Die kabbalistische Lehrtafel der Antonia von Württemberg: Studien und Dokumente zur protestantischen Rezeption jüdischer Mystik in einem frühneuzeitlichen Gelehrtenkreis 9783110493030, 9783110462845

Constructed in Bad Teinach, in Germany’s Schwarzwald, Antonia von Württemberg (1613–1679)’s "teaching painting"

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Die kabbalistische Lehrtafel der Antonia von Württemberg: Studien und Dokumente zur protestantischen Rezeption jüdischer Mystik in einem frühneuzeitlichen Gelehrtenkreis
 9783110493030, 9783110462845

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte
1.1 Antonias Epitaphschrein in Bad Teinach
1.2 Antonias Lehrtafel in zeitgenössischen Predigten
1.3 Oetingers Buch zur Lehrtafel
1.4 Oetinger als unentbehrlicher Textzeuge
1.5 Oetingers Sefirotbeschreibungen
1.6 Die Sefirot in Diskursen, Exzerpten und Inventarien
1.7 Kurzbeschreibungen der Lehrtafel bei Oetinger
1.7.1 Herrn Schmidlins Kurtzer Begri
1.7.2 Schmidlins Pictura docens
1.7.3 Strölins Turris Antoniae
1.8 Beschreibungen der Lehrtafel nach Oetinger
1.9 Rückblick und Ausblick
2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins
2.1 Antonias Gebetbuch
2.1.1 Die Erforschung frühneuzeitlicher Praxis pietatis
2.1.2 Der Nachlaß der Prinzessin
2.1.3 Das Gebetbuch im historischen Kontext
2.1.4 Zwei akrostichische Gebete für Antonia
2.1.5 Deutsche Gebete und gematrische Studien
2.1.6 Der Kontext frühneuzeitlicher Laienfrömmigkeit
2.1.7 Ein Andachtsformular auf Basis von Psalm 119
2.1.8 Psalmen und Sefirot in weiteren Formularen
2.1.9 Psalmengebetspläne in der Laienfrömmigkeit
2.1.10 Rückblick
2.2 Strölins Kabbala-Studien
2.2.1 Die vier Kurzen Erklärungen zu den Sefirot
2.2.2 Das Tableau zu den Gottesnamen
2.2.3 Vorbilder für eine Schlüsselstellung der Sefirot
2.2.4 Die trinitarische Deutung der oberen Sefirot
2.2.5 Rückblick und Ausblick: Die Sonderstellung des Lehrtafel-Projekts
3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt
3.1 Die Dreieinigkeit im Kontext der oberen Sefirot
3.2 Adler, Phönix und Paradiesvogel
3.3 Die Konzeption von Blick- und Erzählrichtungen
3.4 Gesetz und Evangelium im Kontext der 4. und 5. Sefira
3.5 Das Gebäude im Kontext der 7. und 8. Sefira
3.6 Christus und Ecclesia im Kontext der 9. und 10. Sefira
3.7 Die Vielgestaltigkeit der Liebe und die 6. Sefira
3.8 Rückblick
4 Der Zwölferkreis
4.1 Rezeptionsgeschichtlich bedingte Widersprüche
4.1.1 Harnischfegers Harmonisierungsversuch
4.1.2 Joseph und Levi?
4.1.3 Rückblick
4.1.4 Der Befund in der Pictura docens
4.1.5 Manasse
4.1.6 Ephraim
4.1.7 Rückblick
4.1.8 Manasses und Ephraims Sternzeichen
4.1.9 Tierkreis und Lagerordnung bei Gikatilla
4.1.10 Tierkreis und Lagerordnung im Antoniakreis
4.1.11 Rückblick
4.2 Werkgeschichtlich bedingte Dissonanzen
4.2.1 Einführung
4.2.2 Die Anordnung der Edelsteine
4.2.3 Mangelnde Abstimmung von Turris und Pictura?
4.2.4 Pentapolis oder Dekapolis?
4.2.5 Ruben mit oder ohne Elch?
4.2.6 Mangelnde Vollendung der Lehrtafel?
4.2.7 Pferd oder Fuchs bei Gad?
4.2.8 Kürbis oder Rizinus bei Jona?
4.2.9 Rückblick
5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel
5.1 Raiths Teinacher Einweihungspredigt
5.2 Strölins und Oetingers Kurzbeschreibungen
5.3 Oetingers Kurtzer Begriff
6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte
6.1 Antonia an Andreae vor dem 3. November 1646
6.2 Wilhelm Koch an Antonia am 29. Juli 1652
6.3 Strölins Kurze Erklärungen zu den Sefirot
6.4 Strölins Tableau zu den Gottesnamen
6.5 Strölins Tableau zum Brustschild des Hohenpriesters
6.6 Antonias Sefirottafeln
6.7 Strölin an Schmidlin am 16. Februar 1659
6.8 Strölin an Schmidlin am 16. Juli 1661
6.9 Strölin an Steudner am 14. April 1662
6.10 Strölin an Spener am 6. Januar 1663
6.11 Schmidlins Nekrolog auf Strölin
6.12 Steudners Werk zur Kabbala
6.13 Das Tetragramm und die zwölf Stämme bei Gikatilla
7 Gesamtrückblick und -ausblick
Bibliographie der Quellentexte
Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildungen
Technische Hinweise
Index

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Frühe Neuzeit Band 172

Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext Herausgegeben von Achim Aurnhammer, Wilhelm Kühlmann, Jan-Dirk Müller, Martin Mulsow und Friedrich Vollhardt

Reinhard Gruhl Die kabbalistische Lehrtafel der Antonia von Württemberg Studien und Dokumente zur protestantischen Rezeption jüdischer Mystik in einem frühneuzeitlichen Gelehrtenkreis

De Gruyter

ISBN 978-3-11-046284-5 e-ISBN (PDF) 978-3-11-049303-0 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-049166-1 ISSN 0934-5531 Library of Congress Cataloging-in-Publication Data A CIP catalog record for this book has been applied for at the Library of Congress. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck ♾ Gedruckt auf säurefreiem Papier Printed in Germany www.degruyter.com

Vorwort Die vorliegende Sammlung von Studien und Dokumenten beruht auf Vorarbeiten, die ich dank eines Stipendiums der Deutschen Forschungsgemeinschaft in Antonias Heimat ungestört unternehmen konnte, herzlich aufgenommen von einigen Freunden und Verehrern der Prinzessin und ihrer Lehrtafel. Nicht wie Drachen haben sie ihre Schätze vor dem Zugereisten verteidigt, sondern gerne ausgebreitet. Auch haben sie nicht die kleinen Funde verachtet, die er beitragen konnte. Dankbar denke ich vor allem an Otto und Isolde Betz, an Matthias Morgenstern und natürlich Reinhard Breymayer. Wilhelm Kühlmann (Heidelberg) und Johann Anselm Steiger (Hamburg) haben meine Forschungen über Jahre nicht nur mit wichtigen Anregungen begleitet, sondern auch geduldig auf eine endgültige Formulierung gedrängt. Im Jahr 2015 hat der Fachbereich Evangelische Theologie der Universität Hamburg die vorliegende Sammlung als Promotionsschrift angenommen. Die bekannte Hilfsbereitschaft der Programmierer und Anwender des Textsatzsystems LATEX hat die Herstellung der Druckvorlage bedeutend erleichtert. Kein Leser sollte das Buch als abschließende Darstellung mißverstehen oder ein Handbuch zu Antonias Lehrtafel erwarten. Vorrangiges Ziel ist die möglichst präzise Formulierung einer Reihe von Fragen und Schwierigkeiten, deren Bearbeitung mir beim gegenwärtigen Stand der Forschung unabweisbar und vordringlich scheint. Untrennbar damit verbunden ist die umfassende Erschliessung und Edition einer Reihe historischer Quellen vorwiegend aus dem Nachlaß Antonias und ihrer Mitarbeiter. Mehr als Zwischenergebnisse sowie Anregungen und Materialien sollte sich der Leser darum nicht erhoffen. Viele weiterführende Fragen und Hinweise mußte ich aus Raumgründen in die Fußnoten verbannen. Zur thematischen Einführung ist das vorzüglich bebilderte Werk von Otto und Isolde Betz unverzichtbar (siehe Betz, 2013), für die Lektüre des vorliegenden Buches zudem ein Blick in die »Technischen Hinweise« im Anhang und die Bereitschaft, den Querverweisen nachzugehen. Ich hoffe, in absehbarer Zeit mit einer Reihe weiterer Studien und Editionen den Kreis zu schließen und dort wieder anzuknüpfen, wo meine Beschäftigung mit Antonias Gelehrtenkreis einst begann, bei der Entzifferung und Deutung von Johann Lorenz Schmidlins Pictura docens im Kreis der unvergessenen Sodalitas Berolinensis (siehe Schmidlin, 2007).

Inhaltsverzeichnis 1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte . . . . . . . . . . 1.1 Antonias Epitaphschrein in Bad Teinach . . . . . . 1.2 Antonias Lehrtafel in zeitgenössischen Predigten . 1.3 Oetingers Buch zur Lehrtafel . . . . . . . . . . . 1.4 Oetinger als unentbehrlicher Textzeuge . . . . . . 1.5 Oetingers Sefirotbeschreibungen . . . . . . . . . 1.6 Die Sefirot in Diskursen, Exzerpten und Inventarien 1.7 Kurzbeschreibungen der Lehrtafel bei Oetinger . . 1.7.1 Herrn Schmidlins Kurtzer Begriff . . . . . 1.7.2 Schmidlins Pictura docens . . . . . . . . 1.7.3 Strölins Turris Antoniae . . . . . . . . . 1.8 Beschreibungen der Lehrtafel nach Oetinger . . . . 1.9 Rückblick und Ausblick . . . . . . . . . . . . .

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1 1 4 9 12 13 24 28 28 30 33 38 53

2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins . . . . . . . 2.1 Antonias Gebetbuch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.1.1 Die Erforschung frühneuzeitlicher Praxis pietatis 2.1.2 Der Nachlaß der Prinzessin . . . . . . . . . . . 2.1.3 Das Gebetbuch im historischen Kontext . . . . . 2.1.4 Zwei akrostichische Gebete für Antonia . . . . . 2.1.5 Deutsche Gebete und gematrische Studien . . . . 2.1.6 Der Kontext frühneuzeitlicher Laienfrömmigkeit 2.1.7 Ein Andachtsformular auf Basis von Psalm 119 . 2.1.8 Psalmen und Sefirot in weiteren Formularen . . . 2.1.9 Psalmengebetspläne in der Laienfrömmigkeit . . 2.1.10 Rückblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2 Strölins Kabbala-Studien . . . . . . . . . . . . . . . . 2.2.1 Die vier Kurzen Erklärungen zu den Sefirot . . . 2.2.2 Das Tableau zu den Gottesnamen . . . . . . . . 2.2.3 Vorbilder für eine Schlüsselstellung der Sefirot . 2.2.4 Die trinitarische Deutung der oberen Sefirot . . . 2.2.5 Rückblick und Ausblick: Die Sonderstellung des Lehrtafel-Projekts . . . . . . . . . . . . . . .

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VIII

Inhaltsverzeichnis

3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt . . . . . . . 3.1 Die Dreieinigkeit im Kontext der oberen Sefirot . . . . 3.2 Adler, Phönix und Paradiesvogel . . . . . . . . . . . 3.3 Die Konzeption von Blick- und Erzählrichtungen . . . 3.4 Gesetz und Evangelium im Kontext der 4. und 5. Sefira 3.5 Das Gebäude im Kontext der 7. und 8. Sefira . . . . . 3.6 Christus und Ecclesia im Kontext der 9. und 10. Sefira . 3.7 Die Vielgestaltigkeit der Liebe und die 6. Sefira . . . . 3.8 Rückblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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4 Der Zwölferkreis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1 Rezeptionsgeschichtlich bedingte Widersprüche . . . . . 4.1.1 Harnischfegers Harmonisierungsversuch . . . . 4.1.2 Joseph und Levi? . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.3 Rückblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.4 Der Befund in der Pictura docens . . . . . . . . 4.1.5 Manasse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.6 Ephraim . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.7 Rückblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.1.8 Manasses und Ephraims Sternzeichen . . . . . . 4.1.9 Tierkreis und Lagerordnung bei Gikatilla . . . . 4.1.10 Tierkreis und Lagerordnung im Antoniakreis . . 4.1.11 Rückblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2 Werkgeschichtlich bedingte Dissonanzen . . . . . . . . 4.2.1 Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4.2.2 Die Anordnung der Edelsteine . . . . . . . . . 4.2.3 Mangelnde Abstimmung von Turris und Pictura? 4.2.4 Pentapolis oder Dekapolis? . . . . . . . . . . . 4.2.5 Ruben mit oder ohne Elch? . . . . . . . . . . . 4.2.6 Mangelnde Vollendung der Lehrtafel? . . . . . . 4.2.7 Pferd oder Fuchs bei Gad? . . . . . . . . . . . 4.2.8 Kürbis oder Rizinus bei Jona? . . . . . . . . . . 4.2.9 Rückblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel 5.1 Raiths Teinacher Einweihungspredigt . . . 5.2 Strölins und Oetingers Kurzbeschreibungen 5.3 Oetingers Kurtzer Begriff . . . . . . . . .

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IX

Inhaltsverzeichnis

6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte . . . . . . . 6.1 Antonia an Andreae vor dem 3. November 1646 . . . 6.2 Wilhelm Koch an Antonia am 29. Juli 1652 . . . . . 6.3 Strölins Kurze Erklärungen zu den Sefirot . . . . . . 6.4 Strölins Tableau zu den Gottesnamen . . . . . . . . 6.5 Strölins Tableau zum Brustschild des Hohenpriesters 6.6 Antonias Sefirottafeln . . . . . . . . . . . . . . . 6.7 Strölin an Schmidlin am 16. Februar 1659 . . . . . . 6.8 Strölin an Schmidlin am 16. Juli 1661 . . . . . . . . 6.9 Strölin an Steudner am 14. April 1662 . . . . . . . . 6.10 Strölin an Spener am 6. Januar 1663 . . . . . . . . 6.11 Schmidlins Nekrolog auf Strölin . . . . . . . . . . 6.12 Steudners Werk zur Kabbala . . . . . . . . . . . . 6.13 Das Tetragramm und die zwölf Stämme bei Gikatilla

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7 Gesamtrückblick und -ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 417 Bibliographie der Quellentexte

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Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 441 Abbildungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 455 Abbildungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 457 Technische Hinweise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 507

Index . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 513

1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte 1.1 Antonias Epitaphschrein in Bad Teinach Im nördlichen Schwarzwald verspricht Bad Teinach noch heute seinen Gästen ungestörte Erholung und Genesung. Der kleine Kurort ist aber nicht nur auf die Heilkräfte seines Sauerbrunnens stolz, sondern auch auf das einzigartige Kunstwerk in seiner Kirche, die christlich-kabbalistische Lehrtafel der Prinzessin Antonia (1613–79). Diese hohe Dame war eine Schwester des regierenden württembergischen Herzogs Eberhards III. (1614–74), und sie liebte den Ort so sehr, daß sie hier ihr Herz bestatten und die Stelle mit einem Epitaph schmücken ließ (s. Abb. 1).1 Man findet es im Chor der Kirche und staunt nicht schlecht über seine Beschaffenheit. Wer sich an andere Grabdenkmäler der Epoche erinnert, wird aber nicht schon von der beträchtlichen Größe des Aufbaus oder vom Sujet des Epitaphbildes überrascht sein (Abb. 2). Denn die Größe ist für eine Herzogin angemessen und die Darstellung von Antonias Krönung durch Christus2 auf dem Epitaphbild ist für einen heutigen Kenner wie auch schon den zeitgenössischen Betrachter selbst dann noch gut verständlich, wenn er nicht in der Lage ist, den 1

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Siehe einführend Axel Gotthard: Art. »Antonia«. In: DHW, S. 152; Raff, 1993, S. 331– 355; Breymayer, 1998, bes. S. 320–322 u. 329–333 (mit einer beinahe erschöpfenden Katalogisierung des Quellenmaterials u. der älteren Forschungsliteratur); Betz, 2013, S. 7– 12; Schauer, 2003, S. 29–56; Gruhl, 2007a; Fritz, 2014; ferner Gerta Scharffenorth / Erika Reichle: Art. »Frau VII«. In: TRE 11 (1993), S. 443-467, bes. 446f.; Conermann, 1988, S. 586, zu Antonia (Gesellschaftsname: »Die Ehrerbietige«); Koldau, 2005, S. 245–250; s. a. hier den Index. Zu Bad Teinach s. v. a. Greiner, 1986; Dehio/Zimdars, 1993, s. v. Bad Teinach, S. 36f. Zu Antonias Geburts- und Tauftag s. die Datierung von Strölins Brief an Steudner vom April 1662, hier S. 385 u. den Kommentar dazu. Sie verstarb am 11. (bzw. 1. nach altem Stil) Okt. 1679. Zur gesonderten Bestattung des Herzens s. Dietz, 1998, bes. zu Habsburgern u. Wittelsbachern S. 89–103, 123–147; Braun, 2007, bes. S. 266 u. 274f.; die Datenbank von Armin Dietz (s. www.herzbestattung.de; 24.06.2016; Nr. 68 zu Antonia); zu den Begräbnisbräuchen der württembergischen Herzogsfamilie s. Schukraft, 1989; zur ungedruckten Leichenrede auf Antonia s. hier S. 7. Zu erhaltenen Zeugnissen für Antonias praxis pietatis s. hier S. 57; zu ihrem Verhältnis zu Andreae s. ihren Brief von 1646, hier S. 307. Zur Größe des Epitaphschreins von etwas mehr als fünf Metern in der Breite und sechseinhalb in der Höhe sowie der Porträtähnlichkeit s. Breymayer, 1998, S. 312. Als Porträt Antonias kommt neben diesem Epitaphbild nur ein Bildnis auf dem Totenbett in Betracht von einem unbekannten Künstler, datierbar auf 1679. Siehe dazu Raff, 1993, S. 331, Anm. 15. Auf eine Korrespondenz zwischen der Gewandagraffe Antonias auf dem Epitaphbild und dem Gebäudeaufsatz auf der Lehrtafel (Krone und Monogramm) hat Betz hingewiesen. Siehe Betz, 2013, S. 80.

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte

Liedtext oben auf dem Bild zu entziffern.3 Antonia repräsentiert demnach im Sinne der christlichen Brautmystik zugleich alle Gläubigen, die sich Christus in treuer Liebe verbunden wissen.4 Die vorbildliche Beschreibung dieses innigen Verhältnisses fand man im Zwiegespräch zwischen Bräutigam und Braut im biblischen Hohenlied; die Szene der Krönung ist Reflex einer Reihe eschatologischer Andeutungen des Neuen Testaments zur Krone, die die Gläubigen erwartet.5 Der zeitgenössische Betrachter staunte allenfalls über das dargestellte vielköpfige Gefolge der Braut. Wer aber die hohen Damen des Württemberger Herzogshauses und seine Bibel näher kannte, vermochte wohl ohne viel Mühe, die meisten dargestellten Personen zu erkennen.6 3

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Den Liedtext s. hier S. 404. Zum Sujet Epitaphbild s. weitere regionale Beispiele bei Lieske, 1973, Abb. 96 und 97. Daß hier »JESU Braut mit ihren Gespielinnen« dargestellt werde, hat auch der erste Beschreiber des Bildes, Friedrich Klemm, richtig erkannt. Siehe Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 85. Kunsthistorisch werden solche Porträts, für die es schon antike, verstärkt aber ab dem Spätmittelalter Beispiele gibt, ›Rollenporträts‹ genannt; s. dazu etwa Tasch, 1999; Herfried und Marina Münkler: Art. »Porträt«. In: Münkler/Münkler, 2005, S. 319–326; bes. für Antonias Schrein v. a. Decker-Hauff, 1992; Schauer, 2003, bes. S. 163. Analog steht die Figur im Gartentor unten auf der Lehrtafel für jeden Gläubigen, ist aber so gemalt, daß man auch in diesem Fall an Antonia denken kann. Korrekt spricht Schäufele von einer »in Antonia exemplarisch verkörperten anima devota« (Schäufele, 2001, S. 72). Siehe dazu hier S. 148. Siehe einführend den Art. »Brautsymbolik« in: LThK, Bd. 2 (1994), Sp. 664–666 (Ulrike Bechmann, Marianne Heimbach-Steins). Zur frühneuzeitlich-lutherischen Brautmystikrezeption s. Ernst Koch: Beobachtungen zum Umgang mit dem Hohenlied in Theologie und Frömmigkeit des Luthertums im 16. und 17. Jahrhundert. In: Koch, 2005, S. 285– 306; die theologischen Kernpunkte erörtert bündig etwa Hunnius, 1608, Sp. 694f., zu Joh 3,29. Formulierungen für die Praxis pietatis s. etwa bei Gerhard, 2000, Bd. 1, S. 82–86, u. Schuster, 2006, S. 90–93. Siehe ferner hier S. 75, 91, 101, 162. Die zugrundeliegende allegorische Auslegung des Hld setzt den Bräutigam mit Christus und die Braut mit Israel, der Kirche oder auch der einzelnen »Seele« (ψυχή, »anima«) gleich. Ohne Schwierigkeiten können so weibliche wie männliche Christen als Braut angesprochen werden. Siehe dazu beispielsweise Gerhard, 1613, S. 290: »Ja sprichstu/ ich hatte verhoffet/ mein Sohn solte noch zu stadlicher [sic] Heyrath geraten seyn? Las dir lieber seyn/ daß seine Seele als eine liebe Braut zu der Hochtzeit des lambs eingefürth/ Jn summa du kanst nichts liebes noch gutes finden auff dieser Welt/ daß du deinen Kindern wündschest/ sie habens viel lieber vnd besser bey Gott/ wenn sie zu jhm durch den Tod gefordert werden.« Siehe dazu Schüz, 1991, S. 8f.; Betz, 2013, S. 31–36; Schauer, 2003, S. 88–92 u. 258. Zu den Rollenporträts s. hier weiter oben (Anm. 4). Entwürfe für eine Auflistung und eine poetische Beschreibung des Brautzuges finden sich in Strölins Nachlaß (s. heute WLB Cod. hist. fol. 551, S. [103r ]–[104v ] u. [77r ]–[78v ]; s. zu seinem Nachlaß hier S. 13). Die Auflistung wird auch in der Korrespondenz erwähnt (s. hier S. 367 u. den Kommentar; ferner S. 172f., 371 u. 382). Die literarische Beschreibung und/oder bildliche Darstellung festlicher Umzüge ist in der Frühen Neuzeit beliebt. Es sei nur kurz verwiesen auf die kommentierten druckgraphischen Beispiele bei Harms/Schilling, 1989, S. 474f. (um 1590), 432f. (1621), 434f. (1625). Für Württemberg s. die Antonia sehr wahrscheinlich bekannten literarischen Festbeschreibungen bei Oettinger, 1610, u. Krapf/Wagenknecht, 1979.

1.1 Antonias Epitaphschrein in Bad Teinach

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Kaum zu entziffern ist heute eine weitere Beschriftung: Zwischen Christus und Antonia liegt unten eine Dornenkrone. Auf ihr steht: »CONSVMMATVM EST« als Zeichen, daß nun die Leidenszeit für die verstorbene Person vorbei sei wie einst für Christus.7 Diese Krönung konnte zeitgenössisch auch ohne brautmystische Komponente im Totenlob entfaltet werden, so in dem folgendem Casualgedicht Matthäus Esenweins. Hier wird Johann Daniel Andler gefeiert, ein verdienter Württemberger Beamter. Wie Antonias Epitaphbild vermittelt auch dieses Sonett die Freude über die Wendung zum Guten und die Erleichterung des Es ist vollbracht:8 CHristo/ den zu unserm Haupt Gott sein Vatter hat gesetzet/ Wurde in der Leidens Stund/ da sein Zihl herbey geruckt/ Eine Cron vom Dornenstrauch in sein heilig Haupt getruckt/ Die mit grosser Schmertzen=Pein Ihne umb und umb verletzet. Doch es wehrt ein kleine Zeit; bald darauff wurd er ergötzet/ Dann deß Vatters liebe Hand namb hinweg die Schmertzen Cron. Krönet Ihn mit Ehr und Schmuck/ setzt Ihn in deß Himmels=Thron: Sehet! wie so hoch vor Gott ward deß Menschen Sohn geschätzet! Gleich so ist der Glieder Pracht: Andler kan deß Zeuge seyn/ Der geweste Schmertzen=Sohn/ den umbgaben Qual und Pein/ Welche seinen matten Leib gleich der dornen [sic] Grimm geritzet/ Doch es hat sich bald gewendet/ Er verwechselt wol die Erd Mit deß Freuden Himmels Platz/ frey von aller Klag=Beschwerd/ Und in schöner Lebens Cron JEsu zu der Seiten sitzet.

Antonias staunenswerte christlich-kabbalistische Lehrtafel verbirgt sich hinter dem beschriebenen Epitaphbild. Der Epitaph-Aufbau ist nämlich als Schrein mit Flügeltüren ausgeführt. Türflügel und Innenraum sind mit Gemälden bedeckt wie bei manchen Hochaltären. Das Epitaphbild nimmt dabei die Außenseiten beider Türflügel ein. Auf deren Innenseiten flankieren die Darstellungen der Flucht der heiligen Familie nach Ägypten (links) und der Auffindung Moses im Schilf (rechts) bei geöffnetem Schrein die Lehrtafel mit ihrer Fülle von Szenen und Figuren (s. Abb. 3).9 Diese drei Gemälde im Schrein bereiten bis zum heutigen Tage den Betrachtern erhebliche Mühen. Das betrifft sowohl das Verständnis des Ganzen wie auch zahlreicher Details. 7

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Siehe Joh 19,30 nach dem Text der lateinischen Vulgata; s. auch schon die in der Sache zutreffende Deutung bei Schauer, 2003, S. 136f. Siehe Andler, 1668 (L), S. 40, Epicedium Nr. XII. »Glieder« meint nach der paulinischen Körpermetaphorik (s. v. a. 1 Kor 12) die Christen im Unterschied zu Christus als dem Haupt. Zu den Inschriften am Schrein s. Betz, 2013, S. 28f.; ferner Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 85; Bd. 2, S. 577f., sowie hier zum Anagramm auf Antonias Namen, S. 83. Zu den flankierenden Gemälden s. hier S. 48, 177 u. 273. Zur kunsthistorischen Gattung s. u. Anm. 12.

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte

1.2 Antonias Lehrtafel in zeitgenössischen Predigten Als die Prinzessin im Jahre 1673 ihren Schrein in einem feierlichen Weiheakt der Teinacher Kirchgemeinde übergeben ließ, war ihr natürlich bewußt, daß zumal das Zentralgemälde Rätsel aufgeben würde. Als Stifterin hat sie es nicht an Versuchen fehlen lassen, wenigstens einige Handreichungen zu bieten. Diese blieben jedoch ungedruckt.10 Einzig die Einweihungspredigt Balthasar Raiths kam in die Presse.11 Aus ihr war immerhin zu erfahren, daß und inwieweit das Zentralgemälde nicht etwa nur ein weiteres Epitaphbild hinter dem äußeren Epitaphbild sei, sondern eine ›Lehrtafel‹,12 und daß diese Tafel eine kabbalistische Zentralfigur enthalte.13 »Urheber und Entwerffer diser Lehrreichen Tafel« ist nach Raith Antonias Hebräischlehrer, Johann Jakob Strölin.14 Wer von dieser Predigt eine lichtvolle Einführung in die christliche Kabbala erwartet und uneingeschränktes Lob für die Stifterin und ihre Stiftung, kommt nicht ganz auf seine Kosten. Raith läßt es zwar nicht am pflichtschuldigen Respekt gegenüber der Prinzessin fehlen, eine vorbehaltlose Anerkennung oder Zustimmung zollt er dem Unternehmen einer christlichen Kabbala dabei jedoch nicht.15 Man kann in seiner Predigt einen guten Teil der Urteilsschemata wiederfinden, mit welchen der Durchschnitt christlicher Theologen nicht nur in der Barockzeit gewöhnlich auf Kabbalistisches reagierte. Dazu gehört erstens die mal reserviert-herablassende, mal mehr schroffe Infragestellung des besonderen Rufes, der der Kabbala spätestens seit den Darstellungen Pico della Mirandolas und Johann Reuchlins vorauseilte:16 die Kabbala als uralte geheime Überlieferung von Lehren und Prozeduren jüdischer Weiser, wenn nicht gar Moses oder Adams, mit deren Hilfe sich nicht nur gegenwärtige Kontroversen zwischen den philosophischen und theologischen Schulen überwinden, sondern auch bislang verschlossene Zugänge zu überirdischen Erkenntnissen und Kräf-

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Mehr dazu s. hier S. 12. Zu Antonias Stiftungstätigkeit s. hier weiter unten S. 35. Siehe Raith, 1673, bes. S. 2, hier S. 239, mit weiteren Detailinformationen. Siehe Raiths vergleichender Hinweis auf die Tabula Cebetis (Raith, 1673, S. 1, a. E.). Siehe dazu hier S. 240; zur kunsthistorischen Einordnung der Lehrtafel s. hier S. 46. Siehe Raith, 1673, bes. S. 3ff. Zu den Einzelheiten s. den Kommentar zur Edition der Predigt, hier S. 239. Raith, 1673, S. 8. Zu Strölin (10.12.1620 – 31.1.1663 jul.) s. jetzt Gruhl/Morgenstern, 2006, S. 104–106; Gruhl/Woolston, 2007, S. XIIIf.; Gruhl, 2007a, S. XXI–XXVI; Brecht, 2008, S. 262; weiteres zumal zu seinem Nachlaß s. hier S. 13 (Anm.). Siehe dazu bereits meine Ausführungen in Gruhl, 2007a, S. XXXIf. Weitere Forschungsliteratur zur jüdischen und christlichen Kabbala s. hier S. 118; zum frühneuzeitlichen Verständnis s. Anm. 17. Zum möglicherweise auch bei Raith im Hintergrund stehenden frühneuzeitlichen Antisemitismus und seinen Wurzeln s. Kaufmann, 2006, S. 112–154, bes. 149. Zu Pico u. Reuchlin s. jetzt Schmidt-Biggemann, 2012, S. 70–207; u. hier die nächste Anm.

1.2 Antonias Lehrtafel in zeitgenössischen Predigten

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ten gewinnen ließe.17 Davon distanziert sich auch Raith: Es handele sich um eine »unmässig=gerühmte« Lehre.18 Zweitens konnte und wollte man aber dem Studium der Kabbala nicht jeglichen Nutzen absprechen. Vor allem sei sie ja die passende »Waffe« im Religionsstreit mit einem Judentum, das zu Verstockung und Aberglauben neige und sich nicht auf einen Disput nach akademischen Spielregeln verstehe.19 Nun 17

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Zum frühneuzeitlichen Kabbalabegriff s. v. a. die Lexikon-Artikel in Alsted, 1630, S. 2270– 2273; Micraelius, 1661, S. 224f.; Zedler, Bd. 5, S. 5–8; s. a. ebd., Bd. 37, S. 255–259, den Art. »Sephiroth«. In Zedlers Artikeln sind ziemlich alle wichtigen Referenzwerke der Epoche genannt, wobei für das 17. Jahrhundert etwa noch zu ergänzen wären: Buxtorf, 1708 (Bibliographie); Schickard, 1624, S. 60–78; Jezira, 1642, S. 3–81; Glassius, 1643, S. 351, 365ff., 421, 427–444; Hottinger, 1658, S. 31–38; Hackspan, 1660, S. 282–454. Als Textsammlungen sind wichtig: Pistorius, 1587; Jezira, 1642; Knorr, 1677; Knorr, 1684. Daß das üblicherweise nur transkribierte hebräische !‫( קַּבָלָה‬Cab[b]ala[h] oder Kab[b]ala[h]) bei den Juden erst einmal nicht mehr als eine von Mose oder auch anderen Autoritäten empfangene mündliche Überlieferung meint, war bekannt. Siehe Pico della Mirandola Oratio de hominis dignitate, 41,267 (Pico, 1969); Reuchlin, 2010, S. 68; ferner den ersten Satz der Definition Alsteds (Alsted, 1630, S. 2270): »Kabbala est doctrina accepta ab alio, per manum videlicet seu vivâ voce.« Raith, 1673, S. 7 (hier S. 248). Im Gegensatz zum heutigen, religions- und philosophiegeschichtlich präzisierten Begriff bestand in der Frühen Neuzeit die Tendenz, unter ›Kabbala‹ einerseits viel weitere Bereiche der frühjüdischen und mittelalterlich-jüdischen theologischen Literatur einzuordnen (zudem auch Teile der griechischen, insbesondere der hermetischen Literatur), andererseits die Bezeichnung auf Mystisches, Alchemisches, überhaupt Geheimnis- und Gefahrvolles, zuletzt auch Abwegiges und Ränkevolles auszuweiten. Im systematischen Aufriß von Alsteds Enzyklopädie steht die Kabbala zwischen Magie und Alchemie (s. Alsted, 1630, tom. VII, lib. XXX, sect. 4, S. 2270–2273). Siehe dazu Scholem, 1925, passim, und jetzt Dan, 2007, S. 86f. u. 91; ferner die Kabbala-Artikel in JE, Bd. 3, Sp. 456–479 (s. v. CABALA; Louis Ginzberg); HdA, Bd. 4, Sp. 897–906 (Jacoby); HWPh, Bd. 4 (1976), Sp. 661–666 (Friedrich Niewöhner); DWB, Bd. 2, Sp. 601 (s. v. »cabale«). Weitere Literatur speziell zur christlichen Kabbala s. hier S. 118. Bildungsgeschichtlich bedeutsam ist die Beobachtung, daß im 17. Jahrhundert die Kenntnis des Hebräischen und der jüdischen Literatur bis hin zur Kabbala wichtiger Bestandteil des Gelehrtenideals war. Siehe dazu Gruhl, 2011, S. 279, 286–290, ferner auch den Nachruf auf Strölin (Strölin, 1664 (L), hier S. 399). Symptomatisch sind zumal die Epicedia auf Strölin (s. ebd.) wie auch der Widerhall in der Romanliteratur: Der Held des Rosenkreuzerromans wird in die Kabbala eingeführt (s. Andreae, 1615, S.18f. u. 31; dazu Kühlmann, 1995, S. 50–58; weitere Lit. zu Andreae s. im Kommentar zu Antonias Brief an Andreae, hier S. 307). Grimmelshausens Simplizissimus läßt sich auch mal mit der Kabbala ein (5. Buch, Kap. 19). Die kritische Einsicht in den mittelalterlichen bzw. auch frühneuzeitlichen Ursprung der allermeisten erhaltenen kabbalistischen Schriften gewann erst im Verlauf des 18. und 19. Jh.s an Boden. Siehe dazu Schmidt-Biggemann, 2013b, bes. S. 308–319 zur kritischen Destruktion bei Jakob Brucker. Zu den kabbalistischen Sefirot s. hier S. 7 (Anm.) u. 17. Siehe Raith, 1673, S. 7 (s. hier S. 248, Z. 306–314). Ein Beispiel für eine solche Einsatzmöglichkeit der Kabbala ist die Deutbarkeit der drei oberen Sefiroth der Kabbala als trinitarischer Struktur und der Nachweis, daß Jesus Christus der Messias sei. Siehe Steudner, 1665, S. [367]: »Wir Christen brauchen die Cabbalam fürnemlich darumb / das wir die Juden da-

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte

kann sich Raith als Festredner aber keineswegs mit dem Hinweis auf diesen Nutzwert begnügen. Denn Antonias Lehrtafel ist offensichtlich mehr und anderes als eine Bastion im Kampf gegen ein verstocktes Judentum. So verfällt Raith darauf, den Nutzwert der Lehrtafel vor allem im Kampf gegen das Vergessen zu sehen:20 Nicht zwar/ daß wir vonnöthen hätten unsere Glaubens=Articul und Religions=Geheimnussen auff die Cabal als einen Grund zusetzen/ sintemahl wir ein vester Prophetisch Wort haben/ nemblich den Grund der Apostel und Propheten/ darauff wir gebauet/ und folgen so wenig/ als Petrus [2 Petr 1,16–19]/ klugen Fabeln; sondern daß wir Symbolische Bilder und Emblematische Gemähld/ (nicht so wohl die Augen zuergötzen/ als durch dise Illuminirung unsere Grund= und Lehr=Sätze zuillustrieren/ und die schwache Gedächtnuß zustärcken) darauß nemmen/ und an disen Häcklein desto vester behalten/ auch desto leichter uns wider erinnern mögen.

