikatoren

Im vorangegangenen Kapitel wurden Maßzahlen besprochen, die versuchten, den nicht ausgenützten Teil des enger oder weiter gefaßten Arbeitsangebots zu identifizieren. Im vorliegenden Kapitel verschiebt sich diese mehr inputorientierte Sicht zu einer Betrachtungsweise, bei der der durch Arbeitslosigkeit verlorene Output („output foregone") im Mittelpunkt steht. Die herkömmliche Arbeitslosenquote wäre kein guter Maßstab für den Anteil des verlorenen am potentiellen Output. Nicht alle Arbeitslosen tragen, wenn sie wieder beschäftigt würden, in gleicher Weise zum Output bei. Dieser Tatsache versucht Perry's gewichtete Arbeitslosenquote, die wir in I, 2.1 behandeln, Rechnung zu tragen. Über den durch die NichtBeschäftigung der Arbeitslosen entstehenden Outputausfall hinaus ergeben sich typischerweise bei rückläufigem Beschäftigungsgrad noch zusätzliche Outputverluste durch einen Rückgang der durchschnittlich pro Arbeitnehmer geleisteten Arbeitsstunden, sinkende Erwerbsbeteiligung und schwächere Produktivitätszunahme. Dieser im Okun 9sehen „Gesetz" the*

84

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

matisierte Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Potentiallücke, i.e. das (prozentuelle) Zurückbleiben des tatsächlichen unter dem bei Vollbeschäftigung möglichen Output, ist Gegenstand von I, 2.2. 2.1 Perry's

gewichtete Arbeitslosenquote

Bei der von Perry 1970 vorgeschlagenen gewichteten Arbeitslosenquote werden den Arbeitslosen und Erwerbspersonen jeder nach Alter und Geschlecht spezifizierten Untergruppe Gewichte zugeordnet, die sowohl die Unterschiede in den durchschnittlich angebotenen Arbeitsstunden als auch Unterschiede in der Produktivität erfassen sollen. Im einzelnen ergibt sich das Gewicht gi der i-ten demographischen Gruppe als (1.45)

gi = hi wi

wobei hi das Verhältnis der durchschnittlich von Personen der i-ten Gruppe zu den durchschnittlich von Männern im Alter zwischen 35 und 44 Jahren geleisteten Stunden angibt und Wi die durchschnittlichen Stundenverdienste der Beschäftigten der i-ten Gruppe im Verhältnis zu denen der Männer im Alter von 35 bis 44 Jahren. Die Stundenverdienste stehen dabei als Proxy für Produktivität. Wie stark das so ermittelte Gewicht von 1, dem Gewicht der Referenzgruppe, abweichen kann, illustriert der Wert von 0.20, den Perry für männliche Teenager (16-19 Jahre) errechnet. (USA, Durchschnitt 1951-1969.) Unter der Annahme, daß die Arbeitslosen jeder demographischen Gruppe dieselbe Arbeitszeit anbieten und denselben Lohnsatz erhalten bzw. dieselbe Produktivität erreichen würden wie die Beschäftigten ihrer Gruppe, können identische Gewichte für die Wägung von Arbeitslosen Ui und Erwerbspersonen Li angewendet werden. Die gewichtete Arbeitslosenquote u ergibt sich demnach als: giLj (1.46)

u

. Σ giLi

giLj

L Σ gjLj

Σ giXj

L wobei Xi = -γ- wiederum den Labor-Force-Anteil der i-ten Gruppe bedeutet (vgl. auch Gl. (1.25)). Bei Perry dient die so gewichtete Arbeitslosenquote hauptsächlich zum zeitlichen Vergleich über längere Perioden hinweg. Durch das massive Einströmen von Jugendlichen und Frauen in den Arbeitsmarkt habe sich — wegen der „natürlich" höheren Fluktuation dieser Gruppen — die konventionell gemessene Arbeitslosigkeit beträchtlich erhöht, während sie bei einer

torientierte Indikatoren

85

Messung in „Effizienzeinheiten" wie im Perry-Verfahren nicht so stark angestiegen sei. „As a result, the aggregate unemployment rate in recent years has been an increasingly misleading proxy for comparing the current labor market with earlier ones. A given unemployment rate is associated with a tighter overall labor market today than it was ten or twenty years ago." ( Perry 1970, S. 411). Perry betrachtet die gewichtete Arbeitslosenquote als überlegenen Anspannungs(„tightness")indikator des Arbeitsmarktes und verwendet sie dementsprechend in seinen Schätzungen der Phillipskurve oder auch bei der Ermittlung der zyklischen Sensitivität der Erwerbsbeteiligung (vgl. S. 80); in diesem Sinn kann sie auch als ein Versuch der Standardisierung (vgl. Abschnitt I, 1.1.4) aufgefaßt werden. Die naheliegende Konnotation, daß die Arbeitslosigkeit von Jugendlichen oder Frauen weniger gravierend und ihre Bekämpfung weniger wichtig sei, weist Perry ausdrücklich zurück. Peston 1972, der ein praktisch identisches Maß vorschlägt (nur der Gewichtungsfaktor hi fehlt) hält ein solches Maß deswegen für wichtig, weil damit die Strukturverschiebungen der Arbeitslosigkeit im Konjunkturverlauf deutlicher zum Ausdruck kommen: wenn sich in der Rezession die Zusammensetzung der Arbeitslosen typischerweise zulasten der primären Arbeitskräfte mit ihrer im allgemeinen höheren Produktivität verschiebt, insofern diese erst dann auch in größerem Umfang von Arbeitslosigkeit betroffen werden, kommt der damit verbundene gestiegene Outputverlust in den konventionellen inputorientierten Maßzahlen nur unzureichend zum Ausdruck. Eine Ergänzung um outputorientierte Indikatoren ist hier aufschlußreich. 2.2 Arbeitslosigkeit und Potentiallücke: Okun's Law

Die im vorigen Abschnitt referierten Versuche, die Outputwirkungen der Arbeitslosigkeit durch entsprechende Gewichtung der Arbeitslosen zu messen, geben ein nur sehr unvollständiges Bild. Über die unmittelbaren Verluste an Output durch die Nicht-Beschäftigung der Arbeitslosen, welche bei Perry— Peston allein berücksichtigt werden, hinaus ergeben sich bei steigender Arbeitslosigkeit typischerweise zusätzliche Outputrückgänge, weil parallel dazu auch die Erwerbsbeteiligung sinkt, die durchschnittlich geleisteten Arbeitsstunden vermindert werden und der Produktivitätsanstieg zurückgeht. Die Arbeitslosenquote — hier gesehen als einfacher, realer (= nicht monetärer) Auslastungsindex — schwankt daher üblicherweise weit weniger als der andere prominente „performance"-Indikator, der Auslastungsgrad des gesamtwirtschaftlichen Potentialoutputs.

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

86

Die Beziehung zwischen diesen beiden wichtigen Mengenindikatoren wird bekanntlich durch das sog. „Okunsche Gesetz" (Okun 1962) beschrieben. Sein Inhalt kann folgendermaßen dargestellt werden (vgl. Gordon 1973). Ausgehend von der tautologischen Grundgleichung (L47)

Y

= ïï · f · r ' τ • p = p s ' h · b · 1 · p

wobei Y den Output, H das Arbeitsvolumen, Ε die Beschäftigten, L das Arbeitskräftepotential, Ρ die (erwerbsfähige) Bevölkerung, ps die Arbeits(stunden)produktivität, h die durchschnittliche Arbeitszeit pro Beschäftigtem, b = l - u die Beschäftigtenquote (= Beschäftigte τ Erwerbspersonen) und 1 die durchschnittliche Erwerbsquote [ = Erwerbspersonen τ (erwerbsfähige) Bevölkerung] bezeichnen, ergibt sich der Potentialoutput Y* dadurch, daß auch ps, h, b und 1 ihre Potentialwerte, welche jeweils mit einem * bezeichnet werden, erreichen. Der Auslastungsgrad des Potentialoutputs beträgt demnach (1.48) v '

3L Y*

EL . iL . b. . L ps* h* b* 1*

β

bzw. die Outputlücke (output gap) gy 2 6 γ (1.49)

gv

=

1 -

Ä



gps +

gh +

gb +

gi

wobei gpS, gh, gb und gi die entsprechenden „Lücken", i.e. die Differenz des Verhältnisses von tatsächlichem zu potentiellem Wert auf 1, bei der Produktivität, der durchschnittlichen Arbeitszeit, der Beschäftigungsquote bzw. der Erwerbsquote bedeuten. „Okun* s Law" besagt nun, daß zwischen gy und gb eine stabile Beziehung derart besteht, daß (1.50)

gv

=

k

gb

wobei k eine Konstante größer als 1 ist. In Okun 9s ursprünglichen Berechnungen lag sie in der Nähe von 3. Da weiters gilt /τ

(1.51)

« b ι gb = 1 - - = 1 -

1-u

u-u* = -j-j-

« u - u *

26

Aus (1.48) ergibt sich durch Logarithmierung **\ . Υ ι ps . h . b , 1 (A) In— = I n — + In— + In— + I n Für Werte, die wie die hier vorkommenden in der Nähe von 1 liegen, gilt (B)

In ^

» - (1-2L) = - gy

Analoges gilt für die Terme auf der rechten Seite von (1.48); daraus folgt (1.49).

2 Outputorientierte Indikatoren

87

kann (1.50) auch geschrieben werden als (1.52)

gY = k (u-u*)

Jeder %-Punkt Arbeitslosigkeit über der Vollbeschäftigungsmarke u* „bewirkt" eine überproportionale Öffnung der Outputlücke. Ausschlaggebend für dieses Resultat ist, daß sich auch die anderen Größen in (1.49) parallel zu gb entwickeln. Mit zunehmender Arbeitslosigkeit bleiben üblicherweise auch die Erwerbsbeteiligung und die geleistete Stundenzahl hinter ihren Werten bei Vollbeschäftigung zurück, d.h. gi, gh > 0 (vgl. auch Abschnitt I, 1.2). Quantitativ noch wichtiger ist, daß bei steigender Arbeitslosigkeit im allgemeinen auch der Produktivitätsfortschritt zurückgeht. Arbeitsrechtliche Beschränkungen und technische Unteilbarkeiten machen eine sofortige Anpassung der Belegschaften nach unten fast unmöglich. Außerdem werden die Unternehmen, zumindestens solange sie mit einem Wiederaufschwung rechnen, daran interessiert sein, ihre betriebsspezifisch ausgebildeten Arbeitskräfte zu behalten, um sich die spätere Anlernung neuer Kräfte und die Kündigungs- und Einstellungskosten zu ersparen. All das führt zu einem zyklischen Zurückbleiben des gemessenen Produktivitätsfortschritts hinter dem bei Vollauslastung möglichen27, d.h. daß mit einer Beschäftigtenlücke gb in (1.49) auch eine „Produktivitätslücke" g ps zusammengeht. Die numerische Berechnung des Ofcun-Multiplikators k kann auf unterschiedliche Weise erfolgen (vgl. Okun 1962, Kaufmann 1980, Gude 1980). In einer einfachen Version wird die Arbeitslosenquote direkt auf die Outputlücke regressiert: (1.53)

u = a + bg Y

Die Werte für g Y werden durch alternative a priori Annahmen über den Trendverlauf des Potentialoutputs gewonnen; jener Trendwert, der in (1.53) verwendet, die beste statistische Qualität liefert, wird dann als „richtig" angesehen. Aus (1.53) läßt sich einerseits jene Arbeitslosenquote u* ablesen, die bei Völlauslastung, i.e. bei g Y = 0, gilt: sie beträgt a. Damit kann (1.53) in die Form (1.52) gebracht werden und es folgt unmittelbar (1.54)

k =

b

27 A priori ließen sich auch Gründe für ein Ansteigen des Arbeitsproduktivitätsfortschritts bei gedrücktem Aktivitätsniveau angeben (vgl. Okun 1962). Wenn die ineffizientesten Firmen vom Markt verschwinden bzw. die leistungsschwächsten Arbeiter gekündigt werden, müßte die Produktivität der Verbleibenden zunehmen. Überdies könnte, da die Beschäftigten nunmehr einen größeren Kapitalstock zur Verfügung haben, ihre Arbeitsproduktivität steigen. Empirisch konnte ein antizyklischer Produktivitätsverlauf allerdings nicht festgestellt werden.

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I. Teil: Beschreibende Indikatoren

Der 0/:ufl-Zusammenhang kann in beide Richtungen „gelesen" werden: (1) Von der Arbeitslosigkeit zur Outputlücke. Eine von Okun's 1962 Intentionen war es, zu zeigen, daß der mit der Arbeitslosigkeit verbundene Outputverlust weit größer ist als die (über der Vollbeschäftigungsmarke liegende) Arbeitslosenquote anzeigt. „If programs to lower unemployment from 5 Vi to 4 percent of the labor are viewed as attempts to raise the economy's ,grade4 from 9AVi to 96, the case for them may not seem compeli ling. Focus on the ,gap' helps to remind policy-makers of the large reward associated with such an improvement". (Okun 1962, S. 402). Die Arbeitslosenquote kann zwar als Indikator für alle in der Wirtschaft vorkommenden Formen von „slack" verwendet werden, ist aber natürlich nicht mit der gesamten Unterauslastung gleichzusetzen. Das gilt in besonderem Maße für Länder wie die BRD und Österreich, für die Oirufl-Multiplikatoren in der Größenordnung von 5 - 7 berechnet wurden (vgl. Hardes 1981, S. 114, Breuss 1982, S. 105). ;

(2) Von der Outputlücke zur Arbeitslosigkeit. Hier geht es darum, inwiefern aus einer — auf andere Weise als durch Verwendung des OkunMultiplikators, etwa aufgrund von Produktionsfunktionen, trend-throughpeaks-Extrapolationen etc. ermittelten — Outputlücke Rückschlüsse auf die Arbeitslosigkeit gezogen werden können. Taylor 1976 z.B. verwendet die Outputlücke zur Klassifizierung der Arbeitslosigkeit und zur Bestimmung einer Völlbeschäftigungsmarke. Bei ihm wird die Outputlücke, welche er mittels eines trend-through-peaks-Verfahren (vgl. Abschnitt I, 1.2.2) bestimmt, zerlegt in: — eine Hortungskomponente, welche in der hier verwendeten Terminologie der „Produktivitätslücke" g ps in (1.49) entspricht — eine Komponente versteckter Arbeitslosigkeit, welche der „Erwerbsquotenlücke" gi in (1.49) entspricht und — eine Restkomponente, welche — da Variationen der geleisteten Stunden nicht explizit berücksichtigt werden — der „Beschäftigtenquotenlücke" gb in (1.49) entspricht. Die ersten beiden Komponenten werden aus der Abweichung der tatsächlichen Produktivität28 bzw. der Erwerbsbeteiligung von ihren Potentialwerten, welche wiederum aufgrund eines trend-through-peaks-Verfahrens ermittelt werden, bestimmt. Die Differenz auf die schon vorab unabhängig davon bestimmte gesamte Outputlücke, i.e. die Restkomponente, wird von Taylor als konjunkturbedingte („demand-deficient") Arbeitslosigkeit ange28 Da Arbeitszeitvariationen nicht berücksichtigt werden, braucht hier zwischen Mann- und Stundenproduktivität nicht unterschieden werden.

3 Sozialpolitisch orientierte Indikatoren

89

sehen. Wie (1.51) zeigt, ist gb, welches Taylor's Restkomponente entspricht, tatsächlich gleich dem Überschuß der tatsächlichen Arbeitslosenquote über ihr friktionell/strukturelles Minimum und kann somit zu Recht als nachfragebedingter Teil der Arbeitslosigkeit bezeichnet werden. Durch Subtraktion der so gemessenen konjunkturellen Arbeitslosigkeit von der beobachteten Gesamtarbeitslosigkeit kann dann auch deren nicht-konjunktureller Teil, welcher bei Taylor mit Vollbeschäftigung identifiziert wird, ermittelt werden.

3 Sozialpolitisch orientierte Indikatoren

Das Problem der Arbeitslosigkeit erschöpft sich natürlich nicht darin, daß damit eine mangelnde Auslastung des „Produktionsfaktors Arbeit" analog zur Unterauslastung anderer Produktionsfaktoren sichtbar wird noch darin, daß dadurch ansonsten möglicher Output verloren geht, was Gegenstand der beiden vorangegangenen Abschnitte war, Arbeitslosigkeit ist und war immer auch ein schwerwiegendes sozialpolitisches Problem. Gerade auch die Messung der Arbeitslosigkeit hat von daher entscheidende Impulse erfahren: in etlichen Ländern, wie z.B. in Österreich und Deutschland, haben die nach dem Ersten Weltkrieg geschaffenen Systeme der sozialen Fürsorge bei Arbeitslosigkeit, über welche ein beträchtlicher finanzieller Aufwand abgewickelt wurde, den es galt zu dokumentieren, entscheidend zur Installierung einer systematischen Arbeitsmarktberichterstattung beigetragen. Während damals und auch noch bis in die sechziger Jahre die Zahl der Arbeitslosen bzw. die Arbeitslosenquote auch als ein Indikator für das Ausmaß der damit verbundenen Entbehrungen („hardship") angesehen wurde, mehren sich in jüngerer Zeit die Stimmen, die eine „Entkoppelung" von Arbeitslosigkeit und sozialer Problemlage behaupten. Die Theorie der „Neuen Arbeitslosigkeit" à la Phelps et al 1970, Feldstein 1973 etc. hält die mit Arbeitslosigkeit verbundene soziale Problematik durch die konventionellen Arbeitslosigkeits-Indikatoren für grob überschätzt: staatliche Einkommenstransferprogramme, Vermögen(seinkommen) größeren Ausmaßes auch in Arbeitnehmerhaushalten, die durchschnittlich nur recht kurze Verweildauer und der größere Anteil von Personen in Mehrverdiener-Haushalten, insbesondere Jugendliche und Frauen, die bei Verlust ihres Arbeitsplatzes immer noch auf das Einkommen anderer Haushaltsmitglieder zurückgreifen können, lassen die menschlichen Kosten der Arbeitslosigkeit in dieser Sicht als im ganzen eher unbedeutend erscheinen. Nicht wenige Studien (vgl. z.B. Brinkmann 1976, National Ad-

90

I. Teil: Beschreibende Indikatoren

visory Council 1980) haben indes gezeigt, daß trotz materiell besserer Absicherung Arbeitslosigkeit auch heute noch für die meisten davon Betroffenen eine schwere „Lebenskrise" bedeutet mit weitreichenden Folgen und Kosten auch für die Gesellschaft (Alkoholismus, Kriminalität, Kindesmißhandlung etc.). Die dualen und segmentierungstheoretischen Ansätze der Arbeitsmarkttheorie (Doeringer—Piore 1975, Vietorisz et al. 1975 etc.) wiederum weisen darauf hin, daß Arbeitslosigkeit auch in sozialer Hinsicht nur die Spitze des berühmten Eisbergs ist. Arbeitslosigkeit, unstete Beschäftigung, niedrige Bezahlung und Produktivität sind demnach nur verschiedene Symptome für tieferliegende Probleme im benachteiligten, „sekundären" Segment des Arbeitsmarktes. Deprivation und mit Arbeit zusammenhängende oder aus Arbeit resultierende Armut gehen in dieser Sicht weit über das hinaus, was mit einem — selbst weit gefaßten — Begriff der Arbeitslosigkeit gemessen wird. Im folgenden Abschnitt I, 3.1 werden Kennzahlen vorgestellt, die versuchen, die Härte („severity") der Arbeitslosigkeit auszudrücken. Ein und dieselbe Arbeitslosenquote kann, wie gezeigt (vgl. I, 1.1.2) mit sehr verschiedenen Konstellationen verbunden sein: viele Personen, die (im Durchschnitt) nur kurz arbeitslos sind, können dieselbe Arbeitslosenquote ergeben wie wenige Personen, deren Arbeitslosigkeit lang dauert. Sozialpolitisch ist die zweite Konfiguration aber weitaus ernster. Diesen Aspekt sichtbar zu machen, ist die Intention der Severity-Indices. In I, 3.2 werden einige in den USA populär gewordene sog. „subemployment" Indices diskutiert. Diese versuchen, die mit Arbeitslosigkeit verbundene sozialpolitische Problemmasse zu erfassen. Dafür müssen einerseits jene Arbeitslosen, für die Arbeitslosigkeit nicht bedeutet, daß sie dadurch in Armut absinken, von den offiziell ausgewiesenen Arbeitslosen abgezogen werden; anderseits werden in den meisten dieser Indices — gemäß der oben erwähnten dualistischen Auffassung — die auf Substandard-Arbeitsplätzen Beschäftigten („working poor") hinzugezählt. Die subemployment-Indices sind somit einfache soziale Indikatoren für die Adäquanz der Beschäftigung.

3.1 „Severity-Indices4 4

Moore 1973 hat einen Index für die Härte („severity") der Arbeitslosigkeit vorgeschlagen, bei dem die Arbeitslosenquote mit der durchschnittlichen Dauer der Arbeitslosigkeit multipliziert wird. Die zugrundeliegende Idee ist, daß Arbeitslosigkeit — gerade vom Standpunkt des Individuums

3 Sozialpolitisch orientierte Indikatoren

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aus — umso schwerer wiegt, je länger sie dauert. Ein und dieselbe Arbeitslosenquote ergibt demnach einen umso höheren Severity-Index, je größer ihre Dauerkomponente ist. Moore verwendet — ohne sich der recht verschiedenen möglichen Bedeutungen des Begriffs „Dauer der Arbeitslosigkeit" (vgl. Abschnitt I, 1.1.2) bewußt zu sein — den zumindest vom statistischen Datenmaterial her naheliegendsten: die mittlere bisherige Dauer des Bestandes, die wir oben mit β bezeichnet haben. Sein Severity-Index ist also: (1.55)

SEV = uß

Ganz ähnliche Indices wurden auch von Gilroy 1975 und Manchester 1982 vorgeschlagen. Gilroy verfeinert den Index dadurch, daß er die Arbeitslosen, je nachdem, ob sie Völlzeit- oder Teilzeitarbeitsplätze anstreben, unterschiedlich gewichtet und auch die spezifische Dauer für jede dieser Gruppen verwendet. Manchester verwendet die absolute Arbeitslosenzahl U anstelle der Arbeitslosenquote u. Die Interpretation dieser Maßzahlen ist — trotz ihrer scheinbaren Simplizität — nicht ganz einfach. Moore deutet seinen Index als eine Art durchschnittlicher Dauer der Arbeitslosigkeit. „In effect, this measure is another sort of average duration of unemployment. It represents the average period of unemployment per person in the labor force, when those who are employed are included in the average with a zero period of unemployment." (S. 18). Gilroy deutet sein Ergebnis eines Severity-Index von 2.7 Tagen für die USA 1974 so: „The index shows that if average unemployment during the year were distributed among all persons in the labor force, each worker would have been jobless for only 2.7 days." (S. 20). Manchester meint, daß mit seinem Index „both the breadth of unemployment, measured by the number of unemployed, and the depth of economic distress, measured by the average duration of unemployment" (S. 64) erfaßt würden. Die gegebenen Interpretationen sind aber mit dem betrachteten Index inkompatibel: für den Sachverhalt, den Moore, Gilroy und Manchester offenbar im Auge haben, bedarf es keineswegs eines besonderen Indexes, die Arbeitslosenquote selbst bringt schon zum Ausdruck, wie lange die Arbeitslosigkeit durchschnittlich dauern würde, wenn sie gleichmäßig über das gesamte Arbeitskräftepotential verteilt wäre. Wie in Gl. (1.8) ausgeführt, gilt — unter Vernachlässigung der Mehrfacharbeitslosigkeit — (1.56)

u = ^

·

= μΎ

wobei u die Arbeitslosenquote, Κ die Gesamtzahl der Zugänger bzw. überhaupt von Arbeitslosigkeit Betroffenen (pro Jahr), L das Arbeitskräftepo-

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I. Teil: Beschreibende Indikatoren

tential und μ die mittlere abgeschlossene Dauer des Arbeitslosenflows (gemessen in Jahren; allgemein: in derselben Dimension wie die Zugänger) und Τ = K/L die Turnoverquote bedeuten. (1.56) kann natürlich erweitert werden zu (1.57)

u

=

ILi(

+

_Lz!L.o

d.h. die Arbeitslosenquote selbst kann/muß als jene durchschnittliche Dauer aufgefaßt werden, in die alle jene Erwerbspersonen, die überhaupt nicht von Arbeitslosigkeit betroffen werden, mit einer Dauer von Null eingehen. Das ist auch intuitiv plausibel: eine (jahresdurchschnittliche) Arbeitslosenquote von 5% z.B. wird üblicherweise dahingehend gedeutet, daß im Durchschnitt 5% der Erwerbspersonen arbeitslos sind. Alternativ könnte das auch als 5% der potentiellen Mannjahre interpretiert werden, die durch Arbeitslosigkeit verloren gehen, oder als 5% eines Jahres, i.e. 0.05x360=18 Tage Arbeitslosigkeit, die jeder Angehörige des Arbeitskräftepotentials zu tragen hätte, wäre die Last der Arbeitslosigkeit gleichmäßig über alle Erwerbspersonen verteilt. Um diesen Sachverhalt auszudrücken, bedarf es also keines neuen Indikators. Was die Autoren offenbar im Sinn haben, ist, daß die beiden Komponenten in (1.56) von ungleichem Gewicht sind. Sie halten eine längere Dauer für gravierender als höheren TUrnover. Diese Vorstellung wird auch von anderen geteilt: Barret—Södersten 1975 (vgl. auch oben S. 34) halten die „Effizienz" des schwedischen Arbeitsmarktes im Vergleich zum USamerikanischen trotz niedrigerer Arbeitslosenquote für geringer, weil die Dauer in Schweden höher als in den USA liegt. Auch Friedman 1979, S. 107, hält die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit für eine wichtigere Kennziffer als den Bestand zu einem Zeitpunkt oder den Zugang. Eine einfache Art, das auszudrücken, wäre, die Dauerkomponente in (1.56) stärker zu gewichten, z.B. quadratisch: (1.58)

SEVM = Τμ 2 = \ΐμ

So ergäbe sich ein abgewandelter Severity-Index SEV^, bei dem die Arbeitslosenquote nicht mit der mittleren bisherigen Dauer des Stocks, sondern mit der abgeschlossenen Dauer des Flows μ multipliziert wird. Die Vorstellung, daß aller oder doch zumindest der meiste Turnover wohlfahrtsfördernd und freiwillig und das Problem hauptsächlich in einer langen Dauer der Arbeitslosigkeit zu lokalisieren sei, ist aber keineswegs zwingend. Insbesondere die Dualisten haben auf die charakteristische Instabilität der Beschäftigung im sekundären Segment des Arbeitsmarktes hingewiesen, und den Arbeitsplatzwechsel mehr als ein Driften von einem un-

3 Sozialpolitisch orientierte Indikatoren

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befriedigenden Job zum nächsten interpretiert denn als sinnvolle Umsetzung oder Job-Suche der Arbeitskräfte. Dementsprechend könnte ebensogut der Größe Τ in (1.56) ein höheres Gewicht beigemessen werden. Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen ließe sich ein verallgemeinerter Severity-Index SEVg ansetzen als (1.59)

SEVg = T V

wobei entsprechende Werte für a und b die unterschiedlichen Vorstellungen, welche Komponente in welchem Ausmaß die spezifische Härte der Arbeitslosigkeit ausmacht, ausdrücken könnten. Wir haben gezeigt, daß Moore's Interpretation seines Index nicht ganz zutreffend ist, und wie ein Index beschaffen sein müßte, der der gegebenen Interpretation entspricht. Im folgenden zeigen wir, wie das ursprüngliche Severity-Maß (1.55) korrekt interpretiert werden kann. Es bieten sich dafür zwei Möglichkeiten an: (1) Aus den früheren Ausführungen (vgl. Gl. (1.12), FN 9 und Gl. (A.5) in Anhang A) ergibt sich — für den steady state — folgende Beziehung zwischen verschiedenen Konzepten der Arbeitslosigkeitsdauer: (1.60)

2 β _ = _X γ -= μ V + l

wobei wie oben β die mittlere bisherige Dauer des Arbeitslosenbestands, y die durchschnittliche abgeschlossene Dauer des Stocks, μ die durchschnittliche Dauer des Flows und V den Variationskoeffizienten der Dauer für den Flow bedeuten. Daraus folgt unmittelbar z (1.61) SEV = uß = Τμ 2 V +1 2

Das heißt, Moore's ursprünglicher Index ist gleich dem verallgemeinerten Severity Index mit b = 2 - was ganz im Sinne der Autoren ist, die eine lange Dauer als besonders gravierend ansehen — und enthält zusätzlich noch ein multiplikatives Glied, welches umso größer ist, je stärker die Dauer innerhalb einer Kohorte streut. Auf analoge Konstruktionen in der Theorie der sozialen Indikatoren (vgl. Drewnowski 1974) wurde oben (Abschnitt I, 1.1.3) schon hingewiesen: dort ist es üblich, den Wert eines ein erstrebenswertes Gut (z.B. Einkommen, Gesundheit) ausdrückenden Indikators nicht bloß anhand eines Mittelwerts zu messen, sondern diesen Mittelwert noch mit einer Größe zu multiplizieren, die umso kleiner ist, je ungleicher der zugrundeliegende Sachverhalt verteilt ist. Im vorliegenden Fall, in dem der Indikator Τ μ2 nicht ein Gut, sondern ein „bad" anzeigt, wird der Indikator noch mit einer Größe multipliziert, die umso größer 2ist, je ungleicher die Verteilung ist: eine solche Größe ist der Ausdruck V + 1 in (1.61).

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I. Teil: Beschreibende Indikatoren

(2) Layard 1981 und Ashenfelter 1983 haben stark neoklassisch inspirierte Versuche unternommen, den Wohlfahrtsverlust durch Arbeitslosigkeit zu quantifizieren. Ihre Ergebnisse können auch zur Interpretation des Mooreschen Index herangezogen werden. Die Frage, wie groß die Belastung („hardship") eines (unfreiwillig) Arbeitslosen in rein monetären Terms ist, scheint zunächst einfach zu beantworten: sieht man wie Ashenfelter und Layard von psychischen und anderen Belastungen durch Arbeitslosigkeit ab (was allerdings eine empfindliche Einschränkung ist), scheint die Belastung zunächst durch die Höhe des entgangenen Einkommens bestimmt. Durch eine volle Ersetzung des entgangenen Verdiensts aber würde, so wird argumentiert, der Arbeitslose überkompensiert, weil ja auch die neu gewonnene Nicht-Marktarbeitszeit, als welche die Arbeitslosigkeit angesehen wird, einen Nutzen bringe. Der Wert der zusätzlich gewonnenen Zeit wird abhängen erstens von den Präferenzen des Konsumenten-Arbeiters für Nicht-Marktaktivitäten und zweitens von der Länge der Arbeitslosigkeitsspanne. „The longer-term unemployed would weigh more heavily in such a measure than the short-term unemployed and those with good uses of their non-market time would weigh less heavily than those with poor uses of their non-market time." (Ashenfelter 1983, S. 121). Insbesondere Jugendliche und Frauen, denen sinnvolle Alternativrollen zur Verfügung stehen bzw. in der Sprache der Neoklassik: die eine Präferenz für Nicht-Markt-Aktivitäten haben, würden demnach in einen hardshipIndex nur mit geringerem Gewicht eingehen. Aus der insgesamt gestiegenen Heterogenität des Arbeitskräftepotentials folgert Ashenfelter, daß die Arbeitslosenquote heute als hardship-Index weniger tauglich ist als in früheren Zeiten, als das Arbeitskräftepotential hauptsächlich aus männlichen Haushaltsvorständen bestand und somit homogener war. Empirische Messungen der je nach der Verwendung der Nicht-Marktarbeitszeit größeren oder geringeren Belastungen sind m.W. allerdings bisher nicht durchgeführt worden. Die Verwendung von Perry-gewichteten (vgl. Abschnitt I, 2.1) oder demographisch standardisierten (vgl. Abschnitt I, 1.1.4) Arbeitslosenquoten, bei denen gerade den Gruppen, die in der Regel guten Gebrauch von der neu gewonnenen Nicht-Marktarbeitszeit machen können, ein geringeres Gewicht beigemessen wird, geht aber in diese Richtung. Die ursprünglichen Intentionen sowohl bei Perry als auch bei den Standardisierungsverfahren waren indes viel enger. Die Auswirkungen einer unterschiedlichen Dauer der Arbeitslosigkeit werden bei Layard 1981 explizit berücksichtigt. Auch er geht davon aus, daß der monetäre Gegenwert der Belastung durch Arbeitslosigkeit gleich ist dem

3 Sozialpolitisch orientierte Indikatoren

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entgangenen Lohn abzüglich dem Wert der zusätzlichen Freizeit. Da der Grenznutzen der zusätzlichen Freizeit mit längerer Dauer sukzessive abnimmt, steigen die Nettokosten der Arbeitslosigkeit proportional 29 zur (bisherigen) Dauer der Arbeitslosigkeit an. Die Durchschnittskosten einer „Woche" Arbeitslosigkeit sind somit proportional zur mittleren bisherigen Dauer ß. Die Gesamtkosten ergeben sich dann durch Multiplikation mit dem Bestand der Arbeitslosen U. Bezogen auf das gesamte Arbeitskräftepotential L ergibt sich somit (1.62)

γ- ßk = ußk

wobei k eine Proportionalitätskonstante ist. Moore's Severity-Index ist somit auch proportional zu den unter den angeführten Annahmen sich ergebenden Kosten, wenn diese über das gesamte Arbeitskräftepotential verteilt werden oder, was damit gleichbedeutend ist, wenn die Beschäftigten mit Kosten von Null in dem Index berücksichtigt werden.

