Die Kontrolle der Nachrichtendienste: Vergleichende Bestandsaufnahme, Praxis und Reform [1 ed.] 9783428488230, 9783428088232

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Die Kontrolle der Nachrichtendienste: Vergleichende Bestandsaufnahme, Praxis und Reform [1 ed.]
 9783428488230, 9783428088232

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ALEXANDER HIRSCH

Die Kontrolle der Nachrichtendienste

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 711

Die Kontrolle der Nachrichtendienste Vergleichende Bestandsaufnahme, Praxis und Reform

Von Alexander Hirsch

Duncker & Humblot * Berlin

Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Hirsch, Alexander: Die Kontrolle der Nachrichtendienste : vergleichende Bestandsaufnahme, Praxis und Reform / von Alexander Hirsch. Berlin : Duncker und Humblot, 1996 (Schriften zum öffentlichen Recht ; Bd. 711) Zugl.: München, Univ., Diss., 1996 ISBN 3-428-08823-9 NE: GT

Alle Rechte vorbehalten © 1996 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Werner Hildebrand, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-08823-9 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 @

BMF

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 1995 von der Juristischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München als Inaugural-Dissertation angenommen. Der Arbeit liegt eine Erhebung zugrunde, die ich im Sommer 1995 durchgeführt habe. In dieser Zeit rückte das - eigentlich immer - aktuelle Thema besonders in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Durch die Plutonium-Affare war das Verhältnis der Nachrichtendienste zur rechtsstaatlichen Ordnung im Bewußtsein der Öffentlichkeit in Frage gestellt worden. Diese Affare war nicht die erste ihrer Art. Im Laufe des Verfahrens stellte sich jedoch immer wieder die Frage nach der Beteiligung anderer Behörden der Sicherheitsverwaltung nämlich der Polizei. Der Strafprozeß gegen die Täter ist beendet, während die Abschlußberichte der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse des Bundes und des Freistaats Bayern noch nicht vorliegen. Es bleibt fraglich, ob durch diese Affare tatsächlich strukturelle Schwachpunkte in der Kontrolle offenbar wurden oder ob Rechtsverstöße vorlagen, die durch keine gesetzliche Kontrolle verhindert werden können. Außerdem ist eine verstärkte gesetzgeberische Aktivität zu bemerken, die sich den Kampf gegen die Organisierte Kriminalität zum Ziel gesetzt hat. Dazu gehört die Neufassung des G 10, die durch eine Einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichtes im Juli 1995 erst einmal außer Kraft gesetzt wurde. Besonders im Bereich des BND wird über die Ausweitung auf neue Aufgabengebiete mehr oder minder laut nachgedacht. Es bietet sich dieser Bereich an, da er eine internationale Bedrohung darstellt. Beides zeigt, daß sich Dienste und Polizeien immer mehr annähern, was für die Kontrolle nicht außer acht gelassen werden kann. Die Entwicklung ist nicht abgeschlossen. Die erneute redaktionelle Überarbeitung vor Drucklegung verzichtet darauf, zwischenzeitliche Änderungen der Gesetze auszuweisen, um den Gesamteindruck nicht zu verzerren. Die Arbeit beschreibt die Situation im Sommer 1995. Somit blieben auch die Aspekte, die im Zusammenhang mit der Nachfolge des BND-Präsidenten Konrad Porzner erneut offenbar wurden, nur scheinbar außer Betracht. Es zeigte sich dabei etwas von der „Geheimdienstmentalität", die im Rahmen der Arbeit ausführlich erörtert wird. Hier ist eine dem BND innewohnende Dynamik, die eine Kontrolle erschwert.

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Vorwort

Besonders danke ich meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Rupert Scholz, der mir nicht nur dringend nahelegte, eine Dissertation im Bereich des Staatsrechts abzufassen, sondern mir auch jede Möglichkeit gab, eigene Ideen zu entwickeln. Weiterhin gebührt Herrn Prof. Dr. Hans-Ullrich Gallwas Dank für die umgehende Erstellung des Zweitgutachtens. Weiterhin danke ich den Mitarbeitern der Dienststellen des Bundes und der Länder, die mir in Interviews zahlreiche Auskünfte gegeben haben, ohne die diese Arbeit nicht möglich gewesen wäre. Unter Berücksichtigung der erforderlichen Geheimhaltung haben sie mich in jeder Weise unterstützt. Weiterhin gilt mein persönlicher Dank auch denen, die in vielfaltiger Weise zum Gelingen der Arbeit beigetragen haben. So danke ich Herrn Ministerialdirigent a.D. Kurt Fritz für wertvolle Anregungen gerade im Anfangsbereich der Bearbeitung und besonders meinen Eltern und meiner Schwester.

Februar/Mai 1996 Alexander Hirsch

Inhaltsverzeichnis Einleitung

13 Teill Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

I. Begriffsbestimmungen 1. Sicherheitsbehörden a) Verfassungsschutz aa) Verfassungsschutz im weiten Sinne bb) Verfassungsschutz im engeren Sinne b) Polizei c) Nachrichtendienst aa) Bundesnachrichtendienst bb) Bundesamt fur Verfassungsschutz cc) Landesämter für Verfassungsschutz dd) Militärischer Abschirmdienst ee) Zollkriminalamt 2. Mittel a) Polizeiliche Befugnisse b) Nachrichtendienstliches Mittel

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Π. Geschichtliche Entwicklung 1. Schaffimg der Kontrollen 2. Bewertung a) Politisches Umfeld b) Geheimhaltungsbedürfiiis c) Geheimdienstmentalität

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ΙΠ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle 1. Die Ausgestaltung der Kontrolle a) Die Kontrolle im Veifassungsgefüge aa) Gewaltenteilung bb) Kembereichstheorie cc) Parlamentarisches Regierungssystem dd) Demokratisches Mehrheitsprinzip ee) Der Bereich der Judikative ff) Drittrechte b) Folgen für die Ausgestaltung der Kontrolle c) Folgerungen für den Bereich der Nachrichtendienste: Eine kooperative Kontrolle

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nsverzeichnis 2. Der Antagonismus zwischen Geheimhaltung und Kontrolle a) Legitimation der Geheimhaltung b) Geheimhaltungsgründe aus der Sphäre des Staates aa) Das Schutzgut der Verfassung bb) Das Staatswohl cc) Schutz der Funktionsfahigkeit c) Geheimhaltungsgründe aus der Sphäre Privater d) Maßstäbe der Geheimhaltung aa) Einzelfallentscheidung bb) Funktionsspezifische Grenzen cc) Fallgruppen dd) Klassische Staatsgeheimnisse ee) Fazit e) Entscheidungskompetenz aa) Exekutive bb) Parlament cc) Rechtsprechung. dd) Ergebnis f) Gegenläufige Schutzgüter aa) Pressefreiheit bb) Informationsansprüche cc) Gerichtsrechte dd) Grundrechte und die verfassungsimmanenten Schranken g) Fazit: Geheimschutz als kontrollbeschränkendes Prinzip 3. Das Trennungsgebot a) Geschichtliche Begründung des Trennungsgebotes b) Rechtliche Qualität aa) Bundesebene bb) Landesebene c) Inhalt des Trennungsgebotes d) Entwicklung in der Praxis e) Folgerungen für den Bereich der Dienste IV. Die bestehenden Kontrollen 1. Einteilung der Kontrollinstanzen 2. Öffentlichkeit und Presse 3. Kontrolle durch den Bürger a) Benachrichtungspflichten der Dienste b) Auskunftsansprüche gegen die Dienste aa) Auskunft nach § 15 BVerfSchG bb) Auskunft nach § 9 MADG; § 7 BNDG cc) Auskunft nach § 19 BDSG dd) Auskunft aus weiteren Anspruchsgrundlagen ee) Versagung der Auskunft ff) Zusammenfassimg 4. Gerichtliche Kontrolle a) Ziel der gerichtlichen Kontrolle b) Gerichte als Kontrollinstanz c) Möglichkeiten der Klageerhebung. aa) Rechtlicher Ausschluß des Rechtswegs

61 62 64 64 68 69 70 73 74 75 76 76 77 77 78 79 80 82 83 83 84 84 84 87 89 90 91 91 92 93 99 100 101 102 103 107 107 108 109 111 112 112 114 115 115 116 117 117 118

nsverzeichnis bb) Tatsächlicher Ausschluß d) Gang des gerichtlichen Verfahrens aa) Verfahren vor den Verwaltungsgerichten bb) Verfahren vor den Zivilgerichten cc) Verfahren vor den Strafgerichten dd) Verfahren vor den Verfassungsgerichten ee) Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte e) Fazit 5. Exekutivische Kontrolle der Dienste a) Dienst- und Fachaufsicht b) Koordinierung c) Personalrat d) Kontrolle durch andere Exekutivbehörden 6. Parlamentarische Kontrolle a) Haushalts-, Innen- und Verteidigungsausschuß b) Vertrauensgremium nach § 10 a BHO c) Untersuchungsausschüsse d) Petitionsausschuß e) Informationsrechte von Abgeordneten f) Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) aa) Entstehungsgeschichte bb) Rechtsnatur der Kontrollkommission cc) Die Mitglieder der PKK dd) Gesetzlich verankerte Befugnisse der Kontrollkommission ee) Ungeschriebene Kompetenzen gg) Fazit g) Verbindungsmänner der Fraktionen 7. Besondere Gremien a) Die Kontrolle nach dem G10 aa) Entstehungsgeschichte des Gl0 bb) Die Einschränkung des Grundrechts aus Art. 10 GG cc) G10-Gremium dd) G10-Kommission (1) Rechtsnatur der G10-Kommission (2) Mitgliedschaft (3) Aufgaben (4) Berichtspflichten ee) Zusammenarbeit mit den Ländern fi) Fazit b) Gremium nach § 41 V AWG aa) Verfahren und Voraussetzungen der Beschränkung bb) Gremium nach § 41 V AWG cc) Fazit 8. Rechnungsprüfung der Haushaltsführung der Nachrichtendienste a) Bundesrechnungshof. b) Bundesbeauftragter für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung aa) Rechtsstellung bb) Befugnisse cc) Bestimmungen der BHO und BRHG

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nsverzeichnis dd) Fazit 9. Bundesbeauftragter für den Datenschutz a) Stellung und Aufgaben des Bundesbeauftragten für den Datenschutz b) Befugnisse des Bundesbeauftragten für den Datenschutz c) Fazit 10. „Royal-Commissions" 11. Fazit a) Allgemeine Staatskontrolle b) Besondere Kontrollen c) Das Verhältnis der Kontrollinstanzen zueinander V. Die Praxis der bestehenden Kontrolle 1. Die Eigenaufsicht als Grundlage einer wirksamen Kontrolle 2. Die Kontrolle der Wirtschaftspläne 3. Parlamentarische Kontrolle a) Allgemeine parlamentarische Kontrollen b) Spezielle Kontrollgremien 4. Besondere Kontrollgremien 5. Weitere Instanzen der allgemeinen Staatskontrolle, insbesondere der Bundesbeauftragte für den Datenschutz 6. Die Öffentlichkeit a) Auskunftserteilung b) Die Öffentlichkeitsarbeit c) Bundesarchiv d) Fazit 7. Fazit VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme 1. Bundesländer a) Gerichtliche Kontrolle b) Eigenkontrolle c) Parlamentarische Kontrolle aa) Allgemeine Kontrollrechte bb) Ausgestaltung der Parlamentarischen Kontrollkommission cc) Weitere parlamentarische Kontrollrechte: Beauftragter für den Verfassungsschutz d) Weitere Kontrollen e) Fazit 2. Ausland a) Israel b) Norwegen aa) Die Dienste bb) Kontrollmechanismen cc) Fazit c) Die Niederlande aa) Die Dienste bb) Kontrollmechanismen cc) Fazit d) Österreich

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nsverzeichnis aa) Die Dienste bb) Exekutivische Eigenkontrolle cc) Parlamentarische Kontrolle dd) Weitere Kontrollinstanzen ee) Die Öffentlichkeit ff) Fazit e) Frankreich aa) Die Dienste bb) Exekutivische Eigenkontrolle cc) Parlamentarische Kontrolle dd) Weitere Kontrollinstanzen: Médiateur und „Roy a Kommission" ee) Fazit f) Italien aa) Geschichtlicher Abriß der Kontrolle bb) Die Dienste cc) Exekutivische Eigenkontrolle dd) Parlamentarische Kontrolle ee) Weitere Kontrollinstanzen ff) Fazit g) Vereinigte Staaten von Amerika (USA) aa) Geschichtlicher Abriß der Kontrolle bb) Die Dienste cc) Auskunftsrechte dd) Exekutivische Eigenkontrolle ee) Parlamentarische Kontrolle ff) Gerichtliche Kontrolle gg) Weitere Kontrollinstanzen hh) Öffentlichkeit ii) Fazit h) United Kingdom (UK) aa) Geschichtlicher Abriß der Kontrolle bb) Die Dienste cc) Exekutivische Eigenkontrolle dd) Parlamentarische Kontrolle ee) Weitere Kontrollinstanzen: Commissioner und Tribunal ff) Royal-Commissions gg) Fernmeldekontrolle hh) Öffentlichkeit ii) Fazit i) Kanada aa) Geschichtlicher Abriß der Kontrolle bb) Die Dienste cc) Exekutivische Eigenkontrolle dd) Gerichtliche Kontrolle ee) Quasi-parlamentarische Kontrolle ff) Fazit j ) Vergleich aa) Geschichtliche Entwicklung bb) Kontrollmechanismen cc) Ergebnis

223 224 224 227 228 228 229 229 230 231 232 234 234 234 235 236 237 239 239 240 240 242 245 246 248 254 254 255 256 257 257 257 260 261 262 263 264 265 266 267 267 267 269 270 270 271 272 272 273 275

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nsverzeichnis Teil II Eigene Reform vor schlage I. Exekutivische Eigenkontrolle Π. Die PKK als zentrales Kontrollorgan 1. Die Erweiterung der Rechte der PKK a) Akteneinsichts- und Anhörungsrecht b) Berichtsrechte c) Folgerechte aa) Umwandlung in Untersuchungsausschuß bb) Beauftragter für die Dienste 2. Strukturelle Änderungen der PKK a) Zusammensetzung der PKK b) Erweiterte Berichtspflicht c) Zusammenarbeit mit anderen Kontrollinstanzen aa) Mit den Parlamentarischen Kontrollkommissionen der Länder bb) Mit den Kontrollinstanzen nach dem G10 cc) Mit dem Bundesbeauftragten fur Datenschutz dd) Mit den Kontrollen bzgl. einer Wirtschaftlichkeitskontrolle ee) Mit Untersuchungsausschüssen ff) Mit dem Petitionsausschuß 3. Das Arbeitsfeld der PKK 4. Ergebnis

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ΙΠ. Die Öffentlichkeit 1. Auskunftspraxis 2. Öffentlichkeitsarbeit 3. Finanzkontrolle durch die Öffentlichkeit

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IV. Die allgemeine Staatskontrolle 1. Gerichte 2. Allgemeine parlamentarische Kontrolle 3. Bundesbeauftragter für den Datenschutz 4. Wirtschaftlichkeitskontrolle

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V. Aufrechterhaltung des Trennungsgebotes

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VI. Die Einrichtung eines unabhängigen Kontrolleurs für die Dienste

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VII. Ergebnis

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Thesen

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Literaturverzeichnis

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Abkiirzungsverzeichnis Deutsche Gesetze sind nicht gesondert aufgeführt, da die offiziellen Abkürzungen verwendet wurden, hier sei auf Hildebert Kirchner, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache, Frankfurt/New York, 1993 hingewiesen. Bei Abkürzungen für bestimmte Bücher wird auf das Literaturverzeichnis verwiesen. Im übrigen wurden die gebräuchlichen Abkürzungen benutzt. a.D. aA AA Abg. Abt. AfV AK AöR BAG BAnz Bay BayVBl. BBC Bbg Ber BfD BfV BGBl. BGH BGS BK BKA BMF BMI BMJ BMV BMWi BND Brem BRH BT BuPo BVD BVerfG BVerfGE

außer Dienst andere Auffassung Auswärtiges Amt Abgeordneter Abteilung Ausschuß für Verfassungsschutz Alternativkommentar zum Grundgesetz Archiv des öffentlichen Rechts Bundesarbeitsgericht Bundesanzeiger Bayern/bayerisch Bayerische Verwaltungsblätter British Broadcasting Company Brandenburg/brandenburger Berlin/Berliner Bundesbeauftragter für den Datenschutz Bundesamt für Verfassungsschutz Bundesgesetzblatt (Jahr/Band) Bundesgerichtshof Bundesgrenzschutz Bonner Kommentar zum Grundgesetz Bundeskriminalamt Bundesministerium/Bundesminister der Finanzen Bundesministerium/Bundesminister des Inneren Bundesministerium/Bundesminister der Justiz Bundesministerium/Bundesminister der Verteidigung Bundesministerium/Bundesminister für Wirtschaft Bundesnachrichtendienst Bremen/bremer Bundesrechnungshof Bundestag Bundespolizei Binnenlandse Vieligheidsdienst Bundesverfassungsgericht Bundesverfassungsgerichtsentscheidung

10 BVerwG BVerwGE BVG BWV C.e.s.i.s. C.i.i.s. CCSI CIA CIR CMS CNCIS Co.pa.co. CR CRS CSC CSE CSIS CSS DCI DGSE DIA DISC DoD DöV DRM DSB DST DVB1. EG EGMR EO EPIC EuGRZ EvStL FAZ FBI FIB FISA FOIA FR FY GCHQ GCR GIC GOG GVB1. Ham HbdStR Hdwb pol Sys Hess

Abkürzungsverzeichnis Bundesverwaltungsgericht Bundesverwaltungsgerichtsentscheidung Bundesverfassungsgesetz Bundesbeauftragter für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung Comitato Esecutivo per i Servizi di Informazione e di Sicurezza Comitato Interministeriale per le Informazioni e la Sicurreza Cabinet Committee on Security and Intelligence Central Intelligence Agency Comité Interministériel des Renseignements Community Management Commission Nationale de Contrôle des Interceptions de Sécurité Comitato Parlamentare di Controllo Computer und Recht Congressional Research Service Comité Special de Contre-espionage Communications Security Etablishment Canadian Security Intelligence Service Central Security Service Director of the Central Intelligence Direction Générale de la Sécurité Extérieure Defense Intelligence Agency Defnse Industry Security Command Department of Defense Die öffentliche Verwaltung Direction du Renseignement Militare Datenschutzbeauftragter Direction de la Surveillance du Territoire Deutsches Verwaltungsblatt Europäische Gemeinschaft, heute EU: Europäische Union Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Executive Order El Paso Intelligence Center Europäische Grundrechtszeitung Evangelisches Staatslexikon Frankfurter Allgemeine Zeitung Federal Bureau of Investigation Foreign Intelligence Bureau Federal Intelligence Surveillance Act Freedom of Information Act Frankfurter Rundschau Fiscal Year des us-amerikanischen Haushaltes vom 1. 10 - 30. 9. Government Communications Headquarters Groupe Communications Radio-Electriques Groupe Interministériel des Communications Geschäftsordnungsgesetz Gesetz und Verordnungsblatt Hamburg/hamburgerisch Handbuch des Staatsrechts Handwörterbuch des politischen Systems Hessen/hessisch

Abkürzungsverzeichnis HPSCI IBD IC/EXCOM ISA Jura JuS JZ LfD LfV LG LSIB MAD ME POLG Meckl. MI5 MID NDIC NFIB NIC NJW NRO NRW NSA NSC NVwZ NW NZZ OCA OEIC OLG OVG Ö ÖJZ PAC PDS PFIAB PIOB PKK PL PSIS PVMG PZD RAF RG RGBl. RiA SAS SBZ 2 Hirsch

House Permant Select Committee on Intelligence Inlichtingendienste Buitenland Intelligence Executive Committee Intelligence Supply Agency Juristische Ausbildung Juristische Schulung Juristen Zeitung Landesbeauftragter für den Datenschutz Landesamt/Landesämter für Verfassungsschutz Landgericht London Signals Intelligence Board Militärischer Abschirmdienst Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes des Bundes und der Länder nach dem Beschluß der Innenministerkonferenz vom 25.11.1977 Mecklenburg-Vorpommem/mecklenburg-vorpommerisch Security Service Militare Inlichtingdienst National Drug Intelligence Center National Foreign Intelligence Board National Intelligence Council Neue Juristische Wochenschrift National Reconaissance Office Nordrhein-Westfalen National Security Agency National Security Council Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfalen / nordrhein-westfalisch Neue Züricher Zeitung Office for Coordination and Advising Overseas Economic Intelligence Committee Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Österreich, österreichisch Österreichische Juristenzeitung Public Accounts Committee Partei Deutscher Sozialisten President's Foreign Intelligence Advisory Board President's Intelligence Oversight Board Parlamentarische Kontrollkommission Public Law Permant Under Secretaries Committee on Intelligence Parlamentarisches Vertrauensmännergremium Personenzentraldatei Rote Armee Fraktion Direction de Renseignement Généraux Reichsgesetzblatt (Jahr/Band) Recht im Amt Special Air Services Sowjetische Besatzungszone

12 SDECE S.i.s.de. S.i.s.mi. Schi. SCI SIRC SIS/MI6 SPD SPG SRP SSCI StaPo Sten. Prot. StS SZ taz Thür TIARA UA USSS Verf. VerfGH VerwArch VG VGH V0B1. WDStRL WP ZaöRV ZFD Z£Z ZGS ZKA ZKI ZParl ZRP

Abkürzungsverzeichnis Service de Documentation Extérieure et de Contre-espionage Servizio per le Informazione e la Sicurezza Democratica Servizio per Informazioni e la Sicurreza Militare Schleswig-Holstein/schleswig-holsteiner Select Committees on Intelligence Security Intelligence Review Committee Secret Intelligence Service Sozialdemokratische Partei Deustchlands Sicherheitspolizeigesetz Sozialistische Reichspartei Senate Select Committee on Intelligence Staatspolizei Stenographisches Protokoll Staatssekretär Süddeutsche Zeitung die tageszeitung Thüringen / thüringerisch Tactical Intelligence and Related Activities Budget Untersuchungsausschuß United States Secret Service Verfassung Verfassungsgerichtshof Verwaltungsarchiv Verwaltungsgericht Verwaltunggsgerichtshof Verordnungsblatt Veröffentlichungen der Vereinigung der Deustchen Staatsrechtslehrer Wahlperiode Zeitschrift für ausländische und öffentlcihe Rechtsvergleichung Zollfahndungsdienst Zeitschrift für Zölle und Verbrauchssteuern Zollgrenzdienst Zollkriminalamt (seit dem 7. 7. 1992) Zollkriminalinstitut (bis zum 7.7. 1992) Zeitung für Parlamentsfragen Zeitschrift für Rechtspolitik

Einleitung Nachrichtendienste erfreuen sich eines starken Interesses in der Bevölkerung, weil sie geheim sind. Sie sind umgeben von einem Flair der Geheimhaltung und von der Vorstellung, unbegrenzte Möglichkeiten zu haben. Sie erzeugen, sobald sie den Romanen entsteigen und wirklich werden, ein ungutes Gefühl: Man kennt sie nicht, man weiß nicht, was sie machen, was sie dürfen und wer darüber wacht, daß sie sich an die rechtsstaatlichen Spielregeln halten. Der Bürger kann das Gefühl haben, hier einer Macht ausgeliefert zu sein 1 , gegen deren Akte er sich nicht wehren kann 2 . Es wird das Volk kontrolliert, von dem alle Staatsgewalt ausgehen sollte. Diese Gewalt könnte ein Eigenleben fuhren, eine Gewalt, die nicht mehr vom Volk ausgeht, sondern sich gegen das Volk richtet. Insbesondere in Deutschland haben die Dienste einen schweren Stand in der breiten Öffentlichkeit, weil hier leidvolle Erfahrungen mit übermächtigen Geheimdiensten noch frisch sind. Erinnert sei an die Gestapo und an die Stasi. Es ist ein merkwürdiger Zwiespalt. Das Wirken geheimer Dienste nach außen wird verklärt. Hier arbeiten tapfere Männer gegen böse fremde Staaten. Nach innen steigen sofort die Schatten totalitärer Regime auf, hier sind es plötzlich Spitzel und Schnüffler. Der eine soll alles können und dürfen, um möglichst effektiv zu sein; den anderen soll es am besten gar nicht geben. Dieses muß man sich vor Augen halten, wenn man darüber nachdenkt, wie diese Dienste im Zaum gehalten werden. Ungebändigte Staatsgewalt tendiert dazu, ein Eigenleben zu entwickeln 3 . Eine Kontrolle ist unerläßlich. Aber da ist die alte Frage: Wer kontrolliert die Kontrolleure? Die Antwort scheint einfach: Der Staat, der Bewachte. Ist es wirklich so einfach? Im Grunde ja, denn es bleibt kein anderer übrig. Das Problem steckt vielmehr im Detail. Es wird sofort deutlich, wenn man bedenkt, daß Geheimdienste im Verborgenen agieren müssen, wollen sie wirksam 1 In einer durch IPOS (Institut für praxisorientierte Sozialforschung) durchgeführten Umfrage wurde das BfV durchgängig als wichtig eingeschätzt. 1988 sprachen nur 57 % der Befragten (1982: 70 %) dem BfV ihr Vertrauen aus; BfV; Befugnisse - Aufgaben Grenzen, Anmerkungen 5, 6. 2

Vgl. Kortmann, Verfassungsschutz, S. 69.

3

Vgl. nur Bull, NJW 79, 1177f; Schwagerl, Verfassungsschutz, S. 270.

Einleitung

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sein4. Ein enttarnter Spion richtet mehr Schaden an, als er nützt. Der heimliche Beobachter bekommt nur das zu sehen, was er sehen soll, wenn man ihn kennt. Also ebenfalls eine geheime Kontrolle? Durch wen, auf welche Weise, mit welchen Kompetenzen? Befürchtungen und Vorwürfe gegen die rechtsstaatlichen Dienste, sei es nun der Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst oder der Militärische Abschirmdienst, werden erhoben und zurückgewiesen. Die ,föderative Struktur, die parlamentarische Kontrolle, die Datenschutzkontrolle, die Fachaufsicht durch die Innenminister, die Kontrolle durch die Gerichte und nicht zuletzt durch die Öffentlichkeit und die Medien sorgen dafür, daß ein politischer Mißbrauch nicht möglich ist", betonte der damalige Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble anläßlich des 40-jährigen Bestehens des Bundesamtes für Verfassungsschutz 5. Die Kritik an den Diensten, aus welchen Beweggründen auch immer geäußert 6, wird auch in Zukunft gerade im Hinblick auf das Ende des „Kalten Krieges" nicht verstummen 7. In jüngerer Zeit hat die juristische Wissenschaft angefangen, sich mit diesem Problem zu beschäftigen. Die Dienste sind zum Teil auch erst in jüngerer Zeit Gegenstand der Gesetzgebung gewesen8. Gegenstand der juristischen Diskussion sind die Dienste in Rechtsstellung, Aufbau und Zusammenarbeit. Mehr im Blickpunkt der öffentlichen Diskussion ist das grundrechtsrelevante Verhältnis zwischen Diensten und Bürgern und die Kontrolle der Dienste, sei es durch Gerichte oder das Parlament. Eben jene Kontrolle wird häufig kritisiert oder in Schutz genommen. Kritik kommt zum Teil auch von denen, die kontrollieren oder sich kontrolliert fühlen 9 . M i t gleichbleibender Beständigkeit weist die Exekutive diese Kritik zu4

Boeden, zitiert nach Geiger DVB1. 90, 748, 749.

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Schäuble im Vorwort zu: Bundesamt für Verfassungsschutz (Hrsg.), Verfassungsschutz in der Demokratie, Beiträge aus Wissenschaft und Praxis, V. 6

Eine Neukonzeption zur besseren Anpassung an die veränderte Situation nach dem Zusammenbruch des Ostblocks fordert etwa B. Hirsch, FR vom 10. 8. 89; ders. „Überwacht die Überwacher"; in: FR vom 14. 12. 1989, S. 4; zuletzt „Zur Verkleinerung der Dienste", in: DIE ΖΕΓΓ vom 18. 5. 1995. 7

Jesse, Hdwb pol. Sys., S. 356.

8

Hier ist das sog. „Paket der Sicherheitsgesetze" v. 20.12.1990, BGBl. 1990 I, S. 2954 ff. Amtl. „Gesetz zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes", das als Artikelgesetz ergangen ist, zu nennen. Art. 1 beinhaltet das Bundesdatenschutzgesetz, Art. 2 das Bundesverfassungsschutzgesetz (BVerfSchG) , Art. 3 das MAD - Gesetz (MADG) und Art. 4 das BND - Gesetz (BNDG). Weiterhin besteht auch eine rege Gesetzgebungstätigkeit der Länder. 9 DIE GRÜNEN erachten Verfassungschutzbehörden in einer freiheitlichen Demokratie als überflüssig, im Hinblick auf Meinungsäußerungs- und Versammlungsfreiheit

Einleitung rück und erklärt die bestehenden Kontrollen für ausreichend. Dies war schon zu Zeiten so, als keine gesetzlich verankerte parlamentarische Kontrolle bestand und hat sich bis heute nicht geändert, da sie besteht. Die Kontrollmechanismen sind immer wieder Gegenstand mehr oder weniger kursorischer Betrachtung gewesen. Eine umfassende Untersuchung über die Wirksamkeit liegt nicht vor. Mittlerweile haben die Länder sich Verfassungsschutzgesetze gegeben, die eine parlamentarische Kontrolle ihrer Landesämter für Verfassungsschutz normieren. Teilweise gehen sie weiter als der Bund. Wie effizient ist die Kontrolle der Dienste, oder werden sie in Wirklichkeit doch nur scheinbar kontrolliert? Was ist an den Argumenten, mit denen eine weitergehende Kontrolle immer wieder abgelehnt wird? Sind sie wirklich zwingend? Was zeigen denn die Erfahrungen anderer Länder in Bezug auf die Kontrolle der Dienste? Werden die Dienste wirklich „totkontrolliert"? Wie sind die Erfahrungen mit den bestehenden Kontrollmöglichkeiten? Haben sie sich bewährt, sind sie zu streng oder müßte man sie erweitern? Diese Fragen sind bisher in einem Kontext noch nicht untersucht worden. Eine kaum verständliche Lücke, gerade wenn man sich die Gesetzgebung vor Augen führt. Insbesondere erscheint kaum verständlich, warum die verschiedenen Kontrollmechanismen immer nur einzeln angesprochen worden sind. Die Dienste arbeiten zusammen, die Kontrolleure nicht, sie dürfen es nicht einmal. Somit ist der Gang der Untersuchung fast zwingend vorgegeben. Im Bereich der Dienste gibt es nur wenige allgemeingültig festgeschriebene Begriffe. Gerade auch im Hinblick auf die besondere Struktur der Sicherheitsbehörden in der Bundesrepublik Deutschland ist es notwendig, im Rahmen einer Bestandsaufnahme zu klären, welche Dienste es mit welchen Kompetenzen gibt. Die Kontrolle der Dienste bezieht sich nicht auf eine Kontrolle der Polizeien. Die Polizei unterliegt keinen speziellen Kontrollen. Somit muß als erstes verdeutlicht werden, worin sich Dienste und Polizeien unterscheiden und wie sie aufgebaut sind. Deutschland nimmt in der Organisation seiner Dienste eine Sonderstellung in der Welt ein. Ist es nichts Ungewöhnliches, daß Auslandsnachrichtendienste und Behörden des inneren Staatsschutzes getrennt sind, so ist es eine deutsche Besonderheit, daß der Verfassungsschutz in Wirklichkeit eine Vielzahl von Behörden darstellt, deren Aufgabenbereiche sich zum Teil sogar überschneiden 10. sogar als unterdrückend, vgl. z.B.: Stenografische Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 191. Sitzung v. 25.1.1990, S. 14747; Müller-Heidelberg in: Humanistische Union, Weg mit dem „Verfassungsschutz" - der (unheimlichen Staatsgewalt; weiterhin den offenen Brief von Bürgerrechtsorganisationen in: taz vom 31.5.1990. 10 Siehe auch Gröpl, S. 82 ff, der darauf hinweist, daß andere föderativ aufgebaute Staaten, wie z.B. die USA, Österreich, Australien und Kanada und sogar die Schweiz keine gliedstaatlichen Einrichtungen im Bereich des inneren Staatsschutzes besitzen.

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Einleitung

Das Verhältnis eines Volkes zu Einrichtungen des Staates beruht in hohem Maße auf den gemachten Erfahrungen. Diese Erfahrungen sollen in einem geschichtlichen Rückblick aufgezeigt werden. Die Kontrollmechanismen sind in ihrer Ausgestaltung abhängig von dem verfassungsrechtlichen Hintergrund und der Tradition des jeweiligen Staates. Die Kontrolle der Dienste kann nicht aus dem verfassungsrechtlichen Gefüge gelöst werden, in dem die Dienste selber stehen. Daher bleibt zu klären, was eine Kontrolle überhaupt bedeutet. Dabei ist auch das Augenmerk darauf zu richten, welche widerstreitenden Interessen es gerade in diesem Bereich gibt. Die parlamentarische Demokratie steht unter dem Postulat der Öffentlichkeit. Nachrichtendienste aber sind auf ein gewisses Maß an Geheimhaltung angewiesen. Daneben bleibt in diesem Zusammenhang auf das in Deutschland existierende Trennungsgebot zwischen den Polizeien und den Diensten einzugehen. In einem weiteren Teil sollen die gegenwärtigen Kontrollmechanismen dargestellt werden. Hierbei ist zwischen den Kontrollinstanzen der allgemeinen Staatsverwaltung und denen, die speziell für die Dienste geschaffen worden sind, zu unterscheiden. Die Dienste unterliegen beiden Kontrollsträngen. Bei der Darstellung der existierenden Kontrollinstanzen hat sich das Augenmerk auf die Bundesebene zu richten. Die Probleme in den Ländern sind prinzipiell ähnlich. Die Länder haben jeweils ein Landesamt für Verfassungsschutz. Weitere Dienste zu unterhalten ist ihnen nicht möglich, da sie im Bereich der Auslandsaufklärung und des Militärwesens nicht zuständig sind. In diesem Bereich können Besonderheiten bei der Kontrolle auftreten. In dem sich anschließenden Teil soll die momentane Situation, wie sie in der Bundesrepublik vorliegt, analysiert werden. Hierbei ist zu untersuchen, wie sich die Mechanismen in der Praxis bewährt haben, wo Schwachstellen, sei es zu starker oder zu schwacher Kontrolle, aufgetreten sind. Die der Arbeit zugrundeliegende Erhebung stellt auf die Erfahrung mit dem existierenden Kontrollgefüge ab. Dabei sind im Rahmen der Dienste nicht nur die operativen Ebenen zu berücksichtigen, sondern auch die jeweilige Führungsinstanz. Die Kontrollen sind an verschiedenen Stellen im Verfassungsgefüge angesiedelt. Aufgrund der besonderen Bedeutung dieser Kontrolle sind hier in der Regel sehr hochrangige Stellen berufen. Weiterhin sollen die Kontrollmechanismen einiger ausländischer Staaten analysiert werden. Dies erscheint nicht nur aufgrund der internationalen Zusammenarbeit der Dienste heraus notwendig. Ein Dienst könnte aufgrund stärkerer öffentlicher Kontrolle als Schwachstelle bei der internationalen Zusammenarbeit angesehen werden. Denn von Aktivitäten eines Partners läßt sich unter Umständen auf solche des anderen schließen. Auch kann man sich Erfahrungen anderer Staaten mit Modellen für eigene zunutze machen. Nicht verkannt werden darf dabei allerdings die in den jeweiligen Staaten unterschiedliche Ausgangslage. Ein Mechanismus, der in einem

Einleitung zentralistischen Staat funktioniert, muß dies noch lange nicht in einem föderativen tun. In einem zweiten Teil sind aus den gewonnen Erkenntnissen Reformvorschläge zu entwickeln. Ziel der Arbeit ist es, diesen Bereich auszuleuchten und Alternativen zu zeigen. Böte sie eine Hilfestellung in der kritischen Auseinandersetzung mit diesem Thema, so wäre das Ziel erreicht. Gerade im Bereich der tatsächlichen Handhabung von Kontrollmöglichkeiten stößt die Beschaffung von Informationen schnell an ihre Grenzen. Insbesondere dann, wenn es sich um Informationen handelt, die mit der operativen Tätigkeit der Dienste in Zusammenhang stehen, ist es praktisch ausgeschlossen, Informationen zu erlangen. Erlangte Informationen sind zum Teil widersprüchlich. Dies gilt besonders für Informationen bezüglich der Dienste anderer Staaten. Auch sind Informationen unter Umständen schon nach kürzester Zeit veraltet oder unerkenntlich unvollständig. Daher wurden jeweils die jüngsten und die „dienstnächsten" Informationen verwendet. Hier muß in erster Linie auf die Erfahrungen der Betroffenen abgestellt werden. Mit Gedankenspielen und Schlußfolgerungen bleibt man fern von der Praxis und somit auch fern der Realität. Insofern bleibt die Arbeit hier auf die Hilfe der „Handelnden" angewiesen. Weitergehende Belege sind nicht möglich, zumal eventuell vorhandenes Material nicht der Öffentlichkeit zugänglich ist. Obwohl in diesem Bereich einschneidende Neuerungen in Kraft gesetzt wurden, liegen keine umfassenden Bearbeitungen vor. Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und im Zuge der Bekämpfung der internationalen Kriminalität ergeben sich weite Problemfelder, die sich erst anhand der weiteren tatsächlichen Entwicklung abschätzen lassen11. Die Zusammenarbeit der Dienste mit der Polizei auf internationalem Gebiet, insbesondere die Maßnahmen zur Einschränkung des Grundrechtes aus Art. 10 GG, führen zu einer vielfältigen Verzahnung, deren Dimension zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht absehbar ist 1 2 Dieser Bereich soll, soweit er zur Beurteilung der Kontrolle der Dienste notwendig ist, Beachtung finden. Die Kontrolle der Dienste jedoch ist, wie im Verlauf der Untersuchung deutlich wird, unabhängig von der konkreten Aufgabenstellung und Befugnissen der Dienste. Eine Vertiefung ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen Ländern wird darüber nachgedacht, die Dienste bei der Verbrechensbekämpfung einzusetzen, sofern dies noch nicht zum Aufgabenbereich des jeweiligen 11

James Woolsey, ehemaliger Direktor des CIA, äußerte „(...) we have slain a large dragon. But we live now in a jungle filled with a bewildering variety of poisonous snakes.", Aussage vor dem Senate Intelligence Committee vom 2. 2. 1993, zitiert nach Best, Intelligence Issues, S. 3. 12

Schmidbauer, S. 19, 22.

Einleitung

18

Dienstes gehört. Daneben werden auch Stimmen laut, die gänzlich andere Aufgabenbereiche fordern 13 . Die Notwendigkeit einer besonderen Kontrolle der Geheimdienste stellt sich nicht aufgrund ihrer Tätigkeitsfelder, diese sind nur dort zu berücksichtigen, wo sie tatsächlich Einfluß haben, sondern aufgrund der Geheimhaltungsbedürftigkeit. Daneben ist es gerade im Bereich der geheimen Nachrichtendienste wichtig, sich einer politischen Wertung zu enthalten 14 . Dies ist Aufgabe des Gesetzgebers. Er muß im Ergebnis zu einer ausgewogenen Gewichtung der Kontrollen durch eine entsprechend ausgewogene gesetzliche Regelung kommen. Hier streiten grundsätzlich zwei Positionen gegeneinander. Die eine betont die Funktionsfahigkeit der Dienste und sieht sie durch die Kontrolle gefährdet. Die andere betont den Schutz der Freiheitsrechte des Bürgers und sieht diese nur durch eine entsprechende Kontrolle gewahrt 15 . Durch diese Arbeit soll weder der einen noch der anderen Position zugeredet werden. Es soll vielmehr gezeigt werden, was Kontrolle bedeutet, wo das bestehende Kontrollsystem rechtlich 16 verbesserungsbedürftig ist 17 und wie eine solche Verbesserung im verfassungsrechtlichen Gefüge der Bundesrepublik Deutschland vorgenommen werden kann. Dort, wo politische Wertungen oder Grundentscheidungen getroffen werden müssen, werden die Grenzen der Wissenschaftlichkeit erreicht. Eine Grundwertung aber schließt jede Arbeit über die Kontrolle der Nachrichtendienste ein. Es ist die Frage nach der Notwendigkeit eines nach innen und eines nach außen gerichteten Dienstes. Im internationalen Bereich gibt es kaum ein Land, das auf einen Auslandsnachrichtendienst verzichtet. Es ist für 13

So wird in den USA darüber diskutiert, ob die Dienste nicht zu einer Unterstützung der Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft eingesetzt werden sollen, ausfuhrlich Best, A Role, mit Hinweis auf den Vorschlag, den Direktor des CIA (DCI) zum Berater des neuen National Economic Council zu machen. 14

Es ist nicht Ziel, der Arbeit in die Diskussion über die Verkleinerung der Dienste einzusteigen, siehe etwa B. Hirsch, „Zur Verkleinerung der Dienste", in: DIE ΖΕΓΓ vom 18.5.1995. Ebenso soll die Problematik, inwieweit sich die Dienste an der Bekämpfung der internationalen und der organisierten Kriminalität beteiligen sollen und können, nur soweit Beachtung finden, wie sie sich auf die Kontrolle der Dienste an sich auswirkt. Grundsätzlich ist die Kontrolle unabhängig vom konkreten Aufgabenfeld eines Dienstes. 15

Siehe ausfuhrlich S. 66.

16

Daß ein gesetzlich abgestimmtes Kontrollsystem in Krisensituationen versagt, liegt in der Natur der Sache. Es ist nicht möglich, gesetzliche Strukturen zu schaffen, die auch in Extremsituationen, wie etwa bei der Entfuhrung Hanns-Martin Schleyers, davor schützen, daß Beteiligten „die Nerven durchgehen". 17

Auch Mitarbeiter der Dienste räumen ein, daß das in der Bundesrepublik Deutschland bestehende Kontrollsystem im internationalen Standard als besonders vorbildlich anzusehen sei, wenngleich es auch nicht perfekt sei.

Einleitung den Bestand eines Staates im internationalen Bereich wichtig, sich auf Aktionen und Tätigkeiten anderer Staaten einstellen zu können 18 . Ein Inlandsdienst ist ebenfalls notwendig. Es muß im rechtsstaatlichen Gefüge sichergestellt sein, daß dieser nicht zu einer Unterdrückungsapparatur entarten kann. Es soll vielmehr der staatlichen Neutralität gegenüber den Staat in seinen Grundwerten gefährdenden Bewegungen nicht zugestimmt werden 19 . Denn erst wenn der Staat allen politisch motivierten Bewegungen gleichgültig gegenübersteht, werden Inlandsdienste überflüssig. Damit begibt er sich aber gleichzeitig der Möglichkeit, die von ihm verbürgten Grundrechte effektiv garantieren zu können. Forderungen, den Verfassungsschutz abzuschaffen, werden erhoben 20. Sie entpuppen sich bei näherem Hinsehen als nicht bis zu Ende gedacht. Es fehlt die nähere inhaltliche Ausgestaltung dieser Vorschläge. Sollen die Aufgabenbereiche des BfV ersatzlos gestrichen werden oder soll ein Teil (welcher?) von anderen Stellen übernommen werden? Hier drängen sich geradezu die „14. K " 2 1 auf. Führt die Streichung des BfV nicht zwangsweise zu einer Kompetenzerweiterung der „14. K " und somit zum Verlust einer rechtsstaatlichen Errungenschaft, um die rund zweihundert Jahre mühsam gekämpft wurde, nämlich der Einführung polizeifester Materie? Sicher würde ein solcher Schritt das Trennungsgebot aufheben und somit - soweit sei das Ergebnis der Untersuchung vorweggenommen - zu einer empfindlichen Einschränkung der Kontrolle führen. Gerade dadurch, daß es eine Behörde gibt, deren Aufgaben im Bereich der Vorfeldbeobachtung liegt, wird gesichert, daß es keine übermächtige Polizei gibt. Die Forderung nach Abschaffung des Verfassungsschutzes würde in der Praxis nicht zu mehr Demokratie, sondern zu mehr unkontrollierter Staatsgewalt führen 22 .

18 Zu beachten ist allerdings die Sonderrolle Kanadas, das keinen eigenen Auslandsnachrichtendienst besitzt. Es wird aber gesehen, daß es auf die ausländischen und befreundeten Dienste angewiesen ist. Es wird auch hier überlegt, einen Auslandsnachrichtendienst einzurichten. 19

Siehe dazu ausfuhrlich S. 66 ff.

20

Statt aller die Thesen der Humanistischen Union.

21

Dies sind die Staatsschutzabteilungen der Polizeien.

22

Im Vergleich zu Österreich wird deutlich, daß als Folge des Trennungsgebotes in Deutschland eine engere und somit rechtsstaatlichere Kontrolle möglich ist. Es wird nicht behauptet, daß in Österreich keine rechtsstaatliche Kontrolle erfolge. Es mag mit guten Gründen bezweifelt werden, daß sich eine Kontrolle, wie sie in Österreich stattfindet, in Deutschland bewähren würde. Deutschland hat ein höhere Bevölkerungsdichte und somit einen größeren Verfassungsschutzapparat. Weiterhin ist Deutschland in der weltpolitischen Situation als führender Industriestaat sehr viel gefährdeter.

Teil I:

Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis L Begriffsbestimmungen Vielfach wird vom Verfassungsschutz gesprochen, die Worte Nachrichtendienst" und „Geheimdienst" gleichbedeutend benutzt. Das wird dadurch möglich, daß es in diesem Bereich keine allgemeingültige Begriffsdefinitionen gibt. Somit ist es unumgänglich, die verwendeten Begriffe zu durchleuchten. Hierbei sind viele Detailfragen und Einzelabwägungen anzustellen. Für die Frage nach der Kontrolle ist notwendig zu wissen, daß Probleme der Organisation der verschiedenen Behörden, ihren Aufträgen im einzelnen oder genauen Kompetenzabgrenzungen bestehen. Uferlos würde es, auch diese Fragen klären zu wollen. Aufgezeigt wird, wo Konkurrenzen in der Zuständigkeit der einzelnen Behörden bestehen. Eigentlich müßte in diesen Bereichen die Kontrolle am dichtesten sein, da hier verschiedene Instanzen sich auch in ihrer Kontrolle überschneiden müßten. Ein solcher Schluß mag zwar Gesetzen der Logik entsprechen, muß aber nicht mit der tatsächlichen Rechtsordnung übereinstimmen. Der folgende Teil kann somit nicht alle angesprochenen Probleme vertieft aufgreifen.

1. Sicherheitsbehörden a) Verfassungsschutz Der Begriff Verfassungsschutz 1 wird einmal in einem weiten Sinne und in einem engeren Sinne gebraucht. aa) Verfassungsschutz im weiten Sinne Im weiten Sinne bezeichnet der Begriff „Verfassungsschutz" das gesamte Regelwerk, durch das der Bestand der Verfassung und der freiheitlich demo1

Zum Begriff siehe Herzog, S. 3 mwN.

I. Begriffsbestimmungen

21

kratischen Grundordnung gewährleistet werden soll 2 . Eine allgemeine Definition ist bisher noch nicht gelungen, da dieser Begriff außerordentlich vielschichtig ist und durch die jeweilige politische Einstellung des Autors beeinflußt wird. Der Begriff „Verfassungsschutz" umfaßt den Schutz der Verfassung in materieller wie auch formeller Hinsicht 3 . Schutzobjekt des Verfassungsschutzes ist die freiheitlich demokratische Grundordnung 4. Ihr Schutz hat auf der einen Seite vom Bürger auszugehen5, auf der anderen Seite sind staatliche Stellen6 zu ihrem Schutz aufgerufen 7.

2

dtv-Brockhaus Lexikon, Stichwort „Verfassungsschutz", Band 19, S. 140.

3

Abzugrenzen ist er von dem Begriff „Staatsschutz", auch wenn dieser in einem neutralen Sinne verstanden wird. „Staatsschutz" ist der geschichtlich ältere Begriff, der den Schutz des konkreten Staates meint, Maunz / Zippelius, S. 428. Der „Verfassungsschutz" zielt auf den Erhalt der durch die Verfassung garantierten Werte ab. Beide Begriffe werden allerdings häufig vermengt, siehe Schwagerl, JZ 75, 664 f, sowie die Erwiderung Martin, JZ 75, 665. Eine solche Vermengung erfolgt auch in Gesetzen, so werden durch die „Staatsschutzdelikte" der §§ 84 ff StGB die in § 92 StGB aufgezählten Wesenselemente der freiheitlich demokratischen Grundordnung geschützt. 4

BVerfGE 2, 10, 12: „Freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes ist eine Ordnung, die unter Ausschluß jeglicher Gewaltherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und der Gleichheit darstellt. Die freiheitlich demokratische Grundordnung ist das Gegenteil des totalen Staates, der als ausschließliche Herrschaftsmacht Menschenwürde, Freiheit und Gleichheit ablehnt."; ähnlich BVerfGE 5, 85, 140; vgl. dazu die Legaldefinition der Verfassungsgrundsätze in § 92 Π StGB. 3

Jasper, DVB1. 78, 725 weist daraufhin, daß Verfassungsschutz in erster Linie Sache des kritischen Bürgers sei, seine Mitwirkung sei bei der Verteidigung des Grundgesetzes nämlich unerläßlich. 6

In diesen Bereich fallt auch die Aufgabe des Staates, das Bewußtsein der Bürger für die Werte der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu schärfen. „Deshalb muß mit Nachdruck gefragt werden, ob Elternhaus, Schule und Erziehung wirklich das geleistet haben oder zu leisten bereit sind, was von jedem verantwortlichen Staatsbürger gefordert werden muß: nämlich die Vermittlung von Friedlichkeit, Toleranz und Achtung des anderen sowie vor allem das Bewußtsein für die Wahrung des Rechts.", Scholz, Thür VwBl. 95,1, 2f. 7

Hier herrscht eine Begriffsvielfalt, die im Ergebnis zu keinen unterschiedlichen Ergebnissen fuhrt. Sie findet ihre Ursache in der Vielschichtigkeit des Begriffes „Verfassungsschutz". In den Materialien zum Entwurf des BVerfSchG 1950 wurde von amtlicher Seite noch zwischen strafrechtlichem, polizeirechtlichem und erziehungsmäßigen Verfassungsschutz unterschieden, siehe StS Ritter von Lex als Vertreter des BMI, 65. Sitzung des Deutschen Bundestages, Sten. Prot. S. 2387. In der Literatur werden unterschiedliche Lösungsansätze gesucht. Schwagerl, Verfassungsschutz, S. 29

22

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Dieser Bereich des Verfassungsschutzes jedoch kann im Rahmen dieser Arbeit nur am Rand erwähnt werden. In einer rechtsstaatlichen Demokratie ist die Kontrolle jeder Machtkonzentration unerläßlich 8. Genaugenommen wird untersucht, wie die Verfassung vor den zum Verfassungsschutz berufenen Exekutivbehörden geschützt wird.

bb) Verfassungsschutz im engeren Sinne Verfassungsschutz in engerem Sinne umfaßt nur die Exekutivbehörden, die zum Schutze der Verfassung berufen sind 9 . Im Bereich des Verfassungsschutzes stehen dem Bürger eine Vielzahl von verschiedenen Behörden gegenüber, die allgemein als Sicherheitsbehörden 10 bezeichnet werden. Allgemein werden unter den Sicherheitsbehörden jene Behörden verstanden, zu deren Aufgabe die Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit 11 und Ordnung 1 2 , insbesondere der freiheitlich demokratischen Grundordnung gehört 13 . unterteilt in einen verwaltungsrechtlichen, strafrechtlichen und verfassungsgerichtlichen; Maunz/Zippelius, S. 431, in einen verfassungsgerichtlichen, strafrechtlichen und verwaltungsmäßigen; Kortmann, Verfassungsschutz, S. 28, in einen Bereich der Legislative, der Judikative sowie der Exekutive, den er als Verfassungsschutz ieS bezeichnet; Gröpl, S. 56 f, in einen administrativen, der sich in einen exekutivischen und nachrichtendienstlichen unterteilt, sowie in einen strafrechtlichen und staatsrechtlichen. 8

Auch hier gilt das häufig zitierte, dem Kon-Fu-Tse zugeschriebene Wort, daß Macht stets korrumpiert. 9

dtv-Brockhaus Lexikon, Stichwort „Verfassungsschutz", Band 19, S. 140.

10

Dieser Begriff wird zwar in Art. 6 BayLStVG verwendet, wo unter ihm die allgemeinen Ordnungsbehörden verstanden werden. Das sind Gemeinden, Landratsämter, Regierungen und das Staatsministerium des Inneren. Dies ist jedoch eine bayerische Besonderheit, die möglich wird, da der Begriff „Sicherheitsbehörde" kein allgemein gültiger Gesetzesbegriff ist. In der allgemeinen Praxis hat sich dieser Begriff eingebürgert und ist aus verwaltungsinternen Richtlinien und Erlassen nicht mehr wegzudenken. 11 Vgl. § 2 Nr. 2 BremPolG: „Die Unverletzlichkeit der Rechtsordnimg, der subjektiven Rechte und Rechtsgüter des einzelnen sowie der Einrichtungen und Veranstaltungen des Staates oder sonstiger Träger der Hoheitsgewalt.", kurz der Schutz der geschriebenen Normen; vgl. nur Drews/Wacke, Gefahrenabwehr; S. 232; Götz, S. 41 jeweils mwN; enger Dürig in Maunz/Dürig, Art. 2 I Rn. 80 nur für strafrechtlich geschützte Güter, alles andere falle unter den Begriff der öffentlichen Ordnung. 12 Die „Gesamtheit jener ungeschriebenen Regeln für das Verhalten des einzelnen in der Öffentlichkeit, deren Beobachtung nach der jeweils herrschenden Anschauung als unerläßüche Voraussetzung eines geordneten staatsbürgerlichen Gemeinschaftsleben betrachtet wird "; PrOVG 91, 139, 140; jetzt auch § 3 Nr. 2 Gesetz über die öffentliche

I. Begriffsbestimmungen

23

Darunter sind somit die Vollzugspolizei, die im Rahmen dieser Arbeit nur am Rand behandelt werden kann, sowie die Nachrichtendienste von Bund und Ländern gemeint. Weiterhin sollen noch die besonderen Sicherheitsbehörden, denen Befugnisse nach dem Versammlungsgesetz, dem Vereinsgesetz und ähnlichen Gesetzen zukommen, erwähnt sein, sowie die Staatsanwaltschaften aufgrund des § 160 StPO i V m den Staatschutzdelikten14.

b) Polizei ,Polizei" ist der geschichtlich älteste Begriff, der im Zusammenhang mit der Gefahrenabwehr verwendet wird 1 5 . Er bezeichnete den Begriff der „guten Ordnung des Gemeinwesens"; die Wohlfahrt eines Landes beruhe „auf guter Polizei" 16 . Auch wurde Polizei gleichbedeutend mit Polizeigesetz verwendet. Dabei bezogen sich die Polizeigesetze auf „alles, was im gesellschaftlichen Leben ordnungs- und formbedürftig geworden ist" 1 7 . Aufgabe der Polizei heute ist die präventive Abwehr von Gefahren, die durch die allgemeinen Ordnungsbehörden nicht oder nicht rechtzeitig abgewandt werden können 18 . Weiterhin fallen repressive Aufgaben in Sicherheit und Ordnung des Landes Sachsen-Anhalt; vgl Drews/Wacke, Gefahrenabwehr, S. 245; Götz, S. 52; jeweüs mwN; weiter OVG Lüneburg, NJW 1978, 390 als die gesamte staatliche Ordnung einschließlich der verfassungsmäßigen Organisation. 13

Riegel, Datenschutz, S. 17.

14

Gröpl, S. 56, schlägt im Bereich des „administrativen Verfassungsschutz" eine Unterteilung in „exekutivischen und nachrichtendienstlichen Verfassungsschutz" vor, um danach zu unterscheiden, inwieweit die Befugnis zu Zwangsmaßnahmen besteht. Eine solche Unterteilung stößt jedoch auf Bedenken: Nach Drews/Wacke, Gefahrenabwehr, S. 95, könnten die Länder ihre Verfassungsschutzämter grundsätzlich mit polizeilichen Befugnissen ausstatten. Gröpl dürfte die LfV konsequenterweise nicht zum nachrichtendienstlichen Verfassungsschutz zählen. Auch vermag die Unterscheidung, die nach der Ermächtigung zu körperlichem Zwang unterteilt, nicht zu überzeugen. Auch die sog. nachrichtendienstlichen Mittel bewirken einen starken Grundrechtseingriff des Betroffenen. 13

Er wird schon in einem Gesetz der Markgrafschaft Baden von 1492; der Reichsregimentordnung von 1495 sowie in den Reichspolizeiordnungen von 1530, 1548 und 1577 verwendet. 16

So das 1616 für Nassau - Catzenellenbogen ergangene Gesetz, siehe Nahmer, S. 115 ff. 17 18

Maier, S. 81; siehe auch Knemeyr; Polizeibegriffe; AöR 92 (1967), 153, 168.

Am Rande sei erwähnt, daß unter dem Begriff „Polizeibehörde" in BadenWürttemberg, Bremen, Rheinland-Pfalz, Saarland und Sachsen sowohl Ordnungsbehörden wie auch die Vollzugspolizei zusammengefaßt sind. Alle anderen Länder wie

24

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

ihren Tätigkeitsbereich, soweit die Polizei als Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaften tätig wird. Die Polizeibehörden des Bundes und der Länder sind in viele Organisationseineiten aufgeteilt, deren Zusammenspiel durch Gesetze und Organisationserlasse genau geregelt ist. Grundsätzlich fallt das Sicherheitsrecht in die Gesetzgebungszuständigkeit der Länder, Art. 30; 70 ff GG. Dementsprechend unterhält jedes Bundesland eine allgemeine Polizeibehörde mit weitgehend ähnlichem Aufbau und Kompetenzen 19 . Eine allgemeine Polizeibehörde einzurichten ist dem Bund mangels verfassungsrechtlicher Gesetzgebungskompetenz verwehrt. In bestimmten Bereichen jedoch hat der Bund die Zuständigkeit zur polizeilichen Gefahrenabwehr 20 . Hierbei sind vorrangig zu nennen das Bundeskriminalamt ( B K A ) 2 1 und der Bundesgrenzschutz (BGS) 22 . Die Zusammenarbeit der Polizeibehörden ist kompliziert, zumal sich einige Aufgabenbereiche überschneiden und das föderative Prinzip nicht durchweg eingehalten wird 2 3 . Eine genaue Darstellung des Aufbaus der Polizeibehörden und ihrer Zusammenarbeit soll hier nicht vorgenommen werden. Von Interesse sind hier in erster Linie die Staatsschutzabteilungen der Polizeien der Länder 24 , gemeint sind die Abteilungen „14. K " , und des Bundes. Sie können nicht zu den Nachrichtendiensten gezählt werden, da diese von den Polizeidienststellen organisatorisch getrennt sein müssen25. Sie haben die Kompetenz zum Einsatz exekutivischer Zwangsmaßnahmen. In jüngerer Zeit ist allerdings eine zunehmende

auch der ME PolG der Innenministerkonferenz verstehen hierunter den institutionellen Polizeibegriff. Dem soll in der weiteren Darstellung gefolgt werden. 19 Vgl. hierzu den ME PolG der Innenministerkonferenz sowie die einzelnen Polizeiaufgaben- und Polizeiorganisationsgesetze der Länder. 20

Zu nennen ist insb. Art. 73 Nr. 10 GG. In der Regel ergibt sich die Kompetenz des Bundes aber Kraft Natur der Sache bzw. Sachzusammenhangs. 21

Rechtsgrundlage der bundespolizeilichen Kompetenz ist Art. 73 Nr. 10 a iVm Art. 87 GG. Davon wurde im Gesetz über die Einrichtung eines Bundespolizeikriminalamtes (BKAG) vom 29.6.1973, BGBl. I S. 704, Gebrauch gemacht. 22

Rechtsgrundlage der bundespolizeilichen Kompetenz ist Art. 73 Nr. 5 iVm Art. 87 I 2 GG. Davon wurde im Gesetz über den Bundesgrenzschutz (BGSG) vom 18.8.1972, BGBl. ΠΙ 13 - 4, Gebrauch gemacht. 23

Siehe beispielhaft Art. 5 I 1 BayPOG vom 10. 8. 1976 idF v. 19. 12. 1991, GVB1. 1991, S. 518: „Die Bayerische Grenzpolizei wird zum grenzpolizeilichen Schutz des Staatsgebietes (Grenzschutz) im Einzeldienst eingesetzt." 24 25

Vgl. hierzu Riegel, Datenschutz, S. 48.

Sog. Trennungsgebot. Dieses leitet sich aus dem „Polizeibrief' der Militärgouverneure vom 14.4.1949 ab. Unklar ist, ob ihm Verfassungsrang zukommt, zumindest ist es einfachgesetzlich normiert, § 2 Π 3 BVerfSchG, § 11 2 BNDG, siehe die Ausführungen zum Trennungsgebot.

I. Begriffsbestimmungen

25

Verwischung der Aufgabenabgrenzungen zwischen den Diensten und den Polizeien zu erkennen, indem die polizeilichen Aufgaben entgegen der klassischen Auffassung, die zumindest eine konkrete Gefahr als Voraussetzung polizeilichen Einschreitens forderte 26 , immer mehr in die „Vorfeldbeobachtung" 27 geschoben werden 28 . Wenn zur Intensivierung der Beobachtung nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt werden müssen, soll die ausschließliche Zuständigkeit der Nachrichtendienste eintreten 29 . Eine genaue Grenzziehung zwischen „Vorfeld" und „polizeilicher Gefahr" ist in der Praxis wohl kaum zu ziehen, insbesondere werden im Rahmen der Bekämpfung der organisierten Kriminalität der Polizei immer mehr klassische nachrichtendienstliche Mittel eröffnet 30. Kompetenzkonflikte sind unvermeidlich. Die Trennung des Bereiches der Polizei wird dadurch erschwert, daß in einigen Bereichen eine Vorverlagerung der Strafbarkeit stattgefunden hat. Die Bildung einer kriminellen Vereinigung etwa ist nach § 129 StGB strafbar, ohne daß eine weitere Straftat hinzugekommen sein muß. Hier obliegt es somit der Polizei zu beobachten, ob eine kriminelle Vereinigung sich etabliert hat. Das B K A ist für die polizeiliche Strafverfolgung bestimmter Staatsschutzdelikte zuständig, sowie für die ihm vom Bundesinnenminister und Generalbundesanwalt übertragenen Fälle. Hierunter fallen u.a. Friedens-, Landes- oder Hochverrat 31 . Zuständig ist die Abteilung „Staatsschutz" (unterteilt in die Gruppen Landes- und Hochverrat), die neben den erwähnten Staatsschutzabteilungen der Länder für die polizeilichen Aufgaben bei der Spionageabwehr, der Gefahrdung des demokratischen Rechtsstaats sowie der politisch motivierten Ausländerkriminaltität eingesetzt wird 3 2 . sowie die Abteilung „Terrorismus". Zwar ist das B K A in den Richtlinien für die Zusammenarbeit der Nachrichtendienste im Nachrichtlichen Informationssystem (NADIS) neben den Nachrichtendiensten aufgezählt, doch durch §§ 6 S. 1, 4 BVerfSchG ist klargestellt, daß das B K A nicht mehr zur Speicherung und Abfrage von Daten aus diesem System befugt ist, sofern es nicht auf konventionellem Wege im Zuge der Amtshilfe geschieht33. Das unterstreicht die Trennung von den Diensten 34 . 26

Drews/Wacke, Gefahrenabwehr, S. 220.

27

Siehe z.B. § 11 PolG NW idF vom 24.2.1990; GV NW S. 70.

28

So auch Riegel, Datenschutz, S. 63; Gusy, DöV 83, 60, 63.

29

Kortmann, Verfassungsschutz, S. 24.

30

Z.B. Art. 32 ff BayPAG; ausfuhrlich dazu Gröpl, S. 312.

31

Kortmann, Verfassungsschutz, S. 36.

32

Drews/Wacke, Gefahrenabwehr, s. 65.

33

Riegel, Datenschutz, S. 60; vgl. auch §§ 19 I; 20 BVerfSchG, § 10 MADG, § 8 BNDG.

26

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Durch eine engere Zusammenarbeit der Dienste mit den Polizeibehörden kann sich die Arbeit der Polizeien ebenfalls weiter in das Vorfeld verschieben. Wenn die Polizeibehörden ungehinderten Zugang zu sämtlichen Daten der Dienste haben, ist ihre Tätigkeit de facto in das Vorfeld erweitert. Den Diensten käme dann nur doch die Aufgabe der „Beschaffer" zu. Auf der anderen Seite muß bei einer solchen Grenzziehung darauf geachtet werden, daß die Dienste nicht mit polizeilichen Aufgaben bedacht werden 35 . Die Entwicklung in diesem Bereich wird abzuwarten bleiben 36 .

c) Nachrichtendienst Der Begriff „Nachrichtendienst" ist kein Fachterminus. Er wird für alle Behörden verwendet, die hauptsächlich unter Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel tätig werden. Auch hier bestehen sowohl Einrichtungen des Bundes wie auch der Länder, wobei den Einrichtungen des Bundes eine größere Bedeutung zukommt. Die Nachrichtendienste in der Bundesrepublik Deutschland sind der Bundesnachrichtendienst (BND), der militärische Abschirmdienst (MAD), das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) 3 7 sowie die Landesämter für Verfassungsschutz (LfV). Nicht hierzu gehört das BKA, das als Polizeibehörde organisatorisch von den Nachrichtendiensten getrennt ist 38 . Außer Betracht bleibt weiterhin die Nachrichtenabteilung des Auswärtigen Amtes. Diese stellt keinen 34

Dieses ist besonders in bezug auf das Trennungsgebot zu beachten, da nach einem zwischen dem BfV und den LfV abgestimmten Entwurf einer Dateianordnung für die „Personenzentraldatei" (PZD) neben den Personengrunddaten und dem Aktenzeichen einige Zusatzinformationen in NADIS gespeichert werden können. Dies ist besonders im Hinblick auf § 6 Satz 2 BVerfSchG bedenklich. Das Bundesinnenministerium vertritt entgegen dem BfD und den LfD die Auffassung, NADIS-PZD bewege sich im Rahmen des § 6 BVerfSchG. 33

Genau das aber scheint das BVerfG in seiner einstweiligen Anordnung vom 5. 7. 1995, BVerfGE - 1 BvR 2226/94 - zu tun. Wenn es fordert, daß im Rahmen der Kontrolle nach § 3 G10 erlangte Daten vom BND nur dann an die Polizeien weitergegeben werden dürfen, wenn Anhaltspunkte für eine konkrete Straftat vorliegen, bedeutet dies, daß es dem BND obliegt, darüber zu entscheiden, ob eine Information eine solche Qualität hat. Das aber ist eine originäre Polizeiaufgabe, die über den Kompetenzbereich des BND hinausgeht. Hierin liegt außerdem eine Verletzung des Trennungsgebotes. 36

Siehe auch die Ausführungen zum Trennungsgebot.

37

Vgl. § 1 PKKG des Bundes vom 11.4.1978, BGBl. 1978 I S. 453, idF vom 27.5.1992, BGBl. 19901 S. 997. 38

Siehe dazu ausführlich soeben oben.

I. Begriffsbestimmungen

27

Nachrichtendienst im hier gemeinten Sinne dar, sondern unterstützt das Auswärtige Amt bei seiner außenpolitischen Aufgabe. In dieser Abteilung werden in erster Linie die Informationen verwaltet, die durch die Auslandsvertretungen erlangt werden 39 . Die Dienste sind grundsätzlich zu unterteilen in ihre jeweiligen Aufgabenbereiche. Zum einen dienen sie der Nachrichtenbeschafiiing über einen anderen, insbesondere gegnerischen Staat. Ihrer Zielsetzung nach sollen sie eine rasche Gefahrenabwehr ermöglichen, das Wirken gegnerischer Geheimdienste im Inland unterbinden und die politische und militärische Führung des jeweiligen Staates unterstützen 40. Zum anderen bestehen Dienste, die die verfassungsmäßige Ordnung des Staates nach innen schützen sollen.

aa) Bundesnachrichtendienst Der Bundesnachrichtendienst (BND) existiert seit 1956. Seine Gründung erfolgte durch Umbenennung der bestehenden „Organisation Gehlen", die schon kurz nach Kriegsende ihre Tätigkeit aufnehmen konnte 41 . Seit 1990 ist der BND durch das BNDG auf eine gesetzliche Grundlage gestellt worden 42 . Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes wird Art. 87 I 2 i V m Art. 73 N r . l GG entnommen 43 . Hieran sind in der Literatur Zweifel laut geworden 44 . Einigkeit jedenfalls besteht aber darin, daß sie dem Bund zusteht. Der BND hat den Status einer Bundesoberbehörde, die dem Chef des Bundeskanzleramtes untersteht. Er gliedert sich in sechs Hauptabteilungen: - Abt. I:

Beschallung von Nachrichten,

- Abt. II:

technische Aufklärung,

39

Im internationalen Verkehr werden Informationen durch Berichte des diplomatischen Corps, sei es durch Drahtberichte oder sonstigen Versand, nicht als nachrichtendienstlich angesehen, obwohl sie eine große Hilfe bei der nachrichtendienstlichen Auslandsaufklärung darstellen, s. Report SCI, S. 130. 40

dtv-Brockhaus Lexikon, Stichwort „Geheimdienste", Band 6, S. 237.

41

Für Einzelheiten siehe die geschichtliche Einfuhrung.

42

Dies erfolgte durch das oben erwähnte „Paket der Sicherheitsgesetze", Art. 4 BNDG, BGBl. 19901. S. 2954. 43

So die Bundesregierung in BT-Drucksache. XI/4306, S. 70.

44

Vgl. dazu Gröpl, S. 69 ff mwN, der im Ergebnis sich der Auffassung der Bundesregierung anschließt; Roewer; S. 181, leitet sie aus Art. 87 ΠΙ 1 GG, Maunz, Art. 87 Rn. 63, aus ungeschriebener Bundeskompetenz ab. 3 Hirsch

28

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis - Abt. III:

Auswertung,

- Abt. IV:

Verwaltung, Personalwesen,

- Abt. V:

Sicherheitsfragen des Dienstes,

- Abt. VI:

zentrale Abteilung für technische Unterstützung 45 .

Im System der Verfassungschutzbehörden ist der BND grundsätzlich zuständig für die Auslandsaufklärung sowie für die Abwehr von Spionage im Inland. Weitere Befugnisse zu einer Inlandsaufklärung stehen dem BND grundsätzlich nicht zu 4 6 . Er ist zwar auch zuständig für die Sicherheitsüberprüfung der BND-Bediensteten; § 2 I I Nr. 2 BNDG. Dies folgt aus der Kompetenz des BND, seine Rechtssphäre selber ordnen zu können. Der BND als Auslandsdienst dient durch die Unterrichtung des Bundeskanzlers und der Bundesregierung als wichtiges Instrument „der Wahrung (der) äußeren Sicherheit und (...) Interessen im weltpolitischen Kräftespiel" 47 . Zweifel an der Notwendigkeit einer Auslandsaufklärung sind nicht ernsthaft laut geworden, wenngleich über die Art und Weise der Informationsbeschaffung diskutiert wurde. Unklarheiten herrschen im Bereich der Inlandsaufklärung. Kritik wurde geäußert aufgrund unklarer Abgrenzung und Kompetenzüberschreitungen zu den Inlandsdiensten48. Solches ist leicht möglich, wenn man unter Inlandsaufklärung jede mögliche Vorbereitung der Auslandstätigkeit im weitesten Sinn versteht 49 . Eine Tätigkeit im Inland darf nur vorgenommen werden, sofern sie als Gegenstück zur Auslandsaufklärung verstanden werden kann. § 2 I Nr. 1 - 3 BNDG normiert die Möglichkeiten, in beschränktem Umfang auch durch Informationseingriffe im Inland tätig werden zu können. So nimmt der BND teil an der informationellen Zusammenarbeit der Staatsschutzbehörden und ist in vielen Gesetzen inländischen Behörden gegenüber als auskunftsberechtigte 43

Ritter, S. 72, 73; der Bericht des 2. Untersuchungsausschusses des Deutschen Bundestages v. 19.2.1975, BT-Drucksache VII/3246, S. 47 f untergliederte nur in vier Abteilungen, wobei er Abt. IV und V zusammenfasste und Abt. VI keine Erwähnung fand. Tatsächlich richtig ist die im Text angeführte Organisationsstruktur, vgl. den öffentlichen Vortrag des Präsidenten des BND Konrad Porzner auf dem Symposium „Regierungssystem und Verwaltungspolitik" an der Universität Konstanz vom 30.-31. Oktober 1992; abgedruckt in: Die Verwaltung 93, 235 fif. 46

Die Auffassung, daß dem BND eine aus dem Auslandsauftrag abgeleitete umfassende Kompetenz für das Inland zustehe, wird heute nicht mehr vertreten. Sie folgte aus Zweckdienlichkeitserwägungen, nach denen eine Bedrohung aus dem Ausland idR eine Verbindungsstelle im Inland haben werde. 47 * * * ^usiamlsaufklärung", Das Parlament 3, S. 12. 48

Nollau, Das Amt, S. 195, 203.

49

Schwagerl, Verfassungsschutz, S. 214 mwN zur Kritik an dieser Auslegung.

I. Begriffsbestimmungen

29

Stelle in bezug auf personenbezogene Daten genannt 50 . In die ausschließliche Zuständigkeit des BND fallen die weiteren Überwachunsgfalle 51 gem. § 3 G10 5 2 , wie sich aus der alleinigen Antragskompetenz gem. § 4 I I Nr. 2 G l 0 ergibt. Ursprünglich sollte hiermit eine effiziente Kontrolle des Ostblocks erreicht werden 53 . Dieser Aufgabenbereich des BND hat mit der Öffnung des Ostblocks an Bedeutung verloren. In jüngster Zeit kann der BND die Fernmeldekontrolle auch zur Bekämpfung bestimmter Verbrechen einsetzen54. Somit wird er auf dem Gebiet originärer Polizeiaufgaben tätig. Daneben bedeutet dies gleichzeitig auch eine Tätigkeit, die in den Kompetenzbereich des BfV hineinspielt. Die Entwicklung in diesem Bereich wird abzuwarten bleiben, insbesondere das Verhältnis zwischen BND und Polizei 55 .

bb) Bundesamt für Verfassungsschutz Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ist 1950 mit Sitz in Köln als Bundesoberbehörde durch Gesetz vom 27.9.1950 56 errichtet worden. Die Gesetzgebungskompetenz steht dem Bund aufgrund Art. 72 Nr. 10 b und Art. 87 I GG zu. Das BfV ist die größte Behörde im Bereich des Verfassungsschutzes in der Bundesrepublik Deutschland; sie untersteht direkt dem Bundesminister des Inneren. Es gliedert sich in eine allgemeine (Abt. Z: Personalangelegenheiten

30

Z.B. §§ 68; 72 SGB X; § 41 I Nr. 3 BRZG; § 35 I Nr. 5, m Nr. 1 c StVG, § 18 MRRG sowie §§ 17 Π, 18 I, 20 Π, 22 BVerfSchG; § 11 Π MADG. 31

Zum Begriff vgl. unten, dort auch zu den Bedenken im Zusammenhang mit der Neufassung des § 3 G10. Kritisch Riegel ZRP 95, 176 ff. 32

Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post-, und Femmeldegeheimnisses vom 13.8.1968, BGBl. I, S. 1546, idF vom 28.10.1994. 33

Riegel, G10, § 3 1) c).

34

Siehe ausfuhrlich die Ausführungen im Zusammenhang mit dem G10.

33

Zu den Entwicklungen im Bereich der Telephon- und Femmeldekontrolle s. Riegel, ZRP 95, 176, 177. Er sieht durch die Neuregelung im Verbrechensbekämpfungsgesetz den BND als „verlängerten Arm" der Strafverfolgungsbehörden. Ob sich seine Befürchtungen erfüllen, wird abzuwarten bleiben. Zum gegenteiligen Standpunkt siehe die amtliche Begründung zum Verbrechensbekämpfungsgesetz in BT-Drucksache ΧΠ/ 6853, S. 42. Siehe jüngst die Einstweilige Anordnung des BVerfG vom 5. 7. 1995, BVerfG - 1 BvR 2226/94 36 Das Gesetz über die Zusammenarbeit des Bundes und der Länder in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes und über das Bundesamt für Verfassungsschutz (BVerfSchG) vom 20.12.1990, BGBl. 1990 I, S. 2954 setzte das gleichnamige Gesetz vom 27.9.1950; BGBl. 1950 I S. 682, idF vom 7.8.1972, BGBl. 1972 I S. 1382, außer Kraft.

30

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Haushalt, Organisation und innerer Dienst) sowie sieben Fachabteilungen57. Diese sind: - Abt. I:

Zentrale Fragen, NADIS, Verbindung zu ausländischen Nachrichtendiensten; GlO-Maßnahmen,

- Abt. II:

Rechtsextremismus (einschl. Terrorismus),

- Abt. III:

Linksextremismus,

- Abt. IV:

Spionageabwehr,

- Abt. V:

Vorbeugender personeller und materieller Geheimschutz und Sabotageschutz,

- Abt. VI:

Sicherheitsgefährdende

Bestrebungen von

Auslän-

dern, - Abt. VII: Diese sind jeweils „Beschaffung"

Linksextremer Terrorismus. unterteilt

in

Referatsgruppen

„Auswertung"

und

Das BfV ist die zentrale Informationsstelle für den Verfassungsschutz, § 5 I BVerfSchG, und in dieser Funktion arbeitet es eng mit den Landesbehörden für Verfassungsschutz (LfV) zusammen. Es ist sogar befugt, im Benehmen mit dem jeweiligen L f V im Bereich eines Landes tätig zu werden, § 5 I I BVerfSchG. § 3 BVerfSchG enthält eine Umschreibung der Aufgabe des BfV 5 8 . Hiernach ist es zuständig für die Sammlung von sach- und personenbezogenen Daten, die nötig sind, um Bestrebungen gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung sowie den Bestand des Staates und geheimdienstliche Tätigkeiten für eine fremde Macht zu verhindern. Weiterhin wirkt es an der Sicherheitsüberprüfung von Personen mit. Mit seiner Aufgabensetzung dient es der Beratung des Bundesinnenministers und der Bundesregierung, § 16 BVerfSchG. Beim BfV wird das Informationssystem NADIS geführt. Aus dem vorstehenden wird eine partielle Überschneidung mit dem Zuständigkeitsbereich des BND deutlich, insbesondere bei der Abwehr von Gegenspionage und beim Sabotageschutz, aber auch bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen. Diese Zuständigkeitskonkurrenz ist aber in den entsprechenden 37 38

Riegel, Datenschutz, S. 51; Schwagerl, Verfassungsschutz, S. 36 mwN.

Siehe zu den Aufgaben des BfV im Zusammenhang mit der aktuellen Entwicklung Werthebach, NW VwBl. 94, 201 sowie Weithebach/Droste-Lehnen, ZRP 94, 57. Kritisch in bezug auf eine Erweiterung auf die Organisierte Kriminalität Gusy, Strafverteidiger 95, 320, besonders 325.

I. Begriffsbestimmungen

31

Gesetzen explizit festgelegt. Im Besonderen unsicher ist die Abgrenzung der Tätigkeit des BfV zur polizeilichen Tätigkeit 59 . Die Polizei wird ebenfalls gefahrabwehrend und vorbeugend tätig. So ist vorgeschlagen worden, das „Nebeneinander" zumindest bei der Terrorismusbekämpfung aufzugeben und diese Aufgabe allein dem B K A zu übertragen 60. Das BVerfSchG enthält eine Reihe von Befugnisnormen für das BfV, §§ 6; 8 bis 26 BVerfSchG. Insbesondere wird es zur heimlichen Informationsbeschaffung ermächtigt, wobei die Methoden nicht abschließend aufgezählt werden. Eine Begrenzung dieser Methoden findet sich in den allgemeinen Rechtsvorschriften, wie § 3 I I I BVerfSchG ausdrücklich durch Verweis auf Art. 20 GG normiert. Weitere Befugnisse ergeben sich aus dem G10, § 2 G10. Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsbefugnisse stehen dem BfV ausdrücklich nicht zu, § 8 I I I BVerfSchG. Eine Angliederung an eine Polizeidienststelle ist unzulässig, § 2 I 2 BVerfSchG.

cc) Landesämter für Verfassungsschutz Gem. § 2 I I BVerfSchG ist jedes Bundesland verpflichtet, ein Amt für Verfassungsschutz (LfV) zu unterhalten. Die Länder sind diesem Gebot nachgekommen und haben jeweils ein entsprechendes A m t 6 1 eingerichtet. Die entsprechenden Gesetze waren in jüngster Zeit Gegenstand gesetzlicher Neuregelungen 62 . In den neuen Bundesländern gestaltete sich der Aufbau der neuen Behörden für den Verfassungsschutz schleppend63 aufgrund der Erfahrungen, die mit dem Ministerium für Staatssicherheit bestehen. Die LfV sind gegenüber dem BfV organisatorisch selbständig, das BfV hat kein allgemeines Weisungsrecht. Insofern besteht hier kein Unterschied zu anderen Behördenzweigen, wenn es auch einmalig ist, daß eine Bundes- und eine Landesbehörde eine in weiten Teilen deckungsgleiche Aufgabe besitzen. 39

Schwagerl, Verfassungsschutz, S. 110.

60

Schwagerl, Verfassungsschutz, S. 110.

61

Teilweise wurde kein eigenes Amt eingerichtet, sondern beim Ministerium des Innern eine spezielle Abteilung geschaffen und mit dieser Aufgabe betraut, so in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein. Hamburg nimmt aufgrund der Besonderheit als Stadtstaat eine Sonderstellung ein. 62

Während die neuen Bundesländer die Gesetze über den Verfassungsschutz in den Jahren 1992 und 1993 neu erlassen haben, reformierten die alten Bundesländer ihre Gesetze über den Verfassungsschutz in den Jahren zwischen 1990 und 1994. 63

Jesse, HwB pol Sys, S. 356.

32

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Man wird das Zusammenspiel des BfV mit den LfV als zulässige Mischverwaltung ansehen müssen, bei der eine parallele Zuständigkeit der Behörden ausnahmsweise möglich ist 64 . Die Zusammenarbeit zwischen dem BfV und den L f V ist in Koordinierungsrichtlinien geregelt 65. Der Schwerpunkt der Informationsbeschaffung liegt bei den LfV, der Spionageabwehr hingegen beim BfV 6 6 . Gem. §7 BVerfSchG besteht bei einem Angriff auf die verfassungsmäßige Ordnung des Bundes ein Weisungsrecht der Bundesregierung für die Zusammenarbeit. Grundsätzlich ist die Aufgabe der LfV identisch mit der des BfV bezogen auf das jeweilige Land. Dies ist in den jeweiligen Gesetzen entweder explizit geregelt oder wird in Analogie zum BVerfSchG geschlossen. Somit sind die LfV zuständig für die Beobachtung verfassungsfeindlicher Bestrebungen sowie bei der personellen und materiellen Spionageabwehr und Gegenspionage. Weiterhin können sie auch bei der Einstellungsüberprüfung tätig werden. Die Befugnisse der L f V ähneln denen des BfV. In allen LVerfSchG 67 ist nunmehr der Begriff des „nachrichtendienstlichen Mittels" präzisiert. Unterschiede in den Befugnissen bestehen nur partiell zwischen Bund und den einzelnen Ländern, wie auch zwischen den Ländern selber 68. Die Bestimmungen der Länder über den Verfassungsschutz müssen notwendigerweise auf die des Bundes abgestimmt sein. Die Regelungskompetenz, die eine vom Bund abgeleitete ist, dürfte den Länder spätestens dort fehlen, wo sie der bundesrechtlichen Regelung entgegenlaufen.

dd) Militärischer Abschirmdienst Der Militärische Abschirmdienst (MAD) wurde gemeinsam mit der Bundeswehr in den Jahren 1955/56 durch einen Errichtungserlaß des Bundesverteidungungsministers geschaffen. Auf eine gesetzliche Grundlage wurde er erst durch das M A D G vom 20.12. 1990 gestellt 69 . Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Art. 87 a I 1 iVm Art. 73 Nr. 1 Fall 2; 73 Nr. 10 lit b GG. 64

So auch Gröpl, S. 163 ff mwN.

63

Die zur Zeit geltenden Richtlinien sind von der Ständigen Konferenz der Innenminister- und Senatoren am 26. November 1993 beschlossen worden. Im Bereich des Bundesministerium des Innern wurden sie zum 23. Juni 1994 in Kraft gesetzt. 66

Ganßer, S. 43.

67

Mit Ausnahme von Bremen.

68

Vgl. dazu ausfuhrlich Riegel, Datenschutz, S. 54.

69

BGBl. 19901, S. 2954 ff.

I. Begriffsbestimmungen

33

Der M A D ist dezentral gegliedert. Die organisatorische Spitze stellt das „Amt für Sicherheit der Bundeswehr" dar, dessen Angehörige gleichzeitig Mitarbeiter des M A D sind. Der M A D selber besteht aus sieben Gruppen, von denen eine beim Verteidigungsministerium angesiedelt ist, die anderen in den jeweiligen Wehrbereichskommandos. Diesen unterstehen die 17 MAD-Stellen an sicherheitsrelevanten Schwerpunkten 70. Die Aufgabe des M A D ist die Sammlung und Auswertung von Informationen zum Schutze der freiheitlich demokratischen Grundordnung sowie der Spionage· und Sabotageschutz, sofern ein Zusammenhang mit dem Geschäftsbereich des Bundesministers für Verteidigung besteht, § 1 MADG. Hierzu zählen nicht nur die Streitkräfte selber, sondern auch z.B. die Bundeswehrverwaltung oder die Truppengerichte 71 . Auch er darf bei der Sicherheitsüberprüfung von Personen mitwirken. Im Verhältnis zur Polizei besteht die gleiche Abgrenzungsproblematik wie zwischen dem BND und der polizeilichen Tätigkeit. Im Gegensatz zum BND soll der M A D in erster Linie Informationen über Inlandstätigkeiten sammeln. Der M A D ist verpflichtet mit den anderen Verfassungsschutzbehörden zusammenzuarbeiten, § 3 MADG. Die Kompetenzabgrenzung zwischen diesen Behörden ist aufgrund der ähnlichen Zielsetzung problematisch 72. Prinzipiell darf der Verfassungsschutz seine Tätigkeiten nur dann auf Angehörige der Streitkräfte ausdehnen, sei es ziviles oder militärisches Personal, wenn der M A D zustimmt 73 . Jede Tätigkeit, die in keinem Zusammenhang mit dem Geschäftsbereich des Bundesverteidigungsministeriums steht, ist dem M A D schon aus verfassungsrechtlichen Gründen verboten, da seine rechtliche Grundlage auf Art. 87 a GG beruht. Polizeiliche Befugnisse oder Weisungsrechte stehen dem M A D nicht zu, § 4 I I MADG. Befugt ist er zu Erhebung personenbezogener Daten mit nachrichtendienstlichen Mitteln, § 4 I M A D G iVm § 8 I I BVerfSchG. Weitere Befugnisse ergeben sich für den M A D aus dem G10. Auch er wird explizit durch § 1 V M A D G i V m Art. 20 GG an die allgemeinen Rechtsvorschriften gebunden.

70

Gusy, DöV 83, S. 60, 61.

71

Dau DöV 91, 661, 664; aA Bäumler, DVB1. 86, 496, 497.

72

In der Praxis wird die sog. „Kasernentheorie" angewandt. Jeder Mitarbeiter, egal ob Zivilist oder Soldat, fallt in die Zuständigkeit des MAD. Beim Ausspähen von militärischen Objekten beginnt die Zuständigkeit des MAD dann, wenn eine Sperre überwunden wurde, die Ausspähung also auf dem Gebiet einer Kaserne begangen wird. Sonst bleibt das BfV zuständig, auch wenn militärische Ziele Gegenstand der Ausspähung sind. 73

Das gilt auch umgekehrt, Dau DöV 91, 661, 664.

34

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Der M A D befindet sich zur Zeit in einer Umorganisation. Dabei sind insbesondere die in seinem Dienstbereich bestehenden Verwaltungsvorschriften betroffen. Neben dem M A D besteht noch das Amt für Nachrichtenwesen der Bundeswehr in Bad Neuenahr, das zentral nachrichtendienstliche Aufklärung betreibt 74 . Die in den Stäben beschäftigten G2/S2-Qffiziere arbeiten eng mit den Nachrichtendiensten zusammen.

ee) Zollkriminalamt Das Zollkriminalamt (ZKA) gehört organisatorisch zur Finanzverwaltung des Bundes 75 . Es dient als zentrale Fahndungsleitstelle des Zollfahndungsdienstes. Allerdings hat es die Befugnis, im Vorfeld der Straftatbestände des AWG oder des K W K G in das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis einzugreifen 76 . Dies ist eine klassische Ermittlungsmethode der Geheimdienste. Dementsprechend wurden bei der Behandlung dieser Gesetzesvorlage im Bundesrat rechtsstaatliche Bedenken laut, da die Grenze strafrechtlicher Ermittlung und Gefahrenabwehr verwischt würde. Das Z K A (z. Zt. der parlamentarischen Beratung noch ZKI) würde somit zu einem vierten Geheimdienst77. Zur Diskussion standen zwei Vorschläge 78 , die beide darauf abzielten, dem Z K A diese Eingriffsbefugnisse zu geben. Während der SPD-Entwurf eine Vorverlagerung der Strafbarkeit befürwortete 79, um diese Eingriffskompetenz aus §100 a StPO herleiten zu können, befürwortete der Entwurf der Regierungskoalition eine Gefahrenabwehr durch Vorfeldermittlungen 80 . Im Ergebnis setzte sich der Koalitionsentwurf durch. Das Z K A aufgrund dieser Aufgabenerweiterung aber als Geheimdienst zu bezeichnen, wäre zu weitgehend. 74

Roewer, S. 188.

75

Ursprünglich als Zollkriminalinstitut (ZKI) eine verselbständigte Dienststelle der Zollverwaltung. Seit Inkrafttreten des FVG-Änderungsgesetzes vom 7.7.1992, BGBl. I S. 1222, ist das ZKA Bundesoberbehörde, die dem BMF zugeordnet ist. Gem. § 5 a FVG hat das ZKA die Funktion einer zentralen Fahndungsleitstelle des Zollfahndungsdienstes (ZFD). 76

§§ 39 - 43 AWG, eingefügt durch Art. 1 Nm. 8 und 9 des Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes, des Strafgesetzbuches und anderer Gesetze v. 28.2.1992, BGBl. 19921, S. 372. 77

Vgl. einige Sachverständige bei der Anhörung des Wirtschafts-/Rechtsausschusses am 13.11.1991, Sten.Prot., S. 10, 14, 26 - 32 und weiterhin die Erklärung des Landesministers Trittin (Niedersachsen), Sten.Prot. des Bundesrates, 639. Sitzung, S. 63. 78

Siehe ausführlich Hetzer ZfZ 95, 34 ff.

79

BT-Drucksache ΧΠ/765 vom 14.6.1991.

80

BT-Drucksache ΧΠ/899 vom 28.6.1991, sowie die Bundesregierung BT-Drucksache ΧΠ/1134 vom 10.9.1991.

I. Begriffsbestimmungen

35

Zielsetzung des Z K A bleibt die Gefahrenabwehr im polizeilichen Sinne, nicht aber als Nachrichtendienst. Diese zusätzliche Befugnis zeigt abermals die schon angesprochene Verwischung eindeutiger Abgrenzungen zwischen Polizei und Nachrichtendiensten. Das Z K A ist die einzige Strafverfolgungsbehörde, die gesetzlich explizit ermächtigt ist, Vorfeldermittlungen zu betreiben. Eine solche Verwischung im Bereich des AWG und K W K G wurde mit dem „Schutz höchster Verfassungsgüter, nämlich Frieden und menschliches Leben" 8 1 verteidigt. In einer Interessenabwägung sei das Leben von Millionen Menschen höher einzuschätzen als das Grundrecht einzelner aus Art. 10 GG. Allein aber aus der Befugnis zur Post- und Telephonkontrolle ergibt sich nicht die Qualifizierung als Geheimdienst. Es sei außerdem notwendig, schon im Vorfeld präventiv tätig werden zu können, etwa dann, wenn von befreundeten Nachrichtendiensten bestimmte Anhaltspunkte geliefert würden. Hätte sich die Alternative, nämlich die Verlagerung der Strafbarkeit weit in das Vorfeld hinein 8 2 , durchgesetzt, so hätte sich im Ergebnis wenig geändert. Die Tatbestandsvoraussetzungen zur Kontrolle hätten zwar einen stärkeren Verdacht gefordert 83 , ob hingegen die Kontrolldichte bei der richterlichen Anordnung nach der StPO tatsächlich eine dichtere ist, kann mit guten Gründen bezweifelt werden 84 . Der grundlegende Unterschied beider Vorschläge scheint im Ergebnis zu sein, daß zum einen an den Anfangsverdacht höhere Anforderungen gestellt werden. Zum anderen, daß bei der Vorverlagerung der Strafbarkeit die Verfolgung dem Legalitätsprinzip der StPO unterstellt worden wäre. Nach der jetzigen Rechtslage ist sie nur dem Opportunitätsprinzip der Dienste unterstellt. Festzuhalten bleibt, daß hier nachrichtendienstliche Mittel im klassischen Sinn verwendet werden 85 . Somit ist in die Frage nach der Kontrolle der Nachrichtendienste das Z K A mit einzubeziehen, sofern es nachrichtendienstliche Mittel einsetzt. Das Z K A ist gem. § 18 I BVerfSchG verpflichtet, das BfV oder das entsprechende LfV von sich aus über alle Tatsachen zu informieren, die in den Aufgabenbereich des Verfassungsschutzes gehören. Eine Kontrolle des Nachrichtendienstes 81

Parlamentarischer StS Beckmann, Stenographisches Protokoll des Deutschen Bundestages, 639. Sitzung, 14.2.1992, S. 32. 82

Nach der jetzigen Fassung des § 34 Π AWG als abstraktem Gefahrdungsdelikt, bei dem gem. § 34 V AWG der Versuch strafbar ist, hätte eine noch weitergehende Vorverlagerung dazu fuhren müssen, daß Vorbereitungshandlungen zum Versuch strafbar wären. Die Planung eventuell gegen das AWG zu verstoßen wäre strafbar. Das rückt einem Gesinnungsstrafrecht sehr nahe. 83

Wichtig sei auch, bei nur geringem Verdacht entsprechende Maßnahmen einleiten zu können, BT - Drucksache ΧΠ, 289, S. 18. 84 Siehe hierzu auch das Verhältnis in der Kontrollldichte zwischen den G10Maßnahmen und den Maßnahmen nach der StPO. 83

Siehe unten zu den Tatbestandvoraussetzungen einer Überwachung.

36

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

kann nur dann wirkungsvoll sein, wenn auch andere Behörden, die nachrichtendienstliche Mittel einsetzen, ebenfalls einer wirkungsvollen Kontrolle unterliegen. Einer Umgehung der Kontrolle wäre sonst Tür und Tor geöffnet, könnte man bestimmte Informationsbeschaffungen an eine unkontrollierte Stelle abgeben.

2. Mittel Um ihre Aufgaben erfüllen zu können, bekommen die Behörden regelmäßig ein gesetzliches Instrumentarium an die Hand. Die Exekutive bedarf für belastende Eingriffe in individuelle Rechtspositionen des Bürgers eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage. Das folgt unstrittig aus dem Vorbehalt des Gesetzes aus Art. 20 I I I GG 8 6 . Inwieweit auch den individuellen Bürger nicht belastende Tätigkeiten einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage bedürfen, ist hingegen nicht abschließend geklärt 87 . Im Bereich der Dienste existiert keine abschließende Aufzählung aller möglichen Mittel der Dienste. Dies wäre auch wenig sinnvoll. Deutlich wird dies besonders im Bereich der Spionage, wenn der gegnerische Staat nur in die Gesetzesblätter sehen müßte, um jede erfolgversprechende Aktivität unterbinden zu können. Da aber keine genauen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlagen existieren, herrscht hier auf Seiten des Bürgers ein Unbehagen, weil er eben nicht weiß, was der Staat alles darf. Auch rechtsstaatlich liegt eine Grauzone vor. In den neuen Verfassungsschutzgesetzen ist man dazu übergegangen, die Befugnisse der Dienste beispielhaft zu umschreiben wie etwa in § 8 I I BVerfSchG.

a) Polizeiliche Befugnisse Unter polizeilichen Befugnissen werden diejenigen Mittel verstanden, die originär der Polizei zustehen. Polizeiliche Maßnahme und polizeiliches Mittel werden in den einschlägigen Gesetzen synonym verwendet. Die Qualifizierung einer Maßnahme als polizeiliches Mittel im Gegensatz zum nachrichtendienstlichen kann nicht danach erfolgen, inwieweit ihm Eingriffscharakter zukommt. Beide greifen zum Teil tief in die Rechtsposition des Bürgers ein. Erinnert sei nur an die Beschränkung des Grundrechts aus Art. 10 GG. So ist vorgeschlagen worden, alle die Maßnahmen, die als „Standard86 87

vMünch/Schnapp, Art 20 Rn. 44.

Hier streiten die Theorie des Eingriffsvorbehaltes, des Totalvorbehaltes, sowie eine Mittelmeinung, die ausgehend vom erweiterten Gesetzesvorbehalt auf den Einzelfall abstellen will, vgl. ausführlich vMünch/Schnapp, Art. 20 Rn. 43.

37

I. Begriffsbestimmungen

eingriffe" in den Polizeigesetzen vorgesehen sind, sowie die, die aufgrund spezialgesetzlicher Ermächtigung der Polizei zustehen, wie auch die „untypischen" Maßnahmen, die nur auf der polizeilichen Generalklausel beruhen, als polizeiliche Maßnahmen anzusehen88. Um eine sinnvolle Begriffsbestimmung zu erreichen, ist es notwendig, sich auf das Verhältnis zwischen Polizeien und Diensten zu besinnen. Dieses ist geprägt durch das Trennungsgebot, das aufgrund der Erfahrungen mit der Geheimen Staatspolizei (Gestapo) eingeführt worden ist 89 . Hiernach müssen Stellen des Verfassungsschutzes mit Stellen der Polizei organisatorisch getrennt sein. Diese Trennung würde aber unterlaufen, wenn die Nachrichtendienste im Zuge der Amtshilfe alle Befugnisse der Polizei nutzen könnte. Die Nachrichtendienste sollen auf das Sammeln von Informationen beschränkt sein. Weitere exekutivische Zwangsmaßnahmen sollen sie nicht ausführen dürfen. Somit wird man unter polizeilichen Maßnahmen alle die Maßnahmen zu verstehen haben, durch die Zwang 90 spezifisch hoheitlich gegenüber einem Staatsbürger ausgeübt wird, unabhängig davon, auf welchen Ermächtigungsgrundlagen sie beruhen.

b) Nachrichtendienstliches

Mittel

Die Nachrichtendienste wenden nachrichtendienstliche Mittel zur Erledigung ihrer Aufgabe an. Insofern besteht Einigkeit. Was ein nachrichtendienstliches Mittel ist, ist nicht geklärt. Als gesichert kann angesehen werden, daß das nachrichtendienstliche Mittel insbesondere die heimliche Informationsbeschaffung umfaßt 91 . Der Begriff ist sehr umstritten, zumal er sich nach Ansicht des Gesetzgebers auch einer genauen inhaltlichen Definition entzieht 92 . Nachrichtendienstliche Mittel können jede Art von Gewalttaten einschließen93. Grundsätzlich ist hier zu unterscheiden zwischen den Nachrichtendiensten und dem Verfassungsschutz. Beide sind zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel befugt. Es ist zu überlegen, ob eine differenzierte Deutung des Begriffes geboten erscheint, da der BND auch außerhalb des Geltungsbereiches des Grundgesetzes tätig wird. 88

Lisken, NJW 82, 1481, 1483; Riegel NJW 79, 952, 954.

89

Siehe hierzu ausfuhrlich Roewer, S. 133 ff.

90

Hierunter ist sowohl körperlicher Zwang, als auch eine Verwarnung zu verstehen.

91

Unzutreffend Schatzschneider, S. 75.

92

BT-Drucksache. VI/3555, S. 3, 5; ebenso Vermander, S. 74; Roewer, S. 133; Borgs/Ebert, S. 110 alle mwN. 93

Borgs-Maciejewski, Parlament B6/77, 12, 20 f.

38

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Für den Verfassungsschutz jedenfalls ist eine Begrenzung des Begriffes zum einen in Abgrenzung zu den polizeilichen Befugnissen vorzunehmen, zum anderen ist an die Bindung an Recht und Gesetz gem. Art. 20 I I I GG zu denken. Diese wird zum Teil auch als Definition herangezogen. Nachrichtendienstliche Mittel seien die „ohne äußeren Zwang möglichen Eingriffe in den Teil der Privatrechtssphäre, der weder als Kernbereich unantastbar (Art. 19 I I GG), noch als gesteigerter Schutzbereich besonders gesichert ist, vielmehr lediglich den allgemeinen Schutz des Art. 2 I GG genießt." 94 . Allgemein läßt sich feststellen, daß eine Tendenz dazu vorherrscht, nachrichtendienstliche Mittel als diejenigen zu umschreiben, die der vom Beobachteten unbemerkten Informationsgewinnung dienen und somit nur in die Rechtssphäre von Art. 2 I GG eingreifen 95 . Auch wird vertreten, die Dienste hätten nur „Jedermannbefugnisse" 96. Keine der vorgeschlagenen Definitionen mag vollends überzeugen. Das Brandenburger Verfassungsschutzgesetz 97 zählt exemplarisch zehn nachrichtendienstliche Mittel auf. Hierunter werden auch die Befugnisse zur Kontrolle nach dem G10 gezählt wie auch der Einsatz nachrichtendienstlicher Hilfsmittel, Befugnisse also, die über die oben genannte Definition hinausgehen. Nachrichtendienstliche Mittel sind Mittel zur vom Beobachteten unbemerkten Informationsgewinnnung in Erfüllung der den observierenden Behörden eingeräumten Aufgabe. Diese Definition beachtet nicht nur die den Behörden eingeräumten hoheitlichen Eingriffsbefugnisse, sondern verkennt auch nicht, daß mittlerweile auch andere Behörden als die Nachrichtendienste im eigentlichen Sinne befugt sind, solche Mittel, wenn auch mit unterschiedlicher Zielsetzung, einzusetzen. Hier bleibt zu fragen, ob dem BND bei der Auslandsaufklärung nicht weitere Handlungsmöglichkeiten zuzugestehen sind, die zu einer Erweiterung des Begriffs des nachrichtendienstlichen Mittels führen würde. § 3 BNDG verweist auf § 8 I I BVerfSchG, der die Befugnis des BfV zum Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel enthält. Für den BND jedoch wird hier von einer besonderen Form der Datenerhebung gesprochen. Somit bleibt fraglich, ob nicht in Erfüllung seiner Aufgabe die ihm eingeräumten Befugnisse des § 2 BNDG weitergehende sind. Eine weitergehende, nur dem BND zustehende Befugnis ist die Fernmeldekontrolle nach § 3 G10. Hiernach darf der BND den Fernmeldeverkehr zwischen der Bundesrepublik Deutschland und einem dritten 94

Herzog, S. 13.

93

Borgs/Ebert, S. 110, 111; Roewer, S. 132; Vermander, S. 70.

96

Schlink, NJW 80, 552; Gusy, RiA 82, 104, dagegen Schwabe, NJW 80, 2396; 81, 566; Bull, Datenschutz, S. 146. 97

Gesetz über den Verfassungsschutz des Landes Brandenburg vom 5. 4. 1993, GVB1. 1993 I, S. 70.

Π. Geschichtliche Entwicklung

39

Staat überwachen. Dies aber ließe sich noch unter die oben genannte Definition des nachrichtendienstlichen Mittels subsumieren. Deutlich wird hieran, daß nachrichtendienstliche Mittel im Ergebnis hoheitliche Befugnisse darstellen. Alleine die Generalklausel zum Einsätze solcher Mittel rechtfertigt eben nicht den Einsatz aller möglichen Mittel, sondern ist begrenzt durch die Rechtsordnung und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Auch bei seinen Tätigkeiten im reinen Auslandsbereich unterliegt der BND der Bindung an Art. 20 I I I GG 9 8 . Dies gilt allerdings nur im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland, nicht im Verhältnis zum Recht des ausländischen Staates99. Von den nachrichtendienstlichen Mitteln sind die nachrichtendienstlichen Hilfsmittel zu unterscheiden. Hierzu zählen die Maßnahmen, die keinen Eingriff in die Privatsphäre des Bürgers erfordern, sondern die Aufgabenstellung der Dienste unterstützen 100 . Eine genaue Trennung zwischen beiden Begriffen wird nicht immer vorgenommen, so bezeichnet § 6 I I I Nr. 9 Bbg VerfSchG auch die Beschaffung von Tarnpapieren als nachrichtendienstliches Mittel.

Π . Geschichtliche Entwicklung Die Geschichte der Kontrolle der Dienste ist mit der Geschichte der Dienste nicht identisch, sie setzt erst sehr viel später ein. 98

A.A. Roewer, S. 183 f, der dies ablehnt, da das GG nicht außerhalb des Territoriums der Bundesrepublik Deutschland gelte. Allerdings sieht auch er einen „argumentativen Zwiespalt" bei der Bindung an Recht und Gesetz und sucht diesen mit der „Notwendigkeit der Fortexistenz des freiheitlichen Verfassungsstaates" zu umgehen. 99 Im Regelfall wird im ausändischen Staat die nachrichtendienstliche Tätigkeit sogar strafbar sein. Die Frage, inwieweit es ein staatliches Notwehrrecht gibt, kann dahingestellt bleiben. Siehe dazu nur BGHSt 27, 260, der § 34 StGB auch für staaliches Handeln gelten läßt, mit ablehnenden Anmerkungen Amelung, NJW 78, 623, 624; Böckenförde, NJW 78, 1881, 1884 und Lübbe-Wolff, ZParl 80, 110, 112. Im übrigen wird hier neben dem strafrechtlichen Begriff des übergesetzlichen Nostandes mit Begriffen wie „ungeschriebener Gemeinwohlvorbehalt" oder „Gemeinwohlerfordernissen" bis hin zur Immanenzlehre gearbeitet, vgl. dazu die Nachweise bei Schatzschneider, S. 97 u.a. auch auf die Presse. Diese Diskussion soll hier nicht aufgegriffen werden, man vergleiche dabei etwa die Position Häberles, Die Wesengehaltsgarantie des Art. 19 Abs. 2 Grundgesetz, 1962, der auf die „paradigmatische Bedeutung" des Art. 2 I GG für die allen Grundrechten immanten Schranken hinweist oder auf der anderen Seite H.-P. Schneider in Narr: Wir Bürger als Sicherheitsrisiko, 1977, S. 93, 128, der diese Ansätze teilweise als „exotisch" bezeichnet. 100

Borgs/Ebert, S. 111.

40

Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

1. Schaffung der Kontrollen1 Die Geschichte der Dienste läßt sich bis in die Antike zurückverfolgen 2. Der erste auf Dauer angelegte Dienst dürfte im Jahre 1330 durch den britischen König Edward III. eingerichtet worden sein3. Die Geheimen Polizeien, deren Aufgabe der Erhalt des Staates war, dienten zur Zeit der absolutistischen Monarchien, aber auch in späteren totalitären Regimen den jeweiligen Machthabers ihre Position zu festigen 4. In dieser Zeit existierte eine Kontrolle nur durch diejenigen, zu deren Zwecken diese Organisationen eingesetzt wurden. Ab der Zeit des Deutschen Bundes ist eine Differenzierung festzustellen in eine politische Polizei gegen antistaatliche Bestrebungen aus dem Inland, so etwa die ,,Zentral-Untersuchungskommission" gegen „revolutionäre Umtriebe" in Mainz 5 , und in einen Nachrichtendienst, so die um 1810 entwickelte „1. Abteilung" (Russische Abteilung) und „2. Abteilung" (Französische Abteilung) oder das 1867 gegründete „Nachrichtenbüro des Großen Generalstabes", aus der schließlich 1917 die Nachrichtenabteilung „Fremde Heere" hervorging. Diese waren entweder dem Innenminister als Polizeien oder den Militärbehörden unterstellt, die sie kontrollierten. Eine weitere Kontrolle fand, soweit ersichtlich, nicht statt. Während es in der Weimarer Zeit zwar eine Polizei gegen politisch motivierte Verbrechen gab, die Abteilung I A der Berliner Polizeibehörde, und einen Nachrichtendienst „Abwehr" der Heeresstatistischen Abteilung des Truppenamtes, sind besondere Kontrollinstanzen weder durch das Parlament noch durch unabhängige Gremien erkennbar. Unter der nationalsozialistischen Herrschaft wurden die Befugnisse der Dienste durch Reichsgesetze und Verordnungen 6 immer weiter ausgedehnt. Ab 1944 waren mit Ausnahme der Auswer1

In diesem Teil soll ein Überblick über die allgemeine Entwicklung der Kontrollen gegeben werden; die Entstehungsgeschichte der einzelnen Kontrollinstitute ist daher bei diesen selber. 2

Man vergleiche nur Josua, 2. Kap, 1. Abs. im Alten Testament, auch Moses erhielt von Gott den Auftrag, „Spione" in das Land Kanaan zu senden, oder Caesar, De Bello Gallico, IV, 20, 21, weitere Nachweise bei Ritter, S.58. In China schrieb Sun-tzu bereits um 400 vor Christus das Buch „Ping-fa" (Die Kunst des Krieges), in dem er fünf Arten von Agenten unterschied, vgl. The New Encyclopaedia Britannica, Stichwort „Intelligence and Counterintelligence". 3

Gröpl, S.41.

4

Borgs/Ebert, S. 13.

3

Evers, BK, Art. 73 Nr. 10 Anm. I

6

Beispielhaft erwähnt seien die Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz des Deutschen Volkes vom 4.2.1933, RGBl. 1933 I, S. 39, wonach die besondere polizeiliche Haft aus politischen Gründen ermöglicht wurde, seit dem 28.2.1933 unbegrenzt in

Π. Geschichtliche Entwicklung

41

tungsabteilungen „Fremde Heere West" bzw. „Fremde Heere Ost" alle Dienste im Reichssicherheitshauptamt vereint 7 . Diese Apparate dienten der Sicherung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Eine Kontrolle fand nicht statt mit Ausnahme der exekutivischen Eigenkontrolle. Bis nach dem Ende des zweiten Weltkrieges hat neben einer Eigenkontrolle durch die Exekutivspitzen eine Kontrolle der Geheimdienste nicht stattgefunden. Dies ist, soweit feststellbar, eine allgemeine Feststellung. Die Geschichte der Dienste nach 1945 beginnt mit der „Organisation Gehlen". Generalmajor Reinhard Gehlen war Leiter der 12. Abteilung des Generalstabes des Heeres „Fremde Heere Ost" und als solcher in erster Linie mit der Aufklärung im Bereich der Sowjetunion verantwortlich. Schon 1946 wird er vom US-Kriegsministerium mit der Beschaffung von Material über die Sowjetunion beauftragt. Den Vereinigten Staaten kommt das Wissen und die Routine dieser Abteilung sehr zu nutze, so daß sie ihr relativ viel Freiraum läßt 8 . Schon bald nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland beschaffte die „Organisation Gehlen" in Absprache mit Regierung und Opposition Nachrichten aus allen Gebieten der Welt. Durch Kabinettsbeschluß vom 11.7.1955 wurde die „Organisation Gehlen" als Bundesnachrichtendienst auf eine rechtliche Grundlage gestellt und am 1.4.1956 an das Bundeskanzleramt angegliedert. Weitere rechtlichen Grundlagen bestanden nicht. Es existierten lediglich Organisationserlasse, die den Aufbau und die Zusammenarbeit mit anderen Dienststellen betrafen. Die „Organisation Gehlen" liefert seit ihrem Bestehen auch militärische Daten, so daß hier ein umfassender Auslandsnachrichtendienst geschaffen wurde. In anderen Staaten bestehen dafür zum Teil eigene Dienste. 1950 wurde durch Bundesgesetz das BfV errichtet. Die Militärgouverneure hatten in ihrem „Polizeibrief' an den Präsidenten des Parlamentarischen Rates9 ihre Zustimmung zu „einer Stelle zur Sammlung und Verbreitung von Auskünften über umstürzlerische, gegen die Bundesregierung 10 gerichtete TätigkeiKonzentrationslagem, RGBl. 1933 I, S. 83, oder das Heimtückegesetz vom 20.12.1934, RGBl. 19341, S. 1269, das Staat und Partei schützte. 7

Vgl. hierzu Ritter, S. 59 ff; Borgs/Ebert, S. 13 ff; Gröpl, S. 42ff jeweils mwN.

8

Wessel, 5, 9ff, insbesondere S. llf.

9

8./14.4.1949, übersetzter Text in: Grundgesetz-Textausgabe, 7. Aufl., München 1952 des Beck-Verlages. 10 „Federal Government" (so im Originaltext) meint entgegen der landläufigen Übersetzung nicht die Bundesregierung, sondern die regierende Staatsgewalt des Bundes, hierunter fiele auch z.B. das Bundesverfassungsgericht oder das Parlament. Wenn Bull, Datenschutz, S. 133 Fn. 1 als Übersetzung „Staat" empfiehlt, so trifft das den Kern eher. Tatsächlich aber gemeint sind die verfassungsmäßigen Organe des Bundes, sofern sie regierende Staatsgewalt ausüben.

42

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

ten" gegeben. Diese Stelle soll keine Polizeibefugnisse besitzen, sogenanntes Trennungsgebot 11. A m 6.5.1949 beschloß der Parlamentarische Rat die Zuständigkeit des Bundes in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes, von der nach knapp anderthalb Jahren Gebrauch gemacht wurde. Im Zuge der Errichtung der Bundeswehr wurde 1955/1956 der M A D geschaffen. Dieser wurde gleichsam als „Verfassungsschutz" der Bundeswehr eingerichtet. Kompetenzen im Rahmen einer Auslandsaufklärung steht ihm nicht zu. Dies ist historisch mit der schon bestehenden Zuständigkeit des BND zu erklären 12 . Schon vor Gründung der Bundeswehr hatte eine im „Amt Blank", einer 1950 errichtete Bundesdienststelle, die mit Organisationsaufgaben deutscher Verteidungsmöglichkeiten beauftragt war, eingerichtete Abwehrabteilung militärische Daten gesammelt. Hieraus wurde der M A D gebildet. Auch ihm fehlte eine gesetzliche Grundlage, da er sich nur auf einen Errichtungserlaß des Bundesminister der Verteidigung stützte. Neben einer bestehenden Eigenkontrolle gab es keine wirksame Kontrolle über die Dienste. Es existierte zwar das Parlamentarische Vertrauensmännergremium (PVMG) 1 3 seit 1956, seine unzureichenden Kontrollmöglichkeiten 14 waren zudem noch auf den Bereich des BND beschränkt. Weitere Kontrollgremien bestanden nicht. Die allgemeine Kontrolle der Dienste ist nicht ausreichend, zumal in der Anfangszeit der Republik im Klima des Kalten Krieges die Bundesregierung unkritisiert die Auskunft weitreichender verweigern konnte, als sie es heute könnte. Man fürchtete allgemein, dem Feind zuviel Wissen preiszugeben. Erst allmählich wuchs das Bewußtsein für die Notwendigkeit einer effektiven Kontrolle 15 . In den „Notstandsgesetzen" vom 24.6.1968 wurde die Post- und Telephonkontrolle unter die Kontrolle durch deutsche Dienststellen gestellt.

11

Siehe näher dort.

12

Das Argument, aus dem Verteidigungsauftrag der Bundeswehr folge, daß auch der MAD nur eine nach innen gerichtete Tätigkeit ausüben könne, vermag kaum zu überzeugen. Die Verteidigung ist notwendigerweise mit einem bewaffneten Angriff aus dem Ausland verbunden. 13

Siehe S. 145.

14

Es trat unter dem Vorsitz eines Mitgliedes der Bundesregierung auf Einladung des Bundeskanzlers zusammen, wobei die Bundesregierung selber den Umfang der Unterrichtung bestimmte. 13 Gehlen war der einzige Präsident des BND, dessen Photo in keiner Publikation erschien. Dienstfahrten nach Bonn erfolgten in einem verhangenen Dienstwagen. Das von ihm veröffentlichte Photo auf dem Titelbild des Spiegels 39/1954 war mindestens zehn Jahre alt. Neuere Photos wurden nicht angefertigt. Die nachfolgenden Präsidenten sahen für ein solches Vorgehen keine Notwenidgkeit mehr.

Π. Geschichtliche Entwicklung

43

Bis dahin wurde sie von den Alliierten Westmächten ausgeübt, die sich dieses Recht bis zum Erlaß einer „angemessenen deutschen Gesetzgebung"16 vorbehalten hatten. Symptomatisch für diese Zeit ist zwar die Schaffung von Kontrollinstanzen, so die G10-Kommission und -Gremium, gleichzeitig aber der Ausschluß weiterer Kontrollinstanzen, so der verfassungswidrige Rechtswegausschluß nach Wegfall der Zweckgefahrdung 17. In dieser Zeit wurden erste Stimmen laut, die eine besondere Kontrolle der Dienste durch speziell dafür geschaffene Gremien forderten, so etwa der „Hirsch-Bericht" 18 . Realität wurde ein solches Gremium erst durch das PKKG 1 9 , nachdem sich die Enquêtekommission „Verfassungsrecht" noch gegen ein solches Gremium ausgesprochen hatte. Durch die immer lauter werdende Kritik und durch das Vorpreschen Hamburgs 20 in dieser Sache geriet der Bund in Zugzwang. Die dann eingerichtete Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) trug noch deutliche Züge des PVMG, aus dem sie hervorging. Zwar war die Bundesregierung hinsichtlich aller Dienste der Kontrolle durch die PKK unterworfen, jedoch wurde Art und Umfang der Unterrichtung noch durch die Bundesregierung im Rahmen ihrer politischen Verantwortlichkeit bestimmt. Der BfD existiert seit dem 1. 1. 1978. Es ist auf Bundesebene eine verhältnismäßig junge Einrichtung, zumal in den Ländern schon sehr viel früher Datenschutzbeauftragte bestellt wurden 21 . Seine Kompetenzen wurden im Laufe der Zeit immer weiter ausgebaut, zuletzt durch das „Gesetz zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes" von 1990 22 . Das „Volkszählungsurteil" des Bundesverfassungsgerichts 23 vom 15. 12. 1983 erkannte das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Teil der Men16

Borgs/Ebert, S. 221.

17

Siehe S. 161 ff.

18

BT-Drucksache V/3442, Abschlußbericht eines parlamentarischen UA zur Aufklärung von Defiziten bei der Zusammenarbeit der Dienste. 19

BGBl. 1978 I, S. 453 und BGBl. 19921, S. 997.

20

Vgl. hierzu ausfuhrlich Schwagerl, Verfassungsschutz , S. 302ff mit ausführlicher Darstellung des Echos in der Presse. 21 Der erste Datenschutzbeautragte des Landes Hessens z.B. wurde auf Grund des Hessischen Datenschutzgesetzes vom 7.10.1970 am 8.6.1971 vom Hessischen Landtag gewählt und trat am gleichen Tag sein Amt an. 22

BGBl. 19901, S. 2954.

23

BVeifGE 65, 1. Ähnlich äußerte es sich schon in BVerfGE 32, 202, 220: „Jedermann daif grundsätzlich selbst und allein bestimmen, ob und wieweit andere sern Lebensbild im ganzen oder bestimmte Vorgänge aus seinem Leben öffentlich darstellen dürfen." 4 Hirsch

44

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

schenwürde aus Art. 2 I i V m Art. 1 I GG an, wonach jeder selber über die Verwendung seiner persönlichen Daten entscheiden könne, es sei denn, ein Gesetz schränkt es aus einem überwiegenden Allgemeininteresse ein 2 4 . Unter Beachtung dieser Rechtsprechung wurden gesetzliche Grundlagen erforderlich, auf die sich der BND und der M A D stützen konnten. Diese wurden erst durch im Dezember 1990 geschaffen. Diese Gesetze ergingen als Artikel in soeben angesprochenen Artikelgesetz „Gesetz zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes", in dem auch das BVerfSchG neu geregelt wurde. Ein Kontrollgremium, das die Haushalte der Dienste überprüft, ist erst seit 1986 gesetzlich fixiert 25. In jüngster Zeit wurden die Befugnisse der PKK durch die Neufassung des PKKG und die in diesem Zusammenhang abgegebene Erklärung der Bundesregierung erweitert. Ebenso haben die Länder sich in jüngster Zeit neue Verfassungsschutzgesetze gegeben, die ebenfalls die Kontrollen regeln und zum Teil stärken. Die Geschichte der Kontrolle der Dienste beginnt im Jahre 1956 mit dem Angebot Adenauers zur Schaffung des PVMG. Die eigentliche Geschichte der Kontrolle beginnt erst 1978 mit Schaffung der PKK und des BfD. Seit dieser Zeit ist die Kontrolle wesentlich intensiviert worden.