Wohin Raith hier mit den »Fabeln« zielte, kann für den Kenner zeitgenössischer Abhandlungen zur Kabbala nicht zweifelhaft sein. Daß die Kabbala weithin aus Fabeleien und Hirngespinsten bestehe, ist der beliebteste Einwand bzw. Vorwurf, den man gewöhnlich ins Feld führt, und zugleich ein weiteres, unverzichtbares Element üblicher Urteilsschemata.21 Häufig wird damit noch die Warnung vor abergläubischen Praktiken verbunden. Auch sie fehlt bei Raith nicht.22 Noch ein weiteres Element üblicher Beurteilung schließt sich an: Die

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mit überzeugen und reintreiben können / als welche mit Cabbalistischen Speculationibus viel eher als mit hellen Gründen und Sprüchen der Schrifft / können gewonnen werden. Davon kan man lesen Ludovicum Carrer, einen Welschen / im Buch de visionibus Dei, welcher zuvor ein Jude gewesen / durch die Cabbalistische Meditationes aber von der H. Dreyfaltigkeit und dem HERRN Messia beweget worden / der Göttlichen Lehr in H. Schrifft desto mehr beyfall zugeben.« Zu Steudner s. im Kommentar zu Strölins Brief an Steudner, hier S. 382; zu Carrer (Carreto) hier S. 248. Auch Strölins Beschäftigung mit der Orientalistik wird zeitgenössisch aus seinem Bestreben motiviert, die Juden zu widerlegen. Siehe Strölin, 1664 (L), S. 31, hier S. 399, dazu Gruhl, 2007a, S. XXXff.; s. a. Strölins Bezug auf Rabbi Elchanon, hier S. 383. Siehe jetzt dazu Schmidt-Biggemann, 2012, S. 263–346. Zur Rechtfertigungsstrategie Athanasius Kirchers s. jetzt Schmidt-Biggemann, 2013a, S. 328–332. Kircher beruft sich auf sein wissenschaftliches Interesse als Orientalist und zumal Ägyptologe. Eine derartige apologetische und/oder wissenschaftliche Interessenlage kann sich in Einzelfällen mit der einen oder anderen zeitgenössischen Spielart eines Philosemitismus verbinden, z. B. im Rahmen einer missionarischen Absicht. Siehe dazu Schoeps, 1952, bes. seine Typologie S. 1f.; Coudert, 1999b. Zu gegenläufigen Bewegungen s. o. Anm. 15. Raith, 1673, S. 8. Zur Memoria-Funktion der Bilder in der Theologie Martin Luthers s. jetzt zur Mühlen, 2011, S. 196–198. Siehe dazu mit Belegen Gruhl, 2011, S. 288–291. Dabei ist der Topos von den ›unnützen jüdischen Fabeln‹ kein Spezifikum der Polemik gegen die jüdische Kabbala. Schon Origenes kommt er beispielsweise gelegen, um die jüdisch-rabbinische Bibelauslegung zu diskreditieren. Siehe dazu jetzt Stemberger, 2009, S. 208. Siehe Raith, 1673, S. 7f.: »So wollen wir auch nicht mit Iohanne Reüchlin, dem Weiland gewesenen Würtembergischen Rath/ abergläubisch seyn/ der die Anfangs= und

1.2 Antonias Lehrtafel in zeitgenössischen Predigten

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Kabbala stand in dem Ruf, in Darstellung und Inhalt dunkel und verzwickt zu sein. So weist Raith am Ende auf die Gefahr hin, daß für so manchen Betrachter Antonias Lehrtafel voller Rätsel bleiben müsse und so mancher in ihrem Labyrinth »einen müden Kopff« bekommen werde.23 Schwerlich nur aus Zeitgründen konnte und wollte sich also Raith auf die Rätsel der Lehrtafel nicht tiefer einlassen. Der Hauptteil seiner Predigt bietet eine knappe Auslegung von zehn Sinnbildern »im Cabalischen Geheimniß=Baum«,24 welche die Zuhörer wohl auch auf Handzetteln unmittelbar vor Augen hatten und nach der Zeremonie mit den zehn Hauptfiguren auf der Lehrtafel im Chorraum der Kirche vergleichen konnten.25 Genuin Kabbalistisches kommt dabei kaum mehr als unbedingt erforderlich zur Sprache und weithin eben nur zur ergötzlichen Illustration und erneuerten Erinnerung vertrauter christlicher Glaubenssätze. Einige Jahre später wird der mit dem Nachruf auf Antonia beauftragte Prediger in seiner kurzen Behandlung der Lehrtafel deren Verwurzelung in der christlichen Kabbala beinahe gänzlich ausblenden: [8v ] Wir haben ein unwiderlegliches zeugnis, des grossen heydenlehrers, der uns vergewissert, wir seyen schon seelig, aber in der hoffnung. Deswegen hat die lobseelige Prinzessin, damals noch vor erreichung ihres Jubel=jahrs, das ist, des funfzigsten, dergleichen gedanken bey sich geheget, um sich durch eine geheimnis=tafel solches fest geglaubten und warhaftig ewige leben, den augen schrifftmässig vorzustellen; wie dann in der kirchen des Deinacher Saurbrunnens, im jahr 1673. dero Regierender herr bruder, nur ein jahr von seinem seeligen ende dieses lebens, solche geheymnis=tafel hat lassen, mittelst einer gehaltenen predig, einweihen und zu ewiger gedächtnis dahin setzen, wie selbe im offentlichen druck herfur kommen.

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Ends=Buchstaben der fünff ersten versiculn Geneseos auff Jungfern=Pergament geschriben am Hals bey sich getragen/ als ein Amulet, weiß nicht für was;« Näheres dazu s. hier im Kommentar zur Stelle, S. 262; s. a. Strölins Tableau, hier S. 359, Sp. 7, Z. 9 (Kommentar); zu Athanasius Kirchers zeitgenössischer Kritik an derlei magischen Praktiken s. Schmidt-Biggemann, 2013a, S. 370f. Siehe Raith, 1673, S. 10 (s. hier S. 252): »Dise Lehrreiche Tafel wird dem/ der darinn lesen will/ an statt eines Buches seyn/ [...] daß seinem Leser und Beschauer verwesen kan ein Histori=Thier=und Kräuter=Buch; und wanns sonst heißt: Pro captu Lectoris habent sua fata libelli: also wirds dem einen ein verschlossen/ dem andern ein geöffnet Buch seyn/ [...]. Jst jemand von ankommenden Trinck=Gästen dises Ortes hinfüro/ der Rätzel [...] begierig/ der kan sich allhie zuversuchen Rätzel genug finden/ [...]. Wer in diesen ineinander geflochtenen Cabalistischen Gängen als ambulacris spatzieren will/ mag wol keine müde Füß/ aber leichter einen müden Kopff machen;« Raith, 1673, S. 2. Damit meint Raith das System der zehn kabbalistischen Sefirot (!‫ספירות‬, Plural von !‫ספירה‬, Sefira). Zum frühneuzeitlichen Verständnis s. innerhalb der oben bereits genannten Literatur zur Kabbala etwa den Artikel »Sephiroth«. In: Zedler, Bd. 37, S. 255– 259; im Umkreis Antonias s. v. a. Steudner, 1665, S. [38], [41]–[49], [73], [96]f., [116], [123], Tafel nach [304], s. a. hier S. 411, u. die vielfachen Rezeptionsspuren in den Artefakten und Dokumenten des Gelehrtenkreises um Antonia (s. dazu hier weiter unten). Siehe hier Abb. 4 und dazu S. 254.

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte Nun hat zwar diese tafel, als eine sinnreiche erfindung, unserer hochwehrtigsten Prinzessin, viel geheymnissen in sich, so wohl der Schrifft, als der Natur; wir wollen aber, nur die schrifft=bildnissen, wordurch das ewige leben wird vorgestellet, allhiere wie unsere Prinzessin, bey wehrenden Ihren leben, unzehlich mahl gethan hat, ihre zur nachfolge, dismal zu guter lezte betrachten. Als dieselbe ihren funfzigsten geburts=tag begienge, ware dise tafel schon in ihrer vollständigkeit, allwo mittler=weil, die zehen haupt=bilder, also erklärt wurden, das dardurch die feyrung des rechten jubeljahres (so das ewige leben bedeutet) Ihro angewünschet werden. Dergestalt nehmlich, das Ihrer Durchl[aucht]. der Vatter des liechts die beste gaben mittheilen; der aufgang aus der höhe selbe erleuchten; die krafft des geists selbige überschatten; die erscheinung bey der urtauff dieselbe verkläre; die wegzeigende feuersäule dieselbige regieren; der unverbrennliche Busch solche bescheinen; die Englische heerscharen des lamm gottes preis verkündigen; die vollkommene schönheit aus zion beehren; das wort des lebens, in beyden testamenten endhalten, bedencken; und leztlich dieselbige durch die Sonne der gerechtigkeit bestrahlen wolle; welches alles aber erst, im ewigen leben, dessen das jubeljahr ein Vorbild ist, thätlich wird erfolgen. Eben in disem geheymnis=gemäld, finden sich solche bilder, welche alle, samt und sonders, den zustand des ewigen lebens vorstellen: da liegt Sathan, fleisch und welt besiegend, da ist das sündenübel und dessen straf verbannet, da ist fried, freud, erb, reich, leben, kron und thron beysamen, da ist das rechte paradis, die feyrung des ruhigen sabbats, das recht gelobte land, der verklärungsberg tabor, da ist des Vatters haus, so viel wohnungen hat, da ist das heiligthum und die bundes=lade, da ist der Engel gruss, der ausserwehlten kuss, der verklärte leib, die geschmückt Seel, und das ewige anschauen gottes von angesicht zu angesicht, und mit einem wort Gott alles in allen:26

Von Antonia und ihrer Stiftung blieb im kollektiven Gedächtnis kaum mehr haften als das Gerücht von einer württembergischen Prinzessin, die unverheiratet blieb, ihre Zeit am liebsten mit hebraistischen Studien zubrachte und ein geheimnisvolles Gemälde als Denkmal ihrer staunenswerten Gelehrsamkeit hinterließ in einem kleinen Ort abseits der großen Straßen und aktuellen Debatten.27 26

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Der Text dieser Leichenpredigt ist heute nur als anonyme, unpaginierte Handschrift im Hauptstaatsarchiv Stuttgart greifbar (Württembergisches Hausarchiv, Bestände über einzelne Personen, G 86, Bü. 1, Fasz. 1; Paginierung und Absatzgliederung von mir). Mutmaßlicher Verfasser ist der Hofprediger Christoph Wölfflin. Siehe dazu Raff, 1993, S. 331, Anm. 14; ferner hier S. 124. Das »zeugnis, des grossen heydenlehrers« meint Röm 8,24. Die Bezeichnung der Lehrtafel als »geheimnis=tafel« oder »geheymnis=gemäld« findet sich schon in einem Brief Magnus Hesenthalers (an Antonia vom 1.12.1662; WLB Cod. hist. fol. 551, S. [62v ]). Wie bei Raith meinen die »zehen haupt=bilder« die zehn kabbalistischen Sefirot – der einzige, versteckte Hinweis auf Kabbalistisches in dieser Beschreibung. Über die hier erwähnte Erklärung der Sefirot im Rahmen der Feierlichkeiten zu Antonias fünfzigstem Geburtstag ist meines Wissens nichts weiter bekannt. Eine ungefähre Vorstellung davon, wie man im Kreis um Antonia die Sefirot zu Gratulationszwecken ausdeutete, vermitteln Sefirotbeschreibungen von Antonias und Strölins Hand. Siehe dazu hier S. 123. Zur Entstehungsgeschichte der Lehrtafel im Vorfeld von Antonias großem Geburtstag im Jahr 1663 s. hier S. 121. Zur strittigen Frage, ob die Lehrtafel »eine sinnreiche erfindung, unserer [...] Prinzessin« sei, oder nach Raith (s. oben) auf einen Entwurf Strölins zurückgeht, s. hier S. 11. Siehe den Tenor eines Großteils der von Raff gesammelten Rezeptionszeugnisse (Raff, 1993, S. 331–355) u. den Art. »Antonia«. In: Zedler, Bd. 2, S. 670; zu einigen weiteren zeitgenös-

1.3 Oetingers Buch zur Lehrtafel

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1.3 Oetingers Buch zur Lehrtafel Im Jahr 1763 kamen zwei junge Theologen in die Kirche von Bad Teinach: Jakob Friedrich Klemm und Andreas Knoderer wollten die bis dato unerforschte Fülle der Figuren, Szenen und Sinnbilder auf Antonias Lehrtafel kartographieren und das merkwürdige Gemälde vor dem Vergessen bewahren. Klemm an Friedrich Christoph Oetinger: Ich halte auch die Sache für würdig genug, es auch durch den Druck und einen pünctlichen Riß des gantzen Gemähldes bekannt zu machen, und den Augen der heutigen Gelehrten darzulegen. || Es wäre Schade, wenn ein solches Denckmahl einer gantz seltenen Gelehrsamkeit in der Hebräischen Sprache und Jüdischen Gottes=Gelahrtheit, welche eine Würtembergische Princeßin erlanget, nicht sollte der Vergessenheit entzogen werden. Denn ich halte es für das einige Beyspiel in seiner Art, und ich zweifle, ob man heutiges Tages unter allen Gelehrten nur etliche wenige finden würde, die so viel Einsicht in dieser Sache besitzen, als diese Princeßin durch obgemeldte Cabbalistische Tafel an den Tag geleget hat. Ich habe deßwegen mit Zuziehung eines Magistri die gantze Tafel nach dem verjüngten Maaßstab so pünctlich, als die Menge der Sinnbilder es zuließ, in einen Riß zu bringen gesucht, um mir von Denenselben eine desto umständlichere Erklärung darüber auszubitten, wann Sie es Selbsten vor dem Gesicht haben, und es, wenn es sich schickte, auch in Kupfer stechen zu lassen.28

Die Mühen in Bad Teinach zahlten sich aus. Der Riß lieferte die Vorlage für einen prächtigen Kupferstich. Er wurde in Gestalt einer großen Falttafel ein wichtiger Teil von Oetingers Buch zu Antonias Stiftung (s. Abb. 5)29 nebst einem »Blättlein, worauf die Numern [sic] des Kupffers [...] erklärt seynd«.30 Zu

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sischen Reaktionen s. Kayserling, 1897. Siehe ferner Breymayers Darstellung der Rezeption von Lehrtafel und Oetingers Beschreibung in Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 6–14, sowie jetzt seine Ausführungen in Breymayer, 2010. Siehe auch die Leichenrede auf Strölin (Strölin, 1664 (L), hier S. 399). Klemms Brief an Oetinger (hier gleich im Folgenden zitiert) spiegelt den Hauptgehalt von Antonias Nachruhm um die Mitte des 18. Jahrhunderts. Klemm an Oetinger am 21. Juli 1763 (Oetinger, 1763, S. 7f.; Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 84). »Denenselben« meint den Adressaten. Oetinger reklamiert für sich, die beiden Magister zu dieser kartographischen Ersterkundung »veranlaßt« zu haben (ebd., Bd. 1, S. 264, Z. 9). Mehr zu Klemm und Knoderer s. ebd., Bd. 2, S. 553 u. XVI. Zur Frage der Autorenschaft für die dem Riß beigegebene ikonographische Legende s. hier S. 272. Im Inhaltsverzeichnis nennt Oetinger ihn an erste Stelle und erweckt so den Eindruck, als befände sich der Stich am Buchbeginn (s. Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 264). Im mir vorliegenden Exemplar der UB Tübingen ist er aber am Werkende eingebunden (Oetinger, 1763, nach S. 430). Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 264. Im mir vorliegenden Exemplar der UB Tübingen steht der erklärende Text unten auf der Falttafel, nicht aber – wie man nach Oetingers Angabe vermuten könnte – auf einem separaten Blatt. Auf »in dem Riß hin und wieder gesezte Zahlen und Buchstaben« bezieht sich bereits Klemm in seinem Brief (ebd., S. 84). Diese Legende s. in einer Neuedition hier S. 266 (rechte Spalte). Zu den darstellerischen Ungenauigkeiten

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte

mehr als hundert Details bietet die so beigegebene Legende ikonographische Erstinformationen. Auch noch dem heutigen Betrachter der Lehrtafel ist dieser Riß unentbehrlich. Er wird darum noch immer verbreitet, wenn auch aller teuren Pracht entkleidet: Die Magie des Kupferstiches wurde geopfert, das Format reduziert (s. Abb. 6)31 und die Legende an neuere Erkenntnisse sporadisch angepaßt, um ein zeitgemäßeres Vademecum vorzulegen, brauchbar und billig.32 Die ursprüngliche Form und Verbundenheit mit einem Werk Oetingers wird heute allenfalls kurz erwähnt.33 Dieses Werk bietet allerdings keine groß angelegte, monographische oder systematische Analyse der Lehrtafel, sondern eine Reihe von Abhandlungen und Dokumenten, die das Gemälde mal enger, mal lockerer umspielen. Die »manchmal labyrinthisch anmutenden Gänge des Buches« machen es dem Leser nicht einfach.34 Nach Otto Betz, der sich sowohl in der Antonia- wie der Oetingerforschung einen Namen gemacht hat, war Oetingers Werk »als ganzes seinen Zeitgenossen ebensowenig verständlich wie die Lehrtafel selbst.« Immerhin sei das Schlußkapitel für ein Verständnis der Lehrtafel wertvoll gewesen, habe es »doch einen gewissen Zugang zur Lehrtafel für spätere Generationen eröffnet«.35 In diesem Kapitel bewahrt Oetinger einige Dokumente aus dem Umkreis Antonias auf, wenn zumeist auch nur in Auszügen und freien Bearbeitungen. Dem heutigen Leser hilft zumal die monumentale kommentierte Neuausgabe des Werkes durch Reinhard Breymayer und Friedrich Häußermann in vielen Fällen weiter.36 Den Ariadnefaden für Oetingers Labyrinth nennt Häußermann

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bzw. Freiheiten des Risses gegenüber der Lehrtafel s. Lieske, 1973, S. 143, Anm. 1, sowie hier den Kommentar zur Neuedition. Diese lithographierte Variante s. in Oetinger, 1858, nach S. 398; dazu Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 21. Zu Aufwand und Kosten des Kupferstiches s. ebd., Bd. 1, S. 264, u. Bd. 2, S. 553; zur Magie Cossmann, 1947, bes. S. 67. Siehe dazu hier S. 266 im Kommentar. Siehe Betz, 2013, S. 14; Schauer, 2003, S. 15. So urteilt Häußermann in seiner Einführung (Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 32). Ein zeitgenössischer Leser konnte das Buch aber sogar als »Chaos« empfinden. Siehe dazu Breymayer, ebd., S. 11. Ähnlich kritisch fällt auch das Urteil in der neuesten Darstellung aus bei Schmidt-Biggemann, 2013b, S. 328–346, bes. 336. Für Schmidt-Biggemann (ebd.) bleibt fraglich, ob die mangelnde Klarheit des Werkes einer verhüllenden Absicht entspringt oder »ob die rhapsodische Form aus der Schwierigkeit geboren war, die böhmistischkabbalistische Naturphilosophie systematisch auszuarbeiten [...].« Betz, 2013, S. 13f. Siehe Oetinger, 1977a. Zu vereinzelten Defiziten s. jetzt Schmidt-Biggemann, 2013b, S. 338, Anm. 25, u. hier weiter unten zur Kommentierung der Dokumente am Werkende. Zu Oetinger s. jetzt Reinhard Breymayer: Art. »Oetinger«. In: Killy-Kühlmann, Bd. 8 (2010), S. 686f.; Oetinger, 2010, u. Kummer, 2010; Weyer-Menkhoff/Breymayer, 2015; zu Oetinger und Antonia jetzt v. a. Betz, 2002, u. Schauer, 2005.

1.3 Oetingers Buch zur Lehrtafel

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in seiner Einführung: »Tatsächlich stehen die 10 Abgläntze Gottes, d. h. die zehn Sephiroth [...] im Mittelpunkt, oder doch im Hintergrund, der manchmal anscheinend ohne Zusammenhang aneinander gereihten Stücke von OETINGERS Lehrtafel.«37 Die vorliegende Untersuchung muß darauf verzichten, mit diesem Ariadnefaden bewaffnet Oetingers Labyrinth in seiner gesamten Tiefe und Breite zu durchmessen. Um Oetingers Kabbala- und speziell Sefirotverständnis kann es ihr nur insoweit gehen, als sich bei Oetinger etwas über Antonia und ihre Lehrtafel lernen läßt. Darum muß sie sich vorrangig den Dokumenten in Oetingers Schlußkapitel widmen und den »Nachweis aller Vorlagen und Quellenbezüge« wenigstens ein Stück weit vorantreiben, welchen die Herausgeber Oetingers nicht leisten konnten.38 Unweigerlich wird es dabei natürlich auch um Oetingers Sicht auf Antonias Stiftung gehen, die Gründe seiner Auswahl und Aufbereitung sowie um den Zusammenhang mit anderen Passagen des Buches, vor allem mit der Urform des Vademecum, in dem Klemms und Oetingers ikonographische Detaileinsichten fixiert sind. Einer kritischen Prüfung bedarf ferner Oetingers entschiedenes Urteil über die Rollenverteilung zwischen Antonia und ihren Mitarbeitern. Waren diese wirklich nur Handlanger, wie er uns glauben machen will?39 Oder war doch eher Raith im Recht, der auf einen maßgeblichen Anteil Strölins hinwies? Nicht einfach hingenommen werden kann schließlich die ebenso gern wie global beschworene Unverständlichkeit, ob nun der Kabbala, der Lehrtafel oder auch der Darstellung Oetingers. Wo immer möglich, sollten jeweils besondere Gründe für einzelne wahrnehmbare Unverständlichkeiten aufgespürt werden: Liegen sie in der Natur der Sache begründet oder nur in Mängeln der Darstellung; sind sie gewollt oder nicht; bleiben sie sich gleich oder gibt es ein geschichtliches Auf und Ab?

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Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 51. Oetinger bemüht sich auch seinerseits, in seinem ausführlichen Inhaltsverzeichnis diese thematische Grundorientierung sichtbar werden und bleiben zu lassen. Siehe ebd., Bd. 1, S. 264–266. Siehe Breymayer in Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 535. Siehe hier zumal die editorischen Kommentare zu Strölins Kurzen Erklärungen, S. 321, und den alten Kurzbeschreibungen der Lehrtafel, S. 266 u. 284. Siehe Oetinger, 1763, S. 430 (Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 265): »Nun sehe man an die Demuth der Prinzeßin, welche zugelassen, daß Herr Pfarrer Strölin, als Erfinder der Tafel sich subscribirt, da doch die Prinzeßin es selbst ausgefunden, und nur die Ebräische Sprache von ihme gelernt.« Oetinger spielt mit »subscribirt« auf eine der Inschriften am Teinacher Schrein an. Siehe dazu hier S. 83f. Auch nach Klemm (zu ihm gleich mehr) war Antonia die »Erfinderin«, ebd., S. 8 (ebd., Bd. 1, S. 84). Zur strittigen Frage, wer »Erfinder« der Lehrtafel sei, s. hier bes. S. 4, 14, 23, 42f. u. 168.

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte

1.4 Oetinger als unentbehrlicher Textzeuge Im Fall von Oetingers Schlußkapitel könnte schon ein ganz äußerlicher Grund zur Entstehung von Unverständlichkeiten oder anderen Darstellungsmängeln beigetragen haben. Oetinger nennt ihn selbst. Einige Handschriften aus dem Nachlaß Strölins wären ihm allzu spät bekannt geworden: Und da ich von der Durchlauchtigsten und Hochgelehrtesten Prinzeßin Antonia manche Manuscripten erst nach dem Druck des Bogens Q erhalten, welche mir Herr Pfarrer M[agister]. Bührer von Beutelspach aus Herrn Ströhlins hinterlassenen Scripturen communiciert, so will ich, damit das End in den Anfang lauffe, der Prinzeßin Ebräischen Entwurf von den letzten Quellen aller geschaffenen Dinge, d[as]. i[st]. von den Sephirot, hier mitteilen und noch einigen Extract zu [sic] Beleuchtung der Lehr=Tafel hinzu thun, welche Herr Pfarrer zu Sindelfingen, nachmahls Consistorial-Rath, Schmidlin, als einer der Groß=Vätter von der allzubelobten Bengelschen Familie, ein vertrauter Amanuensis der seel[igen]. Prinzeßin, aus ihrem Mund concipirt, hinzu thun.40

Diese Dokumente forderten natürlich eine Berücksichtigung, und sei es auch nur kurz und anhangsweise. Niemand wäre überrascht, wenn die Eile Oetinger daran gehindert hätte, seinen Autoren- bzw. Herausgeberpflichten im vollen geforderten Umfang nachzukommen und dem Leser eine nach allen Seiten abgewogene Darstellung zu liefern. Was genau Oetinger so plötzlich vorliegen hatte, ist bis heute nicht völlig aufgeklärt:41 1. Unproblematisch ist immerhin, was Oetinger als »Ebräischen Entwurf von den letzten Quellen aller geschaffenen Dinge« präsentiert. Die Vorlage aus dem Nachlaß Strölins ist zweifelsfrei identifizierbar und noch heute verfügbar. 2. Als verschollen galt und gilt hingegen der Mehrzahl der Forscher immer noch die Vorlage für den bei Oetinger umfänglichsten Text. Er nennt ihn »Herrn Schmidlins kurtzen Begriff von der Lehr=Tafel«. Beide Textvorlagen will übrigens Oetinger für sein Schlußkapitel selbst ins Deutsche übersetzt haben.42 3. Verschollen ist genaugenommen auch das von Oetinger nur mit einer knappen Inhaltsangabe bedachte »Buch Tit[ulo]. Encyclopaedia Turris Antoniae erectae ab Celsissima & Serenissima Principe ac Domina, Domina Antonia Duce Würtembergiae, descripta a Joh. Laurentio Schmidlin.« Inhalt und Wortlaut können jedoch aus einem Abgleich von Oetingers Angaben und Zitaten mit heute vorliegenden Handschriften über weite Strecken rekon40

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Oetinger, 1763, S. 405 (Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 252). Siehe auch ebd., S. 429 (S. 265): »aus den Manuscripten, so ich jüngstens bekommen«. Zur Überlieferungsgeschichte s. hier S. 13 (Anm.). Zu Schmidlin s. hier S. 30 (Anm.). Siehe Häußermanns Kurzüberblick zu dem gesamten Anhang in Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 75–77. Oetinger, 1763, S. 413 (Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 256; vgl. 252f.).

1.5 Oetingers Sefirotbeschreibungen

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struiert werden. In der Hauptsache ist das die Pictura docens.43 4. Zu diesem Buch dürfte aber mindestens auch noch gehört haben, was Oetinger aus »Herrn Schmidlins teutschen Versen an die Prinzeßin« zitiert, sowie die beiden lateinischen Epigramme desselben Autors, die Oetinger an das Ende seines Schlußkapitels stellt.44 Allerdings bietet die heute vorliegende Handschrift zumal für diese Epigramme einen teilweise abweichenden Wortlaut.45 Oetinger ist so der einzige gegenwärtig bekannte Zeuge einer endgültigen Fassung für mehrere, dem »Buch« zugehörige Texte aus dem Umkreis Antonias. Schon darum ist eine genauere Beschäftigung mit Oetingers Schlußkapitel für die Antoniaforschung weit mehr als eine rezeptionsgeschichtliche Pflichtübung.

1.5 Oetingers Sefirotbeschreibungen, ihre Vorlagen und Vorbilder Wie Oetinger die plötzlich verfügbaren Dokumente behandelte, läßt sich beim Ebräischen Entwurf bis ins letzte Detail nachvollziehen. Denn seine Vorlage liegt heute in der WLB in Stuttgart. Sie ist Bestandteil einer Sammelhandschrift (Cod. hist. fol. 551), die sich jedenfalls vorläufig als Nachlaß Strölins ansprechen läßt.46 Nach Strölins Tod ist dieses Konvolut von Folioblättern wohl früher oder später in die Hände Johann Lorenz Schmidlins, dann seiner Nachfahren und temporär auch Oetingers gelangt.47 43 44 45

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Ebd., S. 411 (S. 254); s. dazu hier die übernächste Anmerkung sowie dann einschlägig S. 30. Ebd., S. 413 (S. 256). Siehe Schmidlins Entwürfe, die sich im Cod. hist. fol. 551 der WLB erhalten haben (s. jetzt die Übersicht bei Felgentreu, 2007, S. LXXXIX–XCIV): – verschiedene Entwürfe zur Pictura docens und der zugehörigen Widmung (S. [1]–[32], [54]f., [64]f. u. [77]–[90]); – Humiles Conceptus u. parallel dazu Demütige Andacht (S. [32–42jeweils v ]; [33–43jeweils r ]; s. a. das Bruchstück [93r ]–[94v ]); s. a. Oetinger, 1763, S. 413 (Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 255), doch nur die Zeilen 73–84 und 93–94 des deutschen Textes unter der Überschrift: »Aus Herrn Schmidlins teutschen Versen an die Prinzeßin.«; – Epigramme (»Jn Picturam Mysticam«; ebd., S. [91r ]; Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 262; »Jn Eandem«; ebd., S. [91r ]–[92r ]; Oetinger, ebd., S. 262f.) u. Anagramme (»Anagrammata aliquot«; S. [92r-v ]); – eine deutsche poetische Brautzugbeschreibung (zum Bild s. hier S. 2) nebst Widmung u. deutschem Carmen gratulare an Antonia (S. [45]–[53], [46r ] datiert 1669!); s. a. Strölins Entwürfe (dazu hier Anm. 6). Siehe die folgende Anm.; ferner WLB Cod. misc. 2° 24 (die Turris Antoniae, s. hier S. 33 u. 266), Strölins Reuchlin-Exemplar (s. dazu hier S. 117) sowie die Akten des Tübinger Stifts (s. dazu Gruhl/Woolston, 2007); s. a. Strölin, 1664 (L), hier S. 399, bes. zu den Briefen. Siehe Felgentreu, 2007, S. LXXXVII–XCIV, bes. LXXXVIIf., u. jetzt – mit sehr willkommenen Ergänzungen zur Zeit zwischen Strölins Tod (1663) und dem Verkauf des Konvoluts durch Schnurrers Erben (1842) an die königliche öffentliche Bibliothek zu Stuttgart (heute WLB) – Breymayer, 2010, S. 24: »Die Handschrift Pictura docens [das heißt

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte

Der Vergleich des Entwurfes mit seiner Vorlage gab Oetingers Herausgebern die Möglichkeit, Oetingers Angaben in gleich mehrerer Hinsicht zu korrigieren: Oetinger hat nicht selbst aus dem Hebräischen übersetzt, sondern die deutsche Fassung aus einer Vierergruppe von Sefirotbeschreibungen entnommen, leicht überarbeitet und durch Zusätze ergänzt.48 Für eine Urheberschaft Antonias fehlt trotz Oetingers gegenteiliger Behauptung jeglicher Beweis. Es gibt keinen Anlaß, nicht Strölin selbst als Schreiber und Urheber der gesamten Vierergruppe anzusehen mit Ausnahme einiger weniger Zusätze, die Oetinger offenbar eigenhändig angebracht hat.49

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höchstwahrscheinlich das gesamte, heute als Cod. hist. fol. 551 bekannte, Konvolut; R. G.] dürfte zunächst innerhalb der Familie Schmidlin vererbt worden sein. [...] [sie] gelangte wohl aus Johann Lorenz Schmidlins I. (1626–1692) Nachlaß über seinen Sohn Pfarrer Johann Lorenz Schmidlin II. (1654–1713) [...] und wiederum dessen Sohn Pfarrer Johann Lorenz Schmidlin III. (1690–1735) zunächst an dessen Sohn Pfarrer Johann Lorenz Schmidlin IV. (1722–1761), der 1752 eine Nichte Oetingers heiratete, nämlich Rosina Dorothea, geb. Dertinger. Diese war eine Tochter des Göppinger Stadt- und Amtsschreibers Georg Adam Dertinger (1708–1764), der mit Christina Dorothea Dertinger, geb. Oetinger (1714– 1789), einer Schwester Friedrich Christoph Oetingers, verheiratet war.« Ebd. S. 31: »Nach dem Tod von Johann Lorenz Schmidlin IV. kam die Handschrift anscheinend in das Eigentum seiner jüngeren Schwester Benigna Veronica Bührer, geb. Schmidlin (1730–1790), der zweiten Ehefrau (seit 1752) des zuletzt in Beutelsbach wirkenden Pfarrers Matthäus Bührer (1718–1796). Die verwandtschaftliche Beziehung erklärt Oetingers Vertrautheit mit der Handschrift. Wohl aus Bührers Nachlaß kam sie in das Eigentum von Hölderlins Tübinger Professor Christian Friedrich (seit 1808 von) Schnurrer (1742–1822).« Die Seitenmaße der im Konvolut versammelten Blätter sind in der Regel 20,5 mal 33 cm. Wenigstens ein Schriftstück (bezogen auf das Teinacher Epitaphbild mit dem Brautzug der Schulamit) stammt aus einer Zeit nach Strölins Tod. Siehe Cod. hist. fol. 551, S. [46r ]: »Einfältigster Glükwunsch | Vnder dem Bildnis | Deren | Von | LXX Heiligen Frawen Vnndt Jungfrawen | bedienten Sulamithin«, datiert auf das »MDCLXIXste Jahr«, von der Hand Schmidlins. Zu den Brief Strölins, die im Original ebenfalls im Konvolut Aufnahme gefunden haben s. hier S. 369. Zu Strölins Nachlaß s. a. den Überblick in der vorangehenden Anmerkung. Siehe Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 534: »Oetinger schließt sich, abgesehen von orthographischen Besonderheiten, eng an die deutsche Vorlage auf Bl. 123 b der Handschrift an.« Siehe auch hier weiter unten. Siehe ebd., S. 534f.: »Bl. 123 b der Handschrift [scil. WLB Cod. hist. fol. 551] weist Zusätze von fremder Hand auf; sie stammen offenbar von OETINGER und sind ohne Hinweis in seine eigene gedruckte Wiedergabe [...] einbezogen« Diese Zusätze wurden für die Edition der Vierergruppe hier im Anhang neu kollationiert und durch serifenlose Schriftart kenntlich gemacht (s. S. 321). Nach heutigen Maßstäben erscheint Oetingers Umgang mit seiner Vorlage reichlich unprofessionell, selbst wenn man seine notgedrungene Eile in Rechnung stellt. Doch gibt es jedenfalls in der Frühen Neuzeit auch andere Herausgeber, die ihre Bemerkungen ähnlich sorglos-familiär in handschriftliche Dokumente eintragen. Ein Beispiel ist der unten besprochene Umgang Gottlieb Andreaes mit einem Brief Antonias (s. hier S. 307).