3.2 Die amerikanischen „Subemployment-Indices"

Das Ansteigen der Zahl mitverdienender Ehefrauen, die Zunahme von disponiblem Vermögen(seinkommen) auch in Arbeitnehmerhaushalten sowie die Ausdehnung staatlicher Einkommenstransferprogramme in den letzten Jahrzehnten haben die enge Verbindung von Arbeitslosigkeit und Armut gelockert. Manche der weiter oben (vgl. I, 1.2) schon besprochenen Konzepte modifizierter Arbeitslosenquoten versuchen dem Rechnung zu tragen, indem sie Personengruppen, von denen angenommen werden kann, daß ihre Arbeitslosigkeit nicht (automatisch) zu ökonomischer Deprivation führt, ausklammern. Die hier vorgestellten „Subemployment-Indices" gehen einen Schritt weiter: Es gehe nicht nur darum, die materiell besser gestellten Arbeitslosen aus-, sondern umgekehrt auch die beschäftigten „working poor" in ein solches Konzept einzuschließen. Den arbeitsmarkttheore29 Der Wert, den eine „Woche" zusätzlicher Freizeit für einen Arbeitsanbieter hat, der schon t „Wochen" gearbeitet hat, ist gleich dem Lohnsatz, der ihn veranlassen würde, auch noch diese (t + l)-te „Woche" zu arbeiten. Wenn der Lohnsatz eines das ganze „Jahr" über Beschäftigten W beträgt, so ist der Wert der ersten Woche Freizeit gleich W, der Wert der zweiten

Woche (W - — · 2), allgemein der Wert der k-ten Woche Freizeit (W - — k), wobei ^ den JT

θΤ

σΤ

Anstieg der Arbeitsangebotsfunktion bedeutet. Die Nettokosten einer „Woche" Arbeitslosig-

dW

keit für einen Arbeitslosen, der schon k Wochen arbeitslos ist, betragen somit W - (W - — k)=

3W

3W

= — k. Bei konstantem — sind sie strikt proportional zur bisherigen Dauer der Arbeitslosigkeit.

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I. Teil: Beschreibende Indikatoren

tischen Hintergrund für solche in den USA seit den sechziger Jahren von verschiedenen Autoren (Miller 1973, Levitan—Taggart 1974, Vietorisz et al. 1975, Werneke 1979) vorgeschlagene Indikatoren bildet die Theorierichtung des dualen oder segmentierten Arbeitsmarkts (Doeringer—Piore 1975, Edwards—Reich—Gordon 1975). Danach sind Arbeitslosigkeit, unregelmäßige Beschäftigung und niedrige Löhne (neben Diskriminierung, niedriger Produktivität, Mangel an Ausbildungs- und Aufstiegschancen u.a.) nur verschiedene Symptome für die schlechten Bedingungen im „sekundären Sektor" des Arbeitsmarktes. Charakteristischerweise wurde der erste Subemployment-Index, der „ Mriz-Index", 1966 auch im Rahmen des „War on Poverty" für bestimmte Ghettobezirke ermittelt. Außerhalb der USA sind m.W. keine Versuche angestellt worden, Indikatoren dieser Art zu verwenden. Das dürfte damit zusammenhängen, daß die Dualisierung des Arbeitsmarktes in den USA besonders ausgeprägt ist. Mit einer verschiedentlich behaupteten voranschreitenden „Amerikanisierung" der Arbeitsmärkte (vgl. Freiburghaus 1976, Sengenberger 1977) könnten diese Konzepte aber auch für andere Länder relevant werden. Die frühen Subemployment-Indices sind so konstruiert, daß sie zu einer etwas extensiver als die konventionelle Arbeitslosigkeit definierten „Unterbeschäftigungskomponente" einfach eine zweite unzureichendes Lohneinkommen erfassende „Einkommenskomponente" hinzuaddieren. Erstere umfaßt neben den ausgewiesenen Arbeitslosen meist auch jene Teilzeitbeschäftigten, die einen Völlzeitarbeitsplatz anstreben („part-time for economic reasons") und die „discouraged workers" (siehe Kapitel I, 1.2), während in der „Einkommenskomponente" jene Individuen (oder auch nur Haushaltsvorstände) erfaßt werden, deren Einkommen unter einer bestimmten Marke — meist die Armutsgrenze oder der Mindestlohn — bleiben. Wenn diese Zahlen durch das (um die discouraged workers erweiterte) Arbeitskräftepotential dividiert werden, können Verhältniszahlen gebildet werden, die insbesondere auch im Vergleich zwischen verschiedenen demographischen Gruppen von Interesse sind. Eines der bei der Konstruktion aller dieser Indices auftretenden Probleme besteht in der Wahl der Referenzperiode. Ein sehr kurzer Zeitraum, etwa eine Woche oder gar ein Stichtag, wird weder beim Einkommen noch bei der Beschäftigung repräsentativ sein: wegen saisoneller oder anderer für den sekundären Sektor typischer unregelmäßiger Beschäftigungsverhältnisse kann aus einem über den postulierten Grenzen liegenden Wocheneinkommen oder Stundenlohn noch nicht auf eine ausreichende Versorgung geschlossen werden. Ebensowenig erlaubt der Arbeitsmarktstatus in der Erhebungswoche einen Schluß auf die während eines längeren Zeitraumes do-

3 Sozialpolitisch orientierte Indikatoren

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minierende Arbeitsmarktrolle. Wenn der Referenzzeitraum länger angesetzt wird, wird zwar die Aussagekraft der „Einkommenskomponente" zunehmen (z.B. Jahreseinkommen), nicht notwendigerweise aber auch die der „Beschäftigungskomponente": je länger der betrachtete Zeitraum ist, desto mehr Personen werden überhaupt von Arbeitslosigkeit (und wohl auch von den anderen Formen der Unterbeschäftigung) betroffen; dennoch läge die Einbeziehung aller dieser z.B. während eines Jahres arbeitslos gewordenen Personen auch nicht im Sinne des Subemployment-Konzepts, weil dadurch auch viele kurze, weniger gravierende Fälle mit eingeschlossen würden. In der Praxis wurden daher meist unterschiedliche Referenzperioden verwendet: Jahreswerte für die „Einkommenskomponente", Stichtagswerte (d.h. in den USA auf eine Referenzwoche bezogene Werte) für die „Beschäftigungskomponente4 Ein weiteres Problem besteht darin, inwieweit „sekundäre" Arbeitskräfte in den Index einbezogen werden sollen oder nicht. Während bei der „Einkommenskomponente" meist nur Haushaltsvorstände und Alleinstehende berücksichtigt wurden, wurde bei der „Beschäftigungskomponente" nicht nach dem Familienstand differenziert. Verheiratete Frauen oder bei ihren Eltern lebende Jugendliche gelten dann zwar als „subemployed", wenn sie arbeitslos sind, nicht aber, wenn sie wenig verdienen. Vietorisz et al. 1975 haben insbesondere die zuletzt erwähnte Vorgangsweise als zu diffus kritisiert und vorgeschlagen, genauer zwischen zwei Typen von Indices zu unterscheiden: sog. exclusion -indices und inadequacyindices . Den „Ausschließungsindex" charakterisieren sie so: „The unit of reference for the exclusion index is the individual job and the wages it generates. This index measures the extent to which the labor market does not provide the needed number of adequate jobs and thereby precludes opportunities for individuals to engage in steady, productive work." (Vietorisz et al. 1975, S. 5). Die von ihnen vorgeschlagene Maßzahl umfaßt alle Individuen, die in der Berichtswoche arbeitslos oder entmutigt („discouraged") sind, unfreiwillig Teilzeit arbeiten oder (bei Vollzeit-Erwerbstätigkeit) unter einem bestimmten, parametrisch definierten Stundenlohnsatz bleiben. Die kurzen Referenzperioden bei beiden Komponenten sind hier gerechtfertigt: die (durchschnittliche) Bestandsgröße an Arbeitslosen ist tatsächlich ein Maß dafür, wieviele Arbeitsplätze (durchschnittlich) fehlen; die größere Zahl der betroffenen Individuen spielt unter dem Arbeitsp/aizaspekt kaum eine Rolle. Die Verwendung des Stundenlohnsatzes ist dadurch motiviert, daß dieser hier mehr als „catch-all "-Variable auch für andere Job7 Riese

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I. Teil: Beschreibende Indikatoren

Charakteristika wie niedrige Produktivität, mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten, Instabilität etc. steht und nicht als Bestimmungskomponente des (Familien)einkommens. Eine unterschiedliche Behandlung von primären und sekundären Arbeitskräften wäre bei einem solchen Index nicht angebracht, wenn man — wie Vietorisz et al. 1975, und die Segmentierungstheorien generell — davon ausgeht, daß nicht ein bestimmter Anteil „schlechter" Jobs notwendig ist, um die marginalisierten Teile des Arbeitskräftepotentials aufzunehmen, sondern umgekehrt die Arbeitsplatzstruktur diese Marginalisierung erst hervorbringt. Der alternative Typ von Subemployment-Index, der „inadequacy4'-Index, stellt auf das Problem der Armut ab, wobei die Familie die Bezugseinheit ist. Vietorisz et al. 1975 schlagen dafür als Maßzahl alle Haushaltsvorstände vor, die arbeitslos, entmutigt, unfreiwillig teilzeitbeschäftigt sind oder unter einer bestimmten Einkommensgrenze liegen. Dieser Index hat sich aber nicht recht durchsetzen können. Populärer wurden die ebenfalls stark am inadequacy-Konzept orientierten Indices von Miller 1973 und Levitan—Taggart 1974. Diese umfassen eine Beschäftigungs- und eine Einkommenskomponente mit im wesentlichen denselben Personengruppen wie die weiter oben erwähnten frühen Indices à la Wirtz. Neu ist die Einführung einer oberen Einkommensgrenze (entweder das Durchschnitts- oder das Medianeinkommen), mittels welcher alle Personen, die in Familien mit einem über dieser Marke liegenden Gesamteinkommen leben, aus dem Index ausgeschieden werden. Arbeitslose Teenager oder Ehefrauen in Familien, für die die Arbeitslosigkeit dieser Familienmitglieder nicht bedeutet, daß sie in Armut absinken, oder wenig verdienende Vorstände von Haushalten, deren Gesamteinkommen durch zuverdienende Familienmitglieder oder andere Quellen über den Durchschnitt gehoben wird, gehen hier nicht in den Subemployment-Index ein. Dennoch ergeben sich bei dem von Levitan—Taggart berechneten sog. „Employment and Earnings Inadequacy4'-Index zum März 1972 für die USA insgesamt fast 10 Millionen „subemployed44 (oder 11.5% des um die „discouraged workers44 vermehrten Arbeitskräftepotentials). Noch stärker in Richtung „inadequacy44 oder „hardship44 geht ein von Werneke 1979 entwickelter Index, der bei voller Berücksichtigung der Erfahrungen mit solchen Indices in den letzten fünfzehn Jahren durch seine Einfachheit besticht. Der Werneke-Index geht sowohl von der früher üblichen Zweiteilung in eine Beschäftigungs- und eine Einkommenskomponente ab, als auch von der unterschiedlichen Behandlung von primären und sekundären Arbeitskräften. Er umfaßt im wesentlichen alle Personen, die

3 Sozialpolitisch orientierte Indikatoren

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(1) mindestens 40 Wochen während des Jahres dem Arbeitskräftepotential angehört haben (2) ein jährliches Lohneinkommen unter der für ihre Familiengröße relevanten Armutsgrenze beziehen und (3) nicht in einem Haushalt leben, der mehr als das Doppelte der für die Familiengröße relevanten Armutsgrenze an Gesamteinkommen hat. Arbeitslosigkeit und andere Formen der Unterbeschäftigung werden hier nicht mehr per se erfaßt, sondern nur dann, wenn damit ein Absinken unter die Armutsgrenze verbunden ist. Das Problem der Vermischung verschiedener Referenzperioden wird dadurch ebenfalls umgangen. Der WernekeIndex verzichtet, wie erwähnt, auf eine Differenzierung nach primären und sekundären Arbeitskräften, sondern geht, zumindestens implizit davon aus, daß jedes Familienmitglied, unabhängig davon, ob es Haushaltsvorstand ist oder nicht, sofern es nur einigermaßen regelmäßig dem Arbeitsmarkt zur Verfügung steht (vgl. Punkt (1) in der obigen Definition), die Familie auf einem Lebensstandard über der Armutsgrenze erhalten können soll. Einkommensteile anderer Familienmitglieder, die diese Marke übersteigen, werden (vgl. Punkt (3) in der obigen Definition) kompensierend angerechnet. Für die Festlegung der Einkommensmarken wird ein absoluter Meßstandard, nämlich die offizielle Armutsgrenze, verwendet. Ein Aufrücken in höhere Einkommensklassen über die Zeit wird auf diese Weise in vollem Umfang berücksichtigt. Bei der Verwendung des Duchschnitts- oder Medianeinkommens als oberer „kritischer Punkt" wie bei Levitan—Taggart ist das hingegen nicht der Fall; bei diesen liegt ein Konzept relativer, stärker auf Ungleichheit abstellender Armut zugrunde. Der Werneice-Index unterscheidet sich von allgemeinen Armutsmaßen dadurch, daß er nur Härten („hardship") im Zusammenhang mit dem Arbeitsmarkt erfassen will, während diese — unabhängig vom Grund der Verursachung — generell von Armut betroffene Personen erfassen wollen. Berechnungen der National Commission 1979, S. 76, für die USA zeigen, daß der Werneice-Index (1967-77) im Niveau zwischen dem offiziellen ArmutsIndex und der Arbeitslosenquote lag. Die zyklischen Schwankungen gingen in dieselbe Richtung wie bei der Arbeitslosenquote, waren aber weitaus gedämpfter. Das wird erklärbar, wenn man berücksichtigt, daß z.B. 1976 nur 49% der in den Werneke-Index eingehenden Personen arbeitslos waren; die Armut der anderen Hälfte war nicht mit Arbeitslosigkeit verbunden. Über den ganzen Zeitraum betrachtet stieg die Arbeitslosenquote an, während der hardship-Index praktisch keinen Trend zeigt. 7*

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I. Teil: Beschreibende Indikatoren

Die Konstruktion des Werneke-Index ist nicht frei von Ungereimtheiten. Einige offensichtliche Schwierigkeiten wurden von der National Commission 1979, S. 77 ff, herausgestellt: z.B. fallen durch die Anhebung des Einkommens nur eines Familienmitglieds, wenn dadurch die kritische Grenze für das Familieneinkommen überschritten wird, alle Familienmitglieder aus dem Index heraus. Der Index wird dadurch z.B. zur Abschätzung der für Transferleistungen zur Beseitigung der Armut aufzubringenden Mittel ungeeignet. Oder: dadurch, daß Personen, die nicht (den Großteil des Jahres) der Labour Force angehören, nicht einbezogen werden, steigt der Index, wenn solche Personen schlecht bezahlte Jobs annehmen, auch wenn ihre Wohlfahrt dadurch zunimmt. Bei vielen Jugendlichen in den Slums der Großstädte ist das ein relevantes Problem. Diese und ähnliche Probleme haben die National Commission 1979, zu deren Aufgaben gerade auch die Festlegung eines aussagekräftigen „hardship" Index gehörte, in ihrer Mehrheit veranlaßt, den von einer Kommissionsminderheit favorisierten Werneke-Index sowie generell einen konsolidierten Index abzulehnen. Stattdessen wurde angeregt, jährlich einen umfangreichen, die vielfältigen Wechselbeziehungen von Arbeitsmarktstatus und Einkommens- und Familiensituation dokumentierenden Bericht zu erstellen. Der Dissens in der Kommssion ist ein Beispiel dafür, wie schwierig es ist, den „richtigen4 4 Weg zu finden zwischen wünschenswerter, aber unübersichtlicher Detailliertheit und handlicher, aber viele Informationen unterdrückender Kompaktheit. Die Diskussionen machten auch wieder deutlich, daß es dabei nicht nur um technische Fragen der Indexkonstruktion geht, sondern ebensosehr um die Signalwirkung, die ein potentiell publizitätsträchtiger Indikator ausübt.

IL Teil: Erklärende Indikatoren Arbeitslosigkeit ist — spätestens seit der Keynesschen Revolution — ein zentraler Gegenstand theoretischer Erklärung und wirtschaftspolitischer Überlegungen. Für die dabei interessierenden Fragestellungen reichen im allgemeinen die in Teil I dargestellten mehr beschreibenden Indikatoren nicht aus. Analytische Fragen wie die nach dem quantitativen Ausmaß der „konjunkturellen" im Gegensatz zur „strukturellen" Arbeitslosigkeit, der Höhe der „natürlichen" Arbeitslosigkeit oder einer neuerdings vielfach auch für entwickelte Länder behaupteten Arbeitsplatzlücke („capital shortage") können kaum direkt mittels der geläufigen Arbeitsmarktindikatoren beantwortet werden; dazu bedarf es vielmehr — wie ja auch auf anderen Gebieten — synthetischer Rechenverfahren, die die Daten in einer für die Fragestellung geeigneten Weise aufbereiten. Das Resultat solcher Berechnungen ist meist nicht bloß die (vorläufige) Akzeptierung oder Verwerfung einer bestimmten Hypothese (z.B. daß die Arbeitslosigkeit „strukturell" verursacht sei), sondern eine Maßzahl für das zu testende theoretische Konstrukt (z. B. eine quantitative Angabe der „strukturellen" Komponente der Arbeitslosigkeit). Die Darstellung solcher Rechenverfahren und die Überprüfung des Aussagegehalts der damit gewonnenen Indikatoren bildet den Gegenstand von Teil II. Zunächst werden in II, 1 die wichtigsten theoretischen Klassifizierungen der Arbeitslosigkeit kurz rekapituliert. Das Schwergewicht liegt aber auf den empirischen Operationalisierungen der verschiedenen Arten der Arbeitslosigkeit, welche in II, 2 behandelt werden. Im allgemeinen decken die empirischen Verfahren das intendierte Konzept nicht vollinhaltlich ab, sodaß — wie bei anderen Messungen auch — nicht selten erhebliche Abweichungen zwischen dem theoretischen Begriff und seiner konkreten Umsetzung Zustandekommen. Die meisten der hier behandelten Verfahren zielen außerdem nicht bloß auf die Operationalisierung nur eines Konzepts ab (z.B. „strukturelle" Arbeitslosigkeit), sondern sind so angelegt, daß damit die Gesamtarbeitslosigkeit gleichzeitig in mehrere Teilmengen („strukturelle", „konjunkturelle" etc. Komponente) zerlegt werden kann. Eine strenge 1-1-Entsprechung von theoretischem Konzept und empirischer Methode kann somit nicht geleistet werden.

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II. Teil: Erklärende Indikatoren 1 Theoretische Klassifizierungen der Arbeitslosigkeit

Arbeitslosigkeit kann nach den vielfältigsten Gesichtspunkten gegliedert werden. Theoretisch am wichtigsten ist eine Klassifizierung nach ihren verschiedenen Ursachen. Pragmatisch werden dabei meist saisonale, friktionelle, strukturelle und konjunkturelle Ursachen unterschieden; mit dieser Gliederung befaßt sich II, 1.1.1 näher. Nicht recht einpaßbar in dieses „altehrwürdige" Schema sind die heute bedeutsamen Formen der „neuen strukturellen Arbeitslosigkeit" und der „technologischen" Arbeitslosigkeit; diese Begriffe werden in II, 1.1.2 und II, 1.1.3 diskutiert. Konzeptuell spielt die Unterscheidung von freiwilliger und unfreiwilliger Arbeitslosigkeit, welche wir in II, 1.2 behandeln, eine wichtige Rolle. Dogmenhistorisch und auch heute noch bildet sie den Angelpunkt in der theoretischen Kontroverse zwischen (Neo)klassikern und Keynesianern (II, 1.2.1); direkte operationalisierbare Konsequenzen hat sie indes kaum30. Auch empirisch bedeutsam dagegen ist der Gleichgewichtswert „freiwilliger" Arbeitslosigkeit, welcher unter dem Begriff „natürliche Arbeitslosenquote" auch wirtschaftspolitisch einflußreich geworden ist (II, 1.2.2).

1.1 Pragmatische Ansätze

1.1.1 Die traditionelle Unterscheidung von saisonaler, friktioneller, struktureller und konjunktureller Arbeitslosigkeit Eine traditionsreiche pragmatische Gliederung der Arbeitslosigkeit ist die in saisonale, friktioneile, konjunkturelle und strukturelle (vgl. Lampert 1979 b, Maneval 1977a). Saisonale Arbeitslosigkeit entsteht daraus, daß der Produktionsablauf in bestimmten Wirtschaftsbereichen starken klimatischen, traditionell oder institutionell bedingten Schwankungen unterliegt, die — sofern sie nicht durch Überbrückungsmaßnahmen wie Produktion auf Lager oder Arbeitszeitvariation abgefangen werden — zu vorübergehenden Freisetzungen führen. Friktions- oder Fluktuationsarbeitslosigkeit ergibt sich, sofern Arbeitsstellenwechsel nicht nahtlos vor sich gehen, sondern eine gewisse kurze Zeit30 " . . the distinction between "voluntary" and "involuntary" unemployment while important conceptually as a basis for the Keynesian system of analysis, has not proved to have any practical significance, either in terms of statistical measurement or in terms of targets or objectives" (Kahn 1976, S. 27).

1 Theoretische Klassifizierungen der Arbeitslosigkeit

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spanne zur Abwicklung benötigen. Auch eine kurze Suchperiode beim (Wieder)eintritt in das Erwerbsleben wird als friktionell angesehen. Strukturell ist jene Arbeitslosigkeit, die sich trotz quantitativ ausreichendem Stellenangebot aus der qualitativen Nicht-Übereinstimmung („mis-match") von Arbeitsangebot und Arbeitsnachfrage in beruflicher, qualifikatorischer oder regionaler Hinsicht ergibt. Arbeitskräfte bzw. Arbeitsplätze sind hier zu wenig mobil bzw. flexibel, um die Ungleichgewichte auf den Teilmärkten zu überwinden. Konjunkturelle Arbeitslosigkeit schließlich bezeichnet jene Arbeitslosigkeit, die auf einen generellen Nachfragemangel am Güter- und Arbeitsmarkt zurückgeht. Der Begriff impliziert, daß es sich um ein mittelfristiges, aber vorübergehendes Phänomen handelt, das im Aufschwung von selbst wieder verschwindet. Muß mit längerfristig schwachem Wirtschaftswachstum gerechnet werden, wird dieser nachfragebedingte Typ von Arbeitslosigkeit auch als „growth-gap unemployment" bezeichnet. Die hier gegebenen knappen Charakterisierungen der einzelnen Typen von Arbeitslosigkeit treffen zwar den Kern der beträchtlich voneinander abweichenden Verwendungen dieser Begriffe in der Literatur, decken aber keinesfalls den vollen, oft recht schillernden Begriffsinhalt ab. Am eindeutigsten ist wohl noch der Typ der saisonalen Arbeitslosigkeit. Friktionelle und konjunkturelle Arbeitslosigkeit sind schon weniger leicht faßbar; völlig unterschiedlich wird der Begriff der „strukturellen" Arbeitslosigkeit gebraucht. Solow 1983, S. 124, nennt (zumindest) drei Ökonomengruppen mit sonst recht disparaten Vorstellungen, die dazu tendieren, besonders viel „Strukturelles" in der Arbeitslosigkeit zu sehen. „ . . . naive people of good will who simply cannot see unemployment as reflecting anything more complex than the characteristics of the unemployed; apocalyptic people who like to think that the economic system as we know it has exhausted its adaptive power and requires, at last, some fundamental reform; conservative people who really do not care much about unemployment but want to resist the tendency toward expansionary policy activism that prolonged unemployment might bring." Im Folgenden soll etwas ausführlicher auf die verschiedenen Begriffsbedeutungen von struktureller Arbeitslosigkeit eingegangen werden. Die Unterscheidung zwischen struktureller und konjunktureller Arbeitslosigkeit wird auch heute noch z.T. von den Standpunkten geprägt, wie sie in der amerikanischen Strukturalistendebatte zu Beginn der sechziger Jahre zwischen dem keynesianisch-„konjunkturalistischen" Council of Economic Advisers und den „Strukturalisten" (Myrdal, Killingworth u.a.) formuliert

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II. Teil: Erklärende Indikatoren

wurden. Das in dieser Debatte zum Ausdruck kommende, „traditionelle" Verständnis von struktureller Arbeitslosigkeit kann an Hand folgender fünf Punkte (siehe Hardes 1977, S. 77 ff) charakterisiert werden: (1) Die Ursache liegt nicht in einem Mangel an gesamtwirtschaftlicher Nachfrage, sondern in sektoralen, qualifikationsmäßigen oder regionalen Profildiskrepanzen von Arbeitsnachfrage und Arbeitsangebot. Von der Arbeitsnachfrageseite her können solche Abweichungen dadurch hervorgerufen werden, daß sich die Struktur der heimischen Endnachfrage verschiebt, daß sich die Produktivitätsfortschrittsraten in den einzelnen Branchen unterschiedlich entwickeln oder daß die internationale Konkurrenzsituation Umstellungen bedingt. Angesichts des größer gewordenen Gewichts dauerhafter und nicht-essentieller Güter werden solche „launenhafte" Nachfrageumschwünge, verstärkt noch durch oligopolistische Neuerungskonkurrenz, heute immer wichtiger (Rothschild 1978 b). Von der Angebotsseite her können berufliche Fehlqualifizierung oder das massive Einströmen bestimmter Gruppen, die nur auf einem engen, wenig durchlässigen Teilarbeitsmarkt unterkommen können, zu Profildiskrepanzen führen. (2) Die Arbeitslosigkeit ist bei bestimmten Personengruppen konzentriert. In den USA waren das zur Zeit der Strukturalistendebatte hauptsächlich ältere, wenig qualifizierte blue-collar-Arbeiter in traditionellen Industrieberufen und -regionen. Welches die Problemgruppen sind, kann indes nicht allgemein angegeben werden: manchmal sind nur einzelne Berufe oder Regionen betroffen, oft aber auch größere demographische Gruppen wie Jugendliche, Ältere, Farbige, Ausländer oder Frauen. (3) In einem vollkommenen Markt wäre zu erwarten, daß Strukturänderungen Änderungen der Lohnrelationen auslösen und sich die Beschäftigung rasch anpaßt. In der Realität existieren aber natürlich Teilmarktbedingungen ι, die einen Ausgleich von Arbeitsangebot und -nachfrage erschweren (vgl. auch Görgens 1981, S. 89 ff): Die Lohndifferentiale können zu gering sein, um einen Arbeitsplatzwechsel zu induzieren. Die Arbeitskräfte sind eventuell über die Arbeitsmarktbedingungen anderswo nur unvollständig oder gar nicht informiert oder die Kosten der Mobilität (Umschulung, Wohnortwechsel) sind zu hoch. Umgekehrt können auch die Anreize, Arbeitsstätten in Problemgebiete zu verlagern oder in ihrer Ausstattung den vorhandenen Arbeitskraftreserven anzupassen, unzureichend sein. Auf jeden Fall brauchen die Mobilitäts- bzw. Flexibilitätsprozesse Zeit. Wenn sie eine gewisse Dauer überschreiten, wird man die daraus resultierende Arbeitslosigkeit als „strukturell" qua-

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lifizieren; die Übergänge zur friktionellen Arbeitslosigkeit sind hier fließend. (4) Wirtschaftspolitisch erfordert strukturelle Arbeitslosigkeit selektive Maßnahmen der Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Regionalpolitik. Anzumerken ist, daß die „Konjunkturellsten" die Sinnhaftigkeit und Notwendigkeit solcher Maßnahmen natürlich nicht bestreiten, aufgrund ihrer Diagnose, daß die Arbeitslosigkeit häuptsächlich einem Mangel an effektiver Gesamtnachfrage zuzuschreiben sei, aber der Globalsteuerung Vorrang einräumen. (5) Die Dauer der Arbeitslosigkeit ist mittel- bis langfristig. Die Arbeitslosen werden als ein starrer Block von Personen angesehen, deren (Wieder)eingliederung in den Produktionsprozeß (sehr) lange Zeit in Anspruch nimmt („stagnant pool "-Sicht). Präziser könnte der hier ins Auge gefaßte Typ von „struktureller" Arbeitslosigkeit als „Strukturwande/arbeitslosigkeit" (Freiburghaus 1978, S. 29) bezeichnet werden. Strukturwandel per se ist allerdings immer nur eine potentielle Ursache, nicht aber notwendiger Auslöser von Arbeitslosigkeit. Riesige Strukturumschichtungen wie die Abwanderung aus der Landwirtschaft nach dem 2. Weltkrieg wurden in vielen Ländern — bei kräftigem Wirtschaftswachstum — relativ friktionsarm bewältigt. Üblicherweise gehen florierende Konjunktur und rascher Strukturwandel Hand in Hand. Bei dieser Konstellation gibt es dann aber auch genügend expandierende Bereiche, in denen anderswo Freigesetzte unterkommen können. Dennoch bestehenbleibende Herde von Arbeitslosigkeit können so relativ leicht als „strukturell" identifiziert werden. In der Rezession dagegen sinkt im allgemeinen der Strukturwandelbedarf, gleichzeitig wird aber auch bei stagnierender oder rückläufiger Beschäftigung in den meisten Sparten die Anpassungsfähigkeit zurückgehen. Die empirische Aussonderung einer „strukturellen" Komponente in der Arbeitslosigkeit wird zusehends schwieriger. Dadurch, daß die Rezession verschiedene Berufe und Regionen in unterschiedlicher Weise erfaßt und/oder durch eine selektive Einstellungs- und Entlassungspraxis der Unternehmen können sich Strukturen der Arbeitslosigkeit ergeben, die die Arbeitslosigkeit fälschlicherweise als „strukturell" erscheinen lassen. Insbesondere das Kriterium, daß bei „struktureller Arbeitslosigkeit" den Arbeitslosen eines Teilmarkts in anderen Teilmärkten unbesetzte Arbeitsplätze korrespondieren müssen, ist dann meist nur noch für einen (sehr) kleinen Teil der Arbeitslosigkeit erfüllt. Die vielfach bestätigte Beobachtung, daß sich bei länger andauernder konjunktureller Arbeitslosigkeit die Struktur der Arbeitslosen zulasten be-