2. Bewertung Der Ausbau der Kontrollmechanismen erfolgte in der Regel gegen den Widerstand der Dienste. Diese führten das besondere Geheimhaltungsbedürfnis an, aber auch Bedenken aus dem Gewaltenteilungsprinzip 26 . Befürworter weiterer Kontrollen hin24

Ausfuhrlich auch zu diesem Urteil Scholz/Pitschas, Informationelle Selbstbestimmung und staatliche Informationsverantwortung, 1984. 23 26

Siehe S. 136 ff.

Statt vieler nur Heuer, S. 86: „[Es] läßt sich mit Fug und Recht sagen, daß das Wirken der verschiedenen Kontrollinstanzen in ihrem Zusammenspiel ein Maß an Kontrolle über das BfV sicherstellt, das allen vernünftigerweise zu stellenden Forderungen gerecht wird und in einem internationalen Vergleich als beispielhaft gelten kann." (Hervorhebung von mir.), Schäuble im Vorwort zu: Bundesamt für Verfassungsschutz (Hrsg.), Verfassungsschutz in der Demokratie, Beiträge aus Wissenschaft und Praxis, V oder Boeden, S. 6, 7. Interessanterweise behaupteten die USA das zur gleichen Zeit auch von ihren Kontrollmechanismen, Prados, Summary. Der ehemalige Direktor des CIA, Robert M. Gates, behauptete in seiner Rede vor dem World Affairs Council Of Boston am 15. 1. 1993 in Boston, daß die amerikanischen Dienste der engsten Kontrolle in der Welt unterliegen. , Jt would be difficult for any secret intelligence organization to be placed under this microscope of intense review.", S. 6.

Π. Geschichtliche Entwicklung

45

gegen pochten darauf, daß gesichert werden müsse, daß insbesondere keine Grundrechtsverletzungen vorkommen 27 . Die Gründe, die hinter dem Bestreben stehen, möglichst keiner Kontrolle zu unterstehen, sind äußerst komplexer, teils psychologischer Natur. Der Ausbau der Kontrollen hängt mit den politischen Grundentwicklungen eng zusammen. In keinem anderen Gebiet der öffentlichen Verwaltung spiegelt sich die politische „Großwetterlage" und die Grundtendenzen einer Gesellschaft so wider wie in der Diskussion über die Kontrolle der Dienste 28 .

a) Politisches Umfeld „Solange sich die Völker und Staaten noch mit großem Mißtrauen gegenüberstehen und Vorbereitungen zur Abwehr vermeintlicher oder wirklicher böser Absichten treffen, so lange ist es für jeden Staat notwendig und lebenswichtig, sich Kenntnis über solche Pläne und Vorkommnisse zu schaffen." 29 M i t dieser Erklärung stimmte die SPD 1956 30 den Plänen zu, die „Organisation Gehlen" in den BND zu überführen. Diese Erklärung charakterisiert die politische Grundstimmung des Kalten Krieges. Die Dienste sind auch Kinder des Kalten Krieges 31 . Auch im innenpolitischen Bereich herrschte zu Beginn der Bundesrepublik Deutschland eine größere Unsicherheit. Nur zwei Parteiverbote in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Sie stammen aus dieser Zeit: 1952 wurde die SRP 32 , 1956 die KPD 3 3 verboten. 1961 wurde der damalige Bundes27

Rudolf Augstein im Spiegel Nr. 6 vom 6. 2. 1978, S. 18: „Wer den Diensten das Urteil darüber läßt, was sie düifen, muß sie entweder wissentlich zum Staat im Staat machen oder er korrumpiert nicht nur die Institution, sondern auch die Dienste selbst." 28

In diesem Sinne auch Borgs-Maciejewski, Verfassungsschutz im internationalen Vergleich, S. 165, 166. 29 Erklärung des stellvertretenden Vorsitzenden der SPD Mellies vom 13.1.1956, zitiert nach Ritter, S. 66. 30

Zu dieser Zeit war die SPD in der Opposition.

31

Für die LfV stimmt dies nur eingeschränkt. Beweggrund für die britischen Besatzungsmächte dem Aufbau eines Verfassungsschutzes zuzustimmen, war die Befürchtung, die alten Nazi-Kader könnten wieder versuchen, ihren Einfluß zu sichern. Nach dem ehemaligen OCA - Chef Hathaway, Ende der vierziger Jahre Mitarbeiter des Hohen Kommissars der Vereinigten Staaten in Deutschland, sollte durch das BfV zum einen das Wiederaufkeimen des nationalsozialistischen Gedankengutes verhindert werden, zum anderen sollte ein Einfluß kommunistischen Gedankengutes aus der SBZ verhindert werden. (OCA (Office for Coordination and Advising) diese Abteilung ist die legale Residentur der US-Dienste in ihren Botschaften in verbündeten Staaten). 32

BVerfGE 2, 1.

46

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

tagsabgeordnete Alfred Frenzel wegen Spionage für die CSFR zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt 34 . Bis zum Inkrafttreten des Vereinsgesetzes am 5.8.1964 sind 328 Organisationen durch Bundes- oder Landesbehörden verboten worden, deren Tätigkeit sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtete. Es haben grundlegende Änderungen stattgefunden, die sich in einem gewandelten Bewußtsein der Bevölkerung niedergeschlagen haben. Der Konsens zum Grundgesetz ist ein breiterer geworden. Zwar haben Anfangs der siebziger Jahre die Aktivitäten der RAF und anderer terroristischer Vereinigungen begonnen, und es formierten sich verschiedene links- und rechtsextreme Parteien. Der Großteil der Bevölkerung stimmte jedoch in der Einschätzung überein, daß es sich bei den Terroristen um Verbrecher, nicht um Freiheitskämpfer, handele. Auch die Formierung extremer Gruppen wurde mit Sorge betrachtet, es blieben jedoch Randbewegungen35. Politisch extreme Gruppen treten vermehrt in Zeiten besonderer politischer Ereignisse auf, so zu Zeiten der „Großen Koalition" oder nach der Wiedervereinigung Deutschlands. Letztere führte neben vielen anderen Faktoren zu einem Anstieg besonders von rechtsextremen Gewalttaten, worin sich eine Reaktion auf den Verlust fester Strukturen gerade in den neuen Bundesländern zeigt. Durch die Verurteilung solcher Taten in allen Schichten der Bevölkerung aber zeigt sich der gefestigte Bestand der Bundesrepublik Deutschland. Die Bevölkerung begann in politisch sichereren Zeiten die Rolle der Dienste kritischer zu überdenken. Durch Skandale, die dem Ansehen der Dienste in der Bevölkerung schadeten36, wurde sie zunehmend für die Problematik sensibili33

BVerfGE 5, 85.

34

Überfuhrt wurde er durch die völlig aus dem Zusammenhang gerissene Frage des damaligen Generalbundesanwaltes, ob es stimme, daß er Agent der Tschechei sei, worauf er völlig überrumpelt mit „Ja" antwortete. Er wurde zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt, kurz darauf aber im Rahmen eines Agentenaustausches in die damalige CSFR entlassen. Er starb 1968 in der Nähe von Prag. 35

Zwar konnte die NPD 1969 bei den Bundestagswahlen noch 4, 3 % erringen, verlor in der Zeit danach jedoch ihre Wähler. Ein solcher Erfolg mag mit der Studentenbewegung zusammenhängen, so daß Teile der Bevölkerung wohl eine „starke Hand für Ruhe und Ordnung" suchte. 36

Erwähnt sei nicht nur der bereits angesprochene Fall Traube, sondern auch der Fall „Vulkan" (1953 wurden 44 Personen unter dem Verdacht der Spionage für die Sowjetunion verhaftet, ohne daß sich dieser Verdacht erhärten ließ), die „Telephonabhöraffare" (1963 wurden in der Presse Vorwürfe gegen das BfV laut, es hätte imberechtigt das Post- und Fernmeldegeheimnis verletzt) oder die Aktivitäten im Zusammenhang mit dem „Celler Loch" vom 25.7.1979. Schlagzeilen machte der auch der Fall „Langemann" (derfrühere Mitarbeiter des BND und Leiter der Staatsschutzabteilung des bayr. Innenministeriums Langemann war unter dem Verdacht, einer Zeitung vertrauliche Informationen gegeben zu haben, verhaftet worden. Langemann hatte schwere Vorwürfe erhoben, etwa daß Akten Kiesingers wegen einer Verbindung zu

Π. Geschichtliche Entwicklung

47

siert 37 . Gerade der technische Fortschritt und die damit entstehenden Möglichkeiten führten zu einer Angst, durch die Dienste 38 könne sich die Bundesrepublik Deutschland zu einem „Schnüffel- und Überwachungsstaat" 39 entwikkeln 4 0 . Die persönliche Selbstbestimmung rückte in den Mittelpunkt des Bewußtseins, was die starken Reaktionen auf das Volkszählungsgesetz41 vom 25.3.1982 erklären mag. In diesem Zusammenhang muß sich das Argument vor Augen gehalten werden, das auch das Bundesverfassungsgericht immer wieder heranzieht 42 . Wenn der Bürger fürchten muß, aus einer politischen Betätigung irgendwann einmal vielleicht Nachteile zu haben, wird er sie unterlassen oder versuchen, eine Identifizierung unmöglich zu machen 43 . Auch das Ende des Kalten Krieges führte dazu, daß das sog. „Feindbild" politisch wegfiel. Neue Aufgabenbereiche werden durch die Dienste gesucht, so etwa in der Bekämpfung der sich international ausbreitenden organisierten Kriminalität oder die systematische Aufklärung im Bereich „sensitiver Stoffe und Anlagen" 4 4 (Kriegswaffen und waffenfähiges Material, wie etwa Plutonium oder giftgasfahige Chemikalien). Ihre Existenzberechtigung finden die Dienste in einer latenten Bedrohung der freiheitlich demokratischen Grundordnung und Eichmann bereinigt worden seien). In jüngster Zeit sind die Dienste im Zusammenhang mit der „Plutonium-Afiare" ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. 37

Man vergleiche nur die Thesen der Humanisten Union, S 5.

38

Neben den schon genannten Skandalen ist hier der Fall „Schmücker" anzuführen, der die Rolle der Verfassungsschutzbehörden in ein ungutes Licht setzte. Es handelte sich hierbei um ein Strafverfahren um den Fememord an Schmücker. Das LfV Berlin hielt die Mordwaffe und andere Informationen im Strafprozess zurück, obwohl sich hieraus Entlastungspunkte für die Angeklagten ergaben. Eine spätere Verurteilung erfolgte nicht. Daß sich die Mordwaffe im Besitz des LfV Berlin befand, mußte allen anderen LfV und dem BfV bekannt gewesen sein. 39 Denninger, „Streitbare Demokratie", S. 678 mit Hinweis auf den Sprachgebrauch, wonach sich die „doppelte Angst vor staatlich-polizeilicher und technischer Übermacht" in Wendungen wie „gläserner Mensch" oder „Lauschangriff" widerspiegelte. 40

Dies ist eine mehrgleisige Entwicklung. Im Zusammenhang mit dem Extremistenerlaß und einer extensiven Speicherung von Daten sowie deren jederzeit igen Verfügbarkeit wurde eine staatliche,Allwissenheit" befürchtet. 41

BGBl. 19821, S. 369.

42

Zuletzt in der einstweiligen Anordnung vom 5. 7. 1995, BVerfG - lBvR 2226/94 -: „Schon daraus können sich Nachteile ergeben. Die Befürchtung einer Überwachung mit der Gefahr einer späteren Auswertung, etwaigen Übermittlungen und weiterer Verwendung durch andere Behörden kann bei den Grundrechtsträgem schon im Vorfeld zu Kommunikationsstörungen und zu Verhaltensanpassungen fuhren. (...). Das würde nicht nur die Entfaltungchancen der Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl (vgl. BVerfGE 65, 1 ) " 43

Etwa durch Vermummung.

44

Boeden, S. 9.

48

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

in der Gefahrdung der äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland 45 . Je größer die Bedrohung, um so mehr Rechte werden den Diensten zugestanden 46 . Eine Faustformel, j e größer der Konsens zu den Werten des Staates, um so mehr Kontrollen der geheimen Dienste existieren" ist verkürzend, aber im Kern zutreffend.

b) Geheimhaltungsbedürfnis Die Dienste müssen aus ihrer Aufgabenstellung heraus im Geheimen arbeiten. Das Geheimhaltungsbedürfhis ergibt sich aber nicht nur zwingend daraus, daß eine Vorfeldaufklärung nicht offen erfolgen kann, sondern auch aus dem Gedanken des Quellenschutzes. Dieser umschreibt zum einen die verfassungsmäßige Verpflichtung der Dienste aus Art. 2 I I GG, ihre Informanten zu schützen, zum anderen die Tatsache, daß Quellen, die zum Teil unter erheblichem Aufwand aufgebaut worden sind, nach Aufdeckung ihrer Identität „verbrannt", d.h. nicht mehr einsetzbar, sind. Das Geheimhaltungsbedürfhis ist allgemein anerkannt 47 .

c) Geheimdienstmentalität Ein weiterer Faktor, warum die Dienste sich gegen jede Art der Kontrolle wehren, ist psychologischer Natur und in der Mentalität der Geheimdienste zu suchen48. Durch die Aufgabenstellung und die Art der Erledigung entwickeln die Mitarbeiter der Dienste ein besonderes Zusammengehörigkeitsgefühl. Es entsteht das Gefühl, Teil einer Elite zu sein, die unter großen persönlichen

45

Erinnert sei an die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, etwa Chemiewaffen, und an die Gefahrdung durch Fundamentalisten etc. 46

Dies wird durch die weitgehende Handlungsfreiheit der israelischen Geheimdienste, Mossad und Shin Bet, belegt. 47 Die Humanistische Union, aaO, lehnt Geheimdienste ganz ab und somit auch jedes Geheimhaltungsbedürfhis. Dies aber ist eine politische Diskussion. Siehe zum juristischen Hintergrund S. 64 ff. 48 Dieser Problemkreis soll hier angesprochen werden. Eine umfassende Würdigung ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich. Unerläßlich ist aber, sich dieses Problem vor Augen zu halten. Ausführlich hierzu Walde, ND-Report, 1971; Nollau, Das Amt, 1978; Agee, CIA-Intern-Tagebuch, 1979, Gehlen, Verschlußsache, 1980; Schwagerl, Verfassungsschutz, S. 276ff.

ΠΙ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

49

Opfern den Bestand des Staates schützen muß 49 . In jedem Dienstfremden wird ein potentieller Feind gesehen50. Folge ist, daß Kritik an den Diensten als persönliche Angriffe gewertet werden, die Forderung nach mehr Kontrollen als Zeichen des Mißtrauens in die persönliche Integrität 51 . Die Tatsache, daß die Bediensteten immer in einem geschlossenen Zirkel arbeiten, führt weiterhin leicht zu einer Betriebsblindheit. Die Wertvorstellungen, die innerhalb der Dienste herrschen, werden mit denjenigen des verfassungstreuen Staatsbürgers gleichgesetzt. Eine unkonventionelle Lebensweise macht a priori verdächtig 52 . Wenngleich hierin keine rechtliche Problematik liegt, so muß für die Frage der Kontrollen diese Tatsache beachtet werden. Eine rechtliche Regelung wird dann wenig Erfolg haben, wenn sie sich immer gegen die Auffassung der Betroffenen durchsetzen muß.

Π Ι . Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle Die Kontrollmechanismen müssen sich in das allgemeine Verfassungsgefüge einpassen. Somit ist ein Blick auf den verfassungsrechtlichen Hintergrund in der Bundesrepublik Deutschland zu werfen. Weiterhin ist danach zu fragen, was eine wirksame Kontrolle der Dienste ausmacht.

1. Die Ausgestaltung der Kontrolle Kontrollinstanzen im nachrichtendienstlichen Bereich begegnen Besonderheiten, was aus ihrer im Gefüge der parteienstaatlichen Demokratie einmaligen

49 Schwagerl, S. 277, führt an, durch die ständige Pflicht zur Geheimhaltung entstünden im sozialen Umfeld Dauerbelastungen, die sich bis in den Bereich der eigenen Familie auswirken würden. 50

Die BND-Mitarbeiter, die in dienstfremden Dienststellen (etwa Botschaften) arbeiten, versuchen selbst vor ihren dortigen Kollegen ihre Arbeit und überhaupt ihre Zugehörigkeit zum BND zu verheimlichen. 51

„Gesetzlich formuliertes Mißtrauen"; „Sonderbloßstellung" als Äußerungen des ehemaligen Präsidenten des BfV Dr. Richard Meier, zitiert nach Schwagerl, Verfassungsschutz, S. 283. 52

Vgl. die Anfrage des Abg. Thorsten Wolfgramm (F.D.P.) vom 16.3.1977, Sten. Prot. S. 984.

50

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Position der besonderen Geheimhaltung folgt 1 . Daraus folgt aber nicht, daß eine wirksame Kontrolle nicht möglich ist. Vielmehr stellt sich die Frage, was eine Kontrolle im nachrichtendienstlichen Bereich bewirken soll, was der eigentliche Kern von Kontrolle ist. Hier sind die rechtsdogmatischen Ansätze des Staatsrechts zu beachten, inwieweit sich die Verfassungsorgane in einem demokratischen Rechtsstaat gegenseitig kontrollieren können. Dies ist die Frage nach der Begrenzung gegenseitiger Kontrolle durch die Gewaltenteilung und anderer verfassungsrechtlicher Prinzipien. Indes darf bei einer derartigen Problemstellung nicht eine eventuell existierende Diskrepanz zwischen Verfassungsrecht und Verfassungswirklichkeit außer acht gelassen werden. Es ist zu klären, welche Art der Kontrolle im Verfassungsgefiige der Bundesrepublik Deutschland möglich ist.

a) Die Kontrolle im Verfassungsgefiige Welche Funktion Kontrolle in einem Verfassungsgefiige ausüben kann, hängt eng mit den allgemeinen, geschichtlich gewachsenen staatspolitischen Auffassungen zusammen. Daher ist ein Blick auf das verfassungsrechtliche Verhältnis der Staatsgewalten zu werfen.

aa) Gewaltenteilung Das Grundgesetz geht in seiner Grundentscheidung des Art. 20 I I 2 GG nur vordergründig von dem klassischen Gewaltenteilungsprinzip 2 aus. Tatsächlich ist diese klassische Gewaltenteilung im Verfassungsgefiige der Bundesrepublik Deutschland nicht verwirklicht 3 . Es herrscht eine Verschränkung der Gewal1

Die Humanistische Union, aaO, S. 7, sieht darin einen Verstoß gegen den gewaltenteilenden Rechtsstaat, denn die Kontrolle einer geheimen Institution sei nicht möglich, diese müsse „zwangsläufig zur Überschreitung von Aufgaben und Kompetenzen" führen. 2

Dieser geht zurück auf Charles-Louis de Secondât Baron de la Brède et de Montesquieu, De l'esprit des Lois, 1749. 3

Wer sagt, die Gewaltteilungslehre sei heute die Lehre von der Durchbrechung der Gewaltenteilung, so etwa Leisner, DöV 69, 405, 406; Dobiey, S. 61, geht von der klassischen Gewaltenteilungslehre aus und macht diese zur Grundlage seiner Argumentation. Dabei wird verkannt, daß die geschichtlich gewachsene Verfassung nur in bezug zum jeweiligen Staat gesehen werden kann. Die Interpretation der Staatsgewalten unterlag einem geschichtlichen Wandel.

ΠΙ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

51

ten 4 . Dabei erfolgt eine „Funktionsverteilung nach Schwerpunkten'" 5. Die vom Volk ausgehende Staatsgewalt wird im Rahmen einer Kompetenzzuordnung zu den einzelnen Gewalten gegliedert 6. Eine Beschränkung der Kontrolle aus diesem Prinzip läßt sich nicht herleiten.

bb) Kernbereichstheorie Die funktionale Zuordnung an die verschiedenen Verfassungsorgane findet ihre Grenze dort, wo der verfassungsmäßig vorgesehene Kernbereich eigener Verantwortung liegt 7 . Ein solcher Kernbereich wird gefordert, um eine Gegenbegrenzung zum gewaltenverschränkten System zu finden. Wenn einem Staatsorgan keine eigene Verantwortung zugeordnet werden kann, entzieht es sich einer Kontrolle. Die Begründung des Kernbereiches der Eigenverantwortung kann nur begrenzt aus dem Verfassungstext gewonnen werden. Unterteilt Art. 20 I I 2 GG die staatliche Gewalt in die besonderen Organe der Rechtsprechung, der vollziehenden Gewalt und der Gesetzgebung, so muß sich begriffsnotwendig jede Gewalt von der anderen unterscheiden und eigene Kompetenzen besitzen. Viele der ins Feld geführten Argumente entstammen Zweckdienlichkeitserwägungen8. Fordert man den Kernbereich allein deswegen, um der Regierung

4

Vgl. zum folgenden insbesondere auch Maunz/Dürig/Herzog/Scholz; Art. 20 Kap. V Rn. 14 ff. 3

Stern Π, S. 531.

6

Eine Teilung findet nur in der Ausübung der Gewalt statt, Stern Π, S. 533. Für die Praxis ist dies im Ergebnis aber eine staatstheoretische Feinheit. 7

BVerfGE 9, 268, 280, unter Berufung auf BVerfGE 3, 225, 247; 7, 183, 188: „Nicht jede EinfLußnahme des Parlaments auf die Verwaltung bedeutet schon einen Verstoß gegen die Gewaltenteilung. (...) Erst wenn zugunsten des Parlamentes ein Einbruch in den Kernbereich der Exekutive erfolgt, ist das Gewaltenteilungsprinzip verletzt". Siehe auch BVerfGE 22, 106, 111; 30, 1, 27 f, 34, 52, 59; 67, 100, 130; 70, 324, 356.Weiterhin auch Stern Π, S. 541 f; Meyn, S. 216; Mößle, S. 215; Häberle, Verfassung, S 125; v. Einem, S. 179; Vogelsang, ZRP 88, 5, 7; Jarass/Pieroth, Art. 20 Rn. 16; siehe insbesondere auch Mengel, EuGRZ 84, 97, 102. 8 Etwa das Argument zweckdienlicher Spezialisierung bei Müller, S. 82, das Argument der Stärkung der Gewaltenteilung nach den Erfahrungen des Dritten Reiches, Leisner, Öffentlichkeitsarbeit, S. 67 f. oder das Argument, daß Verletzungen des Gewaltenteilungsprinzips schwer feststellbar sind und sich der Kernbereich somit als Ausdruck des Übermaßverbotes darstelle, Memminger, DöV 86, 15, 18.

52

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

einen unausforschbaren Initiativbereich zu erhalten 9, wird das Ergebnis zur Voraussetzung gemacht. Ein solcher Bereich 10 ist notwendig im Interesse einer Abgrenzung der Funktionszuordnungen, um eine Verantwortlichkeit zuweisen zu können. Ausschlaggebend aber dürfte die Grundentscheidung des Grundgesetzes für das Gewaltenteilungsprinzip sein als System einer gegenseitigen Kontrolle und Hemmung der Gewalten. Dies findet seinen Ausdruck in der gegenseitigen Begrenzung und Verschränkung der Gewalten. Eine solche kann aber nur stattfinden, wenn den einzelnen Staatsgewalten ein Bereich eigener Verantwortung zugewiesen ist, innerhalb dessen sie handeln können. Wenn eine Staatsgewalt eine andere in allen Bereichen beeinflussen kann, wäre deren Eigenständigkeit in weitesten Bereichen sehr eingeschränkt. Dies wäre kein vom Grundgesetz gebilligter Zustand 11 . Ein Kernbereich der Eigenverantwortlichkeit ist somit anzuerkennen 12. Nicht geklärt ist, wo die von der Verfassung geforderten Grenzen dieses Kernbereichs liegen, wann also die eigene Verantwortung der Staatsorgane nicht mehr gewährleistet ist. Der Kernbereich beginnt mit Sicherheit dort, wo eine Staatsgewalt gleichsam die Aufgaben einer anderen übernimmt 13 . Weitergehend wird auf die „wesenstypischen" Bereiche abgestellt14 oder auf eine Parallele zwischen dem Kernbereich einer Funktion zum Wesensgehalt eines Grundrechts 15. Auch wird die Entschließungskompetenz des Bundestages mit 9

Darauflaufen die Erwägungen von Müller, S. 84 ff, hinaus. Auch Thieme, S. 109 f, 118, folgert aus der „Regierungschance", der Chance, sich als Regierung politisch zu profilieren, einen der Einsichtnahme durch den Bundestag und insbesondere durch die Opposition verschlossenen Internbereich der Regierung. Dieser ergebe sich aus dem Mehrheitsprinzip. Hier wird in die falsche Richtung gefolgert: Nicht die Regierungschance begründet den Internbereich, sondern es verhält sich umgekehrt. 10

Genannt werden als Beispiele die Willensbildung innerhalb der Regierung („Selbstprogrammierung"), Schmidt-Aßmann, HbdStR, S. 1016; Sachbehandlungen in nachgeordneten Stellen, HambVerfG DöV 73, 745, 746; Prüfungen im Vorfeld der konkreten Entscheidung, Bay VerfGH Bay VB1 86, 234, 239, allgemein also die Planung und Vorbereitung eigener Entscheidungen, so auch Würtemberger, S. 277. Im übrigen erkennt auch Maurer, S. 164, den regierungsintemen Wülensbildungsprozeß als von anderen Einflüssen abgeschirmt an, insofern gibt es wohl auch seiner Auffassung nach etwas wie einen Kembereich. Kriele, S. 37, und Dobiey, S. 114, stellen explizit auf den Bereich der Willensbildung ab, wobei Dobiey den Aspekt der Verantwortung betont. 11

BVerfGE 34, 52, 59, 45, 127, 160; 68, 1 Leitsatz la; aber auch HessStGH, DöV 67, 51, 55, 56; HamVerfGDöV 73, 745; BremStGH DVB1. 89, 453, 456. 12

Zu den verschiedenen Ansatzpunkten in bezug auf eine Geheimhaltung zwischen Parlament und Regierung, siehe auch Mengel, EuGRZ 84, 97, 101, 102 mwN. 13

v. Mangoldt/Klein, Art. 20, S. 599.

14

Stem Π, S. 542; Böckenförde,Organisationsgewalt, S. 85 unter Berufung auf „Verfassungstradition, Sach- oder Funktionsnotwendigkeiten". 15

Ule, JZ 58, 628, 629.

ΠΙ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

53

der Gesetzgebungskompetenz gleichgesetzt, eine Grenze bilde somit lediglich der Art. 79 I I I GG 1 6 . Wie sich aus den vielen unterschiedlichen Erklärungsansätzen zeigt, ist eine genaue Abgrenzung dieses Bereiches nicht mit absoluter Trennschärfe möglich. Eine Abgrenzung hat auf die speziellen Anforderungen des jeweiligen Einzelfalles Rücksicht zu nehmen 17 . Entscheidend ist, daß es einen Verantwortungsbereich jeder Staatsgewalt geben muß, der gegenüber den anderen Gewalten abgegrenzt ist. Der Sinn der Gewaltenteilung, nämlich gegenseitige Kontrolle und Begrenzung, kann nur dann erreicht werden, wenn sich eine spezifische Verantwortlichkeit jeder Gewalt ermitteln läßt. Jene Verantwortlichkeit ist der Kernbereich 18 . cc) Parlamentarisches Regierungssystem Das Grundgesetz konkretisiert in einigen Vorschriften 19 das Demokratieprinzip des Art. 20 I GG durch eine Entscheidung zum parlamentarischen Regierungssystem 20. Das parlamentarische Regierungssystem zeichnet sich durch die Abhängigkeit der Regierung 21 vom Vertrauen des Parlamentes aus 22 , im Gegensatz etwa 16

Linck, ZRP 87, 11, 13.

17

Entgegen Thieme, S. 30 ff, läßt sich der Kernbereichsgedanke durchaus für eine Abgrenzung nutzbar machen, nur ist dies eben keine, die sich in eine allgemeingültige Formel pressen läßt. Im Sinne einer Einzelfallentscheidung auch Schneider, AöR 99, 628, 636. 18

Die Kernbereichslehre ist nicht ohne Kritik geblieben. Nicht nur der Mangel einer trennscharfen Abgrenzung wird angeführt, sondern ein Vergleich mit den vom Grundgesetz anerkannten Bereichen zeige, daß sich diese Lehre nicht auf den Bereich der Staatsgewalten übertragen lasse, Maurer, S. 149 ff. Der Vergleich etwa zu der gemeindlichen Selbstverwaltung oder dem Wesensgehalt der Grundrechte zeige, daß hier ein relativ geschütztes Umfeld fehle. Die Kembereichs-theorie sei im Prinzip nichts anderes als eine Reduzierung des klassischen Gewaltenteilungsmodells auf die Kernbereiche. Die Kompetenzzuordnung werde zur Gewaltenteilung. 19

Im System des Grundgesetzes folgt es aus Bestimmungen wie Art. 43 I, 44 I, 63, 67, 69 Π, 76 I, 77 I, 110 GG. Charakteristisch ist ein gewisses Übergewicht des Parlamentes, das die Exekutive in ihren Entscheidungen nicht beschränkt, aber auf politische Grundentscheidungen Einfluß nehmen kann. 20

Jarass/Pieroth, Art. 63 Rn. 1; Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 62, Rn. 61; Stern I, S. 765. 21 Eine genaue Definition dessen, was unter Regierung zu verstehen ist, gibt das Grundgesetz nicht, da der parlamentarische Rat den Begriff als ausreichend definiert ansah, Stern Π, S. 269. Nach allgemeiner Auffassung, siehe nur Scheuner, Regierung, S. 253, 278; Hesse, Rn. 531, zeichnet sich die Regierung dadurch aus, daß sie eine

54

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

zur Präsidialdemokratie in den USA, bei der der Präsident nicht vom Vertrauen des Parlamentes abhängig ist. Das parlamentarische Regierungssystem ist in seinem Bestand abhängig von der Ausgestaltung der Kernbereiche der einzelnen Gewalten. Aus seiner konkreten Ausgestaltung können auch Anhaltspunkte für den Umfang des jeweiligen Kernbereichs gewonnen werden. Die Begründung der Kernbereichstheorie liefert es nicht 23 . Hingegen ist eine parlamentarische Demokratie ohne ein entsprechendes Gewaltenteilungsprinzip nicht denkbar 24 . Beide Prinzipien stehen somit in einer unvollständigen Wechselbeziehung. Eine Begrenzung der Kontrolle läßt sich hieraus nicht ableiten.

dd) Demokratisches Mehrheitsprinzip Aus dem demokratischen Mehrheitsprinzip soll folgen, daß zwischen Regierung und Opposition ein funktionsangemessenes Kräftegleichgewicht herrscht 25 . Der Opposition dürften daher nicht so viele Informationen zufließen, daß „es zwischen Regierung/Regierungsmehrheit und Opposition zu einem Mehrheitsherrschaft auf Zeit und überhaupt Staatsführungseffizienz gefährdenden" 26 Zustand komme, bei dem die Opposition die Regierung um ihr

„dirigierende Kontrolle" der Verwaltung innehat und politische Leitentscheidungen trifft, durch die sie das „Gesetz [, das] zugleich Ausdruck des souveränen Willens (...) im modernen Rechtsstaat" ist, ausfüllt. 22

Creifelds, Stichwort „parlamentarisches Regierungssystem".

23

A.A. Thieme, S. 109, der die Begründung und den Umfang eines unantastbaren Kembereichs nur aus dem parlamentarischen Regierungssystem ziehen will. Ihm ist insofern zuzustimmen, als eine Kontrolle einen eigenverantwortlichen Bereich voraussetzt und als das parlamentarische Regierungssystem durch die Kontrolle der Regierung durch das Parlament gekennzeichnet ist. Dabei übersieht er aber, daß Kontrolle nicht erst durch das parlamentarische Regierungssystem vorausgesetzt wird, sondern schon durch das Gewaltenteilungsprinzip, da eine gegenseitige Abgrenzung und Ausbalanzierung der Gewalten sonst nicht möglich ist. Die Entscheidung zum parlamentarischen Regierungssystem muß bei der Inhaltsbestimmung des Kembereichs ergänzend herangezogen werden. 24

Dies wird dadurch untermauert, daß es in anderen demokratischen Systemen ebenfalls einen der jeweiligen Gewalt vorbehaltenen Kembereich gibt, gleichsam ein durch das Gewaltenteilungsprinzip vorgeschriebener „Mindeststandard". Nur der für die konkrete Verfassung entscheidende Kembereich wird durch die funktionelle Zuweisung der Staatsgewalt näher bestimmt. 23

Bogs, S. 209, 226.

26

Bogs, S. 209, 227.

ΠΙ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

55

für die „politische Selbstdarstellung wichtiges geschlossenes Auftreten" 27 bringe. Könne die Opposition noch nicht entscheidungsreife Überlegungen der Regierung medienwirksam gegen diese verwenden, so werde diese ihrer Handlungsfähigkeit beraubt und so das Prinzip der Chancengleichheit mit der Opposition verletzt. Hinter diesem Ansatz scheint die Meinung zu stehen, daß die Opposition nicht zu viele Informationen über die Regierung erhalten dürfe. Diese würde dann automatisch bei der nächsten Wahl abgewählt. Eine Minderheit soll durch ein informationelles Gleichgewicht eine von der Mehrheit getragene Regierung gleichsam mattsetzen können. Solches sind ergebnisorientierte Argumentationen, die neben der Anerkennung eines Kernbereichs der Eigenverantwortlichkeit schwerlich Platz greifen können. Hierunter fallt der Kernbestand der Planung, so daß die Erwägung unpopulärer Entscheidungen durch die Regierung nicht sogleich zu einem Aufschrei nationaler Empörung und somit zu einer faktischen Lähmung der Regierung erwächst 28.Hieraus läßt sich keine Begrenzung möglicher Kontrollen ableiten.

ee) Der Bereich der Judikative Im verfassungsrechtlichen Gefüge sind die Gerichte von Weisungen frei, die Richter genießen Unabhängigkeit 29 . Dadurch ist die Rechtsprechung aus der engen Verzahnung der Gewaltenverschränkung weitgehend herausgenommen 30 . Der Bereich der Judikative ist somit fast gesamt als Grenze im Sinne eines Kernbereichs anzusehen.

ff) Drittrechte Weiterhin kann eine Beschränkung aus Rechten Dritter erfolgen, namentlich aus den Grundrechten. Der private Bereich ist nach dem klassischen liberalen Staats- und Freiheitsideal vom staatlichen Bereich klar getrennt. Eine Grenze muß hiernach dort verlaufen, wo einer Gewalt Daten und Vorgänge aus dem 27

Thieme, S. 108.

28

Im übrigen geht diese Argumentation weit an der Wirklichkeit vorbei. Es ist nicht so, daß Gesetzentwürfe unter strengster Geheimhaltung im Bereich der Regierung konzipiert werden. In frühen Planungsphasen werden Verbände, Beamte und unter Umständen sogar der Bundesrat beteiligt. 29

Dies ergibt sich insbesondere aus den Vorschriften der Art. 19 IV; 20 ΠΙ, 92; 97; 1011 1 GG. 30

den.

Die Judikative ist in ihren Entscheidungen an die Vorgaben der Legislative gebun-

56

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Privatbereich der Bürger bekannt werden. Eben diese sollen von anderen Verfassungsorganen prinzipiell nicht ausgeforscht werden können, sofern es zu ihrer Aufgabenerledigung nicht unbedingt notwendig ist. Gleichwohl ist in der letzten Zeit auch privates Verhalten bei parlamentarischen Untersuchungen bedeutend gewesen31. Daneben können Sachverhalte aufgrund schutzbedürftiger Güter Dritter einem Erörterungsanspruch einer anderen Gewalt entzogen sein. In Betracht kommt etwa das Recht auf Leben und körperlicher Unversehrtheit von Kontaktpersonen. Ein solches Recht kann auch in dem allgemeinen Schutzgut der Sicherheit und des Wohles des Staates zu sehen sein 32 . Eine Grenze muß also dort bestehen, wo grundrechtlich geschützte Rechte Dritter bestehen. Dies folgt daraus, daß die staatliche Gewalt dem Bürger nicht als einheitlicher Machtkomplex gegenübersteht, sondern durch die Kompetenzzuordnungen gegliedert erscheint. Die unbeschränkte Weitergabe von Daten etwa innerhalb aller staatlichen Stellen widerspricht dem Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung33. Somit findet sich insbesondere in den Datenschutzgesetzen eine positivrechtliche Ausgestaltung dieser Grenze.

b) Folgen für die Ausgestaltung der Kontrolle Unter dem Grundgesetz findet Kontrolle in dem Rahmen statt, der ihm durch die Gewaltenverschränkung unter Beachtung des Kernbereichs vorgegeben wird. Die Möglichkeit der nachfolgenden Kontrolle wird nicht bestritten 34 . Hiermit ist die Bewertung fremden Handelns gemeint 35 . Daneben stellt sich die Frage, ob auch eine mitlaufende Kontrolle und sogar eine vorgreifliche Kontrolle möglich ist. Eine mitlaufende Kontrolle ist dem Grundgesetz nicht fremd. Das Interpellationsrecht der Abgeordneten kann sich auf noch nicht abgeschlossene Vor31

Man denke an den „Flick-UA U des 10. Bundestages oder den UA „Neue Heimat", BT-Drucksache X/6779. 32

Zum Antagonismus zwischen Öffentlichkeit und Geheimhaltungsbedürfhis auch näher S. 70 ff. 33

Siehe in diesem Zusammenhang auch die Überlegungen bezüglich des „informationellen Trennungsgebotes", S. 93 ff. 34

Zumal sie z.B. in Art. 1141 GG für die Finanzkontrolle explizit normiert ist.

33

Kewenig, S. 29; Thieme, S. 71; Witte-Wegmann, S. 111; Scheuner DöV 74, 433,

438.

ΠΙ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

57

gänge beziehen und zu einer Kontrolle der laufenden Geschäfte führen, soweit die Regierung gegenüber dem Parlament Rechenschaft ablegen muß. Auch im Bereich des Haushalts ist eine mitlaufende Kontrolle vorgesehen, die in § 22 S. 3 BHO positivrechtlich geregelt ist 36 . Die Zulässigkeit einer mitlaufenden Kontrolle darf nicht ohne weiteres aus dem parlamentarischen Regierungssystem gezogen werden. Die Exekutive bleibt in ihrer Gesamtheit dem Parlament gegenüber verantwortlich. Es ist somit verpflichtet, immer darüber zu befinden, ob die Regierung noch sein Vertrauen besitzt. Dies fordert zwar eine laufende Kontrolle, die sich aber auf die Summe der jeweils abgeschlossenen Vorgänge beschränken könnte. Eine Notwendigkeit auch bei laufenden Vorgängen kontrollierend mitzuwirken, folgt hieraus nicht. Eine mitlaufende Kontrolle wird dennoch für möglich gehalten. Sie wird im Sinne einer „wechselseitigen Einwirkung" 37 verstanden. Es entspricht der Aufgabe des Bundestages durch die Diskussion kritisch Stellung zu beziehen und so auf die zukünftige politische Gestaltung Einfluß zu neh38

men . Die Rechtsprechung scheint einen Gegenstandpunkt zu beziehen, wenn das Bundesverfassungsgericht formuliert, daß „die Kontrollkompetenz des Bundestages (...) sich demnach grundsätzlich nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge" 3 9 beziehe. Aus einer Gesamtschau dieses Urteils aber wird deutlich, daß in diesem Zusammenhang Kontrolle als ein regelndes Moment verstanden wird, durch das der Bundestag unmittelbar entscheidenden Einfluß nimmt. Ein solcher steht ihm aber während laufender Verhandlungen grundsätzlich nicht zu, hier obliegt es der Eigenverantwortung der Exekutive zu entscheiden, wie sie tätig wird. Eine mitlaufende Kontrolle in Form von Wertungen und Empfehlungen aber schließt diese Rechtsprechung nicht aus 40 .

36 Wenn Stem Π, S. 454, hier die politische Gestaltungsmöglichkeit in den Vordergrund stellt, so verkennt er, daß eine solche in der Realität eine Kontrolle darstellt, da das Parlament auch über die Wirtschaftlichkeit zu entscheiden hat, die eine Zweckmäßigkeitskontrolle beinhaltet. 37

Bäumlin, S. 250.

38

Schäfer, Bundestag, S. 228.

39

BVerfGE 67, 100, 139.

40

Der Blick auf die Verfassungswirklichkeit bestätigt, daß es eine mitlaufende Kontrolle gibt. Das gewaltenverschränkte System, das im Grundgesetz angelegt ist, geht in der Realität weit über die ursprüngliche Vorstellung hinaus. Zum einen ist die Willensbildung in Parlament und Regierung arbeitsteiliger und hierarchischer geworden. Nicht jeder Entscheidungsträger kann sich aufgrund der zunehmenden Komplexität der Materie in jedem Bereich eine eigene Meinung bilden, sondern ist in weiten Teilen auf Empfehlungen und Ratschläge anderer angewiesen. Die Fraktionen und mit ihnen die Fraktionsfuhrungen haben eine Machtfülle erlangt, die im Grundgesetz so nicht vorge-

58

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Eine vorgreifliche Kontrolle hingegen ist nur in beschränktem Umfang zu befürworten. Eine solche kann nur in der Zuteilung der Haushaltsmittel liegen wie auch in der Absprache über Grundsatzfragen. Die Ergebnisse solcher Gespräche mögen Leitlinien darstellen, eine Bindung an sie kann es nicht geben. Kontrolle kann eine die Entscheidungen beeinflussende Rückversicherung sein. Eine solche Rückversicherung darf sich nicht zu einem „Mitregieren" auswachsen, sondern muß sich als Form einer mitlaufenden Kontrolle darstellen. Es kann keinen Unterschied machen, ob eine Kontrollinstanz einen Fehler rügt, nachdem er begangen worden ist, oder ihn schon vorher mißbilligt. Die Grenzen mögen schwimmend sein, da eine mißbilligende Würdigung eines Verhaltens vielfach dazu führen wird, daß es unterbleibt. Damit würde eine Art negative Regierung etabliert. Dieser Gefahr kann nur dann begegnet werden, wenn der ausführenden Stelle gleichwohl die Kompetenz bliebe zu handeln, wie sie es für richtig hält. Gerade im Bereich von Entscheidungen auf unsicherer Prognosegrundlage mag sich die mißbilligte Entscheidung als die richtige herausstellen. Somit dürfen Konsequenzen erst im Bereich einer nachfolgenden Kontrolle geschaffen werden, nämlich wenn der Vorgang so weit abgeschlossen ist, daß eine Bewertung möglich ist. Eine mitlaufende wie auch eine vorgehende Kontrolle darf nicht dazu führen, daß der eigenständige Bereich der Regierung gehemmt wird, daß etwa in einen Entscheidungsprozeß lenkend eingegriffen wird oder daß die Verhandlungsfahigkeit geschwächt wird 4 1 . Bei konsequenter Beachtung des Kernbereichs sowie einer sanktionslosen vorgehenden und mitlaufenden Kontrolle bleibt ein genügender Abstand gewahrt, so daß eine solche Kontrolle der Exekutive durch das Parlament möglich ist. Solches wird durch die enge Verbindung beider Institutionen und durch das Wesen der parlamentarischen Kontrolle als politischer Kontrolle gefordert.

sehen war. Auch die sog. „Elephantenrunde" aus Parteivorsitzenden und Generalsekretären tendiert in Richtung eines Entscheidungsgremiums. Bei Gesetzesvorschlägen wirken die Regierung und die sie stützenden Fraktionen eng zusammen. Zum Teil werden, um eine frühe Beteiligung des Bundesrates zu vermeiden, Gesetzesvorschläge der Regierung durch die Regierungsfraktion eingebracht, krit. zum Problem von Initiative und Einbringung Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 76, Rn. 8a. Auch die Rechtsprechung des BVerfG kann von politischen Werturteilen und Notwendigkeiten geprägt sein, man vergleiche nur die mannigfaltige Kritik zum Urteil in Bezug auf die „Selbstauflösung" des Bundestages 1983, BVerfGE NJW 1983, 735 ff, siehe dazu auch Hirsch, S. 392 f, mit Hinweisen auf das Echo in der Öffentlichkeit. Wenn ein weitgehendes Zusammenwirken der Verfassungsorgane und politischen Entscheidungsträger aber existiert, erscheint es müßig, verfassungstheoretische Modelle zu entwickeln, die dieser Wirklichkeit keine Rechnung tragen. Bei einer derartig engen Zusammenarbeit auch während der Entscheidungsprozesse ginge die Verneinung einer mitlaufenden Kontrolle an der Realität vorbei. 41

Jerschke, Öffentlichkeitspflicht, S. 143; Thieme, S. 107; Müller, S. 102.

ΠΙ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

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Die gerichtliche Kontrolle kann sich nur auf eine nachträgliche Kontrolle beziehen. Eine Verfassungsbeschwerde etwa gegen ein Gesetz ist unzulässig, bevor dieses in Kraft getreten ist, § 93 I I I BVerfGG. Auch fehlt einer Klage gegen Verwaltungsinterna das Rechtsschutzbedürfhis. Andere Kontrollorgane der Verfassung, wie etwa der Rechnungshof, sind im Rahmen ihrer Kompetenz nicht auf eine nachfolgende Kontrolle beschränkt. Im Gefüge der Verfassung ist eine umfassende Kontrollkompetenz des Parlamentes zu bejahen, andere Staatsorgane sind an ihre zugeordneten Kompetenzen gebunden.

c) Folgerungen für den Bereich der Nachrichtendienste: Eine kooperative Kontrolle Liefern diese Erkenntnisse nur einen theoretischen Rahmen für die möglichen Kontrollen, so sind weitere Aspekte zu beachten, wenn man sie auf den Bereich der Dienste überträgt. Kontrolle darf nicht so weit gehen, daß sie Entscheidungscharakter erhält 42 , auf der anderen Seite kann Kontrolle nicht auf die bloße Kritik an der Tätigkeit eines anderen Staatsorgan beschränkt sein, wenn sie wirkungsvoll sein will 4 3 . Eine Kontrolle muß sicherstellen, daß sich die Dienste im Rahmen von Gesetz und Ordnung halten, an die sie verfassungsmäßig durch Art. 1 I I I GG gebunden sind. Da die Dienste dem Bereich der vollziehenden Gewalt zuzuordnen sind, bedarf es einer effektiven Gegenkontrolle durch eine diese begrenzende Staatsgewalt. Eine solche kann im Bereich der gesetzgebenden wie auch der rechtsprechenden Gewalt angesiedelt sein. Da eine Kontrolle sich nicht nur auf eine nachfolgende Rechtmäßigkeitskontrolle zu erstrecken braucht, können Organe der mitwirkenden Kontrolle 44 etabliert werden. Diesen müssen aber, um eine solche Mitwirkung gewährleisten zu können, umfassende Befugnisse und Informationsrechte zustehen. Eine Kompetenz hingegen, aus der kontrollierten Aktivität Folgen zu ziehen, darf ihr nicht zufallen. Eine mitlaufende Kontrolle würde sonst leicht die Trennlinie zur Aufsicht überschreiten, bei dem sie im Ergebnis die übergeordnete Entscheidungsfunktion erlangte. Eine mitlaufende Kontrolle aber kann keinen 42

Vgl. Meyn, S. 378.

43

Laband, S. 307, forderte grundsätzliche Folgen- und Wirkungsmöglichkeit; Meyn, S. 385, geht darüberhinaus, wenn er die bloße Kritikmöglichkeit nicht ohne weiteres unter den Begriff der Kontrolle fassen möchte. 44 Hierbei muß es sich um vom Parlament gewählte, in der Ausübung ihrer Kontrolle unabhängige Personen handeln. 5 Hirsch

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Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

aufsichtsrechtlichen Charakter haben. Formell würde ihr zu einer eigenen Steuerung nur das Initiativrecht fehlen. Eine Kontrolle setzt weiterhin zweierlei voraus. Zum einen muß das Kontrollorgan in ein System der Verantwortungsübernahme eingebunden werden, da nur so eine 'Kontrolle der Kontrolleure' möglich ist. Zum anderen muß sichergestellt sein, daß nicht nur die regierenden Parteien die Kontrollorgane beherrschen. Eine solche Kontrolle würde keinen Gegenpol darstellen, der zu einer Ausbalancierung der Machtverhältnisse führen würde 45 . Ein solcher Gegenpol ist schon gewährleistet, wenn in dem Kontrollsystem an wichtigen Stellen unabhängige Instanzen eingebaut sind, die Kontrolle muß nicht notwendigerweise von der Opposition ausgeübt werden. Daneben ist der Bereich der öffentlichen Meinung zu beachten. Kontrollorgane der Dienste müssen im verstärkten Maße das Vertrauen der Öffentlichkeit genießen. Ihr bleibt größtenteils nur eine nachfolgende Kontrolle in den Bereichen, in denen sie etwas erfahrt. Da ein Gesamtüberblick über die Tätigkeit fehlt, tendiert sie dazu, einzelne Vorkommnisse symptomatisch für die gesamte Tätigkeit zu sehen46. Weiterhin kann eine Kontrolle der Dienste in den Bereichen, in denen ein großes öffentliches Interesse herrscht, enger sein. Hier wird ein stärkerer Druck ausgeübt. Kontrolle setzt im Ergebnis die Übernahme von Verantwortung voraus. Damit sie wirksam sein kann, ist erforderlich, daß Entscheidungen auf ihren Träger zurückverfolgt werden können. Das widerspricht aber nicht einer Beteiligung am Entscheidungsprozeß. Hier können Abstimmungen und Rückversicherungen erfolgen. Entscheidend dabei ist, daß die Abstimmung nicht den Charakter einer Aufsicht bekommt. Das wäre der Fall, wenn das in der Entscheidungsfindung konsultierte Organ im Staatsgefüge dem verantwortungstragenden, d.h. entscheidenden, Organ dergestalt gegenüber gestellt wäre, daß ihm die Möglichkeit eingeräumt ist, Konsequenzen zu ziehen 47 . Ziel der Kontrolle der Dienste ist somit nicht nur ein System der nachfolgenden Fehlerkontrolle, sondern ein die Tätigkeit der Dienste begleitendes, in sich 43

Dies ist für den Bereich der Dienste bereits durch die Rechtsprechung des BVerfG geboten, BVefGE 70, 324. 46

Da aufgrund des Geheimhaltungsbedürfnisses der Dienste in erster Linie Skandale hohe Wellen schlagen, die alltägliche, rechtlich einwandfreie Arbeit hingegen nicht dargestellt werden kann, wirkt sich dieses hier besonders aus. 47

Nodi, S. 19, spricht hier von einem Gegensatzverhältnis iVm dem Begriff der Verantwortlichkeit. Wenn er allerdings folgert, daß nur der kontrollieren kann, dem gegenüber Verantwortung getragen wird, so ist das für das System der Bundesrepublik Deutschland zumindest verkürzend. Eine Kontrolle wird durch einen Informationsanspruch begründet. Wenn eine solche Stelle, an ein Organ berichtet, dem gegenüber Verantwortung getragen wird, so wird gleichwohl Kontrolle ausgeübt.

ΠΙ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

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ausgewogenes Kontrollsystem zu schaffen, das durch das besondere Vertrauen der Öffentlichkeit getragen sein muß. Eine solche Kontrolle ist mit den vorgenannten Prinzipien deutscher Verfassungstradition vereinbar. Die Kontrolle ist somit als kooperative Kontrolle zu klassifizieren. Dadurch aber wird ebenfalls deutlich, daß sich die Kontrolle im Bereich der Dienste nicht in das landläufige Schema von Kontrolle pressen läßt, sondern eine Sonderstellung einnimmt. Neben den Kontrollinstanzen im Bereich der allgemeinen Staatsverwaltung, die sich problemlos in das Schema einer Kontrolle einfügen lassen, bestehen besondere Kontrollmechanismen. Diese üben die kooperative Kontrolle aus, nach der ein Antagonismus zwischen Kontrolleur und Kontrolliertem nicht in aller Trennschärfe hervortritt. Dieses findet seine rechtsdogmatische Begründung in den kontrollbeschränkenden Prinzipien, die ebenfalls durch das Grundgesetz normiert werden 48 . Im Bereich der Dienste ist die kooperative Kontrolle besonders ausgeprägt 49. In diesem Bereich ist die Effektivität der Kontrolle vom Mitwirken des Kontrollierten abhängig. Hier bestehen somit zwei gegenläufige und zwei konvergierende Interessen auf Seiten der Kontrolleure und der Kontrollierten. Gegeneinander stehen die Geheimhaltungsinteressen und das Informationsinteresse, miteinander steht die Funktionsfahigkeit des staatlichen Kontrollgefüges und der Dienste 50 .

2. Der Antagonismus zwischen Geheimhaltung und Kontrolle Die Dienste sind bei ihrer Tätigkeit auf Geheimhaltung angewiesen. Das ist eine Voraussetzung ihrer Tätigkeit. Kontrolle selbst hat einen entgegenstehenden Aspekt, nämlich die Nachprüfung durch eine weitere Stelle, der Informationen preisgegeben werden müssen.

48

Dazu siehe unten.

49

Damit ist nicht gesagt, daß es sie nicht auch in anderen Bereichen gibt. Daß eine solche Kontrolle möglich sein muß, folgt schon aus dem gewaltenverschränkten System der Verfassung. 30

Dazu unten ausführlich. Zur Begründung der These sei an dieser Stelle vorweggenommen, daß dieses Gefüge auseinanderbrechen kann, wenn das gegenseitige Vertrauen zwischen Kontrolleur und Kontrolliertem enttäuscht wird. Entweder werden die Dienste versuchen, unter Berufung auf Sicherheitsinteressen mehr Informationen zurückzuhalten, oder die Kontrolleure wären gezwungen, stärkere Kontrollmittel einzusetzen. So sind etwa UA auf Seiten der Dienste gefürchtet, weil sie sich lähmend auf die Arbeitsleistung des betroffenen Dienstes auswirken, siehe dort.

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Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Es entsteht ein Spannungsfeld mit dem Gebot der Öffentlichkeit von Entscheidungen, das in der parlamentarischen Demokratie vorherrscht 51 . Im folgenden soll untersucht werden, inwieweit das Geheimhaltungsbedürfnis einer Kontrolle widerspricht, nicht hingegen die Eingriflfstätigkeit der Dienste in die Privatsphäre des Bürgers und die sich in diesem Zusammenhang stellenden Probleme des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung32.

a) Legitimation der Geheimhaltung Die Verfassung der Bundesrepublik Deutschland ist als wehrhafte Demokratie 5 3 ausgestaltet54. Anders als noch die Verfassung der Weimarer Republik verhält sie sich gegenüber Verfassungsfeinden nicht wertneutral. „Verfassungsfeinde sollen nicht unter Berufung auf Freiheiten, die das Grundgesetz gewährt, und unter ihrem Schutz die Verfassungsordnung oder den Bestand des Staates gefährden, beeinträchtigen oder zerstören dürfen" 55 . Das bedeutet, daß nicht erst die Verfassungsänderung als solche, sondern schon die daraufhinzielende Aktivität nicht mehr gebilligt werden kann. Das bedeutet gleichzeitig aber auch, daß hiervon auch Tätigkeiten betroffen sein können, die sich im verfassungsgemäßen Gefüge des Grundgesetzes halten 5 6 , zum anderen aber das Individuum in der Gesellschaft gewisse Einschränkungen seiner freien Entfaltung hinzunehmen hat, damit der Bestand der Verfassung gesichert ist. Dieses entspricht auch der gesicherten Rechtspre51

Heckel, EvStRL, S. 2198.

32

Hierzu ausfuhrlich Schatzschneider, Ermittlungstätigkeit, 1979. Dieses Verhältnis ist vielfach untersucht worden, hingegen nicht, inwieweit das Geheimhaltungsbedürfiiis im innerstaatlichen Bereich eine Kontrolle ausschließt. 33

Loewenstein prägte schon 1937 den Begriff der „streitbaren Demokratie", siehe Militant Democracy and Fundamental Rights, in: American Political Science Review, 1937. Im folgenden soll der Vorschlag aufgegriffen werden, statt „streitbarer" von „wehrhafter Demokratie" zu sprechen, da streitbar eine aggressive Konnotation enthält, die dem Prinzip des Grundgesetzes nicht entspricht. „Wehrhaft" trifft die Veifassungslage insofern besser, als die Demokratie des Grundgesetzes gegen Angriffe zu verteidigen und diesen abwehrbereit gegenüberzutreten, nicht aber von sich aus gegen andere Regierungsformen zu kämpfen hat. Die daneben in der Literatur vorgeschlagenen Begrifflichkeiten wie „abwehrbereit", „gedrosselt" oder „relativiert" betonen jeweils andere Aspekte. 34 Zum Begriff der wehrhaften Demokratie siehe die Hinweise bei Stem I, S. 195 Fn. 104. Eine Darstellung des Verständnisses der wehrhaften Demokratie in der Literatur und Rechtsprechung würde den Rahmen dieser Darstellung sprengen. 33

BVerfGE 30, 1, 19.

36

So wie es von der Mehrheit verstanden wird.

ΠΙ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

63

chung des Bundesverfassungsgerichtes 57. Eine gewisse Verkürzung der Freiheit des Einzelnen ist zum Schutze der freiheitlichen Demokratie somit unumgänglich 5 8 . Dies gilt allerdings nicht unbeschränkt, sondern nur im Rahmen der Wertordnung des Grundgesetzes 59. Die Geheimhaltung der Aktivitäten der Dienste ist eine faktische Notwendigkeit. Somit bedeutet Geheimhaltung in erster Linie Geheimhaltung vor der Öffentlichkeit. Öffentlichkeit soll hier in einem tatsächlichen Sinne verstanden sein als die Summe die der Allgemeinheit, d.h. „unbestimmt welchen und wie vielen Personen" 60, zugängliche Information. Damit eröffnet sich auch der schon angesprochene normative Sinn der Öffentlichkeit, nämlich die kritische Stellungnahme zu Problemen allgemeinen Interesses. Geheimhaltung im Bereich der Dienste geht aber einen Schritt weiter. Geheimhaltung bedeutet hier, daß es möglichst wenige geben soll, die einen Überoder Einblick in die Tätigkeit der Dienste haben. Hierzu zählt das in der Oganisationsstruktur der Dienste verwirklichte Prinzip der Abschottung 61 . Auch anderen staatlichen Organisationen soll möglichst kein umfassender Informationsanspruch zustehen. Insgesamt ist jedoch scharf zu trennen zwischen staatlichen Stellen und der Öffentlichkeit 62 . 37 „(...) die Spannung Individuum - Gemeinschaft [ist] im Sinne der Gemeinschaftsbezogenheit und Gemeinschaftsgebundenheit der Person entschieden" worden, BVerfGE 65, 1, 44; siehe auch BVerfGE 4, 7, 15; 8, 274, 329; 27, 1, 7; 27, 344, 351 f; 33, 303, 334; 50, 290, 353; 56, 37, 49. 38

A.A. Hesse, Rn. 694.

39

Wenn Friedrichs, S. 62, in diesem Bereich aufgrund der Entscheidung für die streitbare Demokratie schwerwiegendere Eingriffsmöglichkeiten befürworten möchte als in den anderen Bereichen staatlichen Handelns, so ist das sehr bedenklich, da die Sicherheit des Staates als hohes Verfassungsgut „mit anderen im gleichen Rang" steht, BVerfGE 49, 24, 56, also nicht als grundsätzlich höheres Gut alle anderen Schutzgüter der Verfassung überlagert. Hierin zeigt sich eine Wechselbeziehung zu anderen Schutzgütern, in dem der Staat eben nicht jede Betätigung, die gegen die momentan herrschende Wertorientierung gerichtet ist, unterbinden kann, sondern neuen Entwicklungen gegenüber offen sein muß. 60

RGSt 21, 254, 255.

61

Ritter, S. 69. Dieses System ist notwendig, damit Mitarbeiter keine Querschnittserkenntnisse erlangen können. 62

Müller, aaO, setzt wohl Parlamentsplenum mit der allgemeinen Öffentlichkeit gleich, was unter dem Postulat der Öffentlichkeit seine Berechtigung haben mag. Dies verwischt die Grenzen zwischen dem staatlichen und dem öffentlichen Bereich. Zum einen wird der Geheimschutzordnung des Bundestages dabei keine Bedeutung zugemessen (die sich in der Realität auch nicht als zweckmäßig erweist), zum anderen wird die filternde Funktion einer nichtöffentlichen Sitzung übersehen.

64

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis b) Geheimhaltungsgründe aus der Sphäre der Staates

Die Geheimhaltung wirkt sich auf die Kontrolle der Dienste aus, die sich von den Kontrollen der anderen Staatstätigkeiten grundlegend unterscheidet. Hierbei ist auf die Schutzgüter, um deren Willen eine Geheimhaltung betrieben wird, entscheidend abzustellen. Im Spannungsfeld stehen zum einen Schutzgüter des Staates, da das Ziel der Dienste der Schutz der Sicherheit und des Bestandes der freiheitlich demokratischen Grundordnung und somit der Bestand des Bundes und der Länder ist.

aa) Das Schutzgut der Verfassung Es obliegt dem Staat, den Bestand der Verfassung mit exekutivischen Mitteln zu garantieren 63 . Hierbei kommt der Exekutive eine besondere Verantwortung zu, aber auch alle anderen Verfassungsorgane sind berufen, zum Schutz der Verfassung zusammenzuwirken. Schutzgut ist dabei im besonderen die freiheitlich demokratische Grundordnung 64 . Dem Staat als „verfaßter Friedens- und Ordnungsmacht" 65 obliegt es dabei nicht nur, Frieden und Recht zu gewähren, sondern sich schützend und fördernd vor die in den Grundrechten garantierten Werte zu stellen 66 . In der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts folgen aus dieser Verpflichtung

63

Müller, S. 324.

64

BVerfGE 2, 10, 12: „Freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes ist eine Ordnung, die unter Ausschluß jeglicher Gewaltherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und der Gleichheit darstellt. Die freiheitlich demokratische Grundordnung ist das Gegenteil des totalen Staates, der als ausschließliche Herrschaftsmacht Menschenwürde, Freiheit und Gleichheit ablehnt."; ähnlich BVerfGE 5, 85, 140. In denfrühen Entscheidungen des BVerfG wurde die freiheitlich demokratische Grundordnung aus den Art. 5; 9 Π; 18; 20 IV; 21 Π; 98 Π GG gefolgert. Nach BVerfGE 30, 1 zählt auch Art 10 Π GG dazu In BVerfGE 39, 334 wird zusätzlich auf Art. 2 I; 79 DI; 91 GG abgestellt. Diese Definition ist weitgehend akzeptiert. Sie bindet wegen § 31 BVerfGG alle Verfassungsorgane von Bund und Ländern, alle Gerichte und Behörden. Ein allgemeiner Konsens, was im Einzelnen unter der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu verstehen ist, existiert nicht, vgl. Becker, HbdStR VE, 309, 339. 63 66

Scholz/Pitschas, S. 110.

BVerfGE 49, 24, 56 fund BVerwGE 49, 202, 209 weisen auf die Pflicht des Staates hin, die Sicherheit seiner Bürger und deren Vertrauen in die Funktionsfahigkeit der staatlichen Institutionen zu schützen.

Ι . Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

65

Konsequenzen für die objektive Wertordnung des Staates67. Den Staat trifft damit eine verfassungsrechtliche Verpflichtung, das „Grundrecht auf Sicherheit" 6 8 effektiv zu gewährleisten. Eine effektive Gewährleistung aber setzt ein gewisses Maß an Geheimhaltung auch innerhalb der staatlichen Sphäre voraus 69 . Im Gefüge der freiheitlich demokratischen Grundordnung sind die der Verfassung zugrundeliegenden Prinzipien in eine Wertordnung zusammengefaßt 70 Hier wurde ein komplexes System geschaffen, in dem die verschiedenen Verfassungsgüter in einen Einklang gebracht werden. Das bedeutet, daß zum einen schrankenlos gewährte Grundrechte verfassungsimmanente Schranken erhalten 71 , zum anderen der Bestand des Staates nicht absolut in Form eines totalen Staatsschutzes gewährleistet ist 72 . Die freiheitlich demokratische Grundordnung stellt sich somit als ein Grundkonsens 73 über ein dem Grundgesetz immanentes Wertesystem dar, innerhalb dessen eine friedliche Diskussion unter Beachtung der gegenseitigen Würde und in Achtung vor der Meinung des anderen möglich ist 74 .

67

Darauf weisen Scholz/Pitschas, S. 111, ausdrücklich hin. Gleichzeitig kommt ihnen weitergehend auch eine grundrechtliche Anspruchsqualität zu, siehe dazu auch sogleich. 68

Siehe hierzu ausführlich Isensee, S. 33 ff.

69

Zum ersten kann eine Gefahrdung der Sicherheit des Staates auch aus seiner eigenen Sphäre kommen, so etwa wenn ein Beamter Staatsgeheimnisse an eine fremde Macht verrät. Zum anderen steigt mit dem Kreis der informierten Personen das Risiko der Verletzung einer Geheimhaltungspflicht. 70

Schmidt-Bleibtreu/Klein, Einl. Rn. 49: Die freiheitlich demokratische Grundordnung umfaßt nicht nur die im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechte, sondern auch z.B. das Prinzip der Volkssouveränität, die Chancengleichheit der politischen Parteien usw. 71

Siehe dazu S. 84.

72

BVerfGE 49, 24, 56 mit Berufung auf frühere Entscheidungen.

73

„Dies alles (d.h. der Schutz des Rechtsstaates) gelingt aber wiederum nur, wenn die Akzeptanz beim Bürger, wenn seine Loyalität zum demokratischen Rechtsstaat gewährleistet ist "; Scholz, Thür VwBl. 95, 1, 2 ff; „Die Demokratie lebt vom Willen der Bürger zu dieser Staatsform."; Gusy Jura 95, 226, 234. 74 Auf die Diskussion um die wehrhafte Demokratie soll in diesem Zusammenhang nicht weiter eingegangen werden. Es besteht weitgehend Einigkeit, daß die wehrhafte Demokratie nicht ohne einen Schutz gegen veifassungsfeindliche Bestrebungen von innen oder außen auskommen kann, aA etwa die Thesen der Humanistischen Union, aaO. Schutzgut der wehrhaften Demokratie ist die freiheitlich demokratische Grundordnimg. In diesem Zusammenhang soll nicht untersucht werden, welche Eingriffsbefugnisse sich aus dem Wesen der wehrhaften Demokratie folgern lassen, sondern es soll auf das Schutzgut der freiheitlich demokratischen Grundordnung abgestellt

66

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Die freiheitlich demokratische Grundordnung kann nicht als mit der „bestehenden Ordnung" identisch 75 verstanden werden, sondern muß auch gesellschaftlichen Randgruppen die Möglichkeit bieten, im Rahmen der verbürgten Grundsätze eine andere Ordnungsstruktur etablieren zu können 76 . Geschützt wird also nicht die bestimmte Gestalt der freiheitlich demokratischen Grundordnung, die sie unter den Normen des Grundgesetzes angenommen hat, sondern die zu ihr gehörenden Grundprinzipien 77 . Einig ist man sich, daß dieser Begriff einen faßbaren Kern haben muß 78 . Der Staat muß somit die Voraussetzungen schaffen, sich aktiv zum Schutz der freiheitlich demokratische Grundordnung einsetzen zu können 79 . A n diesem Punkt gelangt man zu einer grundlegenden Frage, die eine bedeutende Rolle bei der Auffassung von Kontrolle im Bereich der Dienste spielt.

werden. Wehrhafte Demokratie bedeutet nicht, daß staatliche Institutionen sich von einer Kontrolle lossagen können, sondern bedeutet Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung. Insofern ist es mit dem Wesen der wehrhaften Demokratie durchaus vereinbar, eine wirksame Kontrolle zu besitzen, denn diese schützt die Verfassungswerte ebenfalls. Die Dienste sind gegen rechtswidriges Handeln nicht gefeit. 73

So aber Ruhrmann NJW 56, 1817.

76

Schatzschneider, S. 25; Hamann/Lenz, S. 317.

77

Hamann/Lenz, S. 318; BVerfGE 2, 10, 12: „(...) die vom Grundgesetz gewählte besondere Gestaltungsform der freiheitlich demokratischen Grundordnung (...)". 78 Siehe nur Dürig in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 18 Rn. 57. Wer sich gegen sie stellt, muß mit empfindlichen Nachteilen rechnen. In diesem Zusammenhang ist auch die Kritik laut geworden. Preuß, S. 453, sieht in der freiheitlich demokratischen Grundordnung eine über dem System der Verfassung angesiedelte Wertordnung, die aus ihrer Wertgebundenheit einen streitbaren Charakter erhält. Dadurch würden im Bereich der Exekutive und stärker im Bereich der Legislative Spielräume entstehen, die gegen vermeintliche Gegner verwendet werden können. Dies sei rechtsstaatlich durchausfragwürdig. Denninger, Freiheitlich Demokratische Grundordnung, S. 8 sieht durch die „Überantwortung der Interpretations- und Verfügungsherrschaft an die Exekutive" für diese durch die Konzeption der freiheitlich demokratischen Grundordnung „kontrollfreie politische Machtmittel". Durch das Konzept der freiheitlich demokratischen Grundordnung im Zusammenspiel mit der wehrhaften Demokratie werde ein statisches Gebilde geschaffen, so Greiffenhagen, S. 67, so daß an die Stelle des unangreifbaren Staates die unangreifbare Verfassung getreten sei. Die deutsche Verfassung stelle, anders als die angelsächsische, kein „Forum für politische Auseinandersetzungen" dar. Siehe auch Christian Graf v. Krockow, zitiert nach Jaschke, S. 237 Fn. 34: „Wer aus Angst vor möglichen Veränderungen die offene Verfassungsordnung mit angeblich vorgegebenen Grundwerten und Wahrheiten armiert, sie gleichsam zur Bunkerlinie und Festung macht - für den muß natürlich jeder, der diese Wahrheiten nicht anerkennt oder andere proklamiert, in die Schußlinie geraten und zum Verfassungsfeind werden." 79

Jeand' Heur, JZ 95, 161, 162, ausführlich Scholz, Thür VwBl. 95, 1, 2 ff.

ΠΙ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

67

Hier gibt es zwei Grundauffassungen. Es kann zwischen einer „normativen" und „kritischen" 80 Position unterschieden werden 81 . Freiheit und Toleranz gehören zu den Grundgarantien des Rechtsstaates, zu den „grundrechtlichen Wertentscheidungen des Grundgesetzes" 82. Diese bedürfen zwingend einer gewissen Einschränkung in einem pluralistischen Staatsgefüge. Soweit stimmen beide Meinungen überein 83 . Die „normative" Position betont weitergehend den Staatsschutz und setzt den Schutz der Verfassung und damit der freiheitlich demokratischen Grundordnung als oberstes Ziel. Dabei wird eine Beschränkung der Freiheit um der Freiheit willen hingenommen 84 . Anders hingegen die „liberale" Position, die freiheitlich demokratische Grundordnung nicht als eine über dem Grundgesetz stehende „Superlegalität" 85 ansehen möchte. Die „normative" Position sieht die Aufgabe des freiheitlichen Rechtsstaates darin, genau die Freiheiten zu schützen, da sonst die Gefahr bestehe, daß die „bindungslose Selbst-Bestimmung"86 zur Basis von Gewalttätigkeit und Unterdrückung wird. Die „liberale" Position zieht diese Konsequenz nicht, sondern sieht in der Möglichkeit, verschiedenste Auffassungen zu vertreten, die Grundlage demokratischer Regierungsform. Durch die „normative" Position laufe die Differenzierung zwischen Verfassungstreue und Verfassungsgegnerschaft auf eine mit der Interpretation des Grundgesetzes durch die vorherrschende Ansicht übereinstimmende Gesinnung zurück. Dies sei im Ergebnis nichts anderes als die Freund/Feind-These Carl Schmitts 87 . Im Vordergrund hätte eine liberale 80

Um eine wertende Konnotation zu vermeiden, wird im weiteren von einer „liberalen" Position gesprochen. 81

So Jaschke, S. 232. Siehe zu diesen Positionen auch Scholz, Thür VwBl. 95, 1, 2.

82

Scholz, Thür VwBl. 95, 1, 2.

83

So auch Jeand' Heur, JZ 95, 161, 162.

84

Die Bundesrepublik Deutschland ist eben nicht wie Weimar eine wertfreie Demokratie. Im Gegensatz zur Bundesrepublik Deutschland mußte Weimar, wenn es seinem Konzept treu bleiben wollte, „eine auf Vernichtung der Demokratie gerichtete Bewegung dulden, (...) ihr wie jeder anderen politischen Überzeugung die gleichen Entwicklungsmöglichkeiten gewähren", wie Kelsen kritsch anmerkte, zitiert nach Herzog, S. 1. 83

Jaschke, aaO.

86

Scholz aaO.

87

Schmitt, Begriff des Politischen, S. 46 ff: „Die Leistung eines normalen Staates besteht aber vor allem darin, innerhalb des Staates und seinem Territorium eine vollständige Befriedung herbeizuführen, >Ruhe, Sicherheit und Ordnung< herzustellen und dadurch die normale Situation zu schaffen, welche die Voraussetzung dafür ist, daß Rechtsnormen überhaupt gelten können, weil jede Norm eine normale Situation voraussetzt und keine Norm für eine ihr gegenüber völlig abnorme Situation Geltung haben kann.

68

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Rechtsstaatlichkeit zu stehen, Demokratie sei in der Tradition der Aufklärung partizipationsorientiert. Ein ausreichendes Regulativ finde sich in der Gemeinschaft des demokratischen Staatsvolkes. Das Bundesverfassungsgericht scheint einen vermittelnden Weg zu beschreiten. 88 . Im Ergebnis stellt dies aber ein Bekenntnis zur „normativen" Auffassung dar, da hier die freiheitlich demokratische Grundordnung als ein die Grundrechte einschränkendes Prinzip anerkannt und auf eine Einzelfallabwägung verwiesen wird. Die wehrhafte Demokratie schwankt zwischen einem freiheitsbeschränkenden Machtapparat und der Wertneutralität der Weimarer Zeit. Einigkeit besteht nur darin, daß der der Demokratie verpflichtete Staatsbürger der beste Garant gegen eine Unterwanderung der freiheitlich demokratischen Grundordnung sei 89 . Ein Konsens besteht darin, daß der Staat die freiheitlich demokratische Grundordnung zu schützen habe. Uneinigkeit besteht darüber, welcher Aspekt durch die Verfassung stärker betont wird; der Schutz durch den Staat oder die freiheitlichen Grundrechte der Bürger. Abhängig davon, welcher Position man den Vorzug gibt, folgt aus dem Prinzip der freiheitlich demokratischen Grundordnung eine unterschiedliche Stellung der Dienste innerhalb des Verfassungsgefüges. Die „normative" Position wird weitergehende Einschränkungsmöglichkeiten gegenüber den Kontrollinstanzen fordern.

bb) Das Staatswohl Der Staat tritt als Garant für die in der freiheitlich demokratischen Grundordnung verankerten Güter auf. Daher weist sein Bestand einen Bezug für die genannten Schutzgüter auf 90 .

Diese Notwendigkeit innerstaatlicher Befriedung fuhrt in kritischen Situationen dazu, daß der Staat als politische Einheit von sich aus, solange er besteht, auch den >inneren Feind< bestimmt." Eine innerstaatliche Feinderklärung gebe es daher in allen Staaten. (Hervorhebungen im Original) 88

BVerfGE 40, 202, 209: „Die Sicherheit des Staates als verfaßter Friedens- und Ordnungsmacht und die von ihm zu gewährleistende Sicherheit seiner Bevölkerung sind Verfassungswerte, die mit anderen im gleichen Rang stehen und unverzichtbar sind, weil die Institution Staat von ihnen die eigentliche und letzte Rechtfertigung herleitet.". 89 Hesse, Rn. 392; Jasper, DVB1. 78, 725; Scheuner, Verfassungsschutz, S. 326; Isensee nach Herzog, S. 17; aber auch schon Rotteck, S. 294, schrieb 1840, daß „das imponirende Vorhandenseyn moralischer Kräfte auf Seite der Constitutionsfreunde (...) schon vom Angriffe" abhalte. 90

Hiermit soll keine Vermengung der Begriffe des Verfassungsschutzes und des Staatsschutzes erfolgen. Auch ein anderer Staat kann in der Lage sein, diese Güter zu schützen. Daher fehlt es jedem konkreten Staat an einer absoluten Legitimation, seinen

ΠΙ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

69

Im Ergebnis dürfte eine allgemeingültige Definition dessen, was das Staatswohl ausmacht, nicht zu einem befriedigenden Ergebnis führen, da in jeder denkbaren Definition wertende Aspekte einfließen werden 91 . Somit erstaunt es wenig, wenn der Begriff des „Staatswohls" nicht nur einem geschichtlichen Wandel unterliegt, sondern auch eng mit den vorherrschenden politischen Wertvorstellungen zusammenhängt92. Das „Staatswohl" an sich ist somit ein Gut im Rahmen des Verfassungsschutzes. Aus ihm aber folgt keine Einschränkung einer Kontrolle.

cc) Schutz der Funktionsfahigkeit Geheimhaltungsverpflichtungen treffen den Staat insoweit, wie sie für die Erfüllung der Aufgabe der Dienste notwendig sind. In den Gesetzen, die die Tätigkeit der Dienste regeln, ist eine Versagung der Auskunft vorgesehen, wenn eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung des Dienstes zu befürchten ist 93 . Die Dienste sind bei ihrer Aufgabenerfüllung von ihrem Nachrichtenzugang abhängig, der im Bereich der verdeckten Erhebung häufig von Kontaktpersonen sichergestellt wird. Ohne diese Quellen ist keine Vorfeldbeobachtung möglich. Ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit sinkt rapide, wenn die Quellen befürchten müssen, daß ihre Identität preisgegeben werden könnte. Dabei kommt es weniger auf Geheimhaltungsvorkehrungen und deren Effektivität bei den Kontrollinstanzen an, sondern „auf die Optik durch die Quelle" 94 . Weitgehende Öffentlichkeit wirkt sich in der Realität hemmend auf den Nachrichtenzugang aus. Eine Geheimhaltung ist somit auch aus Gründen des Nachrichtenzugangs erforderlich.

Bestand über den der Güter der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu stellen. Er hat hingegen die Verpflichtung, sich und seine verfassungsmäßigen Einrichtungen so weit zu schützen, wie es für die Garantie dieser Güter notwendig ist. 91

Siehe zur Diskussion um den Begriff des Staatswohls im Zusammenhang mit den Vorschriften des Landesverrates Kohlmann, S. 113 ff. 92 So ist die Bemerkung Bockelmanns, zit. nach Kohlmann, S. 114, zu verstehen, wenn er eine Abhängigkeit der Auslegung des Staatswohls mit der jeweiligen Regierungspartei sieht. 93 So explizit § 15 Π Nr. 1 BVerSchG, auf den § 9 MADG bzw. § 7 BNDG verweisen. Siehe im übrigen die entsprechenden Regelungen in den Landesgesetzen über die LfV. 94

So ein Mitarbeiter einer Verfassungsschutzbehörde.

70

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis c) Geheimhaltungsgründe aus der Sphäre Privater

Rechte Privater kommen weiterhin als Schutzgut im Rahmen einer Geheimhaltung in Betracht. Sie bilden einen allgemein zu schützenden Wert, der zu einer Geheimhaltung führen kann. In diesem Bereich entsteht ein Paradoxon. Die Verfassungsgüter zum Schutz des Einzelnen werden eingeschränkt, um sicherzustellen, daß diese auch weiterhin bestehen95. Das aus der Verfassung folgende „Grundrecht auf Sicherheit" hat nicht nur Bedeutung für eine objektiv-rechtliche Wertentscheidung, sondern ihm kommt grundrechtliche Qualität zu 9 6 . Dieses Grundrecht steht im Wertgefüge der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Ihm können somit nicht alle anderen Verfassungswerte untergeordnet werden, insbesondere unterliegt es auch dem Übermaßverbot 97. Somit folgt aus ihm eine Verpflichtung zur Geheimhaltung auch im innerstaatlichen Bereich. Besonders im Bereich der Dienste sind solche Drittrechte zu beobachten, da sie auf Informationen durch „Quellen" angewiesen sind. Das Recht auf Leben 98 aus Art. 2 I I GG stellt im Verhältnis zum Staat nicht nur ein Grundrecht im status negativus dar, sondern „gebietet dem Staat auch, sich schützend und fordernd vor dieses Leben zu stellen, es insbesondere vor rechtswidrigen Ein-

93

Jahrreiss, S. 78,fragte angesichts dieses Paradoxons, welche Einschränkungen eine Demokratie aushalte, bevor sie aufhöre, Demokratie zu sein. Hesse, aaO, weist darauf hin, Freiheit als Wesensmerkmal einer Demokratie lasse sich nicht durch die Verkürzung von Freiheit sichern. 96

Diesem „Grundrecht auf Sicherheit" kommt, wie Scholz/Pitschas, S. 111, betonen, kein subjektiv-öffentlicher Anspruch im Sinne eines Leistungsrechtes zu. Sein Grundrechtsgehalt liege jenseits des leistungsstaatlichen status positivus. Besonders deutlich wird dies daran, daß die Verfassung nicht vorschreibt, aufweiche Weise dieses Grundrecht zu verwirklichen sei. 97

Die Komplexität der Werte, die in eine praktische Konkordanz gebracht werden müssen, wird hier besonders deutlich. Der Verwirklichung dieses Grundrechtes dürfen nicht alle anderen Verfassungswerte untergeordnet werden, da sie sonst in sich im Verhältnis zum Staat Gefahr laufen, ausgehöhlt zu werden. Die unter Umständen effektivste Gewährung der Sicherheit kann in sich verfassungswidrig sein, der totale Überwachungsstaat ist durch die Verfassimg verboten. Daneben fordert das „Grundrecht auf Sicherheit" auch eine effektive rechtsstaatliche Kontrolle der zum Schutze der freiheitlich demokratischen Grundordnung aufgerufenen Organe. Diese aber kann in sich ebenfalls Beschränkungen aufweisen, die aus den objektiven Wertentscheidungen der Verfassung resultieren. 98 Auch andere Grundrechte, die ein Leistungsrecht gegen den Staat geben, können eine Geheimhaltung nötig machen. Hier soll anhand von Art. 2 Π GG die Pflicht zur Geheimhaltung dargestellt werden.

ΠΙ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

71

griffen von Seiten anderer zu bewahren" 99 . Das Leben ist ein hohes Schutzgut der Verfassung, es bildet gleichsam ihre Grundlage. Wie allerdings der Staat seine Schutzpflicht zu erfüllen hat, ist in seine Verantwortung gestellt 100 . Somit ergibt sich eine Pflicht des Staates, das Leben seiner Informanten zu schützen, indem er ihre Identität geheimhält oder auch seine Arbeitsweise, um eine Enttarnung zu vermeiden. Das damit angesprochene Problem des Quellenschutzes101 stellt sich in weiterer Hinsicht. Neben dem den Quellen zu gewährenden Schutz ihres Lebens und ihrer körperlichen Integrität kommt der Aspekt des „Verbrennens einer Quelle" zum Tragen. Hier ist abzuwägen zwischen dem weiteren Nachrichtenzugang und den damit gewonnen Vorteilen für den Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung und etwa dem sichereren Durchsetzen des staatlichen Strafanspruchs vor Gericht. Hier ist auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung einzuordnen, das sich aus Art. 2 I iVm 1 I GG ableitet 102 . Dieses wird nicht schrankenlos gewährt, sondern es kann im Interesse der Allgemeinheit eingeschränkt werden 1 0 3 . Gewährt wird das Recht, selber darüber zu entscheiden, was aus der persönlichen Lebenssphäre bekannt wird und wann das geschieht 104 . Dieses Recht ist in vielen Einzelverbürgungen explizit gewährt, etwa im Schutz der Privatsphäre, dem Gegendarstellungsrecht und dem Schutz vor Selbstbezichtigung 1 0 5 . Aus ihm folgt, daß der Staat seine Informationsgewinnung nicht auf das technisch Machbare ausweiten darf, sondern die Grenzen, die sich aus der 99

BVerfGE 39, 1,42 ff.

100

BVerfGE 56, 54. Die Zusage von Vertraulichkeit, die im Rahmen des Opportuniätsprinzips abgegeben wurde, verdrängen nicht die Normen der geordneten Rechtspflege, eine Preisgabe der Identität kann aus Ermessenserwägungen gleichwohl erfolgen, OLG Karlsruhe NJW 86, 145, 146. 101

Roewer, S. 123.

102

Die Rechtsprechung tendiert dazu, dieses Recht auch Personenmehrheiten, so etwa Parteien, zuzugestehen. Siehe dazu ausführlich Bär, Bay VwBl. 94, 427, 430, der die Entwicklung in der Rechtsprechung referiert und eine Gegenposition vertritt. 103

Lerche, Geheimschutz, S. 122, unterscheidet zutreffend zwischen Staatsgeheimnissen und privatem Geheimbereich. Er weist dabei auf die Verflechtung hin, wenn staatliche Geheimhaltung zugleich privaten Persönlichkeitsschutz bezweckt. 104 103

BVerfGE 65, 1, 42; 80, 367, 373; EuGRZ 93, 415, 419.

Der Streit, inwieweit die Anerkennung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung die vielfach kritisierte Sphärentheorie abgelöst hat, spielt hier keine Rolle, vgl. im einzelnen Pieroth/Schlink, S. 100 mwN. Wichtig in diesem Zusammenhang ist, daß es einen letzten unantastbaren Bereich privater Lebensgestaltung gibt, der der öffentlichen Gewalt nicht zugänglich ist. Selbst schwerwiegende Allgemeininteressen können einen Eingriff nicht rechtfertigen, BVerfGE 80, 367, 373. Dieser Bereich stellt somit den Wesensgehalt des Grundrechtes dar.

72

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Persönlichkeit und Würde des einzelnen ergeben, zu beachten hat 1 0 6 . Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist in erster Linie als Grenze staatlicher Eingriffstätigkeit im Verhältnis zum Bürger erörtert worden 107 . Damit widerstreitet vor allem das Prinzip der staatlichen Informationsvorsorge, die notwendig ist, um die Erfüllung staatlicher Aufgaben zu gewährleisten. Das hier in Frage stehende Informationsverhalten des Staates hat jedoch eine strukturell andere Wertigkeit. Die über einen Bürger anfallenden Daten sind im Verhältnis der Kontrollinstanzen untereinander nur ein Nebeneffekt, nicht aber Ziel der Tätigkeit. Dieses liegt vielmehr darin, darüber zu wachen, ob die staatlichen Einrichtungen im Rahmen ihrer gesetzlichen Ermächtigung gehandelt haben. Die Kontrollfunktion eines staatlichen Organs hat somit im Verhältnis zum Bürger eine andere Wertigkeit als die Staatsaufgaben im Rahmen der Leistungs- und Eingriffsverwaltung. Wenn der Staat einmal im Allgemeininteresse in das Schutzgut der informationellen Selbstbestimmung eingegriffen hat, so bedeutet das nicht, daß es dadurch aufgehoben wird. Auch innerhalb des staatlichen Gefüges kann es einer Weitergabe entgegenstehen. Die vielfach zitierte „Einheit der Staatsgewalt" 108 greift im Gefüge des Staates nicht ein. Die Befürworter, die behaupten, daß, wenn eine Stelle des Staates eine Information besitze, diese gleichzeitig vermöge der Einheit des Staates als Erkenntnis- und Handlungsobjekt auch allen anderen Stellen zur Verfügung stehe, übersehen, daß der Staat mehr als nur die Exekutive ist. Wer einen unbeschränkten Datenfluß zwischen allen Behörden, insbesondere den Sicherheitsbehörden, mit diesem Argument befürwortet, gleichzeitig aber Beschränkungen im Informationsfluß der verschiedenen Gewalten fordert, argumentiert inkonsequent. Der Grundsatz der informationellen Gewaltenteilung dient dabei ebenso wie die klassische Gewaltenteilung der Kontrolle der Staatsgewalt109. Bei jeder Kontrolle ist somit zu prüfen, ob eine vollständige Offenlegung auch unter dem Aspekt dieses Rechtes notwendig ist, oder ob eine anonymisierte Form ausreicht 110 . Bei der Abwägung 111 , ob perso-

106

So auch Scholz/Pitschas, S. 112. Die Grenzen ergeben sich u.a. aus dem Eiforderlichkeitsprinzip, der strikten Zweckbindung und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. 107

Siehe ausführlich Scholz/Pitschas, Informationelle Selbstbestimmung und staatliche Informationsverantwortung, 1983. 108

Kritisch Denninger ZRP 81, 231, 233 mwN.

109

Tinnefeld/Tubies, S. 13.

110

Besonders deutlich wird dies im Bereich des Verfahrensrechtes: Wenn eine Offenlegung der Quelle nicht möglich ist, weil der Zeuge diese Quelle etwa selber nicht kennt (z.B. weil sie aus dem Bereich eines ausländischen Nachrichtendienstes stammt) kann sie im Interesse eines rechtsstaatlichen Verfahrens nur als schwaches Indiz gelten, BGH NJW 86, 1766.

ΠΙ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

73

nenbezogene Daten zwischen Kontrolleur und Kontrolliertem weitergegeben werden können, besteht nach dem Gesagtem ein strukturelles Übergewicht zugunsten der staatlichen Kontrollfunktion. Entscheidend dabei ist, daß bei dieser Funktion nicht der staatliche Eingriff in die Rechte des Einzelnen im Vordergrund steht, sondern die Begrenzung von Staatsgewalt112. Es besteht ein übergeordnetes Interesse der Allgemeinheit an einem rechtmäßigen Handeln aller Staatsorgane. Ist zur Aufklärung eventueller Überschreitungen von Kompetenzen auch die Weitergabe personenbezogener Daten an eine Kontrollinstanz notwendig 113 , so findet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung hier eine Grenze. Gleichwohl kann sich auch in diesem Verhältnis eine Weitergabe personenbezogener Daten als nicht mehr verhältnismäßig erweisen 114 . Demzufolge können auch Rechte Privater im Verhältnis der Kontrollinstanzen beschränkend wirken. In erster Linie gilt dies dann, wenn aus den verfassungsrechtlich verbürgten Schutzpflichten des Staates eine solche Geheimhaltung abgeleitet werden kann.

d) Maßstäbe der Geheimhaltung Die Verfassungsgüter, die eine Geheimhaltung gebieten, sind genannt. In welchem Maße sie eine Geheimhaltung gegenüber den Kontrollinstanzen gebieten, ist damit noch nicht geklärt. Die Entscheidung, eine Information gegenüber einer anderen staatlichen Stelle geheimzuhalten, stellt immer eine Abwägung dar. Eine solche setzt notwendigerweise ein zweites Gut voraus, gegen das abgewogen werden kann. Ein solches Gut besteht in dem Informationsanspruch, den die kontrollierende Stelle besitzt, um ihre Kontrolle effektiv 111

Auch Denninger, ZRP 81, 231, 234, weist auf die Komplexität der Abwägung in einem rechtsstaatlichen Gefüge hin. 112

In der Regel werden diese Daten in der Sphäre der Kontrollinstanz nicht weiterverarbeitet, sondern als Grundlage der eigenen Tätigkeit verwendet. Die Speicherung und weitere Abrufbarkeit dürfte nicht vorkommen. 113

So kann es für die Kontrollinstanzen notwendig sein, personenbezogene Daten zu verlangen, wenn nach den Ursachen für rechtsstaatlich bedenkliche Informationseingriffe durch die Dienste geforscht wird. 114

Dies wird regelmäßig dann der Fall, wenn ein Eingriff in einer Reihe gleichgelagerter Fälle als rechtswidrig eingestuft wird. Wenn festgestellt wird, daß in einer Datei tiefgreifende Persönlichkeitsprofile (zur Rechtswidrigkeit solcher Persönlichkeitsprofile siehe BVerfGE 65, 1, 42) erstellt werden, die bei jeder gespeicherten Person das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzen, so ist es nicht nötig, daß eine Kontrollinstanz jeden dieser Fälle in allen Einzelheiten nachprüft. Wenn es ausreicht, daß bestimmte Speicherungsmerkmale untersagt werden, steht das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen der Weitergabe an die Kontrollinstanz entgegen.

74

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

ausüben zu können. Dieser leitet sich aus dem gewaltverschränkenden System der gegenseitigen Kontrolle ab und findet seine Ausgestaltung in den entsprechenden Verfassungsnormen und Gesetzen115. Es entsteht ein Spannungsfeld zwischen den beiden Werten, wobei keinem allgemein ein Vorrang eingeräumt werden kann. Selbst das Recht auf Leben, das „die vitale Basis der Menschenwürde und die Voraussetzung aller anderen Grundrechte" 116 darstellt, genießt keinen absoluten Vorrang vor allen anderen Gütern der Verfassung 117 . Somit stellt sich die Frage, ob es Bereiche gibt, über die eine Kontrolle grundsätzlich ausgeschlossen ist.

aa) Einzelfallentscheidung Weit verbreitet ist die Ansicht, daß eine Geheimhaltung von Informationen gegenüber einer Kontrollinstanz erst dann rechtmäßig sein kann, wenn die für sie sprechenden Gründe das Informationsrecht des Kontrollorgans überwiegen 1 1 8 . Es wird eine Einzelfallentscheidung befürwortet, die jeweils durch das Bundesverfassungsgericht überprüfbar ist 1 1 9 . Hiernach gibt es keine Bereiche, die a priori einer absolut strengen Geheimhaltung 120 unterliegen, so daß nur in 115

Z.B. stellt § 3 IV BRHG eine positivrechtliche Ausformung einer exekutiveigenen Kontrollinstanz dar. 116

BVerfGE 39, 1, 42.

117

So das BVerfG in seiner berühmten „Schleyer-Entscheidung". Ob es vor diesem Hintergrund tatsächlich einen der öffentlichen Gewalt schlechthin entzogenen Bereich der Privatsphäre gibt, erscheint sehr zweifelhaft. 118

Dieses Problem ist in der Literatur immer im Zusammenhang zwischen dem parlamentarischen Informationsrecht und den Geheimhaltungsinteressen der Exekutive behandelt worden. Dort ist das Spannungsverhältnis am deutlichsten, da hier der Trennbereich zwischen zwei Gewalten liegt. In anderen Bereichen stellt sich das Problem nicht, weil es keine Geheimhaltung gibt, so bei der exekutivischen Eigenkontrolle. Die Problemkonstellationen, die bei einer Geheimhaltung gegenüber dem Parlament auftreten, sind gleich mit denen gegenüber unabhängigen Kontrollinstanzen, wie etwa dem BfD. 119

In diesem Sinne etwa Jerschke ZParl 3, S. 516, 528; Magiera, S. 152, der eine Geheimhaltung durch die Regierung gegenüber dem Parlament grundsätzlich verneint und lediglich auf den Kembereich exekutivischer Eigenverantwortung beschränkt; S. 320, 321. A.A. bezüglich der Überprüfbarkeit durch das BVerfG Würtenberger, BK, Art. 45 c Rn. 105. 120

Vgl. auch RGSt 25, 45; 61, 151; 62, 65, 71 für die Auffassung, daß die Entscheidung über die Erforderlichkeit der Geheimhaltung erst im Einzelfall getroffen werden könne. Die Entscheidungen ergingen allerdings im Zusammenhang mit Strafverfahren über Landesverrat. Zur geschichtlichen Diskussion in diesem Zusammenhang siehe Kohlmann, S.llOf.

ΠΙ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

75

Einzelfallen eine Verschwiegenheitspflicht gegenüber Kontrollorganen greifen kann.

bb) Funktionsspezifische Grenzen Eine Grenze der Kontrollmöglichkeiten kann an den durch die Verfassung festgemachten Kompetenzen gefunden werden 121 . Nur wer ausreichend Informationen besitze, könne seine verfassungsmäßigen Aufgaben wahrnehmen. Von diesem Ansatz ausgehend werden verschiedene Schlüsse gezogen. So wird vertreten, daß es keine Bereiche gebe, in denen die Regierung dem Parlament Auskünfte verweigern dürfe 122 . Dem Geheimschutz müsse dadurch Genüge getan werden, daß die Öffentlichkeit ausgeschlossen werde oder sogar der Kreis der informierten Abgeordneten beschränkt werde 123 . Dieses wird daraus gefolgert, daß das Wohl des Bundes dem Parlament und dem Bundestag gemeinsam anvertraut sei 124 . Zum anderen wird eine Begrenzung der Informationsrechte des Parlamentes an den Grenzen des Rechtsstaatsprinzipes oder der spezifischen Staatsleitung gesehen125. Eine andere Grenze solle das Gewaltenteilungsprinzip darstellen, das eine „Informationsbalance" fordere 126 . Eine Grenze wäre nach diesem Verständnis dort, wo diese Balance gefährdet wäre. Die letztgenannten Auffassungen bringen gegenüber einer Einzelfallentscheidung keine Neuerung. Es handelt sich jeweils um auszufüllende Begriffe, bei denen eine sichere Abgrenzung nicht möglich ist. Letztlich wird es hier auf eine Entscheidung im Einzelfall ankommen. Die erste Meinung demhingegen erkennt einen geheimschutzfahigen Bereich an. Sie setzt diesen aber im Verhältnis zwischen Staat und Bürger. Bedenklich stimmt hier, daß gegenüber dem Bürger eine Verwischung der inneren Zuständigkeit stattfindet, daß somit alles, was etwa der Regierung bekannt ist, den sie kontrollierenden Organen auch bekannt werden muß. Insofern kann ihr 121

Linck DöV 83, 957, 958, 962.

122

So wohl auch BayVerfGH, BayVBl. 89, 173, 175. Hier wird allerdings nicht darauf eingegangen, ob der „umfassende Informationsanspruch" dem Parlamentsplenum oder der Institution des Parlamentes zusteht. 123

Insofern erweist sich Linck von seinem Ansatzpunkt her als inkonsequent, wenn er auf der einen Seite fordert, daß das Parlament als ganzes einen verfassungsgemäßen Informationsanspruch hat, auf der anderen Seite aber eine Einschränkung auf eine kleine Gruppe von Abgeordneten zuläßt; Linck DöV 83, 957, 963. 124

Magiera, Rechte, S. 1441; Bogs JZ 85, 112, 116.

123

Friesenhahn WDStRL 16, 9, 69f; Würtenberger, S. 252.

126

v. Einem, S. 3.

6 Hirsch

76

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

unter Anerkennung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung127 wohl kaum zugestimmt werden. Zwar genießt das Parlament im System der repräsentativen Demokratie eine institutionalisierte Vorrangstellung, diese führt aber nicht zu einer unbedingten Einschränkung aller anderen in der Verfassung vorgesehen Rechtsgüter, sofern hierfür im Allgemeininteresse keine zwingende Notwendigkeit besteht. Weiterhin wird eine Geheimhaltungsbedürftigkeit gegenüber dem Parlament als Institution nicht anerkannt, wohl aber die Möglichkeit gesehen, unter Umständen eine Unterrichtung des gesamten Plenums nicht vorzunehmen, sondern nur Teile zu informieren. Dann aber stellt sich die Frage, welche Sachverhalte werden nur einem Teil des Parlamentes bekanntgegeben und nach welchen Maßstäben sich dieses richtet. Festumgrenzte Gebiete werden hier nicht genannt. Es läuft im Ergebnis also auch auf eine Einzelfallentscheidung hinaus.

cc) Fallgruppen Eine weitere Möglichkeit ist, die Geheimhaltung fallgruppenweise zu bestimmen. Demnach wäre eine Einschränkung nur aus Gründen der inneren und äußeren Sicherheit sowie zum Erhalt der freiheitlich demokratischen Grundordnung möglich 1 2 8 . Wenngleich hiermit eine fallgruppenweise Einschränkung auf bestimmte Bereiche getroffen wurde, was einen im übrigen bestehenden Informationsanspruch voraussetzt, bleibt die genaue Einordnung eines konkreten Sachverhaltes ungeklärt. Im Ergebnis läuft die Entscheidung, ob ein Fall zu diesen Fallgruppen gehört, ebenfalls auf eine Einzelfallentscheidung hinaus.

dd) Klassische Staatsgeheimnisse Es wird vertreten, die ,gleichsam klassischen Fälle des öffentlichen Amtsgeheimnisses" keinem Gremium zugänglich zu machen 129 . Hierunter fallen etwa „die vertrauliche Behandlung von Angelegenheiten der inneren und äußeren Sicherheit, von Namen von Informanten der Strafverfolgungsbehörden und 127

Siehe dazu Seite 70.

128

Scholz AöR 105, S. 564, 611 ff; Thieme, S. 153, 156, 167 hier mwN; Kipke, S. 66. Ähnlich Schwan, Amtsgeheimnis, S. 192, 199 gegenüber der Öffentlichkeit. 129

Bogs, S. 209, 224, folgert aus dem Begriff des Staatswohl als „ausfüllungsbedürftigem Wertbegriff 14, daß diese Fälle im Interesse des Staatswohls immer geheimhaltungsbedürftig sein müssen.

ΠΙ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

77

bestimmter auf Mitarbeit der Bevölkerung angewiesener Verwaltungsbehörden" 1 3 0 . Ein solcher Bereich klassischer Staatsgeheimnisse begegnet durchgreifenden Bedenken. Hiermit ist ein Bereich beispielhaft umschrieben worden, in dem eine Veröffentlichung den Zweck, um dessen Willen eine Geheimhaltung erfolgt, vereiteln würde. Das bedeutet hingegen nicht notwendigerweise auch, daß eine Geheimhaltung auch gegenüber jeder Art von Kontrollinstanzen zu erfolgen hat. Eine solche Geheimhaltung muß notwendigerweise erfolgen, wenn die Kontrolle oder die Ergebnisse der Kontrolle öffentlich erfolgen oder eine solche Öffentlichkeit realistischerweise nicht auszuschließen ist 1 3 1 . Desweiteren sind diese Informationen durch die zu kontrollierende Exekutive nicht immer geheimzuhalten, sie muß sich auf eine Geheimhaltung nicht in jedem Fall berufen. Außerdem ist klargestellt worden, daß etwa die Zusicherung von Vertraulichkeit nicht in jedem Fall einer Identitätspreisgabe entgegenzustehen hat 1 3 2 . So bleibt es im Ergebnis auch innerhalb der als „klassische Staatsgeheimnisse" eingestuften Bereichen eine Einzelfallentscheidung, ob die Informationen preisgegeben werden können oder nicht.

ee) Fazit Im Ergebnis läßt sich somit festhalten, daß es allgemeingültige Begriffe nicht geben kann, wann ein Sachverhalt gegenüber einer Kontrollinstanz unbedingt geheimhaltungsbedürftig ist. Eine solche Abwägung zwischen den oben dargestellten Gütern wird im Ergebnis immer nur eine Einzelfallentscheidung darstellen können, die von der Wertung innerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung abhängig ist. Diese wiederum hängt eng mit einer zeitlichen Komponente zusammen, also den vorherrschenden Ansichten, die aus der allgemeinen Lage heraus gebildet werden. Hierdurch kann sichergestellt werden, daß die Abwägung nach der vorherrschenden Wertung getroffen wird, also mit dem Willen des Volkes übereinstimmt 133 .

e) Entscheidungskompetenz Eine andere Frage ist es, wer über die Einschätzung eines Sachverhaltes als geheimhaltungsbedürftig verbindlich entscheiden kann. Geht man mit der hier

130

Bogs, aaO.

131

So etwa bei Parlamentsplenum trotz Geheimschutzordnung des Bundestages.

132

BVerfGE 56, 54.

133

Nicht hierin gehört die Frage nach einer Korrekturmöglichkeit der Einschätzung eines Sachverhaltes als geheimhaltungsbedürftig, wie sie etwa das BVerfG vornehmen kann. Siehe dazu S. 80.

78

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

vertretenen Meinung von einer Einzelfallentscheidung aus, so muß diese Entscheidung nicht notwendigerweise beim Kontrolleur liegen.

aa) Exekutive Die Regierung als vorgeordnete Behörde kann sich umfassend informieren, sie ist im Besitze aller Informationen 134 . Aus diesem faktischen Informationsvorsprung ist es zuerst einmal die Regierung, die einen Sachverhalt als geheimhaltungsbedürftig einstuft. Weitgehend besteht Einigkeit, daß eine solche Einschätzung durch die zu kontrollierenden Stellen keine endgültige sein kann 1 3 5 . Weder gegenüber der Legislative noch gegenüber den Gerichten soll sich die Exekutive unter der einfachen Berufung auf ein Geheimhaltungsbedürfnis einer Kontrolle entziehen können. Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob es der Exekutive auch obliegt, grundsätzlich darüber zu entscheiden, wann und wie eine eine Information weitergegeben werden kann. Der Grad der „Reichweite der eigenständigen Verwaltungsverantwortung" 136 ist dabei in einem Spannungsverhältnis zu dem aus der „Wesentlichkeitstheorie" folgenden Parlamentsvorbehalt zu sehen 137 . Der Exekutive als verfassungsrechtlich legitimierter Gewalt kommt eine eigenständige Funktion im Gefüge der gewaltenverschränkten Ausbalancierung staatlicher Macht zu. Im Bereich des staatlichen Kontrollgefüges muß hier in-

134

Anders, wenn sich eine Behörde „verselbständigt", also eigenmächtig Operationen durchfuhrt und diese der Exekutivspitze verschweigt. Nicht angesprochen ist der Tatbestand, wenn eine Landesregierung im Besitze von relevanten Informationen ist und diese kompetenzwidrig nicht an die Bundesregierung weiterleitet. Ersteres ist ein Organisationsproblem, letzteres ein Problem der föderativen Verantwortungsverteilung. Als rechtswidrige Verhaltensweisen aber können sie einer grundlegenden Betrachtung nicht zugrunde gelegt werden. 133 A.A. wohl Dobiey, ZParl 5, 316, 323, der auf die Regulativen des politischen Kräftespieles vertraut. Ähnlich auch Stem, AöR 109, 199, 273, der die Konkretisierung des Begriffes „Staatswohl" der Regierung überläßt, von dem nur im Mißbrauchsfalle ein rechtswidriger Gebrauch gemacht wäre, insofern also nicht justiziabel ist. Hiergegen zutreffend Mengel, EuGRZ 84, 97, 103, der daraufhinweist, daß es nicht angehe, daß sich die Regierung als Vertreter des Volkes einer Verantwortung diesem gegenüber entzieht, indem sie sich auf Sicherheitsinteressen des Staates beruft. Zumindest für abgeschlossene Vorgänge könne es eine Geheimhaltung nicht geben. Dabei geht er nicht auf das Problem ein, wann ein Vorgang abgeschlossen ist. 136 137

Scholz/Pitschas, S. 181.

Zu den in diesem Zusammenhang entstehenden Problemen in bezug auf das Recht auf informationelle Selbstbestimmung siehe Scholz/Pitschas, aaO.

ΠΙ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

79

sofern eine Grenze bestehen, als das Ausmaß der Kontrolle über die Exekutive nicht einer Eigenentscheidung selbiger unterliegen kann.

bb) Parlament Eine denkbare Möglichkeit ist, die verbindliche Entscheidung über die Geheimhaltungsbedürftigkeit dem Parlament zuzugestehen. Hält die Regierung einer Kontrollinstanz Informationen vor, so kann sie das aufgrund des Kontrollauftrages des Parlamentes und anderer Instanzen nicht mit dem lapidaren Hinweis auf Sicherheitsinteressen, vielmehr obliegt ihr eine Begründungspflicht, die um so substantiierter zu sein hat, je geringer das Geheimhaltungsinteresse zu veranschlagen ist 1 3 8 . Dem Parlament aber kann keine endgültige Einzelfallentscheidung über die Geheimhaltung zukommen. Dies wäre ein Ringschluß: Die endgültige Entscheidung setzt eine vollständige Information voraus, die aber gerade aus Sicherheitsinteressen unterbleiben soll. Für den nachrichtendienstlichen Bereich kann diese Entscheidung auch nicht von der Regierung zusammen mit der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) als Teil des Parlamentes verbindlich getroffen werden. Der PKK steht zwar ein umfassenderer 139 Informationsanspruch gegenüber der Exekutive als dem Parlament zu, nicht aber geht der Auftrag des Parlamentes an die PKK so weit, daß diese über den Informationsanspruch des Parlamentes entscheiden könne. Die Rechte des Parlamentes bleiben durch die PKK unberührt, § 1 I I PKKG. Zwangsmittel stehen dem Parlament nur im Rahmen eines Untersuchungsausschusses zu, der gerade im nachrichtendienstlichen Bereich Einschränkungen unterliegt 140 . Eine Zwischenentscheidung141 trifft das Parlament insofern, als es vor der Wahl steht, die Erklärung der Regierung als stichhaltig anzusehen oder weitere Schritte einzuleiten. Hier kommen zum einen Parlamentsbe-

138

Schleich, S. 72 f.mwN.

139

Zwar bleiben nach § 1 Π PKKG die Rechte des Bundestages durch die PKK unberührt. Durch die Erklärung der Bundesregierung gegenüber der PKK vom 8. 2. 1995 gewährt die Bundesregierung der PKK weitgehende Kontrollrechte. Weiterhin ist das Bundestagsplenum nicht zur Einsichtnahme in die Haushaltspläne der Dienste befugt. Das Budgetrecht wird durch das Vertrauensgremium nach § 10 a BHO gewahrt. Die PKK jedoch ist zur Mitberatung über diese Pläne befugt, § 21 2, 3 PKKG. 140 141

Siehe S. 137 ff.

Auf die Möglichkeit einer informationellen Selbstbeschränkung durch das Parlament weist Müller, S. 244f, hin, der für den Fall einer gesetzlichen Selbstbeschränkung auf die Wertungswidersprüche zwischen Grundrechtsschutz und Kontrolleffektivität hinweist.

80

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

schlüsse in Betracht, die einen starken tatsächlichen Druck ausüben können 142 . Zum anderen kann es ein gerichtliches Verfahren in die Wege leiten, innerhalb dessen über die Geheimhaltungsbedürftigkeit entschieden wird 1 4 3 . Dem Parlament als ganzem obliegt es, eine grundsätzliche Einschätzung dessen zu schaffen, was als Staatsgeheimnis vor der Öffentlichkeit zu schützen ist 1 4 4 . Eine Entscheidung in jedem konkreten Einzelfall ist nicht möglich.

cc) Rechtsprechung Somit ist zu überlegen, inwieweit den Gerichten eine verbindliche Entscheidung über den Geheimschutz zufallen kann. Die gerichtliche Entscheidung ist an den vorgegebenen gesetzlichen Rahmen gebunden. Der Richter muß sich bei seiner Entscheidung an die verfassungsmäßige Ordnung halten, also an das, was ihm durch die Legislative vorgeschrieben ist. Eine gesetzliche Definition dessen, was als Staatsgeheimnis einer Kontrolle entzogen ist, besteht nicht und kann nach dem bisher Gesagten auch nicht bestehen. Die gesetzlichen Vorschriften berufen sich alle auf das Wohl, die Sicherheit und den Schutz des Bundes oder eines Landes, ohne dieses näher zu definieren. Selbst wenn ein unumschränkter Informationsanspruch für abgeschlossene Vorgänge anerkannt wird 1 4 5 , fehlt es an einer Definition der Abgeschlossenheit146. Bei den Begriffen, die zur Begründung einer Geheimhaltung ins Feld geführt werden, handelt es sich um einen „ausfüllungsbedürftigen Wertbegriff' 147 . Die142

Man stelle sich vor, der Bundestag fordere die Bundesregierung auf, dem BfD in Zukunft kooperativ zur Seite zu stehen. 143

Eine solche Entscheidung setzt allerdings eine inteme Willensbildung im Parlament voraus. Diese kann in formeller und informeller Weise erfolgen, weiterhin innerfraktionell, interfraktionell, innerinstitutionell und öffentlich, vgl. dazu Oberreuter, S. 216. Hierbei ist auf die Problematik in der Praxis aufmerksam zu machen, daß Entscheidungen in den Bereich der Fraktionsspitze oder der sog. „Elephantenrunden" verschoben sein können. Kontrollrechte sind jedoch auch als Minderheitenrechte ausgestattet. 144

Hierauf weist Lerche, Geheimschutz, S. 130, hin, der inhaltliche Einzelabwägungen durch Maßnahmen des Gesetzgebers beseitigt wissen will. 143

So etwa Mengel, aaO.

146

Zu diesem Begriff vergi. HessStGH, DöV 1967, 51, 56, als endgültiger Abschluß von Verhandlungen oder BremStGH, DVB1. 1989, 453, 456, wo die Definition ausdrücklich offengelassen wird. 147

HamVerfG DöV 73, 745, 746.

ΠΙ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

81

se sind als unbestimmte Rechtsbegriffe nach ständiger Rechtsprechung einer vollen richterlichen Überprüfung zugänglich. Die endgültige Abwägung, ob ein Sachverhalt geheimhaltungsbedürftig ist, liegt somit in der Hand der Verfassungsrichter. Die richterliche Überprüfung stellt keine originäre eigene Abwägung dar, sondern überprüft, ob eine bereits vorgenommene Abwägung die in Betracht kommenden Güter entsprechend der Verfassung gewichtet hat 1 4 8 . Im Ergebnis bedeutet das, daß die eigentliche Abwägung durch die primär zuständige Stelle getroffen wird, die eine Gewichtung der in Betracht kommenden Güter vorgeben kann, die im Ergebnis nur auf eklatante Fehler untersucht wird 1 4 9 . Hier aber stellt sich jüngst ein weiteres Problem, inwieweit nämlich der Bereich der Judikative auf den Bereich der Legislative einwirkt. Dies hängt davon ab, welche Bedeutung man den Grundrechten beimißt. Sieht man in ihnen objektive Regelungsgehalte150, an die über Art. 1 I I I GG alle Verfassungsorgane und somit auch der Bundestag gebunden sind, so liegt es nahe, aus diesen staatliche Regelungsaufträge zu entnehmen. Hieraus wird gefolgert, daß sich die Bundesrepublik Deutschland immer mehr zu einem „verfassungsgerichtlichen Jurisdiktionsstaat[es]" entwickle 151 . Es obliege im Ergebnis den Verfassungsgerichten, diese Regelungsgehalte zu erkennen. Dadurch wird die Grenze zwischen Rechtssetzung und Rechtsanwendung verwischt 152 . Die Verfassungsgerichte hätten in der Praxis eine immer weitergehende Kompetenz, Grundsatzfragen zu entscheiden153. In der Praxis mag ein solcher Trend vorhanden sein 154 . Das Bundesverfassungsgericht geht in einigen Entscheidungen sehr weit 1 5 5 .

148

Lerche, Geheimschutz, S. 121.

149

Eine Analyse der Rechtsprechung bestätigt dies. Vgl. hierzu Müller, S. 189 - 235, der einige Urteile näher darstellt. Er will eine Tendenz in der Rechtsprechung erkennen, daß das Parlament jede Information erhalten darf, sofern der Geheimschutz ausreichend gesichert ist. 130

So etwa Geiger, DVB1. 90, 748, 756.

151

Böckenförde, Der Staat 1990, 1, 25; Schneider NJW 94, 2590 ff, der weiterhin §35 BVerfGG ins Felde führt. 132

Jeand' Heur JZ 95, 161, 166, sieht eine Tendenz, wonach die Politik immer mehr politische Streitfragen durch das BVerfGG entscheiden läßt. Dadurch gewinne diese Konstruktion immer mehr Gewicht. Im übrigen äußert er sich sehr kritisch zu der vorgenannten Position. 153

Böckenförde, aaO, weist auf den nicht objektivierbaren Maßstab des judicial selfrestraint hin. Im Ergebnis ist, wenn man den Ausgangspunkt teilt, diese Entwicklung zwingend. 134

Insbesondere wenn das BVerfG in einem obiter dictum die Grenzen einer notwendigen gesetzlichen Regelung definieren will. So auch Schneider NJW 94, 2590 ff. 133

Man denke an die Rechtsprechimg zu § 218 StGB oder zur Pateienfinanzierung.

82

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Tatsächlich aber bleibt im staatlichen Gefüge die Gesetzgebungskompetenz allein beim Bundestag. Diesem muß die Kompetenz zukommen, über die Wertigkeit der Grundrechte im Verfassungsgefiige zu entscheiden. Gewisse Überschneidungen sind dem gewaltverschränkten System des Grundgesetzes immanent. Die Kontrolltätigkeit ist von der Reichweite des staatlichen Kontrollauftrages abhängig. Dieser ist im Verfassungsgefiige von der Legislative zu bestimmen und auch auszuführen. Der Judikative kommt eine anders geartete Kontrolltätigkeit zu als dem Parlament 156 .

dd) Ergebnis Die Regierung muß bei jedem Sachverhalt zuerst entscheiden, wann ein Sachverhalt geheimhaltungsbedürftig ist. Hierbei handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, in die Zweckmäßigkeitserwägungen einfließen können. Jedenfalls hat eine Entscheidung zwischen den in Frage stehenden Verfassungsgütern stattzufinden. Dabei hat sie sich an die durch das Parlament vorgegebenen Grundentscheidungen zu halten 157 . Die Geheimhaltungsbedürftigkeit steht im Wertungsgefüge der freiheitlich demokratischen Grundordnung. Die Entscheidung ist eine zeitlich gebundene. Der konkrete Vorgang kann durch Zeitablauf eine andere Gewichtung im Verhältnis zu anderen Verfassungsgütern bekommen, so daß eine Geheimhaltungsbedürftigkeit nicht mehr gegeben ist. Bei der Abwägung über die Geheimhaltungsbedürftigkeit innerhalb der staatlichen Sphäre spielt die Effektivität des Geheimschutzes durch die jeweilige Kontrollinstanz eine bedeutende Rolle. Je zuverlässiger der Geheimschutz, um so eher wird das Interesse an einer rechtsstaatlich gebotenen Kontrolle als Wesenszug der repräsentativen Demokratie überwiegen 158 . Korrektive kann die Einstufung durch das Parlament oder die Verfassungsgerichte erfahren. In der Praxis wird jedoch selten von einer Einschätzung durch die Exekutive abgewichen.

136

In diesem Bereich kann z.B. eine Einzelfallkontrolle nicht stattfinden.

137

So hat das Parlament etwa durch § 16 Π 3 BVerfSchG entschieden, daß die Gesamtzahl der Bediensteten des BfV nicht geheimhaltungsbedürftig ist. 138

Insofern geht der Einwand fehl, die Öffentlichkeit könne genausogut der Regierung vertrauen, nach einem Untersuchungsausschuß des Parlamentes etwa gäbe es immer unterschiedliche Wertungen über die Ergebnisse, vgl. den Nachweis bei Müller, S. 246.

ΠΙ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

83

β Gegenläufige Schutzgüter Neben dem Informationsanspruch der kontrollierenden Stelle können weitere Verfassungsgüter gegen eine Geheimhaltung sprechen. Hierbei sind Verfassungswerte gemeint, denen im Wertungsgefüge der freiheitlich demokratischen Grundordnung ein eigener Stellenwert zukommt. Muß ihnen ein dem Geheimhaltungsinteresse übergeordnetes Gewicht beigemessen werden, so ist eine Geheimhaltung gegenüber den Kontrollinstanzen in keinem Fall mehr angemessen. Es handelt sich somit um weitere, nicht auf dem Gewaltenteilungsprinzip beruhende Güter, die in die Abwägung über die Geheimhaltung einzufließen haben.

aa) Pressefreiheit An erster Stelle ist das Institut der Pressefreiheit zu nennen. Hier hat eine Abwägung stattzufinden zwischen dem „des in Frage stehenden Staatsgeheimnisses" einerseits und dem „Informationsinteresse der Öffentlichkeit" andererseits 159. Nicht jedes Staatsgeheimnis vermag das Institut der Pressefreiheit einschränken, es kann das Informationsinteresse im Hinblick auf die allgemeine politische Willensbildung überwiegen. Hieran wird deutlich, daß das Institut der freien Presse zur Kontrolle der Ausübung exekutivischer Macht dient, da es die Verbindung zwischen der Öffentlichkeit und den sie repräsentierenden Staatsgeheimnissen darstellt. Das Institut der freien Presse findet seine Beschränkung im Wertungsgefüge der freiheitlich demokratischen Grundordnung, insbesondere an den Geheimhaltungsinteressen im überwiegenden Allgemeininteresse wie auch an den Rechten des Einzelnen 160 . Neben dem Institut der freien Presse an sich ist in die Abwägung der „Öffentlichkeitswert" der im konkreten Fall in Frage stehenden Information zu beachten 161 . Eine Abwägung mit diesem Wert erweist sich als schwierig, aber nicht unmöglich 162 . Je wichtiger die Information für die Öffentlichkeit, um so eher kann die Verwertung einer solchen Information 139

BVerfGE 21, 239, 243.

160

Vgl. zu diesen Schutzgütern S. 64 ff.