1.5 Oetingers Sefirotbeschreibungen

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Vor allem wohl zwei Motive haben Oetingers eilige Redaktion bestimmt. Einmal wollte er die Verständlichkeit erhöhen: Wenn er seiner Fassung eine Überschrift gibt50 sowie hier und da gängige kabbalistische Termini samt Übersetzungen einfügt, soll das offenbar der besseren Orientierung für weniger versierte Leser dienen.51 Einem modernen Herausgeber, der die gesamte Vierergruppe vor sich hat, mögen viele dieser Einfügungen als Doppelungen ins Auge stechen,52 weniger versierte Leser dürften Oetinger für solche orientierenden Zusätze aber dankbar gewesen sein. Das gilt beispielsweise für die auffällige Attributergänzung im Abschnitt zur 10. Sefira: Dort steht in der Vorlage das reichlich kryptische »Die Seele«. Oetinger hat richtig ergänzt zu »Die Seele Messiae«.53 Das ist für jene, die mit jüdischer Engellehre und Kabbala nicht vertraut sind, allerdings immer noch allzu wenig. Auch sonst hat Oetinger gelegentlich ergänzt, was in der Vorlage fehlt, von einem anderen Text der Vierergruppe aber geboten wird.54 Ein zweites Motiv der Redaktion hat Breymayer mit seinem Hinweis auf Oetingers »Christianisierungen und naturphilosophische Aktualisierungen« im Blick:55 Mit einer solchen zweiten Reihe redaktioneller Maßnahmen versucht Oetinger, das eigene Sefirotverständnis stichwortartig zu implementieren. Der Erfolg von Oetingers eiliger Vermittlungsarbeit scheint jedoch zweifelhaft: Der Prinzeßin Ebräischer Entwurf ist jedenfalls kein Text, der als Einführung in die Kabbala tauglich wäre. Es ist überhaupt kein Text im landläufigen Sinne, sondern eine kryptische Stichwortsammlung für Eingeweihte. Ihr Sinn und Zweck ist nur zu verstehen mittels einer literar- und philosophiehistorischen Verortung im frühneuzeitlichen Prozeß der Aneignung jüdischkabbalistischer Schriften durch christliche Gelehrte. So lassen sich Oetingers Entwurf und Strölins Vierergruppe einem geläufigen Darstellungstypus zuordnen: Für jede einzelne Sefira wird jeweils eine mehr oder weniger stattliche Reihe von Stichworten geboten, zuweilen begleitet von Sprachglossen oder knappen Erläuterungen zu gedanklichen Zusammenhängen. Der Umfang von 50

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Oetingers Urheberschaft wurde zwar nicht von Breymayer (ebd.), wohl aber von Betz, 2013, S. 13, herausgestellt. In der Vorlage hat nur ein anderer Text der Vierergruppe eine Überschrift, die vorwiegend lateinische Kurze Erklärung. Siehe dazu hier S. 321, ferner 108. Zu den Details s. hier S. 321ff. den Apparat u. Kommentar, wo auch vermerkt ist, in welchen Fällen bereits Breymayer die Zusätze richtig erkannt hat. Siehe Breymayer in Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 535: »Unter anderem übernimmt Oetinger aus der hebräischen Fassung (Bl. 123a) die Originaltermini für die Se fîrôt und fügt sie mit nochmaliger deutscher Erläuterung STRÖLINS Übersetzung hinzu, so daß sich auffällige Doppelungen ergeben.« Siehe die deutsche Erklärung zur 10. Sefira, hier S. 330, Z. 164; s. a. S. 109. Siehe !‫ תֹור´ה ׁש¬ּבְעַל פֶה‬in der hebräischen Erklärung [A], hier S. 330, Z. 148, und »Lex oralis« in der lateinischen Erklärung, Z. 152, sowie den Kommentar dazu. Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 535.

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte

einigen wenigen Seiten wird dabei schwerlich überschritten. Nur graduell unterscheidet sich davon ein weiterer Darstellungstypus: Sein Hauptmerkmal ist, daß in äußerster Verdichtung für jede Sefira regelmäßig nur eine Bezeichnung mit einem Wort gegeben wird. Klassische Beispiele für diese beiden Darbietungsformen oder Typen der Sefirotbeschreibung finden sich im dritten Buch von Reuchlins Standardwerk zur Kabbala: Der Eine wird dort »breve rationarium« (eine Kurze Erklärung) genannt, der andere, kürzere »catalogus« (eine Aufzählung).56 Beide Typen werden oft mit einer schematisch-figürlichen Darstellung verbunden, die den »Baum« bzw. das »System« der Sefirot vor Augen stellt: Die Zehn erscheinen so in einem Unter- und Nebeneinander. Daß sie einem gemeinsamen Netzwerk angehören, wird dabei häufig durch ein mehr oder minder dichtes Geflecht von Verbindungslinien angedeutet, die Röhren oder Kanäle darstellen sollen.57 Klassische Beispiele bietet die Gikatilla-Übersetzung des Paulus Ritius.58 Ihr Frontispiz zeigt unter anderem das Netzwerk der Sefirot mit hebräischen Bezeichnungen. Eine weitere Darstellung in Latein findet sich im Text mit einer auffälligen Anomalie (s. Abb. 9): Neben der Position der 8. Sefira (»Confessio«) steht marginal eine alternative Bezeichnung (»Laus«).59 Dieses Nebeneinander zweier Bezeichnungen war aber wohl nur ein Druckerversehen. Es wurde in einer verbesserten Neuauflage ausgemerzt, wohl um dem beschriebenen Formideal der Aufzählung Genüge zu tun.60 56

57 58

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60

Siehe Reuchlin, 2010, S. 432–442, bes. 442. Daß Reuchlin die entsprechenden Aussagen einer seiner Dialogfiguren in den Mund legt, kann hier vernachlässigt werden. Zu Reuchlin s. einführend den Artikel in Killy-Kühlmann, Bd. 9 (2010), S. 565–570 (Matthias Dell’Asta), und jetzt auch Schmidt-Biggemann, 2012. Zu Gikatilla s. hier S. 25. Siehe Gikatilla, 1516; mehr dazu hier S. 26, 114 u. 411. Auch andere Autoren bieten schematische Darstellungen; s. z. B. Alsted, 1630, S. 2273; Kircher, 1653, Tafel nach S. 288; Hackspan, 1660, Tafel nach S. 453 (kombiniert mit jeweils einem Gottesnamen). Siehe ferner die Auswahl in Roob, 1996, S. 310–328. Siehe Gikatilla, 1516, S. [267v ]; !‫ הֹוד‬bei Gikatilla, 1883, S. 87 (Gikatilla, 1994, S. 226), u. auf dem Frontispiz v. Gikatilla, 1516; s. a. Agrippa, 1550, S. 372 (Agrippa, 1992, S. 427), u. Strölins hebräische Erklärungen (8. Sefira, Z. 120 u. 127, hier S. 328). Zum Künstler, der besagtes Frontispiz schuf (Hans Weiditz), s. Schubert, 2008, S. 95–100 u. Abb. 9f. Siehe Pistorius, 1587, S. 181 (»Laus« fehlt). Pistorius übernimmt damit seinerseits wahrscheinlich nur eine Korrektur der zweiten, überarbeiteten Auflage der Übersetzung der Tore des Lichts, die Ritius im Anhang von De coelesti agricultura im Jahre 1541 veranstaltete. Siehe dazu Roling, 2007, v. a. S. 9 (dieser Druck von 1541 lag mir leider nicht vor; auch Roling stützt sich auf den Abdruck bei Pistorius). Gegenüber der ersten Auflage zeichnete sich die Neuauflage auch sonst durch eine bemerkenswerte Reihe von Änderungen aus. Sie dürften zumeist Korrekturen des Autors selbst sein. Roling erwähnt sie wenigstens am Rande (s. ebd., S. 358–362, bes. 362). Eine systematische Aufarbeitung wäre lohnend. Zu Pistorius s. jetzt Schmidt-Biggemann, 2012, S. 678–683.

1.5 Oetingers Sefirotbeschreibungen

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Während Oetinger im Entwurf auf eine Wiedergabe der schematisch-figürlichen Komponente verzichtet, berücksichtigt Strölin zumindest das Unterund Nebeneinander in seiner gesamten Vierergruppe.61 Auch auf Antonias Lehrtafel werden die Sefirot entsprechend gruppiert: Neun weibliche Figuren schmücken den zentralen Tempelbau. Christus im Tempelgarten macht die Zehnzahl voll. Schon ihre Größe und Stellung läßt erwarten, daß diese Figuren zur Gesamtdeutung der Lehrtafel Wichtiges beizutragen haben, zumal wenn man ihre schematisch-figürliche Verbundenheit als »System« der Sefirot hinzudenkt. Sie sollten sich so als Ariadnefaden für Antonias Stiftung nutzen lassen und lenkten darum von Beginn an das besondere Interesse auf sich. Raiths Einweihungspredigt beschrieb sie als Sinnbilder im »Cabalischen Geheimniß=Baum«, wie oben erläutert.62 Nicht nur formal, sondern auch inhaltlich sind Strölins vier Sefirotbeschreibungen wie dann auch Oetingers Entwurf Abkömmlinge der schon genannten Kurzen Erklärung bei Reuchlin.63 Eine Aufzählung im Sinne Reuchlins findet sich ebenfalls in Oetingers Werk als Bestandteil der ikonographischen Legende zum Riß in ihrem originalen Wortlaut auf dem Kupferstich am Buchbeginn: In dieser Legende sind die zehn zentralen Figuren der Lehrtafel in einer ersten Abteilung (↑ a–k) berücksichtigt unter der Überschrift »10. Abglänze oder Sephirot«.64 Jede Sefira ist hier mit nur einer Bezeichnung durch ein Wort vertreten.65 Eine solche Aufzählung bietet das Maximum an Verdichtung, aber auch Unverständlichkeit. Für alle, die mit der Kabbala nicht schon näher vertraut sind, muß sie voller Rätsel bleiben. Manche davon sind noch relativ leicht zu lösen. Zum Beispiel bezeichnet in der oben erwähnten lateinischen Aufzählung bei Ritius »Confessio« die 8. Sefira. Einigermaßen verständlich wird dies erst, wenn man das zugehörige Attribut erschließt. Gemeint ist »Confessio laudis« (Lobpreisung) als Übersetzung des hebräischen !‫הֹוד‬, das man auf dem Frontispiz findet.66 Diese Übersetzung des hebräischen Terminus legt die Betonung also auf den Akt der Kundgabe (Confessio), den die alternativen Übersetzungen »Laus« oder »Gloria« nur implizit enthalten. Offenbar unter dem Einfluß eines Formideals (ein Wort pro Sefira) verlor aber »Confessio« in der Aufzählung sein eigentlich unverzichtbares Attribut. 61 62 63 64

65 66

Zu den Einzelheiten s. hier S. 108. Siehe Raith, 1673, S. 2, hier S. 239. Den Nachweis für Strölin und weitere Vorbilder neben Reuchlin s. hier S. 109. Siehe hier S. 266 u. ebd. den Kommentar. Zum jeweils in der linken Spalte synoptisch gebotenen Text, der Turris Antoniae Votiva; s. a. hier S. 33. Zur Verbindung »Grund=Wurzel« s. hier weiter unten. Siehe Gikatilla, 1516, S. [267v ] (hier Abb. 9) sowie die weiteren Nachweise in der Anmerkung zur Legende zum Riß in Oetingers Buch, zu ↑ h, hier S. 266.

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte

Beispiele für größere Verständnisschwierigkeiten hält nun die Legende zum Riß in Oetingers Buch bereit. Die dort verwendeten Sefirotbezeichnungen sind zumeist zwar konventionell und lassen sich in verbreiteten frühneuzeitlichen Kabbala-Darstellungen mühelos wiederfinden. Aus dem üblichen Rahmen fallen hingegen »Grund=Wurzel« für die neunte, mehr aber noch »Ausbreitung« für die vierte Sefira.67 In seinem Brief an Oetinger vom 12. Juli 1763 (am Beginn von Oetingers Buch eingerückt) verwendet Klemm für die 9. Sefira die beiden gängigen Übersetzungen des hebräischen Terminus !‫ יžסֹוד‬, nämlich »der Grund, das Fundament«.68 Die 4. Sefira wird in Aufzählungen üblicherweise mal unter dem Stichwort !‫»( חֶסֶד‬gratia, misericordia«69 ), mal unter !‫ּגžדּולָה‬ (»magnificentia«) geführt.70 Klemm entscheidet sich für »Grösse«. Das ist die denkbar schlichteste Übersetzung von !‫ ּגžדּולָה‬. Sie läßt sich in jedem HebräischLexikon nachschlagen.71 Als Urheber der Bezeichnungen »Ausbreitung« und »Grund=Wurtzel« ist höchstwahrscheinlich nicht Klemm72 oder Knoderer, sondern Oetinger selbst anzusehen, der nach Breymayers Beobachtung ja mehrfach sogar in seine Fassung von Dokumenten im Schlußkapitel »Aktualisierungen« einbrachte. Oetinger dürfte so an der Formulierung der ikonographischen Legende zumindest einigen, wenn nicht gar wesentlichen Anteil gehabt haben. Weitere Beobachtungen bestätigen diesen Eindruck. So fällt auf, daß sich »Ausbreitung« unter Oetingers Zusätzen im Entwurf wiederfindet, und zwar dort in einer schon bes67 68

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71 72

Siehe die Einzelnachweise hier im Kommentar zur Legende, S. 266, bes. zu ↑ i u. d. Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 86. Siehe daneben Gikatilla, 1516, S. [267v ] (Gikatilla, 1994, S. 229); Reuchlin, 2010, S. 434; Art. »Sephiroth«. In: Zedler, Bd. 37, S. 255–259, 255: »Grund«. Siehe »Barmhertzigkeit« im Art. »Sephiroth«. In: Zedler, ebd. Siehe neben Strölins lateinischer Erklärung (hier S. 324; s. a. 108) v. a. Reuchlin, 1996, S. 230; Gikatilla, 1516, ebd. (Gikatilla, 1994, ebd.); ferner Agrippa, 1550, S. 371 (Agrippa, 1992, S. 426); Pistorius, 1587, ebd.; Buxtorf, 1708, ebd.; Alsted, 1630, ebd.; Kircher, 1653, ebd.; Reuchlin, 2010, S. 434: »›clementia‹ seu ›bonitas‹«. Siehe ferner die Einzelnachweise zur Legende zum Riß für ↑ d, hier S. 266 (Kommentar). Siehe Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 86; Buxtorf, 1658, S. 55: »Magnificentia, Amplitudo«. Als »Abc Schuler der Cabbalisten« bezeichnet sich Klemm in einem Brief, um Oetinger die Aufgabe einer näheren Erklärung zu überlassen. Siehe Klemm im Brief an Oetinger vom 12.7.1763, Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 84–89, 86: »Ob ich nun schon deutlich genug sehe, daß diese Tafel nach Offenb. 1,4.5 in die Erkenntniß deß, der ist, der war, der kommt, und der 7 Geister GOttes und des GOtt-Menschen JEsu Christi einleitet, so unterstehe ich mich doch nicht, die 10 Sinnbilder der Abgläntze gehörig [im Druck fälschlich »behörig«] zu erklären, und gestehe gerne, daß ich in dieser tieffen Lehre noch Abc Schuler der Cabbalisten bin.« Oetinger hatte sich schon in jungen Jahren mit der Kabbala gründlicher als zeitüblich abgegeben. Siehe dazu Benz, 1958, S. 15–17, 26–30; Piepmeier, 1978, S. 36f.; Betz, 2002, bes. 101–107. Klemm erwähnt einschlägige Gespräche mit Oetinger. Siehe Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 87.

1.5 Oetingers Sefirotbeschreibungen

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ser verständlichen Weise. Dafür ist sicherlich der Typus Kurze Erklärung mitverantwortlich, bietet er doch mehr Entfaltungsraum als die rigid-lakonische Aufzählung. An die von Strölin in der Vorlage zum Entwurf gebotene Stichwortreihe zur 4. Sefira fügt Oetinger handschriftlich an: [4] Gedulah [!‫ | ]ּגžדּולָה‬die ausbreitung | grund der repulsion[.]73

Wer die Reihe zur 5. Sefira hinzunimmt, entdeckt dazu ein aufschlußreiches Pendant: [5] Gebhurah [!‫]ּגžבּור´ה‬, die zusammengezogene | Stärke | grund der attraction[.]74

Diese Pendantstellung macht Oetinger auch in seinem Antwortbrief an Klemm deutlich (den er ebenfalls am Buchbeginn eingerückt hat), und dies gleich zweimal und beidemal noch ein wenig ausführlicher. Einmal in einer eigenen Kurzbeschreibung der Sefirot: [4] Durch die vierte, Gedulah, breitet er [Gott; R. G.] seine Kräften aus in sich selbst. Ps. 150,1. Lobet ihn in der Ausbreitung seiner Kraft. [5] Durch die fünfte, Gebhurah⟨,⟩ intendirt und verfaßt Er sie wieder zusammen, daß wir ihn in seinen [-m im Druck] Gebhuroth, Kräften⟨,⟩ loben. Ps. 150,1.75

Und noch einmal am Ende desselben Briefes in einem Kurzreferat einer entsprechenden Passage in Raiths Predigt:76 [4] Gedulah, [...] die sanfte Quelle der vermehrenden ausbreitenden Kraft GOttes [...]. [5] Geburah, [...] das Gegentheil der vermehrenden Kraft, diese setzt der Ausbreitung ein Ziel durch Concentration und Intension der Extension.

73 74 75

76

Siehe hier S. 324. Siehe hier S. 325. Oetinger, 1763, S. 30 (Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 93). In Ps 150,1 wird allerdings nicht !‫ ּגžדּולָה‬, sondern das auch in Gen 1,6 verwendete !‫ע‬²‫ ר´קִי‬gebraucht. Sowohl für die hebräische Wurzel !‫ גדל‬als auch für !‫ רקע‬konnte sich aber Oetinger nach dem Kenntnisstand der frühneuzeitlichen Hebraistik die Übersetzung »Ausbreiten« bzw. davon abgeleitet »Ausbreitung« zurechtlegen. Siehe Buxtorf, 1658, s. v. !‫ד¯ל‬³‫ג‬, S. 54: »Magnum esse vel fieri, Crescere, Educari.« Ebd., s. v. !‫ר´קַע‬, S. 328: »Expandit: Plausit, Percussit.«; Buxtorf, 1658, s. v. !‫ע‬²‫ר´קִי‬, S. 328: »Expansum, Firmamentum [Frmamentum im Druck]«. Siehe auch Pagninus/Montanus, 1613, zu Gen 1,6, S. 3 (Walton, 1657, Bd. 1, S. 2): »expansio [firmamentum als Übersetzung der Vulgata Clementina am Rande vermerkt]«; ebd., zu Ps 150,1, S. 183 (Walton, 1657, Bd. 3, S. 318): »expansione [firmamento als Übersetzung der Vulgata Clementina am Rande vermerkt]«. Siehe auch Oetinger, 1979, Bd. 1, S. 87: »Quid sit Deus in expanso roboris sui (Ps. 150,1)?« Mit keinem Wort ist davon die Rede in Oetinger, 1999, Bd. 1, Art. »Firmament, Rakia, Stereoma«, S. 122. Oetinger, 1763, S. 36 (Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 96); zu Raith s. hier S. 242.

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte

Diese Kontexte ermöglichen eine genauere Zuordnung zu den »Aktualisierungen«, welche Oetinger aus der eigenen Theologie und Naturphilosophie in die Sefirotbeschreibung einbringt. Deren Motive und gedanklichen Hintergründe haben unter anderem bereits Oetingers Herausgeber zumal in Oetingers Newton-, aber auch Böhme- und Luria-Rezeption benennen können.77 Ein umfassendes Verständnis des systematischen Ortes und Gewichtes dieser Aussagen in Oetingers Gottes- und Schöpfungslehre gewährt jedoch erst das Studium anderer Texte, etwa von Oetingers Theologia ex idea vitae deducta (1765), seiner zweiten Böhme-Schrift (Inbegriff der Grundweisheit, 1774) und auch einiger Artikel in seinem Biblischen und emblematischen Wörterbuch (1776).78 Immerhin wird aber auch an einigen Passagen von Oetingers Buch 77

78

Siehe v. a. den Kommentar von Häußermann zu Oetingers Zusätzen bei der 4. Sefira, ebd., Bd. 2, S. 536: »›Grund der Repulsion‹ erinnert an NEWTONS Grundkräfte der Attraktion und Repulsion, ebenso an BOEHMES beide erste Naturgestalten ›Herbigkeit‹ und ›Bitterstachel‹, die dann Oetinger für die Deutung der vierten und fünften Sefira von beiden übernommen hat [...]. Durch die ›Centralkräfte‹ kommt die Entfaltung der ewigen Natur und der Schöpfungskräfte in Gang; analog dann auch die Entwicklung der Seelenkräfte bis zur Einheit des Bewußtseins (Endelechie).« Siehe ferner Breymayer zu Oetingers Zusätzen bei der 5. Sefira, ebd.: »Anspielung auf NEWTONS Gravitationslehre«. Für Newton bestätigt dies auch die Analyse Rainer Piepmeiers. Siehe Piepmeier, 1978, S. 270–272, bes. 270: »Der Raum, der bei Oetinger sensorium Dei, die ›Herrlichkeit Gottes‹ ist, wird durch die Bestimmung als ›Kraft‹ mit der Lehre Newtons von den ›Centralkräften‹ verbunden, die ihm die grundlegenden Bewegungsgesetze der Natur und des Kosmos sind. ›Herrlichkeit Gottes‹ ist der Raum, der das Universum ausmacht, das von den ›Centralkräften‹, von Repulsion und Attraktion bewegt und zusammengehalten ist. Die Verbindung mit der Lehre Newtons ist ein Versuch Oetingers, seine Philosophie mit neueren Ergebnissen der Naturwissenschaft zu vermitteln.« Im Buch zur Lehrtafel s. zu Newton bes. Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 146–148. Zu Böhme und Oetinger s. auch die Einzelnachweise im Kommentar zum Kurtzen Begriff, hier S. 284, Z. 26, 286, Z. 83, u. 287, Z. 87; einführend S. 28; s. ferner S. 38. Zum Einfluß Isaak Lurias s. Häußermanns Herleitungsversuch in Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 44: »Oetinger scheint hier die Lehre ISAAK LURIAS vom Simsûm im Auge zu haben, nach der En-Sôf, um einen ›Urraum‹ frei zu machen, sich ›aus sich selbst in sich selbst‹ zusammenzieht [...].« Im Buch zur Lehrtafel s. zu Luria bes. Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 133–135. Zu Luria s. den Art. »Isaac ben Salomon Ashkenazi Luria (ARI)«. In: JE, Bd. 8 (1904), S. 210–212 (Isaac Broydé); Scholem, 1993, S. 285–288. Zu Luria als Begründer der neuen Kabbala s. hier S. 39. Zur Rezeption zumal bei Knorr und Oetinger s. jetzt Schmidt-Biggemann, 2013b, S. 159–167 u. 341. Zum ganzen Komplex s. jetzt Stengel, 2012, bes. S. 521–523 u. 527f.; Schmidt-Biggemann, 2013b, bes. S. 343f.; ferner Weyer-Menkhoff, 1990; Battafarano, 2004; Schauer, 2005; Kummer, 2010. Zu Böhme und der Kabbala s. Schulze, 1955; Schulitz, 1993; Pietsch, 1999; Schmidt-Biggemann, 2003; Schmidt-Biggemann, 2013a, S. 187–234. Siehe Oetinger, 1979, Bd. 1, S. 193f. (Kap. VI. § 3); Oetinger, 1774 (s. a. Böhme, 1920, S. 53–94), wo im § 7 eine besonders knappe und faßliche Einführung in die Kräftelehre (bzw. Lehre von den sieben Geistern, identifiziert mit den sieben unteren Sefirot) geboten wird; Oetinger, 1999, Bd. 1, Art. »Schöpfung«, S. 285–291. Siehe dazu auch Ehmann, 1859, S. 205ff.; Betz, 2002, S. 105.

1.5 Oetingers Sefirotbeschreibungen

21

zu Antonias Lehrtafel hinreichend ablesbar, daß und inwiefern er als christlicher Theologe dieses Kräftespiel nicht als Manifestation pantheistischer Selbstentfaltung, sondern als Selbstoffenbarung Gottes in seiner Schöpfung versteht. Dazu ist besonders die Beschreibung der 1. Sefira in seinem Brief an Klemm aufschlußreich: [1] Durch die erste tritt GOtt als eine Crone oder unermeßliche Peripherie der Ausbreitung seines innersten Puncts Ps 150,1. oder Concentration zu seiner Selbs=Offenbahrung heraus.79

Die 6. Sefira wird oft unter »Schönheit« (!‫ )תִפְאֶר«ת‬verbucht80 und befindet sich bei schematisch-figürlicher Darstellung zentral auf der Mittelachse des Sefirotsystems zwischen 4. und 5. Sefira. Das gibt Oetinger Gelegenheit, auch diese Sefira zum Kräftespiel in Beziehung zu setzen, und zwar als Instanz, in der sich die Vollkommenheit Gottes als Herstellung harmonischen Ausgleichs manifestiert. Als Schriftbeweis dient ein Psalmvers, der auch das Stichwort !‫תִפְאֶר«ת‬ bietet: [6] Durch die sechste⟨,⟩ Tiphaeret⟨,⟩ setzt Er die Extension und Intension aus dem Streit in die lieblichste Schönheit, wie der Psalmist singt: hod vehadar lephanav, Lob und Zierde ist vor Ihm⟨,⟩ und Schönheit [!‫ ]תִפְאֶר«ת‬ist in seinem Heiligthum. Ps. 96,6.81

Besonders merkwürdig muß dem unvorbereiteten Leser aber Oetingers Deutung der 9. Sefira vorkommen. Oetinger begnügt sich nämlich nicht mit der Auskunft, daß diese Sefira die Aufgabe habe, Bestand zu geben, eine Auskunft, die sich bequem aus dem üblichen hebräischen Terminus !‫ יžסֹוד‬herausspinnen läßt. Vielmehr hebt er speziell auf die seelische Wahrnehmungsfähigkeit ab, was nur verständlich wird vor dem Hintergrund seiner Konzeption des Raumes: Dieser ist für ihn nicht nur der von Gott geschaffene Austragungsort besagten Kräftespiels, sondern auch Wirkungsraum weiterer, höherer, dem körperlichseelischen wie auch geistig-geistlichen Leben gewidmeter Kräfte. Ihre Entfaltung konstituiert den Raum als sensorium Dei,82 aus dem sich unter anderem auch unsere Wahrnehmungsfähigkeit ableitet, und zwar vermittels der 9. Sefira: 79 80 81

82

Oetinger, 1763, S. 29 (Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 93). Siehe die Nachweise hier im Kommentar zu ↑ f in der Legende zum Riß, S. 266ff. Oetinger, 1763, S. 30 (Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 93). Oetinger unterschlägt in seiner Übersetzung allerdings die Paarung »Stärke und Schönheit« (!‫ )עֹז וžתִפְאֶר«ת‬im masoretischen Text. Zur wichtigen Rolle von !‫ עֹז‬bei Oetinger s. bes. seine, hier ebenfalls besprochene Auslegung von Ps 150,1. In seiner bereits genannten Böhme-Einführung beschreibt Oetinger diese Sefira als (Oetinger, 1774, S. 8; Böhme, 1920, S. 60f.) »Circularkraft, Tiphaeret, τροχος γενεσvεως, welches aus Neutons Orbitis deutlich zu verstehen.« Oetinger bezieht sich auf Newtons Analyse der Orbitae planetarum (Planetenbahnen). Siehe dazu jetzt Wilson, 2004, bes. S. 205. Siehe dazu Piepmeier, 1978, S. 270.

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte [9] Durch die neunte⟨,⟩ Jesod⟨,⟩ bekommt alles seinen [-em im Druck] Verstand. Alle sensoria, alle reflexive Kräften, || die Unvergänglichkeit der Seele, alles was daurend und bestand=haltend ist, hat da seine Wurtzel. Ein Fels ist GOtt, darum ist sein Werck vollkommen. Deut. 32,4.83

»Wurtzel« ist in diesem Kontext also nicht im Sinne der bei mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kabbalisten beliebten Vorstellung des gesamten Sefirotsystems als Baum zu verstehen.84 Ohne in Oetingers Labyrinth noch weiter vorzudringen, lassen sich aus diesen Beobachtungen drei wichtige Einsichten gewinnen: Erstens fällt auf, daß Oetinger in seinem Buch zur Lehrtafel spezielle Akzente seiner Sefirotdeutung nicht überall mit derselben Intensität und Stringenz kenntlich macht. Das betrifft vor allem die Pendantstellung der 4. und 5. Sefira. In der lakonisch-rigiden Aufzählung innerhalb der Legende zum Riß fällt sie einfach unter den Tisch: Der »Ausbreitung« bei der 4. folgt bei der 5. Sefira mit »Stärcke« nur die übliche Übersetzung von !‫ ּגžבּור´ה‬ohne Kennzeichnung der von Oetinger mitgedachten Korrelation im Kräftespiel. Für diese mangelnde Verständlichkeit ist wohl nicht oder nicht in erster Linie das Formideal der Aufzählung verantwortlich, sondern weit eher die Eile, die Oetinger selbst jedenfalls für die Schlußphase der Buchherstellung andeutet. Auch in Herrn Schmidlins kurtzem Begriff in Oetingers Schlußkapitel, der dem Formideal der Aufzählung nicht verpflichtet ist, fällt die Pendantstellung wohl darum unter den Tisch:85 Legende zum Riß [4] Ausbreitung. [5] Stärcke.

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Kurtzer Begriff Grösse und Ausbreitung Stärcke und Strenge

Oetinger, 1763, S. 30f. (Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 93); s. a. ebd., S. 38 (S. 96), in Oetingers Referat von Raiths Kommentierung der Darstellung der 9. Sefira als Ecclesia-Allegorie auf der Lehrtafel: »Der zeigt an, daß die Kräften aus GOTT durch die Gemeine gefaßt, und in der Reflexion der Seele standhaft erkannt seyn. Die sechste Kraft [= 9. Sefira] ist in der Weißheit, die Quelle aller geistlichen unzerstörlichen Verstands=Kraft, das ist etwas bleibendes. Das ist manifestatio sui aus der Cabbala genommen.« Zur ekklesiologischen Ausdeutung der 9. Sefira s. a. hier S. 164. Siehe ferner Oetinger, 1763, S. 263f. (Oetinger, 1977a, Bd. 1, 193f.): »Die Kraft in der Creatur ist mit der Kraft ausser der Creatur [Creatut im Druck] eine einige unauflößliche, || aber nicht untheilbare Kraft. Diese Kraft ist der göttliche Raum. (!‫)רקיע עזו‬ Lobet ihn in dem ausgebreiteten Raum, expanso, seiner Stärcke, Psal. 150,1. !‫ עז‬ist centrum: expansum ist die Peripherie. Diese geht vom Heiligthum aus, wie Apoc. 4,2. Jn diesem Raum wohnen Engel und Menschen, nach Psal. 90,1. HErr⟨,⟩ du bist eine Wohnstätte für uns gewesen von einem Geschlecht auf das andere. Dieser Raum ist die wahre Substanz, worinn alle Intelligenzen und Geister ihr Bestehen haben, sie ist die etendue intelligible, durch welche wir sehen, dencken, leben, uns bewegen und seyn.« Siehe dazu hier S. 114; ferner auch Raiths Rede vom »Cabalischen Geheimniß=Baum« (oben bereits zitiert). Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 577, und Bd. 1, S. 257; s. hier S. 266, ↑ d/e, und 284, Z. 43.

1.5 Oetingers Sefirotbeschreibungen

23

Zweitens fällt auf, wie wenig Oetinger an Trennschärfe gelegen ist: Seine Sefirotdeutung überall genau von der anderer Autoren, wie etwa Antonias (bzw. Strölins) oder Raiths, zu unterscheiden kommt ihm nicht in den Sinn. Sein Verfahren ist kumulativ-amalgamierend, nicht philologisch oder doxographisch ausgerichtet. Und Oetinger hatte dafür durchaus Gründe, blickt man auf die Auseinandersetzungen, in denen er es unter anderem auch mit Gegnern zu tun bekam, deren Einfluß bis in das Stuttgarter Konsistorium und die Zensurkommission reichte, was ihm besonders gefährlich werden konnte. Welche entlastende und stärkende Rolle für Oetinger so die Berufung auf Antonia und ihre Lehrtafel gespielt haben dürfte, hat Erich Beyreuther zutreffend skizziert:86 Was die ›Lehrtafel‹ betrifft, so konnte das Stuttgarter Konsistorium nur sauer lächeln. Was blieb anderes üblich? Man konnte doch nicht das regierende herzogliche Haus brüskieren! Oetinger hatte das wohl klug einkalkuliert [...]. [...] Diese Lehrtafel benutzte Oetinger, um sie nach den Erkenntnissen der Kabbala auszudeuten. Dabei ergab sich die gute Gelegenheit, seine eigene Anschauung von der Leiblichkeit alles Geistlichen und Geistigen hineinzunehmen und sie in einer Auseinandersetzung mit den Philosophen und Naturforschern seiner Zeit wie Malebranche, Newton, Wolff, Ploucquet und der ›Philosophie von Sanssouci‹ u. a. zu entfalten. Sein letztes Ziel trat dabei gut zu Tage, nämlich eine Apologie der immer noch geschmähten und in der Orthodoxie verdächtigten Theosophie Jakob Böhmes vorzulegen, und zwar unter dem sicheren Schutz der ›Lehrtafel‹ der Prinzessin.

Das erklärt zur Genüge, warum Oetinger so nachdrücklich die Urheberschaft Antonias unter anderem für die Dokumente im Schlußkapitel seines Buches zur Lehrtafel herausstellt und warum ihm an Trennschärfe eben gerade nicht gelegen ist.