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II. Teil: Erklärende Indikatoren

stimmter Gruppen verschiebt, wird in Absetzung zur „strukturellen" Arbeitslosigkeit dagegen besser als „Strukturalisierung 44 der konjunkturellen Arbeitslosigkeit bezeichnet. Die Vorstellung von struktureller Arbeitslosigkeit als Dauerarbeitslosigkeit eines harten Kerns schwer beschäftigbarer Personen kam Anfang der siebziger Jahre von empirischer Seite her unter Beschuß. Die stärkere Beachtung der Bewegungsgrößen (flows) und ihre quantitative Messung (vgl. dazu die ausführliche Darstellung in Abschnitt I, 1.1.2) ergab, daß die Problemgruppen keineswegs durch besonders lange Arbeitslosigkeit gekennzeichnet sind. Vielmehr ist ihr überdurchschnittliches Zugangsrisiko für die höheren Arbeitslosenquoten ausschlaggebend, während die durchschnittliche Dauer kaum von der anderer Gruppen abweicht. Unabhängig davon, ob dieser Befund nun suchtheoretisch-neoklassisch als freiwilliges, rationales Verhalten oder segmentationstheoretisch als pathologische Instabilität gedeutet wird, wird diese bei bestimmten Gruppen konzentrierte Arbeitslosigkeit aufgrund hohen Turnovers ebenfalls oft als „strukturell" bezeichnet. Im Gegensatz zu der in der Strukturalistendebatte im Vordergrund stehenden Frage, inwieweit eine Veränderung, insbesondere Erhöhung, der gesamtwirtschaftlichen Arbeitslosigkeit „strukturellen4 4 Ursachen zuzuschreiben sei, geht es hier um das Phänomen permanent bestehender Divergenzen in den Arbeitslosenquoten verschiedener demographischer Gruppen (Hardes 1977, S. 97). In der suchtheoretischen Variante nähert sich dieser Begriff von „struktureller 44 Arbeitslosigkeit dem der weiter unten (II, 1.2) behandelten „freiwilligen44 an; im Gleichgewicht bezeichnet sie die neben einer „Friktionskomponente44 ebenfalls bestehende „Strukturkomponente44 der „natürlichen44 Arbeitslosigkeit. Zur wirtschaftspolitischen Bekämpfung, soweit sie überhaupt als notwendig erachtet wird, werden arbeitsmarktpolitische Sondermaßnahmen für die betroffenen Gruppen empfohlen, keineswegs aber irgendwelche allgemeinen Expansionsprogramme, ein typisches Beispiel also, wie Solows „conservative people44 Strukturarbeitslosigkeit verstehen. Mehr in die Apokalyptiker-Richtung à la Solow weisen die segmentierungstheoretischen Deutungen dieser bei bestimmten Gruppen konzentrierten Arbeitslosigkeit. Mit der Betonung außerökonomischer, ideologischer, rechtlicher und soziologischer Kategorien wird hier das Hauptaugenmerk auf den Ungleichheit generierenden Verteilungs- und Zuordnungsprozeß der Arbeitslosigkeit auf diese Gruppen gelegt. Schmid 1980 führt, um diesen Typ gegenüber der an einem bloß technisch-statistischen Strukturbegriff gemessenen „strukturellen Arbeitslosigkeit44 zu differenzieren, dafür den Terminus „strukturierte Arbeitslosigkeit" ein. Diese könnte dann

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nur durch eine tiefgreifende Reform der gesamten Arbeitspiaizstruktur in Richtung von mehr stabilen, befriedigenden Arbeitsplätzen im „primären" Sektor und den Abbau von Diskriminierung bekämpft werden. Keynesianische Globalsteuerung könnte, sofern sie längerfristig angelegt ist, mehr Eintrittsstellen im primären Sektor schaffen; kurzfristig konzipierte Nachfragepolitik allerdings würde wahrscheinlich kaum zu einer Ausdehnung der „guten Jobs", die nur schwer wieder abgebaut werden könnten, führen. Angesichts der oben (Abschnitt I, 1.1.2) behandelten, neu etablierten „langen Sicht" des Arbeitsmarktes durch Clark—Summers, Akerlof— Main u.a. ist allerdings auch die hier skizzierte „kurze Sicht" struktureller Arbeitslosigkeit wieder ins Wanken geraten. Stagnant-pool- und LaborTurnover-Sicht könnten durchaus nebeneinander zutreffend sein. 1.1.2 „Neue strukturelle

Arbeitslosigkeit"

und Arbeitsplatzlücke

Neben den im vorigen Abschnitt skizzierten Bedeutungen des Begriffs „strukturelle Arbeitslosigkeit" wurde dieser Terminus immer auch für jene Arbeitslosigkeit verwendet, die entsteht, wenn der Kapitalstock in einer Wirtschaft zu klein ist, um alle Arbeitskräfte zu beschäftigen. Für Entwicklungsländer gilt diese Form „struktureller Arbeitslosigkeit" als typisch. Neuerdings wird dieses Phänomen zunehmend auch für entwickelte Länder behauptet. Der deutsche Sachverständigenrat etwa schreibt in seinem Jahresgutachten 1976/77, Tz. 111: „Vorhandene Arbeitsplätze werden nicht erkennbar mühsamer besetzt als früher. Die entscheidende Frage ist damit aber nicht beantwortet. Sie lautet: Gibt es Anzeichen dafür, daß die Menge der angebotenen Arbeitsplätze gegenwärtig und in der Zukunft zu gering ist, um wieder zu Vollbeschäftigung zu kommen?" Diese Frage wird vom Sachverständigenrat affirmativ beantwortet: auch bei einem Wiederaufschwung, wird angenommen, könnte nur ein kleiner Teil der Arbeitslosen auf vorhandenen, aufgrund der Rezession vorübergehend unbesetzten Arbeitsplätzen beschäftigt werden — diese Arbeitslosen werden als „konjunkturell" arbeitslos angesehen —, für den Großteil der Arbeitslosen aber würden Arbeitsplätze fehlen; sie werden als „strukturell" arbeitslos bezeichnet. Die Entstehung einer solchen Arbeitsplatzlücke („capital shortage") wird von Autoren des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (Fels 1977 a, Fels 1977 b, Schatz 1976, Soltwedel 1977, Fels—Weiss 1978) für die BRD 31 damit erklärt, 31 Für die Niederlande haben Den Hartog—Tjan 1976 im Rahmen eines vintage-Modells ebenfalls eine Arbeitsplatzlücke ermittelt, die sie auf ein überhöhtes Lohnniveau zurückführen.

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II. Teil: Erklärende Indikatoren

daß sich in den sechziger Jahren durch die Unterbewertung der DM und den Gastarbeiterimport Produktionsstrukturen herausgebildet hätten, die dann infolge der abrupten und starken Aufwertung der DM nach 1973 sowie der gestiegenen Exportkapazitäten der Schwellenländer und einer durch Gewerkschaftsmacht, Mindestlohngesetzgebung, Sozialversicherung etc. generell gesunkenen Flexibilität, Schocks zu absorbieren, nicht mehr konkurrenzfähig waren. Gleichzeitig wird ein unzureichendes Niveau der Investitionen konstatiert, das darauf zurückgeführt wird, daß bei raschem Strukturwandel die neuen, lohnenden Anlagefelder nicht genügend bekannt oder aufgrund von schwachen Renditen nicht genügend attraktiv sind und/oder zu hohe Reallöhne eine investitionshemmende Gewinnkompression bewirkt hätten. Insgesamt ergibt sich somit, daß mehr Arbeitsplätze vernichtet wurden als neue entstanden. Kritik am Konzept der capital-shortage-Arbeitslosigkeit kommt aus zwei Richtungen: (a) Eine extrem neoklassische Position, wie sie z.B. der Sachverständigenrat noch in seinem Jahresgutachten 1975/76 bezogen hat, behauptet, daß der Kapitalstock jede beliebige Menge von Arbeit beschäftigen könne, wenn nur die Faktorpreisflexibilität genügend groß ist. In dieser Sicht kommt es weniger auf die Investitionen bzw. das Niveau des Kapitalstocks an als auf die Lohnhöhe: „Wenn die Löhne hoch sind und ebenso wenn hohe Lohnsteigerungen erwartet werden — werden viele Unternehmen versuchen, den Kapitaleinsatz zu intensivieren... Trotz hoher Investitionssumme im ganzen bleibt dann auf die Dauer ein Teil der Arbeitnehmer ohne Arbeitsplatz. ... Anders bei nicht so teurer Arbeitskraft: die durchschnittliche Kapitalintensität nimmt weniger zu. Eine vergleichsweise niedrige Investitionssumme reicht aus, für alle Arbeitskräfte einen Arbeitsplatz zu sichern. ... Weil die Entwicklung der Kapitalintensität, wie wir sie uns nach dem Trend der Vergangenheit vorstellen mögen, keineswegs zwangsläufig ist, kann aus einer dauerhaft gesunkenen Investitionsquote allein nicht geschlossen werden, Vollbeschäftigung könne nur bei einem bestimmten Wiederansteigen der Investitionsquote zurückgewonnen werden." (Tz. 300, 301). (b) Für ein keynesianisches Verständnis ist strukturelle Arbeitslosigkeit im capital-shortage-Sinn in entwickelten Ländern eher unwahrscheinlich: für oligopolistische Firmen sind im Gegenteil gerade beträchtliche Überschußkapazitäten typisch wie überhaupt das System fortgeschrittener kapitalistischer Industriestaaten als nachfragebeschränkt („demand-constrained") im Gegensatz zu den ressourcenbeschränkten

1 Theoretische Klassifizierungen der Arbeitslosigkeit

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(„resource-constrained") Systemen der sozialistischen und Entwicklungsländer charakterisiert werden kann (Kornai 1980). Dennoch wird in Deutschland auch von eher keynesianisch ausgerichteten Institutionen wie dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Berlin, oder dem Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut des Deutschen Gewerkschaftsbundes (WSI), Düsseldorf, die These von der Arbeitsplatzlücke vertreten32 (DIW 1977, WSI 1983). Aufgrund der langanhaltenden Investitionsschwäche sei das Arbeitsplatzpotential so weit geschrumpft, daß auch bei normaler Ausnutzung der vorhandenen Arbeitsplätze ein Sockel von Arbeitslosen verbliebe, für die kein Arbeitsplatz besteht. Eine zunächst konjunkturelle Unterbeschäftigung sei so in ein Arbeitsplatzdefizit umgeschlagen. Die wirtschaftspolitischen Schlußfolgerungen, die aus dem Vorliegen einer Arbeitsplatzlücke gezogen werden, sind uneinheitlich. Auf lange Sicht — und darin stimmen alle Anhänger des Konzepts überein — gilt es, die Lücke durch vermehrte Investitionen zu schließen. Von der Kieler Schule und vom Sachverständigenrat wird aber auch kurzfristig, i.e. zur besseren Auslastung der vorhandenen Kapazitäten und zum Abbau der „konjunkturellen" Arbeitslosigkeit, einzig ein Anstieg der Investitionen als geeignetes und legitimes Mittel betrachtet. Höhere Auslastung mittels anderer Nachfragekomponenten dagegen würde die „falsche Verwendungsstruktur" des Sozialprodukts, welche in der Arbeitsplatzlücke ihren Ausdruck findet, gerade perpetuieren. Diese Argumentationsfigur ist ein wichtiger Baustein bei der Begründung der von der Kieler Schule und vom Sachverständigenrat empfohlenen angebotsseitigen Stimulierung der Investitionen. Wenn man hingegen wie die mehr keynesianisch ausgerichteten Anhänger der Theorie der Arbeitsplatzlücke eine Erhöhung der nicht-investiven Nachfragekomponenten nicht als eine Perpetuierung einer „falschen Verwendungsstruktur" des Sozialprodukts ansieht, sondern vielmehr als Mittel zur Verbesserung der Auslastung der vorhandenen Kapazitäten und zur Stabilisierung der Absatz- und Ertragserwartungen, wodurch zusätzliche Investitionen induziert werden (können), so kann die anfängliche Zusatz-Nachfrage ebensowohl vom Staat, Konsum oder Export kommen wie von den Investitionen selbst. Die letztere Möglichkeit ist aber — solange die Sachkapazitäten nur schwach ausgenützt sind — eher unwahrscheinlich und eine bloß angebotsseitige Stimulation der Investitionen wird diese auch nicht autonom „anspringen" lassen. Aus der bloßen Konstatierung einer Arbeitsplatzlücke lassen sich also recht unterschiedliche Politikempfehlungen ableiten, insbe32 Das DIW hat Arbeitsplatzpotentialrechnungen sogar schon vor dem Sachverständigenrat angestellt.

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sondere in bezug darauf, wie der Investitionsattentismus, der sie herbeigeführt hat, überwunden werden könnte. Insofern als das Konzept folgenlos und beliebig bleibt, ist es allerdings auch uninteressant. Die empirische Messung einer etwaigen Arbeitsplatzlücke scheint aber schon aufgrund des hohen Stellenwerts, den das Konzept in der wirtschaftspolitischen Diskussion einnimmt, nicht unwichtig. Die quantitative Bestimmung des Ausmaßes bzw. auch nur der Nachweis der Existenz einer Lücke bereitet jedoch enorme Schwierigkeiten, wie in II, 2.4 gezeigt wird. 1.1.3 Technologische Arbeitslosigkeit Von manchen Autoren (z.B. Hardes 1977) wird die technologische Arbeitslosigkeit der strukturellen Arbeitslosigkeit zugerechnet mit der Begründung, daß die technologische Entwicklung eine wichtige Triebkraft des Strukturwandels darstellt: in der Tat bewirken différentielle Produktivitätsentwicklungen oder von Produktinnovationen ausgelöste Nachfrageveränderungen Verschiebungen in den sektoralen Beschäftigungsmöglichkeiten und erzeugen einen Anpassungsbedarf; wenn dieser nicht sofort/voll gedeckt werden kann, entsteht daraus technologisch verursachte „strukturelle Arbeitslosigkeit". Vorausgesetzt werden muß bei diesem engen Verständnis „technologischer" Arbeitslosigkeit allerdings, daß wirklich nur qualitative Diskrepanzen zwischen Arbeitsangebot und -nachfrage auftreten, und nicht auch gleichzeitig ein globales Defizit an Arbeitsplätzen besteht. Genau dieser globale Mangel an Arbeitsplätzen steht im Zentrum weiterreichender Begriffe von technologischer Arbeitslosigkeit. In der Identitätsbeziehung, wonach die Wachstumsrate des Sozialprodukts (y) gleich ist der Summe aus Wachstumsrate der Erwerbstätigen (e) plus Wachstumsrate der Beschäftigtenproduktivität (pm), kann technologische Arbeitslosigkeit als Überschuß in der Produktivitäts- gegenüber der Produktionsentwicklung gesehen werden mit den entsprechenden negativen Konsequenzen für die Beschäftigung. In dieser Sichtweise ist technologische Arbeitslosigkeit allerdings ununterscheidbar von längerfristiger nachfragebedingter Arbeitslosigkeit, welche auch growth-gap unemployment oder Stagnationsarbeitslosigkeit genannt wird. Um den Begriff zu schärfen, wird daher manchmal für technologische Arbeitslosigkeit verlangt (z.B. Welsch 1982, Hagemann—Kalmbach 1983 b), daß sich die Schere zwischen Produktivität und Produktion nicht durch nachlassendes y, sondern durch zunehmendes pm öffnet. Die steigende Arbeitslosigkeit in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre, welche in

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vielen Ländern typischerweise von einem Rückgang der Produktivitätsfortschrittsraten, allerdings bei noch stärker zurückgehenden Wachstumsraten des Sozialprodukts, begleitet war bzw. dadurch hervorgerufen wurde, kann demnach nicht als technologische Arbeitslosigkeit klassifiziert werden. Ein viel weitergehender Begriff von technologischer Arbeitslosigkeit wird in mehreren Studien des Ifo-Instituts, München, verwendet (Scholz 1980, 1982). „Notwendige Voraussetzung für eine technologische' Arbeitslosigkeit ist, daß sich ein technischer Wandel vollzieht, der auf gesamtwirtschaftlicher Ebene per saldo eine Arbeitsplatzvernichtung nach sich zieht. Diese Voraussetzung impliziert einen Mangel an arbeitsplatzschaffenden technologischen Innovationen. Aber diese Voraussetzung ist nicht hinreichend für das Eintreffen einer technologischen' Arbeitslosigkeit. Hinzukommen muß ein Mangel an kompensatorisch wirkenden, realisierbaren arbeitsplatzschaffenden Sozial-Innovationen oder Steuerungsdefizite im politischsozialen Umfeld, die den technologischen Produktivitätsfortschritt beeinflussen (z.B. in Form von Rationalisierungs-Schutzabkommen) oder das Arbeitskräfteangebot verringern (z.B. durch Arbeitszeitverkürzung).' ' (Scholz 1982, S. 61). So verdienstvoll die Einbeziehung sozialer und politischer Dimensionen in den Begriff der technologischen Arbeitslosigkeit auch ist, so verliert er dadurch doch auch an fester Kontur und wird empirisch inhaltsleer. Wie wichtig die Diagnose und mehr noch die Prognose technologischer Arbeitslosigkeit für die Wirtschaftspolitik ist, liegt auf der Hand. Das Hauptproblem ihrer empirischen Messung liegt darin, daß zwar — mehr oder weniger stringent — die freisetzenden Wirkungen des technischen Fortschritts erfaßt werden können, bei den kompensierenden Outputsteigerungen aber kaum entschieden werden kann, inwiefern sie Folgewirkungen des technischen Fortschritts sind oder andere Ursachen haben. In Kapitel II, 2.5 sollen einige gesamtwirtschaftlich ausgerichtete Methoden zur Messung technologischer Arbeitslosigkeit, insbesondere die sogenannten „Freisetzungsrechnungen" näher behandelt werden.

1.2 Freiwillige versus unfreiwillige Arbeitslosigkeit

1.2.1 Theoretische Begründungen der beiden Konzepte Die Unterscheidung von freiwilliger und unfreiwilliger Arbeitslosigkeit hat einen bedeutsamen Platz in der ökonomischen Dogmengeschichte. In der neoklassischen Standarderklärung ist alle über ein unvermeidliches Mi-

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nimum friktioneller und saisonaler Arbeitslosigkeit hinausgehende Arbeitslosigkeit insofern individuell oder kollektiv freiwillig verursacht, als an einem nicht-markträumenden Preis, i.e. hier der Reallohn, festgehalten und somit die immanente Tendenz zum Gleichgewicht blockiert wird. „In one sense all unemployment could be regarded as voluntary because there is some wage level at which almost any individual could price himself into a job." (Brittan 1975, S. 35). Oder: „Ein mehr als nur zeitweiliges Überangebot am Arbeitsmarkt muß also mit einem zu hohen Lohn zu tun haben", wie es in der apodiktischen Sprache des deutschen Sachverständigenrates (Jahresgutachten 1977/78, Tz. 297) heißt. Staatliche Mindestlohnregelungen, tarifliche und gesetzliche Bestimmungen für spezielle Gruppen (z.B. für Frauen und Jugendliche), die zu einer im Vergleich mit ihrer Produktivität überhöhten Entlohnung führen, sowie ein generös ausgebautes System sozialer Sicherung, das ein überzogenes Lohnanspruchsniveau fördere, werden als mögliche Verursachungen solcher „Mindestlohnarbeitslosigkeit" angegeben (vgl. kritisch zu den verschiedenen Facetten des Konzepts: Görres 1981). Die Gegenposition ist bekanntlich Keynes' Konzept der „unfreiwilligen Arbeitslosigkeit". „Men are involuntarily unemployed if, in the event of a small rise in the price of wage-goods relatively to the money-wage, both the aggregate supply of labour willing to work for the current money-wage and the aggregate demand for it at that wage would be greater than the existing volume of employment." (Keynes 1936, S. 15). Diese vielzitierte, formale Definition enthält zwar viel für die Keynessche Position Charakteristisches, insbesondere die im Zuge der Überwindung der unfreiwilligen Arbeitslosigkeit stipulierte Reallohnsenkung, welche ausdrücklich nur über den Weg eines steigenden Preisniveaus, nicht jedoch sinkender Nominallöhne zugelassen wird (vgl. auch Leijonhufvud 1968, S. 94 f, Hines 1976), enthält aber gerade die essentielle These, daß die Preiserhöhung der Lohngüter im Zuge einer Ausweitung der effektiven Nachfrage erfolgt, nur implizit. Ausreichend, und in einem gewissen Sinn „keynesianischer", wäre folgende losere Begriffsbestimmung unfreiwilliger Arbeitslosigkeit: „If the propensity to consume and the rate of new investment result in a deficient effective demand, the actual level of employment will fall short of the supply of labour potentially available at the existing real wage, and the equilibrium real wage will be greater than the marginal disutility of the equilibrium level of employment." (Keynes 1936, S. 30). Eine gewisse Präzisierung der Arbeitslosigkeitskonzepte und eine Vereinheitlichung des Begriffsrahmens, in dem diskutiert werden kann, welche Konstellationen welchen Typus von Arbeitslosigkeit implizieren, wurde

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durch die Ungleichgewichtstheorie (Barro— Grossman 1971, Malinvaud 1977, Gerfin 1978, Rothschild 1981) ermöglicht. Wir beschränken uns hier auf die einfachste Version, die nur den Güter- und Arbeitsmarkt berücksichtigt; Preise und Löhne werden als starr angenommen, die Mengen reagieren unverzögert. Arbeitslosigkeit kann dann immer als Angebotsrationierung auf dem Arbeitsmarkt, i.e. ein Zurückbleiben der „effektiven" Nachfrage nach Arbeit hinter dem „notionalen", d.h. potentiellen Angebot, aufgefaßt werden. „Keynesianisch" ist diese Arbeitslosigkeit, wenn auf dem Gütermarkt ebenfalls Angebotsrationierung herrscht, d.h. die Nachfrage als „kürzere Marktseite" die tatsächlich getätigten Transaktionen bestimmt. In diesem Fall ist auf dem Arbeitsmarkt der ohne Rationierung als gültig angesehene inverse Zusammenhang zwischen Reallohn und Arbeitsnachfrage aufgehoben, die Arbeitsnachfrage wird — (in einem weiten Bereich) unabhängig vom Reallohn — der unzureichenden Güternachfrage angepaßt. Für einen Abbau der Arbeitslosigkeit muß die Gütermarktbeschränkung gelockert bzw. überwunden werden; eine Veränderung des Reallohns ist dabei nicht notwendig. Klassische Arbeitslosigkeit liegt vor, wenn auf dem Gütermarkt Übernachfrage herrscht. Die Unternehmen könnten zwar mehr verkaufen, aufgrund eines zu hohen Reallohns werden aber nicht mehr Arbeiter eingestellt. Eine Senkung des Reallohns ist hier das angebrachte Rezept zur Überwindung der Arbeitslosigkeit. Die Original-Keynessche Version der „unfreiwilligen Arbeitslosigkeit", wie sie in dem oben angegebenen Zitat „Men are involuntarily unemployed ..." zum Ausdruck kommt, kann in dieser Sichtweise als eher komplizierter Grenzfall zwischen „keynesianischer" und „klassischer" Arbeitslosigkeit gedeutet werden (vgl. Ötsch 1981, S. 173 ff, Walther 1982, S. 154 ff): Der Gütermarkt ist stets geräumt, wenngleich auf einem Niveau unter dem walrasianischen Gleichgewicht. Die grenzproduktivitätstheoretisch bestimmte, „notionale" Arbeitsnachfragefunktion der Unternehmen ist damit aufrecht, so daß die vom Gütermarkt her limitierte Beschäftigung gleichzeitig auch mit einem zu hohen Reallohn verbunden ist. Aufgelöst werden kann diese Konstellation indes nur durch Nachfrageexpansion am Gütermarkt, in deren Gefolge dann auch das Preisniveau steigt und der Reallohn auf sein Gleichgewichtsniveau zurückgeht. Der Kern der Unterscheidung zwischen Keynes und (Neo)klassik liegt auch ungleichgewichtstheoretisch darin, daß im ersten Fall (Gütermarkt)nachfragemangel, im zweiten ein überhöhter Reallohn die Grundur8 Riese

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II. Teil: Erklärende Indikatoren

sache von Arbeitslosigkeit ist. Synonym zu „freiwillig 4'/„unfreiwillig 44 und „klassisch4'/„keynesianisch44 wird daher auch von „lohnbedingter44 versus „nachfragebedingter" Arbeitslosigkeit gesprochen33. Ein von der bisherigen Definition abweichendes, engeres Konzept „freiwilliger" Arbeitslosigkeit vertritt die „Neue MikroÖkonomie" (Phelps et al. 1970, Mortensen 1970, Lucas—Rapping 1970, kritisch dazu Rothschild 1978 a, Ötsch 1981, S. 49 ff). Zunächst will sie zeigen, daß auch bei (Arbeits)marktgleichgewicht Arbeitslosigkeit auftritt. Arbeitslosigkeit wird aufgefaßt als vorübergehende Spezialisierung auf die „Produktion" von Information, welche aufgrund der Spezialisierungsvorteile besser oder ausschließlich „off the job" ausgeführt werden kann. Angesichts der Heterogenität der Arbeitsplätze und der nur unvollkommenen Information darüber ist eine solche Spezialisierung durchaus sinnvoll; das Ausmaß der Informationsproduktion wird nach einem strengen Rationalkalkül bestimmt. Die „Neue MikroÖkonomie" wendet diese Begründung aber nicht nur für die Erklärung friktioneller Arbeitslosigkeit an, wofür sie durchaus brauchbar sein könnte, sondern erklärt prinzipiell jedes Niveau von Arbeitslosigkeit nach demselben Schema: Die „intertemporale Substitutionshypothese" nach Lucas—Rapping 1970 deutet jede Schwankung von Beschäftigung und Arbeitslosigkeit als bloße Variation im Arbeitsangebot aufgrund temporär hoher bzw. niedriger Löhne. Bei Phelps 1970 b, Mortensen 1970 u.a. können die Arbeitsanbieter wegen mangelnder oder unvollkommener Information bei sich ändernden Marktverhältnissen nicht entscheiden, ob es sich nur um lokale auf ihren Bereich (Teilmarkt) beschränkte oder um globale die ganze Wirtschaft erfassende Störungen handelt. Um das herauszufinden, produzieren sie vorübergehend zu wenig (bei unerwartet steigenden Preisen) oder zu viel (bei nicht antizipierten sinkenden Preisen) von dem Gut „Information", langfristig spielt sich allerdings wieder das gleichgewichtige, „natürliche" Niveau ein. Die Kontroversen zwischen Keynesianern und Neoklassikern wogen seit nunmehr einem halben Jahrhundert in unverminderter Heftigkeit. Die Ungleichgewichtstheorie schien manchen zunächst ein Weg zurück zur „unité des doctrines" (Landmann 1976). Wie wenig ihre „UngleichgewichtsGleichgewichte44 (Rothschild 1981) allerdings den Geist des Keynesschen Ansatzes erfassen, ist von „fundamentalistischen44 Keynesianern immer wieder bemängelt worden (vgl. Coddington 1976, Hagemann et al. 1981 b). 33 Manche Autoren (z.B. Gerfin 1978, Hagemann 1981, Darity 1981-82) lehnen die Gleichsetzung des Begriffspaars „freiwillig" vs. „unfreiwillig" mit den beiden anderen allerdings ab. Sie reservieren den Begriff der Freiwilligkeit für Situationen der Markträumung und zählen daher auch die „lohnbedingte" Arbeitslosigkeit zur „unfreiwilligen".

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Die logische Unhaltbarkeit einer zentralen Folgerung aus der Ungleichgewichtstheorie, nämlich daß keynesianische Arbeitslosigkeit mit niedrigen und klassiche Arbeitslosigkeit mit hohen Reallöhnen zusammengehe, hat Bhaduri 1983 nachgewiesen. Die „Neue MikroÖkonomie" wiederum hat zwar immer mehr Facetten der Realität in ihr Grundkonzept aufgenommen, es bleibt aber dennoch äußerst fragwürdig, ob sie mehr ist als ein Aufguß der alten Neoklassik mit all ihren Schwächen (Hines 1976). Die enorme Fülle der theoretischen und wirtschaftspolitischen Literatur zu diesen Fragen soll hier nicht weiter behandelt oder resümiert werden. In der vorliegenden Arbeit geht es vielmehr darum, inwiefern die theoretischen Konzepte empirisch umgesetzt werden können. Auch dabei unterscheiden sich das keynesianische und das neoklassische Herangehen in charakteristischer Weise. Für Keynes und seine Nachfolger war es immer offensichtlich, daß neben der im Mittelpunkt des theoretischen und politischen Interesses stehenden unfreiwilligen, „keynesianischen" Arbeitslosigkeit auch noch andere Formen existieren: Kahn 1976 führt mehrere zu verschiedenen Anlässen von Keynes selbst vorgenommene Schätzungen dieser nicht-unfreiwilligen, „normalen" Komponente der Arbeitslosigkeit für Großbritannien an, in denen dieser zu recht hohen Werten kommt: z.B. 800.000 Personen oder 6,5% des Arbeitskräftepotentials für September 1930, zu welchem Zeitpunkt die Gesamtarbeitslosigkeit in Großbritannien 2,3 Mill betrug. In unsystematischer Weise und wechselnder Terminologie führt Keynes die „normale" Arbeitslosigkeit zurück auf: freiwillige Arbeitslosigkeit, friktioneile und saisonale Faktoren, Bodensatzarbeitslosigkeit, „misfits of trade or locality due to lack of mobility" („strukturelle" Arbeitslosigkeit) und „intermittent demand for highly specialised resources'4. (Kahn 1976, S. 22, 29). Neuere systematische Methoden zur quantitativen Schätzung von „nachfragebedingter" oder „unfreiwilliger" Arbeitslosigkeit sowie zu ihrer Abgrenzung gegenüber anderen Formen werden im nächsten Kapitel ausführlich behandelt. Die neoklassische Sicht, insbesondere in der Form der „Neuen MikroÖkonomie", macht eine empirische Unterscheidung der „freiwilligen" im Gegensatz zur „unfreiwilligen" Komponente der Arbeitslosigkeit hinfällig; alle Arbeitslosigkeit ist definitionsgemäß freiwillig. Was hier empirisch bestimmt werden muß, ist das Niveau der gleichgewichtigen oder „natürlichen" Arbeitslosigkeit. Die dazu verwendeten Methoden werden in II, 2.3.2 diskutiert. Zunächst soll aber im folgenden Abschnitt das theoretische Konzept genauer erörtert werden. 8*

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II. Teil: Erklärende Indikatoren

1.2.2 Die „natürliche" Arbeitslosigkeit Die klassische Definition der „natürlichen Arbeitslosigkeit" (natural rate of unemployment, NAR) bei Friedman 1968 lautet: „At any moment of time, there is some level of unemployment which has the property that it is consistent with equilibrium in the structure of real wages. . . . The natural rate of unemployment4, in other words, is the level that would be ground out by the Walrasian system of general equilibrium equations, provided there is imbedded in them the actual structural characteristics of the labor and commodity markets, including market imperfections, stochastic variability in demands and supplies, the cost of gathering information about job vacancies and labor availabilities, the costs of mobility, and so on." Hier wird die „natürliche Arbeitslosigkeit4 4 also als um stochastische Schwankungen und Marktunvollkommenheiten erweitertes WalrasGleichgewicht angesehen. Eine zweite, — nach Auffassung der Monetaristen — äquivalente34 Definition ergibt sich aus der monetaristischen Interpretation der PhillipsKurve. Demnach sei (vgl. Friedman 1968, 1975) anstelle der von Phillips verwendeten Wachstumsrate der Geldlöhne eigentlich die Wachstumsrate der Reallöhne — und zwar jene, die sich ergibt, wenn die erwartete Preisentwicklung eingesetzt wird — mit der Arbeitslosenquote zu korrelieren. In der einfachsten, linearisierten Form also: (11.1)

w - p e = a - bu

mit w Wachstumsrate der Nominallöhne, p e erwartete Preissteigerungsrate, u Arbeitslosenquote und a, b konstante (positive) Parameter. Im Gleichgewicht, wenn die Arbeitslosigkeit ihren „natürlichen44 Wert u* annimmt, kann der Reallohn im Ausmaß des Produktivitätsfortschritts χ wachsen: (11.2)

χ = a - bu*

Wenn die Preise durch einen Prozentaufschlag auf die Lohnstückkosten gebildet werden, d.h. ρ = w - x, wobei ρ die tatsächliche Inflationsrate bedeutet, ergibt sich aus (II.l) und (II.2) (11.3)

ρ - p e = a - bu - (a - bu*) = - b (u - u*)

Die „natürliche Arbeitslosenquote44 kann dann auch gedeutet werden als jene Arbeitslosigkeit, die sich einstellt, wenn die Wirtschaftssubjekte die Preisentwicklung korrekt antizipieren. Aus der Gleichung (II.3) wird auch klar, daß Abweichungen der Arbeitslosigkeit von ihrem Gleichgewichtsni34 Wie in 11,2.3.2 gezeigt wird, ist die Äquivalenz der beiden Defintionen keineswegs unbestritten.