161

Lerche, Geheimschutz S. 125, weist zutreffend daraufhin, daß das durch die Publikation hervorgerufene Interesse nicht unter diesen „Öffentlichkeitswert" fallt, sondern nur die Wichtigkeit der Nachricht im Hinblick auf die politische Willensbildung der Öffentlichkeit. 162

Die Bedenken von Lerche, aaO, sind schwerwiegend, stellen aber den Begriff im Ergebnis nicht in Frage. Je wichtiger der konkrete Sachverhalt für den Bestand eines Staates, um so höher das Allgemeininteresse, aber um so eher ist auf die Geheimhaltungsbedürftigkeit abzustellen.

84

T e i l : Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

geboten sein. Hier müssen unter Umständen staatliche Geheimschutzmaßnahmen zurücktreten 163 .

bb) Informationsansprüche Dem einzelnen Bürger stehen gegen die Dienste Informationsansprüche zu 1 6 4 . Diese gehören in den Bereich der Kontrolle der Dienste, da sie Voraussetzung für ein gerichtliches wie dienstinternes 165 Verfahren oder einer Anrufung des Datenschutzbeauftragten sind. Sie werden dort ausführlich behandelt. Hier genügt die Feststellung, daß sie keine weitergehende Qffenbarungspflicht begründen können, als es der Informationsanspruch einer zur Kontrolle berufenen Stelle kann.

cc) Gerichtsrechte Das verfassungsrechtlich verbürgte Recht auf rechtliches Gehör steht in einem engen Zusammenhang mit einem Informationsrecht des Beteiligten, damit dieser erkennen kann, auf welche Tatsachen es in der Gerichtsverhandlung ankommt 166 . Solche Rechte haben nicht nur Bedeutung im Zusammenhang mit Strafprozessen, sondern auch in verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Die in diesem Zusammenhang stehenden Fragen werden im Zusammenhang mit dem Gang des Verfahrens besprochen 167.

dd) Grundrechte und die verfassungsimmanenten Schranken Die Grundrechte des Einzelnen stehen einer Geheimhaltung entgegen, sofern sich aus ihrem Gehalt ein entsprechendes Leistungsrecht ableiten läßt. Hierbei ist nicht nur auf einen tatsächlichen Anspruch abzustellen, der aus den Grundrechten abzuleiten wäre, sondern auf die faktische Gewährung.

163

Zum Verhältnis von § 203 StGB zum presserechtlichen Informationsanspruch siehe etwa OLG Schleswig, NJW 85, 1090. 164

Siehe S. 108 ff.

165

Dem Bürger stehen die außerordentlichen Behelfe wie Dienstaufsichtsbeschwerde oder Gegendarstellung natürlich auch gegenüber den Diensten zu 166

Schmidt-B leibtreu/Klein, Art. 103 Rn. 2, mwN aus der Judikatur.

167

Siehe S. 122 ff.

ΠΙ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

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Aus keinem Grundrecht folgt ein Anspruch auf volle Information, die Grundrechte lassen geheimhaltungsbedürftige Bereiche im allgemeinen Staatsgefüge bestehen. Aus dem Schutz des Wesensgehalts der Grundrechte aber folgt, daß ein staatliches Gefüge nicht dergestalt aufgebaut sein darf, daß eine Ausübung der dort verbürgten Garantien nur faktisch möglich ist. Wenn der Bürger befürchten muß, daß jede seiner Äußerungen und Aktivitäten gespeichert wird und irgendwann einmal gegen ihn verwandt werden kann, kann dies dazu führen, daß er sich lieber erst gar nicht äußert 168 . Aus den Grundrechten hingegen folgt kein Anspruch auf eine bestimmte parlamentarische Kontrolle 169 . Ein Annex an jedem Grundrecht, der einen entsprechenden Anspruch gegen das jeweilige Parlament gewährt, existiert nicht, weil sich die parlamentarische Kontrolle nicht als Institut des Individualschutzes darstellt, sondern zum Schutze der verfassungsmäßigen Ordnung als solcher besteht. Zu beachten jedoch bleibt, daß der Schutzbereich der Grundrechte in den geheimhaltungsbedürftigen Bereichen eine weitergehende Einschränkung erfahren kann als im Bereich der allgemeinen Staatsverwaltung. Dies folgt aus der Wertgebundenheit der einzelnen Grundrechte, da kein Grundrecht ohne seinen Bezug zu Gütern der Allgemeinheit gewährt wird. Die tatsächliche Allgemeinbindung der Grundrechte jedoch ist nicht genau definiert. Während die Rechtsprechung zuerst noch von der Immanzlehre ausging 170 , wurde dies in der Literatur scharf kritisiert. Hier sind andere Ansatzpunkte gesucht worden, etwa in der Anwendung der Schrankentrias des Art. 2 I GG auf die Grundrechte 171 . Dieser unterscheidet sich im Ergebnis allerdings nur marginal von 168 Diese Angst besteht zum Teil schon heute bei Beamten auf Probe oder Angestellten des öffentlichen Dienstes. Es wird befurchtet, den Eindruck zu erwecken, nicht für die Belange der freiheitlich demokratischen Grundordnung einzutreten, wenn man sich kritisch äußert. Siehe auch jüngst das BVerfG in seiner einstweiligen Anordnung vom 5. 7. 1995, - 1 BvR 2226/94 -: „Darüberhinaus wird bereits die Befürchtung der Grundrechtsträger, daß Aufzeichnungen ihrer Feinmeldeverkehre weitergeleitet, ausgewertet und zum Anlaß strafrechtlicher Ermittlungen - unter Umständen auch gegen dritte Personen, die Kommunikationsthema waren - genommen werden könnten, Kommunikationsstörungen und Verhaltensanpassungen hervorrufen.". 169

Für Bayern explizit BayVerfGH NVwZ 93, 3.

170

BVerwGE 2, 295, 300: „(...) Grundrechte [dürfen] nicht in Anspruch genommen werden (...), wenn dadurch die für den Bestand der Gemeinschaft notwendigen Rechtsgüter gefährdet werden, denn das Grundrecht setzt den Bestand der staatlichen Gemeinschaft voraus, durch die es gewährleistet ist. Solche Schranken sind dem Grundrecht immanent.". 171

So etwa Klein zitiert nach Schatzschneider, S. 99, der für eine subsidiäre Anwendung der Schrankentrias plädiert, wobei die Schranke des Art. 2 I GG wesentlich enger ausgelegt wird als in der Rechtsprechung, oder Dürig in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz Art. 21 Rn. 71, 79 ff, der Art. 21 GG eine Doppelbedeutung zukommen läßt und ihn als

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Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

dem Ansatzpunkt der Rechtsprechung, da die Grenzen genauso unklar bleiben. Die Wertinterpretation und Gewichtung der einzelnen Güter schafft für die Staatsgewalt einen Bereich, in dem sie die Grundrechte ohne gesetzlich fixierte Schranken aushebeln könnte 172 . Andere Ansätze, um den grundrechtlich geschützten Bereich im gegenseitigen Wertgefüge abzustecken, sind im Grundrechtsmißbrauch als „Handeln ohne Recht" gesucht worden 173 . Ein solches Handeln stehe a priori außerhalb der Rechtsordnung. Je nach gewähltem Ansatz bedarf es einer Ermächtigungsgrundlage für eine Abwehr oder nicht abhängig davon, ob man durch die mißbräuchliche Anwendung eines Grundrechts die grundrechtliche Position in diesem Bereich noch bestehen läßt oder gleichsam als partiell verwirkt ansehen möchte. Diesen Ansätzen ist das Bundesverfassungsgericht mit der Argumentation entgegengetreten, daß „Grundrechte weder durch die allgemeine Rechtsordnung noch durch eine unbestimmte Klausel relativiert werden, welche ohne verfassungsrechtlichen Ansatzpunkt und ohne ausreichende rechtsstaatliche Sicherung auf eine Gefahrdung der für den Bestand der staatlichen Gemeinschaft notwendigen Gemeinschaft abhebt" 174 . Die in der Wertordnung bestehende Allgemeingebundenheit der Grundrechte könne nur aus der Verfassung selber gewonnen werden. Hierbei ist eine umfassende Güterabwägung mit den in Frage stehenden Verfassungsgütern vorzunehmen. Dies ist schon aus dem Rechtsstaatsprinzip zu fordern, daß die Bestimmtheit der Grundrechtsbeschränkungen fordert. Untermauert wird diese Ansicht, die auch in der Literatur Zustimmung gefunden hat 1 7 5 , durch das Sozialstaatsprinzip, das auch die objektive Auslegungsregel versteht, wobei der Begriff der „öffentlichen Ordnung" mit der verfassungsmäßigen Ordnung gleichgesetzt wird. Der bei Dürig verwendete Ausdruck, Art. 2 I stelle „die primäre und hervorragendste Wertverdeutlichung des Art. 1 I GG" dar, Rn. 72, ist mißverständlich, da die Menschenwürde nicht bei jeder Verletzung des Art. 2 I GG ebenfalls verletzt ist. Dies würde im Hinblick auf Art. 79 ΠΙ GG zu einem merkwürdigen Zirkelschluß führen: Durch Auslegung des Art. 2 GG würde Art. 79 m GG relativiert. 172

So wohl auch Mayer JR 61, 479.

173

GaUwas, S. 99 f.

174

BVerfGE 30, 173, 193. Diese Auffassung wird inzwischen auch vom BVerwG geteilt, BVerwGE 49, 202, 208. Das angeführte Urteil stammt vom ersten Senat des BVerfG, der zweite Senat äußerte sich weniger klar, BVerfGE 39, 334, 367: „ Der einzelne muß sich diejenigen Schranken seiner Handlungsfreiheit gefallen lassen, die der Gesetzgeber zur Pflege und Förderung des sozialen Zusammenlebens in den Grenzen des bei dem gegebenen Sachverhalt allgemein zumutbaren zieht, vorausgesetzt, daß dabei die Eigenständigkeit der Person gewahrt bleibt". Diese Formel läßt sich aufgrund ihrer inhaltlichen Unbestimmtheit auch im Sinne der Immanenztheorie deuten. 173 v. PoUern, JuS 77, S. 644 ff, der insbesondere die dem Grundgesetz fremde „Einheitsschranke" der Allgemeinbezogenheit ablehnt und den Vorteil der Berücksich-

ΠΙ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

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„schädlichen Auswirkungen schrankenloser Freiheit" 176 verhindern solle. Das Individuum ist innerhalb der staatlichen Gemeinschaft eben nicht losgelöst, sondern muß, da es auch Vorteile durch den Zusammenschluß zieht, ebenfalls gewisse Einschränkungen hinnehmen 177 . Der Unterschied ist bedeutend. Im Rahmen der Wertgebundenheit finden nur Verfassungsgüter Berücksichtigung, während die Immanenzlehre soweit getrieben werden kann, daß der Staat zum Schutze übergeordneter Werte keine Ermächtigungsgrundlage für einen Eingriff mehr braucht 178 . Daneben soll für die Praxis nicht verkannt werden, daß es nicht gelungen ist, eine wirklich trennscharfe Abgrenzung zu finden. Immer dort, wo für eine Abgrenzung auf allgemeine Staatsprinzipien zurückgegriffen wird, findet sich in der Praxis ein Einfallstor für Wertungen. Da es keinen Vertrauensschutz auf eine gesicherte höchstrichterliche Rechtsprechung gibt 1 7 9 , können je nach politisch vorherrschender Strömung unterschiedlich weitreichende Eingrenzungen gezogen werden. Dem kann in der Praxis aber nicht vorgebeugt werden. Bei dieser Konstruktion sind die verfassungsrechtlichen Absicherungen zu beachten. Eingriffe bedürfen jedenfalls des Gesetzes, Art. 20 GG. Weiterhin wird einer den allgemeinen Vorstellung zuwiderlaufenden Grundtendenz in den Entscheidungen durch die Gewaltenteilung vorgebeugt 180 . Die Grundrechte Privater spielen im Verhältnis der Kontrollinstanzen untereinander nur insofern eine Rolle, wie ihnen nicht aufgrund der Besonderheit der Materie eine Schranke zukommt. Hier kann durch die Kontrollinstanzen jedenfalls die Schrankenbestimmung überprüft werden.

g) Fazit: Geheimschutz als kontrollbeschränkendes

Prinzip

Der Geheimschutz stellt sich somit als kontrollbeschränkendes Prinzip dar. Er ist grundsätzlich im Wertungsgefüge der freiheitlich demokratischen Grundordnung eine ausreichende Legitimationsgrundlage, Kontrollen einzutigung der dem „Grundgesetz zugrunde liegenden Formtypik des spezifisch grundrechtsbezogenen Einzelvorbehaltes" im Verhältnis zum Jeweils einzuschränkenden Grundrecht" hervorhebt, 647; vMünch/vMünch, S. 55 f, beide mwN. 176

BVerfGE 5, 85, 206.

177

Dies ist insoweit anerkannt.

178

Dies bis in die letzte Konsequenz gedacht führt zu erschreckenden Ergebnissen, die in Deutschland als überwunden angesehen werden müßten. 179

Was im Hinblick auf den stetigen Wertewandel in der Gesellschaft und zur Verhinderung der Entwicklung eines unverrückbaren Richterrechts sehr wichtig für den Bestand eines den Erfordernissen der Zeit entsprechenden Staates ist. 180

Siehe dazu S. 55.

88

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

schränken. Hierbei widerstreiten zwei der höchsten Verfassungswerte des Grundgesetzes, zum einen der Schutz der Verfassung und ihrer Güter, zum anderen das Prinzip der gegenseitigen Kontrolle staatlicher Gewalt. Geheimschutzinteressen begrenzen dabei nicht nur die Sphäre der staatlichen Gewalt zur Öffentlichkeit, sondern auch die innerstaatlichen Informationsbeziehungen. Solche Geheimschutzinteressen können sich nicht nur aus dem Aspekt des Schutzes der Verfassung ergeben 181 , sondern auch aus Grundrechten Privater. Die Informationsweitergabe wird in der Praxis in erster Linie durch die Exekutive selber bestimmt. Die Exekutive als „informierte Staatsgewalt" kann eine Verpflichtung zur Geheimhaltung treffen. Insbesondere stellt der Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung einen bei der Weitergabe von Informationen zu beachtenden Gesichtspunkt dar. Ein solcher kann auch zwischen den verschiedenen Staatsgewalten zur Geltung kommen. Zu beachten bleibt, daß alle staatlichen Stellen zu einem Schutz der verfassungsmäßigen Ordnung aufgerufen sind 1 8 2 . Dieser Aspekt hat in die Güterabwägung entscheidend einzufließen. Eine Informationsverweigerung gegenüber einer Kontrollinstanz ist nur dann gerechtfertigt, wenn eine Geheimhaltung innerhalb deren Bereich nicht gesichert ist. Hierbei ist nicht auf die rechtliche Lage abzustellen, so daß etwa die bloße Existenz einer Geheimschutzordnung als ausreichender Schutz angesehen werden kann. Vielmehr ist dabei die reale Situation zu beachten. Alleine die Anzahl der zur Kontrolle berufenen Personen ist selbst kein Geheimhaltungsgrund, tritt aber ergänzend in die Abwägung 183 . Andere Verfassungsgüter sind in ihrer Gewichtung nicht stärker als das Informationsrecht der Kontrollorgane. In die Abwägung hat der Aspekt des Zeitablaufs entscheidend einzufließen. Durch Zeitablauf wird sich in der Regel die Abwägung zugunsten des Informationsrechts der Kontrollorgane verschieben, so daß zumindest eine nachfolgende Kontrolle möglich ist. Hier wird man in der Praxis eine Pflicht der Exekutive anzunehmen haben, wonach sie laufend eine solche Entscheidung zu fällen hat. Sobald der Geheimschutz nicht mehr überwiegt, hat sie von sich aus 181

Hinter den der Staatsschutz zurücktritt.

182

Die Kontrolle kann durch eine Überantwortung der Interpretation im Grundgesetz nicht festgeschriebener Begriffe unterlaufen werden. Damit würde zwar eine faktische Rechtmäßigkeit der Informationsweitergabe erreicht, der Sinn der Gewaltenteilung in der gewaltverschränkten Demokratie aber ad absurdum gefuhrt. Damit muß vor allem auch die Interpretation solcher Begriffe im Einvernehmen aller Staatsorgane unter dem Einfluß des Volkes als Träger der Staatsgewalt hergestellt werden. 183

Dies entspringt der Erfahrung, daß, je mehr Personen um einen Sachverhalt wissen, umso eher Indiskretionen erfolgen.

ΠΙ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

89

die zurückgehaltenen Informationen weiterzugeben und nicht erst auf Anforderung. Dies folgt aus dem grundsätzlichen Gebot der öffentlichen Transparenz staatlicher Vorgänge. Grundsätzlich ist es Aufgabe des Gesetzgebers, die Prämissen der Güterabwägung zu umschreiben, die eine Geheimhaltung fordern 184 . Insofern kann der Gesetzgeber, d.h. das Parlament, Informationspflichten der Regierung abstrakt umschreiben. Hierbei sind ihm nur durch die in der Verfassung festgelegten Wertordnungsmaßstäbe Grenzen gesetzt 185 .

3. Das Trennungsgebot In der Bundesrepublik Deutschland sind die Dienste organisatorisch von den Polizeidienststellen getrennt. Dies ist Folge des sogenannten ,Polizeibriefes" der Militärgouverneure vom 8./14.4.1949. Hierin besteht eine deutsche Besonderheit, die sich auf die Kontrolle auswirkt. Die Polizei unterliegt nicht der Kontrolle durch die speziell für die Dienste eingerichteten Gremien 186 , sondern der gleichen Kontrolle wie die allgemeine Staatsverwaltung. Dies ist solange unbedenklich, wie die Polizei lediglich präventiv zur Abwehr konkreter Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung 187 mit originär polizeilichen Mitteln 1 8 8 tätig wird bzw. im repressiven Bereich zur Strafverfolgung. Besondere Kontrollmechanismen erwiesen sich im Bereich der Dienste als notwendig, da diese in einer Vorfeldbeobachtung im geheimen operierten und dabei schwere Grundrechtseingriffe vornehmen konnten. Dabei waren sie nur dem Opportunitätsprinzip unterworfen, d.h. an einen Anfangsverdacht, der ein Tätigwerden begründen konnte, waren geringere Anforderungen zu stellen 189 als an ein polizeiliches Tätigwerden. In jüngster Vergangenheit aber zeigt sich, daß die Trennung durch eine Verschiebung der Aufgabenbereiche und gewisse Unschärfen in der Aufgabenstellung 1 9 0 nicht klar durchgeführt werden kann 1 9 1 . Dann aber stellt sich die Frage, 184

BVerfGE 20, 162, 187.

183

Die Abschaffung jeglicher Geheimhaltung ist somit nicht möglich.

186

Hier kann es nur zu einer mittelbaren Kontrolle kommen, wenn Mißstände über die Zusammenarbeitsvorschriften mit den Diensten festgestellt werden. 187

Zum Begriff oben.

188

Zum Begriff oben.

189

Dies insbesondere auch im Hinblick auf die in Frage stehenden Schutzgüter!

190

Scholz/Pitschas, S. 184 f, weisen zutreffend daraufhin, daß die Tätigkeitsbereiche von Polizei und Verfassungsschutz aus derselben Grundaufgabe stammen. Beide erfüllen einen Sicherungsauftrag des Staates. Ob es sich hier nur „um (organisatorisch) di-

90

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

welche Konsequenzen diese Entwicklung in der Praxis auf die Kontrolle der Dienste hat. a) Geschichtliche Begründung des Trennungsgebotes Das Grundgesetz wurde durch die Militärgouverneure der alliierten Siegermächte durch Schreiben vom 12.5.1949 192 genehmigt. In diesem Schreiben nahmen sie Bezug auf den bereits erwähnten „ P o l i z e i b r i e f i n dem das Trennungsgebot festgeschrieben wurde. Deutschland stand damals unter Besatzungsrecht, das einen überkonstitutionellen Rang hatte. Nach dem Polizeibrief hatte Deutschland nur eine beschränkte Polizeigewalt. Bundesgesetze zur Errichtung bestimmter Polizeidienststellen unterlagen dem Genehmigungsvorbehalt durch die Militärgouverneure. Die historischen Motive für den Polizeibrief sind ungeklärt. Zum Teil wird vertreten, die Militärgouverneure wollten die Errichtung einer mit unbegrenzter Macht ausgestatteten Behörde wie die Gestapo oder das Reichsicherheitshauptamt verhindern 193 . Dabei muß man aber die Frage stellen, ob es in Deutschland nach den Erfahrungen des Dritten Reiches tatsächlich dahingehende Bestrebungen gegeben hat. Auch hatte es auf deutschem Boden schon einmal die Trennung zwischen der Polizei und dem Nachrichtendienst gegeben 1 9 4 , ohne daß dieses die Schaffung einer solchen Behörde verhindert hätte. Man wird eher den Grund darin zu suchen haben, daß die Besatzungsmächte ihren Einfluß zu sichern suchten. Zum einen ist die Polizei Träger des staatlichen Machtmonopols. Zum anderen war eine Exekutivgewalt, die über die Zonengrenzen hinweg tätig werden konnte, durch die Besatzungsmächte schwierig zu kontrollieren 195 . Zu bedenken bleibt, daß alliierte Vorbehaltsrechte erst vergierende Formen, jedoch nicht um unterschiedliche Funktionen in der Sache" (Hervorhebung im Original) handelt, wird an entsprechender Stelle zu klären sein. 191

Däubler-Gmelin in der FAZ vom 7.5.1994 sieht „die Polizei längst mit der 'Vorfeldbeobachtung' befaßt (...), bei welcher sie auch nachrichtendienstliche Mittel einsetze". 192

VOB1BZ 1949, S. 416.

193

Albert, ZRP 95, S. 105, 106; Borgs/Ebert, S. 104; Bäumler AöR 1985, 30, 51; Vermander, S. 79. 194

In Preußen bestand in den Jahren zwischen 1919 und 1923 das dem Innenministerium unmittelbar unterstellte Staatskommissariat, das aus Zweckmäßigkeitserwägungen durch den Sozialdemokraten Carl Severing als dem preußischen Innenminister aufgelöst wurde. Im Reich wurde im Mai 1920 ein entsprechendes Reichskommissariat geschaffen, das durch Severing, mittlerweile Reichsinnenminister, 1929 wieder aufgelöst wurde. 195

Roewer, S. 137; Bergk, S. 20.

ΠΙ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

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durch gesetzliche Regelungen des Bundes obsolet wurden 196 . Gerade im Bereich der Post- und Fernmeldekontrolle scheinen Rechte auch für wirtschaftliche Zwecke verwandt worden zu sein 197 . b) Rechtliche Qualität Bei der Betrachtung des Trennungsgebotes für die Bundesrepublik Deutschland wird man zu unterscheiden haben für den Bereich des Bundes und den der Länder. Das Trennungsgebot ist im Zusammenhang mit der Genehmigung des Grundgesetzes ergangen, es gilt somit im Bereich des Bundes. Ob es auf die zum Teil älteren Bundesländer anwendbar ist, bleibt zu klären.

aa) Bundesebene Das Trennungsgebot erstreckte sich in erster Linie auf den Bereich des Bundes. Im „Polizeibrief' wurden Beschränkungen bei der Errichtung einer Bundespolizei normiert. Seine Rechtsqualiltät wird unterschiedlich eingeschätzt198. Einige wollen ihm Verfassungsrang zugestehen199, andere sehen darin eine Grundlage eines demokratischen Rechtsstaats und somit mittelbar durch Art. 20 GG normiert 200 . Größtenteils wird dies jedoch abgelehnt und dem Polizeibrief jede Bindungswirkung für den Bundesgesetzgeber abgesprochen 201. Mit Erlangung der vollen Souveränität durch die Bundesrepublik Deutschland kann eine uneingeschränkte Bindung an den Polizeibrief wohl kaum noch bestehen. Wenn dem Brief 196 Der Deutschlandvertrag vom 5.5.1955, BGBl. 1955 Π, S. 305, ließ Rechte der Alliierten im Bereich der Telephonkontrolle weiterbestehen. Diese wurden erst durch die Notstandsverfassung von 1968 gegenstandslos, siehe S. 159 ff. 197

Siehe S. 159.

198

Siehe auch Brenner, S. 45 ff mwN.

199

Maunz in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 73 Rn. 131; Lerche in Maunz/Dürig/ Herzog/Scholz, Art 87 Rn. 142; Evers in BK Art. 73 Nr. 10 Rn. 51; Riegel DVB1. 85, 765, 769; Bull in AK-GG, Art. 87 Rn. 95; Gusy, ZRP 87, 45, 47; Bull, Datenschutz, S. 149. Wenn Borgs/Ebert, S. 103, daraufhinweisen, daß Bull inkonsequenterweise mal dem Polizeibrief, so in FR vom 19.2.1982, mal dem Trennungsprinzip Verfassungsrang zuweisen will, muß beachtet werden, daß dies in dem Zeitungsartikel um der Vereinfachimg willen geschah. 200

Lisken in FR vom 26.8.1994; Denninger, ZRP 81, 234 sieht darin ein fortgeltendes Verfassungsgebot. 201 Roewer, S. 134 ff; Roewer, DVB1. 86, S. 205 ff; Borgs/Ebert, S. 107; Albert ZRP 95, S. 105, 108; Werthebach/Droste-Lehnen ZRP 94, 57, 62 ff,; Scholz/Pitschas, S. 186, alle mwN. 7 Hirsch

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Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Verfassungsrang zuerkannt wird, so kann von ihm durch verfassungsänderndes Gesetz abgewichen werden. Er unterliegt nicht der „Ewigkeitsklausel" des Art. 79 I I I GG. Wenngleich umstritten ist, was unter den in Art. 1 und 20 GG niedergelegten Grundsätzen zu verstehen ist 2 0 2 . kann das Trennungsgebot nicht darunter fallen 203 . Das Trennungsgebot ist anderen demokratischen Rechtsstaaten weitgehend fremd und ist somit kein unverrückbares Wesensmerkmal einer solchen Demokratie 204 . Wird in dem Trennungsgebot vorkonstitutionelles Besatzungsrecht gesehen, das ohne Rücksicht auf seine Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz weitergelten sollte 205 , so ist dieses spätestens mit Wegfall des Besatzungsregimes der Disposition durch den deutschen Gesetzgeber unterstellt. Zwar sollte das Trennungsgebot seine Wirkung gerade auch nach dem Inkrafttreten des Grundgesetzes Wirkung entfalten. Man kann aber nicht einzelnen Bestimmungen des Polizeibriefes einer Regelung durch den Gesetzgeber vorenthalten, während andere gegenstandslos geworden sind 2 0 6 . Das Trennungsgebot ist heute in Bundesgesetzen einfachgesetzlich normiert, hierdurch besteht eine Bindung der staatlichen Gewalt Deutschlands 207 .

bb) Landesebene Im „Polizeibrief 6 wurde ausdrücklich auf Bundesorgane Bezug genommen. Daher stellte sich die Frage, ob auch die Länder dadurch gebunden sind. Eine Bejahung dieser Frage unterliegt deshalb einem besonderen Begründungszwang, da sich die Länder zum Teil schon vor dem „Polizeibrief' konstituiert 202

Siehe Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 79 Rn. 12 mwN.

203

Das sieht auch Lisken, aaO, so. Er hält das Trennungsgebot zwar durch das Rechtsstaatsgebot des Art. 20 GG normiert sieht es aber zumindest durch ein verfassungsänderndes Gesetz als aufhebbar an, Lisken, NJW 82, 1481, 1482. 204 Siehe dazu den Verweis von Borgs/Ebert, S. 104, auf das FBI in den USA, die DST in Frankreich und die BuPo in der Schweiz. 203

Art. 123 I GG gilt für Besatzungsrecht nicht, siehe dazu die Nachweise bei Maunz in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art 123. Rn. 4. Die dort angeführten gegenteiligen Auffassungen beziehen sich auf Art. 125 GG. 206 Keiner kann emsthaft die Gehnehmigungs- oder Ablehnungsvorbehalte, die in dem Polizeibrief enthalten sind, auch noch heute fordern. 207

Wenn somit festgestellt ist, daß das Trennungsgebot der Disposition des deutschen Gesetzgebers unterliegt und weiterhin zumindest eine einfachgesetzliche Bindung durch Bundesgesetz daran besteht, so ist das in diesem Zusammenhang eine ausreichende Feststellung. Ob dieses Bundesgesetz nur eine einfachgesetzliche Konkretisierung von Verfassungsrecht darstellt und somit im Ergebnis eine 2/3 - Mehrheit für eine Änderung nötig ist, ist eine Verfahrensfrage, die in diesem Zusammenhang keine Rolle spielt.

ΠΙ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

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haben. Dementsprechend wird die Geltung des Trennungsgebotes für die Länder abgelehnt 208 . Dagegen sind vielfaltige Argumente ins Feld geführt worden. Zum einen wurde vom Ausgangspunkt der Verfassungsqualität des Trennungsgebotes das Homogenitätsprinzip des Art. 28 I, I I I GG bemüht 209 , zum anderen die Länder als die für das allgemeine Polizeiwesen zuständige Instanz als eigentlicher Adressat des Trennungsgebotes angesehen210. Es wurde auch argumentiert, daß wenn eine Trennung in den Ländern nicht durchgeführt wird, eine Zusammenarbeit zwischen den Verfassungsschutzbehörden der Länder und des Bundes nicht möglich ist 2 1 1 . Durch die Neufassung des BVerfSchG dürfte nun klargestellt sein, daß das Trennungsgebot für die Länder in gleichem Maße wie für den Bund gilt. Das ursprünglich in § 3 I I I 3 BVerfSchG aF normierte Gebot ist nun in § 2 I 3 BVerfSchG nF normiert. Damit bezieht es sich unmittelbar auf das in § 2 I I BVerfSchG festgelegte Gebot an die Länder, ein Amt für den Verfassungsschutz zu errichten. Diese Ermächtigung an die Länder legt gleichzeitig den Rahmen fest, in dem die Länder sich bewegen dürfen 212 . Hierdurch gilt es nun auch für die Länder durch Bundesgesetz213. Die Länder sind in der Ausgestaltung ihrer L f V an das Trennungsgebot gebunden, soweit es im Bund besteht. c) Inhalt des Trennungsgebotes Nach dem Polizeibrief hat das Trennungsgebot Bedeutung im Verhältnis der Polizeibehörden zu den Diensten ebenso wie für den internen Aufbau der Poli-

208

Roewer, S. 40; Roewer, DVB1. 86, 205, 207; Borgs/Ebert, S. 103; Evers, BK, Art. 73 Nr. 10 Rn. 51; Drews/Wacke, Gefahrenabwehr, S. 95; Koch, ZRP 95, S. 24. 209

Denninger, ZRP 81, 232.

210

Lisken, NJW 82, 1481, 1482.

211

Gusy, BayVBl. 82, 201, 205 f.

212

A.A Koch, ZRP 95, S. 28, der eine umfassende landesrechtliche Kompetenz bis zu dem Punkt bejaht, an dem die Zusammenarbeit mit dem Bund betroffen ist. 213

Wenn Roewer DVB1. 86, 205, 207; ders., S. 139, dem Trennungsgebot ausschließlich organisatorischen Inhalt zubilligt und daraus folgert, daß die „Vermischung von Bundespolizei und Verfassungsschutzbehörden unter einem ,3©hördendach" verboten sei, so ist dies eine merkwürdige Gleichsetzung von Organisationsstruktur und geographischen Gegebenheiten. Das Trennungsgebot gebietet nicht, das Innenministerium und LfV eine verschiedene Postanschrift haben, damit sie nicht das gleiche „ B e h ö r d e n d a c h " teilen. Soweit eine tatsächliche organisatorische Selbständigkeit sichergestellt ist, kann der Landesverfassungsschutz durchaus als Abteilung des Innenministeriums gestaltet werden, da das Trennungsgebot ebenfalls nicht verbietet, an Bedienstete eine Ministerialzulage zu zahlen. Roewer, S. 139, ist insoweit zuzustimmen, wie er die Wahmahme von Aufgaben beider Behördenzweige in Personalunion ausschließt.

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Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

zei 2 1 4 Dabei heißt es, daß „eine Stelle zur Sammlung und Verbreitung von Auskünften über umstürzlerische, gegen die Bundesregierung 215 gerichtete Tätigkeiten [eingerichtet werden kann]. Diese Stelle soll keine Polizeibefugnis haben' 4216 . Daraus läßt sich nicht folgern, daß die Aufgabenfelder „Kriminalität" und „Extremismus" getrennt sein müssen 217 , sondern das Gebot betrifft die Befugniszuweisung an die Dienste. Mißverständnisse haben sich aus einer ungenauen Übersetzung des englischen Originaltextes ergeben. Hier heißt es: „2. The Federal Government will also be permitted to establish an agency to collect and disseminate concerning subversive activities directed against the Federal Government. This agency shall have no police authority." 218 Der Polizeibrief behandelt den Aufbau von zonenübergreifenden Polizeibehörden („Federal Law Enforcement and police agencies"). Dieses in Betracht ziehend und die Tatsache, daß in den angelsächsischen Staaten eine strikte Trennung zwischen Diensten und Polizei nicht durchgeführt ist 2 1 9 , die Dienste in diesem Verständnis dem Bereich der Polizei zuzuordnen sind 2 2 0 , hat für die Interpretation Konsequenzen.

214

Nr. 2 und 3 des Polizeibriefes.

213

Siehe zu dieser Übersetzung schon oben.

216

Übersetzung des Polizeibriefes bei Roewer, S. 135, der nach Schneider, Polizeirecht, 11. Auflage, 1952 zitiert. 217

Auf dieses fehlerhafte Verständnis in der rechtspolitischen Situation der jüngsten Vergangenheit weist Albert ZRP 95, S. 105 zutreffend hin. Im übrigen läßt sich in Anbetracht der Staatsschutzdelikte des StGBs zwischen diesen Bereichen kaum trennscharf linterscheiden. 218

Als Übersetzungsvorschlag soll angeboten werden: „Der Bundesrepublik Deutschland wird gestattet, eine Dienststelle zur Sammlung und Verbreitung von Auskünften über umstürzlerische, gegen die verfassungsmäßigen Staatsorgane der Bundesrepublik Deutschland gerichtete Aktivitäten einzurichten. Dieser darf keine Polizeigewalt zukommen." 219 Dem FBI kommt durchaus die Befugnis zu Zwangsmaßnahmen zu, ebenso arbeitet der britische Secret Service engstens mit dem Special Branch von Scotland Yard zusammen. 220 Stem I, S. 222 f. mwN sieht die Dienste im Gefüge der deutschen Exekutive als Institutionen eigener Art.

ΠΙ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

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Hieraus folgt nur das Verbot, die Dienste selber mit polizeilichen Zwangsbefugnissen („police authority") auszustatten oder ihnen im Wege der Amtshilfe diese zu eröffnen 221 . Das bedingt nur mittelbar eine organisatorische Trennung. Zum einen folgt daraus das Verbot der Personalunion zwischen den Diensten und der Polizei Das Trennungsgebot gilt aber in zwei Richtungen. Es ist nicht nur unzulässig, den Nachrichtendiensten polizeiliche Zwangsmaßnahmen zuzugestehen, ebenso ist es unzulässig, den polizeilichen Aufgabenbereich so zu erweitern, daß er den Bereich der Nachrichtendienste mit erfaßt. Eine organisatorische Zusammenlegung ist nur in dem Maße unzulässig, wie dadurch der Polizei Möglichkeiten eröffnet werden, über ihren Bereich hinaus tätig zu werden, oder den Diensten die Möglichkeit gibt, faktisch auf die Polizei zum Einsetzen ihrer Mittel einzuwirken. Die herkömmliche Interpretation war zu weitgehend. Weder läßt sich auf den Polizeibrief das Verbot stützen, Dienste und Polizei unter einem „Behördendach" 222 zu etablieren noch verbietet es eine Angliederung an eine Polizeidienststelle, wenn die organisatorische Selbständigkeit gewahrt bleibt 2 2 3 . Die Unterstellung des Verfassungsschutzes unter die Dienstaufsicht des B M I 2 2 4 oder des Innenminister des jeweiligen Landes bedeutet somit keine Durchbrechung des Trennungsgebotes 225. Das heute gesetzlich normierte Trennungsgebot, das für die Praxis ausschlaggebend ist, findet seinen Niederschlag in §§ 2 I 3; 8 I I I BVerfSchG und den entsprechenden Regelungen in den Landesgesetzen. Hiernach darf eine Angliederung, d.h. organisatorische Zusammenführung, an eine polizeiliche Dienststelle nicht erfolgen. Polizeiliche Befugnisse stehen den Diensten nicht zu 2 2 6 . 221

A.A. Scholz/Pitschas, S. 186.

222

So Roewer, aaO.

223

Bei dieser Interpretation des englischen Textes, welche die Dienste im weiteren Sinne auch der Polizei zuzurechnet, ergibt sich ein weiteres Problem, dem bisher keine Beachtung geschenkt wurde: Nr. 3 des Briefes heißt: „(...) provided that no Federal police agency shall have command authority over any Land or local police agency". Gem. § 5 Π BVerfSchG kann das BfV in bestimmten Fällen im Bereich eines Landes tätig werden, wenn das Benehmen mit dem LfV hergestellt wurde. Benehmen bedeutet jedoch kein Einvernehmen oder gar Zustimmung, sondern ist weiter zu fassen. Auch stehen gem. § 7 BVerfSchG der Bundesregierung, die Dienstherrin der Dienste ist, Weisungsrechte gegenüber den LfV zu. Sieht man in dem Polizeibrief weiterwirkendes vorkonstitutionelles Besatzungsrecht, so wäre eine 2/3 - Mehrheit für dieses Gesetz nötig gewesen. 224

Im BMI wird die Aufsicht über das BfV von der Abteilung IS (Innere Sicherheit), über die Polizei durch die Abteilung Ρ (Polizei) wahrgenommen, allerdings erst seit dem 1.7.1978, vorher bestand eine einheitliche Abteilung ÖS (Öffentliche Sicherheit). Der übergeordnete Staatssekretär steht beiden Abteilungen vor. 223 226

A.A. Roewer, S. 139.

Dieser Begriff ist historisch zu interpretieren. Die Dienste können durchaus zu einer Eingriffstätigkeit befugt sein, zu der auch die Polizeien ermächtigt sind, man denke

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Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Auch ist die Aufgabenstellung im Zusammenhang mit dem Trennungsgebot zu sehen. Während die Dienste im Bereich der Vorfeldbeobachtung tätig sind, hat die Polizei die Abwehr konkreter Gefahren zur Aufgabe 227 . Der Einsatz ihrer Mittel muß sich im Bereich ihrer Aufgaben halten. Den Polizeien ist somit die weite Vorfeldbeobachtung ohne konkreten Anlaß untersagt. Daran ändert auch die Erweiterung der polizeilichen Aufgaben durch die Neuregelungen in den Polizeigesetzen nichts. Zwar sieht etwa § 1 I PolG N W 2 2 8 auch Aufgaben vor, die im Vorfeld einer konkreten Gefahrenlage stehen. Diese stehen aber im engen Zusammenhang mit den „klassischen" Polizeiaufgaben. Dahinter steht das Bestreben, ζ. B. Polizeidateien auch über die Verurteilung des Straftäters hinaus erhalten zu können. Dies wäre ohne die Aufgabenerweiterung aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes zum allgemeinen Persönlichkeitsrecht nicht möglich. Die Verfolgung von Straftaten ist nicht Aufgabe der Dienste. Die Dienste sollen vielmehr den Überblick über die Gefahrdungslage, in der sich die Bundesrepublik Deutschland befindet, sicherstellen. Ihre Tätigkeit ist somit rein informationeller Art. Erfahren die Dienste in Erfüllung ihrer Aufgabe von Straftaten, so liegt es in ihrem pflichtgemäßen Ermessen, darüber abzuwägen, ob sie die Polizei informieren, §§19; 20; 21 BVerfSchG bzw. die entsprechenden landesgetzlichen Regelungen. In einer sorgfaltigen Abwägung muß entschieden werden, ob sich die Aufgabe der Dienste nur effektiv weiterverfolgen läßt, wenn eine Information übermittelt wird. Dabei muß bedacht werden, ob eine Straftat geduldet oder ein Bruch der Rechtsordnung, deren Bestand insgesamt geschützt werden soll, hingenommen wird. Aus diesen Überlegungen lassen sich Rückschlüsse auf die Existenz eines „informationellen Trennungsgebotes" ziehen 229 . Das informationelle Trennungsgebot läßt sich in zweierlei Hinsicht konkretisieren. In einem strengen Sinne ließe sich dieses Trennungsgebot dahingehend verstehen, daß die Polizeien rein nachrichtendienstlich relevante Daten nicht zur Kenntnis nehmen dürfen und umgekehrt die Dienste keine Daten, die unter Einsatz polizeilicher Mittel erlangt wurden. Ausnahmen könne es nur in den Fällen gesetzlich normierter Überschneidungen der Aufgabenbereiche von etwa an den Einsatz von verdeckten Ermittlern gem. § 110 a StPO durch die Polizei. Niemand verlangt nun, daß die Dienste keine verdeckten Ermittler mehr einsetzen dürfen. Gemeint sind somit hoheitliche Zwangsmaßnahmen. 227

Siehe zu Vorverlagerung aus dem Bereich der präventiven Gefahrenabwehr in Richtung Vorfeldbetrachtung schon früh Scholz/Pitschas, S. 159, ausführlich Riegel, Datenschutz, S. 100 und S. 196 f. 228 229

IdF v. 24.2.1990, GV NW S. 70.

Siehe hierzu auch Scholz/Pitschas, S. 157 ff über die „polizeiliche Informationsvorsorge" und S. 184 ff über die „polizeiliche Informationsvorsorge und Verfassungsschutz".

ΠΙ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

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Diensten und Polizeien geben 230 . Eine solche strikte Trennung ist in der Praxis nicht realisierbar und weiterhin auch rechtlich nicht gefordert. Im BVerfSchG und den entsprechenden Gesetzen der Länder sowie den einschlägigen Spezialgesetzen sind Übermittlungspflichten zwischen den Staatsanwaltschaften, Polizeien und den Verfassungsschutzbehörden normiert. Im übrigen besteht die verfassungsrechtliche Pflicht der Behörden aus Art. 35 I GG 2 3 1 , sich Amtshilfe zu leisten. Aus dem gesetzlich normierten Verbot der Dienste, polizeiliche Mittel einzusetzen, folgt zwar auch das Verbot, solche Mittel im Wege der Amtshilfe einzusetzen. Nicht aber läßt sich hieraus das Verbot folgern, Informationen, die zur Aufgabenerfüllung einer anderen Sicherheitsbehörde notwendig sind, weiterzugeben. Möglich ist somit der Datenaustausch, der sich an den gesetzlich normierten Aufgaben der Dienste und der Polizei orientiert 232 . Hierbei ist dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung besondere Aufmerksamkeit zu widmen 2 3 3 . Dieses steht einem unbegrenzten Informationsaustausch zwischen den Polizeien und den Diensten entgegen. Würde eine Zusammenarbeit zwischen den Diensten und der Polizei so weit gehen, daß die Polizeien 'per Knopfdruck' alle durch die Dienste gespeicherten Daten abrufen könnten, wären die Dienste im allgemeinen Staatsgefüge wenig mehr als eine faktische Unterbehörde der Polizei. Um diese Daten verwerten zu können, müßte die Polizei lediglich eine Computerabfrage durchführen, was die Grenzen der Amtshilfeverpflichtung weit überschreiten würde 234 . Durch § 6 S. 4 i V m S. 1 BVerfSchG ist eine solche Abfrage unzulässig 235 . Unter Berücksichtigung der gesetzlichen Wertungen des Verfassungsschutzund des Datenschutzrechts ist der Informationsaustausch der Dienste und der Polizeien bei Beachtung der im Rahmen der Amtshilfeverpflichtung zu ziehenden Grenzen zulässig. Besonderes Gewicht muß dabei der funktionalen Aufgabenzuweisung an die einzelne Behörde im Verwaltungsgefüge zukommen. Wenn die Aufgabenstellung der Dienste und der Polizeien als Sicherheitsbehörden gleichermaßen ist, die freiheitlich demokratische Grundordnung auf-

230

Kritisch hierzu Scholz/Pitschas, S. 185 ff mwN.

231

Diese hat in §§ 4 ff VwVfG ihre einfachgesetzliche Konkretisierung gefunden.

232

So auch Scholz/Pitschas, S. 184 ff, insbesondere S. 192.

233

Diesem trägt etwa § 10 I 1 BDSG besondere Rechnung, wenn er auf die schutzwürdigen Interessen der Betroffenen abstellt. 234

Denninger, ZRP 81, 231, 235, weist mit Recht daraufhin, daß ,Jnformationshilfe u ein „Übermitteln" von Daten voraussetzt, nicht aber das unbedingte Bereithalten von Daten, die ohne einzelfallbezogene Rechtmäßigkeitsprüfungen abgerufen werden können. 235

Die Beteiligung der Abteilung Staatsschutz des BKA an NADIS konnte bis 1990 zumindest auf dort geführte eigene Datenbestände zugreifen.

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Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

recht zu erhalten, so ist ihre Funktion dabei eine andere 236 . Nach ihrer Konzeption steht den Diensten auch die Beobachtung solcher Vorgänge zu, die sich noch im Rahmen der freiheitlich demokratischen Grundordnung halten und erst auf eine Gefahrdung hinauslaufen. Den Polizeien hingegen obliegt die präventive und repressive Gefahrenabwehr. Werden Informationen dieser 'funktionsähnlichen' Behörden untereinander übermittelt, so liegt darin keine Verletzung eines informationellen Trennungsgebotes. Aus dem Grundsatz der eigenen Exekutiwerantwortung heraus aber folgt, daß der direkte, wie auch immer geartete eigene Zugriff nicht gestattet sein kann. Erst wenn eine willentliche Übermittlung vorliegt, ist dieser Bereich gewahrt 237 . I m Ergebnis mag somit bezweifelt werden, ob dieses „informationelle Trennungsgebot" ein wirkliches Trennungsgebot darstellt. Diese Beschränkungen der Informationsweitergabe bestünde auch dann, wenn ein Trennungsgebot zwischen Diensten und Polizeien nicht normiert wäre. In der hier vertretenen Ausgestaltung folgt es auch aus dem Prinzip der eigenen Exekutiwerantwortung jeder Behörde im Zusammenspiel mit den grundrechtlich gewährten Recht auf informationelle Selbstbestimmung. So folgt aus dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung die Zweckbindung erhobener Daten „auf den gesetzlich bestimmten Zweck" 2 3 8 . Das aber bedeutet einen „amtshilfefesten

236 Scholz/Pitschas, S. 190, gehen hier von einer „Funktionsidentität" aus, die das „Handeln der Behörden in einen verfassungsrechtlich überdies von den Art. 73 Nr. 10, 871 GG gewollten sachlichen Zusammenhang" stelle. 237

Eine von dieser grundsätzlichen Situation zu unterscheidende Rechtslage ergibt sich durch § 3 G10. Seiner Konzeption nach sollen hier durch den BND Daten im Zusammenhang mit der Bekämpfung von Straftaten erlangt werden. Wenn diese an die zur Strafverfolgung berufenen Behörden weitergegeben werden, ist dies, genau betrachtet, ein Fall der Amtshilfe. Diesen Dienststellen fehlen die tatsächlichen Einrichtungen, den Fernmeldeverkehr ähnlich wie der BND überwachen zu können. Der BND darf bei der funktionalen Trennimg zwischen Polizei und Diensten, wie sie nach der hier vertretenen Ansicht folgt, nur prüfen, ob die erlangten Daten tatsächlich in einem Zusammenhang mit den in § 3 I Gl 0 genannten Fällen steht. Dies hat eine gleiche rechtliche Qualität wie die Übermittlungsgebote etwa in §§ 17 ff BVerfSchG. Wenn der BND jedoch eine rechtliche Qualifizierung der erlangten Daten vornehmen muß, ob eine konkrete Gefahr besteht, so muß er das Ermessen ausüben, das den Polizeien zugeordnet ist. Erst dann ist das Trennungsgebot verletzt. Das BVerfG fordert jedoch in seiner Einstweiligen Anordnung, 1 BvR 2226/94 vom 5. 7. 1995, Leitsatz 2, vom BND eben jene Prüfung. Sofern entgegen Scholz/Pitschas, aaO, keine „Funktionenidentität" angenommen wird, liegt hierin eine Verletzung des Trennungsgebotes. 238

BVerfGE 65, 1, 46.

ΠΙ. Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle

99

Schutz" gegen Zweckentfremdung durch unbegrenzte Weitergabe 239 . Dies gilt auch im Verhältnis der Sicherheitsbehörden untereinander. Verhindert wird ein Ersuchen eines Dienstes an eine Polizeidienststelle, eine bestimmte Information unter Einsatz polizeilicher Mittel zu erheben. In der Regel aber dürfte eine Information, die nur unter Einsatz eines polizeilichen Mittels erlangt werden kann, aus dem originären Aufgabenbereich der Dienste herausfallen. Tatsächliche Bedeutung kommt dem Trennungsgebot damit im Bereich der Funktionszuweisung und dem damit verbundenen Aufgabenbereich zu. Es wirkt sich somit auf die Informationsgewinnung aus.

d) Entwicklung in der Praxis Das Trennungsgebot ist von zwei Seiten einer Gefahrdung unterworfen. Zum einen versuchen die Dienste ihren Aufgabenbereich in den Bereich der Prävention von Straftaten zu verlagern. Zum anderen wird die Polizei immer mehr im Bereich der Vorfeldaufklärung tätig 2 4 0 . Das klassische Gebiet des Nachrichtendienstes ist mit Zusammenbruch des Ostblocks verlorengegangen. Ebenso liegt heute eine viel größere Gefahr in der Organisierten Kriminalität (OK) als in politisch motivierten, extremen Gruppierungen. Das Problem der OK ist kein rein nationales, sondern aufgrund vielfältiger internationaler Verflechtungen ein internationales. Gerade aber im Bereich der internationalen Kriminalität möchte man die technischen Möglichkeiten des BND nutzen, wie etwa durch die Neuerung des § 3 G l 0 geschehen. Weiterhin wird auf strukturelle Unterschiede der beiden Behörden hingewiesen. Während die Polizei im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung dem strengen Legalitätsprinzip unterliegt, gilt dies für die Dienste nicht. Diese unterliegen lediglich dem Opportunitätsprinzip, müssen nicht jede Straftat notwendigerweise verfolgen. Eine Durchdringung einer kriminellen Organisation auf Jahre hinweg scheint schwer möglich, ohne daß von Straftaten Kenntnis erlangt wird 2 4 1 .

239

BVerfGE aaO.

240

Riegel wies schon 1979, NJW 79, 952, auf diese Gefahr hin. Siehe auch Scholz/Pitschas, S. 172, mit Hinweis auf den polizeilichen Gefahrenbegriff. Dieser sei „offen und setzt keine bereits bestehende Gefahr für den Einzelfall voraus. Er kann vielmehr auch die abstrakte Gefahr bis hin zur Gefahrenvorsorge erfassen". Aus der jüngsten Vergangenheit sei ein Urteil des VG Stuttgart vom 30.9.1993, zit. nach Albert, ZRP 95, S. 107 Fn. 23, zitiert, bei dem der Einsatz von V-Leuten aufgrund der mangelnden Bestimmtheit ihres Einsatzbefehles für rechtswidrig erklärt wurde. 241 Darauf weist Albert, ZRP 95, 105, 107 hin. Gleichzeitig weist er daraufhin, daß es dem LfV Rheinland-Pfalz gelungen sei, einen V-Mann bis an die Kommandoebene

100

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Somit ist festzustellen, daß besonders im Verhältnis Verfassungsschutz und Polizei eine zunehmende Verwischung der Zuständigkeitsfelder auftritt 242 . Dafür sind im Bereich der inneren Sicherheit auch die Verfassungsschutzbehörden mitverantwortlich. Der notwendige Quellenschutz wird manchmal übersteigert 243 , was zu vermeidbaren Wissenslücken bei der Polizei führen kann. Mängel, wirklich oder auch nur scheinbare, in der Prognosefahigkeit des Verfassungsschutzes neben einer „nicht immer gerechtfertigten Geheimniskrämerei" führen dazu, daß die Polizei bestrebt ist, ihre eigenen Aktivitäten in das Vorfeld zu verschieben 244.

e) Folgerungen för den Bereich der Dienste Wenn nun eine Annäherung der Tätigkeiten zwischen Polizei und Diensten in der Praxis festgestellt wurde, muß dieses Folgen für die Kontrollinstanzen haben. Eine Kontrolle der Dienste im Bereich der inneren Sicherheit unterliegt der Gefahr leerzulaufen, wenn ihre klassischen Aufgaben, nämlich die Vorfeldbeobachtung, immer mehr von den Polizeien übernommen werden. Im Bereich der Staatsschutzabteilungen unterliegen die Polizeien nicht den besonderen Kontrollen wie die Dienste. Da hier aber auch sicherheitsrelevante und geheimschutzbedürftige Operationen durchgeführt werden, greifen die gleichen kontrollbeschränkenden Momente gegenüber den allgemeinen Kontrollen, wie sie es im Bereich der Dienste tun. Somit besteht die Gefahr, daß durch eine entsprechende Zusammenarbeit der Dienste mit den Polizeien die Kontrollinstanzen unterlaufen werden können 245 .

der Roten Armee Fraktion heranzuführen. Dieser Erfolg wurde durch den Zugriff in Bad Kleinen jedoch wieder verspielt. 242

Siehe hierzu auch die Entschließung der 48. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 26./27. September 1994 zu Art. 12 Verbrechungsbekämpfungsgesetz, zur Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten. Die Datenschutzbeauftragten „stellen mit Besorgnis Entwicklungen fest, die die klare Trennungslinie zwischen den Nachrichtendiensten und Polizeibehörden weiter zu verwischen drohen." 243

Die Motive für das Zurückhalten der Mordwaffe im bereits erwähnten Fall Schmücker etwa mögen ein solch übersteigerter Quellenschutz gewesen sein. 244 243

Jachmann, S. 252 ff.

Die Diskussion, ob und wieweit sich die Dienste an der Bekämpfung der OK beteiligen sollen, soll hier nicht aufgegriffen werden. Siehe dazu etwa Denninger, Verfassungsschutz, Polizei und die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität, Kritische Vierteljahresschrift für Gesetzgebung und Rechtswissenschaft 94; S. 232; Gusy; Polizei und Nachrichtendienste im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität, am gleichen Ort, S. 242; ders., Strafverteidiger 95, 320; Koch ZRP 95, S. 24 ff.

IV. Die bestehenden Kontrollen

101

Das Trennungsgebot wird als rechtsstaatliche Errungenschaft angesehen, die zu einer Kontrolle und Mäßigung der Dienste beiträgt. Wenn eine Behörde eine Nachricht selbst beschafft, wird sie sie bezüglich ihres Beweiswertes höher einschätzen, als wenn sie sie von einer anderen Behörde mitgeteilt bekommt. Exekutivische Maßnahmen werden dann schneller ergriffen 246 . Daneben wird das Trennungsgebot als Gegenpol eines faktisch notwendigen Kontrolldefizits angesehen. Die mangelnde Kontrolldichte müsse einhergehen mit einer Beschränkung des rechtlichen Könnens 247 . Das Trennungsgebot trägt aus sich selbst heraus zu einer Kontrolle der Dienste bei. Es bildet zum einen die Grundlage für eine gegenseitige Kontrolle an den Schnittstellen der Sicherheitsbehörden. Zum anderen führt es zur Ausbildung polizeifester Materie im Bereich der Vorfeldbeobachtung. Bei jeder Ausweitung der polizeilichen Befugnisse in die Vorfeldbeobachtung muß ein Bezug zur Abwehr konkreter Gefahren 248 hergestellt werden.

IV. Die bestehenden Kontrollen Das Grundgesetz statuiert in Art. 20 I I I GG, daß alle Gewalt an Gesetz und Recht gebunden ist. Das BVerfSchG sowie das M A D G wiederholen dies unter Hinweis auf das Grundgesetz explizit noch einmal. Für den Juristen sind diese Vorschriften eine Selbstverständlichkeit, die eigentlich keiner erneuten Erwähnung bedurft hätten1. Keiner bestreitet, daß auch die Nachrichtendienste sich an die gesetzlichen Vorschriften halten müssen, indem er behauptet, sie würden sich im freien Raum bewegen und könnten ganz nach Belieben schalten und walten. Dieser Verweis sollte dazu beitragen, das Vertrauen der Bürger in die Dienste zu erhöhen. Das Vertrauen in die Gesetzestreue der Dienste von Seiten des Bürgers ist nicht sehr hoch. Dazu haben nicht zuletzt bestimmte Aktivitäten der Dienste selbst beigetragen, bei denen es den Anschein hatte, als würden die Dienste es mit eben jenen Normen nicht sonderlich genau nehmen. 246

So auch ein ehemaliger Mitarbeiter eines Dienstes.

247

Hassemer, S. 46 mwN.

248

Wenn Scholz/Pitschas, S. 172, konstatieren, daß die Polizeiaufgaben in das Vorfeld einer konkreten Gefahrenabwehr auch dann hineinreichen, wenn Strafrechtsnormen als Gefahrdungstatbestände ausgestaltet sind, so ist das verkürzend. Zwar wird bei Verdacht der Verwirklichung eines solchen Straftatsbestandes regelmäßig noch keine konkrete Gefahr nachweisbar sein. Um ein Tätigwerden zu rechtfertigen, müssen aber konkrete Verdachtsmomente vorliegen. Die Dienste können auch ohne einen solchen konkreten Verdacht tätig werden. 1

Auf das durch die Forderung nach einer gesetzlichen Ermächtigung zu „milieugerechten Straftaten" entstehende Paradoxon soll hier nicht eingegangen werden.

102

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Ist man sich nicht einig 2 , ob das sog. „Celler Loch" sich noch im Rahmen der gesetzmäßigen Ordnung hielt 3 , so warfen die Fälle Traube und Schmücker die Frage auf, wie genau das BfV es denn mit den gesetzlichen Vorschriften tatsächlich nehme4. Nun ist es eigentlich nichts Besonderes, daß eine Behörde rechtswidrig handelt, die Judikatur der Verwaltungsgerichte ist voll davon. Im Bereich des Verfassungsschutzes trifft ein rechtswidriges Handeln eine empfindliche Stelle und führt nicht selten zu einem Skandal, der hohe Wellen schlägt. Eingriffe treffen den Beobachteten regelmäßig in seiner Privatsphäre, ohne daß er es bemerkt. Da hier geheim vorgegangen wird, ist die Bindung an Recht und Ordnung nicht offensichtlich. Eine solche ist auch nur gewährleistet, wenn effektive Kontrollmechanismen bestehen, die darüber wachen.

1. Einteilung der Kontrollinstanzen Im Bereich der Dienste ist ein System von verschiedenen Kontrollinstanzen normiert. Hier existieren gegenüber der allgemeinen Staatsverwaltung spezielle Instanzen. Die allgemeinen Kontrollen greifen auch, wenngleich aufgrund der Geheimhaltungsbedürftigkeit Besonderheiten bestehen. Als besondere Kontrollinstanzen im Bereich der Dienste sind insoweit zu nennen.

2 Auch die richterlichen Beurteilungen eines Sachverhaltes sind unterschiedlich. Die Telephonüberwachung des Journalisten Wallraff wurde erstinstanzlich durch das VG Köln NJW 1981, 1630 als rechtswidrig eingestuft. Dieses Urteil wurde jedoch vom OVG rechtskräftig wieder aufgehoben. Dies ist kein Fall, in dem durch eine Veränderung der Tatsachenlage eine unterschiedliche Beurteilung durch die zweite Instanz zu erfolgen hatte. In einem Fall hatte ein VG die Speicherung von Daten über eine Studentin, die eine Demonstration mitorganisiert hatte, mangels Dokumentationsinterresses als rechtswidrig eingestuft. Dieses sollte durch den erstinstanzlichen Prozeß jedoch gegeben sein, so daß die zweite Instanz das Urteil aufhob. 3

In die Gefangnismauer der JVA Celle sollte 1978 mittels Sprengstoffes ein Loch gebombt werden, um einen V-Mann in eine terroristische Gruppe einzuschleusen. Borgs/Ebert, S. 111 zählt die „geringfügige Beschädigung einer Gefangnismauer" als „Anwendung von List und Tricks" als nachrichtendienstliches Hilfsmittel, das zumindest aufgrund der dahinterstehenden behördlichen Erlaubnis als rechtmäßig angesehen werden muß; Müller-Heideiberg, a.a.O., S. 7, hingegen sieht hierin eine klare Überschreitung von Aufgabe und Kompetenz: „Der Staat bombt mit". Vgl. zum Streitstand auch ausfuhrlich Evers, NJW 1987, 153; Kühne, JuS 87, 188. 4

Ausfuhrlich zum Fall Traube Schwagerl, Verfassungsschutz, S. 161 ff, der den gesamten Streitstand referiert.

IV. Die bestehenden Kontrollen • • • •

103

Das Vertrauensgremium nach § 10 a BHO Die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) Die Verbindungsmänner der Fraktion Die Kontrollinstanzen nach dem G10 bzw. nach § 41 AWG.

Alle weiteren Kontrollinstanzen bestehen auch im Bereich der allgemeinen Staatsverwaltung, sind somit nicht speziell für die Dienste geschaffen worden. Dies muß bei der Aufgabenstellung und der Reichweite der Kompetenzen der Institutionen beachtet werden. Daneben sind die Kontrollinstanzen auch nach ihren primären Aufgaben zu trennen.

• Die Gerichte, die Kommissionen nach G10 bzw. § 41 AWG wie auch der Bundesbeauftragte für den Datenschutz sollen eine Rechtmäßigkeitsprüfung ausüben. • Der Rechnungshof wie auch das Vertrauensgremium nach § 10a BHO sollen in erster Linie eine Wirtschaftlichkeitsprüfung gewährleisten. • Die parlamentarischen Gremien, insbesondere die PKK, sollen über die Rechtmäßigkeitskontrolle hinaus auch eine politische, also eine umfassende Kontrolle ausüben5. Dabei ist die Dienstführung Gegenstand der Kontrolle. • Die Exekutive selber übt durch die hierarchische Struktur eine Kontrolle aus, die sich auf die Recht- und aber auch Zweckmäßigkeit bezieht.

2. Öffentlichkeit und Presse „Gegen böswilligen Angriff oder Untergrabung können (...) nur Kräfte schirmen. Kräfte und Kräftemassen, (...) welche überhaupt nach der allgemeinen Beschaffenheit des Staats- und Volks-Lebens im Schooße der Nation vorhanden sind oder seyn können, und die natürliche Richtung haben, für die Verfassung, überhaupt für Recht und Freiheit, zu streiten. (...); ja das imponirende Vorhandenseyn moralischer Kräfte auf Seite der Constitutionsfreunde hält schon vom Angriffe ab. (...) Unter den (..) Kräften stellen sich vornehmlich (...) die Publizität aller Akte der Regierung und der Volksrepräsentation, (...) die Preßfreiheit, die Mutter, Bedingung und Schutzwehr alles Guten im Staatsleben(...)."6.

3

Dies beinhaltet natürlich auch eine Wirtschaftlichkeitskontrolle.

6

Rotteck, S. 294, 295.

104

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Es ist lange bekannt, welchen Druck die öffentliche Meinung auf die Staatsorgane ausüben kann. Die Dienste sind in einem besonderem Maße diesem Druck ausgeliefert - Pannen der Dienste haben stärkere Auswirkungen als in anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung 7 . Einige Kontrollorgane erhalten ihre Effektivität gerade aus der Öffentlichkeitswirkung, so in besonderem Maße die Untersuchungsausschüsse. Eine Verfassung muß auf der Zustimmung ihrer Adressaten beruhen können. Die wehrhafte Demokratie des Grundgesetzes8 kann nur bestehen, wenn der Wille des Volkes auf den Erhalt der verfassungsmäßigen Ordnung gerichtet ist 9 . Die Grundentscheidungen müssen in der Öffentlichkeit als verbindlich anerkannt werden und verteidigt werden 10 . Ein Staat kann, wie die Erfahrungen in der Weimarer Republik gezeigt haben, ohne die sie tragenden gesellschaftlichen Kräfte nicht existieren. Ein Grund für Weimars Niedergang ist in der mangelnden Identifikation des Volkes mit den Institutionen dieser Republik zu suchen11. Die Öffentlichkeit ist somit nicht nur berufen, die Verfassung gegen staatsfeindliche Bestrebungen zu schützen, sondern darüber zu wachen, daß staatliche Institutionen nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung verstoßen. Besonders im Bereich des Verfassungsschutzes ist es nötig, daß die Öffentlichkeit an der Verteidigung der verfassungsmäßigen Ordnung Anteil nimmt und so eine gesellschaftliche Isolation der Institutionen der inneren Sicherheit zu vermeiden 12 . Durch eine Teilnahme am öffentlichen Geschehen erfolgt dies in der Praxis soweit, wie die Öffentlichkeit Informationen erlangt. Es findet somit eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit nur in diesem Umfange statt. Alleine aber die Vermutung der öffentlichen Meinung, nicht informiert worden zu sein, kann in diesem Bereich zu einem starken Druck auf die Dienste führen, den sie im Rahmen des geheimschutztechnisch Möglichen abzuwehren versuchen werden. Untrennbar verbunden mit der Öffentlichkeit ist das verfassungsrechtlich verbürgte Institut der freien Presse. Die Medien üben ihrem Selbstverständnis 7

Boeden, S. 21.

8

Siehe dazu das vorausgegangene Kapitel.

9

„Dies alles (d.h. der Schutz des Rechtsstaates) gelingt aber wiederum nur, wenn die Akzeptanz beim Bürger, wenn seine Loyalität zum demokratischen Rechtsstaat gewährleistet ist."; Scholz, Thür VwBl. 95, 1, 2 ff; „Die Demokratie lebt vom Willen der Bürger zu dieser Staatsform."; Gusy Jura 95, 226, 234. 10

So auch Becker, HbdStR VQ, S. 357 mwN.

11

In diesem Sinne auch Stern I, S. 184. Er verweist auf Hegels Auspruch: „Als subjektive Garantien können Liebe des Volkes, Charakter, Eide, Gewalt us.f. angesehen werden (. ..).". Zum Begriff des „Verfassungspatriotismus" siehe kritisch Merten, VerwArch 83 (1992), S. 283 ff. 12

Jaschke, S. 254.

IV. Die bestehenden Kontrollen

105

nach eine Kontrolle der Staatsgewalt aus, sie berichten über die Angelegenheiten des öffentlichen Interesses. Die Information durch die Presse ist in einer demokratischen Gesellschaft eine intensive, daß es jedoch „über Presse, Funk und Fernsehen Informationen über alles und jedes" 13 gebe, ist zu hoch gegriffen. Die Presse ist, gerade im geheimdienstlichen Bereich, auf die Informationen beschränkt, die die Dienste öffentlich bekanntgeben oder die unter Verletzung der Verschwiegenheitspflicht von Mitarbeitern weitergegeben werden. Auch „Zufallsfunde" kommen vor. Die Zusammenarbeit der Dienste mit der Presse aber gestaltet sich in der Praxis schwierig. Dies liegt auf der einen Seite an Berührungsängsten von beiden Beteiligten, auf der anderen Seite herrscht eine Unklarheit darüber, was der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden kann oder sollte 14 . Eine allgemeine Kontrolle nur durch Presse aber kann es nicht geben. Zum einen ist daran zu denken, daß sie nur berichtet, sofern ein öffentliches Interesse gegeben ist. Die unzulässige Speicherung einer Person mag zwar deren Lebensweg empfindlich stören, wird aber wohl kaum durch die Presse gehen. Zum anderen sind Presseorgane auch gleichzeitig Instrumente zur Bildung einer bestimmten Meinung in der Öffentlichkeit. Eine Kontrolle aber muß sich an objektiven Maßstäben messen lassen. Öffentlichkeit und Presse sind somit eine unerläßliche Erscheinung im demokratischen Staat und für eine Kontrolle unerläßlich. Vor der Öffentlichkeit müssen die Staatsorgane bestehen und Rechenschaft über Tätigkeiten ablegen können. Verbindung zwischen beiden ist das Institut einer freien Presse. Neben der Presse betreiben die Dienste selber eine Öffentlichkeitsarbeit. Hierzu gehören die jährlichen Berichte nach § 16 I I BVerfSchG. Sie dienen der Unterrichtung der Öffentlichkeit. Verfaßt werden sie vom Bundesminister des Inneren, der darin auch die Zuschüsse des Bundeshaushaltes und die Gesamtzahl der Bediensteten anzugeben hat 15 . Für den M A D und den BND existiert eine solche Pflicht nicht. Der BND hat erst in jüngerer Vergangenheit eine Pressestelle eingerichtet. Noch in den 70er Jahren war er auf die persönlichen Kontakte von Mitarbeitern zu Journalisten angewiesen. Daneben können die Dienste eine öffentlichkeitswirksame Darstellung ihrer Arbeit nur sehr begrenzt wahrnehmen, da sie leicht mit den Geheimhaltungsbedürfnissen in Konflikt gerät. So sehen sich die Dienste oftmals Angriffen aus 13

Wesel, in „Die Zeit" Nr. 13, 23. März 1990.

14

Wagner, S. 203, 221, der auch daraufhinweist, daß eine Information, die eine Behörde nicht geben möchte, u.U. von einer anderen gegeben werde. 13

Bei der Neufassung des BVerfSchG waren gerade bei dieser Frage große Widerstände seitens der Dienste zu bemerken.

106

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

der Presse ausgesetzt, ohne dagegen öffentlich Position beziehen zu können 16 . Die Berichte der Dienste selber stellen keine wirksame Kontrolle dar, da bedenkliche Aktivitäten wie auch Einzelfalle nicht in die Berichte aufgenommen werden 17 . Im übrigen wird immer wieder kritisiert, daß die Dienste selber eine intensivere Öffentlichkeitsarbeit betreiben und viel mehr veröffentlichen könnten 18 . Eine weitere Kontrolle, die durch die Öffentlichkeit ausgeübt werden kann, ist die Einsicht in Akten, die im Bundesarchiv lagern 19 . Hiernach können nach einer Sperrfrist von dreißig Jahren alle amtlichen Akten, die dort eingelagert worden sind, eingesehen werden, § 5 I BArchG 2 0 . Akten, die besonderen Geheimhaltungsvorschriften des Bundes unterliegen, dürfen nach § 5 I I I i V m § 2 I V 1 Nr. 2 BArchG erst nach 80 Jahren nach Entstehung eingesehen werden. Weiterhin ist eine Benutzung auch dann noch unzulässig, wenn Grund zu der Annahme besteht, daß das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder gefährdet würde, § 5 V I Nr. 1 BArchG. Daneben sind alle Akten, die einen Sperrvermerk aufgrund ihrer Geheimhaltungsbedürftigkeit besitzen, auch nach Ablauf dieser Fristen nicht einsehbar. §5 1 1 BArchG räumt weiteren Rechtsvorschriften, nach denen eine Geheimhaltung bestimmt werden kann, Vorrang vor dem BArchG ein. Die Klassifizierung der Akten ist dem tatsächlichen Geheimhaltungsbedürfnis anzupassen, so daß mit Zeitablauf in der Regel eine niedrigere Einstufung vorzunehmen ist. Die Akten der Dienste werden nur teilweise im Bundesarchiv eingelagert 21 ,

16

Wagner, S. 203, 221 ff

17

Die Aufnahme von Einzelfallen kann nur in bestimmten Fällen erfolgen. So normiert z.B. § 16 Π 2 BVerfSchG, daß solche Daten nur bekannt gegeben werden dürfen, wenn „die Bekanntgabe für das Verständnis des Zusammenhangs oder der Darstellung von Organisationen oder unorganisierten Gruppen erforderlich ist und die Interessen der Allgemeinheit das schutzwürdige Interesse des Betroffenen überwiegen." Als schutzwürdiges Interesse des Betroffenen kommt in erster Linie das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in Betracht. 18 Der Umfang der Weitergabe von Informationen an die Presse wird besonders im BND höchst unterschiedlich bewertet. Während teilweise Mitarbeiter die Weitergabe ganz ablehnen, sehen andere die Öffentlichkeitsarbeit durchaus auch kritisch. 19 Mit Sitz in Koblenz. Seine gesetzliche Grundlage findet es im Bundesarchivgesetz (BArchG) vom 6. 1. 1988, BGBl. I 1988, S. 62, idF v. 13. 3. 1992, BGBl. I 1992, S. 506. 20 Längere Sperrfristen gelten nach § 5 Π BArchG für personenbezogenes Archivgut, das durch Dritte 30 Jahre nach dem Tod bzw. 110 Jahre nach Geburt des Betroffenen eingesehen werden darf. 21 Das Bundesarchiv in Koblenz ist nur zuständig für die Akten des BND und des BfV. Die Akten des MAD werden in Abteilung VI in Freiburg eingelagert.

IV. Die bestehenden Kontrollen

107

sonst bleiben sie bei den Diensten selber 22. Sie tragen grundsätzlich einen Sperrvermerk 23, der einer besonderen Aufhebung bedarf. Eine Freigabe von Akten der Dienste ist bisher nicht erfolgt. Die Kontrolle, die durch die Einsicht erfolgen kann, ist eine nachträgliche, die mit einem sehr großen zeitlichen Abstand erfolgt. Die Vorgänge sind in der Vergangenheit abgeschlossen. Die Beteiligten sind in der Regel nicht mehr im Dienst, unter Umständen verstorben. Trotzdem kann durch eine Akteneinsicht eine Kontrolle dergestalt ausgeübt werden, daß Vorgänge transparent werden. Zum einen können sich vermeintliche Skandale nachträglich als unbegründet erweisen, wenn deutlich wird, daß dem betroffenen Dienst keine andere Handlungsmöglichkeit blieb. Auch eine Rehabilitation wird durch den Zugang zu Akten ermöglicht. Zum anderen mag die Gewißheit, daß jedwedes Handeln publik wird, zu einer Disziplinierung der Dienste führen, die nicht darauf vertrauen können, daß bestimmte Vorgänge dauernd vor der Öffentlichkeit verborgen bleiben.

3. Kontrolle durch den Bürger Neben der Kontrolle durch die öffentliche Meinung und die Presse kann der einzelne Bürger zu einer Kontrolle der Dienste beitragen. Ihm stehen Ansprüche auf Information gegenüber den Diensten zu. Dem einzelnen Bürger stehen keine Möglichkeiten zu, unmittelbare Konsequenzen aus einer Mitteilung zu ziehen. Er kann mit dieser Information an die Öffentlichkeit treten. Daneben dienen diese Mitteilungen dazu, gerichtliche Verfahren einzuleiten oder sie begründen den Anlaß, sich substantiiert an den Beauftragten für den Datenschutz zu wenden 24 .

a) Benachrichtigungspflichten

der Dienste

Der Bürger kann ein gerichtliches Verfahren nur dann anstrengen, wenn er die Belastung durch die Dienste kennt. Eine Möglichkeit, von ihr Kenntnis zu erlangen, ist die Information durch die Dienste selber. 22 Nach § 2 Π BArchG entscheiden die zuständigen gesetzgebenden Körperschaften darüber, ob Unterlagen dem Bundesarchiv anzubieten sind. Dem Bundesarchiv erwachsen im Umgang mit den Akten die gleichen Pflichten, wie sie für die abgebende Stelle gelten, § 2 I V 2 BArchG. 23

Ihre Klassifizierung ist zumindest VS und somit der Öffentlichkeit nicht zugäng-

lich. 24

Im Gegensatz zu den anderen genannten Kontrollinstanzen bilden sie somit eine Voraussetzung für weitere Kontrollinstanzen. 8 Hirsch

108

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Solche Benachrichtigungspflichten der Dienste bestehen kaum. Neben § § 3 VIII; 5 V G10 und § 9 I I I BVerfSchG 25 , auf den auch das M A D G und das BNDG verweisen, sind solche Pflichten nicht normiert 26 . Zu denken ist somit an eine Benachrichtigungspflicht aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen heraus. Hier widerstreiten zwei Interessen, auf der einen Seite das des Bürgers, auf der anderen Seite das des Geheimhaltungsinteresses der Dienste. Bestehen positivrechtliche Regeln, so wird regelmäßig dem Geheimhaltungsinteresse der Vorrang eingeräumt. Eine solche Entscheidung des Gesetzgebers kann nicht unter Berufung auf allgemeine Rechtssätze unterlaufen werden. Auch das Bundesverwaltungsgericht geht von einem grundsätzlichen Vorrang der Geheimhaltungsinteressen aus 27 . Somit ist der Bürger auf die Auskünfte durch die Dienste angewiesen. Dies ist insofern ein bedenklicher Zustand, da der Bürger befürchten muß, sich durch das Auskunftsverlangen verdächtig zu machen. Das Motto „Wer nichts zu verbergen hat, ist nicht gespeichert und braucht das nicht noch einmal bestätigt zu bekommen" mag in vielen Köpfen vorherrschen.

b) Auskunftsansprüche gegen die Dienste Eine grundsätzliche Auskunftspflicht 28 des Staates, dem Bürger jeden belastenden Eingriff sofort mitzuteilen, besteht nicht 29 . Sie wäre gerade im Bereich des Verfassungsschutzes nicht möglich, ohne den Zweck zu vereiteln. Eine Auskunftspflicht des Staates setzt eine korrespondierende Anspruchsgrundlage seitens des Bürgers voraus. Solche bestehen zum einen in den Verfassungsschutzgesetzen, zum anderen ergeben sie sich aus den Datenschutzgesetzen. Im Ergebnis unerheblich ist, ob es sich bei diesen Anspruchsgrundlagen um Eingriffs- oder Leistungsverwaltung handelt 30 .

23

Nach § 9 m Nr. 2 BVerfSchG ist die PKK über die laufende Maßnahme zu unterrichten. Dadurch wird der faktische Ausschluß des Rechtsweges aufgefangen. 26

Die in § 33 BDSG normierte Benachrichtigung des Betroffenen ist für die Dienste nicht anwendbar, § 27 BDSG, da sie öffentliche Stellen im Sinne des § 2 I BDSG darstellen. 27

BVerwG DVB1. 90, 707, 711; aber auch BayVGH, BayVBl. 83, 402; NVwZ 85,

663. 28

Der Unterschied zu den Informationspflichten besteht darin, daß hier der Bürger aktiv werden muß. 29

Eine solche forderte Lorenz, Rechtsschutz und Rechtsweggarantie, S. 265.

30

Zum einen Bäumler, NVwZ 88, 199, 200, zum anderen Roewer NVwZ 89, 11, 15.

IV. Die bestehenden Kontrollen

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Den Staat trifft eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zur Schaffimg angemessener Anspruchsgrundlagen. Diese folgt aus Art. 19 I V GG, da ein effektiver gerichtlicher Schutz die Informationsmöglichkeit um eine Belastung einschließt 31 . Zum Teil wird Art. 19 I V GG als Leistungsrecht angesehen, der durch das ebenfalls verfassungsrechtlich verbürgte Geheimschutzinteresse eingeschränkt wird 3 2 . Vorzugswürdiger ist es, in den widerstreitenden verfassungsrechtlichen Anforderungen Rahmenpunkte zu sehen, die eine gesetzliche Regelung zu beachten hat 33 . Damit soll nicht abgestritten werden, daß sich aus den Grundrechten und grundrechtsähnlichen Rechten Ansprüche ergeben können 34 . Diese aber können andere verfassungsrechtliche Vorgaben nicht aushebeln. Die grundsätzliche Entscheidung, wie auftretende Zielkonflikte zu lösen sind, bleibt den dafür nach der Verfassung zuständigen Organen vorbehalten. Hier hat das Parlament diesen Konflikt aufzulösen, nicht etwa die Judikative. Dies ergibt sich zwingend aus der Stellung des Parlamentes im Verfassungsgefüge. Leitet man aber aus Art. 19 I V GG einen über der bundesgesetzlichen Regelung stehenden Anspruch ab, so verlagert man diese Entscheidung auf die Judikative. Der hier auftretende Zielkonflikt ist viel eher so zu lösen, daß die Behörden im Rahmen der gesetzlichen Vorgabe die Wertung des Art. 19 I V GG in praktischer Konkordanz mit dem verfassungsrechtlichen Geheimhaltungsinteresse zu berücksichtigen haben.

aa) Auskunft nach § 15 BVerfSchG Jeder Bürger, darunter ist jeder Träger des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung zu verstehen, kann gem. § 15 BVerfSchG unentgeltlich 35 Aus-

31

Geiger DVB1. 90, 748, 756 mwN. Offen bleibt hier allerdings, ob Ait. 19 IV GG ein eigenes Leistungsrecht darstellen soll oder nur die Schaffung entsprechender gesetzlicher Grundlagen fordert. 32

Bäumler, NVwZ 88, 199, 200, der auf das Spannungsverhältnis zwischen Auskunftsanspruch und Geheimhaltungsinteresse abstellt. Dieser „Zielkonflikt" bedürfe einer Auslegung im Sinne praktischer Konkordanz. 33

Im Bereich der Grundrechte ist es anerkannt, daß viele einen Doppelcharakter haben, neben subjektiven Rechten auch ordnungspolitische Wertentscheidungen für das objektive Recht enthalten, Schwerdtfeger Rn. 484, S. 202 mwN unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung. Dies muß konsequenterweise auch für Wertentscheidungen des Grundgesetzes außerhalb des Grundrechtsbereiches gelten. 34 Dies ist im einzelnen umstritten, siehe Böckenförde, NJW 1974, 1529, 1535 ff; Pietzker; S. 345. 35

Bis 1990 bestand eine Kostenpflicht!

110

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

kunft darüber verlangen, ob das BfV über ihn Daten gespeichert hat 36 . Ein solcher Anspruch besteht jedoch dann nicht, wenn ein Versagungsgrund nach § 15 I I BVerfSchG vorliegt, insbesondere wenn die Aufgabenerfüllung gefährdet würde. Hierunter fallt die sog. ,Ausforschungsgefahr", also jene, daß Arbeitsweise und Erkenntnisstand des BfV durch gezielte Auskunftsbegehren ermittelt werden 37 . In der Praxis wurde schon zu § 13 I I BDSG, der dem Verfassungsschutz bis zum Inkrafttreten der Sicherheitsgesetze 1990 die Möglichkeit gab, Auskünfte über personengebundene Daten zu erteilen, bemängelt, daß im Regelfall von einer Auskunft abgesehen würde, vielfach nur nach einem generellen Schema 3 8 . Dies dürfte sich auch nach Inkrafttreten des BVerfSchG nicht geändert haben, die Versagungsgründe blieben im wesentlichen die gleichen. Es wird sogar bestritten, daß eine Geheimhaltung in diesem Ausmaß notwendig sei 39 . Der Bürger hat einen grundsätzlichen Anspruch auf Auskunft, der nicht gänzlich ausgeschlossen werden kann 40 . Dies gilt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes aber nur soweit, wie der Zweck der Maßnahme nicht gefährdet ist 4 1 . In der Praxis wird man davon ausgehen müssen, daß je mehr Informationen der Bürger schon hat, je substantiierter sein Antrag also ist, sein Auskunftsinteresse das Geheimhaltungsinteresse des Staates um so eher überwiegt 42 . Dies liegt daran, daß der Bürger regelmäßig erst dann einen substantiierten Antrag stellen kann, wenn er auf andere Weise schon erfahren hat, daß Daten über ihn gespeichert sind, etwa weil die Informationsgewinnung offen erfolgte oder solche Daten in ein Gerichtsverfahren eingebracht worden sind 43 .

36

Der Streit, ob Verfassungsschutzbehörden überhaupt Auskünfte erteilen müssen, ist somit erledigt, vgl. dazu VGH München, NVwZ 85, 663 f; sowie Schäfer NVwZ 83, 85; Riegel NVwZ 83, 338. 37

Roewer NVwZ 89, 13 mwN.

38

Bäumler NVwZ 88, 202; Gusy, Richterliche Kontrolle, S. 73.

39

Bäumler NVwZ 91, 645. Auch forderten die Dienste so weit gehende Befugnisse nur, um entsprechende Emächtigungsgrundlagen zu haben. Das bedeutet nicht notwendig, daß sie sie auch voll ausschöpfen möchten. 40

In Bayern besteht zwar kein Anspruch auf Auskunft, Art. 1 1 1 1 BayVerfSchG. Dennoch ist die Entscheidung zu treffen, ob eine Auskunft erteilt werden soll. 41

BVerfGE 30, 1, 17,21.

42

Gusy, Richterliche Kontrolle, S. 77f. Zum Teil wird in den Verfassungsschutzgesetzen gefordert, daß der Bürger auf einen bestimmten Sachverhalt hinweisen und ein berechtigtes Interesse darlegen muß. Aber auch hier gilt, daß, je mehr Informationen der Bürger schon hat, um so eher eine Auskunft erfolgen muß. 43 Bei Informationen, die aus offenen Quellen stammen, möchten Bäumler, NVwZ 88, 202 und Teüe der Rechtsprechung, etwa VG Köln, NVwZ 89, 85, nach dem Zweck

IV. Die bestehenden Kontrollen

111

Die meisten Bürger sind nicht in Dateien des BfV gespeichert. Hier kann das BfV nur ein sog. „Negativattest" ausstellen, das ist die Auskunft, daß keine Daten gespeichert seien. Die Regelung des § 15 BVerfSchG gilt auch für das Negativattest, insbesondere gelten die Versagungsgründe des § 15 I I BVerfSchG. Eine Begründung der Auskunftsverweigerung braucht nicht gegeben zu werden. Nun wird regelmäßig ein Versagungsgrund nach § 15 I I BVerfSchG nicht vorliegen, wenn ein Bürger nicht aktenkundig ist. Denkbar aber ist eine Ausforschung kraft Umkehrschluß. Erhielte man kein Negativattest, so weiß man zumindest, daß Daten gespeichert sind. Sofern aber eine Auskunftsverweigerung auch möglich ist, wenn keine gespeicherten Daten vorliegen, so ist dieser Schluß verwehrt. Allein vom Auskunftsbegehren an sich darf noch nicht auf eine mögliche Ausforschungsabsicht geschlossen werden, vielmehr müssen weitere Anhaltspunkte hinzukommen. In der Praxis dürften die meisten Auskunftsbegehren mit einem Negativattest beschieden werden können 44 . In der Praxis hat dies eine unterschiedliche Handhabung in Bund und Ländern zur Folge, ob und welche Auskünfte erteilt werden 45 . Zu einem faktischen Ausschluß des Rechtsweges könnte es noch kommen, wenn das BfV trotz gespeicherter Daten ,falsche" Negativatteste ausstellen würde. Ein Gerichtsverfahren darüber, ob die erteilte Auskunft richtig sei, dürfte unzulässig sein, sofern der Bürger nicht substantiiert glaubhaft machen kann, daß eine Falschauskunft vorliegt. Das dürfte ihm aber regelmäßig nicht möglich sein. § 15 BVerfSchG räumt dem BfV eine solche Möglichkeit nicht ein. Zum Schutz der in § 15 I I BVerfSchG normierten Güter ist nur die Auskunftsverweigerung möglich. Eine Falschauskunft wäre ein Verstoß gegen das in Art. 20 GG normierte Rechtsstaatsprinzip.

bb) Auskunft nach § 9 MADG; § 7 BNDG Gegenüber dem M A D und dem BND bestehen Auskunftsansprüche des Bürgers nach § 9 M A D G bzw. § 7 BNDG. Hier wird auf die Regelung des § 15 BVerfSchG verwiesen, der entsprechend gilt. Die im vorherigen Abschnitt aufgezeigten Beschränkungen gelten auch hier. Eine andere Bewertung aus den unterschiedlichen Aufgabensetzungen ergibt sich nicht.

- Spionage- und Terrorismusabwehr und Extremistenüberwachung - differenzieren, was Roewer, NVwZ 89, 13, widerlegt. 44

Gusy, Richterliche Kontrolle, S. 79, 80, schätzt die Versagungsquote in diesen Fällen auf etwa 10-20 %. 45

Siehe genauer S. 205 ff.

112

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis cc) Auskunft nach § 19 BDSG

Weiterhin normiert § 19 I BDSG Auskunftsansprüche von Bürgern gegenüber Behörden, die personenbezogene Daten speichern. Von seinem Anwendungsbereich her regelt § 19 BDSG nicht die Auskunftsverlangen gegenüber dem BfV, dem M A D 4 6 oder dem BND 4 7 . Hier sind die oben genannten Gesetze speziell. Hat eine andere Behörde Daten an die Dienste übermittelt, so ist eine Auskunftserteilung gem. § 19 I I I BDSG nur mit Zustimmung dieser Stellen möglich. Die Zustimmung stellt eine Ermessensentscheidung dieser Stelle dar, bei der sie an die Maßstäbe gebunden ist, nach denen sie selber zur Auskunft verpflichtet wäre 48 . § 19 BDSG normiert somit den Auskunftsanspruch des Bürgers gegen eine der polizeilichen Dienststellen, die ihre Daten mit nachrichtendienstlichen Mitteln erheben. Damit eine solche Erhebung nicht sinnlos wird, schränkt § 19 I V BDSG dieses Auskunftsbegehren ein. Wie die Dienste sind auch die Polizeistellen zur Erfüllung ihrer Aufgaben in den oben erläuterten Bereichen auf Geheimhaltung angewiesen. Von besonderer Bedeutung dürfte hier § 19 I V Nr. 1 BDSG im Bereich der organisierten Kriminalität sein, § 19 I V Nr. 2 BDSG im Bereich der Staatsschutzdelikte. Die Behörde muß nach der neuen Rechtslage abwägen, ob das Geheimhaltungsinteresse das Auskunftsinteresse überwiegt. Dies führt dazu, daß eine Auskunftsverweigerung grundsätzlich eine nachprüfbare Entscheidung ist 49 . Ob eine solche Klage tatsächlich Erfolg haben kann, hängt davon ab, ob dem Gericht genügend Informationen zur Verfügung stehen, um die Behördenentscheidung überprüfen zu können 50 .

dd) Auskunft aus weiteren Anspruchsgrundlagen Neben den genannten Ansprüchen auf Auskunftserteilung sind weitere Anspruchsgrundlagen denkbar. Die genannten Gesetze sind nicht abschließend,

46

Nicht deutlich zur Frage der Spezialität Dau DöV 91, 661, 668. Er könnte auch eine Konkurrenz meinen. 47

AA wohl Gusy, Richterliche Kontrolle, S. 84, ohne weitere Erläuterung, sich allerdings auf den Entwurf zum BDSG stützend. 48

Dörr/Schmidt, S. 48.

49

Dörr/Schmidt, S. 48; schon vor Inkrafttreten des BDSG 90 war dieses Gebot als ermessenbindender Faktor anerkannt, OVG Brem NVwZ 83, 358, 359, allerdings bezogen auf § § 4 I N r . 1; 15Π Brem DSG. Die Grundsätze sind auf die bundesgesetzliche Regelung übertragbar. 50

Siehe S. 120 ff.

IV. Die bestehenden Kontrollen

113

vielmehr besteht Anspruchskonkurrenz zu anderen Normen 51 . Als denkbare weitere Anspruchsgrundlage kommt § 29 VwVfG in Betracht. Der Anwendungsbereich gilt nur im Rahmen der §§ 1; 9 VwVfG, also bei öffentlichrechtlicher Verwaltungstätigkeit. Ein Verwaltungsverfahren iSd § 9 VwVfG liegt bei den Tätigkeiten der Dienste nicht vor, da ihre Tätigkeit eben nicht auf den Erlaß eines Verwaltungsaktes gerichtet ist 52 . Allerdings kann auch außerhalb eines solchen Verwaltungsverfahrens ein Akteneinsichtsrecht bestehen53. Die Anwendbarkeit des § 29 VwVfG setzt aber eine dem § 13 VwVfG ähnliche Stellung des Antragstellers voraus, es muß also eine dem Verwaltungsverfahren ähnliche Situation vorliegen. Eine solche aber liegt typischerweise bei den Tätigkeiten der Dienste nicht vor. Sollte eine der seltenen Konstellationen eintreten, in denen ein Akteneinsichtsrecht auf Daten besteht, für die eine Auskunft verweigert hätte werden können, so ist § 29 I I VwVfG einschlägig, der ein Einsichtsrecht ausschließen kann. Eine weitere Anspruchsgrundlage in diesem Zusammenhang enthält § 26 V StVZO. In Fällen, in denen sich Bürger aus Kraftfahrzeugen observiert fühlten, wollten sie den Halter dieser Fahrzeuge mitgeteilt bekommen 54 . Dieser Anspruch unterscheidet sich insofern von den bisherigen, als der Bürger hier Auskunft darüber begehrt, ob er observiert wird. Er kann nicht erfahren, ob und welche Daten tatsächlich gespeichert wurden. Aber auch gegen eine rechtswidrige Datenerhebung kann der Bürger gerichtlichen Rechtsschutz verlangen. Hier gilt das schon oben dargelegte: Der Bürger hat anderweitig Kenntnis über die Tätigkeit der Dienste erlangt, diese erfolgte nicht im geheimen. Soll das Geheimhaltungsinteresse des Staates dennoch überwiegen, so muß dieses Interesse substantiiert begründet werden 55 . Ungeschriebene Ansprüche auf Auskunftserteilung stehen dem Bürger nicht

51 So geht das Stasi-Unterlagengesetz StUG vom 20.12.1991, BGBl. I, S. 2272, in seinem Anwendungsbereich dem BDSG vor. Das BDSG hat grundsätzlich Vorrang vor dem VwVfG, § 1 V VwVfG. Die Normen des VwVfG haben aber ergänzende Wirkung, Stelken/Bonk/Sachs, § 29 Rn. 7. 32

BVerwGEDVBl 90, 707.

53

Stelken/Bonk/Sachs, § 29 Rn. 14flf.

54

Vgl. BVerwG JZ 86, 634; NJW 86, 2331; VGH Mannheim NJW 84, 1911; OVG Koblenz DöV 84, 287. Nicht erkennbar ist, ob es sich tatsächlich um Maßnahmen einer und ggf. welcher Sicherheitsbehörde gehandelt hat. 33 36

Je bekannter die Maßnahme, desto höher die Anforderungen, BVerwG JZ 86, 636.

A A Gusy, Richterliche Kontrolle, S. 87, der einen allgemeinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Antrag anführt. Selbst wenn man diesen anerkennt, dürfte aufgrund der gesetzgeberischen Entscheidung im geschriebenen Recht, die das Geheimhaltungsinteresse des Staates höher einschätzt als das Auskunftsverlangen des Bürgers, dieser Anspruch in der Praxis nicht existieren.

114

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis ee) Versagung der Auskunft

Eine Verweigerung der Auskunft bedarf keiner Begründung. Dies wäre in sich widersinnig, da aus der Begründung sich mittelbar die Auskunft ergeben würde. Die Entscheidung einer Behörde, keine Auskunft zu erteilen, stellt einen Verwaltungsakt dar, der am Ende eines Verwaltungsverfahrens ergeht. Die Begründungspflicht entfallt wegen § 29 I I Nr. 4 VwVfG i V m den oben genannten Anspruchsgrundlagen bzw. den spezialgesetzlichen Normen. Werden Auskünfte versagt, so sind die Gründe der Ablehnung aktenkundig zu machen, § 15 BVerfSchG ggf. iVm § 9 M A D G bzw. § 7 BNDG. § 19 BDSG normiert eine solche Pflicht zwar nicht ausdrücklich, doch folgt sie hier aus dem Rechtsstaatsprinzip 57. Auf den ersten Blick scheint dies ein schwacher Trost für den Auskunftssuchenden zu sein, dem diese Gründe nicht mitgeteilt werden. I m Anschluß an die Rechtsprechung bleibt festzuhalten, daß ein Geheimhaltungsrecht der Dienste nicht mehr besteht, wenn die Zweckgefahrdung weggefallen ist. Dann steht ihm auch die Einsicht auf die Ablehnungsgründe offen. Dies dürfte in einem sich dann anschließenden Gerichtsverfahren sehr zur Aufklärung des Behördenhandelns beitragen 58 . Die Entscheidung, ob eine Auskunft erteilt wird, stellt eine Ermessensentscheidung dar. Dabei ist auf die besonderen Umstände des Einzelfalls abzustellen. Hier muß das Interesse des Bürgers 59 mit der Aufgabenerfüllung durch die Dienste abgewogen werden 60 . Weiterhin ist der Betroffene, falls sein Begehren abgelehnt wird, darauf hinzuweisen, daß er sich an den Bundesbeauftragten für Datenschutz wenden kann. Hier wird eine Kontrollinstanz geschaffen, da insoweit das gerichtliche Verfahren aus tatsächlichen Gründen keinen Erfolg haben kann 61 . Dieses Verfahren

37

Stelken/Bonk/Sachs, § 29 Rn. 17 mit Hinweis auf BVerfG NJW 83, 213; BVerwG NVwZ 88, 621. 58

Dies übersieht Geiger, DVB1. 90, 748, 755.

59

Etwa, wenn ein Bürger durch eine Äußerung des Verfassungsschutzes unberechtigt in einen Verdacht geraten ist. 60

Bäumler NVwZ 88, 199, 202, differenziert nach Art des Geheimdienstes und dann wiederum nach Art seiner Aufgabenerfüllung. Diese Differenzierungen werden heute grundsätzlich bei den Diensten ähnlich vorgenommen. Bäumlers Artikel entstand zu einer Zeit, als Auskunftsansprüche gegen den BND und den MAD noch nicht normiert waren. 61

Wenn Geiger, DVB1. 90, 748, 755, darlegt, daß, sofern dem Betroffenen die Auskunft aus Sicherheitsgründen verweigert worden ist, dies auch nach § 19 VI 1 aE BDSG gegenüber dem BfD geschehen wird, so verkennt er die unterschiedliche Auslegung des Begriffs der „Sicherheit des Bundes oder Landes". Da sich der BfD innerhalb der Verwaltung befindet und gegenüber dem Betroffenen zur Geheimhaltung verpflichtet ist, muß hier ein strenger Maßstab angelegt werden. Die „ A u s f o r s c h u n g s g e f a h r " , die etwa einem Antragsteller gegenüber geltend gemacht werden kann, kann dem BfD nicht entgegengehalten werden. Die von Geiger aaO erkannte Verfassungswidrigkeit aus faktischen Gründen liegt somit nicht vor.

IV. Die bestehenden Kontrollen

115

wird im Zusammenhang mit dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz ausführlich behandelt 62 .

ff) Zusammenfassung Dem Bürger stehen somit Auskunftsrechte gegen die Dienste zu. Diese sind durch viele Einschränkungen jedoch stark beschnitten. Der Bundestag hat der Bundesregierung empfohlen, die Auskunftsansprüche großzügig zu handhaben und an die Vorlage eines besonderen Interesses keine allzu hohen Anforderungen zu stellen 63 . Nach eigenen Angaben erteilen die Dienste soweit Auskunft, wie es ihnen möglich ist. Das BfV bezeichnet sich als ,glicht kleinlich gegenüber Auskunftsbegehren" 64 . Dem Bürger steht gegen die Verweigerung einer Auskunft der Rechtsweg offen.

4. Gerichtliche Kontrolle Auch gegenüber Maßnahmen der Dienste wird gerichtlicher Rechtsschutz geleistet65. Dies ist im Prinzip selbstverständlich und ergibt sich aus Art. 19 I V 1, 3 GG 6 6 . Die gerichtliche Kontrolle der Tätigkeit des Nachrichtendienstes ist problematisch. Häufig weiß der Belastete gar nicht, daß er observiert wurde. „Wo kein Kläger, da kein Richter" ist schon eine Weisheit des altdeutschen Rechts. Weiterhin ist der Kontrollmaßstab des Gerichts eingeschränkt, da ihm aufgrund der Geheimhaltungsmöglichkeiten der Nachrichtendienste eventuell nur ein Teil der entscheidungserheblichen Tatsachen vorgelegt werden muß. Somit sind die Fragen zu untersuchen, inwieweit der Bürger de facto klagen kann. Auf der anderen Seite ist danach zu fragen, wie sich die verfassungsschutzrechtliche Problematik auf den Gang des Verfahrens auswirkt.

62

Siehe dort.

63

BT-Drucksache ΧΠ/4094.

64

Siehe dazu auch S. 205 ff.

63

BVerfGE 30, 1, 23 und die sich daran anschließenden Entscheidungen.

66

Insofern abwegig BMI Schröder, Erklärung der Bundesregierung vom 8.7.1954, Deutscher Bundestag Sten. Prot., S. 1720, 1722, der in den Akten des Verfassungsschutzes keine Verwaltungsakte sehen möchte. Heute ist unstrittig, daß auch schlichtes Verwaltungshandeln von Behörden Gegenstand einer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle sein kann.

116

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis a) Ziel der gerichtlichen Kontrolle

„Parlamentarische Kontrolle prüft und sichert die Wahrung der Belange der politischen Mehrheit; gerichtliche die Wahrung der Belange der betroffenen Minderheit" 67 . Eine solche Kurzformel vermag das Verhältnis zwischen parlamentarischer und gerichtlicher Kontrolle nicht zutreffend zu charakterisieren. Zutreffend ist sicherlich, daß eine parlamentarische Mehrheit ihre Belange zu sichern weiß, ebenso, daß die Minderheit dieses häufig nur mit Hilfe der Gerichte, vornehmlich der Verfassungsgerichte, vermag. Das wird schon aus der umfangreichen Rechtsprechung dieser Gerichte deutlich 68 . Nicht erkennbar wird der grundlegende Unterschied zwischen beiden Rechtsschutzmöglichkeiten. Im übrigen wird gerade im Verfassungsschutzrecht deutlich, daß diese Kurzformel wesentliches verschweigt. Es existieren parlamentarische Kontrollgremien, deren Zielsetzung nicht darin besteht, die Belange der parlamentarischen Mehrheit zu wahren, sondern die des Bürgers 69 . Das Parlament ist nicht dazu berufen und auch gar nicht dazu in der Lage, jedwedes Handeln von Behörden auf seine Rechtmäßigkeit zu untersuchen. Der Unterschied besteht vielmehr darin, daß das Parlament die Exekutive kontrolliert, ob ihre Handlungsweisen nicht nur rechtmäßig, sondern auch politisch sinnvoll sind. Gerichte sind an die Gesetze gebunden. Es erfolgt eine reine Rechtmäßigkeitskontrolle. Es sind daher die Gerichte, die grundsätzlich zum Individualrechtsschutz gegen Akte der öffentlichen Gewalt berufen sind, Art. 19 I V GG 7 0 . Gleichwohl dient auch die parlamentarische Kontrolle der Wahrung der Grundrechte der Bürger, da auch hier eine „Methode des objektiven Rechtsschutzes"71 angelegt wird. Hierbei kommt den Gerichten nicht nur die nachträgliche Überprüfung einer Maßnahme auf ihre Rechtmäßigkeit zu, sondern auch die Kompetenz, vorbeugenden Rechtsschutz zu gewähren. Somit läßt sich als Ziel der gerichtlichen Kontrolle festhalten, daß sie dazu dienen soll, den Bürger gegen Verletzungen seiner Rechte durch den Staat zu schützen und solchen vorzubeugen.

67

Gusy, Richterliche Kontrolle, S. 67.

68

BVerfG NJW 71, 275, Leitsatz i): „Auch eine Mehrheit des Parlaments kann ihre Rechte mißbrauchen". 69

Siehe unten; gemeint sind u.a. die PKK und das Gremium nach G10. Weiterhin ist auch an das Präsidium des Bundestages zu denken, das ebenso die Rechte der parlamentarischen Minderheit wahren soll. 70

Papier, HbdStR, § 154 A I, Rn. 2, S. 1234.

71

Friesenhahn, Kontrolle der Dienste, S. 99.

IV. Die bestehenden Kontrollen

117

b) Gerichte als Kontrollinstanz Gerichte sind im Verfassungsgefiige des Grundgesetzes als Kontrollinstanzen berufen. Ihnen obliegt eine Rechtmäßigkeitskontrolle, ob Rechte verletzt wurden. Sie sind somit nicht als eine umfassende Kontrollinstanz konzipiert, die die Dienste in ihrer Gesamtheit kontrollieren soll, sondern können nur dann Entscheidungen fällen, wenn ihnen eine zulässige Klage vorgelegt wird 7 2 . Die Kontrolle der Gerichte ist somit auf eine Einzelfallkontrolle beschränkt. Hierbei darf nicht verkannt werden, daß eine solche Kontrolle auch dazu beiträgt, daß die Dienste rechtmäßig handeln. Das Vertrauen der deutschen Öffentlichkeit in die Unabhängigkeit der Richter ist ungebrochen. Die richterliche Feststellung, daß ein Dienst rechtswidrig gehandelt habe, bewirkt in der Öffentlichkeit einen großen Ansehensverlust. Gerichte können nur dort kontrollieren, wo sie tatsächlich angegangen werden. Der BND unterliegt aufgrund seines ins Ausland gerichteten Aufgabenfeldes de facto bezüglich seiner nachrichtendienstlichen Tätigkeit keiner gerichtlichen Kontrolle 73 . Die Tätigkeit des BND war, von einer Ausnahme abgesehen 74 , noch nie Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens. Eine gerichtliche Kontrolle des BND ist somit nicht gewährleistet.

c) Möglichkeiten der Klageerhebung Grundsätzlich stehen dem Bürger alle Rechtsschutzmöglichkeiten zu. Am naheliegensten ist der Verwaltungsgerichtsweg. Gem. § 40 I VwGO ist gegen alle hoheitlichen Akte nichtverfassungsrechtlicher Art der Verwaltungsrechtsweg gegeben, sofern keine besondere Rechtswegzuweisung besteht. Darüber hinaus sind aber auch zivilrechtliche Klagen denkbar, ebenso Klagen vor den Verfassungsgerichten oder dem Europäischen 72

Weitergehende Möglichkeiten kommen den Verfassungsgerichten zu. Diese nehmen in der Praxis uU. Klagen zum Anlaß, Fragen allgemein zu klären. 73

Nicht in diesen Bereich gehören Klagen gegen den BND aufgrund der allgemeinen Verwaltungstätigkeit, also etwa beamtenrechtliche Klagen auf Beförderung oder Klagen aus einem Nachbarschaftsverhältnis. 74

Zwei Mitarbeiter des BND standen wegen Verstoßes gegen das KWKG im Zusammenhang mit der Verschiffung von militärischen Gütern, die als landwirtschaftliches Gerät deklariert waren, vor Gericht. Sie sindfreigesprochen worden. Nicht hierhin gerechnet werden soll der Strafprozeß um den Plutoniumschmuggel 1995, da hier keine Beamte des BND vor Gericht standen. Ebenso soll die Einstweilige Anordnung des BVerfG vom 5. 7. 1995 nicht hierzu gerechnet werden, da es sich im Ergebnis um die Überprüfung eines Gesetzes handelte und nicht um eine Aktivität des BND.

118

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Gerichtshof für Menschenrechte. Der Rechtsweg selber, mithin die Zuständigkeit des einzelnen Gerichtes, ist für eine effektive Kontrolle nicht entscheidend, da alle Gerichtswege gleichwertig sind 75 . Wichtig ist vielmehr, daß geklagt werden kann.

aa) Rechtlicher Ausschluß des Rechtswegs Das Verfahren vor den Gerichten darf nicht aufgrund einer gesetzlichen Norm ausgeschlossen sein. Der Rechtsweg ist von Gesetzes wegen gem. § 9 V I G10 ausgeschlossen. Hier unterliegen die Maßnahmen der Kontrolle durch die G10-Kommission. Ein Zugang zu den Gerichten besteht nur, wenn der Betroffene nach Wegfall der Gefahrdung des mit der Kontrolle verfolgten Zweckes von der Maßnahme unterrichtet wird. Eine solche Unterrichtungspflicht bestand bislang fünf Jahre nach Abschluß der Maßnahme, § 5 V 3 Gl0. Diese zeitliche Begrenzung ist in der Neufassung des Gesetzes entfallen. Hieraus wird gefolgert, daß eine Benachrichtigung nicht in jedem Falle zu erfolgen habe76. Die G10-Kommission nach § 9 I V G10 sei als Herrin des Verfahrens der Kontrollmaßnahmen anzusehen. Damit solle ihr in Zukunft die Entscheidung obliegen, ab wann eine Benachrichtigung nicht mehr zu erfolgen hat 77 . Zum einen ist es bedenklich, wenn das Parlament eine solche Entscheidung in die Hände einzelner Entscheidungsträger legt. Desweiteren widerspricht eine solche Auslegung dem Willen des Gesetzgebers. Die Streichung der Fünf-Jahres-Frist solle dazu führen, daß eine Beschränkungsmaßnahme in jedem Falle dem betroffenen Bürger mitzuteilen ist. Mit weiterem Zeitablauf wird die Annahme einer Zweckgefahrdung immer schwerer zu begründen. Jede Beschränkung sollte einer gerichtlichen Kontrolle zugänglich werden. Damit hat eine Benachrichtigung in jedem Falle zu erfolgen. Der Ausschluß des Rechtsweges war Gegenstand einer verfassungsrechtlichen Diskussion. Das Bundesverfassungsgericht hat den Ausschluß gebilligt und Art. 19 I V 3 iVm 10 I I 2 GG für verfassungskonform erachtet. Ein Hauptargument war, daß es Ausdruck der Gewaltenteilung sei, wenn anstelle der gerichtlichen Überprüfung eine gleichwertige durch das Parlament erfol-

75

Das war nicht immer so. Zu Zeiten des Deutschen Reiches wurde etwa die „Verwaltungsgerichtsbarkeit" durch besondere Stellen innerhalb der Exekutive ausgeübt. 76 77

Arndt, NJW 95, 169, 172.

Sie solle entscheiden, „ab wann davon auszugehen ist, daß auch durch Zeitablauf die Gefahrdung des Zwecks der Beschränkungsmaßnahme nicht wegfallen dürfte", Arndt NJW 95, 169, 172.

IV. Die bestehenden Kontrollen

119

ge 78 . Dem wurde entgegengehalten, das Bundesverfassungsgericht wäre hier politischen Erwägungen, nicht aber rechtlichen gefolgt. Zum Schutze der Verfassung seien grundlegende Verfassungsgrundsätze aufgegeben worden 79 , so daß Art. 79 I I I GG verletzt worden sei. Zur Wahrung wurde die Einrichtung besonderer von der Exekutive unabhängiger Gerichte gefordert, deren „Verfahren unter der unverzichtbaren Beteiligung des Betroffenen auf die Notwendigkeit der Geheimhaltung" zu gestalten wäre 80 . Mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte 81 aber hat die Diskussion ihr Ende gefunden, zumindest in ihrer praktischen Bedeutung. Hiernach ist die Ersetzung der gerichtlichen durch eine gleichwertige parlamentarischer Kontrolle rechtmäßig. Diese Entscheidung erging einstimmig 82 . Das Verfahren nach dem G10 selber soll wegen seines Zusammenhangs mit der dort normierten Kontrolle in dem entsprechenden Abschnitt näher untersucht werden, so daß hier die für die Praxis ausschlaggebende Rechtslage genüge. Im Rahmen der strategischen Kontrolle war lange Zeit der Rechtsweg ganz ausgeschlossen, da hier eine Benachrichtigung nicht vorgesehen war. Das Bundesverfassungsgericht bejahte die Verfassungsmäßigkeit auch dieses Ausschlusses83 mit dem Argument, hier würden keine personenbezogenen Daten erhoben. Daneben ging es wohl irrtümlich von der Beteiligung des Bundesbeauftragten für den Datenschutz aus 84 . Insbesondere durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz wurde die strategische Kontrolle über ihren ursprünglichen Anwendungsbereich hinaus erweitert. Die Verwertung von personenbezogenen Daten, die durch den BND im Rahmen eines weiteren Überwachungsfalles außerhalb einer Individualkontrolle erlangt wurden, ist jetzt möglich, wenn sie in Zusammenhang mit bestimmten Straftaten stehen. Somit stellte sich die Frage, ob unter diesen Umständen der Ausschluß des Rechtsweges noch haltbar war. Art. 10 I I 2 GG deckt diesen Ausschluß schon vom Wortlaut her nicht, da die Verletzung der genannten Strafrechtsnormen nicht die freiheitlich demokratische Grundordnung oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland 78

BVerfG NJW 71, 275; iE zustimmend Kaiser, NJW 69,18.

79

Vgl. die abweichenden Sondervoten der Richter Geller, v. Schlabrendorff und Rupp, BVerfG NJW 71, 281, sowie Alberts JuS 72, 319; Bettermann AöR 71, 562; Erichsen VerwArch 71, 291; Hall JuS 72, 132; Kalkbrenner BayVBl 71, 146; Schatzschneider, S. 241 ff; Schwan NJW 80, 1992. 80 81

Sondervotum Geller, v. Schlabrendorff und Rupp aaO. EGMR, NJW 79, 1755.

82

Für den EGMR war ausschlaggebend, daß in der G10-Kommission auch die Opposition vertreten ist, ebenso, daß sie von der Exekutive unabhängig ist und über ausreichende Befugnisse zu einer wirksamen Kontrolle verfügt, EGMR aaO. 83 84

BVerfGE 67, 157.

BVerfGE 67, 157, 183 beruft sich zur Stützung seiner Argumentation auf die Berichte des BfD vom 18.1.1980 und vom 9.1.1981.

10

Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

gefährden. Eine Ersetzung des Rechtsweges durch die G10-Kommission ist nicht möglich. Daher normiert § 3 V I I I G10 auch eine Mitteilungspflicht an den Betroffenen. Eine solche und somit der Rechtsweg entfallen dann, wenn die Daten drei Monate nach Speicherung wieder gelöscht werden. Im BDSG existiert eine ähnliche Drei-Monats-Frist, bei der eine Benachrichtigung des Betroffenen unterbleiben kann, § 33 BDSG. M i t dieser Vorschrift soll unmäßiger bürokratischer Aufwand vermieden werden 85 . Hier darf aber die grundlegend andere Situation nicht verkannt werden. Während sich das BDSG auf die vorübergehende Speicherung bestimmter Daten durch Unternehmen regelt, handelt es sich bei den weiteren Überwachungsfällen außerhalb einer Individualkontrolle um einen schweren Grundrechtseingriff. Eine Vermeidung bürokratischen Aufwandes darf hier aufgrund der Schwere keine Rolle spielen. Bejaht man den Grundrechtseingriff mit Aufnahme der Daten 86 , so liegt die Verfassungswidrigkeit dieser Regelung nahe 87 , da Art. 19 I V GG aufgrund des faktischen Ausschlusses des Rechtsweges verletzt wird. Der Verweis, daß eine rechtswidrige Aufnahme inzident Gegenstand z.B. eines strafrechtlichen Urteiles sein kann, da für rechtswidrig erlangte Daten ein Verwertungsverbot bestehe 8 8 , vermag nicht zu überzeugen. Ist die Speicherung bzw. die unbefugte Zurkenntnisnahme durch staatliche Stellen schon der belastende Grundrechtseingriff, so muß dieser selbst Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein. Demzufolge ist der Rechtsweg nicht de lege lata ausgeschlossen, Art. 19 I V GG läuft „nur" faktisch leer, da die Betroffenen nicht wissen, daß in ihre Grundrechte eingegriffen worden ist. Erlangt ein Betroffener auf sonstige Weise Kenntnis, so steht ihm der Rechtsweg offen. Festzuhalten bleibt somit, daß es de lege lata keinen Ausschluß des Rechtsweges mehr gibt. Ausgeschlossen sind bestimmte Verfahrensarten, ein einstweiliges Verfahren etwa kann es nach dem oben Gesagten nicht geben. Mit Wegfall des § 5 V 3 G10 soll eine Bekanntgabe auch noch nach Ablauf von fünf Jahren erfolgen. Der faktische Ausschluß im Rahmen der weiteren Überwachungsfälle ist verfassungswidrig und entsprechend zu korrigieren.

bb) Tatsächlicher Ausschluß Ein tatsächlicher Ausschluß des Rechtsweges kommt im Bereich der Dienste deswegen in Betracht, weil der Betroffene von seiner Belastung nichts weiß. 83

Dörr/Schmidt, S 100.

86

Absolut herrschende Meinung, vgl. BVerfGE 33, 1, 11; 67, 157 ff mwN; BVerwGE 6, 299; BAG NJW 87, 676 und weitere Entscheidungen, sowie die einschlägige Kommentarliteratur, statt aller siehe Schmidt-Bleibtreu/Klein, Art. 10 Rn. 3 - 6 mwN. 87 88

So auch Arndt, NJW 95, 169, 171.

Nach der Rechtskreistheorie des BGH besteht ein Verwertungsverbot fur Beweise, die unter Verletzung einer den Angeklagten schützenden Norm erlangt worden sind.

IV. Die bestehenden Kontrollen

11

Dies ist ein faktischer Ausschluß, nicht ein rechtlicher. Der Klage eines Bürgers auf Feststellung, er werde nicht observiert und über ihn seien auch nirgendwo rechtswidrig Daten gespeichert, kann kein Erfolg beschieden sein. Zum einen folgt dies aus tatsächlichen Gründen, da kein Gericht eine so weit gehende Überprüfungsmöglichkeit besitzt, zum anderen fehlt es dem Bürger an entsprechenden Anspruchsgrundlagen 89. Eine Bekanntgabepflicht besteht nur grundsätzlich; ihr sind durch den Schutz verfassungsrechtlicher Rechtsgüter jedoch Grenzen gesetzt90. In diesem Bereich ist zu differenzieren zwischen der Belastung einer einzelnen Person und der einer Vereinigung. Einzelpersonen können gegen eine Belastung vorgehen, sobald sie von ihr erfahren. Dies ist zum einen möglich, wenn die Behörde von sich aus Informationen bekanntgibt, etwa indem sie sie in ein Verfahren einbringt. Auch Observationen können, sobald sie von der Zielperson bemerkt werden, Gegenstand eines Verfahrens sein 91 . Daneben stehen dem Betroffenen Auskunftsrechte zur Seite. In neuerer Zeit sind jedoch nicht mehr so sehr Einzelpersonen Gegenstand einer Beobachtung durch die Dienste, insbesondere des Verfassungsschutzes, sondern Vereinigungen 92 . Die Observation einer solchen Vereinigung wird zumeist in den Verfassungsschutzberichten publik gemacht. Dadurch ist die grundsätzliche Kenntnis um die Überwachung gegeben. Den Vereinigungen steht, sofern sie rechtsfähig sind, ein eigener Auskunftsanspruch gegen die Dienste zu 9 3 . Somit sind tatsächliche Ausschlüsse des Rechtsweges nicht mehr in so einem starken Maß gegeben. Diese Feststellung soll aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß eine umfassende gerichtliche Kontrolle jeder Maßnahme erst wirklich dann gewährleistet ist, wenn die Aktivität offen erfolgt. Dies aber ist mit der Ziel- und Aufgabensetzung der Dienste nicht vereinbar. Damit kann nicht ausgeschlossen werden, daß gewisse Aktivitäten aufgrund der Geheimhaltung einer gerichtlichen Kontrolle de facto nicht zugeführt werden können.

d) Gang des gerichtlichen

Verfahrens

Ist eine zulässige Klage erhoben worden, so entscheiden die Gerichte unter Anwendung der jeweiligen Gerichtsordnungen darüber, ob sie begründet ist. 89

Siehe dazu den Abschnitt über die Informationspflichten und die Auskunftsrechte des Bürgers gegenüber den Diensten. 90

BVerfGE 30, 1, 17ff,31f.

91

In der Praxis erweist es sich fast als unmöglich, eine Person über einen längeren Zeitraum zu beobachten, ohne daß sie es bemerkt. 92 93

Man vergleiche hierzu die Verfassungsschutzberichte des Bundes und der Länder.

Dies gilt nicht in Berlin. Hier haben nur natürliche Personen einen Auskunftsanspruch.

1

Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

Im Bereich des Verfahrens bestehen Ausnahmevorschriften, die sich aus den sicherheitsrechtlichen Besonderheiten der Materie ergeben 94.

aa) Verfahren vor den Verwaltungsgerichten Die Dienste sind als Teil der öffentlichen Verwaltung anzusehen. § 40 VwGO eröffnet in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art den Verwaltungsrechtsweg, sofern keine gesetzliche Sonderzuweisung eingreift. Die VwGO normiert verschiedene Klagearten 95 . Gegen Maßnahmen der Dienste werden am häufigsten - je nach Klagebegehren - die Anfechtungsklage gemäß § 42 I I Fall 1 VwGO, die Verpflichtungsklage gemäß § 42 I I Fall 2 VwGO, die gegenüber den beiden vorgenannten subsidiäre Feststellungsklage gemäß § 43 I VwGO oder die allgemeine Leistungsklage nach §§ 43 II; 111; 113 III; 169 II; 191 I VwGO erhoben. Bei der Frage, welche Klageart als die statthafte anzusehen ist, bestehen zum „normalen" gerichtlichen Verfahren keine Unterschiede 96. Mit dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren kann sowohl die Rechtswidrigkeit einer Maßnahme der Dienste nachträglich geltend gemacht werden, wie auch ein bestimmtes Handeln verlangt werden wie etwa die Löschung personenbezogener Daten. Ebenso kann die Beseitigung der Folgen eines rechtswidrigen Handelns begehrt werden 97 . So bleibt die Frage, ob auch vorläufiger Rechtsschutz verlangt werden kann. Wird angeführt, daß hier die Verwaltungsgerichte nicht zuständig seien, weil sie zur nachträglichen Kontrolle, nicht aber zur vorgreiflichen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Informationssammlung berufen seien 98 , so vermag das kaum zu überzeugen. Auch in anderen Bereichen des Verwaltungshandelns besteht eine solche Kompetenz. Spezifische nachrichtendienstliche Zwänge, den Gerichten in diesem Bereich eine solche Kompetenz abzusprechen, sind nicht erkennbar. Die vorbeugende

94

Kritisch zu diesem Komplex Ziegler, ZRP 88, 25.