86

Siehe Ders. in der Einleitung zu Oetinger, 1977b, S. XXXI. Spätestens seit seiner Zeit in Weinsberg überschatteten solche Kämpfe Oetingers Leben nachhaltig; sie erreichten später in der Auseinandersetzung um seine kritische Würdigung Swedenborgs noch einmal eine besondere Intensität. Siehe Ehmann, 1859, bes. S. 253–278 u. 291–303, sowie ebd. die Korrespondenz mit dem Graf v. Castell im Jahr 1754, S. 603–608, zur Zensur bes. S. 604. Zur besonderen Rolle Jakob Böhmes für Oetinger s. die Einleitung des Kommentars zum Kurtzen Begriff, hier S. 284.

24

1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte

1.6 Die Sefirot in Diskursen, Exzerpten und topischen Inventarien Drittens ist nicht zu verkennen, in welch großem Maße die beiden besprochenen Darstellungsformen oder Typen von Sefirotbeschreibungen Oetinger dabei entgegenkamen. Sowohl die Aufzählung wie auch die Kurze Erklärung laden zu Adaptationen und Aktualisierungen förmlich ein. Beide bieten ja weitgehend nur Sammlungen bzw. Inventarien von Leit- oder Stichworten. Weitere Faktoren kommen hinzu, die mal verunsichern und irritieren, mal anspornen und inspirieren können: Legt man eine Reihe frühneuzeitlicher Inventarien nebeneinander, ist kaum eines mit einem anderen in allen Punkten identisch. Vielmehr besteht nur eine, wenn auch beträchtliche, Familienähnlichkeit. Das betrifft sowohl die Wahl der hebräischen Sefirotbezeichnungen als auch die Wahl der angemessenen Übersetzungen wie schließlich auch, falls vorhanden, die figürliche Darstellung des Netzwerkes der Sefirot.87 Differenzen gibt es auch bei der Frage nach der richtigen Übersetzung von !‫( ספירה‬Sefira; im Plural !‫ספירות‬, Sefirot), wie ein zeitgenössischer Lexikograph kritisch hervorhebt.88 Die beschriebenen Varianzen und Differenzen ließen sich aber nicht (und lassen sich zu einem guten Teil auch heute nicht) durch einen Rekurs auf ursprüngliche Bedeutungen und Konzeptionen sowie deren allmähliche Entwicklung hinreichend transparent machen. Denn gerade die Frühzeit der kabbalistischen Sefirot liegt im Dunkeln. Ihre »zeitliche Entstehung und Zusammenstel87

88

Betroffen sind zumal die 4. bis 6. Sefira, wo es auch schon bei der Wahl der hebräischen Sefirotbezeichnungen Uneinigkeit gibt, sowie die 3. und 8. Sefira hinsichtlich der angemessenen Übersetzung. Siehe hier S. 266 die Einzelnachweise im Kommentar zur Legende zum Riß. Siehe dazu auch Zedler, Bd. 37, Art. »Sephiroth«, S. 255–259, 255: »Doch verstehen die Gelehrten diese Nahmen [die die Sefirot bezeichnen] nicht alle auf gleiche Weise.« Ebd., S. 256: »Eben so kann man auch wegen der Figur und Ordnung nicht eins werden [...].« Zur figürlichen Darstellung vgl. nur Gikatilla, 1516, S. [267v ]; Alsted, 1630, S. 2273; Kircher, 1653, Tafel zu S. 289; hier Abb. 9, 10 und 11. Zu den Bezeichnungsvarianzen bei der 4. bis 6. sowie der 9. Sefira in der hochmittelalterlichen jüdischen Kabbala, zumal dem Sohar, s. Schubert, 1992, S. 248. Siehe Zedler, ebd., S. 255f.: »Ja sie können sich nicht einmahl über die Bedeutung des Worts Sephiroth gnugsam vergleichen, indem einige dieses Wort nach der Bedeutung seiner Wurtzel durch numerationes [Zahlen; R.G.] erklären, welches aber andern ungeschickt zur Sache selbst vorkömmt, daher sie lieber das Wort vom Glantz, Licht und Strahlen verstehen und herleiten willen. Einige haben sich gar Sphaeras [Kugeln; R.G.] einfallen lassen, und geglaubet, das Wort komme daher. Es mag aber der Ursprung des Worts seyn, welcher er will, so ist doch aus der Beschaffenheit und Inhalt der Sache selbst klar, daß die mittlere Bedeutung die beste sey. Wie denn andere [...] sich eben deswegen des Worts Quell=Geister bedienet, anzuzeigen, daß sie aus dem geistlichen Wesen GOttes gequollen und geflossen seyn.« Oetinger bevorzugt die lichtmetaphorische Herleitung, ferner auch die quellmetaphorische. Weiteres dazu s. hier im Kommentar zu Strölins Kurzen Erklärungen, zur 1. Sefira, S. 321, bes. im Kommentar zu !‫ עֶׂש¬ר סְפִירֹות ּבְלִימָה‬in Z. 6; ferner den Art. »Abglanz, Apaugasma«. In: Oetinger, 1999, S. 15f.

1.6 Die Sefirot in Diskursen, Exzerpten und Inventarien

25

lung läßt sich wohl kaum noch genau ausmachen.«89 So ist es nicht verwunderlich, daß bei Reuchlin ein solcher Rekurs nicht stattfindet. Vielmehr läßt Reuchlin seine Dialogfigur ganz allgemein auf die jüdisch-kabbalistische Literatur als Quelle verweisen (monumenta patrum): Was die Aufzählung und die Kurze Erklärung böten, seien nur Appetithappen, um einen Vorgeschmack dessen zu geben, was in jener Literatur zu finden sei.90 Sie böten nur Exzerpte ohne eigenen Geltungsanspruch. Wer ihren Gehalt genauer erfassen will, muß folglich auf die einschlägigen Texte der jüdisch-kabbalistischen Literatur zurückgreifen.91 Erste Anlaufstelle ist der große Sefirotkommentar des spanischen Kabbalisten Joseph ben Abraham Gikatilla: Die Tore des Lichts sind der Königsweg, um der beschriebenen Differenzen, Rätsel und Geheimnisse wenigstens einigermaßen Herr zu werden.92 Man wird schwerlich einen anderen mittelalterlichen jüdisch-kabbalistischen Text finden, der die Sefirot vergleichbar diskursiv und explizit erörtert, ohne den Gegenstand mit dunklen Andeutungen und Bildreden zu verhüllen. Paulus Ritius mühte sich so aus gutem Grund gerade mit einer Übersetzung von Gikatillas Kommentar ab. Dank seiner Pionierarbeit lag Gikatillas Werk seit 1516 auch in lateinischer Übersetzung zumindest in größeren

89

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Betz, 2002, S. 101. Für den Nicht-Judaisten hilfreich ist – neben der hier S. 98 genannten Literatur – die Behandlung bei Schubert, 1992, S. 235–255, bes. 242 und 247–254; s. a. Scholem, 1993, S. 232f.; Betz, 2002, S. 101–103. Man kann beobachten, daß ein Großteil der Bezeichnungen sich in 1 Chr 29,11 und Spr 3,19 finden läßt. »Krone« und »Fundament« könnten anfänglich die Stellung an der Spitze und an der Basis des Systems reflektiert haben. Die Bezeichnung !‫( ספירה‬Sefira; im Sinne von »Zahl«) und die Zehnzahl (vgl. das zehnmalige »Und es sprach Gott« in Gen 1 sowie das Dezimalsystem der Zahlen) finden sich bereits im schwer datierbaren Buch Jezira (Spätantike?). Siehe dazu neben Schubert jetzt Dan, 2007, S. 30–32, ferner hier S. 17. Zur Lage in dem um einiges jüngeren Buch Bahir (12. Jh.?) s. jetzt Grözinger, 2005, S. 89–154, bes. 120–127. Es kann nach dem gegenwärtigen Forschungsstand davon ausgegangen werden, daß die verbreiteten Bezeichnungen in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts, also der Zeit des Sohar und Gikatillas (s. unten), eingebürgert waren. Siehe Reuchlin, 2010, S. 498: »Haec et eiuscemodi reliqua, quae audistis, ex patrum monumentis quanto potui brevissime decerpsi, ut vobis vel aliquam degustationem literariae professionis exhiberem.« Siehe jetzt dazu die ebenso gründliche wie verständliche Darstellung bei Grözinger, 2005. Die Tore des Lichts lassen sich auf 1293 datieren. Siehe W[ilhelm]. Bacher: Art. »Gikatillah, Joseph B. Abraham«. In: JE, Bd. 5 (1903), S. 665f.; Grözinger, 2005, bes. S. 395–462; ferner Maier, 1995; Morlok, 2006. Näheres zur Form von Gikatillas Kommentar s. bei Idel, 1994, S. xxvii–xxix, u. Morlok, 2006, S. 179 (ein mystisches Handbuch). Zur Editionsgeschichte s. Grözinger, 2005, S. 397f. Siehe ebd., S. 509f., zur Form des anderen großen jüdischmittelalterlichen Werkes, in dem die Sefirot eine zentrale Rolle spielen, dem Sohar (mit seinen ältesten Teilen vom Ende des 13. Jahrhunderts stammend), der den modernen Leser an einen Roman oder ein Epos erinnert.

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte

Auszügen vor.93 Reuchlin verwies die Adepten mit dem ganzen Gewicht seiner Autorität an Gikatilla und dessen Übersetzung durch Ritius. Johann Pistorius nahm sie in seine Anthologie kabbalistischer Texte auf.94 Auch noch Gershom Scholem weiß im übrigen seinen Lesern kein besseres Rezept zu geben.95 So vermag Gikatilla in vielen Fällen Erhellendes zu Reuchlins Aufzählung und Kurzer Erklärung beizusteuern, jedoch nur für Leser, die über entsprechende Vorkenntnisse der hebräischen Sprache und der besonderen exegetischen Verfahren verfügen, mit denen Kabbalisten die Bücher des Alten Testaments interpretieren.96 Indem nun die vorhandenen frühneuzeitlichen Aufzählungen und Kurzen Erklärungen nur einen Bruchteil dessen beinhalten, was etwa Gikatilla breit entfaltet, entwickeln sie leicht ein Eigenleben. Die Bindung an die Fragestellungen und Diskurse, denen sie entstammen, kann sich lockern. Daraus entstehen neue Risiken und Chancen: Riskant ist der Verlust von Verständlichkeit für jene, die sich über die gedanklichen Hintergründe nicht im angemessenen Umfang informieren können oder wollen. Die auf einige Stichworte und figürliche Andeutungen reduzierten Darstellungen des Sefirotsystems tendieren so am Ende zu bloßen Figuren und Chiffren, die bei nicht Eingeweihten 93

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Siehe Gikatilla, 1516; dazu Roling, 2007, S. 358–362, bes. 360. Zu Ritius (Ricius, Ricci) s. jetzt Schmidt-Biggemann, 1998, S. 161–179, 272–286; Roling, 2007, speziell zur Biographie S. 1–16; zu den Toren des Lichts, S. 8f. u. 358–362; Schmidt-Biggemann, 2012, S. 208–262. Siehe die Empfehlung in Reuchlin, 2010, S. 61.V (434). Zu Reuchlins einflußreicher Liste kabbalistischer Texte, die von dem Buch Jezira ausging und u. a. Gikatillas Sefirotkommentar enthielt, s. Kilcher, 1998, S. 33. Zu Pistorius s. Pistorius, 1587; dazu jetzt Brach/Gabriele, 2005; Schmidt-Biggemann, 2012, S. 678–683. Bei Pistorius finden sich die Tore des Lichts im Anhang zu Ritius’ De coelesti agricultura. Für die Folgezeit – d. h. zugleich die Zeit vor Knorr, 1677, u. dann Johann Christoph Wolfs Bibliotheca Hebraea – ist u. a. Buxtorfs Bibliotheca Rabbinica hinzuzunehmen (s. Buxtorf, 1708, S. 195; s. a. Hottinger, 1658, S. 34; s. auch den Überblick bei Fürst, 1863). Im Umfeld Antonias ist Johann Steudner ein Kenner Gikatillas. Siehe dazu im Kommentar zum Brief Strölins an Steudner, hier S. 382. Steudner streut auch – unabhängig von Reuchlin – hebräische Zitate aus Gikatilla ein (nach der Krakauer Ausgabe von 1600). Siehe dazu das Exzerpt aus Steudner, 1665, hier S. 411. Siehe Scholem, 1993, S. 231f. Eine brauchbare englische Gesamtübersetzung mit hilfreichen Registern liegt jetzt endlich vor. Siehe Gikatilla, 1994. Für deutschsprachige Leser s. a. Maier, 1995. Um ein Geheimwissen handelt es sich bei diesen Regeln nicht. Seit Reuchlin finden sich genug Einführungen in die Kabbala, die sie angemessen erörtern. Noch heute gut lesbar ist Alsteds Darstellung von Gematrie, Notarikon und Temura auf Basis von Reuchlins Behandlung im dritten Buch seiner Ars cabbalistica. Siehe Alsted, 1630, S. 2270–2273, 2271f.; s. a. Glassius, 1643, S. 351, 365ff., 421, 427–444; die ausführlichste Darstellung bietet Hackspan, 1660, S. 282–453. Zu Antonias Gebrauch der Gematrie s. hier S. 83. Die Übersetzung des Ritius macht diese Kenntnisse nicht überflüssig, sondern setzt sie voraus; ohne sie kann kein Leser die besondere Stringenz von Gikatillas Darlegungen erfassen.

1.6 Die Sefirot in Diskursen, Exzerpten und Inventarien

27

allenfalls noch die Lust an schöner Form und esoterischem Aufschwung ansprechen können. Dem Gewinn an Anschaulichkeit der figürlich-schematischen Darstellung steht als Verlust die mangelnde Repräsentation jener Komplexität gegenüber, die dem Gegenstand seiner Natur nach eignet.97 Ihre Kenntnis macht die beobachteten Varianzen und Differenzen bei den Sefirotbezeichnungen und -kurzbeschreibungen erst begreiflich. Das beschriebene Risiko ist solange tragbar, wie es nur um Appetithappen geht oder ein Mittel zur kontemplativen Verinnerlichung für Eingeweihte und fortgeschrittene Adepten. Die Chance der beschriebenen diskursiven Lockerung besteht in der Begünstigung kreativer Adaptationen unter gewandelten Rahmenbedingungen. Im Zuge dessen lassen Inventarien in der Art einer Aufzählung oder einer Kurzen Erklärung den topischen Charakter der Sefirot noch stärker hervortreten, und zwar nicht mehr nur rezeptiv-bewahrend im Sinne der memoria, sondern auch adaptiv-erneuernd im Sinne der inventio.98 Die »Christianisierungen und naturphilosophische Aktualisierungen« innerhalb der Sefirotbeschreibungen bei Oetinger sind ein Beispiel für solche kreative Adaptationen.99 Diese Beobachtungen zum topischen Charakter und der begünstigenden Rolle von Exzerpten oder Inventarien bestätigen Joseph Dans eindringlichen Hinweis auf die irreduzible Vieldeutigkeit der Sefirot und die Vielfalt kabbalistischer Diskurse und Praktiken, in denen sie eine Rolle spielen. Dies betrifft sowohl die Hinterlassenschaft mittelalterlicher wie auch frühneuzeitlicher Kabba97

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Beispielsweise werden die Bewegungen im Sefirotsystem nicht angemessen veranschaulicht, die etwa bei Gikatilla eine wichtige Rolle spielen. Sowohl die Auf- und Abbewegung der Sefirot selbst als auch ihre wechselseitige Kommunikation mittels Kanälen wird allenfalls ansatzweise greifbar. Siehe dazu auch hier S. 184. Zu diesem topischen Charakter s. v. a. Schmidt-Biggemann, 2011, S. 292. Gershom Scholem tastete nach einem solchen Begriff, als er die Ordnungsfunktion der Sefirot beschrieb und sie versuchsweise mit den zehn aristotelischen Kategorien analog setzte: »Was nun die besondere mythische Struktur des kabbalistisches Symbolkomplexes ausmacht, ist die Beschränkung der unendlichen Fülle der Aspekte, unter denen Gott visiert werden kann, auf zehn Urkategorien oder wie immer wir die Konzeption umschreiben wollen, die dem Begriff der Sefirot zugrunde liegt.« Siehe Ders.: Kabbala und Mythos, jetzt in: Scholem, 1981, S. 135. Zur frühneuzeitlichen Topik als Kunst der Innovation s. Gruhl, 2008, mit Hinweisen auf weitere Literatur. Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 535. Zu den Christianisierungen bei Oetinger s. v. a. die trinitarische Deutung der drei oberen Sefirot (dazu ebd., S. 535), ferner die Rechtfertigungslehre (dazu ebd., S. 536). Neben der oben bereits beschriebenen Ausdeutung der Extensional- und Intensionalkräfte (»Ausbreitung« und »Concentration«) ist ferner die Anspielung auf Newtons Farbenlehre zu nennen. Siehe Oetingers Zuordnung von weißem und rotem Licht zur 4. und 5. Sefira; dazu hier S. 324, Z. 71, und 325, Z. 87; s. Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 536; s. a. Oetinger, 1999, Bd. 1, Art. »Farbe, Chroa, Chrus, Chroma«, S. 119f. Speziell zur Rezeption Jakob Böhmes bei Oetinger s. hier im Kommentar zum Kurtzen Begriff, S. 284, bes. zu Z. 85ff.

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte

listen, Juden oder auch Christen, die sich mit den Sefirot nicht nur antiquarisch oder apologetisch befassen. Als gemeinsamer Nenner kann nach Dan allenfalls Folgendes gelten: 1. Verwendet ein Werk die Vorstellung von den zehn Sefirot, gibt es sich, von Ausnahmen abgesehen, als kabbalistisches Werk zu erkennen. 2. Die Sefirot werden in der Regel als Merkmale oder Kräfte der göttlichen Welt oder Sphäre verstanden.100 3. Im übrigen sollte man damit rechnen, daß jeder Kabbalist das Thema »auf seine eigene Weise versteht und akzentuiert. Da es den Kern der Vorstellung und Deutung der göttlichen Welt ausmacht, finden die wichtigsten Unterschiede zwischen den Kabbalisten ihren Ausdruck darin, wie sie diese Sphäre darstellen. Jede Verallgemeinerung in diesem Kontext führt zwangsläufig in die Irre.«101 Umso gewichtiger ist die Frage nach den Unterschieden zwischen Oetingers Kabbalaverständnis und dem des Gelehrtenkreises um Antonia. Eben jene Trennschärfe, an der Oetinger nicht gelegen war, muß eine vorrangige Forschungsaufgabe sein, um das besondere Profil der produktiven Aneignung kabbalistischer Lehren und Verfahren bei der Stifterin der Lehrtafel und ihren Beratern herauszuarbeiten.

1.7 Kurzbeschreibungen der Lehrtafel bei Oetinger und ihre Vorlagen 1.7.1 Oetingers Fassung von Herrn Schmidlins Kurtzem Begriff Wie bereits geschildert hat Oetinger seinem Buch zur Lehrtafel im Schlußkapitel noch einige Dokumente aus Strölins Nachlaß angereiht.102 Der umfänglichste Text dieser Sammlung bietet eine Art ikonographische Kurzbeschreibung der Lehrtafel. Neugierige oder auch nur gewissenhafte Leser müssen sich von Anfang an gefragt haben, wie Herrn Schmidlins Kurtzer Begriff sich zu der ikonographischen Legende verhalten mag, die auf der Falttafel unter dem Kupferstich des Risses gegeben wird. Im Inhaltsverzeichnis betont Oetinger das 100

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Das trifft noch nicht für das Buch Jezira zu, sondern erst für das Buch Bahir. Siehe dazu Grözinger, 2005, S. 120ff. Dan, 2007, S. 61; s. a. ebd., S. 60; ferner Kilcher, 1998, S. 31, zur »irreduziblen Uneinheitlichkeit des historischen Phänomens der Kabbala«: »Es läßt sich weder auf ein geschlossenes Textkorpus noch auf ein homogenes Lehrsystem mit scharfen Rändern reduzieren, sondern erweist sich als eine Varietät von Texten, Schulen, Traditionen, Theorien und Konzepten.« Religionshistorisch gesehen ein Irrweg ist der Versuch einer Abgrenzung einer ›wahren Kabbala‹ gegenüber angeblichem Wildwuchs (gegen Samuel, 2007, S. 4). Wildwuchs wäre nach dieser Sicht nicht nur ein spielerischer Umgang, sondern auch das Unternehmen einer christlichen Kabbala (s. dazu hier S. 118, Anm.). Dagegen gilt: Gerade ihre Offenheit für Adaptationen hat den Sefirot in mehreren Epochen und Kulturkreisen Überleben und Wirkung gesichert. Siehe hier S. 12.

1.7 Kurzbeschreibungen der Lehrtafel bei Oetinger

29

friedliche Nebeneinander.103 Verhalten sie sich aber wirklich so harmonischkomplementär zueinander, und das bis ins letzte Detail? Gewichtiger noch sind jedenfalls für Antoniaforscher zwei andere Fragen: Welche Handschrift hatte Oetinger vorliegen, und ist sie auch heute noch verfügbar? Daß der Kurtze Begriff ebensowenig wie Der Prinzeßin Ebräischer Entwurf eine durchgängig diplomatisch-getreue Wiedergabe einer Vorlage sein dürfte, konnte Oetingers Herausgebern nicht entgehen. Denn wie der Entwurf bietet auch dieser Text eine Reihe von »Aktualisierungen«, mit denen sich Oetinger offenbar selbst zu Wort meldet, ohne dies genauer kenntlich zu machen.104 Von seiner Deutung der 4. Sefira als »Ausbreitung« war hier bereits die Rede. Weitere Fälle notiert der Kommentar zur hier vorgelegten Neuedition.105 Aber die Identifikation von Oetingers Vorlage ist ein bis heute ungelöstes Problem. Häußermann, der sich mit den hinterlassenen Handschriften des Gelehrtenkreises um Antonia weit gründlicher als viele andere befaßt hat, konnte sie nirgends finden. Immerhin »Teile« meinte er, »in einem kaum zu entwirrenden Konzept auf den Blättern 85–90 des Codex historicus Fol. 551« erkennen zu können. Sie wären später »ergänzt und zu einem übersichtlichen Manuskript ausgearbeitet« worden.106 Die Forschung ist Häußermanns These nicht gefolgt. »Teile« oder Vorentwürfe des Kurtzen Begriffs lassen sich im Codex hist. fol. 551 der WLB in der Tat nicht schlüssig nachweisen. In dem »kaum zu entwirrenden Konzept« hat man vielmehr Vorstufen der Pictura docens identifizieren können.107 Die Vorlage des Kurtzen Begriffs hielten und halten manche immer noch schlicht für verschollen.108 Nachdem sich Oetingers Angaben im Fall des Entwurfs aber als teilweise unzuverlässig entpuppt haben, wäre es unklug, nur Johann Lorenz Schmidlin als Autor in Betracht zu ziehen und sich auf die Suche nach der einen Vorlage zu versteifen.

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Siehe Oetinger, 1763, S. 425 (Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 264; Hervorhebungen von mir): »auf der andern Seiten seynd auf eine andere Art von oben herab die verschiedene [sic] Dinge nach pag. 413 biß 420 auch ausgelegt.« Oetingers Angabe ist ungenau, insofern der Kurtze Begriff bis S. 422 reicht. Ebenso wie beim Entwurf teilt Oetinger im Vorspann lediglich mit, er habe den Kurtzen Begriff »ins teutsche übersetzt« (Oetinger, 1763, S. 413; Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 256). Siehe hier 284. Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 44 (gemeint ist die Handschrift WLB Cod. hist. fol. 551); s. a. schon Häußermann, 1966, S. 109, und jetzt den Überblick bei Felgentreu, 2007. Siehe den Apparat der Edition in Schmidlin, 2007 sowie hier S. 30ff. Siehe dazu Betz, 2000, S. 13 (Anm. 18); Schauer, 2003, S. 17. In der Neuauflage des Standardwerkes von Betz wird von Isolde Betz aber schon kurz berücksichtigt, was hier im Folgenden im Detail ausgeführt wird. Siehe Betz, 2013, S. 13 (Anm. 21) u. der Nachtrag, S. 102f. Meine entsprechenden Beobachtungen habe ich Otto und Isolde Betz bereits 2004 mündlich vorgetragen.

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte

1.7.2 Schmidlins Pictura docens als Vorlage Oetingers Jedenfalls gibt es gute Gründe, den Kurtzen Begriff zumindest auch mit der Oetinger bekannten Pictura docens kritisch zu vergleichen: Die Pictura bietet eine literarisch anspruchsvolle lateinische Beschreibung der Lehrtafel und Lobschrift auf deren Stifterin. Heute ist sie im Codex hist. fol. 551 der WLB Stuttgart in gleich mehrfacher Weise greifbar, wenn auch leider nicht in der Letztfassung, die Oetinger noch vorlag.109 Vor wenigen Jahren erst konnte dieser mehr als sechzig Folioseiten umfassende Text auf Basis des erhaltenen handschriftlichen Materials herausgegeben und übersetzt werden.110 Sein überlieferter Haupttitel, »Pictura docens« (Die Lehrtafel), verweist auf den beschriebenen Gegenstand, das von Antonia gestiftete Gemälde, welches nach frühneuzeitlicher wie auch heutiger Terminologie eben der Bildgattung ›Lehrtafel‹ angehört. Als Verfasser wird einhellig Johann Lorenz Schmidlin genannt.111 Daß aber auch weitere Gelehrte (zumal Strölin) aus dem Umkreis Antonias an Konzeption und Formulierung einen beachtlichen Anteil gehabt haben, ist sicher.112 Sicher ist auch, daß der Text nicht irgendein unkonventionelles Versgebilde ist, wie man früher angenommen hat, sondern Prosa nach Art der zeitgenössisch beliebten scharfsinnigen Inschriften.113 Oetinger bedenkt die Pictura in seinem Schlußkapitel nur mit einem

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Nach Oetingers Angaben war dieses Exemplar zugleich die Reinschrift, welche der Zensur durch das Stuttgarter Konsistorium vorgelegen hatte (s. dazu hier S. 213) und dessen Spuren sich am Ende des 18. Jahrhunderts leider verlieren. Siehe dazu Breymayer, 1998, S. 331f., u. Felgentreu, 2007, S. LXXXVIIf. u. Anm. 180. Die derzeit verfügbaren Handschriften (s. hier S. 13, Anm.) erlauben genaugenommen nur eine annähernde Rekonstruktion der endgültigen Textgestalt, gestützt auf Oetinger und die in Cod. hist. fol. 551 erhaltenen Entwürfe und Briefe, deren angemessene Auswertung eine eigene Studie erfordert. Siehe dazu hier S. 386 u. 418. Siehe Schmidlin, 2007, u. die Rezension dazu in Breymayer, 2010, S. 19–23, zur Rezeption im 18. Jh. s. ebd. S. 22–77; daneben Felgentreu, 2007, S. LXXXVII–XCIV. Siehe den Titelblattentwurf in WLB Cod. hist. fol. 551, S. [1r ], die Widmungsunterschrift ebd., S. [55r ]. Der Gesamttitel lautet (Schmidlin, 2007, S. 2): »Pictura Docens / id est / Encyclopaediae Emblematicae / ab Illustrissima ac Celsissima Domina / DOMINA ANTONIA / Ducissa Würtembergiae etc. / Ingeniosissime dictatae et adumbratae / simplicissima delineatio [...]« Zum frühneuzeitlichen Sprachgebrauch s. Raith (s. hier S. 4). Zu Schmidlin (geb. 1.3.1626 jul.; Aufnahme im Tübinger Stift wahrscheinlich 1641; Magisterpromotion 6.2.1643 jul.; Diakonat in Neuffen 1648; ab dem Folgejahr Pfarrer in Sindelfingen; 1663 Superintendent in Göppingen; 1666 Hospitalprediger, ab 1678 Stiftsprediger in Stuttgart u. ord. Assessor des Konsistoriums; ab 1670 zugleich Abt von Herrenalb; gest. 7.2.1692 jul.) s. jetzt Gruhl/Woolston, 2007, passim; Gruhl, 2007a, S. XXIV–XXXI; ergänze dort: Kümmerle, 2008, S. 359–362 (Schmidlins Leichenrede auf Georg Wilhelm Bidembach). Siehe dazu hier S. 212 u. 386. Zur Gattung s. hier S. 46.

1.7 Kurzbeschreibungen der Lehrtafel bei Oetinger

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Kurzreferat.114 Daß er sie aber wenigstens punktuell auch für seine Fassung des Kurtzen Begriffs wie auch für die Erstellung der Legende zum Riß ausgewertet hat, kann gezeigt werden. Cum grano salis läßt sich die Pictura sogar als eine Nebenvorlage für den Kurtzen Begriff ansprechen.115 Es gibt zudem Anhaltspunkte dafür, daß Oetinger nicht überall aus Erwähnungen von Personen, Sachen oder Szenen in der Pictura korrekte Schlüsse für die Ikonographie der Lehrtafel gezogen hat.116 Besonders auffällig ist die irrtümliche Angabe, daß auf der Lehrtafel an einer Stelle (↑ 85) der Verrat des Judas szenisch dargestellt sei (s. Mt 26,47–50). Diese Angabe findet sich sowohl im Kurtzen Begriff 117 als auch in der ikonographischen Legende zum Riß:118 Kurtzer Begriff Des Weibs von Bethanien Nardenwasser zur Begräbniß. Der Verräther⟨,⟩ den Gesalbten verrathend mit dem Kuß.

Legende zum Riß JESUS wird von einem Weib gesalbt, und von Juda verrathen.

Dieser ikonographische Irrtum läßt sich schlüssig nicht schon aus einem Beobachtungsfehler erklären, den Klemm, Knoderer oder auch Oetinger bei einer Autopsie des Gemäldes in Bad Teinach gemacht hätten. Denn in dem entsprechenden Relieffeld des Tempelgebäudes auf der Lehrtafel hat nach dem Augenschein und der im Kontext erkennbaren Darstellungslogik nur eine Szene Platz. Und diese ist offenbar die Salbung in Bethanien. Es spricht alles dafür, daß Oetinger eine entsprechende Passage der literarisch anspruchsvollen Pictura mißdeutet hat.119 Die Pictura setzt nämlich die beiden biblischen Szenen der Salbung in Bethanien und des Judaskusses mittels Wortspiel (unctus – punctus; praeludente – Illudente) und Antithese (memoriâ coaevâ – perpetuâ oblivione) zueinander in Beziehung:120 114

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Siehe Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 254f. Daß vor ihm auch schon Raith den Text vorliegen hatte, machen auffällige Ähnlichkeiten in dessen Beschreibung der 4. bis 6., 9. und 10 Sefira wahrscheinlich sowie auch die Formulierung des Predigtschlusses. Siehe dazu die Einzelnachweise im Kommentar zur Edition, hier S. 239. In dieser Hinsicht aussagekräftig sind besonders die Beschreibungen der 1. und 10. Sefira im Kurtzen Begriff. Sie bieten Formulierungen, die sich am ehesten noch als getreue Übersetzungen entsprechender lateinischer Formulierungen in der Pictura begreifen lassen. Siehe dazu die Einzelnachweise im Kommentar zur Edition, hier S. 284. Siehe die Nachweise im Apparat sowie im Kommentar zum Kurtzen Begriff, bes. zu Z. 37f., 63, 68, 94, 160f. Siehe Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 260, Z. 19–22, hier S. 289, Z. 158–161. Siehe hier S. 289, Z. 132. Zu einem weiteren solchem Mißverständnis s. den Fall des Eisvogels. Siehe dazu Oetingers Angabe im Kurtzen Begriff zu ↑ 28b, hier S. 286, Z. 68 u. den Kommentar dazu. Siehe Pictura docens, Z. 327–329 (Hervorhebung von »punctus« von mir; Übers. nach Schmidlin, 2007, S. 45).

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte Hîc à Muliere sepulturae praeludente unctus, punctus à Iudâ Illudente Illam memoriâ Evangelio coaevâ beavit Hunc perpetuâ oblivione sepeliendum, indelebili ignominiâ notavit. Hier von der zu seinem Begräbnis ein Vorspiel gebenden Frau gesalbt, verletzt von Judas’ betrügerischem Spiel / segnete er jene mit der Erinnerung, die so lange andauert wie das Evangelium; / diesen, der in ewiger Vergessenheit begraben werden sollte, zeichnete er mit unzerstörbarer Schande.

Leicht kann diese Behandlung zweier Szenen den Leser in die Irre führen, selbst wenn er weniger in Eile ist als Oetinger.121 Als scharfsinnige Inschrift des Barock ist die Pictura das Gegenteil eines schlichten ikonographischen Inventariums, wie es etwa die Legende zum Riß beabsichtigt.122 Obwohl auch die Pictura eine Beschreibung des Gemäldes bieten will, erwarteten zeitgenössische Leser vom Autor nach Maßgabe der gewählten Gattung gerade keine simple Spiegelung Punkt für Punkt, sondern verschiedene Brechungen und überraschende Perspektiven. Scharfsinn wird ebenso vom Autor verlangt wie vom Leser, profunde Bildung wird vorausgesetzt. Die Lust am Verstecken und Entdecken, an intellektuellem Wagemut und sprachlicher Brillianz wird wichtiger als Klarheit und leichte Verständlichkeit.123 Entsprechend ist es nicht statthaft, aus der kunstvollen Verknüpfung zweier Szenen in der Pictura ohne weiteres auf eine Darstellung beider Szenen auf Antonias Lehrtafel zu schließen.124

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Neben der Autopsie legt auch die entsprechende ikonographische Angabe in einem weiteren Text aus dem Umkreis Antonias die Darstellung allein der Bethanienszene auf der Lehrtafel nahe. Siehe dazu die Besprechung der Turris Antoniae hier S. 289. Zur gattungsgeschichtlichen Analyse s. Neukirchen, 1999; Gruhl, 2006, bes. S. 124, 130– 140, 151f.; Mundt, 2007; Schmidt-Biggemann, 2013b, S. 331; zum Genus der Descriptio templi s. jetzt Schlegelmilch, 2003. Weitere Beispiele, die diese Einschätzung bestätigen, siehe hier S. 191. Daß auch die Lehrtafel aus diesen Gründen ihren Betrachtern einiges abverlangt, vermutet zu Recht schon Lieske, 1973, S. 144. Siehe dazu hier bes. die Studie zum Zwölferkreis (ab S. 187). Neben der Mediendifferenz zwischen Text und Bild sowie der gattungsbedingten Faktur der Pictura mahnen natürlich auch andere Gründe zur Vorsicht. Obwohl Lehrtafel und Pictura in einem engen konzeptionellen und personellen Verbund entstanden sind, gibt es doch erkennbare entstehungsgeschichtliche Differenzen in Konzeption und Vollendungsgrad. Dasselbe gilt natürlich entsprechend auch für die Turris Antoniae. Siehe dazu noch einmal die Studie zum Zwölferkreis (hier S. 187).