1 Theoretische Klassifizierungen der Arbeitslosigkeit

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veau in dieser Sichtweise nur durch Erwartungsfehler der Wirtschaftssubjekte Zustandekommen. Offen bleibt noch die Frage nach den theoretischen Bestimmungsgründen der Höhe der NAR. Sie sind bei Friedman 1968 nur beispielhaft aufgezählt; seither wurden umfangreiche Versuche gemacht, sie systematischer zu erfassen (z.B. Phelps 1972, Feldstein 1973, Hall 1979, Greenhalgh—Oswald 1983). Es gibt sowohl von Seiten der Betroffenheit als auch von Seiten der Dauer der Arbeitslosigkeit bestimmte Faktoren, die auf die NAR durchschlagen. Eine Verschiebung der Zusammensetzung des Arbeitskräftepotentials in Richtung der Gruppen mit hohem Turnover z.B. führt zu einem Anstieg der NAR. Starke sektorale und regionale Umschichtungen der Arbeitsnachfrage bewirken einen erhöhten Reallokationsbedarf bei den Arbeitskräften und induzieren gestiegenen Turnover und eine höhere NAR (Lilien 1982). Die Dauer der Arbeitslosigkeit wird in der Sicht der „Neuen MikroÖkonomie" wesentlich durch die Such- und Informationskosten bestimmt. Höhere Arbeitslosenunterstützungen beispielsweise reduzieren die Opportunitätskosten der Suche und verlängern die Suchdauer. Effizienzverbesserungen im System der Berufsberatung und Stellenvermittlung hingegen werden die Suchdauer verkürzen. Generell wird die NAR durch Maßnahmen sinken, die die Übersichtlichkeit und Koordination im Arbeitsmarkt erhöhen: von einer besseren Abstimmung des Bildungs- und Beschäftigungssystems aufeinander über Reduktionen von „mismatch"-Arbeitslosigkeit in beruflicher, qualifikatorischer und regionaler Hinsicht bis hin zu einer Wohnungspolitik, die die Mobilität fördert statt hemmt. Kontrovers werden die Auswirkungen des Gewerkschaftseinflusses auf die NAR (vgl. Hardes 1981, S. 36) eingeschätzt: Während z.B. Friedman und Barro 1984 dazu tendieren, einen Zusammenhang zwischen Gewerkschaftsmacht und NAR überhaupt zu verneinen, ist nach Phelps 1972, S. 75, wegen der durch die Gewerkschaften bewirkten verbesserten Information eher eine dämpfende Wirkung auf die NAR zu erwarten. Andere wieder, z.B. Brittan 1982, behaupten eine Erhöhung der NAR durch monopolistisch von den Gewerkschaften hochgehaltene Löhne. Diese These kann auch mit dem Thema überhöhter Arbeitslosenunterstützung kombiniert werden. Greenhalgh—Oswald 1983 beschreiben den Prototyp solcher Modelle folgendermaßen: Die Gewerkschaften setzen für ihre Mitglieder einen über dem Gleichgewicht liegenden Reallohn durch. Die dadurch im Gewerkschaftssektor nicht unterkommenden Arbeitskräfte strömen auf den nicht gewerkschaftlich organisierten Markt. Wenn man davon ausgeht, daß auch dort der Reallohn nicht unter eine bestimmte durch die Arbeitslosen-

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II. Teil: Erklärende Indikatoren

Unterstützung (eventuell plus einem Zuschlag) und/oder Mindestlohnbestimmungen determinierte Höhe sinken kann und diese Marke noch über dem markträumenden Lohnsatz liegt, entsteht Arbeitslosigkeit. Unabhängig von ihrer Plausibilität (können die Gewerkschaften tatsächlich den Reallohn bestimmen? Ist die Arbeitslosigkeit tatsächlich lohn- und nicht nachfragebedingt?) entfernt sich diese besonders unter britischen Konservativen populäre Sicht, wonach auch durch Gewerkschaftsmacht induzierte „klassische" Arbeitslosigkeit „natürlich" sei, allerdings schon ziemlich weit von Friedmans ursprünglichem Konzept (vgl. kritisch Buiter—Miller 1983). Das Konzept der NAR ist wiederholt ausführlicher theoretischer Kritik von Seiten keynesianischer Ökonomen unterzogen worden (z.B. Tobin 1972, Rothschild 1974). Die wichtigsten Einwände seien kurz stichwortartig rekapituliert: Die Annahme, daß Arbeitssuche nur im Zustand der Arbeitslosigkeit möglich oder dann besonders effizient sei, ist keineswegs einsichtig; viele Stellenwechsel finden ohne dazwischenliegende Arbeitslosigkeit statt. Im Gegenteil: Arbeitslosigkeit wird bei der Stellensuche eher als belastendes Merkmal gewertet. Das von der Theorie der Sucharbeitslosigkeit postulierte antizyklische Kündigungsverhalten der Arbeitskräfte konnte empirisch nicht festgestellt werden; die Kündigungsrate verläuft in der Realität eher prozyklisch. Die Annahme, daß der Koeffizient des Preiserwartungsgliedes in der erweiterten Phillipskurve (Gleichung (II.l)) eins beträgt, bringt zum Ausdruck, daß in monetaristischer Sicht letztlich nur der Reallohn ausschlaggebend ist. Dagegen hat die keynesianische Sichtweise immer auf der realen Wirkung nomineller Änderungen insistiert (vgl. z.B. Kregel 1983). „The (original or augmented with price coefficient < 1; M.R.) Phillips curve says that increases in money wages — and more generally, other money incomes — are in some significant degree prized for themselves, even if they do not result in equivalent gains in real incomes." (Tobin 1967, S. 103). Die NARHypothese ist insofern nur eine Wiederauflage des neoklassischen Vorwurfs, daß die keynesianische Rezeptur lediglich aufgrund von „Geldillusion" und daher nur vorübergehend funktioniert. Generell ist die Rolle, die die NAR-Hypothese dem Reallohn als Preis und Regulator des Arbeitsmarktes zudenkt, bei weitem übertrieben. Es existieren keine so klaren Zusammenhänge zwischen Reallohn(steigerung) und Arbeitsangebot wie sie die „Neue MikroÖkonomie" postuliert; vielmehr spielen hier Gewohnheiten, Aspirationsniveaus, Arbeitszufriedenheit, Auf-

1 Theoretische Klassifizierungen der Arbeitslosigkeit

119

stiegschancen und institutionelle Faktoren eine bedeutende Rolle. Überhaupt ist die Vorstellung einer starken und raschen Tendenz zu einem eindeutigen Gleichgewicht angesichts der in der Realität bestehenden oligopolistischen Märkte und Rigiditäten wirklichkeitsfremd. Unabhängig von den konzeptionellen Schwächen wäre eine empirische Messung der NAR aus mindestens zwei Gründen wünschenswert. Zum einen wurde in etlichen Ländern in den letzten Jahren — z.T. mit Erfolg — versucht, die Inflation mittels scharfer restriktiver Geldmengenpolitik zu drosseln. Das Ausmaß der Kosten einer solchen »Disinflationspolitik* kann nur abgeschätzt werden, wenn man weiß, ob bzw. wie sich gleichzeitig die NAR verändert hat. Ist ihr Niveau gestiegen, so erscheinen die Kosten an Arbeitslosigkeit und verlorenem Output geringer. Typisch für eine solche Sichtweise sind die wiederholten Aufwärtsrevisionen der NAR in den Modellen bestimmter Regierungsberater wie P. Minford und seiner Liverpool Group in Großbritannien (vgl. auch Brittan 1982, Buiter—Miller 1983). Zum anderen könnte die konkrete Angabe derjenigen Arbeitslosenquote, die als gleichgewichtig anzusehen ist bzw. als Schwelle, ab der mit einer Beschleunigung der Inflation gerechnet werden muß, hilfreich sein für das Design von Wirtschaftspolitik (vgl. Tobin 1983 ): Solange die tatsächliche Arbeitslosigkeit über dieser Marke liegt, könnte Expansionspolitik — wohl auch nach monetaristischer Lesart — gefahrlos 35 betrieben werden. Eine vorsichtige Variante expansionistischer Politik bestünde darin, die Maßnahmen so zu dosieren, daß die Arbeitslosigkeit gerade bis auf das „natürliche" Niveau zurückgeht36. Wenn dieses allerdings recht hoch angesetzt wird — Tobin nennt Schätzungen von 9% für die USA 1983 —, bleibt ohnehin nicht viel Raum für expansionistische Maßnahmen. "This solution is the spirit of macroeconomic strategies prevailing today, and it is a recipe and rationale for stagnation." (Tobin 1983, S. 513).

35 Das weitere „rewinding" der Inflationserwartungen käme allerdings zum Stillstand; immerhin werden die Preiserwartungen nicht nach oben revidiert. 36 Strenge Monetaristen sehen aber selbst in einer solchen vorsichtig konzipierten Strategie Gefahren: "... the main danger of fine-tuning based on short-term forecasts is ... that it is all too likely to embody an over-optimistic idea of the CIR ("constant inflation rate of unemployment"; ein äquivalenter Terminus für NAR, M.R.)" (Brittan 1982, S. 64). Derselbe Autor zieht daraus sogar den Schluß, daß "it cannot be over-emphasized that there is no need for the government to estimate the CIR directly, and that it is even dangerous (!) for it to try. If itsfinancial policy concentrates on maintaining a stable growth of monetary demand, the economy will settle at (or fluctuate around) the CIR. Indeed, this is the piost effective way to discover how high the CIR is." (S. 61). Was ihn allerdings nicht daran hindert, eine CIR für Großbritannien von "around 10 per cent, or 2 to 3 million" plus dem pseudoexakten Zusatz "seasonally adjusted, excluding school-leavers" (S. 55), anzugeben.

120

II. Teil: Erklärende Indikatoren 2 Empirische Operationalisierungen

Die empirische Operationaliserung und quantitative Konkretisierung der verschiedenen Arten von Arbeitslosigkeit ist sowohl aus analytischen Gründen als auch zur Fundierung wirtschaftspolitischer Maßnahmen notwendig. Gerade weil es nicht „die" Arbeitslosigkeit schlechthin gibt, ist es wichtig, die verschiedenen möglichen Formen nicht nur theoretisch abzugrenzen, sondern auch ihr tatsächliches Gewicht in der jeweiligen Situation zu bestimmen. Direkte Korrelate zu den im vorigen Abschnitt diskutierten theoretischen Formen der Arbeitslosigkeit dürfen von der Empirie allerdings nicht erwartet werden. Die Operationalisierung der verschiedenen Arten gelingt immer nur bis zu einem gewissen Grad, so daß die über bestimmte Meßverfahren ermittelten Arten der Arbeitslosigkeit sich kaum jemals voll mit dem theoretischen Konzept decken. Das erfordert, Aussagekraft und Reichweite der verschiedenen Meßverfahren sorgfältig zu beachten und in den gewonnenen Ergebnissen mitzureflektieren. Die Schwierigkeiten der Messung rühren z.T. daher, daß bestimmte statistische Daten (z.B. die offenen Stellen) nicht erhoben werden oder von zweifelhafter Qualität sind, z.T. daher, daß die verschiedenen Arten der Arbeitslosigkeit nicht unabhängig voneinander sind und sich „vermischen" bzw. schwer diagnostizierbare Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Formen bestehen (vgl. Lampert 1979 b, Rothschild 1983): In der Hochkonjunktur wird z.B. auch die saisonale und strukturelle Arbeitslosigkeit zurückgehen. In der Rezession werden sich Strukturverschiebungen stärker auf dem Arbeitsmarkt niederschlagen als in der Hochkonjunktur. Durch verschiedene Branchenkonjunkturen kann es zu Ungleichgewichten kommen, die wie Strukturprobleme aussehen, in Wahrheit aber konjunktureller Natur sind. Dadurch, daß Unternehmen in der Rezession auch für gleichbleibende Tätigkeiten ihre Qualifikationsanforderungen hinaufsetzen, werden bisher friktionelle Probleme zu (qualifikatorischen) Strukturproblemen. Die unscharfe Abgrenzung zwischen längerfristiger nachfragebedingter Arbeitslosigkeit und technologischer Arbeitslosigkeit wurde schon erwähnt etc. Manchmal wird angesichts dieser Probleme der Schluß gezogen, daß eine quantitative Identifizierung der einzelnen Arten der Arbeitslosigkeit überhaupt unmöglich sei. Die ILO (1962, S. 7, zit. bei Rothschild 1978 b) hält jede solche Komponentenzerlegung für „involved and inconclusive". Deutlicher noch ist der deutsche Sachverständigenrat, der lapidar feststellt: „Eine quantitative Unterscheidung zwischen den Arten der Arbeitslosigkeit

2 Empirische Operationalisierungen

121

vorzunehmen, ist nicht möglich." (Jahresgutachten 1976/77, Tz. 279). (Das hindert ihn allerdings nicht daran, selbst Berechnungen über die Anteile konjunktureller und struktureller Arbeitslosigkeit anzustellen, aus denen dann recht weitreichende Schlüsse gezogen werden.) Wie leicht die Klage über die Schwierigkeiten der empirischen Bestimmung des Gewichts verschiedener Ursachen der Arbeitslosigkeit umschlagen kann in die Vorstellung, solche Berechnungen seien überhaupt unnötig, zeigt folgende Aussage von Sievert 1981, S. 51, dem langjährigen Vorsitzenden des Sachverständigenrats: „Meine These ist, daß es empirische Evidenz im strengen Sinn im Grunde für keine Ursachenvorstellung gibt. Was natürlich nicht besagt, daß es keine Hilfe gibt, sich — unter Unsicherheit — vernünftig zu verhalten. In der Marktwirtschaft sind wir gottlob nicht auf umfassende Informationen angewiesen." (Unterstreichung von mir, M. R.). Hier zeigt sich die Gefahr, daß berechtigte Skepsis gegenüber der Schlüssigkeit empirischer Evidenz gerade nicht zu agnostischer Distanz führt, sondern der jeweiligen ideologischen Position Tür und Tor öffnet. So anfechtbar und vorläufig die im folgenden zu behandelnden Verfahren, den Anteil verschiedener Arbeitslosigkeitsarten zu bestimmen, auch sein mögen, scheint Empirie doch immer noch ein notwendiges und brauchbares Korrektiv gegen allzu ungehemmt wuchernde theoretische Spekulation. Die im folgenden diskutierten Meßverfahren sind nach den angewandten Methoden gruppiert. In 11,2.1 werden Verfahren vorgestellt, die mit recht einfachen Mitteln erlauben sollen, eine Zunahme von struktureller Arbeitslosigkeit zu identifizieren. 11,2.2 diskutiert Ansätze, die unter Zuhilfenahme von Daten über offene Stellen eine vollständige Aufteilung der Gesamtarbeitslosigkeit auf die herkömmlichen Formen friktionelle, strukturelle und konjunkturelle Arbeitslosigkeit versuchen. In 11,2.3 werden zwei an der Phillipskurve orientierte Vorgangsweisen besprochen: zum einen Lipsey's Kategorisierung, die als einzige eine Klassifikation nicht nach verursachenden Faktoren („causes"), sondern nach den anzuwendenden wirtschaftspolitischen Instrumenten („eures") vornimmt (Abschnitt 11,2.3.1), und zum anderen Versuche, das Konzept der „natürlichen" Arbeitslosenquote empirisch umzusetzen (Abschnitt 11,2.3.2). In 11,2.4 wird auf Berechnungen der Arbeitsplatzlücke bzw. „neuen strukturellen Arbeitslosigkeit" eingegangen. 11,2.5 schließlich beschäftigt sich mit sog. Freisetzungsrechnungen im Zusammenhang mit der Bestimmung der technologischen Arbeitslosigkeit. Neben den angeführten Verfahren gibt es natürlich noch eine Fülle weiterer Überlegungen, die entweder unmittelbar anstreben, einen Beitrag zur

122

II. Teil: Erklärende Indikatoren

Analyse der Arten der Arbeitslosigkeit zu leisten, oder bei denen als Nebenprodukt auch Aussagen über den Charakter der Arbeitslosigkeit anfallen. Das reicht von Messungen der Geschwindigkeit des Strukturwandels, aus denen Schlüsse auch auf die „strukturelle" Arbeitslosigkeit gezogen werden können (vgl. z.B. Cramer et al. 1976), über mehr impressionistische Studien, die die Dominanz eines bestimmten Typs von Arbeitslosigkeit anhand mehr qualitativer Indikatoren nachweisen wollen37 bis zu gesamtwirtschaftlichen Modellen, die natürlich auch Aussagen zur Arbeitslosigkeit beinhalten. All diese mehr indirekte Evidenz wird in der vorliegenden Arbeit nicht näher behandelt, womit keineswegs impliziert werden soll, daß sie nicht wertvolle Aufschlüsse für die Ursachenanalyse der Arbeitslosigkeit liefern könnte. Die Auswahl der hier näher diskutierten Verfahren orientiert sich im wesentlichen an den Kriterien, daß sie erstens die Typisierung der Arbeitslosigkeit direkt angehen und daß sie zweitens quantitative Resultate erbringen (können).

2.1 Operationalisierungen mit Hilfe von Dispersionsmaßen

Die in diesem Abschnitt zu besprechenden Meßverfahren stellen in einem gewissen Sinn den „naivsten", wohl auch am wenigsten trennscharfen Ansatz zur Eingrenzung bestimmter Typen von Arbeitslosigkeit dar. Sie zielen nicht darauf ab, die gesamte Arbeitslosigkeit in zahlenmäßig angebbare Teilkomponenten zu zerlegen; vielmehr versuchen sie, das relative Gewicht „struktureller" Faktoren mit recht einfachen Mitteln abzuschätzen. Der dabei zugrunde gelegte Strukturbegriff, der — wie auch die Meßverfahren — stark von den amerikanischen Strukturalisten der sechziger Jahre geprägt wurde (vgl. 11,1.1.1) konzentriert sich auf den Aspekt der Ungleichverteilung der Arbeitslosigkeit zwischen verschiedenen demographischen Gruppen, Regionen, Berufen etc. Der im traditionellen Begriff der strukturellen Arbeitslosigkeit (siehe Abschnitt 11,1.1.1) ebenfalls enthaltene Gesichtspunkt, daß den Arbeitslosen eines Teilmarkts in anderen Teilmärkten offene Stellen korrespondieren, die diese nur aufgrund mangelnder Mobilität nicht besetzen können, ist in dem hier behandelten Konzept ausgeblendet. Perlman 1969, S. 171, schlägt deshalb vor, zwischen „structural imbalance" und „structural unemployment" zu unterscheiden: während er37

Hamm 1978 z.B. führt zur Untermauerung der These, daß ein Großteil der Arbeitslosigkeit in der BRD strukturell bedingt sei, nicht weniger als 15 meist nicht quantifizierte (quantifizierbare) Gründe an: „steiles Ansteigen der Personalnebenkosten", „steigende Ausbildungskosten und Verteufelung der Ausbilder", „fehlende Klarheit über den wirtschaftspolitischen Kurs", „unrealistisches Unternehmerbild" etc.

2 Empirische Operationalisierungen

123

stere nur eine Massierung der Arbeitslosigkeit bei bestimmten Gruppen bedeutet ohne korrespondierende offene Stellen anderswo, sind für die zweite vorhandene Umschichtungsmöglichkeiten in andere Teilmärkte konstitutiv. Die Maße dieses Abschnitts beziehen sich somit alle auf (Veränderungen der) „structural imbalance". Wie generell, wenn die Struktur eines Aggregats Gegenstand der Betrachtung ist, stehen hier Streuungs- oder Dispersionsmaße im Mittelpunkt, im Gegensatz zu den Mittelwerten oder Lokalisationsmaßen bei der Globalanalyse (siehe Streissler 1982, S. 5). Eine Verringerung (Erhöhung) der Streuung der längs einer bestimmten Dimension (Beruf, Region etc.) gemessenen spezifischen Arbeitslosenquoten zeigt demnach kleinere (größere) Strukturdiskrepanzen („structural imbalances") an. Die gebräuchlichen, einfachen Streuungsmaße wie Varianz bzw. Standardabweichung und Variationskoeffizient, i.e. Standardabweichung dividiert durch arithmetisches Mittel, werden auch in dem vorliegenden Zusammenhang verwendet. So berechnet z.B. ein Autorenteam des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), Nürnberg, in einem in der deutschen Debatte um den Charakter der Arbeitslosigkeit wichtig gewordenen Aufsatz (Cramer et al. 1976) für die BRD den (mit den Beschäftigtenanteilen gewichteten) Variationskoeffizienten der berufsspezifischen Arbeitslosenquoten. Daß dessen Wert 1975 niedriger lag als in der Rezession 1967, werten die Autoren als Indiz dafür, daß „strukturelle" Faktoren 1975 eine weniger bedeutsame Rolle spielten als 1967. Analog könnten auch Variationskoeffizienten der regionalen, altersmäßigen, oder branchenspezifischen Arbeitslosenquoten ermittelt werden. Ein Hinweis zur konkreten Berechnung des Variationskoeffizienten scheint nicht uninteressant: während die übliche Methode über Summierung der mit den Beschäftigten- (oder besser: Erwerbspersonen)anteilen gewichteten Quadrate der Abweichungen der spezifischen Arbeitslosenquoten von ihrem Mittelwert, i.e. der Globalquote, etwas mühsam ist, kann die in Abschnitt 1,1.1.3 vorgeschlagene um Verteilungsgesichtspunkte erweiterte Arbeitslosenquote u v , welche die spezifischen Arbeitslosenquoten der einzelnen Gruppen nicht mit ihren Erwerbspersonenanteilen, sondern mit dem Anteil der Gruppe an den Arbeitslosen gewichtet, hier mit Vorteil verwendet werden. Wie in Gl. (1.27) und Anhang A gezeigt, gilt (II.4)

- = V2 + 1 u

wobei V den Variationskoeffizienten bezeichnet.

124

II. Teil: Erklärende Indikatoren

Ein weiteres gebräuchliches Dispersionsmaß ist die relative mittlere Abweichung D r . In dem hier vorliegenden Kontext ergibt sich: (II.5)

Dr =

u

Σ Xi I

Ui

ν

.

Lj

I

Li

L U L

U i - U

Lj L

_ „ ~

Uj U

Li L

wobei Ui die spezifische Arbeitslosenquote der i-ten Teilgruppe, Xi = - γ — den Anteil der Erwerbspersonen der i-ten Teilgruppe Li an allen Erwerbspersonen L = Σ Li und u = γ - = Σ XiUi die globale Arbeitslosenquote bezeichnet. Dieses Maß wurde von Gordon 1967 propagiert und extensiv auf den Arbeitsmarkt der USA angewendet; seine Schlußfolgerung ist im großen und ganzen, daß weder das Gesamtmaß noch wichtige seiner einzelnen Komponenten in den sechziger Jahren bedeutend angestiegen sind, was als Evidenz gegen den „strukturalistischen" Standpunkt interpretiert wird. Seither hat das Gordon-Maß vielfach Verwendung gefunden (vgl. z.B. Maneval 1977 b, Jeness 1978). In der Statistik ist diese Maßzahl (genauer: die Hälfte davon) seit langem ein wohlbekanntes Disparitätsmaß und wird meist als „Schutz-Index" bezeichnet (vgl. Anhang B). Die in der statistischen Theorie geläufige Interpretation dieses Maßes als „maximum equalization percentage" (vgl. Anhang Β) hat auch im vorliegenden Kontext eine anschauliche und brauchbare Verwendung: D r / 2 gibt — wie insbesondere die letzte Darstellung in (II.5) deutlich macht — jenen Prozentsatz der Arbeitslosen (oder alternativ auch der Erwerbspersonen) an, der in andere Teilmärkte „umgeschichtet" werden müßte, sodaß alle spezifischen Arbeitslosenquoten identisch wären. Neben dem relativen Dispersionsmaß D r wird bei Gordon auch noch ein absolutes Dispersionsmaß D a verwendet, welches definiert ist als (II.6)

D a = uD r = Σ Xi I Ui -

u I

U m die Überlegenheit eines relativen oder absoluten Maßstabs hat es eine eher unfruchtbare Polemik zwischen Kalachek—Knowles 1961 und Lipsey 1965 gegeben. Natürlich haben beide ihre Meriten ebenso wie ihre Defizienzen: bei einem proportionalen Anstieg aller spezifischen Arbeitslosenquoten bleibt der relative Index D r unverändert, während der absolute D a zunimmt. Für den Fall einer linearen, betragsmäßig i.e. nach Prozentpunkten identischen Erhöhung der spezifischen Arbeitslosenquoten umge-

2 Empirische Operationalisierungen

125

kehrt bleibt der absolute Index D a unverändert, während der relative Index D r sinkt. Das spricht weder für den einen noch auch für den anderen Indikator, sondern unterstreicht lediglich die Notwendigkeit sorgfältiger Interpretation. Bei Gordon 1967 S. 106 selbst ist das in mustergültiger Weise getan, wenn er die US-Situation der sechziger Jahre, die eine wohl auch für andere Länder und Zeiträume typische Konstellation darstellt, so beschreibt: „On the whole, it seems fair to say, while the absolute dispersion of unemployment rates by age-sex and color tends to widen and narrow as the overall unemployment rate rises and falls, such widening and narrowing are less marked than the rise and fall in total unemployment so that our measure of relative dispersion tends to be inversely related to total unemployment." Das hier Ausgeführte gilt in ähnlicher Weise natürlich auch für andere absolute Dispersionsmaße im Vergleich zu ihren relativen Gegenstücken, wie Varianz oder Standardabweichung versus Variationskoeffizient. In diesem Licht ist dann auch der oben referierte niedrige Variationskoeffizient der berufsspezifischen Arbeitslosenquoten bei Cramer et al. 1976 für das Jahr 1975 nicht erstaunlich. Lag doch die globale Arbeitslosenquote mit 4,8% 1975 bedeutend höher als 1967 (2,1%). Die — von den Autoren nicht angegebene — Standardabweichung kann leicht berechnet werden und lag 1975 beträchtlich höher als 1967. Es scheint daher auch hier eine kombinierte Betrachtungsweise, ähnlich der oben zitierten von Gordon angemessen. Die von Cramer et al. 1976 gegebene Begründung für die ausschließliche Verwendung relativer Maßzahlen38 ist, da rein tautologisch, m.E. nicht überzeugend. Ein weiterer, dem Gordon-Maß recht ähnlicher Indikator ist der in etlichen Studien (z.B. Cramer et al. 1976, Riese 1980; IFO-Institut 1981) ermittelte GINI-Index einer Lorenz-Kurve, die die kumulierten Anteile der nach ihrer spezifischen Arbeitslosenquote aufsteigend geordneten Berufsgruppen (oder anderer Teilgruppen) an den Erwerbspersonen in Beziehung setzt zu den kumulierten Anteilen der Berufsgruppen (bzw. der anderen Teilgruppen) an den Arbeitslosen, wie dies in Abb. 8 wiedergegeben ist. Da der GINI-Index ebenfalls die relative Disparität oder Dispersion mißt, ist es nicht erstaunlich, daß häufig ein inverses Verhältnis von globaler Arbeitslosenquote und GINI-Index festgestellt wurde (siehe z.B. Cramer et al. 1976, Riese 1980). Dieser Befund wird am ehesten wieder in der Art zu in38

„Für die Messung der relativen Abweichungen spricht vor allem, daß bei Konstanz der relativen Abweichungen (gemeint: Konstanz des Variationskoeffizienten, M.R.) auch das Verhältnis der absoluten Arbeitslosenzahlen der einzelnen Berufsabschnitte zueinander und damit die Anteile, die die Berufsabschnitte an der Gesamtzahl der Arbeitslosen aufweisen, unverändert bleiben — jedenfalls dann, wenn auch die Beschäftigtenanteile der Berufsabschnitte gleich bleiben." (Cramer et al. 1976, S. 73).

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II. Teil: Erklärende Indikatoren

KUMULIERTE ANTEILE DER BERUFSGRUPPEN AM ARBEITSKRÄFTEPOTENTIAL Abbildung 8: Konzentration der Arbeitslosigkeit nach Berufen, Österreich 1973, 1975 Quelle: Riese 1980, S. 120.

terpretieren sein, daß bei einem Anstieg (Rückgang) der globalen Arbeitslosenquote auch die spezifischen Arbeitslosenquoten zunehmen (abnehmen), die relativ hohen allerdings unterproportional, die relativ niedrigen überproportional, sodaß die relative Disparität sinkt (steigt). Über die absolute Dispersion ist damit noch nichts ausgesagt (vgl. auch das Gordon-Zitat, S. 138).

Die enge Verwandtschaft zwischen dem GINI-Index und der relativen mittleren Abweichung ist bekannt (vgl. auch Anhang B): Die Hälfte der re-

2 Empirische Operationalisierungen

127

lativen mittleren Abweichung bildet eine untere Schranke für den GINIKoeffizienten und ist als grobe Abschätzung für ihn gut brauchbar. Das ist rechentechnisch interessant, weil der GINI-Index numerisch aufwendig zu ermitteln ist, während das Gordon-Maß relativ einfach berechnet werden kann. Ein ausgeklügeltes Maß zur Messung „struktureller Arbeitslosigkeit" oder genauer eigentlich von „structural imbalance" wurde von Berman 1965 vorgeschlagen. Der Grundgedanke ist wieder — wie bei den anderen hier vorgestellten Maßen auch — „structural imbalance" als Abweichung von einer Gleichverteilung zu messen. Als Referenzgröße wird bei Berman jene hypothetische Verteilung des Arbeitslosenbestands auf verschiedene Klassen der bisherigen Dauer verwendet, die sich ergeben würde, wenn die Arbeitslosen in der Vergangenheit jeweils identische Chancen des Abgangs aus der Arbeitslosigkeit gehabt hätten. Die Abweichung des tatsächlichen Anteils der längerfristig Arbeitslosen (bisherige Dauer > 15 Wochen) von dem so errechneten hypothetischen Anteil (Berman) oder die Summe der Absolutbeträge der Abweichungen von tatsächlichen und hypothetischen Anteilswerten über alle Dauerklassen (Cramer 1976) können dann als Maßstab dafür verwendet werden, wie sehr die Arbeitslosen gerade nicht identische, sondern unterschiedliche Abgangschancen hatten, i.e. als Maßstab ihrer Heterogenität. Formelmäßig ergibt sich für den hypothetischen Anteil der Arbeitslosen mit bisheriger Dauer von k „Monaten" (Perioden) U t k an allen Arbeitslosen Ut zum Zeitpunkt t: (II.7) £ U,

= ± U,

[ Z , k (1 - A . ) (1 Ut-1

.... (1 Ut-2

Ut-k

Π (1 - ^fcL) U,

i=0

Ut-i-1

wobei Zt-k der Zugang von Arbeitslosen in der zum Zeitpunkt t schon k „Monate" zurückliegenden Periode ist und die Klammerausdrücke di e Wahrscheinlichkeit, einen weiteren „Monat" arbeitslos zu ut_ M bleiben (Verbleibswahrscheinlichkeit), in der i „Monate" zurückliegenden Periode bedeuten. Diese Verbleibswahrscheinlichkeiten ergeben sich als Komplement zu der jeweiligen Abgangs Wahrscheinlichkeit, welche einfach durch das Verhältnis der Abgänge At-i zu dem am Anfang der Periode vorhandenen Stock an Arbeitslosen U t - i - i gegeben ist. Die Wahrscheinlichkeit nach k Perioden noch immer arbeitslos zu sein und somit im Bestand mit bisheriger Dauer von k „Monaten" aufzuscheinen, ergibt sich durch Multiplikation der jeweiligen Verbleibswahrscheinlichkeiten seit dem Zugang vor k „Monaten".