93

Siehe die Aufzählung bei Kopp, VwGO, Vorb. § 40 Rn. 4, 5 ff.

96

Somit braucht hier die Diskussion über die Rechtsqualität der verschiedenen Maßnahmen nicht aufgegriffen zu werden. Ob z.B. im heimlichen Photographieren gleichzeitig ein Duldungsbefehl und somit ein Verwaltungsakt zu sehen ist, so noch BVerwGE 23, 223, 224 („Verwaltungsakt im weiteren Sinne"), oder nicht, etwa Evers, BK Art. 73 Nr. 10 Rn. 72, spielt für den Gang des gerichtlichen Verfahrens keine Rolle. 97

Das Verfahren des Schriftstellers Bemt Engelmann gegen den Freistaat Bayern, Urteil des VerwG München vom 9.7.1980 Nr. M 1367IX 80, BayVwBl. 80, 696, endete mit der Verpflichtung einer Gegendarstellung. 98

So Evers, ZRP 80, 111.

IV. Die bestehenden Kontrollen

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Unterlassungsklage ist grundsätzlich zulässig, so z.B. wenn die tatsächliche Gefahr besteht, daß rechtswidrig erlangte Daten verwendet werden sollen. Im Bereich der Informationsbeschaffung hingegen sind faktische Zwänge zu bedenken. Den Diensten kann durch ein entsprechendes Urteil nicht verwehrt sein, auch weiterhin zu prüfen, ob sich die Überwachungsbedürftigkeit des obsiegenden Klägers aus neuen Tatsachen ergibt. Sonst könnte die Aufgabe der Dienste dadurch vereitelt werden, daß man sich durch ein entsprechendes Urteil einen Freibrief für alle Zukunft ausstellen lassen könnte. Somit hätte ein solches Urteil höchst eingeschränkte Bindungswirkung, so daß in aller Regel schon das Rechtsschutzbedürfnis zu versagen wäre. Daraus aber auf die grundsätzliche Unzulässigkeit einer vorbeugenden Unterlassungsklage zu schließen, ist nicht möglich. Denkbar bleibt, daß bestimmte Informationsbeschaffungen für unzulässig erklärt werden. Es bleibt festzuhalten, daß bei den Zulässigkeitsvoraussetzungen einer verwaltungsgerichtlichen Klage keine Besonderheiten aufgrund der sicherheitsrechtlichen Materie festzustellen ist". Der Verlauf eines Verfahrens gegen die Dienste begegnet Besonderheiten. Eine unbeschränkte Verpflichtung der Dienste, alle ihnen vorliegenden Informationen rückhaltlos preiszugeben, kann nicht existieren. Hier stehen gewichtige widerstreitende Interessen entgegen. Sonst besteht die Gefahr, daß die Dienste geheimhaltungsbedürftige Informationen preisgeben müßten und so an Effektivität einzubüßen. Grundsätzlich .besteht eine Vorlage- und Auskunftspflicht der Behörden im Verwaltungsprozeß, § 99 I VwGO. Diese kann nur dann eingeschränkt werden, wenn dringende Gründe für die Geheimhaltungsbedürftigkeit sprechen. Die Entscheidung, ob Informationen geheimhaltungsbedürftig sind, unterliegt der obersten Aufsichtsbehörde. Die Bedeutung einer solchen Entscheidung wird daraus deutlich. Wird zuviel preisgegeben, so sind Rückschlüsse auf die Arbeitsweise und Mitarbeiter der Dienste möglich. Wird hingegen in unbegründeter Weise zurückgehalten, droht das Ansehen der Dienste Schaden zu nehmen. Ob von der Verweigerungsmöglichkeit des § 99 I 2 VwGO Gebrauch gemacht wird, ist eine Ermessensentscheidung, die gerichtlich auf den nicht an eine Frist gebundenen Antrag eines Betroffenen durch das Gericht der Hauptsache überprüft werden kann. Somit können Akten auch dann vorgelegt werden, wenn an sich ein Versagungsgrund gegeben wäre. Das Gericht ist zur 99

Am Rande sei auf die Sonderregelung der instanziellen Zuständigkeit hingewiesen: Gemäß § 50 I Nr. 4 VwGO ist das BVerwG für dienstrechtliche Klagen aus dem Geschäftsbereich des BND erst- und letztinstanzlich zuständig, d.h. für die dort tätigen Beamten und Soldaten. Für die Angestellten und Arbeiter ist tarifvertraglich die Sonderzuständigkeit des Arbeitsgerichts München vereinbart, vgl. Porzner, S. 249. 9 Hirsch

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Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

Überprüfung auf Ermessensfehler befugt, ebenso wie die unbestimmten Rechtsbegriffe in § 99 VwGO einer vollen gerichtlichen Nachprüfung unterliegen 100 . Nach Gesetzeswortlaut reicht die Glaubhaftmachung des Geheimhaltungsinteresses durch die Behörde aus, hier gilt § 294 ZPO analog. Für die Glaubhaftmachung werden in Rechtsprechung und Literatur übereinstimmend „triftige Gründe" gefordert 101 . Das Gericht muß nachprüfen können, ob überwiegende Interessen die Vorlage der Akten zu Lasten der Wahrheitsfindung gebieten 102 . Insbesondere wenn dies zu Lasten des Betroffenen geht, müssen aus rechtsstaatlichen Erwägungen hohe Maßstäbe gesetzt werden 103 . Hier wird sofort ein Dilemma deutlich. Die Gründe, die eine Geheimhaltung gebieten, können in dem Zwischenverfahren nach § 99 VwGO eben nicht zur Begründung herangezogen werden. Die Rechtsprechung fordert jedoch mehr als eine formelhafte Begründung, wie auch allein die Tatsache, daß es sich um eine nachrichtendienstliche Akte handelt, eine Geheimhaltung nicht zu begründen vermag 104 . Es muß vielmehr ein im Einzelfall entgegenstehender Belang gegeben sein, der die Verweigerung rechtfertigt 105 . Dieser Belang muß zur Zeit der Auskunftsverweigerung bestehen; je länger die Vorgänge zurückliegen oder je bekannter sie sind, um so eher ist ein Geheimhaltungsinteresse zu verneinen 106 . Doch darf die Begründung, warum die Akten nicht vorgelegt werden, regelmäßig keinen Aufschluß auf den Inhalt zulassen. Somit bleibt es im Ergebnis der Selbstkontrolle der Dienste überlassen, welche Akten in Prozesse eingeführt werden. Eine solche Entscheidung kann zwar durch Beschwerde bis vor das Bundesverwaltungsgericht gelangen. Die tat100 Kopp, VwGO, § 99 Rn 6, 14, 15, 17 mwN. Nicht hierher gehört die Diskussion um die „gerichtsfreien Beurteilungspielräume", siehe dazu ausführlich Schwerdtfeger, S. 34 ff mwN, weiterhin auch BVerwG DVB1 1991, 49 mwN und VG Wiesbaden NJW 1988, 356 ff. Schwerdtfeger äußert ausdrücklich die gut begründete Vermutung, daß dieses Institut in Zukunft immer mehr an Bedeutung verlieren wird und weist dabei auf entsprechende Urteile in der neueren Rechtsprechung des BVerfG hin. 101

Kopp, VwGO, § 99 Rn. 17; BVerwGE NJW 94, 72; 87, 204; 83, 638 und weitere.

102

BVerwGE 19, 179, 187; VGH Kassel, ZBR 76, 24.

103

BVerwGE 49, 44, 50.

104

BVerfGE 57, 250, 284; BVerwGE 75, 1, 10.

103

BVerwGE 18, 58; 34, 252; 75, 1, 8 ff; OVG Koblenz NJW 77, 266; Bay VG, DöV 90, 530. 106

In der Literatur wird in eine Dreiteilung vorgenommen: „Normale Verwaltungsvorgänge", die immer vorgelegt werden müssen, „besondere Verfassungsschutzvorgänge", die nie vorgelegt werden müssen, und „gesammeltes Nachrichtenmaterial", bei dem es einer Einzelfallprüfung bedarf, inwieweit Rückschlüsse auf geheimhaltungsbedürftige Vorgänge möglich sind; vgl. Gusy, Richterliche Kontrolle, S. 96, der zu Recht darauf hinweist, daß die Übermittlung an eine andere staatliche Stelle alleine die Geheimhaltungspflicht nicht ausschließt.

IV. Die bestehenden Kontrollen

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sächlichen Möglichkeiten eine Aktenvorlage zu erzwingen, sind jedoch gering 1 0 7 . Grundsätzlich steht den Gerichten eine solche Kompetenz nicht zu 1 0 8 . Damit stellt sich die Frage, welche Folge eine Aussageverweigerung nach § 99 VwGO hat. Bedeutsam wird sie bei entscheidungserheblichen Tatsachen, die nicht auf eine andere Art bewiesen werden können. Den allgemeinen Beweislastregeln folgend muß grundsätzlich derjenige eine Tatsache beweisen, der eine für ihn günstige Rechtsfolge aus ihr zieht 1 0 9 . Damit nun aber nicht die Behörde, eventuell selbst Beklagte 110 , die Beweismöglichkeiten der anderen Seite verschlechtern kann, indem sie sich auf ein Geheimhaltungsbedürfnis beruft, wird man hier auf eine im Zivilrecht entwickelte Sonderregelung zurückgreifen müssen. Deijenige, der den Beweis einer entscheidungserheblichen Tatsache in zurechenbarer Weise erschwert, muß das Risiko der Unerweislichkeit tragen 111 . Somit muß in die Ermessensentscheidung der Dienste, eine Information geheim zu halten, auch immer das Risiko miteinfließen, daß ein falsches Urteil erzielt wird.

bb) Verfahren vor den Zivilgerichten Grundsätzlich ist gegen Handeln der Nachrichtendienste der Verwaltungsrechtsweg gegeben. Zu prüfen bleibt weiterhin auch der zivilrechtliche Rechtsschutz. In erster Linie sind die deliktsrechtlichen Anspruchsgrundlagen des BGB im Auge zu behalten. So soll ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch gegeben sein, wenn staatliche Stellen durch einen mittelbaren Eingriff auf wirtschaftlichem Sektor eine Existenz gefährdet haben 112 . Solche Ansprüche bleiben insbesondere bei der Rechtswegzuweisung einer genauen Prüfung unterzogen. In den meisten Fällen wird ausschließlich der Verwaltungsrechtsweg gegeben sein.

107 Zu beachten bleibt jedoch, daß der Bürger in einem anderen Verfahren auf Auskunftserteüung klagen kann, siehe S. 115. Auch hier gilt, je mehr Information der Bürger hat, um so eher ist sein Auskunftsverlangen berechtigt. Regelmäßig jedoch wird nach erfolgloser Beschwerde nach § 99 Π VwGO auch eine Klage auf Auskunft unbegründet sein, da auch hier die Versagungsgründe eingreifen werden. Der gerichtliche Maßstab ist der gleiche. 108

Kopp, § 99 Rn. 4.

109

Redeker/v. Oeitzen, § 108 Rn. 12.

110

So etwa in NRW, § 5 AG VwGO NRW.

111

Thomas/Putzo, § 286 Rn. 5.

112

So Schwagerl, Verfassungsschutz, S. 321; allerdings ohne Begründung in einem gewagten Umkehrschluß aus einem Urteil des LG Hamburg, mit dem sich Bedienstete des LfV Bremen gegen den Artikel im Stem „Die Gabel des Herrn Galle" vom 19.7.1979 zur Wehr setzten.

1

Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

Versagt dieser, so kann nicht über den Zivilrechtsweg gleichwohl ein Anspruch konstruiert werden. So sind vor den Zivilgerichten in erster Linie Schadensersatzverfahren zu erwarten. Hier kommt nicht nur der Amtshaftungsanspruch in Betracht, sondern auch spezialgesetzlich normierte Schadensersatzansprüche wie etwa aus § 7 BDSG. Auch bei Verfahren vor den Zivilgerichten sind die Dienste nicht zur Offenbarung geheimhaltungsbedürftiger Tatsachen verpflichtet. Beamte dürfen nur dann vor Gericht aussagen, wenn sie die Genehmigung ihres Dienstherrn haben, § 376 I ZPO i V m § 39 BRRG. Diese kann aus den gleichen Gründen versagt werden, wie auch die Aktenvorlage im Verwaltungsprozeß versagt werden kann. Die Aussagegenehmigung kann nur dann durch den Kläger erzwungen werden, wenn er einen verwaltungsrechtlichen Auskunftsanspruch gegen die Behörde hat. Somit bietet der Zivilrechtsweg keinen weitergehenden Schutz als der Verwaltungsrechtsweg.

cc) Verfahren vor den Strafgerichten Vor den Strafgerichten kann eine Maßnahme der Dienste nur inzident Gegenstand gerichtlicher Erörterung sein. Solche Fälle treten in erster Linie auf, wenn es darum geht, ob Beweismaterial rechtmäßig gewonnen wurde oder ob ein Verwertungsverbot besteht. Als prozeßrechtliche Sonderregel greifen hier §§ 54; 96 StPO ein 1 1 3 , nach denen die Behörde zur Versagung der erforderlichen Beweismittel ermächtigt ist. Strafprozeßlichen Regeln folgend kann dann ein anderes Beweismittel zulässig sein 114 , so etwa ein Zeuge „vom Hörensagen", § 251 I I StPO. Ein solcher mittelbarer Beweis hat bei der richterlichen Würdigung nach § 260 StPO einen geringeren Stellenwert 115 . Bleibt eine entscheidungserhebliche Tatsache unbewiesen, so treten hier die im Strafjprozeß geltenden Sonderregelungen ein. Es ist grundsätzlich von der Unschuldsvermutung des Angeklagten auszugehen, möglich aber bleibt die Verurteilung aus einer Wahlfeststellung. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung Stellung dazu genommen, unter welchen Umständen die Verweigerung einer Aussagegenehmigung nach § 96 StPO analog vor einem Untersuchungsausschuß ausgesprochen 113

Ziegler, ZRP 88, 26, bemängelt hier den unterschiedlichen Maßstab der Versagungsgründe. 114 113

BVerfGE 57, 250, 273 ff.

Wenn der Zeuge die Quelle selber nicht kennt, weil sie etwa einem ausländischen Nachrichtendienst angehört, kann sich auch das Gericht kein Urteil über die Glaubwürdigkeit der Quelle bilden; BGH NJW 86, 1766. Einer solchen Zeugenaussage kommt dann nur noch Indizwert zu.

IV. Die bestehenden Kontrollen

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werden kann 1 1 6 . Es erscheint zweifelhaft, ob diese Entscheidung auf den Strafprozeß übertragbar ist. Das Bundesverfassungsgericht ließ sich in seinen Überlegungen von den Gedanken der Gewaltenteilung leiten und stellte in erster Linie auf das Verhältnis zwischen Parlament und Exekutive ab. In der Praxis ist jedoch festzustellen, daß im Anschluß an diese Entscheidung die Verweigerungen von Aussagegenehmigungen durch die Dienste zurückgegangen sind.

dd) Verfahren vor den Verfassungsgerichten Vor den Verfassungsgerichten können Maßnahmen der Dienste ebenfalls angegriffen werden. Zum einen besteht die Möglichkeit, inzident im Rahmen eines anderen Verfahrens die Tätigkeit der Dienste zu überprüfen. Hier bietet sich insbesondere die Organklage nach Art. 93 I Nr. 1 iVm §§ 13 Nr. 5, 63 ff BVerfGG an 1 1 7 . Ein solches Verfahren allerdings eignet sich nur sehr eingeschränkt zur gerichtlichen Kontrolle. Zum einen ist der Kreis der Antragsteller auf wenige Berechtigte beschränkt, zum anderen sind die Zulässigkeitsvoraussetzungen hoch. Die individuelle Verfassungsbeschwerde nach Art. 93 I Nr. 4 a iVm §§13 Nr. 8 a; 90 ff BVerfGG kann von jedermann mit der Rüge einer spezifischen Grundrechtsverletzung erhoben werden. Gegenstand wird in der Regel ein letztinstanzliches Urteil sein, mit dem der unterlegene Beschwerdeführer sich gegen eine Maßnahme der Dienste gewendet hat. Das Bundesverfassungsgericht aber kann in einer Vorprüfung darüber entscheiden, ob es die Verfassungsbeschwerde annimmt. Eine Verpflichtung zur Annahme besteht nur dann, wenn eine Grundrechtsverletzung vorliegt. Fehlt ein Rechtsweg, sowie beim Gesetz zu Artikel 10 GG vor Bekanntgabe der Maßnahme, ist die unmittelbare Beschwerde an das Bundesverfassungsgericht zulässig 118 . Hier muß aber mit einiger Wahrscheinlichkeit vorgetragen werden können, daß eine spezifische Grundrechtsverletzung vorliegt. Nach § 26 BVerfGG hat das Bundesverfassungsgericht ein unbeschränktes Akteneinsichtsrecht. Hieraus wird die hohe Verantwortung des Bundesverfassungsgerichtes deutlich, das öffentliche Wohl doppelt im Auge zu behalten: Einmal, indem es ein richtiges Urteil fällt, zum anderen, indem es das Wohl der Bundesrepublik wahrt, zugunsten dessen bisher diese Akten geheimgehalten worden sind. Somit bestehen hier keine prozessualen Besonderheiten. 116

BVerfGE 67, 100, sog. „Flick-Urteil" Siehe Leitsatz 3c: „Nur unter ganz besonderen Umständen können sich Gründe finden lassen, dem Untersuchungsausschuß Akten unter Berufung auf das Wohl des Bundes oder eines Landes vorzuenthalten". 117

Vgl. das von der NPD angestrengte Verfahren vor dem BVerfG NJW 81, 1359.

118

Beschluß des BVerfG vom 20.6.1984, NJW 85 121.

Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

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ee) Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte Am 4. 11. 1950 wurde von den Regierungen der Mitgliedsstaaten des Europarates die „Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten" (MRK) unterzeichnet 119 . Nach Ausschöpfung des innerstaatlichen Rechtsweges, Art. 26 MRK, bleibt dem Betroffenen die Anrufung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Vorgeschaltet ist die Beschwerde an die Kommission für Menschenrechte. Diese versucht zwischen den Beteiligten zu schlichten, Art. 28 b MRK. Schlägt dies fehl, ruft sie den EGMR an, Art. 31, 32 MRK. Begründet ist eine Beschwerde, sofern der Beschwerdeführer durch eine Verletzung der Konvention beschwert ist. Stellt der EGMR eine Rechtsverletzung fest, so ergibt sich die Verpflichtung, diesem Verstoß abzuhelfen 120 . Hier aber bleibt zu bedenken, daß dem EGMR keine rechtliche Handhabe zusteht, um die Nachrichtendienste eines Landes zu zwingen, Informationen preiszugeben, die in den bisherigen innerstaatlichen Verfahren zurückgehalten werden konnten. Ein Verfahren vor dem EGMR wird schwerlich zu anderen Ergebnissen führen als eine vor dem Bundesverfassungsgericht erhobene Verfassungsbeschwerde 121.

e) Fazit Der gerichtlichen Kontrolle des Wirkens der Dienste sind viele Hindernisse bereitet. Dem Bürger steht gegen Maßnahmen der Dienste grundsätzlich der Rechtsweg offen. Ein gesetzlicher Ausschluß des Gerichtsweges besteht nicht mehr. Es sind viele Veifahrensarten de facto nicht möglich, weil dem Betroffenen die Informationen darüber fehlt, daß gegen ihn ermittelt wird Es kann nicht von einer wirksamen Kontrollmöglichkeit der Gerichte gesprochen werden. Dies findet seine Ursachen vor allem in dem notwendigerweise geheimen Vorgehen der Dienste. Der Bürger kann de facto deswegen nicht klagen, weil er nicht weiß, daß in seine grundrechtlich geschützten Positionen eingegriffen wird. Zwar stehen ihm verschiedene Auskunftsansprüche gegen die Dienste zu, die gegebenenfalls auch im Wege einer Klage durchge119

Von der Bundesrepublik Deutschland ratifiziert und am 7.8.1952 als Gesetz verkündet, BGBl. Π 1952, S. 686, geändert durch BGBl. Π 1968, S. 1111. 120 121

Arndt, Das G-10 Verfahren, S. 61.

Die Beschwerde gegen das sog. Abhör-Urteil des BVerfG, BVerfGE 30, 1, zum EGMR war zwar zulässig aber unbegründet, EGMR NJW 79, 1755. Im Gegensatz zum Urteil des BVerfG erging sie einstimmig.

IV. Die bestehenden Kontrollen

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setzt werden können. Eine solche wird in aller Regel aber nur dann erfolgversprechend sein, wenn der Bürger seinen Anspruch substantiiert vortragen kann, mithin eigentlich schon weiß, daß gegen ihn bestimmte Maßnahmen getroffen worden sind. Zahlreiche Ausnahmevorschriften stehen den Auskunftsansprüchen entgegen. Ist eine Klage erhoben worden, so haben die Dienste weitreichende Aussageverweigerungsmöglichkeiten. Ein Ausgleich des Informationsdefizits der Gerichte kann nur durch die Beweislastregeln erreicht werden, damit die Auskunfitsverweigerung nicht zu Lasten des Bürgers geht. Ein solcher Ausgleich kann aber nicht in allen Verfahren von Nutzen sein. Macht der Bürger einen Auskunftsanspruch geltend, so ist dieser materiell-rechtlich unbegründet und die Klage folglich abzuweisen, wenn die Verweigerungsgründe glaubhaft gemacht wurden, ohne daß dies voll von den Gerichten nachgeprüft werden könnte. Die gerichtliche Kontrolle erweist sich insofern als wenig effektiv.

5. Exekutivische Kontrolle der Dienste Die Dienste sind wie jede andere Behörde hierarchisch aufgebaut. Dabei hat die jeweils vorgeordnete Stelle über die nachgeordnete zu wachen. Besondere Überwachungsfunktionen kommen dem jeweiligen Dienstherrn zu.

a) Dienst- und Fachaufsicht Die Dienste unterliegen der Dienst- und Fachaufsicht durch die ihnen jeweils übergeordnete Behörde 122 . Die Dienstaufsicht ist die Aufsichts- und Weisungsbefugnis der übergeordneten gegenüber der nachgeordneten Behörde, wie auch des Vorgesetzten gegenüber den ihm unterstellten Beamten 123 . Hierbei werden die dienstrechtlichen Angelegenheiten überwacht, insbesondere wird das dienstliche Verhalten überwacht. In diesen Bereich fallen auch die disziplinarrechtlichen Maßnahmen 124 . Die Fachaufsicht kontrolliert, ob die Aufgaben rechtlich richtig und zweckmäßig erfüllt werden 125 . Beide Aufsichten sollen 122

Entsprechend ihrer jeweiligen Organisiationsstruktur unterliegt der BND dem Bundeskanzleramt (hier besteht eine gesonderte Abteilung für die Aufsicht, die auch für die Koordinierung der Dienste zuständig ist), das BfV dem Bundesinnenminister, die LfV den jeweiligen Innenministern sowie der MAD dem Bundesverteidigungsminister. 123

Creifelds, Stichwort „Dienstaufsicht".

124

Im Bereich der Nachrichtendienste besteht die Besonderheit, Beamte ab A l 6 jederzeit ohne Angabe von Gründen in den einstweiligen Ruhestand versetzen zu können. 125

Ritter, S. 114.

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sicherstellen, daß die Dienste ihre Aufgaben effektiv, zweckmäßig und vor allem rechtmäßig erfüllen. Dies geschieht durch den Erlaß von allgemeinen Dienstvorschriften, Richtlinien und Einzelerlassen. Weiterhin sind Berichtsund Vorlagepflichten festgelegt, nach denen die Behörden in bestimmten Fällen verpflichtet sind, unaufgefordert über Vorgänge zu berichten 126 . Weiterhin wird diese Kontrolle auch durch die ad hoc stattfindenden Besprechungen zwischen der Leitung der Aufsichtsbehörden und der Dienste erzielt 127 . Mittelbar wird die Aufsicht durch die Innenminister dadurch erzielt, daß die Arbeitskreise der Innenministerkonferenz (z.B. AK I V „Verfassungsschutz") übereinstimmende Stellungnahmen zu bestimmten Fragen beschließen. Die Aufsichtsbehörden haben nicht nur die Verpflichtung, diese Kontrolle zu führen, sondern auch ein eigenes Interesse daran, da sie gegenüber dem jeweiligen Parlament die politische Verantwortung tragen. Die Aufsicht wird in aller Regel zurückhaltend ausgeübt 128 . Die allgemeine Aufgabenstellung ergibt sich aus den Gesetzen. In die operativen Vorgänge direkt steuernd einzugreifen, würde den Spielraum der Dienste sehr einschränken. Somit wird die Aufsichtsbehörde dann tätig werden, wenn Rechtsverletzungen zu befürchten sind oder wenn politische Auswirkungen drohen. Eine effektive Kontrolle durch die übergeordnete Behörde setzt zwingend zweierlei voraus. Zum einen muß sie effektiv angelegt sein. Es muß sichergestellt sein, daß die kontrollierte Behörde alle wichtigen Vorgänge einer Kontrolle zugänglich macht bzw. rechtzeitig meldet. Hier kann es nicht nur auf die freiwillige Kooperation des Kontrollierten ankommen, sondern es muß sichergestellt sein, daß die Aufsichtsbehörde nicht hintergangen werden kann 1 2 9 . Zum anderen muß sichergestellt sein, daß die Aufsichtsbehörde tatsächlich eine Kontrollinstanz darstellt. Ist die Aufsichtsbehörde mit bestimmten Vorgehensweisen einverstanden, obwohl sie rechtsstaatlich noch nicht einwandfrei geklärt sind, so versagt die Kontrolle. Auch mag die politische Auffassung der Regierung zu einer extensiven oder einschränkenden Auslegung der einschlägigen Gesetzesvorschriften führen. Die Exekutive tendiert in aller Regel dazu, ihre Befugnisse extensiv auszulegen. Die Dienstaufsicht ist ohne die korrelierende unabhängige gerichtliche Kontrolle kein geeignetes Kontrollinstrument, da lediglich sichergestellt wird, daß die nachgeordneten Behörden sich entsprechend den Anweisungen der Aufsichtsbehörde verhält. 126

Schwagerl, Verfassungsschutz, S. 284, 285; Kortmann, S. 70.

127

Ritter, S. 115.

128

Schwagerl, Verfassungsschutz, S. 285; Ritter, S. 115.

129

Ehmke habe bezüglich des BND „Jahre gebraucht, um alles zu kennen"; vgl. DIE ZEIT Nr. 43 vom 18.10.1974.

IV. Die bestehenden Kontrollen

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b) Koordinierung In der Bundesrepublik Deutschland besteht keine Behörde, die sämtliche Staatsschutzaufgaben erledigt, vielmehr besteht eine Vielzahl einzelner Behörden. Um effektiv handeln zu können, müssen die Aktivitäten der verschiedenen Dienste koordiniert werden. Eine Koordinierung eignet sich gleichzeitig auch zur Kontrolle, da die verschiedenen Aktivitäten dieser Stelle bekannt sind. Beim Bundeskanzleramt besteht eine eigene Abteilung, die für die Koordination der Dienste zuständig ist 1 3 0 . Dem Chef des Bundeskanzleramtes ist ein Staatsminister beim Bundeskanzler als „Beauftragter für die Nachrichtendienste" zugeordnet 131 , der für die Koordination der Dienste verantwortlich ist 1 3 2 . Darüber hinaus arbeitet er mit den parlamentarischen Kontrollgremien zusammen, indem er etwa deren Sitzungen vorbereitet. Ihm steht ein umfassender Auskunftsanspruch gegenüber den Diensten zu 1 3 3 . Dienst- und Fachaufsicht sowie die Koordination arbeiten eng zusammen. Somit unterstützen sich beide. Durch die Koordination mag sichergestellt sein, daß die Dienste sich der Kontrolle der Aufsichtsbehörde nicht entziehen, da sie ein eigenes Interesse an der Koordinierung ihrer Aktivitäten haben. Eine zusätzlich Kontrollinstanz jedoch gegenüber der Aufsicht stellt der Beauftragte für die Nachrichtendienste nicht dar. Auch er ist Teil der Exekutive und vertritt die gleichen Interessen wie auch die Aufsichtsbehörde.

c) Personalrat Bei den Behörden ist ein Personalrat zu errichten, dessen Aufgabe es ist, die Rechte der Angehörigen der Behörde zu sichern, § 68 BPersVG. Dem Personalrat der Behörden steht ein Informations- und Auskunftsrecht zu. Er hat Anspruch auf eine rechtzeitige Anhörung, um Vorschläge einbringen zu können, §§ 75, 76 BPersVG.

130

Dieser obliegt auch die Dienst- und Fachaufsicht über den BND, vgl. Organisations des Bundeskanzlers vom 17.12 1984 idF vom 3.5. 1989, nach Porzner, Die Verwaltung, 235, 237, 245. 131

Abgekürzt „Der Koordinator". Erstmals durch die Ernennung des StS Schüler am 29.1.1975. 132

Hierzu dient u.a. die interministerielle Arbeitsgruppe (Staatssekretärausschuß) für die „geheimen Nachrichtendienste und die Sicherheit" des BMI und des BMV, aber auch des BMJ und AA, im Bedarfsfalle auch des BMF und BMWi, und der ständige Ausschuß „Nachrichtendienste" der Ministerien und der Leiter der Dienste. 133

Porzner, Die Verwaltung, 235, 237.

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Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

Diese Rechte gehen im Bereich der Dienste nicht so weit wie bei den Behörden der allgemeinen Staatsverwaltung, sondern unterliegen den Einschränkungen nach den §§ 86, 87 BPersVG. So kann der Personalrat des BND bei der Einführung von Überwachungseinrichtungen über die Mitarbeiter nicht mitreden, § 86 Nr. 9 BPersVG i V m § 75 I I I Nr. 17 BPersVG. Die Personalvertretung hat in erster Linie die Aufgabe, die Rechte der Angehörigen gegenüber ihrer Behörde zu wahren. In diesem Rahmen muß sie aber auch tätig werden, sofern sie Kenntnis von rechtswidrigen Anweisungen an einen Mitarbeiter erhält, denn dieser ist durch eine rechtswidrige Anweisung in seinen Rechten verletzt. Ein Aussetzen einer solchen Anweisung kann die Personalvertretung nicht erzwingen. Nach außen sind die Mitarbeiter zur Verschwiegenheit verpflichtet. Jeder Beamte hat das Recht und die Pflicht, wenn er von der Rechtswidrigkeit einer Anweisung überzeugt ist, auf dem Dienstwege seinen Vorgesetzten über seine Bedenken zu informieren. Dieser, gegebenenfalls weitere vorgeordnete Stellen, entscheiden dann. Sofern es sich nicht um dienstrechtliche Angelegenheiten handelt, steht es jedem Beamten nach Rücksprache mit seinem Vorgesetzten frei, sich nicht nur an den Personalrat, sondern direkt an die Parlamentarische Kontrollkommission des Parlamentes zu wenden. Eine Kontrolle der Dienste durch die Personalvertretung erfolgt nicht. Sie dient nur der Kontrolle der Rechtmäßigkeit des innerorganisatorischen Aufbaus.

d) Kontrolle durch andere Exekutivbehörden Eine Kontrolle findet dadurch statt, daß die Dienste verpflichtet sind, mit anderen Behörden zusammenzuarbeiten. In erster Linie kommen hier die Bundesanwaltschaft 134 und die Polizeien in Betracht. Hat ein Dienst im Rahmen seiner Aufgabe einen genügenden Anfangsverdacht darüber, daß eine bestimmte Person eine Straftat begangen hat, so wird sie im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens den Vorgang an die Bundesanwaltschaft weiterleiten. Von dort aus geht er an die Polizei. In der Praxis ist eine enge Zusammenarbeit festzustellen. Dadurch wird eine gewisse Kontrolle erreicht, da die Exekutivstellen Einsicht in die Arbeitsweise des Dienstes 134

Die Bundesanwaltschaft ist iE als Exekutivorgan anzusehen. Sie wird als Strafverfolgungsbehörde tätig. Die Bundesanwälte haben Beamtenstatus und unterliegen der Dienstaufsicht durch das Bundesministerium der Justiz, § 147 GVG. An Weisungen ihrer Vorgesetzten sind sie gebunden, § 146 GVG. Von den richterlichen Geschäften sind sie ausgeschlossen, §§ 150, 151 GVG.

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bekommen. Dies ist auch bei der informationellen Zusammenarbeit mit der Polizei zu beachten 135 . Diese Kontrolle, die an den Schnittstellen zwischen den Behörden auftritt, erfolgt in erster Linie im Bereich des Verfassungsschutzes, schwächer im Bereich des MAD. Der BND ist weniger auf die Zusammenarbeit mit anderen deutschen Behörden verpflichtet, da sein Aufgabenfeld in erster Linie auf das Ausland gerichtet ist 1 3 6 . Hier wird ein gewisses Maß an Kontrolle erreicht, aber keine Kontrolle der Dienste an sich gewährleistet. Allerdings hat der Generalbundesanwalt nach Übergabe eines Vorganges die Sachherrschaft über ihn. Dieses haben die Dienste bei ihrer Entscheidung, wann sie einen Sachverhalt abgeben, zu berücksichtigen. Daneben entsteht ab diesem Moment auch für die Kontrollinstanzen eine veränderte Situation, da eine Kontrolle der dritten Gewalt durch die genannten Kontrollinstanzen nicht in diesem Maße gewährleistet ist.

6. Parlamentarische Kontrolle Besonderes Gewicht kommt der Kontrolle der Dienste durch das Parlament zu. Die Kontrolle durch die Exekutive muß ein Gegengewicht finden. Das kann nur in der parlamentarischen Kontrolle liegen, da allein das Parlament in der Lage ist, eine von der Regierung unabhängige Kontrollinstanz zu bieten, sofern die gerichtliche Kontrolle sich als nicht effektiv erweist 137 . Das Parlament ist das Forum der Nation, von entscheidender Wichtigkeit ist die Öffentlichkeit, Art. 45 I 1 GG. Es steht grundsätzlich unter dem Postulat der Transparenz 138 . Abgeordnete sind Weisungen nicht unterworfen, Art. 38 I 133 Durch die organisatorische Trennung von Polizei und Diensten wird im Bereich der Informationsgewinnung z.B. dadurch eine Kontrolle erreicht, daß die Polizei eine Information, die sie nicht selber ermittelt hat, eher auf ihren Wahrheitsgehalt hin überprüfen wird. 136 Auch in den Bereichen, wo sich etwa Auslandsaufgaben des BKA und des BND überschneiden, wird zwar auf Kooperation Wert gelegt, jeder achtet jedoch auf seinen eigenen Aufgabenbereich. In den Auslandsvertretungen arbeiten die Mitarbeiter des BND weitgehend losgelöst von der restlichen Behörde. 137

Dies entspricht auch der Auffassung des BVerfG, das den Ausschluß des Rechtsweges gegen Abhörmaßnahmen nach dem G10 als verfassungsmäßig erachtete, da hier eine parlamentarische Kontrolle an die Stelle der gerichtlichen trat, BVerfGE 30, 1 und BVerfG NJW 85, 121, 122, 125 aE. Ob man dies mit dem BVerfG als „Ersatz" oder nur als eine Kompensation ansieht, so Arndt, Das Gl 0-Verfahren, S. 61, hat nur marginale Bedeutung. 138

Jahn/Engels; Rn. 1.

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Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

GG. Die Geheimschutzordnung des Bundestages (GSOBT 1 3 9 ) normiert keine Pflicht zur strikten Verschwiegenheit und sieht auch keine parlamentarischen Konsequenzen vor 1 4 0 . Sie hat sich in der Praxis als wenig effektiv erwiesen. Auch stößt die Weitergabe hochgeheimer Informationen an das gesamte Plenum des Bundestages, in der 13. Legislaturperiode 672 Abgeordnete 141 , auf Bedenken 142 . Im Bereich der Kontrolle der Dienste muß also eine Kontrolle stattfinden, die über grundsätzliche Kontrolltätigkeit des Parlamentes nach Art. 65 GG hinausgeht. Somit waren Kontrollmechanismen innerhalb des Bundestages zu entwickeln 143 . Das Resolutionsrecht, also das Recht des Parlamentes rechtlich nicht bindende Beschlüsse zu fassen, wird als Kontrollrecht angesehen144. Es gehört zu den allgemeinen Kontrollrechten der Abgeordneten im Plenum. Im einzelnen ist das Resolutionsrecht des Bundestages, solche Beschlüsse fassen zu können umstritten, im Ergebnis aber anzuerkennen. Eine effektive Kontrolle kann hierdurch nicht erreicht werden. Durch das Resolutionsrecht kann lediglich der öffentliche Druck auf die Regierung und die Dienste verstärkt werden. Innerhalb des Verfassunsgefüges und mehr noch innerhalb der parlamentarischen Wirklichkeit stehen dem Bundestag und den Abgeordneten sehr viel effektivere Rechte zu. Das Resolutionsrecht stellt sich lediglich als parlamentarisches Mittel zur Kontrolle dar, nicht aber vermag es eine Kontrolle zu gewährleisten. Hierbei ist zu untersuchen, welche Kontrollmechanismen prinzipiell im Bundestag vorhanden sind, danach, welche speziell für die Nachrichtendienste geschaffen wurden.

139

BGBl. 1 1975, S. 992.

140

Jahn/Engels, Rn. 22.

141

Das gleiche Problem stellt sich auch bei einem sehr viel kleineren Plenum, da erfahrungsgemäß Indiskretionen mit dem Kreis der Informierten ansteigen. Im übrigen legen auch die LfV in den Ländern, in denen das Parlament nur aus einer relativ kleinen Anzahl von Abgeordneten besteht, diesen gegenüber nicht alle Informationen offen. 142

So auch Roewer, S. 190; Borgs-Maciejewski, Parlament und Nachrichtendienste,

S. 13. 143

Gescheitert ist der Gesetzentwurf zur Schaffung eines besonderen Ausschusses durch Änderung des Art. 45 a GG, BT Drucksache V/4208 und V/4445. Dieser sollte die Rechte eines ständigen Untersuchungsausschusses haben. Die erforderliche ZweiDrittel-Mehrheit wurde jedoch nicht erreicht. Das Parlamentarische Vertrauensmännergremium (PVMG) wurde durch Schaffung der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) abgelöst, s. dort. 144

Zuletzt Nodi, S. 31 ff; 85 ff. Seine Ausführungen lassen sich auf die Bundesrepublik Deutschland durchaus übertragen.

IV. Die bestehenden Kontrollen a) Haushalts-, Innen- und Verteidigungsausschuß

1 145

Der Bundestag richtet Ausschüsse mit verschiedenen Geschäftsbereichen ein. Verfassungsrechtlich geboten ist die Einrichtung eines Ausschusses für die Verteidigung; es entspricht ständiger parlamentarischer Übung, einen Ausschuß für Inneres einzurichten. Zweck der Ausschüsse ist es, für den Bundestag die Materie des jeweiligen Geschäftsbereiches aufzubereiten. Somit zählen die Ausschüsse es zu ihrer Aufgabe, die ihrem Geschäftsbereich entsprechenden Ministerien zu kontrollieren. Dementsprechend richtet der Innenausschuß ein besonderes Augenmerk auf den Verfassungsschutz, der Verteidigungsausschuß auf den MAD. Für den Bereich des BND fehlt die Zuständigkeit eines entsprechenden Ausschusses, da für den Bereich des Bundeskanzlers kein Parlamentsausschuß bestellt wird. Der Haushaltsausschuß ist grundsätzlich zuständig für die Wirtschaftspläne der drei Dienste 146 . Ausschüsse müssen nicht öffentlich tagen, ihre Sitzungen können ganz oder teilweise für geheim erklärt werden 147 . Der Verteidigungsausschuß ist ein geschlossener Ausschuß nach § 69 I I GeschOBt. Trotzdem erweist sich selbst hier eine Geheimhaltung als in der Praxis nicht durchführbar 148 . Weiterhin bleibt die relativ große Anzahl der Ausschußmitglieder zu bedenken 149 , die regelmäßig um eine große Zahl von Beamten der Regierung und des Bundesrates erhöht wird 1 5 0 . Außerdem wirkt erschwerend, daß die Bundesregierung aus den oben genannten Gründen wenig Kooperationsbereitschaft zeigt, geheime Vorgänge diesen Ausschüssen gegenüber offenzulegen. Aufgrund des Gewaltenteilungsprinzipes besteht ein „Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung" 1 5 1 , der durch die Legislative nicht ausforschbar ist. Insofern kann kein Ausschuß die Bundesregierung zwingen, rückhaltlos alle Informationen zu offenbaren. Somit beschränkt sich die Kontrolle durch die Ausschüsse auf die

145

Grundlegend zu Parlamentsausschüssen Frost, AöR 95, S. 35 ff und Simons, Das parlamentarische Untersuchungsrecht im Bundesstaat, 1991. 146

Nach Neufassung des PKKG kann sich auch die PKK mit ihnen beschäftigen, siehe Seite 153. Die PKK läßt die Rechte des Bundestages und seiner Ausschüsse unberührt, tritt also nur neben sie. 147

Es ergibt sich somit eine dreifache Einteilung: Öffentlich - Nichtöffentlich - Ge-

heim. 148

Roewer, S. 190 mit einigen Beispielsfallen.

149

Der Innenausschuß besteht in der 13. Legislaturperiode aus 33 Mitgliedern.

150

Diese haben ein Anwesenheitsrecht, Art. 43 Π GG.

131

So das BVerfG, BVerfGE 67, 100. Inwieweit ein solcher Bereich in der heutigen Parteiendemokratie wirklich besteht, ist zweifelhaft.

1

Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

Bitte an die Bundesregierung um einen Bericht über die nachrichtendienstlichen Vorgänge auf dem entsprechenden Gebiet 152 . Der Haushaltsausschuß bereitet die Aufstellung des Haushaltsplans vor. Für den Bereich der Nachrichtendienste werden keine detaillierten Aufstellungen angegeben, sondern es wird lediglich das Budget bereitgestellt 153 . Das Budgetrecht des Parlamentes wird nicht durch den Haushaltsausschuß gewahrt, sondern durch das Gremium nach § 10 a BHO. Besondere Rechte in bezug auf die Dienste stehen dem Haushaltsausschuß somit nicht zu. Hieraus wird deutlich, daß die Ausschüsse keine wirksame Kontrolle ausführen können. Aufgrund ihrer Größe und der in der Praxis kaum zu garantierenden Geheimhaltung stehen ihnen nur allgemeine Informationen zur Verfügung. Weiterhin steht einer effektiven Kontrolle entgegen, daß kein Ausschuß alleine zuständig ist, mehrere Ausschüsse teilen sich diese Aufgabe 154 .

b) Vertrauensgremium

nach § 10 a BHO

Dem Plenum steht das Budgetrecht zu, mit dem es die Haushaltsführung der Exekutive kontrolliert. Eine genaue Aufstellung des Budgets der Dienste erfolgt jedoch nicht, um keine Rückschlüsse auf Struktur und Arbeitsweise zuzulassen. Grundsätzlich obliegt die genaue Kontrolle des Budgets der Dienste dem Präsidenten des Bundesrechnungshofes 155. Um eine parlamentarische Kontrolle auch dieses Bereiches sicherzustellen, wurde erstmalig in § 4 IX Haushaltsgesetz 1984 156 ein Gremium aus fünf Abgeordneten eingerichtet, das die Wirtschaftspläne prüfen und genehmigen soll. Die Abgeordneten gehören dem Haushaltsausschuß an. Bis dahin oblag diese Aufgabe einem kleinen Unterausschuß des Haushaltsausschusses. Dieses Gremium ist durch Gesetz vom 6.8.1986 157 fest in der Bundeshaushaltsordnung verankert. Mitglied des Vertrauensgremiums nach § 10 a I I BHO wird, wer die Mehrheit der Stimmen des Bundestages auf sich vereinigt, ein Anspruch auf einen Sitz in diesem Gremi-

152

So erhält etwa der Innenausschuß den jährlichen Verfassungsschutzbericht des BMI, vgl. weiterführend Gusy, NVwZ 86, 6ff. 133

Für das BfV in Kapitel 0609 Titel 54101; BND in Kapitel 0404 Titel 54101 und MAD in Kapitel 1401 Titel 53505. 154

I.E. auch Schwagerl, Verfassungsschutz, S. 289.

133

Siehe S. 177.

136

BGBl. 1 1983, S. 1516.

137

Drittes Gesetz zur Änderung des Bundeshaushaltsordnung, BGBl. 1 1986, 1275.

IV. Die bestehenden Kontrollen

1

um steht einer im Bundestag vertretenen Gruppierung nicht zu 1 5 8 . Die Mitglieder, bisher fünf, sind zur strikten Geheimhaltung verpflichtet. Der Haushaltsausschuß selber erfährt nur die Endsummen der einzelnen Rechnungsposten. Die Prüfung bezieht sich ausdrücklich auf die Bewilligung von Wirtschafitsplänen, nicht auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle der Dienste insgesamt. Zwar können unter Umständen von bestimmten Rechnungsposten Rückschlüsse auf Aktivitäten gezogen werden, eine Rechtmäßigkeitskontrolle konkreter Sachverhalte steht dem Vertrauensgremium nicht zu. Es handelt sich also lediglich um eine Budgetkontrolle, nicht um eine Kontrolle der Tätigkeiten der Dienste selber. Der Etatbedarf der Dienste ergibt sich aus den Anforderungen an sie, aus ihren Aufgaben und dem anfallenden Arbeitsaufwand. Diese Informationen hingegen ergeben sich aus den Berichten der Dienste selber. Die Budgetkontrolle ist also eine sehr eingeschränkte, die eine Kontrolle der Dienste nicht garantieren kann.

c) Untersuchungsausschüsse Dem Bundestag steht das verfassungsmäßige Recht zu, zu jedem Vorgang, der in den Kompetenzbereich des Bundes fallt 1 5 9 , einen Untersuchungsausschuß gemäß Art. 44 GG einzusetzen160. Dieses Recht ist als Minderheitenrecht ausgestaltet, auf Antrag eines Viertels der Mitglieder besteht die Verpflichtung der Einsetzung 161 . In der Praxis werden in erster Linie Untersuchungsausschüsse zur Aufklärung von Mißständen, die sogenannten Miß-

138

Siehe die umstrittene Entscheidung des BVerfGE NJW 86, 907 ff, zustimmend Schmidt, DöV 86, 236 ff, ablehnend Hohm, NJW 85, 408. Vgl. dazu die Parallelproblematik bei der PKK, vgl. S. 150. 139

Korollartheorie; dieser Begriff geht zurück auf Erich Zweig, Parlamentarische Enquete, Zeitschrift für Politik, Band VI, 1913; absolut herrschende Ansicht in Literatur und Rechtsprechung, der auch die ständige Staatspraxis folgt, eine Ausnahme stellt der UA „Nachrichtendienste" der 5. Wahlperiode dar, der sich auch mit der Organisation und Ausstattung von Länderbehörden befaßte. Die Theorie von der Generalkontrollkompetenz ist seit Lewald, AöR 44, 269, 293 nur noch vereinzelt vertreten worden, so etwa von Fraenkel ZfP 54, 129. 160

Grundlegend zu Untersuchungsausschüssen Schleich, Das parlamentarische Untersuchungsrecht des Bundestages, 1985. 161

Dies ist in einer parlamentarischen Demokratie keineswegs selbstverständlich. Österreich kennt, trotz seiner fast identischen Verfassungslage, das Untersuchungsrecht nur als Mehrheitsrecht. Nodi, S. 30 ff, weist aber daraufhin, daß eine parlamentarische Minderheit mit Hilfe der öffentlichen Meinung häufig genug Druck ausüben kann, damit ein entsprechender Mehrheitsbeschluß erfolgt.

1

Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

standsenquêten, eingerichtet 162 . Untersuchungsausschüsse auf dem Gebiet der Verteidigung sind unzulässig, Art. 45 a I I I GG. Jedoch muß der Verteidigungsausschuß auf Antrag eines Viertels seiner Mitglieder eine Angelegenheit zum Gegenstand einer Untersuchung machen. Ihm stehen dann die Rechte eines Untersuchungsausschusses zu, Art. 45 a I I GG. Den Untersuchungsausschüssen steht die Kompetenz zur Beweiserhebung zu, dabei gelten die Vorschriften der StPO entsprechend. Bisher befaßten sich einige Untersuchungsausschüsse mit den Diensten, zuletzt 1995 mit der sogenannten „ P l u t o n i u m - Affäre" 163 . Die Kontrolle, die durch die Untersuchungsausschüsse erreicht wird, wird unterschiedlich bewertet. Sie reicht von „geeignet" 164 über „skeptisch" 165 bis „wenig oder gar nicht geeignet" 166 . Für eine Bewertung ist zum einen die Motivation zu beachten, aus der heraus ein Untersuchungsausschuß eingerichtet wird, zum anderen ist zu fragen, ob er über ausreichende Kompetenzen verfügt. Jeder Untersuchungsausschuß erstellt nach Abschluß seiner Tätigkeit einen Bericht, der veröffentlicht wird. Lediglich bei einzelnen Beweiserhebungen kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden, Art. 441 2 GG. Dies wird beim Gang des Verfahrens der Untersuchungsausschüsse beachtet. Beamte bedürfen der Aussagegenehmigung durch ihren Dienstherrn. Diese kann versagt werden. Herrschte noch Streit darüber, ob eine Aussagegenehmigung durch den Untersuchungsausschuß erzwungen werden konnte 167 , dürfte dieser Streit für die Praxis spätestens seit dem „Flick-Urteil" des Bundesverfassungsgerichtes 168 ausgestanden sein. Hier wurde festgestellt, daß es einen durch die Legislative

162 Jarass/Pieroth, Art. 44 Rn. 1; Entschlüsse und politische Entscheidungen werden idR durch Enquête-Kommissionen nach § 56 GOBT vorbereitet, die das Parlament als Hilfsorgan bei der Aufbereitung von komplexen Sachthemen einsetzen kann. Diese haben, eingeführt durch die „kleine Parlamentsreform" 1969, insoweit die UA in ihrer Rolle als Untersuchungs-Enquête faktisch verdrängt. 163 BT-Drucksache 10/6584; weiterhin bestanden UA in Bezug auf die Dienste in früheren Wahlperioden: BT-Drucksachen Π/3728; IV/2170; IV/3469; V/4028 (an diesen Schloß sich der bekannte „Hirsch-Bericht" an); VII/3246; VII/1803; Vm/3835; Vm/2290 bzw. Vm/2350 (Verteidigungsausschuß); IX/853; X/1604 (Verteidigungsauschuß), X/6584. 164

Roewer, S. 193; auch die Bundesregierung kommt zu dieser Einschätzung, BTDrucksache V/148. 163

Ritter, S.127.

166

Schwagerl, Verfassungsschutz, S. 295.

167

So Keßler, S. 323 mit Verweis auf die Kompetenzen des Bundesverfassungsgerichtes. 168

BVerfGE 67, 100.

IV. Die bestehenden Kontrollen

19

nicht ausforschbaren Bereich „exekutivischer Eigenverantwortung" gibt 1 6 9 . Ein solcher kann nicht existieren, wenn ein Untersuchungsausschuß jede Aussage eines Beamten erzwingen kann. Die Staatspraxis ging hingegen schon immer davon aus, daß die gesetzlichen Vorgaben zur Aussagegenehmigung Anwendung finden 170. Nach diesem Urteil findet somit auch § 96 StPO analoge Anwendung auf das Verfahren vor den Untersuchungsausschüssen. Nach dem „Flick-Urteil" ist eine Berufung der Dienste auf Sicherheitsinteressen nur noch sehr eingeschränkt möglich 1 7 1 . Eine Verweigerung der Aussagegenehmigung bedarf einer substantiierten Begründung ebenso wie die Ablehnung eines Amtshilfeersuchens im Rahmen des Art. 44 I I I GG 1 7 2 . Insofern kann schon allein aus der Kompetenz der Untersuchungsausschüsse eine rückhaltlose Aufklärung nur mit der Kooperation der Bundesregierung erfolgen. Hier darf aber der öffentliche Druck nicht unterschätzt werden, wenn durch die Bundesregierung in großem Maßstab Aussagegenehmigungen nicht erteilt werden. Auch zeigt die Praxis, daß eine Kooperationsbereitschaft seitens der Bundesregierung besteht, die um so größer ist, je weiter bei der konkreten Beweisaufnahme die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist. BND-Präsident Wessel äußerte starke Bedenken gegenüber der Arbeit des Guillaume-Ausschusses aufgrund seiner Öffentlichkeitsfunktion: „Für den östlichen Nachrichtendienst ist die öffentliche Bloßstellung und Zerfleischung der deutschen Dienste eingetreten, dessen unschätzbarer Wert sich noch weit in die Zukunft auswirken wird" 1 7 3 . Eine solche Auswirkung läßt sich allerdings nicht feststellen. Weiterhin ist das Ziel, das ein Untersuchungsausschuß verfolgt, mit in die Überlegungen einzubeziehen. Das Untersuchungsrecht ist ein Minderheitenrecht, mit dem gerade die Opposition ihre Rechte wahren kann. Aber ein Untersuchungsausschuß ist ein geeignetes Instrument, mit dem Mißstände oder auch nur vermeintliche Mißstände in das Licht der Öffentlichkeit gebracht und im Bewußtsein gehalten werden können. Die Untersuchungsausschüsse stehen somit im Spannungsfeld zwischen einer rückhaltlosen Wahrheitsfindung und der Weiterfiihrung des parlamentarischen Kampfes mit strafprozessualen Mit-

169

So schon Scholz AöR 80, 564. Weiterhin v. Mangoldt/Klein Art. 20 Anm. V 5 b, S. 599; Meyn, S. 216; Stern Π S. 541f. 170 Kipke, S. 65. Während der Weimarer Republik sollte nur § 54 StPO, nicht jedoch § 96 StPO anwendbar sein, Schleich, S. 68 mwN. Nach BVerfGE 67, 100, 116 ist § 96 StPO im Verhältnis UA / Regierung überhaupt nicht anwendbar. 171 BVerfGE 67, 100, Leitsatz 3c: „Nur unter ganz besonderen Umständen können sich Gründe finden lassen, dem Untersuchungsausschuß Akten unter Berufung auf das Wohl des Bundes oder eines Landes vorzuenthalten". 172

Vgl. zu Einzelheiten Schleich, S. 72 ff, Thierne, S. 129 - 172.

173

Roewer, S. 194.

10 Hirsch

10

Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

teln 1 7 4 . Hier stellt sich ein Problem, das seit Anfang der zwanziger Jahre immer wieder Gegenstand von Reformdiskussionen war, nämlich der Reform der Untersuchungsausschüsse17 5 . In der jüngsten Entwicklung zeigt sich, daß Skandalenquêten immer mehr in den Vordergrund treten. Bei den Skandalenquêten steht die Wahrheitsfindung als solche - das eigentliche Ziel eines Untersuchungsausschusses - häufig nicht mehr im Vordergrund. Die Opposition kann ihn dazu benutzen, Skandale im Bewußtsein der Öffentlichkeit zu halten. Ein justizförmiges Verfahren wird dann nötig, wenn nichtstaatliche Aktivitäten auch Gegenstand des Untersuchungsausschusses sind. Der Bürger, dessen Verhalten in den Blickpunkt eines Untersuchungsausschusses gerät, befindet sich nicht in einem ähnlich ausführlich normierten Verfahren wie vor Gericht. Solche aus rechtsstaatlichen Erwägungen notwendige Verfahrensgrundsätze gehen zu Lasten der parlamentarischen Transparenz und der Öffentlichkeit, tragen aber zur Wahrheitsfindung bei. Dabei darf aber nicht übersehen werden, daß handfeste Ergebnisse erzielt worden sind und Mißstände aufgedeckt wurden. Weiterhin führt die öffentliche Diskussion, wie sie durch die Einsetzung erreicht wird, zu einer Disziplinierung der Dienste. Hierzu trägt nicht zuletzt der große Arbeitsaufwand bei, den ein Untersuchungsausschuß für den betroffenen Dienst darstellt, der sich kontraproduktiv zur Aufgabenerfüllung des Dienstes verhält. Somit sind Untersuchungsausschüsse als alleiniges Kontrollmittel unzureichend. In der Regel wird die objektive Wahrheitsfindung durch politische Zielsetzungen verwässert. Daneben schleppen sich Untersuchungsausschüsse über Monate hin, ohne daß immer greifbare Ergebnisse erzielt werden. Ihr Ziel, Mißstände aufzudecken, wird nur im Nachhinein erreicht. Dieses ist im Bereich der Nachrichtendienste nicht immer rückhaltlos möglich, nämlich dann nicht, wenn wichtigen Zeugen unter Berufung auf Sicherheitsinteressen die Aussagegenehmigung nicht erteilt wird. Ein Untersuchungsausschuß des Parlamentes wird sich auch nur dann etablieren, wenn der Verdacht auf einen gravierenden Mißstand vorliegt. Einzelfälle von geringerem öffentlichen Interesse können nicht zu einem Untersuchungsgegenstand gemacht werden. Zum einen würde sich das Instrument des Untersuchungsausschusses abschleifen, da die Öffentlichkeit immer weniger Anteil nähme, zum anderen bestünde die Gefahr, in einer Unmenge von Untersuchungsausschüssen zu ersticken. Auch in der Kombination mit den allgemeinen parlamentarischen Kontrollmitteln wie Aktueller Stunde oder einer Befragung im Innenausschuß führen die Untersuchungsausschüsse nicht zu einer umfassenden Kontrolle. Dazu wäre notwendig, daß auch Vorgänge, die nicht so gravierend sind, daß ein 174

BT-Drucksache VI/3829.

175

Vgl. dazu Engels, Untersuchungsausschüsse, S. 181.

IV. Die bestehenden Kontrollen

11

Untersuchungsausschuß eingesetzt werden sollte, einer parlamentarischen Kontrolle zugänglich ist. Dies aber können die allgemeinen Kontrollmittel nicht gewährleisten 176 . Allerdings bieten sie eine wichtige Ergänzung im System der Kontrollmöglichkeiten. Sie stellen eine Einrichtung dar, die aufgrund ihrer tatsächlichen Einflußmöglichkeiten sehr zu einer nachträglichen Kontrolle beitragen kann. Von entscheidender Wichtigkeit ist die Handhabung in der Praxis.

d) Petitionsausschuß Den Bundestag trifft die verfassungsmäßige Pflicht, einen Petitionsausschuß einzurichten, Art. 17 GG. Jedermann kann sich an ihn wenden, um dem Parlament oder einer sonst zuständigen Stelle einen Sachverhalt vorzutragen. Dabei steht ihm lediglich ein Anspruch zu, die Art der Erledigung sowie eine knappe Begründung zu erfahren 177 . Dem Petitionsausschuß kommen besondere Rechte zu 1 7 8 . Er ist berechtigt von der Bundesexekutive Akten und Auskunft sowie den Zutritt zu ihren Räumen zu verlangen. Damit stehen ihm Kontrollrechte zu, die weit über das allgemeine Kontrollrecht des Bundestages hinausgehen. Problematisch sind diese Befugnisse im Hinblick auf das Gewaltenteilungsprinzip. Allerdings hat der Petitionsauschuß durch die Erwähnung in Art. 17 GG Verfassungsrang. Weiterhin ist der Petitionsausschuß seiner Zielsetzung nach nicht zur Kontrolle der Exekutive berufen, sondern soll vielmehr dem Bürger helfend zur Seite stehen. Gegenüber den Diensten kommen dem Petitionsausschuß zwar auch die genannten Rechte zu, werden aber durch § 3 G45c weitgehend eingeschränkt. Geheimhaltungsgründe im Sinne des § 3 I G45c sind als solche zu verstehen, nach denen ein Vorgang gegenüber dem Bürger ebenfalls geheimgehalten werden könnte. Die Begründungspflicht aus § 3 I I G45c kann keine weitergehende sein als etwa die aus § 99 VwGO. Es wäre in sich widersinnig, könnte ein Gericht mit einer weniger weitgehenden Begründung versehen werden als der Petitionsausschuß, der nur der allgemeinen Geheimhaltung des Bundestages unterliegt. Seiner Zielsetzung nach soll er gerade seine Erkenntnisse dem Bürger mitteilen. In den Bereichen der Dienste ist der Petitionsausschuß auf die 176

Siehe dazu ausführlich S. 142 ff.

177

Jarras/Pieroth, Art. 17 Rn. 5 mwN. Die Rechtsprechung verzichtet auf das Erfordernis der Begründung, BVerfGE 2, 225, 230; BVerwGE 91, 936. 178

Gesetz über die Befugnisse des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestages (Gesetz nach Artikel 45 c des Grundgesetzes) vom 19. 7. 1975, BGBl. 1975 I, S. 1921.

1

Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

Kooperation der zuständigen Stellen angewiesen. Der Petitionsausschuß ist seiner Konzeption nach kein Kontrollorgan und kann es nicht sein. Er ist ein geeignetes Instrument, Sachverhalte zur Kenntnis der Parlamentarier zu bringen.

e) Informationsrechte

von Abgeordneten

Dem einzelnen Abgeordneten stehen verfassungsrechtlich garantierte Minimalrechte zu, die ihm nicht genommen werden können. Diese sind verfassungsrechtlich durch Art. 38 GG garantiert 179 . Hierzu gehören das Rederecht, das Stimmrecht, das Recht auf parlamentarische Initiativen, zum Fraktionszusammenschluß sowie das hier wichtige Frage- und Informationsrecht 180 . Als Informationsmöglichkeiten stehen dem Abgeordneten die Kleine 1 8 1 bzw. Große 182 Anfrage, die kurze mündliche Anfrage 183 , die Beantragung einer ak-

179

Der Kem dieser Rechte ist garantiert, eine nähere Ausgestaltung kann durch die GeschOBT vorgenommen werden. Dies ist sogar im Interesse einer effektiven Arbeit der Volksvertretung verfassungsrechtlich geboten. Bei Abgeordneten, die sich zu Fraktionen zusammengeschlossen haben, können diese Rechte teilweise von der Fraktion wahrgenommen werden, so wohl BVerfG NJW 90, 373, 374f. Im einzelnen rankt sich um die Rechte des Abgeordneten ein Streit, der Gegenstand einer unübersehbaren Fülle von Literatur geworden ist; vgl. nur Hamm-Brücher, Der freie Volksvertreter - eine Legende, 1990; dies., Abgeordneter und Fraktion, in: Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989; Badura, Die Stellung des Abgeordneten nach dem Grundgesetz und den Abgeordnetengesetzen in Bund und Ländern, in Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, 1989, 489; EH. Klein, Status des Abgeordneten, HbStR Π, 1987, 367; Abmeier, Die parlamentarischen Befugnisse des Abgeordneten des Deutschen Bundestages nach dem Grundgesetz, 1984; alle mwN, sowie die einschlägige Kommentarliteratur und die Schriftumshinweise bei Stem, Staatsrecht I, vor § 24. 180

Vgl. hierzu nur BVerfGE 13, 123, 125; 57, 1, 5; 67, 100, 129; 70, 324, 355, für die Verpflichtung der Bundesregierung „den Abgeordneten die zur Ausübung ihres Amtes notwendigen Informationen zu verschaffen". 181

Nur im schriftlichen Verfahren, d.h. Frage und Antwort als BT-Drucksache, Datenhandbuch S. 939. Vgl. § 104 GeschOBT. 182

Über die Antwort der BReg ist eine Aussprache zulässig, während der auch Entschliessunganträge gestellt werden können, Datenhandbuch, S. 939. Vgl. § 101 GeschOBT. Da die große Anfrage sich in der Regel auf Grundsatzfragen der Politik bezieht, ist eine Einzelfallkontrolle hierdurch nicht zu erreichen, wohl aber kann eine allgemeine Tendenz aufgezeigt und gewürdigt werden. 183

Vgl. § 105 GeschOBT. Hiemach kann jeder Abgeordnete bis zu zwei Anfragen während der Fragestunde einer Sitzungswoche stellen. Die Beantwortung erfolgt entweder mündlich oder schriftlich.

IV. Die bestehenden Kontrollen

1

tuellen Stunde 184 oder eine Fragestunde 185 oder ein isoliertes Akteneinsichtsrecht zu. Teilweise stehen diese Rechte dem einzelnen zu, teilweise bedarf der Antrag einer Anzahl von Abgeordneten, meistens in Fraktionsstärke. Bei dieser Art von Kontrolle tauchen parallele Probleme auf, wie sie bei den Untersuchungsausschüssen schon erörtert wurden. Erkennt die Praxis einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung an, der durch die Legislative nicht ausgeforscht werden kann, so gilt dies auch gegenüber einzelnen oder Gruppen von Abgeordneten. Da die Antworten auf Anfragen oder die Fragestunden der Öffentlichkeit zugänglich sind, werden Geheimschutzregeln viel eher Platz greifen als im rechtlich geregelten Verfahren der Untersuchungsausschüsse. Weiterhin stellt sich die Frage nach der Reichweite des Interpellationsrechts. Vereinzelte Stimmen möchten es auf abgeschlossene Vorgänge beschränken 186 , die allgemeine Auffassung und die Staatspraxis folgt dem indes nicht 1 8 7 . Der Abgeordnete muß sich im Rahmen seiner Befugnisse auch ein Bild über laufende Vorgänge machen können, möchte er sich vergewissern, ob sich das voraussichtliche Verhalten der Regierung mit einer bestimmten Grundrichtung vereinbaren läßt. Vielfach wird die Ansicht vertreten, daß eine Antwortpflicht für die Bundesregierung nicht bestehe 188 , da das Informationsrecht nur in der Geschäftsordnung gewährleistet werde, die die Bundesregierung nicht binde. Es gehört aber zu den verfassungsrechtlich gewährleisteten Minimalrechten, die durch die Geschäftsordnung nur näher ausgestaltet werden 189 . Eine grundsätzliche Weigerung der Regierung auf Anfragen zu antworten, würde dieses Recht unterlaufen, wäre also verfassungswidrig 190. Eine Antwort kann nur abgelehnt werden, wenn höherrangige Interessen sonst verletzt wären. In der Praxis kann aufgrund des hohen verfassungsmäßigen Wertes der Stellung eines Abgeordneten wohl nur das Leben eines Dritten oder das allgemeine Staatswohl als Ablehnungsgrund in Betracht kommen und wenn die Information des Parlamentes in sonstiger Weise sichergestellt ist 1 9 1 .

184

Vgl. § 106 GeschOBT und Anlage V der GeschOBT.

183

Vgl. Anlage IV der GeschOBT.

186

Etwa Sauer, S. 59.

187

Trossmann, § 111 Rn. 8 mwN.

188

Würtenberger, S. 313, Thieme, S. 63.

189

BVerfG NJW 90, 373 f.

190

In der Praxis aufgrund des Drucks der öffentlichen Meinung außerdem nicht durchführbar. 191

Wenn Würtenberger, aaO, bemängelt, die Regierung werde nur ihr günstige Informationen preisgeben, so ist dem entgegenzuhalten, daß es sich bei dem Informationsrecht um ein umfassendes handelt, bei dem die Regierung an die Wahrheit gebunden ist.

1

Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

Hinzu kommen praktische Probleme des Parteienstaates. Die „traditionellen Waffen parlamentarischer Kontrolle" 1 9 2 werden tatsächlich in erster Linie von der Opposition eingesetzt, kaum noch von den die Regierung tragenden Parteien 1 9 3 . Hierzu trägt ein in der Realität gewandeltes Verständnis der Gewaltenteilung bei. Sahen die Autoren des Grundgesetzes noch den Antagonismus zwischen Regierung und Parlament im Anschluß an die Gewaltenteilungslehre Montesquieus, so wird man in der Praxis von dem Gegensatz zwischen Regierungsparteien und Opposition auszugehen haben 194 . Eine solche Verschränkung muß aber nicht gleichbedeutend mit einem faktischen Leerlaufen jedweder Kontrolle sein. Vielmehr bleibt zu beachten, daß die „klassischen Waffen" den Abgeordneten, auch denen der Regierungsfiraktionen, zustehen. Diese sind alle als Minderheitenrechte ausgestaltet, können also von der Opposition auch gegen den Willen der Parlamentsmehrheit eingesetzt werden. Daneben treten gerade durch die Gewaltenverschränkung weitere Möglichkeiten, die sehr effektiv sein können. Nicht zu unterschätzen ist die „fraktionsinterne" Kontrolle durch die Regierungsfraktionen 195. Diese kann sich als ein Vielfaches wirksamer erweisen, da durch die Fraktionsmitglieder, die zugleich ein Regierungsamt bekleiden, innerhalb der eigenen Fraktion eher Informationen preisgegeben werden. Ein isoliertes unbeschränktes Akteneinsichtsrecht von Abgeordneten besteht auf Bundesebene nicht 1 9 6 . Zwar normiert § 16 I GeschOBT ein Akteneinsichtsrecht für die Mitglieder des Bundestages bezüglich aller Akten, die sich in der Verwahrung des Bundestages oder eines seiner Ausschüsse befinden. Dies bezieht sich grundsätzlich auf Akten, die im Rahmen der Arbeit des Bundestages anfallen, nicht aber für Akten anderer Behörden 197 . 192

Friesenhahn, Kontrolle der Dienste, S. 96.

193

In der 9. WP brachten die CDU/CSU als Oppositionsparteien 75 % aller großen Anfragen ein, seit der Wende keine mehr alleine, wenige zusammen mit der F.D.P. (nicht mehr als 15 %). Bei den kleinen Anfragen sank die Anzahl von 232 in der 9. WP auf 0 in der 10. WP und eine in der 11. WP., Datenhandbuch, S. 940, 941. Bei den aktuellen Stunden ist ein ähnlicher Trend zu erkennen, der jedoch weniger auffallig ist, da seit der 10. WP die Anzahl der aktuellen Stunden insgesamt sprunghaft gestiegen ist, Datenhandbuch, S. 963. 194

Vgl. dazu ausführlich Thieme, § 5 S. 25 ff, Insbesondere S. 32 ff. Weiterhin auch Herzog in Maunz/Dürig/Herzog/Scholz Art. 20 Rn. 28f; Gehrig S. 228 f; Jarass, S. 79 ff alle mwN. Auf die Reformvorschläge kann hier nicht eingegangen werden. 193

Busch, S. 22.

196

Ekkertz-Höfer, S. 369; Badura, Abgeordneter, S. 502.

197

Troßmann, § 21 Rn. 2; 5ff. Auch die Akten der Bundestagsverwaltung, die sich nicht auf den parlamentarischen Bereich beziehen, sind von diesem Recht schon nicht mehr eifaßt. Akten von UA hingegen stehen gemäß Art. 44 Π GG nur dem UA zur Verfügung. Diese werden somit auch nicht erfaßt.

IV. Die bestehenden Kontrollen

1

Als ein allein wirksames Kontrollorgan ist das Plenum trotzdem nicht anzusehen. Viel eher noch als gegenüber Untersuchungsausschüssen kann eine Auskunft unter Berufung auf Geheimschutzinteressen verweigert werden. Weiterhin bleibt zu bedenken, daß zum Tätigwerden der Abgeordneten ein Anlaß vorliegen muß, da keine Berichtspflicht der Dienste gegenüber dem gesamten Plenum besteht. Kein Abgeordneter wird regelmäßig bei der Bundesregierung anfragen, ob denn bei den Diensten immer noch alles nur rechtmäßig verläuft. In der Praxis wird eine Antwort auf Anfragen bezüglich der Dienste häufig abgelehnt mit der Begründung, daß dieses Thema innerhalb der Parlamentarischen Kontrollkommission behandelt wird.

J) Parlamentarische Kontrollkommission

(PKK)

Die Parlamentarische Kontrollkommission ist ein Gremium, das zur Kontrolle der Dienste geschaffen wurde. Seine gesetzliche Verankerung findet sie in dem Gesetz über parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes vom 11.4.1978 idF vom 27.5.1992 198 . Die PKK kontrolliert de lege lata nicht die Dienste, sondern die Bundesregierung „hinsichtlich der Tätigkeit" der Dienste, § 1 I PKKG 1 9 9 . Eine unmittelbare Kontrolle wäre zum einen aus dem Gewaltenteilungprinzip heraus nicht möglich, zum anderen würde es die gemäß § 3 PKKG unberührt bleibende politische Verantwortung der Bundesregierung illusorisch machen.

aa) Entstehungsgeschichte Bis Ende 1976 bestand das Parlamentarische Vertrauensmännergremium (PVMG). Dieses beruhte nicht auf einer gesetzlichen Grundlage, sondern auf einem Angebot des Bundeskanzlers Konrad Adenauer aus dem Jahre 1956. Es setzte sich aus den Fraktionsvorsitzenden und zwei weiteren von den Fraktionen 2 0 0 bestimmten Abgeordneten zusammen. Eine geregelte Tätigkeit war nicht gegeben, das Gremium trat vielmehr auf Einladung des Bundeskanzlers zusammen, bis zum Beginn der 7. Legislaturperiode unter Vorsitz eines Vertreters der Bundesregierung. Ein Selbstversammlungsrecht wurde erst unter dem Bundeskanzler Willy Brandt einge198

BGBl. 1978 I, S. 453 und BGBl. 19921, S. 997.

199

Diese Differenzierung wird im Bewußtsein der Öffentlichkeit nicht gemacht.

200

Nicht dem Parlament!!

1

Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

führt. Formelle Befugnisse standen dem PVMG nicht zu, es erhielt seine Informationen nur nach Ermessen der Bundesregierung, die somit bestimmte, welche Sachverhalte zur Erörterung kamen. Ursprünglich war nur der BND Gegenstand der Erörterungen durch das PVMG, ab 1964 auch M A D und BfV. Die Anzahl der Mitglieder wuchs um mehr als das Doppelte an. Seit Beginn der achten Legislaturperiode ist das PVGM nicht mehr zusammengetreten. Verschiedentlich wurde eine gesetzlich verankerte Kontrolle der Dienste gefordert, die diese Aufgabe effektiv wahrnehmen soll. Basierend auf dem „Hirsch-Bericht" 201 wurde ein solcher Gesetzesvorschlag zur Änderung des Art. 45 a GG eingebracht, 202 der kurz vor Ende der Legislaturperiode nicht die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit zur Änderung des Grundgesetzes fand. Es standen Argumente dergestalt entgegen, daß die Ministerverantwortlichkeit unterlaufen werde, die Regierung entlastet und das Parlament gebunden werde. Noch die Enquêtekommission „Verfassungsrecht" lehnte in ihrem Schlußbericht vom 9.12.1976 die Schaffung einer gesetzlich verankerten Kontrollkommission ab 2 0 3 , forderte aber gleichzeitig den Ausbau der Rechte der Untersuchungsausschüsse. Argumente dagegen wurden aus dem Gewaltenteilungsprinzp gezogen, aber auch um die Effektivität der Dienste wurde gebangt. Insbesondere aber fehle den Mitgliedern eines Ausschusses die Rückbindung an ihre Fraktionen, da sie diesen aufgrund der Geheimhaltungsbedürftigkeit der Materie nicht rückhaltlos berichten können. Claus Arndt erinnerte in seinem Sondervotum zum Kommissionsbericht an den Vorschlag des „HirschBerichtes" 204 . Allgemein wurde das PVMG aber für die Kontrolle immer mehr als ungeeignet angesehen205. Am 11.4.1978 wurde die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) durch einfaches Bundesgesetz ins Leben gerufen. Das PKKG wurde am 27.4.1992 mit weitergehenden Rechten neugefaßt, nachdem

201

BT-Drucksache V/3442: „Der Ausschuß fordert daher, (...) b) daß das PVMG durch einen Ausschuß des Deutschen Bundestages für Angelegenheiten der Nachrichtendienste ersetzt wird." (S. 8). 202

BT-Drucksache V/4445.

203

BT-Drucksache VII/5924, S. 60. Ausfuhrlich Verfassungsreform 76, S. 143 ff.

204

BT-Drucksache VII/5924, S. 76f. Der Abg. Dr. Lenz Schloß sich diesem Votum an. Hiernach sollte aber kein Ausschuß, sondern ein Verfassungsorgan sui generis geschaffen werden. Hintergedanke war die Bestrebung, nicht allen Fraktionen einschließlich denen verfassungswidriger, aber nicht verbotener Parteien, einen Anspruch auf einen Sitz zu geben. Ebenso sollte das Zutritts- und Rederecht der Bundesregierung und des Bundesrates ausgeschlossen werden. 203

Vgl. nur Borgs-Maciejewski in Beilage B6/77, S. 12 mwN.

IV. Die bestehenden Kontrollen

1

erneute Kritik an der Wirksamkeit der Kontrolle durch die PKK laut geworden war 2 0 6 ; ein Mitglied war sogar ausgeschieden207.

bb) Rechtsnatur der Kontrollkommission Die PKK beruht auf einfachem Bundesrecht, läßt somit die verfassungsrechtlich garantierten Rechte des Bundestages und seiner Organe unberührt. An der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit eines solchen Gesetzes sind Zweifel laut geworden. Sieht man in der PKK ein neuartiges, vom Parlament unabhängiges Staatsorgan, so liegt es nahe, die verfassungsmäßige Verankerung zu fordern. Die einfach bundesgesetzliche Verankerung wäre nicht ausreichend 208 . Auch wird angezweifelt, ob ein nicht auf einem Verfassungsrechtssatz beruhendes Organ die Bundesregierung als oberstes Verfassungsorgan kontrollieren kann 2 0 9 . Durch das PKKG würden Verfassungsrechtssätze geschaffen, etwa die Delegation von Parlamentsaufgaben auf einzelne Abgeordnete oder der Fortbestand der PKK über die Legislaturperiode hinaus.

Diese Bedenken können im Ergebnis nicht durchgreifen. Die Begründung, die Kommission trete neben die bestehenden Organe, ändere verfassungsrechtlich in Wirklichkeit nichts, ist einleuchtend, aber verkürzend. Die PKK ist von Zielsetzung und Zusammensetzung ein besonderes Gremium 2 1 0 . Es ist kein Organ des Bundestages211. Hier käme nur die Figur eines Ausschusses, die vom Gesetzgeber abgelehnt wurde 212 , oder die einer Kom-

206

Siehe hierzu die Zeitungsberichte von G. Spoerl, in: DIE ΖΕΓΓ vom 2.2.1990, S. 12; H. Löhlhöffel, in: FR vom 27. 1. 1990, S. 5; auch die FAZ berichtete über eine ungenügende Wirksamkeit der Kontrolle durch die PKK am 8. 7. 1990. 207

Der Abg. Jahn schied 1990 aus. Sein Rücktrittsschreiben ist abgedruckt in Das Parlament, Nr. 7/90, S. 3. 208 Friesenhahn, Kontrolle der Dienste, S. 107; Evers, NJW 78, 1144, 1145, der seine Bedenken dagegen erhebt, daß es Sinn der PKK sei, die Kontrolle vom Bundestag auf die PKK zu verlagern. 209 Roewer, S. 178, 179. Weiterhin auch die Bedenken des Abg. Klein, Sten. Prot. Vom 9.3.1978, S. 6101. 210

Frisenhahn, Die Kontrolle der Dienste, S. 107 sieht in der PKK ein vom Parlament unabhängiges, neuartiges Staatsorgan. 211

Waechter, Jura 91, 521f, fuhrt als einzigen Vertreter dieser Meinung Roewer (S. 522) an, nachdem er dargelegt hat, daß dieser weder ein selbständiges Organ noch ein Unterorgan in der PKK sehe (S. 521 Fn. 25). 212

Vgl. Waechter, Jura 91, 522 mwN.

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Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

mission in Betracht 213 . Dagegen spricht zum einen, daß die PKK nicht an die Dauer der Legislaturperiode gebunden ist. Zwar kannte das Grundgesetz bis 1976 214 einen ständigen Ausschuß, der mit den Rechten eines Untersuchungsausschusses ausgestattet zwischen zwei Wahlperioden die Rechte des Bundestages gegenüber der Bundesregierung wahrte. Dieser war jedoch parlamentarisches Hilfsorgan für die parlamentslose Zeit, dem nur die Befugnisse zukam, Feststellungen zu treffen und Erklärungen abzugeben215. Der grundlegende Unterschied zur PKK besteht darin, daß die PKK zwischen den Wahlperioden tatsächlich öffentliche Gewalt ausübt und zwar in Erfüllung einer eigenen Aufgabe und nicht zur Wahrung der Rechte des kommenden Bundestages. Zum anderen sind die Mitglieder vom Bundestag gewählt. Die Zusammensetzung muß sich nicht als verkleinertes Spiegelbild des Plenums darstellen, keine Gruppierung hat Anspruch auf Mitgliedschaft 216 . Da es sich um eine parlamentarische Kontrolle handelt, ist die Mitgliedschaft an das Bundestagsmandat gebunden, § 4 I V 1 PKKG 2 1 7 . Die Kommission ist somit kein vom Parlament unabhängiges Gremium. Die Mitglieder sind als Abgeordnete jedoch nur ihrem Gewissen unterworfen, Art. 38 I 2 GG. Hier ist aber die deutlich schwächere Stellung zu beachten, da die Mitgliedschaft in der PKK mit Ausschluß aus der Fraktion ebenfalls endet, so daß die Fraktionen die Besetzung negativ bestimmen können. Durch das Selbstorganisationsrecht des Bundestages hingegen konnte die PKK nicht alleine legitimiert werden. Die Verbindlichkeit der GeschOBT endet mit der Legislaturperiode, somit würde die PKK in dieser Zeit ohne rechtliche Grundlage arbeiten. Zumindest war ein Gesetz notwendig 218 . Damit ist nicht notwendigerweise gesagt, daß die Handlungsform durch Gesetz zulässig

213

Einer Kommission ieS können typischerweise Nicht-Parlamentarier angehören, was bei der PKK nicht der Fall ist. 214

Vgl. 33. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 23.8.1976, BGBl. 1976 I, S.

2381. 215

v. Mangoldt/Klein, Art. 45 ΙΠ 2., 4. a., S. 952, 953.

216

Auch bei Ausschüssen wäre eine solche Regelung verfassungsrechtlich denkbar, BVerfGE 70, 324, 365 mit Sondervoten Böckenforde und Mahrenholz. 217

Eine interessante Situation entsteht, wenn ein Mitglied der PKK nicht in den neuen BT wiedergewählt, aber auch noch keine Entscheidung nach § 4 PKKG (Wahl der Mitglieder) erfolgt ist. Hier dürfte ein Nicht-Parlamentarier wohl ausnahmsweise Mitglied der PKK sein, da seine Stellung aus der des vormaligen Bundestages abgeleitet ist. Waechter, Jura 91, S. 523, zieht dafür in überzeugender Weise die Figur der „Geschäftsführung" heran, die ursprünglich für den Bereich der Regierung entwickelt wurde, aber auch im Bereich des Parlaments ihre Berechtigung hat. So geschehen im Falle des Abg. de Witt zwischen der 12. und 13. Wahlperiode. 218

BVerfGE 70, 324, 362 mit Hinweis auf die Diskontinuität.

IV. Die bestehenden Kontrollen

19

ist. Hierdurch können Minderheitenrechte verkürzt 219 oder die Rechte des Bundestages beschnitten werden, wenn materielles Geschäftsordnungsrecht etwa der Ausfertigung durch den Bundespräsidenten oder der Einspruchsmöglichkeit des Bundesrates unterliegen würde 220 . Eine solche Handlungsform ist jedenfalls dann zulässig, wenn der„Kern der Geschäfisordnungsautonomie nicht berührt wird und überdies gewichtige sachliche Gründe dafür sprechen, die Form des Gesetzes zu wählen" 221 . Ein grundsätzliches Verbot der Handlungsform Gesetz kann schon deswegen nicht bestehen, da § 54 I I GeschOBT selbst davon ausgeht, daß Ausschüsse durch Bundesgesetz errichtet werden können. Entscheidet sich der Bundestag für diesen Weg, so richtet er eine Instanz ein, die ihre Legitimation mittelbar aus dem Organisationsrecht des Bundestages erhält, aber kein Teil des Bundestages selber sein kann 2 2 2 . Materielles Geschäftsordnungsrecht ist im PKKG nicht normiert, weil es die eigentliche Kontrolle durch den Bundestag unberührt läßt 2 2 3 . Der Geheimschutz ist ein gewichtiger Grund, der die Handlungsform Gesetz rechtfertigt. Die PKK ist somit kein Verfassungsorgan, sondern ein parlamentarisches Hilfsgremium des Bundestags. Sie zieht ihre Legitimation aus dem Bundestag, ist aber in ihrer Organisation von diesem unabhängig. Folge dieser Hilfsstellung ist, daß die PKK nicht Antragsteller eines Organstreites nach Art. 93 I Nr. 1 GG sein kann 2 2 4 . Weiterhin kommt es zu Kompetenzüberschneidungen mit den Orga219

Etwa § 126 GeschOBT, wonach zur Änderung der GeschO eine 2/3 - Mehrheit notwendig ist oder § 127 die Eilfallkompetenz des Bundestagspräsidenten, die nicht auf ein Gesetz analog anwendbar ist. 220

Waechter, Jura 91, 525, sieht in diesem Punkt einen Verstoß durch das PKKG gegen Art. 401 GG. 221 BVerfGE 70, 324, Leitsatz 6. Die dort weiterhin geforderte Voraussetzung, daß es sich nicht um eine Zustimmungsgesetz handeln dürfe, ist bei genauem Hinsehen im Kem der Geschäftsordnungsautonomie schon enthalten. 222

Davon geht auch Waechter, Jura 91, 523, aus, der allerdings versucht darzulegen, daß es sich bei dem PKKG in Wirklichkeit um einen Teil der GeschOBT handelt, insofern müsse es geltungserhaltend ausgelegt werden, um die PKK als Teil des Bundestages einordnen zu können. 223

Wenn hiergegen eingewandt wird, der Bundestag habe seine Kontrolle auf die PKK ganz übertragen wollen, so geht das insofern fehl, als er seine bis dahin bestehenden Kontrollrechte, die immerhin fast ein Vierteljahrhundert alleine bestanden, nicht beschnitten wissen wollte, BT-Drucksache VÜI/1599, S. 6. Durch die PKK sollte vielmehr ein Gremium geschaffen werden, durch das eine Kontrolle gewährleistet wird und das dem Vertrauen des Bundestages unterliegt. BVerfGE 70, 324, 362 sieht den „Kernbereich der Geschäftsordnungsautonomie (...) [durch] die Kontrolle der Nachrichtendienste (...), die im PKKG geregelt ist" nicht verletzt. 224

AA Waechter, Jura 91, 520f, der mE die Konsequenzen seiner Auffassung nicht bedenkt. Ein Organstreit würde dazu führen, daß das BVerfG darüber zu befinden hätte, ob ein Vorgang wirklich so geheim ist, daß selbst die PKK ihn nicht erfahren dürfe. Ein solches Urteil würde gefallt von acht Richtern, die selber aber vollständig informiert

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Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

nen des Bundestages. Die PKK ist somit als parlamentarisches Hilfsgremium sui generis anzusehen. Als solches unterliegt es dem Diskontinuitätsgrundsatz des Bundestages in allerdings modifizierter Form. Der Bundestag kann seinen Hilfsorganen nicht mehr Rechte einräumen, als ihm selber zustehen. Die Exekutive als solche unterliegt nicht der Kontrolle der Legislative, verantwortlich gegenüber dem Parlament ist die Regierung 225 . Daher bestimmt § 1 PKKG, daß die Bundesregierung der Kontrolle unterliegt, und § 3 PKKG läßt die politische Verantwortung der Bundesregierung unberührt. Daneben bleiben die Rechte des Bundestages unberührt, § 1 I I PKKG.

cc) Die Mitglieder der PKK Die PKK tagt mindestens vierteljährlich, tatsächlich aber weit öfter, da Sitzungen auf Verlangen eines Mitgliedes einberufen werden müssen, § 5 I I PKKG. Zwei Mitglieder können den sofortigen Zusammentritt verlangen, § 2 GeschOPKK. Der Gang der Sitzungen bestimmt sich nach der Geschäftsordnung. Die Anzahl der Mitglieder der PKK ist gesetzlich nicht bestimmt, § 4 I I PKKG. Bis zur 12. Legislaturperiode wählte der Bundestag für die jeweilige Legislaturperiode ein Gremium bestehend aus drei Vertretern jeweils der CDU/CSU bzw. der SPD und zweien der F.D.P.. Die Wahl erfolgt mit Mehrheit des Bundestages, § 4 I I I PKKG. Damit sind nicht alle im Bundestag vertretenen Parteien in der PKK vertreten. Nach dem schon mehrfach erwähnten Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist das rechtmäßig 226 , wenn ,zwingende Gründe des Geheimschutzes erfordern, einzelne Fraktionen oder Gruppen bei der Besetzung eines Ausschusses unberücksichtigt zu lassen". Weiterhin bleibe zu bedenken, daß, falls ein Anspruch bestünde, es dem Bundestag verwehrt sei, zahlenmäßig kleine Gremien zu bilden. Wenn diese noch die Mehrheitsverhältnisse des Bundestages widerspiegeln sollten, so müßten sie eine verhältnismäßig hohe Mindestanzahl an Mitgliedern aufweisen. Das sei verfassungsrechtlich nicht geboten. An

werden müßten, § 26 BVerfGG. Dann wird eine Geheimhaltung wohl in keinem Fall mehr als vertretbar erscheinen. Nachdem nun Exekutive und Judikative informiert sind, soll die verfassungsmäßig zur Kontrolle berufene Legislative von einer Kenntnis ausgeschlossen bleiben können? Wohl kaum. 223 Die wird in BT-Drucksache VÜI/1599, S. 6 besonders betont. Der ursprüngliche Entwurf, nach dem die Nachrichtendienste einer Kontrolle unterliegen sollten, BTDrucksache Vin/1140, wurde entsprechend geändert. 226

BVerfGE 70, 324.

IV. Die bestehenden Kontrollen

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diesem Urteil ist Kritik laut geworden 227 . Bei der PKK handelt es sich nicht um einen Ausschuß des Bundestages, sondern um ein parlamentarisches Hilfsgremium sui generis. Die Überlegungen des Bundesverfassungsgerichtes sind gleichwohl auf sie übertragbar. Bei dem Vetrauensgremium nach § 10 a BHO, das Gegenstand dieses Verfahrens war, ist eine ähnliche Problematik wie bei der PKK gegeben. Beide operieren im geheimhaltungsbedürftigen Bereich. Wenn weiterhin die Überlegungen für einen Ausschuß gelten, so müssen sie erst recht für ein vom Parlament zu wählendes Hilfsorgan gelten, daß sich nicht als verkleinertes Spiegelbild des Plenums darstellen muß. Die vorhergehende Wahl unterlag politischen Erwägungen. Man wollte Abgeordnete der GRÜNEN, die die Dienste ablehnen und aufgehoben haben wollen 2 2 8 , nicht in die Kommission wählen. Die GRÜNEN weigerten sich mit Hinweis auf Art. 38 GG auch, die Geheimhaltungspflicht aus § 5 I PKKG gegenüber ihrer Basis anzuerkennen. Der Rechtsprechung ist im Ergebnis zuzustimmen. Bei der PKK handelt es sich um ein Hilfsgremium, nicht um einen Ausschuß. Die Rechte des Bundestages bleiben unberührt. Gewählt wird, wer das Vertrauen der Mehrheit des Bundestages besitzt. Hierbei kommt es auf das persönliche Vertrauen an, das die zu wählenden Abgeordneten bei der Mehrheit des Bundestages hinsichtlich ihrer Kompetenz und Verschwiegenheit besitzen. Erwägungen des Minderheitenschutzes spielen hier keine Rolle. Die Mehrheit des Bundestages entscheidet also über die Effektivität ihres Hilfsorganes. Die Praxis zeigt, daß von dieser Möglichkeit verantwortungsvoll Gebrauch gemacht wurde. Es wurden nicht nur Abgeordnete der Regierungsparteien gewählt. Ebenso wurden zum Teil auch solche Abgeordnete gewählt, die staatliche Befugnisse stärker durch die Freiheitsgrundrechte beschränkt sahen, als es der Überzeugung der Regierung entspricht 229 . Seit der 13. Legislaturperiode wurde ein Vertreter der Fraktion „DIE GRÜNEN/Bündnis 90" in die PKK gewählt. Ausschlaggebend war, daß die Fraktion der GRÜNEN stärker als die der F.D.P. war. Man meinte, sie aus Proporzgründen beteiligen zu müssen. Ein solches Denken entspricht dem Bonner Parlamentsbetrieb; rechtlich geboten ist es nicht. Mitglied der PKK können nur Abgeordnete sein, solange sie Mitglied einer Fraktion sind 2 3 0 . Die Mitgliedschaft endet erst, wenn eine neue Kommission gemäß § 4 I PKKG gewählt worden ist, § 5 I V PKKG. Als ungeschriebene Bedingung der Beendigung muß gelten, wenn ein Mitglied das Amt eines Mi227

Siehe nur Geiger, DVB1. 90, 753.

228

BT-Drucksache ΧΠ/4402.

229

Im übrigen geht § 1 I GeschOPKK davon aus, daß auch Abgeordnete der parlamentarischen Minderheit der PKK angehören. Dies entspricht der Staatspraxis und der allgemeinen Überzeugung der Abgeordneten. 230

§ 4 IV 1 PKKG setzt die Mitgliedschaft in einer Fraktion voraus.

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Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

nisters oder parlamentarischen Staatssekretärs übernimmt. Als Mitglied der Regierung kann es nicht spezifische Kontrollfunktionen des Parlamentes wahrnehmen, die über die allgemeine Kontrollfunktion hinausgehen 231 . Weiterhin muß auch eine Abwahl möglich sein. Dies folgt aus der Eigenschaft der PKK als parlamentarisches Hilfsorgan sui generis, das nur aus Mitgliedern bestehen soll, die das Vertrauen der Mehrheit des Parlamentes besitzen 232 . Die Verwaltung des Deutschen Bundestages vertritt eine gegenteilige Auffassung 233 . Sie begründet ihre Auffassung damit, daß eine Abwahl gesetzlich nicht vorgesehen ist 2 3 4 . Es wird eine Parallele zum Präsidium des Bundestages gezogen, das ebenfalls nicht abwählbar ist. Diese Argumente überzeugen aber nicht. Die Parallele zum Präsidium geht eindeutig fehl, da grundlegende strukturelle Unterschiede bestehen. Der Präsident besitzt Ordnungsmacht, kann gegen die Abgeordneten Ordnungsmaßnahmen verhängen. Mitglieder der PKK können dies nicht. Das Mitglied der PKK hat eine vom Bundestag abgeleitete Hilfsaufgabe, der Bundestagspräsident eine eigene, die ihm durch die Verfassung eingeräumt ist. Daneben geht § 4 I V 2 PKKG davon aus, daß ein Ausscheiden eines Mitgliedes der PKK auch auf andere Weise als durch den Verlust des Bundestagsmandates oder der Mitgliedschaft einer Fraktion erfolgen kann. Damit ist sicher die Niederlegung der Mitgliedschaft gemeint. Dann aber hätte dies auch explizit in das Gesetz aufgenommen werden können. § 4 I I PKKG räumt dem Bundestag die Befugnis ein, die Zusammensetzung der PKK zu bestimmen. Diese kann jederzeit ausgeübt werden. Lediglich § 4 I PKKG legt eine Wahl an den Beginn der Wahlperiode, gilt systematisch aber nicht für § 4 I I PKKG. Somit ist lediglich das Verfahren nicht gesetzlich fixiert, die Möglichkeit gleichwohl dem Gesetz zu entnehmen. Die Beratungen sind geheim, § 5 I 1 PKKG. Auch nach Ausscheiden ist jedes Mitglied zur Geheimhaltung über alle Angelegenheiten verpflichtet 235 .

231

Im Hinblick auf das Gewaltenteilungsprinzip ist schon die Vereinbarung von Regierungsamt und Parlamentsmandat bedenklich, in der Staatspraxis aber üblich. 232

Im übrigen kann die Mehrheit einer Fraktion durch Fraktionsausschluß das Amt entziehen. Dieses Recht steht in den kleinen Fraktionen schon etwa 25 Abgeordneten zu. Damit muß es erst recht der Mehrheit aller Abgeordneten zustehen. 233

Aktuell geworden ist diese Frage im Zusammenhang mit der „Plutonium-Affare". Es war gegen die Geheimhaltungsverpflichtung verstoßen worden, wofür nur bestimmte Mitglieder verantwortlich sein konnten. 234 233

Anders etwa § 2414 VerfSchG NW. Hier ist eine Abwahlmöglichkeit normiert.

Gehörten in der Anfangszeit noch die Fraktionsvorsitzenden regelmäßig der PKK an, so ist dies nicht mehr immer der Fall. Wenn Miltner, Kontrolle des Verfassungsschutzes, S. 59 eine Geheimhaltungspflicht der Mitglieder gegenüber den Fraktions-

IV. Die bestehenden Kontrollen

1

Der Bruch der Geheimhaltungsverpflichtung aus § 5 I PKKG ist strafbewehrt. Einschlägig ist dabei nicht § 353 b I StGB, da die Mitglieder zwingend Abgeordnete sind und somit das Tatbestandsmerkmal „Amtsträger" nicht erfüllt ist 2 3 6 . Einschlägig ist aber § 353 b I I Nr. 1 StGB. Die besondere Verpflichtung aufgrund eines Beschlusses eines Gesetzgebungsorgan muß keinen Einzelbeschluß darstellen, sondern es reicht eine allgemeine Grundlage 237 . Eine solche wurde durch das PKKG geschaffen. Besonderes Augenmerk muß auf den Kreis der Verpflichteten gelegt werden. Von der Verpflichtung des PKKG aber sind die Mitglieder der PKK explizit betroffen. § 353 b I I StGB ist ein Gefährdungsdelikt. Eine Gefahrdung „wichtiger öffentlicher Interessen" wird aufgrund der hohen Geheimhaltungsbedürftigkeit regelmäßig gegeben sein 238 . Die Erhebung einer Anklage aber dürfte in der Realität wohl kaum vorkommen 2 3 9 . Hier gestaltet sich zum einen die Beweisführung als äußerst schwierig, zum anderen sind sich die Mitglieder der PKK ihrer besonderen Verantwortung bewußt 240 . Die Effektivität der Kontrolle hängt entscheidend vom gegenseitigen Vertrauen zwischen Parlamentariern und Diensten ab. Die Kommission kann seit der Gesetzesnovellierung 1992 mit 2 / 3 Mehrheit eine Bewertung aktueller Vorgänge veröffentlichen, § 5 I 4 PKKG. Diese Bewertung darf keine geheimhaltungsbedürftigen Informationen beinhalten, sondern kann sich nur auf ein Urteil über das Verhalten der Dienste beziehen. Dies kommt dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit entgegen. Die Kommission erhält die Möglichkeit auf unkorrektes Verhalten aufmerksam zu machen. Weitergehende Kontrollen, etwa Untersuchungsausschüsse, sind somit gezielt einsetzbar.

Vorsitzenden nicht anerkennen will, so mag das auf dieser Tatsache beruhen, eine gesetzliche Stütze läßt sich allerdings dafür nicht finden. 236

Abgeordnete erfüllen diese Eigenschaft nicht, siehe Dreher/Tröndle, § 353 b Rn. 3; Schönke/Schröder, § 11 Rn. 20. Ebenso können Abgeordnete nicht als „ f ü r den öffentlichen Dienst besonders Verpflichtete" angesehen werden. Ziffer 3 dieser Vorschrift ist vom Wortlaut schon nicht erfüllt. 237

Lüttger, JZ 69, 578, 584f, der sich allerdings auf die Geheimschutzordnung des Bundestages bezieht. Seinen Ausführungen kommt aber allgemeiner Charakter zu. 238

Ob eine Strafbarkeit auch dann gegeben ist, wenn die PKK eine Bekanntgabe bestimmter Informationen im Rahmen einer Bewertung aktueller Vorgänge beschließt, ist eine strafrechtliche Frage, die sich nach den allgemeinen Regeln bestimmt. In einem solchen Fall dürfte sicher zumindest eine Strafbarkeit aus Versuch als unstrittig angesehen werden. 239 240

Ein solcher Fall ist bisher noch nicht bekannt geworden.

Ein nachhaltiger Verdacht wird sich, auch wenn eine Verurteilung tatsächlich nicht erfolgen sollte, im weiteren Verlauf auf das politische Renommée des Betroffenen äußerst negativ auswirken.

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Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis dd) Gesetzlich verankerte Befugnisse der Kontrollkommission

Die gesetzlich verankerten Befugnisse der PKK ergeben sich aus § 2 PKKG. Danach unterrichtet die Bundesregierung die PKK umfassend über die allgemeine Tätigkeiten sowie über Vorgänge besonderer Bedeutung. Weiterhin werden die Wirtschaftspläne der PKK übermittelt. Hier können diese Pläne nach ihrer politischen Zweckmäßigkeit überprüft werden, was dem Gremium nach § 10 a BHO versagt ist. Eine Lücke wird hier geschlossen241. Das Gremium nach § 10 a BHO erhält eine Stellungnahme der PKK. Weiterhin kann sich die PKK über den Vollzug der Wirtschaftspläne unterrichten lassen. Diese Vollzugskontrolle läßt die parallele Zuständigkeit des Bundesrechungshofes nach § 10 I I I BHO unberührt. Die PKK hat nur ein beratendes Votum. Die Entscheidung verbleibt beim Haushaltsausschuß. Die Bundesregierung muß auf Verlangen der PKK zu einem bestimmten Vorgang berichten, was nur „aus zwingenden Gründen des Nachrichtenzugangs" verweigert werden darf. Diese Ablehnung muß durch den Dienstherrn des jeweiligen Dienstes gegenüber der PKK begründet werden, sofern es die Kommission verlangt. Gegenüber der bis 1992 geltenden Rechtslage sind die Rechte der PKK somit erheblich erweitert worden. Bestimmte bis 1992 (ähnlich wie gegenüber dem PVMG) die Bundesregierung noch Zeit, Art und Umfang der Unterrichtung, § 2 I I PKKG a.F., so kann die PKK jetzt selber den Gegenstand der Kontrolle bestimmen. Ob damit allerdings tatsächlich eine Intensivierung der Kontrolle eingetreten ist, mag zweifelhaft sein. Bevor der PKK ein Rechtsanspruch auf Auskunft eingeräumt wurde, dürfte ein solches Verlangen selten abgelehnt worden sein. Eine solche Ablehnung hätte ohne ausreichende Begründung zu politischen Konsequenzen geführt 242 . Daneben hat die PKK das Recht und die Pflicht, zur Mitte und zum Ende einer Legislaturperiode einen Bericht an den Deutschen Bundestag zu erstatten, § 6 P K K G 2 4 3 . Darin hat die PKK unter Beachtung der Geheimhaltungsverpflichtung des § 5 I PKKG über ihre Kontrolltätigkeit zu berichten. Der Bericht wird veröffentlicht. Für ihn ist somit eine zwei Drittel Mehrheit erforderlich 2 4 4 .

241

Dies Möglichkeit besteht erst seit der Novellienmg 1992.

242

Der Opposition hätte esfreigestanden, zu diesem Thema einen Untersuchungsausschuß zu beantragen, der eine große Öffentlichkeit erreicht hätte. 243

Erstmalig durch BT-Drucksache ΧΠ/5080. Dieser umfaßt den Zeitraum vom 20. 12. 1990 bis zum 30. 6. 1993. 244

§ 6 PKKG verweist auf § 5 I PKKG, der eine solche Mehrheit vorschreibt.

IV. Die bestehenden Kontrollen

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ee) Ungeschriebene Kompetenzen Der PKK stehen weitere Kontrollmöglichkeiten zu, die im PKKG nicht verankert sind. Ihre Grundlage finden sie in der Erklärung, die Staatsminister Bernd Schmidbauer im Namen der Bundesregierung vor dem Parlament abgegeben hat 2 4 5 . Diese Erklärung ist in der ersten Sitzung der PKK in der 13. Wahlperiode am 8. Februar 1995 erneuert worden. Die Bundesregierung gab diese Erklärung ab, um Forderungen nach erweiterten gesetzlich verankerten Kontrollmöglichkeiten zu begegnen 246 . Die Bundesregierung machte verfassungsrechtliche Bedenken aus dem Gewaltenteilungsprinzip geltend. Um aber die Gesetzesnovellierung 1992 nicht zu gefährden, wurde dieser Mittelweg gewählt. Der rechtliche Standpunkt der Bundesregierung wurde gewahrt, die Rechte der PKK tatsächlich erweitert. Damit stellt sich die Frage nach der Rechtsnatur der Erklärung. Nach Ansicht der Bundesregierung handelt es sich dabei um eine politische Willenserklärung, die keine rechtliche Bindungswirkung entfaltet. Seit der 13. Wahlperiode wird die Erklärung vor den Mitgliedern der PKK abgegeben. Somit ist sie nur gegenüber diesen Mitgliedern als verbindlich anzusehen. Besonders hinzuweisen ist aber auf die faktische Bindungswirkung, die diese Erklärung entfaltet. De facto unterliegt die Bundesregierung dieser Erklärung. Eine Deutung dieser Erklärung als rechtlich nicht bindende Willenserklärung ist aber nicht zwingend. Denkbar ist eine Deutung als eine Selbstbindung der Bundesregierung gegenüber der PKK oder dem gesamten Parlament. Zu beachten ist Ziffer 1 der Erklärung, nach der die Bundesregierung gestattet, bestimmte Personen anzuhören, soweit dies die Zustimmung der Bundesregierung voraussetzt. Dies kann gedeutet werden als beamtenrechtliche Aussagegenehmigung, auf den Verzicht einer Aussagegenehmigung seitens der Bundesregierung oder die Zusage der Bundesregierung, eine Aussagegenehmigung aus anderen als sicherheitsrechtlichen Gründen nicht zu versagen. Die beiden ersten Möglichkeiten setzen voraus, daß die fragliche Erklärung eine rechtlich bedeutsame Folge setzt. Dies ist mit dem Charakter einer politischen Willenserklärung nicht vereinbar. Adressat der Erklärung ist der Bundestag, eine generelle Aussagegenehmigung an Beamte kann sie somit nicht sein. Aus dem Zusammenhang als eine Erklärung gegenüber dem Bundestag ergibt sich, daß es eine Zusage im Sinne der letztgenannten Möglichkeit sein muß. Ein Schluß auf die Rechtsnatur kann

243

Stenographischer Bericht, Deutscher Bundestag, 12. Wahlperiode, 82. Sitzung, Donnerstag 12. März 1992. 246

BT-Drucksache XI/14752.

11 Hirsch

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Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

sich daraus nicht ergeben. Die Bundesregierung hat mit dieser Erklärung gegenüber dem Bundestag Vertrauen gesetzt, sich entsprechend der dort festgelegten Grundsätze zu verhalten. Ein Abweichen wäre ein venire contra factum proprium. Die Erklärung ist zwar zur „Geschäftsgrundlage" des PKKG 1992 geworden, da der Bundestag sonst der Novellierung nicht zugestimmt hätte, was zu unüberschaubaren politischen Konsequenzen geführt hätte 247 . Da Gesetze in ihrem Wesen von ihnen begleitenden Absprachen unabhängig sind, kann auch der sie begleitenden Erklärung keine rechtliche Verbindlichkeit zukommen. Diese Erklärung läßt sich weiterhin auch nicht anderen Instituten zuordnen, so scheidet z.B. ein Verwaltungsakt der Bundesregierung auf Selbstbindung aus, da die Bundesregierung gegenüber dem Bundestag keinen Verwaltungsakt erlassen kann. Rechtliche Konsequenzen aus einem Verstoß gegen die Erklärung gibt es nicht, insbesondere sind die dort festgelegten Befugnisse nicht gerichtlich durchsetzbar. Der PKK fehlt die Antragsbefugnis vor dem Bundesverfassungsgericht. Im Ergebnis handelt es sich um eine politische Willenserklärung, der lediglich faktische Bindungswirkung zukommt. Ziffer 1 der Erklärung begründet ein Akten- und ein Anhörungsrecht 248 der PKK, die damit ein Zugriffsrecht auf Bereiche erhält, die der Legislative bisher verschlossen waren. Ähnliche Rechte stehen nur dem Wehrbeauftragten, dem Petitionsausschuß sowie Untersuchungsausschüssen zu. Hierdurch kann die PKK direkt auf Teile der Exekutive zugreifen, die Dienste somit praktisch selbst kontrollieren. Diese Möglichkeit beruht auf der Zustimmung der Bundesregierung, ist also eine von ihr abgeleitete. Somit ist nach wie vor die Bundesregierung, die der Kontrolle unterliegt. Eine direkte Kontrolle der Dienste liegt deswegen schon nicht vor, weil nach Ziffer 3 die Bundesregierung diese Rechte der PKK aus zwingenden Sicherheitsgründen verweigern kann. Ob hiermit auch das Recht auf Zutritt zu den Räumen der Dienste verbunden ist, ist zweifelhaft, da eine explizite Ermächtigung, sei es durch Gesetz oder Erklärung der Bundesregierung, fehlt. In den Ländern ist ein Besuch der PKK in den Räumen des Verfassungsschutzes schon vorgekommen 249 . Sollte die PKK den Wunsch eines Ortstermines äußern, ist es in der Praxis wahrscheinlich, daß diesem entsprochen wird. Insbesondere die Geltendmachung von Sicherheitsbedenken dürfte schwer fallen, nachdem selbst der französischen 247

Die PKK jedenfalls hätte sich unter Protest aufgelöst, was der Bundesregierung sowie den Diensten selber einen unabsehbaren Ansehensverlust beigebracht hätte. 248

Zur Rechtsnatur der Erklärung hinsichtlich des Anhörungsrecht siehe den vorherigen Abschnitt. 249

In zumindest einem Fall ging die Initiative hierzu sogar auf eine Einladung des LfV zurück. Die PKK ist dieser Einladung gefolgt.

IV. Die bestehenden Kontrollen

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Commission nationale de contrôle des interceptions de sécurité Zugang zu technischen Einrichtungen des BND gewährt wurde 250 . Ziffer 2 der Erklärung räumt Bediensteten der Dienste die Möglichkeit ein, sich an die PKK zu wenden 251 . Dienstrechtliche Vorgänge sind ausgeschlossen. Auch muß sich der Bedienstete vorher an die Leitung des Dienstes wenden, dann sind auch dienstrechtliche Nachteile für ihn ausgeschlossen. Hatte bis zur Novellierung des PKKG nur die Bundesregierung Informationen geben dürfen, so können nun auch andere Organe als die Leitungsebene Informationen an die Kommission geben. Diese sind mit den täglichen Problemen konfrontiert. Auf der anderen Seite aber ist die Anzahl der Menschen größer, die eine moralische Verantwortung dafür tragen, daß Rechtsverstöße nicht vorkommen. Somit wird auch hierdurch eine Kontrolle bewirkt.

gg) Fazit Die PKK stellt ein parlamentarisches Hilfsorgan eigener Art dar, dessen Befugnisse immer weiter ausgebaut worden sind. Die Dienste unterliegen hier einer Kontrolle, die allerdings selber nicht ausreichend ist. Werden Mißstände entdeckt, so können diese abstrakt verurteilt werden, indem die PKK sich entschließt, eine Bewertung über § 5 I 4 PKKG zu veröffentlichen. Andere Informationen können nicht weitergegeben werden. Der Bundestag und weitergehend die Öffentlichkeit sind somit auf die daneben bestehenden Kontrollmechanismen angewiesen. In der jetzigen Form kann die PKK durch die Bundesregierung dazu benutzt werden, andere Kontrollinstrumente zu unterlaufen. Insbesondere auf Anfragen kann und wird mit regelmäßiger Kürze auf die PKK verwiesen, der alle Informationen vorlägen. Die Bundesregierung kann so Informationen dem Plenum vorenthalten. Alles, was in der PKK erörtert wird, bleibt geheim. Die Bundesregierung kann sich bei einer Erörterung gleicher Themen auf eine Information der PKK berufen. Das Plenum kann zwar die gleichen Probleme wie die PKK behandeln, wird aber weniger Informationen bekommen. Aufgrund ihrer weitreichenden Kompetenzen hilft die PKK zu verhindern, daß es unkontrollierte Dienste, die ein Eigenleben entwickeln, geben kann. In der Praxis bleibt auch hier zu bedenken, daß die PKK nur nach Sachverhalten fragen kann, die sie erfahren hat. Eine ideale Lösung mag sie nur begrenzt darstellen. Für den Bereich der Post- und Fernmeldekontrolle besitzt die PKK 230

Siehe näher unten.

251

Man vergleiche die Parallelität zum Wehrbeauftragten nach Art. 45 b GG.

1

Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

gemäß § 1 I I I PKKG keine Kontrollkompetenz. Es ist zu bedenken, daß die Mitglieder der PKK ein hohes Renommee besitzen 252 . Dies geht einher mit einer hohen Arbeitsauslastung, so daß für die Arbeit in der PKK nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung steht. Für Sitzungen ist ein begrenzter Zeitrahmen vorgesehen. Eine Verlängerung oder Vertagung ist nicht ohne weiteres möglich 2 5 3 .

g) Verbindungsmänner

der Fraktionen

Die Bundestagsfraktionen haben Verbindungsmänner zu den Diensten bestellt. Ihre Aufgabe besteht darin, außerhalb der Geheimhaltungspflicht der PKK-Mitglieder Informationen der Dienste erhalten zu können. Eine gesetzliche Grundlage fehlt. Die Notwendigkeit dieser Einrichtung ist offensichtlich, wenn man den Fall bedenkt, daß gegen einen Abgeordneten ein Verdacht z.B. der Spionage besteht. Die Fraktion muß, um einen möglichen Schaden zu begrenzen, möglichst frühzeitig davon erfahren. Die Verbindungsmänner wurden in der Anfangszeit der Republik bestellt, nicht als Kontrollorgan, sondern um den Diensten einen Ansprechpartner in den Fraktionen zu geben. Sie wurden auch nach Errichtung der PKK beibehalten. Zum einen ergibt sich für die PKK-Mitglieder eine Geheimhaltungspflicht, so daß über sie eine Informierung der Fraktionen nicht möglich ist. Zum anderen bedeutet es einen großen politischen Einfluß auch innerhalb der Fraktion, frühzeitig von Verdächtigungen zu erfahren. Der Verbindungsmann ist somit kein eigentliches Kontrollorgan, er dient vielmehr dem Informationsaustausch zwischen Fraktionen und den Diensten bezüglich solcher Informationen, die für die Fraktionen von Bedeutung sind. Allerdings entscheiden allein die Dienste, was sie weitergeben.

7. Besondere Gremien Neben den genannten parlamentarischen Kontrollorganen wird die Tätigkeit der Dienste von besonderen Gremien überwacht, soweit es sich um den Bereich der Post- und Fernmeldekontrolle handelt. Grundrechtseingriflfe in diesen besonders sensiblen Bereich durch Behörden müssen durch die G10-Kommission 232

Dies ergibt sich auch aus der Entstehungsgeschichte der PKK aus dem PVMG. Früher handelte es sich um die Fraktionsvorsitzenden. Auch heute werden idR Abgeordnete mit einem hohen Standing gewählt. 233

Siehe dazu unten ausführlicher.

IV. Die bestehenden Kontrollen

19

genehmigt werden. Die G10-Kommission besteht nicht aus Parlamentariern, wird aber vom G10-Gremium bestellt, das nur aus Abgeordneten besteht. Aufgrund dieses engen Zusammenhangs soll eine Betrachtung in einem gesonderten Abschnitt erfolgen. In diesen Zusammenhang gehört auch das Gremium nach § 41 V AWG, das aus fünf Abgeordneten besteht. Es kontrolliert die Beschränkungen des Art. 10 GG im Anwendungsbereich des AWG. Die Beschränkung erfolgt durch das ZKA, also einer Polizeidienststelle, das aber alle für den Verfassungsschutz relevanten Daten diesem von sich aus übermitteln muß. Somit ist dieses Gremium in den Bereich der Kontrolle mit einzubeziehen. a) Die Kontrolle nach dem GJO aa) Entstehungsgeschichte des G10 Das Gesetz zur Beschränkung des Brief-, Post und Fernmeldegeheimnisses, Gesetz zu Artikel 10 Grundgesetz (G10) trat am 1. November 1968 in Kraft, wobei es seit dem 16. August 1968 die Schaffung der Kommission nach § 9 G10 als Überwachungsorgan gestattete254. Es wurde möglich und erforderlich durch die Grundgesetzänderung der Notstandsverfassung 255. Hier wurde die gesetzliche Grundlage für die Befugnis deutscher Behörden geschaffen, in das Post- und Fernmeldegeheimnis einzugreifen. Die Schaffung einer solchen Befugnisnorm ermöglichte zum ersten Mal eine Kontrolle durch deutsche Stellen. Nach Art. 5 I I des Generalvertrages 256 übten die Besatzungsmächte ihre Vollmachten, wozu auch die Kontrolle der Post- und Fernmeldeeinrichtung gehörte, solange aus, bis deutsche Behörden entsprechende Kompetenzen erhalten hatten. Dabei unterlagen die Besatzungsmächte keiner Kontrolle oder Beschränkung durch die deutsche Seite. So wurde die Befugnis, die eigentlich nur dem Schutz der stationierten Truppen sowie der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienen sollte, oft mißbraucht 257 . Das Gesetz war Gegenstand einer heftigen verfassungsrechtlichen Diskussion sowie Gegenstand eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgerichts 258 sowie dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte 259. 254

BGBl. 1968 I, S. 949.

255

Einfügung des Art. 10 Π GG durch das 17. Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes vom 24. Juni 1968, BGBl. 1968 I, S. 709. 236

Vertrag über die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Drei Mächten vom 26. Mai 1952 idF vom 30. März 1955, BGBl. 1955 Π, S. 301. 257 Arndt, 25 Jahre Post- und Telefonkontrolle, ZParl 93, 622; ders., Parlamentarische Kontrolle, Rn. 20, S. 1378 mit Hinweis auf die Praxis insbesondere amerikanischer Dienststellen.

10

Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

Die Gerichte erachteten das Gesetz grundsätzlich für rechtmäßig, insbesondere billigten sie die Ersetzung der gerichtlichen Kontrolle durch eine gleichwertige durch das Parlament 260 . Als verfassungswidrig wurde lediglich der damalige § 5 V G l 0 für nichtig erklärt, der eine Benachrichtigung des Betroffenen und damit die Eröffnung des Rechtsweges für eine nachträgliche richterliche Kontrolle auch dann ausschloß, wenn keine Zweckgefahrdung mehr vorlag. Die Benachrichtigungspflicht, die seit dem Urteil der G10-Kommission oblag, wurde erst 1978 förmlich in das Gesetz aufgenommen 261 . Seit 1989 ist das G10 häufig geändert worden 262 . Hierbei handelte es sich in erster Linie um die Anpassung des Gesetzes an die geänderten Gegebenheiten, indem etwa die Mitwirkungspflicht an einer Beschränkungsmaßnahme auf alle Betreiber von Fernmeldeanlagen, also auch privater, bei gleichzeitiger Sanktionierung des Bruchs der damit einhergehenden Verschwiegenheitspflicht geschaffen wurde. Aber auch die Kompetenzen wurden erweitert, etwa dergestalt, daß im Rahmen der weiteren Überwachungsfälle außerhalb der Individualkontrolle erhaltene Zufallsfunde verwertet werden können sowie die Zulassung neuer Überwachungsbereiche wie etwa der internationale Drogenhandel 263 . Die Entwicklung, gerade im Hinblick auf den technischen Fortschritt, bleibt abzuwarten.

bb) Die Einschränkung des Grundrechtes aus Art. 10 GG Bei der Einschränkung des Grundrechts aus Art. 10 GG ist zum einen der Schutzbereich des Grundrechts zu bestimmen, zum anderen ist auf das Verfah-

258

BVerfG NJW 71, 275.

239

EGMRNJW 79, 1755.

260

Siehe S. 118.

261

BGBl. 1978 I, S. 1546.

262

Durch Art. 4 XVI Poststrukturgesetz, BGBl. 1989 I, S. 1026; Art. 11 des Gesetzes zur Neuregelung des Ausländerrechts, BGBl. 1990 I, S. 1354; Art. 2 zur Änderung des AWG, BGBl. 1992 I, S. 372; Gesetz zur Änderung (...) des G10, BGBl. 1992 I, 997; durch die Novellierung des BDSG, BGBl. 1990 I, 2954 und durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz BGBl. 19941, S. 3186. 263 Riegel, ZRP 95, 176, sieht durch das G10 nF den BND als „verlängerten Arm" der Strafverfolgungsbehörden. Aus dem Trennungsgebot sei ein Kooperationsgebot geworden. B. Hirsch, „Zur Verkleinerung der Dienste", in: DIE ΖΕΓΓ vom 18.5.1995, möchte die Mitarbeit bei der Telephonkontrolle als „technische Hilfeleistung" sehen. Siehe zu diesem Problemkreis auch Gröpl ZRP 95, 13 ff.