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1.7 Kurzbeschreibungen der Lehrtafel bei Oetinger

1.7.3 Strölins Turris Antoniae als Vorlage Oetingers Zur Lösung einer weiteren und ernsteren ikonographischen Schwierigkeit genügt ein solcher Hinweis auf die Pictura allein noch nicht. Betroffen sind die zwölf Repräsentanten Israels, welche auf Antonias Lehrtafel Christus im Tempelgarten umringen (↑ l–y). Klemm hatte offenbar keinen Zweifel: Dargestellt seien »die zwölf Patriarchen oder Söhne Jacobs, welche nach 1⟨.⟩ B[uch]. Mos[is]. 49 gebildet sind [...].«125 Und eben diese, wohl auch für viele heutige Betrachter naheliegende Auffassung findet sich dann auch in der Legende zum Riß.126 Von Ausnahmen abgesehen ist auch der neueren Antoniaforschung daran kein Zweifel gekommen,127 obwohl die Lektüre von Oetingers Kurtzem Begriff doch hätte warnen müssen: Denn dort werden am Textschluß die zwölf Repräsentanten als Häupter Israels behandelt im Sinne von Num 2: Die damit gegebene, sogenannte Lagerordnung bietet als Stammes- und Heerführer zehn Söhne und zwei Enkel Jakobs an: Statt Levi und Joseph erscheinen Manasse und Ephraim.128 Klemms Brief Levi Joseph

Legende zum Riß Levi Joseph

Kurtzer Begriff (Textschluß) Ephraim Manasse

Doch damit nicht genug: Der Kurtze Begriff bietet nämlich nicht nur eine, sondern zwei Listen von Repräsentanten Israels, beidemal in Verbindung mit den zwölf Edelsteinen nach Ex 28,17–20.129 Daß es im Text zwei solche Listen gibt, ist mit Blick auf die Lehrtafel plausibel: Denn die erste Liste (in Textmitte) bezieht sich ausdrücklich auf die Darstellung Aarons im Tempelinneren mit seinem hohepriesterlichen Brustschild und dessen zwölf Edelsteinen (↑ 59), die zweite hingegen (am Textschluß) auf die Zwölf im Tempelgarten, deren Gewandagraffen mit je einem Edelstein verziert sind (↑ l–y). 125

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Oetinger, 1763, S. 15 (Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 87). Gen 49,3–27 bietet: Ruben, Simeon, Levi, Juda, Sebulon, Isaschar, Dan, Gad, Ascher, Naphtali, Joseph, Benjamin. Zu den leiblichen Söhne Josephs s. a. Gen 29,31–30,24; 35,16–20; 35,22–26; 49,3–27; Ex 1,1–5; 1 Chr 2,1f.; Dtn 33,6–25 (es fehlen Simeon und Isaschar) u. Offb 7,5–8 (Dan fehlt). Siehe hier S. 271, rechte Spalte. Siehe mehr dazu hier S. 187 (Anm.). Siehe Num 2,10–31; Jos 15,1–19,51; 1 Chr 6 u. Ez 48. Außer Betracht bleibt hier vorläufig die besondere Darstellungslogik auf der Lehrtafel, wo die fraglichen Repräsentanten in einer besonderen kreisförmigen Anordnung dargestellt sind, derzufolge für ↑ n Levi oder Manasse, für x aber Joseph oder Ephraim die fraglichen Kandidaten sind. Zu Harnischfegers einflußreichem Versuch, den Befund auf der Lehrtafel durch eine Kombination von zwölf Jakobssöhnen mit einigen Gegebenheiten der Lagerordnung zu erklären, s. Harnischfeger, 1986, S. 59–61, und dazu kritisch hier S. 187. Siehe Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 259 u. 261f., hier S. 287, Z. 106–111, u. 291, Z. 209–228.

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte

Nicht aus den Gegebenheiten der Lehrtafel abzuleiten ist aber die folgende Differenz der Zuordnung zwischen den zwei Listen: Liste in Textmitte Levi Joseph

Liste am Textschluß Ephraim Manasse

Zugeordneter Edelstein Smaragd Onyx

Im Hintergrund steht ein alter Auslegungsstreit: Der Edelsteinkatalog in Ex 28 bietet nämlich keine Auflistung der einzelnen Stammesfürsten mit ihren Namen. Die Ausleger haben mal auf die biblischen Angaben zu den leiblichen Söhnen Jakobs zurückgegriffen (siehe so die Liste in Textmitte), mal auf die Lagerordnung (siehe so die Liste am Textschluß).130 Wie ist nun zu erklären, daß im Text des Kurtzen Begriffs mal der einen und mal der anderen Auslegungstradition der Vorzug gegeben wird? Ist ein Autor oder Herausgeber denkbar, der eine solche Differenz unkommentiert einführt oder stehenläßt, obwohl nur wenige Seiten zwischen den beiden Listen liegen und aufmerksame Leser darin sehr wohl einen Widerspruch sehen können? Für die Person Oetingers ist dies nach den bisher gemachten Beobachtungen zu seiner eiligen Redaktionsarbeit jedenfalls gut möglich. So ließ er die Leser dann schließlich auch mit den Widersprüchen zwischen der Legende zum Riß und dem Schluß des Kurtzen Begriffs allein. Wer sich von der Pictura eine Erklärung für diesen merkwürdigen Textbefund erhofft, stößt auf neue Schwierigkeiten. Die Pictura bietet nämlich ihrerseits nicht nur eine oder zwei Auflistungen der Repräsentanten Israels, sondern insgesamt fünf in je verschiedenen Kontexten und in je verschiedener Weise: Mal wird die Lagerordnung gespiegelt, mal die Abfolge der leiblichen Söhne, mal werden aber auch Söhne und Enkel Jakobs nach ganz anderen Gesichtspunkten zusammengestellt. Weder einer dieser Kontexte, noch alle zusammen taugen zur restlosen Erklärung des merkwürdigen Befundes im Kurtzen Begriff. Eine genauere Analyse wird sich den Details zu widmen haben.131 Fest steht aber im voraus: Was die Zuordnung der Edelsteine anbelangt, wird im Text der Pictura nur eine der beiden Auslegungstraditionen aufgegriffen. Bei der Beschreibung des hohepriesterlichen Brustschildes wird dem Smaragd Levi und dem Onyx Joseph zugeordnet.132 Damit ließe sich zwar die eine Liste 130 131 132

Zu diesem Auslegungsstreit s. hier S. 214ff. Siehe dazu hier S. 189ff. Siehe Pictura docens, Z. 1835–1877 (im Unterabschnitt zur Kraft der Edelsteine im Abschnitt zur Physik), bes. 1841 u. 1874. Für die Aufzählung ist die Chronologie der Geburten maßgeblich (s. Gen 29,31–30,24; 35,16–20). Gen 49 setzt hingegen beim Segen die Söhne Leas an die Spitze, die Rahels an das Ende sowie Sebulon vor Isaschar. Siehe dazu Delitzsch, 1860, S. 594. Nichts spricht für die Annahme, Oetinger habe in diesem Fall in seinem Exemplar der Pictura eine davon abweichende An- und Zuordnung vorgefunden.

1.7 Kurzbeschreibungen der Lehrtafel bei Oetinger

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des Kurtzen Begriffs (Textmitte) erklären, so man denn an der Grundannahme festhalten will, daß sich Oetinger für die Listen auf eine oder gegebenenfalls mehrere Vorlagen stützte. In jedem Fall reicht aber die Pictura nicht hin, um beide Listen und ihre Abweichungen zu begreifen. Hat Oetinger die Zuordnung der Steine zu Ephraim und Manasse vielleicht in einer anderen, gar der bislang verloren geglaubten Hauptvorlage vorgefunden? Nun gibt es wirklich in der WLB Stuttgart ein Dokument, das als Hauptvorlage in Frage kommt, die Handschrift Cod. misc. 2° 24. Sie wurde bislang von beinahe allen Forschern ignoriert. Von außen unscheinbar entpuppt sie sich als großformatiger Riß zur Lehrtafel mit lateinischer Beschriftung (s. Abb. 7; von mir schematisiert Abb. 8).133 Über dem Riß steht »Turris ANTONIAE Votiva« (Antonias hoher Bau, den sie als Weihegabe bestimmt hat). Mit »Votiva« bezeugt das vorliegende Schriftstück, daß spätestens kurz nach Fertigstellung der Lehrtafel die Absicht einer späteren Stiftung bestand, ob nun für Bad Teinach oder einen anderen Ort.134 Den Stiftungsakt reflektiert Antonia selbst im größeren der beiden erhaltenen hebräischen Gebete von ihrer Hand.135 Auch zu anderen Gelegenheiten hat Antonia nach ihren finanziellen Möglichkeiten oder wohl auch über sie hinaus kirchliche Einrichtungen freigebig bedacht.136 Es gibt von ihrer Hand auch eine grundsätzlichere, leider undatierte Reflexion.137 133

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Siehe hier die Edition der enthaltenen Beschriftung S. 266, bes. 272. Siehe Breymayer, 1998, S. 333: »Es handelt sich hierbei um einen Foliobogen: die für die Übersicht verwendeten Begriffe sind lateinisch. Diese Handschrift wurde von der Antonia-Forschung bisher nicht berücksichtigt.« Die Abmessungen betragen ca. 40 mal 58 cm. Unter anderem Otto und Isolde Betz habe ich 2004 Einblick in meine Auswertung der Turris Antoniae gegeben. Isolde Betz hat in der jüngst erschienenen Neuauflage des gegenwärtigen Standardwerkes zur Lehrtafel (Betz, 2013) die Turris wenigstens kurz berücksichtigen können. Zur Datierung des vorliegenden Schriftstückes auf die Zeit vor Strölins Tod im Jahr 1663 siehe gleich; zur Datierung der Lehrtafel s. hier S. 124. Siehe dazu hier S. 60. Siehe auch Pictura, Z. 496f.: »Hîc Aram figit devota anima ad Maris oram. | Tutissimum enim votivum anaθema ponere ante naufragium.« (Schmidlin, 2007, S. 57/59: »Hier errichtet die andächtige Seele ihren Altar an der Küste des Meeres. / Denn es ist am sichersten, ein Weihgeschenk vor dem Schiffbruch aufzustellen;«) Zu den frühesten Belegen dafür s. Kolb, 1914, S. 41: »Unter diesen Spendern [sc. für das im Dreißigjährigen Krieg notleidende Tübinger Stift] waren mehrfach auch ihre Durchlaucht Prinzessin Antonia, Herzogin von Württemberg und ihr beiden Schwestern, Anna Johanna und Sibylla. Zum Beispiel halfen sie 1636 mit 100 Reichsthalern und 2 Fuder Wein aus.« Zu Antonias Geldnöten s. Raff, 1993, S. 335; Sauer, 1997, S. 140. Siehe den Zettel in WLB Cod. hist. fol. 45,5 (etwa im Format DIN A5, Reinschrift unter Verwendung roter Tinte): : !N‫ יהוא!"נת‬: : V[on] G[ottes] G[naden] : : Antonia : : A[ntonia] Z[u] W[ürttemberg] :

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte

Die Turris Antoniae bietet zahlreiche Übereinstimmungen mit den ikonographischen Angaben des Kurtzen Begriffs. Besonders eindrucksvoll ist die völlige Übereinstimmung bei der Beschreibung der Repräsentanten Israels im Tempelgarten. Sie betrifft nicht nur die Namen, sondern auch die beigefügten Attribute (Monate, Steine, Sternzeichen und Bäume). Für die fragliche Benennung zweier Repräsentanten und der entsprechenden Edelsteine stellt sich die Lage damit folgendermaßen dar: Pictura docens und Kurtzer Begriff (Textmitte) Levi Joseph

Turris Antoniae und Kurtzer Begriff (Textschluß) Ephraim Manasse

Smaragd Onyx

Die Übereinstimmungen zwischen Turris und Kurtzem Begriff finden so ihre wahrscheinlichste Erklärung darin, daß die Turris die gesuchte Hauptvorlage des Kurtzen Begriffes gewesen ist.138 Daß Oetinger als Autor der Vorlage Schmidlin nennt, zeigt nur den Mangel an Gelegenheit zu einer peniblen Analyse.139 Denn ein paläographischer Vergleich spricht klar für die Hand Strölins. Was durch die verlihene Gnade Gottes mir gegeben, | das [ich] in mein gelibtes vatterlandt, vnd herzogthum Württemberg, | jn Etliche kir[c]hen, vnd Gottes häusser, bey meine leb zeiten | vber geben, vnd gestifftet habe, mein geringes s[c]herblin au[c]h dem | dem [sic] herrn zue bringen, die mülde gütte Gottes, wohle [d. h. wolle] ferner Allezeit, | mit seinem Reichen seegen bey mir vnd v¨ b[er] mir Reichlich walten, | vnd Regiren, das noch mehr zue zihert [d. h. Zierde] vnd Ehren Gottes wolgefälig | kirchen vnd Gottes häusser, [ich] bekleiden, vnd mir dardurch desto | mehr Ergötzung vnd völige vergnügen s[c]höpffe: !Nֵ‫ אָמ‬.

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Vgl. dazu Häußermann, 1966, S. 66, Anm. 6, u. 104; Raff, 1993, S. 332, u. ebd., Anm. 23 (die dortige Transkription ist nicht ganz buchstabengetreu und unterschlägt das Hebräische); s. a. Martin Schüz in Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 38f.; zu Bildstiftungen im frühneuzeitlichen Württemberg s. Scharfe, 1968, S. 316–320. Mit dem hebräischen Einweihungsgebet teilt diese Erklärung zwei Grundelemente, den Hinweis auf die eigene Stiftungstätigkeit zur Ehre Gottes und die Bitte um den göttlichen Segen u. a. für das eigene Wohlergehen. Ein speziell testamentarischer Aussagewille ist in beiden Fällen nicht erkennbar. Die Form einer feierlichen Erklärung hat der vorliegende Text mit Antonias Niederschrift von 1644 zu ihrem genauen Geburtsdatum und ihrem Wahlspruch (»Spes mea certa Deus.«) gemeinsam (s. WLB Cod. hist. fol. 911, S. [27–28]; auch da wird das feierliche »VGG« gebraucht). Zu !N‫( יהואנת‬im MS mit dem Kennzeichen für Abkürzungen o. ä. versehen: !N‫ )יהוא!"נת‬und !Nֵ‫ אָמ‬s. hier S. 73 u. 83; zu Antonias Nachlaß s. a. S. 60. Die Turris paßt auch nach Gehalt und Umfang gut zu Oetingers Titulierung Kurtzer Begriff, bietet sie doch nur eine knappe Übersicht. Siehe zu Oetingers Wortverständnis die Bezeichnung des Inhaltsverzeichnisses seines Werkes als »Summarischer Begriff« (Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 264). Siehe dazu Oetingers Bezeichnung: »Herrn Schmidlins kurtzen Begriff von der Lehr=Tafel« (Oetinger, 1763, S. 413; Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 256; hier S. 284).

1.7 Kurzbeschreibungen der Lehrtafel bei Oetinger

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Da Strölin Anfang 1663 verstarb, haben wir auch einen terminus ante quem. Die Turris gehört so neben der Pictura sehr wahrscheinlich zu den Dokumenten, die uns einen direkten Blick in die Werkstätten vergönnen, in denen auch die Lehrtafel ihren Ursprung hat.140 Die vorhandenen Abweichungen des Kurtzen Begriffs von der Turris lassen sich durchwegs als Folgen der Bearbeitung durch Oetinger verstehen, der seine Vorlage nicht nur ins Deutsche übersetzte, sondern zur Anreicherung auch andere Texte, wie die Pictura docens und Raiths Predigt, heranzog und schließlich auch eigene, aktualisierende Beobachtungen und Reflexionen einbrachte. Nimmt man alles zusammen, ist der produktive Anteil Oetingers beim Kurtzen Begriff deutlich größer als beim Ebräischen Entwurf und geht über bloße herausgeberische Maßnahmen weit hinaus.141 Für die oben vorgeschlagene Beurteilung der Judasszene liefert die Turris eine indirekte Bestätigung. Denn sie gibt für die fragliche Position auf der Lehrtafel eben nur die Salbung in Bethanien an.142 Aus ihr kann Oetinger also die Judasszene nicht haben. Die Herleitung aus einem Mißverständnis der Pictura ist und bleibt so die wahrscheinlichste Erklärung. Aus der schon mehrfach besprochenen Eile Oetingers läßt sich andererseits begreiflich machen, warum in der Legende zum Riß doch eine Reihe kleiner ikonographischer Fehler stehenblieb, die sich durch einen sorgfältigen Abgleich mit der Turris und eventuell auch erneute Autopsie hätten bereinigen lassen.143 Die Wiederentdeckung der Turris ist für die Antoniaforschung so ein zwingender Anlaß, nicht nur den Kurtzen Begriff neu zu bewerten, sondern auch die ikonographischen Deutungen der Legende zum Riß bei Oetinger noch einmal kritisch zu prüfen einschließlich ihrer sporadischen Korrekturen durch die Forschung nach Oetinger. Das gilt insbesondere für die Positionen ↑ n und x auf der Lehrtafel: Wer wird dort nun wirklich dargestellt, die Jakobssöhne Levi und Joseph oder die Enkel Manasse und Ephraim?144 140

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Zum Zeitraum der Entstehung der Lehrtafel und ihrer wahrscheinlichen Fertigstellung einige Zeit vor Antonias rundem Geburtstag im März 1663 s. hier S. 121. Zu den Details s. neben den hier bereits (s. S. 18ff.) behandelten den Kommentar zur Neuedition, hier S. 284. Siehe dazu hier S. 31. Siehe ↑ 32, 40 und 62 in der hier vorgelegten synoptischen Edition der Turris und der Legende zum Riß, S. 266, u. den Kommentar dazu. Die irrtümliche Einfügung der Judasszene für ↑ 85 zeigt andererseits, wie Oetinger bei der Auswertung der plötzlich verfügbaren Dokumente den Überblick verlieren konnte. Er hat in diesem Fall die Turris ignoriert bzw. seiner falschen Ausdeutung der betreffenden Passage in der Pictura den Vorzug gegeben. Zu weiteren Inkonsequenzen bei Oetingers Bearbeitung der Legende s. v. a. zur Pendantstellung, hier S. 18f. Siehe dazu ausführlich hier S. 187.

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte

1.8 Beschreibungen der Lehrtafel nach Oetinger Zwischen Oetingers Buch und der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts findet Antonias Stiftung in der Forschung nur sporadisch Beachtung.145 Es blieb dem Theologen und Religionshistoriker Ernst Benz vorbehalten, mit einer kleinen Monographie erneut an Oetinger und Antonia zu erinnern. Wie auch in anderen Fällen bewies Benz sein Gespür für vernachlässigte Themen und Gestalten. Und so steht bei seiner Behandlung eben nicht das Thema ›Schwabenväter‹ im Zentrum, das ja auch vor ihm immer wieder Anwälte gefunden hatte, sondern die Frage nach dem ebenso seltenen wie seltsam anmutenden Phänomen einer christlichen Kabbala. Sie ist das »Stiefkind der Theologie«, dessen er sich annehmen will im Angesicht einer »Ablehnung der Mystik in der heutigen protestantischen Theologie«.146 An eine trennscharfe Unterscheidung zwischen den Positionen einzelner christlicher Kabbalisten, zu denen Benz auch Oetinger und Antonia rechnet, war bei dieser ersten Feldbegehung noch nicht zu denken. In einer Pionierarbeit war natürlich vordringlich, ausgehend von Pico und Reuchlin das Phänomen bekannter zu machen und gemeinsame Anliegen dieser Gruppierung herauszustellen. Benz sucht darum nach Affinitäten und macht so unter anderem verständlich, was gerade Oetinger motivierte und befähigte, in Antonia eine Geistesverwandte zu sehen und ihre Lehrtafel als ein bemerkenswertes Zeugnis christlicher Kabbala wiederzuentdecken. Benz weist dafür ganz mit Recht auf Oetingers prägende Begegnung mit dem Frankfurter Juden Koppel Hecht hin und dessen für Oetinger entscheidenden Hinweis auf Jakob Böhme. Zur Sprache kommt auch die nach Reuchlin und Pistorius epochemachende Kabbala denudata des Christian Knorr von Rosenroth.147 Benz erkennt auch schon eine wichtige Ei145

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Die wichtigste Literatur gerade für einen ersten wissenschaftlichen Zugang wurde bereits oben in Anm. 1 genannt. Als unerschöpfliche Fundgrube kommt die ebenfalls schon genannte Edition Oetingers hinzu (Oetinger, 1977a). Breymayer, 1998, stellt eine Erweiterung der dort versammelten Informationen zur älteren Forschungsliteratur dar (s. bes. Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 21ff.). Forschungsüberblicke bieten Schauer, 2003, S. 17–22, u. Betz, 2013, S. 12–15. Siehe Benz, 1958, Untertitel u. S. 7. Siehe ebd., bes. S. 16–30, 27f., 31–38. Zu Knorr siehe hier S. 5 (Anm.) u. 20 (Anm.). Siehe die bereits von Ehmann gesammelten Aussagen Oetingers, so zumal seine Korrespondenz mit dem Graf v. Castell im Jahr 1756 (Ehmann, 1859, S. 612, Nr. 378): »Jch habe aus Peganius, d. i. Baron Rosenroth, extrahirt, daß Gott sich nicht sehen lassen könne von seinen Creaturen, als in einer Schechina, d. i. Wohnhütte, welche Creaturen erträglich; daher Gott außer dem Lamm (Offenb. 4) in Regenbogenfarben erscheint auch in einer Schechina. Das Lamm aber erscheint auch besonders. Freilich ist Christus allein die wahre Wohnhütte und Schechina Gottes [...].« Ders. an Dens. 1761 (ebd., S. 644, Nr. 497): »Jch bin jezo ganz in der Meditation, J. Böhm nach Speners Wunsch zu eclairiren [...]. Jch bestehe darauf, daß nach der Bibel kein Buch so wichtig ist.« Ders. an Dens. 1764 (ebd., S. 670, Nr. 531): »Cabala

1.8 Beschreibungen der Lehrtafel nach Oetinger

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genheit von Oetingers Kabbalaverständnis: Ohne Zweifel sei ihr »eine engere innere Beziehung zu der neuen als zu der alten Kabbala« eigen.148 Die neue Kabbala repräsentiert Isaak Luria und sein Schülerkreis. Unter dem Eindruck der katastrophalen Vertreibung der Juden aus Spanien (1492) betrieb er die Kabbala sowohl theoretisch wie praktisch in neuen Bahnen, um den Bedingungen der Gegenwart gerecht zu werden. Die Messianologie und Eschatologie trat so in den Vordergrund.149 Gerade die so gegebene Konzentration auf die Endzeit und eine Naherwartung hat nach Benz Oetinger fasziniert:150 Oetinger steht ja ganz in der eschatologischen Tradition des Pietismus, ja er gehört als Schüler Johann Albrecht Bengels gerade jener Richtung des Pietismus an, in der die Endzeiterwartung dank den auf eine spezielle göttliche Offenbarung sich begründenden Berechnungen des Endzeittermins durch den urchristlichen Typ einer ganz wörtlich verstandenen Naherwartung angenommen hatte.

In dieser Perspektive hebt Benz nun auch an der Lehrtafel gerade das hervor, was auf ein besonderes Interesse Antonias an Messianologie und Eschatologie schließen lasse. Und er kommt zu dem Ergebnis, daß die Lehrtafel christliche Kabbala »in aller Ausführlichkeit und bildhafter Anschaulichkeit« darstelle.151 Es sollte aber noch einmal Jahrzehnte dauern, bis jemand Benz aufgriff und seine Hinweise auf das seltsame Phänomen kritisch zurechtrückte. Zwischen Antonias dreihundertfünfzigstem und vierhundertstem Geburtstag (2013) wich die von Benz noch beklagte, dogmatisch verordnete Ablehnung gegenüber der Mystik allmählich einer Neugier, die sich wohl auch aus einer gewissen Ernüchterung über den Ertrag anderer theologischer Erneuerungsversuche speiste und bis zum heutigen Tag keineswegs nachgelassen hat. Dennoch artikulierte sich in den achtziger Jahren das gesteigerte Interesse an einer Mystik Antonias wiederum nicht zuerst bei einem Vertreter irgendeiner herrschenden theologischen Richtung, sondern einem Außenseiter: Ernst Har-

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denudata wird erst von J. Böhm erklärt.« Ders. an dens. 1766 (ebd., S. 680, Nr. 680): »Jezt weiß ich, daß wahr ist, was der große Kabbalist Kappel [sic] Hecht in Frankfurt zu mir gesagt: ›J. Böhm ist über alle Kabbala. Was verachtet ist, hat Gott erwählet‹.« Zu Böhme s. hier S. 20 sowie 284 (Anm.) u. 286 (Anm.). Eine breitere und stärkere Rezeption des Sohar hat erst einige Jahre nach der Einweihung der Lehrtafel Knorr von Rosenroth und sein Kreis angestoßen. Siehe Knorr, 1677, u. Knorr, 1684; dazu jetzt Schmidt-Biggemann, 2013b, S. 63– 187, bes. 70–75. Siehe auch Klemms Hinweis auf den Sohar in seinem Brief an Oetinger (Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 66); bei Oetinger selbst s. seinen Antwortbrief, ebd., S. 61, ferner bes. S. 104–130. Nach ebd., S. 131, folgt Oetinger der traditionellen Zuschreibung des Sohar an Rabbi Simeon ben Jochai, »der fast Coaevus Pauli war«. Im Gelehrtenkreis um Antonia sind hingegen deutliche Spuren einer Sohar-Rezeption jedenfalls bislang nicht nachweisbar. Ebd., S. 37. Siehe zu Luria hier weiter oben S. 20 (Anm.). Ebd.; vgl. dazu Stengel, 2012, S. 525. Ebd.

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte

nischfeger entdeckte Antonia für die Anthroposophie im Sinne Rudolf Steiners,152 und sein Buch – überhaupt die erste größere monographische und gut lesbare Behandlung der Lehrtafel samt vorzüglichen Abbildungen – wurde in jenem Jahrzehnt auch noch ein zweites Mal aufgelegt.153 Daß der Titel »Mystik im Barock« zugleich auch mit Blick auf das seinerzeit wachsende Interesse am Barock gewählt wurde, ist möglich. Wo dem Autor der Drang nach einer universalhistorischen und ins Überzeitliche einer »Ur-Geheimlehre« hinausgreifenden Synthese nicht gerade im Wege steht,154 gelingen Einzelanalysen und Durchblicke, die wissenschaftlich Haltbares oder zumindest Anregendes erbringen.155 Harnischfeger kann so eine Vielzahl biblischer Bezüge dingfest machen, konsultiert nach Möglichkeit auch frühneuzeitliche Autoren und Quellentexte und macht schließlich wenigstens hin und wieder sogar von den bei Oetinger aufbewahrten Dokumenten Gebrauch.156 Nicht nur Harnischfeger wird in dieser Forschungsepoche von der mangelnden Vertrautheit mit der Kabbala in ihren verschiedenen, historisch unterscheidbaren Formen und Richtungen erheblich behindert: So ist er, wie vor und nach ihm nicht wenige andere Forscher ohne judaistische Fachausbildung, vor allem auf Gershom Scholems Kabbaladarstellungen auf Gedeih und leider auch Verderb angewiesen.157 In dieser Situation war es umso bedauerlicher, daß der Tod Hans-Peter Rüger daran hinderte, seine bahnbrechenden Einsichten zur Rezeption nicht der neuen, sondern der alten Kabbala zu veröffentlichen. Rüger gelang es, für die Kabbalakonzeption der Lehrtafel Gikatilla als zweiten wichtigen Anreger neben Reuchlin nachzuweisen.158 Doch erst Otto Betz war es über ein Jahrzehnt später möglich, an Rügers Entdeckung anzuknüpfen.159 152 153 154

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Ein Drittel der Bibliographie beanspruchen Werke Rudolf Steiners. Siehe Harnischfeger, 1986, zuerst 1980 erschienen. Siehe etwa den Versuch, in Antonias Gemälde eine von unten aufbauende konzeptionelle Trichotomie von irdischer, seelischer und geistiger Welt wiederzufinden sowie »Bewußtseinsstufen im Zeitlichen der Menschheitsentwicklung [...], in den Kulturstufen unterschiedlichster Bewußtseinsebenen« (Harnischfeger, 1986, S. 92). Siehe dazu hier S. 187. Zu Harnischfegers Heranziehung des Kurtzen Begriffs s. hier S. 187. Siehe in dieser Epoche neben Harnischfeger besonders Häußermanns Kommentare zu Antonias und Oetingers Kabbalarezeption in Häußermann, 1966, und Oetinger, 1977a. Zu Häussermann s. unten. Zu Gikatilla s. hier v. a. S. 25 u. 209. Rüger machte seine Entdeckungen zunächst nur mündlich bekannt, ließ aber immerhin seinem Tübinger Kollegen Otto Betz eine Kopie des Manuskriptes zukommen und kündigte eine inhaltlich erweiterte Veröffentlichung an (s. Rüger, 1983). Leider hat der Tod auch Otto Betz daran gehindert, Rügers Vortrag drucken zu lassen. Rügers Fazit zum Einfluß Gikatillas und Reuchlins findet sich auf S. 18 des Typoskripts. Betz hat so nur in seinen eigenen Analysen gelegentlich auf Rüger als Anreger verwiesen. Dieses Vortragsmanuskript Rügers liegt mir in einer Kopie vor.

1.8 Beschreibungen der Lehrtafel nach Oetinger

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Als Elisabeth Moltmann-Wendel ihre These einer Feminisierung der Kabbala bei Antonia vortrug, waren Rügers Einsichten noch nicht weiter bekannt geworden. Von entscheidender Bedeutung war dieser Umstand für ihre Ausführungen jedoch deshalb nicht, weil ihre These und deren Begründung nicht damit steht und fällt, welche Anreger im Detail für die Kabbalarezeption Antonias namhaft zu machen sind. Es muß nur anerkannt sein, daß Antonias Lehrtafel eine innovative kabbalistische Konzeption dokumentiert, für die historische Vorbilder fehlen. Widerspruch erwuchs der These auch nicht aus solchen religionshistorischen Gründen. Vielmehr erschienen anderen Forschern die Indizien fraglich, an welchen Moltmann-Wendel die Feminisierung festmacht. Aus der Beobachtung, daß auf der Lehrtafel die 1. bis 9. Sefira durch Frauengestalten dargestellt werden, schließt sie auf einen so vollzogenen Paradigmenwechsel im Basisverständnis der Sefirot. Für die 1. bis 9. Sefira gelte demnach: Antonia habe sie entgegen einer traditionellen und allgemein herrschenden Auffassung nicht als »männliche Potenz« verstanden, sondern als »weibliche Seinsweise«.160 Auf zeitgenössische Vertreter und Kenner der Kabbala müsse diese Verweiblichung zumal bei der 9. Sefira »schockierend« gewirkt haben: Diese ›in oft unverstellt phallischer Symbolik beschriebene Potenz der Zeugung‹ (Gershom Scholem) wurde in der christlichen Darstellung des Adam [sic] Widmannstädter zur Herkules-Manneskraft. Sie ist nun in Teinach eine schwangere Frau [...] erinnert an die Bilder des schwangeren Sonnenweibs aus der Apokalypse und stellt nun wirklich ein neues ›Fundament‹ dar. Nicht die jüdische Phallussymbolik, nicht die christliche Manneskraft, sondern die Fruchtbarkeit der Frau ist das ›Fundament‹ des Teinacher Lebensbaumes. Die letzte Sephira schließlich, die im jüdischen Lebensbaum die Malchut, die weibliche Schechina oder das Weibliche schlechthin ist, mit der sich die neunte phallische Sephira vereint, ist hier Christus, das männliche Produkt weiblicher Fruchtbarkeit.161

Gegenüber allen Einwänden, die Moltmann-Wendel aus historischer Sicht herausfordert, ist vorab und grundsätzlich zu betonen, daß hier der Punkt unbestritten richtig erkannt wird, an dem sich eine der wichtigsten Innovationsleistungen Antonias bzw. ihres Umfeldes offenbart. Und das ist die merkwürdige Neudeutung von 9. und 10. Sefira. Nirgendwo vorher oder nachher sind nach meiner Kenntnis Christus und Mondsichelfrau dergestalt herangezogen worden.162 Im historischen Detail muß man Moltmann-Wendel hingegen sicher in gewichtigen Punkten widersprechen. Erstens wächst der Sefirotbaum nach der kabbalistischen Bildlogik von oben nach unten, und seine Wurzel ist in der 1. Sefira bzw. noch über ihr zu suchen, nicht aber am unteren Ende des Systems.

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Moltmann-Wendel, 1989, S. 118. Ebd., S. 119. Zu Johann Albrecht Widmannstetters Sefirotkonzept s. hier S. 350. Siehe dazu hier S. 158.

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte

Dies war auch den christlichen Kabbalisten des 17. Jahrhunderts geläufig.163 Zweitens wird die Sexualsymbolik auch schon vor Antonia von christlichen Interpreten zurückgedrängt oder als gänzlich unangemessen ausgespart.164 Weithin selbstverständlich war andererseits unter protestantischen Exegeten die scharfe Ablehnung der mariologischen Deutung der Mondsichelfrau in der Offb. Vielmehr sei sie ein Sinnbild der Kirche (Ecclesia).165 Daß Antonia demgegenüber die mariologische Deutung bevorzugt haben sollte, wie MoltmannWendel ohne Begründung voraussetzt, müßte aus anderen Äußerungen Antonias historisch belegt werden, um eine zirkuläre Argumentation zu vermeiden.166 Ohne die mariologische Deutung ist schließlich auch ein Verständnis der 10. Sefira als »Kind« der 9. nicht zu halten. Aus literar- und mentalitätsgeschichtlicher Sicht hat Reinhard Breymayer Moltmann-Wendel mit Recht entgegnet, daß es durchaus eine vergleichbare, das Weibliche in den Mittelpunkt stellende künstlerische Konzeption gebe, die mit Johann Valentin Andreae einen männlichen Zeitgenossen zum Urheber habe. Insofern lasse sich nicht schon aus einer vorherrschenden Weiblichkeit von dargestellten Figuren auf eine Originalität des Lehrtafel-Konzepts und eine Frau als deren Urheberin schließen.167 Auch in dieser Hinsicht hat Moltmann-Wendel allerdings eine wichtige und bleibende Einsicht ausgesprochen: Die Sefirotkonzeption, wie sie von der Lehrtafel präsentiert wird, ist zumindest nach dem erkennbaren Gesamtkonzept kein Tugendbaum. Denn nur die oberen und mittleren Sefirot haben auf der Lehrtafel Attribute bei sich, die als Verweise auf Tugenden lesbar sind, und diese Verwei163

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Siehe beispielsweise die entsprechende Darstellung bei Robert Fludd. Eine Abb. s. bei Roob, 1996, S. 318; dazu jetzt Schmidt-Biggemann, 2013a, S. 136; ferner hier S. 114. Sehr wahrscheinlich ist Moltmann-Wendel dabei von Oetingers »Grund=Wurzel« beeinflußt bzw. auch fehlgeleitet worden. Zu Oetingers Neuverständnis der 9. Sefira s. hier S. 18 u. bes. 22. Damit ist bei Oetinger ein Gesamtverständnis des Sefirotsystems im Sinne eines von oben nach unten wachsenden Baumes weder in Frage gestellt noch überhaupt berührt. Eine solche Infragestellung bzw. auch eine radikale Neuinterpretation der Baummetapher ist andererseits nirgends in den erhaltenen Dokumenten des Antoniakreises deutlich greifbar. Siehe dazu hier S. 75, 163 u. 350. Daß Gott und die Engel keine Geschlechtswesen sind, war den christlichen Gebildeten in der Frühen Neuzeit selbstverständlich. In diesem Sinne hat Betz, 2013, S. 15, auf Gal 3,28 hingewiesen und Moltmann-Wendel entgegengehalten, sie deute fälschlich »religionshistorisch-psychologisch, was in erster Linie sinnbildlich, und leiblich, was geistig gemeint« sei. Siehe dazu auch hier S. 166. Die mariologische Deutung hat zuletzt Schmidt-Biggemann, 2013b, S. 334, wiederholt. Auch er versäumt es aber, den dafür nötigen Beweis zu führen. Siehe Breymayer, 1998, S. 319f., mit Hinweis auf seine Edition von Andreaes Geistlich Gemäld (s. Andreae, 1992). Schon Ende der siebziger Jahre hat Breymayer die Forschung nachdrücklich auf die Notwendigkeit hingewiesen, die Lehrtafel im Kontext der zeitgenössischen Sinnbildkunst zu lesen (s. dazu hier S. 135).