128

II. Teil: Erklärende Indikatoren

Kritisch muß gegen dieses Meßkonzept eingewendet werden (vgl. Hardes 1981, S. 156 f)> daß die Vorstellung, Homogenität sei gleichbedeutend mit gleichen Abgangschancen unrealistisch ist. Die individuellen Abgangschancen werden mit zunehmender Dauer der Arbeitslosigkeit abnehmen, allein weil Langfristarbeitslosigkeit als belastendes Merkmal bei der Stellensuche gewertet wird oder die Suchintensität abnimmt, ohne daß daraus auf eine tieferliegende Heterogenität geschlossen werden könnte. 2.2 Operationalisierungen mit Hilfe von Daten über offene Stellen

Der Vergleich von Arbeitslosen und offenen Stellen, sei es für den Gesamtmarkt oder für einzelne Teilmärkte, kann dazu verwendet werden, die Arbeitslosigkeit nach ihrer Verursachung auf die traditionellen Komponenten friktionelle, strukturelle und konjunkturelle Arbeitslosigkeit aufzuteilen. Die Qualität der Daten über offene Stellen ist vielfach — zu Recht — skeptisch beurteilt worden. „There are good prima facie reasons for distrusting the statistics of unfilled vacancies since they neither record transactions nor register decisions but represent a sort of queue. The size of the queue may be either more or less than the real unsatisfied demand; people may either duplicate orders or join several queues — or they may give up trying and not join a queue at all" (Dow-Dicks-Mireaux 1958). Überdies sind — ähnlich wie bei der Arbeitslosigkeit — die Erhebungsverfahren der offenen Stellen in den einzelnen Ländern recht unterschiedlich: in einigen werden nur die bei der Arbeitsmarktverwaltung gemeldeten offenen Stellen erfaßt, in anderen wèrden regelmäßige Stichprobenerhebungen durchgeführt, in manchen wird ein Index der Stellenangebote in bestimmten Zeitungen berechnet. Internationale Vergleiche sind dadurch fast unmöglich; immerhin können aber zeitliche Vergleiche innerhalb eines Landes bei gleichbleibender Erhebung angestellt werden (vgl. Jenness 1978). Die Verfahren der Klassifikation der Arbeitslosigkeit, die im folgenden besprochen werden, unterstellen allerdings „ideale" Daten auch über die offenen Stellen. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist die Diskrepanz zwischen diesem Anspruch und der Realität in Rechnung zu stellen. 2.2.1 Beveridge-Kurven In Anlehnung an Beveridge, der die Relation von Arbeitslosen und offenen Stellen zum Angelpunkt seiner Vollbeschäftigungsdefinition wählte,

2 Empirische Operationalisierungen

129

wird die funktionale Beziehung zwischen diesen beiden Größen oder allgemeiner die Beziehung zwischen einer die Schwierigkeiten der Unternehmen bei Rekrutierung und Halten ihrer Belegschaft charakterisierenden Variablen und einer Variablen, die den Angebotsüberschuß am Arbeitsmarkt ausdrücken soll, Beveridge-Kurve genannt (vgl. z.B. Medoff 1983). Kornai 1980 entwickelt für das generelle Phänomen, daß Überschuß („slack") und Mangel („shortage") gleichzeitig nebeneinander bestehen können, das Konzept einer „Isofriktionskurve". Die Beveridge-Kurve wäre in dieser Terminologie eine Isofriktionskurve für den Arbeitsmarkt. Parameter, die die Lage dieser Kurve kennzeichnen, können als Maß für die Unvollkommenheiten am Arbeitsmarkt angesehen werden, welche auf „friktioneile" oder „strukturelle" Faktoren zurückgehen. Unter Vernachlässigung der saisonalen Arbeitslosigkeit — was zulässig erscheint, wenn diese nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt oder saisonbereinigte Daten verwendet werden — kann die Beveridge-Kurven-Analyse dazu verwendet werden, die Gesamtarbeitslosigkeit quantitativ in eine „demand-deficient" und eine „non-demand- deficient "-Komponente zu zerlegen. Im Gegensatz zu den im vorigen Abschnitt besprochenen Verfahren, die nur eine Zu- oder Abnahme der „structural imbalance" zu konstatieren erlaubten, wird damit eine kardinale Messung möglich. Bei Medoff 1983 werden Beveridge-Kurven präsentiert, die eine Reihe von „shortage" Indikatoren wie einen Index von Stellenanzeigen in bestimmten Zeitungen („normalized help-wanted index"), die Entlassungsquote („discharge rate") oder die Kündigungsquote („quit rate") mit der Arbeitslosenquote der Männer zwischen 25 und 54 Jahren („prime-age males") in Beziehung setzen. Die meisten Studien beschränken sich hingegen auf die Gegenüberstellung der (globalen) Bestandsgrößen von Arbeitslosen U und offenen Stellen V bzw. Arbeitslosenquote u und Vakanzquote v, i.e. offene Stellen als Prozentanteil am Arbeitskräftepotential. Dieses Verfahren wird deshalb auch als UV-Methode bezeichnet (vgl. z.B. Thirlwall 1969, Brown 1976). U und V stehen in einem inversen Zusammenhang, welcher analytisch durch ein neoklassisches Arbeitsmarktmodell begründet werden kann (vgl. Hansen 1970, Frisch 1980, S. 34 ff). In Abb. 9 sind sowohl Arbeitsangebot (aa') als auch Arbeitsnachfrage (nn') als abhängig vom Reallohnsatz dargestellt. Gegenüber dem Modell des friktionslosen, homogenen und vollkommenen Marktes wird aber das Informationspostulat aufgegeben, sodaß Arbeitslosigkeit und offene Stellen gleichzeitig nebeneinander existieren können. Auch bei Überschußnachfrage sind immer einige Arbeiter auf Arbeitsplatzsuche bzw. auch bei Überschußangebot können die Firmen nicht 9 Riese

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II. Teil: Erklärende Indikatoren

alle ihre freien Stellen besetzen. Als tatsächliche Beschäftigung ergibt sich somit nicht der Linienzug AGD, sondern die gekrümmte Kurve CHF. Beim Reallohn (w/p)i gibt CA die Arbeitslosen und CB die offenen Stellen an; beim Reallohn (w/p)2 sind FD Stellen frei, FE Personen arbeitslos. Es besteht also eine negative Korrelation zwischen dem Niveau der Arbeitslosen U und der offenen Stellen V bzw. zwischen Arbeitslosen- und Vakanzquote u und v.

Abbildung 9: Neoklassischer Arbeitsmarkt mit Friktionen

Eine alternative Begründung für die inverse Beziehung zwischen Arbeitslosen und offenen Stellen wurde von Holt 1969 gegeben, und seither in zahlreichen Arbeiten weiterentwickelt (vgl. Holt 1970, Modigliani—Tarantelli 1973, Kubin 1983). Hiebei wird die Relation zwischen den Beständen auf die dahinterliegenden Bewegungsgrößen (Flows) zurückgeführt. Der Bestand an Arbeitslosen U ergibt sich — für einen stationären Zustand — als Produkt aus Abstrom (Zustrom) Κ und mittlerer Dauer μ (vgl. auch Gl. (1.4)): (II.8)

U = Κμ

Analog kann der Bestand der offenen Stellen V aufgeschlüsselt werden in Abstrom (Zustrom) K v und mittlere Laufzeit μν. In einem idealtypischen geschlossenen System, in dem alle offenen Stellen und Arbeitslosen auch tatsächlich erfaßt werden, muß gelten, daß Κ = K v : jeder aus dem Arbeits-

2 Empirische Operationalisierungen

131

losenpool abgehende Arbeitslose besetzt eine vorher offen gewesene Stelle, sodaß sich ein ebenso großer Abstrom bei den offenen Stellen ergibt. Kurzfristig kann diese Größe als konstant angesehen werden (K = K v = const.) bzw. nur als durch institutionelle Änderungen variierbar. Aus der plausiblen Annahme, daß die Wahrscheinlichkeit des Abgangs einer offenen Stelle q v proportional ist zu der Zahl der Arbeitslosen, d.h. (11.9)

qv =

^ k

wobei k ein konstanter Proportionalitätsfaktor ist, folgt — unter Verwendung von μν = l/q v (vgl. Gl. (1.5)): (11.10)

V = Kv · ^

bzw. (11.11)

UV = K v k = const.

Der Zusammenhang zwischen den Beständen an Arbeitslosen U und offenen Stellen V kann demnach für ein bestimmtes Flußgleichgewicht als einfache Hyperbelrelation dargestellt werden. Zum gleichen Ergebnis gelangt man, wenn man die Wahrscheinlichkeit des Abgangs aus der Arbeitslosigkeit q u als proportional zu V bzw. die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit als umgekehrt proportional zu V ansetzt: (11.12)

μ= ^

und dieses Ergebnis in (II.8) einsetzt. Der inverse Zusammenhang zwischen Arbeitslosen und offenen Stellen kann aber auch aus mehr keynesianisch inspirierten Modellen hergeleitet werden, wenn man mit zunehmender effektiver Nachfrage abnehmende Arbeitslosigkeit und gleichzeitig steigende Zahl der offenen Stellen annimmt. Für den Fall, daß die Arbeitslosigkeit zunehmend schwächer auf die Nachfrageausweitung reagiert und die offenen Stellen zunehmend schwieriger zu besetzen sind, bekommt man einen ähnlichen inversen, nicht-linearen Zusammenhang zwischen Arbeitslosigkeit und Vakanzen wie oben. Ein solcher Zusammenhang konnte in zahlreichen empirischen Studien nachgewiesen werden: Thirlwall 1969 schätzte lineare UV-Beziehungen für Großbritannien, gesondert nach Regionen und Industriebranchen, Gujarati 1972, Bowers 1976, Foster 1973, Evans 1977 fanden nicht-lineare Beziehungen für Großbritannien, Maneval 1977 b für die BRD, Riese 1980 für Österreich. In einer OECD-Studie (Jenness 1978) konnte der inverse Zusammenhang für eine ganze Reihe von Ländern nachgewiesen werden. *

132

II. Teil: Erklärende Indikatoren

Die UV-Relation kann graphisch wie in Abb. 10 dargestellt werden:

Abbildung 10: UV-Relation

In dem zum Ursprung konvexen Verlauf kommt — unabhängig von der spezifischen theoretischen Herleitung — die plausible Vorstellung zum Ausdruck, daß — ausgehend von einer Situation massiver Unterbeschäftigung (Punkt A) — die Besetzung zusätzlicher Arbeitsplätze aus dem weit gestreuten Pool von Arbeitslosen zunächst problemlos gelingt, sodaß die Zahl der Arbeitslosen abnimmt, ohne daß sich die Vakanzen nennenswert erhöhen. Bei zunehmender Arbeitsmarktanspannung (Punkt B) kann der nunmehr „ausgesiebtere" Bestand an Arbeitslosen nur noch weiter verringert werden, wenn beträchtlich mehr offene Stellen gemeldet werden, welche zum Teil überhaupt oder zumindest für längere Zeit unbesetzt bleiben, wodurch sich der disproportionale Anstieg im Bestand der Vakanzen ergibt. Aber selbst bei sehr hohem Nachfrageüberschuß sinkt die Arbeitslosigkeit nicht bis auf Null, wie umgekehrt auch bei extremer Arbeitslosigkeit ein Minimum unbesetzbarer Stellen bzw. eine Mindestdauer für die Vermittlung nicht unterschritten werden kann. Oft wird der Zusammenhang einfach in der Form einer rechtwinkeligen Hyperbel mit U.V = const, modelliert. Allgemeinere Ansätze der Form U = äVb, mit b ψ finden sich ebenfalls. Veränderungen der Gesamtnachfrage drücken sich in Bewegungen auf einer gegebenen UV-Kurve aus. Veränderungen, die die Funktionsfähigkeit

2 Empirische Operationalisierungen

133

des Arbeitsmarktes betreffen, verschieben hingegen die ganze Kurve, wie z.B. von UVi auf UV2 in Abb. 10: Wenn sich der Friktionsparameter des Arbeitsmarktes verringert, d.h. daß sich die Kurve CHF in Abb. 9 dem Linienzug AGD annähert, so korrespondieren jeder (theoretischen) Überschußnachfrage nunmehr niedrigere Werte für U und V. Ähnlich würde im Modell von Holt durch geringere Fluktuation z.B. wegen verbesserter Information oder niedrigeren Anteilen von Neu- und Wiedereintretenden eine Verschiebung der UV-Kurve nach innen eintreten. Auch durch Umschulung, Mobilitätsbeihilfen, Förderung der Betriebsansiedlung in Problemregionen etc. werden vordem inkompatible Arbeitslose und offene Stellen zusammengeführt und beide Größen pari passu verringert, sodaß die UV-Kurve nach innen wandert. Jene Arbeitslosigkeit, die sich bei U = V, i.e. am Schnittpunkt der UVKurve mit der 45°-Linie ergibt, kann als Maß für die Schwierigkeiten der Zusammenführung von Arbeitslosen und offenen Stellen („maladjustment" bei Dow-Dicks-Mireaux 1958) und somit für die Friktionen und strukturellen Probleme des betrachteten Arbeitsmarktes gelten. Die an diesem Schnittpunkt ablesbare Arbeitslosigkeit Ü ist mit Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt (siehe Strecke HG in Abb. 9) vereinbar und wird auch als die non-demand-deficient Komponente der Arbeitslosigkeit angesehen. Über diese Marke hinausgehende Arbeitslosigkeit gilt als nachfragebedingt. Sinkt die beobachtete Arbeitslosigkeit unter U, wird das meist als „Überschäftigung" im Ausmaß U - U interpretiert (vgl. Thirlwall 1969). Die UV-Methode erlaubt zunächst nur, eine Veränderung der Strukturcharakteristika des Arbeitsmarktes zu konstatieren; ob die Veränderung von der Nachfrage- oder Angebotsseite ausgeht, ob sie eher den „friktionellen" oder „strukturellen" Teil der nicht-nachfragebedingten Komponente der Arbeitslosigkeit betrifft, kann nicht schlüssig entschieden werden. Versuche, solche weitergehende Aussagen zu treffen, werden im nächsten Abschnitt behandelt. Wenn die UV-Methode wie etwa bei Thirlwall 1969 zum Vergleich verschiedener Teilmärkte angewendet wird, so kann eine — zumindest ordinale — Reihung der betrachteten Märkte nach dem Grad ihrer Strukturschwierigkeiten vorgenommen werden. Dabei empfiehlt es sich (vgl. Brown 1976), nicht nur die Rangordnung bei U=V, sondern zumindest auch noch bei υ = ι Λ V bzw. U=2 V zu beachten. Damit können UV-Kurven, die sich im relevanten Bereich schneiden, festgestellt werden. Für die Teilmärkte, die sie repräsentieren, ist keine eindeutige Aussage darüber möglich, auf welchem die Strukturschwierigkeiten größer sind. Ist das Meldeverhältnis, i.e. das Verhältnis zwischen der Zahl der gemeldeten und der tatsächlich offenen

134

II. Teil: Erklärende Indikatoren

Stellen für verschiedene Teilmärkte (sehr) unterschiedlich hoch, und liegen auch keine Abschätzungen darüber vor, kann ein Vergleich der Struktureigenschaften verschiedener Teilmärkte mittels der UV-Methode nicht vorgenommen werden. Den bisherigen Überlegungen lag die Vorstellung zugrunde, daß eine UVRelation für einen (Teil)markt aufgrund von Zeitreihen über Arbeitslose und offene Stellen ermittelt wird und demnach ein Durchschnittswert der non-demand-deficient Komponenten für eine Periode bestimmbar ist. Analog dazu könnte man versuchen, mittels Querschnittsdaten (Regionen, Industrien oder Berufe) Jahr für Jahr die nicht-nachfragebedingte Komponente der Arbeitslosigkeit zu bestimmen. Eine solche Vorgangsweise ist, wie Thirlwall 1969 zeigt, nicht ratsam, weil die gesamtwirtschaftliche Nachfragesituation einen durchschlagenden Einfluß auf alle Arten der Arbeitslosigkeit hat und somit auch die non-deficient-demand Komponente entscheidend beeinflußt. Das kann schematisch wie in Abb. 11 gezeigt werden:

45

->

U; Abbildung 11: UV-Kurve aus Querschnittsdaten, nach Thirlwall

1969

Der Teilmarkt Β sei generell durch höhere Arbeitslosigkeit als der Teilmarkt A gekennzeichnet. In der konjunkturell gedrückteren Situation 1 gilt für beide Märkte, daß sie sich auf Punkten (Ai, Bi) ihrer uv-Relation39 be-

2 Empirische Operationalisierungen

135

finden, die eine höhere Arbeitslosigkeit und weniger offene Stellen aufweisen als in der Boom-Situation 2 (A2, B2). Eine Querschnittsermittlung des nicht-nachfragebedingten Teils der Arbeitslosigkeit würde zu dem Ergebnis führen, daß dieser im Boom gegenüber dem Konjunkturtiefpunkt von ïïi auf ÏÏ2 gestiegen ist. Bei anderer Lage von Αι, A2, Bi und B2 könnten sich ganz andere Ergebnisse einstellen. In jedem Fall werden die Schätzungen der nicht-nachfragebedingten Komponente aus Querschnittsdaten von der allgemeinen Konjunkturlage in nicht voraussehbarer Weise verzerrt. Beim Vergleich ähnlicher Konjunktursituationen hingegen kann eine Querschnittsanalyse, wie Gordon 1967, S. 81 ff, gezeigt hat, wertvolle Aufschlüsse geben. Ein näheres Heranrücken der Beobachtungspunkte für die Teilmärkte (z.B. Branchen oder Regionen) an die 45°-Linie (unter Berücksichtigung von Erfassungsfehlern, insbesondere bei den offenen Stellen, könnten auch andere Referenzlinien gewählt werden) signalisiert eine Abnahme der „strukturellen" Komponente im Sinne von teilmarktbezogenen Diskrepanzen zwischen Arbeitslosen und offenen Stellen. Je näher die einzelnen Teilmärkte an der Referenzlinie liegen, desto geringer ist auf jedem Teilmarkt der Überschuß der Arbeitslosen bzw. offenen Stellen über ihre Gegengröße und umso geringer das Gewicht „struktureller" Faktoren. Komplementär dazu erhöht sich das Gewicht rein „friktioneller" Faktoren. Selbst wenn die Beobachtungspunkte für alle Teilmärkte auf der Referenzlinie liegen, bleibt aber noch Raum zur Verminderung der Arbeitslosigkeit, eben über Maßnahmen zur Senkung der Friktionsarbeitslosigkeit. 2.2.2 Disaggregierte Gegenüberstellung von Arbeitslosen und offenen Stellen Die zweite darzustellende Methode, die sogenannte „disaggregierte Gegenüberstellung von Arbeitslosen und offenen Stellen" (Maneval 1977 b, S. 116) oder „Methode des Arbeitsmarktsaldos" wurde von Perlman 1969 und Thirlwall 1969 vorgeschlagen und von Gleave und Palmer 1980 weiter ausgebaut. Empirische Anwendungen finden sich u.a. bei Hughes 1974, Armstrong—Taylor 1981 für Großbritannien, Maneval 1977 b für Deutschland und Riese 1980 für Österreich. Die Methode zielt darauf ab, die nichtsaisonale Arbeitslosigkeit in die drei Komponenten friktioneile, strukturelle und konjunkturelle Arbeitslosigkeit in ihrem herkömmlichen Verständnis zu zerlegen. Die Ergebnisse werden meist als kardinale Maßzahlen dieser Komponenten interpretiert. 39 Hier müssen natürlich, um die Teilmärkte vergleichbar zu machen, die Arbeitslosen- bzw. Vakanzquote verwendet werden.

136

II. Teil: Erklärende Indikatoren

Zuerst werden konjunkturelle („demand-deficient") und nichtkonjunkturelle („non-demand-deficient") Bestandteile der Arbeitslosigkeit unterschieden: konjunkturelle Arbeitslosigkeit kann nur bei einem globalen Defizit an offenen Stellen vorliegen. Wenn die Zahl der offenen Stellen (V) hinter der der Arbeitslosen (U) zurückbleibt, wird der Saldo U - V als konjunkturelle Komponente interpretiert, der Rest (=V) als nicht-konjunkturell. Wenn U < V, könnten alle Arbeitslosen (zumindestens theoretisch) irgendwo untergebracht werden: die konjunkturelle Arbeitslosigkeit wird Null gesetzt, die gesamte Arbeitslosigkeit (U) wird als nicht-konjunkturell angesehen. Die nach bestimmten Teilmärkten disaggregierten Arbeitslosen- und Vakanzzahlen können nun verwendet werden, um die nicht-konjunkturelle Arbeitslosigkeit weiter in eine friktioneile und strukturelle Komponente zu untergliedern, je nachdem, ob es sich um „richtige" oder „falsche" Vakanzen handelt. Als friktionell arbeitslos gelten jene Arbeitslosen, denen in ihrem eigenen Teilmarkt eine offene Stelle gegenübersteht; diejenigen, denen zwar in ihrem eigenen Teilmarkt keine, wohl aber in einem anderen Teilmarkt eine offene Stelle korrespondiert, werden als „strukturell" arbeitslos klassifiziert. Wenn der Gesamtmarkt entlang einer Dimension (z.B. Beruf, Region) in Teilmärkte untergliedert wird, kann diese Vorgangsweise formelmäßig 40 so ausgedrückt werden: Ui bezeichnet die Arbeitslosen, Vi die offenen Stellen im Teilmarkt i. Die friktioneile Arbeitslosigkeit in i ergibt sich demnach als Fi = min(Ui, Vi), wobei der Operator „min" angibt, daß die jeweils kleinere der beiden Größen in der Klammer auszuwählen ist. Klarerweise werden in Teilmärkten mit überschüssigen offenen Stellen alle Arbeitslosen, in anderen Teilmärkten gerade so viele, wie offene Stellen vorhanden sind, nach dem oben angeführten Konzept als friktionell arbeitslos aufgefaßt. Die gesamte Friktionsarbeitslosigkeit F ergibt sich als F = Σ Fi. Danach werden die verbleibenden Arbeitslosen U! = Ui - Fi und die verbleibenden offenen Stellen V? = Vi - Fi für jeden Teilmarkt gebildet41. Die strukturelle Komponente S berechnet man dann als S = min (Σ Ui, Σ VJ): wenn die — nach Berücksichtigung der friktioneilen Komponente — insgesamt verbleibenden offenen Stellen die verbleibenden Arbeitslosen übersteigen, könnten diese zur Gänze in anderen Teilmärkten untergebracht werden; 40 Wir verwenden hier eine dem Beitrag von Gleave—Palmer 1980 analoge Notation, die gegenüber der etwas aufwendigen Formulierung in den Originalarbeiten von Thirlwall 1969 und Perlman 1969 übersichtlicher erscheint. 41 U'i · V'i = 0, weil nach vorgängiger „Abgleichung" der Arbeitslosen und offenen Stellen natürlich nur entweder die eine oder die andere Größe einen positiven Wert annehmen kann.

2 Empirische Operationalisierungen

137

wenn umgekehrt mehr Arbeitslose als offene Stellen übrigbleiben, bilden die noch unbesetzten offenen Stellen die Obergrenze für mögliche Umschichtungsprozesse. Problematisch ist, daß die Ergebnisse von der Tiefe der Disaggregierung abhängen. Je tiefer disaggregiert wird, umso größer ist — bei gleichbleibender konjunktureller Arbeitslosigkeit — das Ausmaß, in dem eine klassifikatorische Umschichtung von der friktionellen zur strukturellen Komponente erfolgt. Die Bildung der Teilmärkte entlang nur einer Dimension führt außerdem dazu, daß in der „friktionellen" Arbeitslosigkeit auch Elemente enthalten sind, die man üblicherweise nicht dazu zählen würde, nämlich alle jene strukturellen Anpassungsschwierigkeiten, die sich aus einem anderen als dem betrachteten Disaggregationsmerkmal ergeben. Wenn z.B. längs der Dimension „Beruf" disaggregiert wird, gilt ein Arbeitsloser des Berufes i als „friktionell" arbeitslos, wenn ihm eine offene Stelle in diesem Beruf gegenübersteht. Ob diese für ihn auch tatsächlich relevant ist oder aber etwa wegen zu großer Entfernung in Wirklichkeit schon einem (regional) anderen Teilarbeitsmarkt angehört, bleibt dabei unberücksichtigt. Diesem letzteren Einwand wird in einer erweiterten Version der Methode, bei der die Bildung der Teilmärkte gleichzeitig entlang zweier Dimensionen erfolgt, Rechnung getragen. Gleave—Palmer 1980 und Armstrong—Taylor 1981 spalten unter Verwendung von Daten über Arbeitslose und offene Stellen, die gleichzeitig nach Beruf und Region gegliedert sind, die gesamte Arbeitslosigkeit in fünf Kategorien auf: (1) friktionelle Arbeitslosigkeit F (2) geographische Komponente der strukturellen Arbeitslosigkeit Sg (3) berufliche Komponente der strukturellen Arbeitslosigkeit Sb (4) gemischte geographisch-berufliche Komponente der strukturellen Arbeitslosigkeit Sgb (5) konjunkturelle Arbeitslosigkeit KJ. Wenn wir mit Uij bzw. Vij die Arbeitslosen bzw. offenen Stellen im Beruf i und der Region j bezeichnen, so kann die Operationalisierung der genannten Kategorien folgendermaßen dargestellt werden (vgl. Gleave— Palmer 1980): ad (1) Die friktioneile Arbeitslosigkeit Fy im Beruf i und der Region j ergibt sich aus: Fy = min (Uij, Vij). Die Summierung über alle Berufe und Regionen ergibt die totale friktioneile Arbeitslosigkeit F = Σ Σ Fij. i j

II. Teil: Erklärende Indikatoren

138

ad (2) Zur Berechnung der geographischen Komponente der strukturellen Arbeitslosigkeit werden Matrizen U' bzw. V für die verbleibenden Arbeitslosen bzw. offenen Stellen mit den Elementen Uij = Uij - Fy bzw. V'ij = Vij - Fij gebildet. Die geographische Komponente der strukturellen Arbeitslosigkeit für einen Beruf i und eine Region j Gij wird dann spezifiziert als: Gij = U'y

wenn

Σ U'y < Σ V'y j j

wenn

Σ U'y > Σ V'y

(11.13) Gij = - ^ j - Σ V'ij Σ

j

J j j Der Sinn dieser Vorgangs weise ist es, alle jene Arbeitslosen, für die eine offene Stelle in ihrem eigenen Berufszweig, aber in einer anderen Region existiert, als aus geographischen Gründen strukturell arbeitslos zu klassifizieren. Das trifft für alle nach Abzug der friktioneilen Komponente verbleibenden Arbeitslosen eines Berufes zu, wenn die verbleibenden offenen Stellen die verbleibenden Arbeitslosen übersteigen. Im Falle, daß die Zahl der verbleibenden offenen Stellen niedriger ist als die der verbleibenden Arbeitslosen, werden diese (nicht-friktionellen) Vakanzen innerhalb des Berufes auf die verschiedenen Regionen gemäß ihren Anteilen an der Arbeitslosigkeit aufgeteilt. Durch Summierung über alle Berufe und Regionen erhält man die totale geographische Komponente: (11.14)

Sg = Σ Σ Gy i j

Bevor die berufliche Komponente der strukturellen Arbeitslosigkeit berechnet werden kann, müssen die noch verbleibenden offenen Stellen für jede Region ermittelt werden. Dafür ist es notwendig, zunächst die in Schritt (2) „verbrauchten" offenen Stellen zu ermitteln. In Berufen mit einem Überschuß an Arbeitslosen werden alle offenen Stellen aufgebraucht; in den anderen Berufen werden die offenen Stellen gemäß dem Anteil der jeweiligen Region an den Gesamtvakanzen hypothetisch mit Arbeitslosen besetzt. Für die bei der Berechnung der geographischen Komponente der strukturellen Arbeitslosigkeit „verbrauchten" Stellen Gij gilt daher: Gy = V'y

wenn

Σ U'y > Σ V'y j j

Gy = - ^ j - Σ U'y Τ V ij j J

wenn

Σ U'y < Σ V'y j j

(11.15)

2 Empirische Operationalisierungen

139

ad (3) Die berufliche Komponente struktureller Arbeitslosigkeit im Beruf i und der Region j, die mit By bezeichnet werden soll, kann dann analog zur Ermittlung der regionalen Komponente berechnet werden, indem man nun nicht von den Matrizen U' und V ausgeht, sondern von den Matrizen U" und V", wobei deren Elemente gegeben sind durch U"ij = U'ij - Gy und V ' y = V'y - Gy. Die gesamte berufsstrukturelle Arbeitslosigkeit ergibt sich als Σ Σ By = Sb. Vor einer i j Fortführung des Zurechnungsverfahrens müssen auch die auf dieser Stufe „verbrauchten" Vakanzen By kalkuliert werden. ad (4) Das Ausmaß jener Arbeitslosen, denen nur noch durch Wechsel des Berufs und der Region eine offene Stelle korrespondieren würde (gemischt geographisch-berufliche Komponente), kann ermittelt werden, indem die Summen der nach Abzug der Komponenten (l)-(3) noch verbleibenden Arbeitslosen und offenen Stellen miteinander verglichen werden; die jeweils kleinere bestimmt das nötige bzw. mögliche weitere Umschichtungsausmaß. In Formeln: S g b = min (Σ Σ U ' " y , Σ Σ V ' y )

(11.16)

1

J

U'"y = U"y - By

1

wobei

j

und

V ' y = V"y - By

ad (5) Die Arbeitslosigkeit, die nach Abzug der Komponenten (l)-(4) noch übrigbleibt, wird als konjunkturell klassifiziert. Aus dem dargestellten Schema ergibt sich auch hier, daß KJ = U - V , mit U = Σ Σ Uy i j und V = Σ Σ Vij, wenn U < V und KJ = 0, wenn U > V. i j An dem zweistufigen Verfahren können speziell zwei Kritikpunkte angebracht werden: — Die Beliebigkeit der anteilsmäßigen Aufteilung der Arbeitslosen (bzw. offenen Stellen), und — die Abhängigkeit der Ergebnisse von der Sequenz, in der die geographisch und beruflich strukturellen Komponenten berechnet werden: würde man nicht — wie in unserer Darstellung — zuerst die geographisch-strukturelle Arbeitslosigkeit, sondern die beruflich-strukturelle errechnen, würden sich für beide Komponenten (im allgemeinen) andere Werte ergeben. Die anteilsmäßige Aufteilung der Arbeitslosen (bzw. offenen Stellen) könnte entfallen, wenn das vorliegende Problem nicht stufenweise, sondern

140

II. Teil: Erklärende Indikatoren

simultan in der Art entweder des „Transport"- oder des „personnel assignments-Problems der linearen Programmierung angegangen würde42. Im ersten Fall müßten die (durchschnittlichen) Umschulungs- bzw. Umzugskosten eines Arbeitslosen von ij nach kl erhoben oder auch einfach überschlägig angenommen werden und dann die Summe der Transferkosten minimiert werden. Dieses Vorgehen würde es erlauben, von der mechanischen Annahme abzugehen, daß ein Wechsel innerhalb desselben Berufes oder derselben Region, wenn auch über große Distanzen oder in ganz andere Tätigkeitsfelder, besonders leicht zu bewerkstelligen sei, und statt dessen realistischere Umstellungskosten zugrundelegen. Der Wert der Zielfunktion wäre ein kompakter Indikator für das Ausmaß der nicht-konjunkturellen Komponenten der Arbeitslosigkeit. Ein globaler Überschuß an Arbeitslosen würde sich in positiven Werten von Schlupfvariablen niederschlagen, deren Summe die konjunkturelle Komponente im vorher dargestellten Sinn ausdrückt. Wenn anderseits die Zuordnung von Arbeitslosen und offenen Stellen als makroökonomische Version des in der Theorie der Linearprogrammierung geläufigen „personnel-assignment*'-Problems aufgefaßt wird, muß zunächst die (durchschnittliche) Produktivität eines Arbeitslosen mit Charakteristik i, j im Beruf k und der Region l 4 3 ermittelt oder geschätzt werden. Dann wird berechnet, wie die Arbeitslosen auf die vorhandenen offenen Stellen alloziert werden müssen, so daß der Output maximiert wird. Diese mehr outputorientierte Betrachtungsweise (vgl. auch Abschnitt I, 2) scheint besonders angebracht im Falle eines globalen Überhangs der offenen Stellen, wenn nicht die möglichst reibungslose Unterbringung der Arbeitslosen, sondern die Versorgung der expandierenden Berufe und Regionen im Vordergrund steht. Der streng inputorientierte Begriff „friktioneller Arbeitslosigkeit" als jene Arbeitslosigkeit, die mit nur geringen oder ganz ohne Umstellungskosten beseitigt werden kann, hat in diesem Konzept keinen Platz mehr: auch wenn es für Arbeitslose in ihrem Berufszweig und ihrer Region offene Stellen gibt, kann beim personnel-assignment-Ansatz ein Transfer in produktivere Verwendungen angezeigt werden. Desgleichen wird die bevorzugte Unterbringung wenigstens im selben Beruf oder der42

Im vorliegenden Fall sind sowohl Ausgangspunkte als auch Destinationen des Linearprogrammierungsproblems Matrizen. Die Elemente der Matrix kann man sich aber auch in einem einzigen Vektor angeordnet denken, so daß die Linearprogrammierungsprobleme die übliche Form annehmen. 43 Wenn die Region, aus der der Arbeitslose stammt (j) bzw. diejenige, in welche er transferiert werden soll (1), nur marginalen Einfluß auf seine potentielle Produktivität haben, sondern diese — wie zu erwarten — hauptsächlich vom Ausgangs- (i) bzw. Zielberuf (k) abhängt, kann das dadurch ausgedrückt werden, daß die Produktivitätskoeffizienten nur von i und k abhängen, aber nicht von j und 1.