IV. Die bestehenden Kontrollen

11

ren näher einzugehen. In den Schutzbereich des Art. 10 GG darf nur von deutschen Behörden 264 aufgrund einer Ermächtigungsgrundlage eingegriffen werden. Solche ergeben sich aus dem G10, den §§ 100 a und 100 b StPO 265 sowie den §§ 39 bis 41 A W G 2 6 6 . Art. 10 GG schützt seinem Gehalt nach das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis, kurz die nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Kommunikation einer Person mit einer anderen 267 . Geschützt wird nicht nur der Inhalt dieser Kommunikation, sondern auch die Frage, ob eine Kommunikation überhaupt stattfindet 268. Dieser Schutz besteht als Abwehrrecht gegenüber jeder staatlichen Gewalt. Er ist nicht auf den Bereich der Deutschen Bundespost beschränkt, sondern gilt für alle Bereiche 269 . Der Schutz besteht solange, wie sich die Nachricht im Herrschaftsbereich staatlicher Einrichtungen befindet. Mit Eintreffen der Nachricht beim Empfänger endet der Schutzbereich. Geschützt wird also die Nachricht solange, wie die Kommunizierenden gezwungen sind, sich fremder Fernmeldeeinrichtungen zu bedienen. Ein umfassender Schutz gegen „Mithören" wird nicht gewährt 270 .

264

Bis zum 2. Oktober 1990 bestand eine solche Kompetenz auch fur die Besatzungsmächte in West - Berlin. 263

Die Einzelheiten der Einschränkung nach der StPO sollen hier nur am Rande erwähnt sein. Sie wird von einem Gericht oder bei Gefahr im Verzuge von der Staatsanwaltschaft angeordnet und dient der Aufklärung strafrechtlich relevanten Verhaltens, also im Bereich originärer Polizeiaufgaben. Die Rechtsgarantien und Voraussetzungen unterscheiden sich prinzipiell nicht von denen des G10. Die Praxis zeigt, daß die Justiz in größerem Umfang von dieser Ermächtigung Gebrauch macht als die Dienste und daß durch die G10-Kommission aufgedeckte Unregelmäßigkeiten durchweg aus dem Bereich der Justiz stammten. Die hier entstehenden Unregelmäßigkeiten konnten allerdings aufgrund mangelnder Kompetenz nicht von der Kommission behoben werden. Diese wandte sich mit der Bitte um Abhilfe stattdessen an den jeweiligen Minister. 266 Die Generalklausel des § 21 NR. 4 BNDG iVm § 1 Π 2 Gl0 etwa reicht nicht aus, ausfuhrlich Riegel ZRP 93, 468, 471. 267

Bezüglich der mannigfaltigen Streitpunkte sei auf die Kommentarliteratur verwiesen. In diesem Zusammenhang kann es dahinstehen, ob eine Postkarte etwa nur dem Post- oder auch dem Briefgeheimnis unterliegt. 268

Insofern herrscht über den Schutzbereich Einigkeit, vgl. die einschlägige Kommentarliteratur. 269

Arndt, Gl0-Verfahren, S. 47; Badura in Bonner Kommentar, Art. 10 Rn. 21 unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte; vMünch/Pappermann, Art. 10 Anm. 6, 11 und 14, sowie aus der Rechtsprechung BVerfGE 6, 301. A.A. nur Kunze, S. 13. 270

Sternberg-Lieben, Jura 95,.299, 302 mwN, der ausführlich einen Fall darstellt, in dem eine staatliche Stelle mit Wissen des einen Telephonierenden das Gespräch mitgehört hat.

1

Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

Geschützt sind Sendungen unabhängig davon, in wessen Gewahrsam sie sich befinden oder wer Eigentümer einer bestimmten Kommunikationseinrichtung ist. Zweifelhaft wird der Schutzbereich des Art. 10 GG erst dann, wenn eine Auslandsberührung hinzukommt. Dieser Frage ist in der Literatur wenig Aufmerksamkeit gewidmet worden, erkennbar sind aber zwei Meinungen. Die eine möchte den Schutzbereich darauf ausdehnen, daß alle Kommunikation zwischen zwei Menschen geschützt ist, sofern sie sich dazu fremder Kommunikationswege bedienen müssen. Die andere betont den Charakter des Art. 10 GG als einen die vollziehende Gewalt bindenden Normbefehl, der der deutschen Staatsgewalt verbietet, wo auch immer auf der Welt den Schutzbereich zu verletzen 271 . Überzeugend ist es, wenn man die Bestimmung des Art. 10 GG als speziell geregelten Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrecht sieht 272 , nämlich als Schutz des nichtöffentlich gesprochenen Wortes als Form der informationellen Selbstbestimmung. Das führt dazu, daß jeder unabhängig von seiner Nationalität einen entsprechenden Anspruch gegen deutsche Behörden hätte. Das Grundrecht wird damit faktisch zu einem Menschenrecht aufgewertet 273 . Ein solcher Charakter kommt ihm in ausländischen Rechtsordnungen nicht zu. Das us-amerikanische Recht schließt Ausländer ausdrücklich vom Schutz des Kommunikationsgeheimnisses aus 274 . Somit bindet Art. 10 GG deutsche Behörden nur, wenn die gesamte Kommunikationsbeziehung im Geltungsbereich des Grundgesetzes erfolgt. Sofern eine Auslandsberührung hinzukommt, sind deutsche Behörden nur gebunden, wenn ausschließlich deutsche Staatsbürger beteiligt sind. Es mutet merkwürdig an, wenn sich deutsche Behörden in diesen Fällen die gewünschten Informationen gleichwohl von fremden Diensten beschaffen könnten. Daß aber erst durch die Amtshilfe der Grundrechtseingriff bewirkt würde, überzeugt nicht. Der Schutz einer Kommunikationsbeziehung im internationalen Raum richtet sich nach dem schwächsten Glied, da dieses das Niveau des Schutzes bestimmt. Eine Kommunikation, bei der sich beide Kommunikationspunkte im Geltungsbereich des GG befinden, unterliegt voll dem Schutz des Art. 10 GG unabhängig von der Nationalität der Kommunizierenden. Eingriffe in den Schutzbereich des Art. 10 GG setzt das Tätigwerden zur Abwehr einer drohenden Gefahr für ein überragendes Rechtsgut voraus 275 . § 1 I G10 zählt diese 271

Arndt, NJW 95, 171.

272

So wohl BVerfGE 34, 238.

273

vMünch / Pappermann, Art. 10 Anm. 3; Badura in Bonner Kommentar, Art. 10 Rn. 25. 274 273

Arndt, DöV 86, 169 ff.

Zur Frage, ob nach Inkrafttreten des AWG 1992 auch die neuen Medien (z.B. Btx oder ISDN-fahige Systeme) einer Kontfolie nach dem G10 unterliegen können, vgl. Riegel, RiA 92, 168, 170. Diese Frage wird iE aber zu bejahen sein.

IV. Die bestehenden Kontrollen

1

Rechtsgüter enumerativ auf. Für die weiteren Voraussetzungen muß danach unterschieden werden, ob es sich um eine Individualkontrolle nach § 2 G10 oder einen weiteren Überwachungsfall nach § 3 G10 handelt. Bei der Individualkontrolle müssen tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht bestehen, daß die zu überwachende Person eine der in § 2 G l 0 genannten Katalogstraftaten plant, begeht oder begangen hat. Ein tatsächlicher Anhaltspunkt liegt dann vor, wenn nachprüfbare Tatsachen auf einen solchen Verdacht schließen lassen. Der Verdacht ist aber regelmäßig nicht so weit konkretisiert, daß ein Strafverfahren eingeleitet werden müßte 276 . Eine Individualkontrolle aber ist als ultima ratio anzusehen, sie kann daher nur angeordnet werden, wenn die Informationsbeschaffung auf andere Art nicht möglich oder zumindest wesentlich erschwert ist. Zulässig ist auch die Überwachung sogenannter Umfeldpersonen. Das sind solche Personen, gegen die sich kein Verdacht richtet, von denen aber aufgrund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, daß sie für den Verdächtigen bestimmte Sendungen entgegennehmen und/oder weiterleiten oder daß der Verdächtige etwa ihren Kommunkationsanschluß benutzt. Als typische Umfeldpersonen sind Familienangehörige anzusehen, unter Umständen aber reicht auch gesellschaftlicher Kontakt aus 277 . Die andere Art des Eingriffs sind die weiteren Überwachungsfälle nach § 3 G10. Bei ihnen handelt es sich um die Überwachung eines Kommunikationsweges insgesamt. In Betracht kommt zum einen die Überwachung von Postsäkken, aber auch die von Telephonsträngen. Durch das am 1.12.1994 in Kraft getretene Verbrechensbekämpfungsgesetz 278 wurden die Befugnisse des BND durch eine Neufassung des § 3 G10 erheblich erweitert. Im Zusammenhang mit der Verbreitung von ABC-Massenvernichtungswaflfen und der Entwicklung des internationalen Drogenhandels und der damit zusammenhängenden Probleme der Geldwäsche möchte man die technischen Möglichkeiten des BND, den Funkverkehr zu überwachen, nutzen 279 . War der BND bisher lediglich für die Auslandsaufklärung zur Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zuständig, 276

Arndt, G10-Verfahren, S. 49; weitergehend Borgs/Ebert, S. 153; der die entfernte Möglichkeit einer Schädigung ausreichen lassen will. Er beruft sich dabei auf eine Parallele zum polizeilichen Eingriffsrecht. Entscheidend fallt für ihn der hohe Rang der von den Diensten geschützten Rechtsgüter ins Gewicht. 277

Von besonderer Bedeutung ist hier der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. In der Praxis wurde dies in einem Fall bedeutsam, in dem das Telephon einer größeren Wohngemeinschaft abgehört werden sollte, um nur einen Mitbewohner zu überwachen. Auch die Überwachung von Telephonzellen, die ein Verdächtiger regelmäßig benutzt, muß hieran besonders sorgfaltig überprüft werden. 278

Vom 28.10.1994, BGBl. S. 3186.

279

BT-Drucksache ΧΠ/6853, S. 42.

1

Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

hier ließe sich noch die Informationsbeschaffung bezüglich der ABC-Waffen zuordnen 280 , so durften zufällig erlangte Daten über noch so schwere Straftaten nicht verwendet werden, § 3 I I G l 0 a.F.. Diese Situation war im internationalen Vergleich einmalig, was dazu führen konnte, daß ausländische Dienste über bundesdeutsche Bürger besser unterrichtet waren als die eigenen Behörden 2 8 1 . Es entstand die paradoxe Situation, daß solche Informationen, die vom BND gewonnen wurden, nicht durch die Strafverfolgungsbehörden verwertet werden durften. Stammten sie jedoch von ausländischen Behörden, so war ihre Verwertung rechtmäßig. Nach der Neufassung des G l 0 ist der BND nicht mehr auf die Sammlung von Informationen über die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland beschränkt. Er kann vielmehr auch im Bereich originärer Polizeiaufgaben tätig werden, kann Informationen im Bereich der Kriminalitätsbekämpfung auswerten, z.B. bei internationalen terroristischen Anschlägen in Deutschland, bei Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz oder bei Geldwäsche oder -fälschung, §§ 3 I iVm 2 G10. So gewonnene Erkenntnisse sollen an die jeweils zuständigen Behörden der Länder oder des Bundes weitergeleitet werden. Das sind nicht nur Behörden des Verfassungsschutzes, sondern auch das Zollkriminalamt (ZKA), Bundesausfuhramt und Staatsanwaltschaften. Der Kontrolle unterliegen die Fernmeldeverkehrsbeziehungen eines Punktes innerhalb Deutschlands mit einem Punkt im Ausland. Bisher wurde unter Fernmeldeverkehrsbeziehung der „planmäßig festgelegte Post- und Fernmeldeverkehr zwischen zwei Endpunkten in beiden Richtungen" verstanden 282 . Unter den Begriff der leitungsgebundenen Fernmeldebeziehung fallen nur Telephonkabel 283 . Ob auch Funkverkehr bei Mobiltelephonen darunter subsumiert werden kann, ist zweifelhaft 284 , im Ergebnis aber zu bejahen. Sicher ist, daß unter 280

Der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages hat beschlossen, daß die Rauschgiftkriminalität die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden könne; kritisch dazu mit Hinweis auf die Folgen in Bezug auf das BNDG B. Hirsch, „Zur Verkleinerung der Dienste", in: DIE ΖΕΓΓ vom 18.5.1995. 281 Siehe dazu Konteradmiral Güllich in: Der Spiegel Nr. 15 vom 12.4.1993; Arndt, ZParl 93,621,631. 282

Arndt, NJW 95, 171.

283

Riegel ZRP 93, 468, 470, sieht in der Richtfunkstrecke via Satellit keine leitungsgebundene Strecke, sofern sie „mobil" ist. Diese würden durch die Fernmeldekontrolle des BND erfaßt, die sich nicht auf § 3 G10 stützen ließe. Auch der BND gehe von einer solchen Definition aus, da die Fernmeldekontrolle nicht mit Zustimmimg des Abgeordnetengremiums nach § 9 G10 erfolge, sondern „in Eigenregie", Riegel aaO. Diese Praxis sei verfassungswidrig und einzustellen. Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Kommunikationsbeziehung zweier Ausländer im Ausland nicht durch Art. 10 GG geschützt. 284

Ausführlich Riegel ZRP 93, 468, 470 ff, der unter Mobilfunk keine „Individua Ikontrolle, sondern Massenkommunikation" sehen will. Für eine

IV. Die bestehenden Kontrollen

1

Beachtung der bisherigen Rechtsprechung nicht alle Funksignale über dem Bundesgebiet erfaßt werden können 285 . Kompliziert ist die Regelung des § 3 I G10, weil er zwischen leitungsgebundenen und nicht leitungsgebundenen Fernmeldeverkehrsbeziehungen unterscheidet. Die Anordnung ersterer ist nur möglich, wenn ein bewaffneter Angriff zu befürchten ist. Dies betrifft allerdings nur die Anordnung. Werden im leitungsgebundenen Fernmeldeverkehr Daten erlangt, die in bezug zu den Taten nach § § 2 ; 3 I G 1 0 stehen, so ist deren Verwertung gleichwohl zulässig. Die Kontrolle nach § 3 G10 darf nicht dazu verwendet werden, individuelle Anschlüsse zu überwachen. So verbietet § 3 I I G l 0 die Verwendung von Suchbegriffen, die die gezielte Erfassung von Anschlüssen ermöglicht. Befindet sich der überwachte Anschluß jedoch im Ausland und gehört nicht einem deutschen Staatsbürger oder einer juristischen Personen, die überwiegend in deutscher Hand sind, ist dies gleichwohl möglich 2 8 6 . Diese Kontrolle kann eingesetzt werden, sofern die äußere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet ist, oder wenn eine der genannten schweren Straftaten verhindert werden soll. Daneben sind weitere Voraussetzungen zu beachten, die für beide Verfahrensarten identisch sind. Eine Kontrolle des Post- und Fernmeldeverkehrs muß vom BfV, dem M A D oder dem BND beantragt werden, § 4 G10. Für eine Fernmeldekontrolle nach § 3 G10 obliegt dem BND alleine die Antragsbefugnis. Die Anordnung erfolgt für die Nachrichtendienste des Bundes durch den Bundesinnenminister. Dieser wurde gemäß § 5 I G10 vom Bundeskanzler dazu bestimmt. Die strategische Kontrolle wird durch den Bundesminister der Verteidigung angeordnet. Eine Beschränkungsmaßnahme darf aber erst nach Genehmigung durch die G10-Kommission vollzogen werden, es sei denn, es ist Gefahr im Verzug. Die G10-Kommission entscheidet verbindlich über die Beschränkung 287 . Zu beachten sind weiterhin formelle Rechtmäßigkeitskriterien, etwa daß Antrag und Anordnung schriftlich zu ergehen haben 288 .

,.Abhörrasterfahndung", Riegel aaO, aber fehle die rechtliche Grundlage. Das kann aufgrund der technischen Möglichkeiten auch zum jetzigen Zeitpunkt dahinstehen. Eine solche Überwachung ist tatsächlich kaum möglich. Im Ergebnis aber dürfte die von Riegel aufgeworfene Frage zu bejahen sein, denn es ist kein struktureller Unterschied ersichtlich, der eine andere Handlungsweise rechtfertigen würde. 283

Arndt, NJW 95, 171.

286

Diese Regelung zeigt, daß auch der Gesetzgeber von der oben angegebenen Deutung des Schutzbereiches des Art. 10 GG ausgegangen ist. 287

Zum Verfahren vgl. auch Bundesamt für Verfassungsschutz, S. 56.

288

Weitere formelle Voraussetzungen ergeben sich aus den §§4-6G10.

1

Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis cc) GlO-Gremium

Das GlO-Gremium nach § 9 I G10 besteht aus fünf Parlamentariern, die zu Beginn der Legislaturperiode gewählt werden. Ihm obliegt die parlamentarische und politische Kontrolle. Die für die Anordnungen zuständigen Bundesminister haben mindestens halbjährlich über die Handhabung der Beschränkung des Rechts aus Art. 10 GG zu berichten. Über konkrete Individualbeschränkungen besteht keine Berichtspflicht. Bei der Unterrichtung kann das Gremium sich umfassend berichten lassen 289 , es bestimmt den Inhalt der Untersuchung weitgehend selbst. Es dient der Klärung von Grundsatzfragen. Das GlO-Gremium berät über gesetzgeberische Maßnahmen im Zusammenhang mit seinem Aufgabenbereich. Aufgrund seiner großen Sachkompetenz kommt ihm ein großer Einfluß bei der Vorbereitung von Gesetzen in diesem Bereich zu. Er ersetzt nicht die Vorbereitung des zuständigen Ausschusses, jedoch weicht dieser in der Regel nicht von einer Empfehlung des G10Gremiums ab. Das GlO-Gremium muß nach § 3 I G l 0 der Anordnung einer strategischen Überwachung zustimmen. Die wichtigste Aufgabe neben der politischen Kontrolle besteht in der Wahl der G10-Kommission nach § 9 I V G10 sowie in der Zustimmung zu ihrer Geschäftsordnung.

dd) G10-Kommission Die G10-Kommission ist das eigentliche Kontrollorgan, das die Beschränkungsmaßnahme im Einzelfall genehmigen muß.

(1) Rechtsnatur der G10-Kommission Die Kommission prüft die Rechtmäßigkeit der Beschränkung einer Maßnahme nach dem G10. Ihr obliegt somit die Rechtmäßigkeitskontrolle, die von Gerichten nicht ausgeübt werden kann, da bis zur Bekanntgabe der Maßnahme der Rechtsweg nicht eröffnet ist. Für die Rechtsnatur dieses Gremium ergibt sich daraus aber nicht zwingend eine Zuordnung zur Judikative. Eine positivrechtliche Klassifizierung der Kommission existiert, etwa im Gegensatz zum Wehrbeauftragten, der ein

289

Borgs/Ebert, S. 204.

IV. Die bestehenden Kontrollen

1

Hilfsorgan des Bundestages darstellt, nicht. Insbesondere aus Art. 10 I I GG kann nicht auf die Rechtsnatur der Kommission geschlossen werden, da lediglich festgelegt wird, daß an die Stelle des Rechtsweges ein durch die Volksvertretung bestelltes Organ tritt. Einiges spricht dafür, in der Kommission ein Gericht zu sehen 290 , insbesondere die Unabhängigkeit der Mitglieder in ihrer Entscheidung. Dagegen spricht zwar auch, daß kein rechtliches Gehör dem Betroffenen geschenkt wird, entscheidender aber ist, daß die Entscheidungen nicht in Rechtskraft erwachsen. Weiterhin kann die Kommission ihre Befugnisse auch von Amts wegen ausüben. Ein Inquisitionsgericht kennt die deutsche Rechtsordnung nicht. Das Bundesverfassungsgericht geht wohl von einer Einordnung in den exekutivischen Bereich aus 291 . Eine solche Einordnung folgt aus dem Gedankengang des Urteils, wonach eine mit den Befugnissen der G10-Kommission ausgestattete Institution nicht den durch die Gewaltenteilung der Judikative 292 vorbehaltenen Kern verletze. Entscheidend dagegen spricht, daß die Kommission nicht weisungsgebunden ist und auch keine Weisungen erteilen kann. Exekutivstellen sind lediglich an ihre Entscheidungen gebunden 293 . Denkbar ist auch eine Einordnung als Ausschuß im Sinne des § 88 VwVfG 2 9 4 . Das G10 - Verfahren stellt ein Verwaltungsverfahren und die Anordnung des Bundesministers ist ein mehrstufiger Verwaltungsakt im Sinne des § 35 VwVfG 2 9 5 . Eine solche Zuordnung aber setzt die eindeutige Zuordnung der Kommission zum Bereich der Exekutive voraus, da § 1 I Nr. 1, I V VwVfG den Anwendungsbereich auf die Erledigung einer öffentlichrechtlichen Verwaltungstätigkeit beschränkt. Hierzu gehört nicht die Tätigkeit der Rechtsprechung oder von Verfassungsorganen im spezifisch verfassungsrechtlichen Bereich 296 . Hierin ist kein selbständiger Einordnungsvorschlag zu erblicken 297 . 290 Nach Friesenhahn, HbDSt Π, S. 524, ist Richter, „wer als von zwei Personal unabhängiger deren Streit schlichtet". 291

BVerfGE 30, 1, 28, beschreibt sie als „innerhalb des Funktionsbereiches der Exekutive" angesiedelt. Es nennt die Kommission aber auch ein „Kontrollorgan" eigener Art. 292

Damit scheidet eine Zuordnung zur Judikative begriffsnotwendig aus.

293

Etwa ob eine Benachrichtung erfolgen kann.

294

Borgs/Ebert, S. 207.

293

Borgs/Ebert, S. 142, definiert ihn als vierstufigen VA, der erst dann Außenwirkung entfaltet, wenn die Beschränkungsmaßnahme vollzogen wird. Davor handelt es sich um ein Verwaltungsintemum. 296 297

Stelkens/Bonks/Sachs, § 1 Rn. 84 ff.

Auch Borgs/Ebert, S. 207, sieht diese Einordnung nur als Vorschlag: „Die Kommission kann als spezieller Ausschuß (...) gelten."

1

Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

Desweiteren überzeugt auch eine Einordnung als Parlamentsorgan oder parlamentarisches Hilfsorgan nicht, da keine Abhängigkeit gegenüber dem Plenum besteht. Ausschußmitglieder können nur Abgeordnete des Parlamentes sein. Auch die Mitglieder der PKK als parlamentarisches Hilfsorgan sind notwendig gewählte Volksvertreter und in ihrer Eigenschaft als Mitglied der PKK vom Vertrauen des Bundestages abhängig 298 . Somit liegt es nahe, die G10-Kommission als unabhängiges Staatsorgan eigener Art anzusehen 299 , da sie Kompetenzen aus allen Gewalten hat. Dafür spricht auch, daß sie sich selber eine Geschäftsordnung geben kann, die allerdings von dem GlO-Gremium genehmigt werden muß. Unterschiedliche Folgen aus einer Einordnung zu einer der klassischen Gewalten ergeben sich nicht. Dies unterstreicht, daß in der Bundesrepublik die Gewaltenteilung nicht in der klassischen Dreiteilung zu suchen ist, sondern in einer sich ausgleichenden Macht- und Kontrollverteilung der einzelnen Organe in einem Sinn des check and balance. Das Bundesverfassungsgericht 300 hat festgestellt, daß nur eine Kommission wie die G10 - Kommission in verfassungsrechtlich einwandfreier Weise den Rechtswegausschluß zu rechtfertigen mag. Von besonderer Bedeutung war, daß nicht nur dem Gremium Abgeordnete der Opposition angehören, sondern auch in der Kommission nicht nur den Regierungsparteien nahestehende Mitglieder vertreten sind 3 0 1 . Der so geregelten Kommission kommt über Art. 10 I I GG mittelbar Verfassungsrang zu.

(2) Mitgliedschaft Die G10 - Kommission besteht aus drei Mitgliedern, dem Vorsitzenden 302 und zwei Beisitzern, § 9 I V G10. Weiterhin wird für jedes Mitglied ein Stellvertreter ernannt. Da nur bei Anwesenheit der drei Mitglieder oder ihrer Stellvertreter Beschlußfahigkeit gegeben ist, § 3 I I I GeschO GIO 3 0 3 , wird so die 298

Letzteres ist strittig. Die Bundestagsverwaltung geht von einer Unentziehbarkeit der Mitgliedschaft durch Abwahl aus. 299 Arndt, Parlamentarische Kontrolle, Rn. 32 S. 1384, ders., FS Schäfer, S. 155 ff; sich ihm anschließend Friesenhahn, Kontrolle der Dienste, S. 113. 300

BVerfGE 70, 327, 365.

301

Was bei parteilosen Mitgliedern u.U. zu Schwierigkeiten führen kann.

302

Diesen wählt die Kommission aus ihrer Mitte selber. Er hat das Recht, die Sitzungen einzuberufen. 303 Nach § 3 Π GeschO G10 sind die Stellvertreter sogar auch bei Anwesenheit des Mitglieds zur Teilnahme verpflichtet, wenn auch ohne Stimmrecht.

IV. Die bestehenden Kontrollen

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Arbeitsfähigkeit sichergestellt. Die Mitglieder werden von dem G10 - Gremium nach Anhörung der Bundesregierung 304 ernannt. Ihre Mitgliedschaft endet erst mit der Neubestimmung der Mitglieder einer neuen Kommission, spätestens aber drei Monate nach Ablauf der Wahlperiode. Daraus wird deutlich, daß die Mitglieder ihre Legitimation mittelbar aus dem Bundestag ziehen. Die Mitgliedschaft in der Kommission ist nicht von einem Mandat im Parlament abhängig. Tatsächlich sind Abgeordnete die Ausnahme. Eine politische Verzahnung besteht gleichwohl, da die Mitglieder regelmäßig einer Partei angehören. Weitere Qualifikationen sind de lege lata nur für den Vorsitzenden erforderlich, der die Qualifikation zum Richteramt besitzen muß, § 9 I V G10. In der Praxis besitzen diese Befähigung der überwiegende Teil der Mitglieder. Die Mitglieder der Kommission sind bei ihrer Amtsführung frei und Weisungen nicht unterworfen 305 . Sie bekleiden ein öffentliches Ehrenamt, § 9 I V G10306 Geheimhaltungsvorschriften bestehen nur in der Geschäftsordnung, sind also nicht gesetzlich verankert. § 4 GeschO G10 bestimmt, daß die Beratungen geheim sind und die VS-Anweisung für Bundesbehörden Anwendung findet.

(3) Aufgaben Bei den Aufgaben der G10-Kommission lassen sich vier Schwerpunkte feststellen. Sie wirkt bei Beschränkungsmaßnahmen des Grundrechtes aus Art. 10 GG mit, sie kann Beschwerden von Bürgern entgegennehmen, die eine Verletzung ihres Grundrechtes befürchten, sie prüft von Amts wegen xUe Einhaltung des G10 und sie entscheidet über die Benachrichtigung des Betroffenen. Auf Antrag eines Berechtigten entscheidet der zuständige Minister über die Rechtmäßigkeit der Beschränkungsmaßnahme auf die Dauer von höchstens drei Monaten. Die Kommission entscheidet dann unter Vorlage aller Akten über die Beschränkung. Erst nach Zustimmung der Kommission kann die Beschränkung vollzogen werden, es sei denn, es befindet sich Gefahr im Verzug. Möglich ist eine modifizierte Zustimmung der Kommission, also etwa die Ge304 Hier teilt diese hauptsächlich die Ergebnisse der umfangreichen Sicherheitsüberprüfungen mit. 305 306

Sie erhalten eine pauschalierte Aufwandsentschädigung iHv DM 1.500,—.

Damit ist gem. § 65 I 2 BBG bzw. § 42 I 1 BRRG iVm den landesgesetzlichen Vorschriften die Mitgliedschaft eines Beamten nicht von einer Genehmigung des Dienstherrn abhängig. Wäre eine solche erforderlich, so käme der Verwaltung bei der Ernennung von Beamten, in der Praxis sind dies die meisten Mitglieder, ein Vetorecht zu

170

Teil I: Vergleicheilde Bestandsaufnahme und Praxis

nehmigung eines kürzeren als des beantragen Zeitraumes. Diese Entscheidung ist nicht judiziabel, weder durch die Bundesregierung noch durch den Betroffenen, Art. 19 I V 3; 10 I I 2 GG iVm § 9 V I G10. Etwas anderes ergibt sich bei den weiteren Überwachungsfallen nach § 3 G10. Hier ist nach § 3 I G10 zusätzlich die Zustimmung des Abgeordnetengremiums ach § 9 G10, also des G10-Gremiums, notwendig. Eine Eilanordnung kann es nicht geben. Die parlamentarische Verantwortlichkeit des Ministers für diese Maßnahme bleibt unberührt, er kann sich nicht auf die Entscheidung der Kommission berufen. Die Verantwortung fallt ihm in seiner Genehmigung zu. Genehmigt die Kommission modifiziert, so kann sich aus dieser Abweichung keine Nachteile für den Minister ergeben. Erweist sich eine Maßnahme als zu kurzzeitig, so trifft den Minister nur dann ein Verschulden, wenn er eine erneute Beantragung unterlassen hat. Ob die Kommission nur über die Zulässigkeit 307 entscheidet oder auch über die Zweckmäßigkeit 308 entscheiden kann, ist nicht abschließend geklärt. Eine Polarisierung der Meinungen besteht gleichwohl nicht, da insoweit Einigkeit herrscht, daß unzweckmäßige Akte rechtswidrig sind. Die Kontrolldichte der Kommission aber solle sich auf jede Rechtswidrigkeit beziehen 309 . Hierbei aber handelt es sich um einen höchst theoretischen Streit. Kein Minister würde eine Maßnahme aufrechterhalten, die von der Kommission nachdrücklich als unzweckmäßig bezeichnet wurde. Jeder Bürger kann sich mit der Beschwerde, daß er befürchte einen Eingriff in sein durch Art. 10 GG geschütztes Grundrecht, an die Kommission wenden. Andere Behörden, die eine solche Beschwerde erhalten, müssen diese unverändert an die G10 - Kommission weiterleiten, da allein ihr eine Überprüfungskompetenz zusteht 310 . Unabhängig davon, ob eine Telephonkontrolle je stattfand oder nicht, ergeht ein Bescheid darüber, daß das Grundrecht nicht verletzt worden ist. Der gleichlautende Bescheid ist notwendig um einer Ausforschung vorzubeugen 311 . Erfolgt ein unzulässiger Eingriff, bestünde eine Mitteilungs-

307

Borgs/Ebert, S. 206.

308

Arndt, Parlamentarische Kontrolle, Rn. 35 S. 1387.

309

Borgs/Ebert, aaO, rechnet die Kommission zum Bereich der Exekutive und leitet daraus die entsprechende Kompetenz her, Arndt, aaO, folgert eine solche Kompetenz aus der Eigenschaft als Staatsorgan sui generis, das nur unter Beteiligung der Opposition bestehen kann. 310

In der Praxis gehen jährlich etwa 20 bis 30 Beschwerden ein, die meistens schon deswegen unbegründet sind, weil keine Überwachung stattfindet. 311

Arndt, ZParl 93, 632.

IV. Die bestehenden Kontrollen

11

pflicht 3 1 2 . Jede Mitteilung eröffnet den Rechtsweg. Die G10 - Kommission kann weiterhin von Amts wegen tätig werden und die Einhaltung des G10 überprüfen. Sie wird tätig, wenn sie von Vorgängen erfährt, die auf eine Verletzung des G10 hindeuten, sei es aufgrund von Bürgerbeschwerden oder anderer Vorgänge 313 . Die Überprüfung erfolgt in der Praxis nicht nur durch Akteneinsicht oder Anhörung von Beamten, sondern die Kommission nimmt für sich auch das Recht auf persönliche Anwesenheit, Augenschein und Stichprobenkontrollen von Vernichtungsprotokollen 314 . Diese Befugnisse sind im G10 nicht explizit normiert, werden aber gleichwohl in der Praxis gewährt. Die G10 - Kommission hatte sogar Zugang zu den Räumen des BfV und B N D 3 1 5 . Sie sollen sich aus der Wendung „von Amts wegen" in § 9 I I 3 G10 ergeben 3 1 6 . Dies ist zwar mit guten Gründen bezweifelt worden 317 . In der Praxis stehen solche Rechte der Kommission zu, so daß diese Auslegung für die Praxis bindend ist 3 1 8 . Wenn ein Bürger der Post- und Telephonkontrolle durch die Dienste unterlag, ist dies ihm nach Beendigung der Beschränkung mitzuteilen, sofern eine Gefährdung des Zwecks der Beschränkung ausgeschlossen ist, § 5 V Gl0. 312

D.h. ein Fall, der nicht den Voraussetzungen des Verfahrens entspricht. Die Gerichte sind in ihrer Beurteüung nicht an die Kommission gebunden. Allerdings hatte bisher nur eine einzige Klage vor dem BVerwG Erfolg, BVerwGE NJW 91, 581. Hier klagten die in einer Anwaltssozietät verbundenen Anwälte gegen eine Überwachung, die sich darauf stützte, daß sie eine Blanko-Vollmacht von Ulrike Meinhoff besaßen. 313

So etwa durch die Veröffentlichung eines Telephongespräches zwischen Helmut Kohl und Kurt Biedenkopf im „Stern" 1975. Dieses Gespräch war durch das DDR-Amt für Staatsicherheit abgehört worden. 314

Gem. § 7 IV Gl0 sind nicht mehr erforderliche Unterlagen unter Aufsicht eines Beamten mit Befähigung zum Richteramt unverzüglich zu vernichten. Diese ist zu protokollieren, § 7IV 2 Gl 0. 315

Der BND räumte beim Besuch derfranzösischen Commission nationale de contrôle des interceptions de sécurité vom 26. bis 28. 4. 1994 in Deutschland sogar Zugang zu seinen technischen Einrichtungen ein, 3 e rapport d'activité, S. 34. 316

Arndt, Parlamentarische Kontrolle, Rn. 40 S. 1389; ders., Gl0-Verfahren, S. 56; ders. FS Schäfer, S. 155. Er sieht sie nicht nur de lege lata als gegeben an, sondern auch de constitutione. 317

Während Schlink, Der Staat 73, S. 107, diese Rechte vermißt und so zu der Schlußfolgerung einer uneffektiven Kontrolle kommt, deutet Friesenhahn, Kontrolle der Dienste, unter Berufung auf die Rechtsprechung des BVerfG, BVerfGE 30, 31, diese Wendung als ein Tätigwerden auf die Benachrichtigung durch den Minister hin. Daraus ließen sich in der Tat kaum so weitreichende Kompetenzen wie eine Stichprobenkontrolle entnehmen. 318

Friesenhahn erkennt diese Rechte auch an.

12 Hirsch

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Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

Durch Neufassung des G10 3 1 9 ist eine Ausschlußfrist, ursprünglich 5 Jahre, weggefallen, so daß grundsätzlich eine Benachrichtigung vorzunehmen ist, es sei denn, daß eine Zweckgefahrdung auch durch den Zeitablauf nicht wegfällt 3 2 0 . Die Benachrichtigung des Betroffenen ist eine deutsche Besonderheit, die in anderen Staaten nicht normiert ist 3 2 1 . Die Mitteilungspflicht ist bei der Individualkontrolle verfassungsrechtlich geboten 322 , während bei der strategischen Kontrolle eine solche Pflicht nicht bestand 323 . Dieses Urteil ist auf die weiteren Überwachungsfälle nach § 3 G10 übertragbar. Gleichwohl normiert § 3 V I I I G10 eine Benachrichtigungspflicht an den Betroffenen, dessen Daten im Rahmen eines weiteren Überwachungsfalles, in der Regel wohl nur als Zufallsfund, angefallen sind. Eine solche Neuerung ist aus zwei Gründen geboten. Durch die Ausdehnung der strategischen Kontrolle auf weitere Überwachungsfälle auch über den Bereich des „Schutzes der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder des Bestandes oder der Sicherung des Bundes oder eines Landes" (Art. 10 I I 2 GG) hinaus auch auf die Bekämpfung bestimmter Verbrechen, kann ein Ausschluß des Rechtsweges verfassungsrechtlich nicht mehr gerechtfertigt werden 324 . Zum anderen können diese Daten gegen den Betroffenen im Rahmen eines anderen Verfahrens verwendet werden. Kann in diesen Verfahren eine Inzidentkontrolle vorgenommen werden, so muß erst recht ein eigenes Verfahren zulässig sein. Die Mitteilung an den Betroffenen eröffnet den Rechtsweg, § 5 V 4 G10 3 2 5 . Der Kommission obliegt die Entscheidung, ob eine Benachrichtigung nach Beendigung der Maßnahme zu erfolgen hat. Sie kann den zuständigen Minister veranlassen, eine Benachrichtigung vorzunehmen, oder sie kann der Entscheidung, eine solche zurückzustellen, zustimmen. Sie kann nicht eine Benachrichtigung unterbinden. Ihr obliegt somit die Entscheidung, wann auch durch den Zeitablauf eine Zweckgefährdung nicht entfallen kann. Von der Kontrolle durch den Beauftragten für den Datenschutz sind die personenbezogenen Daten 319

Durch das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28.10.1994, BGBl. 1994 I, S.

3186. 320

Siehe soeben oben.

321

Siehe hierzu die Übersicht über die Maßnahmen zur Einschränkung des Telephongeheimnisses in: 1 er rapport d'activité 1991 - 1992, S. 238, 239. 322

BVerfGE 30, 1.

323

BVerfGE 67, 157, da hier personenbezogene Daten höchstens zufallig anfallen.

324

Siehe soeben oben.

325

Von den wenigen Klagen, die eingereicht worden sind, hatte nur eine vor dem BVerwG Erfolg. Dies verwundert nicht, da jede Beschränkungsmaßnahme vorher durch die G10-Kommission geprüft wurde, also schon einmal einen quasi-gerichtlichen Prozeß durchlaufen hat.

IV. Die bestehenden Kontrollen

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ausgenommen, die der Kontrolle durch die G10-Kommission unterliegen, § 24 I I Nr. 1 BDSG 3 2 6 Das G10 ist insofern lex specialis zum BDSG 3 2 7 . Die Kommission kann den Beauftragten für den Datenschutz ersuchen 328 , bestimmte Vorgänge oder Bereiche zu untersuchen und ausschließlich ihr darüber zu berichten. Inwieweit das Recht aus § 3 I X 1 G l 0 eine Prüfung des BfD im Bereich der Fermeldekontrolle voraussetzt, bleibt abzuwarten. Nötig ist dies nicht, da auch die grundsätzliche Stellungnahme möglich ist. Eine solche Beauftragung wurde noch nicht vorgenommen. Dieses Recht ist von der Kommission bisher nicht in Anspruch genommen worden. Es kann aber zu einer effektiveren Kontrolle führen, da der Kommission ein „Hilfsorgan" an die Hand gegeben wird.

(4) Berichtspflichten Berichtspflichten der G l 0 - Kommission an das Parlament oder die Öffentlichkeit bestehen nicht 3 2 9 . Einzige Ausnahme normiert nun § 3 X Gl0, nach dem das Gremium nach § 9 1 G10 dem Bundestag jährlich über die Durchführung des § 3 G10 zu berichten hat. Bisher wurde die Öffentlichkeit nur über die Anzahl der gerichtlichen Abhörmaßnahmen informiert, über die bei der Bundespost eine Statistik geführt wurde. Diese wurde regelmäßig von den Abgeordneten im Rahmen einer Anfrage erfragt und so veröffentlicht.

ee) Zusammenarbeit mit den Ländern Wollen die LfV Abhörmaßnahmen durchführen, so müssen sie ein entsprechendes Verfahren, an dem anstelle der Bundesbehörden Landesbehörden treten, durchlaufen, § 5 I G10. Demnach haben alle Länder G10 - Organe errichtet. Die ihnen aus § 9 V G10 dafür eingeräumte Kompetenz läßt ihnen unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes nur einen geringen Spielraum, da ein anderes parlamentarisches Kontrollsystem als das des

326

Kritisch Riegel, RiA 92, 168, 172 und DöV 85, 314.

327

AA Riegel, DÖV 85, 314 und DVB1 87, 325, 333.

328

Ein Weisungsrecht steht ihr nicht zu Man wird dieses Recht dogmatisch als Ermächtigung anzusehen haben, da die G10- Kommission den Datenschutzbeauftragten erlaubt, inneihalb ihres Kompetenzbereiches tätig zu werden. 329 Anders in den meisten andere Staaten, siehe 1 er rapport d'activité 1991 - 1992, S. 238, 239.

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Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

Bundes verfassungsmäßig schwerlich denkbar ist 3 3 0 . In den Ländern können nur Maßnahmen zur Individualkontrolle getroffen werden, da die L f V einerseits nicht die Antragsbefugnis für weitere Überwachungsfalle nach § 3 G10 besitzen, zum anderen eine solche Kontrolle außerhalb ihrer Kompetenz liegt. Werden Beschränkungsmaßnahmen getroffen, so informiert das L f V das BfV und umgekehrt das BfV dasjenige LfV, dessen Zuständigkeitsbereich betroffen ist. In der Praxis kommt allerdings auch eine gewisse Aufgabenteilung hinzu. So werden aus technischen und organisatorischen Gründen bestimmte Gebiete grundsätzlich nur von einem Verfassungsschutzamt überwacht. Damit ein Bürger, fühlt er sich beeinträchtigt, einen korrekten Bescheid über die Beschränkung seines Rechts aus Art. 10 GG erhält, haben die Vorsitzenden der G10-Kommissionen in ihren regelmäßigen Sitzungen im Mai 1973 ein Verfahren entwickelt, nach dem ein solcher lückenloser Schutz gewährt werden kann. Hiernach wird zwischen der „bescheiderteilenden" und der „entscheidenden" Kommission unterschieden. Erstere ist die angeschriebene 331, letztere diejenige, in deren Zuständigkeitsbereich eine Maßnahme angeordnet wurde. Nur sie entscheidet über die Rechtmäßigkeit einer Maßnahme. Sie existiert in einer Vielzahl der Beschwerden somit gar nicht. Die Bescheide ergehen nach dem oben dargelegten Muster. Eine solches System setzt die Zusammenarbeit der Kommissionen voraus, die in der Praxis auch gut funktioniert.

fi) Fazit Trotz der anfänglichen verfassungsrechtlichen Bedenken hat sich die Kontrolle im Bereich des G10 als wirkungsvoll erwiesen. Im Vergleich mit den Einschränkungen, die nach §§ 100 a, b StPO vorgenommen wurden, ist ein wesentlich besserer Schutz des Grundrechtes zu erkennen 332 . Der frühere Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichtes Walter Seuffert sah die Grundrechte in der deutschen Geschichte bei den Parlamenten besser gewahrt als bei den Gerichten 333 . Wie die nachfolgende Kontrolle durch die Gerichte zeigt, sind Mißbräuche praktisch ausgeschlossen334.

330

Unterschiede lassen sich demnach auch mehr in der Handhabung feststellen, etwa dergestalt, daß in den Ländern meistens Abgeordnete in den Kontrollorganen wirken. 331 Bei mehreren angeschriebenen die Bundeskommission, falls diese nicht informiert wurde, die Kommission des Wohnsitzlandes. 332

Vergleiche oben.

333

Seuffert, Wie wandelbar muß eine Verfassung sein?, FAZ vom 9. 3. 1971, S. 10.

334

Allerdings ist die Zahl der eingereichten Klagen auch relativ gering, was mit den geringen Erfolgsaussichten zusammenhängen mag, aber auch damit, daß u.U. auf die

IV. Die bestehenden Kontrollen

1

Der Schwerpunkt der Kontrolle liegt bei der Kommission, nicht bei dem Gremium, das seine Zuständigkeit für grundlegende Fragen hat. Bei der Beschaffung von Informationen durch GlO-Maßnahmen handelt es sich aber um einen sehr kleinen Teil der Aktivitäten der Dienste. Eine umfassende Kontrolle wird durch die G10-Gremien nicht gewährt.

b) Gremium nach §41 VA WG Durch die Neufassung des AWG durch Gesetz vom 28.2.1992 wurde das Z K A ermächtigt, in das Grundrecht aus Art. 10 GG einzugreifen. Dieses Recht war durch das AWG bis zum 31. 12. 1994 befristet. Im Rahmen des Achten Gesetzes zur Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes 335 ist eine Verlängerung bis zum 31. 12. 1996 vorgenommen worden 336 . Das Z K A ist verpflichtet, dem BfV alle Daten weiterzuleiten, die in den Bereich des Verfassungsschutzes gehören. Auch hier wurde ein parlamentarisches Gremium geschaffen, um auch hier eine Kontrolle ausüben zu können, da hier in einem sensiblen Bereich nachrichtendienstliche Mittel eingesetzt werden können. Wie auch im Rahmen des G l 0 unterliegt das Z K A aber nur mittelbar parlamentarischer Kontrolle, das Gremium kontrolliert die Bundesregierung unmittelbar.

aa) Verfahren und Voraussetzungen der Beschränkung Gemäß § 39 I AWG darf das Z K A eine Post- und Fernmeldekontrolle durchführen, um Verstöße gegen das AWG oder K W K G zu verhüten 337 . Nach § 39 I I AWG ist eine solche Maßnahme gegen Personen zulässig, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß sie Straftaten planen, die unter die vorgenannten Gesetze fallen. Sie können sich auch gegen Umfeldpersonen 338 nachträgliche Feststellung der Rechtswidrigkeit verzichtet wird. Die Beschränkung für den einzelnen liegt zum einen in der Vergangenheit, zum anderen wird die Tatsache, daß man in den begründeten Verdacht staatsfeindlichen Verhaltens gekommen ist, erst durch den Prozeß publik. 333

BGBl. 1994 I, S. 2068.

336

Siehe hierzu ausführlich Hetzer, ZfZ 95, 34.

337

Besteht der dringende Verdacht, daß eine Straftat nach diesen Gesetzen schon begangen worden ist, so erfolgt die Kontrolle durch die zur Strafverfolgung berufenen Behörden nach den §§ 100 a, b StPO, vgl. § 160 StPO. 338

Siehe S. 160 ff für die Rechtslage im Zusammenhang mit Einschränkungen nach dem G10.

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Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

richten, zu denen auch juristische Personen oder Personenvereinigungen gehören, für die eine solche Person tätig ist. Hierbei gelangt man in ein sehr komplexes, rechtsstaatlich bedenkliches Gebiet. § 39 I I AWG verweist auf § 34 AWG. Dieser ist als abstrakter Gefährdungstatbestand aufgebaut 339 , bei dem auch der Versuch strafbar ist, § 34 V AWG. Ein Eingriff nach § 39 I I kann daher „ i m Extremfall (...) im Vorfeld zum Versuch der Vorbereitungshandlung zum Gefahrdungsdelikt tc340 erfolgen. Die weiteren Voraussetzungen ähneln denen des G10. Entscheidend ist, daß tatsächlich Anhaltspunkte vorliegen 341 , sowie daß der Eingriff als ultima ratio erfolgt. Das Z K A muß einen Antrag, der durch den Bundesminister der Finanzen genehmigt wurde, beim Landgericht Köln stellen 342 . Die Staatsanwaltschaft ist zu informieren. Das Verfahren ist dem G10 nachgebildet, wobei das Landgericht Köln an die Stelle der Kommission tritt. Dieses ist verfassungsrechtlich geboten, da ohne Einschaltung eines Gerichtes ein Eingriff nicht mehr durch Art. 10 I I GG gedeckt wäre. Die Entscheidung des Landgerichtes erwächst aber nicht in Rechtskraft, der Betroffene kann nach Erhalt einer Mitteilung über die Maßnahme nach § 41 I V AWG dagegen Klage erheben. Erfährt der Betroffene schon vor der Mitteilung von seiner Überwachung, so kann er nach § 40 I I I 2 AWG dagegen gemäß den §§19 ff FGG Beschwerde beim Landgericht erheben. Eine solche Beschwerde dürfte aber auch dem Z K A zustehen, falls sein Antrag abgelehnt werden sollte. Insofern ist, anders als im Rahmen des G10, die Entscheidung justiziabel. Das Landgericht wird in seiner Entscheidung nicht wie ein Gericht tätig, gleichwohl ist seine Entscheidung nicht wie die der G10 - Kommission weiterer gerichtlicher Erörterung entzogen. Ein solcher würde auch der Einordnung des Landgerichts in seinem Entscheidungsverfahren als Gericht dogmatisch widersprechen. Die dogmatische Einordnung wäre von entscheidender Wichtigkeit im Hinblick auf die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes aufgrund von Art. 10 I I 2 GG. In der Praxis werden Beschwerden eines Bürgers nach §§ 19 ff FGG daran scheitern, daß er von diesem Eingriff erst durch die Mitteilung durch das Z K A erfahrt.

339

Zu seinem Aufbau siehe Hetzer ZfZ 95, 34, 37.

340

Hetzer, aaO.

341

Zum Begriff der „tatsächlichen Anhaltspunkte" siehe oben.

342

Insofern ist die Kritik von Kömer, NJW 93, 234, nicht überzeugend.

IV. Die bestehenden Kontrollen

1

bb) Gremium nach § 41 V AWG § 41 V AWG bestimmt, daß der Bundesminister der Finanzen ein Gremium aus fünf Abgeordneten des Bundestages über die Durchführung von Maßnahmen nach den §§ 3 9 - 4 3 AWG mindestens halbjährlich unterrichtet. Ein solches Gremium ist erstmals am 4. 6. 1992 gewählt worden und hat sich in seiner zweiten Sitzung am 10. 9. 1992 eine Geschäftsordnung gegeben, die der des G10-Gremiums entspricht. Die fünf Mitglieder sind alle Mitglieder des G10-Gremiums. Dieses Gremium wird wie das G10-Gremium über Grundsatzfiragen informiert 343 .

cc) Fazit Hier wurde ein mit dem G10-Verfahren vergleichbarer Kontrollapparat geschaffen. Die eigentliche Kontrolle wird im Rahmen des G10 von der Kommission ausgeübt, an ihre Stelle ist ein Gericht getreten, das nicht so weitgehende Befugnisse besitzt. Bei einer Beurteilung aber bleibt zu bedenken, daß es sich bei dem Z K A um eine Polizeidienststelle handelt. Bei Beschränkungen nach der StPO ist kein parlamentarisches Gremium beteiligt. Dies wird dadurch ausgeglichen, daß die Anforderungen an eine Kontrolle entsprechend höher sind. Ein Mißbrauch dieser Möglichkeit hängt davon ab, ob daß Landgericht Köln sich seiner hohen Verantwortung bewußt ist. Für die Praxis darf man allerdings nicht vergessen, daß die G10-Kommission ermächtigt ist, auch Unregelmäßigkeiten aufzudecken, die bei Durchführung einer Maßnahme nach dem AWG anfallen.

8. Rechnungsprüfung der Haushaltsführung der Nachrichtendienste Die Dienste unterliegen, wie die allgemeine Staatsverwaltung insgesamt, der Rechnungsprüfung durch die dafür vorgesehenen Stellen.

343 Riegel, Datenschutz, S. 186 bemängelt, daß dem Gremium wie auch dem G10Gremiim keine besonderen Befugnisse zustehen, „es ist somit ein reines Feigenblatt wie letzteres".

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Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis a) Bundesrechnungshof

Der Bundesrechnungshof 344 prüft die Ausgaben der Behörden des Bundes 345 . Er ist ein unabhängiges Organ und nur dem Gesetz unterworfen, § 1 BRHG 3 4 6 . Seine Mitglieder 34 besitzen richterliche Unabhängigkeit, § 3 I V 1 BRHG iVm Art. 114 I I 1 GG 3 4 8 . Sein Präsident 349 und Vizepräsident werden durch die Mehrheit des Bundestages in geheimer Wahl ohne Aussprache gewählt. Der Präsident schlägt die weiteren Mitglieder des Rechnungshofes vor, deren Ernennung durch den Bundespräsidenten erfolgt 350 . Der Rechnungshof faßt sein Prüfungsergebnis jährlich in einem Bericht zusammen, der dem Parlament und der Regierung zuzuleiten ist, § 97 B H O 3 5 1 . Die Prüfung erfolgt auf die Ordnungsmäßigkeit, das ist nicht nur rechnungstechnische Korrektheit, sondern auch auf die Rechtmäßigkeit, sowie auf die Wirtschaftlichkeit 352 . Eine politische Kontrolle durch den Rechnungshof findet

344

Zum internen Aufbau vgl. Vogt S. 187 ff. Zur Einordnung des BRH in das verfassungsrechtliche System vgl. ausfuhrlich Arnim, Finanzkontrolle, S. 39 ff. 345 Die Vorprüfungsstellen nach § 100 BHO spielen in diesem Zusammenhang keine Rolle, zu ihnen Vogt, S. 191. 346

Der BRH ist trotz seiner Erwähnung in Art. 114 Π 1 GG kein Veifassungsorgan, sondern eine ministerialfreie oberste Bundesbehörde, Roewer, S. 33; offengelassen unter Darstellung des Streitstandes bei Mahrenholz in AK-GG, Art. 114 Rn. 51. Siehe auch ausführlich Grupp, Stellung der Rechnungshöfe, S. 92 ff. 347 Hierzu zählen der Präsident, der Vizepräsident, die Leiter der Prüfungsabteilungen und die Prüfungsgebietsleiter; § 3 I BRHG. 348

Dies gilt nicht für die Prüfungsbeamten und weiteren Bediensteten nach § 4 BRHG, siehe auch Vogt, S. 188. 349

Dieser ist gleichzeitig der Bundesbeauftragte für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (BWV) nach dem Vorbild desfrüheren „Reichssparkommissars". 330

In einigen Ländern werden alle Mitglieder des Rechnungshofes vom Parlament gewählt. 331 332

Die Bezeichnung Bemerkung" hat historische Gründe.

Ausführlich Kisker in HbdStR, § 89, Rn. 110, 111. Auf die inhaltliche Unbestimmtheit des Begriffs des Wirtschaftlichkeitsprinzips weist Munzert, S. 85 ff, sehr kritisch hin. Zu den gegensätzlichen Auffassungen und insbesondere dem Verhältnis des Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes zur Politikkontrolle siehe die Diskussion der 15. Verwaltungswissenschaftlichen Arbeitstagung 1988 des Forschungsinstitutes für öffentliche Verwaltung bei der Hochschule für Verwaltungswissenschaften Speyer, abgedruckt in Hans Herbert von Arnim (Hrsg.), Finanzkontrolle im Wandel, 1989.

IV. Die bestehenden Kontrollen

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nicht statt, das ist eine originäre Aufgabe des Parlaments 353 . Der Rechnungshof legt sich selber eine Zurückhaltung auf, wenn er sich an die politischen Zielsetzungen der Politik hält 3 5 4 . In der Praxis läßt sich eine politische Bewertung kaum von einer Wirtschaftlichkeitsprüfung trennen. Wenn eine Ausgabe nicht mehr als vertretbar erscheint, wird der Rechnungshof eine Wertung abgeben 355 . Dem Parlament steht es freilich frei, sich dieser anzuschließen oder nicht. Die Wurzeln dieser Zurückhaltung sind noch in der frühliberalen Entstehungszeit zu finden, als die staatliche Willensbildung alleinig Aufgabe des Parlaments sein sollte 356 . Im Bereich der Haushalte der Dienste bestehen aufgrund des Geheimhaltungsbedürfnisses Sonderregelungen. Nach § 10 a BHO iVm § 19 BRHG obliegt die Prüfung der Wirtschaftspläne der Dienste allein dem Präsidenten oder einem eng begrenzten Personenkreis unter seiner Mitwirkung. Nach Abschluß der Prüfung hat der Bundesrechnungshof seine Ergebnisse dem Vertrauensgremium des Bundestages nach § 10 a BHO mitzuteilen, das seine Ergebnisse dem Haushaltsausschuß weitergibt. Eine Informationspflicht besteht gegenüber dem Bundesminister der Finanzen, § 10 a I I I BHO, der auf Wunsch der PKK diese unterrichten muß, § 2 I 3 PKKG 3 5 7 . Nach § 97 BHO hat der Bundesrechnungshof seine Prüfungsergebnisse in Bemerkungen zusammenzufassen soweit es für die Entlastung der Bundesregierung von Bedeutung sein kann. Bei geheimhaltungsbedürftigen Angelegenheiten werden diese Bemerkungen nur den Präsidenten von Bundestag und Bundesrat, dem Bundeskanzler und dem Bundesminister der Finanzen mitgeteilt, § 97 I V BHO 3 5 8 . Weiterhin erfolgen ständige Einzelprüfungen 359 . Art. 114 GG garantiert den Grundsatz der Überprüfung der Staatsfinanzen durch den Bundesrechnungshof 360. Auch ihm gegenüber soll eine Geheimhaltung, sofern sie begründet dargelegt wird, möglich sein, allerdings nur be353

Der Rechnungshof hat dem Parlament alle Tatsachen mitzuteilen, die zu einer politischen Bewertung notwendig sind; Karehnke, S. 239; 249. 354

Kisker, HbdStR, § 89, Rn. 112.

335

Grupp, JZ 82, S. 231, beide mwN.

336

Arnim, Finanzkontrolle, S. 40, 55, 59.

337

Die tatsächliche Berichtspflicht trifft den Finanzminister als den zuständigen Ressortminister. Anspruchsgegner der PKK ist die Bundesregierung. 338

Diesen läßt § 10 BHO explizit unberührt.

339

Porzner, Die Verwaltung, 235, 248.

360

Art. 114 Π GG garantiert damit vier Eckpfeiler der Finanzkontrolle: 1) ihre Bestandsgarantie - 2) die sachliche Unabhängigkeit - 3) Die Garantie der Prüfungsaufgaben und ihrer Lückenlosigkeit und - 4) die abschließende Berichterstattung. Siehe dazu Vogt, S. 186, 187.

10

Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

schränkt auf unwesentliche Einzeltitel, eine faktische Aushöhlung des Prüfungsrechts darf nicht stattfinden 361 . Die Kontrolle durch den Rechnungshof ist eine umfassende und intensive. Es gibt, von allgemeinen Rechnungsposten abgesehen, keine unkontrollierbaren Räume. Die Wirtschaftspläne der Dienste werden durch den Präsidenten des Rechnungshofes geprüft. Die hierbei anfallenden Daten dürfen nur den genannten Gremien mitgeteilt werden. Eine Kontrolle der Dienste durch den Rechnungshof findet nur im finanziellen Bereich statt. Nicht kontrollierbar durch den Rechnungshof ist das Gebaren der Dienste, insbesondere ob die Mittel auch tatsächlich nur in rechtmäßiger Form eingesetzt werden. Ansonsten befindet sich der Rechnungshof in einer ähnlichen Lage wie das Vetrauensgremium nach § 10 a BHO. Ob die Ausgaben verhältnismäßig sind, kann sich nur aus den Arbeitsanforderungen an die Dienste ergeben. Solche erschließen sich aber nur durch die Berichte der Dienste selber.

b) Bundesbeauftragter

für die Wirtschaftlichkeit

in der Verwaltung

Der Bundesbeauftragte für die Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung (BWV) wurde durch Kabinettsbeschluß vom 8. 1. 1952 geschaffen 362. Als B W V wurde der damalige Präsident des Bundesrechnungshofes Josef Mayer ernannt. Seitdem nimmt der Präsident des Bundesrechnungshofes traditionell die Funktion des B W V war. Seine Aufgaben sind in Richtlinien des Kabinettsbeschlusses festgelegt. Die Einrichtung des B W V sollte in Fortführung der Erfahrungen mit dem „Reichssparkommissar" der Weimarer Zeit zu einer effektiveren Nutzung der Haushaltsmittel beitragen. Beweggrund für die Schaffung war der Umstand, daß der Bundesrechnungshof Vorschläge für eine sparsame Nutzung der Haushaltsmittel des Bundes nur im Zusammenhang mit der Rechnungsprüfung oder im Falle einer besonderen Beauftragung machen konnte 363 . Es sollte eine Stelle geschaffen werden, die von sich aus schon vor Leistung der Ausgaben, Vorschläge für die Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit machen kann.

361 Vogel/Kirchhof, BK Art. 114, Rn. 126, die als Beispiel den Etat des Bundeskanzlers zu allgemeinen Zwecken, 1971: DM 350 000,—, anführen. 362

Bekanntmachung über den Bundesbeauftragten für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung vom 30. 6. 1952, Bundesanzeiger Nr. 128 vom 5. 7. 1952, S. 1. Die jetzt gültigen Richtlinien stammen vom 26. 8. 1986, bekanntgemacht im Bundesanzeiger Nr. 163 vom 4. 9. 1986, S. 12485. 363

Damals galt neben dem Gesetz über den BRH vom 27. 11. 1950, BGBl. I 1950, S. 765, noch die RHO fort.

V. Die bestehenden Kontrolle aa) Rechtsstellung Die Rechtsstellung des B W V ergibt sich aus seiner Berufung durch Kabinettsbeschluß. Er ist als Beauftragter der Regierung anzusehen. Damit ist er Organ der Bundesverwaltung 364 . Dies ergibt sich daneben zwingend aus Nr. 7 der ursprünglichen Richtlinie, die ihm die Befugnis einräumte, an Sitzungen des Bundestages und seiner Ausschüsse teilzunehmen. Nach Art. 43 I I 1 GG kann die Bundesregierung ihr diesbezügliches Recht an einen Beauftragten erteilen. Wäre der B W V nicht Beauftragter der Bundesregierung, läge ein Verfassungsverstoß vor, da die Bundesregierung nicht dazu ermächtigt ist, weitergehende Zutrittsrechte zu parlamentarischen Gremien zu normieren. Diese Bestimmung ist in der geltenden Richtlinie nicht mehr enthalten. Durch den Neuerlaß 365 sollte eine Änderung der Rechtsstellung nicht vorgenommen werden. Bei der Erstellung von Gutachten ist der B W V von Weisungen unabhängig. Auch dieses ist in dem Neuerlaß 1986 nicht mehr explizit enthalten, ergibt sich aber aus der besonderen Stellung des BWV. Eine gutachterliche Tätigkeit, bei der Weisungen zu befolgen sind, ist in sich widersinnig, da durch die Weisungen ein bestimmtes Ergebnis erzielt werden kann.

bb) Befugnisse Der BWV bedient sich zu einer Aufgabenerfüllung der Präsidialabteilung des Bundesrechnungshofes 366. Der B W V hat die Bundesregierung in Fragen der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung mit der Zielsetzung zu beraten, ihren Wirkungsgrad zu steigern. Sein Aufgabengebiet umfaßt die gesamte Bundesverwaltung, damit auch den - nicht explizit genannten - Bereich der Dienste. Dazu ist er berechtigt, Prüfungen und örtliche Besichtigungen vorzunehmen. Er ist dabei „von den betroffenen Stellen in jeder Hinsicht (z.B. durch Auskünfte oder Aktenvorlage)" 367 zu unterstützen. Mit Einverständnis einer Landesregierung kann er seinen Prüfungsauftrag auch auf Landesbehörden erstrecken. Er soll von sich aus tätig werden. Daneben hat er auf Ersuchen des Bundestages, des Bundesrates, der Bundesregierung oder eines Bundesministers gutachterlich tätig zu werden. Seine Berichte hat er an die ersuchende Stelle zu richten 368 . 364

Viaion, S. 1079.

363

Siehe Bundesanzeiger Nr. 72 vom 14. 4. 1965 und Nr. 163 vom 4. 9. 1986.

366

Dieses ergibt sich aus der Praxis.

367

Nr. 2 Absatz 2 der Richtlinie 1986 aaO.

368

Berichtet er dem Bundesrat oder dem Bundestag, so hat er gleichzeitig auch der Bundesregierung zu berichten, Nr. 3 Satz 2 der Richtlinie 1986.

Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis cc) Bestimmungen der BHO und BRHG Nach dem Wortlaut der Richtlinie der Bundesregierung ist eine Geheimhaltung bestimmter Vorgänge unter Berufung auf höherstehende Interessen durch eine in Anspruch genommene Stelle gegenüber dem B W V nicht möglich 3 6 9 . Daneben unterliegt der B W V keiner besonders normierten absoluten Geheimhaltungsverpflichtung. Da die Leiter der Dienste des Bundes gegenüber der Regierung weisungsgebunden sind, kann durch den Kabinettsbeschluß eine entsprechende Verpflichtung gesehen werden, gegenüber dem B W V keine Tatsachen geheimzuhalten. Der Bereich der Ausgaben der Dienste läßt jedoch enge Rückschlüsse auf die Struktur und Aufgabenerfüllung durch sie zu 3 7 0 . Da der B W V gegenüber der ihn beauftragenden Stelle seine Aufgabe umfassend und effektiv zu erledigen hat, könnte sich etwa der Bundestag in Umgehung der gesetzlichen Regelungen in § 10 a BHO bzw. § 19 BRHG über den B W V bis zu einem gewissen Grad über den Haushalt und die Verwendung der Mittel im Bereich der Dienste informieren. Die Bundesregierung kann jedoch nicht durch einen Kabinettsbeschluß gesetzliche Regelungen unterlaufen. Dies lag auch nicht in ihrer Absicht. Der Kabinettsbeschluß ist somit in Hinblick auf die gesetzlichen Regelungen der BHO und des BRHG einschränkend auszulegen. Eine Beauftragung des B W V im Hinblick auf die Dienste ist somit nur durch die Bundesregierung bzw. den zuständigen Fachministern möglich. Dabei wird eine absolute Geheimhaltungsverpflichtung zu fordern sein. Eine Anrufung durch den Bundestag oder den Bundesrat scheidet auf diesem Gebiet hingegen aus, da § 10 a BHO die genauere Prüfung der Haushaltsmittel der Dienste dem Vertrauensgremium vorbehält. Dieses ist aber weder durch den Kabinettsbeschluß noch durch den Bundestag selber zu einer Anrufung des B W V ermächtigt. Nach Nr. 3 Satz 3 der Richtlinie 1986 ist eine Übermittlung der Gutachten auch an andere Stellen möglich. Dieses steht jedoch unter der Einschränkung, daß der betroffene Bundesminister sein Einvernehmen erteilt. Bestehen jedoch gesetzliche Regelungen, die eine bestimmte Materie bestimmten Gremien unter weitestgehender Geheimhaltungsverpflichtung vorbehalten, so wäre die Erteilung eines solchen Einvernehmens aufgrund dieser Normierungen rechtswidrig. Diese Geheimhaltungsverpflichtung wird durch die Übermittlung eines Gutachtens unterlaufen.

369 370

Die betroffenen Stellen müssen „in jeder Hinsicht" den BWV unterstützen.

Der Haushalt des BND im Jahre 1995 ist noch geheim, siehe B. Hirsch, „Zur Verkleinerung der Dienste", in DIE ΖΕΓΓ vom 18.5.1995.

V. Die bestehenden Kontrolle

183

dd) Fazit Der B W V trägt zu einer Kontrolle der Dienste nichts bei. Er kann lediglich für die dienstaufsichtsführende Bundesregierung tätig werden. Diese kann die zu erwartenden Informationen auch durch eigene Erhebung erlangen, ohne daß sie sich des B W V bedienen müßte. Im übrigen ist das Interesse der Bundesregierung, den B W V im Bereich der Dienste einzusetzen, aufgrund der Sicherheitsrelevanz der Materie sehr gering.

9. Bundesbeauftragter für den Datenschutz Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz (BfD) achtet darauf, daß im Umgang mit personenbezogenen Daten die rechtlichen Schranken eingehalten werden. Nach Auffassung der einen verhält er sich dabei wie ein Oberaufseher und Besserwisser, nach Auffassung der anderen sind sie „von erheblicher Bedeutung für einen effektiven Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung" 371 . Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in einem Rechtsstaat, der vom Leitbild des mündigen Bürgers ausgeht, fordert eine besondere Kontrolle des staatlichen Umgangs mit personenbezogenen Daten durch eine unabhängige Stelle 372

a) Stellung und Aufgaben des Bundesbeauftragten fur den Datenschutz Der BfD stellt eine unabhängige, nur dem Gesetz unterworfene Dienststelle dar, die beim Bundesminister des Inneren besteht 373 . Ihre Rechtsgrundlage findet sich in den §§ 22-26 BDSG 3 7 4 . Der BfD steht in einem öffentlichrechtlichen Amtsverhältnis zum Bund 3 7 5 . Er wird auf Vorschlag der Bundesregierung durch die Mehrheit des Bundestages gewählt, § 22 I BDSG, und un-

371

Einwag, S. 109 mit Berufung auf BVerfG NJW 84, 419, 422.

372

Wer nicht wisse, was wo über ihn gespeichert ist, wird versuchen nicht aufzufallen. „Dies würde nicht nur die individuellen Erfolgschancen des einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungs- und Mitwirkungsfahigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlich demokratischen Grundwesens ist." BVerfG aaO. 373

Zum Aufbau der Behörde BfD siehe 15. Tätigkeitsbericht des BfD, S. 533.

374

BGBl. 19901, S. 2954.

373

Als solcher erhält er eine Besoldung nach B9; BGBl. 1988 I, S. 2366.

184

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

tersteht von Gesetzes wegen der Rechtsaufsicht der Bundesregierung 376 . Er hat ein Zeugnisverweigerungsrecht bezüglich der ihm im Zusammenhang mit seiner Amtsführung bekanntgewordenen Tatsachen. Weiterhin ist er zur Verschwiegenheit verpflichtet, § 23 V BDSG. Der BfD soll die Einhaltung der Bestimmungen des Datenschutzes bei öffentlichen Stellen des Bundes kontrollieren, § 24 BDSG. Dabei unterliegen auch personenbezogene Daten, die einem besonderen Amtsgeheimnis unterliegen, so etwa § 30 AO, der Kontrolle. Dieses wurde erstmals gesetzlich normiert; bis dahin verneinten die betroffenen Stellen in der Regel eine Kontrollbefugnis in diesen Fällen 377 . Ausgenommen sind alle Daten, die im Zuge einer G10 - Maßnahme erlangt worden sind, sofern die G10 - Kommission den BfD nicht eigens dazu ermächtigt 378 . Bei der Kontrolle bestimmter 379 Daten darf der Betroffene nicht widersprochen haben. Der Kontrolle unterliegen sowohl Dateien wie auch Akten. Letztere haben im Bereich der Dienste eine große Bedeutung, da in bestimmten Bereichen aus Sicherheitsgründen nur eine aktenmäßige Verarbeitung stattfindet. Die Kontrolle solcher Daten aber ist a priori dahin gehend eingeschränkt, daß sie der Kontrolle nur dann unterliegen, soweit dem BfD hinreichende Anhaltspunkte vorliegen, daß hier Rechte verletzt werden. Ausgenommen von der Kontrolle sind Bundesgerichte, sofern sie nicht in Verwaltungsangelegenheiten tätig geworden sind. Der BfD kann von jedermann angerufen werden, der sich in seinen Rechten verletzt fühlt. Er wird daraufhin tätig. Weiterhin kann er auch von sich aus tätig werden, was den in der Praxis größeren Teil ausmacht. Stellt er Mängel fest, so soll er diese der kontrollierten Stelle mitteilen, § 24 V 1, 2 BDSG, und er muß sie bei einer festgelegten Stelle gemäß § 25 BDSG beanstanden. Ein Kassationsrecht steht ihm nicht zu. Er muß außerdem alle zwei Jahre dem Bundestag einen Tätigkeitsbericht vorlegen, § 26 BDSG 3 8 0 , wie auf Anforderung des Bundestages oder der Bundesregierung Gutachten und Berichte erstellen 381 .

376

Riegel, Datenschutz, S. 173, weist daraufhin, daß rechtsaufsichtliche Akte in der Praxis nicht angewandt werden. Seit Einrichtung des BfD sei noch nie ein rechtsaufsichtslicher Akt ergangen. 377

Dörr/Schmidt, S. 57.

378

Zur Kritik hieran siehe Riegel, DöV 85, S. 317; dagegen Borgs/Ebert, S. 214. Die Kontrolle sei durch das G10 schon ausreichend gewahrt, Dörr/Schmidt, S. 57. 379

So bei Daten, die im Rahmen einer Sicherheitsüberprüfung des Betroffenen, also mit seinem Wissen, gespeichert worden sind. 380

Riegel, Datenschutz, S. 173, weist daraufhin, daß durch die Beratung dieser Berichte in den zuständigen Ausschüssen oft erst die Durchsetzung von Empfehlungen zu verdanken sei; somit ist ihre Bedeutung „weit größer als nur eine Schilderung der Tätigkeiten". 381

§ 26 BDSG normiert noch weitere Aufgaben, die hier nicht von Bedeutung sind.

V. Die bestehenden Kontrolle

185

b) Befugnisse des Bundesbeauftragten fur den Datenschutz Der BfD hat zur Erledigung seiner Aufgaben ein Informations- und Akteneinsichtsrecht 382 . Weiterhin ist ihm Zugang zu allen Diensträumen zu gewähren, § 24 I V Nr. 1 und 2 BDSG. Die Dienste sind nur dem BfD selbst verpflichtet. Sie können ihm den Eintritt zu Diensträumen im Einzelfall aus Sicherheitsgründen verwehren, § 24 I V 4 BDSG. Dem BfD kann unter Berufung auf die „Sicherheit des Bundes oder eines Landes" eine Auskunft verweigert werden. Der BfD ist aber aufgrund seines gesetzlichen Auftrages zu einer effektiven Kontrolle verpflichtet. Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der „Sicherheit" hat im Verhältnis zum BfD enger zu erfolgen als im Verhältnis zum Bürger. Dies folgt nicht zuletzt aus seiner Stellung innerhalb der Verwaltung und seiner Geheimhaltungsverpflichtung gegenüber dem Bürger aus § 19 V I 2 BDSG. Dadurch, daß er durch die Mehrheit des Bundestages gewählt wird, hat er eine besondere demokratische Legitimation, die nur in besonderen Fällen eine Berufung auf Sicherheitsinteressen möglich macht. Anordnungsrechte kommen dem BfD nicht zu. Er ist somit auf die Beanstandung beschränkt, wobei er auch gegen die Weigerung der betreffenden Stelle abzuhelfen, nicht vorgehen kann. Er kann sich jedoch jederzeit direkt an den Bundestag wenden. Der hier in der Praxis bestehende Druck darf nicht unterschätzt werden. Die Praxis zeigt, daß Kontrollen durch den BfD bei den Diensten zwar nicht immer konfliktfrei verlaufen, aber die Prüfberichte vielfach zu einer einverständlichen Lösung geführt haben 383 . Die G10-Kommission kann dem BfD vor ihrer Entscheidung über die Zulässigkeit und Notwendigkeit einer Maßnahme Gelegenheit zur Stellungnahme einräumen, § 3 IX 1 G10. Er darf nur der Kommission berichten, § 3 IX 2 G10 3 8 4 . Von dieser Möglichkeit ist jedoch bisher noch nicht Gebrauch gemacht worden. Der BfD kann von Amts wegen tätig werden. Dabei kann er sogenannte Querschnittskontrollen vornehmen, d.h. Daten aus verschiedenen Bereichen stichprobenweise kontrollieren. Durch das neue BDSG, das in den Ländern vergleichbare Regelungen nach sich zog, ist diese Aufgabe in der Praxis im 382 Die Kontrolle der Akten bezieht sich dabei nur auf die Erhebung, Verarbeitimg oder Nutzung der personenbezogenen Daten, sofern hinreichende Anhaltspunkte für eine Verletzung des Datenschutzes vorhegen. Sie ist somit sehr eingeschränkt. 383 384

Einwag, S. 123; Riegel, Datenschutz, S. 178.

Obwohl diese Regelung in § 3 Gl0 steht, gilt sie aufgrund des eindeutigen Wortlauts und des Verweises auf § 9 Π Gl0 auch für Maßnahmen nach § 2 G10.

186

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Bereich der Sicherheitsüberprüfungen sehr erschwert worden 385 . § 24 I I BDSG nimmt eine Überprüfbarkeit dieser Akten von der Kompetenz des BfD aus, wenn der Betroffene im Einzelfall widerspricht. Das bedeutet für die Praxis, daß hier eine überraschende Kontrolle durch den BfD nicht mehr möglich ist, da bei den angeforderten Akten erst das Einverständnis des Betroffenen eingeholt werden muß 3 8 6 . Die Kontrolle durch den BfD unterliegt hier erheblichen Einschränkungen.

c) Fazit Der BfD ist eine Kontrollinstanz, die ebenfalls nur einen Teilbereich der Dienste kontrolliert, nämlich ihren Umgang mit personenbezogenen Daten. Hierbei kommen ihm Rechte zu, die im Bereich der Dienste weitgehende Einschränkungsmöglichkeiten beinhalten. In der Praxis kommt noch das Problem der personellen Überlastung hinzu. Der damalige BfD Dr. Alfred Einwag bemängelte im Jahre 1990, daß ihm für die Kontrolle des BfV, M A D , BND, BKA, BGS sowie der Zoll- und Steuerfahndung und des internationalen Datenschutzes insgesamt nur fünf Personen zur Verfügung gestanden haben 387 . Der BfD kann eine Kontrolle der Dienste nicht gewähren, aber immerhin sehr viel sehen, wie die Berichte zeigen.

10. „Royal-Commissions" Ein weiteres Instrument der Kontrolle können Kommissionen aus unabhängigen Personen darstellen. Eine solche Kontrolle ist gesetzlich nicht vorgesehen, in der Vergangenheit aber sowohl auf Bundesebene wie auch auf Landesebene eingesetzt worden 388 . Diese Kommissionen sind dem Vorbild der englischen Royal-Commissions nachgebildet. Dort werden Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens mit allen Vollmachten ausgestattet, um einen Sachverhalt, dessen Bewertung nicht ein383

Bei Personen, die in sensitiven Bereichen tätig sind, erfolgt eine Sicherheitsüberprüfung, deren Intensität abgestuft ist. Hier werden auch Daten über Lebensgewohnheiten und Angaben von Referenzpersonen gespeichert. 386

Der Gesetzeswortlaut ließe sich dahingehend auslegen, daß ein Einverständnis der Betroffenen solange besteht, bis er widersprochen hat, so daß eine Nachfrage nicht nötig wäre. Diese Auffassung entspricht nicht der Staatspraxis. 387 388

Einwag, S. 123.

Zuletzt in NRW durch StS a.D. Hans Neusei, siehe Verfassungsschutzbericht des Landes NRW über das Jahr 1994, S. 241.

V. Die bestehenden Kontrolle

187

deutig ist, aufzuklären. Sie bürgen mit ihrem Namen für eine unabhängige und neutrale Begutachtung in dem Fall. In Deutschland hat es auf Bundesebene auch solche Kommissionen gegeben 3 8 9 . Diese Kommissionen bestehen aus einer kleinen Gruppe fachlich kompetenter Personen. Hierbei handelt es sich häufig um pensionierte Beamte, die dadurch ein hohes Maß an persönlicher Unabhängigkeit besitzen und zum Teil ein hohes Ansehen innerhalb der Bevölkerung haben 390 . Sie werden von den obersten Exekutivorganen eingesetzt, die die Dienst- und Fachaufsicht ausführen. Von dort erhalten sie alle Vollmachten, soweit sie diesen zustehen. Damit ist gewährleistet, daß sie alle Informationen erhalten, die zur Aufklärung dieses Falles nötig sind. Die Kommissionen fertigen einen Abschlußbericht, in dem sie nicht nur eine Beurteilung des fraglichen Sachverhaltes abgeben, sondern auch Vorschläge für eine Reform machen, um künftige Mißstände zu vermeiden. Diese Berichte sind in der Vergangenheit in der Regel nicht veröffentlicht worden 391 . Sie wurden aber anscheinend zumindest auch der parlamentarischen Opposition zugänglich gemacht 392 . Die Kommissionen sind Mittel, um von einer neutralen Stelle eine Bewertung über einen Vorgang zu erhalten. Entgegen Untersuchungsausschüssen, die auch zu einer Bewertung eines Vorfalles gelangen sollen, arbeiten die Kommissionen nicht-öffentlich. Dies liegt daran, daß sie von der Exekutive gleichsam als unabhängige Kontrolle der Aufsicht eingesetzt sind. Zum anderen besteht ein Geheimhaltungsinteresse. Die hier möglichen Erkenntnisse reichen weit bis in den Kernbereich der exekutivischen Eigenverantwortung, der von der Rechtsprechung durch das Parlament als nicht ausforschbar angesehen wird. Veröffentlicht wird lediglich die Stellungnahme der Kommission, welche Rechtsqualität dieser Vorgang hatte. Für die Kontrolle der Dienste bedeutet dies, daß hier ein Instrument besteht, mit dem ein Mißstand oder ein Verantwortlicher, der sich fehlverhalten hat, gut festgestellt werden kann. Ihre Effektivität aber erhalten die Kommissionen durch die Einsetzung durch die Exekutivspitze. Da diese die Aufsicht ausübt, 389 Silberstein-Kommission; Abschlußbericht nicht veröffentlicht, vgl. BTDrucksache IV/2170, S. 2; Mercker-Kommission, Abschlußbericht auszugsweise veröffentlicht, vgl. BT-Drucksache VII/3083, S. 39; Kommission „Vorbeugender Geheimschutz", Bericht s. BT-Drucksache VII/3083; Emst-Kommission, Abschlußbericht nicht veröffentlicht, vgl. BT-Drucksache VDI/3853, S. 6; Höcherl-Kommission, Abschlußbericht nicht veröffentlicht, vgl. BT-Drucksache X/4993. 390

Vgl. Roewer, S. 34; Ritter, S. 133.

391

Siehe schon oben.

392

Sonst wäre die Anfrage in BT-Drucksache X/4993 nicht möglich gewesen.

13 Hirsch

188

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

wird sie eine Kommission nur einsetzen, wenn sie sich von der Verantwortung freistellen möchte. Somit stellen die Kommissionen in erster Linie ein Instrument der Führungsspitze dar, um einen Nachweis darüber zu führen, daß sie sich nicht fehlverhalten hat. Diese Kommissionen werden nur eingesetzt, wenn ein Vorgang von öffentlichem Interesse bekanntgeworden ist. Die durch die Kommission ausgearbeiteten Reformvorschläge haben keine Bindungswirkung, werden in der Praxis aber von der Regierung befolgt.

11. Fazit Bei der Betrachtung der Kontrollinstanzen im Bereich der Dienste ist zwischen den verschiedenen Kontrollbereichen zu unterscheiden. Im Gegensatz zur sonstigen Verwaltung sind im Bereich der Dienste eine Vielzahl von Instanzen zur Kontrolle berufen. Es gibt Kontrollinstanzen mit besonderen Kompetenzen, die einmalig im Gefüge der deutschen Verwaltung sind.

a) Allgemeine Staatskontrolle Die Kontrollinstanzen der allgemeinen Staatsverwaltung können nur eine eingeschränkte Kontrolle ausüben. Die Wirtschaftlichkeitskontrolle durch den Rechnungshof stellt eine durchgreifende Kontrolle der Instrumente der allgemeinen Staatsverwaltung dar. Die sonstigen Einrichtungen unterliegen starken Einschränkungen, könnten ein „Eigenleben der Dienste" nicht verhindern. Spezielle Kontrolleinrichtungen sind somit als nötig erachtet worden. Die exekutivische Eigenkontrolle besteht wie in jedem anderen Bereich der Verwaltung auch, nicht aber das unbedingt erforderliche Korrelat des effektiven gerichtlichen Rechtsschutzes. Auch im Bereich der allgemeinen parlamentarischen Kontrolle sind viele Einschränkungen zu beobachten.

b) Besondere Kontrollen Im Bereich der Kontrolle der Dienste sind besondere, im Gefüge der deutschen Staatsverwaltung einmalige Einrichtungen geschaffen worden, die eine rechtsstaatliche Kontrolle sicherstellen sollen. Erkennbar sind hier einige Institutionen, die jeweils nur einen gewissen Teil der Kontrolle wahrnehmen, so z.B. der BfD oder die Kontrollmechanismen nach dem G10. Daneben besteht die PKK als prinzipiell umfassendes Kon-

V. Die bestehenden Kontrolle

189

trollinstitut mit den weitestgehenden Rechten. Aber auch die PKK kann in ihrer jetzigen Form eine umfassende Kontrolle nicht vollständig garantieren. Immerhin läßt sich hierdurch eine engere Einbindung der Dienste in das deutsche Staatsgefüge erreichen. Die Dienste selber betonen eine enge Bindung an Recht und Gesetz und sind im Interesse eines stärkeren Rückhaltes in der Bevölkerung daran interessiert, durch die Einbindung in ein Kontrollsystem, das den Besonderheiten der Geheimhaltungsbedürftigkeit Rechnung trägt, auch als ein Teil des Rechtsstaates angesehen zu werden.

c) Das Verhältnis der Kontrollinstanzen

zueinander

Für eine umfassende Kontrolle ist es notwendig, daß die entsprechenden Institutionen in einem ausgewogenen Verhältnis stehen. Es ist nach dem Verhältnis der Kontrollen aus dem Bereich der allgemeinen Staatsverwaltung zu den besonderen Kontrollinstanzen zu fragen. Auf Seiten der Dienste und auch der Polizei besteht eine umfassende Regelung über die Zusammenarbeit Die besonderen Instanzen hingegen nehmen nur einen Teil der Kontrolle war, ohne daß eine umfassende Regelung über die Zusammenarbeit existiert. Hier ist im Gegenteil festzustellen, daß sich die verschiedenen Institute in der Praxis gegenseitig aushebeln. Eine übergreifende Zusammenarbeit seitens der Kontrolleure besteht nur innerhalb des eigenen Bereiches, d.h., daß eine rege und fruchtbare Zusammenarbeit zwischen den G10-Instanzen untereinander 393 und, aus dem Bereich der allgemeinen Staatsverwaltung, etwa den Beauftragten für den Datenschutz 394 der Länder und des Bundes, besteht. Besondere Beachtung in diesem Zusammenhang erfährt die PKK. Nach § 1 I I P K K G 3 9 5 bleiben die Rechte des Bundestages unberührt. Es kommt hier zu einer Parallelzuständigkeit zwischen der PKK und den zur Kontrolle berufenen Organen des Bundestages. Zum Teil wird vertreten, dieser Vorschrift komme lediglich eine deklaratorische Bedeutung zu, da einfaches Bundesrecht verfas-

393

Die PKK des Bundes und die PKK der Länder treffen sich zwar auch zu einem Erfahrungsaustausch, eine wirkliche Zusammenarbeit ist hier jedoch nicht zu sehen. Sie können sich nicht über Einzelheiten der Arbeit austauschen, da die absolute Geheimhaltungsverpflichtung auch zwischen den PKK besteht. 394

Diese wird als besonders effektiv angesehen. Die Datenschutzbeauftragten treffen sich regelmäßig in Klausurtagungen und Arbeitskreisen. 395 Vgl. auch die entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen. In einigen Ländern hat die PKK allerdings die Stellung eines Ausschusses, andere landesgesetzliche Regelungen erwähnen das Verhältnis der PKK zum Landtag nicht.

190

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

sungsrechtlich festgeschriebene Kompetenzen nicht aufheben könne 396 . Wichtig ist diese Vorschrift aber insofern, als durch sie klargestellt wird, daß es sich bei dem PKKG nicht um materielles Geschäftsordnungsrecht handelt 397 . In der Praxis kommt der PKK die Stellung eines von der Exekutive zu informierenden privilegierten Organes zu, durch das die allgemeinen Kontrollmöglichkeiten des Bundestages noch weiter eingeschränkt werden. Die Bundesregierung ist dazu übergegangen, auf Fragen aus dem Bereich der Nachrichtendienste verkürzt zu antworten und im übrigen auf die „zuständige PKK" zu verweisen 398 . Daher ist diese Vorschrift kritisiert und eine alleinige Zuständigkeit der PKK gefordert worden. Zumindest im Bereich operativer Vorgänge ist auch von Seiten des Bundestages empfohlen worden, diese allein in der PKK zu behandeln 3 9 9 . Ziel des PKKG war es, die „Wahrnehmung der parlamentarischen Kontrollbefugnis so weit wie möglich bei der Kontrollkommission zu konzentrieren" 400 . Für die Praxis dürfte zu differenzieren sein. Sofern nicht für eine Frage ein Untersuchungsausschuß eingerichtet wird, dürfte die eigentliche Kontrolle tatsächlich bei der PKK liegen 401 . Lediglich durch einen Untersuchungsausschuß dürfte die Kontrolle der PKK überholt werden. Ein solches Verhältnis ist auch im Hinblick auf die Geheimhaltungsvorschrift des PKKG aus § 5 PKKG wichtig. Die PKK kann weitgehend informiert werden, lediglich bei Fragen, die ein besonderes öffentliches Interesse hervorgerufen haben 402 , kommt dem öffentlichkeitswirksamen Untersuchungsausschuß eine besondere Stellung zu. Die PKK kann von ihrer Stellung als parlamentarisches Hilfsorgan rechtlich und aufgrund der engen Geheimhaltungsvorschrift tatsächlich selber keine Konsequenzen aus ihr zur Kenntnis gelangten Mißständen ziehen 403 . Daher ist es unbedingt notwendig, die übrigen Rechte des Bundestages unberührt zu lassen, damit er sich, soweit er das für notwendig erachtet, ein eigenes Bild machen kann. Im übrigen wäre es bedenklich, den Bundestag für den gesamten 396

Roewer, S. 189.

397

„Absatz 2 stellt klar, daß der Kontrollkommission kein Monopolanspruch auf die Ausübung parlamentarischer Kontrolle auf diesem Gebiet eingeräumt werden solle." BT-Drucksache Vm/1599, S. 6. 398

Siehe auch Roewer, S 189.

399

Der ehemalige Präsident des BfV Werthebach verweist insofern auf eine Empfehlung durch die Bundestagspräsidentin Süßmuth. 400

BT-Drucksache Vm/1599, S. 6.

401

Die der PKK überwiesenen Wirtschaftspläne allerdings sind weniger detailliert als die dem Vertrauensgremiums nach § 10 a BHO überwiesenen. 402 403

Sonst wird ein UA tatsächlich nicht eingerichtet werden.

Der tatsächliche Druck einer Bewertung nach § 5 I 4 PKKG darf nicht unterschätzt werden.

V. Die Praxis der bestehenden Kontrolle

191

Bereich der Dienste von dem Urteil der Mitglieder der PKK abhängig zu machen. Die Vorschrift des § 1 I I PKKG bleibt somit wichtig. Durch die PKK werden somit die meisten anderen parlamentarischen Kontrollmöglichkeiten in ihrer Effektivität unterlaufen, da die Bundesregierung bei der Behandlung entsprechender Themen auf die „eigentlich zuständige" PKK verweist. Beschränkungen des Grundrechts aus Art. 10 GG fallen nicht in die Kontrollkompetenz der P K K 4 0 4 , eine gesetzlich fixierte Zusammenarbeit mit dem BfD etwa besteht nicht. Die besonderen Kontrollinstanzen beschneiden somit zu dem schon festgestellten Defizit die Kontrollmöglichkeiten der allgemeinen Staatskontrolle zusätzlich, da insofern weitergehende Auskunftsverweigerung unter Berufung auf die speziellen Kontrollinstanzen möglich werden ohne sich einem wachsenden Druck der öffentlichen Meinung auszusetzen. Trotz Schaffung der besonderen Instanzen werden die meisten Skandale im Bereich der Dienste durch die Presse entdeckt und erst daraufhin politisch behandelt, auch im Rahmen der PKK. Das Problem in diesem Bereich ist der Bericht durch die Bundesregierung. Erst wenn dieser umfassend und rückhaltlos erfolgt, kann die PKK von sich aus ein Verhalten rügen. Trotz einer Vielzahl von Kontrollen ist in der Praxis ein Kontrolldefizit festzustellen.

V. Die Praxis der bestehenden Kontrolle Bei der Betrachtung der bestehenden Kontrollmechanismen ist eine Untersuchung der bestehenden Erfahrungen mit den Kontrollen unerläßlich. Dies resultiert zum einen daraus, daß einige Kontrollinstrumente in ihrer Effektivität davon abhängig sind, wie sie in der Praxis gehandhabt werden. Insbesondere im Rahmen der Auskunftsansprüche müssen die gesetzlichen Möglichkeiten der Versagungsgründe nicht voll bis an ihre Grenzen ausgeschöpft werden. Die Dienste haben hier ein gesetzliches Instrumentarium, das auch in weniger stabilen Zeiten noch wirksam sein soll. Daneben ist es wichtig zu untersuchen, wie sich die Zusammenarbeit der verschiedenen Kontrollinstanzen mit den Diensten gestaltet. Eine fruchtbare Zusammenarbeit in einem offenen Klima 404

In der Praxis werden Fragen der PKK in diesem Zusammenhang gleichwohl beantwortet, gesetzlich notwendig ist dies allerdings nicht. Das G10 stelle sich als lex specialis dar, Arndt DöV 86, 169, 175. Hier zeigt sich, wie die reine Rechtslage und die tatsächliche Handhabung auseinandergehen können.

192

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

kann zu einer wirksameren Kontrolle in der Praxis führen, als die ausgefeilteste gesetzliche Regelung1. Dieser Arbeit liegt eine Erhebung bei den betroffenen Stellen zugrunde. Die Informationsgewinnung erfolgte in erster Linie durch persönliche Gespräche mit Mitarbeitern der Dienste bzw. der Kontrollinstanzen. Daneben wurden weitere Gespräche aus unterschiedlichen Gründen telephonisch geführt. Die durch diese Erhebung gewonnenen Informationen können nicht im einzelnen nachgewiesen werden. Die Gespräche erfolgten in der Regel in einer offenen Athmosphäre 2. So sind einige Informationen vertraulich zu behandeln und können nicht direkt verwertet werden. Ohne diese jedoch würde eine Erhebung nicht die erforderliche Tiefe erreichen und die auf ihr aufbauenden Reformvorschläge Gefahr laufen, rein theoretisch und somit praxisfern und untauglich zu bleiben. Soweit möglich, haben sie somit mittelbaren Einfluß gefunden. Zeitraum der Erhebung war das Jahr 1995. Zur Grundlage wurden sehr hochrangige Gespräche gemacht wie auch Gespräche mit Mitarbeitern auf der operativen Ebene. Dabei wurden nicht nur Gespräche mit Mitarbeitern der Dienste des Bundes und der Länder geführt, sondern auch mit Mitarbeitern der sonstigen Sicherheitsverwaltung. Die Erhebung erfolgte dabei nicht nur bei aktiven Mitarbeitern. Es wurden auch Mitarbeiter einbezogen, die aus dem aktiven Dienst ausgeschieden sind, aber noch Funktionen wahrnehmen 3. Ebenso wurden Gespräche mit den Instanzen der exekutivischen Eigenaufsicht geführt. Nicht bei allen LfV wurden gesonderte Gespräche geführt 4. Die Erfahrung zeigt, daß in dem hier interessierenden Verhältnis zum Bund strukturell gleiche Erfahrungen gemacht wurden5. Weiterhin wurde mit Mitgliedern der Kontrollinstanzen Gespräche geführt. So erfolgten Erhebungen bei Parlamenten 6 und Datenschutzbeauftragten 7. 1

Dieses ist eine Erkenntnis, die durch den Vergleich mit anderen Rechtsordnungen bestätigt wird, siehe ausfuhrlich dort. 2 Aus diesem Umstand lassen sich Rückschlüsse auf eine Bewegung der Dienste in Richtung einer umfassenderen Öffentlichkeitsarbeit ableiten. 3

Aus dem aktiven Dienst ausgeschiedene Mitarbeiter verfügen über eine hohe Sachkompetenz, haben aber Abstand zu der alltäglichen Routinearbeit gewonnen. Wenn von der Exekutive „Royal-Commissions" eingesetzt werden, so bietet sich ihre Mitarbeit darin an. Im Rahmen der Erhebung für die vorliegende Arbeit konnten sie wertvolle Informationen und Anrgegungen beitragen. 4

Zum Teil erfolgten telephonische Rückfragen.

3

Eine gewisse Sonderrolle nimmt NRW ein, da das BfV seinen Sitz in Köln hat.

6

Hier sind sowohl die PKK als auch die Kontrollen nach dem G10 und AWG angesiedelt.

V. Die Praxis der bestehenden Kontrolle

193

Auch bei anderen Kontrollinstanzen erfolgten, zum Teil telephonisch, Erhebungen8.

1. Die £igenaufsicht als Grundlage einer wirksamen Kontrolle Die Dienste unterliegen einer exekutivischen Eigenaufsicht. In der täglichen Arbeit aller Dienste fallen sehr viele Vorgänge an, von denen ein großer Teil aus Routineaufgaben besteht. Im Rahmen der Eigenaufsicht ist es nötig sicherzustellen, daß alle relevanten Vorgänge an die diensthöhere Ebene innerhalb der Behördenhierarchie geleitet werden, weniger relevante Vorgänge 9 müssen auf der entsprechenden Ebene erledigt werden. Dies ist im Interesse einer effektiven Eigenkontrolle wichtig, da die jeweils vorgeordnete Stelle auch nur über eine begrenzte Arbeitskraft verfügt 10 . Sicherzustellen ist jedoch, daß diese Stelle einen genügenden Einblick in die Arbeit der nachgeordneten hat 11 . Innerhalb der Behörde wird dies sichergestellt durch entsprechende Dienstanweisungen12, wann ein Vorgang weitergegeben werden muß 13 . Eine Geheimhaltung innerhalb der Behördenhierarchie gibt es grundsätzlich nicht 14 . Mit der Dienstaufsicht 15 besteht ein effektiver Dialog, die Kontrolle wird als gut bezeichnet16. Insbesondere der „Koordinator" der Dienste beim Bundes-

7

Ahnlich wie bei den LfV wurde nicht bei allen ein gesondertes Gespräch geführt.

8

Soweit für die Kontrollbeziehungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland von Bedeutung, wurden die Ergebnisse bei den jeweiligen Auslandsvertretungen hier berücksichtigt. In der Regel wurden sie im rechtsvergleichenden Teil der Arbeit verwertet. 9

Das sind Tätigkeiten, deren Ausführung klar vorgegeben ist, oder solche, die keine rechtliche oder politische Relevanz besitzen. 10

Es existiert ein abgestuftes Kontrollsystem.

11

Innerhalb der Dienste findet aus Sicherheitsgründen das sogenannte Abschottungsprinzip Anwendung, wonach jeder Stelle nur eine begrenzte Einsicht in die Struktur und Arbeitsweise des Dienstes gewährt wird. 12

Für bestimmte Vorgänge ist eine Meldung an die Behördenspitze vorgeschrieben.

13

Gewisse Vorgänge fordern die behördeninterne Beiziehung entsprechender Juristen bzw. des Rechtsreferates. 14

Die operative Ebene muß gegenüber der Führung alles offenlegen.

15

Die, mit Ausnahme der LfV, die eine Abteilung des Innenministeriums darstellen, bei allen Diensten außerhalb der Behörde bei dem zuständigen Ministerium bzw. für den BND beim Bundeskanzleramt angesiedelt ist. 16

Gehlen, Der Dienst, S. 223, hielt eine Unterstellung und „ A u f s i c h t durch Nichtfachleute" für illusorisch. Daraus folgerte er, daß der BND dem Bundeskanzleramt

194

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

kanzleramt wird als eine wichtige Institution angesehen. M i t ihm besteht eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, zumal die Dienste in Krisensituationen von ihm Beistand bei der Bildung der öffentlichen Meinung erwarten 17 . Die parlamentarischen Kontrollgremien kontrollieren die Bundesregierung, mithin die Dienstaufsicht. Daher kann eine mitlaufende Kontrolle, aber auch eine nachfolgende nur soweit gehen, wie auch die Dienstaufsicht informiert ist. Eine Unterrichtung kann nur in diesem Rahmen stattfinden. Es unterliegt der Eigenverantwortung der Regierung sicherzustellen, daß die Eigenkontrolle effektiv vollzogen wird. Lediglich im Rahmen eingehender Untersuchungen können Defizite festgestellt werden. Eine solche kann aber durch die Kontrollinstanzen nicht gewährleistet werden 18 . Mängel in der exekutivischen Eigenaufsicht sind von keiner Seite festgestellt worden 19 .

2. Die Kontrolle der Wirtschaftspläne Die Kontrolle der Wirtschaftspläne wird in erster Linie durch den Bundesrechnungshof und das Vertrauensgremium nach § 10 a BHO 2 0 ausgeübt21. Für die Wirtschaftlichkeitskontrolle stellen sich in der Praxis besondere Probleme, die in anderen Bereichen der allgemeinen Staatsverwaltung nicht aufangegliedert, nicht aber unterstellt sei. Keiner der Gesprächspartner teilte diese Ansicht. 17

Dies güt in einem besonderen Maße für die Dienste des Bundes.

18

Lediglich UA können hier Defizite erkennen und auf Abhilfe drängen, siehe etwa den „ H i r s c h - B e r i c h t " BT-Drucksache V/4028. Aber auch solche Ergebnisse sind nicht von jedem UA ausgegangen. 19

Dies ist in der Praxis - Pannen ausgenommen - kaum möglich. Für die Exekutivspitze muß sich der Verdacht ergeben, daß Informationen entgegen intemer Dienstanweisungen nicht weitergegeben werden. Noch schwieriger stellt sich dies für den Bereich einer externen Kontrolle dar. Hier besteht die Möglichkeit, daß die Spitze Informationen eventuell teilweise zurückgehalten hat oder daß es sich bei einer Panne um einen Verstoß gegen Weisungen gehandelt hat. Ein solcher Verstoß nachgeordneter Behördenstufen kann in der Regel, besonders bei einem durchgehaltenen Prinzip der Abschottung, kaum durch die Spitze verhindert werden. Hier obliegt es vielmehr der Spitze zu verhindern, daß sich ganze Abteilungen „verselbständigen". 20

Das Vertrauensgremium nimmt eine Zwitterstellung zwischen parlamentarischer Kontrolle und der Wirtschaftlichkeitskontrolle ein. 21

Auch die PKK kann die Wirtschaftspläne der Dienste kontrollieren, darin besteht aber nicht ihre eigentliche Aufgabe.

V. Die Praxis der bestehenden Kontrolle

195

tauchen 22 . Die Tätigkeit der Dienste dient der Sicherung der inneren und äußeren Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland. Im Rahmen dieser Aufgabe ist es unerläßlich, zukünftige Entwicklungen zu prognostizieren, um auf diese vorbereiten zu können. Eine solch zukunftsgerichtete Tätigkeit birgt immer die Gefahr in sich, Tätigkeiten, die aus einer ex-post Betrachtung unnötig erscheinen, durchzuführen. Daneben ist eine Input/Output-Kontrolle im Bereich der Dienste von der besonderen Schwierigkeit erfaßt, den Wert einer Information beurteilen zu müssen. Die Relation zwischen Kosten und Nutzen läßt sich objektiv kaum erstellen 23. Weiterhin würde eine Beurteilung laufender Vorgänge als unwirtschaftlich diese beenden, also direkten Einfluß auf die Tätigkeit des Dienstes nehmen. Die Praxis zeigt, daß der Rechnungshof wie auch das Vetrauensgremium nach § 10 a BHO 2 4 bei der Prüfung ein gewisses Maß an Zurückhaltung zeigen, sofern es sich um operative Vorgänge handelt. Zum einen bestehen, gerade im Bereich des BND, Berührungsängste zwischen den Diensten und dem Rechnungshof, zum anderen machen diese Kontrollorgane von der ihnen gesetzlich eingeräumten durchgreifenden Kontrollkompetenz nur zurückhaltend Gebrauch. Dies liegt auch an den genannten Problemen, zum anderen an ihrer Stellung im System der Kontrollinstanzen. Hier soll durch eine Beschneidung der Mittel eben keine politische Entscheidung getroffen werden, welche Maßnahmen durchgeführt werden sollen. In der jüngsten Zeit ist eine engere Finanzkontrolle der Dienste festzustellen. Dies läßt sich auf eine allgemeine politische Entwicklung zu engeren Kontrollen zurückführen wie auch auf die Diskussion um die Verkleinerung der Dienste im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch des Ostens25. Der B W V ist, soweit ersichtlich, im Bereich der Dienste nicht eingesetzt worden.

22

Eine Wirtschaftlichkeitskontrolle der Dienste, wie sie im Bereich der allgemeinen Staatsverwaltung auch vorkommt, etwa dahingehend, daß Rabatte im Rahmen der fiskalischen Hilfsgeschäfte ausgenutzt worden sind, ist unproblematisch. Hier ist in der Praxis eine ausreichende Kontrolle gegeben. 23

Dieser wird in der Praxis in der Regel von der Exekutive selber bestimmt. Aufträge, bestimmte Informationen zu beschaffen, sind von Seiten des Parlamentes nicht nachweisbar. In konkreten Fällen schließen sich die Kontrollinstanzen der Einschätzung der Exekutive an, sofern sich aus politischen Gründen nicht eine andere Einschätzung ergibt, so etwa die Einschätzung, daß ein Informationsraster zu dicht ist. 24

Das die Mittel aufgrund seiner Eigenschaft als parlamentarisches Organ genauer hinteifragen könnte als der Rechnungshof. 23

Siehe hierzu statt vieler B. Hirsch, „Zur Verkleinerung der Dienste", in: DIE ΖΕΓΓ vom 18.4.1995.

196

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

3. Parlamentarische Kontrolle Neben der allgemeinen parlamentarischen Kontrolle existieren besondere Kontrollgremien.

a) Allgemeine parlamentarische Kontrollen Die allgemeinen parlamentarischen Kontrollen, etwa durch Ausschüsse oder die Abgeordneten selber, spielen im Bereich der Dienste keine große Rolle 26 . Die zur Kontrolle notwendigen genauen Informationen können aus Geheimschutzgründen nicht an das Plenum gegeben werden. Dieses steht unter dem Postulat der Öffentlichkeit, eine Weitergabe an das Plenum kommt einer Veröffentlichung gleich. Selbst unter Anwendung der Geheimschutzordnung des Parlaments ist ein effektiver Geheimschutz in der Realität illusorisch. Daher besteht hier auch keine Basis für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Diensten und dem gesamten Parlament, sei es im Plenum oder in den Ausschüssen27. Es ist sogar von Seiten des Bundestages empfohlen worden, operative Vorgänge 28 nur in der PKK zu behandeln. Eine sehr viel schärfere Waffe sind die Untersuchungsausschüsse, die auf Antrag einer Minderheit des Parlamentes eingesetzt werden müssen. Wenngleich ihre Effektivität zweifelhaft ist, stellen sie ein starkes Druckmittel des Parlamentes dar, nicht zuletzt wegen ihrer Öffentlichkeitswirkung. Allerdings erweisen sie sich in der Praxis aus Sicht der Dienste als stark kontraproduktiv, da durch sie große Teile der beteiligten Behörde lahmgelegt werde 29 . Daher werden sie von den Diensten gefürchtet 30 , nicht zuletzt auch deswegen, weil in

26

Dies ist, mit Ausnahme der UA, weitestgehend eine allgemeine Einschätzung bezogen auf die tatsächliche Kontrolldichte der allgemeinen parlamentarischen Kontrollmittel. 27

Dies ist eine faktische Notwendigkeit, die z.T. auf Kritik stößt, besonders aus Reihen Bündnis 90/DIE GRÜNEN. Siehe dazu auch die Thesen der Humanistischen Union, aaO. 28

Insbesondere solche, aus denen die Arbeitsweise des jeweiligen Dienstes ersichtlich ist. 29

In der Behörde müssen die entsprechenden Akten zusammengestellt werden, die Sitzungen des UA vorbereitet werden und den Forderungen des UA nachgekommen werden. 30 Einigen Mitarbeitern der Dienste wäre es lieber, wenn in diesem sicherheitsrelevanten Bereich auf die Einsetzung von UA ganz verzichtet werden würde. Stattdessen sollen einzelne Beauftragte eingesetzt werden können. Eine solche Forderung zeigt sich als in der Realität nicht durchführbar, da sich für eine derartige Verfassungsänderung

V. Die Praxis der bestehenden Kontrolle

197

ihnen teilweise Abgeordnete sitzen, die keine speziellen Kenntnisse von der Besonderheit der nachrichtendienstlichen Materie besitzen oder ideologisch stark voreingenommen sind 31 .

b) Spezielle Kontrollgremien Neben der allgemeinen parlamentarischen Kontrolle gibt es spezielle parlamentarische Kontrollen, die nur im Bereich der Dienste existieren. Hierzu zählt das Vertrauensgremium nach § 10 a BHO, insbesondere aber ist die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) zu erwähnen. Die PKK stellt ein aus wenigen Abgeordneten bestehendes Hilfsorgan sui generis des Parlamentes dar. Die Mitglieder sind zu besonderer Geheimhaltung verpflichtet. Die Dienste informieren die PKK grundsätzlich über die generellen Entwicklungen in ihren jeweiligen Bereichen wie über besonders herausragende operative Maßnahmen 32 . Obwohl die PKK grundsätzlich zur nachträglichen Kontrolle bestimmt war, wird sie auch über noch nicht abgeschlossene operative Maßnahmen unterrichtet. Die Dienste informieren sie nach eigenem Bekunden umfassend. Die Unterrichtung der PKK ist für die Dienste eine schwierige Aufgabe. Ein ,,Fall der bewußten Falschinformation" sei bisher weder im Bund noch in den Ländern vorgekommen 33 . Von allen Diensten wird bemängelt, daß die Sitzungen der PKK zu kurz und zu selten sind. Hierbei könnten nicht alle Vorgänge, die die Dienste berichten wollen, vorgebracht werden und für komplizierte Vorgänge fehlt oftmals die Zeit, diese in vollem Umfang von allen Seiten zu beleuchten. Dabei kommt ein Unsicherheitsfaktor ins Spiel, da zum Zeitpunkt

keine ausreichende Mehrheit in den Parlamenten finden ließe. Es sind nicht nur Abgeordnete der jetzigen Regierungsparteien, die eine solche Änderung ablehnen. 31

Dieses Argument wird nur im Zusammenhang mit Abgeordneten vorgebracht, die die Dienste ablehnen. Abgeordnete, die weitergehende Kompetenzen und Geheimhaltungmöglichkeiten der Dienste uU auch aus ideologischen Motiven befürworten, sind in der Praxis den Diensten gegenüber wenig kritisch eingestellt. Sie werden von den Diensten in der Praxis kaum kritisiert. 32

Eine Kontrolle eines Einzelfalles findet nur bei besonders herausragenden Vorgängen statt. In der Regel werden grundlegende Fragen erörtert. 33

Eine Falschinformation hegt nach übereinstimmender Auffassung nicht nur dann vor, wenn sachlich falsche Informationen weitergegeben werden. Sie ist bereits dann gegeben, wenn wesentliche Informationen, die zum Verständnis eines Sachverhaltes in seiner Komplexität notwendig sind, nicht weitergegeben werden.

198

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

der Unterrichtung nicht absehbar ist, wo sich in der Zukunft eine Panne entwickeln kann 34 . Auch kann die Regierung bzw. können die berichtenden Präsidenten der Dienste nur die Vorgänge vortragen, die sie selber überblicken 35 . Insgesamt wird die Unterrichtung grundsätzlich als „umfassend und vertrauensvoll" seitens der PKK eingeschätzt36. Der PKK steht weitergehend ein umfassendes Fragerecht zu, § 2 I I i V m § 5 I I I PKKG. In der Regel werden alle gestellten Fragen beantwortet, eine Berufung auf die Geheimhaltungsvorschrift des § 2 I I 1 PKKG erfolgt in der Praxis kaum 37 . Ein Fragerecht setzt, damit es eine effektive Kontrolle darstellen kann, voraus, daß Anhaltspunkte gegeben sind, die eine nähere Auseinandersetzung mit einem bestimmten Sachverhalt erfordern. Diese erlangen die Mitglieder der PKK trotz der Informationen durch die Dienste selber zum Teil erst aus der Presse. Durch das Fragerecht alleine kann eine umfassende Kontrolle nicht gewährleistet werden. Die Effektivität der PKK als Kontrollorgan hängt, wie die Erfahrung zeigt, eng zusammen mit der personellen Zusammensetzung und dem persönlichen Engagement der Mitglieder. Ein großes Problem ist dabei der zeitliche Rahmen. Den Mitgliedern steht aufgrund ihrer sonstigen Tätigkeit ein nur sehr

34

Aus dieser Kritik wird deutlich, daß die Dienste - trotz gegenteiliger Aussagen die PKK auch als eine Art „Rückendeckung" sehen. Wenngleich zugegeben wird, daß die PKK keine Maßnahmen absegnen kann, und auch die Verantwortung im Ergebnis bei den Diensten und der Regierung verbleibt, so kann dem Parlament gegenüber der öffentlichen Meinung bei Pannen viel Wind aus den Segeln genommen werden, wenn die PKK eine Maßnahme der Dienste, die sich ex-post als falsch erwiesen hat, gebilligt hat. 33

Hieran wird deutlich, daß die Eigenkontrolle der Dienste die Grundlage jeder weiteren Kontrolle darstellt. Was nicht bis an die Spitze dringt, kann nicht durch die Kontrolle bewertet werden. Hier ist es vielmehr dem Zufall überlassen, ob diese Vorgänge publik werden, etwa der Presse durch eine Indiskretion zugespielt oder durch einen Mitarbeiter, der sich direkt an die PKK wendet. 36 Unterrichtung durch die Parlamentarische Kontrollkommission (PKK); Bericht über die Kontrolltätigkeit gemäß § 6 des Gesetzes über die Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes; z.B. der Bericht vom 24.6.1994, Berichtszeitraum 1.7.1993 - 20.6.1994, BT-Drucksache ΧΠ/8102. 37

Selbst Fragen, die sich auf eine Maßnahme oder auf Vorgänge beziehen, deren originäre Kontrolle eigentlich in den Bereich des G10 fallt, werden idR durch die Dienste beantwortet. Hierzu besteht keine rechtliche Verpflichtung, da die Maßnahmen nach G10 von der Kontrolle durch die PKK ausgenommen sind, § 1 DI PKKG. Der Wortlaut ist eindeutig. Ein Verbot der Beantwortung solcher Fragen wird dort nicht normiert. Hier zeigt sich, wie sich die Handhabung von der gesetzlichen Normierung unterscheiden kann.

V. Die Praxis der bestehenden Kontrolle

199

begrenztes zeitliches Kontingent zur Verfügung 38 . Hierunter kann eine Kontrolle leiden, da nicht immer alle Vorgänge eng durchgesprochen werden können. Dieses aber ist ein dem parlamentarischen Kontrollsystem innewohnendes Dilemma, das nicht lösbar ist, sofern man Abgeordnete mit Erfahrung und Routine betrauen möchte 39 . Das eigentliche Problem bei dieser Frage liegt aber auf Seiten der Exekutive. Diese muß eine Gewichtung der Fälle vornehmen und in einer überschaubaren Zeit eine umfassende Darstellung eines Falles gewährleisten. Dies ist, wie die Dienste selber einräumen, eine schwierige Aufgabe, da sie zum Teil eine gewisse Prognose einschließt, welcher Vorgang „aus dem Ruder laufen" könnte. Eine Unterrichtungspflicht umschließt aber die Frage nach einer solchen Gewichtung. Es reicht nicht aus, auf einen Vorgang hinzuweisen, ihn vielleicht auf die Tagesordnung zu setzen und dabei aber nicht auf eine besondere Brisanz hinzuweisen. Die PKK des Bundes kontrolliert enger und intensiver als die mancher Länder 40 . In den Ländern wird zum Teil bewußt auf eine enge Kontrolle verzichtet, damit man sich im Falle einer Panne nicht die Möglichkeit abschneidet, politische Konsequenzen zu ziehen. Auch wird hier kritisiert, daß nicht immer alle Mitglieder genügendes persönliches Engagement zeigen. Darüber hinaus ist die Zusammensetzung der PKK wichtig für das erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen den Diensten und der PKK. Je größer das persönliche Vertrauensverhältnis der Dienste in die Mitglieder der PKK ist, um so rückhaltloser wird über sensible Vorgänge unterrichtet. Dieses Vertrauensverhältnis hängt nicht nur mit der persönlichen Integrität zusammen, sondern auch mit der entsendenden Fraktion. Bei fraktionsinternen Beratungen, die sich mit diesem Themenkomplex beschäftigen, kommt der Stimme des PKKMitgliedes besonderes Gewicht zu. Auch sind die Informationsansprüche, die 38

Je höher das Standing des Abgeordneten, um so enger ist auch sein Terminplan. Dieses stellt ein nicht lösbares Dilemma dar, das von den Diensten sehr bemängelt wird. „Wir wollen χ Fälle vortragen und bekommen am Anfang der Sitzung gesagt, die Sitzung müsse um y Uhr beendet sein. Und eine Verlängerung sei nicht möglich ", so ein Mitarbeiter eines Dienstes. 39

Auch der DCI Robert M. Gates bemängelte in seiner Rede vor dem World Affairs Council of Boston vom 15. 1. 1993 in Boston, daß die mit der Kontrolle der usamerikanischen Dienste betrauten Abgeordneten unter einem akuten Zeitmangel leiden, was zu Mißverständnissen in bezug auf die Dienste führen kann. „The sad result is that Committee hearings and briefings are ususally not well attended and it is my experience that the record is getting worse, not better.", S. 14. Dies mag mit der anderen Struktur des SCI als Ausschuß der jeweiligen Kammer zusammenhängen. Bei den Sitzungen der PKK sind in der Regel alle Mitglieder anwesend, was mit ihrer hervorgehobenen Stellung als spezielles Kontrollorgan zusammenhängt. 40

„Wir wollen gar nicht alles wissen, damit wir Köpfe fordern können ", so ein Mitglied einer Landes-PKK.

200

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

die verschiedenen Fraktionen an ihre Mitglieder stellen, unterschiedlich intensiv 41 . Von großem Vorteil sind in diesem Zusammenhang persönliche Kontakte 4 2 , die zu besseren Arbeitskonditionen führen 43 . Die PKK hat in der Öffentlichkeit nicht das Ansehen wie ein richterliches Gremium. Das Vertrauen der deutschen Öffentlichkeit in die Integrität der Richter ist hoch. Ein richterlicher Spruch wird in der Regel als richtige Darstellung der tatsächlichen Rechtslage gewertet. Obwohl in die PKK auch Abgeordnete gewählt worden sind, die eine hohe Reputation besitzen, ist eine ähnliche Akzeptanz nicht gegeben. Dennoch geht auch für die Öffentlichkeit eine gewisse Kontrollwirkung von der PKK aus. Stellt sie fest, daß eine Maßnahme nicht rechtswidrig war, so erfahren die Dienste eine gewisse Entlastung in der öffentlichen Meinung 44 . Die PKK wird von den Diensten mittlerweile akzeptiert. Sie empfinden die PKK als notwendige, aber nicht zu enge Kontrolle, zumal sie durch sie eine Rückkoppelung an das Parlament erfahren 45. Das Gefühl, durch die PKK in ihrer jetzigen Form „totkontrolliert" zu werden, existiert nicht. Die Erfahrungen mit der PKK in der jetzigen Form sind als gut zu bewerten. 46. 41

Daraus folgt, daß bei den Diensten, sowohl auf Bundes- wie auf Landesebene, starke Vorbehalte gegenüber Mitgliedern bestehen, die einer Fraktion von Bündnis 90/DIE GRÜNEN angehören. Diese stehen den Diensten ablehnend gegenüber, vgl. nur Stenografische Verhandlungen des Deutschen Bundestages, 191. Sitzung v. 25.1.1990, S. 14747. Es besteht daher Grund zu der Annahme, daß Abgeordnete, die aus einer weit rechts oder links angesiedelten Partei stammen, namentlich Abgeordenete der Parteien der PDS oder „Die Republikaner", die PKK im Falle einer Mitgliedschaft praktisch weitgehend blockieren würden. 42

Der Präsident des BND, Konrad Porzner, war vormals MdB. Dies wird innerhalb des BND als positiv gewertet, da er sich unabhängig von seiner Tätigkeit im BND in bonner Kreisen einen guten Ruf in seine persönliche Loyalität hat erwerben können. 43

Die Befürchtung, daß in der Öffentlichkeit daraus der Verdacht der Kungelei entstehen mag, ist nicht durchgreifend. Es ist durchaus von Vorteil, wenn die Arbeitsweise und das „Alltagsgeschäft" der Gegenseite bekannt sind. Zum anderen sind persönliche Kontakte nicht gleichzusetzen mit persönlicher Sympathie. Gegenseitige Achtung kommt auch bei konträren Standpunkten vor. 44 Daß von der PKK keine abschließende Bewertung eines Vorganges erwartet wird, hat die „Plutonium-Affaire" 1995 gezeigt. Noch während sich die PKK mit diesem Vorgang beschäftigte, wurde ein Untersuchungsausschuß eingesetzt, von dem eine vertiefte Behandlung und die abschließende Bewertung dieses Vorganges erwartet wurde. 43

Die Gelegenheit zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit wird von den Diensten auch deswegen in Anspruch genommen, weil sie dadurch ihr Vorgehen mit den im Parlament herrschenden Auffassungen abstimmen können, aber auch um Rückendeckung zu bekommen. 46 Noch vor der Neufassimg des PKKG 1992 hatte es starke Differenzen über die Effektivität der PKK gegeben. Eine Neufassung wurde unumgänglich, weil die Mitglieder der PKK eine effektive Kontrolle als nicht gewährleistet ansahen. Die Forderungen

V. Die Praxis der bestehenden Kontrolle

201

4. Besondere Kontrollgremien Zu den besonderen Kontrollgremien gehören die Kontrollinstanzen nach dem G10 bzw. nach § 41 AWG. Die Kontrolle der G10-Kommission tritt gleichsam an die Stelle einer vorgreiflichen gerichtlichen Entscheidung. Die durch die G l 0 - Kommission erreichte Kontrolle wird als sehr gut bezeichnet47. Die Kontrolldichte ist in den verschiedenen Ländern unterschiedlich eng, doch auch in den Ländern, die eine solche Maßnahme relativ leicht genehmigen, sind bisher keine Unregelmäßigkeiten in diesem Bereich bekanntgeworden. Die G10-Kommission des Bundes beschreitet hier insofern einen Mittelweg. Festzuhalten bleibt, daß die G10-Kommission des Bundes nicht alle ihr gesetzlich eingeräumten Möglichkeiten ausnutzt. Soweit erkennbar wurde die BfD nach § 3 I X G10 noch nie beigezogen. Daraus wird deutlich, daß sich die Kommission als eine gerichtsähnliche Instanz ansieht, die außenstehende Experten nur in Zweifelsfallen hinzuzieht. Verglichen mit den Fernmeldebeschränkungen, die nach § 100 a StPO möglich sind, ist eine sehr viel schärfere Kontrolle zu verzeichnen. Dies liegt nicht zuletzt an den unterschiedlichen Genehmigungsmechanismen. Die Dienste, insbesondere die Verfassungsschutzbehörden, beneiden die Staatsanwaltschaften um ihr einstufiges Verfahren, während sie selber ein mehrstufiges zu durchlaufen haben. Weiterhin ist auch die personelle Zusammensetzung der Anordnungsinstanzen zu berücksichtigen. Die Dienste benötigen nicht nur die Zustimmung des zuständigen Ministers, sondern die endgültige Entscheidung liegt bei der G10Kommission, die aus erfahrenen Beamten besteht. Beschränkungen nach der StPO können vom Amtsrichter angeordnet werden, der unter Umständen ,frisch von der Universität kommt und leicht zu beeindrucken ist". Nicht ausgeschlossen ist, daß in Ausnahmesituationen48 auch hier Beschränkungen leichter angeordnet werden. Dies liegt in einer strukturellen Schwäche jedes Kontrollmechanismuses, bei dem mehrere Instanzen zusammenwirken müssen, um eine Maßnahme zu bewirken. Die Instanz, die die eventuell richtige Maßnahme verhindert, muß im nachhinein die Verantwortung tragen. Aufgrund nach besseren Kontrollmöglichkeiten wurden prinzipiell verwirklicht. Im Zusammenhang mit der „Plutonium-Affare" trat der Abg. Struck aus der PKK 1995 aus, weil er eine effektive Kontrolle nicht gewährleistet sah. Von der Mehrheit wird diese Auffassung allerdings nicht geteilt. 47

Tatsächlich gab es bisher erst ein Gerichtsurteil, das zu einer anderen Einschätzung als die der Kommission kam; siehe BVerwG NJW 90, 581. Ein anderes, von Wallraff erstrittenes Urteil, VG Köln NJW 81, 1630, wurde vom OVG rechtskräftig aufgehoben. 48

So etwa während der Entführung Hanns-Martin Schleyers.