1.8 Beschreibungen der Lehrtafel nach Oetinger

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se zielen hier ungewöhnlicherweise nicht jeweils auf eine, sondern mehrere Tugenden bzw. geistig-seelische Potenzen. Im übrigen gibt es Indizien dafür, daß diese Ausgestaltungen der oberen und mittleren Sefirot nicht dem primären Gesamtkonzept angehören, sondern sekundäre Ausschmückungen darstellen.168 Der entscheidende Prüfstein für Moltmann-Wendels Argumentation ist jedoch die Haltbarkeit der schon von Oetinger behaupteten konzeptionellen Urheberschaft Antonias im Widerspruch zu Raiths Hinweis auf Strölin.169 Da bekannt ist, daß Antonia mehrere Mitarbeiter für die Erstellung der Lehrtafel an ihrer Seite hatte – und gerade hohe Fürstlichkeiten zeitüblich nicht nur für die Ausführung von Artefakten, sondern auch deren Konzeption möglichst universalhistorisch gebildete Konzepteure (Concettisten) heranzogen –,170 kann ein brauchbarer Nachweis für Antonias Urheberschaft schwerlich gedacht werden ohne Rückgriff auf anderweitige Dokumente oder Zeugnisse. Im Fall Antonias fehlt es an solchen Dokumenten durchaus nicht. Umso erstaunlicher ist es, daß sie bislang nur bruchstückhaft oder gar nicht ausgewertet wurden, um für die Frage einer konzeptionellen Urheberschaft Antonias einen sicheren Stützpunkt zu gewinnen. Die bisherige Untersuchung der Forschungsgeschichte hat zwei vorrangige Forschungsaufgaben sichtbar werden lassen: erstens die möglichst trennscharfe Erfassung des für Antonia und ihre Mitarbeiter spezifischen Kabbalaverständnisses im Unterschied zu jüdischen Kabbalisten des Mittelalters und der Frühen Neuzeit wie auch frühneuzeitlichen christlichen Kabbalisten einschließlich Oetingers; zweitens eine möglichst vollständige Aufarbeitung der erhaltenen Dokumente zur Entstehung der Lehrtafel und deren biographischen und kulturgeschichtlichen Kontexten. Vorrang können dabei sicher die erhaltenen Materialien aus dem Nachlaß Antonias und Strölins beanspruchen. Eine dritte Aufgabe ist ohne Zweifel die speziell kunst- und literarhistorische Würdigung des Erhaltenen. Dokumente und Artefakte unterliegen als menschliche Äußerungen ihrer spezifischen Epochen besonderen Erwartungen an Form und Gehalt. Ihre Wirksamkeit entfalten diese Erwartungen als ein Netzwerk gesellschaftlicher Konventionen, dem jede einzelne Äußerung verpflichtet ist, ob nun in Zustimmung oder auch Ablehnung. Historisches Verstehen kann nun bekanntlich nur gelingen, wenn und insoweit Forscher mehrere Erwartungshorizonte unterscheiden und den eigenen von dem fremden abheben. Im Verdacht historischer Naivität steht damit bis auf weiteres die immer 168

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Siehe dazu hier S. 127 und öfter. Zum Tugendbaum als konzeptioneller Anregung s. jetzt Betz, 2013, S. 26. Mit Blick auf das eben Gesagte sollte man aber nicht mit Betz geradewegs von einer Kombination von Tugendbaum und Sefirotbaum im Falle der Lehrtafel sprechen. Siehe dazu hier S. 11 mit weiteren Verweisen. Siehe dazu einführend Bauer, 1992, S. 183f.

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte

noch beliebte Erwartung, die Lehrtafel sei eine Art Konfession Antonias und vorrangig als Zeugnis ihrer persönlichen Anliegen lesbar.171 Es ist nun vielleicht die wichtigste Leistung der einschlägigen Forschungsbeiträge von Otto Betz, diese drei Aufgaben gleichermaßen im Augen behalten zu haben.172 Erstens hat Betz in seinen Darstellungen der christlichen Kabbala nach der nötigen Trennschärfe gestrebt. Als Kenner Antonias und Oetingers konnte er die Hinweise von Benz zu Oetingers Leitsternen bestätigen. Doch zeige das Kabbalaverständnis des Antoniakreises ein deutlich anderes Gepräge: Antonias und Strölins Leitsterne seien, wie bereits Rüger herausstellte, vor allem Gikatilla und Reuchlin als Hauptrepräsentanten der alten Kabbala und ihrer christlichen Rezeption. Während die Forschung zu Oetinger weitergegangen ist, stagnierte sie nach den von Betz geleisteten Beiträgen im Fall Antonias und ihrer Mitarbeiter. Lücken und Inkonsequenzen bei Betz blieben so bislang unbearbeitet. Manche Unklarheit im Verständnis zumal der mittleren und unteren Sefirot auf der Lehrtafel blieben bestehen. Auch eine Sichtung kabbalistischer Spuren in Antonias Nachlaß blieb weitgehend ein Desideratum. Und im Nachlaß Strölins wartet vor allem die Vierergruppe von Sefirotbeschreibungen darauf, für die Rekonstruktion des Prozesses der geistigen Auseinandersetzung mit der Kabbala im Umkreis des Lehrtafel-Projekts ausgewertet zu werden.173 Zweitens konnte Betz zwar die Basisarbeit einer umfassenden Erschließung der erhaltenen Dokumente in den Nachlässen nicht selbst leisten, doch hat er schon wenige Jahre nach der Pionierarbeit von Ernst Benz einen seiner Schüler erfolgreich dazu ermuntert, den Nachlaß Strölins einer ersten Bestandsaufnahme zu unterziehen.174 Mit ihrem Hauptwerk zur Lehrtafel konnten Otto und Isolde Betz dann zwar die nach Harnischfeger zweite monographisch angelegte Erschließung der Lehrtafel vorlegen und, gestützt auf die Entdeckungen HansPeter Rügers und anderer, Harnischfeger an vielen Punkten ergänzen und korrigieren. Eine systematische Fortsetzung der Bestandsaufnahmen Häußermanns und Breymayers mußte jedoch unterbleiben. Immerhin ist nun aber vor allem Schmidlins Pictura docens für Betz »eine unschätzbare Hilfe für die Deutung – und überhaupt schon das Erkennen! – der vielen geistreich ausgedachten Ein171

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Vgl. dazu in der jüngeren Forschung besonders die Deutungsansätze bei Schauer, 2003, und Scialdone, 2008; dazu unten mehr. Die folgenden Ausführungen fassen knapp zusammen, was Betz in mehreren Veröffentlichungen zum Thema beigetragen hat. Zu nennen sind v. a. Betz, 1996 (in verb. Aufl.: Betz, 2000); posthum und mit weiteren Verbesserungen jetzt v. Isolde Betz noch einmal vorgelegt (Betz, 2013); ferner Betz, 1998; Betz, 1999, passim (bes. S. 6f., 9, 17f., 21f., 27, 32, 35, 39); Betz, 2002, bes. S. 97–107, 115–130; s. a. schon Roland Goetschel / Otto Betz: Art. »Kabbala I/II«. In: TRE 17 (1988), 487–509. Zur Vierergruppe s. bereits hier S. 14. Siehe Häußermann, 1966.

1.8 Beschreibungen der Lehrtafel nach Oetinger

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zelheiten« auf der Lehrtafel.175 Betz erkennt auch den künstlerischen Eigenanspruch der Pictura: Schmidlins Werk sei »eine an den Sephirot orientierte Darstellung der biblischen Heilsgeschichte, die freilich über das hinausgeht, was die Lehrtafel zeigen kann.«176 Die Entstehung und das Erscheinen der kritischen Edition der Pictura docens sowie meine davon ausgehende weitere Erschließung der Nachlässe haben Otto und Isolde Betz nach Kräften gefördert. Die Wiederentdeckung von Strölins Turris Antoniae hat Otto Betz noch zur Kenntnis nehmen können. Leider erst nach seinem Tod ist Isolde Betz jetzt in einer Neuauflage dazu gekommen, wenigstens einige wichtige Korrekturen anzubringen, die Strölins Turris nahelegt.177 Schließlich und drittens hat Betz bei seinen Analysen die mögliche Zusammenarbeit mehrerer Mitarbeiter an Konzeption und Erstellung der Lehrtafel stets im Auge behalten und die schon von Raith betonte Rolle Strölins nicht geschmälert, um Antonias Leistung möglichst hervorzuheben.178 Vor der umfänglichen kunsthistorischen Behandlung der Lehrtafel durch Eva Johanna Schauer179 gab es nur einige kurze und verstreute Fachbeiträge.180 In breit gefächerten Recherchen vor allem in Stuttgart hat Frau Schauer die historischen Spuren des Antoniakreises in den regionalen kunst- und kulturhistorischen Kontext eingebettet, eine Fülle wertvoller Detailbeobachtungen gemacht und mit ihrer Monographie von 2003 eine Darstellung von beeindruckender Geschlossenheit gegeben. Nicht überall vermag diese allerdings einer kritischen Überprüfung standzuhalten.181 Gravierend sind wahrnehmbare Defizite für den Ertrag einer kunsthistorischen Analyse der Lehrtafel freilich da, wo es um das Ausloten und Sichern der Basis geht. 175 176 177

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Betz, 2013, S. 58. Ebd., S. 11. Kurz vor seinem Tod hat sich Otto Betz noch rege an der Erforschung von Antonias hebräischen Gebeten beteiligt. Siehe Gruhl/Morgenstern, 2006, passim u. v. a. die Widmung am Beginn. Siehe jetzt Betz, 2013, bes. das Vor- u. Nachwort sowie die Beschreibung der zwölf Stammesfürsten Israels im Tempelgarten der Lehrtafel S. 42–50; s. a. hier S. 187ff. Siehe dazu bes. Betz, 2002, S. 125f., als abschließende Äußerung zum Gelehrtenkreis aus der Sicht von Otto Betz. Siehe Schauer, 2003. Siehe zumal Scharfe, 1968; Lieske, 1973; Fleischhauer, 1981; Decker-Hauff, 1992. Nach ihrer Monographie von 2003 hat Schauer noch mehrere weitere Beiträge vorgelegt (Schauer, 2005; Schauer, 2006; Schauer, 2014), welche aber für den vorliegenden Untersuchungsgegenstand keine neuen Erkenntnisse bieten. Vorab einzuräumen ist natürlich: Bei einer wissenschaftlichen Monographie hatte die Autorin weit weniger Spielraum, offene und schwierige Fragen zurückzustellen oder gar auszublenden, als das bei kleineren Beiträgen möglich und in der Antoniaforschung auch vielfach üblich ist. Insofern ihre Monographie zugleich die erste, groß angelegte kunsthistorische Bestandsaufnahme der Lehrtafel und ihres Umfeldes ist, sind Fehlurteile kaum vermeidlich.

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte

Dieser Basis sind die Fragen der Ikonographie zuzurechnen. Das gilt besonders für ein Barockgemälde wie die Lehrtafel mit ihrer Fülle von dargestellten Szenen, Figuren und Symbolen sowie einer erkennbaren konzeptionellen Bindung an die zeitgenössisch beliebte Gattung ›Lehrtafel‹.182 Dazu ist auch zu rechnen, was Schauer in einem Kapitel »Programmatische Motiv- und Stoffsammlung zu ›Vor-Bildern‹ der Lehrtafel« bietet, gefolgt von einem kurzen Überblick zur Kabbala.183 Ohne Frage muß gelten: Ist diese Basis nicht hinreichend gesichert, bleibt eine kunsthistorische Gesamtdeutung und Synthese gerade im Fall von Antonias Lehrtafel ein gefährlicher Ausritt, vor allem weil bei diesem Werk im Ganzen wie im Detail mit innovativen Ansätzen zu rechnen ist. Sie ergeben sich zumal aus dem erwartbaren Miteinander bzw. auch einer Verbindung von christlicher Kabbala und (zumindest öffentlich bekundetem) evangelisch-lutherischem Bekenntnis.184 Frau Schauer setzt nun einigermaßen überraschend voraus, daß die beschriebene Basis bereits gesichert sei. Nach ihrer Auffassung ist die ikonographische Aufgabe bereits mit der Legende zum Riß in Oetingers Werk sowie den sporadischen Korrekturen vor allem durch Otto Betz hinreichend bewältigt.185 Ebenso soll es offenbar auch mit der »Motiv- und Stoffsammlung zu ›Vor-Bildern‹« stehen, die die Autorin ja ebenfalls ihrer eigentlichen Analysearbeit (in einem Hauptteil zum dramaturgischen Konzept der Lehrtafel) mehr summarisch aufzählend als im Detail abwägend vorausschickt.186 Die eigene Aufgabe verortet 182

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Siehe jetzt Brückner, 2007, passim; speziell für Württemberg Scharfe, 1968, S. 284–289; Packeiser, 1999; s. a. Thümmel, 1979; Marsch, 1980; Slenczka, 1998, u. hier S. 4 u. 121. Schauer, 2003, S. 103–123, bes. S. 103. Zur Installation der Lehrtafel im öffentlichen Raum einer Kirche und den zeitgenössischen Vorbehalten gegenüber der Kabbala s. hier weiter oben. Siehe ebd., S. 86, wo auch noch auf Raith, 1673, Schüz, 1991, u. Harnischfeger, 1986, verwiesen wird. Siehe auch ebd., S. 182. Daß die ikonographische Frage mit der erstmaligen gründlichen Auswertung von Strölins Turris Antoniae (s. hier S. 33) erneut aufgerollt werden muß und zumal bei der Deutung des Zwölferkreises im Tempelgarten der Lehrtafel eine Revision der seit Klemm und Oetinger üblichen Benennungen fordert, liegt auf der Hand. Siehe dazu hier die Studie Zwölferkreis (ab S. 187). Diese Sammlung zählt nun eine Reihe von erkennbaren Vorbildern für darstellerische Details und Teilkonzepte auf, so bei Dürer, van Dyck u. Bruegel d. Ä. bzw. deren Schülern oder Nachahmern. Auch an hilfreichen Hinweisen auf frühneuzeitliche Verbildlichungen der Tabula Cebetis fehlt es nicht, auch nicht auf wichtige regionale Quellen, wie zumal Ebermaier, 1653, den erstmals Breymayer herangezogen hat. Siehe bes. Breymayer, 1978, S. 260–262. Daß Schauer auch in diesem Fall so manches Wichtige übersieht, zeigen Eusterschulte/Knebusch, 2007, wie auch die vorliegende Untersuchung (s. bes. hier ab S. 127). Schließlich werden Häußermanns thesenartige Hinweise auf zeitgenössische Vertreter einer Pansophie aufgereiht (Daniel Mögling, Heinrich Khunrath, Johann Amos Comenius), wobei die Autorin immerhin und ganz zu Recht vorab kritisch vermerkt (ebd., S. 103), daß

1.8 Beschreibungen der Lehrtafel nach Oetinger

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Schauer konsequenterweise oberhalb dieser Basis. Es gehe jetzt um »das Auffinden eines dramaturgischen Konzeptes« und »einen Gesamtzusammenhang aller Bilder« des Epitaphschreins.187 Sollte sich erweisen, daß besagte Basis längst noch nicht überall gesichert ist, dürfte eine solche Aufgabenstellung erhebliche Risiken bergen, zumal die Autorin auch eine dritte Basisaufgabe nicht im angemessenen Umfang wahrnimmt. Es geht um die philologische und besonders paläographische Aufgabe, die sich für jeden stellt, der sich auf alte, zumal handschriftliche und unedierte Dokumente berufen möchte.188 Mit ihrer Absicht, in einer Gesamtdeutung Dynamik und Dramaturgie nicht nur der Lehrtafel, sondern aller Gemälde des Epitaphschreins in Bad Teinach herauszuarbeiten und sie womöglich als »Gemäldezyklus« zu erweisen, stellt sich Schauer einer wichtigen Aufgabe, die vor ihr niemand befriedigend hat lösen können. Zumal das Verständnis der Gemälde auf den Innenseiten der Flügeltüren bereitet ja Kopfzerbrechen: Warum genau hat Antonia hier diese Sujets darstellen lassen?189 Die Autorin erhöht die Schwierigkeit der Aufgabenstellung nun aber noch dadurch, daß die Lehrtafel zugleich auch wesentlich als Konfession Antonias begriffen werden soll. Wie geschildert haben schon Oetinger und MoltmannWendel diese Deutung der Rolle Antonias vorgetragen, ohne dies überzeugend belegen zu können. Genauer noch will Frau Schauer zeigen,190 daß die Lehrtafel als eine künstlerische, handlungsorientierte Frömmigkeitsdarstellung anzusehen ist, die ihre Inhalte aus sehr persönlichen ›Vor-Bildern‹ schöpft. Anders: Es geht hier offensichtlich nicht nur um einen momenthaften ›Auftritt‹ der Prinzessin, sondern um ein dramaturgisches, affektiv gefärbtes, persönliches Konzept, das der gesamten Tafel zugrunde liegt, und für das die intellektuellen theologischen Inhalte nur ›der Firnis‹, ein Teilaspekt sind.

187 188

189 190

Häußermann »keinerlei konkrete Arbeitsbausteine« aufzeige, »auf deren Basis das ›Denckmahl der Lehrtafel‹ – wie Oetinger es formuliert hat [...] – aufgebaut worden ist.« Schauer, 2003, S. 86. So beruft sich die Autorin (ebd., S. 190) beispielsweise auf einen bis heute nicht vollständig transkribierten, geschweige denn edierten Text im Nachlaß Strölins (WLB Cod. hist. fol. 551, S. [108r ]), ohne ihren Lesern eine korrekte Transkription des Titels (»Entwerffung Christlichen Kürchenbaws auff alt Rabinis[c]hen grund riß«) oder eine plausible Zuschreibung anzubieten (Frau Schauers Hinweis auf Strölin unterliegt ernsten Zweifeln). Auch ist durchaus nicht gesichert, daß dieses Blatt überhaupt in irgendeiner Verbindung zum Lehrtafel-Projekt steht. Siehe dazu hier S. 123. Der Vorwurf mangelnder philologischer Präzision wäre sicher kleinlich, ginge es nicht um einen Text, der von der Autorin als Kronzeuge für ihre Deutung des theologischen Programms der Lehrtafel herangezogen wird (s. dazu ebd.). Siehe ebd., S. 23. Ebd., S. 25.

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte

In einem Dreischritt versteht die Autorin die Gemälde als Darstellung dreier Akte eines Passageritus: Es gehe um Bruch mit der profanen Welt (das Epitaphbild mit dem Brautzug), Grenzdasein und Transformation (die kleinen Innentafeln) sowie Auferstehung und neue Gemeinschaft (die Lehrtafel). Die brautmystische Krönung Antonias auf dem Epitaphbild biete dabei zugleich den Leseschlüssel: Der dramaturgische Ablauf der Lehrtafelgemälde entpuppt sich als ritueller Prozeß auf der Grundlage christlich abendländischen Denkens, das als Hintergrund, quasi als kultischer Raum, auszumachen ist, in dem [...] Antonia und ihre Berater stehen. Der Ritus entspricht – vor diesem Denkhintergrund – dem allgemeinen Reglement eines rite de passage, aber auf religiöser Ebene. Er wird [...] von Individuen erfahren, von der Allgemeinheit über den typos nachvollzogen. Der rituelle Dreischritt erklärt, warum die Lehrtafel als Triptychon angelegt ist, dessen Rahmen den Eingang in einen kultischen Raum symbolisiert. [...] Antonia liefert einem Betrachter durch die Hochzeitsszene den Schlüssel zu einem dreiaktigen, rituell gesteuerten Mysterienspiel, dessen weibliche Hauptrolle sie selbst spielt.191

Das auf den beiden kleinen Innentafeln jeweils dargestellte Kind (links Jesus, rechts Mose) sei Antonia selbst. »Geheimnisvoll und verschleiert beschreibt Prinzessin Antonia so ihre zweite, neue Geburt.«192 Entfernt erinnert Schauers Deutekonzept an Harnischfegers These, es gehe auf der Lehrtafel um eine Initiation in ägyptisches Geheimwissen.193 In beiden Fällen wird der Leser mit einem aufwendigen theoretischen Gebäude konfrontiert, dessen Hüter dem konkreten historischen Detail zwar durchaus nachgehen und wertvolle Beobachtungen beisteuern können, am Ende aber das historische Eigenleben mit seiner Unverwechselbarkeit und Widerständigkeit dann doch ebenso anspruchsvollen wie blassen Verallgemeinerungen zu opfern bereit sind. Die Autorin geht jedoch von einem anderen Ansatz aus als Harnischfeger, nämlich Aby Warburgs Konstruktion (bzw. dem eigenen Anspruch nach: Rekonstruktion) eines kulturellen Bildgedächtnisses, das Schlüssel bereitstelle, mit deren Hilfe sich ein Bild jenseits einer nur deskriptiven Ebene zu einer Weltsicht decodieren läßt. In [...] Details, die nach Warburg zum größten Teil im Umfeld von Kultus und Ritus gesucht werden müssen, ist der ihnen eingeschriebene Bewegungsablauf, sprich die Dramaturgie enthalten, die hinter dem Gesamtbild steht [...].194

191

192 193 194

Ebd., S. 129. Für das Konzept eines rite de passage beruft sich Schauer auf Arnold van Gennep, für ihren Ritusbegriff auf Claude Lévi-Strauss. Siehe ebd., S. 127. Zum Dreischritt, für den eine grundsätzliche Kenntnis Antonias behauptet wird, s. a. S. 128f. Siehe ebd., S. 141; dazu hier S. 3, 177 u. 273. Siehe Harnischfeger, 1986, S. 52f. Schauer, 2003, S. 124. Es kann nicht Aufgabe des vorliegenden Referats sein, Schauers Verständnis und Handhabung der Kategorien Warburgs mit dessen Intentionen kritisch abzugleichen. Das bleibt einer kunst- bzw. wissenschaftshistorischen Untersuchung vorbehalten.

1.8 Beschreibungen der Lehrtafel nach Oetinger

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So erscheint die dargestellte brautmystische Krönung Antonias ganz folgerichtig als eine »Heilige Hochzeit«, und die Autorin zögert nicht, zur Erklärung zwei zeitlich, räumlich und kulturell so disparate Konzepte wie den Hieros gamos und die Unio mystica anzuführen.195 Eva Johanna Schauers Gesamtdeutung des Teinacher Epitaphschreins, die in der Darlegung von vier Sinnschichten entwickelt wird (wörtlich, allegorisch, theologisch-biblisch, kabbalistisch), kann hier nicht im Detail nachvollzogen werden. Das gilt zumal für die postulierte vierte und letzte Sinnschicht, in der die Autorin zwar geistvolle, aber schwerlich verifizierbare kabbalistische Exegesen vorlegt, die auch vor komplexen gematrischen Operationen nicht zurückschrecken, ohne aber in den meisten Fällen zu belegen, inwiefern Antonia oder ihre Mitarbeiter eben dieses historisch nachvollziehbar im Sinn hatten bzw. haben konnten.196 Nur ein Beispiel sei gegeben: Den oberen Sefirot wird auf der Lehrtafel unter anderem der Paradiesvogel zugeordnet. Dafür gibt es auch nachvollziehbare Gründe, die sich aus der zeitgenössischen Emblematik und theologischen Diskussion sowie ihrem Dialog mit der Zoologie rekonstruieren lassen.197 Nach der von Schauer verwendeten Hermeneutik wäre dies aber nicht hinreichend. Sie bietet eine kabbalistisch-messianologische Deutung an. Demnach verbinde Schmidlin diesen Vogel mit dem Seufzer der Menschen, das Paradies verlassen zu haben. Raith dagegen meint, der Vogel sei ein ›eingesessener Himmelsbürger‹. Wie immer liegt wahrscheinlich die Wahrheit in der Mitte. Der Paradiesvogel ist ein Sprachbild. Kabbalistisch wird die Seele (ruach) als Vogel bezeichnet. Reuchlin sagt, daß die Seele des Messias die Welt der Engel regiere [...]. Diese Seele, die ein ›eingesessener Himmelsbürger‹ ist, muß diesen Himmel aus Liebe zu den Menschen verlassen (Seufzer), ins ›Exil‹ gehen. Der Paradiesvogel ist so gesehen nichts anderes als ein Abbild des Schin, um das sich die obere Welt dreht. Eine gewisse Bestätigung meiner Vermutung findet sich in den Beschreibungsanteilen der 10. Emanation in den Zehn Sefirot mit ihren verwandten Dingen. Dort heißt eine Essenz der letzten Emanation ›die Seele Meßiä‹.198

Was die Schöpfer der Lehrtafel mit der ›Seele Meßiä‹ assoziierten, hätte Frau Schauer einfacher direkt aus Strölins Nachlaß entnehmen können, wo Strölin innerhalb seiner vier Kurzen Erklärungen !‫ ׁש¬ל מׁש¬ה‬N‫ח מַטַטְרֹו‬²‫י‬¤‫פֶׁש הַּמָׁש‬ª‫ נ‬archiviert.199 Demnach ist ›die Seele Meßiä‹ in der jüdischen, von den jüdischen und 195

196 197 198 199

Siehe ebd., S. 125: »Die Heilige Hochzeit (griech. hieros gamos, lat. unio mystica) ist eine Chiffre. Hinter ihrer Bilderschrift verbergen sich verschiedene Sinngebungen, die je nach Eingebundenheit in das religiöse Weltbild zu unterschiedlichen Ereignissen kommen.« Zur Gematrie s. hier S. 82. Siehe dazu hier S. 134. Schauer, 2003, S. 210. Zum Schin s. hier S. 90 (Anm. mit weiteren Nachweisen). Siehe hier S. 108 sowie 330, Z. 157 (mit Kommentar, wo auch die einschlägige Stelle aus Reuchlin zitiert wird).

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte

christlichen Kabbalisten rezipierten Engellehre der Engelfürst Metatron, welcher bei der 10. Sefira (gewissermaßen der Schnittstelle zwischen der himmlischen und der irdischen Welt) Mose zugeordnet wird als Vermittler des göttlichen Willens. Dies vorausgesetzt wird es allerdings schwierig, sich vorzustellen, daß und vor allem warum die Schöpfer der Lehrtafel den Paradiesvogel nicht einfach nach Maßgabe der Emblematik erbaulich ausgelegt hätten, sondern stattdessen Metatron mit dem christologisch verstandenen Messias identifiziert haben sollten, um dann den Paradiesvogel als dessen Platzhalter unterhalb der oberen Sefirot auf der Lehrtafel anzubringen. Für eine entsprechende Neudeutung der ›Seele Meßiä‹ innerhalb des Antoniakreises gibt es keine aussagekräftigen Belege. Insgesamt gesehen bleibt Eva Johanna Schauer vielfach die nötigen Nachweise für die historische Wahrscheinlichkeit ihrer komplexen Rekonstruktion eines Dreischrittes sowie einer Vierzahl von Sinnschichten schuldig. Die Behauptung, Antonia wolle eben dieses mit ihrem Epitaphschrein ausdrücken, bleibt so bis auf weiteres oft nur geistvolle Konstruktion. Ohne tragfähige Indizien, die sich etwa aus den Dokumenten in Antonias Nachlaß gewinnen lassen, bleibt der Verdacht interpretatorischer Willkür bestehen.200 Auch bleibt Antonias konzeptionelle Urheberschaft nach wie vor ein offenes Forschungsproblem. Vordringlich ist entsprechend eine Analyse jener Dokumente, in denen sich Antonia im Freiraum privater Andachts- und Gebetspraxis artikuliert. Sollten sich dort Belege dafür finden, daß die Prinzessin eine Initiation oder eine mystische Transformation zumindest anstrebt, könnte die Frage nach Korrespondenzen auf der Lehrtafel bzw. dem gesamten Epitaphschrein erneut und auf besserer Basis gestellt werden. Ebenso gut kann sich aber auch ergeben, daß die Dokumente weit eher für eine konzeptionelle Zusammenarbeit mehrerer gelehrter Köpfe sprechen und ein besonderer Beitrag Antonias aus diesem Arbeitsverband nicht hinreichend sicher herausgehoben werden kann. Möglich ist schließlich auch ein bleibendes Rätsel, für dessen Lösung die historischen Quellen nicht genug hergeben. Schließlich ist in einem Überblick zur Lehrtafel-Deutung nach Oetinger noch ein Blick auf Versuche angebracht, Antonia und ihr Werk in den Kontext einer zeitgenössischen Pansophie-Bewegung zu stellen. Erste Andeutungen in diese Richtung hat bereits Häußermann gemacht, wobei er aber immerhin eine 200

Das gilt auch für die, u. a. vom psychoanalytischen Ansatz Lacans inspirierte Bedeutungs(Re-)Konstruktion Maria Paola Scialdones, wonach Antonia mit der Lehrtafel eine Art Autobiographie in synoptischer Simultaneität geboten habe, in der die Prinzessin sich in ihrer Individualität in dem umgebenden kulturellen Kontext reflektiert habe. Siehe Scialdone, 2008, bes. S. 133f.; zur Berufung auf Lacans Spiegelstadium s. ebd., S. 143f.

1.8 Beschreibungen der Lehrtafel nach Oetinger

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direkte Assoziation mit dem Rosenkreuzertum vermied.201 Aufgegriffen wurden diese Anregungen in neuerer Zeit vor allem von Wolf-Friedrich Schäufele, sporadisch auch von Frau Schauer sowie von Anne Eusterschulte.202 Ein solcher Deuteansatz ist nun mit einigen grundsätzlichen Schwierigkeiten behaftet. Erstens kann er in den erhaltenen Dokumenten zum Lehrtafel-Projekt Antonias nur in der Pictura docens auf einen Anhaltspunkt verweisen, insofern dort die Lehrtafel explizit als Denkmal von Antonias Pansophie gewürdigt wird.203 Bezeichnend ist, wie in dem neuesten einschlägigen Deuteversuch zwar anfangs noch vollmundig von Lehrtafel »bzw.« Pictura die Rede ist,204 im Folgenden aber hauptsächlich die Pictura behandelt wird, um dann wenigstens für den Paradiesgarten auf der Lehrtafel einen Anklang von Paracelsismus festhalten zu wollen, wenn auch nur verborgener Weise.205 201

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205

Siehe Häußermann, 1966, bes. S. 74: Lehrtafel und Pictura docens »gehören, als ein Werk betrachtet, zum genus der Systemata Mundi Totius, gewisser pansophischer Utopien der mittleren und ausgehenden Renaissance, wie sie W. E. Peuckert in seiner Pansophie mit reicher Dokumentation dargestellt hat. [...] Auch wenn es Schmidlin nicht ausdrücklich bezeugte [...], wollen beide Schöpfungen als eine ›Compendiosa Pansophia‹ verstanden werden, und zwar als ausgesprochen christliche Pansophie. Die von dem Stuttgarter Kreis um Antonia nach dem Ende des Rosenkreuzertraums [...] wieder aufgenommene Idee einer Universalwissenschaft hatte sich zu einer christozentrischen Symbolik gewandelt.« Zur Kabbalarezeption im Rosenkreuzertum vgl. Edighoffer, 2003. Siehe Schäufele, 2001, u. Eusterschulte/Knebusch, 2007; ferner Schauer, 2003, etwa S. 212. Die Rede von einer pansophischen Ausrichtung hat daneben auch eine gewissen Popularität bei Autoren erlangt, die Antonias Werk knapp und griffig kennzeichnen wollten, ohne sich auf Details einlassen zu können. Siehe so etwa Wallmann, 2005, S. 137: »Ebenso schwierig ist die Abgrenzung zu den im 17. Jahrhundert verbreiteten pansophisch-kabbalistischen Kreisen, etwa am Hof des Pfalzgrafen Christian August von Sulzbach oder am Stuttgarter Hof um die württembergische Prinzessin Antonia.« Siehe Z. 2317 (Text u. Übers. nach Schmidlin, 2007, S. 188f.): »Et Quidni Philosopho sufficeret Pansophiae huius compendiaria informatio | quae in Hieroglyphicis graphicè ludens, deludit Neminem« (»Und sicher würde auch einem Philosophen die Kurzdarstellung dieser Allweisheit genügen, / die in heiligen Zeichen malerisch spielend niemanden täuscht«). Siehe auch ebd. in der Widmung, S. 8f., Z. 14. Siehe Eusterschulte/Knebusch, 2007, S. XLVII: »Die Konzeption einer christlichen Pansophie fungiert auch in Bezug auf die Teinacher Tafel bzw. Schmidlins Kommentar als universalwissenschaftlich angelegte Integrationsfolie für Einflüsse magisch-hermetischer bzw. kabbalistischer Art wie für christianisierte Rudimente der Antikenkenntnis.« Siehe ebd., S. LXIII: »Hierin verbirgt sich [...] der Aufriss einer paracelsisch orientierten Naturphilosophie in Abstufung der Naturreiche. Folgen wir abermals der Genesisauslegung des stark vom Paracelsismus geprägten Johann Arndt, dann ist das Wasser das Element anfänglichen Werdens. Es begreift in sich die Samen und Gebärkräfte der Vögel, Fische, Steine [...], Metalle, Mineralien und Salze, die unter dem Einfluss der Sterne reifen und wachsen.« Für die Pictura wäre in diesem Zusammenhang das Lob Antonias als »neuer Aristoteles« (s. hier Anm. 211) erläuterungsbedürftig, blickt man auf den programmatischen Antiaristotelismus nicht weniger Paracelsisten; s. Bergengruen, 2007, S. 18–20; grundsätzlich: Kühlmann, 2016a.