2 Empirische Operationalisierungen

141

selben Region, wie sie dem Konzept der geographisch bzw. beruflich strukturellen Arbeitslosigkeit bei der ursprünglichen Version zugrundeliegt, durch das allgemeinere Kriterium eines produktivitätssteigernden Einsatzes ersetzt. Der zweite oben angesprochene Kritikpunkt, die Abhängigkeit der Ergebnisse von der Sequenz der Berechnung der Komponenten, wird bei einem Verfahren umgangen, das Blattner 1977 vorgeschlagen hat. Bei ihm wird die „berufsbedingte Arbeitslosigkeit" für die Region j Bj bestimmt durch Bj = min (Σ U'y, Σ V'y); das ist identisch mit Σ By in der oben dargestellten i i i Version nach Gleave—Palmer für den Fall, daß die beruflich-strukturelle Komponente zuerst berechnet wird. Die „mobilitätsbedingte Arbeitslosigkeit" im Beruf i Mi wird bei Blattner berechnet als Mi = min (Σ U'y, Σν^) j j und entspricht Σ Gy für den Fall, daß die geographisch-strukturelle Komj ponente als erste berechnet wird. Aufgrund dessen, daß bei Blattner kein sequentielles Verfahren verwendet wird, entfällt auch die anteilsmäßige Aufteilung der Arbeitslosen und offenen Stellen. Das hat allerdings den Nachteil, daß die Summe aus „berufsbedingter" und „mobilitätsbedingter" Arbeitslosigkeit die Gesamtzahl der Arbeitslosen übersteigen kann, weil ja ein und derselbe Arbeitslose sowohl in der einen als auch in der anderen Kategorie mitgezählt werden kann. Ein einfaches Beispiel möge dies illustrieren. Wenn die Ausgangsmatrizen U und V folgendermaßen aussehen: '4 1 ' 1 10 U = V = .1 4. . 10 1 . so ergeben sich nach Abzug der friktionellen Arbeitslosigkeit folgende Matrizen U' bzw. V : '3 0' • 0 9 Y' = U' = ,0 3. 9 0. Alle sechs verbleibenden Arbeitslosen können sowohl als berufsbedingt als auch als mobilitätsbedingt arbeitslos angesehen werden. Die Summe dieser beiden Komponenten (12) übersteigt schon die Zahl der Arbeitslosen überhaupt (10). Hingewiesen werden soll auf das Verständnis struktureller Arbeitslosigkeit, das die besprochene Methode sowohl in der einstufigen als auch in der zweistufigen Version impliziert. In der Hochkonjunktur (U < V) bestimmen jene Arbeitslosen, denen in ihren Teilmärkten keine offenen Stellen gegenüberstehen, in der Rezession (U > V) hingegen die auf einzelnen Teilmärkten auftretenden überschüssigen offenen Stellen das

142

II. Teil: Erklärende Indikatoren

Ausmaß der strukturellen Arbeitslosigkeit. Strukturelle Arbeitslosigkeit ist somit ein Maß dafür, wieviele Arbeitslose maximal durch Umschichtung in andere Teilmärkte wieder in Beschäftigung gebracht werden könnten und entspricht somit dem Begriff von „structural unemployment" im Gegensatz zu „structural imbalance" (vgl. oben S. 122 f.). In beiden Konjunktursituationen ist für die Existenz struktureller Arbeitslosigkeit maßgebend, daß überschüssige offene Stellen, die nicht mit Arbeitslosen desselben Teilmarktes besetzt werden können, vorhanden sind. „With the primary requirement for structural unemployment the presence of tight job markets in some (occupational) sectors, it becomes evident that structural unemployment is more a product of good times than bad" folgert Perlman 1969, S. 171. Tatsächlich wurden z.B. bei Maneval 1977 b im Rezessionsjahr 1975 für die BRD nach dieser Methode null strukturell Arbeitslose gemessen, was bei dem allgemeinen Mangel an offenen Stellen auch nicht verwunderlich ist. Bei Riese 1980 wurde (für Österreich) gezeigt, daß strukturelle Arbeitslosigkeit in dem hier verstandenen Sinn aber auch nicht einfach ein „product of good times" ist — in ausgesprochenen Hochkonjunkturperioden mit generell reichlich vorhandenen offenen Stellen wird (fast) die ganze Arbeitslosigkeit als friktionell klassifiziert werden —, sondern unmittelbar nach einer Rezession die größte Rolle spielt, dann nämlich, wenn die Kräftenachfrage global gesehen schon wieder ausreichend ist, aber noch nicht alle Teilmärkte gleichmäßig davon profitieren. 2.2.3 IAB-Methode Eine der Methode von Thirlwall—Perlman recht ähnliche Operationalisierung für die friktioneile, strukturelle und konjunkturelle Komponente der Arbeitslosigkeit wurde vom IAB Nürnberg in dem schon genannten Beitrag von Cramer et al. 1976 verwendet. Der Grundgedanke ist einfach: für den Fall, daß die Zahl der Arbeitslosen die der offenen Stellen übersteigt, geht die IAB-Methode von der Annahme aus, daß — strukturelle Arbeitslosigkeit nur insoweit vorliegen kann, als offene Stellen zwar vorhanden, aber aufgrund von Merkmalsdiskrepanzen zwischen den Arbeitslosen und den offenen Stellen nicht besetzt werden können. Insofern kann die „strukturelle Arbeitslosigkeit" nie höher sein als die Zahl der offenen Stellen. Von diesem Maximum muß noch ein Teil als friktionsbedingt abgezogen werden. — Dieser friktioneile Teil der Arbeitslosigkeit wird mit dem in der Beobachtungsperiode niedrigsten Stand der Arbeitslosigkeit gleichgesetzt.

2 Empirische Operationalisierungen

143

— Der konjunkturelle (demand-deficient) Teil der Arbeitslosigkeit schließlich ergibt sich als Überschuß der Arbeitslosen über die offenen Stellen. In Abb. 12 sind die Grundgedanken dieser Methode graphisch dargestellt und auch auf den Fall, daß die Zahl der offenen Stellen diejenige der Arbeitslosen übertrifft, ausgedehnt.

Abbildung 12: IVpen von Arbeitslosigkeit nach dem IAB-Konzept Quelle: Krieger—Pintar

1977, S. 99

Die dünne durchgezogene Linie stellt den Verlauf der Arbeitslosigkeit dar, die strichlierte Linie den der offenen Stellen. Die dick ausgezogene Linie gibt die Summe aus struktureller und friktioneller Arbeitslosigkeit an. Die Ergebnisse des IAB zeigten, daß nach dieser Methode die Zahl der strukturell Arbeitslosen in der Krise 1975 niedriger lag als in der Rezession 1967; der Hauptteil der — auch gegenüber 1967 — beträchtlich höheren Gesamtarbeitslosigkeit wurde demnach als konjunkturelles, auf Nachfragemangel beruhendes Phänomen interpretiert. Problematisch an dieser Methode ist die Identifikation der friktioneilen Arbeitslosigkeit mit dem niedrigsten Bestand an Arbeitslosen im Beobachtungszeitraum. Da der niedrigste Bestand aus einer Hochkonjunktur- und Überbeschäftigungssituation stammt, in der der Arbeitsplatzwechsel besonders leicht ist, ergibt sich tendenziell eine Überschätzung der friktioneilen Komponente (Schmid 1980). Außerdem enthält dieser Bestand üblicher-

144

II. Teil: Erklärende Indikatoren

weise auch eine nicht unbeträchtliche Zahl von längerfristig (z.B. über 6 Monate) Arbeitslosen, die nur schwerlich als friktionell arbeitslos angesehen werden können. (Krieger—Pintar 1977 vermindern entsprechend die friktionelle Komponente um die Zahl der Langfristarbeitslosen, welche sie stattdessen der strukturellen Komponente zuschlagen.) Die mechanische Gleichsetzung der konjunkturellen Arbeitslosigkeit mit einem Überschuß der Arbeitslosen über die offenen Stellen führt dazu, daß sich aus rein definitorischen Gründen für die Summe aus struktureller und friktioneller Arbeitslosigkeit der in Abb. 12 dick ausgezogene, gezackte Verlauf ergibt (vgl. zum Folgenden auch Blattner 1977). Das impliziert aber das paradoxe Resultat, daß die nicht-zyklische Arbeitslosigkeit zyklisch schwankt (Hardes 1981, S. 149 f)· I m Abschwung steigt zunächst die strukturelle Arbeitslosigkeit; sobald aber die Zahl der offenen Stellen unter die der Arbeitslosen gesunken ist, nimmt sie wieder ab, weil nunmehr ein Teil der vormals strukturellen Arbeitslosen als konjunkturell arbeitslos klassifiziert wird. Analog dazu wird in der Frühphase des Aufschwungs ein Teil der bis dahin als konjunkturell klassifizierten Arbeitslosen zu den strukturell Arbeitslosen „verschoben", deren Zahl somit zunächst steigt und erst wieder sinkt, nachdem die konjunkturelle Arbeitslosigkeit vollständig abgebaut ist44. Ein solcher möglicher Wechsel in der Klassifizierung ein und desselben Arbeitslosen entsprechend der Konjunkturlage ist wegen der Abhängigkeit aller Arten der Arbeitslosigkeit von der Konjunkturlage nicht unbegründet; z.B. werden in der Frühphase des Abschwungs als „strukturell" klassifizierte Arbeitslose bei Andauern des Abschwungs zu Recht zu den „konjunkturell" Arbeitslosen „verschoben", weil sie zwar, solange noch genügend offene Stellen vorhanden sind, durch berufliche oder geographische Mobilität (möglicherweise) wieder Arbeit finden könnten, bei einer Vertiefung der Rezession mit entsprechendem Rückgang der Arbeitskräftenachfrage aber auch bei einem Wechsel in einen anderen Beruf oder eine andere Region keine Beschäftigungschancen haben. Daß immer nur die jeweils gerade existierenden nicht aber die zukünftig zu erwartenden offenen Stellen berücksichtigt werden, ist dennoch nicht ganz befriedigend (vgl. Maneval 1977 b). Die UV-Methode, wie sie oben beschrieben wurde, ist dem zuletzt diskutierten Kritikpunkt nicht ausgesetzt: bei ihr werden die Spitzen des gezackten Kurvenverlaufs, an denen U=V gilt, als für eine ganze Periode, in der es zu keiner Verschiebung der UV-Relation kommt, geltende Werte der nicht-konjunkturellen Komponente der Arbeitslosigkeit betrachtet. Die 44 Die Argumentation muß bei einem anderen als dem regelmäßig sinusschwingungsartigen Verlauf der beiden Kurven wie in Abb. 12 etwas modifiziert werden.

2 Empirische Operationalisierungen

145

Methode des Arbeitsmarktsaldos hingegen ergibt für die Summe aus friktioneller und struktureller Arbeitslosigkeit denselben gezackten Verlauf wie die IAB-Methode; die weitere Unterteilung in friktionelle und strukturelle Komponenten scheint aber bei ersterer adäquater gelöst. Ein schwerwiegender Schwachpunkt aller in diesem Abschnitt (II, 2.2) diskutierten Verfahren besteht darin, daß sie ausschließlich mit Bestandsgrößen operieren. Damit suggerieren sie, daß ein starrer Block von Arbeitslosen mit bestimmten Charakteristika einem ebenso starren Block offener Stellen gegenübersteht. Die enormen Bewegungen in jedem der beiden Aggregate (vgl. I, 1.2) bleiben dabei unberücksichtigt. 2.3 Operationalisierungen mit Hilfe der Phillips-Kurve

2.3.1 Lipsey's „Politik-Ansatz" Lipsey 1965 hat vorgeschlagen, eine Unterteilung der Gesamtarbeitslosigkeit in eine friktioneile, strukturelle und konjunkturelle Komponente entsprechend den anzuwendenden wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Beschäftigungs- bzw. Arbeitsmarktpolitik („eures") vorzunehmen und nicht entsprechend den unterschiedlichen Ursachen („causes") wie das die bisher behandelten Verfahren versuchen. Die in Frage kommenden Maßnahmen werden einerseits von der Beziehung zu anderen wirtschaftspolitischen Zielen, anderseits von den subjektiven Präferenzen der Entscheidungsträger abhängen. Reduziert auf die Ziele Preisniveaustabilität und Vollbeschäftigung, läßt sich das Problem mit Hilfe einer modifizierten Phillipskurve, die die Wahlmöglichkeiten zwischen Inflationsrate und Arbeitslosenquote zeigt (Kurve RR in Abb. 13), analysieren. Auf Probleme im Zusammenhang mit der langfristigen (In)stabilität der Phillipskurve kommen wir weiter unten zu sprechen. Die Präferenzen des Wirtschaftspolitikers können nun einfach in einer maximal „tolerierbaren" Inflationsrate p ma x zum Ausdruck kommen oder als vollständiges Indifferenzkurvensystem über alle Kombinationen von Preissteigerungen ρ und Arbeitslosenquote u formuliert sein. Die Indifferenzkurven in Abb. 13 verlaufen — die übliche, aber nicht notwendige Annahme — konkav zum Ursprung; ihr Präferenzindex nimmt gegen „Südwesten" zu. Der Tangentialpunkt zwischen einer Präferenzkurve und der Phillipskurve, Punkt A in Abb. 13, stellt dann die anzustrebende Option dar. Der Einfachheit halber wurde p ma x in Abb. 13 so gewählt, daß sich wieder A als Zielpunkt ergibt. Als nachfragebedingt („demand-deficient unemployment") sieht Lipsey alle über Od hinausgehende Arbeitslosigkeit an; wenn die tatsächliche 10 Riese

146

II. Teil: Erklärende Indikatoren

Abbildung 13: Lipsey's Klassifikation der Arbeitslosigkeit

Arbeitslosigkeit z.B. Oa beträgt, ist da ihre nachfragebedingte, konjunkturelle Komponente. "... this much unemployment could be removed by raising aggregate demand without creating unacceptable conflicts with other goals of policy? ' (S. 214). Eine darüber hinausgehende Verminderung der Arbeitslosigkeit, ohne daß unakzeptable Inflation entsteht, ist dann nur möglich, indem die Phillipskurve als Ganzes nach innen verschoben wird. Das ist die Aufgabe von spezielleren, „strukturellen" Maßnahmen der Arbeitsmarkt-, Bildungsund Regionalpolitik. Lipsey meint, daß diese gerade bis zu einem Ausmaß eingesetzt werden sollen, sodaß „some . . . pay for themselves on an analysis of the money costs and money benefits and some . . . are justified because the nonpecuniary social benefits are judged to justify the net money cost of the schemes." (S. 214). Der Tangentialpunkt zwischen einer Indifferenzkurve des Präferenzsystems und der neuen Phillipskurve R'R\ i.e. der Punkt Β in Abb. 13 — bzw. analog der Punkt C für den Fall, daß die Präfe-

2 Empirische Operationalisierungen

147

renzen des Wirtschaftspolitikers sich als einfache Beschränkung der zulässigen Inflationsrate darstellen lassen — bestimmt das Ausmaß, in welchem Arbeitslosigkeit durch selektive Maßnahmen bekämpft werden kann bzw. soll; entsprechend wird ds (bzw. ds') als „strukturelle" Arbeitslosigkeit klassifiziert. Der Rest Ös (bzw. Os') ist friktioneile Arbeitslosigkeit und gilt als mit Vollbeschäftigung vereinbar „in the sense that we do not wish to remove it on grounds of an assessment of either the monetary or the social benefits of doing so." (S. 214). Die Lipseysche Kategorisierung der Arbeitslosigkeit ist an zwei Stellen stark von subjektiven Wert Vorstellungen abhängig: einmal bei der Festlegung der maximal tolerierbaren Inflationsrate bzw. des Präferenzsystems des Wirtschaftspolitikers, und zum anderen bei den „nonpecuniary social benefits", die den Einsatz arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen rechtfertigen. Darüberhinaus wird auch der Verlauf der Phillips-Kurve nicht unumstritten sein. Dadurch kann das den einzelnen Komponenten der Arbeitslosigkeit zugewiesene Ausmaß bei identischer Gesamtarbeitslosigkeit recht unterschiedlich ausfallen: bei einer „schwedischen" Philosophie der Arbeitsmarktpolitik wird ein größerer Teil der Arbeitslosigkeit als bekämpfenswert und damit „strukturell" angesehen werden als sonst; oder: bei starker Priorität des Ziels der Preisstabilität wird ein kleinerer Teil der Arbeitslosigkeit als nachfragebedingt eingestuft werden als wenn dieses Ziel weniger hoch eingeschätzt würde, etc. Die Operationalisierung der verschiedenen Arten von Arbeitslosigkeit ist somit hier nicht objektiv überprüfbar. Etwas unklar bleibt auch, ob die oben implizit angenommene Aufeinanderfolge von globalen und strukturellen Maßnahmen nur als logische Sequenz oder auch als tatsächliches, zeitliches Nacheinander zu verstehen ist. Lipsey 1965 und die meisten seiner Interpreten (z.B. Neuhauser 1978, Hilmer 1979) neigen der zweiten Auffassung zu, was m.E. nicht überzeugend ist: Arbeitsmarktstrukturpolitik und globale Beschäftigungspolitik können und sollen durchaus simultan eingesetzt werden. Das Lipseysche Klassifikationsschema kann m.E. sinnvollerweise nur eine hypothetische Zurechnung in der Ausgangssituation angeben, ohne daß damit etwas über die Reihenfolge des Mitteleinsatzes gesagt würde. Lipseys Schema, als ein vermittelnder Beitrag zur amerikanischen Strukturalistendebatte der sechziger Jahre konzipiert, ist noch zu einer Zeit entstanden, als die Phillipskurve als „Speisekarte" für alternative wirtschaftspolitische Optionen in hohem Ansehen stand. Seither ist diese „naive" Verwendung der Phillipskurve zunehmend unter Beschuß geraten. Wenn man 10*

148

II. Teil: Erklärende Indikatoren

die Inflationserwartungen der Wirtschaftssubjekte explizit berücksichtigt, muß jedenfalls unterschieden werden zwischen der Schar von kurzfristigen Phillipskurven, welche jeweils für eine bestimmte gegebene Inflationserwartung gelten, und der langfristigen Phillipskurve, welche die erreichbaren Kombinationen von Inflation und Arbeitslosigkeit bei voller Übereinstimmung von tatsächlicher und antizipierter Preisentwicklung anzeigt. Die extreme Position der Monetaristen behauptet eine langfristig vertikale Phillipskurve. Nach Lipseys Schema ist für diesen Fall, übrigens ganz im Sinne auch der Proponenten der monetaristischen Position, im long run kein Platz für „konjunkturelle" Arbeitslosigkeit; die „natürliche" Arbeitslosigkeit (vgl. auch Abschnitt II, 1.2.2) kann zur Gänze „strukturellen" bzw. „friktionellen" Faktoren zugerechnet werden. Die Lipseysche Unterscheidung dieser beiden Komponenten danach, wieweit es sich lohnt, die Arbeitslosigkeit zu reduzieren, korrespondiert der monetaristischen Unterscheidung zwischen der kurzfristigen NAR für eine gegebene Situation, die friktionelle und strukturelle Komponenten umfaßt und durchaus noch reduziert werden kann bzw. soll, und der langfristigen, „optimalen" NAR, deren Reduktion nicht mehr angezeigt ist (vgl. auch Feldstein 1973, Gordon 1973, Dornbusch—Fischer 1978). In keynesianischer Sicht ist die Phillipskurve nach voller Adaption der Erwartungen zwar steiler als die kurzfristige Austauschbeziehung von Inflation und Arbeitslosigkeit, dennoch bleibt auch langfristig ein Trade-Off bestehen, wenn man nicht — wie die Monetaristen — reines Reallohnbargaining bzw. einen Koeffizienten von 1 bei den Preiserwartungen in der Lohngleichung annimmt. Wie Hilmer 1979 gezeigt hat, können die Überlegungen Lipsey's aber nicht umstandslos von der kurzfristigen auf die langfristige Phillipskurve übertragen werden: Eine Expansion der Beschäftigung entlang der langfristigen Phillipskurve ist nicht möglich, vielmehr sinkt die Arbeitslosigkeit hier durch Nachfragestimulation zunächst entlang einer kurzfristigen Kurve und kehrt dann — nach voller Inkorporierung der höheren Inflation in die Erwartungsbildung — auf das Niveau zurück, das die langfristige Kurve anzeigt bzw. wird im realistischen Fall diese Marke noch „überschießen". Aufgrund dieser „Zick-Zack"-Bewegung genügt die statische Festlegung einer „tolerierbaren" oder „nutzenoptimalen" Inflationsrate, bis zu welcher Arbeitslosigkeit durch Nachfrageexpansion abgebaut werden soll, nun nicht mehr, vielmehr müßten sich die Präferenzen des Wirtschaftspolitikers hier auf komplette, alternative Zeitpfade beziehen, was das Schema noch weniger handhabbar macht. Hilmers Einwand gilt allerdings nur bei adaptivem Erwartungsbildungsprozeß; bei rationalen Erwartungen wäre eine Expansion entlang der langfristigen Kurve wieder möglich.

2 Empirische Operationalisierungen

149

2.3.2 Messung der „natürlichen" Arbeitslosigkeit Ausgangspunkt der Berechnung ist meist eine um Erwartungen erweiterte („expectations-augmented") Phillipskurve. Die Fülle der verschiedenen erklärenden Variablen, der unterschiedlichen Spezifikationen und Lagstrukturen, wie sie in der Literatur (vgl. z.B. Gordon 1977, Santomero—Seater 1978, Sumner 1978, Sumner— Ward 1983, Franz 1978, 1983, Hardes 1981, Grubb—Jackman—Layard 1982) verwendet werden, braucht hier nicht detailliert diskutiert zu werden. Die Vorgangsweise und ihre Problematik kann auch anhand einer auf das Wesentliche vereinfachten linearisierten Form verdeutlicht werden: (11.17)

w t = a - bit + ci*

wobei Wt die Steigerungsrate der Nominallöhne, p* die erwartete Preissteigerungsrate, It ein geeigneter Indikator, der den „slack" am Arbeitsmarkt anzeigen soll (dies kann, muß aber nicht die gesamtwirtschaftliche Arbeitslosenquote u t sein), a, b und c positive, konstante Parameter und t ein Zeitindex sind. In einem ersten Schritt ist durch die Schätzung der Parameterwerte sicherzustellen, daß die Hypothese c=l nicht zurückgewiesen werden kann; nur dann kann das Konzept der NAR sinnvollerweise auf das vorliegende Datenmaterial angewendet werden. In manchen Studien (z.B. Sumner 1978) wird dieses Ergebnis allerdings durch a priori Beschränkung des Schätzkoeffizienten c auf 1 vorweggenommen45. In einem nächsten Schritt ist aus der Schätzgleichung jener Wert Γ des Indikators zu ermitteln, der bei gegebener Inflationserwartung einen Reallohnanstieg im Ausmaß des Produktivitätsfortschritts χ ergibt. Daraus folgt: (11.18)

1° =

^ b

wobei Symbole mit einem Dach f ) die geschätzten Parameterwerte bedeuten. 1° ist der gesuchte Gleichgewichtswert des gewählten Arbeitsmarktindikators. Das inhaltlich gleiche Resultat, etwas anders formuliert, ergibt sich wenn in Gl. (11.17) — wt durch pt + xt ersetzt wird, wobei p t die tatsächliche Preissteigerung bezeichnet, d.h. mark-up pricing mit konstantem Aufschlagssatz gilt. 45 Bei Sumner 1978 bezieht sich diese Beschränkung auf eine etwas kompliziertere Spezifikation; entsprechend ist die Summe aus den Koeffizienten der Erwartungsterms auf 1 beschränkt.

150

II. Teil: Erklärende Indikatoren

— c = 1 angenommen wird und — p* durch pt_, ersetzt wird. Das kann wahlweise als besonders einfacher adaptiver Erwartungsbildungsprozeß mit dem ganzen Gewicht auf der letzten Periode oder als langfristige Gleichgewichtsbedingung gedeutet werden. Gleichung (11.17) kann dann unter Verwendung von (11.18) auch geschrieben werden als (vgl. auch Gl. (II.3): (11.19)

p t - pt_i = a - b l - x

= a - b l -

(a-bl°) = - b (1-1°)

Dieser Zusammenhang kann übersichtlich in einem Punktdiagramm wie Abb. 14 dargestellt werden (siehe auch Modigliani—Papademos 1975, Hardes 1981, Franz 1983):

Abbildung 14: Arbeitsmarktindikator und Inflationsakzeleration

Der Gleichgewichtswert des Arbeitsmarktindikators kann hier anschaulich als Schnittpunkt einer Regressionsgeraden durch die Punktwolke mit der Abszisse abgelesen werden; ein „shift" von Γ z.B. kann, zumindestens überschlägig, schon durch bloße Inspektion des Punktdiagramms festgestellt werden. Nur wenn die gesamtwirtschaftliche Arbeitslosenquote auch als Arbeitsmarktindikator dient, ist mit î° auch schon u°, die sog. non-accelerating in-

2 Empirische Operationalisierungen

151

flation rate of unemployment oder NAIRU 46 , ermittelt. Sie ist in diesem Fall für den ganzen betrachteten Zeitraum konstant oder ändert sich allenfalls nach Maßgabe von in Gl. (11.17) noch eingebauten intercept-dummies für verschiedene Sub-Perioden (vgl. Sumner 1978, Franz 1983). Meist wird aber nicht die gesamtwirtschaftliche Arbeitslosenquote als Indikator gewählt, sondern irgend eine andere als Arbeitsmarkt-Überschußnachfrage-Variable besser geeignet erscheinende Größe: z.B. die Arbeitslosenquote einer repräsentativen demographischen Gruppe, etwa der 25 bis 54 jährigen Männer bei Wächter 1976, die standardisierte Arbeitslosenquote (vgl. auch Abschnitt I, 1.1.4) bei Modigliani—Papademos 1975, Perryoutput-weighted Arbeitslosenquoten (vgl. auch Abschnitt I, 2.1) bei Gordon 1977, eine gegenüber der registrierten Arbeitslosigkeit um entmutigte Arbeitnehmer, unfreiwillig remigrierte Ausländer und Kurzarbeiter erweiterte Unterbeschäftigungsquote bei Franz 1978 oder eine über ein ökonometrisches Verfahren adjustierte Arbeitslosenreihe, wie bei Sumner 1978, der dadurch den vermuteten Effekt höherer Unterstützungsleistungen ausschalten will. Welche Größe als Arbeitsmarktindikator verwendet werden soll, müßte korrekterweise erst durch Vergleich der statistischen Qualität verschiedener Indikatoren ermittelt werden (wie z.B. bei Gordon 1977), wird aber häufig einfach a priori festgesetzt. Wenn die gesamtwirtschaftliche Arbeitslosenquote nicht als Arbeitsmarktindikator gewählt wurde, müssen in einem nächsten Schritt Arbeitslosengleichungen geschätzt werden, die die Arbeitslosenquote der k-ten demographischen Gruppe Ukt in Relation setzen zu dem Arbeitsmarktindikator It (vgl. Gordon 1977): (11.20)

Ukt = f (It, S kt )

wobei Skt verschiedene Strukturvariable sind. Wird in diese Beziehung dann der Gleichgewichtswert des Indikators eingesetzt, ergibt sich der — über die Zeit keineswegs notwendigerweise konstante — Verlauf der gleichgewichtigen Arbeitslosenquote der k-ten Gruppe: (11.21)

ûkt = f (1°, S kt )

Die gesamtwirtschaftliche NAIRU ergibt sich schließlich durch Aggregation über die sektoralen ûkt; als Gewichte werden die Labour-Force-Anteile Xkt der laufenden Periode oder auch feste Anteile eines Basisjahres Xk (wie bei Gordon 1977) verwendet: (11.22)

û° = Σ Xkt ûkt

46 Manchmal werden stattdessen auch die Akronyme CIR (= constant inflation rate of unemployment) oder NI RU (= non inflationary rate of unemployment) verwendet.