202

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

der Unsicherheit in der ex-ante Betrachtung sind somit alle Instanzen eher gewillt die Bestimmungen extensiv auszulegen. M i t der Neufassung des G10 kann die Anzahl der beantragten Fernmeldekontrollen beträchtlich anwachsen, da gerade im Aufgabenfeld des BND die Sachverhalte, zu deren Erforschung eine solche zulässig ist, stark erweitert werden. M i t der Anzahl der beantragten Beschränkungen aber sinkt die Zeit, die die Kommission auf den einzelnen Fall anwenden kann. Die Effektivität der Kontrolle nach dem G10 wird in Zukunft eher ein quantitatives Problem darstellen. Zwischen dem GlO-Gremium und den Diensten herrscht eine vertrauensvolle und effektive Zusammenarbeit.

5. Weitere Instanzen der allgemeine Staatskontrolle, insbesondere der Beauftragte für den Datenschutz Die Mechanismen der allgemeinen Staatskontrolle kommen im Bereich der Dienste auch zum Tragen, bewirken allerdings keine enge Kontrolle 49 . Die gerichtliche Nachprüfung von Tätigkeiten des BND findet so gut wie gar nicht statt. Für den Verfassungsschutz und den M A D ist die gerichtliche Kontrolle „kein großes Kapitel". Die Dienste 50 sind auf eine gute Zusammenarbeit mit dem jeweiligen Beauftragten für den Datenschutz angewiesen. Zum einen sind dem DSB bestimmte Kontrollkompetenzen eingeräumt, zum anderen nimmt er eine neutrale Stellung im Bereich der allgemeinen Staatsverwaltung ein. Er ist gleichsam 'Vertrauter des Bürgers' 51 , der sich jederzeit an ihn wenden kann, insbesondere wenn ein Dienst sein Auskunftsbegehren abgelehnt hat 52 . Die Zusammenarbeit zwischen den Diensten und den DSB wird prinzipiell von beiden Seiten als gut eingeschätzt. Streitpunkte und die gegenseitigen

49

Siehe schon oben.

30

Auch hier sind in erster Linie die Ämter für Verfassungsschutz betroffen. Die Aufgabenstellung und die tatsächliche Tätigkeit des BfD im Bereich des BND ist geringer. Sie mag im Zusammenhang mit der Neufassung des § 3 G10 größer werden. 31 Dies folgt aus seiner weitgehend unabhängigen Stellung im Verwaltungsgefüge. Auch in seinem Selbstverständnis trägt der DSB dem Rechnimg. 32

Gelegentlich mutmaßen Bürger jedoch, auch der , 3 ® stecke mit den Diensten unter einer Decke, weil sich sowieso die gesamte Staatsverwaltung und überhaupt die ganze Welt gegen sie verschworen hätten", wie ein DSB betonte. Dies ist aber nicht der Regelfall. Bei einer entsprechenden Auskunft des BfD sehen viele Petententen von einer gerichtlichen Klage ab.

V. Die Praxis der bestehenden Kontrolle

203

Kompetenzen sind soweit abgeklärt 53 . Im Zusammenhang mit der Neufassung des BDSG bzw. der entsprechenden landesgesetzlichen Regelungen mußten einige Positionen neu abgeklärt werden. Dies ist weitgehend geschehen54. Ein Problem besonderer Art stellt sich, wenn der BfD eine Maßnahme eines Dienstes bemängelt, die dieser jedoch als notwendig einstuft. Die Berichte des BfD haben zwar keine den Verfassungsschutzberichten vergleichbare Medienwirkung 55 . Ihre Wirkung darf aber nicht unterschätzt werden. Eine Kritik entfaltet nicht zuletzt wegen des in der Öffentlichkeit den Diensten gegenüber vorhandenen latenten Mißtrauens einen starken Druck. Der BfD ist in der Regel kein nachrichtendienstlicher Spezialist56. Somit stellt sich die Frage, wer etwa die Notwendigkeit der Speicherung von Daten abschließend beurteilt. In der Praxis nimmt der BfD in Zweifelsfallen eine Plausibilitätsprüfung vor. Ein weiteres Problemfeld liegt in der Intensität der datenschutzrechtlichen Regelung. Die Regelungsdichte ist extrem hoch und selbst für den Fachmann nur schwer zu durchschauen. In der Praxis führt dies zu einer Lähmung der Tätigkeit insofern, als „ein Beamter lieber gar nichts tut als rechtswidrig zu handeln" 57 . Die Kontrollmöglichkeiten der DSB sind jedoch verbesserungswürdig. Ein Problem der tatsächlichen Kontrolldichte ist in der relativ geringen Mitarbeiterzahl der DSB zu sehen. Zum anderen bezieht sich die Kontrolle nicht auf die 33

Gerade im Vorfeld neuer Gesetzesinitiativen werden Spannungen zwischen den DSB und den Diensten deutlich. Beide können zu den Gesetzesentwürfen Stellung nehmen. Ihre Auffassungen werden von den Gesetzgebungsorganen und den Regierungen zur Kenntnis genommen und weitestmöglich berücksichtigt. Dabei bleibt es nicht aus, daß in gewissen Fragen konträre Standpunkte bezogen werden. Häufig setzen die Dienste sich mit dem Argument durch, daß der gesetzliche Rahmen einer Regelung nicht ausgeschöpft werden müsse und dies auch nicht beabsichtigt sei. Man müsse allerdings für weniger stabile Zeiten gerüstet sein. 54

Im 15. Tätigkeitsbericht des BfD weist der BfD daraufhin, daß es bei einigen Datenverarbeitungs-Anwendungen gravierende Meinungsverschiedenheiten darüber gibt, ob es sich dabei um solche handelt, bei denen der BfD nach § 14 BVerfSchG anzuhören ist. Der BfD wünscht sich „in diesem Bereich durchaus einefruchtbarere Zusammenarbeit mit dem BfD". Siehe hierzu 15. Tätigkeitsbericht, S. 363 ff. 55

Dies liegt insbesondere an der „trockenen Materie" und an den Möglichkeiten der Präsentation. Weiterhin nimmt der Bereich der Dienste im Bericht des DSB nur einen geringen Anteil ein. 36 Manche Bedenken, die der BfD äußert, haben, besonders im Bereich des BND, einen populistischen Aufhänger. Nach Rücksprache mit Mitarbeitern der Dienste entfallen die Bedenken dann häufig. 57

Hierin ist eine aus den Reihen der Dienste geäußerte Kritik nicht an den DSB, sondern am Datenschutzrecht insgesamt, zu sehen. 14 Hirsch

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Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Weitergabe gespeicherter Daten bzw. ihrer dortigen Verwendung. Die Reduzierung der jährlichen Berichtspflicht des BfD auf eine zweijährige durch die Gesetzesnovellierung 1990 hat sich bewährt. Zwischen den einzelnen DSB besteht keine Einigkeit darüber, welcher Berichtsmodus der bessere ist 58 . In der Praxis führt eine zweijährige Berichtspflicht dazu, daß nicht zwei Berichte zusammen beraten werden 59 . Eine solche doppelte Beratung führt nicht nur zur Verwirrung bei Parlamentariern und der Öffentlichkeit, sondern vermindert zusätzlich noch die Öffentlichkeitswirkung des einzelnen Berichtes 60 . Es steht den DSB frei, aus gegebenem Anlaß auch häufiger zu berichten. Im Zuge der allgemeinen politischen Entwicklung läßt sich mit der zunehmenden Etablierung 61 des Instituts des Datenschutzbeauftragten in Bund und Ländern eine zunehmende Akzeptanz auch von Seiten der Dienste feststellen.

6. Die Öffentlichkeit Die Dienste sehen die Öffentlichkeit durchweg als sehr wichtig an 6 2 . Die Öffentlichkeitsarbeit wird als sehr wichtig eingestuft, ohne das Problem der Geheimhaltungsbedürftigkeit in den sensiblen Bereichen zu übersehen.

a) A uskunftser tei lung Die Auskunftserteilung der Dienste wird unterschiedlich gehandhabt. Der Großteil der Anfragen richtet sich an den Verfassungsschutz, da die meisten Bürger die Befürchtung haben, daß dort Daten über sie gespeichert sind. Die Dienste sind in jüngster Zeit auskunftsfreudiger geworden 63. Das BfV bewertet 38

In den Ländern besteht teilweise ein einjähriger Berichtsmodus.

39

So wurden etwa der 2. und 3. Tätigkeitsbericht, BT-Drucksache IX/1623, und der 6. und 7. Tätigkeitsbericht, BT-Drucksache X/6583, zusammen beraten. 60

So auch Ordemann/Schomerus, § 19 Anm. 2.3. Sie fordern allerdings die Abschaffung der jährlichen Berichtspflicht, da dem BfD die Möglichkeit bliebe, sich im Bedarfsfalle an den Bundestag zu wenden. AA Geiger DVB1. 90, 748, 752, der eine jährliche Berichtspflicht aus Gründen der Öffentlichskeitswirkung befürwortet. 61 Das Amt des Datenschutzbeauftragten ist eine verhältnismäßig junge Einrichtung. Der erste Datenschutzbeauftragte wurde in Hessen 1972 ernannt. 62

Deren grundsätzliche Bedeutung erkennt auch der MAD an, wenngleich er wegen seines auf Angehörige des Militärs beschränkten Aufgabenfeldes am wenigsten im Kreuzfeuer der öffentlichen Meinung steht. 63

Im Jahre 1994 wurden von 72 Anträgen an das BfV auf Auskunft 53 antragsgemäß beschieden, 19 teilweise oder ganz abgelehnt (1991: 82 Anträge bei 39 Auskunftsertei-

V. Die Praxis der bestehenden Kontrolle

205

seine Auskunftspraxis als sehr großzügig. In der Praxis ist jedoch festzustellen, daß in den Ländern zum Teil bürgerfreundlicher gehandelt wird. Auch wenn über einen Bürger nichts gespeichert ist, erhält er üblicherweise vom BfV nur die Auskunft, daß seine Rechte nicht verletzt seien. Damit soll einer Ausforschung vorgebeugt werden. Einige L f V 6 4 erteilen aber gegenüber nicht gespeicherten Bürgern grundsätzlich den Bescheid, daß sie nicht gespeichert sind. Erst wenn verschiedene Anhaltspunkte zusammenkommen, wird ein „verklausulierter" Bescheid gegeben. Dies trägt zu einer Rechtssicherheit bei den Bürgern bei, deren Auskunftsbegehren in erster Linier dahin geht zu wissen, ob etwas gespeichert ist. Hier wird die Diskrepanz zwischen Öffentlichkeit und der gesicherten Arbeitsweise eines Verfassungsschutzes gesehen. Nach Auffassung des BfV sind die Auskunftspraxen in diesen Ländern ein Zugeständnis an die Öffentlichkeit, das den Nachrichtenzugang erschwert. Die Länder könnten sich insgesamt großzügiger zeigen, da sie im Rücken noch das BfV hätten. Im Ergebnis aber sei die Entscheidung eine politische Entscheidung, auf welchen Aspekt ein größeres Gewicht gelegt werde. Das BfV aber habe das Gewicht, auch im Interesse der Länder, auf den Nachrichtenzugang zu legen. Unterschiede zeigen sich auch in der Formulierung des Auskunftsanspruchs 65 in den jeweiligen Gesetzen. Im Bund und in einigen Ländern muß der Bürger ein berechtigtes Interesse darlegen 66 , um eine Auskunft zu verlangen. Dies wird damit begründet, daß sonst etwa durch Aktionen bestimmter Presseorgane 67 die Effektivität des Dienstes unterlaufen werden kann. Weiterhin wird im Bund und einigen Ländern der Hinweis auf einen konkreten Sach-

lungen zu 43 Ablehungen). Beim MAD waren es 1994 31 Anträge bei einer teilweisen und einer Gesamtablehnung (1991: 41 Anträge bei 22 Auskünften zu 19 Ablehnungen). Beim BND wurden 1994 13 Anträge gestellt, von denen 5 antragsgemäß beschieden, 8 jedoch abgelehnt wurden. (1992: 33 Anträge bei 28 Auskünften zu 5 Ablehnungen). Diese gegenläufige Tendenz erklärt sich jedoch aus der gesunkenen Gesamtanzahl der Anfragen. Zu weiteren Daten siehe den 15. Tätigkeitsbericht des BfD. 64

So etwa das LfV in NRW.

63

In Bayern hat der Bürger keinen Auskunftsanspruch, sondern er ist auf eine entsprechende Ermessensentscheidung angewiesen. 66

Hierbei genügt aber jedes glaubhaft dargelegte Auskunftsinteresse, das in irgendeiner Weise über das allgemein bestehende Interesse an einer Auskunft hinausgeht. Dieser Auslegung folgt das BfV erst seit kurzer Zeit. 67

Es war vorgekommen, daß in bestimmten Zeitungen Vordrucke eines Auskunftsbegehrens verteilt wurden, die massenweise an das entsprechende LfV oder das BfV geschickt wurden. Hier entstand einriesiger Verwaltungsaufwand, der die Tätigkeit des Dienstes beeinträchtigen kann.

206

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

verhalt gefordert 68. In den Ländern, in denen eine solche Klausel nicht besteht, brauchen massenweise Anfragen auch nicht beantwortet zu werden, da ein Versagungsgrund für die Auskunft die Funktionsfahigkeit des Dienstes ist. Hier ist die Schwelle für die Auskunft geringer. Sie wird in der Regel auch offener gehandhabt.

b) Die Öffentlichskeitsarbeit Innerhalb der Dienste gibt es noch Mitarbeiter, die sich gegen eine Verstärkung der Öffentlichkeitsarbeit aussprechen. Dies mag auf eine Prägung des Personal in den 50er und 60er Jahren zurückzuführen sein. Die Erkenntnis von der Notwendigkeit einer effektiven Öffentlichkeitsarbeit setzt sich immer mehr auch außerhalb der Führungsgremien durch. Im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit muß zwischen dem Verfassungsschutz und dem BND unterschieden werden. Der Verfassungsschutz kann eine sehr viel breiter angelegte Öffentlichkeitsarbeit als der BND betreiben. Er ist in seinen jährlichen Verfassungsschutzberichten zu weitergehenden Informationen an che Öffentlichkeit gehalten, als es der BND ist. Gemäß § 16 I I 3 BVerfSchG sind das BfV und der M A D verpflichtet, in den jährlichen Berichten auch Angaben über die finanziellen Zuschüsse und die Anzahl der Bediensteten zu veröffentlichen. Der Gesetzgeber hat dieser Wertung somit Rechnung getragen. Der Verfassungsschutz ist stärker auf eine Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung angewiesen, da sein Tätigkeitsfeld im Inland liegt und er direkt mit der Bevölkerung in Kontakt steht. Daher werden seine Aktivitäten stärker kritisiert. Die Akzeptanz eines nach außen wirkenden Dienstes ist in der Bevölkerung stärker als die eines nach innen wirkenden. Hier ist der deutschen Tradition Rechnung zu tragen. In Deutschland sitzt die Furcht vor einem übermächtigen Staatsapparat tiefer als in anderen Staaten69. Allerdings hat der Verfassungsschutz eher die Möglichkeit einer breiten Öffentlichkeitsarbeit, weil sich die gesellschaftlichen Strukturen entsprechend gewandelt haben. Die Gesellschaft ist im Zeitalter der Massenmedien auf diese Medien angewiesen. Extremistische Gruppierungen sind dazu übergegangen, diese Medien zu nutzen 70 . Sie operieren nur noch selten als verschworene Gruppe im geheimen 71 . 68

Ein solcher Hinweis darf nur zur Antragsbearbeitung verwendet werden. Es bestehen Sicherungen dieser Zweckbindung. 69 70

Dies ist eine Folge der leidvollen Erfahrung mit der Gestapo und der Stasi.

Siehe dazu die Verfassungsschutzberichte des BfV und der LfV. Es ist eine deutliche Tendenz dahingehend zu erkennen, daß alle Arten von Medien genutzt werden einschließlich der „neuen Medien" wie Internet und ähnliches.

V. Die Praxis der bestehenden Kontrolle

207

Nun ist es eine „Frage der Gegenaktivität", inwieweit der Verfassungsschutz auch an die Öffentlichkeit tritt. Eine Öffentlichkeitsarbeit, die „noch verstärkt werden sollte" 72 , würde helfen, Berührungsängste innerhalb der Bevölkerung 73 abzubauen und zu einer breiteren Akzeptanz führen 74 . Dadurch wäre im Bereich des Verfassungsschutzes auch eine stärkere Kontrolle durch die öffentliche Meinung zu erreichen. Eine solche wirkt in einem demokratischen System auch oftmals effektiver als ein engmaschiges Gesetzeswerk. Auch der BND ist auf eine Akzeptanz in der Bevölkerung angewiesen75. In der Öffentlichkeit wird eine gewisse Geheimhaltung von Seiten des BND erwartet, da er „mit Spionen zu tun hat". Viele Aktivitäten, zu denen besonders die Informationsgewinnung aus offenen Quellen dient, eignen sich nicht für eine Öffentlichkeitsarbeit. Gerade aber die publikumswirksamen Vorgänge sind in der Regel geheimhaltungsbedürftig. Auch hier wird die Situation selbstkritisch betrachtet und eine stärkere Öffentlichkeitsarbeit für notwendig erachtet. Ein weiteres praktisches Problem der Dienste im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit besteht in der presserechtlichen Materie. Diese ist außerordentlich kompliziert und presserechtliche Verfahren sind in der Regel äußerst kostspielig. Auf eine Falschmeldung, die ein starkes öffentliches Echo hervorrufen kann, können die Dienste in der Regel nur sehr eingeschränkt reagieren. Dies folgt zum einen aus Geheimhaltungsgründen, die eine Gegendarstellung nicht erlauben. Zum anderen ist der finanzielle Rahmen, der den Diensten für solche Prozesse zur Verfügung steht, sehr eingeschränkt. Da presserechtliche Prozesse in der Regel einen sehr hohen Streitwert haben und ein volles Verfahren somit sehr kostspielig werden kann begnügt man sich in der Regel mit dem Versuch, über eine einstweilige Verfügung den größten Schaden abzuwenden, zumal die Erfolgsaussichten im Vorfeld schwer zu beurteilen sind.

71

Eine solche im Geheimen operierende Gruppe war etwa die RAF oder ihre terroristischen Ableger. 72

Dies ist eine Einschätzung, die auch von den Diensten überwiegend vertreten wird. Viele Kontrollinstanzen stimmen damit überein. 73

Aber auch im Bereich der Presse selber, siehe Wagner, S. 203 ff.

74

Der im Sommer 1995 neu ernannte Präsident des BfV, Hansjörg Geiger, möchte, daß „sich der Verfassungsschutz so offen wie möglich in dieser Gesellschaft präsentieren" soll. Er will nicht, daß ein „undurchsichtiger" Verfassungsschutz „Respekt einflößt". Der Verfassungsschutz beobachte allerdings diejenigen, die sich extremistisch betätigen. Siehe hierzu DER STERN, Nr. 35 vom 24.8.1995. 73

In anderen Staaten ist eine Kooperation zwischen Bevölkerung und Auslandsnachrichtendienst eher festzustellen. In vielen Ländern ist es nicht außergewöhnlich, wenn Auslandsreisende sich bei dem Dienst ihres Heimatlandes melden und über Aktivitäten, die ihnen aufgefallen sind, berichten.

208

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis c) Bundesarchiv

Grundsätzlich können amtliche Akten nach einer Sperrfrist vom Bürger eingesehen werden, sofern sie im Bundesarchiv eingelagert sind. Die Akten der Dienste werden nur zurückhaltend an das Bundesarchiv weitergegeben. Alle dort eingelagerten Akten tragen einen Sperrvermerk, der sie der Öffentlichkeit nicht zugänglich macht. Akten der Dienste können erst dann eingesehen werden, wenn dieser Sperrvermerk aufgehoben worden ist. Eine solche Aufhebung hat es in der Praxis bisher nicht gegeben. Eine Einsicht in Akten der Dienste ist somit nicht möglich. Es bestehen Bestrebungen, solche Akten auch einer Einsicht durch die Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Diese sind bisher gescheitert. In absehbarer Zeit dürfte nach Einschätzung des Bundesarchives keine Freigabe erfolgen.

d) Fazit Somit läßt sich auch aus der Sicht der Dienste ein Defizit im Kontakt mit der Öffentlichkeit feststellen. Selbst Vorgänge, die weit in der Vergangenheit liegen, sind der Öffentlichkeit nicht zugänglich.

7. Fazit Die Erfahrungen mit der Kontrolle der Nachrichtendienste wird von Seiten der Dienste als insgesamt gut bezeichnet. Es existiere ein Kontrollsystem, das für Verbesserungsmöglichkeiten zwar noch zugänglich sei, insgesamt aber eine rechtsstaatliche Kontrolle gut gewähre. Insbesondere im internationalen Vergleich sei die deutsche Regelung einmalig. Von seiten der Kontrolleure hingegen werden noch Bedenken geäußert. Diese beziehen sich zum Teil auf die Handhabung innerhalb des schon bestehenden Kontrollrahmens. Wenngleich die Zusammenarbeit innerhalb der PKK als „umfassend und vertrauensvoll" 76 bewertet wird, könnte im Einzelfall eine noch offenere Information erfolgen. Auch im Bereich der DSB wird trotz der zunehmenden Akzeptanz dieses Institutes noch eine gewisse Zurückhaltung bemerkt. Diese äußerte sich z.B. bei der Neufassung des BDSG bzw. der vergleichbaren Regelungen in den Ländern. Personenbezogene Daten aus einer Sicherheitsüberprüfung sind durch den DSB nur dann kontrollierbar, wenn der Betroffene nicht widersprochen hat, § 24 I I Nr. 2 BDSG. Diese Regelung dient 76

BT-Drucksache ΧΠ/8102.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

209

auf der einen Seite zwar dazu, das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen zu wahren 77 , auf der anderen Seite machen sie eine Kontrolle durch den DSB in diesem Bereich unmöglich. Er ist darauf angewiesen, überraschend auch Querschnittskontrollen durchführen zu können. Diese werden jedoch vereitelt, wenn die nach dem Zufallsprinzip angeforderten Akten erst nach Rücksprache mit dem Betroffenen ausgehändigt werden. Die Dienste befinden sich aufgrund der neuen weltpolitischen Situation, die auch die nationale politische Landschaft stark beeinflußt, in einem Umbruch. Es werden neue Tätigkeisfelder gesucht und neue Kompetenzen gefordert 78. Es wird gesehen, daß dies Folgen auf das Kontrollsystem haben kann. Das gilt besonders im Bereich der G10-Kontrolle 79 . Eine gesetzliche Regelung aber zeichnet sich dadurch aus, daß sie auch in veränderten Situationen noch effektiv ihrem Regelungsauftrag gerecht wird.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme Bei der Überlegung, ob die Kontrollmechanismen, die in der Bundesrepublik Deutschland normiert sind, ausreichen, muß ein Vergleich mit anderen funktionierenden Systemen stattfinden. Ein solcher Vergleich kann zeigen, daß bereits die Obergrenze dessen erreicht ist, was im Interesse der Funktionsfähigkeit der Dienste möglich ist. Im Gegenteil können sich hier aber auch Anregungen ergeben, die landläufig vorgebrachte Argumente widerlegen können. 77

Die im Rahmen einer Sicherheitsüberprüfung gespeicherten Daten dringen zum Teil weit in die Privatsphäre des Einzelnen ein, abhängig vom Grad der Sicherheitsstufe. Es werden etwa Referenzpersonen nach den Lebensgewohnheiten der zu überprüfenden Personen befragt. 78

Zum Teil ohne die Gesetzeslage zu ändern. Wenn der Rechtsausschuß des Deutschen Bundestages ohne weitere Aussprache beschließt, daß die Rauschgiftkriminalität die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährden könne, so erhält der BND damit die Aufgabe, in diesem Bereich tätig zu werden, § 1 Π BNDG. Dies hält sich zwar im Rahmen des Gesetzeswortlauts, führt im Ergebnis aber zu einer Tätigkeit auf dem Feld der eigentlichen Verbrechensbekämpfung, einem Bereich, der bisher der Polizei vorbehalten war. Alleine durch diese Interpretation kann eine „Vorfeldpolizei" entstehen, die losgelöst von den Anforderungen der Polizeigesetze und der StPO das sog.„kriminogene Milieu" beobachten kann. Hierunter sind Personen zu verstehen, die sich nicht strafbar gemacht haben, aber aus irgendwelchen Gründen der Polizei aufgefallen sind. Siehe hierzu B. Hirsch, „Zur Verkleinerung der Dienste", in: DIE ΖΕΓΓ vom 18.5.1995. 79

Hier wird die Entwicklung abzuwarten bleiben. Insbesondere muß dabei beachtet werden, wie sich die Neuregelung des G10 in der Praxis bewährt. Hierzu liegen noch keine Erfahrungen und Zahlen vor.

210

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

1. Bundesländer Die Bundesländer haben sich in jüngster Zeit neue Gesetze über ihren Verfassungsschutz gegeben. Nötig war dies in den neuen Bundesländern, wo diese Behörden erst aufgebaut werden mußten, aber auch in den alten sah man ein zu behebendes Regelungsdefizit. Bei der Betrachtung der Kontrollmechanismen in den Ländern bleibt das föderative System des Verfassungsschutzes zu beachten. Die Länder werden durch das BVerfSchG ermächtigt, ein L f V einzurichten. Die Länder können daher nicht in wesentlichen Punkten von dem Vorgaben abweichen1. Der Bund hat gem. Art. 73 Nr. 10 GG die alleinige Kompetenz zur Errichtung eines Verfassungsschutzes, die Kompetenz der Länder folgt aus Art. 71 GG i V m § 2 I I BVerfSchG. Sie sind verpflichtet, ein L f V einzurichten, das in Angelegenheiten des Verfassungsschutzes mit dem BfV zusammenarbeitet, § 1 I I BVerfSchG. Der Bund kann die landesrechtlichen Einzelheiten nicht regeln. Das ergibt sich aus der Eigenstaatlichkeit der Länder gemäß Art. 30 GG ebenso wie aus den Art. 83 ff GG. Ein allzu weites Abgehen von der bundesstaatlichen Regelung würde aber gegen das Gebot der Bundestreue verstoßen, da die Verfassungsschutzbehörden zu engster Zusammenarbeit verpflichtet sind. Ein L f V darf z.B. nicht dergestalt der Öffentlichkeit zugänglich sein, daß die Geheimschutzregeln des BfV unterlaufen werden würden. Die LfV sind nur zuständig, soweit sich eine Gefahr für den Bestand ihres Landes ergibt, in anderen Ländern dürfen sie nur ausnahmsweise agieren. Das BfV kann tätig werden, sofern sich verfassungsfeindliche Bestrebungen über das Gebiet eines Landes erstrecken, § 5 I I BVerfSchG 2 . Ein Nachrichtendienst oder ein militärischer Dienst besteht mangels Kompetenz bei den Ländern nicht.

a) Gerichtliche Kontrolle Die gerichtlich Kontrolle unterscheidet sich nicht von der Kontrolle auf Bundesebene. Der Weg zu den Gerichten ist eröffnet, sobald der Betroffene von der Maßnahme informiert wird. Der Bürger hat gegenüber den LfV einen Auskunftsanspruch 3. Hier ist festzustellen, daß die Länder teilweise geringere Voraussetzungen fordern als der Bund. Die Versagungsgründe, die einem solchen 1 Ganßer, S. 44; Koch ZRP 95, S. 24, geht von einer umfassenden Gesetzgebungskompetenz der Länder aus, die nur dann eingeschränkt ist, wenn die Zusammenarbeit mit dem Bund betroffen ist. 2 3

Für Einzelheiten bei der Zusammenarbeit siehe Gröpl, S. 163 - 196.

Zum Anspruch aus § 15 BVerfSchG gegen das BfV siehe oben. In Bayern besteht als einzigem Bundesland kein solcher Anspruch, Art. 11 BayVerfSchG. Dem Bürger kann nach pflichtgemäßen Ermessen gleichwohl eine Auskunft erteilt werden.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

211

Auskunftsbegehren entgegengesetzt werden können, sind bundesweit einheitlich 4 . Die weiteren Voraussetzungen sind uneinheitlich. Während für eine Auskunft gegenüber dem BfV ein konkreter Sachverhalt und ein berechtigtes Interesse nachgewiesen werden müssen, existieren diese Voraussetzungen in der überwiegenden Zahl der Länder nicht 5 . Der Umfang des Auskunftsanspruchs ist ebenfalls unterschiedlich. Während die meisten Regelungen die Auskunftsverpflichtung nicht auf die Herkunft der Daten erstrecken, wird dies teilweise in das Ermessen der Behörden gestellt6. In der Regel muß keine Begründung gegeben werden, wenn die Auskunft versagt wird. Dies ist in das Ermessen der Behörde gestellt. Lediglich in Berlin ist normiert, daß eine Begründung gegeben werden muß, die so ausführlich ist, daß eine gerichtliche Überprüfung möglich ist 7 . Dadurch ist gegen eine Aussageverweigerung gerichtlicher Schutz in jedem Fall gewährleistet, ohne daß dieser an verwaltungsprozessualen Einschränkungen scheitern kann. Jedenfalls muß eine Ablehnung den Hinweis erhalten, daß der Betroffene sich an den Beauftragten für Datenschutz wenden kann, dem weitere Kontrollmöglichkeiten zustehen8. Auskunftsansprüche stehen grundsätzlich allen Personen zu, nur in Berlin und Schleswig-Holstein ist dieser Anspruch auf natürliche Personen beschränkt 9. Damit sind von diesem Anspruch juristische Personen und Personenvereinigungen ausgeschlossen. Die weitestgehenden Auskunftsansprüche bestehen in Brandenburg, Niedersachsen und dem Saarland. Hier muß weder auf einen besonderen Sachverhalt hingewiesen werden, noch ein berechtigtes Interesse geltend gemacht werden. Der Anspruch kann sich auf die Herkunft 4

Sie unterscheiden sich in der Formulierung unwesentlich oder stellen sie in das Ermessen der Behörde, so etwa § 21 Π SaarlVerfSchG. Die bei der Ermessenserwägung zu beachtenden Gesichtspunkte sind aber diejenigen, die auch beim Bund zu einer Versagung fuhren können. 3

Berlin, Sachsen-Anhalt und Thüringen fordern ein berechtigtes Interesse, Rheinland-Pfalz nennt keine Voraussetzung. In Bayern wird eine Auskunft bei Bezugnahme auf einen konkreten Sachverhalt und Darlegung eines berechtigten Interesses eher erteilt werden. 6

So in Brandenburg, Niedersachsen und im Saarland. Wenn sich die Auskunftsverpflichtung nicht auf die Herkunft der Daten erstreckt, so kann die Behörde gleichwohl darüber Auskunft geben. Der grundlegende Unterschied besteht darin, daß dem Bürger in den genannten Ländern ein grundsätzlicher Anspruch auf Nennung der Herkunft zusteht, der somit einklagbar ist. 7

§ 31 ΠΙ BerVeifSchG.

8

In der Regel wird dieser einen Bescheid darüber ausstellen, daß Rechte des Antragstellers nicht verletzt sind, um eine Ausforschungsgefahr zu vermeiden, siehe auch oben. 9

§ 311 BerVeifSchG; § 25 I SchlVerfSchG.

212

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

der Daten erstrecken und steht grundsätzlich allen Personen zu. M i t Auskunftsansprüchen korrespondiert ein Akteneinsichtsrecht. Dieses verfolgt das gleiche Ziel. Dieses ist nur in den Verfassungsschutzgesetzen von Berlin und Brandenburg normiert, wobei es unter denselben Voraussetzungen versagt werden kann, wie das Auskunftsbegehren. b) Eigenkontrolle Die Eigenkontrolle durch Dienst- und Fachaufsicht findet in den L f V ebenso statt wie im BfV. Auch die Länder unterstehen der Kontrolle, die durch die Koordination der Dienste erreicht wird. Unterschiede zur bundesgesetzlichen Regelung bestehen darin, als daß die Verfassungschutzbehörden einiger Länder nicht eigene Behörden, sondern Abteilungen des jeweiligen Innenministeriums sind 10 . In diesen Fällen ist die Dienst- und Fachkontrolle sehr viel direkter, als wenn das L f V eine selbständige Unterbehörde wäre. Die politische Verantwortung des zuständigen Ministers ist stärker, wenn der Verfassungsschutz eine Abteilung seines Ministeriums ist, die seinem unmittelbaren Einblick und seiner unmittelbaren Kontrolle unterliegt. c) Parlamentarische Kontrolle Die parlamentarische Kontrolle durch die Länderparlamente unterscheidet sich nicht grundsätzlich von der des Bundestages. In allen Ländern stehen den Abgeordneten und dem Parlament die gleichen Rechte zu. Hier existieren jeweils die die Regierung kontrollierenden Ausschüsse, wie der für den Bereich des Verfassungsschutz zuständige Innenausschuß oder die einzusetzenden Untersuchungsausschüsse. Weiterhin stehen den Abgeordneten die verfassungsrechtlich garantierten Mindestrechte, wie das Recht auf Information durch die Regierung zu. Eine umfassende Kontrolle durch das Plenum oder die parlamentarischen Organe alleine kann in den Länderparlamenten ebenso wenig gewährleistet werden wie im Bund 11 . aa) Allgemeine Kontrollrechte In den Länderparlamenten sind die Rechte der Abgeordneten teilweise weitergehend ausgestattet als im Bund. Ein Verstoß gegen das Homogenitätsprin-

10

So in Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Mecklenburg-Vorpommern, RheinlandPfalz und Schleswig-Holstein. Hamburg nimmt eine Sonderstellung ein. 11

Siehe ausführlich die Ausführungen zu der Kontrolle des Bundes oben.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

213

zip kann hier nicht gesehen werden, da durch den Bund lediglich verfassungsmäßige Grundstandards gesetzt werden 12 . Dementsprechend räumen auch einige Landesverfassungen den Abgeordneten größere Rechte ein. In den Landesverfassungen von Brandenburg, Hamburg, SchleswigHoltstein, Sachsen-Anhalt, Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern ist ein Recht auf Vorlage von Akten normiert. Dieses Recht richtet sich in der Regel gegen die Landesregierung und kann abgelehnt werden, wenn Staatsgeheimnisse oder die schutzwürdigen Rechte einzelner entgegenstehen13. Die Voraussetzungen in den einzelnen Landesverfassungen sind unterschiedlich ausgerichtet, zum Teil ist es als Mehrheitsrecht für Ausschüsse14 ausgestaltet, zum Teil steht es den einzelnen Abgeordneten alleine zu 15 . Gegen ein solches Recht bestehen verfassungsrechtliche Bedenken 16 , denen durch eine entsprechend rechtliche Ausgestaltung dieses Rechtes entgegnet werden kann 17 . Allein dieses Recht kann die Abgeordneten nicht in die Lage versetzen, eine ausreichende Kontrolle über den Verfassungsschutz auszuüben, weil in diesem Bereich der Regierung ein Verweigerungsrecht zusteht. Der bayerische Landtag hat einen ordentlichen Parlamentsausschuß für Kommunales und die innere Sicherheit eingerichtet. Trotz anderen Namens verfügt dieser Ausschuß über keine besonderen Rechte18.

12

BVerfGE 9, 268, 279; Kersten, DöV 93, 898.

13

Zu den Reformbestrebungen auf Bundesebene siehe den Stenographischen Bericht der 4. Öffentlichen Anhörung der Gemeinsamen Verfassungskommission vom 10.9.1992 mit den entsprechenden Stellungnahmen der Sachverständigen: Degenhardt, S. 3f, 62; Günther, S. 7, 45, 83f; Isensee, S. 47; Loschelder, S. 12; Schneider, S. 17, 92; Thaysen, S. 20, 51, 115. 14

So etwa in Mecklenburg-Vorpommern, Art. 40 Π MecklVerf.

15

So etwa in Brandenburg, Art. 56 ΠΙ BrbgVerf vom 20 8.1992, wonach jedem Abgeordneten das Einsichtsrecht in alle Akten von Behörden und Dienststellen des Landes zusteht. 16 So aus dem Gewaltenteilungsprinzip als Einbruch in den „Kernbereich exekutivischer Eigenverantwortung", siehe etwa den Stenographischen Bericht der Gemeinsamen Verfassungskommission, aaO (Fn 13), S. 45, 47, oder aus der notwendigen Verknüpfung mit einer beamtenrechtsgleichen Geheimhaltungspflicht, die aber gegen die verfassungsrechtliche Position des Abgeordneten verstoßen würde, Schlußbericht der Gemeinsamen Verfassungs-Kommission BR-Drs. 800/93, S .91. 17

Ausführlich mit eigenem Lösungsvorschlag Eckertz-Höfer; S. 369 ff.

18

Ganßer, S. 128, erweckt insofern einen falschen Eindruck.

214

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis bb) Ausgestaltung der Parlamentarischen Kontrollkommission

Die Länder haben zur Kontrolle des Verfassungsschutzes eine Parlamentarische Kontrollkommission eingerichtet. Die Befugnisse und Rechtsstellung weichen in einigen Punkten von der bundesrechtlichen Regelung ab. So hat die PKK in mehreren Ländern die Rechtsstellung eines Landtagsausschusses mit der Folge, daß in diesen Ländern jede im Landtag vertretene Fraktion grundsätzlich einen Anspruch auf einen Sitz innerhalb der PKK hat 19 . Die Größe der PKK schwankt zwischen drei und zehn Mitgliedern. Grundsätzlich informiert die Landesregierung 20 die PKK über die Vorgänge im Zusammenhang mit dem Verfassungsschutz. Die Berichtszeiträume sind zum Teil kürzer als die jährliche Verpflichtung der Bundesregierung gegenüber der PKK auf Bundesebene21. In den meisten Landesregelungen fehlt eine explizite Regelung, so daß der Zeitraum durch die politische Verantwortlichkeit der Landesregierung bestimmt wird. Jede PKK kann die Einberufung einer Sitzung verlangen, zum Teil sogar ein einzelnes Mitglied 2 2 . Der Umfang der Berichtspflicht steht im politischen Ermessen der Landesregierung. Zwar gehen die meisten Gesetze zwar von einem umfassenden Informationsrecht aus, doch darf dieses bei Gefahr für die Sicherheit für das Land oder den Bund eingeschränkt werden. Die PKK des Bundes hat ein gesetzlich nicht verankertes Recht auf Akteneinsicht sowie auf Anhörung einzelner Bediensteter der Dienste. Solche Rechte sind in einigen Landesverfassungen gesetzlich normiert, zum Teil beschränkt auf ein Akteneinsichts- oder Auskunftsrecht. Nicht in allen Ländern besteht die Möglichkeit der PKK, sich mit Bewertungen über aktuelle Vorgänge an die Öffentlichkeit zu wenden. Nicht alle PKKen der Länder sind verpflichtet, dem jeweiligen Landtag einen Tätigkeitsbericht vorzulegen. Das Verhältnis zu den Organen nach G l 0 ist unterschiedlich geregelt. Während in den meisten Fällen eine Kontrolle dieser Materie de lege lata ausgeschlossen ist, ist die PKK in einigen Ländern mit dem Gremium nach G10 identisch 23 . Bayern betrat einen Mittelweg, nach dem der Innenminister ver-

19

Nach § 33 Π BerVeifSchG ist jeder Fraktion ein solcher Platz garantiert, notfalls kann sogar die gesetzliche Höchstgrenze von 10 Mitgliedern erhöht werden, um jede Fraktion beteiligen zu können. 20

Anders in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, dem Saarland und SachsenAnhalt, wo dem Innenminister diese Aufgabe obliegt. 21

So schreiben Bayern und Thüringen eine vierteljährliche Berichtspflicht vor, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg eine halbjährliche. 22

So in Bayern, dem Saarland, Schleswig-Holstein und Thüringen.

23

So in Nordrhein-Westfalen, dem Saarland und Sachsen-Anhalt.

V Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

215

pflichtet ist, mindesten jährlich der PKK über die Durchführung des G10 zu berichten, Art. 20 I I I 2 BayVerfSchG iVm Art. 3 AGGIO. Im übrigen ist die Kontrolle aber den im G10 genannten Organen vorbehalten. Hiernach zeigt sich eine unterschiedliche Handhabung der Rechte einer PKK. Die Einrichtung in einigen Ländern als Ausschuß des Landtages24 zeigt, daß die im Bund erhobenen Bedenken gegen eine solche nicht essentiell zwingend sind. Wichtig ist, daß vergleichbare Befugnisse, die der PKK auf Bundesebene durch die Erklärung der Bundesregierung eingeräumt worden sind, in den Ländern teilweise als gesetzliche Regelung eingeführt werden. In einigen Fällen besteht ein engeres Verhältnis zum G10-Gremium. Hierdurch erhält die PKK auch einen Einblick in die Vorgehensweise mit dem Instrument der Fernmeldekontrolle. Es zeigt sich, daß hier weitergehende Befugnisse möglich sind. Die Rechte der PKK sind auf Bundesebene durchaus ausbaufähig.

cc) Weitere parlamentarische Kontrollrechte: Beauftragter für den Verfassungsschutz Ein auf Bundesebene unbekanntes weiteres Kontrollorgan besteht in Schleswig-Holstein mit dem Beauftragten für den Verfassungsschutzschutz, § 27 SchlVerfSchG. Über die Notwendigkeit einer solchen Institution ist man sich nicht einig 25 . Der Beauftragte für den Verfassungsschutz ist nach der Konzeption Schleswig-Holsteins ein Hilfsorgan der PKK, also, obwohl nicht notwendigerweise Parlamentarier, einer parlamentarischen Kontrolle gleichwohl zuzurechnen. Ihm steht ein unbeschränktes Akteneinsichtsrecht zu. Er kann allerdings nur in Einzelfällen eingesetzt werden. Ihn trifft eine Berichtspflicht nur gegenüber der PKK, sonst ist er zur Geheimhaltung verpflichtet. Damit trägt der Beauftragte die Züge einer „Royal-Commission" Allerdings ist seine Unabhängigkeit gesetzlich nicht gewährleistet. Auch kann seine Bewertung nicht, nachdem sie durch den „Filter" der PKK gegangen ist, als Grundlage einer öffentlichen Stellungnahme dienen. Die PKK Schleswig-Holsteins besitzt keine Berichtsmöglichkeit. Ein Beauftragter für den Verfassungsschutz ist bisher noch nicht eingesetzt worden. Erfahrungen mit dem Beauftragten liegen somit nicht vor. Von Interesse wäre die praktische Zusammenarbeit des L f V mit ihm gewesen,

24

So etwa in Baden-Württemberg, Berlin, Niedersachsen, dem Saarland und Sachsen-Anhalt. 25

185.

Ablehnend BayLfD, 13. Bericht, S. 29; nicht entschieden Riegel, Datenschutz, S.

216

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

wie auch die Frage, welche Persönlichkeit mit dieser Aufgabe betraut worden wäre. Die Tatsache, daß die PKK von dieser Möglichkeit noch keinen Gebrauch gemacht hat, läßt somit lediglich den Rückschluß zu, daß es sich hierbei um ein Mittel handelt, von dem nur in äußersten Fällen Gebrauch gemacht wird. d) Weitere Kontrollen In den Ländern bestehen auch die weiteren Kontrollorgane, die auf Bundesebene bestehen. Jedes Land hat die nach dem G10 vorgeschriebenen Kontrollorgane eingerichtet. Der Aufbau unterscheidet sich nicht von dem auf Bundesebene26. Es findet ebenfalls eine Kontrolle durch den Landesrechnungshof statt 27 . Jedes Land hat einen LfD eingerichtet. Diesem kommt, wie auf Bundesebene auch, die Aufgabe zu, bei einer Auskunftsverweigerung durch die Dienste, die eventuelle Speicherung von Daten auf ihre Rechtmäßigkeit zu untersuchen. Ansonsten kommen ihm in keinem Bundesland weitreichendere Kontrollkompetenzen als dem BfD zu. Die Kontrolldichte der LfD ist zum Teil jedoch enger 28 . e) Fazit Im Vergleich mit den Kontrollen, denen die L f V unterliegen, zeigt sich, daß auf Bundesebene weitergehende Kontrollen möglich sind, ohne daß die Funktionsfähigkeit der Dienste dadurch zum Erliegen kommt. Insbesondere im Zusammenhang mit der G10-Kontrolle ist eine engere Verzahnung der Kontrollinstanzen möglich, als es bisher geschehen ist.

2. Ausland Weiterhin ist ein Blick auf die Kontrolle ausländischer Nachrichtendienste zu werfen 29 . Bei einem Vergleich muß jedoch eine eventuell andere Gliede-

26

Zu den Besonderheiten im Zusammenhang mit der PKK vgl. S. 214.

27

Auch hier sei insoweit auf die vergleichbare Regelung auf Bundesebene verwiesen.

28

Siehe nur Hassemer, S. 46 unter Gegenüberstellung des § 29 Π HessDSG und § 24 IV 4 BDSG. Dem BfD kann im Einzelfall durch einen Dienst eine Auskunft ganz verweigert werden, dem HessLfD nur dann, wenn einem Betroffenen Vertraulichkeit zugesichert wurde.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

217

rungsstruktur der Dienste beachtet werden 30 . So ist die föderale Struktur des Verfassungsschutzes in der Bundesrepublik Deutschland eine Besonderheit, die einmalig im internationalen Vergleich ist 31 . Die heutigen Geheimdienste sind größtenteils nach dem zweiten Weltkrieg entstanden32 oder grundlegend reformiert worden. In den letzten Jahrzehnten ist besonders in den westlichen Demokratien ein Trend festzustellen, diese Dienste einer Kontrolle zu unterstellen. In allen Staaten wird der Antagonismus zwischen Geheimhaltungs- und Öffentlichkeitsinteresse gesehen. Die verschiedenen Staaten haben verschiedene Kontrollsysteme entwickelt, bei denen unterschiedliche Schwerpunkte betont worden sind. Da sich in den anderen Staaten ähnliche Probleme wie in Deutschland stellen, kann der Blick auf andere Lösungsansätze Möglichkeiten aufzeigen, wie dieser Konflikt gelöst werden kann. Der Zusammenbruch des Ostblocks und die damit zusammenhängende Veränderung in der internationalen politischen Weltlage, haben in vielen Ländern Überlegungen in Gang gesetzt, die Aufgabenfelder der Dienste neu zu bestimmen. Allgemein ist festzustellen, daß die Dienste immer mehr auch zur Verbrechensbekämpfung eingesetzt werden sollen 33 , sofern dieses nicht schon längst zu den Aufgaben des jeweiligen Dienstes gehört. Die Kontrollmechanismen unterscheiden sich in den verschiedenen Staaten aber nicht wegen der

29

Die Quellen bezüglich der jeweiligen Staaten sind vorzugsweise Originalquellen, die aus dem jeweiligen Staat stammen. Dies war jedoch nicht durchgängig möglich. Leicht entstehen Ungenauigkeiten. So unterscheidet beispielsweise Prados, S. 30, 31, nicht zwischen G10-Kommission und G10-Gremium, sondern sieht beide als ein parlamentarisches Gremium aus Abgeordneten an und kommt zu der dann berechtigten Frage, warum nur drei der fünf Mitglieder über eine Fernmeldebeschränkung entscheiden. Den Bundesrechnungshof scheint er als Gericht anzusehen. Der CRS, für den Prados seine Untersuchunge angestellt hat, arbeitet exklusiv nur für den us-amerikanischen Kongreß(!). Eine Veröffentlichung ist nicht vorgesehen. 30

Die im nachfolgenden Kapitel gemachten Angaben über Organisation und Aufgaben der ausländischen Nachrichtendienste sind teilweise entnommen aus „Intelligence and Counterintellingence", The New Encyclopaedia Britannica, S. 717 - 724 bzw. Richelson, Foreign Intelligence Organizations, 1988. Ein gesonderter Nachweis erfolgt nicht. 31

Borgs-Maciejewski, Verfassungsschutz im internationalen Vergleich, S. 201 Nr. 4.

32

So insbesondere bei den Dritte-Welt-Ländem mit Erlangung der Unabhängigkeit.

33

In den USA etwa wurden das El Paso Intelligence Center (EPIC) in Texas und das National Drug Intelligence Center (NDIC) in Johnstown, Pennsylvania eingerichtet, um bei der Drogenbekämpfung nachrichtendienstliche Unterstützung zu gewähren. Beide unterstehen dem Justizministerium. Ihre Einrichtung ist die Folge der Schwierigkeiten, nachrichtendienstlich erlangte Informationen auch strafrechtlich zu verwerten.

218

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

unterschiedlichen Aufgabensetzungen der Dienste, sondern wegen der Mentalität des jeweiligen Staates und seiner verfassungsrechtlichen Besonderheiten. Der Vergleich verschiedener Rechtsordnungen gestaltet sich aus verschiedenen Gesichtspunkten schwierig. Die einzelnen Staaten haben ihre Dienste sehr unterschiedlich aufgebaut, so daß zum Teil durch mehr oder weniger unabhängige Stellen eine enge exekutive Kontrolle erreicht wird. Die Unterscheidung zwischen Staaten, die spezielle Kontrollgremien in diesem Bereich geschaffen haben, und Staaten, bei denen das noch nicht der Fall ist, gestaltet sich schwierig, da die verfassungsrechtlichen Ausgangspunkte differieren. Daneben besteht eine unterschiedliche Begrifflichkeit. Zum Teil wird in der Kontrolle der Nachrichtendienste eine umfassende Kontrolle, d.h. auch eine einzelfallbezogene Kontrolle angestrebt, zum Teil begnügt man sich mit einer Rechts- und Zweckmäßigkeitskontrolle. Auch wird zum Teil die exekutivische Eigenkontrolle nicht als Kontrollinstanz anerkannt 34 , da sie nicht außerhalb der Dienste an sich stehe. Sie würde die Dienste verwalten, nicht aber kontrollieren 35 . Auch die Überlegung, was eine Kontrolle bewirken und bis zu welchem Ausmaß sie zulässig sein kann, ist vor dem jeweiligen verfassungsrechtlichen Hintergrund zu betrachten. Parlamentarische Demokratien und Präsidialdemokratien unterscheiden sich schon vom verfassungsrechtlichen Ansatz her. In letzterer wird in der Regel ein größeres Gewicht auf den Gewaltenteilungsaspekt gelegt. Weiterhin ist bei den Kontrollinstanzen besonders darauf zu achten, wer sie einsetzt. Werden sie durch die Exekutive eingesetzt, ist die zu erwartende Kontrolle, auch wenn es sich um eine weisungsfreie Stelle handelt, durch die Auswahl in eine bestimmte Richtung vorgezeichnet.

a) Israel In Israel bestehen zwei große Nachrichtendienste 36, der Mossad 37 und Shin Ben 38 . Weiterhin besteht Agaf Aman als militärischer Sicherheitsdienst 39 und 34

So etwa Prados, S. 7.

33

Diese Ansicht verkennt allerdings, daß die Dienste nicht nur von außen her überwacht werden müssen, sondern auch in ihrem Inneren ein rechtmäßiges Handeln sicherzustellen ist. Ausßerhalb der Dienste stehende Kontrollinstanzen konzentrieren sich zudem meist auf die Überwachung der Leitung der Dienste, nicht aber auf operative Maßnahmen. Deswegen stellt die exekutivische Eigenkontrolle in der Regel die Grundlage einer umfassenden, nicht nur anlaßbezogenen Überwachung dar. 36 Die Schreibweise variiert in unterschiedlichen Publikationen. Dies ist Folge der Übersetzung aus der hebräischen Schreibweise. 37

Zuständig für Spionage und verdeckte politische Operationen.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

219

ein Nachrichtendienst des Außenministeriums 40 . Daneben besteht eine polizeiliche Staatsschutzabteilung41. Ferner unterhalten Teile der Streitkräfte eine eigene nachrichtendienstliche Abteilung. Daneben besteht das Amt für wissenschaftliche Beziehungen (LEKEM nach dem hebräischen Leschket Kischer Madeo). Die Dienste wurden nach der Gründung des Staates Israel 1948 durch einen Kabinettsbeschluß errichtet. Der Mossad untersteht einem Direktor, der für die Koordination der nachrichtendienstlichen Tätigkeiten aller Geheimdienste zuständig ist. Er ist direkt und nur dem Premierminister verantwortlich. Dieser erfüllt seine Koordinationsaufgabe in einem Ausschuß zusammen mit den Leitern der anderen Dienste. Die anderen Dienste unterstehen jeweils dem zuständigen Ressortminister. Über den weiteren Aufbau der israelischen Dienste ist wenig bekannt, insbesondere findet keine der Öffentlichkeit zugängliche Kontrolle statt. Sie operieren weitgehend ohne gesetzliche Regelung. Aufgrund der instabilen Situation Israels erfreuen sie sich breitester öffentlicher Zustimmung und weitgehender Handlungsfreiheit 42 . Die parlamentarische Kontrolle der israelischen Dienste weitet sich zur Zeit aus. Der Ausschuß für Äußeres und Sicherheit erlangt zunehmend Einfluß im Bereich der Kontrolle. In diesem wird der Etat für Verteidigung mit- und der Etat für die Dienste ausschließlich beraten. Weiterhin berichten die Leiter der Dienste einem Unterausschuß. Diese Berichte würden immer ausführlicher 43 . Trotzdem sind weite Teile einer Kontrolle nicht zugänglich. Dies wird im Hinblick auf das israelische Selbstverständnis, nach dem sich Israel im Kriegszustand mit seinen Nachbarn befindet, nicht kritisiert. Daneben besteht eine strenge Zensur, die eine Kontrolle unmöglich macht. Der entsprechende Parlamentsausschuß hat eine Lockerung der Zensurvorschriften vorgeschlagen. Die Auswirkungen auf die Kontrolle bleiben abzuwarten.

38 Zuständig für Gegenspionage, arabische Terroranschläge und innere Sicherheit. Er trägt auch die Bezeichnung Shabak. 39

Zuständig für militärische Aufklärung aller Art.

40

Diese kleine Abteilung ist spezialisiert auf die Beschaffung politischer Informatio-

nen. 41

Zuständig für kriminalpolizeiliche Aufgaben und den Grenzschutz.

42

Vgl. Borgs-Maciejeswki, S. 167 mit Bezug auf die Allgemeine Jüdische Wochenzeitung vom 17.2.1989. 43

So die Aussage des Vorsitzenden dieses Ausschusses Dr. Eliahu ben Elissar, zitiert nach Prados, S. 48. 15 Hirsch

220

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Allerdings finden sich in jüngster Zeit Bestrebungen, eine gewisse Öffentlichkeit zu erreichen. Die Etats der beiden großen Dienste, Mossad und Shin Ben, sind zwar noch in allgemeinen Rechnungsposten des Staatsetats enthalten, doch gibt es Stimmen, die Höhe des Gesamthaushaltes zu veröffentlichen 44 .

b) Norwegen aa) Die Dienste In Norwegen existiert ein militärischer Geheimdienst und eine Sicherheitspolizei 45 . Dem Geheimdienst kommt eine umfassende Tätigkeit auf dem Gebiet nachrichtendienstlicher Ermittlungen zu, er ist nicht auf Sachverhalte im Zusammenhang mit den Streitkräften beschränkt. Zu den Zuständigkeiten der Sicherheitspolizei gehört die Spionageabwehr. Es ist anzunehmen, daß ihr auch die Aufgaben des Staatsschutzes obliegen, also sie im Bereich der Vorfeldbeobachtung tätig wird. Eine Trennung zwischen Polizeien und Diensten wäre in Norwegen nicht verwirklicht.

bb) Kontrollmechanismen Eine Kontrolle der norwegischen Dienste findet in einem nur begrenzten Umfang statt. Es existiert ein von der Regierung eingesetzter Kontrollausschuß 46 , dem eine jährliche Berichtspflicht gegenüber der Regierung obliegt. Dem Parlament gegenüber erstattet der Ausschuß nur alle vier Jahre einen Bericht, der sich nur mit grundlegenden Fragen beschäftigt. Die allgemeinen Kontrollrechte des Parlamentes haben sich im Bereich der Kontrolle der Dienste als wenig effektiv herausgestellt. Lediglich der erweiterte Außen- und Verfassungsausschuß konnte in geheimen Sitzungen mit der Regierung zusammen Richtlinien in einigen Bereichen der Dienste erarbeiten. Spezialgesetzlich geregelte Kontrollinstanzen über die norwegischen Dienste existieren nicht. Die Kontrolle der Dienste wird durch einen besonderen Ausschuß der Regierung ausgeübt. Auch die Informationen, die das Parlament sehr sporadisch

44

Siehe etwa Tel Aviv Ha'Aretz, vom 28. 10. 1993, S. Al. Hier wurde der Gesamthaushalt der beiden Dienste auf rund eine halbe Milliarde DM geschätzt. 43

Jones, S. 140.

46

Dieser besteht aus fünf Mitgliedern, deren Amtszeit vier Jahre beträgt.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

221

erhält, werden durch die Regierung bereitgestellt. Eigene Ermittlungsmöglichkeiten des Parlamentes existieren nicht 47 . cc) Fazit Eine wirksame Kontrolle der Dienste durch Stellen außerhalb der Regierung existiert in Norwegen nicht. Auch die Kontrolle durch die Regierung selber scheint wenig effektiv zu sein 48 . Die norwegischen Dienste arbeiten somit weitgehend ohne Kontrolle. Durch bekanntgewordene Skandale wurde eine Diskussion um eine bessere Kontrolle entfacht.

c) Die Niederlande aa) Die Dienste In den Niederlanden existieren drei Dienste, die ähnlich der deutschen Struktur organisiert sind. Es existiert ein Binnenlandse Veiligheidsdienst (BVD) 4 9 , der für die innere Sicherheit zuständig ist, ein Militare Inlichtingdienst (MID), in dessen Aufgabenbereich die militärische Aufklärung fallt, und den Inlichtingendienste Buitenland (IBD), der für die Auslandaufklärung zuständig ist 50 . Die Dienste finden ihre gesetzliche Grundlage in Art. 8 - 10 des Gesetzes vom 3. 12. 1987 51 . In diesem Gesetz wird weiterhin die Zusammenarbeit mit 47

Es wird gegenwärtig darüber diskutiert, eine parlamentarische Kontrollkommission einzurichten. Diese soll die durch die Regierung eingesetzte Kommission ablösen und deren Aufgaben übernehmen. Jede Fraktion soll an der Besetzung der Kommission mitwirken können. Sie soll 1996 durch Gesetz eingesetzt werden. Es ist anzunehmen, daß hier eine Kommission geschaffen werden soll, die der bisherigen entspricht. Geändert wäre dann lediglich die Einsetzungsbefugnis und eine umfassendere Berichtspflicht gegenüber dem Parlament. 48 In den Jahren 1981 bis 1986 soll der militärische Geheimdienst das Telephon des damals amtierenden konservativen Ministerpräsidenten Kaare Willoch abgehört haben. Dies soll auf Aktivitäten von Sozialdemokraten im Geheimdienst zurückzuführen sein, Jones, S. 140. Unabhängig von den tatsächlichen Hintergründen wird deutlich, daß die norwegischen Dienste sich einer engen exekutivischen Eigenkontrolle entziehen können. 49

Dieser ist dem Ministerium des Inneren angegliedert.

30

Siehe Prados, S. 36.

31

In Kraft getreten am 1. 2. 1988.

222

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

den Polizeidienststellen geregelt. Art. 13 I dieses Gesetzes schreibt eine engstmögliche Zusammenarbeit vor.

bb) Kontrollmechanismen Die Dienste unterliegen einer exekutivischen Eigenkontrolle, die im Zuge der Behördenhierarchie ausgeübt wird. Jeder Dienst untersteht einem zuständigen Minister. Der B V D untersteht dem Innenminister, der M I D dem Verteidigungsminister und der IBD dem Premierminister. Es existiert weiterhin ein Koordinator, dessen Aufgabe es ist, die Aktivitäte der Dienste abzustimmen. Daneben bereitet er die Sitzungen der genannten Minister vor, in denen diese ihre Politik hinsichtlich der Dienste abstimmen. Diese Sitzungen finden regelmäßig statt. Der Koordinator wird auf gemeinsamen Vorschlag dieser Minister durch die Königin ernannt und untersteht dem Premierminister. In den Niederlanden existiert neben der exekutivischen Eigenkontrolle eine parlamentarische Kontrolle. Zum einen wird diese durch die allgemeine parlamentarische Kontrolle gewährleistet, da die zuständigen Minister dem Parlament gegenüber verantwortlich sind. Zum anderen besteht eine besondere parlamentarische Kontrolle. Diese wird durch ein parlamentarisches Kontrollgremium ausgeübt. Es setzt sich aus vier Mitgliedern zusammen. Die Fraktionsvorsitzenden der vier großen Parteien halten diese Ämter inne, was auf die herausgehobene Bedeutung hinweist, die der parlamentarischen Kontrolle der Dienste zugemessen wird. Der parlamentarische Kontrollausschuß tritt auf Einladung des zuständigen Ministers oder auf eigenes Verlangen zusammen. Die Sitzungen finden regelmäßig statt. Die Sitzungen sind ähnlich wie die der deutschen PKK absolut geheim. Die Mitglieder unterliegen strengsten Geheimhaltungsvorschriften. Daneben muß der Ausschuß jährlich in öffentlicher Sitzung an das Parlament berichten. Seine Berichtsmöglichkeiten entsprechen denen der deutschen PKK. Nach der Verfassung besteht keine Pflicht der Minister, Informationen, die das Interesse des Staates verletzen, an den Ausschuß weiterzugeben. In der Praxis erhalte der Ausschuß aber alle Informationen. Neben der parlamentarischen Kontrolle existiert die allgemeine Staatskontrolle. Hierzu zählt die 'Rekenkamer' bezüglich der Wirtschaftspläne und der 'Nationale Ombudsman', der für Bürgereingaben zuständig ist. Er stellt eine unabhängige Stelle innerhalb der Verwaltung dar, durch die aber die Geheimschutzvorschriften im Ergebnis nicht unterlaufen werden können.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

223

cc) Fazit In den Niederlanden existiert ein besonderer parlamentarischer Kontrollausschuß, der in weiten Teilen der deutschen PKK entspricht. Durch die Organisation der Dienste in nur einem Gesetz werden weite Teile der Dienste durch Verwaltungsvorschriften geregelt, was einer öffentlichen Kontrolle zuwiderläuft. Daneben stehen den Diensten weite Geheimhaltungsmöglichkeiten gegenüber dem parlamentarischen Ausschuß zur Verfügung. Neben der besonderen Kontrolle unterliegen die niederländischen Dienste auch der allgemeinen Staatskontrolle. Diesen kommt aus Sicherheitsgründen eine ähnlich begrenzte Kontrollfunktion zu wie in Deutschland. Eine ausgeprägte Öffentlichkeitsarbeit der Dienste in den Niederlanden existiert nicht, die Informationsgewinnung erweist sich als schwierig.

d) Österreich aa) Die Dienste In Österreich existieren drei Nachrichtendienste. Hierzu zählen zwei militärische Dienste. Diese sind das Heeresnachrichtenamt und das Abwehramt 52 . In den Aufgabenbereich des Heeresnachrichtenamtes fallt die Beschaffung jeglicher Informationen, die für die österreichische Landesverteidigung notwendig sind 53 . Es steht unter der Aufsicht des Bundesministeriums für Landesverteidigung. Das Abwehramt, das ebenfalls dem Bundesministerium für Landesverteidigung unterstellt ist, hat zur Aufgabe, eine Unterwanderung des Militärs zu verhindern. Daneben besteht die Staatspolizei (StaPo) als polizeilicher Nachrichtendienst, der dem Bundesinnenminister unterstellt ist. Sie fandet ihre gesetzliche Grundlage im Sicherheitspolizeigesetz (SPG) von 1991, das am 1. 5. 1993 in Kraft getreten ist 54 . Die StaPo ist eine Abteilung 55 innerhalb der beim Bun32

Jones, S. 142.

33

Dies ist eine weit gefaßte Umschreibung. Man kann aus ihr nicht erkennen, ob der Zuständigkeitsbereich des Heeresnachrichtenamtes sich nur auf das Ausland bezieht. Da nie ausgeschlossen werden kann, daß ein Angriff mit Hilfe innerstaatlich operierender Saboteure erfolgt, kann man bei extensiver Auslegung auch die innerstaatliche Beobachtung darunter subsumieren. 34

BGBl, für die Repulik Österreich 1991 566/1991, S. 2433.

33

Es ist die Gruppe Π/C Staatspolizei.

224

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

desministerium des Inneren angesiedelten Sektion I I - Generaldirektion für öffentliche Sicherheit. Sie unterteilt sich in zwei Abteilungen. Dies ist zum einen Abteilung II/6, der in erster Linie Aufgaben des Objektschutzes sowie die Überwachung der Einhaltung von Sicherheitsgesetzen obliegt. Zum anderen übernimmt die Abteilung II/7 Aufgaben des Verfassungsschutzes sowie die Koordinierung kriminalpolizeilicher Ermittlungen im Inund Ausland in diesem Bereich 56 . Die Personalstärke der StaPo liegt bei rund 400 Mitarbeitern, ist somit leicht größer als das L f V NRW und mehr als doppelt so groß wie das L f V RheinlandPfalz 57 . Der StaPo obliegt der Verfassungsschutz im gesamten Bundesgebiet. Nach § 78 b I Bundesverfassungsgesetz 58 besteht in jedem Land eine Sicherheitsdirektion, die aber rein polizeiliche Aufgaben wahrnehmen 59 .

bb) Exekutivische Eigenkontrolle Durch die Eingliederung der StaPo in die allgemeine Polizei wird eine enge exekutivische Eigenkontrolle gewährleistet.

cc) Parlamentarische Kontrolle Eine parlamentarische Kontrolle ist erst kürzlich im Bundesverfassungsgesetz (BVG) und im. Geschäftsordnungsgesetz (GOG) festgeschrieben worden 60 .

36

Sie ist somit im Ergebnis eine reine Polizeibehörde mit der Befugnis zur nachrichtendienstlichen Voifeldaufklärung. 37 Das LfV NRW verfügte im Jahre 1994 über 308 Stellen, siehe Verfassungsschutzbericht des Landes NRW über das Jahr 1994, S. 237. Das LfV Rheinland-Pfalz verfügte am 31. 3. 1995 über 141 Mitarbeiter, Verfassungsschutzbericht des Landes RheinlandPfalz über das Jahr 1994, S. 8. Bei einem Vergleich der Personalstärke eines LfV und der StaPo können nur solche LfV herangezogen werden, die als Abteilung in einem Ministerium angesiedelt sind. Das LfV in NRW besteht als Abteilung VI des Innenministeriums. Ein Vergleich mit anderen LfV wäre immer schief, da jede Behörde eine bestimmte Anzahl von Mitarbeitern benötigt, um arbeitsfähig zu sein. Durch die Ansiedlung in einem Ministerium fallt ein solcher Grundstock fort. Beachtet werden muß aber, daß die Aufgabe des Verfassungsschutzes in Deutschland auch durch das BfV erledigt wird. In Österreich existiert nur eine einzige Abteilung. 38

IdF vom 31. 10. 1991, BGBl, für die Republik Österreich 1991 565/1991, S. 2431.

39

Dies folgt aus Art. 78 a Π Bundesverfassungsgesetz.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

225

Aus Art. 52 a BVG folgt die Verpflichtung der zuständigen Parlamentsausschüsse, einen ständigen Unterausschuß einzurichten, der mit der Kontrolle der Dienste betraut ist 61 . Diesen steht ein Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht gegenüber der Bundesregierung zu, sofern nicht die nationale Sicherheit oder die Sicherheit von Menschen betroffen ist. Jeder im Nationalrat vertretenen Partei steht mindestens ein Sitz zu, sofern sie im Hauptausschuß nach § 29 GOG vertreten ist. Das nähere Verfahren der Unterausschüsse wird durch die §§ 32 b - 32 d GOG bestimmt, das ergänzend neben die allgemeinen Vorschriften des GOG tritt, § 32 d I GOG. Wie auch im deutschen Recht sind nicht die Dienste selber, sondern die Bundesregierung Gegenstand der Kontrolle durch die Unterausschüsse. Die Unterausschüsse bestehen zur Zeit aus je 17 Mitgliedern. Die Mitglieder müssen im Nationalrat vertretenen Klubs 6 2 angehören. Dies ergibt sich zwingend aus § 32 b I I GOG, der auf § 36 I I GOG und damit weiter auf § 32 I GOG verweist. Hiernach können Ausschußsitze nur durch die Klubs besetzt und auch jederzeit wieder entzogen werden. Die Mitgliedschaft eines Mitgliedes der Unterausschüsse endet erst mit der Neuwahl seines Nachfolgers 63. Weiterhin muß der entsprechenden Partei ein Sitz im Hauptausschuß zustehen64. Die Unterausschüsse tagen mindestens halbjährlich oder wenn ein Viertel der Mitglieder es verlangt, § 32 d I I GOG. Dies ist eine entscheidende Neuerung im österreichischem Recht, das parlamentarische Kontrollrechte in der Regel

60

Siehe das Bundesveifassungsgesetz idF v. 31. 10. 1991, BGBl, für die Republik Österreich 1991 565/1991, S. 2431 und das Geschäftsordnungsgesetz idF v. 15. 9. 1993, BGBl, für die Republik Österreich 569/1993. 61

Somit müssen der Landesverteidigungsausschuß und der Ausschuß für innere Angelegenheiten je einen Unterausschuß einrichten. 62

Diese entsprechen weitgehend den Fraktionen im Deutschen Bundestag.

63

Nach dem Ende der Gesetzgebungsperiode dürften die Unterausschüsse ihre Arbeit ähnlich wie die deutsche PKK bis zu einer Neubesetzung der Ausschußsitze fortfuhren. 64 Die Sitze des Hauptausschußes werden gem. § 30 GOG nach dem Verfahren nach d'Hondt besetzt. Die Gesamtzahl der Sitze wird durch den Nationalrat festgesetzt. Es ist somit denkbar, daß durch eine entsprechend kleine Anzahl von Sitzen ein Klub keinen Sitz erhält und damit auch keinen Anspruch auf einen Sitz in den Sicherheitskontrollausschüssen hat. Dabei stellt sich allerdings die Frage, ob der Nationalrat aus dem Demokratieprinzip heraus verpflichtet ist, auch kleine Klubs zu berücksichtigen. Aufgrund der weiten Aufgaben des Hauptausschusses dürfte eine Berufung auf zwingende Sicherheitsinteressen nur schwer möglich sein.

226

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

nicht als Minderheitenrechte ausgestaltet hat 65 . Bei ihren Sitzungen sind sie an die Tagungen des Nationalrates nicht gebunden, Art. 52 a I I I BVG. Die Sitzungen der Unterausschüsse sind geheim. Nach § 32 d I V 2 GOG sind die Mitglieder auf ihre Geheimhaltung zu vereidigen. Die Verletzung der Vertraulichkeit ist nach § 310 StGB strafbewehrt. Nach § 32 d I V 2 GOG kann im Einzelfall die Vertraulichkeit aufgehoben werden 66 . Ebenso können Personen, die nicht dem Unterausschuß angehören, durch Beschluß teilnehmen 67 . Den Unterausschüssen steht nach § 32 c I GOG das Recht zu, von jedem Mitglied der Bundesregierung einschlägige Auskünfte zu verlangen. Zur Einsicht in Akten ist ein Mehrheitsbeschluß erforderlich. Diesem Recht steht ein Informationsverweigerungsrecht des Mitgliedes der Bundesregierung gegenüber, „wenn dies dem befragten Mitglied der Bundesregierung nicht möglich ist oder wenn dadurch nationale Interessen oder die Sicherheit von Personen gefährdet werden können ", § 32 c I I GOG. Die Informationsverweigerungsrechte fallen durch ihre Unbestimmtheit und weite Auslegungsmöglichkeiten auf. Insbesondere die Wendung „wenn dies dem befragten Mitglied der Bundesregierung nicht möglich ist" ist sehr unbestimmt. Hierin kann nicht allein der Hinweis darauf gesehen werden, daß, wenn der zuständige Ressortminister nicht über den Vorgang unterrichtet ist, er keiner Auskunftspflicht unterliegt. Dann nämlich würde die beabsichtigte Kontrolle der Regierung und weitergehend der Dienste leerlaufen. Somit fehlt bei dieser Klausel die inhaltliche Bestimmbarkeit. Nach § 32 e I GOG hat auch der Rechnungshofausschuß einen Unterausschuß zu bestellen, der nach den gleichen Kriterien wie die beiden vorgenannten Ausschüsse besetzt wird. Dieser kann sich nach § 32 e I I 1 GOG auf Be-

63 Natürlich können einzelne Abgeordnete Fragen stellen und so eine Kontrolle ausüben. Aber auch die Einsetzung eines UA nach § 33 GO ist kein Minderheitenrecht, sondern bedarf der Mehrheit des Nationalrates. Nodi, S. 33, weist auf die starken Bestrebungen hin, das Recht, einen UA einzusetzen, als Minderheitsrecht auszugestalten. So sahen alle Entwürfe zum BVG dies als Minderheitsrecht an. Aber selbst in den Geschäftsordnungsreformen von 1961, 1975 und zuletzt 1993 sei dies nicht gelungen. Trotzdem schaffe eine Minderheit es idR, mit Hilfe des Drucks der öffentlichen Meinung einen UA einzusetzen, Nodi, S. 34. 66 Anders als im deutschen Recht erfolgt eine weitergehende Öflhung, da auf diese Weise mehr Informationen von der Geheimhaltung ausgenommen werden können als nur eine Bewertung aktueller Vorgänge, § 5 14 PKKG. 67 Über § 32 d V GOG; Art. 75 BVG haben die Mitglieder der Bundesregierung das Recht, an den Sitzungen teilzunehmen. Sie haben Rederecht. In der Bundesrepublik Deutschland ist auf eine solche Konstruktion verzichtet worden, da man es als widersinnig ansah, Mitgliedern des zu kontrollierenden Organs das Recht einzuräumen, bei der Kontrolle durch ein Rederecht mitzuwirken.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

227

schluß des Nationalrates mit einem bestimmten Vorgang befassen. Eine ähnlich dichte Kontrolle wie durch das Verträuensgremium nach § 10 a BHO des deutschen Rechts wird durch diesen einzelfallbezogenen Ausschuß nicht erreicht. Das Verhältnis der Unterausschüsse zu den sie einsetzenden Ausschüssen muß besonders im sicherheitsempfindlichen Bereich Besonderheiten begegnen. Nach §§ 35; 35 a GOG wird der Unterausschuß zur Vorbehandlung der dem Ausschuß zugewiesenen Gegenstände eingesetzt. Er bleibt dem Ausschuß berichtspflichtig. Nach Art. 52 a I BVG aber ist die Kontrolle der Dienste den Unterausschüssen direkt zugewiesen, sie werden im eigenen Aufgabenbereich tätig. Dadurch, daß ihre Sitzungen geheim sind, entfallt eine Berichtspflicht an die entsprechenden Ausschüsse. Im Regelfall hat der Unterausschuß nur beratende Stimme, die eigentliche Entscheidung verbleibt beim Ausschuß selber. Im sicherheitsbedürftigen Bereich verschiebt sich dieses Verhältnis zugunsten der Untersuchungsausschüsse. Aus der Einsetzung von Kontrollinstanzen als Unterausschuß ergibt sich, daß die Zuständigkeit des entsprechenden Ausschusses nicht aufgehoben werden sollte. Da den Unterausschüssen aber de facto bessere Informationsmöglichkeiten gegenüber der Regierung eingeräumt worden sind, dürfte ihre Beschlußfassung für die Ausschüsse bindend sein. Neben den speziellen Kontrollmechanismen existieren allgemeine parlamentarische Kontrollrechte 68 . Diese Rechte sind im Bereich der allgemeinen Staatskontrolle verbesserungswürdig 69. Zur Kontrolle der Dienste können sie nur beschränkt beitragen.

dd) Weitere Kontrollinstanzen Daneben existieren weitere Kontrollinstanzen. Es existiert ein Rechnungshof, der dem Rechnungshof in der Bundesrepublik Deutschland vergleichbar ist 7 0 . Er untersteht als Bundesorgan direkt dem Nationalrat. Ihm kommt ein umfassendes Prüfungsrecht zu. Weiterhin besteht eine Datenschutzkommission als „weisungsfreie Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag". Dieses sind Stellen innerhalb der Verwaltung, die mit mindestens einem Richter besetzt sein müssen und keinen Weisungen unterliegen. Gegen ihre Bescheide sind Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig, Art. 133 Ziffer 4 BVG. Der EGMR sieht diese Organe als Gerichte an 71 . Die Datenschutzkom68 Siehe hierzu grundlegend auf empirischer Basis Nödl, Parlamentarische Kontrolle, 1995. 69

Siehe nur Nödl, S. 183 f.

70

Ausführlich Walter/Mayer, Der Rechnungshof, in: Bundesverfassungsrecht.

71

So etwa im Fall Etti gegen die Bundesrepublik Österreich, EGMR ÖJZ 88, 22.

228

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

mission überwacht die Einhaltung datenschutzrechtlicher Bestimmungen und ist dem BfD in der Bundesrepublik Deutschland vergleichbar.

ee) Die Öffentlichkeit Auch die Öffentlichkeit wirkt bei der Kontrolle der Dienste mit. Unter dem Druck der Öffentlichkeit öffnete das Bundesinnenministerium in der Zeit von 1990 bis 1991 weitgehend seine Akten, nachdem bekannt geworden war, daß die StaPo auch über unbescholtene Bürger Dossiers führte 72 . Nach § 62 SPG steht dem Bürger ein Auskunfitsrecht gegenüber der StaPO zu. Diese Normierung des Auskunftsbegehrens ist den entsprechenden Normen der Bundesrepublik Deutschland ähnlich 73 . Ein Bescheid muß den Hinweis enthalten, daß sich der Betroffene an die Datenschutzkommission wenden kann. Aufgrund der gerichtsähnlichen Stellung der Datenschutzkommission aber kommt nach § 62 V SPG dieser die verbindliche Entscheidung zu, welches die gesetzmäßige Auskunft ist. Diese erteilt sie dem Bürger. Daneben hat die Bundesregierung dem National- und dem Bundesrat jährlich einen Bericht über die innere Sicherheit zu erstatten, § 93 I SPG. Dieser umfaßt allerdings auch die Aspekte der klassischen Polizeiarbeit. Sofern der Bericht nicht als geheim eingestuft wird, ist er der Öffentlichkeit zugänglich.

ff) Fazit Österreich hat in den letzten Jahren versucht, die Dienste einer intensiveren Kontrolle zu unterwerfen. Es sind erstmalig Kontrollinstanzen eingeführt worden. Auch wurde die StaPo auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Insgesamt ist jedoch festzustellen, daß die Kontrolle der Dienste empfindlichen Einschränkungen unterliegt. Aufgrund unbestimmter Vorschriften, die die Exekutive zur Informationsverweigerung ermächtigen, kann eine weitge-

72 73

Siehe ausfuhrlich Jones, S. 143.

Um einer Ausforschungsgefahr zu begegnen, lautet der Bescheid nach § 62 SPG, wenn keine Daten gespeichert sind oder ihre Kenntnis die Aufgabenerfüllung der StaPo erschweren würde: „Es wurden keine der Auskunftspflicht unterliegenden Daten ermittelt oder verarbeitet." Falls Daten gespeichert wurden und diese dem Betroffenen ganz oder teilweise (falls eine vollständige Mitteilung die Aufgabenerfullung der StaPo erschweren würde) mitgeteüt wurden, hat der Bescheid mit den Worten zu enden: ,Jm übrigen wurden keine der Auskunftspflicht unterliegenden Daten ermittelt oder verarbeitet."

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

229

hende Geheimhaltung erreicht werden. Die polizeiliche Struktur führt zwar zu gewissen Einschränkungen in bezug auf den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel. So ist etwa die Fernmeldekontrolle strafprozessualen Einschränkungen unterworfen, also von einer vorherigen richterlichen Genehmigung nach §§ 149 a; 149 b Ö StPO 74 abhängig. Eine Einschränkung der Kontrolle erfolgt dadurch, daß weite Teile der Polizei sich auf eine Geheimhaltungsbedürftigkeit berufen können. Dieses ist Folge der organisatorischen Einheit von Polizei und Dienst. Österreich ist ein Trennungsgebot beider Behörden, wie es in Deutschland besteht, unbekannt. In den Bereich der Kontrolle gelangt in erster Linie der polizeiliche Zugriff. Die vorbereitende nachrichtendienstliche Tätigkeit bleibt dabei unbedeutend.

e) Frankreich

aa) Die Dienste In Frankreich bestehen vier Dienste: Die Direction Générale de la Sécurité Extérieure (DGSE) 75 , zuständig für die Auslandsaufklärung 76, die Direction du Renseignement Militaire (DRM) 7 7 , zuständig für die militärische Aufklärung 74

Eine solche Anordnung ist nur zulässig, wenn es sich um eine Tat handelt, bei der die Strafandrohung bei mindestens einem Jahr liegt. Die Anordnung obliegt der Ratskammer oder bei Gefahr im Verzug dem Untersuchungsrichter. 73

Von 1947 bis 1981 hieß die DGSE „Service de Documentation Extérieure et de Contre-espionage" (SDECE). Dieser unterstand seit 1966 dem Verteidigungsministerium, vorher direkt dem Premierminister. Mit Berufung des Generals Paul Grossin unterstand der SDECE de facto seit 1959 einem Militär. 76

Errichtet per Dekret Nr. 82 - 306 vom 2. April 1982. Der Directeur Général ist direkt dem Verteidigungsminister unterstellt und wird durch den Ministerrat berufen, Art 1. Die DGSE wird durch das Dekret unter anderem ermächtigt „d'effectuer, dans le cadre de ses attributtons, toute action qui lui serait confiée par le Gouvernement", Art. 3 des angeführten Dekrets. Ihre Aufgabe ist das Sammeln von Informationen, die Auslandsspionage und die Durchführung von Auslandsoperationen. Sie ist außerdem zuständig für die Bekämpfung der Industrie- und Wirtschaftsspionage. Die DGSE gliedert sich in drei Abteilungen, siehe Jones, S. 63 f. Diese sind Abt. I: Recherche, befaßt sich mit der Informationsbeschaffung und ihrer Auswertung; Abt. Π: Contre-espionage Abt. ΙΠ: Abteilung für verdeckte Aktionen. Ihre Mitglieder werden aus Einheiten der frz. Armee rekrutiert. Daneben bestehen besondere Dienststellen, die das Militär unterstützen. 77

Errichtet per Dekret Nr. 92 - 523 vom 16. Juli 1992. Nach Art. 2 ist ermächtigt „en outre, en ce domaine les besoins des autorités et organismes du ministère, des commandements opérationnels et organismes du ministère, des commandesments opéra-

230

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

und die Direction de la Surveillance du Territoire (DST) 7 8 , zuständig für die innere Sicherheit. Daneben besteht die Direction des Renseigments Généraux (RG) 7 9 , die wie die DST der Police Nationale und damit im Ergebis dem Innenministerium untersteht. Weiterhin existiert die Groupement de Communications Radio-Electriques (GCR), deren Aufgabe die Überwachung ausländischer und militärischer Kommunikation ist. Ihre Stellung im Staatsgefüge Frankreichs ist unklar. Insbesondere war nicht eindeutig festzustellen, welchen Aufsichtsbehörden diese Gruppe untergeordnet ist. Auffällig ist, daß alle Dienste einer gesetzlichen Grundlage entbehren und sich auf Dekrete des Staatspräsidenten stützen.

bb) Exekutivische Eigenkontrolle Die französischen Dienste unterliegen weitgehend nur der exekutivischen Eigenkontrolle. Die Dienste sind durch Dekrete, die ihnen in allgemeiner Form die Aufgaben zuweisen, errichtet worden. Diese regeln auch den internen Aufbau. Im Rahmen der exekutivischen Kontrolle existieren drei Gremien, die zu einer Kontrolle berufen sind. Hier ist zum einen die Groupement Interministériel des Communications (GIC) zu nennen, deren Aufgabe im Bereich der Telephon- und Fernmeldekontrolle liegt. Daneben besteht das Comité Interministériel des Renseignement (CIR). Seine genaue Aufgabenbestimmung ist nicht genau festzustellen. Es untersteht einem Verteidigungsausschuß unter Vorsitz des Staatspräsidenten. Zu seinen Aufgaben gehört sicher die Koordinierung der Dienste. Inwieweit darunter auch Behörden außerhalb der Nachrichtendienste fallen, ist nicht sicher festzustellen. Weiterhin besteht ein Comité Special de Contre-espionage (CSC), das die Aktivitäten im Zusammenhang mit der Gegenspionage koordiniert. Seine

tionnels et des commandements organiques ainsi que ceux des autorités et des organismes gouvernementaux concernés." 78

Errichtet per Dekret Nr. 82 - 1100 vom 22. Dezember 1982. Die DST ist ermächtigt „pour rechercher et prévenir, sur le territoire de la Republiquefrançaise, les activités inspirées, engagées ou soutenues par des puissances étrangères et de nature à menacer la sécurité du pays et, plus généralement, pour lutter contre ces activités". Ihre Aufgabe überschneidet sich im Bereich der Spionageabwehr mit der der DGSE. 79 Ihre Aufgabe ist die Sammlung politische, sozialer und wirtschaftlicher Erkenntnisse. Dazu verfügte sie 1981 über rund 3200 Mitarbeiter.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

231

Stellung im französischen Staatsgefüge ist nicht eindeutig zu klären, insbesondere bleibt seine Zuordnung zu einem übergeordneten Organ unklar. Seit dem 9. 9. 1993 besteht der Haut Conseil de Déontologie de la Police Nationale 80 . Hierbei handelt es sich nicht um eine Kontrollinstanz, die speziell zu einer Kontrolle der Dienste geschaffen wurde. Seine Kontrolltätigkeit im Bereich der DST und der RG ergibt sich nur aus ihrer Zuordnung zur Police Nationale. Kompentenzen im Hinblick auf die DGSE und die D R M stehen ihr nicht zu 8 1 . Die elf Mitglieder stammen aus der Verwaltung sowie einem „conseiller à la Cour de cassation"82. Er wird nur auf Anfrage von Regierungstellen tätig, denen er auch einen jährlichen Bericht vorzulegen hat 83 .

cc) Parlamentarische Kontrolle Eine besondere parlamentarische Kontrolle findet nicht statt. Die einzige parlamentarische Kontrolle, die in Frankreich in bezug auf die Dienste ausgeübt wird, erfolgt durch die Commission nationale de contrôle des Interceptions de Sécurité (CNCIS) 84 , die für die Kontrolle im Bereich der Telephonkontrolle tätig ist 85 . Sie kontrolliert 86 die von den Diensten und vom Zoll beantragten

80

Errichtet durch Dekret Nr. 93 - 1081 vom 9. 9. 1993.

81

Aufgabe des Haut Conseil de Déontologie de la Police Nationale ist nach Art. 1 des Dekrets Nr. 93 - 1081 „mission de donner son avis et de faire toute proposition utile (...) sur l'ensemble des questions relatives aux règles de déontologie policière, notamment sous l'angle de la formation professionelle des personnels". 82

Art. 2 des genannten Dekrets regelt die genaue Zusammensetzung.

83

Der Haute Conseil de Déontologie de la Police Nationale ist als Nachfolger des Conseil Supérieur de l'Activité de la Police Nationale, errichtet durch Dekret Nr. 93 217 vom 18. 2. 1993 anzusehen. Dieser wurde durch das Dekret Nr. 93-810 vom 7. 5. 1993 wieder aufgelöst. Er hatte weiterreichende Kontrollmöglichkeiten; Art. 11 bestimmte, daß er „à propos des affaires dont il est saisi, demander à entendre les fonctionnaires concernés et à recevoir communication des enquêtes de l'inspction générale de l'administration ou de l'inspection générale de la police nationale". Auch konnte er durch einen Parlamentarier angerufen werden. Weiterhin war auch er berichtspflichtig. Sein Bericht hätte veröffentlicht werden müssen. Eine solche Pflicht besteht für einen Bericht des Haut Conseil nicht. 84

Sie existiert seit dem 10. Juli 1991, ist damit gut dreizehn Jahre jünger als die deutsche Kontrolle. Zwischen der deutschen G10-Kommission und der französischen besteht eine enge Zusammenarbeit. 83

Zur Entstehungsgeschichte der Commission siehe 1 er rapport d'activité 1991 1992, Première Partie, S. 11 - 118.

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Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Überwachungen auf ihre Rechtmäßigkeit 87 . Weitere Kompetenzen stehen ihr nicht zu. Der Premierminister genehmigt die Maßnahmen und verfügt ihre Einstellungen. Dies kann er auch gegen das Votum der Kommission 88 . Die Kommission entspricht in ihren Aufgaben nicht der deutschen, sie stellt vielmehr eine Mischung zwischen der deutschen G10 - Kommission und dem GIO - Gremium dar. Die einzigen offiziellen Veröffentlichungen über die Dienste sind die Berichte der Kommission. Berichte, wie etwa den Verfassungsschutzbericht des BfV, gibt es nicht. Die Berichte konzentrieren sich in einem Teil auf die Tätigkeit der Kommission. Daneben 89 aber stellen sie auch die Rechtslage in anderen Ländern ausschnittsweise vor 9 0 , hierbei allerdings nicht nur auf die Fernmeldekontrolle beschränkt 91. Diese Berichte sind möglichst offengehalten. Sie enthalten nicht nur Informationen über die Anzahl der Überwachungsmaßnahmen, sondern hier werden auch Vorschläge zur Verbesserung der Arbeit der Commission unterbreitet. Das französische Parlament kann aber in Einzelfragen Untersuchungsausschüsse einsetzen. In bestimmten Fragen können Kontrollausschüsse eingesetzt werden 92 . In beiden Fällen werden die Mitglieder durch die Mehrheit des Parlamentes gewählt. dd) Weitere Kontrollinstanzen: Médiateur und„Royalcommission" Daneben besteht die Einrichtung des Médiateurs 93 . Seine Aufgabe ist es, über den rechtmäßigen Gang innerhalb der französischen Verwaltung zu achten 94 .

86

Dazu steht ihr explizit das Recht auf Zutritt zu den technischen Einrichtungen zu, Avis du 27. 9.1994, 1 er und 2 e avis du 8. 12. 1994 desfranzösischen Premierministers, abgedruckt im 3 e rapport d'activité 1994. 87

Die Rechtmäßigkeit wird auf die im Gesetz fest umschriebenen Anordnungsgründe untersucht. Hierzu gehören neben der nationalen Sicherheit auch u.a. die Terrorismusbekämpfung und die Bekämpfung der organisierten Kriminalität sowie der Privatmilizen. 88 Im Jahre 1994 hat sich die Kommission 13 mal gegen eine Telephonüberwachung ausgesprochen. Der Premierminister hat sie in fünf Fällen gleichwohl angeordnet. 89

Dieser zusätzliche Teil nimmt im Laufe der ersten drei Berichte beständig ab.

90

Wenngleich sie sich nicht immer auf dem neuesten Stand bewegen: Im 3 e rapport d'activité 1994 wird der von Arndt in DöV 1986, 169 veröffentlichte Artikel in französischer Übersetzung abgedruckt. Auf die 7 (!) Änderungen des GIO, die bis zu diesem Abdruck 1994 erfolgt sind, wird nur versteckt hingewiesen. 91

Siehe etwa 2 e rapport d'activité 1993, S. 91 ff, wo die deutsche Regelung der PKK dargestellt wird. 92

So etwa, wenn es sich um die Kontrolle von Finanzfragen oder technischen Problemen handelt. 93 Loi No. 73 - 6 du 3 janvier 1973 instituant un médiateur, J.O. vom 4.1.1973, S. 164. Er gleicht den Ombudsmännern in anderen Staaten. Eine Gleichsetzung mit dem

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

233

Der Médiateur unterliegt während seiner Amtszeit keinen Weisungen und kann nicht abberufen werden. Seine Kontrolle bezieht sich auf die Rechtmäßigkeit und in beschränktem Umfang auch auf die Zweckmäßigkeit. Eine wirkliche Kontrollinstanz stellt der Médiateur aber trotzdem nicht dar. Zum einen beruht das auf seiner Ernennung durch Ministerrat und Präsident und weiterhin darauf, daß er nicht von Amts wegen tätig werden kann und keine direkte Kontaktmöglichkeit zum Parlament besitzt. Seine schwache Position folgt in erster Linie allerdings daraus, daß er bei seiner Kontrolltätigkeit auf die Zusammenarbeit mit dem zuständigen Minister angewiesen ist, der sie jederzeit versagen kann 95 . Eine tatsächliche Kontrollinstanz im Bereich der Dienste stellt er wegen seiner faktischen Abhängigkeit von der Regierung nicht dar. Auch die französische Staatsregierung hat in der Vergangenheit bei besonderen Skandalen aus dem Bereich der Dienste die Möglichkeit ergriffen, eine unabhängige Kommission aus Experten einzusetzen, um diesen Mißstand schnell und umfassend aufzuklären. Exemplarisches Beispiel dafür ist die Ernennung von Bernard Tricot, einem ehemaligen Berater Charles DeGaulles, eine Untersuchung im Zusammenhang mit der Versenkung der Rainbow Warrior durch den DGSE zu führen 96 . Der Abschlußbericht beantwortete jedoch keine der gestellten Fragen zufiriedenstellend. Unklar bleibt, ob dies auf eine mangelnde Zusammenarbeit auf Seiten der französischen Exekutivstellen zurückzuführen ist. Dies mußte unter dem Druck der öffentlichen Meinung auch durch die französische Exekutive zugegeben werden. Im Ergebnis trugen der Verteidigungsminister Charles Hernu sowie der Chef des DGSE, Admiral Pierre Lacoste, die politische Ver-

Petitionsausschuß in Deutschland ist verkürzend. Er gehört jedenfalls der allgemeinen Staatskontrolle an. 94

Über den Streit in derfranzösischen Rechtslehre über den Begriff „service public" braucht hier nicht eingegangen zu werden, da darunter jedenfalls eine „collectivité publique visant à satisfaire un besoin d'intérêt général" fallt, vgl. Raschauer, ZaöRV 33, 503, 509. 93 96

Raschauer, ZaöRV 33, 503, 523.

Die Rainbow Warrior, ein Schiff der Umweltorganisation Greenpeace, wurde im Hafen von Aukland, Neu Seeland, durch den DGSE gesprengt, weil sie eine Protestfahrt gegenfranzösische Atomtests vorbereitete. Diese Aktion war selbst im französischen Geheimdienst nicht unumstritten. Verteidigungsminister Hernu war von der Notwendigkeit eines Sabotageaktes überzeugt, während Admiral Lacoste einen Sperreinsatz derfranzösischen Marine befürwortete. Oberst Jean-Claude Lesquer, Leiter des service action des DGSE, wollte jedoch Einsatzbereitschaft und Können seiner Mitarbeiter beweisen. Siehe dazu NZZ vom 1. 9. 1986.

234

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

antwortung und verließen ihre Posten97. Sichtbare Konsequenzen aus diesem Vorfall wurden jedoch nicht gezogen. Es zeigt sich, daß im Gegensatz zu den deutschen Erfahrungen mit solchen Kommissionen, diese in Frankreich keinen Erfolg haben. Die Gründe für ein solches Scheitern lassen sich nicht ermitteln.

ee) Fazit Es ist somit festzustellen, daß den Diensten durch allgemeine Formulierungen starke Befugnisse eingeräumt worden sind, denen außer einer exekutivischen Kontrolle keine besondere parlamentarische oder außerparlamentarische Kontrolle gegenübersteht. Die starke Vormachtstellung der Exekutive in diesem Bereich folgt aus der unterschiedlichen Verfassungslage im Gegensatz zu Deutschland. In der französischen Präsidialdemokratie ist die Gewaltenteilung stärker ausgeprägt als in Deutschland, eine Gewaltenverschränkung findet nicht statt. Im Bereich der allgemeinen Staatskontrolle sind die für den Bereich der geheimen Dienste typischen Einschränkungen der Kontrolle zu beobachten. In der französischen Öffentlichkeit wird das weitgehende Fehlen einer Kontrolle der Dienste nicht als ein schweres Manko gesehen98. Dies hängt mit dem Selbstverständnis der Franzosen zusammen, wonach in einem starken Staat auch starke Dienste vorhanden sein müssen. In der jüngsten Vergangenheit aber mehren sich die Anfragen an die CNCIS bezüglich des Fernmeldegeheimnisses und des Schutzes der Privatsphäre 99. Es ist anzunehmen, daß auch die französische Öffentlichkeit in Zukunft einen stärkeren Druck in Richtung einer umfassenderen Kontrolle ausüben wird.

β Italien

aa) Geschichtlicher Abriß der Kontrolle Schon 1909 gab es einen italienischen Geheimdienst 100 . Die italienischen Dienste hatten nach dem zweiten Weltkrieg einen ähnlichen Beginn wie die 97 Weiterhin wurden viele Mitarbeiter des DGSE wegen Verletzung ihrer Geheimhaltungspflicht angeklagt. 98

Auch zeigt sich im Rahmen der Informationsgewinnung, daß selbst die Zuordnung von Exekutivstellen in dasfranzösische Verfassungsgefiige aufgrund mangelnder Publikationen nicht möglich war. 99

3 e rapport d'activité 1994, S. 32.

100

Jones, S. 98.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

235

deutschen Dienste. In der Phase des Wiederaufbaus bestanden die Dienste vorerst aus Provisorien. Grundlegende Reformen erfolgten 1949, 1965 und 1977. Durch das 1977 in Kraft getretene Gesetz erlangten die Dienste ihre heutige Form. Ende der sechziger Jahre wurde Kritik an den Diensten laut, und es wurde eine Kontrolle der Dienste gefordert 101 . Im Laufe der siebziger Jahre wurde der Ruf nach Kontrolle wegen bekanntgewordener Mißstände immer lauter. Während der Gerichtsverfahren im Zusammenhang mit den Skanalfallen beriefen sich die Dienste immer wieder auf die Vorlage eines Staatsgeheimnisses, was die richterliche Aufklärung nahezu unmöglich machte 102 . Aufgrund des Anwachsens der politischen und organisierten Kriminalität forderte man immer mehr effektivere Dienste. Durch die Reform von 1977 hoffte man beiden Bestrebungen Rechnung zu tragen.

bb) Die Dienste In Italien wurden zwei große Dienste eingerichtet, die ihre rechtliche Grundlage im Gesetz Nr. 801 vom 24.10.1977 103 finden 104 . Zum einen besteht der servizio per le informazioni e la sicurezza democratica (S.i.s.de.) 105 . Dieser 101

1968 gerieten die Dienste das erste Mal in das Kreuzfeuer der öffentlichen Kritik. Es sollen 160.000 Akten über Personen vernichtet worden sein. Es ist anzunehmen, daß viele von ihnen vorher illegal kopiert und später im politischen Kampf benutzt worden sind. Weiterhin wurden den Diensten von der politischen Linken Bestechung, gezielte Aktionen gegen die Gewerkschaften, Zersetzung der Justiz und sogar Morde vorgeworfen. Weiterhin wurden Vorwürfe der Korruption laut. Demgegenüber forderten andere eine Stärkung der Dienste im Kampf gegen den Terrorismus und das organisierte Verbrechen. Vito Miceli, Chef des damaligen Geheimdienstes SID, wurde am 7. 11. 1970 inhaftiert, später allerdings freigesprochen. 102

Der italienische Verfassungsgerichtshof erklärte in seinem Urteil v. 24. 5. 1977 die dazu ermächtigenden Vorschriften des Codice di Procedura Penale für verfassungswidrig. Ausschlaggebend war, daß die Geltendmachung eines Staatsgeheimnisses durch die Exekutive nicht zu begründet werden brauchte, siehe ausführlich Riegel, RIA 84, 49, 50. 103 Legge 24 ottobre 1977, n. 801: Istituzione e ordinamento dei servizi per le informazioni e la sicurezza e disciplina del segreto di Stato .

104

Art. 1 des Gesetzes Nr. 801/77 ermächtigt den Ministerpräsidenten, alle nötigen Schritte zur Gründung und Organisation der Dienste zu treffen. 103

Seine rechtliche Grundlage findet sich in Art. 6 des Gesetzes 801/77. Dieser ist organisatorisch und funktionell dem Innenministerium unterstellt. 16 Hirsch

236

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

ist zuständig für die Inlandsaufklärung 106 . Zum anderen besteht der servizio per informazioni e la sicurezza militare (S.i.s.mi.) 107 , der für Auslandsaufklärung und militärische Sicherheit zuständig ist 1 0 8 . Daneben bleiben die nachrichtendienstlichen Einheiten der Streitkräfte weiterhin bestehen 109 . Ihre Befugnisse werden explizit auf den militärischen Bereich begrenzt 110 . Diese Einheiten sind verpflichtet, mit dem S.i.s.mi. eng zusammenzuarbeiten. Nicht in diesem Gesetz sind die wohl neben den vorgenannten Diensten anscheinenden existierenden Dienste. Genannt werden ein Dienst des Finanzministeriums, eine vertrauliche Abteilung im Innenministerium sowie ein Dienst innerhalb der Carabieneri m.

cc) Exekutivische Eigenkontrolle Es existiert eine exekutive Eigenkontrolle der Dienste. Sie wird dadurch ausgeübt, daß die Dienste dem Ministerpräsidenten unterstehen 112 . Zur Seite steht ihm der comitato interministeriale per le informazioni e la sicurezza (C.i.i.s.),

106

Art. 6 Satz 2 des Gesetzes Nr. 801/77: „Esso assolve a tutti i compiti informative e di sicurezza per la difesa dello Stato democratico e delle istituzioni poste dalla Costituzione a suo fondamento contro chiunque vi attenti e contro ogni forma di eversione." 107

Seine rechtliche Grundlage findet sich in Art. 4 des Gesetzes 801/77. Dieser ist organisatorisch und funktionell dem Verteidigungsministerium unterstellt. 108 Art. 4 Satz 2 des Gesetzes Nr. 801/77: „ E s s o assolve a tutti i compiti informativi e di sicurezza per la difesa sul piano militare dell'indipendenza e della integrità dello Stato da ogni pericolo, minaccia ο aggressione." Er ist außerdem für die Gegenspionage zuständig. 109

Riegel, RiA 84, 49, 51, sieht diese Einheiten als Militärpolizei an.

110

Art. 5 des Gesetzes Nr. 801/77: „ I reparti e gli uffici addetti alla informazione, sicurezza e situazione esistenti presso ciascuna forza armata ο corpo armato dello Stato hanno compiti di carattere esclusivamente tecnico-militare e di polizia militare limitatamente all'ambito della singola forza armata ο corpo. Essi agiscono in stretto collegamento con il S.i.s.mi." 111

Jones, S. 99. Der weiterhin dort erwähnte Dienst Gladio ist inzwischen aufgelöst. Es handelte sich dabei um eine 1951 mit Hilfe der CIA ohne Wissen des Parlamentes gegründete Organisation, die die Machtübernahme durch die Kommunisten im Emstfall durch eine Intemierung verhindern sollte, siehe dazu auch Spiegel Nr. 32 vom 7. 8. 1995, „Der Mafia-Prozeß gegen Ex-Premier Giulio Andreotti", S. 122. 112

Dieser delegiert diese Aufgabe idR weiter an einen Staatssekretär.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

237

ein interministerieller Ausschuß mit beratender Funktion 113 . An den Sitzungen des C.i.i.s. können die Direktoren der Dienste sowie weitere Experten auf Verlangen des Ministerpräsidenten teilnehmen. Weiterhin werden die Dienste durch einen Exekutivausschuß koordiniert (comitato esecutivo per i servizi di informazione e di sicurezza, C.e.s.i.s.) 114 . Diesem gehören die Spitzen der italienischen Sicherheitsbehörden an 1 1 5 . Diesem Ausschuß obliegt die Koordination der Zusammenarbeit der italienischen Dienste und auch ihre Zusammenarbeit mit befreundeten Diensten. Daneben gehört zu seinen Aufgabe auch die Auswertung der Informationen, die durch die beiden Dienste erlangt werden. C.e.s.i.s. nimmt somit eine Zwitterstellung zwischen einer Kontrollinstanz und einer Aufsichtsbehörde ein. Es findet somit eine dem deutschen System vergleichbare Fach- und Dienstaufsicht statt. An ihrer Effektivität mag im Hinblick auf das deutsche Niveau jedoch gezweifelt werden, nachdem einige tiefgreifende Skandale bekanntgeworden sind 1 1 6 .

dd) Parlamentarische Kontrolle Weiterhin findet eine parlamentarische Kontrolle statt. Die Regierung ist verpflichtet, dem Parlament halbjährlich Berichte über ihre Tätigkeit im Bereich der Dienste zu erstatten; Art. 11 Satz 1 des Gesetzes Nr. 801/77. Diese 113

Diesem gehören die wichtigsten Minister an: Außen-, Innen-, Justiz-, Verteidigung·, Finanz- und Schatzminister (-ministro per l'industria). 114

Durch Art. 3 des Gesetzes Nr. 801/77. Seine Aufgaben sind „tutti gli elementi necessari per il coordinamento dell'attività dei servizi (...); l'analisi degli elementi comunicati dai sudetti servizi; l'elaborazione delle relative situazioni. È altresì compito del comitato il coordinamento dei rapporti con i servizi di informazione e di sicurezza degli altri Stati". Sein Vorsitzender ist der Ministerpräsident oder der von ihm ermächtigte Staatssekretär. 113

Bemerkenswert ist, daß diesem u.a. der Generalstabschef und der Polizeichef sowie Kommandeure der paramilitärischen Carabinieri und der Finanzpolizei angehören. In der Koordinationsstelle sind also Militärs und Polizei vertreten. Eine dem Trennungsgebot vergleichbare Einrichtung gibt es nicht. 116 So wurde der Chef des damaligen Geheimdienstes SID, Vito Miceli, wegen Begünstigung eines rechtsradikalen Coups am 7.11.1970 in Haft genommen. Die verbotene Freimaurerloge P2 soll zeitweilig ungehinderten Zugang zu den Diensten gehabt haben. Der ehemalige Staatspräsident Italiens Giulio Andreotti soll sogar deren geheimer Anführer gewesen sein, siehe SZ vom 20. 9. 1995, S. 3, unter Berufung auf den Prozeß gegen Andreotti. Noch im Dezember 1994 wurden der Chef des S.i.s.de., Malpica, und einige Mitarbeiter wegen sogenannter „Schwarzer Fonds" zu hohen Freiheitsstrafen verurteilt.

238

Teil I: Vergleichede Bestandsaufnahme und Praxis

unterliegen nur teilweise einer Geheimhaltung, sind daher eher generell gefaßt. Sie eignen sich nicht zu einer effektiven Kontrolle durch Parlament oder durch die Öffentlichkeit. Daneben besteht der comitato parlamentare di controllo (Co.pa.co), der durch Art. 11 des Gesetzes Nr. 801/77 als parlamentarischer Kontrollausschuß vorgesehen ist 1 1 7 . Er besteht aus acht Mitgliedern, die aus den beiden parlamentarischen Kammern entsandt werden 118 . Nach dem Proportionalitätsprinzip werden die Mitglieder durch den jeweiligen Kammerpräsidenten ernannt. Das hat zur Folge, daß ihm auch Mitglieder der extremen Rechten 119 wie Linken 1 2 0 angehören. Die Mitglieder unterliegen einer Geheimhaltungspflicht. Der Co.pa.co. kann vom Ministerpräsidenten und vom C.i.i.s. Auskünfte zu bestimmten Sachfragen verlangen. In die Kontrollkompetenz des Co.pa.co. fällt nur die grundsätzliche Struktur der Dienste und die allgemeine Kontrolle ihrer Tätigkeiten. Diesem steht jedoch die Möglichkeit gegenüber, unter Berufung auf Sicherheitsinteressen die Auskunft zu verweigern 121 . In diesem Fall kann der Co.pa.co. das Parlament anrufen. Eine Unterrichtungspflicht von Seiten der Regierung besteht nicht 1 2 2 . Nach Art. 16 des Gesetzes Nr. 801/77 muß der Ministerpräsident das Co.pa.co. davon unterrichten, wenn er eine Berufung der Dienste auf das Staatsgeheimnis bestätigt 123 . Teilt das Co.pa.co. die Einschätzung des Ministerpräsidenten nicht, kann es auch in diesem Fall das Parlament anrufen. Die Kontrolle beschränkt sich somit auf ein wenig effektives Informationsrecht des Kontrollausschusses über allgemeine Vorgänge. Ausgenommen sind hiervon das Recht, den Haushalt oder Einzeloperationen zu überprüfen. Das aber sind für eine effektive Kontrolle zentrale Punkte.

117

Dieses ist gem. Art. 10 des italienischen Gesetzes über die Neuordnung der Behörden für die öffentliche Sicherheit vom 10. 4. 1981, Nr. 121/81, auch zur Kontrolle über die polizeiliche Datenverarbeitung berufen. 118

Im Juni 1995 gehörten ihm sechs Abgeordnete und zwei Senatoren an, obwohl das Gesetz ursprünglich vier Abgeordnete und vier Senatoren vorsah. 119

Zu nennen sei die Alleanza Nazionale.

120

Zu nennen sei die Rifondazione Communista.

121

Es genügt, daß der Ministerpräsident die Notwendigkeit der Geheimhaltung summarisch begründet. 122

1994 wollte Innenminister Maroni bei seinem Amtsantritt dem Ausschuß Akten über Politiker und Parteien zugänglich machen, was durch den Ministerpräsidenten verhindert wurde. 123

Wenn in einem gerichtlichen Verfahren ein Beweis aufgrund der Berufung auf ein Staatsgeheimnis nicht erhoben werden kann, ist das Gericht berechtigt, den Ministerpräsidenten zur Bestätigung anzurufen, vgl. Riegel, RiA 84, 49, 52.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

239

ee) Weitere Kontrollinstanzen Eine Kontrolle durch die Öffentlichkeit durch spezielle Auskunfts- oder Berichtspflichten findet nicht statt. Die Öffentlichkeit ist somit größtenteils auf die Informationen durch die Presse angewiesen. Die Einrichtung des Difensore Civico der einzelnen Regionen ist mit den Ombudsmännern anderer Staaten vergleichbar. Er gehört der allgemeinen Staatskontrolle an und hat auf dem Gebiet der Dienste keine besonderen Befugnisse.

ff) Fazit Defizite im italienischen System bestehen in der Haushaltskontrolle und der Kontrolle der operativen Tätigkeiten der Dienste, ohne die eine effektive Kontrolle nicht möglich ist. Insbesondere im Bereich der Datenverwaltung fehlen klare Verantwortungsstrukturen, ohne die eine Kontrolle a priori ausscheidet 1 2 4 . Die Kontrolle der italienischen Dienste ist somit wenig effektiv 125 . Auffallig ist dabei aber auch, daß eine gewisse Grundhaltung in der Mentalität ein solches Defizit begünstigt 126 . Eine italienische Besonderheit ist, daß fast 127 der gesamte Komplex der Nachrichtendienste in einem Gesetz geregelt ist. Dies fördert zum einen die Übersichtlichkeit. Auf der anderen Seite werden viele Aspekte der Organisation der Dienste durch Verwaltungsvorschriften, die der öffentlichen Kontrolle nicht wie ein Gesetz unterliegen, geregelt. Dies widerspricht sehr einer öffentlichen Kontrolle. Daneben sind die Ergebnisse von parlamentarischen Untersuchungen über Unregelmäßigkeiten, die bei den

124 1994 wurde im Hinblick auf die Aufdeckung der 'Schwarzen Fonds' und die daraus folgende Verurteilung hochrangiger Mitarbeiter der Dienste der Ruf nach Reformen laut. Neben einer Verbesserung der Kontrollmöglichkeiten sollten allerdings gleichzeitig die Kompetenzen der Dienste erweitert werden. 123

Riegel, RiA 84, 49, 53 f, kommt zum gleichen Ergebnis. Für ihn liegt die Ineffektivität der Kontrolle allerdings darin begründet, daß eine dem Datenschutzbeauftragten in der Bundesrepublik Deutschland vergleichbare Kontrollinstanz in Italien völlig fehlt. 126 In der Bundesrepublik Deutschland wäre es unter dem Druck der öffentlichen Meinung ausgeschlossen gewesen, der PKK Akten des BfV über im Bundestag vertretene Parteien vorzuenthalten. 127

Prados, S. 35, übersieht, daß Art. 5 des Gesetzes Nr. 801/77 nur Art. 2 lit g) des Dekretes des Staatspräsidenten Nr. 1477 vom 18. 11. 1965 außer Kraft setzt. Die andere Struktur der sicherheitsdienstlichen Abteilungen der Streitkräfte dürfte somit in Kraft bleiben.

240

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Diensten 128 festgestellt worden sind, der Öffentlichkeit in der Regel nicht zugänglich. Für eine Demokratie, die unter dem Postulat der Öffentlichkeit stehen sollte, sind dies tiefgreifende Einschränkungen.

g) Vereinigte Staaten von Amerika (USA) In den Vereinigten Staaten von Amerika bestehen 14 Dienste auf Bundesebene 129 . Die amerikanischen Bundesstaaten haben weitreichende Gesetzgebungskompetenzen, so etwa auch auf dem Gebiet des Strafrechts in Setzung und Ausführung 130 . Auf besondere Vorschriften in den Bundesstaaten soll hier nicht eingegangen werden.

aa) Geschichtlicher Abriß der Kontrolle Die amerikanischen Dienste lassen sich bis zur Gründung des amerikanischen Staates zurückverfolgen. Damals waren sie besondere Abteilungen des Verteidigungs- und des Außenministeriums. Diese unterlagen keiner besonderen Kontrolle. Die jetzige Form der Dienste geht auf den National Security Act von 1947 zurück 131 . Die Kontrolle der Geheimdienste in den USA setzt Anfang der 70er Jahre ein, also zu einem ähnlichen Zeitpunkt wie in Deutschland. Anfang der 50er und auch noch in den sechziger Jahren war es in den USA fast einhellige Meinung, daß ein starker nachrichtendienstlicher Apparat, der möglichst frei von jeder Kontrolle zu sein hatte, benötigt wurde, um den Anforderungen insbesondere des Kalten Krieges gewachsen zu sein. Dementsprechend war die Kontrolle der Dienste, wie sie im National Security Act von 1947 ge128

So etwa soll S.i.s.mi. Druck auf Mehmet Ali Agca nach dessen mißglücktem Attentat auf Papst Johannes Paul Π. ausgeübt haben, um zu beweisen, daß der sowjetische oder bulgarische Geheimdienst in dieses Attentat verwickelt sind. 129

Siehe ausführlich zum Aufbau der Dienste auch CIA, Intelligence, 1993 und Jones, S. 199 ff. Angaben hieraus erfolgen ohne weitere Quellenangabe, es sei denn, es handelt sich um eine singulare Behauptung. 130 131

Hunter, S. 1413.

Vorangegangen war die Errichtung einer Central Intelligence Group durch Präsident Harry S. Truman als Reaktion auf den Überraschungsangriff auf Pearl Harbor 1941. Inwieweit die Amerikaner über diesen Angriff tatsächlich informiert waren, ist fraglich. Sicher ist zumindest, daß sie über die japanische Schlagkraft falsche Vorstellungen hatten.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

241

schaffen wurden, in erster Linie innerhalb der Exekutive angesiedelt. Parlamentarische oder unabhängige Kontrolle fand kaum statt. Bis zum Anfang der 70er Jahre wurde die einzige Kontrolle außerhalb der Exekutive durch eine kleine Gruppe langgedienter Abgeordneter beider Häuser gewährt 132 . Diese hatten nur beschränkte Rechte, die durch die rechtliche Situation sehr eingeschränkt waren. Bis in die Carter-Ära erhob der Präsident den verfassungsrechtlichen Anspruch, etwa im Bereich ausländischer Angelegenheiten ein unbegrenztes und demzufolge unkontrollierbares Ermessen ausüben zu kön„ .„133

nen Auch eine Budgetkontrolle fand kaum statt. Bis 1956 wurden die Wirtschaftspläne durch kleine parlamentarische Gruppen kontrolliert, denen keine ständige Kontrollfunktion zukam. 1956 wurden im Verteidigungsausschuß und Haushaltsausschuß Unterausschüsse gebildet, denen eine solche Kontrolle oblag 1 3 4 . Daneben wurde durch Präsident Eisenhower 1956 ein unabhängiges Prüfungsgremium der Exekutive mit beratender Funktion eingerichtet. Insbesondere durch die Watergate-Affäre und den Vietnamkrieg wurde sich die Öffentlichkeit des Kontrolldefizits bewußt. Der Kongreß reagiert schon 1974 durch Erlaß eines Gesetzes135, nach dem der Präsident den „geeigneten" Ausschüssen, worunter der Verteidigungs-, Außen- und Haushaltsausschuß verstanden wurde, in geeigneten Abständen über Auslandaktivitäten berichten mußte. Weiterhin wurden Enquête-Kommissionen 136 eingesetzt, die empfahlen, die Dienste unter eine parlamentarische Kontrolle zu stellen. Die beiden Häuser richteten jeweils einen Ausschuß 1976 bzw. 1977 ein. Präsident Ford errichtete 1976 ein dreiköpfiges exekutivisches Kontrollorgan, das Intelligence Oversight Board. Damit war ein Kontrollmechanismus geschaffen, der innerhalb der Exekutive und der Legislative eine Stütze fand. Auch die Judikative fing in dieser Zeit an, sich erstmalig mit Fällen zu beschäftigen, in denen die Dienste eine Rolle

132

Diese arbeiteten mit dem DCI zusammen. Diese Gruppe kann mit dem PVMG in Deutschland verglichen werden. 133

Dieses folge zwingend aus der Gewaltenteilung.

134

Auch heute ist der Etat in klassifizierten Gesamtetats im Haushalt enthalten.

133

Das Hughes-Ryan-Amendment zum Foreign Assistance Act von 1961. Siehe näher Report SCI, S. 4. 136

Church-Committee nach seinem Vorsitzenden Senator Frank Church vom Januar 1975 - April 1976 und das Pike-Committee nach seinem Vorsitzenden Abg. Otis Pike. Beide Commissions waren nicht nur mit der Ausarbeitung eines Gesetzesvorschlages beauftragt, sondern auch mit der Aufklärung von Vorgängen im Zusammenhang mit Dr. Martin Luther King, mit der parallel die Rockefeller-Commission ebenfalls beschäftigt war.