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte

Doch was dabei im einzelnen angeführt wird, ist im Horizont der Frühen Neuzeit für sich allein genommen trivial genug und begründet genauso wenig ein irgendwie spezifisch pansophisches Profil wie die Tatsache, daß die Schöpfer der Lehrtafel ganz offensichtlich bei der christlichen Kabbala im Fahrwasser Reuchlins, Ritius’, Agrippas und Alsteds Anleihen machen.206 Und wie weit mag es her sein mit dem Pansophie-Konzept der Pictura, wenn dafür vor allem Schmidlins »In Uno omnia, in omnibus Unum« (Zeile 50) herhalten muß, das sich so durchaus nicht ohne weiteres als spezifisch pansophische Losung reklamieren läßt!207 Aber was meint, zweitens, in der Pictura überhaupt die Rede von Pansophie? Handelt es sich um ein »Kennwort theosophischer Strömungen, in denen kabbalistische, hermetische und universalpädagogische Gedanken zusammenkommen«?208 Meint Schmidlin wirklich Derartiges, wenn »Pansophie« doch erst in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts zu einem Sammelbegriff wurde »für Mystik, Okkultismus, Alchemie und Kabbala«?209 Es muß hier genügen, einige Zweifel anzumelden. Zumal der Wortgebrauch in zeitgenössischen Casualgedichten legt doch nahe, daß Pansophie in einem ganz unspezifischharmlosen Sinn für »umfassendes Wissen« stehen kann.210 Wollte Schmidlin vielleicht doch nur dies ausdrücken, und kam ihm das amplifizierende »Pansophia« neben weiteren Lobtopoi einfach nur gelegen, um Antonia glänzen zu lassen?211 206 207

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Siehe dazu hier S. 108. Siehe Eusterschulte/Knebusch, 2007, S. LII: »in Anknüpfung an die pansophische Vorstellung eines ganz von Gott durchwirkten Zusammenhangs aller Dinge« Dagegen sei nur auf die ähnliche zeitgenössische, ebenfalls auf eine göttliche Allwirksamkeit abzielende Formulierung bei einem anderen württembergischen Theologen in einer Abhandlung zur Unio mystica (Meurer, 1664, S. 1f.) hingewiesen, in der von Pansophie oder mit ihr verknüpften Vorstellungen nach meinem Eindruck mit keinem Wort die Rede ist: »MEditandi [MEeditandi im Druck], quid ex Theologico, quod inquisivi hactenus, gazophylacio seligerem ad disputandum, mentem subiit UNIO fidelium cum Christo mystica, ocellus ille Theologiae & nobilis verè Unio. Equidem ex Uno omnia, omnia in uno, & ad unum omnia, mirabili emanatione fluere, magneticae ad modum confibulationis pendere & velut ad centrum finaliter rapi, Atrium si ingredimur Naturae, experimur suaviter; suavius tamen, dum in Sanctum penetramus Gratiae; suavissimè si in Adyta Gloriae oculos, quantum hâc in infirmitate licet, nostros immittimus; scilic[et]. in Unione perfectio est, extra hanc interitus.« Siehe den Artikel »Pansophie«. In: HWPh, Bd. 7 (1989), S. 56–59, 58 (Wilhelm SchmidtBiggemann). Ebd. So ehrt Wendelinus Sybelisy mit der Bezeichnung »Pansophiae fax« August zu Braunschweig-Lüneburg (s. August, 1654, B 2r ). Tobias Magirus wird in einem Epigramm als »Pansophies Splendor« herausgehoben (s. Magirus, 1687, Titelkupfer). Siehe »Novâ [...] Aristotele« (Pictura, Z. 1754; s. dazu Gruhl, 2007a, S. XXVII) u. »Minerva Württembergica« (Strölin an Schmidlin am 16.7.1661, hier S. 375).

1.9 Rückblick und Ausblick

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Drittens wird seit Häußermann ein entsprechender Einfluß Johann Valentin Andreaes auf Antonia wenigstens gerne behauptet.212 Doch gibt es dafür auch nur einen handgreiflichen Beweis? Was an konkreten Informationen über einen geistigen Austausch vorliegt, ist vor allem ein Brief Antonias an Andreae, der für die vorliegende Frage zumindest nicht ergiebig ist.213 Ähnlich steht es mit den Briefen Strölins an Andreae, deren erste Musterung und Transkription nach meinem Eindruck zwar manche Anregungen erkennen läßt, die der Ältere dem Jüngeren vermittelte, aber keineswegs Pansophisches.214 Vor aller künftigen Bearbeitung dieser ohne Zweifel unverzichtbaren Frage nach Antonias Stellung zu Pansophie, Paracelsismus, Alchemie usw. sollte doch eine verläßlichere Basis gelegt werden. Sie besteht aber auch hier in jedem Fall darin, die handschriftlichen Nachlässe Antonias und Strölins gründlicher zu sichten und, vor aller Frage nach umfassenden Synkretismen,215 abzuklären, inwieweit man im Kreis um Antonia der alten Kabbala und ihrer Rezeption bei Reuchlin und seinen Schülern gefolgt ist. Wo sich davon deutliche Abweichungen ergeben, ist das Feld erneut offen für neue und umfassende Ableitungs- und Rekonstruktionsversuche.

1.9 Rückblick und Ausblick Für Historiker verschiedener Sparten ist Antonias Lehrtafel und ihr Kontext gerade darum von besonderem Interesse, weil sich verhältnismäßig reiches handschriftliches Material aus dem Entstehungskontext erhalten hat. Zumal in Stuttgart und Wolfenbüttel werden einige hundert Seiten an Briefen und Entwürfen aufbewahrt, die aus dem Nachlaß Antonias, ihrer Mitarbeiter und Korrespondenten stammen. Nur ein Bruchteil davon ist bislang gründlicher gesichtet, wissenschaftlich ediert und der verdienten Aufarbeitung nicht nur im Rahmen der Regionalforschung zugeführt worden.216 212 213 214 215

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Siehe ebd., S. XLVI. Siehe dazu hier S. 307. Zu diesen Briefen s. hier S. 399 (im Kommentar). Darauf legt Anne Eusterschulte in ihrem Beitrag die Betonung, wie bereits der Titel ausweist. Zur Rechtfertigung einer Verlagerung der sozial- und bildungshistorischen Regionalforschung weg von den Sternen erster Ordnung hin zu weniger prominenten Vertretern der frühneuzeitlichen Gelehrtenkultur s. Kümmerle, 2008, S. 14: »[...] die Vernachlässigung der Wahrnehmung sozialgeschichtlicher Bedingungen, Implikationen und Konsequenzen, der bildungsgeschichtlichen Breitendimension von Wissen und der biographischen Erfassung seiner Träger, auch wenn diese gerade nicht zu den Gipfelstürmern der geistigen Höhenlagen ihrer Zeit gehören, führte quasi zwangsläufig zu allenfalls partiell gültigen Ergebnissen und einer selektiven Perzeption der frühneuzeitlichen Sozialgeschichte der Bildung und Wis-

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1 Wirkungs- und Forschungsgeschichte

Das Material bietet die besondere Chance, mehr oder weniger aus erster Hand Erhellendes zu den Intentionen, dem Werkprozeß und den kulturellen Rahmenbedingungen erfahren zu können, unter denen hochgebildete evangelisch-lutherische Christen der Barockzeit nach dem Dreißigjährigen Krieg eine Synthese ihrer Glaubensüberzeugungen formulierten. Daß sie dabei Anleihen bei der Kabbala machten und sich ungewöhnlich intensiv mit dem Erbe des Judentums auseinandersetzten, ist ebenso bemerkenswert wie die Tatsache, daß im Zentrum des Lehrtafelprojekts eine Frau ohne akademisch-theologische Ausbildung steht, die aus freien Stücken Hebräisch lernte, um tiefer in die Welt der Bibel und des Judentums einzutauchen als so mancher Theologe von Amts wegen. Die von Antonia und ihren Mitarbeitern geplanten Handreichungen zur Erklärung des geheimnisvollen Gemäldes blieben im Entwurf stecken oder jedenfalls ungedruckt und mußten sich hundert Jahre und länger gedulden, bevor sie jemand ernsthafter prüfte oder gar veröffentlichte; nicht wenige warten bis zum gegenwärtigen Tag darauf, ihre Nachrichten aus erster Hand endlich weitergeben und so manche Rätsel lösen zu können, die bislang das Verständnis der Lehrtafel verdunkelten. Diesen Wartestand im Anschluß an bereits Vorliegendes217 nach Kräften abzukürzen ist das Ziel des vorliegenden Buches. Darum führt es eine größere Zahl von Dokumenten zur Entstehung der Lehrtafel vor Augen (viele davon in Erstedition) und zieht sie in einer Reihe von Studien zur Beantwortung einiger besonders drängender Fragen heran. Die wirkungs- und überlieferungsgeschichtliche Analyse von Raiths und Oetingers Reaktionen auf das Lehrtafelprojekt hat bereits gezeigt, mit welchem investigativen Aufwand dabei zu rechnen ist. Wer diesen Aufwand nicht treiben will, darf nicht hoffen, die zahlreichen Rätsel methodisch angemessen und erfolgreich lösen zu können, an denen die bisherige Forschung gescheitert oder auch vorbeigegangen ist. Der Rückblick auf diese Forschung rechtfertigt durchaus den nochmaligen Hinweis auf eine Selbstverständlichkeit: Eine möglichst professionelle Quellenerschließung ist und bleibt die unverzichtbare Basis künftiger Deutungen von Antonias einzigartiger Stiftung. Ohne diese Basis bliebe die Forschung auch weiterhin denselben Gefährdungen ausgesetzt, welche sie bisher belastet und zuweilen gründlich in die Irre geführt haben. Sie bietet das geeignete Eichmaß, um In-

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senschaft. Die prämissenbedingte Konsequenz war die deterministische, ahistorische Differenzierung von erforschungswürdigen Spitzen-Bereichen und Spitzen-Gestalten der frühneuzeitlichen Gelehrtenkultur und der kaum lohnenden Beschäftigung mit der Breite der wissenschaftlichen und geistigen Epigonen, die, sofern überhaupt beachtet und bearbeitet, gerade im Bereich der Familienbiographik dem Feld der Genealogen und Familienforscher überlassen wurden. Gepaart mit einem teleologischen Fortschrittsoptimismus tat diese Sicht ihr Übriges, um nahezu gänzlich die ›sozio-kulturelle Bodenhaftung‹ zu verlieren.« Siehe v. a. Schmidlin, 2007, ferner auch schon Gruhl/Morgenstern, 2006.

1.9 Rückblick und Ausblick

55

tuitionen, Frageansätze und Thesen kritisch zu prüfen und nötigenfalls zu revidieren, die seit Jahrzehnten mit zuweilen missionarischem Eifer vorgetragen werden. Der Blick auf den erwartbaren Aufwand rechtfertigt auch die Betonung einer weiteren Selbstverständlichkeit: Die historisch-kritische Forschungsarbeit muß sich von Beginn an interdisziplinär ausrichten. Neben der Kunst-, Theologieund Frömmigkeitsgeschichte erhebt vor allem die Wissenschaftsgeschichte berechtigte Ansprüche. Denn Antonias Lehrtafel entstammt einer Zeit und einem Milieu, in dem – weit unbefangener als heute – eine Vielzahl wissenschaftlicher Disziplinen gepflegt und wie selbstverständlich auch zur Erarbeitung künstlerischer Entwürfe herangezogen wurde, allen voran die Orientalistik, dann aber auch Mathematik, Chronologie und Geographie, nicht zuletzt naturgeschichtliche Disziplinen, wie Zoologie, Botanik und Geologie, um nur einige zu nennen. Die künstlerischen Entwürfe im Umkreis des Lehrtafel-Projekts umfassen zudem Bilder und Texte, wobei die Texte nicht nur in dienender Funktion engstens auf Bilder bezogen werden, sondern ansatzweise sogar Bild-TextGebilde konzipiert werden, in denen das Prinzip wechselseitiger Erhellung die verschiedenen Medien untrennbar verbindet. Entsprechend ist so ziemlich jedes Forschungsvorhaben zur Lehrtafel gezwungen, üblichen Lippenbekenntnissen Taten folgen zu lassen und sich womöglich gar in eine Vielzahl zeitgenössischbarocker wie moderner Wissenssparten einzuarbeiten.218 Eine weitere Herausforderung wird sich erst während der Erschließung zeigen: Nicht wenige Dokumente und Artefakte im Umkreis des LehrtafelProjekts sind in mehr oder weniger weit gediehenen Entwürfen steckengeblieben bzw. nur in unfertiger Form überliefert. Selbst die Lehrtafel zeigt bei genauerem Hinschauen Spuren von Unvollendetheit. Damit nicht genug: Hinzu kommen Ungereimtheiten, die auf das Wirken mehrerer Köpfe zurückzuführen sind, Köpfe, welche nicht immer und überall Kraft und Gelegenheit hatten, sich bis ins letzte Detail zu verständigen und die Teilarbeiten in das geplante große Ganze harmonisch-vollendet einmünden zu lassen. So braucht es eigentlich den Scharfsinn und die Disziplin eines zünftigen Archäologen, um die Fundstücke korrekt zu archivieren und einer angemessenen Rekonstruktion zuzuführen.219

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Siehe Mittelstraß, 1992, S. 102: »Interdisziplinarität ist [...] ein Reparaturphänomen zur Aufhebung erkenntnisbegrenzender Disziplinarität und ein Kompensationsphänomen. Dies aber für die unwiederbringliche Einheit der wissenschaftlichen Praxis, nicht für die disziplinäre Einfallslosigkeit. Im übrigen ist es so, daß Interdisziplinarität im eigenen Kopf anfangen muß – als Querdenken, fragen, wohin noch niemand gefragt hat, lernen, was die eigene Disziplin nicht weiß.« Siehe Laufhütte, 1998 (zur philologischen Detektivarbeit am Birken-Nachlaß).

2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins 2.1 Antonias Gebetbuch 2.1.1 Die Schwierigkeiten bei der Erforschung frühneuzeitlicher Praxis pietatis Zwar haben wir heute eine Fülle gut erreichbarer Nachrichten über das Leben in der Frühen Neuzeit. Und diese Fülle ist in den letzten zwei Jahrzehnten noch erheblich gewachsen dank einer beachtlichen Zahl von Spezialuntersuchungen und der Digitalisierung von Bibliotheks- und Archivbeständen. Der Erforschung der frühneuzeitlichen privaten Gebetspraxis ist das jedoch weit weniger zugute gekommen als erwünscht. Für sie vor allem gilt immer noch Richard van Dülmens Feststellung: »Was die Menschen selbst wirklich glaubten und wie sie sich tatsächlich verhielten, darüber gibt es nur wenige Zeugnisse.«1 Wann haben wir schon Gelegenheit, etwas Sicheres über das Geschehen im sprichwörtlichen Kämmerlein (Mt 6,6) zu erfahren? Was dort bedacht und besprochen, beseufzt oder bejubelt wird, ist in der Regel nicht unmittelbar zugänglich, sondern nur in Spuren greifbar.2 Problematisch ist der Rückschluß vom frühneuzeitlichen Angebot gedruckter Gebet- und Andachtsbücher auf eine bestehende Nachfrage und die Facetten wirklicher praktischer Nutzung.3 1

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Siehe van Dülmen, 1999, S. 56. Zum Begriff Praxis pietatis bzw. Übung in der Gottseligkeit und zu Pietas als Zentralbegriff in der lutherischen Orthodoxie des 17. Jahrhunderts s. Wallmann, 2008c. Die Verborgenheit des Gebets als Praxis der Gottesbegegnung illustriert aus theologischer Sicht Wilhelm Stählin zutreffend mit einem Tempelvergleich: Der Verborgenheit entspricht der Innenraum mit seinen strikten Zugangsbeschränkungen. Diese gelten nicht nur für jene, die »in dem Vorhof eines bloß gedanklichen Christentums« steckenbleiben, sondern natürlich auch für den auf Dokumente und Artefakte angewiesenen Religionshistoriker. Denn es gilt: »Alle unsere religiösen Gedanken, unsere Vorstellungen und auch die Sprache, in die wir sie kleiden, auch alle unsere Gebärden und Zeichen, gehören noch zu diesem Vorhof. Sie sind zwar nicht ganz draußen; aber sie sind auch nicht ganz drinnen.« Siehe Stählin, 1958, S. 389–399, 389. Zur gedruckten und zumeist von professionellen Theologen und Seelsorgern verfaßten Erbauungs- und Gebetsliteratur gibt es inzwischen eine stattliche Zahl von Spezialuntersuchungen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sei auf folgende Sammelbände verwiesen: Frömmigkeit in der Frühen Neuzeit. Hrsg. v. Dieter Breuer. Amsterdam 1984; Religion und Religiosität im Barock. Hrsg. v. Dieter Breuer. Teil 1 u. 2. Wiesbaden 1995/1996 (Wolfenbütteler Forschungen 25); Pietas in der Lutherischen Orthodoxie. Hrsg. v. Udo Sträter. Wittenberg 1998; Im Zeichen der Krise. Religiosität im Europa des 17. Jahrhunderts. Hrsg. v. Hartmut Lehmann / Anne Charlott Trepp. Göttingen 1999; Meditation und Erinnerung in der Frühen Neuzeit. Hrsg. v. Gerhard Kurz. Göttingen 2000 (Formen der Erinnerung 2);

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2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

Die Auswertung von Casualschriften verlangt Zurückhaltung: Gerade Leichenschriften vermitteln doch eher, was man von dem Verstorbenen erinnern will und soll.4 Ähnlich steht es um andere Verlautbarungen zeitgenössischer Glaubenshüter, Seelsorger oder weiterer Beobachter.5 Vorsicht ist auch bei Verzeichnissen zum Buchbesitz und dem handschriftlichen Nachlaß geboten, lassen sie doch selten genau genug erkennen, welche Medien in welchem Maße zur persönlichen Andacht dienten.6 Breit angelegte regionale Untersuchungen können

4 5

6

Gebetsliteratur der Frühen Neuzeit als Hausfrömmigkeit. Hrsg. v. Ferdinand van Inghen u. a. Wiesbaden 2001 (Wolfenbütteler Forschungen 92); Frömmigkeit unter den Bedingungen der Neuzeit. Hrsg. v. Reiner Braun / Wolf-Friedrich Schäufele. Darmstadt 2001 (FS Gustav Adolf Benrath); Glaubenswelt und Lebenswelten (Geschichte des Pietismus, Bd. 4). Hrsg. v. Hartmut Lehmann. Göttingen 2004; Säkularisierung vor der Aufklärung? Bildung, Kirche und Religion 1500–1750. Hrsg. v. Hans-Ulrich Musolff u. a. Köln 2008. Siehe ferner Haimerl, 1952; Vogler, 1992; Wodianka, 2004, u. hier Anm. 7. Mehrfach hat Johannes Wallmann kritische Überblicke formuliert. Siehe v. a. Wallmann, 2001, u. Wallmann, 2008b. Zur Theologie des Gebets und der Beurteilung der Rolle von Gebetbüchern bei Luther s. jetzt Steiger, 2013a. Zur gebotenen methodischen Zurückhaltung s. Veit, 1996, bes. S. 593, und Tode, 2007. Zurückhaltung verdienen natürlich vor allem Generalabrechnungen, zumal Hoburg, 1644. Schon ein Zeitgenosse protestiert dagegen, »das Kind mit dem Bad außzugießen/ vnd alle Christliche Stände mit schröcklichen Verleumbdungen anzugreiffen«. Siehe Saubert, 1646, Vorrede. Siehe dazu Sommer, 1999, bes. S. 258f. Mit einem Augiasstall läßt Johann Valentin Andreae, ebenfalls ein Parteigänger Johann Arndts, die zeitgenössische christliche Gesellschaft im Theophilus vergleichen. Der eingerissenen Korruption könnten die gegenläufigen Bemühungen vieler treuer Diener Christi derzeit nicht Herr werden. Siehe Andreae, 2002, S. 182; dazu Kühlmann, 2016b. Nach Christian Scriver »meinet der größte Theil/ wenn sie früh einen Morgensegen/ und spät einen Abendsegen/ wie sie selbige in ihren Büchern finden/ gelesen/ so haben sie ihrem Christenthum schon genug gethan«. Siehe seine Vorrede zu Michael Cubach: Einer gläubigen Seelen vermehrtes tägliches Bet= Buß= und Danck=Opfer/ Das ist ein großes vollkommenes Bet=Buch. Erw. Ausg. Leipzig 1689; zit. nach Wallmann, 2001, S. 42. Gewicht kommt Aussagen von Visitatoren zu; s. Berbig, 1896, Rauscher, 1925, u. Strauch, 2005, bes. S. 65–71. Wenn Veit Ludwig von Seckendorff zum Konzept der Hauskirche und der den Hausvätern zugedachten Rolle festhält, daß »unter tausenden nicht einer« (ebd., S. 68) den Empfehlungen folge, ist das ein wichtiges Korrektiv für übliche Darstellungen der Hausväterliteratur (s. Veit, 2001; Hölscher, 2005, S. 72–74). Cum grano salis ist andererseits auch das Frauenlob bei Heermann, 1656, Zuschrifft, zu verstehen: »[)(iijr ] [...] Denn wir wollen denjenigen nicht beypflichten/ welche gleichsam profeß gemacht dem weiblichen Geschlechte zu widersprechen; ja wir müssen viel mehr gestehen/ daß viel Matronen und Jungfrauen an der Gottesfurcht (welche eine Käiserin aller Tugenden ist) den Mannes=Personen die Wage halten/ ja wol das Vortheil abgelauffen. [...] [)(iiijr ] [...] die da Lust haben zum Gesetze deß HErrn / und reden von seinem Gesetze Tag und Nacht/ die nicht alleine das H. Bibel=Buch vor einen Schutz und Artzney ihrer Seelen achten/ sondern auch andere reiner Lehrer Schrifften/ welche wie reine Bäche aus den klaren Brunnen Jsraelis hervor geleitet sind/ mit Lust lesen und [)(iiijv ] hochhalten.« Siehe dazu Frieder Schulz: Art. »Gebetbücher III«. In: TRE 12 (1984), S. 109–119, 112: »Als Gebrauchsbücher waren Gebetbücher dem Verschleiß ausgesetzt und kein Sammelgut für Bibliotheken, weshalb eine vollständige bibliographische Erfassung aller Ausgaben nicht

2.1 Antonias Gebetbuch

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einseitige Urteile korrigieren und manche Wissenslücke füllen; ebenso gründliche biographische Analysen für Einzelpersonen, so sie denn nach der Quellenlage überhaupt möglich sind.7

2.1.2 Der Nachlaß der Prinzessin Im Fall der Prinzessin Antonia von Württemberg haben wir es mit all den genannten Sorten von Nachrichten zu tun. Es gibt ein Nachlaßverzeichnis zum Buchbesitz,8 eine Leichenrede mit einem Personalteil,9 mehrere Bücher aus ihrem Besitz mit handschriftlichen Einträgen,10 ja sogar einige Papiere, die uns

7

8 9 10

möglich ist.« Zur Rezeption von Heinrich Müller s. Koch, 1998, bes. S. 144f.; zu Gerhards Klassiker s. das Nachwort von Gerhard, 2000, Bd. 2, S. 690–765. Eine unbewältigte Aufgabe ist u. a. die Erforschung der wirklichen Breite und Tiefe der Arndtrezeption. Siehe dazu Wallmann, 2008b, bes. S. 57f. Methodisch vorbildlich wird in einer Fallstudie gesolltes und wirkliches Leseverhalten kontrastiert von Stronks, 2001. Für Mitteldeutschland s. v. a. Albrecht-Birkner, 1998; für Württemberg sei nur hingewiesen auf Breining, 1909; Breining, 1929; Fritz, 1989; Haag, 1989; Holtz, 1993; Schad, 2002; einige Streiflichter zu Erneuerungsbemühungen gelehrter und adliger Zirkel im Luthertum Oberdeutschlands s. in Rompler, 1988, Nachwort, S. 65*f. u. 70*f., 75*, 77*; für Frankreich Lebrun, 1991; s. a. Ariès, 1978, bes. S. 201–208; für die Frauenfrömmigkeit unter dem Einfluß der devotio moderna am Niederrhein zu Beginn der Frühen Neuzeit s. Costard, 2011; s. ferner Koch, 2005, sowie die Sammelbände: Volksfrömmigkeit. Von der Antike bis zum 18. Jahrhundert. Hrsg. v. Hubert Chr. Ehalt. Wien / Köln 1989 (Bibliothek der Kulturgeschichte 10); Geschichte der christlichen Spiritualität. Bd. 3: Die Zeit nach der Reformation bis zur Gegenwart. Hrsg. v. Louis Dupré / Don E. Saliers. Würzburg 1997 (zuerst englisch; New York 1989); Archäologie der Reformation. Studien zu den Auswirkungen des Konfessionswechsels auf die materielle Kultur. Hrsg. v. Carola Jäggi / Jörn Staecker (Arbeiten zu Kirchengeschichte 104), Berlin / New York 2007. Für eine ganze Reihe von Einzelpersonen hat die jüngere Forschung unser Wissen erheblich vertieft, so für Katharina Schütz Zell, Johann Habermann, Stephan Praetorius, Daniel Sudermann, Johann Arndt, Johann Gerhard, Johann Valentin Andreae, Magdalena Meisner, Amelia Elisabeth von Hessen-Kassel, Anna van Schurman, Johann Jakob Fabricius, Catharina Regina von Greiffenberg, Ahasver Fritsch und Aemilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, Johann Jakob Schütz und Johanna Petersen. Die vergleichsweise günstige Quellenlage bei den genannten Personen spiegelt natürlich, daß sie durchwegs nicht zu den kleinen Leuten oder gar Illiterati gehörten. Entsprechende soziologische Differenzierungen sind unabdingbar: Der größte Teil frühneuzeitlicher Erbauungsliteratur und bezeugter Praxis pietatis betrifft eben nur gehobenere Schichten. Siehe dazu nachdrücklich Scheitler, 1984, bes. S. 145–155; Münch, 1986, S. 292f. Zur Frauenfrömmigkeit in der lutherischen Orthodoxie sind wegen der Fülle des präsentierten Quellenmaterials bes. instruktiv Schuster, 2006, u. Meisner, 2013. Siehe Breymayer, 1998, S. 320–322 u. 345–347. Siehe zu ihr hier S. 7. Siehe dazu Antonias Exemplar von Saubert, 1625, mit einem Eigentumsvermerk (Vorsatzblatt; datiert 29.5.1642 jul.) u. einem Vierzeiler von ihrer Hand: »An welchem Ort Jch immer bin, | Nach Jesu Steht mein herts vnd sin | Fro bin Jch wan Jch in [= ihn] ergreiff, | Wohl mir wan Jch in halte Steiff [= fest] [...].« Siehe hier Anm. 32 u. 177, zur Urheberschaft S. 311.

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2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

die besagte seltene Gelegenheit geben, genauer in Antonias Kämmerlein zu schauen.11 Zumindest eine Teilrekonstruktion von Antonias privater Gebetspraxis scheint damit zum Greifen nahe. Daß eine solche Rekonstruktion bislang über erste Ansätze kaum hinausgekommen ist, hat seinen wichtigsten Grund in den erhaltenen Dokumenten selbst: Sie können zumal den unvorbereiteten Leser in eine doppelte Verlegenheit stürzen, enthalten sie doch einerseits Zeugnisse anrührender Schlichtheit, andererseits aber dem ersten Anschein nach schwer Faßbares, irgendwie Kabbalistisches. Alle diese Dokumente stammen aber offensichtlich von derselben Hand und sind Ausdrucksformen ein und desselben Geistes, der hier Zeugnisse seiner besonderen Gebetspraxis hinterlassen hat. Der Antoniaforschung hat es in jedem Fall nicht gutgetan, diese Dokumente bislang weitgehend beiseite zu lassen und sich oft allzu sehr auf das Kunstwerk zu konzentrieren, das Antonias Ruhm begründet hat, die christlich-kabbalistische Lehrtafel in Bad Teinach. Leitidee vieler Forscher war es, dieses einzigartige Werk möglichst als Antonias ureigene Konfession zu erweisen, ein heikles Unternehmen angesichts der komplexen Entstehungsbedingungen und Formensprache der Lehrtafel.12 Wer diese Leitidee auf ihre Tragfähigkeit prüfen will, sollte am besten bei besagten Dokumenten ansetzen und sich nach Vergleichbarem in Antonias Umwelt umsehen. Für eine Dokumentengruppe habe ich zusammen mit Matthias Morgenstern eine entsprechende Untersuchung vor einiger Zeit vorgelegt.13 Es handelt sich um zwei Gebete, die Antonia in ein separates Heft geschrieben und augenscheinlich auch selbst konzipiert und ausformuliert hat. Das größere dieser Gebete spiegelt sicher keine Alltagspraxis, sondern die Ausnahmesituation, in der Antonia ihre Lehrtafel 1673 der Teinacher Kirche stiftete. Ungewöhnlich ist auch Form und Gehalt: Es ist nicht nur durchgängig in hebräischer Sprache verfaßt, sondern führt Antonia als Beterin in einer Weise ein, die die übliche Rollenverteilung überspielt (Antonia als Laie und Frau). Der Text ist noch am ehesten vergleichbar mit dem Tempelweihgebet Salomos (1 Kön 8,15–53). Das kleinere Gebet entzieht sich auf andere Weise einer Deutung auf die Alltagspra-

11

12 13

Für die vorliegende Studie und die Aufbereitung der Dokumente werden als einschlägig herangezogen: WLB Cod. bibl. 4° 41 a-c; Cod. or. 2° 4, 4° 2 u. 4° 7; Cod. hist. fol. 45,5 u. 911 (S. [27]–[31]); HStA G 86 (darin: Antonias Nachlaß im Württ. Hausarchiv inklusive einiger Briefe von ihrer Hand); HAB 106 Noviss. 2°, S. [29r-v ]. Siehe dazu Breymayer, 1998, S. 329–333; Schauer, 2003, S. 4–8 u. 236; Gruhl/Morgenstern, 2006, passim.; ferner hier die Editionen auf S. 307, 317 u. 363. Siehe zu dieser Fragestellung hier S. 11. Siehe Gruhl/Morgenstern, 2006.

2.1 Antonias Gebetbuch

61

xis. Sicher ist nur, daß es einen Wahlspruch Antonias14 umspielt und darum als alltäglich gesprochenes Gebet verstanden werden könnte, doch fehlen für eine solche Übung klare Anzeichen. Es könnte sich auch um einen bloßen Entwurf handeln oder einen Begleittext zum größeren Gebet, über dessen praktischen Stellenwert wir auch nur mutmaßen können.

2.1.3 Das Gebetbuch im historischen und biographischen Kontext Um vier weitere Dokumentengruppen soll es hier nun gehen. Auch sie bilden den Inhalt eines separaten Heftes aus dem Nachlaß Antonias. Und auch dieses Heft befindet sich heute in der Obhut der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart.15 Der erste flüchtige Blick nimmt zwei Textblöcke wahr, wobei der erste – Seite [4v ] bis [16r ]16 – die Bezeichnung »Text« nicht ohne weiteres legitimiert, werden die einzelnen beschriebenen Seiten doch ausgefüllt von Figuren (Kreis, Dreieck, Stern, Herz, Kreuz, Buch, Pyramide, Quadrat, Schal) angereichert mit teilweise rätselhaften Beschriftungen in Deutsch und Hebräisch. Um »Christlich-Mystisches« soll es sich handeln mit Bezug zu den kabbalistischen »Sefirot«.17 Zwei Texte des zweiten Blocks – Seite [17v ] bis [20r ] – sind akrostichisch auf Antonias Namen bezogen: »ANTONIA HERZOGIN ZV WIRTEMBERG«, wobei das Akrostichon durch Schreibung der betreffenden Buchstaben mit roter Tinte hervorgehoben wird. Zwei weitere Texte bieten eine Binnengliederung durch Zahlen, eine weitere Seite zeigt schließlich Überschriftentwürfe und gematrische Notizen.18

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18

Es ist Ps 37,4. Der Vers korrespondiert gematrisch mit Antonias Namen. Siehe dazu unten, bes. Anm. 227. Zu einem anderen Wahlspruch (»Spes mea certa Deus.«) s. hier S. 35 (Anm.). Cod. or. 4° 7. Siehe dazu Roth, 1965, S. 380, Nr. 608: »Deutsche Quadratschrift, geschrieben im Jahre 1653 in Württemberg. Autograph. Kein Titel. Christlich-Mystisches sowie Gebete in deutscher Sprache. Verfaßt von Prinzessin Antonia von Württemberg. Nur wenige Wörter sind hebräisch, meist bei den Zeichnungen, die die zehn Sefirot darstellen.« Siehe auch die ein wenig genauere, aber immer noch unzureichende Skizze bei Schauer, 2003, S. 45: Es handele sich um »kabbalistische Übungen, in denen Psalmverse und Wochentage eine Rolle spielen sowie die Ausdeutung einzelner Sephirot. Immer wieder begegnet das Spiel mit den Buchstaben ihres Namens, sei es als Akrostichon bei einem Gebet, als Zuordnung ihres Monogrammes zu Psalm 119 oder als diverse Psalmverse, deren hebräische Anfangsbuchstaben den Namen Antonia formen. In von ihr verfaßten Gebeten taucht häufig die kabbalistische Methode der Gematria auf [...].« Die Paginierung stammt von späterer Hand (ab Blatt 1 paginiert, Seite [1]–[46]). Roth, 1965, S. 380; s. a. den Rückentitel auf dem heutigen Einband des Heftes: »Kabbalistische Übungen von Antonia von Württemberg«. Einige Seite s. hier anbei (Abb. 13, 14, 15). Näheres zur Gematrie s. hier weiter unten, bes. Anm. 224.

62

2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

Vor aller Detailbetrachtung verdienen mindestens vier allgemeine Merkmale eine Erwähnung: Das Heft ist handlich wie ein schmales Taschenbuch und somit als Vademecum geeignet.19 Der zweite Textblock zeigt jeweils im unteren Seitenbereich intensivere Benutzerspuren (durch Handschweiß und Schmutz nachgedunkelt und verfleckt), der erste Textblock hingegen weit weniger. Das spricht für eine jedenfalls teil- und zeitweise häufigere Verwendung des Heftes.20 Sein Einband ist unauffällig im Vergleich zum Schmuck des oben erwähnten Heftes mit der ersten Dokumentengruppe (Einkleidung mit sogenanntem »türkisch Papier«21 ). Bemerkenswert ist schließlich das Verhältnis und die Verteilung von beschriebenen und leeren Seiten: 1r – 4r 4v – 16r

leer Block 1

16v – 17r 17v – 23r 23v – 46v

leer Block 2 leer

offenbar bewußt als Vorspann freigehalten (für Titel usw.?) beschriftete Figuren, jeweils durch mindestens eine Leerseite getrennt offenbar bewußt als Freiraum zwischen den Blöcken freigehalten deutsche Gebetstexte, Notizen zur deutschen Gematrie offenbar ungenutzter Freiraum

Das Heft hat insgesamt zweiundneunzig Seiten, wovon gut die Hälfte (siebenundvierzig) unbeschrieben blieb, ob nun zur Kennzeichnung von Binnengrenzen oder aufgrund fehlender weiterer Nutzung, Ergänzung oder Auffüllung.22 Diese Raumverhältnisse erinnern an ein anderes privates Erbauungs- und Gebetbuch aus Württemberg, das ich leider nicht selbst in Augenschein nehmen konnte. Nur die Angaben eines Antiquars stehen zur Verfügung.23 Das Buch hat ebenfalls Taschenbuchformat und läßt sich mit hoher Wahrscheinlichkeit Johann Konrad Brotbeck (1581–1633) als ursprünglichem Eigentümer zuord19 20 21 22

Das Seitenformat ist 15 cm mal 19 cm. Zur Datierung s. hier weiter unten. Siehe Gruhl/Morgenstern, 2006, S. 105. Einen freigehaltenen Vorspann zeigt auch das oben erwähnte Heft mit den beiden hebräischen Gebeten (WLB Cod. or. 4° 2; s. Gruhl/Morgenstern, 2006, S. 105). Dort handelt es sich um die Seiten [1r ] –[3v ] (allerdings in Rechts-Links-Leserichtung, wie im Hebräischen üblich): 1 r – 3v 4v 5 r – 7v 8r 8v

23

leer Block 1 Block 2 leer leer

offenbar bewußt als Vorspann freigehalten (für Titel usw.) kleineres Gebet größeres Gebet aber bedeckt mit einem aufgeklebten, beschriebenen Zettel offenbar ungenutzter Freiraum

Siehe die Verkaufsanzeige des Kölner Antiquariats Wolfgang Stöger im Katalog der 17. Leipziger Antiquariatsmesse (17.–20.3.2011). Hrsg. v. abooks.de / Detlef Thursch. Berlin [2011], S. A40f.: »Gebetbuch-Manuskript, mit eingebundenem Trostbuch – Brotbeccius, Johann Conrad und Gerhard, Johann«. Über den derzeitigen Verbleib ist mir nichts bekannt.