152

II. Teil: Erklärende Indikatoren

Gegen die empirischen Berechnungen der NAIRU können verschiedene Einwände erhoben werden (Vorbehalte gegen das theoretische Konzept der NAR wurden schon in II, 1.2.2 diskutiert): Einmal muß der große numerische Unsicherheitsbereich von î° beachtet werden, der sich dadurch ergibt, daß diese Größe durch Division aus Regressionskoeffizienten zustandekommt, die ihrerseits nur innerhalb von Konfidenzintervallen gelten (vgl. Wächter 1976); diese Unsicherheit nimmt für u° natürlich noch zu. Gravierender noch ist folgende Schwierigkeit. Aufgrund der Tatsache, daß für die Preiserwartungen — in aller Regel — keine beobachteten Werte zur Verfügung stehen47, werden durch eine statistische Spezifikation in der Art der Gl. (11.17) immer zwei Hypothesen gleichzeitig getestet: erstens, ob die Erwartungen tatsächlich in der jeweils unterstellten Weise Zustandekommen, und zweitens, ob der Koeffizient des Preiserwartungsgliedes eins ist (c = l), und es besteht keine Möglichkeit, die Validität jeder der beiden Hypothesen separat zu beurteilen. Typischerweise werden in empirischen Studien die Preiserwartungen als mehr oder minder komplizierte (Linear)kombinationen aus den tatsächlichen Inflationsraten der Vergangenheit modelliert. Saunders— Nobay 1972 haben gezeigt, daß sich durch geeignete Wahl der Gewichte, die den einzelnen Werten der vergangenen Preissteigerungen zugemessen werden, beliebige Werte für den Koeffizienten c generieren lassen. Das Herzstück der NAR-Hypothese, daß c in Gl. (11.17) gleich 1 ist, d.h. die Preiserwartungen voll in den Lohnbildungsprozeß eingehen bzw. Reallohn-Bargaining herrscht, kann also empirisch nicht stringent überprüft werden48. In diesem Licht erscheint dann auch die oben erwähnte a priori Annahme eines cKoeffizienten von 1 wieder reputierlicher: sie bedeutet einfach, daß jene empirischen Werte der Parameter geschätzt werden, die das Datenmaterial unter Voraussetzung der NAR-Hypothese zusammenfassen. Neben diesen eher technischen Problemen ist auch eine wichtige inhaltliche Schwäche des ganzen (Meß)konzepts aufzuzeigen. Die in der beschriebenen Weise gemessene NAIRU deckt sich nicht, wie von den Monetaristen explizit oder implizit unterstellt, mit der gleichgewichtigen, i.e. nur durch reale Faktoren bestimmten Arbeitslosenquote. 47 Auch die Ermittlung von Erwartungen über Befragungen wirft gravierende Probleme auf. Vgl. Carlson— Parkin 1978. 48 Siehe auch Sargent 1971 und Lucas 1972, die nachgewiesen haben, daß bei einem adaptiven Erwartungsbildungsschema, bei dem sich die Gewichte der Inflationsraten der Vergangenheit zu 1 summieren, der Koeffizient c gegenüber seinem wahren Wert nach unten verzerrt ist und somit die NAR-Hypothese durch einen signifikant < 1 geschätzten Parameter c nicht valide zurückgewiesen werden kann.

2 Empirische Operationalisierungen

153

Bekanntlich ergibt sich die Phillips-Kurve durch das Zusammenspiel einer Lohnanpassungsfunktion, welche eine positive Relation zwischen Überschußnachfrage am Arbeitsmarkt und Lohnänderung beschreibt, und einer Transformationsfunktion, welche die Beziehung zwischen dem theoretischen Konzept der Überschußnachfrage und dem empirisch gewählten Arbeitsmarktindikator angibt. In der einfachsten, wiederum linearisierten Version können die beiden Funktionen geschrieben werden als (vgl. auch Grubb—Jackman—Layard 1982, Thirlwall 1983): D-S w = x e + b L (—z—) + p e (Lohnanpassungsfunktion)

(11.23)

ο (11.24)

I = aT

D —S - br ( g )

(Transformationsfunktion)

e

wobei x das angestrebte Reallohnwachstum („target rate"), die (relative) Überschußnachfrage und bu aT, by Parameter bezeichnen. Der Koeffizient des Preiserwartungsgliedes ist annahmegemäß oder auch aufgrund eines vorhergehenden Tests mit 1 festgesetzt (c=l). In Verbindung mit der (tautologischen) Preisgleichung (11.25)

ρ = w - χ + m

wobei m die Veränderungsrate des (Lohnstückkosten)mark-ups bedeutet, ergibt sich (11.26)

(p-pe) + (k-kc) - m = -

^(I-aT)

by Der Indikatorwert P, der sich bei korrekt antizipierter Inflationsrate ( p - p e = 0 ) einstellt, i.e. die NAIRU bzw. das dem gewählten Indikator entsprechende Äquivalent, folgt daraus als (ΙΙ 27

·

>

r

=

aT +

+

b^w

Er weicht also für den Fall, daß die Summe aus zweitem und drittem Term auf der rechten Seite von (11.27) verschieden von Null ist — worin sich Umverteilungswünsche bzw. -kämpfe ausdrücken — von dem Friktionsparameter am Arbeitsmarkt aj (vgl. Gl. (11.24)) ab. Die NAIRU kann also nicht umstandslos mit realem Gleichgewicht gleichgesetzt werden, „ . . . inflation stability is not the same thing as equilibrium, . . . inflation stability requires aggregate excess supply in amounts that depend on the severity of the microeconomic and macroeconomic shocks to which the economy is subject, . . . inflation stability does not have the properties of allocational optimality associated with equilibrium." (Tobin 1980, S. 64).

154

II. Teil: Erklärende Indikatoren

Im quantitätstheoretisch orientierten Denken der Monetaristen haben Verteilungskonflikte als Inflationsursache keinen Platz, sodaß für sie Gleichgewicht und Inflationsstabilität zusammenfallen. Die Gleichsetzung der beiden Konzepte befrachtet die empirisch gemessene NAIRU indes mit einem überzogenen Bedeutungsgehalt: die in vielen Ländern in den· letzten Jahren beträchtlich angestiegene NAIRU würde demnach ein Nachlassen der Funktionsfähigkeit und gestiegene Friktionen im Arbeitsmarkt signalisieren, und nicht bloß die Tatsache, daß für die Kontrolle der durch eine Reihe externer Schocks angeheizten und angesichts zunehmender Rigiditäten wenig reagiblen Inflation allein über Drosselung der Nachfrage heute weit höhere Dosen von „labour slack44 notwendig wären als früher. „I conclude that little of the alleged increase of the NAIRU has been credibly explained in terms of the labor market itself, as voluntary leisure disguised as unemployment, or rational job search, or friction, or persistent misinformation. For the most part, the apparent rise of the NAIRU merely describes but does not explain the chronic acceleration of inflation itself. Given the unprecedented external shocks that have contributed to acceleration in recent years, it seems particularly gratuitous to describe the phenomenon by saying that the natural rate of unemployment has shifted up once again.4 4 (Tobin 1980, S. 60 f). Oder wie es Perry 1979, S. 93 ausdrückt: „More generally, factors other than labor market tightness may have important impacts on inflation, so it becomes difficult, if not fruitless, to try to isolate a noninflationary unemployment rate that abstracts from them.4 4

2.4 Messung der Arbeitsplatzlücke

In diesem Abschnitt geht es um Operationalisierungen für das Konzept der Arbeitsplatzlücke. Das Konzept selbst wurde oben in II, 1.1.2 besprochen; hier nun werden einige Berechnungsverfahren, die in der BRD einflußreich geworden sind, vorgestellt und kritisch diskutiert. Der Sachverständigenrat hat in seinem Jahresgutachten 1976/77, Anhang VIII, S. 212 ff seine Berechnungsmethode, die er mit nur geringfügigen Modifikationen bis heute verwendet, ausführlich erläutert. Das Arbeitsplatzpotential wird demnach aus dem Kapitalstock und der (normierten) Kapitalintensität, i.e. dem Kapitaleinsatz je Arbeitsplatz, ermittelt. Das gesamtwirtschaftliche Arbeitsplatzpotential setzt sich zusammen aus den Arbeitsplatzpotentialen in den Sektoren Unternehmen (ohne Wohnungsvermietung), Private Haushalte/Organisationen ohne Erwerbscharakter, Staat und Wohnungsvermietung. Für die letzten drei Sektoren wird

2 Empirische Operationalisierungen

155

angenommen, daß Arbeitsplatzpotential und tatsächliche Beschäftigung immer übereinstimmen, so daß sich die eigentliche Arbeitsplatzpotentialrechnung nur auf den Unternehmensbereich bezieht. Allein davon ist mit einigen (unwesentlichen) Vereinfachungen im folgenden die Rede. Das Arbeitsplatzpotential A* ergibt sich definitionsgemäß aus KC (11.28) A* = — a* wobei KS der Kapitalstock und a* eine potentielle, um Auslastungsschwankungen bereinigte Kapitalintensität ist. Als empirische Werte für den Kapitalstock werden Bruttoanlagevermögensschätzungen nach der perpetual inventory- oder Kumulations-Methode verwendet (vgl. dazu Baumgart 1978). Die Bereinigung der Kapitalintensität erfolgt in zwei Schritten: zunächst wird ein exponentieller Trend durch die empirisch beobachtete Kapitalintensität gelegt und dann die (logarithmisch-lineare) Trendfunktion durch jenen Wert der empirischen Kapitalintensität verschoben, der am weitesten vom entsprechenden Trendwert nach unten abweicht: (11.29) log a? = log â, - ζ wobei log at die geschätzten Werte der Trendfunktion sind und ζ = max (log ât - log at) den Maximalabstand zwischen Trendlinie und einem tatsächlichen Wert bezeichnet (siehe Abb. 15). Durch die Verschiebung nach unten soll jener unter dem beobachteten Wert liegende Wert der Kapitalintensität ausfindig gemacht werden, der die maximale mit dem gegebenen Kapitalstock kombinierbare Arbeitsmenge (hier einfach: Arbeiteranzahl) anzeigt. Eine Arbeitsplatzlücke ergibt sich, wenn das Erwerbspersonenpotential (siehe dazu auch Abschnitt I, 1.1.1) größer ist als das Arbeitsplatzpotential. Die Implikationen dieser Berechnungsmethode können anhand der folgenden Zusammenhänge deutlicher gemacht werden: Die tatsächliche Zahl der Erwerbstätigen Ε ergibt sich tautologisch aus (11.30)

KS Ε = — a

In Verbindung mit (11.28) folgt daraus (11.31)

^ = > ι E a* Das Arbeitsplatzpotential liegt plausiblerweise immer über der Zahl der tatsächlich Erwerbstätigen. Es gibt die Grenze an, bis zu der die Beschäftigung mit dem bestehenden Kapitalstock ausgedehnt werden kann. Der Teil

156

II. Teil: Erklärende Indikatoren

h

Abbildung 15: Potentielle Kapitalintensität nach der Sachverständigenratsmethode

der Arbeitslosigkeit, der auf diese Weise abgebaut werden könnte, wird als „konjunkturelle Arbeitslosigkeit44 u k bezeichnet. Diese beträgt somit (11.32)

u>k< = ¥A* - «1 - Aa-

wobei Aa den Abstand zwischen a und a* bedeutet (vgl. Abb. 15). Die Zahl der tatsächlich Erwerbstätigen Ε läßt sich weiter als Produkt aus Erwerbspersonen L und Beschäftigtenquote (1-u) darstellen: (11.33)

Ε = L (1-u)

Eingesetzt in (11.32) folgt daraus: (11.34)

A* Aa γ - = (1-u) (l + ~ ) L a

2 Empirische Operationalisierungen

157

Die Arbeitsplatz/üdce (1 - —), hier ausgedrückt in Prozent der Erwerbspersonen L (und unter Vernachlässigung des Interaktionsterms ^ u) ergibt sich dann als

Die Lücke kann positiv oder negativ sein, je nachdem ob % u. Eine positive Lücke wird auch als „strukturelle Arbeitslosigkeit" u s bezeichnet. Es gilt u = u k + us. „Konjunkturelle" Arbeitslosigkeit entsteht also bzw. findet ihren Ausdruck in einer vorübergehenden, erratischen Erhöhung der Kapitalintensität: die vorhandenen Arbeitsplätze sind mit unüblich wenigen Arbeitskräften besetzt. Darüberhinausgehende Arbeitslosigkeit signalisiert, daß insgesamt zu wenig Arbeitsplätze vorhanden sind. Bei einer kontinuierlichen Entwicklung der Kapitalintensität entlang eines exponentiellen Pfades würde sogar alle Arbeitslosigkeit als „strukturell" qualifiziert. Für 1981 etwa kommt der Rat zu folgendem Ergebnis: „Bei voller Auslastung der Sachkapazitäten wären schätzungsweise 400 000 bis 500 000 Arbeitsplätze zusätzlich besetzt worden, Arbeitsplätze, die in der gegebenen konjunkturellen Situation unbesetzt blieben. Von daher war . . . für etwa eineinhalb Millionen Personen kein Arbeitsplatz vorhanden; im Jahre 1981 stand einem Erwerbspersonenpotential von etwa 27,5 Millionen Personen nur ein in der Summe auf etwa 26 Millionen Plätze zu veranschlagendes Arbeitsplatzpotential gegenüber." (Jahresgutachten 1981/82, Tz. 141). 1983 heißt es: „Nur für etwa eine Million Arbeitskräfte können Beschäftigungsmöglichkeiten im Rahmen der schon vorhandenen, gegebenenfalls zu erneuernden Produktionsanlagen wieder entstehen, wenn die Produktionszunahme anhält und für eine höhere Auslastung der Anlagen ausreichend kräftig wird. Für jede weitergehende Zunahme der Beschäftigung müssen also zusätzliche Arbeitsplätze errichtet werden ..." (Jahresgutachten 1983/84, Tz. 275). Manche der Implikationen dieser Berechnungsweise der Arbeitsplatzlücke, speziell die Beziehung zum vom Sachverständigenrat verwendeten Konzept des Potentialoutputs bzw. zur Outputlücke können an Hand folgender Überlegungen verdeutlicht werden. Der Potentialoutput Y* ist das mit den vorhandenen Ressourcen maximal erstellbare Sozialprodukt. Der Sachverständigenrat errechnet diese Größe rein kapitalseitig, und erhält einen kapitalbezogenen Potentialoutput Υκ indem der vorhandene Kapitalstock KS mit einer bereinigten potentiellen Kapitalproduktivität k* multipliziert wird. Das Verfahren zur Bestimmung von k* ist dem für a* analog:

158

II. Teil: Erklärende Indikatoren

eine durch die tatsächlichen Werte der Kapitalproduktivität k gelegte Trendgerade wird — hier durch den am weitesten nach oben abweichenden Wert — verschoben. Der Auslastungsgrad des Produktionspotentials ergibt sich, indem der tatsächliche Output Y durch den potentiellen dividiert wird, und ist — wie man leicht sieht — bei dieser Berechnungsart einfach gleich dem Verhältnis von tatsächlicher zu potentieller Kapitalproduktivität: (IL36)

Yt

=

KS£

=

è

Analog könnte von der Arbeitsseite her ein Potentialoutput Y* errechnet werden, der sich aus dem Erwerbspersonenpotential L und einer potentiellen, bei Vollauslastung realisierten, Arbeitsproduktivität (pro Mann) pm* ergibt. Der Auslastungsgrad dieses Potentials ergibt sich entsprechend als: (11.37)

X = L · pm*

YL

wobei Ε die Erwerbstätigen und pm die tatsächliche Arbeitsproduktivität bezeichnet. (11.37) kann tautologisch erweitert werden zu: m m

( I L 3 8 )

X

_ Δ* .

Yt -

E

L

'Pm

A* pm*

Wenn pm* nicht genuin bestimmt, sondern wie im Fall des Sachverständigenrats definitorisch festgelegt wird als (11.39)

pm* = k* a*

49

so gilt (11.40)

A* pm* = ^ f a* k* = KS k* = y£ a

Diese Beziehung ist nicht unplausibel; sie geht davon aus, daß der kapitalseitige Potentialoutput als Obergrenze für das mit dem gegebenen Kapitalbestand herstellbare Sozialprodukt mit der durch das Arbeitsplatzpotential gegebenen Obergrenze zusammenfällt, da dieses ja auf Basis des Kapitalbestands ermittelt wurde. Unter Berücksichtigung von (11.40) wird (11.38) zu

(1M!

>

bzw. (11.42) 49

£ -f ·% Yî A* ^ = 7"

iL

L

Die so bestimmten Werte von pm* können nur zufällig mit jenen übereinstimmen, die sich aus einer direkten Ermittlung der potentiellen Arbeitsproduktivität z.B. durch ein der Bestimmung von a* und k* analoges Verfahren ergeben würden. Die dadurch entstehenden numerischen Ungenauigkeiten fallen wahrscheinlich nicht besonders ins Gewicht.

2 Empirische Operationalisierungen

159

Fels—Weiss 1978 sehen denn auch darin, daß der arbeitsseitig berechnete Potentialoutput Y* den kapitalseitig berechneten Υκ übersteigt, geradezu y£ A* die Definition der Arbeitsplatzlücke ττ* = — < 1. „The job gap represents IL L a potential GDP in terms of labour greater than potential GDP in terms of capital." (S. 48). Aus (11.40) und (11.36) ergibt sich, wie man leicht sieht (11.43)

^ E S - = Λ = A* pm* Υκ k*

Daraus folgt eine vom Sachverständigenrat immer wieder betonte Schlußfolgerung — in praxi eine Anwendung des Okunschen Gesetzes (vgl. auch Abschnitt I, 2.2) —: Der Auslastungsgrad des gesamtwirtschaftlichen Produktionspotentials — nach der Lesart des Sachverständigenrats ^ — ist geringer als der Auslastungsgrad des Arbeitsplatzpotentials weil eben auch — solange Unterauslastung des vorhandenen Kapitalstocks herrscht —, die Arbeitsproduktivität noch nicht ihren Potentialwert erreicht. Oder umgekehrt: Es kann nicht damit gerechnet werden, daß die Beschäftigung mit dem vorhandenen Kapitalstock im vollen Ausmaß der Potentialoutputlücke (1 - Λ ) erhöht werden kann, vielmehr ist noch der zu erwartende k* Produktivitätseffekt abzusetzen (vgl. z.B. Jahresgutachten 1981/82, Tz. 141). Gegen diese Berechnungen können natürlich verschiedene Einwände erhoben werden. Der Sachverständigenrat selbst relativiert seine Ergebnisse, indem er darauf hinweist, daß (1) die potentielle Kapitalintensität tendenziell überschätzt wird, weil die statistisch ausgewiesene Zeitreihe der Kapitalintensität nur die tatsächlich Beschäftigten, nicht aber die offenen Stellen berücksichtigt. Das gewählte Schätzverfahren unterschätzt daher das Arbeitsplatzpotential eher (Jahresgutachten 1976/77, Anhang VIII) (2) der Kapitalstock unterschätzt wird, wenn in der Rezession die Anlagen länger als üblich genützt werden (Jahresgutachten 1976/77, Tz. 43*) (3) der Kapitalstock überschätzt wird, wenn Anlagen durch Konkurse und Betriebsstillegungen vorzeitig verschrottet werden (Jahresgutachten 1976/77, Tz. 43*) (4) unbekannt ist, welcher Teil der gegenwärtig nicht genutzten Arbeitsplätze zwar noch existiert, aber auch bei einem Wiederaufschwung nicht wieder genutzt werden wird (Jahresgutachten 1976/77, Tz. 43*). Eine sehr ähnliche Methode zur Berechnung der, wenn auch nicht so genannten „Arbeitsplatzlücke" verwendet das DIW (1977, S. 26 ff), das eine

160

II. Teil: Erklärende Indikatoren

gesonderte Untersuchung von Zugängen und Abgängen zum/vom Kapitalstock vornimmt. Dadurch läßt sich die unterschiedliche Kapitalintensität der Investitionen (Zugänge) und der Abgänge berücksichtigen. Im einzelnen beschreibt das DIW seine Vorgangs weise folgendermaßen (1977, S. 26 f): »Die Verschrottungen sind zwar weitgehend durch die Investitionsentwicklung früherer Jahre vorbestimmt; sie können jedoch in gewissen Grenzen hinausgezögert oder auch vorgezogen werden, je nachdem ob die alten Anlagen noch rentabel eingesetzt werden können oder nicht. Für die Rentabilität spielt neben einer Reihe anderer Faktoren vor allem die Entwicklung der realen Lohnkosten je Beschäftigten eine Rolle . . . Liegt die von den Beschäftigten im Durchschnitt erzielte Produktionsleistung an einer Anlage unter den realen Lohnkosten, dann wird diese Anlage unrentabel mit der Folge, daß sie verschrottet wird. Zur Quantifizierung des Einflusses der realen Lohnkosten auf die Verschrottung wurden Abweichungen von ihrem Trendwert zwischen 1960 und 1970 berechnet. Dabei wurde angenommen, daß die Abgänge im gleichen Verhältnis unter oder über dem Durchschnitt liegen, in dem die realen Lohnkosten höher oder niedriger sind als der Trendwert . . . Während zu vermuten ist, daß sich die realen Lohnkosten bei den Abgängen in erster Linie auf die Entwicklung ihres Volumens auswirken, dürften sie bei den Investitionen . . . vor allem die Kapitalintensität beeinflussen. Arbeitsparende Technologien werden um so eher eingesetzt, je größer der Anstieg der realen Lohnkosten eingeschätzt wird und umgekehrt. Zwischen 1960 und 1970 nahmen die realen Lohnkosten je Beschäftigten im Unternehmensbereich jährlich im Durchschnitt um 5 v.H. zu, um zwei Prozentpunkte weniger als die Kapitalintensität der Investitionen. Nimmt man an, daß diese Abweichung auch für die Entwicklung der Kapitalintensität in den einzelnen Jahren gilt, dann läßt sich der Zugang neuer Arbeitsplätze nicht nur als Resultat des jeweiligen Investitionsvolumens beschreiben, sondern als abhängig von der realen Lohnkostenbelastung der Unternehmen." Aufgrund der Berechnungen mit dieser Methode konstatiert auch das DIW einen Rückgang des Bestands an Arbeitsplätzen für die BRD in den siebziger Jahren, speziell in der Krise 1975, was zu einer Zunahme der „strukturellen" Arbeitslosigkeit geführt hat. Als Hauptgrund wird das schwache Niveau der Investitionen genannt; eine etwaige Erhöhung der Kapitalintensität oder Beschleunigung der Verschrottungen spielen angesichts des schwachen Anstiegs der realen Lohnkosten keine Rolle. Parallel dazu ist aber auch die Besetzung der vorhandenen Arbeitsplätze in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre zurückgegangen, d.h. es hat auch die „konjunkturelle" Arbeitslosigkeit zugenommen. Nach den Berech-

2 Empirische Operationalisierungen

161

nungen des DIW hätte das vorhandene Arbeitsplatzpotential z.B. 1977 einen Anstieg der Beschäftigung um 2,5 % zugelassen; für die Vollauslastung des Erwerbspersonenpotentials wäre aber ein viel höheres Beschäftigungswachstum nötig gewesen. Ein gravierender Mangel der Berechnungen des Sachverständigenrates (bei dem DIW-Verfahren ist dieser Punkt nicht ganz klar) liegt darin, daß die Kapitalintensität hier immer personenbezogen, d.h. als Kapital τ beschäftigte Personen y verstanden ist anstatt der aussagekräftigeren, üblicherweise in solchem Zusammenhang verwendeten (z.B. Bowles —Gordon— Weisskopf 1983, S. 55 0 stundenbezogenen Kapitalintensität i.e. Kapital τ Arbeits stunden. Das hat zur Folge, daß z.B. die Einführung einer Arbeitszeitverkürzung die ganzen Berechnungen umstößt; bei einer stundenbezogenen Rechnung ließen sich Arbeitszeitfragen — zumindest in einer ersten Annäherung — leichter in diesen Rahmen integrieren. Etwas konsterniert stellt der Sachverständigenrat denn auch in seinem Jahresgutachten 1982/83, Tz. 79, fest: „Manche machen geltend, daß eine Verkürzung der jährlich geleisteten Arbeitszeit — sei es über eine Ausweitung der Teilzeitarbeit, sei es über sonstige Formen der Arbeitszeitverkürzung — diese Rechnung verändern würde. Sollte die Arbeitszeit in Zukunft mehr oder weniger stark zurückgehen als in den letzten Jahren, würde dies in der Tat die Schätzungen beeinflussen." Die Vorstellung, daß der vorhandene Kapitalstock nur eine bestimmte Anzahl von Arbeitsplätzen hergäbe, ist generell äußerst unplausibel. Für die USA liegt interessantes empirisches Material vor, das die enormen Möglichkeiten, den vorhandenen Kapitalstock stärker auszulasten und somit mehr Arbeitsplätze „herauszuholen", illustriert. Winston 1974 zitiert eine Studie, wonach die Gesamtauslastung des Kapitalstocks 1954 bloß 22,9 °7o der möglichen Betriebsstunden betrug; das entspricht 38 Wochenstunden. Foss 1981 hat 1976 mittels Befragungen die wöchentlichen Betriebsstunden ( = „duration the plant is open and operating") für die verarbeitende Industrie („manufacturing") ermittelt. Demnach haben diese zwar zwischen 1929 und 1976 beträchtlich zugenommen, liegen aber trotzdem auch 1976 noch für die meisten Branchen — eine Gesamtzahl ist leider nicht angegeben — weit unter jeder plausiblen Höchstgrenze. Die Variationsbreite reicht von 45,6 wöchentlichen Betriebsstunden bei Leder bis zu 162,9 bei Erdöl, wobei der zweite Wert, der in der Tat einem möglichen Maximalwert recht nahe kommen dürfte, eher untypisch ist. Sicher ist ein Gutteil der Leerzeiten des Kapitalstocks von vornherein eingeplant und eine Reduktion unter den gegebenen ökonomischen und institutionellen Bedingungen nicht rentabel und auch gar nicht wünschenswert, dennoch diskreditieren diese 11 Riese

162

II. Teil: Erklärende Indikatoren

Zahlen die der These von der Arbeitsplatzlücke zugrundeliegende Vorstellung, daß man ziemlich exakt (es handelt sich ja immer um nur wenige Prozentpunkte) angeben könne, wieviele Arbeitskräfte ein bestimmter Kapitalstock beschäftigen könne.

2.5 Freisetzungsrechnung und technologische Arbeitslosigkeit

Um das Ausmaß der technologischen Arbeitslosigkeit, welche Variante dieses Begriffs auch immer man im Auge hat (vgl. Abschnitt II, 1.1.3), einigermaßen verläßlich abschätzen zu können, muß vorab das dornige Problem, einen Maßstab für das Tempo des technischen Fortschritts zu finden, einer Lösung nähergebracht werden. Wie schwer das ist, zeigt sich schon daran, daß es kaum möglich ist, Indikatoren für den technischen Fortschritt zu konstruieren, die wirklich allein die technologische Entwicklung und nicht gleichzeitig auch verschiedene intermittierende Faktoren (Auslastungsgrad der Kapazitäten, Betriebsgrößenstruktur, steigende Niveauerträge etc.) anzeigen. „So wäre es zum Beispiel bedeutsam zu wissen, ob sich der technische Fortschritt in der Vergangenheit verlangsamt oder beschleunigt hat. Wegen der Meßproblematik sieht die Kommission jedoch keine Möglichkeit, Aussagen hierüber zu machen", lautet das Resümee der deutschen Kommission für wirtschaftlichen und sozialen Wandel in ihrem Abschlußbericht (Kommission für Wirtschaftlichen und Sozialen Wandel 1977, S. 55). Weil verläßliche gesamtwirtschaftliche Kennziffern der Technologieentwicklung so schwer zu beschaffen sind, konzentrieren sich empirische Arbeiten häufig auf einzelne Branchen (vgl. z.B. Rothwell—Zegveld 1979, Dostal—Lahner—Ulrich 1977). Die dabei gewonnenen oft spektakulären Ergebnisse (vgl. z.B. die Ausführungen zur Uhrenindustrie in Rothwell—Zegveld 1979, S. 136 ff) sind zwar für den betrachteten Sektor aufschlußreich, können aber nicht ohne weiteres auf die Gesamtwirtschaft übertragen werden. Im folgenden werden, ohne auf die Fülle der damit verbundenen Probleme (vgl. Bombach—Blattner 1976) im einzelnen einzugehen, einerseits die aus einer neoklassischen Produktionsfunktion ermittelte totale Faktorproduktivität, anderseits die partielle Arbeitsproduktivität als Indikatoren des technischen (Prozeß)fortschritts verwendet. Anhand dieser Indikatoren kann dann abgeschätzt werden, wieviele Personen (oder Arbeitsstunden) durch technischen Fortschritt „freigesetzt" bzw. „eingespart" werden. Freisetzung und Einsparung beschreiben denselben Sachverhalt von verschiedenen Zeitpunkten aus betrachtet. Während

2 Empirische Operationalisierungen

163

„Freisetzung" angibt, wieviele Personen in der Basisperiode weniger beschäftigt gewesen wären, hätte schon damals c.p. die Arbeitsproduktivität der Berichtsperiode geherrscht, gibt die „Einsparung" an, um wieviel die tatsächliche Beschäftigung der Berichtsperiode hinter jener hypothetischen Beschäftigung zurückbleibt, die sich ergäbe, wenn c.p. auch in der Berichtsperiode noch die Arbeitsproduktivität der Basisperiode herrschen würde (siehe Kalmbach 1983, S. 298 f)· Obwohl Freisetzungsrechnungen — wir verwenden den Begriff hier für Freisetzungs- und Einsparungsrechnungen — natürlich nur die „halbe Wahrheit" über den Einfluß der Technologie auf die Beschäftigung darstellen, weil nur die eine Bruttogröße, eben der Abbau der Beschäftigten, damit erfaßt wird, während die andere, die Schaffung neuer Arbeitsplätze, ausgeblendet bleibt, stehen Freisetzungsrechnungen im Mittelpunkt empirischer Überlegungen zur technologischen Arbeitslosigkeit. Auch dieser Abschnitt beschäftigt sich mit den verschiedenen Arten von Freisetzungsrechnungen und ihrer Problematik. „Die Kenntnis der technologisch bedingten Einsparungsquote ist in vieler Hinsicht nützlich. Erstens zeigt sie den möglichen Wachstumsspielraum einer Wirtschaft, wenn man unterstellt, daß alle Eingesparten wiederbeschäftigt werden. Zweitens zeigt sie das notwendige Wachstum, wenn aus den Eingesparten keine Arbeitslosen werden sollen . . . Drittens ermöglicht die Kenntnis der globalen Einsparungsquote die Schätzung der zu erwartenden Arbeitslosigkeit im Falle von rückläufigem, stagnierendem oder ungenügendem Wirtschaftswachstum." (Friedrichs 1969, S. 655). Wie problematisch allerdings solche hochgespannten Erwartungen an die Freisetzungsrechnung sind, wird sich unten noch herausstellen. Eine ausgefeilte Klärung verschiedener Begriffe von Freisetzung und ihrer Messung auf der Grundlage einer neoklassischen Produktionsfunktion findet sich bei Kuhlo 1965. Im Kern kann der Ansatz folgendermaßen dargestellt werden: Ausgangspunkt ist eine makroökonomische Produktionsfunktion vom Cobb-Douglas-TVp (11.44) Yt = Ae* KS1^ EX wobei Y Output, KS Kapital(stock), Ε Arbeitseinsatz (Erwerbstätige)50, X und (1 — X) die Produktionselastizitäten der Arbeit bzw. des Kapitals, τ die Rate des technischen Fortschritts, A einen Niveauparameter und t die Zeit bedeuten. In Wachstumsraten transformiert, wobei (lateinische) Kleinbuchstaben die Wachstumsraten der entsprechenden Größe bezeichnen, ergibt sich: 50 Die Schlußfolgerungen sind ganz analog, wenn anstelle der Erwerbstätigen das Arbeitsvolumen H verwendet wird. 1*

164

(11.45)