242

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

spielen. Die Kontrolle der Dienste ist in den USA stark ausgeprägt 137 , sofern es sich um den Schutz der Privatsphäre amerikanischer Staatsbürger oder Foreign Visitors mit dauernder Aufenthaltsgenehmigung handelt 138 . Der Foreign Intelligence Surveillance Act of 1978 (FISA) war, noch unter dem Eindruck der Watergate-Affaire, das erste Parlamentsgesetz, das die bis dahin existierenden Executive Orders ablöste, die den Eingriff der Dienste in die Privatsphäre der Bürger regelte. Unter die FISA fallt nicht nur die Post- und Fernmeldekontrolle, sondern auch das physische Eindringen in fremdes Eigentum 139 .

bb) Die Dienste In den USA bestehen hauptsächlich zwei große Dienste, die Central Intelligence Agency ( C I A ) 1 4 0 und das Federal Bureau of Investigation (FBI) 1 4 1 . Da137

Präsident Carter gab Ende der 70er Jahre den verfassungsrechtlichen Anspruch auf, daß dem Präsidenten im Bereich der ausländischen Angelegenheiten und der dazugehörenden Aktivitäten ein unbeschränktes Ermessen aufgrund der Verfassung und der Gewaltenteilung zukomme; siehe Carr, ZRP 79, 20, 22. Dies führte zu einer Intensivierung der Kontrolle der Dienste. 138

In diesem Zusammenhang ist auch die EO Nr. 11905 vom Februar 1976 zu sehen, die erste EO, die sich mit den Diensten befaßte. Hier wurde die Tätigkeit der Dienste gegenüber „U.S. persons" eingeschränkt, das sind US-Staatsbürger, Ausländer mit dauernder Aufenthaltsgenehmigung und juristische Personen, die von den vorgenannten gegründet worden sind. 139 140

Arndt, DöV 86, 169, 170.

Gebildet im September 1947 durch den National Security Act. Sie ist zuständig für Alislandsaufklärung, ausländische Gegenspionage und geheime politische Interventionen in anderen Staaten. Dabei operiert sie weltweit mit dem Ziel der umfassenden informationellen Versorgung nationaler Entscheidungsträger. Die Informationsgewinnung erfolgt nicht nur im Hinblick auf politische Geschehnisse, sondern auch die Drogenkriminalität. Das usprümgliche Ziel, nämlich die Errichtung eines zentralen Nachrichtendienstes für die USA, wurde nicht erreicht. Es entstand die „Intelligence Community". Zum Aufbau: Das Directorate of Intelligence (DI), wird vom Deputy Director for Intelligence geleitet. Neben fünf Abteilungen für regionale Aufklärung gibt es vier sachgebundene: Resource, Trade and Technology; Scientific and Weapons Research; Leadership Analysis; Imagery Analysis (jüngste Abteilung, existiert seit dem 1. 10. 1993). Zur Unterstützung der Nachrichtenaufbereitung existieren die Abteilungen Information Resources und Current Production and Analytic Support. Nachrichtendienstliche Aktivitäten, die keinen bezug zur Informationsgewinnung haben, unterstützt das seit Mai 1992 existierende Nonproliferation Center (NPC). Daneben gibt es das Directorate of Operations, das das Counterterrorist Center und das Counterintelligence Center umschließt. Es führt die geheimen Operationen durch. Weiterhin gibt es des Directorate of Science and Technology, das in erster Linie den

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

243

neben bestehen weitere Dienste wie die Defense Intelligence Agency ( D I A ) 1 4 2 , die National Security Agency (NSA) 1 4 3 , das National Reconaissance Office (NRO) 1 4 4 sowie Aufklärungsabteilungen der Army, Navy, Air Force sowie des Außenministeriums. Diese Dienste sind zusammengefaßt in der „intelligence community" (IC) 1 4 5 . Diese ist äußerst komplex aufgebaut. Ihr gehören an das CIA, die NSA, DIA, Aufklärungsabteilungen des Verteidigungsministeriums 146

Foreign Broadcast Information Service (FBIS) verwaltet. Hier werden ausländische Quellen umfassend ausgewertet. Jones, S. 202, nennt weiterhin noch ein Directorate of Administration, das für Anwerbung, Ausbildung sowie die zentrale Informationsverwaltung zuständig sei. Zusammen mit dem Department of Defense wird das National Photographie Interpretation Center unterhalten. 141 Als Bundespolizeibehörde ist dem Justizministerium unterstellt. Verglichen mit den deutschen Behörden stellt es eine 'Mischung' zwischen BKA und BfV dar, da es auch für Gegenspionage und innere Sicherheit zuständig ist, siehe auch Fn. 154. Es ist auf Aufgaben im Inland beschränkt. 142

Der jüngste Dienst (1. 10. 1961) ist zusätzlich zuständig für militärische Aufklärung und direkt dem Verteidigungsministerium zugeordnet. Durch die unter dem ehemaligen DCI James Woolsey durchgeführte Reformation der intelligence community erhielt die DIA viele Aufgaben, die bis dahin durch den CIA erledigt wurden, so insbesondere im Bereich der Analyse von militärischen Operationen und Waffensystemen, siehe dazu Best, Intelligence Issues and the 104th Congress, S. 1. Die DIA ist dem Department of Defense (DoD) zugeordnet. Sie hat drei große directorates: Intelligence (J2), Police Support und Administration. Daneben bestehen drei große centers: National Military Intelligence Production Center (NMIPC), Collection Center (NMICC) und Support Center (NMISC). J2 ist die zentrale Abteilung, die nicht nur dem Verteidigungsminister berichtet, sondern auch dem DCI. Police Support unterstützt nachrichtentechnisch nicht dem DOD angeschlossene Stellen, so etwa das Weiße Haus, den National Security Service und das Außenministerium. 143 Die NSA entstand 1952 aus der Armed Forces Security Agency durch eine Direktive des Präsidenten Harry S. Truman. Formell untersteht sie dem DoD, praktisch aber bleibt sie aufgrund ihrer besonderen Geheimhaltung unabhängig. Der Central Security Service (CSS) untersteht als kryptologische Abteilung dem Direktor der NSA. Es besteht eine Zusammenarbeit mit weitere Behörden, etwa dem NRO oder auch ausländischen Diensten. Die Hauptaufgabe der NSA besteht in der Fernmeldekontrolle jeder Art von Telekommunikation. Sie überwacht alle Auslandsgespräche auf bestimmte Schlüsselwörter; eine ähnliche Kompetenz soll dem BND durch § 3 G10 nF eingeräumt werden. 144

Hier werden Satellitenaufklärungsprogramme gesteuert.

143

Dieser Begriff wurde zuerst 1955 durch eine „blue ribbon commission" über die Organisation der Staatsverwaltung benutzt. Die Legaldefinition findet sich in EO 12333 vom 4. 12. 1981. 146

Im unterstellt sind die relativ selbständigen Dienste NSA, DIA und NRO. Weiterhin unterhält es eigene nachrichtendienstliche Abteilungen.

244

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

und des Außenministeriums 147 , die Nachrichtenabteilungen der A r m y 1 4 8 , Nav y 1 4 9 , Air Force 150 und des Marine Corps 151 , des Finanz 1 5 2 - und Energieministeriums 153 , sowie des FBIs 1 5 4 und die staff elements des Director of the Central Intelligence (DCI) 1 5 5 . Der DCI wird direkt vom Präsidenten ernannt, der dazu der Bestätigung durch den Senat bedarf 156 . Wie auch die anderen Direktoren 147 The State's Department Bureau of Intelligence and Research. Eine Abteilung mit ähnlicher Aufgabe gibt es auch im AA, die allerdings nicht speziell den Nachrichtendiensten zuarbeitet. 148 Die Bedeutung des US Army Intelligence and Security Command hat sich seit der Gründung der DIA verringert. Trotzdem hätten sich im Jahre 1990 noch viele Mitarbeiter in Deutschland aufgehalten, deren Zahl Jones, S. 213, mit 5.000 angibt. 149

Die Naval Intelligence gliedert sich in drei Gruppen: Der Naval Intelligence Command ist für die Erfüllung nachrichtendienstlicher Aufgaben verantwortlich, dem Naval Security Group Command obliegen Sicherheitsaufgaben und der Naval Investigative Service führt die Spionageabwehr durch. 130

Die Air Force Intelligence gliedert sich in drei Abteilungen: Die Air Force Intelligence Agency ist zuständig für die Aufklärung. Hier ist die NRO organisatorisch angegliedert. Daneben besteht das Air Force Office of Special Investigation, das als Abschirmdienst aber auch zur Verbrechensbekämpfung eingesetzt wird. Die Intelligence Support Agency (ISA) ist eine militärische Sondertruppe, die in die Reihe der Special Forces gehört. 131

Unterteil in eine Aufklärungs- und eine Sicherheitsabteilung.

132

Department of the Treasury. Es unterhält den US Secret Service (USSS), der urprünglich zur Bekämpfung von Geld- und Wertpapierfalschem eingerichtet wurde, seit 1901 aber auch Aufgaben des Personenschutzes übernimmt. 133

Department of Energy.

134

Das FBI entspricht teilweise dem deutschen Verfassungsschutz. Es unterhält wie dieser eine eigene Schule. Dadurch, daß es jedoch nur teilweise zur intelligence community gerechnet wird und auch polizeiliche Aufgaben, nämlich die Verfolgung von Bundesverbrechen, wahrnimmt, fallen ihm auch die Aufgaben im Bereich der Bekämpfung der OK, des Terrorismus und von Wirtschaftsverbrechen zu, die in Deutschalnd in den Bereich des BKA fallen. Weiterhin erledigt das FBI teilweise auch jene Aufgaben, die in Deutschland von den „14. K" wahrgenommen werden. 133 Der DCI besteht nach der Legaldefinition im National Security Act vom 26. 7. 1947 (PL 80 - 253) See. 3. [50 U.S.C. 401 a] IV aus dem Büro des Direktors des CIA, dem Büro seines Stellvertreters sowie dem National Intelligence Council (NIC) sowie den Dienststellen, die vom DCI dazu ernannt werden. Aufrgund der besonderen Stellung in der IC ist der DCI allen Diensten vorgesetzt. Er hat aber nicht in allen Fällen eine Weisungsbefugnis. 136 National Security Act vom 26. 7. 1947, See. 102 [ 50 U.S.C. 403] (a) Π. Er oder sein Stellvertreter soll aufgrund der speziellen Sachkunde ein Offizier der Streitkräfte sein, der während seiner Amtszeit von der Kontrolle durch das Verteidigungsministerium freigestellt wird. Der jeweils andere muß zwingend aus dem zivilen Sektor stammen.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

245

berät er den Präsidenten, ist aber de facto sein engster Berater und aufgrund der besonderen Stellung als Leiter der intelligence community in ihr einflußreichster Mann 1 5 7 . Der National Intelligence Council ( N I C ) 1 5 8 ist dem DCI zugeordnet und nimmt eine Zwitterstellung zwischen beschaffendem Dienst und Kontrollstelle ein. Daneben existiert ein privater Geheimdienst, der Defense Industry Security Command (DISC) der amerikanischen Rüstungsindustrie. Er gehört der IC an und wird neben den Vorständen der Rüstungskonzerne auch von der D I A und dem FBI kontrolliert.

cc) Auskunftsrechte Den Diensten stehen weitestgehende Auskunftsverweigerungsrechte zu 1 5 9 . Diese Regelung führt zu einem weitgehenden Ausschluß nachfolgender gerichtlicher Kontrolle aus faktischen Gründen. Eine Benachrichtigungspflicht über abgeschlossene Kontrollmaßnahmen durch die Dienste besteht nicht 1 6 0 .

Der Bestätigung durch den Senat geht eine intensive Untersuchung durch den SSCI voraus, der sein Verhältnis zum nominierten DCI abklärt. Sollte sich nach Ansicht des SSCI die Zusammenarbeit als schwierig gestalten, wird der Kandidat abgelehnt. 137

Durch die Executive Order Nr. 12036 vom 24.1.1978 wurde dem Direktor des CIA die Kontrolle über die Tätigkeit aller Nachrichtendienste zugewiesen, vgl. Carr, ZRP 1979, 20, 21. Diese EO wurde durch EO Nr. 12333 vom 4.12.1981, Federal Register Vol. 46 Nr. 235, S. 59941 abgelöst. Die Stellung des Dirketors des CIA blieb unberührt. Seine Stellung wurde vielmehr durch den FY1993 Intelligence Authorization Act (P.L. 102 - 496) gestärkt, zumal er jetzt Aufgaben und Personal zwischen verschiedenen Diensten der Intelligence Community verteilen kann. Ihm wurde weiterhin ein Community Management Staff zur Seite gestellt, durch das die Koordination effektiver gestaltet werden sollte. 138

Die hier beschäftigten National Intelligence Officers (ΝΙΟ) sind verantwortlich für die Aufbereitung und Koordination der Aktivitäten. Jedem ΝΙΟ ist ein geographischer oder funktionaler Aufgabenbereich zugeordnet. Da der NIC direkt dem DCI zugeordnet ist, ist ihre Hauptaufgabe in der Kontrolle und Koordination zu finden. Die ΝΙΟ werden nicht nur aus den Diensten rekrutiert, sondern auch aus dem privaten Sektor. Siehe ausführlich Report SCI, S. 125. 139

Borgs-Maciejeswki, Verfassungsschutz im internationalen Vergleich, S. 182 weist unter Berufung auf Kneifel, Ausnahmebestimmungen des U.S. Freedom of Information Act (FOIA), CR 1990, 352, auf die vielen Ausnahmevorschriften des Freedom of Information Act hin. 160

Arndt, DöV 86, 169, 176.

246

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis dd) Exekutivische Eigenkontrolle

Die exekutivische Eigenkontrolle in den USA wird ausgeübt durch die den jeweiligen Diensten vorgeordneten Ministerien. Höchstes exekutivisches Kontrollorgan ist der National Security Council (NSC), bestehend aus dem Präsidenten, seinem Stellvertreter, dem Außen- und dem Verteidigungsminister. Der DCI und der Vorsitzende der Vereinigten Generalstäbe haben beratende Stimme. Daneben gibt es exekutivische Kontrollinstanzen, die durch den jeweiligen Präsidenten zu Beginn seiner Amtszeit eingesetzt werden. Zum einen existiert das President's Foreign Intelligence Advisory Board (PFIAB) 1 6 1 Es kontrolliert „the quality, quantity and adequacy" 162 der nachrichtendienstlichen Auslandstätigkeiten. Seine Kompetenz ist auf eine finanzielle Kontrolle beschränkt, Fragen über die Recht- oder Zweckmäßigkeit fallen nicht in seine Kompetenz. Zwischenzeitlich bestand es aus bis zu sechzehn Mitgliedern, seine jetztige Größe ist geringer. Seine Mitglieder sind ehrenamtlich tätig. Daneben existiert das President's Intelligence Oversight Board (PIOB) 1 6 3 , das erstmalig unter Präsident Ford eingerichtet wurde. Es besteht aus drei Mitgliedern, die nicht gleichzeitig Kabinettsposten innehaben dürfen. Der Vorsitzende ist gleichzeitig Mitglied im PFIAB: Das PIOB soll Recht- und Zweckmäßigkeit der Nachrichtendienste umfassend kontrollieren. Die Finanzkontrolle, die durch das PFIAB gewährleistet wird, ist außerhalb seiner Kompetenz. Sobald ein Mitglied ein wie auch immer geartetes seiner Meinung nach rechtswidriges Handeln feststellt, muß es direkt dem Präsidenten berichten. Die effektivere Kontrolle aber folgt aus der Zusammenfassung der Dienste in der intelligence community. Dieser steht der durch den Präsidenten ernannte DCI vor. Er stellt eine Koordinationsstelle im Weißen Haus für die Nachrichtendienste dar, die zu einer Kontrolle der Dienste im Sinne der Exekutive führt. Diese koordiniert die vierzehn us-amerikanischen Nachrichtendienste 164 . Sie ist

161

Dieses wurde erstmalig unter Präsident Eisenhower im Jahre 1956 eingerichtet. Mit einer Ausnahme hat jeder seiner Nachfolger es wieder eingerichtet. 162

EO Nr. 12537 vom 28. 10. 1985, See. 2.

163

Errichtet durch EO Nr. 12334 vom 4.12.1981, See. 2. (a), Federal Register Vol. 46, S. 59 955. 164

In jüngster Zeit wurde Kritik an der Zusammenarbeit zwischen CIA und FBI laut, insbesondere im Zusammenhang mit der Spionageaffare Ames. CIA-Mitarbeiter Aldrich Ames konnte lange für fremde Staaten, besonders für die ehemalige UdSSR, Spionage betreiben, was auch zum Tode einiger Agenten des CIA führte. Kritikpunkt war insbesondere die lange Zeit, die zur Entdeckimg von Ames benötigt wurde. Durch den FY1995 Intelligaice Authorization Act (P.L. 103 -359) wurde die Beteiligung des FBI an der Sicherheitsüberprüfung von Geheimdienstbediensteten gestärkt.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

247

dem deutschen „Beauftragten für die Nachrichtendienste" im Bundeskanzleramt vergleichbar. Dem DCI kommt eine führende Rolle zu. Ihm wurde hier, nachdem die Intelligence Community Staff 165 lange wegen Ineffizienz kritisiert wurde, ein Community Management Staff (CMS) zur Seite gestellt, das ihn bei der Koordination unterstützen soll 1 6 6 . Die CMS ist ein unabhängiges Gremium, das dem DCI direkt berichtspflichtig ist. Es hat eine umfassende beratende Tätigkeit in allen Bereichen, angefangen von Personalpolitik bis zur Überwachung von Aufgaben 167 . 1995 werden in USA Stimmen laut, die eine engere Verknüpfung der in der IC zusammengeschlossenen Dienste fordern. Insbesondere der CMS solle eine enge Koordination gewährleisten, so unter anderem eine enge Kommunkationsbeziehung zwischen allen Diensten, damit doppelte Tätigkeiten vermieden werden. Daneben kann der DCI weitere Gremien schaffen, soweit er diese für notwendig hält. Geschaffen wurde das National Foreign Intelligence Board (NFIB) 1 6 8 , das aus den Leitern oder bestimmten Beauftragten der in der intelligence community zusammengeschlossenen Diensten besteht. Es tagt unter der Leitung des DCI, dessen Stellvertreter gleichzeitig auch stellvertretender Leiter des NFIB ist. Es ist zuständig für die Koordination und Kontrolle nationaler Auslandsnachrichtendienste, Austausch von Informationen zwischen den einzelnen Diensten, Zusammenarbeit mit fremden Diensten und den Schutz von nachrichtendienstlichen Quellen sowie allen Angelegenheiten, die der DCI vorträgt. Daneben existiert das Intelligence Executive Committee (IC/EXCOM), das sich mit Budgetfragen der Dienste beschäftigt. Ihm gehören ebenfalls die Leiter der Dienste an. Der NIC hat neben seinen Aufgaben bei der Informationsbeschaffung auch bei der Kontrolle eine Funktion. Neben der Repräsentation der IC nach außen obliegt ihm die Überwachung der Zusammenarbeit mit der Polizei sowie die Überwachung neuer Techniken 169 . Dem Außenminister wurden ebenfalls Koordinationsaufgaben übertragen, insbesondere im Zusammenhang mit der NSA, D I A und der NRO. Der DCI und die anderen exekutiven Kontrollinstanzen mit Ausnahme des PFIAB und des PIOB sehen sich nicht in erster Linie als Kontrollinstanzen, da sie als Teil der Dienste angesehen werden. Sie üben eine dienstinterne Kontrolle aus. Weitergehende Reformvorschläge zur Neuorganisation der IC haben sich nicht durchsetzen können 170 .

163

Diese wurde am 1. 6. 1992 aufgelöst.

166

Siehe hierzu den FY1993 Intelligence Authorization Act (PL: 102 - 496).

167

Siehe ausführlich Report SCI, S. 132.

168

Siehe hierzu Report SCI, S. 131.

169

Siehe Report SCI, S. 133.

170

Anfang 1992 wurde etwa vorgeschlagen, das Amt eines Director of National Intelligence zu schaffen und ihm weite Befugnisse über alle Dienste einzuräumen. Diese

248

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Durch den FY1995 Intelligence Authorization Act wurde eine Commission on Roles and Capabilities of the U.S. Intelligence Community eingerichtet, deren Bericht im März 1996 erwartet wird 1 7 1 . Sie besteht aus 17 Mitgliedern, die vom Präsidenten und vom Congress bestimmt wurden. Unter ihnen sind aktive und ehemalige Abgeordnete sowie ehemalige Leiter von verschiedenen Diensten. Ziel ist die Überprüfung aller nachrichtendienstlicher Tätigkeit in den USA. Ziel ist eine Reform der Dienste und eine höhere Effektivität. Diese Kommission besteht sowohl aus Abgeordneten wie auch aus Beamten, läßt sich somit nicht eindeutig einer Gewalt zuordnen. Bemerkenswert ist, daß eine solche Kommission zur Vorbereitung von Gesetzesvorhaben durch den Präsidenten mit umfassenden Vollmachten ausgestattet wird.

ee) Parlamentarische Kontrolle Eine parlamentarische Kontrolle wird durch den Congress ausgeübt 172 . Der Senat und das House of Representatives haben je einen Ausschuß 173 zur Nachrichtendienstkontrolle gebildet (Select Committe on Intelligence 174 ). Diese bestehen aus zwischen 13 und 17 Senatoren bzw. 19 Abgeordneten 175 . Die relativ hohe Anzahl der Mitglieder erklärt sich aus dem Bestreben, daß seine Mitglie-

Vorschläge setzten sich jedoch nicht durch. Hauptgrund war die unerwünschte Schwächung des DCI und der erwartete zu große Einfluß auf nachrichtendienstliche Aktivitäten des Verteidigungsministeriums. Siehe ausführlich Intelligence Reorganization Proposals, CRS Issue Brief 92053; U.S. Congress, Senate, 102 Congress, 2nd session, Select Commitee on Intelligence, Authorizing Appropriations for Fiscal Year 1993 for Intelligence Activities of the U.S. Government and the Central Intelligence Agency Retirement and Disabilitiy System; Provide a Framework for Improved Management and Execution of U.S. Intelligence Activities; and for other Purposes; Report, Senate Rept. 102 - 324. 171

Best, Intelligence Issues and the 104th Congress, S. 2.

172

Siehe auch ausführlich Kaiser, S. 279 - 300 (101 - 112), der einen Überblick über die Committees bis zur Iran-contra Affare gibt. 173 Im 103. und denfrüheren Congresses gab es Bestrebungen, ein joint intelligence committee einzurichten. Diese Bestrebungen scheiterten jedoch bisher. 174

Das sind das Senate Select Committee on Intelligence (SSCI), geschaffen durch Senate Resolution 400 vom 19. 5. 1976, und das House Permanent Select Committee on Intelligence (HPSCI), geschaffen durch House Resolution 658 vom 14. 7. 1977. Diese waren seit ihrer Errichtung als geeignete Committees iSd Hughes-Ryes Amendment anzusehen. 175

Zur genauen Funktion der Mitglieder siehe Kaiser, S. 291 (107).

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

249

der gleichzeitig auch Mitglied in einem anderen Ausschuß des jeweiligen Hauses sein sollen, der sich mit sicherheitsrechtlichen Vorgängen beschäftigt. Die Mitgliedschaft in den Committees ist zeitlich begrenzt, um eine übermäßige Routine zu vermeiden 176 . Diese Regelung wird durch die us-amerikanischen Dienste stark kritisiert, da mit Vermeidung der Routine die Vermeidung von Sachkompetenz einhergehe 177 . Die Mitglieder werden nicht durch die „Fraktionen" gewählt, sondern durch den jeweiligen „Fraktionsvorsitzenden" (Majority/Minority - Leader) bestimmt, die des Senatskommittees durch den Speaker of the House 178 . Im Interesse einer effektiven Aufgabenerfüllung und um parteienabhängige Streitigkeiten zu vermeiden, präsidieren jeweils ein Mitglied der Mehrheitspartei und eines der Minderheitenpartei dem SSCI 179 . Der Vorsitz im HPSCI verbleibt alleine bei einem Vertreter der Mehrheitspartei. Das SSCI kann Vorladungen aussprechen und eine Budgetkontrolle 180 ausüben. Das HPSCI hat grundsätzlich die gleichen Kompetenzen wie das SSCI 181 . Aus seiner Stellung als House Committee folgt jedoch eine größere Kompetenz im Bereich der Finanzkontrolle. Der SSCI hat aus seiner Stellung als Senatsausschuß182 Mitwirkungsmöglichkeiten bei der Ratifizierung internationaler Verträge. Ein Großteil der finanziellen Mittel der Dienste ist im Verteidigungsetat enthalten. Die hauptsächlichen finanziellen Mittel werden den Diensten im Rah176

Die Mitgliedschaft im SSCI beträgt höchstens acht, im HPSCI höchstens sechs

Jahre. 177

Report SCI, S. 150, 154 unter Berufung auf den ehemaligen DCI Gates und Abg. Lee Hamilton. 178

Dieser entspricht im House of Representees in etwa dem Bundestagspräsidenten, während im Senat dieses Amt dem Vizepräsidenten zufallt. Es ist allerdings noch nicht vorgekommen, daß ein vorgeschlagenes Mitglied nicht ernannt wurde. 179

Man vergleiche die ähnliche Regelung in der GeschO PKK, die von einem halbjährlichen Vorsitz ausgeht, der auch an Mitglieder der Oppositionsfraktionen gelangt. Zu beachten allerdings ist, daß dem Vorsitzenden des SSCI offensichtlich mehr Befugnisse zukommen als dem Vorsitzenden der PKK. Dieser leitet die Sitzungen und hat den Bericht der PKK zu fertigen. 180

Siehe ausführlich Report SCI, S. 14, 15.

181

Die innere Struktur der beiden Committees ist ähnlich, aber nicht identisch. Verschiedenheiten ergeben sich aus der unterschiedlichen Struktur der beiden Häuser des amerikanischen Kongresses. In beiden Committees sind beide Parteien vertreten. In beiden Committees hat die Mehrheitspartei der jeweiligen Kammer auch die Mehrheit. Im SSCI eine Ein-Stimmen-Mehrheit, im HPSCI entsprechend der Sitzverteilung. 182 Nach der amerikanischen Verfassung darf der Präsident internationale Veträge nur mit Zustimmung des Senates ratifizieren.

250

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

men des President's National Foreign Intelligence Programm (PNFIP) und dem Tactical Intelligence and Related Activities Budget (TIARA) bereitgestellt. Diese Pläne sind detailliert 183 . Die Committees beraten über diese Pläne und erstellen entsprechende Empfehlungen. In einem festgelegten Verfahren müssen die Committees zu einer übereinstimmenden Bereitstellung der Mittel gelangen. Daneben muß die Abstimmung mit dem Haushalts-, dem Innen- und dem Verteidigungsausschuß stattfinden. Den Diensten ist es untersagt, über finanzielle Mittel zu verfügen, die nicht durch parlamentarische Gremien genehmigt worden sind 1 8 4 . Hier ist in der Praxis ein großer Schwachpunkt der us-amerikanischen Kontrolle. Durch die benötigte Abstimmung der finanziellen Mittel in den unterschiedlichen Committees kann es vorkommen, daß finanzielle Mittel nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können bzw. daß der restriktivste Ausschuß die Vorgabe macht. Nach weiteren Abstimmungen werden erst weitere Mittel freigegeben 1 8 5 . Aus den Errichtungsbeschlüssen der Committêes folgt kein gesetzlich bindendes Auskunftsrecht gegenüber den Leitern der Dienste. Es besteht nur das Verlangen der Häuser nach einer „fully and currently" 186 Unterrichtung über alle Vorgänge einschließlich „any significant anticipated activities". Im National Security Act von 1947 wurde durch Änderung des Titels V 1985 jedoch ein solches Recht geschaffen 187.

183

Die Exekutive muß sich mit ihren Etatwünschen mit einer request an beide Häuser wenden. Die requests der Exekutive sind streng geheim, das stattgebende Gesetz öffentlich. Dementsprechend detailliert sind sie. 184 Title V des National Security Act von 1947. Diese Bestimmung wurde 1985 aufgenommen. Einschlägig ist See. 504 [50 U.S.C. 414]. Allerdings können unter bestimmten Voraussetzungen Mittel anderweitig als vorgesehen verwendet werden, es sei denn, der Congress hat eine solche Maßnahme schon abgelehnt. 185

Zu dieser Kritik mit dem Hinweis auf die eingefahrene politische Situation der ehemalige DCI Gates in seiner Rede vor dem World Affairs Council of Boston am Freitag, dem 15. 1. 1993. 186 187

AaO.

Es wird unterschieden zwischen verdeckten und offenen Aktionen, See. 501 [50 U.S.C. 413]. Bei den verdeckten Aktionen hat eine Unterrichtung „fully and currently (...) including any significant anticipated intelligence activity" zu erfolgen. Sec. 502 [50 U.S.C. 413a] verlangt eine Unterrichtung über jede Art der restlichen Tätigkeit (die rund 99% der Gesamttätigkeiten ausmacht), sei es eine eigene oder eine im Rahmen einer Amtshilfe erfolgte, sowie „any significant anticipated intelligence activity and any significant intelligence failure" und eine unbeschränkte Vorlage aller Akten „within their custody or control". Ein grundlegender Unterschied zwischen verdeckten und offenen Aktionen ist, daß bezüglich der verdeckten Aktionen es in der Verantwortung des Präsidenten hegt, die Committees zu informieren, während bei offenen Aktionen die Unterrichtimgspflicht den DCI und alle Leiter aller Dienste trifft.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

251

Die Committees können sich „any information or material concerning intelligence activities (...) which is in their [der Dienste] custody or control and which is requested by either of the intelligence committees in order to carry out its authorized responsibilities" 188 vorlegen lassen. Dies umfaßt explizit auch solches Material, das Rückschlüsse über nachrichtendienstliche Quellen und Methoden zuläßt. Geheimhaltungsmöglichkeiten gegenüber den Committees werden nicht anerkannt. Aus Gründen einer vertrauensvollen Zusammenarbeit aber legen sich die Committees eine Selbstbeschränkung auf, indem sie nicht nach solchen Informationen verlangen und die Menge ihrer Informatiosnverlangen möglichst gering halten 189 . In den Bereichen der Informationsweitergabe besteht eine gute Zusammenarbeit zwischen den Committees und den Diensten. Fälle, in denen die Dienste Informationen endgültig den Committees vorenthalten haben, waren selten 190 . Die Committees können Untersuchungen in Einzelfällen ähnlich einem deutschen Untersuchungsausschuß durchführen ebenso wie Bewertungen allgemeiner Vorgänge abgeben. Die Zusammenarbeit der beiden Commitees erweist sich als gut. Jedes Committee arbeitet unabhängig von dem anderen. In Fällen einer parallelen Aufgabe arbeiten sie auf einer informellen Grundlage zusammen. Die Dienste sind dazu übergegangen, beiden die gleichen Informationen zur Verfügung zu stellen 191 . Eine gesetzliche Pflicht zur Zusammenarbeit besteht nur im Bereich der Wirtschaftspläne, da die Haushaltsgesetze der beiden Häuser des congress' aufeinander abgestimmt werden müssen. Aber auch im Bereich der allgemeinen Gesetzgebung muß eine Abstimmung der Gesetzesvorlagen zwischen beiden Häusern erfolgen, was zu einer Pflicht zur Zusammenarbeit der Committees in der Praxis führt. Die beiden Committees haben keine ausschließliche Kompetenz, über die Dienste zu wachen. Die parallele Zuständigkeit der anderen Ausschüsse besteht weiter, wenngleich sie durch die Errichtung der

Die ursprüngliche Formulierung, daß die Unterrichtung „in a timely fashion" zu erfolgen hätte ist durch die Wendung „promptly" ersetzt worden. 188

Report SCI, S. 10.

189

So mag die Kritik von Carr, ZRP 79, 20, 21, verstanden werden, daß nur eine allgemeine Kontrolle erreicht werden soll. Ob die Committees tatsächlich immer erst im Nachhinein informiert werden, Carr aaO, erscheint im Hinblick auf den Bericht des SSCI, Report SCI, zweifelhaft. Seit Ende der siebziger Jahre mag sich auch in der Praxis einiges geändert haben, zumal in den USA durch Änderung des Title V des National Security Acts von 1947 im Jahre 1991 eine andere rechtliche Situation besteht. 190

Was nur aufgrund der mangelnden gesetzlichen Verpflichtung möglich war.

191

Fordert ein Committee ein bestimmte Informaion an, so erhält auch das andere sie unaufgefordert. 17 Hirsch

252

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Committees eingeschränkt wurde. Daneben unterstützt das jeweilige Committee andere Ausschüsse bei der Ausarbeitung von Gesetzesvorlagen. Dies erfolgt nicht nur, wenn Bereiche der Dienste tangiert werden, sondern auch dann, wenn klassifizierte Informationen der Dienste benötigt werden 192 . Eine ähnliche Funktion kommt der deutschen PKK nicht zu und ist im deutschen Verfassungsgefiige auch nicht erforderlich 193 . Die Ausschüsse beider Häuser werden weiterhin vom Justizminister umfassend über alle Aktivitäten der Dienste, die dem FISA unterfallen, halbjährlich unterrichtet 194 . Den Ausschüssen steht das Recht zu, weitere Informationen bezüglich dieser Maßnahmen einzuholen. Die Committees unterliegen einer strengen Geheimhaltungspflicht 19 ·. Zwar kann die Mehrheit beschließen, bestimmte Informationen zu veröffentlichen. Dieses unterliegt aber einem Einspruchsrecht seitens der Regierung. Hält das entsprechende Committee nach einem solchen Einspruch gleichwohl an einer Veröffentlichung fest, so kann die entsprechende Kammer in einer geheimen Sitzung über die Veröffentlichung verbindlich entscheiden 196 . Verletzt ein

192

So etwa, wenn ausländische Staaten durch die Gesetzgebung, etwa im Bereich wirtschaftlicher Zusammenarbeit, betroffen werden. 193

Hier ist der grundlegend anderen Situation der amerikanischen Präsidialdemokratie Rechnung zu tragen. Den amerikanischen Committees steht im Gegensatz zu den deutschen Ausschüssen ein sehr viel breiterer Mitarbeiterstab zur Verfügimg, da die amerikanischen Committees ihre Gesetzesvorlagen völlig unabängig von Exekutivstellen ausarbeiten. Es kann vorkommen, daß ein Committee nicht über Mitarbeiter verfügt, die eine entsprechende Sicherheitsüberprüfung durchlaufen haben, so daß ihnen die Erlangung von bestimmten sicherheitsrelevanten Informationen durch die Dienste verschlossen bleibt. In diesen Fällen springt das SSCI oder das HPSCI helfend bei der Ausarbeitung ein. In Deutschland hingegen werden viele Gesetzesvorschläge durch Referenten in den entsprechenden Ministerien ausformuliert. Es kommt vor, daß die Regienmgsfraktionen des Deutschen Bundestages ihre Gesetzesvorhaben durch die Ministerien ausarbeiten lassen und durch die Regierung als Gesetzesinitiative einbringen zu lassen. Hierdurch wird wegen Art. 76 Π 1 GG der Bundesrat frühzeitig am Gesetzgebungsverfahren beteiligt. Daneben sind die Mitglieder der Regierung in der Regel gleichzeitig Abgeordnete, was eine engere Zusammenarbeit des Parlamentes mit der Regierung zur Folge hat als es in den USA der Fall ist. 194

§ 108 [a] FISA.

195

In Fällen, in denen such Mitglieder dieser Geheimhaltungspflicht unterwerfen wollten, schieden sie aus dem Committee aus. 196

Dies ist der theoretische Vorgang. In der Praxis haben der Präsident und die Committees in Absprachen festgelegt, welche Informationen grundsätzlich veröffentlicht werden können. So ist es bisher noch nicht vorgekommen, daß der Präsident von seinem Einspruchsrecht Gebrauch gemacht hat.

VI. Ein vergleichender Überbck über weitere Kontrollsysteme

253

Mitglied seine Geheimhaltungspflicht, so wird es aus dem Ausschuß ausgeschlossen. Unter Umständen kann in einer solchen Verletzung auch eine strafbare Handlung liegen 197 . Beide Committees haben einen Mitarbeiterstab, der ebenfalls einer Geheimhaltungsverpflichtung unterliegt 198 . Verletzungen haben schwere rechtliche Konsequenzen zur Folge. Diese Geheimhaltungsverpflichtungen nach Beendigung der Mitarbeiterstellung sind weniger absolut. Möchte ein ehemaliger Mitarbeiter solche Informationen veröffentlichen, so bedarf er der Genehmigung

199

.

Die Committees haben sich Geheimschutzvorschriften gegeben 200 . Diese sind sehr eng und werden in der Praxis sehr streng gehandhabt. Die Kontrollpraxis der SCI läßt sich schwer einschätzen, insbesondere läßt sich nicht abschätzen, wie effektiv die Vorarbeit auch der Mitarbeiter ist. Bei der einzigen Budgetberatungen für das Rechnungsjahr 1993 des SSCI war von den fünfzehn Mitgliedern nur (!) der Vorsitzende Boren während der gesamten Sitzung anwesend 201 . Daneben fällt, ähnlich wie in Deutschland, den Fachausschüssen eine gewisse Kontrollkompetenz zu, die aber auf einem allgemeinen Niveau bleibt. Dem amerikanischen Congress ist es weiterhin auch möglich, Untersuchungsausschüsse einzusetzen202.

197

So etwa, wenn die Identität eines verdeckt arbeitenden Mitarbeiter eines Dienstes preisgegeben wird. PL 97 - 200, Intelligence Identities Protection Act 1982, stellt eine solche Veröffentlichung grundsätzlich unter Strafe. 198

Die Mitarbeiter werden einer strengen Sicherheitsüberprüfung unterzogen. Es ist bisher noch nicht vorgekommen, aber theoretisch möglich (!), daß ein Mitarbeiter trotz Bedenken des DCI ernannt wird. 199

In den deutschen parlamentarischen Kontrollkommissionen sind selbst die Mitglieder nach ihrem Ausscheiden grundsätzlich zur Geheimhaltung aller Informationen verpflichtet, die ihnen im Zusammenhang mit dem Amt bekannt geworden sind. Die amerikanische Regelung zeigt sich flexibler. Wenn eine Zweckgefahrdung aufgrund von Zeitablauf nicht mehr vorliegt, steht einer Veröffentlichung nichts mehr im Wege. 200

Siehe dazu ausführlich Report SCI, S. 9.

201

Insgesamt nahmen vier weitere Mitglieder zeitweilig teil, Report SCI, S. 148. Bei der Besprechung einer besonderen verdeckten Aktion am folgenden Tag waren 12 (!) Mitglieder anwesend. 202

So etwa 1987 im Zusammenhang mit der Iran-contra Affare, als die USA dem Iran Waffen verkaufte, um die Freilassung von Geiseln im Libanon zu erreichen. Der damalige Präsident Ronald Reagan hatte explizit angeordnet, daß die SCI hiervon nicht zu unterrichten seien. Dies führte zu der gesetzlichen Neuerung, daß alle verdeckten

254

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis fi) Gerichtliche Kontrolle

Neben der parlamentarischen Kontrolle existiert in den USA eine eigene Gerichtsbarkeit gegen Akte der Dienste. Dabei wird vorbeugender Rechtsschutz gewährt gegen Maßnahmen der Dienste. Soll eine Überwachung stattfinden, die unter den FISA fallt 2 0 3 , entscheidet hierüber eine eigene Gerichtsbarkeit mit drei Instanzen, wobei die letzte der Supreme Court ist. Eine nachträgliche gerichtliche Überprüfung findet nur in Ausnahmefällen statt, was damit zusammenhängt, daß der Betroffene in der Regel von den Maßnahmen nichts erfährt 204 . Die vorgreifende Prüfung entspricht also in etwa der, die durch die G10-Kommission in Deutschland erreicht wird. Aktivitäten der Dienste, von denen amerikanische Staatsbürger nicht betroffen sind, unterliegen dieser Gerichtsbarkeit nicht.

gg) Weitere Kontrollinstanzen Daneben besteht eine unabhängige Kommission zur Überwachung der Dienste (Intelligence Oversight Board 205 ). Hier wird eine Kontrolle durch eine regelmäßige Überprüfung der Dienstvorschriften ausgeübt. Weiterhin besteht eine Berichtspflicht gegenüber dem Präsidenten und dem Justizminister über rechtlich bedenkliche Aktivitäten unabhängig von den vierteljährlichen Berichten 2 0 6 .

Aktionen „promptly" den SCI mitzuteilen seien. Ein Gesetz, wonach dem Präsidenten 48 Stunden nach Anordnung bis zur Unterrichtung verbleiben, wurde diskutiert, aber nicht verabschiedet. In der Praxis erfolgt die Unterrichtung seit 1986 innerhalb von 48 Stunden, nachdem eine verdeckte Aktion durch den Präsidenten genehmigt wurde. 203

Der FISA und das GIO haben allerdings eine unterschiedliche rechtlichen Reichweite. Der FISA regelt nur die Überwachung der Femmeldebeziehungen mittels elektronischer, mechanischer oder anderer Mittel, Art. 101 (f) Nr. 1. Die Überwachung des Briefs- oder Paketverkehrs fallt nicht darunter. Auf der Seite anderen schützt das GIO nur gegen Eingriffe in die durch Art. 10 GG geschützte Grundrechtssphäre, nicht auch wie der FISA, gegen körperliches Eindringen in die Wohnung (Schutzbereich des Art. 13 GG) oder andere Einschränkungen der Privatsphäre. 204

Eine Ausnahme hegt etwa dann vor, wenn die gewonnen Informationen gegen den Betroffenen in einem Verfahren in Zusammenhang mit einer Strafsache verwendet werden sollen, § 106 [j] FISA. Zum sich anschließenden Verfahren vgl. Arndt, DöV 86, 169, 175. 205

Dieses ist nicht zu verwechseln mit dem President's Intelligence Oversight Board, das bereits erläutert wurde. 206

Carr, ZRP 79, 20, 21.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

255

1989 wurde ein Inspector General speziell für den CIA geschaffen 207 . Dieser wird durch den Senat bestätigt und ist den beiden Committees des Congresses berichtspflichtig. Auch in den anderen Diensten besteht ein Inspector General, der aber auf keiner gesetzlichen Grundlage wie der Inspector General des CIA steht 208 . Der Inspector General des CIA ist die einzige außerparlamentarische Kontrollinstanz, deren Zusammenarbeit mit den entsprechenden parlamentarischen Committees gesetzlich festgelegt ist. So muß er sich an das entsprechende Committee wenden, wenn er etwa über den D C I berichtet oder mit diesen keine einverständliche Auffassung über seine Kompetenzen herstellen kann. Auch in den USA hat man Kommissionen der Exekutive zur Aufklärung bestimmter Vorgänge eingesetzt. Diese sind nicht zwingend unabhängig, sondern mit hohen Vertretern der Exekutive besetzt 209 .

hh) Öffentlichkeit Der Öffentlichkeitsarbeit wird durch die amerikanischen Dienste wie auch durch die Kontrollinstanzen ein besonderes Gewicht zugemessen. Nach den schon angesprochenen Skandalen und aufgrund der politischen Situation nach dem Ende des kalten Krieges sind auch die amerikanischen Stellen zu einer i m internationalen Vergleich großzügigen Öffentlichkeitsarbeit übergegangen. Diese umfaßt keine operativen Vorgänge. Jedoch werden etwa Beschränkungen im Zuge der Fernmeldekontrolle nach ihrem Abschluß jährlich veröffentlicht. Diese Veröffentlichungen umfassen auch den Namen des anordnenden Richters. Allgemeine Informationen erweisen sich als gut zugänglich, was durch die amerikanische Mentalität unterstützt wird. Der Bericht des SSCI vom Oktober 1994 versteht sich selber nicht nur als Informationsbroschüre der interessierten amerikanischen Öffentlichkeit, sondern in erster Linie als Leitfaden für andere Regierungen und Gesetzgebungskörperschaften (!) zur Errichtung einer effektiven Kontrolle über ihre Geheimdienste 210 . Kritik an der Öffentlichkeitsarbeit der Dienste ist, soweit ersichtlich, in der letzten Zeit nicht laut geworden. 207

PL 101 193.

208

Siehe ausführlich Report SCI, S. 13.

209

So etwa die Rockefeller-Commission, die unter Vorsitz von Vizepräsident Nelson Rockefeller Unregelmäßigkeiten des CIA und des FBI im Zusammenhang mit Dr. Martin Luther King untersuchen sollte. 210

Report SCI, S. ΙΠ: „While the primary motivation of the Committee is to provide

a convenient, readily usable reference

to assist the legislative bodies of other govern-

ments, we also commend this booklet to American citizens who are interested in the evolution and operation of the congressional oversight process." (Hervorhebung von mir.)

256

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis ii) Fazit

In den USA bestehen zahlreiche Vorschriften, nach denen der Eingriff in die Privatsphäre des US-Bürgers möglichst gering gehalten werden soll (minimization procedures). Alle nicht unter diese engen Vorschriften fallenden Aktivitäten können empfindliche Geld- oder Haftstrafen 211 oder Schadensersatz· und Schmerzensgeldansprüche 212 auslösen. Auf der anderen Seite bestehen weitgehende Informationspflichten über den Umfang der Maßnahmen gegenüber der Öffentlichkeit. Die Kontrolle in den USA weist mit der deutschen weitgehende Parallelen auf, insbesondere ist die Kontrolle im Bereich der Fernmeldekontrolle vergleichbar. Unverkennbar sind jedoch andere Ansatzpunkte, die sich aus dem amerikanischen Selbstverständnis erklären lassen. Ausländer, die keinen dauernden Aufenthalt in den USA haben und somit keine enge Beziehung zum amerikanischen Gemeinwesen haben, werden im System der Kontrollinstanzen schlechter gestellt, da sie als potentielle Agenten angesehen werden. Nachträglicher, gerichtlicher Schutz erscheint kaum möglich. Die parlamentarische Kontrolle unterscheidet sich insofern von der deutschen, als den jeweiligen Abgeordneten ein großer Stab Mitarbeiter zur Verfügung steht. Die beiden SCI haben jedoch weitreichende Befugnisse, die zu einer engen Kontrolle führen dürften. Einige Besonderheiten der amerikanischen Regelungen erklären sich aus dem Verfassungsgefiige als einer Präsidialdemokratie, in der die klassische Gewaltenteilung stärker als im gewaltverschränkten System Deutschlands beachtet wird. So ist in einigen Bereichen eine größere Beteiligung eines parlamentarischen Kontrollgremiums unerläßlich, etwa bei der Ausarbeitung von Gesetzesinitiativen, wo sie in Deutschland nicht nötig ist. Insgesamt jedoch läßt sich feststellen, daß das amerikanische Kontrollsystem ein umfassendes ist. Es stellt nicht nur eine starke Beteiligung der gesetzgebenden Körperschaft sicher, sondern hat innerhalb der Exekutive eigene Kontrollmechanismen geschaffen, die eine direkte Rückkoppelung zur Exekutivspitze erlauben.

211

§ 1809.(c) des FISA-Acts 1978 setzt als Höchsstrafe $ 10.000,- oder bis zu fünf Jahren Gefängnis fest. 212 Hierunter fallati die Anwalts- und Ermittlungskosten, sowie der durch die rechtswidrige Überwachung erlitt aie tatsächliche Schaden, jedoch mindestens $ 1.000,- oder $ 100,- pro Tag, je nachdem, was höher ist, § 1810 FISA-Act 1978. Am höchsten dürfte der „punitive damage", also der Schmerzensgeldanspruch, zu veranschlagen sein.

VI. Ein vergleichender Überbck über weitere Kontrollsysteme

257

h) United Kingdom (UK) aa) Geschichtlicher Abriß der Kontrolle Die Geschichte der britischen Dienste ist traditionsreich. So läßt sich der Security Service, bekannt unter seiner Kriegsbezeichnung MI5, bis in das späte 18. Jahrhundert zurückverfolgen 213 . Auch der Auslandsnachrichtendienst SIS oder MI6 läßt sich bis 1909 zurückverfolgen, als sein Vorläufer als oberste Koordinationsbehörde der militärischen Sicherheitsdienste des Britischen Imperiums gegründet wurde. Die Geschichte der britischen Geheimdienstkontrolle ist nur verständlich vor dem Hintergrund der langen britischen Verfassungsgeschichte. Sie hat ein besonderes Verhältnis zwischen Regierung und Parlament hervorgebracht. Die Regierung ist von der Parlamentsmehrheit sehr viel abhängiger als sie es in den meisten anderen Staaten ist. Daneben besteht eine lange Tradition, Kontrollaufgaben durch eigens dazu ermächtigte Beamte oder Richter ausführen zu lassen. Daneben besteht eine grundsätzlich breite Zustimmung in der britischen Bevölkerung zu einer nationalen eigenständigen Politik. Skandale 214 haben eine öffentliche Diskussion entfacht, die in der jüngsten Vergangenheit zu mehr institutionalisierten Kontrollen im Rahmen einer Gesetzgebung in bezug auf die Dienste geführt hat.

bb) Die Dienste Im Vereinigten Königreich bestehen zwei große Nachrichtendienste, deren Existenz erst 1992 von der Regierung bestätigt wurden 215 . Zum einen existiert der Secret Intelligence Service (SIS, auch bekannt unter der Bezeichnung M I 6 2 1 6 ) , der mit Aufgaben der Auslandsaufklärung, aber auch politischen In213 Die heutige Behörde wurde allerdings erst im Jahre 1909 durch Captain Vernon Kell gegründet, siehe Jones. S. 78 mit Darstellung von Aktivitäten des Security Service. 214

So etwa die Affare 1963 um John Profumo, Verteidigungsminister. Auch ist etwa bekannt geworden, daß der Security Service ausländische Botschaften verwanzte und so z.B. die Nachrichten der Franzosen während der Diskussion um den britischen Beitritt zur damaligen EG abhörte. 215

Indirekt aber mußte die Existenz schon vorher zugegeben werden, da jährüch ein „lump-sum approbation request" dem Parlament öffentlich vorgelegt werden mußte. 216

Diese Bezeichung, wie auch die Bezeichung des Security Service als MI5, geht auf die Kriegsbezeichnung des Dienstes als Abteilung des früheren miütärischen Geheimdienstes zurück.

258

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

terventionen befaßt ist 2 1 7 . Der SIS besteht aus einer großen Anzahl einzelner agencies, die auf ihren bestimmten Aufgabenbereich spezialisiert sind. Daneben unterhält er ein eigenes Ausbildungszentrum. Seine rechtliche Grundlage findet er in der Intelligence Services Bill von 1994 218 . Er ist dem Innenminister zugeordnet. Zum anderen besteht der dem Innenminister unterstellte Security Service (genannt MI5), dessen Aufgabe die Gegenspionage219 und der Sabotageschutz ist 2 2 0 . Auch Sicherheitsüberprüfungen fallen in den Bereich des Security Service 2 2 1 . Er arbeitet eng mit der entsprechenden Abteilung von Scotland Yard („Special Branch of the Metropolitan Police' 4222 ) zusammen 223 . Selber stehen ihm keine polizeilichen Befugnisse zu. Er findet seine gesetzliche Grundlage im Security Service Act 1988. Er untersteht dem Innenminister, ist diesem aber nicht angegliedert. Sein Direktor hat direkten Zugang zum Premierminister.

217 Art. 11 der Intelligence Services Act 1994: „(...) its functions shall be - a) to obtain and provide information relating to the actions or intentions of persons outside the British Islands; and b) to perform other tasks relating the actions or intentions of such persons." Seine Aufgabenfelder liegen in der Abwehr von Gefahren für die nationale Sicherheit, der ökonomischen Wohlfahrt des UK und in der Abwehr schwerer Kriminalität. 218

Dies ist ein bemerkenswerter Fortschritt, da seine Existenz durch die Regierung bis 1992 weder geleugnet noch zugegeben wurde, siehe „Intelligence and Counterintellingence", The New Encyclopaedia Britannica, S. 721. 1992 wurde er in der Thronrede der englischen Königin erstmalig erwähnt und von der Regierung bekanntgegeben. 219

Auch im SIS gibt es eine Spionageabwehrabteüung, mit der der Security Service eng zusammenarbeitet. 220

Art. 1 Π der Security Service Act 1988: „The function of the Service shall be the protection of national security and, in particular, its protection against threats from espionage, terrorism and sabotage, from the activities of agents of foreign powers and from actions intended to overthrow or undermine parliamentary democracy by political, industrial or violent means". Daneben soll er dem Schutz der britischen Industrie vor Personen außerhalb der britischen Inseln dienen. Auch Sicherheitsüberprüfungen fallen in seinen Aufgabenbereich wie sich aus Art. 2 ΠΙ der Security Service Bill 1988 ergibt. 221

Ein zweifelhaftes Beispiel sind die Sicherheitsüberprüfungen beim BBC, von denen sich nicht feststellen ließ, ob sie auch heute noch durchgeführt werden. Ohne Wissen der Betroffenen wurden seit 1937 Unterlagen von Bewerbern und Mitarbeitern durch den Security Service überprüft. 222

Der Special Branch wurde 1883 gegründet und ist zum einen für den Objektschutz verantwortlich. Zum anderen führt er Polizeiaktionen im Zusammenhang mit der inneren Sicherheit des Landes aus. Er ist zu polizeilichen Mitteln ermächtigt, die dem Security Service fehlen. Weiterhin übernimmt er die Vertretung des Security Service vor Gericht. 223

Borgs-Maciejewski, Verfassungsschutz im internationalen Vergleich, S. 185.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

259

Daneben existiert noch der Defense Intelligence Service (DIS), der in erster Linie mit militärischer Aufklärung befaßt ist 2 2 4 , und der Special Air Service (SAS). Die Geschichte dieser militärischen Eingreiftruppe geht auf den zweiten Weltkrieg zurück 225 . Diese Einheit gilt als militärische Eingreiftruppe des SIS und des Security Service 226 . Durch den Intelligence Services Act 1994 wurde ein Government Communications Headquarters (GCHQ) 2 2 7 , das 1942 gegründet wurde 2 2 8 , auf eine gesetzliche Grundlage gestellt. Es ist dem Innenminister zugeordnet. Seine Aufgabe besteht hauptsächlich in der Sammlung und Auswertung von Geheimdienstinformationen. Weiterhin findet sich ein Tätigkeitsfeld in der technischen Überwachung von Kommunikationsbeziehungen 229 sowie im kryptographischen Schutz der britischen Kommunikationsbeziehungen. Es ist für die Sicherheitsüberprüfungen seiner Mitarbeiter selber verantwortlich. Neben den genannten Diensten übt die Crime Squad Intelligence der Kriminalpolizei ebenfalls nachrichtendienstliche Tätigkeiten aus, wenn sie geheime Akten mit personenbezogenen Daten anlegt 230 .

224

Hier sind vor allen Dingen Waffenspezialisten der Geheimdienste beschäftigt, so etwa das Naval Intelligence Department. 225

Hauptmann David Stirling gründete im Afrikafeldzug gegen die Deutschen diese Sondereinheit. Nach dem Krieg wurde sie im Bereich der Guerilla-Bekämpfung und als Anti-Terroreinheit eingesetzt; vgl. ausführlich zur Geschichte des SAS Jones, S. 81. 226

Diese ca. 450 Mann starke Truppe setzt sich aus Teilen der britischen Streitkräfte zusammen. In der Bundesrepublik Deutschland wäre eine solche Organisation nicht denkbar, da die Terrorismusbekämpfung Aufgabe der Polizei, nicht der Bundeswehr ist. Hier existiert als vergleichbare Einheit die GSG 9, die organisatorisch zur Polizei gehört. 227

Das GCHQ stellt die zentrale Stelle dar, in der alle Informationen gesammelt und ausgewertet werden. Seine Größe wird auf 7.000 bis 10.000 Mitarbeiter geschätzt, Jones, S. 80. 228

Es ging aus der Government Code and Crypher School hervor.

229

Art. 3 der Intelligence Services Act 1994: „(...) its functions shall be - a) to monitor or interfere with electromagnetic, acoustic and other emissions and any equipment producing such emissions and to obtain and provide information derived from or related to such emissions or equipment and from encrypted material; and b) to provide advice and assistance about - i) languages, including terminology used for technical matters, and ii) cryptography and other matters relating to the protection of information and other material, to the armed forces of the Crown, to Her Majesty's Government (...) or to any other organisation which is determined for the purposes of this section (...)". Seine Aufgabenfelder entsprechen denen des SIS. 230

Die Staatsschutzabteilungen der deutschen Polizeien verfügen ebenfalls über personenbezogene Datenbestände. Entscheidend abzustellen ist in diesem Bereich auf den

260

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis cc) Exekutivische Eigenkontrolle

Die Eigenkontrolle der Dienste durch Stellen der Regierung ist stark ausgeprägt. Die obersten exekutivischen Kontrollorgane sind das Ministerial Steering Committee on Intelligence und das Permanent Under Secretaries Committee on Intelligence Services (PSIS) 231 . Ein hoher Beamter dient in diesem Committee als Koordinator für die Dienste, eine Position, die dem Beauftragten für die Nachrichtendienste im deutschen Bundeskanzleramt vergleichbar ist. Dem PSIS stehen weitere Committees, sogenannte Cabinet Subcommittees, zur Seite. Hierzu gehört das Joint Intelligence Committee 232 , das unter Leitung des Staatssekretärs des Außenministeriums über die Nachrichtendienste wacht und sich in erster Linie mit der Koordinierung der Dienste befaßt. Dieses untersteht direkt dem Premierminister. Weiterhin existiert das Overseas 233 Economic Intelligence Committee (OEIC) sowie das London Signals Intelligence Board (LSIB). Der SIS steht unter der Kontrolle des Chief of the Intelligence Service, Art 2 Intelligence Services Act 1994. Er ist dem Innenminister verantwortlich und hat darüber zu wachen, daß der SIS keine Informationen sammelt, die zu seiner Aufgabenerfüllung nicht nötig sind, und - explizit erwähnt - daß durch den SIS keine politische Partei gefördert wird. Er muß dem Premier- und dem Innenminister jährlich berichten und alle Anfragen rückhaltlos beantworten. Das GCHQ untersteht einem Direktor, dessen Aufgabenbeschreibung der des Chiefs des SIS entspricht, Art. 4 Intelligence Services Act 1994. Der Security Service untersteht einem Direktor, der dem Premier- und dem Innenminister jährlich berichtet und auf alle Anfragen diesen rückhaltlos berichten muß, Art. 2 I V des Security Service Act 1988. Auch darüber hinaus stimmt seine Aufgabenbeschreibung mit den beiden vorgenannten überein. Auffällig ist die inhaltliche Unbestimmtheit der gesetzlichen Normen. Es obliegt der Einzelentscheidung durch die Dienste, wann eine Information nicht für die Aufgabenerfüllung der Dienste benötigt wird.

Tätigkeitskreis der Behörde. In welchem Umfang die Crime Squad Intelligence tatsächlich im Vorfeld tätig wird, war nicht zu ermitteln. Die Bezeichung aber läßt auf eine weitergehende Vorfeldtätigkeit schließen. Hier zeigt sich, daß das Trennungsgebot, wie es in Deutschland verstanden wurde, im UK nie existiert hat. 231

Dieses setzt sich zusammen aus den Staatssekretären folgender Ministerien zusammen: Äußeres, Verteidigung, Wirtschaft sowie Schatz. 232

Diesem Comittee gehören viele hochrangige Beamte an, so die Leiter der beiden Dienste, sowie hochrangige Mitarbeiter des Außen- und des Verteidigungsministeriums. 233

Im englischen Sprachgebrauch ist bereits das europäische Festland 'overseas'.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

261

dd) Parlamentarische Kontrolle Durch den Intelligence Services Act 1994 wurde ein parlamentarisches Kontrollgremium 234 geschaffen, das Intelligence and Security Committee, das zur Kontrolle der vorgenannten Dienste berufen ist 2 3 5 . Ein Vorschlag zur Einrichtung eines solchen Gremiums war schon bei der Beratung des Security Service Act 1989 gemacht worden. Er hatte allerdings nicht die Mehrheit im Unterhaus gefunden 236 . Das Intelligence and Security Committee hat sich erstmalig im Dezember 1994 konstituiert und seitdem schon mehrere Sitzungen abgehalten. Seine Mitglieder müssen einem der beiden Häuser angehören. Eine Mitgliedschaft ist inkompatibel zu einem Ministeramt. Die Mitglieder werden durch den Premierminister nach Absprache mit dem Oppositionsführer ernannt 237 . Das Committee ist dem Premierminister mindestens jährlich berichtspflichtig. Dieser Bericht muß durch den Premierminister den beiden Häusern vorgelegt werden. Er hat aber das Recht, ihn um sicherheitsrelevante Passagen nach Rücksprache mit dem Committee zu kürzen. Berichtspflichten gegenüber dem Committee sind nicht normiert, wohl aber kann das Committee Informationen von den Leitern der Dienste verlangen. Diesem Begehren stehen jedoch umfangreiche Geheimhaltungsmöglichkeiten aus Gründen des Nachrichtenzugangs, der Funktionsfähigkeit der Dienste oder aus Gründen der Zusammenarbeit mit anderen Diensten entgegen. Die Entscheidung, ob eine geheimhaltungsbedürftige Information vorliegt, trifft der Leiter des jeweiligen Dienstes oder der Innenminister. Neben der Kontrolle der Aktivitäten ist eine Kontrolle der Ausgaben vorgesehen. Im Vergleich mit der deutschen PKK fallen die deutlich schwächeren Kompetenzen des Committees auf. Es hat keinen Anspruch auf Unterrichtung, es 234

Nach Schedule 3 Art. 1 I, Π des Intelligence Services Act 1994 ist die Mitgliedschaft in diesem Kommittee abhängig von einer parlamentarischen Mitgliedschaft. 233

Seine genauen Rechte sind in Schedule 3 des Intelligence Services Act 1994 näher geregelt. Sein gesetzlicher Kontrollauftrag folgt aus Art. 10 des Intelligence Services Act 1994. 236

Siehe Home Affairs Committee, S. vi. Siehe dort auch die „proceedings of the Committee relating to the report", die einen stenographischen Bericht der Sitzungen des Committees enthalten, die der Erstellung des Berichtes vorangegangen sind. Hier werden die Widerstände deutlich, die den Bemühungen des Parlamentes für eine weitergehende parlamentarische Kontrolle entgegenstanden. 237

In das Committee 1994 wurden fünf Abgeordnete der regierenden Konservativen, drei von Labour und ein liberaldemokratischer entsandt. Dies entspricht einer etwaigen proportionalen Beteiligung nach Sitzen. Unter den Mitgliedern befinden sich drei ehemalige Minister sowie langjährige Parlamentarier.

262

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

kann sich nur mit den Leitern der Dienste, nicht aber mit anderen Mitarbeitern besprechen, noch kann es bei der Zuweisung der Haushaltsmittel mitreden. Eine genauere Kontrolle der Haushaltsmittel findet nicht statt. Der Gesamtetat aller Dienste wird durch das Parlament als 'single intelligence vote' verabschiedet. Die Einzelbudgets unterliegen der Geheimhaltung. Die Mittel werden den einzelnen Diensten durch den Secretary of the Cabinet zugeteilt. Es existiert eine nachfolgende Kontrolle durch den Vorsitzenden des Public Accounts Committee (PAC), das vorsichtig mit dem Bundesrechnungshof in Deutschland zu vergleichen wäre. Dies ist eine relativ enge Kontrolle 2 3 8 . Bemängelt wird, daß es sich um eine rein nachträgliche Kontrolle handelt, die nicht in der Lage ist, Fehlentwicklungen vorzubeugen. Die allgemeine parlamentarische Kontrolle begegnet ähnlichen Schwierigkeiten wie in Deutschland. Die britische Regierung muß jederzeit Fragen des Parlamentes antworten. Die Regierung konnte sich jedoch in Anbetracht der großen Anzahl der Mitglieder des Parlamentes häufig auf Geheimhaltungsbedürftigkeit berufen.

ee) Weitere Kontrollinstanzen: Commissioner und Tribunal Es existiert aber die Einrichtung des Commissioners 239 , eines unabhängigen Kontrollbeauftragten, der über die Durchführung des Security Bill Act 1988, des Interception of Communication Act 1985 sowie des Intelligence Services Act 1994 wacht 2 4 0 . In erster Linie fungiert er als Beschwerdeinstanz gegenüber Maßnahmen der Dienste. Als solcher arbeitet er eng mit dem Tribunal 2 4 1 zusammen. Durch den Premierminister können nur Personen, die ein hohes Richteramt bekleiden oder bekleidet haben 242 , zum Commissioner ernannt werden. Dies garantiert zum einen ein Maß an Unabhängigkeit 243 , zum ande-

238

Home Affairs Committee, S. vii.

239

Dieser ist nicht mit dem Parliamentary Commissioner for Administration & Health Services identisch. Dieser gehört der allgemeinen Staatskontrolle an und ist den Ombudsmännern anderer Staaten vergleichbar. Besondere Befugnisse hat er auf dem Gebiet der Dienste nicht. Dieses ist ausschließlich dem speziell hierfür geschaffenen Commissioner vorbehalten. 240 chapter 56 vom 25.7.1985; war als Gesetz nach der Entscheidung durch den EGMR im Fall James Mallone gegen das Vereinigte Königreich, EuGRZ 85, 19, nötig geworden. 241

Siehe unten.

242

Diese sind im Appellate Jurisdiction Act 1876 festgelegt.

243

Er erhält nur eine Aufwandsentschädigung.

V Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

263

ren bürgt der Ernannte mit seinem Namen für die Kontrolle 244 . Alle Beamten sind gegenüber dem Commissioner zur vollen Information verpflichtet 245 . Der Commissioner hat dem Premierminister jährlich Bericht zu erstatten. Dieser ist verpflichtet, ihn an das House of Commons und das House of Lords weiterzuleiten. Ihm bleibt das Recht vorbehalten, im Rahmen seiner politischen Verantwortung nach Abstimmung mit dem Commissioner 246 , den Bericht um sicherheitsrelevante Stellen zu kürzen. Die Kontrollmöglichkeiten des Commissioners gehen sehr viel weiter als die des Committees. Er ist insoweit mit allen Vollmachten ausgestattet. Das ist eine der deutschen Rechtsordnung unbekannte Machthäufung, die aus der Stellung des Commissioners als hoher Richter resultiert. Ihm stehen als Beauftragten der Exekutivspitze alle deren Kontrollrechte zu, daneben setzt der Commissioner insofern durch seine Berichte tatsächlich Recht im Sinne des englischen Case Laws, als er auslegungsbedürftige Begriffe in seinen Berichten definiert oder Lücken der gesetzlichen Regelung schließt 247 . Die Kontrolle durch den Commissioner ist sehr eng. In der Praxis dürfte sie aus zwei Aspekten jedoch Defizite aufweisen. Zum einen übt der Commissioner keine allgemeine politische Kontrolle aus, sondern überwacht nur die Einhaltung der rechtlichen Vorschriften, soweit er durch eine Beschwerde auf sie aufmerksam gemacht worden ist. Zum anderen dürfte in der Praxis eine intensive Kontrolle aufgrund der dabei anfallenden Arbeitsbelastung kaum möglich sein. Als weitere Beschwerdeinstanz ist ein Tribunal durch die genannten Gesetze eingerichtet worden, das Beschwerden über Maßnahmen der Dienste zu überprüfen hat 2 4 8 . Es arbeitet eng mit dem Commissioner zusammen. Für eine Bürgereingabe ist das Tribunal die eigentlich zuständige Stelle. Jeder Mitarbeiter der Dienste ist zu einer Zusammenarbeit mit dem Tribunal verpflichtet. Seine Entscheidungen, wie auch die des Commissioners, unterliegen keiner gerichtlichen Würdigung.

ff) Royal-Commissions Britischer Verfassungstradition entspricht es, bei der Aufklärung bestimmter Fragen sie einem hochgedienten Beamten zu übertragen, der als eine unab244 2990 bekleidete Lordrichter Lord Justice Lloyd dieses Amt, der dieses Amt allerdings nur nebenamtlich ausübte, vgl. Arndt, DöV 90, 469. 243

Siehe hierzu nur Art 8 V Intelligence Services Act 1994.

246

Arndt, DöV 90, 469.

247

Arndt, DöV 90, 469.

248

Siehe etwa Art. 9 Intelligence Services Act 1994.

264

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

hängige Stelle den Sachverhalt schnell und unparteiisch aufklären soll. Er bürgt mit seinem guten Ruf und Namen für diese Aufklärung. Seinen Abschlußberichten kommt eine große Wirkung zu 2 4 9 . Die britischen Erfahrungen mit einer solchen Einrichtung sind gut. Sie diente als Vorbild bei der Schaffung des Commissioners.

gg) Fernmeldekontrolle Der Bereich der Fernmeldekontrolle ist im Interception of Communications Act von 1985 geregelt. Gegenüber dem deutschen GIO fallen einige gravierende Unterschiede auf. Der Interception of Communications Act von 1985 regelt die Kontrolle der Post- und Fernmeldebeziehungen umfassend. Eine Aufspaltung in mehrere Gesetze wie in Deutschland ist nicht erfolgt. Daher werden von seinem Anwendungsbereich sowohl Maßnahmen der Dienste wie auch der Strafverfolgungsbehörden erfaßt. Für beide Bereiche gilt ein einheitliches Verfahren 250 . Dementsprechend können solche Eingriffe nicht nur von den Diensten sondern auch von den Strafverfolgungsbehörden beantragt werden. Aus dem weiteren Aufgabenfeld dieser Behörden ergibt sich auch der weite Bereich, für den solche Eingriffe möglich sind 2 5 1 . Welche Behörde die Maßnahme genehmigt hängt davon ab, wer einen entsprechend Antrag stellt bzw. welcher Aufgabenbereich tangiert ist. So fungieren als Genehmigungsinstanzen der Innen- bzw. Außenminister sowie der Minister für Schottland bzw. Nordirland. In besonders eilbedürftigen Fällen kann eine Anordnung auch durch den Staatssekretär bzw. durch einen hohen Beamten erfolgen. Die Anordnungsdauer beträgt zwei Monate, kann aber verlängert werden auf bis zu sechs Monaten. Die Crime Squad Intelligence der britischen Kriminalpolizei ist dazu ermächtigt, alle von einem bestimmten Telephon angerufene Personen zu überprüfen. Gelangt der Inhalt der Gespräche nicht zur Kenntnis der Behörde, ist diese Aktivität nicht von einer Genehmigung abhängig 252 . Der Commissioner wacht über die 249 In der Profumo-Affare wurde Lord Denning mit der Abfassung eines solchen Berichtes beauftragt. 230

Bemerkenswert ist, daß das electronic surveillance and bugging centre in London sowohl von den beiden großen Diensten wie auch von der Polizei genutzt wird. 251

Ein Eingriff ist nicht nur zum Schutz von Interessen der nationalen Sicherheit oder der Verbrechensbekämpfung möglich, sondern auch zum Schutze der britischen Wirtschaft. 232

Das Fernmeldegeheimnis in der Bundesrepublik Deutschland umfaßt auch die Frage, ob überhaupt kommuniziert wurde. Es geht also sehr viel weiter als das durch das UK gewährte.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

265

Durchführung dieser Maßnahmen. Er hat eine umfassende Kontrollkompetenz. Er prüft somit nicht nur die Recht- sondern auch die Zweckmäßigkeit. Auch wacht er über die weitere Verwendung der dabei gewonnenen Daten 253 . Daneben existiert eine besondere Gerichtsbarkeit für den Bereich der Fernmeldekontrolle, das Tribunal. Hier ist ein Gremium geschaffen worden, das nicht mit der G10-Kommission vergleichbar ist. Zum einen erstreckt sich die Prüfungskompetenz dieses Gerichtes nur auf eine Rechtmäßigkeitskontrolle nach einer Eingabe durch einen Bürger 254 , zum anderen werden seine Mitglieder von der Königin, d.h. de facto vom Premierminister, ohne Beteiligung der Opposition ernannt. Der Commissioner nimmt in seinen Bericht 255 auch die Anzahl der Telephonüberwachungen auf. Nicht aufgenommen wird die Anzahl der im Zusammenhang mit Nordirland bzw. durch den Auslandsdienst überwachten Fernmeldebeziehungen. Es besteht die allgemeine Überzeugung, daß eine solche Veröffentlichung nationalen Interessen zuwiderlaufen würde. Demhingegen findet eine Benachrichtigung betroffener Bürger grundsätzlich nicht statt. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn durch die Maßnahme die Rechte des Bürgers verletzt worden sind. Dann kann eine Information durch das Tribunal erfolgen 256 . Die Kontrolle in diesem Bereich durch den Commissioner wird als eng eingestuft. Sie wird durch stichprobenartige Gespräche mit dem Personal und durch Akteneinsicht geführt. In seinem Report von 1994 stufte der Commissioner die Durchführung der Fernmeldebeschränkung als wichtiges und richtig eingesetztes Mittel ein.

hh) Öffentlichkeit Seit Erlaß des Security Service Act 1989 ist ein Trend zu einer größeren Öffentlichkeit festzustellen. Dies gilt zumindest im Bereich des Security Services.

253

Diese umfassende Kompetenz steht in Deutschland keiner Behörde alleine zu Ein Vergleich mit deutschen Behörden verbietet sich jedoch. Der Commissioner hat Kompetenzen, die etwa der G10-Kommission, dem GlO-Gremium, aber auch dem BfD zustehen. 254

Das Gericht kann nicht von Amts wegen tätig werden, es kann auch keine Überwachungsmaßnahme aussetzen. 255 256

Siehe oben; die dem Parlament vorgelegte Fassung kann gekürzt sein.

Da die Verfahren vor dem Tribunal durch den Bürger angestrengt werden, bietet sich solches an.

266

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Die britische Öffentlichkeit erhielt in vielen Punkten keine Informationen. I m Gegensatz zu den deutschen Diensten war noch nicht einmal der Name der Leiter der Dienste bis in die jüngere Vergangenheit bekannt. Die Dienste hielten sich von einer Zusammenarbeit mit der Presse fern 2 5 7 . Es ist anzunehmen, daß durch den Erlaß des Intelligence Services Act 1994 eine weitere Öffnung erfolgen wird.

ii) Fazit Die Kontrolle der Dienste weist trotz der Einführung des Committees noch Defizite im Vergleich zur deutschen Regelung auf. Eine Kontrolle der Haushaltsmittel außerhalb der Exekutive findet nicht statt. Wenngleich an dieser Stelle anzumerken ist, daß die britische Regierung entgegen den Regierungen der meisten anderen Staaten den Gesamthaushalt aller drei Dienste veröffentlicht hat 2 5 8 . Eine parlamentarische Kontrolle ist sehr auf die Mitarbeit und das Wohlwollen der Dienste und der Regierung angewiesen259. Für Beschwerden allerdings ist durch das Tribunal und den Commissioner eine gleichzeitig quasigerichtliche Instanz geschaffen worden, die rückhaltlos alle Sachverhalte aufklären kann. Diese Instanzen bedürfen einer guten Vertrauensbasis in der Bevölkerung, da sie gegenüber den Bürgern bis zu einem bestimmten Grade zur Geheimhaltung verpflichtet sind.

237 Home Affairs Committee, S. vi. Im Dezember 1991 wurde die Berufung Stella Rimingtons zur Leiterin des Security Service öffentlich gemacht. Ein weiterer Schritt in Richtung einer größeren Öffentlichkeit ist es gewesen, daß am 8. 5. 1992 der Innenminister öffentlich bekanntgab, daß der Security Service die Bekämpfung des Terrorismus in der Nordirland übernehmen werde. Eingeleitet wurde dieser Prozeß durch Sir Patrick Walker, der sich 1991 als Leiter des Security Service zu erkennen gab. 238

Am 30. 11. 1993 erklärte der britische Premierminister, der Gesamthaushalt von SIS, Security Service und GCHQ belaufe sich auf £ 900.000.000, siehe Colin Brown, „Cold Comfort for Spies", in: Independent vom 1. 12. 1993, S. 10. Nach Jones, S. 76, soll sich der Geamthaushalt bereits 1987 auf weit über eine Milliarde £ belaufen haben. Das Home Affairs Committee, S. vii, weist darauf hin, daß „Class XIX Vote 3 of the 1992-93 Supply Estimates revealed expenditure of £ 185,000,000 'by Her Majesty's foreign and other secret services' - 8.2 % above the forecast outturn for 1991-92." Schwierigkeiten in der Angabe der Gesamtsumme ergeben sich aus der engen Zusammenarbeit mit Polizei- und Militärdienststellen, in deren Etat ebenfalls Posten der Dienste versteckt sein können. 239

Hier dürfte sich eine gute Zusammenarbeit entwickeln. Das Committee hat nach seiner Gründung im Dezember 1994 bereits zu Jahresbeginn 1995 die Dienste besucht, um sich vor Ort in deren Arbeitsweise und Strukturen einweisen zu lassen.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

267

Diese Kontrollmöglichkeiten werden insoweit als ausreichend angesehen, da sich die britischen Dienste nicht in einer ähnlichen Legitimationskrise wie die deutschen befinden.

i) Kanada aa) Geschichtlicher Abriß der Kontrolle Eine Diskussion um die Dienste, die auch die Kontrollinstanzen einschloß, entbrannte Anfang der 70er Jahre im Zusammenhang mit Sezzesionsbewegung Quebecs. Eine Enquête-Kommission beschäftigte sich schon 1969 mit diesem Problemkreis 260 . Greifbare Ergebnisse wurden erst durch eine spätere Commission erzielt 261 . Aufgrund von Mißständen in der RCMP wurde eine ohne Polizeibefugnisse ausgestattete Sicherheitsbehörde, der CSIS, geschaffen. In den McDonald - Berichten wurde die Errichtung einer dreigleisigen Kontrolle empfohlen: ein Exekutivkommittee, ein gemeinsamer Kontrollausschuß beider Häuser und ein spezielles gerichtsähnliches Gremium zur Nachprüfung von Fällen im Zusammenhang mit dem Dienst einschließlich der Sicherheitsüberprüfungen. Den Vorschlägen wurde mit dem CSIS-Act 1984 nicht gefolgt. Errichtet wurde ein eingleisiges Kontrollsystem, bei dem Parlamentarier nicht beteiligt sind. Ihnen kommt nur ein Mitwirkungsrecht bei der Einsetzung zu. Der CSIS-Act 1984 war auf fünf Jahre beschränkt. Die Überarbeitung brachte keine wesentlichen Neuerungen.

bb) Die Dienste Der kanadische Canadian Security Intelligence Service (CSIS) hat für die innere Sicherheit Kanadas zu sorgen. Er wurde am 16. Juli 1984 als Bundesbehörde durch Gesetz geschaffen 262. Sein Aufgabe ist die Abwehr von „threats to 260 Gill, S. 550. Die Mackenzie Commission schlug vor, einen von der Royal Canadian Mounted Police unabhängigen Sicherheitsdienst einzurichten.

261 2979 und 1981 wurden durch die McDonald Commission Berichte veröffentlicht, die erneut die Einrichtung einer von der RCMP unabhängigen Sicherheitsbehörde empfahlen; Gill, S. 550. 262

Der Canadian Security Intelligence Service Act, CSIS Act. Seine Tätigkeitsfelder übernahm er von der Royal Canadian Mounted Police (RCMP). 18 Hirsch

268

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

the security of Canada" 263 . Hierzu gehören nicht nur die Bereiche der inneren Sicherheit, sondern auch Aufgaben mit Auslandsbezug 264 . M i t Zustimmung des zuständigen Ministers ist er befugt, mit jeder Polizeidienststelle und ausländischen Diensten zusammenzuarbeiten. Sein Direktor wird für fünf Jahre durch den Gouverneur ernannt. Eine Verlängerung ist nur einmal möglich. Er untersteht der Dienstaufsicht durch den Innenminister 265 . Daneben bestehen Dienste, die anders als der CSIS nicht durch Gesetz, sondern durch Kabinettsbeschlüsse errichtet worden sind. Dazu gehören das Communications Security Establishment (CSE), das Department of National Defence Inteligence 266 , das Foreign Intelligence Bureau (FIB) des Außenministeriums 267 , sowie kleinere Einheiten, die militärischen Dienststellen bzw. dem Generalbundesanwalt zugeordnet sind. Diese Dienste arbeiten in erster Linie durch die Erhebung öffentlicher Quellen, elektronische Überwachung und durch Zusammenarbeit mit befreundeten Diensten 268 . In Kanada fehlt ein Auslandsnachrichtendienst, wie der deutsche BND oder der us-amerikanische CIA, eine bemerkenswerte Ausnahme bei allen NATOStaaten, wenn nicht allen westlichen Demokratien. Diese Besonderheit ist Gegenstand einer nationalen Diskussion, da gesehen wird, daß Kanada in diesem Bereich auf die Informationen durch ausländische Nachrichtendienste angewiesen ist 2 6 9 . Er unterliegt dabei der Kontrolle verschiedener Gremien. Daneben unterhält der CSIS eine eigene Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit, die für das Ansehen des Dienstes in der Öffentlichkeit verantwortlich ist.

263 Art. 12 des CSIS Act lautet: „The Service shall collect, by investigation or otherwise, to the extent that is strictly necessary, and analyse and retain information and intelligence respecting activities that may on reasonable grounds be suspected of constituting threats to the security of Canada and, in relation thereto, shall report and adwise the Goverment of Canada". 264

Allerdings verfügt er nur über wenige Beamte außerhalb Kanadas, siehe Annual Report 93-94, S. 1. Dies ist erstaunlich, da Sub-Section 16.(1) des CSIS- Act bestimmt, daß die Informationsgewinnung durch den CSIS „within Canada" erfolgen muß. 263

Art. 6 des CSIS-Act.

266

Diese und das CSE gehören organisatorisch zum Verteidigimgsministerium.

267

Seine Aufgabe ist die Sammlung und Auswertung von politischen und wirtschaftlichen Informationen für das Außenministerium und andere Regierungsstellen, die mit auswärtiger Politik befaßt sind. 268 269

Kavchak, S. 6.

Das SIRC hat 1989 vorgeschlagen, Art. 16 des CSIS Act um die Worte „within Canada" zu kürzen.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

269

Bei bestimmten Aktivitäten sind besondere Kontrollmechanismen errichtet, so kann eine Post- und Fernmeldekontrolle nur durch das Bundesgericht genehmigt werden 270 . Bei Sicherheitsüberprüfungen ist die Beschwerde an eine unabhängige Kommission vorgesehen.

cc) Exekutivische Eigenkontrolle Im Rahmen der Eigenkontrolle hat ein dem Minister verantwortlicher Inspekteur mit umfassenden Kontroll- und Prüfungsrechten 271 über die Rechtmäßigkeit der Tätigkeit des Dienstes zu wachen 272 . Er darf dabei von Amts wegen, aus Weisung oder aufgrund von Bürgerbeschwerden tätig werden. Der jährliche Bericht des Leiters des CSIS ist mit einer Stellungnahme des Inspekteurs zu versehen und an den zuständigen Minister weiterzuleiten. Die Stellungnahme hat dabei nicht nur auf die Rechtmäßigkeit der Maßnahmen des CSIS einzugehen, sondern auch besonders auf deren Zweckmäßigkeit. Der Bericht des Leiters des CSIS sowie die Stellungnahme des Inspekteurs sind dem SIRC zuzuleiten. Weiterhin besteht ein Cabinet Committee on Security and Intelligence (CCSI), das generell die Richtlinien für den CSIS festlegt und so eine Kontrolle in allgemeinen Fragen bewirkt. Daneben besteht ein interministerielles Kommittee, das eine routinemäßige Kontrolle aller Vorgänge des CSIS zur Aufgabe hat. Daneben existieren zwei Kommittees 273 aus hohen Beamten der Dienste, die eine Koordination der Dienste zur Aufgabe hat. Durch diese Stellung kann eine gewisse Kontrolle erreicht werden, ähnlich wie durch den Beauftragten für die Nachrichtendienste im Bundeskanzleramt in Deutschland. Neben einer permanenten Kontrolle können auch einzelne Kommissionen eingesetzt werden, so etwa die 1987 durch den Innenminister eingesetzte fünfköpfige Beratungsgruppe Independent Advisory Team on the Canadian Security Intelligence Service.

270

Vorgeschaltet ist ein internes Verfahren innerhalb des Dienstes. Ein „Warrant Review Committee" berät in einem gerichtsähnlichen Verfahren über die Anordnung der Maßnahme, wobei ein dem Vizepräsidenten verantwortlicher Anwalt die Rolle des Betroffenen übernimmt. 271

Sub-Section 30.(2) des CSIS-Act spricht von „any act or thing done by the Ser-

vice". 272

Die Befugnisse des Inspector General sind festgelegt in CSIS-Act Sub-Section

30.(2). 273

Eines, das sich mit Fragen der inneren Sicherheit befaßt, und ein anderes für Fragen der Auslandsaufklärung.

270

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis dd) Gerichtliche Kontrolle

Eine besondere Gerichtsbarkeit für den Bereich der Dienste besteht in Kanada nicht. Diese Aufgaben werden teilweise durch das SIRC wahrgenommen, teilweise werden sie der allgemeinen Gerichtsbarkeit überlassen. Diese unterliegt ähnlich wie Deutschland jedoch weitgehenden Einschränkungen.

ee) Quasi-parlamentarische Kontrolle Die eigentliche Kontrolle findet durch das Security Intelligence Review Committee (SIRC) statt 274 , einer von der Regierung unabhängigen Kontrollkommission, deren Mitglieder nicht dem Parlament angehören dürfen, sondern vom Gouverneur nach eingehender Beratung mit den Fraktionsführern der im Parlament vertretenen Parteien 275 unter besonderer Beteiligung des Oppositionsführers aus den Mitgliedern des „Queens's Privy Council" bestellt werden. Das SIRC ist gegenüber dem Parlament verantwortlich, die Amtszeit beträgt fünf Jahre. Eine Verlängerung ist höchstens um eine Amtszeit möglich. Den bis zu fünf Mitgliedern 2 7 6 des Committees sind eine gewisse Anzahl hauptamtlicher Mitarbeiter zur Seite gestellt 277 . Es tritt monatlich zusammen. Die Aufgabe des Committees erstreckt sich auf jeden Tätigkeitsbereich des Dienstes 278 , nicht nur auf eine reine Rechtmäßigkeitskontrolle, sondern auch auf Zweckmäßigkeitserwägungen 279. Es hat Anspruch auf umfassende Information durch den zuständigen Minister. Daneben kann das SIRC allen Beschwerden, die von einer Person im Zusammenhang mit dem CSIS erhoben werden nachgehen 280 Die Person, die die Beschwerde erhebt, muß nicht notwendigerweise selbst betroffen sein. Daneben fällt auch die Kontrolle von Sicherheitsüberprüfungen in die Kompetenz des

274

Dieses wurde durch Section 34 des CSIS-Act geschaffen.

273

Sofern sie mehr als zwölf Sitze im House of Commons halten.

276

Nach dem CSIS-Act muß das SIRC zwischen drei und fünf Mitglieder besitzen. Seit dem ersten Zusammentritt eines SIRC bestand es aus fünf Mitgliedern. 277

Z.Zt. sind es 14.

278

Untersucht werden auch die Wirtschaftspläne des CSIS.

279

So wird etwa gerügt, daß das mit der Kontrolle der Immigranten beschäftigte Personal nicht gut zusammenarbeitet, sondern jeder sich auf seinen Aufgabenbereich beschränkt, Annual Report 93-94, S. 2. 280

„Any act or thing" kann Gegenstand einer Beschwerde sein.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

271

SIRC. Das SIRC erhielt zwischen dem 1. 4. 1993 und dem 31. 3. 1994 281 in 25 Fällen Beschwerden von Personen, die sich durch Aktivitäten des Dienstes in ihren Rechten verletzt sahen 282 . Das SIRC beschied diese Personen, soweit ihre Beschwerden unbegründet waren, dahingehend, daß ihre Rechte nicht verletzt worden seien 283 . Das SIRC schließt sich damit der Praxis des CSIS an, nicht mitzuteilen, ob der Beschwerdeführer tatsächlich Ziel einer Maßnahme war oder ob über ihn etwas gespeichert ist. Das SIRC kann von dem Inspekteur oder dem CSIS einen Bericht über bestimmte Aktivitäten verlangen. Bisher wurde der CSIS nicht um einen solchen Bericht angegangen, ebenso wurde der Inspekteur 1993-94 nicht um einen solchen Bericht gebeten 284 . Dabei ist zu beachten, daß das SIRC von den tiefgehenden Berichten des Inspekteurs voll profitieren kann. Daneben muß das SIRC jährlich dem Innenminister einen Bericht erstatten, der an beide Häuser weitergeleitet werden muß. Die jährlich veröffentlichten Berichte sind in größtmöglicher Offenheit gehalten, zumal in ihnen gewisse Neuerungen vorgeschlagen oder Lösungen abgewogen werden. Die Berichte gehen in ihrem Umfang über das gesetzlich geforderte Maß hinaus. Hierdurch wird die Öffentlichkeit in einem großen Umfang informiert, so daß von ihr auch eine Kontrolle ausgehen kann. Die Anfang der neunziger Jahre geführten Diskussionen um den Fortbestand des SIRC im Zusammenhang mit dem fünfjährigen Bestehens des CSIS-Acts haben zu keiner Änderung geführt. Man hat das SIRC als eine den kanadischen Besonderheiten entsprechende Lösung angesehen und diese beibehalten 2 8 5 .

ff) Fazit In Kanada besteht ein System enger Kontrolle über den Dienst. Zum einen wird sie durch eine der Exekutive berichtspflichtige Instanz ausgeübt, zum 281 Eine Statistik alle Beschwerden seit 1984 bis Ende 1993 ist abgedruckt im Annual Report 93-94, S. 40, 41. Dabei fallt die hohe Anzahl von Beschwerden auf, für die das SIRC nicht zuständig war. Dies lag jedoch daran, daß sich die Beschwerdeführer nicht, wie durch den CSIS-Act vorgeschrieben, zuerst an den CSIS gewandt haben. In mehr als der Hälfte dieser Fälle konnte der CSIS selbst die entstanden Fragen klären. 282

Annual Report 93-94, S. 37.

283

„The Service had not used and was not using its powers unreasonably or unnecessarily" und „The Service was performing its duties and functions effectively, efficiently and legally"; siehe Annual Report 93 - 94, S. 37. 284

Annual Report 93-94, S. 54.

285

Prados, S. 23.

272

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

anderen durch ein unabhängiges Gremium, auf dessen Zusammensetzung das Parlament großen Einfluß ausübt. Das kanadische System ist mit dem deutschen System vergleichbar. Grundlegende Unterschiede dürfen jedoch nicht übersehen werden. Zum einen liegt Kanada nicht wie die Bundesrepublik Deutschland in geographischer Mittellage, die lange Zeit den Schnittpunkt der Einflußsphären der Supermächte darstellte. Zum anderen ist Kanada im Bereich der militärischen Spionage, aber auch der wirtschaftlichen, nicht so gefährdet. Daneben ist eine Kontrolle der Dienste durch eine engere Zusammenarbeit der Exekutivspitzen mit den Kontrolleuren einfacher zu gestalten als in Deutschland. In Kanada besteht sehr viel eher die Möglichkeit zu kurzen informativen Gesprächen, da zum einen keine so starke Dezentralisierung existiert und zum anderen der Kreis der Verantwortlichen sehr viel kleiner ist 2 8 6 .

j) Vergleich Die Kontrolle in den verschiedenen Staaten weist Ähnlichkeiten und Unterschiede auf, die zum Teil geschichtlich zu erklären sind, zum Teil auf einer anderen verfassungsrechtlichen Ausgangslage beruhen. Die Probleme, die sich bei einer Kontrolle stellen, sind in allen Staaten grundsätzlich die gleichen. Es ist die Schwierigkeit zwischen Geheimhaltung und öffentlicher Kontrolle. Es sind nur westliche 287 Demokratien in diesen Vergleich aufgenommen, da sich nur in Demokratien ein solches Spannungsfeld eröffnet.

aa) Geschichtliche Entwicklung Die Kontrollmechanismen haben eine ähnliche Geschichte, wenngleich in ihrer Effektivität noch grundlegende Unterschiede festzustellen sind. In allen westlichen Demokratien waren die Dienste nach dem Zweiten Weltkrieg keiner effektiven Kontrolle außer der exekutivischen Selbstkontrolle un-

286 287

Dies fordert den Kontakt und schafft damit eine Vertrauensatmosphäre.

Japan ist aufgrund seiner grundlegend unterschiedlichen Mentalität und Geschichte nicht aufgenommen worden. Die neuen östlichen Demokratien sind außer Betracht geblieben, da sie erst vor kurzer Zeit entstanden sind und so noch keine Erfahrungswerte mit den Kontrollmechanismen vorliegen. Weiterhin sind nicht alle Demokratien aufgenommen worden. Vorzugsweise wurden die Staaten ausgewählt, deren Situation mit der der Bundesrepublik Deutschland vergleichbar ist.

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

273

terstellt. Dies mag Folge der Anforderungen in Zeiten des Kalten Krieges gewesen sein. Kontrollmechanismen entwickelten sich langsam. Erste Bestrebungen setzen in der Regel Ende der sechziger Jahre ein, nachdem es in allen Staaten zu tiefgreifenden Skandalen gekommen ist, in die die Dienste verwickelt waren. Daneben begann sich eine Entwicklung abzuzeichnen, die das Aufgabenfeld gerade der heutigen Auslandsdienste immer mehr bestimmt: Es ist eine Entwicklung zu einer staatsübergreifenden Kriminalität festzustellen. Die Staaten reagierten entsprechend ihren Traditionen und Erfahrungen sowie ihrer verfassungsrechtlichen Situation unterschiedlich. Es ist eine Tendenz zu erkennen, die Dienste auf eine gesetzliche Grundlage zu stellen, was in einigen Staaten erst kürzlich 2 8 8 erfolgt ist. Zum Teil bestehen jedoch gesetzliche Grundlagen, die dabei aber nur den Rahmen einer Tätigkeit abstecken, ohne näher auf die Struktur einzugehen wie etwa in Italien. Es konnte kein Fall festgestellt werden, daß ein Kontrollinstitut wieder aufgelöst worden wäre, weil es die Sicherheit des Staates so forderte. Es scheint, als würde es sich bei der Diskussion um die Kontrolle der Dienste um eine Entwicklung handeln, die im internationalen Bereich kaum zeitlich versetzt abläuft.

bb) Kontrollmechanismen In allen Staaten gibt es eine exekutivische Eigenkontrolle, die sich neben derjenigen, die sich aus der Behördenhierarchie ergibt, etabliert hat. So wurde in den USA ein umfassender Kontrollapparat in der Exekutive aufgebaut. Aber auch die anderen Staaten haben spezielle Ausschüsse geschaffen, die eine Koordination und eine Kontrolle sicherstellen sollen. Parlamentarische Gremien gibt es in allen Staaten. Nirgendwo aber ist die allgemeine parlamentarische Kontrolle ausreichend. Daher wird in den meisten Staaten die Notwendigkeit zur Einrichtung eines besonderen Gremiums anerkannt. Dieses ist nicht immer parlamentarischer Natur, so etwa in Kanada und im UK, jedoch wird seine Zusammensetzung immer vom Parlament weitgehend bestimmt. Grundlegend unterschiedlich sind die Kompetenzen dieser Gremien. In den angelsächsischen Ländern herrscht offensichtlich eine Tradition vor, solche

288

So etwa im UK für den Auslandsnachrichtendienst erst 1994. Aber auch in Deutschland erfolgte die gesetzliche Regelung erst im Dezember 1990.

274

Teil I: Vergleichende Bestandsaufnahme und Praxis

Kontrollaufgaben einem mit besonderen Vollmachten ausgestatteten hohen Offiziellen zu überlassen. So haben UK und Kanada mit dem Commissioner/Tribunal bzw. dem SIRC solche Gremien geschaffen, die umfassende Kompetenzen haben. Andere Staaten betonen mehr den Aspekt der parlamentarischen Kontrolle und haben ein rein parlamentarisches Gremium geschaffen. Die Kompetenzen dieser Gremien sind sehr unterschiedlich. Die weitestgehenden gesetzlich verankerten Kompetenzen kommen dabei zweifellos den usamerikanischen SCI zu, da diese auch Entscheidungskompetenz über etatrechtliche Fragen haben. Die deutsche PKK ist in der Realität in ihrer Kontrolldichte jedoch mit den SCI ähnlich einzustufen 289 . In anderen Staaten, so etwa Frankreich, beschränkt sich die Kontrolle auf Beschränkungsmaßnahmen des Post- und Fernmeldegeheimnisses 290. Besonderes Augenmerk ist auf die Haushaltskontrolle der Dienste zu richten 2 9 1 . Diese ist in einigen Staaten einer genauen parlamentarischen Kontrolle entzogen. In Deutschland herrscht ein diffiziles System der Haushaltskontrolle, da hier ein komplexes Zusammenspiel verschiedener parlamentarischer Gremien wie auch des Bundesrechnungshofes als besondere, beinahe gerichtsähnliche, Behörde vorliegt. In den USA wird eine besonders enge Haushaltskontrolle durch das Parlament gewährt. Alle Staaten schätzen den Schutz der Fernmeldebeziehungen besonders hoch ein. Es gibt kaum einen Staat, der diese nicht besonders schützt. So hat Frankreich z.B. eine parlamentarische Kontrolle nur für diesen Bereich eingerichtet. Auch hier sind aufgrund der verschiedenen verfassungsrechtlichen Hintergründe unterschiedlich weitgehende Kompetenzen festzustellen. In Europa ist durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte ein ähnlicher Schutz gegeben, wobei das UK und die Bundesrepublik Deutschland einen besonders engen Schutz gewähren dürften. Auffal-

289

Ein direkter Vergleich ist kaum möglich. Während die Kontrolle des SCI mehr die Form einer Aufsicht hat, ist es die Absicht der PKK in ihrer jetzigen Form, eine Art der kooperativen Kontrolle auszuüben, wie sie dem us-amerikanischen System unbekannt ist. Durch die Rückversicherung, die die PKK zwischen den Diensten und dem Parlament gewährt, kann sie mittelbaren Einfluß auf die operativen Vorgänge der Dienste nehmen. Die Kontrolle der SCI richtet sich auf abgeschlossene Vorgänge. Diese können auch eher als die PKK Konsequenzen aus ihrer Tätigkeit ziehen, indem sie etwa keine etatmäßigen Mittel bereitstellen. 290 In Deutschland wird hier de facto nicht nur durch das G10-Gremium, sondern in eingeschränktem Maße durch die PKK eine Kontrolle erzielt. 291

Report SCI, S. 6: „Key to the effectiveness of the U.S. system has also been control over the budgets of intelligence agencies."

VI. Ein vergleichender Überblick über weitere Kontrollsysteme

275

lend ist, daß in vielen Staaten ein besonderer vorgreiflicher gerichtlicher Schutz in diesem Bereich gewährt wird 2 9 2 .

cc) Ergebnis Im Hinblick auf den Vergleich der Kontrollmechanismen läßt sich feststellen, daß die Bundesrepublik Deutschland im internationalen Vergleich einen hohen Standard setzt 293 . Andere Staaten, so etwa die englischsprachigen, haben ähnlich hohe Standards. Allerdings haben sie unterschiedliche Ansätze gewählt, um diese Kontrolle zu garantieren. Weiterhin sind aufgrund einer unterschiedlichen Verfassungslage auch andere Kontrollmechanismen möglich. In den USA etwa scheint als kontrollbegrenzendes Prinzip das allgemeine Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das durch die deutsche Verfassung garantiert wird, keine so starke Rolle spielen. Grundsätzlich aber läßt sich feststellen, daß die Effektivität der Kontrolle mit dem Vertrauen der Dienste in die Kontrollinstanzen steht und fallt 2 9 4 . Gesetzliche Regelungen mögen ihren Anteil an der Effektivität der Kontrolle haben, können aber nicht die vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen beiden Instanzen gewähren. Erst wenn gesetzliche Geheimhaltungsmöglichkeiten nicht extensiv genutzt werden, können die Kontrolleure mit dem für ihre Aufgabe nötigen Zugang zu allen sensiblen Informationen rechnen und so ihre Aufgabe effektiv wahrnehmen. Dazu gehört auch die Minimierung von Sicherheitsrisiken durch die unbefugte Weitergabe von Informationen. Ist eine tatsächliche Geheimhaltung nicht gesichert, kann eine effektive Kontrolle nicht ausgeübt werden. Die jeweiligen Parlamente haben die Verantwortung, dafür zu sorgen, daß in ihren Kontrollorganen keine solche Sicherheitslücken entstehen können.

292

Zu diesen Staaten wäre auch Deutschland zu rechnen, da die G10-Kommission im Ergebnis einen gerichtlichen Schutz gewährt. Die Bundesrepublik Deutschland ist weiterhin das einzige europäische Land, das einen nachträglichen Rechtsschutz durch die Benachrichtigung des Betroffenen gewährt. 293

Welches Land nun die effektivste Kontrolle der Dienste gewährt, läßt sich aufgrund der Unvergleichbarkeit der Kontrollinstanzen und ihrer Wirkungsweisen nicht sagen. Jedenfalls läßt sich die Behauptung von Prados, S. 53, die us-amerikanische Kontrolle sei die umfassendste, mit seiner Studie nicht belegen. So geht er ohne weitere Diskussion davon aus, die Kontrolle durch jeweils ein Gremium jeden Hauses sei effektiver als die eines Gremiums beider Häuser. In Verkennung der bundesdeutschen Verfassung bemängelt er, daß es in Deutschland nur ein parlamentarisches Kontrollgremium des Bundestages, nicht aber des Bundesrates gibt. 294

Siehe auch Report SCI, S. 6, 8.

Teil II: Eigene Reformvorschläge Das Kontrollsystem der Dienste in der Bundesrepublik Deutschland ist im internationalen Vergleich dichter als das vieler anderer Staaten. Wie die Analyse der Verfassung gezeigt hat, bleibt die Kontrolle hinter dem verfassungsrechtlich Möglichen. Die Frage, ob das System der Kontrolle wirklich allen „vernünftigerweise zu stellenden Forderungen gerecht wird" 1 , erscheint somit als politische Frage. Es bleibt zu überlegen, wie unter Berücksichtigung des Verfassungsgefüges das Kontrollsystem de lege ferenda auszusehen hätte, das die festgestellten Lücken 2 schließen würde. Dabei ist der Struktur der Kontrollinstanzen im Verhältnis zu den kontrollierten Staatsorganen besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Hierbei ist ein Korrelat zwischen der Ebene der Kontrolle und der Kontrollierten herzustellen. Dieses besteht in einer horizontalen und in einer vertikalen Ausrichtung. Sofern eine einfach-lineare vertikale Beziehung zwischen einer Kontrollinstanz und einem zu kontrollierenden Organ gegeben ist, entstehen keine Probleme 3. Komplex wird dieses System jedoch dann, wenn auf einer Ebene horizontale Verflechtungen hinzukommen. Im Bereich der Dienste wird diese Komplexität dadurch gesteigert, daß auch zwischen den Diensten untereinander kein unbeschränkter Informationsfluß stattfinden kann 4 , auf der anderen Seite jedoch eine enge informationelle Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheitsbehörden, also auch mit Polizeidienststellen und Staatsanwaltschaften, besteht, die aufgrund einer ähnlichen Funktionszuweisung erforderlich wird. Die Aufgabe der besonderen Kontrollinstanzen, die zu einer Kontrolle der Dienste berufen sind, reicht indes nicht soweit, daß sie auch Polizeien und Staatsanwaltschaften zu kontrollieren hätten. Um eine effektive 1

Heuer, S 86.

2

Denn daß das System der Kontrollen noch nicht perfekt ist, räumen selbst Mitarbeiter der Dienste ein. 3

So beschränken sich die Kontrollmaßnahmen der G10-Kommission auf den Bereich der Fernmeldebeziehungen. Hier ist eine einfach-lineare Kontrolle über ein Gebiet gegeben. 4

Aufgrund des sog. „Abschottungsprinzips" noch nicht einmal innerhalb eines Dienstes.

I. Exekutivische Eigenkontrolle

277

Kontrolle sicherstellen zu können, wäre es notwendig, im Bereich der Kontrollinstanzen eine ähnlich enge Verknüpfung herzustellen, wie sie im Bereich der Dienste besteht. Im System des Grundgesetzes scheint es praktisch ausgeschlossen, daß einer Kontrollinstanz dabei ein informationelles Übergewicht zukommt. Die horizontale Verknüpfung auf einer Ebene aber darf nicht soweit gehen, daß eine Kontrolle sinnwidrig wird. Gerade dadurch, daß im Bereich der Dienste eine Kontrolle etabliert wurde, die im System des Grundgesetzes eine Sonderstellung einnimmt, wird die Situation komplexer. So darf im System der kooperativen Kontrolle nicht die Situation eintreten, daß im Rahmen einer Prognoseentscheidung der Kontrollinstanz weitergehende Informationen zur Verfügung stehen als den Diensten. Dann würde nicht nur die Gefahr bestehen, daß Verbote der horizontalen Informationsweitergabe mittelbar über die Kontrollen unterlaufen würden. Zudem würden die Kontrollinstanzen außerhalb ihrer eigentlichen Funktion operieren. Daneben könnte ein umfassenderes Wissen einer Kontrollinstanz dazu führen, daß Situationen entstehen, in denen aufgrund eines begrenzteren Wissens der Kontrollierte dem Kontrollanspruch unter Umständen nicht mehr nachkommen kann. Dies gilt aber nicht nur in der horizontalen Beziehung der Kontrollinstanzen untereinander, sondern auch auf der Ebene der Dienste. Eine enge informationelle Zusammenarbeit der Dienste könnte im Extremfall dazu führen, daß die Kontrollinstanzen in ihrem Bereich ein unvollständiges Bild erhalten und so nicht alle Aktivitäten entsprechend würdigen können. Dann aber wäre der verfassungsrechtliche Kontrollauftrag nicht effektiv gewährleistet. Der Idealfall einer effektiven rechtsstaatlichen Kontrolle im Bereich der Dienste ist also dann hergestellt, wenn die horizontalen Verflechtungen auf beiden Ebenen zueinander korrellieren. Dann können die vertikalen Kontrollbeziehungen effektiv genutzt werden. Im Bereich der Dienste ist die vorrangige Kontrollbeziehung zwischen Parlament und Exekutive, d.h. in der Praxis zwischen PKK und Bundesregierung bzw. der Führungsspitze der jeweiligen Dienste. Dies folgt aus der verfassungsrechtlich gebotenen Vorrangstellung des Parlamentes 5. Es muß im Bereich der Kontrolleure ein Gegengewicht zur Bundesregierung als der Spitze der Exekutive und „informierter Staatsgewalt" geben. Daraus folgt, daß in erster Linie die Verflechtungen der Kontrollorgane im Verhältnis zur PKK zu beleuchten sind. Diese sind in ein ausgewogenes Verhältnis zur exekutivischen Eigenkontrolle zu stellen.

I. Exekutivische Eigenkontrolle Die exekutivische Eigenkontrolle stellt die Grundlage jeder weiteren Kontrolle dar. Nach den gemachten Erfahrungen sind in diesem Bereich keine Defizite zu erkennen. 3

Da im Gesamtplenum tatsächlich kein effektiver Geheimschutz gewährleistet werden kann, tritt somit die PKK als parlamentarisches Kontrollorgan an diese Stelle.

278

Teil Π: Eigene Reformvorschläge

Eine Intensivierung der exekutivischen Eigenkontrolle ließe sich dadurch erreichen, die Dienste dem jeweiligen Ministerium einzugliedern. Die Landeserfahrungen mit den LfV, die einem Innenministerium als gesonderte Abteilung zugeordnet sind, sind positiv. Vorteile entstehen zum einen in der engeren Dienstaufsicht, zum anderen darin, daß die Mitarbeiter enger an den entsprechenden Gesetzesvorlagen des Ministeriums mitarbeiten können. Daneben ist in geringem Umfang eine Versetzung von Mitarbeitern in den Dienst oder in eine andere Abteilung möglich. Dies dient dazu, eine gewisse Betriebsblindheit abzubauen und der „Geheimdienstmentalität"6 vorzubeugen. Eine solche Angliederung der Bundesdienste ist wegen ihrer Größe und besonderen Struktur in der Realität nicht durchführbar. Eine solche Versetzung innerhalb der Staatsbehörden ist allerdings nicht von einer Angliederung abhängig. Zu befürworten wäre sie auch im Rahmen der jetzigen Rechtsstruktur. Zu bedenken bleibt, daß Streitversetzungen um so schwieriger werden, je höher der Rang des Betroffenen ist. Dieser hat mehr Einblick in die Arbeit des jeweiligen Dienstes gewonnen und kann im Streitfalle faktisch zu einem Sicherheitsrisiko werden. In den USA existiert der NIC 7 als Schnittstelle zwischen Diensten und Exekutivspitze. Er dient zur Aufbereitung der Information für die Exekutivspitze aber auch zur Kontrolle der Dienste. Ihm kommen damit weitergehende Aufgaben zu als der Koordinationsstelle im Bundeskanzleramt. Zu bemerken ist, daß seine Mitarbeiter teilweise außerhalb der Dienste rekrutiert werden 8. Die Einrichtung einer solchen Stelle, die auch in der Nachrichtenaufbereitung eingesetzt wird, hilft die Entwicklung einer Geheimdienstmentalität zu verhindern. Ähnliches wird in den USA auch dadurch versucht, daß der DCI 9 entweder aus dem militärischen 10 oder zivilen Sektor stammen muß, sein Stellvertreter aus dem jeweils anderen.

6

Siehe dazu S. 48.

7

National Intelligence Council, siehe ausführlich beim Kontrollsystem der USA.

8

National Security Act 1947 der USA See. 103 [50 U.S.C. 403 - 3] (b) (1) (A): „The Council shall be composed of senior analysists within the intelligence community and substantive experts from the public and private sector, who shall be appointed by, report to, and serve at the pleasure of, the Director of Central Intelligence." 9

Director of Intelligence, siehe ausfuhrlich S. beim Kontrollsystem der USA.

10

Hier ist auf die unterschiedliche Struktur der amerikanischen Streitkräfte und ihr Verhältnis zum CIA im Vergleich zu der Organisation in der Bundesrepublik Deutschland hinzuweisen.

Π. Die PKK als zentrales Kontrollorgan

279

Solche Maßnahmen helfen, eine Betriebsblindheit abzubauen11. Eine solche Rekrutierung von Personen außerhalb der Dienste ist wünschenswert.

Π . Die PKK als zentrales Kontrollorgan Im System der parlamentarischen Demokratie ist das Parlament oberstes Verfassungsorgan, dem die Exekutive gegenüber verantwortlich ist 12 . Eine Kontrolle durch das gesamte Plenum aber würde die Geheimhaltungsbedürftigkeit der in Frage stehenden Materie verkennen, da eine solche im Parlamentsbetrieb nicht sicher zu gewährleisten ist.

1. Erweiterung der Rechte der PKK Die PKK des Bundes hat im Vergleich mit den PKK'η der Länder nur eingeschränkte gesetzliche Befugnisse. Damit stellt sich die Frage nach den Erweiterungsmöglichkeiten dieser Rechte.

a) Akteneinsichts- und Anhörungsrecht In einigen Ländern steht der jeweiligen PKK ein Akteneinsichts- und Anhörungsrecht von Angehörigen der Dienste zu. Diese Rechte sind in entsprechenden Landesgesetzen verankert 13 . Auf Bundesebene besteht ein solches Recht per Gesetz nicht. Dieser Befund wird eingeschränkt durch die Erklärung der Bundesregierung gegenüber der PKK vom 8. Februar 1995, wonach die PKK solche Rechte gegenüber der Bundesregierung geltend machen kann. Bei Neufassung des PKKG wurde von Seiten der Bundesregierung gegen eine solche Verankerung verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht, die aus dem Gewaltenteilungsprinzip herrührten 14 . Dieses Argument zielt auf die Gewaltenteilung und damit verbunden die Kernbereichstheorie ab. Nach dem hier vertretenen Ansatz besteht eine Gewal11

Eine solche hat im bereits erwähnten Fall Traube sicher eine Rolle gespielt.

12

Siehe nur Creifelds, Stichwort „parlamentarisches Regierungssystem".

13

So vollständig in Berlin, Brandenburg, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt.

14

BT-Drucksache XI/14752.

280

Teil Π: Eigene Reformvorschläge

tenteilung innerhalb des gewaltverschränkten Systems der Bundesrepublik Deutschland im Sinne eines Kernbereichs der einzelnen Staatsgewalt nur soweit, wie dies zur Abgrenzung einer klaren Verantwortlichkeitsstruktur notwendig ist. Sobald durch die Verschränkung diese Strukturen verwischt werden, würde das Prinzip der Gewaltenteilung unterlaufen 15. Daneben tritt die verfassungsmäßige Verpflichtung der Exekutive, den Bestand des Staates als Garant der freiheitlich demokratischen Grundordnung und der inneren und äußeren Sicherheit zu gewährleisten. Hieraus ließe sich im Extremfall die absolute Weigerung der Weitergabe von Informationen an eine andere staatliche Stelle ableiten, sofern diese sicher die Information zum Nachteil der Bundesrepublik Deutschland verwenden würde oder eine solche Verwertung nicht verhindern könnte. Prinzipiell aber ist das Parlament als unmittelbar demokratisch legitimiertes Staatsorgan dazu berufen, über die Geheimhaltungsbedürftigkeit eines Sachverhaltes zu entscheiden. Diese Befugnis kann der Bundestag allgemein durch gesetzliche Fixierungen ausüben oder sich auch die Entscheidung für den Einzelfall vorbehalten. Für den Bereich der Staatsgeheimnisse, wo eine gesetzliche Fixierung aufgrund der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalles als nicht möglich erscheint, ohne durch Generalfloskeln die Entscheidung im Ergebnis wieder der Exekutive zu überlassen, gelten besondere Maßstäbe. Eine Entscheidung des Bundestages, wonach jegliche Geheimhaltung im Bereich der Dienste ihm gegenüber unzulässig sei, wäre mit dem Prinzip der „wehrhaften Demokratie" und im Interesse einer effektiven Arbeitsweise der Dienste nicht vereinbar. Da der Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung staatlichen Stellen zur effektiven Erledigung übertragen ist, wäre ein solcher Beschluß solange verfassungswidrig, wie der Bundestag eine tatsächliche Geheimhaltung im Rahmen seines Plenums nicht gewährleisten kann. Damit ist aber nicht gesagt, daß es dem Bundestag aus verfassungsrechtlichen Gründen versagt sei, seine Kontrollkompetenz durch ein zahlenmäßig kleines Organ ausüben zu lassen, das seine Rechte aus der Befugnis des Parlamentes ableitet und diesem auch weitestgehende Rechte gesetzlich einzuräumen. Eine gesetzliche Verankerung der Rechte, wie sie die Erklärung der Bundesregierung vom 8. Februar 1995 vorsieht, ist verfassungsrechtlich möglich und im Interesse einer effektiven Arbeitsweise der PKK auch geboten. De facto ist die Bundesregierung an ihre Erklärung gebunden, eine Lossagung würde unübersehbare politische Folgen haben. Eine gesetzliche Verankerung der Rechte würde indes nicht zu einer gerichtlichen Überprüfbarkeit einer Informations13

Siehe ausführlich im Rahmen der Eckpunkte einer wirksamen Kontrolle.

Π. Die PKK als zentrales Kontrollorgan

281

Verweigerung führen 16 , in der Realität aber zu einer Festigung der Position der PKK führen. Ihre diesbezüglichen Kontrollrechte wären keine von der Bundesregierung abgeleiteten, sondern eigene. Das könnte in der Praxis zu einem entspannteren Verhältnis der Dienste zur PKK führen, wenn diese einen gesetzlichen Auftrag zur Kontrolle der Dienste hätte. In der Erklärung der Bundesregierung und in den Verfassungsschutzgesetzen der Länder, nach denen der PKK die genannten Rechte zustehen, kann eine Auskunft dann verweigert werden, wenn dies aus zwingenden Sicherheitsgründen nötig ist. Eine solche Auskunftsverweigerung ist substantiiert zu begründen. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes, wonach die Exekutive einem Untersuchungsausschuß nur in engen, besonders gelagerten Fällen eine Information unter Berufung auf Sicherheitsinteressen verweigern kann 1 7 , muß auf den Bereich der PKK übertragen werden können. Hier ist eine ähnliche Interessenlage gegeben. Ein Untersuchungsausschuß ist ein vom Bundestag eingesetztes Gremium zur Erforschung eines Sachverhaltes. Er ist Organ des Bundestages. Der PKK fehlt diese Stellung. Sie hat aber einen Kontrollauftrag, und zwar einen dauerhaft durch das Parlament übertragenen 18. Das Parlament aber ist das oberste Verfassungsorgan im Gefüge des Grundgesetzes. Sofern es einen Kontrollmechanismus schafft, in dem eine Geheimhaltung sicher gewährleistet ist, ist im Ergebnis nicht einzusehen, warum ihm Informationen auf Dauer vorenthalten werden können. Ein merkwürdiges Paradoxon tut sich auf: Das Parlament als verfassungsgemäß berufener Kontrolleur der Regierung kann nicht alles erfahren, das Bundesverfassungsgericht als Spitze der Judikative kann jegliche Geheimhaltung aufheben, §§26 II, 28 I I 2 BVerfGG. Dies gilt auch für sogenannte operative Vorgänge. Im Verhältnis zwischen Parlament und Regierung kann dies nicht ohne weiteres gelten, weil dadurch feste Verantwortlichkeitsstrukturen unterlaufen werden könnten. Bezieht sich das umfassende Informationsrecht aber auf abgeschlossene Vorgänge, so ist kein durchgreifendes verfassungsrechtliches Argument erkennbar, das gegen die vollständige Unterrichtung spricht. Die PKK ist als parlamentarisches Hilfsorgan sui generis nicht mit dem Parlament gleichzusetzen. Es leitet seine Befugnisse eben nur vom Parlament ab, kann diesem berichten, hingegen bleiben die originären Parlamentsrechte un16

Siehe dazu S. 108 ff.

17

BVerfGE 67, 100.

18

In der Praxis sind die Dienste eher bereit, der PKK eine umfassende Auskunft zu geben, als einem UA.

282

Teil Π: Eigene Reformvorschläge

berührt, § 1 I I PKKG. Die PKK vertritt den Bundestag nicht in seiner Kontrolle, sondern assistiert ihm dabei. Ihr fehlt somit nicht nur die Kompetenz bei rechtlichen Zweifelsfragen für den Bundestag eine verbindliche Entscheidung abzugeben, sondern auch Konsequenzen aus einem Fehlverhalten im Bereich der Dienste zu ziehen. Eine Verwischung der Verantwortlichkeiten auch im Bereich operativer Vorgänge kann gegenüber der PKK nicht eintreten. Die Bundesregierung und die ihr nachgeordneten Dienste bleiben selbst verantwortlich. Sie können durch die PKK lediglich insofern „Rückendeckung" erfahren, als sie durch sie die im Parlament vertretenen Auffassungen erfahren. Die Berufung einer Exekutivstelle auf eine Absprache mit der PKK vermag sie von einer eigenen Verantwortung nicht zu entlasten19. Somit muß de lege ferenda der PKK ein umfassendes Informationsrecht zugestanden werden, insbesondere Sicherheitsgründe können nicht geltend gemacht werden.

b) Berichtsrechte Die Mitglieder der PKK sind zur Geheimhaltung auch über das Bestehen ihrer Mitgliedschaft hinaus verpflichtet, § 5 I PKKG. Allerdings können aktuelle Vorgänge mit vorheriger Zustimmung von zwei Dritteln ihrer Mitglieder öffentlich bewertet werden. Daneben muß die PKK gemäß § 6 PKKG in regelmäßigen Abständen dem Bundestag über ihre Kontrolltätigkeit berichten. Diese Berichte werden in Bundestagsdrucksachen veröffentlicht 20 . Unklar dabei bleibt 21 , ob die Berichte ebenfalls mit 2 / 3 - Mehrheit abgesegnet werden müssen. Da in diesen Berichten jedoch ebenfalls Wertungen vorgenommen werden und sie eine Ausnahme vom Grundsatz der Geheimhaltung bedeuten, muß auch hier eine solche Mehrheit gefordert werden. Durch die Zusammensetzung der PKK ist gewährleistet, daß die parlamentarische Opposition eine Beteiligung an der PKK beteiligt ist. Weil die Mitglieder mit der Mehrheit des Parlamentes gewählt werden, scheint es in der Praxis ausgeschlossen, daß der Anteil der Abgeordneten des Regierungslagers 19

Im Bereich der öffentlichen Meinung läßt sich diese Differenzierung nicht so trennscharf durchhalten. 20 21

Siehe BT-Drucksache ΧΠ/8102.

Diese Frage ist seit der Gesetzesänderung noch nicht aktuell geworden, und es erscheint zweifelhaft, daß sie es jemals werden wird. Bisher sind diese Berichte einverständlich abgegeben worden.

Π. Die PKK als zentrales Kontrollorgan

283

unter das Quorum von einem Drittel sinken wird. Das bedeutet, daß eine öffentliche Bewertung von Vorgängen nur im Zusammenwirken mit dem Regierungslager möglich ist. Dabei wiederum ist das entsprechende Interesse, das an der Aufklärung eines Mißstandes im Regierungslager vorherrscht, zu beachten 22 . Auf der anderen Seite gewährleistet diese Mehrheit, daß eine Veröffentlichung von Geheimnissen nicht aufgrund politischer Opportunität erfolgen kann. Desweiteren ist eine gesicherte Geheimhaltung bei weitgehenden Informationsansprüchen verfassungsrechtlich geboten. Die Dienste sind einer intensiveren Zusammenarbeit eher zugänglich, wenn sie eine Geheimhaltung tatsächlich gewahrt wissen. Es ist also in erster Linie aus praktischen Gründen nicht möglich, der PKK weitergehende Berichtsrechte einzuräumen. Außerdem wären die Dienste aus Gründen des Geheimschutzes umso weniger bereit mit der PKK zusammenzuarbeiten, je mehr sie fürchten müßten, daß Dinge veröffentlicht werden, die geheim bleiben müssen. Das würde wiederum die Kontrollmöglichkeiten der PKK einschränken. Wenn somit festgestellt wurde, daß weitergehende Berichtsrechte gegenüber der Öffentlichkeit nicht zu befürworten sind, so stellt sich die Frage, ob gegenüber anderen Instanzen ein Berichtsrecht eingeräumt werden sollte. Bei der PKK handelt es sich um ein parlamentarisches Hilfsorgan, deren Mitglieder gleichzeitig auch Mitglied einer Fraktion sein müssen. Damit bietet sich als Adressat eines Berichtes der jeweilige Fraktionsvorsitzende an. Dieses liegt auch aus historischen Gründen nahe. Die PKK hat sich aus dem PVMG entwickelt, dem die Fraktionsvorsitzenden angehörten. In der ersten Zeit der PKK waren die Fraktionsvorsitzenden auch Mitglied der PKK. Aufgrund der höheren Arbeitsbelastung ist man in jüngerer Zeit dazu übergegangen, andere Abgeordnete in die PKK zu wählen. De lege lata sind die Mitglieder der PKK auch gegenüber den Fraktionsvorsitzenden zur Geheimhaltung verpflichtet. Eine gegenteilige Position läßt sich nur wenig überzeugend aus einer historischen Interpretation gewinnen 23 . Aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 5 I PKKG, der die Fraktionsvorsitzenden nicht von der Geheimhaltung ausnimmt, ist eine solche Auslegung nicht möglich. Eine Berichtsmöglichkeit an die Fraktionsvorsitzenden durch die Mitglieder der PKK bietet gleichwohl Vorteile, die sich nicht aus der gesetzlichen Struktur 22

Der Wähler macht die Abgeordneten der Regierung für deren Fehler mitverantwortlich, was zu einer Verschiebung im Rahmen der Gewaltenteilung führt. 23

So etwa Miltner, Kontrolle des Verfassungsschutzes, S. 59.

19 Hirsch

284

Teil Π: Eigene Reformvorschläge

folgern lassen, sondern sich aus der Praxis ergeben. Dabei ist zu bedenken, daß eine solche Möglichkeit den Kreis der Personen, die in die Aktivitäten der Dienste einen umfassenden Einblick haben, erhöht wird. Allerdings handelt es sich bei den Fraktionsvorsitzenden um langgediente Parlamentarier mit einer enormen Reputation und großem Einfluß. In der Praxis dürfte von ihnen kein Sicherheitsrisiko ausgehen. Die Vorteile, die sich aus einer solchen Berichtsmöglichkeit ergeben, folgen aus der Position des Mitgliedes der PKK in seiner Fraktion. Die PKK dient auch der Rückkoppelung zwischen den Diensten und dem Parlament. In der PKK können Bedenken und sicherheitsrelevante Tatsachen sehr offen angesprochen werden. Dafür erwarten die Dienste, daß durch die PKK eine Kontrolle auch tatsächlich ausgeübt wird. Wenn ein Sachverhalt in der PKK umfassend besprochen wurde, sollen die Mitglieder der PKK ihren Einfluß in ihren Fraktionen dergestalt gelten machen, daß eine weitere Kontrolle in dieser Frage nicht mehr nötig erscheint 24. Diese Aufgabe aber kann besser erfüllt werden, wenn der Fraktionsvorsitzende das Votum der Mitglieder der PKK teilt. Dem Fraktionsvorsitzenden kommt in der Verfassungsrealität ein großer Einfluß zu. Auch kann er in informellen Gesprächen mit den anderen Vorsitzenden ein eventuelles weiteres Vorgehen der Fraktionen besser absprechen, als es Mitglieder der Fraktionen können. Eine Aufhebung der Geheimhaltungsverpflichtung der Mitglieder der PKK gegenüber den Fraktionsvorsitzenden hätte somit in der Praxis durchaus positive Auswirkungen. Zum einen würde die Rückkoppelung zwischen den Diensten und dem Parlament enger. Dies hat für die Dienste insofern eine positive Auswirkung, als daß sie ihre Aktivitäten an die im Parlament herrschenden Auffassungen anpassen können. Zum anderen würde die Kontrolle des Parlamentes verstärkt, da auch die Fraktionen abgestimmte Maßnahmen gegen die Dienste ergreifen könnten.

c) Folgerechte Der Vergleich der Rechte der PKK des Bundes mit denen der Länder zeigt, daß letzteren zusätzliche Rechte zur Ermittlung eines Sachverhaltes zustehen25. 24

Daß die PKK nicht alle Fragen abschließend beurteilt, hat sich jüngst darin gezeigt, daß der Bundestag einen UA in der Plutonium-Affare eingesetzt hat, obwohl sich die PKK mit dieser Frage beschäftigt hatte. 25

Diese sollen hier insofern als Folgerechte bezeichnet werden, als sie erst dann angewandt werden, wenn die PKK das Gefühl hat, den ihr erteilten Auftrag nicht mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln erfüllen zu können. Sie schließen sich somit an die eigentliche Tätigkeit der PKK an.

Π. Die PKK als zentrales Kontrollorgan

285

Hier ist zum einen die Möglichkeit der PKK des Landes Berlin zu nennen, in einen Untersuchungsausschuß umgewandelt werden zu können, zum anderen die Möglichkeit der PKK des Landes Schleswig-Holstein, einen Beauftragten für den Verfassungsschutz zu benennen.

aa) Umwandlung in Untersuchungsausschuß Nach § 35 I V LfVG Ber 2 6 kann das Abgeordnetenhaus des Landes Berlin den Ausschuß für Verfassungsschutz (AfV) 2 7 als Untersuchungsausschuß nach Art. 33 Verf Ber 2 8 einsetzen. Nach Art. 33 Verf Ber hat das Abgeordnetenhaus das Recht, zur Erforschung bestimmter Sachverhalte einen Untersuchungsausschuß einzusetzen. Diesem ist jedermann verpflichtet, zum Zwecke der Beweiserhebung dienlich zu sein, insbesondere sind die Behörden und Gerichte zur Amtshilfe verpflichtet. Die nähere Ausgestaltung der Untersuchungsausschüsse bleibt einer gesetzlichen Regelung vorbehalten 29. Die Berliner Regelung weist eine in ihrer Besonderheit liegende Schwierigkeit auf. Nach § 33 I 2 LfVG Ber bleiben die Rechte des Abgeordnetenhauses und seiner anderen Ausschüsse unberührt, hingegen verweist § 35 IV LfVG Ber auf die Möglichkeit 30 , den AfV als Untersuchungsausschuß einzusetzen. Der einzige strukturelle Unterschied einer solchen Einsetzung besteht darin, daß für die Mitglieder des so entstandenen Untersuchungsausschusses keine Stellvertreter zu wählen sind. § 3 UAG Ber, der eine entsprechende Wahl vorschreibt, ist durch § 35 I V 2 LfVG Ber ausgeschlossen. Die Frage, die sich zwingend stellt, lautet, ob das Berliner Abgeordnetenhaus angehalten ist, in Fragen des Verfassungsschutzes den AfV als Untersuchungsausschuß einzusetzen. Zwar legt § 33 I 2 LfVG Ber eine andere Wertung nahe und § 35 I V 1 LfVG Ber stellt insoweit auch nur eine ,JKann-Regelung" auf. Es bliebe dem Abgeordnetenhaus aber auch ohne die explizite Regelung des § 35 26

Gesetz über das Landesamt für Verfassungsschutz Berlin vom 26. 1. 1993, GVB1. 1993, S. 33. 27

Dieser entspricht der PKK anderer Länder.

28

Verfassung von Berlin vom 1. 9. 1950, VOB1 I 1950, S. 433, idF vom 6.7.1994, GVB1. 1994, S. 217. 29

Diese wurde durch das Gesetz über die Untersuchungsausschüsse des Abgeordnetenhauses von Berlin (UAG) vom 22. 6. 1970, GVB1. 1970, S. 925, idF 2. 11. 1993, GVB1. 1993, S. 543, getroffen. 30

§ 35 IV 1 LfVG Ber stellt seinem Wortlaut nach eine „Kann-Regelung" dar.

286

Teil Π: Eigene Reformvorschläge

I V LfVG unbenommen, den AfV als Untersuchungsausschuß in einer den Verfassungsschutz betreffenden Frage nach den allgemeinen Regelungen einzusetzen. Nach § 3 I V 1 UAG Ber können die Stellvertreter von den Sitzungen des Untersuchungsausschusses ausgeschlossen werden. Scheidet ein Mitglied aus dem AfV aus, während dieser auch als Untersuchungsausschuß eingesetzt ist, wird dadurch sein Platz im Untersuchungsausschuß nicht gleichzeitig hinfällig. Die Einsetzung des AfV als Untersuchungsausschuß löst nicht gleichzeitig für die Zeit des Untersuchungsausschuß den AfV auf, dieser besteht neben dem Untersuchungsausschuß fort. Das ist insofern zwingend, als der Untersuchungsausschuß nur auf einen bestimmten Untersuchungsgegenstand beschränkt ist, der AfV jedoch nicht. Eine „Umwandlung" würde sonst zu einer Beschränkung der Kontrolle führen. Der Untersuchungsausschuß ist mit Einsetzung aber ein vom AfV unabhängiges Organ des Abgeordnetenhauses, das mit dem AfV nur personenidentisch ist. Bei Ausscheiden eines Mitgliedes aus einem solchen Untersuchungsausschuß bleibt es dem Abgeordnetenhaus unbenommen, welchen Abgeordneten es nun neuwählt. Scheidet ein Mitglied demnach aus beiden Gremien gleichzeitig aus, so muß der nach § 33 I I I 2 LfVG Ber nachgewählte nicht mit dem Abgeordneten identisch sein, der in den Untersuchungsausschuß nachrückt. Die Tatsache, ob ein Stellvertreter gleichzeitig mit dem Einsetzungsbeschluß benannt wird oder im Bedarfsfall nachgewählt wird, ändert an der rechtlichen Stellung der Ausschüsse somit nichts. Nach Art. 33 Verf Ber kann die nähere Ausgestaltung der Untersuchungsausschüsse durch Gesetz geregelt werden. Insofern kann auch das LfVG materiellen Regelungsgehalt für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses haben. § 35 I V LfVG Ber muß aber materiellen Regelungsgehalt haben. Der Hinweis, daß ein Untersuchungsausschuß auch aus den Mitgliedern des AfV bestehen kann, ist selbstverständlich und wäre eigentlich überflüssig. Das Berliner Abgeordnetenhaus ist somit, falls es einen Untersuchungsausschuß für einen Gegenstand im Bereich des Verfassungsschutz einsetzen will, verpflichtet, diesen mit den Mitgliedern des AfV zu besetzen31. Der Vorteil dieser Regelung liegt darin, daß die Abgeordneten, die sich auch vorher im Rahmen des AfV mit einem Vorgang beschäftigt haben, also in die 31

Dadurch, daß die Rechte des Abgeordnetenhauses und seiner anderen Ausschüsse unberührt bleiben, besteht eine Unabhängigkeit eines UA vom AfV. Daraus ergibt sich iE aber die Pflicht, den AfV als UA einzusetzen. Hierin liegt nur ein scheinbarer Zirkelschluß. Durch Verabschiedung bzw. Aufrechterhaltung des § 35 IV LfVG Ber bindet sich das Abgeordnetenhauses selbst. Hiergegen läßt sich auch nicht einwenden, daß dann materielles Geschäftsordnungsrecht in Gesetzesform vorliegen würde. § 35 IV LfVG Ber ist lediglich als lex specialis zu § 3 UAG Ber anzusehen, da sein Regelungsgehalt insoweit verdrängend ist.

Π. Die PKK als zentrales Kontrollorgan

287

Materie eingearbeitet sind, nun im Untersuchungsausschuß sachkundiger arbeiten können. Daneben kennen sich dië Beteiligten des Berliner L f V und des Abgeordnetenhauses. Es besteht von vornherein ein persönliches Verhältnis, das es ermöglicht, die Gegenseite besser einzuschätzen. Damit endet die Parallelzuständigkeit beider Organe. Es wird verhindert, daß beide zu einer unterschiedlichen Bewertung kommen. Das würde den Bürger sehr verwirren: Soll er der PKK glauben, die die intensiveren Kontrollrechte hat, oder dem Untersuchungsausschuß, der zur Wahrheitsfindung eingesetzt wurde? Eine Übertragung dieser Einrichtung auf den Bund begegnet materiellen wie auch praktischen Bedenken. Zum einen ist die rechtliche Stellung der PKK des Bundes mit der des AfV grundlegend verschieden. Die PKK ist ein Hilfsorgan des Bundestages sui generis, nicht aber ein Organ des Bundestages selber. Der AfV ist ein Ausschuß des Abgeordnetenhauses von Berlin, als solches an sich schon ein Organ des Parlamentes. Ausschüsse aber stellen sich als verkleinertes Spiegelbild des Plenums dar. § 33 I I LfVG Ber 3 2 normiert die Verpflichtung, jede Fraktion zu beteiligen. Für den Bund besteht eine solche Verpflichtung in § 57 I GeschOBT. Die Beteiligung aller Fraktionen in angemessener Weise folgt zwingend aus dem Partizipations- und Informationsrecht des einzelnen Abgeordneten 33 . Für die PKK des Bundes aber besteht gerade keine Verpflichtung, jede Fraktion beteiligen zu müssen. Eine Einsetzung der PKK als Untersuchungsausschuß würde somit den Minderheitenschutz, der durch Art. 44 GG gewährleistet werden soll, unterlaufen oder es müßte im Hinblick auf diese Möglichkeit jeder Fraktion oder Gruppe, die einen Platz in einem Untersuchungsausschuß beanspruchen könnte, ein Platz in der PKK zugestanden werden. Dies läßt sich aber im Hinblick auf die Rechtsnatur der PKK nicht begründen. Weiterhin ist zu beachten, daß durch die Einsetzungsverpflichtung der PKK eine latente Organeigenschaft des Bundestages zukommen würde. Sobald ein Gegenstand in einem Untersuchungsausschuß behandelt werden soll, würde die PKK in ein Organ des Bundestages überführt werden müssen. Dann aber würden durch das PKKG die Rechte des Bundestages dahin beschnitten, daß er ein parlamentarisches Hilfsorgan in ein Organ des Bundestages wandeln müßte. Die Einsetzung beider Organe hat aber eine andere Rechtsqualität. Die Situation in Berlin ist anders. Hier wird der AfV als Organ des Abgeordnetenhauses 32 33

Siehe auch die vergleichbare Regelung in § 3 ΠΙ UAG Ber.

Siehe dazu BVerfGE 44, 308, 318 ff; zu möglichen Einschränkungen aus Geheimschutzgründen siehe aber BVerfGE 70, 324, 364 f. Die Prinzipien des Geheimschutzes lassen sich nicht auf auf UA übertragen. Die UA sind als Minderheitsrecht ausgestattet. Ein Ausschluß einer Minderheit dieses grundsätzlich öffentlichen Ausschusses würde seinem Wesen widersprechen.

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Teil Π: Eigene Reformvorschläge

eingesetzt. Die Einsetzung als Untersuchungsausschuß ändert seine Rechtsnatur nicht. Zum anderen stehen einer solchen Konstruktion praktische Bedenken entgegen. Untersuchungsausschüsse des Bundestages bestehen regelmäßig aus einer größeren Mitgliederzahl als die PKK. In Berlin ist die Mitgliederzahl eines Untersuchungsausschusses identisch mit der des AfV, § 33 I I LfVG Ber und §3 UAG Ber. Daneben ist zu beachten, daß die Sitzungen des AfV in Berlin grundsätzlich der Öffentlichkeit zugänglich, § 34 LfVG Ber, die Sitzungen der PKK jedoch immer geheim sind, § 5 I 1 PKKG. Informationen, die ihre Mitglieder erhalten haben, dürfen sie nicht weitergeben. Wie aber soll ein Abgeordneter, der Mitglied in beiden Gremien ist, beide Informationen auseinanderhalten? Im Ergebnis würde dies zu einer stärkeren Zurückhaltung der Dienste im Verhältnis zur PKK führen, da diese befürchten müßten, daß Informationen, die aus überwiegenden Geheimschutzgründen im Rahmen eines Untersuchungsausschusses nicht laut werden dürfen, über die PKK dort eingebracht werden könnten.

Eine Übertragung der Berliner Regelung auf Bundesebene ist weder in dieser Form 3 4 möglich noch in der Praxis durchführbar. Zwar bleibt es dem Bundestag unbenommen, auch die Mitglieder der PKK in einen entsprechenden Untersuchungsausschuß zu entsenden. Davon aber wurde in der Praxis abgesehen 35 .

bb) Beauftragter für die Dienste Nach § 27 LVerfSchG Schi. 36 kann die PKK im Einzelfall einen Beauftragten für den Verfassungsschutz 37 einsetzen. Dieser hat ein volles Einsichtsrecht 34

Dies setzt die Beibehaltung der PKK als parlamentarisches Hilfsorgan sui generis voraus. Eine Umwandlung in einen Ausschuß des Bundestages erscheint wenig ratsam. 33

Einzige Ausnahme büdet der Abgeordnete Such, der sowohl der PKK als auch dem UA zur Aufklärung der Plutonium-Affare 1995 angehört. Um unter anderem nicht die Zeugnisverweigerungrechte eventueller Zeugen vor dem UA zu unterlaufen, verläßt er die Verhandlungen der PKK, sobald dieser Sachverhalt dort zur Sprache kommt. 36

Gesetz über den Verfassungsschutz im Lande Schleswig-Holstein vom 23. 3. 1991, GVB1. Schi. 1991, S. 203. 37

Er ist nicht zu verwechseln mit dem Beauftragten für die Dienste, wie er im Zusammenhang mit der „Plutonium-Affare" gefordert wurde. Diesem sollte eine permanente Kontrollfunktion zukommen.

Π. Die PKK als zentrales Kontrollorgan

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in Akten und Dateien bei der Kontrolle der Tätigkeit des Verfassungsschutzes. Er muß die Befähigung zum Richteramt besitzen. Eine Einsetzung eines solches Beauftragten ist nur für einen Einzelfall möglich, nicht aber für eine permanente Überwachung des Verfassungsschutzes in Schleswig-Holstein. Der Beauftragte hat weitestgehende Rechte. Eine Geheimhaltung seitens der Dienste ihm gegenüber ist nicht möglich. Dies folgt zum einen aus der absoluten Geheimhaltungsverpflichtung des Beauftragten; er darf nur gegenüber der PKK berichten. Zum anderen aus dem Fehlen einer entsprechenden Norm, die den Verfassungsschutz ermächtigt, ihm gegenüber die Weitergabe von Informationen zu weigern. Weiterhin wird dies gestützt durch einen Vergleich mit den Befugnissen des Landesbeauftragten für den Datenschutz. Auch diesem steht ein Einsichtsrecht in Akten und Dateien zu. Ihm gegenüber jedoch kann eine Geheimhaltung geltend gemacht werden. Er ist im Gegensatz zum Beauftragten nicht zur Klärung eines Einzelfalls berufen, sondern als permanente Kontrollinstanz anzusehen. Die Rechte des Beauftragten aber müssen weitergehende sein, sonst hätte eine Ermächtigung der PKK an den DSB ausgereicht. Praktische Erfahrungen mit dem Beauftragten für den Verfassungsschutz bestehen in Schleswig-Holstein noch nicht. Er trägt aber unverkennbar die Züge einer von der Exekutive eingesetzten ,^loyal-Commission". Die Erfahrungen mit diesen von der Rechtsordnung nicht vorgesehenen Einrichtungen sind gut. Zum einen wird die Arbeit des betroffenen Dienstes nicht „lahmgelegt" Zum anderen kann hier eine sachkundige und schnelle Klärung eines problematischen Sachverhaltes erfolgen. Es entfallt zwar das Medienspektakel, das ein Untersuchungsausschuß hervorruft, dafür steht dieses Verfahren allein im Interesse einer Wahrheitsfindung und ist frei von Elementen des politischen Kampfes. Auch innerhalb der Dienste würde eine solche Institution einem Untersuchungsausschuß vorgezogen 38. Wichtig hierbei schien, daß ein Ergebnis schneller als das eines Untersuchungsausschusses zu erreichen wäre. In der Praxis dürfte sich die Kompetenz der PKK, einen solchen Beauftragten ernennen zu dürfen, auch als ein Druckmittel gegen eine nach Auffassung der Mehrheit der PKK unzureichende Information in einem Sonderfall gegenüber den Diensten darstellen. Der Einsetzungsbeschluß würde ein sehr negatives Medienecho gegenüber den Diensten hervorrufen. Die Tatsache einer intensiven Kontrolle durch einen Externen, der umfassend informiert werden müßte, ist darüberhinaus von den Diensten grundsätzlich nicht gewünscht. Ebenso hat dieser einen anderen Aufgabenbereich als der Beauftragte für die Nachrichtendienste im Bundeskanzleramt. 38

Diese Meinung vertraten zwar nicht alle Gesprächspartner, aber doch die überwiegende Zahl.

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Teil Π: Eigene Reformvorschläge

Das praktische Problem dieser Einrichtung liegt in der Auswahl der entsprechenden Person. Sie muß von einem allgemeinen Vertrauen getragen sein, das auch in der Öffentlichkeit besteht, und ein hohes Maß von Fachkompetenz besitzen 39 . Eine Berufung kann in der Öffentlichkeit leicht zu dem Vorwurf der Kungelei führen. Alleine dieses würde den Effekt einer Berufung zunichte machen. Durch die ausgewogene Zusammensetzung der PKK aber dürfte eine „Fehlbesetzung" wohl nicht zu erwarten sein. Ratsam ist es, um eine genügende Einbindung der Opposition zu gewährleisten, für die Einsetzung eine 2 / 3 Mehrheit zu fordern. Eine faktische Auswirkung auf die Tätigkeit des Bundestages wird nicht verkannt. Bei Einsetzung eines solchen Beauftragten wird es für eine interessierte Minderheit sehr schwierig, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen40. Sie käme in der Regel in Argumentationszwang, warum sie den Bericht des Beauftragten, den ihre Vertreter in der PKK gebilligt haben, nun anzweifelt. Dies aber ist eine faktische Einschränkung, eine rechtliche Möglichkeit wäre trotzdem weiterhin gegeben41. Die Einrichtung eines Beauftragten für die Dienste kann nur im Zusammenhang mit der Berichtspflicht der PKK gesehen werden. Den Beauftragten trifft die Pflicht, der PKK umfassend zu berichten. Eine solche kann aber nur dann den gewünschten Effekt haben, wenn die PKK zumindest Teile des Berichtes, u. U. mit einer eigenen Wertung versehen, dem Bundestag als dem eigentlichen Kontrollorgan zur Verfügung stellen kann. Auf diese Weise wäre auch eine Information der Öffentlichkeit zu erreichen. Ein solcher Bericht würde zu einer Klärung in rechtlicher Sicht viel beitragen und einen strittigen Sachverhalt in der öffentlichen Meinung weitgehend klären. Für den Bereich des Bundes ist aufgrund der sehr viel größeren Personalstärke der Dienste daran zu denken, statt eines einzelnen Beauftragten eine aus wenigen Personen bestehende Kommission einzusetzen. 39

Im Zusammenhang mit dem Brandanschlag in Solingen wurde gemutmaßt, daß ein V-Mann des nordrhein-westfalischen Verfassungsschutzes in diesen Fall verwickelt war, dessen Aufgabe schwerpunktmäßig in der Dokumentation der Nationalistischen Front des Meinolf Schönbom lag. Auf Veranlassung des Landtages NRW wurde dieser Sachverhalt von einem unabhängigen Sachverständigen überprüft. Hierzu wurde Staatssekretär a.D. im Bundesministerium des Innern, Hans Neusei, berufen. Die Landesregierung wurde 1994 in NRW durch die SPD gestellt, die im Landtag über die absolute Mehrheit verfugte. Hans Neusei ist Christdemokrat. Siehe hierzu den Verfassungsschutzbericht NRW 1994, S. 240 f. 40 41

Tatsächlich verhinderte der „Neusel-Bericht" einen entsprechenden UA in NRW.

Dies fuhrt erneut zu der Frage, ob durch die PKK die Rechte des Parlamentes tatsächlich unberührt bleiben. Auch hier sei erneut darauf hingewiesen, daß eine rechtliche, nicht aber eine faktische Einschränkung gemeint ist.

Π. Die PKK als zentrales Kontrollorgan

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Differenzierungen innerhalb der Dienste wegen ihrer unterschiedlichen Aufgabenstruktur ist für diese Art der Kontrolle nicht nötig; sie ist für alle Dienste anwendbar. Eine solche Regelung dürfte in der Praxis den Nachrichtenzugang nicht erheblicher gefährden als die Möglichkeit, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen. Die Interessen einer Nachrichtenquelle werden durch die Einsetzung eines Beauftragten weniger gefährdet als durch einen Untersuchungsausschuß, der in der Regel eine größere Öflfentlichkeitswirkung hat. Die Erfahrungen, die in Großbritannien mit der Einrichtung des Commissioners 42 gemacht worden sind, zeigen, daß eine solche Einrichtung nicht zu einer Arbeitsunfähigkeit des Dienstes führt, sondern dieser durchaus in der Lage bleibt, effektiv zu arbeiten. Der Commissioner stellt sogar eine permanente Einrichtung im englischen Kontrollsystem dar. Weitergehende Bedenken aus dem Prinzip der Gewaltenteilung können nicht geltend gemacht werden. Eine Einsetzung eines Beauftragten erfolgt ähnlich wie die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Sie kann nur zulässig sein für abgeschlossene Vorgänge, so daß durch eine mitlaufende Kontrolle es nicht zur Verwischung von notwendigen Verantwortlichkeitsstrukturen kommen kann. Die Einrichtung eines solchen Beauftragten stellt sich auf Bundesebene als sinnvolle Ergänzung im Interesse einer effektiven Kontrolle der Dienste dar. Sie vermag die noch offenen Lücken im Bereich der Untersuchungsausschüsse zu schließen, aber auch die Arbeit der PKK effektiver gestalten.

2. Strukturelle Änderungen der PKK Neben einer Befugniserweiterung der PKK gegenüber den Diensten kann eine effektivere Kontrolle auch durch eine strukturelle Änderungen der PKK selber und im Verhältnis zu den anderen Kontrollinstanzen erreicht werden. Es ist festgestellt worden, daß zwischen den Diensten und der Polizei eine enge Zusammenarbeit besteht, zwischen den Kontrollinstanzen jedoch nicht.

a) Zusammensetzung der PKK Die PKK besteht in ihrer momentanen Zusammensetzung nur aus Abgeordneten. Von der rechtlichen Natur der PKK als parlamentarisches Hilfsorgan ist 42

Siehe dort.

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Teil Π: Eigene Reformvorschläge

eine solche Zusammensetzung nicht zwingend, da in der PKK keine materiellen Entscheidungen getroffen werden. Es wäre denkbar, auch Fachleute oder Richter in die PKK zu berufen 43 . Dies würde allerdings eine Änderung des PKKG in der jetzigen Form erfordern, da dieses die Mitgliedschaft in der PKK an eine Mitgliedschaft in einer Bundestagsfraktion knüpft, § 4 I V 1 PKKG. Eine solch grundlegende Änderung würde die Funktion der PKK einschneidend ändern. In der jetzigen Situation kann die PKK als „Verbindung" der Dienste zum Parlament angesehen werden, in denen in bezug auf laufende Vorgänge eine Abstimmung mit der im Parlament vorherrschenden Tendenz vorgenommen werden kann. Diese Art der mitlaufenden Kontrolle, bei der die Dienste in eigener Verantwortung eine eventuelle Änderung der laufenden Operationen vornehmen können, würde wegfallen. Diese aber birgt einen Vorteil gegenüber einer nur nachfolgenden Fehlerkorrektur. Es können Mißstände behoben werden, bevor sie großen Schaden anrichten. Eine solche Abstimmung würde bei einer Besetzung der PKK mit NichtParlamentariern entfallen. Die Praxis zeigt, daß die Parlamentarier, die als Mitglieder der PKK gewählt werden, nicht mehr den Status besitzen, wie es in der Anfangszeit der PKK der Fall war 4 4 . Je enger die Abgeordneten in den Parlamentsbetrieb eingebunden sind, um so mehr Einfluß haben sie zwar, aber auch um so weniger Zeit. Der Zeitfaktor ist ein zentrales Problem bei der Bewältigung der Kontrollaufgabe der PKK. Eine Übertragung an Parlamentarier, die anderweitig noch wenig eingebunden sind, ist vom Gesichtspunkt der Besonderheit der Kontrolltätigkeit der PKK nicht zu empfehlen 45. Der Zeitmangel ließe sich effektiver durch eigene Mitarbeiter der PKK erreichen, die die Sitzungen bis zu einem gewissen Grad vorbereiten könnten. Daneben ist weiterhin zu beachten, daß die Abgeordneten nicht in allen Fragen die rechtlichen Voraussetzungen und die in der Praxis notwendige Handhabung durch die Dienste in ihren Einzelheiten kennen können. Insofern sind sie auf die Informationen durch die Dienste angewiesen oder auf solche, die sie auf anderem Wege bekommen haben. Die absolute Geheimhaltungsvorschrift 43 Dies würde zu einem ähnlichen Organ führen, wie es das kanadische SIRC darstellt, siehe dort. Die Erfahrungen mit diesem Komitee sind gut. 44

Damals waren die Fraktionsvorsitzenden idR noch Mitglied der PKK. Heute ist das kein Fraktionsvorsitzender mehr. Allerdings sind auch Abgeordnete, die hohe Ämter bekleiden, in die Kommission gewählt worden. 45

„Derfrischgebackene Abgeordnete, der gestern vielleicht noch Grundschullehrer oder Hausfrau war, kann sich nicht von einem auf den anderen Tag zu einem nachrichtendienstlichen Spezialisten entwickeln. Dazu fehlt einfach die Erfahrung im Umgang mit der sicherheitsrelevanten Materie.", so ein Mitarbeiter eines Dienstes.

Π. Die PKK als zentrales Kontrollorgan

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des PKKG verbietet es, zu den Sitzungen andere Personen zu laden. Lediglich als Referenten können weitere Personen vor die PKK treten. Bei den eigentlichen Verhandlungen dürfen auch sie nicht mehr anwesend sein. Im Interesse einer vertrauensvolleren Zusammenarbeit zwischen den Diensten und der PKK wäre zu empfehlen, daß diese die Möglichkeit erhält, bei der Beratung bestimmter Vorgänge in Einzelfällen Experten mit beratender Stimme zuziehen zu können 46 . Diese müßten einer absoluten Geheimhaltungspflicht unterliegen. Sie besäßen das Vertrauen der PKK und könnten eine Darstellung durch die Dienste untermauern oder in Einzelpunkten eine genauere Information verlangen. Die Beiziehung eines gleichsam unabhängigen Experten kann auch in der Öffentlichkeit dazu beitragen, das Vertrauen in die PKK zu erhöhen. Daneben stellt sich die Frage, ob eine Beteiligung von Parlamentariern aus allen im Parlament vertretenen Parteien wünschenswert ist. Es ist vorgebracht worden, dies sei aus dem Gedanken des Minderheitenschutzes unerläßlich. Auch würde sonst der Eindruck erweckt, in der PKK sollten unangenehme Fragen vermieden werden 47 . Rechtlich geboten ist eine solche Erweiterung nicht. Auch aus praktischen Gründen ist sie nicht ratsam. Die Dienste stehen den Vertretern, die nicht den traditionellen Parteien angehören, sehr skeptisch gegenüber. Der Hinweis, es bestünden Geheimhaltungsvorschriften, mag in diesem Zusammenhang nicht überzeugend vorgebracht werden, da es auf die tatsächliche Geheimhaltung ankommt 48 . Die Dienste werden in ihrer Zusammenarbeit mit der PKK um so offener sein, um so größer das Vertrauen ist. Im Rahmen der jetzigen gesetzlichen Regelung steht es dem Parlament frei, wen es an der Kontrolle tatsächlich beteiligt 49 , es kann eine angemessene zeitbezogene Wahl treffen 50 . Eine zwangsweise Beteiligung aller im Parlament vertretener Parteien ist somit auch nicht erforderlich.

46

Diese würden an der Sitzung solange teilnehmen, wie das fragliche Thema Beratungsgegenstand ist. 47

Geiger DVB1. 90, 748, 755.

48

Das Mitglied kann innerhalb der Fraktionssitzungen in einen Konflikt geraten. Hier kann bereits eine Nichtäußerung bereits durch Gegenschluß auf einen bestimmten Sachverhalt hinweisen. 49 In der 13. Legislaturperiode wurde ein Vertreter von Bündnis 90/ DIE GRÜNEN in die PKK gewählt. Ausgeblieben allerdings Stimmen, die in dieser Wahl wesentliche Verbesserung der Kontrolle sahen. Vielmehr ist man auf Seiten der Dienste daraufhin in manchen Punkten mit freiwilliger Unterrichtung zurückhaltender geworden. 50

Auch die Realität zeigt, daß in der 13. Wahlperiode die für die Dienste „unangenehmsten" Fragen nicht unbedingt aus den Reihen des Bündnis 90/ DIE GRÜNEN kamen. Sicherheitsexperten aus den traditionellen Parteien sind aufgrund ihrer größeren Erfahrung eher in der Lage, an bestimmten Punkten vertieft nachzufragen.

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Teil Π: Eigene Reformvorschläge b) Erweiterte

Berichtspflicht

Die PKK ist verpflichtet, dem Bundestag jedes halbe Jahr einen Bericht über ihre Tätigkeit vorzulegen. Dabei ist nur die Nennung grundlegender Bewertungen möglich. Es zeigt sich somit, daß die Arbeit der PKK keiner Rückkoppelung im verfassungsrechtlichen System unterliegt. Es gibt keine Instanz, die die Arbeit der PKK selber kontrollieren kann. Eine gewisse Kontrolle durch den Bundestag ist zwar durch die Berichte gegeben, eine Kontrolle über die tatsächliche Effektivität stellt sie allerdings nicht dar. Dies ist bedingt durch die sicherheitsrechtliche Besonderheit der Materie. Würde die PKK verpflichtet sein, umfassender über ihre Arbeit Bericht abzulegen, würde die Zusammenarbeit mit den Diensten darunter leiden. Die Dienste können sicherheitsrelevante Informationen um so schwerer gegenüber einem parlamentarischen Gremium zurückhalten, um so besser die Geheimhaltung in der Praxis gewährleistet ist. Zum anderen aber würde dies auch rechtlichen Bedenken begegnen. Die Rechte des Bundestages und seiner Ausschüsse bleiben unberührt. Diesem Satz kommt nicht nur deklaratorische Bedeutung zu. Würde die PKK eine umfassende Berichtsmöglichkeit besitzen, würde damit de facto eine absolute Parallelzuständigkeit mit den Organen des Bundestages51 geschaffen. Dann aber wäre nicht mehr zu erklären, worin sich etwa die zur Kontrolle berufenen Ausschüsse und die PKK unterscheiden, außer in ihrer Größe und in ihrer unterschiedlichen Verfahrensweise. Eine erweiterte Berichtspflicht würde die PKK als Kontrollinstanz ebenso leerlaufen lassen, wie es in bezug auf die „normalen" Parlamentsausschüsse der Fall ist. Daneben ist eine engere Einbindung in ein gegenseitiges Kontrollsystem aufgrund der Rechtsnatur der PKK auch verfassungsrechtlich nicht geboten. Die PKK ist kein eigenständiges Organ, das in das allgemeine System der gegenseitigen Kontrolle eingebunden ist. Sie ist allein dem Bundestag gegenüber verantwortlich. Sie bedarf keiner besonderen Kontrolle im gewaltverschränkten System des Grundgesetzes, weil sie aus eigener Kompetenz keinerlei Konsequenzen aus ihrer Tätigkeit ziehen kann. Ihre Befugnisse sind allein in ihrem besonderen Verhältnis zum Bundestag verwurzelt 52 . Dieser mag aus den allgemein gehaltenen Berichten und seinen eigenen weitergehenden Kontrollrechten jeweils entscheiden, ob eine Vertrauensbasis zwischen ihm und den Mitgliedern der PKK noch besteht.

51 Gemeint sind ua. der Innen- und Verteidigungsausschuß und das Vertrauensgremium nach § 10 a BHO. 52

Die Mitglieder müssen sich in ihrer Eigenschaft als Abgeordnete gleichwohl gegenüber dem Volk verantworten.

Π. Die PKK als zentrales Kontrollorgan

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c) Zusammenarbeit mit anderen Kontrollinstanzen Die Dienste können eng zusammenarbeiten, die Kontrollinstanzen können dies nur in einem begrenzten Umfang.

aa) M i t den Parlamentarischen Kontrollkommissionen der Länder Eine gesetzliche Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit den PKK'η der Länder existiert nicht. Zwar kommt ein Erfahrungsaustausch zwischen den P K K ' n des Bundes und der Länder vor 5 3 , eine Zusammenarbeit im Sinne einer effektiven Kontrolle bedeutet das aber nicht. Die Mitglieder einer PKK sind auch gegenüber den Mitgliedern einer anderen PKK zu absoluter Geheimhaltung verpflichtet. Im Hinblick auf die Kontrolle des Verfassungsschutzes könnte eine Zusammenarbeit im Interesse einer effektiveren Kontrolle sinnvoll sein. Dabei muß auch auf die Bedürfnisse der Verfassungsschutzbehörden geachtet werden. Eine Regelung, welche den Nachrichtenzugang erschwert, würde die Funktionsfähigkeit der Behörden ernsthaft stören. Sie könnte daher nicht getroffen werden, da die Verfassung die Errichtung effektiv funktionierender Behörden vorschreibt. Damit ist die Regelung über die Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden vergleichend heranzuziehen. Nach § 5 I BVerfSchG haben die L f V Informationen, die für die Aufgabenerfüllung des BfV oder eines anderen L f V notwendig sind, diesen zu übermitteln. Dieses gilt auch nach § 5 I I I BVerfSchG für das BfV, das die L f V gegebenenfalls unterrichten muß. Nach § 6 BVerfSchG ist zu diesem Zweck eine gemeinsame Datei beim BfV zu unterhalten 54 . Ein Informant muß also damit rechnen, daß seine Information an andere Verfassungsschutzbehörden weitergegeben wird 5 5 . Wird nun eine gesetzliche Grundlage dafür geschaffen, daß auch die P K K ' n in Fragen, bei denen es auf Sachverhalte ankommt, die auch für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland insgesamt oder zumindest über den Bereich eines Landes hinaus von Bedeutung sind, zur Zusammenarbeit verpflichtet sind, so

33

Am 8. 9. 1993 fand ein Erfahrungsaustausch der Vorsitzenden der PKK'n von Bund und Ländern im Reichstag in Berlin statt; BT-Drucksache ΧΠ/8102. 54

Bemerkenswert ist, daß hier eine Regelung getroflFen wurde, die eine verkürzte Speicherung von Daten nicht zuläßt. Es können lediglich die Fundstellen gespeichert werden, weitergehende Informationen nur in eng umgrenzten Ausnahmefallen. 35

Die Zusichenmg, Informationen in Fällen des § 5 BVerfSchG nicht weiterzuleiten, ist wegen der zwingenden Vorschrift und ihres eindeutigen Wortlautes rechtswidrig.

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Teil Π: Eigene Reformvorschläge

stellt dies keine Verschlechterung des Nachrichtenzugangs dar 56 . Hier bleibt zu bedenken, daß die PKK des Bundes über die Kontrolle der Zusammenarbeit des BfV mit den L f V diese mittelbar ebenfalls kontrollieren kann 57 . Weitere Bedenken können sich insofern ergeben, als einige Länder ihre Kontrollkommissionen als Ausschüsse des Landtages ausgestaltet haben, so daß dort u.U. auch extremistische Parteien vertreten sein könnten. Ebenso wie es der Verantwortlichkeit des Bundestages obliegt, welche Abgeordnete in die PKK gewählt werden 58 , dürfte es der Verantwortlichkeit der Mitglieder einer Kontrollkommission obliegen, in diesen Fällen bei einer Zusammenarbeit die erforderliche Rücksicht zu nehmen, die für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Diensten notwendig ist 59 . Eine gesetzliche Regelung über eine entsprechende Zusammenarbeit unterliegt somit keinen praktischen Bedenken. Bedenken ergeben sich vielmehr aus verfassungsrechtlicher Sicht in bezug auf die Gesetzgebungskompetenz im Hinblick auf ein entsprechendes Gesetz. Die Länder haben ihre jeweilige PKK durch das jeweilige Verfassungsschutzgesetz geregelt. Ihre Kompetenz dazu ist aus dem BVerfSchG abgeleitet60. Dieses gilt jedoch nicht für die Einrichtung einer PKK. Diese ist von den Erfordernissen des Verfassungsschutz in bezug auf seine Aufgabenerfüllung unabhängig. Die Länder haben sie aus eigenen Erwägungen heraus normiert. Insofern folgt ihre Gesetzgebungskompetenz aus Art. 30; 70 I GG. Dementsprechend ist die Art der Regelung in den Ländern unterschiedlich. Sie sind entweder als parlamentarische Hilfsorgane ähnlich wie im Bund geschaffen worden oder aber als Ausschuß des Landtages61. Somit besteht ein grundlegender Unterschied zwischen den LfV und den PKK'n. Im Bereich der Zusammenarbeit der Verfassungsschutzbehörden herrscht eine 36

Zumal besonders geheimhaltungsbedürftige Tatsachen unter Berufung auf die Gefahrdung des Nachrichtenzugangs oder überragender Sicherheitsinteressen auch gegenüber der PKK nicht offenbart werden müssen. 37

Die Kontrolle der PKK des Bundes ist im Hinblick auf § 6 BVerfSchG insofern problematisch, als nach § 6 Satz 5 BVerfSchG die datenschutzrechtliche Verantwortung bei der speichernden Stelle verbleibt. Die Kontrollkompetenz der PKK des Bundes endet hier, da die Speicherung nicht mehr in die Kompetenz des BfV fallt. 38

Man hat davon abgesehen, Vertreter der PDS in die PKK zu wählen.

39

Im übrigen ist eine Kontrollkommission auch dann nicht vor einem Vertreter einer extremen politischen Richtung gefeit, wenn diese durch das Plenum gewählt werden. 60

Das ist strittig, soweit die Zusammenarbeit des Bundes mit der Landesbehörde nicht betroffen ist. Siehe ausführlich oben. Für die bei den Ländern verbleibende Kompetenz auch BT-Drucksache XI/4306, S. 60. 61

In beiden Fällen verbietet sich eine bundeseinheitliche Regelung, durch die einem parlamentarischen Hilfsorgan oder, noch eklatanter, einem Landtagsausschuß eine Verpflichtung auferlegt wird.

Π. Die PKK als zentrales Kontrollorgan

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verwaltungsrechtliche Besonderheit. Bund und Länder arbeiten hier gleichgeordnet nebeneinander, hierarchische Strukturen sind nicht ersichtlich 62 . Insofern war es möglich, eine bestimmte Zusammenarbeitsverpflichtung durch Bundesgesetz zu schaffen. Eine ähnliche Zusammenarbeitsverpflichtung kann der Bund für den Bereich der P K K ' n nicht schaffen. Dies scheitert daran, daß hiermit ein tiefer Eingriff in die Eigenstaatlichkeit der Länder nach Art. 30 GG erfolgen würde. Vom Auftrag und ihrer Rechtsnatur sind die Kontrollorgane einer solchen Regelung nicht zugänglich. Verfassungsrechtlich unbedenklich wäre eine solche Regelung nur dann, wenn der jeweilige Träger der Kontrollinstanz eine solche Regelung selber erlassen würde 63 . Für den Bund würde sich eine Regelung anbieten, mit der er die Verschwiegenheitsverpflichtung der Mitglieder der Bundes-PKK gegenüber den Landes-PKK'n der Länder aufheben würde, die eine entsprechende Regelung gegenüber dem Bund getroffen haben. Diese müßten in einer Anlage zum PKKG aufgeführt werden, da es nicht möglich ist, den Inhalt einer bundesgesetzlichen Regelung von einer Gesetzgebungsaktivität der Länder abhängig zu machen. Durch eine entsprechende Regelung würde der Bund die Zusammenarbeit so weit ermöglichen, wie es kompentenziell möglich ist.

bb) Mit den Kontrollinstanzen nach dem G10 Nach der Gesetzeslage ist die Kontrolle einer Einschränkung nach dem G10 allein den Kontrollgremien dieses Gesetzes vorbehalten. § 1 I I I PKKG nimmt diese Vorgänge explizit von einer Kontrolle durch die PKK aus. In der Praxis werden gleichwohl Fragen der Dienste, die sich auf eine Maßnahme des G10 beziehen, beantwortet. Eine Berichtspflicht gegenüber der PKK existiert nicht. Eine Zusammenarbeit der Kontrollinstanzen nach dem G10 mit der PKK findet nicht statt.

62

Dazu ausführlich Gröpl, S. 130 ff, mit besonderem Augenmerk auf §§ 5; 7 BVerfSchG. Siehe auch dort zu weiteren Nachweisen über das Verhältnis zwischen BfV und LfV. Er weist darauf hin, daß diese Art der Verwaltung als „Koordinierungsverwaltung" verstanden werden kann. 63 Diese müßten zweckmäßigerweise gleichlautend sein. Für den Bund empfiehlt sich eine Regelung, nach der der Grad einer Zusammenarbeit der jeweiligen landesgesetzlichen Regelung angepaßt wird. Ein Vorbehalt zugunsten übergeordneter Interessen des Bundes wäre möglich.

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Teil Π: Eigene Reformvorschläge

Hierdurch erfolgt eine Einschränkung der Kontrollmöglichkeiten der PKK, die nur historisch damit zu erklären ist, daß das GIO das ältere Gesetz ist. Es darf vermutet werden, daß sonst eine solche Einschränkung der Kontrollmöglichkeit bei Schaffung des PKKG nicht vorgenommen worden wäre. Immerhin muß die PKK bei Maßnahmen, die in ihrer Art und Schwere einer Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis gleichkommen nach § 9 I I I Nr. 2 BVerfSchG, auf den auch im M A D G und BNDG verwiesen wird, über die laufende Operation unterrichtet werden. Diese Information über diese Maßnahmen ist für die Kontrolle eines Dienstes von Bedeutung, weil von der Handhabung der Post- und Fernmeldekontrolle auf eine bestimmte Mentalität dieses Dienstes geschlossen werden kann. Zu differenzieren ist allerdings nach der Art der Kontrollinstanzen des GIO. Die Aufgaben der Kommission können nicht auf die PKK übertragen werden. Dies folgt zum einen aus dem tatsächlichen Arbeitsaufwand. Zum anderen würde das mit dem Prinzip der Gewaltenteilung nicht vereinbar sein 64 . Die Zuordnung der G10-Kommission zu einer Gewalt ist indes nicht möglich, da ihr Kompetenzen aus allen Gewalten zugeordnet sind. Nach § 9 II, I I I GIO kann die Kommission dem zuständigen Minister Weisungen erteilen. Einem parlamentarischen Hilfsorgan könnte eine solche Kompetenz aber nicht eingeräumt werden, da ein Parlament selbst eine solche Kompetenz nicht besitzt. Daneben würde eine Verwischung der Verantwortungsstrukturen eintreten. Der zuständige Minister bleibt für eine Maßnahme politisch verantwortlich. Würde ein parlamentarisches Hilfsorgan an einer entsprechenden Entscheidung mitwirken, wäre eine solche Verantwortung nicht mehr gegeben. Anderes ergibt sich aber bei dem G10-Gremium. Es dient der politischen Kontrolle der Beschränkungsmaßnahmen, hat somit eine vergleichbare Aufgabe. Abweichend von der bundesgesetzlichen Regelung werden seine Aufgaben in einigen Ländern auch durch die entsprechende PKK vorgenommen 65 . Bedenken rechtlicher oder praktischer Natur gegen eine Zusammenlegung oder zumindest einer Berichtspflicht an die PKK bestehen nicht 66 . Die Erweiterung der Kontrollkompetenzen der PKK würde somit zu einer dichteren Kontrolle führen. Bei einer solchen sind aber datenschutzrechtlichen Belangen Achtung zu verschaffen. Es genügt, wenn der PKK die Zahl der abgelehnten Anträge an die G10-Kommission bekannt gegeben werden. Nähere 64

Siehe zur Rechtsnatur der G10-Kommission ausführlich dort.

65

So etwa in Berlin, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Sachsen-Anhalt. In Bayern besteht eine Berichtspflicht der G10-Kommission gegenüber der PKK. 66

Beides setzt die Erweiterung der Kontrollkompetenz der PKK voraus. Für eine Zusammenlegung spricht die Vermeidung einer parallelen Zuständigkeit, für eine Berichtspflicht, daß sich die Kontrollen bewährt haben.

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Informationen sind im Hinblick auf das Recht der informationellen Selbstbestimmung bedenklich 67 . Hat die G10-Kommission festgestellt, daß die Voraussetzungen einer Einschränkung nicht gegeben sind, so reicht für den Kontrollauftrag die Weitergabe in anonymisierter Form aus 68 . Nicht nötig ist, daß weitere Instanzen staatlicher Kontrolle diesen Vorgang begutachten. Die PKK ist als Institut einer nachfolgenden Kontrolle geschaffen worden. Die Unterrichtung auch über laufende Vorgänge ist möglich und wird auch tatsächlich betrieben. Eine Unterrichtung der PKK über laufende Beschränkungsmaßnahmen nach dem G10 ist jedoch nicht möglich. Bei abweichenden Voten von PKK und G10-Kommission über die Notwendigkeit einer Maßnahme würde der zuständige Minister im Zweifel dem Votum der PKK folgen, was zu einer faktischen Verlagerung der Kompetenzen von der Kommission auf die PKK führen würde. Diese aber wäre nicht zulässig 69 . Einer nachfolgenden Kontrolle abgeschlossener Maßnahmen stehen keine Hindernisse entgegen.

cc) Mit dem Bundesbeauftragten für Datenschutz Eine besonders gesetzlich normierte Zusammenarbeit zwischen der PKK und dem BfD besteht nicht 70 . Dem BfD steht es frei, sich jederzeit an den Deutschen Bundestag zu wenden, § 26 I I 3 BDSG. Somit kann er sich nur über den Bundestag an die Mitglieder der PKK wenden 71 . Hierbei unterliegt er der Geheimhaltungsverpflichtung des § 23 V BDSG.

67

Zum Grundsatz der informationellen Gewaltenteilung und den sich daraus ergebenden Konsequenzen Tinnefeld/Tubies, S. 13. 68

Dies bedeutet nicht, daß notwendigerweise auch der Sachverhalt gegenüber der PKK geheimgehalten werden muß. So kann man an die Schwärzung des Namens denken, alle anderen Tatsachen gleichwohl offenbaren. Die Geheimhaltung des Namens kann auch nicht in allen Fällen unbedingt eingehalten werden. So etwa dann nicht, wenn es zur Bewertung des Verhaltens eines Dienstes darauf ankommt, ob gegen eine bestimmte Person eine Maßnahme eingeleitet wurde oder nicht. So endet die Verantwortlichkeit eines Ministers etwa dann, wenn sich die beantragte Maßnahme im Nachhinein als notwendig erwiesen hat, aber am Votum der G10-Kommission immer wieder gescheitert ist. 69

Siehe die eingangs geäußerten Bedenken.

70

Die G10-Kommission hingegen kann sich gem. § 3 IX Gl0 in bestimmten Fällen an den BfD wenden. 71

Der BfD muß sich an den Bundestag im ganzen wenden, nicht nur an einzelne Abgeordnete. 20 Hirsch

300

Teil Π: Eigene Reformvorschläge

Auch umgekehrt können der Bundestag oder bestimmte, abschließend aufgezählte Organe sich in amtlicher Angelegenheit an den BfD wenden. Hierzu zählt die PKK nicht. Das Recht, sich an den BfD zu wenden, steht nur dem Bundestag als ganzem zu, nicht dem einzelnen Abgeordneten 72. Die Mitglieder der PKK sind auch dem BfD zur absoluten Geheimhaltung gegenüber verpflichtet. Es ist kein Grund zu sehen, der eine Zusammenarbeit der PKK mit dem BfD unter Berücksichtigung des jeweiligen Aufgabenfeldes ausschließt. Eine solche würde im Gegenteil die PKK in ihrer Kontrollaufgabe entlasten, da sie sich im Bereich des Datenschutzes insofern auf den BfD stützen könnte. Dieses gilt im Hinblick auf § 3 I X GIO um so mehr. Daneben würde die fakultative Möglichkeit der Zuziehung eines Datenschutzexperten zu einer breiteren Vertrauensbasis in der Zusammenarbeit mit den Diensten führen. Zu überlegen wäre ein Teilnahmerecht des BfD an den Sitzungen der PKK. Ein solches kann ihm uneingeschränkt nicht zugestanden werden, da ihm gegenüber weitergehende Geheimhaltungsmöglichkeiten seitens der Exekutive bestehen als gegenüber der PKK. Diese würden durch eine Teilnahme unterlaufen werden können. Gleichwohl wäre ein Recht des BfD auf Teilnahme an den Sitzungen denkbar, das durch Votum der Bundesregierung mit Zustimmung der PKK eingeschränkt werden könnte. Dabei bliebe die Entscheidung, ob der BfD bei den Sitzungen teilnehmen könnte, im Ergebnis bei der PKK. Die genannten Ansätze unterscheiden sich darin, ob dem BfD ein entsprechend eigenes Recht eingeräumt werden soll. In der Praxis wäre die Zuziehung bzw. der Ausschluß die Ausnahme. Gibt man dem BfD ein entsprechendes Recht, so wäre zu erwarten, daß er in der Regel an den Sitzungen teilnimmt. Gewährt man es ihm nicht, so wäre die Teilnahme eher die Ausnahme. Diese Prognose hängt mit den Mehrheitsverhältnissen in der PKK zusammen. Obwohl keine derartige Verpflichtung besteht, werden die Mitglieder proportional zur Stärke ihrer Fraktion gewählt. Die Regierungskoalition wird immer eine enstprechende Mehrheit haben. Wird der BfD für einen Sonderfall hinzugezogen, so erweckt dies in der Öffentlichkeit den Anschein eines gewissen Mißtrauens der PKK gegenüber der Information durch die Bundesregierung. Einen solchen Eindruck aber wird im Zweifel nicht im Interesse der Regierungskoalition liegen, sofern es für ein solches Mißtrauen keinen begründeten Anlaß gibt. Dem BfD ein Teilnahmerecht zuzugestehen, wäre ein Schritt in eine engere Kontrolle.

72

§ 21 BDSG hilft hier insofern nicht weiter, als eine eigene Rechtsverletzung geltend gemacht werden muß.

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dd) M i t den Kontrollen bezüglich einer Wirtschaftlichkeitskontrolle Seit der Neufassung des PKKG 1992 fallen die Wirtschaftspläne der Dienste in die Kontrollkompetenz der PKK. Ihr steht ein Mitberatungsrecht zu. Dieses übt sie aus, indem sie dem Vertrauensgremium nach § 10 a BHO eine Stellungnahme zu den Wirtschaftsplänen überweist. Neben der Informationsmöglichkeit über den Vollzug der Wirtschaftspläne steht der PKK keine Möglichkeit der Zusammenarbeit mit den anderen Kontrollinstanzen zu. Der Anspruchsgegner für eine Information ist die Bundesregierung und nicht etwa der Rechnungshof. Nach § 97 I V BHO werden Bemerkungen des Rechnungshofes über geheimzuhaltende Angelegenheiten unter anderem dem Präsidenten des Bundestages mitgeteilt. Diese Berichte stehen der PKK somit nicht zur Verfugung. Eine Unterrichtung des Parlamentes und seiner Hilfsorgane unterbleibt, weil zur Wahrung der Rechte des Parlamentes eine Unterrichtung der genannten Stellen ausreichend ist 73 . Sie entspringt übergeordneten staatlichen Interessen. Ein solcher Bericht könnte auch an die PKK erstattet werden, da die staatlichen Interessen des Geheimschutzes dadurch nicht verletzt werden. Nach der jetzigen Rechtslage kann die PKK diese Berichte grundsätzlich nur über die Bundesregierung erhalten. Etwas anderes ergibt sich auch nicht in der Praxis aus der Zusammensetzung der PKK in der 13. Wahlperiode. Hier bekleidete ein Mitglied der PKK zugleich das Amt eines Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages. Die Berichterstattung des Bundesrechnungshofes erfolgte gleichwohl nur an die Präsidentin des Deutschen Bundestages74. Dem Vizepräsidenten waren diese Pläne nicht zugänglich 75 . Eine engere Kontrolle ergab sich hiermit auch in der Praxis 73

Tiemann, S. 124 mwN.

74

§ 10 BHO stellt für den Bereich der geheimen Dienste keine Spezialregelung gegenüber § 97 IV BHO dar. Vom Wortlaut her kommt zwar eine Verdrängung des § 97 BHO in Betracht, wenn durch § 10 BHO eine abschließende Regelung darüber getroffen werden sollte, welchen Organen gegenüber im Bereich der geheimen Dienste eine Berichtspflicht bestehen sollte. Durch § 10 m BHO, der explizit § 97 IV BHO unberührt läßt, ist jedoch de lege lata festgelegt, daß eine Berichtspflicht auch gegenüber den dort genannten Stellen besteht. 75

Ob diese Pläne wenigstens dem Stellvertreter bekannt gemacht worden sind, ließ sich nicht ermitteln. Es ist aber mit guten Gründen davon auszugehen, daß dies nicht der Fall war. Nach § 7 VI GeschOBT vertritt den Bundestagspräsidenten im Falle seiner Verhinderung einer seiner Stellvertreter aus der zweitstärksten Fraktion. Ungeklärt ist, was geschieht, wenn deqenige Vizepräsident, der durch die zweitstärkste Fraktion gestellt wird, verhindert ist; siehe Trossmann, § 7 Rn. 44 S. 60 f. Hier müssen, da etwa § 7 ΠΙ GeschOBT generell von den Stellvertretern spricht, auch die anderen Vizepräsidenten nachrücken. In der Parlamentspraxis sind alle Vizepräsidenten gleichberechtigt. Da aber §§ 5 ff GeschOBT zwischen dem Präsident, den Stellvertretern und dem Präsidium unterscheidet, dürfte eine Information ausschließlich an den Präsidenten des

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Teil Π: Eigene Reformvorschläge

nicht. Die weitere Selbstinformation der PKK über die Haushaltspläne der Dienste ist neben den normierten Informationsrechten nicht möglich, da sie nicht veröffentlicht werden 76 . Auch hier bietet sich die Zusammenarbeit mit dem B W V an. Dieser würde nicht nur die PKK entlasten, sondern gerade im sensiblen Bereich der Wirtschaftspläne zu einer breiteren Vertrauensbasis zwischen PKK und den Diensten führen 77 . Damit würde, da B W V und Präsident des Bundesrechnungshofes personenidentisch sind, gleichzeitig auch eine Basis für eine mittelbare Zusammenarbeit mit dem Bundesrechnungshof geschaffen. Die Basis einer solchen Zusammenarbeit könnte durch den Bundestag selber geschaffen werden. Nach Nr. 2. der Richtlinie über die Aufgaben und die Tätigkeit des B W V 7 8 kann der Bundestag den B W V um ein Gutachten ersuchen. Ein solches Ersuchen ist im Bereich der Dienste für den Bundestag nicht möglich, da aufgrund spezialgesetzlicher Vorschriften der Bundestag selber nur eingeschränkte Rechte hat. Überträgt der Bundestag nun sein Recht auf eines seiner Organe oder ein Hilfsorgan, das hier weitergehende Rechte hat, so muß ein Ersuchen des B W V möglich werden. Das hierbei entstehende Paradoxon, daß durch eine Subdelegation von Rechten einem Teil oder sogar einem beauftragten Hilfsorgan mehr Rechte zustehen als dem Hauptorgan, macht eine solche Ermächtigung nicht in sich widersinnig. Sie folgt vielmehr aus der Tatsache, daß eben diesem Teil bzw. Hilfsorgan von Gesetzes wegen mehr Rechte eingeräumt sind als dem Bundestag selber. Dogmatisch gesehen ist es so, daß dem Bundestag das Recht zusteht, den B W V um ein Gutachten zu ersuchen, er es auf dem Gebiet der Dienste nur nicht ausüben kann. Eine solche Ermächtigung ist somit an das Vertrauensgremium und an die PKK zulässig. Bei der PKK stellt sich die Frage, ob sie als „andere Stelle" im Sinne der Nr. 3 Satz 3 der Richtlinie 1986 anzusehen ist. Sie ist kein Teil des Bundestages, sondern ein parlamentarisches Hilfsorgan sui generis. Damit gehört sie nicht zu den in Nr. 3 Satz 1 der Richtlinie 1986 genannten Institutionen. Folge wäre, daß ein Gutachten vom Einvernehmen des zuständigen Bundesminister abhängig wäre. Damit würden die im PKKG bzw. in der in diesem Zusammenhang abgegebenen Erklärung der Bundesregierung normierten Geheimhai-

Bundestages, nicht aber an das Präsidium als ganzem bzw. an die Vizepräsidenten, zulässig sein. 76

Nach § 16 Π 3 BVerfSchG sind das BfV und der MAD verpflichtet, die Bundeszuschüsse zum Haushalt und die Gesamtzahl ihrer Bediensteten in ihren jeweiligen Bericht aufzunehmen. Eine solche Pflicht trifft den BND in keiner Weise. 77 78

Hier sei auf die parallele Situation des BfD verwiesen.

Enthalten im Kabinettsbeschluß vom 8. 1. 1952 betreffend Einsetzung eines BWV, Bundesanzeiger Nr. 128 vom 5. 7. 1952, S. 1.

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tungsgründe auch hier eingreifen können 79 . Hier aber ist die besondere Stellung der PKK im Verhältnis zum Bundestag zu berücksichtigen. Sie ist ein parlamentarisches Hilfsgremium, das der Bundestag zur Unterstützung seiner Aufgabenerfüllung geschaffen hat. Es würde ein in sich widersinniges Ergebnis darstellen, müßte das Einvernehmen des jeweiligen Bundesministers hergestellt werden, wenn die PKK ein Gutachten direkt anfordert. Wenn allerdings der Bundestag es für die PKK anforderte, wäre ein solches nicht nötig. Die PKK ist somit aufgrund ihrer parlamentarischen Natur nicht als „andere Stelle" anzusehen. Einer solchen Ermächtigung stehen auch keine praktischen Bedenken gegenüber. Die Unterrichtung der PKK über die Wirtschaftspläne ist von der Intention des Gesetzes eine umfassende, da sonst eine effektive Mitberatung der Pläne nicht möglich ist. Ebenso mag es dahinstehen, ob die Unterrichtung über den Vollzug durch die Bundesregierung selber oder einen von ihr Beauftragten erfolgt. Die Weisungsfreiheit dieses Beauftragten kann die Glaubwürdigkeit und damit die Effektivität dieser Kontrolle erhöhen. Die Übertragung der Rechte des Vertrauensgremiums insgesamt auf die PKK ist weder aus rechtlichen noch aus tatsächlichen Gründen möglich. Das Vertrauensgremium ist als Organ des Bundestags dazu berufen, dessen Budgetrecht auch im Bereich der Dienste zu wahren, weil eine Behandlung der gesamten Wirtschaftspläne aus überwiegenden Staatsinteressen im gesamten Haushaltsausschuß nicht möglich ist. Diese Aufgabe aber kann nicht auf ein Gremium übertragen werden, das kein Teil des Bundestages ist. Zwar steht keiner im Bundestag vertretenen Gruppierung ein Anspruch auf einen Sitz im Vertrauensgremium zu 8 0 , gleichwohl besteht der strukturelle Unterschied zur PKK darin, daß das Vertrauensgremium anstelle eines anderen Bundestagsorgans zuständig ist, nicht aber parallel. Daneben sprechen auch tatsächliche Gründe gegen eine Übertragung. In das Vertrauensgremium können finanzpolitische Experten gewählt werden, die über entsprechendes Fachwissen verfügen. Dies bietet sich an, da das Vertrauensgremium diesen Aspekt zu kontrollieren hat. Die PKK, der eine sehr viel umfassendere Kontrollftinktion zukommt, wäre zweckmäßigerweise mit rechtsund sicherheitspolitischen Experten zu besetzen. Mangelnde Fachkunde der Kontrolleure senkt die Effektivität einer Kontrolle. Wenn eine gesamte Übertragung der Rechte abgelehnt wird, so stellt sich die Frage, ob der PKK nicht ein bindendes Mitspracherecht bei der Mittelvertei79 Das PKKG wirkt ebenso wie die BHO bzw. das BRHG auf die Richtlinie ein. Durch die Erklärung ist die Bundesregierung unmittelbar gegenüber der PKK gebunden. Sie wirkt sich somit auf alle Rechtsbeziehungen zwischen der Bundesregierung und der PKK aus, auch wenn sie nicht auf dem PKKG beruhen. 80

BVerfGE NJW 86, 907 ff.

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lung eingeräumt werden sollte. Das Budgetrecht des Bundestages bleibt insofern gewahrt, als die Kompetenz über das Gesamtvolumen bei den jetzt zuständigen Organen verbleiben würde. In der Praxis würde eine Instanz geschaffen, die der Verwendung von Mitteln zu bestimmten Zwecken zustimmen müßte. Ein ähnliches Verfahren besteht in den USA, wo die Erfahrungen der Dienste mit dieser Art der Mittelverteilung nicht gut sind, da bestimmte den Diensten zustehende Mittel nicht konkret genutzt werden können. Könnte die PKK Mittel für einen bestimmten Vorgang streichen oder untersagen, könnte sie praktisch eine tiefgreifende Kontrolle ausüben. Wenn für eine bestimmte Aktivität keine finanziellen Mittel zur Verfügung stehen, müssen sie unterbleiben. Über diese Zuteilung könnte sich die Kontrolle durch die PKK zu einer umfassenden Kontrolle im Sinne einer Aufsicht auswachsen. Genau dies aber wird dem Zweck der PKK nicht gerecht. Somit ist eine möglichst enge Mitberatung der PKK an den Wirtschaftsplänen der Dienste zu befürworten, nicht aber eine Entscheidungskompetenz in diesem Bereich.

ee) Mit Untersuchungsausschüssen Die Rechte des Bundestages und seiner Ausschüsse werden durch die PKK nicht berührt, § 1 I I PKKG. Durch diese gesetzliche Regelung ist klargestellt, daß die allgemeinen Kontrollrechte des Bundestages durch das PKKG de lege lata nicht eingeschränkt werden. Da es sich bei der PKK um ein parlamentarisches Hilfsorgan sui generis handelt, ist dieses notwendig. Die verfassungsmäßig garantierten Rechte des Bundestages und seiner Ausschüsse können durch ein einfachgesetzlich geschaffenes Organ nicht eingeschränkt werden. Zwar war man sich bei Schaffimg der PKK einig, daß die Kontrolle schwerpunktmäßig durch die PKK ausgeübt werden soll, gleichzeitig sollte ihr kein „Monopolanspruch auf Ausübung parlamentarischer Kontrolle" 8 1 zukommen. Daraus folgt, daß es eine Parallelzuständigkeit von PKK und Untersuchungsausschuß geben muß. Diese dient in gewisser Weise auch der Einbindung der PKK in das System parlamentarischer Kontrolle. Wenn die auf das Vertrauen des Bundestages angewiesenen Mitglieder fürchten müssen, daß ihre Tätigkeit auch in einem Untersuchungsausschuß behandelt wird, so werden sie eine intensivere Kontrolle vornehmen, als wenn ihr Verhalten in der PKK nicht in das Parlament gelangen kann 82 . 81 82

BT-Drucksache VHI/1599, S. 6.

Die Mitglieder der PKK sind aufgrund ihres Standings in die PKK gewählt worden. Gegenüber den Fraktionen und dem Plenum bürgen sie mit ihrem Namen für die von ihnen ausgeübte Kontrolle.

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Genausowenig wie die Rechte des Bundestages durch die PKK eingeschränkt werden können, dürfen sie durch die PKK erweitert werden. Die Regelung des § 1 I I PKKG wirkt in zwei Richtungen. Eine solche Erweiterung wird im Verhältnis der PKK zu den Untersuchungsausschüssen deutlich. Es stellt sich die Frage, ob ein Untersuchungsausschuß berechtigt ist, die Sitzungsprotokolle der PKK einzusehen. Im Vergleich der Informationsrechte der PKK und eines Untersuchungsausschusses wird deutlich, daß die PKK in der Praxis weitergehende Informationsrechte als ein Untersuchungsausschuß hat. Durch die Erklärung der Bundesregierung gegenüber der PKK, zuletzt vom 8. 2. 1995, ist eine Erlaubnis der Bundesregierung gegenüber Beamten vor der PKK auszusagen nicht nötig. Vor einem Untersuchungsausschuß bedarf ein Beamter gleichwohl der Genehmigung. Auch wenn durch das „Flick-Urteil" 8 3 des Bundesverfassungsgerichtes klargestellt wurde, daß eine Berufimg auf Sicherheitsinteressen nur noch sehr eingeschränkt möglich ist, so ist eine Geheimhaltung gegenüber einem Untersuchungsausschuß eher möglich, als gegenüber der PKK. Zeugnisverweigerungsrechte können gegenüber einem Untersuchungsausschuß geltend gemacht werden, gegenüber der PKK nicht 84 . Neben der rechtlichen Lage ist zusätzlich auch auf die tatsächliche abzustellen. Die Dienste werden sich gegenüber einem Untersuchungsausschuß eher auf Geheimhaltungsvorschriften berufen, als sie es gegenüber der PKK tun. Diese Vorschriften würden jedoch unterlaufen, wenn ein Untersuchungsausschuß die Sitzungsunterlagen der PKK einsehen und verwerten dürfte. Dies würde tatsächlich zu einer Erweiterung der Rechte der Untersuchungsausschüsse führen. Der Einwand, die Grenzen des Untersuchungsrechtes können sich nur aus der Verfassungs selber ergeben, nicht jedoch aus einfachem Gesetzesrecht 85, geht im Verhältnis zur PKK fehl. Die Beschränkung des Untersuchungsausschusses, von der PKK keine Sitzungsprotokolle einfordern zu können, ergibt sich auch aus der Verfassung. Ein Vorgang, der die Beweiserhebungsmöglichkeiten eines Untersuchungsausschusses über die in Art. 44 GG festgelegten Kompetenzen erweitert, ist nicht zulässig. Wenn der Bundestag beschließt, ein Hilfsorgan mit weitreichenderen Kompetenzen, als sie ein Untersuchungsausschuß hat, durch einfaches Gesetz einzurichten, so können durch dieses nicht die Kompetenzen eines Verfassungsorganes erweitert werden. Durch § 1 I I PKKG werden die Rechte eines Untersuchungsausschusses nicht beschnitten, 83

BVerfGE 67, 100.

84

Sie sind auch nicht nötig, da wegen der umfassenden Geheimhaltungsverpflichtung keine Informationen, die in einem staatlichen Verfahren verwertbar wären, nach außen gelangen können. 83

Damkowski, S. 32 mwN. Dies ist eine grundsätzliche Stellungnahme dar und bezieht sich nicht speziell auf das Verhältnis UA zur PKK.

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sondern hier wird klargestellt, daß sie nicht erweitert werden. Auch aus dem Gedanken der Einheit der Staatsverwaltung oder des Parlamentes läßt sich kein solches Recht ableiten. In diesem Bereich gibt es Schranken, die verdeutlichen, daß es keinen unbeschränkten Informationsfluß innerhalb eines Verfassungsorganes gibt 8 6 . Dies wird auch durch die Staatspraxis, soweit sie sich anhand eines Falles entwickeln kann, bestätigt. Der Abg. Such, Bündnis 90/DIE GRÜNEN, ist sowohl Mitglied des Untersuchungsausschusses zur Klärung der „PlutoniumAffare" als auch Mitglied der PKK. Um Überschneidungen zu vermeiden, nimmt er nicht an den Beratungen der PKK teil, die sich mit dem Gegenstand des Untersuchungsausschusses beschäftigen. Da den Untersuchungsausschüssen eine größere Öffentlichkeitswirkung zukommt, werden die Dienste in ihrer Informierung der PKK zurückhaltender, wenn sie befürchten müssen, daß die der PKK gegebenen Informationen rückhaltlos in ein Verfahren eines Untersuchungsausschusses eingebracht werden 87 . Die strikte Trennung zwischen PKK und Untersuchungsausschuß ist somit im Interesse einer effektiveren Arbeitsweise geboten.

ff) Mit dem Petitionsausschuß Eine besondere Zusammenarbeit mit dem Petitionsausschuß des Bundestages ist nicht vorgesehen. Nach der Erklärung der Bundesregierung 88 können sich Angehörige der Dienste mit Hinweisen zur Verbesserung der Aufgabenerfüllung der Dienste an die Kommission wenden, ohne daß sie dienstrechtliche Nachteile zu befürchten hätten. Der Bürger hat das Art. 17 GG verfassungsrechtlich verankerte Recht, sich mit Petitionen an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden. Prinzipiell zuständig für eine Bürgerbeschwerde ist der Petitionsausschuß. Es ist dem Bürger allerdings nicht verwehrt, sich direkt an einen Abgeordneten zu wenden. Ob eine Eingabe an die PKK als solche zulässig ist, erscheint zweifelhaft, da es sich bei ihr nicht um einen Teil der Volksvertretung handelt. Ob eine zuständige Stelle im Sinne des Art. 17 GG mit einer Aufgabe, 86

So kann sich etwa nicht jeder Abgeordnete über den Inhalt einer Sitzung des Vetrauensgremiums nach § 10 a BHO informieren. 87 88

Siehe dazu ausführlich oben.

Durch Staatsminister Bernd Schmidbauer vom 12. 3. 1992, 12. Wahlperiode, Stenographischer Bericht des Deutschen Bundestages der 82. Sitzung; erneuert in der ersten Sitzung der PKK in der 13. Wahlperiode am 8. 2. 1995.

Π. Die PKK als zentrales Kontrollorgan

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die in einem direktem Zusammenhang mit den Bürgern steht, betraut sein muß, mag dabei im Ergebnis dahinstehen. Über die Mitglieder der PKK in ihrer Funktion als Abgeordnete steht es jedem Bürger frei, Sachverhalte zur Kenntnis der PKK zu bringen. Besondere Ermächtigungen oder Regelungen der Zusammenarbeit des Petitionsausschusses mit der PKK sind somit nicht notwendig. Auch im Interesse eines Schutzes vor Überlastung ist eine gesetzliche Regelung nicht notwendig, da insoweit Bürgeranfiragen von der PKK bzw. ihren Mitgliedern an den Petitionsausschuß zur Bescheidung weitergegeben werden können.

3. Das Arbeitsfeld der PKK Die PKK selber besitzt keine Mitarbeiter, die ihr speziell zugeteilt sind. Im Gegensatz dazu zeigt sich im amerikanischen Kongreß, wo den einzelnen Mitgliedern ein großer Mitarbeiterstab zur Verfügung steht, daß hierdurch eine effektivere Arbeitserledigung möglich ist. In der Realität verlagert sich ein großer Teil der Initiativen und des Arbeitsanfalles somit auf die Exekutive mit ihren großen Beamtenapparaten. Die Zuteilung eines Hilfsstabes an die PKK kann dazu beitragen, die Sitzungen effektiver vorzubereiten. Dem Zeitproblem mag dadurch begegnet werden. Auch hierin könnten nachrichtendienstliche Experten arbeiten 89 . Zum einen würden durch persönliche Erfahrungen eine bessere Beurteilung nachrichtendienstlicher Vorgänge möglich. Zum anderen würde dies zum Abbau der sog. „Geheimdienstmentalität" beitragen. Daneben wäre im Interesse einer engeren Kontrolle zu überlegen, ob es den Mitgliedern der PKK zu ermöglichen wäre, persönliche Referenten mit den Vorgängen in der PKK zu beschäftigen. Diese besitzen das persönliche Vertrauen des jeweiligen Mitgliedes, können die anstehenden Sitzungen vorbereiten und so helfen, das Zeitproblem einzudämmen. Den Referenten müßte dann auch die Teilnahme an den Sitzungen der PKK ermöglicht werden. Dementsprechend wäre eine Sicherheitsüberprüfung der Referenten unerläßlich. Jeder, der mit dem Arbeitsfeld der PKK in Berührung kommt und so auch Einsicht in sicherheitsempfindliche Bereiche erlangt, muß, sofern er nicht Beamter ist, für den öffentlichen Dienst einer speziellen Geheimhaltungspflicht unterworfen werden. Damit unterlägen diese Personen der Strafbarkeit aus

89

Zum Mitarbeiterstab des Landesbeauftragten für Datenschutz in NRW gehören auch ehemalige Mitarbeiter des Verfassungsschutz in NRW. Damit wurden gute Erfahrungen gemacht. Vorgänge konnten sachnäher beurteilt werden.

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Teil Π: Eigene Reformvorschläge

§ 353 b I StGB 90 . Je größer der Kreis der Teilnehmer an diesen Sitzungen ist, um so eher wird in der Praxis die Strafandrohung des § 353 b StGB leerlaufen 91 .

4. Ergebnis Die sich zeigenden strukturellen Schwächen der PKK können in einer Neufassung des PKKG überwunden werden. Es würden Möglichkeiten geschaffen, die Vertrauensbasis zwischen den Diensten und der PKK zu verbessern. Wichtig ist, eine Zusammenarbeit der verschiedenen Kontrollinstanzen zu schaffen. Eine nicht durch Gesetze regelbare Materie ist das Vertrauensverhältnis zwischen der Bundesregierung und der PKK. Stärker als jede gesetzliche Regelung kann ein solches Vetrauensverhältnis zu einer effektiven Kontrolle führen. In der Realität ist die Kontrolle abhängig von dem Willen der Beteiligten, in dieser Richtung zusammenzuarbeiten. Wenn ein solches Vertrauensverhältnis zwischen den Beteiligten besteht, kann jede gesetzliche Regelung erst effektiv sein. Dazu muß zwischen den Beteiligten aber geklärt sein, wer wen kontrolliert. Wenn die Dienste das Gefühl haben, die Informationen, die die PKK erhält, werden nicht mit der notwendigen Vertraulichkeit behandelt, werden sie sich einer Kontrolle durch die PKK versagen. Wenn die Fraktionen einen zu großen Druck auf die durch sie entsandten Mitglieder ausüben, grundlegende Vorgänge zumindest ihnen gegenüber zu offenbaren, wird dieses Vertrauensverhältnis empfindlich gestört.

D I . Die Öffentlichkeit Das Volk stellt das höchste Verfassungsorgan dar. Von ihm geht alle Staatsgewalt aus. Damit müßte ihm bei der Kontrolle auch die entscheidende Position zufallen. Im Bereich der Dienste aber besteht die paradoxe Situation, daß eine Veröffentlichung nicht rückhaltlos möglich ist, da sonst die Aufgabe der Dienste vereitelt wird. Dieser Besonderheit ist Rechnung zu tragen. 90

Hierin zeigt sich ein Unterschied zu den Abgeordneten. Diese unterliegen der Strafbarkeit aus § 353 b Π StGB mit einer schwächeren Strafandrohung. Die Verletzung der Geheimhaltung durch einen Abgeordneten dürfte in der Praxis zwar eine sehr viel schwerere Belastung des Verhältnisses zwischen PKK und Diensten bedeuten. Den beigezogenen Personen fehlt jedoch die demokratische Legitimierung. 91 Hierbei darf allerdings nicht übersehen werden, daß in anderen Staaten die parlamentarischen Kontrollausschüsse zahlenmäßig größer sind als die PKK. In Österreich existieren zwei Ausschüsse mit je 17 Mitgliedern.

ΠΙ. Die Öffentlichkeit

309

1. Auskunftspraxis Die Auskunftspraxis von Bund und Ländern unterscheidet sich. Einige Länder sind grundsätzlich auskunftsfreudiger als der Bund. Eine solche Praxis läßt sich nach Ansicht des BfV nicht auf den Bund übertragen. Hier ist zu gewährleisten, daß eine bundesweite Aufgabenerfüllung möglich bleibt. Das BfV schafft somit quasi die Grundlagen für eine solche Auskunftspraxis in den Ländern. Eine Angleichung erscheint trotzdem für wünschenswert, da sonst die Gefahr besteht, daß Informationen, die eine Behörde zurückhält, gleichwohl von einer anderen preisgegeben werden. Würde man eine einheitliche Auskunftspraxis in Bund und Ländern herstellen, was durch den Erlaß von gemeinsamen Richtlinien durchaus möglich wäre, so würde das bedeuten, daß sich die Auskunftspraxis entsprechend dem restriktivsten Element entwickeln würde. Im weiteren ist zu prüfen, wie weit eine Auskunft tatsächlich erteilt werden kann. Daneben ist in jedem Fall auch zu prüfen, ob sich die Auskunftserteilung auch auf die nach § 12 I I - I V BVerfSchG gesperrten Daten beziehen kann 92 .

2. Öffentlichkeitsarbeit Die Öffentlichkeitsarbeit der Dienste hat sich in der letzten Zeit intensiviert, soweit sie auf die öffentliche Meinung angewiesen sind. Dabei stand nicht nur der Verfassungsschutz im Vordergrund, sondern es wurde versucht, den Diensten einen besseren Rückhalt in der Bevölkerung zu geben. Die deutsche Öffentlichkeit steht aufgrund ihrer Geschichte den Diensten kritischer gegenüber als das in anderen Ländern der Fall ist. Die Verbesserung der Öffentlichkeitsarbeit ist auch weiterhin nötig. Dabei kommt es nicht nur darauf an, für den Gedanken des Verfassungsschutzes zu werben, sondern seine Tätigkeit auch öffentlicher zu machen. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang an eine Freigabe von Akten zu denken, die im Bundesarchiv eingelagert sind. Es handelt sich hierbei um Vorgänge, die mindestens dreißig Jahre zurückliegen. Sofern aus ihnen Rückschlüsse auf grundsätzliche Vorgehensweisen der Dienste gezogen werden können, ist eine Geheimhaltung gerechtfertigt 93. In anderen Fällen aber würde 92

Der BfD hält eine solche Erweiterung der bestehenden Auskunftspraxis für unerläßlich, siehe 15. Tätigkeitsbericht des BfD, S. 381. 93 In diesen Fällen greift die längere Frist des § 5 m iVm § 2 IV 1 Nr. 2 BArchG, der eine Frist von 80 Jahren bestimmt. Das wäre für Akten des BfV als dem ältesten, heute

310

Teil Π: Eigene Reformvorschläge

die Freigabe solcher Akten zu einer engeren Einbindung der Dienste in die Kontrolle durch die Öffentlichkeit führen. Die Dienste würden insofern transparenter, als durch die Offenlegung von Vorgängen die Rechtsstaatlichkeit der Dienste dokumentiert werden könnte. Ohnehin muß damit gerechnet werden, daß jeder Vorgang irgendwann an die Öffentlichkeit gerät. Differenzierungen in diesem Bereich sind allerdings für den BND zu treffen. Hier sind in erster Linie ausländische Staaten von Aktivitäten betroffen. Wenn Akten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, resultiert das aus ihrer verfassungsrechtlichen Kontrollfunktion. Eine solche kommt aber anderen Staaten nicht zu. Insofern sind die Akten des BND grundsätzlich eher geheimzuhalten als Akten des BfV oder des MAD. So wäre besonders im Bereich des BfV zu prüfen, welche Akten der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden könnten, um Vertrauen bei der Bevölkerung zu bilden.

3. Finanzkontrolle durch die Öffentlichkeit Der Etat des Bundes und der Länder wird jährlich veröffentlicht. Im Bereich der Dienste bestehen hier Beschränkungen. Nach § 16 I I 3 BVerfSchG sind die Zuschüsse des Bundeshaushaltes an das BfV und den M A D sowie die Gesamtzahl ihrer Bediensteten in jährlichen Berichten anzugeben. Im Haushaltsplan werden die Zuschüsse des Bundes an die Dienste genannt 94 . Die Bewirtschaftung der Mittel ist geheim. Ein genauerer Wirtschaftsplan ist geheim 95 . Gerade im Bereich der Wirtschaftspläne herrscht eine besondere Geheimhaltung. Jede weitergehende Veröffentlichung wird von den Diensten abgelehnt, da vom Haushalt auf die Aktivitäten geschlossen werden könne 96 . Es werden existierenden Dienst des Bundes der 27. 9. 2030, für Akten der „Organisation Gehlen" das Jahr 2026. Ab diesem Zeitpunkt dürfte jedoch § 5 VI Nr. 1 BArchG eingreifen, der eine Einsicht insgesamt auschließen kann, wenn das Wohl des Bundes oder eines Landes gefährdet ist. 94

Die Ausgaben sind allesamt als „Sächliche Verwaltungsausgaben" angegeben. Personalausgaben werden nicht angeführt. 95

Siehe hierzu auch B. Hirsch, „Zur Verkleinerung der Dienste", in: DIE ΖΕΓΓ vom 18. 5. 1995. 96 Dies ist keine Diskussion, die nur in Deutschland stattfindet. In den USA war dieses Thema Gegenstand einer langandauemden und kontroversen Diskussion, siehe Best, Intelligence Spending, insbesondere S. 12 ff.

ΠΙ. Die Öffentlichkeit

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durch die Veröffentlichung nicht nur Rückschlüsse auf die Aktivitäten der Dienste befürchtet, so etwa würde ein Ansteigen neue Aktivitäten indizieren. Daneben befürchtet man politische Diskussionen, wenn ein Anstieg im Haushalt erfolgt. Bei der Rechtfertigung von Mehrausgaben wären Informationen preiszugeben, die Rückschlüsse zulassen. Daneben befürchtet man gerade in Zeiten, in denen neue Aufgabenfelder für die Dienste erschlossen werden sollen, eine zu starke öffentliche Kritik. Es ist festzustellen, daß innerhalb der Dienste eine weitergehende Geheimhaltung befürwortet wird, als es in weiten Kreisen der Politik der Fall ist. Die Argumente für eine Veröffentlichung zumindest genauerer Wirtschaftspläne kommen in erster Linie dem Informationsinteresse der Öffentlichkeit entgegen. Erst wenn diese weiß, wie groß der Haushalt der Dienste jeweils ist, kann sie sich ein Bild über die Gesamtaktivität der Dienste machen. So kann wenigstens eine Diskussion darüber stattfinden, ob der Umfang der Aktivitäten tatsächlich angemessen ist. Dagegen spricht, daß alleine die Veröffentlichung eines wenig detaillierten Wirtschaftsplanes für die öffentliche Diskussion wenig bringt. Erst wenn eine nähere Aufschlüsselung erfolgt, kann eine ernsthafte Diskussion geführt werden. Es müßten die Beträge, die auf Operationen entfallen von verwaltungstechnischen Fixkosten getrennt betrachtet werden. Werden diese Informationen jedoch nachgeliefert, so lassen sich tatsächliche Rückschlüsse auf Organisationsstruktur und Vorgehensweise der Dienste kaum noch verhindern. Wenn weiterhin argumentiert wird, auch andere Staaten würden keine oder kaum solche Zahlen veröffentlichen, so mag zumindest dieses Argument wenig überzeugen. Die Befürchtung, die internationale Zusammenarbeit könne darunter leiden, wenn das Gesamtbudget veröffentlicht wird, erscheint wenig stichhaltig. Die Bekanntgabe der Gesamtsumme, die den drei britischen Diensten zu Verfügung steht, hat die Zusammenarbeit mit den britischen Diensten nicht verschlechtert. Daneben ist die Regierung und das Parlament gegenüber dem deutschen Volk verantwortlich, nicht aber gegenüber anderen Nationen 97 . Solange die effektive Aufgabenerfüllung der deutschen Dienste, dazu gehört auch die Zusammenarbeit mit fremden Diensten, nicht ernsthaft gefährdet wird, ist eine solche Argumentation wenig stichhaltig. Für die Beantwortung der Frage ist zwischen den Inlandsdiensten und dem BND zu trennen. Die Inlandsdienste unterliegen durch die Einschätzung des Gesetzgebers, die in § 16 I I BVerfSchG deutlich wird, einer weitergehenden Möglichkeit, Bud97

Ähnlich auch Senator Metzenbaum in der amerikanischen Diskussion, ob das Budget der amerikanischen Dienste zu veröffentlichen sei, Congressional Record, 10. 11. 1993, S. 15555.

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Teil Π: Eigene Reformvorschläge

getdaten zu veröffentlichen, als es der BND tut. Die Aktivitäten dieser Dienste sind nach innen gerichtet, somit für die Bevölkerung von größerem Interesse. Wenn neben dem Budget die Gesamtzahl der Bediensteten veröffentlicht wird, so kann durch Abzug der geschätzten Personalkosten durchaus Rückschlüsse auf das Ausmaß der Aktivitäten dieser Dienste gezogen werden. Für eine interessierte Öffentlichkeit ist es wünschenswert zu wissen, ob denn die Inlandsdienste ihre Aktivitäten verstärken. Ein plötzliches Anteigen in politisch stabilen Zeiten würde eine öffentliche Diskussion nach sich ziehen und so zu einer Kontrolle führen. Alleine die Veröffentlichung der Zuschüsse des Bundeshaushalts läßt jedoch keine Rückschlüsse auf Organisation und Aufgabenerfüllung oder einzelne operative Maßnahmen zu. Eine effektive Aufgabenerfüllung bleibt nach wie vor möglich. Für den Bereich des BND könnte etwas anderes gelten, da hier Interessenten am Gesamthaushalt auch fremde Staaten sind, die sich daraus weitergehende Informationen über die Aktivitäten des BND erhoffen könnten. Eine gesicherte Quelle für fremde Staaten kann sich daraus jedoch nicht ergeben. Zum einen kann ein fremder Staat ein Ansteigen oder Sinken des Etats nicht auf sich beziehen. Viele Projekte werden im Ergebnis nicht alleine durch den BND finanziert, so daß auch dadurch ein Rückschluß nicht möglich ist. Sollte sich der Aufgabenbereich des BND tatsächlich in Richtung einer Verbrechensbekämpfung verschieben, so wird es für fremde Staaten um so schwerer; Rückschlüsse auf Tätigkeiten des BND in bezug auf sie zu ziehen, da nun finanzielle Mittel, die vorher den Strafverfolgungsbehörden zuzuordnen waren, durch den BND verwendet werden müßten. Somit kann eine Veröffentlichung des Gesamtbudgets der Dienste nicht zu einer Aufgabenerschwerung führen, sondern vielmehr zu einer engeren Kontrolle durch die Öffentlichkeit. Sie wäre damit unter dem Postulat der weitestmöglichen Öffentlichkeit in der parlamentarischen Demokratie verfassungsrechtlich sogar geboten.

IV. Die allgemeine Staatskontrolle Die allgemeine Staatskontrolle, wie sie in den übrigen Bereichen der Verwaltung durchgeführt wird, ist für den Bereich der Dienste nicht anwendbar.

1. Gerichte Vor den Gerichten können sich die Dienste auf weitreichende Geheimschutzvorschriften stützen. Hierdurch ist eine volle gerichtliche Überprüfung

IV. Die allgemeine Staatskontrolle

313

nachrichtendienstlicher Vorgänge nicht immer gewährleistet. Die Gerichte haben auf diesen Zwiespalt reagiert, indem sie allgemeine Prozeßregeln strenger handhabten. Wenn sich die Dienste auf den Geheimschutz berufen, so müssen sie die Notwendigkeit substantiiert begründen. Wenn die Beweisbarkeit einer Tatsache daran scheitert, daß die Dienste sich auf den Geheimschutz berufen haben, so geht diese Tatsache zu ihren Lasten. Bei den mittlerweile im Vordergrund stehenden Verfahren, bei denen geklärt wird, ob die Observierung so, wie sie sich aus dem Verfassungsschutzbericht ergibt, zulässig ist, spielen Geheimschutzgründe nur eine untergeordnete Rolle. Der Großteil der notwendigen Information ergibt sich aus den Verfassungsschutzberichten. Im übrigen geht es in diesen Verfahren lediglich um die Tatsache, ob eine Observation rechtmäßig ist. Dies bestimmt sich nach allgemeinen Rechtsregeln. Entscheidungserheblich sind in erster Linie die Ziele und Strukturen der zu beobachtenden Vereinigungen, nicht aber die des Verfassungsschutzes. Das geltende Recht kennt eine Geheimhaltung vor dem Bundesverfassungsgericht nicht, § 26 BVerfGG. In anderen Rechtsordnungen, so etwa den USA, ist eine eigene Gerichtsbarkeit gegen Akte der Dienste eingerichtet 98 . Daneben gibt es im Vereinigten Königreich die Einrichtung eines Commissioners und des Tribunals, das beim Verdacht einer Person, unrechtmäßigerweise einer Maßnahme eines Dienstes unterworfen worden zu sein, rückhaltos den Sachverhalt aufklären kann 99 . Diese Verfahren haben in der Vergangenheit zu keinen Beanstandungen über die Funktionsfähigkeit der Dienste geführt. Demnach liegt die Folgerung nahe, sollte ein Dienst sich auf eine Geheimhaltungsbedürftigkeit berufen, hier im gerichtlichen Verfahren ein Nebenverfahren zu eröffnen. Sofern es auf die Rechtmäßigkeit der Erlangung einer Information ankommt, erscheint es im Sinne aller Beteiligten wenig befriedigend, das Gericht der Hauptsache über die Geheimhaltungsbedürftigkeit entscheiden zu lassen. Es entsteht die Gefahr, daß bei begründeter Geheimhaltungsbedürftigkeit eine Tatsache nicht verwertet werden kann, gleichzeitig aber der Schutz der allgemeinen Sicherheit vorrangig ist vor dem allgemeinen Interesse der Rechtsordnung an einem sachlich richtigen Ergebnis.

98 Diese ist aber eher mit dem GIO - Verfahren in Deutschland zu vergleichen, da sie sich in erster Linie mit Akten der Dienste beschäftigt, soweit die Dienste nach dem FISA vorgehen. Für die Fernmeldekontrolle besteht im Vereinigten Königreich ebenfalls eine eigene Gerichtsbarkeit. 99

Die Informationen, die an den Beschwerdeführer weitergegeben werden, beschränken sich idR darauf, daß seine Rechte nicht verletzt worden sind. Aufgrund der hohen Reputation und der weitreichenden Befugnisse der Kontrollinstanzen wird dies aber als ausreichend angesehen.

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Teil Π: Eigene Reformvorschläge

Wird die Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Information einem Gremium übertragen, das somit über die Verwertbarkeit entscheiden kann, ohne daß eine absolute Offenbarung an die Prozeßparteien erfolgen muß, würde sich dieser Zwiespalt lösen. Hier böte sich an, um den Kreis der Geheimnisträger nicht zu erweitern, gleichzeitig aber eine Entscheidung durch eine unabhängige richterliche Entscheidung herbeizuführen, beauftragten Mitgliedern der beiden Senate des Bundesverfassungsgerichtes die verbindliche Entscheidung über die Verwertbarkeit der Information zu übertragen. Daß dabei gerade im Strafprozeß eine Einschränkung in bezug auf das rechtliche Gehör des Angeklagten einhergeht und auch die Unmittelbarkeit der Information durch den Tatrichter nicht mehr in allen Fällen gegeben ist, wird gesehen. Aufgrund aber der besonderen Stellung, die dem Bundesverfassungsgericht im Verfassungsgefüges der Bundesrepublik Deutschland zukommt, mag eine solche Einschränkung noch hinnehmbar sein. Es dürfte den speziell ermächtigten Richtern nicht verwehrt sein, eventuell noch eigene Ermittlungen außerhalb der Dienste vorzunehmen, deren Umfang sich aus ihrer eigenen Verantwortung bestimmt.

2. Allgemeine parlamentarische Kontrolle Eine Verbesserung der allgemeinen parlamentarischen Kontrolle scheint in der Praxis nicht durchführbar. Dies ist weniger eine Folge rechtlicher Normierungen, sondern resultiert vielmehr aus der Tatsache, daß im Bereich des Bonner Parlamentsbetriebes eine effektive Geheimhaltung in der Praxis illusorisch ist. Bei einer effektiven Arbeitsmöglichkeit der PKK ist eine Verschärfung der parlamentarischen Kontrolle durch das Plenum selber nicht nötig, da seine Rechte durch die PKK gewahrt werden. Hält es eigene, weitere Informationen für notwendig, so ist es ihm unbenommen, notfalls einen Untersuchungsausschuß einzusetzen.

3. Bundesbeauftragter für den Datenschutz Die Zusammenarbeit zwischen den DSB und den Diensten wird im allgemeinen als gut bezeichnet. Es bestehen einige Schwächen in der Stellung des DSB gegenüber den Diensten. Die Stärke der Position der DSB gegenüber den jeweiligen Diensten ist im Ergebnis eine politische Entscheidung. Die Erfahrungen in ausländischen Staaten zeigen, daß eine engere Kontrolle durch unabhängige Stellen tatsächlich möglich ist. Es ist vorgeschlagen worden, einen eigenen DSB für die Dienste einzurichten 1 0 0 . Dieser solle nur für den Bereich der Dienste tätig sein, in seinem Aufgabenbereich also mit dem der PKK übereinstimmen.

IV. Die allgemeine Staatskontrolle

315

Seine Kompetenz müsse gegenüber dem jetzigen BfD stark erweitert werden. So müsse ihm in weiten Bereichen nicht nur ein Anhörungsrecht, sondern auch ein Zustimmungsrecht eingeräumt werden 101 . Weiterhin solle diesem Beauftragten ein Zustimmungsrecht bei Dienstvorschriften über den Einsatz nachrichtendienstlicher Mittel zukommen, bei internen Vorschriften über den Informationsaustausch innerhalb einer und zwischen verschiedenen Behörden. Daneben soll er ein generelles Einsichtsrecht in alle Akten und Dateien bekommen. Jede Akte, die vernichtet werden soll, ist in einem ihm vorzulegenden Protokoll zu vermerken. Gefordert wird hier bei näherem Hinsehen die Schaffung einer Instanz mit weitestreichenden Kompetenzen. Eine solche Einrichtung ist ohne Vorbild 1 0 2 . Sie begegnet rechtlichen und praktischen Bedenken. Dieser Beauftragte hat aus einem eigenen Kontrollauftrag heraus die Kompetenz, sich über jeden laufenden Vorgang zu informieren. Die Struktur und Arbeitsweise der Dienste ist ihm bekannt. Durch die Kontrolle aller Akten kann er Einsichten weit über sein eigentliches Aufgabenfeld erlangen. Damit kommt es zu einer Überschneidung mit den Kompetenzen anderer Organe, die sich nur noch durch ihre unterschiedliche Aufgabensetzung unterscheiden, aber nicht mehr in ihrer praktischen Arbeit Tiefgreifendere Bedenken aber ergeben sich an dem Mitwirkungsrecht an internen Dienstvorschriften. Die Exekutive kann dies unproblematisch einem von ihr ernannten und unter ihrer Dienstaufsicht stehenden Beauftragten einräumen. Damit würde aber eine Institution geschaffen, die in weiten Teilen schon mit dem „Beauftragten für die Nachrichtendienste" beim Bundeskanzleramt eingerichtet worden ist. Verfassungsrechtliche Probleme aber werden dann aufgeworfen, wenn diese Stelle weisungsunabhängig ist und wenn sie durch das Parlament gewählt wird. Ersteres ist nach dem Sinn der Forderung unerläßlich, zweiteres wünschenswert. Das Problem wurzelt darin, daß dieser Stelle insofern exekutivische Befugnisse zukämen, weil sie bei der Schaffung von Dienstvorschriften zustimmen muß.

100

Geiger DVB1. 90, 748, 751 f.

101

So soll ein Zustimmungserfordemis und nicht nur eine Unterrichtungspflicht etwa bei Dateianordnungen nach § 10 BDSG erfolgen. 102

Selbst der Commissioner im UK verfügt nicht über eine solche Machtfülle. Ihm steht zwar ein unbeschränktes Informationsrecht zu, er darf abber nicht an dem innerorganisatorischen Aufbau der Behörde mitwirken.

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Teil Π: Eigene Reformvorschläge

Eine weisungsunabhängige Stelle innerhalb der Exekutive mit so weitreichenden exekutivischen Befugnissen ist der deutschen Verwaltungsstruktur unbekannt 103 . Selbst die Ressortminister als Exekutivspitzen unterliegen der Richtlinienkompetenz des Regierungschefs. Durch eine unabhängige Stelle, der so weitreichende Kompetenzen zustünden, würde für einen Teilbereich 104 eine weitgehende Abhängigkeit der Exekutive von diesem Beauftragten entstehen. Würde der Beauftragte seine Legitimation aus einer Wahl durch den Bundestag beziehen, so ist die Wahrung der Gewaltenteilung zweifelhaft. Eine Instanz, die ihre verfassungsrechtliche Legitimation durch die Legislative erhält und nur dieser verantwortlich ist, würde im internen Behördenaufbau mitwirken. Das steht selbst dem Bundestag nicht zu. Es würde zur Verwischung festgelegter Verantwortlichkeitsstrukturen führen, die im System der Gewaltverschränkung unerläßlich sind. Die Berufung eines solchen Beauftragten ist nicht möglich. Hier lassen sich aber Punkte für die Stärkung der Position des BfD ableiten. Es bestehen gegenüber dem BfD zwar Geheimhaltungsmöglichkeiten 105 , diese sind aber restriktiv auszulegen106. Sollte der BfD einen begründeten Verdacht haben, daß ihm zu Unrecht Informationen verweigert werden, müßte eine unabhängige Entscheidung herbeigeführt werden können. Hier bietet sich eine Entscheidung durch ein Gremium an, das aus beauftragten Mitgliedern der Senate des Bundesverfassungsgerichtes besteht 107 . Weiterhin könnte ihm eine Klagemöglichkeit gegen seiner Meinung nach unrechtmäßigen Vorgehensweisen der Dienste vor dem Bundesverfassungsgericht eingeräumt werden. Neben dem Problem der Justiziabiliät solcher Vorschriften sind auch die praktischen Folgerungen einer solchen Regelung zu bedenken. Ratsamer wäre es, den BfD zu ermächtigen, sich in Zweifelsfällen unmittelbar und direkt an die PKK zu wenden. Hier könnte eine Lösung unter Berücksichtigung der politischen Verantwortlichkeit gefunden werden. Daneben bleibt der öffentliche Druck nicht zu unterschätzen, wenn solche Beanstan103

Den Bundesbeauftragten oder etwa auch dem Wehrbeauftragten kommt eine solche Kompetenz nicht zu. 104

Und unter Umständen sogar über diesen hinaus. Man bedenke die weitgehenden Diskussionen über die Zusammenarbeit der Sicherheitsbehörden untereinander, deren Effektivität gerade von den internen Dienstvorschriften abhängt. Können diese nicht geschaffen werden, so können gesetzliche Regelungen u.U. leerlaufen. 105

So etwa §§ 19 VI; 24IV BDSG.

106

Dies wird von den Diensten auch so gehandhabt. Sie legen Wert auf diese Einschränkungen, um Geheimhaltungsmöglichkeiten „gegebenenfalls" ausschöpfen zu können. 107

Siehe zu diesem Gremium auch S. 313 f.

IV. Die allgemeine Staatskontrolle

317

düngen in den Bericht des BfD aufgenommen werden. Ist das Auskunftsbegehren eines Bürgers gegen einen Dienst abgelehnt worden, so kann sich der Bürger an den BfD wenden. Diesem kommen dabei gegenüber der Behörde keine Anordnungsrechte zu. In Österreich obliegt die Entscheidung, welche Auskunft dem Bürger erteilt wird, bei der Datenschutzkommission. Hierbei darf die unterschiedliche Struktur beider Einrichtungen nicht verkannt werden. Die Datenschutzkommission ist einem Gericht vergleichbar. Wird eine Einigung zwischen BfD und der Behörde nicht erzielt, muß der Bürger den Gerichtsweg beschreiten, wobei der Erfolg in diesem Bereich aufgrund weitgehender Geheimhaltungsvorschriften nicht kalkulierbar ist. Insofern wäre zu überlegen, dem BfD die Möglichkeit zu geben, für eine verbindliche Entscheidung das Bundesverfassungsgericht anzurufen. Für eine Auskunft der L f V böte sich ein über den BfD abgestufter Weg an 1 0 8 . Die Einsicht in die Protokollierung jeder Vernichtung von Dateien oder Akten wäre zu begrüßen. Nicht benötigte Daten 1 0 9 sind zu vernichten. Für eine Beurteilung der Aktivitäten eines Dienstes ist es hilfreich zu sehen, welche Informationen auch zwischenzeitlich, unter Umständen ohne direkten Bezug zur Aufgabe, gewonnen und vorübergehend gespeichert werden. Unter Berücksichtigung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung ist die Protokollierung in anonymisierter Form ausreichend. Im übrigen ist die Möglichkeit einer engeren Zusammenarbeit mit der PKK wünschenswert. Die Zusammenarbeit des BfD mit der Organen nach G10 wäre ebenfalls erweiterbar. Gerade bei der Durchführung von Maßnahmen nach § 3 G10 erscheint eine Beteiligung des BfD von Amts wegen erwägenswert. Hier liegt eine Schnittstelle verschiedener Sicherheitsbehörden vor, an die personenbezogene Daten weitergeleitet werden können.

4. Wirtschaftlichkeitskontrolle Die Wirtschaftlichkeitskontrolle durch den Bundesrechnungshof in Zusammenarbeit mit dem Vertrauensgremium nach § 10 a BHO ist sehr eng. Es wäre daher zu überlegen, ob dem Vertrauensgremium, daß der gleichen Geheimhaltungsverpflichtung wie die PKK unterworfen ist, die Möglichkeit einzuräumen wäre, sich mit Berichten an die PKK zu wenden. Dies würde zu einer umfassenderen Informationsmöglichkeit der PKK führen.

108

Ein solcher Weg wird nötig, damit nicht auf die LfV Rückschlüsse über die Tätigkeit des BfV möglich sind. 109 Sei es, daß sie mit der Aufgabenerfüllung der Dienste nicht mehr in Verbindung stehen oder daß sie ohne bezug zur Aufgabenerfüllung angefallen sind, so etwa § 20 Π Nr. 2 BDSG oder § 7IV G10.

318

Teil Π: Eigene Reformvorschläge

V. Aufrechterhaltung des Trennungsgebotes Das Trennungsgebot ist durch die neuen Entwicklungen auf dem Gebiet der Bekämpfung der organisierten Kriminalität in Gefahr, durch eine gegenseitige Aufgabenerweiterung von Polizei und Diensten unterlaufen zu werden 110 . Damit stellt sich die Frage, ob das Trennungsgebot überhaupt noch zeitgerecht ist 1 1 1 . Das Trennungsgebot verbietet die institutionelle Zusammenlegung von Polizei und Diensten. Die Kontrolle der Dienste ist in einigen Bereichen sehr viel enger als die der Polizeibehörden 112 . Auch sind die Dienste sehr viel mehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit als es die Polizeidienststellen sind. Eine Zusammenlegung würde, auch in der öffentlichen Meinung, vieles einer Kontrolle entziehen. Die Kontrolle würde sich auf den jeweils letzten Akt, nämlich den Zugriff oder den Vollzug einer Maßnahme, konzentrieren. Die vorbereitenden Tätigkeiten, eben die nachrichtendienstliche Aufklärung, würde aus dem Blickfeld verschwinden. Im übrigen wäre die Berufung auf Geheimhaltungsbedürftigkeit zumindest dem Bürger gegenüber sehr viel leichter geltend zu machen. In der jetzigen Form können neben dem Zugriffsakt der Polizeien ebenfalls die Tätigkeiten der Dienste Gegenstand einer Kontrolle sein. Wenn in einer Ermittlungskette die vorherige Informationsgewinnung rechtswidrig erfolgte, der reine Zugriffsakt aber gleichwohl rechtmäßig war, könnte der Bürger gegen die Informationsgewinnung zwar angehen, für den daraus folgenden Zugriff hätte das aber keine Konsequenzen. Selbst wenn sich in der Zukunft eine noch engere Zusammenarbeit zwischen den Diensten und den Polizeien entwickeln sollte, bietet die institutionelle Trennung für den Bürger eine weitergehende rechtsstaatliche Sicherheit, als er sie ohne Trennung hätte 113 . Auch für die besonderen Kontrollinstanzen würde eine Zusammenlegung zu unübersehbaren Schwierigkeiten führen. Zum Teil würden sie ihre Legitimati110

Siehe nur Albert, ZRP 95, 105; Riegel, ZRP 95, 176.

111

Zumal es in anderen rechtsstaatlichen Demokratien nicht existiert.

112

So etwa im Bereich der Fernmeldekontrolle.

113

Hassemer, S. 46, hat zutreffend darauf hingewiesen, daß mit der Einschränkung der Kontrolle, die aus Geheimhaltungsgründen notwendig ist, stets auch eine Begrenzung des rechtlichen Könnens einhergehen müsse. Eine Trennung zwischen Diensten und Polizei gehört nicht zu den unverrückbaren Mindestanforderungen an eine Demokratie. In anderen Staaten ist eine solche Trennung nicht durchgeführt. Sie führt zu einer größeren rechtsstaatlichen Kontrolle.

VI. Die Einrichtung eines unabhängigen Kontrolleurs für die Dienste

319

on verlieren. So wäre es kaum möglich, im Bereich des Haushaltes etwa noch eine gesonderte Kontrolle der Wirtschaftspläne der Dienste durchzuführen, weil sie im Gesamthaushalt der Polizei aufgehen würden. Auch die gesonderte parlamentarische Kontrolle einzelner Polizeiabteilungen ließe sich kaum noch mit dem Gewaltenteilungsprinzip vereinbaren, da hier ein tiefer Eingriff in die behördeninterne Struktur zu erfolgen hätte. Weiterhin würden die Errungenschaften des G10 entfallen, da eine eindeutige Zuordnung zu einer nachrichtendienstlichen oder schon polizeilichen Handlung in der Praxis wohl kaum durchzuführen ist. Somit trägt das Trennungsgebot rechtsstaatlichen Gedanken Rechnung und trägt zu einer intensiveren Kontrolle bei 1 1 4 .

VI. Die Einrichtung eines unabhängigen Kontrolleurs für die Dienste Im Zusammenhang mit der plutonium-Affaire" 1 1 5 ist gefordert worden, eine zentrale unabhängige Stelle zu schaffen, der einzig die Kontrolle der Dienste obliege. Dieser gegenüber dürfe keine Geheimhaltungspflicht bestehen, sie müsse alle Rechte haben, die auch der Dienstaufsicht zustünden. Ein solcher unabhängiger Kontrolleur wäre in der Realität vor die Aufgabe gestellt, die Dienste intensiv zu kontrollieren. Bei der Mitarbeiterzahl der Dienste ist das eine praktisch kaum zu lösende Aufgabe 116 . Eine effektive Kontrolle würde eine entsprechend große Kontrollbehörde voraussetzen. Dies aber ist praktisch nicht durchführbar, zumal sie nur neben die allgemeinen Staatskontrollen treten könnte.

114 Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder haben in ihrer Entschließung auf der 48. Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder vom 26727. September 1994 zu Art. 12 Verbrechensbekämpfungsgesetz zur Trennung von Polizei und Nachrichtendiensten die strikte Beachtung des Trennungsgebotes gefordert. „Zwischen nachrichtendienstlichen Vorfelderkenntnissen und polizeilichen Zwangsmaßnahmen ist ein Filter erforderlich, der vor allem Unbeteiligte vor überzogenen Belastungen schützt." 113

Siehe die Berichterstattung in allen deutschen Zeitungen, insbesondere vom 21./22. April 1995. 116

B. Hirsch, „Zur Verkleinerung der Dienste", in: DIE ZEIT vom 18. 5.1995 gibt einen Überblick über die Größe der drei Bundesdienste: BfV ca. 3.000 Mitarbeiter bei einem Etat von 227 Mio. DM; MAD ca. 2.000 Mitarbeiter bei einem Etat von ca. 200 Mio. DM und BND (geschätzt) 6.000 Mitarbeiter bei einem geschätzten Etat von über 800 Mio. DM. Dazu kommen noch die Bediensteten der LfV. Die LfV sind zum Teil jedoch ganz erheblich kleiner als das BfV.

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Teil Π: Eigene Reformvorschläge

ΥΠ. Ergebnis Die Kontrolle der Dienste ist nach der jetzigen Rechtslage unvollständig. Durch einige Änderungen in der Kontrollstruktur ließen sich wichtige Lücken schließen, die in erster Linie dadurch entstehen, daß die verschiedenen Kontrollinstanzen untereinander nicht in der gleichen Weise kooperieren können, wie es die Dienste tun. Durch eine intensivere Kontrollmöglichkeit kann eine engere Einbindung der Dienste in das deutsche Staatsgefüge erreicht werden. Sie würde das Entstehen einer „Geheimdienstmentalität" und somit unnötiger „Geheimniskrämerei" verhindern und den Weg zu verantwortungsvollen, auch in der öffentlichen Meinung anerkannten, rechtsstaatlichen Nachrichtendiensten ebnen.

Thesen • Die Kontrolle der Dienste im Verfassungsgefiige der Bundesrepublik Deutschland stellt sich als kooperative Kontrolle dar. Zum einen existiert eine nachfolgende Kontrolle, die nur durch die eindeutige Zuordnung von Verantwortung zu einem Entscheidungsträger gewährleistet werden kann. Daneben erfolgt eine mitlaufende Kontrolle durch eine gegenseitige Abstimmung und Rückversicherung.

• Die Kontrolle der Dienste begegnet Besonderheiten. Sie unterliegen der allgemeinen Staatskontrolle und daneben zusätzlich noch weiteren speziellen Kontrollinstanzen. Durch diese zusätzlichen Kontrollinstanzen wird keine Kumulation der Kontrolle erreicht. Die allgemeine Staatskontrolle kann eine effektive Kontrolle der Dienste nicht gewährleisten, so daß die Effektivität der Kontrolle von der Effektivität der speziellen Kontrollinstanzen abhängig ist. Diese führen in der Praxis zu einer weitergehenden Ineffezienz der allgemeinen Staatskontrolle.

• Die Effektivität der Kontrolle der Dienste ist abhängig von der Effektivität der exekutivischen Eigenkontrolle. Die Kontrolle zwischen den Gewalten hängt weiterhin davon ab, in welchem Maße ein Informationsfluß zwischen Kontrolliertem und Kontrolleur gewährleistet wird. Dieser kann um so umfassender sein, je besser die Geheimhaltung in der Sphäre des Kontrolleurs garantiert ist. Dabei kommt es nicht auf die rechtliche Situation an, sondern auf die tatsächliche Situation. Jede gesetzliche Regelung wird sich dann als wenig effizient erweisen, wenn zwischen den Diensten und den Kontrollinstanzen keine Vertrauensbasis besteht. Eine solche kann zu einer sehr viel effektiveren Kontrolle führen. • Durch die Sonderstellung der Kontrolle der Dienste im Verfassungsgefiige der Bundesrepublik Deutschland ergeben sich Besonderheiten, die bei einer Reform zu beachten sind. Dabei ist die Ebene der Kontrollinstanzen und die Ebene der Dienste zu trennen. Um eine effektive Kontrolle zu gewährleisten, müssen die horizontalen Verbindungen auf beiden Ebenen korrelieren. Erst dann können die vertikalen Kontrollbeziehungen effektiv genutzt werden.

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Thesen

• Der Aufgabenbereich der Dienste und ihre Befugnisse sind von den Kontrollmechanismen unabhängig. In der jüngsten Entwicklung tendieren die Dienste dazu, sich neue Aufgabenfelder zu erschließen. Dabei geraten sie immer mehr in den Bereich der traditionellen Polizeiaufgaben. Andererseits versuchen auch die Polizeien immer mehr in den traditionellen Bereich der Dienste einzudringen, sofern ihnen die Möglichkeiten dazu gegeben sind. Dies hängt in der Praxis mit einem Vertrauensdefizit bei der Zusammenarbeit zusammen.

• Das Trennungsgebot zwischen der Polizei und den Diensten hat den Rang einer einfachgesetzlichen Regelung und steht somit zur Disposition des Gesetzgebers. Im Interesse einer effizienten Kontrolle wäre seine Beibehaltung wünschenswert.

• Geheimhaltungsbedürfnisse wirken sich in der Praxis als kontrollbeschränkendes Prinzip aus. Das Maß der Geheimhaltung ist abhängig vom Ausgangspunkt des Betrachters. Entweder wird der Schutz des Staates oder der Schutz der persönlichen Freiheitsrechte im Ausgangspunkt stärker betont. Im Ergebnis ist ein geheimhaltungsbedürftiger Bereich vor der Öffentlichkeit anzuerkennen. In der Praxis wird er durch eine Einzelfallentscheidung der Regierung als der faktisch informierten Staatsgewalt bestimmt. Das Parlament kann hat allerdings die grundsätzliche Entscheidungskompetenz zu bestimmen, was als geheimhaltungsbedürftig anzusehen ist.

• Geheimhaltungsbefugnisse der Regierung vor dem Parlament kann es nur insoweit geben, wie das Parlament eine effektive Geheimhaltung in der Realität nicht gewährleisten kann. Schafft das Parlament eine Einrichtung, durch die eine effektive Geheimhaltung gewährleistet ist, dann ist dieser gegenüber eine umfassende Geheimhaltung nicht mehr zu rechtfertigen.

• Es ist eine internationale Tendenz in den westlichen Demokratien in Richtung auf eine stärkere Kontrolle der Nachrichtendienste zu erkennen. Die Intensität der Kontrolle ist dabei abhängig von der Stabilität der Situation, in der sich das jeweilige Land befindet. Je stabiler die Situation ist, um so intensiver kann die Kontrolle sein. Die Kontrolle ist in ihrer spezifischen Ausgestaltung abhängig von der verfassungsrechtlichen Tradition und Lage des jeweiligen Landes. Ein Vergleich zwischen den Staaten, welches Kontrollsystem effektiver arbeitet, ist daher nicht möglich. Jedoch sind Erfahrungen mit bestimmten Kontrollmechanismen für andere Staaten verwertbar.

Thesen

323

• In der Bundesrepublik Deutschland ist die PKK das zentrale Organ der Kontrolle der Dienste. Sie stellt ein parlamentarisches Hilfsgremium sui generis dar. Sie hat eine Parallelzuständigkeit zu der allgemeinen parlamentarischen Kontrolle. Praktisch jedoch läuft die allgemeine parlamentarische Kontrolle weitgehend leer. Im Interesse einer effektiven Kontrolle sollten die Rechte der PKK erweitert werden. Dabei ist besonderes Gewicht auf die Zusammenarbeit mit anderen Kontrollinstanzen zu legen, die nach der heutigen rechtlichen Situation nicht möglich ist. In Einzelfallen wäre die Einsetzung eines unabhängigen Gutachters zu begrüßen.

• Die Kontrolle der Fernmeldebeschränkungen nach dem GIO hat sich als sehr viel effektiveres System erwiesen als die richterliche Anordnung einer Fernmeldebeschränkung nach der StPO.

• Die Öffentlichkeitsarbeit der Dienste sollte intensiviert werden. Hier ist zwischen der allgemeinen Werbung für den Gedanken des Verfassungsschutzes einerseits und der Aufklärung über die Arbeistweise der Dienste zu unterscheiden. Letzte kann zu einer besseren Akzeptanz der Dienste in der Bevölkerung führen.

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Thomas, Staatsrechtliche Probleme politischer Planung, Berlin, 1979

—Art. 45 c GG; (Zweitbearbeitung), in: Dolzer, Rudolf / Vogel, Klaus (Hrsg.); Bonner Kommentar zum Grundgesetz (BK), Heidelberg, 1974 Ziegler, Ursula, Die gerichtliche Kontrolle der Geheimhaltungsmittel der Exekutive, ZRP 1988, 25 Anm.: Die grundlegenden Werke von Karl Loewenstein sowie Erich Zweig sind im Text angegeben. Es wurde darauf verzichtet, sie in das Literaturverzeichnis aufzunehmen. Sie wurden erwähnt, da mit ihnen ein juristischer Ausdruck geprägt wurde. Weiterhin sei an dieser Stelle den Dienststellen des Bundes und der Länder gedankt, die mit Informationen den Gang der Untersuchung gefordert haben. Ein entsprechender Nachweis konnte nicht an jeder entsprechenden Stelle gegeben werden.