II. Teil: Erklärende Indikatoren

y = τ + (1 —X) ks + Xe

„Freisetzung" nun bedeutet jenes hypothetische Wachstum des Arbeitseinsatzes, das unterbleibt, weil das Produktionswachstum, das daraus resultiert hätte, stattdessen durch die als Freisetzungsursachen angesehenen Faktoren bewirkt wird. Oder: der durch die Freisetzungsrate eF bewirkte hypothetische Rückgang der Wachstumsrate der Produktion soll gerade gleich groß sein wie dasjenige Produktionswachstum, das die Freisetzungsursachen bewirken. „Eine genaue Spezifizierung des Freisetzungsbegriffs wird erst möglich, wenn man die Ursachen anführt, die man als freisetzungswirksam ansieht. Es können verschiedene und abweichend abgegrenzte Ursachen als maßgeblich erachtet werden, entsprechend gibt es alternative Begriffsinhalte der Freisetzung" (Kuhlo 1965, S. 46). Im vorliegenden Zusammenhang kommen insbesondere zwei Freisetzungsursachen in Betracht: (1) der „technische Fortschritt" wie er in dem Parameter r der Produktionsfunktion ausgedrückt wird oder (2) „technischer Fortschritt" im Sinne von τplus die Rate der Kapitalintensivierung (ks-e). ad (1) Wird allein der „technische Fortschritt" τ als freisetzungswirksam erachtet, ergibt sich die Freisetzungsrate eF aus (11.45) als (11.46)

Xei = r

„Technischer Fortschritt" in einer Produktionsfunktion wie (11.44) bedeutet bekanntlich einfach jenes Produktionswachstum, das nicht auf quantitative Vermehrung der Inputfaktoren zurückgeführt werden kann. In ihm schlagen sich verschiedenste Faktoren wie bessere Ausbildung der Arbeitskräfte, neue Produktionsverfahren, Strukturwandel etc. nieder, sodaß τ nicht eigentlich als Maß des technologischen Fortschritts, sondern als „measure of our ignorance" zu interpretieren ist. Bei der empirischen Messung dieses Restfaktors wird, da man die Produktionselastizitäten nicht kennt, häufig vorausgesetzt, daß X gleich ist der Lohnquote bzw. (l-X) der Gewinnquote. Die heroischen Annahmen, die ein solches Vorgehen impliziert (vollkommene Konkurrenz, Entlohnung nach dem Grenzprodukt und „well-behavedness" der Produktionsfunktion) sind wiederholt kritisiert worden (vgl. z.B. Gahlen 1973, S. 92). Akzeptiert man sie dennoch, ergibt sich: (11.47)

r = y-(l-X) ks-Xe = X(y-e) + (l-X) (y-ks)

i.e. der sog. „technische Fortschritt" ist einfach die mit ihren Einkommens-

2 Empirische Operationalisierungen

165

anteilen gewichtete Summe der partiellen Arbeits- und Kapitalproduktivitätsänderungen. Die Freisetzungsrate eF ist daher gemäß (11.46) (11.48)

et = (y-e) + y

(y-ks)

ad (2) Für die Berechnung der Freisetzungsrate e^ die sich ergibt, wenn der „technische Fortschritt" rund die Kapitalintensivierung (ks-e) als freisetzungswirksam angesehen werden, wird (11.45) zunächst zweckmäßigerweise umgeformt zu (11.49)

y = τ + (l-X) (ks-e) + e

Gleiche Wirkung von Freisetzung einerseits und „technischem Fortschritt" plus Kapitalintensivierung anderseits in bezug auf das Produktionswachstum y ergibt: (11.50)

Xep = r + ( l - X ) (ks-e)

Die rechte Seite entspricht bekanntlich, wie auch leicht aus (11.49) abgelesen werden kann, der Steigerung der Arbeitsproduktivität (y-e), sodaß (11.50) auch geschrieben werden kann als (11.51)

e2F = γ

(y-e)

Die Crux derartiger Berechnungen liegt darin, daß sich Freisetzung dabei immer als mehr oder minder komplizierter zusammengesetzter Ausdruck aus Parametern der makroökonomischen Produktionsfunktion ergibt. Das ganze Konzept der makroökonomischen Produktionsfunktion wurde in der Kontroverse zwischen den beiden Cambridge einer vernichtenden Kritik unterzogen (vgl. Harcourt 1972). Wenn die makroökonomische Produktionsfunktion trotz der in dieser Kritik aufgezeigten Mängel nicht von vornherein verworfen wird, bleiben die der Schätzung solcher Funktionen zugrundeliegenden Annahmen (Aggregierbarkeit der Mikrorelationen, technische Möglichkeit der Faktorsubstitution etc., vgl. Ackley 1978, S. 70 ff) problematisch genug. Als Alternative bietet sich an, technischen Fortschritt einfach durch die partielle Arbeitsproduktivität zu messen (vgl. z.B. Friedrichs 1969). Die entsprechende rudimentäre Produktionsfunktion kann dann angesetzt werden als (11.52)

Y = f(E) = ^ E

Ε bzw. in Wachstumraten (11.53)

y = (y-e) + e

166

II. Teil: Erklärende Indikatoren

Hier kann natürlich nur die Steigerung der Arbeitsproduktivität (y-e) als Freisetzungsursache angesehen werden. Ein Anstieg der Arbeitsproduktivität vermindert den potentiellen Arbeitseinsatz im gleichen Ausmaß, sodaß sich als Freisetzungsrate eF einfach ergibt (11.54)

er - y - e

Dies ist ein einfaches, allerdings auch triviales Resultat. Bei einem Vergleich der verschiedenen Freisetzungsraten zeigt sich, daß sie alle im wesentlichen vom Anstieg der Arbeitsproduktivität (y-e) determiniert werden: eF ist ein konstantes Vielfaches davon und auch eF folgt, unter der realistischen Annahme, daß die Lohnquote X die Profitquote l - X bei weitem übersteigt, der Veränderungsrate der Arbeitsproduktivität. Aufgrund der oben angesprochenen Bedenken gegen die makroökonomische Produktionsfunktion und weil sie ohnehin keine sehr unterschiedlichen Ergebnisse erbringt, geben manche Autoren (z.B. Friedrichs 1969, Breuss 1979) daher gleich der „naiven" Methode der partiellen Faktorproduktivität den Vorzug. Aber auch die damit erzielbaren Resultate sind eher dürftig. „Die statistische Entwicklung der Arbeitsproduktivität wird . . . zunächst als Indikator des technischen Wandels interpretiert, danach dieselbe Größe als Freisetzung bezeichnet." (Hardes 1977, S. 83). Ein neues empirisches Ergebnis entsteht nicht. Kalmbach 1983 hat gezeigt, daß Freisetzungsprognosen auf der Grundlage von Arbeitsproduktivitäts-Vörausschätzungen gerade für die interessierende Frage der zukünftigen Beschäftigungsentwicklung bzw. technologisch bedingten Arbeitslosigkeit wenig aussagekräftig sind. Die zentrale, eigentlich einzig relevante Größe in solchen Rechnungen ist die Veränderung der Arbeitsproduktivität. Diese Größe kann aber auch dann gut prognostiziert sein wie in der von Kalmbach kritisierten Studie von Ohlmann— Huber 1971, wenn die Entwicklung der sie ergebenden Größen Outputwachstum und Arbeitsvolumenwachstum erheblich, aber in die gleiche Richtung, verfehlt werden. Die Beschäftigungsentwicklung anderseits folgt, grosso modo, sofern es zu keinen gravierenden Veränderungen der Arbeitszeit pro Beschäftigtem kommt, der Entwicklung des Arbeitsvolumens; sie kann somit — trotz zutreffender Freisetzungsprognose — völlig falsch eingeschätzt werden. Bei Kalmbach wird auch eine grundsätzliche Kritik am Konzept der Freisetzungsrechnung angebracht. Diese Rechnungen gehen allesamt davon aus, daß die Produktivität sich erhöht und berechnen die hypothetische Minderung des Arbeitseinsatzes bei Konstanz aller anderen Faktoren. Das wäre nur zulässig, wenn der Produktivitätsanstieg tatsächlich unabhängig

2 Empirische Operationalisierungen

167

von diesen anderen Faktoren sich vollziehen würde/könnte. Das ist aber keineswegs der Fall. Die Zusammenhänge zwischen Variationen der durchschnittlichen Arbeitszeit und der Produktivitätsentwicklung sind gerade durch die Arbeitszeitdiskussion wieder ins Gedächtnis gerufen worden (vgl. z.B. Riese 1983 b und die dort angegebene Literatur). Die positive Korrelation von Output- und Produktivitätswachstum anderseits ist in den bekannten „Gesetzen" von Verdoorn und Kaldor thematisiert (vgl. z.B. Rowthorn 1975).

Zusammenfassung (1) Die Erhebung von Daten zur Arbeitslosigkeit und ihre Zusammenfassung zu Datenmaßen (Indikatoren) ist unter verschiedenen Gesichtspunkten relevant: zum einen für die Beschreibung der Arbeitsmarktlage, zum anderen für die theoretische Erklärung der Arbeitslosigkeit. Im allgemeinen sind für diese beiden Aufgaben unterschiedliche Indikatoren erforderlich. (2) Das in der Öffentlichkeit am meisten beachtete Maß für die Unterauslastung des Inputs Arbeit ist die Arbeitslosenquote. Sie setzt die Zahl der Arbeitslosen in Beziehung zu den Erwerbspersonen (= Erwerbstätige + Arbeitslose). Rahmenrichtlinien für die Operationalisierung dieser Konzepte wurden von der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) ausgearbeitet. Die in den einzelnen Ländern praktizierten Erhebungsmethoden weichen von diesem Standard oft beträchtlich ab. (3) Der Informationsgehalt der Arbeitslosenquote läßt sich entscheidend erhöhen, wenn sie in ihre Komponenten Betroffenheit, i.e. der Anteil der z.B. während eines Jahres vorkommenden Arbeitslosigkeitsfälle am Arbeitskräftepotential, und mittlere Dauer zerlegt wird. Die hier erforderliche mittlere Dauer des Arbeitslosenflows ist nicht identisch mit der üblicherweise in den Arbeitsmarktstatistiken nachgewiesenen Dauer, welche sich auf die Dauer bezieht, die die zu einem bestimmten Stichtag dem Bestand angehörenden Arbeitslosigkeitsfälle bis dorthin schon durchgemacht haben („bisherige Dauer des Bestands"). (4) Die mittlere Dauer des Flows kann — für einen stationären Zustand exakt, ansonsten näherungsweise — durch Division von (Durchschnittsbestand und Flowgröße ermittelt werden. Sie liegt im allgemeinen unter der durchschnittlichen bisherigen Dauer und ist meist erstaunlich kurz. Das ist als empirische Bestätigung der „kurzen" oder „Turnoversicht" der Arbeitslosigkeit interpretiert worden. (5) Dagegen haben Clark—Summers 1979, Akerlof—Main 1981 u.a. eingewendet, daß eine dritte Maßzahl für die Dauer der Arbeitslosigkeit, nämlich die Verteilung bzw. der Mittelwert der vollendeten Dauer des Bestands, am aussagekräftigsten sei. Diese Maßzahlen sind einem von Niehans schon 1955 für die Messung von Betriebsgrößen vorgeschlagenen Index formal äquivalent. Die neuen Indikatoren versuchen der beträchtlichen Konzentra-

Zusammenfassung

169

tion der Arbeitslosigkeit, i.e. dem unverhältnismäßig großen Anteil, den eine Minorität langer Arbeitslosigkeitsspannen an der insgesamt erlebten Arbeitslosigkeit hat, Ausdruck zu geben. Sie stützen eher die „lange" Sicht der Arbeitslosigkeit mit ihrer Betonung auf dem harten Kern von Langfristarbeitslosen. (6) Auch die herkömmliche Statistik der Verteilung bzw. des Mittelwerts der bisherigen Dauer kann — über ihren unmittelbaren Aussagegehalt hinaus — zusätzliche Information liefern: (a) als Maß für die zukünftige Dauer (b) als Maß für den Anteil, den eine bestimmte „Woche" innerhalb der einzelnen Arbeitslosigkeitsspannen zur Gesamtarbeitslosigkeit beiträgt (c) zur einfachen Berechnung eines Konzentrationsmaßes für die innerhalb einer Kohorte erlebte Arbeitslosigkeit. (7) Zur Charakterisierung der Beschäftigungssituation auf einzelnen Teilmärkten werden spezifische Arbeitslosenquoten berechnet; die Globalquote ergibt sich als die mit den Labour-Force-Anteilen der einzelnen Gruppen gewichtete Summe der spezifischen Quoten. Eine alternative Gewichtung mit den Anteilen der einzelnen Gruppen an allen Arbeitslosen ergibt eine um Verteilungsgesichtspunkte „korrigierte" Arbeitslosenquote, die neben dem Niveau der Arbeitslosigkeit auch deren Dispersion berücksichtigt. (8) Standardisierte Arbeitslosenquoten werden verwendet, um den Einfluß von Änderungen in der Zusammensetzung des Arbeitskräftepotentials auf die globale Arbeitslosenquote zu isolieren. Die dabei errechneten „Struktureffekte" werden auch benützt, um den Anstieg der Vollbeschäftigungs-Arbeitslosenquote abzuschätzen. Aus methodischen Gründen ergibt sich dabei aber im allgemeinen eine Überschätzung dieses Anstiegs, abgesehen von den konzeptionellen Problemen, die ein solches Vorgehen aufwirft. (9) Die berichtete Arbeitslosigkeit gibt das „wahre" Ausmaß der Beschäftigungsprobleme in der Sicht verschiedener theoretischer Schulen nur unzureichend wieder. Nach Meinung der einen Richtung führt sie zu einer Überschätzung der „wahren" Arbeitslosigkeit. Nach Meinung der anderen muß sie um Indikatoren ergänzt werden, die die Wirkungen eines Beschäftigungsrückgangs auch in anderen Bereichen (wie Kurzarbeit, Rückzug in die Stille Reserve, unterwertige Beschäftigung etc.) anzeigen. (10) Die Einbeziehung der Arbeitszeitkomponente ermöglicht es, über den Auslastungsgrad inbezug auf die Personen hinaus einen Auslastungsgrad des gesamten Arbeitsvolumens zu berechnen. Die Hauptschwierigkeit dabei liegt in der Bestimmung der potentiell angebotenen Arbeitszeit.

170

Zusammenfassung

(11) Die Stille Reserve kann entweder durch direkte Befragungen ermittelt werden oder indem man die tatsächlichen Erwerbsquoten von mit verschiedenen (ökonometrischen) Verfahren geschätzten potentiellen Erwerbsquoten abzieht. Kontrovers ist, ob offene Arbeitslosigkeit und Stille Reserve zu einer Globalgröße zusammengefaßt werden sollen oder nicht. Die im allgemeinen unterschiedlichen Wohlfahrtsverluste, Arbeitszeitwünsche und Produktivitätspotentiale zwischen offen Arbeitslosen und Stiller Reserve legen einen getrennten Nachweis nahe. (12) Der mit Arbeitslosigkeit verbundene Outputverlust wird durch die Arbeitslosenquote nur recht unzureichend wiedergegeben. Da Gruppen, die im Durchschnitt weniger als die übliche Arbeitszeit anbieten und eine relativ geringe Produktivität aufweisen, unter den Arbeitslosen (meist) überrepräsentiert sind, fällt eine „outputgewichtete" Arbeitslosenquote, wie sie Perry 1970 vorgeschlagen hat, (meist) niedriger aus als die offizielle Quote. Anderseits ergeben sich bei rückläufigem Beschäftigungsgrad durch den gleichzeitig damit einhergehenden Rückgang der Erwerbsquoten, der geleisteten Arbeitsstunden pro Beschäftigtem und der Produktivitätszuwächse zusätzliche Outputverluste („Okun's Law"). (13) Die Arbeitslosenquote ist ein nur ungenügender Indikator für die mit einem gegebenen Bestand an Arbeitslosen verbundene sozialpolitische Problemmasse. Ein und derselbe Bestand kann sich aus vielen rasch wechselnden Individuen, die nur kurz arbeitslos sind, oder aus wenigen Langfristarbeitslosen zusammensetzen. Die beiden in die herkömmliche Arbeitslosenquote mit gleichem Gewicht eingehenden Komponenten, Turnover und mittlere Dauer, müssen für einen sozialpolitisch aussagekräftigeren Index unterschiedlich gewichtet werden: im allgemeinen wird längere Dauer für gravierender gehalten; aber auch exzessiver Turnover kann beträchtliche Wohlfahrtsverluste bedeuten. Ein Maß, in welches die Dauerkomponente mit höherem Gewicht eingeht, ist der von Moore 1973 vorgeschlagene „Severity Index". Bei der von Moore gewählten Form ist implizit auch noch ein Ausdruck für die Dispersion der Dauerverteilung enthalten. Moore's Index ist unter bestimmten Annahmen gleich den Kosten einer „Woche" Arbeitslosigkeit. (14) Unter sozialpolitischen Gesichtspunkten müßte die Arbeitslosenzahl ferner um jene Arbeitslosen, für die Arbeitslosigkeit keine einschneidende materielle Belastung mit sich bringt, nach unten korrigiert werden. Gemäß manchen segmentierungstheoretisch ausgerichteten Autoren wäre sie anderseits um Personen zu erhöhen, die zwar in Beschäftigung stehen, aber nur ein unter der Armutsgrenze liegendes Einkommen erzielen („working

Zusammenfassung

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poor"). Die meisten der besonders in den USA diskutierten „Subemployment-Indices" beziehen beide Gesichtspunkte mit ein. (15) Zur Beantwortung analytischer Fragen wie z.B. nach den Ursachen der Arbeitslosigkeit, reichen die ausgewiesenen Arbeitslosendaten in der Regel nicht aus; sie müssen vielmehr mittels verschiedener mehr oder minder komplizierter Rechenverfahren für die jeweilige Fragestellung aufbereitet werden. Dadurch ergeben sich aus dem ursprünglichen Datenmaterial abgeleitete erklärende Indikatoren. Diese können (meist) nicht als streng kongruente Operationalisierungen theoretischer Konzepte interpretiert werden, sondern müssen als eigenständige Konstrukte, deren Reichweite und Aussagekraft zu überprüfen ist, verstanden werden. (16) In der theoretischen Literatur wird die Arbeitslosigkeit traditionell in eine saisonale, friktionelle, strukturelle und konjunkturelle Komponente unterteilt. Unscharf ist insbesondere der Begriff der „strukturellen" Arbeitslosigkeit. In der amerikanischen Strukturalistendebatte der sechziger Jahre wurde darunter jener wenig mobile Block meist älterer, wenig qualifizierter Langfristarbeitslosen verstanden, die trotz ausreichender Gesamtnachfrage keinen Arbeitsplatz finden konnten. Später verschob sich der Begriffsinhalt in Richtung der durch hohe Turnoverraten gekennzeichneten Problemgruppen im „sekundären" Segment des Arbeitsmarktes. Auch jene Arbeitslosigkeit, die auf einen ungenügenden Kapitalstock zurückzuführen ist — ein neuerdings zunehmend auch für die entwickelten Länder behauptetes Phänomen — wird als „strukturell" bezeichnet. Verwandte, etwas abweichende Inhalte werden durch die Begriffe „structural imbalance", „strukturierte Arbeitslosigkeit" und „Strukturalisierung der Arbeitslosigkeit" ausgedrückt. (17) Die Unterscheidung von freiwilliger und unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nimmt einen wichtigen Platz in der nationalökonomischen Dogmengeschichte ein und bildet auch heute noch den Angelpunkt in der theoretischen Kontroverse zwischen Neoklassikern und Keynesianern. Für die empirische Konkretisierung relevant ist insbesondere der Gleichgewichtswert der freiwilligen Arbeitslosigkeit, welcher auch als „natürliche" Arbeitslosigkeit bezeichnet wird. (18) „Structural imbalance", i.e. die Massierung der Arbeitslosigkeit bei bestimmten Gruppen, kann anhand von Dispersionsmaßen der spezifischen Arbeitslosenquoten untersucht werden. Es empfiehlt sich, absolute Dispersionsmaße (wie Standardabweichung, Summe der absoluten Differenzen) und relative Dispersionsmaße (wie Variationskoeffizient, Schutz-GordonIndex, GINI-Koeffizient) nebeneinander zu betrachten, um voreilige

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Zusammenfassung

Schlüsse zu vermeiden. Die „verteilungskorrigierte" Arbeitslosenquote kann für eine vereinfachte Berechnung des Variationskoeffizienten verwendet werden, das Schutz-Gordon-Maß als Abschätzung für den GINI-Index. (19) Die Beveridge-Kurve ist der geometrische Ort der bei konstantem Arbeitsmarktfriktionsparameter geltenden Kombinationen von Arbeitslosen und Offenen Stellen. Ihre Verschiebung zeigt eine Veränderung der nichtnachfragebedingten Arbeitslosigkeit an. Es empfiehlt sich, nur Zeitreihendaten (für den Gesamtmarkt oder für Teilmärkte) zu verwenden; Ergebnisse aus Querschnittsanalysen werden in unvorhersehbarer Weise durch die allgemeine Konjunktursituation beeinflußt. (20) Nach Teilmärkten disaggregierte Daten über Arbeitslose und offene Stellen erlauben, den nicht-nachfragebedingten Teil der Arbeitslosigkeit weiter in eine friktioneile und eine strukturelle Komponente zu zerlegen, je nachdem ob den Arbeitslosen offene Stellen in ihrem eigenen Teilmarkt korrespondieren oder nicht. Die dafür vorgeschlagenen Rechenverfahren sind einander sehr ähnlich. Eine konzeptionelle Erweiterung wäre dadurch möglich, daß man das Zuordnungsproblem von Arbeitslosen und offenen Stellen in der Art des „Transport-44 oder des „personnel assignmentsProblems, wie sie in der Theorie der Linearprogrammierung bekannt sind, auffaßt. (21) Die von Lipsey 1965 vorgeschlagene Klassifizierung der Arbeitslosigkeit entsprechend den zu ihrer Bekämpfung notwendigen wirtschaftspolitischen Maßnahmen kann anhand der Phillipskurve veranschaulicht werden. Heute, nach dem „Zusammenbruch44 der „naiven44 Phillipskurve, ist Lipsey 9s Schema noch weniger operationell als zur Zeit seiner „Erfindung 44, weil es nicht umstandslos auf die langfristige Phillipskurve übertragen werden kann. (22) Das empirische Gegenstück zur „natürlichen44 Arbeitslosenquote ist nach monetaristischer Auffassung die inflationsstabile Arbeitslosenquote (NAIRU), welche aus einer um Erwartungen erweiterten modifizierten Phillipskurve berechnet werden kann. In einer Welt mit einem inflationären „Bias44 kann diese aber nicht mit jener Arbeitslosenquote, welche mit realem Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt vereinbar ist, gleichgesetzt werden. Die Identifizierung der beiden Konzepte in der monetaristischen Auffassung befrachtet die gemessene NAIRU mit einem überzogenen Bedeutungsgehalt. (23) Der deutsche Sachverständigenrat berechnet das Ausmaß der Arbeitsplatzlücke (= „strukturellen44 Arbeitslosigkeit) mithilfe einer trendbe-

Zusammenfassung

173

reinigen Kapitalintensität. Alle Schwankungen der statistisch gemessenen Kapitalintensität werden dem Konjunkturverlauf zugeschrieben und schlagen sich in der „konjunkturellen44 Komponente der Arbeitslosigkeit nieder. Angesichts der beträchtlichen Spielräume in der Nutzung des vorhandenen Kapitalstocks scheint der Anspruch einer exakten Berechnung der damit verbundenen Arbeitsplätze aber übertrieben. (24) Verschiedene Ansätze zur Freisetzungsrechnung enthalten im Kern den Anstieg der Arbeitsproduktivität als Maß für die potentiell beschäftigungsmindernde Funktion des technischen Fortschritts, ein allerdings eher tautologisches Resultat. Außerdem sagt auch eine zutreffende Prognose des Arbeitsproduktivitätswachstums und damit der Freisetzung kaum etwas über die Beschäftigungsentwicklung aus.

Anhang A: Der Niehans-lndex Niehans 1955 hat vorgeschlagen, für die Betriebsgröße, gemessen als Beschäftigte pro Betrieb, nicht das arithmetische Mittel als zusammenfassende, „repräsentative" Maßzahl zu verwenden, sondern einen Index N, bei dem die einzelnen Betriebsgrößen anstatt mit ihrem Anteil an allen Betrieben, mit dem Anteil an allen Beschäftigten gewichtet werden. Wenn χ die Betriebsgröße und f(x) die relative Häufigkeit (Dichte) von Betrieben mit χ Beschäftigten an allen Betrieben bezeichnet, ergibt sich das arithmetische Mittel als (A.l)

m = / xf(x)dx

während der Niehans-lndex lautet (Α

·2) xfix) m

Ν = / x ^ d x m

= /x7(x)dx

wobei 1 (x) = —— den Anteil der Beschäftigten, die in Betrieben mit χ Beschäftigten arbeiten, an allen Beschäftigten angibt. Plastisch kann man sich den Niehans-Index so vorstellen (vgl. Prais 1976, S. 49 f): jeder Beschäftigte erhält einen Zettel, auf dem die Betriebsgröße des Betriebs steht, in dem er arbeitet. Ν ist dann einfach das arithmetische Mittel der Zahlen auf allen Zetteln. Diese Maßzahl kommt der Vorstellung, daß damit die Größe des Betriebs, in dem der „typische" Arbeiter beschäftigt ist, ausgedrückt wird, näher als das konventionelle arithmetische Mittel, das sehr stark von den vielen Kleinbetrieben beeinflußt wird, auch wenn insgesamt nur eine Minorität der Arbeiter in Kleinbetrieben beschäftigt ist. Mathematisch gesprochen handelt es sich bei Ν um den Mittelwert der MomentVerteilung (vgl. Piesch 1975, S. 21). Aus der bekannten Zerlegung der Varianz VAR(x) (A.3) VAR(x) = / ( x - m ) 2 f(x)dx = f x2f(x)dx - 2 m / xf(x)dx + m 2 / f(x)dx = / x2f(x)dx - m 2

ergibt sich (A.4)

Ν = — / x2f(x)dx = —(VAR(x) + m 2 ) m m

bzw. (A.5)

— = V2 + 1 m

Anhang A: Der NIEHANS-Index I VAR(x)

wobei V den Variationskoeffizienten V = * unmittelbar (A.6) Ν > m

— bezeichnet. Daraus

Anhang Β: Der Schutz-Koeffizient Disparität, auch relative Konzentration oder Ungleichheit genannt, bedeutet, daß bei einer Verteilung auf einen kleinen Teil der Merkmalsträger (z.B. Haushalte) ein großer Teil der Merkmalssumme (z.B. Einkommen) entfällt (Piesch 1975, S. 1). Die Abweichung zwischen dem Anteil fi, den eine bestimmte (Einkommens)klasse i an den Merkmalsträgern einerseits, und dem Anteil Ii, den diese (Einkommens)klasse an der Merkmalssumme anderseits hat, ist ein Indiz für die Stärke der Ungleichverteilung. Die einfache Summe der Abweichungen Σ (U - fi) ist allerdings, wegen Σ Ii = Σ fi = 1, gleich Null, d.h. umgekehrt, daß die Teilsumme der positiven Abweichungen notwendigerweise gleich ist der Teilsumme der negativen Abweichungen. Bei Schutz 1951 wird diese Teilsumme als einfaches Disparitätsmaß vorgeschlagen. (Identische oder ähnliche Maße werden auch bei einer ganzen Reihe anderer Autoren verwendet: Ricci, Bortkiewicz, Kuznets u.a. (vgl. Piesch 1975, S. 54)) Der Schutz-Index S ist demnach: (B.l)

S = Σ ( Ι - fi)

für jene i, für die gilt: Ii > fi

oder gleichbedeutend: S = y Σ I Ι - fi I

(B.2)

Diese Darstellung gilt für klassierte Verteilungen. Für den kontinuierlichen Fall wird (B.2) zu (B.3) S = y / " I T(x)-f(x) I dx = y / I ^ p - f ( x ) | dx = y ^ / | x - m | f(x)dx

wobei m = / xf(x)dx das arithmetische Mittel bedeutet. S kann also auch interpretiert werden als die Hälfte der relativen mittleren Abweichung. Aufgrund der oben angesprochenen Zerlegung in die Teilsummen der positiven bzw. negativen Abweichungen gilt auch: oo

(Β. 4) v

7

S =

/'

(x-m)f(x)dx = m

m / (m-x)f(x)dx ο

Durch das folgende Diagramm kann der Schutz-Index graphisch veranschaulicht werden:

Anhang Β: Der Schutz-Koeffizient

177

Darstellung des Schutz-Index

X

F(x) = / f(z)dz ist die kumulierte Häufigkeitsverteilung (Verteilungsfunktion) zu f(x). Die Fläche zwischen der Ordinate, der Parallele zur xAchse im Abstand 1 und der Verteilungsfunktion entspricht bekanntlich dem Mittelwert m: sie kann zusammengesetzt gedacht werden aus (infinitesimal schmalen) Balken mit der Länge χ und der Höhe = f(x), so daß sich fx f(x)dx = m ergibt. Die obere schraffierte Fläche ist gleich ./~(x-m) f(x)dx, ihr Verhältnis zur Gesamtfläche über der Verteilungsfunktion also gleich dem Schutz-Index. Die untere schraffierte Fläche beträgt /™( m - x ) f(x)dx; ihr Anteil an der Fläche Ol Am, welche auch gleich m ist, drückt ebenfalls S aus. Aus der obigen Figur kann auch die Relation zwischen Schutz-Index und Lorenz-Kurve hergeleitet werden. Bei dieser werden bekanntlich die Werte der kumulierten Anteile der Merkmalsträger F(x) in Beziehung gesetzt zu den kumulierten Anteilen an der Merkmalssumme L(x) = / * ^ ^ dz. 7 ~ ο m Die Werte mL(x) können in Abb. B.1 als Flächenstücke zwischen der Ordinate, einer Parallelen zur x-Achse im Abstand F(x) und der Verteilungsfunktion veranschaulicht werden. Für x=m ergibt sich die als OBC eingezeichnete Fläche. Die Fläche OlAm, welche m beträgt, kann nun folgendermaßen zusammengesetzt werden: (B.5) 12 Riese

m = [ l - F ( m ) ] m + mL(m) + mS

178

Anhang Β: Der Schutz-Koeffizient

Daraus folgt das bekannte Resultat (vgl. Piesch 1975, S. 56) (B.6)

F(m)-L(m) = S

Im Lorenz-Kurvendiagramm kann S also abgelesen werden als Abstand zwischen der Diagolnale und der Lorenz-Kurve an der Stelle des arithmetischen Mittels. Da wegen dL(x) _ l(x) = xf(x) = x^ dF(x) f(x) mf(x) m der Anstieg der Lorenz-Kurve in diesem Punkt 1 beträgt, also identisch ist mit dem der Diagonale, handelt es sich um den maximalen Abstand.

FM Abbildung B.2: Lorenz-Kurve und Schutz-Index

Wie man aus Abb. B.2 ersieht, bildet die Fläche des Dreiecks OCA, welche mit Δ bezeichnet werden soll, eine untere Schranke für die Konzentrationsfläche k, i.e. die zwischen Lorenz-Kurve und Diagonale eingeschlossene Fläche. Der GINI-Koeffizient R ergibt sich bekanntlich als Verhältnis der Konzentrationsfläche zur Fläche 01A, oder: R=2k. Weiters gilt A=S/2, woraus folgt:

Anhang Β: Der Schutz-Koeffizient

(B.7)

179

R = 2k > 2Δ = S

Der Schutz-Index gibt somit auch eine untere Schranke für den GINIIndex R an. Schließlich soll noch auf die Eigenschaft des Schutz-Index als „maximum equalisation percentage" (vgl. Piesch 1975, S. 57) hingewiesen werden, i.e. als jener Anteil der gesamten Merkmalssumme, der umgeschichtet werden müßte, damit eine Gleichverteilung zustandekommt. Wenn C die Gesamtzahl der Merkmalsträger bezeichnet, z.B. die Zahl der Haushalte, ergibt sich die gesamte Merkmalssumme, z.B. das Gesamteinkommen aller Haushalte, als Cm. Zur Herstellung vollständiger QJeichheit müßte alles über dem Durchschnitt liegende Einkommen, i.e. C / (x-m) f(x)dx, entsprechend umverteilt werden. Der Anteil dieses umzuverteilenden Einkommens am Gesamteinkommen entspricht genau S (vgl. Gl. (B.4) und Abb. B.1).

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