2.1 Antonias Gebetbuch

63

nen, einem württembergischen Verwaltungsbeamten.24 Die folgende Übersicht zeigt die hier interessierenden Eckdaten: 10 Bl. 116 Bl. 100 Bl.

Keine näheren Angaben verfügbar Johann Gerhards Enchiridion in Erstausgabe25 mit Eigentumsvermerk auf dem Titelblatt: »Joh. Conradi Brotbeccii Stuetgardiensis, sum.« (a) 118 handschriftlich gefüllte Seiten: Deutsche und lateinische Gebete und Betrachtungen, einige Gebet in griechisch-lateinischer Doppelversion;26 (b) die restlichen 82 Seiten leer, als offenbar ungenutzter Freiraum

Demnach hat sich Brotbeck wohl das damals gerade erschienene Erbauungsbuch Gerhards so binden lassen, daß es den ersten Teil eines Vademecum für seine private Erbauungs- und Gebetspraxis abgab, gefolgt von reichlich Freiraum für weitere, handschriftlich ergänzte oder eventuell noch künftig zu ergänzende Elemente. Ob die in einem der handschriftlichen Gebetstexte erwähnte Pestepidemie von 1611/12 und/oder das Erscheinen von Gerhards Enchiridion zugleich den äußeren Anlaß für die Einrichtung dieses Erbauungs- und Gebetbuches abgegeben haben, läßt sich derzeit nicht erweisen. Jedenfalls zeigt auch dieses Buch in seinem handschriftlichen Teil ein vergleichbares Verhältnis von beschriebenem und unbeschriebenem Raum wie Antonias Heft. Antonias und Brotbecks persönliche Zusammenstellungen sind dabei aber nur besonders auffällige Ausprägungen einer frühneuzeitlich gängigen Praxis, zu deren Veranschaulichung ein weiteres Beispiel genügen mag: Ein zeitgenössisches katholisches Gebetbuch, das ebenfalls aus dem süddeutschen Raum stammt, kombiniert eine gedruckte deutsche Ausgabe des Psalters samt Begleitgebeten mit einem handschriftlichen Gebetsteil zur Anrufung der Spezialheiligen des Dominikanerordens:27

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Die Anzeige (Anm. 23) gibt die Maße »15 x 11 cm« an; zur Person: »Johann Conrad Brotbeck (1581–1633), Rat des Herzogs von Württemberg und Kammersekretär in Stuttgart. 1627 in den Reichsadel erhoben.« Er ist nicht zu verwechseln mit dem bekannten Tübinger Professor der Physik und Medizin (1620–77) sowie dessen Vater, die denselben Namen trugen. Siehe Georgii-Georgenau, 1879, S. 86–88; ferner Georgii-Georgenau, 1877, S. 31 u. 47. Johann Gerhard: Enchiridion consolatorium morti ac tentationibus in agone mortis opponendum. Jena 1611. Siehe jetzt Gerhard, 2002. Siehe die Angaben der Verkaufsanzeige (Anm. 23): »Die deutschen, lateinischen und griechischen handschriftlichen Eintragungen enthalten neben Zitaten aus den Psalmen und klassischen Autoren in der Hauptsache Gebete zur Beichte (datiert 1612, 1616), Gebete für Reisende, für die Obrigkeit, ein Dankgebet für die Verschonung von der Pest 1611/1612 in lateinisch/griechischem Paralleltext.« Siehe Psalter, 1629.

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2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins 7 Bl. 267 Bl. 17 Bl.

eine Seite mit einer handschriftlichen Widmung;28 sonst leer 8 Bl. Vorspann (Titel, Widmung, Inhalt), unpaginiert; 259 Bl. deutscher Psaltertext mit eingeschalteten Gebeten, paginiert 1–518 (a) 26 Seiten von der Hand der Widmungsschreiberin (s. Bl. 2r ) zumal mit weiteren Gebeten ausgefüllt;29 (b) 8 Seiten leer als offenbar ungenutzter Freiraum30

Dieses Buchexemplar ist zugleich ein Beispiel dafür, daß Wahl und Gestaltung eines persönlichen Erbauungs- und Gebetbuches nicht vom Beter selbst, sondern einer nahestehenden Person unternommen wird, die ihre adaptive Arbeit als Ausdruck einer persönlichen Bindung oder Verpflichtung begreift. Derlei spielt auch in Antonias Praxis pietatis mehrfach eine Rolle. So hatte sich Narcissus Schwehlen, Antonias Religionslehrer,31 die wahrlich nicht kleine Arbeit gemacht, für die halbwüchsige Prinzessin eine Art Laiendogmatik eigenhändig niederzuschreiben:32 Diese möge ihr als nächsthöhere Stufe der Unterweisung nach dem kleinen Katechismus von Brenz33 dienen, wie die Widmung ausführt: 28

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33

Siehe ebd., Bl. [2r ]: »Disen Psalter verehr Jch⟨,⟩ schwester Maria Stroblin Prediger Orden bey S[anc]t: Leonhardum in Grätz, der wohlehrwürdigen, Geistlichen, Andechtigen, auch Edlgebornenn Frauen Fr[au] Sibilla Jacobpauitschin alß meiner hochgeehrten, vnd gar herrzlieben Frauen Tochter zum Jmmerwehrendten gedechtnus, beuileh mich auch in Jr heilliges vnd Jmbrunstiges gebett im leben vndt Todt. Den 28 tag Maij Anno nach Christi geburt vnnsers herrn vnd Seeligmachers 1643.« Siehe die Überschriften, S. [519] »Von Vnsern Heiligen Vatter Sanct Dominico siben Freüden die Erste Freudt:«; S. [527]: »Nun folgen hernach siben sunderliche freuden vnd freyheiten, mit welichen vnser Heilige Muetter St. Catharina von Gott geziert vnd begabt ist worden, sye täglich darmit zugriessen:«; S. [539]: »Daß seind die siben Pater noster Auf Sanct Thomaß de Aquino Tag oder sunst Jhm auch damit zuuerehrenn« Die ersten 16 von den 17 Bl. sind mit einer handschriftlichen Umrandung für Ergänzungen vorbereitet. Siehe Pfeilsticker, 1957, § 105 (Pagenpräzeptoren, Informatoren und andere Lehrkräfte): »Schwehl (Schwehlin, Schwellin, Schwelin, Schwälin, Schwille) Narziss [2], 1622 Georgii bis Jakobi 1631.« Siehe auch die Angaben im Registerbd. (ders., Bd. 3, 1974), S. 282 (die Zahlen verweisen auf die Paragraphen): »Narziß, Edeljungen-Präzeptor 105, 220, 1269, 2085, Zollschreiber 1815, 1817, Stiftorganist 958; Visit.-Rechenbanksrat 1269, 2063.« Siehe heute WLB Cod. theol. 8° 4; das Titelblatt (Bl. [1r ]): »Summa Der Christlichen Lehr, Auf das Kürzest vnnd einfältigst, nach Anlaitung deß würtembergisch Catechismj, welcher Auch mit ein gepracht In Frag vnnd Antworten zusamen getragen. Durch Narcissum Schwehlen, der zeit Fürstlich würtembergischer Edelknaben praeceptorem. Anno 1625.« Siehe auch die Liste zu Antonias Büchernachlaß bei Breymayer, 1998, S. 346, Nr. [53.]. Die erstmals 1535 in Hagenau gedruckten »Fragstück des Christlichen glaubens für die Jugendt« (ein Faksimile s. in: Weismann, 1985, S. 687–693) wurden zum offiziellen Katechismus nach der Württembergischen Kirchenordnung (1553/59) und seit spätestens 1590 als »Württembergischer Katechismus« bezeichnet. Siehe die Edition der offiziellen Textfassung der Kirchenordnung von 1553 (in: Kirchenordnungen, 2004, S. 243–246); dazu Weismann, 1990, bes. S. 406–451; Weismann, 2000, passim; zu Schwehlens Werk und den vergleichbaren Unternehmen von Johann Valentin Andreae und Johann Spindler s. ebd.,

2.1 Antonias Gebetbuch

65

[Bl. 2r ] Der Durchleüchtigen Hochgebornen Fürstin vnnd Fräwlin Fräwlin Antoniae Herzogin zu Würtemberg vnnd Tegck, Gräuin zu Mümppelgarth, Fräwlin zu Heydenheim etc. Meiner gnedigen Fürstin vnnd Fräwlin Durchleüchtige Hochgeborne Fürstin, gnediges Fräwlin, demnach E[wer]: F[ü]r[stlichen]: Gn[aden]: vermittelst Göttliches Beystandts, deß Christlichen vorhabens sein, nechstkhommendten Heiligen Osstertag zue dem Heilig Hochwürdigen Abendtmal sich mit Andacht vnnd Eyffer zuuerfügen, Die aber durch gottes gnad auß Jhrem Catechismo wißen, das zue würdiger empfahung deß Heiligen Abendtmals diße vier Stuekh gehören, [Bl. 2v ] Erstlich das die Jhenigen So das Heilige Abendtmal empfahen wöllen, Jhres glaubens Rechenschafft geben, vnnd nicht mit vnverstandt hinzue gehen, darumb Sie die Fragstuckh deß Catechismi nit allein fleissig merckhen, sonndern auch recht verstehn Lehrnen sollen, das Andere Stuekh ist ware erkänntnuß der Sünden, das dritt ein Lebendiger glaub vnnd vertrawen auf Christum, das viert ein Ernstlich fürsaz fürohin Gottseelig zue Leben, vnnd Jnn solchem Christlichen wandel zuuerharren, Vnnd obwollen mir, auß stettiger vebung, so mit E: Fr: Gn: Jch [Bl. 3r ] ein geraume zeithero gepraucht, bewußt, das selbige nit allein den lieben Catechismum wol außwendig gelehrnt, solchen guetermaßen verstehn, auch auf Allerhandt Fragstukh, ob Sie gleich nit Außfüehrlich Jm Catechißmo begriffen, gar feine Anttwort zuegeben wißen, hab Jch zue mehrerer Fortpflanzung Angefangener Gottseeligkeit, vnd befürderung beuorhabendte Christlichen werkhs, wolbesagten Catechismum für handen genommen, vnnd neben einbringung dessen, Auf Jedes Hauptstuekh Christlicher Lehr, auß etlich Reinen Euangelischen Büechern [Bl. 3v ] was Jch meiner einfalt nach Nottwendig vnnd erBaulich, für E[wer]. F[ü]rstl[iche]. D[ur]chl[aucht]. zue sein erachtet, zuesamen geleßen, vnnd Jnn Frag vnnd Anttwort verfasset. zwar nit der Meinung da selbige solches Außwendig Lehrnen müesten, sonndern allein darumben, damit E. Frstl. Gn. ein vnnd Anderen glaubens Artickel desto besser verstehen Lehrnen mögen, vnnderthänig Pittendte, solches kleine Büechlen Jn Fürstlichen gnaden von mir allß ein geringes praesent Auf= vnnd Annemmen, Die Heillig Hochgelobte [Bl. 4r ] Treyfältigkeit, Gott Vatter Sohn vnnd Hailliger geist, wölle das guete, So Sie Jn E. Frstl. Drl. Angefangen, kräfftiglich bestättigen vnnd volfüehren, Auch Selbige beuorderst dero Herrzallerliebsten Herren Vattern, Fraue Muoter vnnd Liebe Geschwistern bey Langem Leben, guter beständiger gesundheit glüekhlichem wolergehn, vnnd Hochfrölich erwünschten vffnemmen, Lange Jar nach seinem gnedigen vnnd allein guten willen erhalten, denen samptlich zue beharrlich=Mültfürstlichen gnaden Jch mich vnderthäniges [Bl. 4v ] fleiß beuehlen thue, geben zuo Stuotgarth den vierzehenden Monatstag Februarij nach Christj geburth gezehlt. Eintauß[end] Sechshundert zweinzig fünff Jar. E[wer]: F[ü]r[stlichen]: Gn[aden]: Vnderthäniger Narcissus Schwehlen34

34

S. 437–440. Höchstwahrscheinlich kannte Antonia die »Fragstück« in- und auswendig. Luthers Kleiner Katechismus kam in Württemberg erst ab 1640 zu offizieller Geltung (s. Weismann, ebd., 451; s. aber hier unten Anm. 177 zu Antonias Exemplar). Zur Rolle von Katechismus und Psalmbüchlein in Württemberg s. a. Schulordnungen, 1860, S. 71, 76, 78 und 91f.; zur sanktionenbewehrten Pflicht, den Katechismus zu lernen und zu repetieren, s. Die Visitationsordnung für die Superintendenten von 1559. In: Kirchenordnungen, 2004, S. 393f. Siehe auch den Überblick bei Heiß, 1989. Datiert auf den 14.2.1625 jul.; WLB Cod. theol. 8° 4.

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2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

Schwehlen versäumt es übrigens nicht, ein Kapitel zum Wesen des christlichen Gebets einzurücken samt einer Erörterung des Vaterunsers.35 Es bleibt ungewiß, ob Schwehlen seine Ausarbeitung nicht nur für Antonia eigenhändig aufgeschrieben, sondern auch ausschließlich für sie konzipiert hat. Antonia hat sein Geschenk zum ersten Abendmahlsgang jedenfalls in Ehren gehalten und auf acht Leerseiten am Buchende mit eigener Hand ein Beichtbekenntnis sowie biblische Kernstellen notiert.36

2.1.4 Zwei akrostichische Gebete für Antonia Ausschließlich für den persönlichen Gebrauch Antonias sind zwei Gebete bestimmt, die ein anderer Theologe für sie konzipiert hat, wie die akrostichische Struktur der beiden Texte beweist.37 Sie eröffnen den zweiten Block in Anto35

36

37

Nach Schwehlen ist es »das dritte hauptstück der christlichen lehre« (ebd., S. [65v ]). Der erste Punkt dieses Stückes lautet (ebd.): »Frag. Was ist das gebeth. Antwort. Das gebeth ist ein gesprech mit gott, darinnen wir umb geistliche, zeitliche vnnd Ewige güether, Jm Namen vnnsers herren Jesu Christi, pitten.« Auf Titelblatt und Widmung folgt ein Inhaltsverzeichnis, das eine andere Struktur ausweist als die des Brenzschen Katechismus (Gotteslehre inkl. Trinität, Schöpfung, Christus inkl. Soteriologie und Parousie, Hl. Geist, Kirche, Sünde und Vergebung, Auferstehung, Ewiges Leben, Engel, Hölle, Teufel, Gebet, Dekalog, Taufe, Abendmahl, Buße, Beichte, Schlüsselamt u. -gewalt). Schwehlen beschrieb die Seiten [5r ]–[109v ], Antonia aber S. [110r ]–[114v ], beginnend mit der »Formb einer Christlichen Beicht«: »[110r ] Ich erkhenne und bekhenne mich für meinem gott vnd herren, das Jch allß ein Arme Sünderin, mit meinen manigfaltigen Schweren Sünden, gottes zorn vnnd die Ewige verdammnus verdienet habe, darumb seind Sie mir von hertzen laid, Jch begehr aber gnad von meinem gott von wegen seines Sohnes vnßers herren Jesu Christj, der durch sein Bitter Leiden, Sterben vnnd Aufferstehung, auch mir vergebung der Sünden vnnd Ewigs leben verdienet hat, das glaub Jch vestiglich, vnnd zue Stärkhung vnnd versicherung dißes meines glaubens || [110v ] begehr Jch hertzlich, das mir vmb Christi willen, vergebung aller meiner Sünden gesprochen: vnd meines erlößers laib vnd Blut Jnn seinem heilligen Abendtmal mit gethaillet werde, will zue Schuldiger dankhbarkeit, gegen selbigem meinem Sünden Büsßer Christo mein leben hinforth mit Beystandt deß heiligen geistes Besßeren, !;‫לִי אֱל·הַי לְטֹובָה‬Ê‫ר´ה‬dz‫ז‬ gedenkh meiner mein Gott im bestn nehemia. vlt: vlt: [13,31] !Nַ‫ת‬É ‫ הּוא‬³‫⟨ י‬.⟩« Den Inhalt von S. [111r ] – [114v ] bilden Dtn 10,12f.20f.; Hebr 1,23; 1 Kor 8,6; Spr 8,22–32a; Joh 1,1–5; 8,12; Gen 1,2; Ps 33,6; Ijob 33,4. Die wenigen hebräischen Zitate sind wahrscheinlich datierbar in die Zeit nach etwa 1648, für die Antonias Hebräischstudien durch andere Dokumente gesichert sind. Zum Anagramm »!Nַ‫ת‬É ‫ הּוא‬³‫ «י‬s. unten, bes. Anm. 226. Zeitgenössisch gehören Akrosticha zum üblichen Repertoire von Dichtung und Mnemotechnik. Siehe Ernst, 1993, bes. S. 81–83; Art. »Kryptogramm«. In: Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft 2 (2007), S. 349–351 (Joseph Kiermeyer-Debre). Die Sonderform des Alphabet-Akrostichon (Abecedarium, Goldenes Alphabet) begegnete Antonia spätestens bei ihren Hebräischstudien, u. a. in Gestalt von Ps 119 (s. dazu hier unten). Ein frühneuzeitliches

2.1 Antonias Gebetbuch

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nias vorliegendem Heft (S. [17v ]–[23r ]) und weisen Johann Dietrich Enslin38 als Urheber der Konzeption aus:39 [17v ] Namen⟨-⟩40 Oder sphrüec hgebettlein Von M[agistro]. Johann[e]. Theodorico. Ensslin, Pfarrer zue Deyzisaw, Esslinger herrschafft.

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Beispiel, »Das Gaistliche A. B. C. sampt einem schönen gaistlichen Lied« von Magdalena Heymairin, s. in Wackernagel, Bd. 5 (1877), Nr. 3, S. 5–7. Zum Wahlspruch Aemilie Julianes (»Allein Bey Christo Die Ewige Freude«) s. Schuster, 2006, S. 88. Eine ausgesprochene Vorliebe für Buchstabenkreuze, Akrosticha, Chronogramme und Anagramme hat Anna Ovena Hoyer. Siehe Barbara Becker-Cantarino in: Hoyer, 1986, Nachwort S. *94. Bei Antonias vorliegenden Gebeten dürfte die Hauptfunktion des Namen-Akrostichon darin bestehen, den Gebetsakt zu personalisieren als unverwechselbare Äußerung Antonias. Siehe ähnlich auch Antonias gematrische und anagrammatische Operationen mit ihrem Namen (dazu hier weiter unten). Zu Johann Dietrich Enslin s. Sigel, 1934, Bd. 10, S. 863f.: »M[agister] Enslin Joh[ann]. Dietrich. Geb. in Mühlbach im Kraichgau 16... [sic] Pf[arre]r in Deizisau 1651; in Vaihingen a. F. 66. Spitalpf[arre]r & Diak[on]. in Esslingen 67; entlassen 78; zum 2. mal Pfr in Vaihingen a. F. 1682–1703. Gest. in Stuttg.... [sic] 52 jährige Amtstätigkeit.« Ein deutsches, paarweise gereimtes Epicedium von Enslin (»Klage der hochbetrübten Burgerschafft in Eßlingen«) s. in: Wagner, 1662 (L), S. 34f., Nr. II. Daraus läßt sich der Zeitraum gewinnen, auf den die Überschrift von Antonias Hand anspielt. Es sind die Jahre zwischen 1651 u. 1666. Dazu paßt auch die Datierung auf S. [23r ] der vorliegenden Handschrift: »1653.« Diese Gebete sind demnach wohl in den frühen fünfziger Jahren entstanden, als auch ein weiterer Pfarrer und Poet Antonia sein Erbauungsbuch dedizierte. Siehe Ebermaier, 1653, Widmung. Die Textwiedergabe geschieht weitestgehend diplomatisch. Was in der Handschrift mit roter Tinte hervorgehoben wird, erscheint hier im Fettdruck. Die in eckigen oder spitzen Klammern gegebenen Zusätze bieten Lesehilfen, nicht Emendationen. Denn die Besonderheit von Antonias Art schriftlicher Fixierung ist bewahrenswert inklusive all der Merkwürdigkeiten, die einem modernen, teilweise aber auch schon einem zeitgenössischen, akademisch gebildeten Leser als Fehler, Flüchtigkeiten oder Inkonsequenzen erscheinen müssen. Eine sichere Unterscheidung von d/D, s/S, w/W sowie z/Z ist zuweilen schwierig bzw. unmöglich. Der Gebrauch von i/j wird getreu wiedergegeben, ausgenommen »i« steht als Zahlzeichen für die Eins. Bemerkenswert ist Antonias schwankender Gebrauch von -ch/-h. Die Schreibung von -h- statt -ch- ist nicht nur paläographisch, sondern auch durch gematrische Berechnungen Antonias gesichert, z. B. »Gemaht« [7+5+12+1+8+19=52] = »52« auf S. [23r ] (s. Anm. 229). Siehe andernorts -p- statt -ph- (dazu hier Anm. 110). Um der besseren Lesbarkeit willen habe ich ein kursives -c- eingefügt, wo man -ch- erwartet. Antonias Schreibweise zeigt im übrigen nicht nur die zeitüblichen Freiheiten, sondern gerade bei der Flexion mundartliche Eigenheiten (z. B. S. [21v ] »nach deine prediger«), in einigen Fällen aber auch Buchstabenvertauschungen und Auslassungen, wie sie für Legastheniker kennzeichnend sind (z. B. »pslam« S. [17v ], »sprisht« [21r ]; »ge⟨ne⟩nnet« [22r ], vielleicht auch »Rockhg« [18v ] im Sinne einer Überkompensation; s. a. S. [14r ] in der Senkrechten: »ANOTNIA«). Zu den Eigenheiten zählt auch Antonias Verzicht auf Tilgungszeichen in nicht wenigen Fällen. Siehe z. B. S. [18v ] und [19r ] die Nr. 14 und [22r-v ]: »Allmächtig || 40 Allmächtiges«; »!‫ « חס‬auf S. [6r ]. Das meint den Namen Antonias, der dem Akrostichon zugrundeliegt. Siehe Anm. 37.

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-1A-llmächtiger, Gene: 17. 1.41 Barmherziger Gott, 2. macca: 11. 9.42 an jezo gehe jch in43 mein kämmerlein, math. 6. 6.44 und begere gegen dir Heÿlige Hände auff zue heben, 1. Timothe. 2. vers. 8.45 -2n-ach dir dürstet meine seele, pslam. 42.46 vernimm du mein schreien, mein könig und mein Gott, dan ich will für dir betten:47 psalm. 5. 3.48 -3T-Tröste und erquickhe meine seele49 mit de⟨i⟩nem heÿligen wort, dan50 es kann vnssere seelen seelig mac hen. jacob. 1. 21.51 -4O-herr jesu Christe, seze mic h wie ein Sigel Ring auff dein hertzs, Cant. 8. 6.52 behütte mich wie ein augapffel im Auge. psalm. 17. 8.53 das ich deinen nammen danckhe, das er so tröstlic h jst. psalm. 5454 . 8.55

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Gen 17,1b: »Jch bin der allmechtige Gott / wandele fur mir / vnd sey from.« Um den vorliegenden Bibelgebrauch Antonias und gegebenenfalls ihrer Mitarbeiter zu illustrieren (s. dazu unten mehr), wird hier der Wortlaut der Verse nach Luthers Übersetzung beigegeben (s. Luther, 1545). In der Liste zu Antonias Büchernachlaß ist eine in Wittenberg gedruckte Oktavausgabe der Lutherbibel verzeichnet, allerdings mit dem Zusatz »gantz New«. Siehe Breymayer, 1998, S. 346, Nr. [39.]. Zur hier gebrauchten Anredeformel s. a. unten Anm. 259 die Nachweise. 2 Makk 11,9: »Da lobten sie alle den barmhertzigen Gott [...].« Korrigiert aus im. Mt 6,6a: »Wenn aber du betest / So gehe in dein Kemmerlin [...].« 1 Tim 2,8: »SO wil ich nu / Das die Menner beten an allen Orten / vnd auffheben heilige Hende / on zorn vnd zweiuel.« Ps 42,3a: »Meine Seele dürstet nach Gott / nach dem lebendigen Gott [...].« Auch andernorts fehlt die Versangabe. Siehe unten S. [19r ], Nr. 16 a. E. = denn ich will vor/zu dir beten. Ps 5,3: »Vernim mein schreien / mein könig vnd mein Gott / Denn ich wil fur dir beten.« Vgl. Ps 23,2; 4,2. = denn. Jak 1,21b: »[...] vnd nempt das Wort an mit sanfftmut / das in euch gepflantzet ist / welches kan ewer Seele selig machen.« Hld 8,6a: »SEtze mich wie ein Siegel auff dein Hertz / vnd wie ein siegel auff deinen Arm [...].« Auge korrigiert aus Aug. Ps 17,8a: »BEhüte mich wie einen Augapffel im auge [...].« Korrigiert aus 58. Ps 54,8b: »[...] vnd deinem Namen HERR dancken / Das er so tröstlich ist.«

2.1 Antonias Gebetbuch

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-5n-nimm mich, o Gott, zue Gnaden an, und halte mich alls ein Pittschafft Ring an deinen Finger. Hagga. 2. 24.56 [18r ] - 6 j-Jch habe mir für genommen dir zue dinen,57 ach verleihe mir, das ich thue mit gantzer seele und willigem herzen, 1. paral. 29. 9.58 damit mein dinst gesche in rec htsc haffener gerechtigkeit, und heÿligkeit, die dir gefällig ist, Lucas. 16. 75.59 -7A-n dier hange ich. laß mic h nicht weic hen von deine gebott⟨,⟩ wort und wege, bis an mein ende, hiob. 27. 5.60 dan wer dier mit Lust dinet, der ist dier angenehm. sirac h. 35. 20.61 und hat das beste von dier zue hoffen. sirach. 2. 8.62 -1H-herr Gott vatter, und herr63 meines lebens, sirac h. 23. 4.64 jch lasse dich nicht, du segnest mich dann, Gene: 32. 26.65 dan was du segnest, das ist gesegnet Ewiglic h. 1. paral. 18. 27.66 -2E-rhalte mich im Starckhen und Steiffen67 vertrawen zue dir, vnd gib mir zue bedenkhen das alle, so dir vertrauen erhalten werden. 1. maccab: 2. vers. 61.68 56

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Hag 2,24: »Zur selbigen zeit / spricht der HERR Zebaoth / wil ich dich SeruBabel du son Sealthiel meinen Knecht / nemen / spricht der HERR / vnd wil dich / wie ein Pittschafftring halten [...].« Vgl. 1 Sam 12,10: »[...] Nu aber errette vns von der hand vnser Feinde / so wollen wir dir dienen.« 1 Chr 29,9: »Vnd das Volck ward frölich das sie freiwillig waren / Denn sie gabens von gantzem hertzen dem HERRN freiwillig.« Lk 1,74f.: »Das wir erlöset aus der hand vnser Feinde / jm dieneten on furcht vnser lebelang. Jn Heiligkeit vnd Gerechtigkeit / Die jm gefellig ist.« Ijob 27,5b: »Bis das mein ende kompt / wil ich nicht weichen von meiner frömkeit.« Sir 35,20a: »WEr Gott dienet mit lust / der ist angeneme [...].« Sir 2,8a: »Die / so jr den HERRN fürchtet / hoffet des besten von jm [...].« Über der Zeile nachgetragen und herr. Sir 23,4: »HERR Gott Vater vnd HERR meins Lebens«. Gen 32,26b: »[...] Aber er antwortet / Jch las dich nicht / du segenest mich denn.« 1 Chr 18,27b: »[...] Denn was du HERR segenest / das ist gesegenet ewiglich.« = festen. Siehe so auch in Antonias Vierzeiler (hier oben Anm. 10). 1 Makk 2,61: »ALso bedencke / was zu jeder zeit geschehen ist / So werdet jr finden / das alle / so auff Gott vertrawen / erhalten werden.«

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2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

[18v ] - 10 R-einige mein hertzs durc h den glauben, actor. 15. 9.69 das ich zue allen guten werckhen berait, Tito. 3. 1.70 und heÿlig sey in allem meinem wandel. 1. petri. 1. 15.71 - 11 Z-iehe mich an, o mein heÿlandt, mit den kleidern des heÿls, und bekleide mic h mit dem Rockhg der gerec htigkeit, Esaia: 61. 10. damit ich nicht bloß erfunden werde.72 - 12 O-liebreic her herr jesu, lege deine linckhe unter mein haupt, und laße mic h deine Rechte hertzen. Cant. 2. 6.73 - 13 G-edenckhe meiner, mein Gott im besten, nehe. 13. 31.74 erquickhe mic h mit deiner Gerec htigkeit, psalm 119. 40.75 dann meine augen trähnen zue dir, hiob. 16. 20.76 - 14 -77 eige mein herzs zue deinen zeügnussen, [19r ] - 14 j-ch will mic h durc h deinen Beÿstandt halten, zu denen, die dic h fürc hten, und zue denen, die deinen befehlch halten, psalm. 119. 63.78 69 70

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Apg 15,9b: »[...] Vnd reinigete jre Hertzen durch den glauben.« Im MS berait durch Setzung eines i-Punktes über a korrigiert aus berat. Tit 3,1: »Erinnere sie / das sie den Fürsten vnd der Oberkeit vnterthan vnd gehorsam seien / Zu allem guten werck bereit seien.« 1 Petr 1,15: »[...] seid auch jr heilig / in allem ewrem wandel«. Jes 61,10a: »Jch frewe mich im HERRN / vnd meine seele ist frölich in meinem Gott. Denn er hat mich angezogen mit Kleidern des Heils / Vnd mit dem Rock der Gerechtigkeit gekleidet.« 2 Kor 5,3: »So doch wo wir bekleidet/ und nicht blos erfunden werden.« Hld 2,6 (= 8,3): »Seine Lincke liget vnter meinem Heubte / vnd seine Rechte hertzet mich.« Zu dieser brautmystischen Textadaptation s. hier weiter unten. Vgl. Ps 119,8: »Deine Rechte wil ich halten / Verlas mich nimer mehr.« Vgl. auch Ps 139,10. Neh 13,31: »Gedenck meiner / mein Gott im besten.« Ps 119,40b: »Erquicke mich mit deiner Gerechtigkeit.« Ijob 16,20b: »Aber mein auge threnet zu Gott.« Der N-Spruch gehört nach der akrostichischen Struktur nicht hierher. Siehe die korrekte Plazierung als Nr. 15 auf S. [19r ]. Diese und die folgende Zeile entspringen also einem Versehen der Schreiberin. Sie ließ sie unvollendet und ohne Tilgungszeichen stehen. Anstatt befehlch ist auch die Lesung befehleh möglich. Ps 119,63: »Jch halte mich zu denen / die dich fürchten / Vnd deinen Befelh halten.« Vgl. Ps 60,13; 108,13.

2.1 Antonias Gebetbuch

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- 15 N79 -eige mein herzs zu deinen zeügnussen, psalm. 119. 36.80 das ich wandle in deinen wegen, dan deine wege sindt eÿtel gütte und warheit, psalm. 25. 10.81 - 16 Z-ue dir flihe ich, dan du bist allein der Rechte könig und gesalbter, 2. macca. 1. 24.82 v¨ ber alle Götter und herrsc hafften, Stuckh in Esth: vers 12.83 dar zu freundtlic h und trew. im Buch der weißheit. 15⟨.⟩84 - 17 V-Verlaß mich nicht herr mein Gott, seÿ nicht ferne von mir, ps: 38. 32.85 und thue deine handt nicht von mir ab, Gott mein heÿl. ps. 27. 9.86 - 18 W-an jch bedrübet und angefoc hten bin, so weic he nicht von mir,87 auff das ich dier danckhe, dan dir gebüret die maÿestätt und gewalt, herrlic hkeit, Sieg und danckh, dann alles was im himmel und auff Erden ist, das ist dein, dein ist das reich, und du bist erhöhet v¨ ber alles zum Obersten. 1. paral: 30. 11.88 [19v ] - 19 j-jn deine hände zeichne mich, Esaj. 49. 16.89 wider des deüffels Anklag vertheidige mich, und erhalte mich durc h die90 Rechte handt deiner gerec htigkeit. Esaia. 41. 10.91

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Im MS korrigiert aus V. Ps 119,36a: »Neige mein hertz zu deinen Zeugnissen [...].« Ps 25,10: »Die wege des HERRN sind eitel Güte vnd Warheit [...].« 2 Makk 1,24: »[...] vnd bist schrecklich / starck vnd gerecht / vnd barmhertzig / vnd allein der rechte König vnd Gesalbete«. Stücke zu Est 3,9a: »GEdenck an vns HERR / vnd erzeige dich in vnser not / Vnd stercke mich HERR / du König aller Götter vnd Herrschafften.« Weish 15,1a: »ABer du vnser Gott / bist freundlich vnd trew [...].« Ps 38,22: »VErlas mich nicht HERR mein Gott / Seÿ nicht ferne von mir.« Ps 27,9b: »Las mich nicht / vnd thu nicht von mir die Hand ab / Gott mein Heil.« Vgl. Jer 3,19b: »[...] Vnd ich sage dir zu / Du wirst als denn mich nennen / Lieber Vater / vnd nicht von mir weichen.« 1 Chr 29 (bzw. 30),11: »dir gebürt die Maiestet vnd gewalt / herrligkeit / sieg vnd danck / Denn alles was in Himel vnd Erden ist / das ist dein / Dein ist das Reich / vnd du bist erhöhet vber alles zum Obersten.« Jes 49,16: »Sihe / in die Hende hab ich dich gezeichnet [...].« Gestrichen (Tilgungszeichen unter dem Wort) gerechtigkeit. Jes 41,10b: »Jch stercke dich / Jch helffe dir auch / Jch erhaltte dich / durch die rechte Hand meiner Gerechtigkeit.«

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2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

- 20 R-Regire mein herzs, seel und gemüt,92 das es dich allezeit liebe, dann die dich liben, die werden seÿn wie die sonne auffgehet in iehre macht, judic. 5. 30.93 - 21 T-hue von mir, was dir mißfält, laß dir gefallen, herr, das willige Opffer meines mundes, und lehre mich deine rechte⟨.⟩ ps: 119. 118.94 - 22 E-rquicke mich durc h deine rechte und gnade das ich ⟨halte⟩ die zeügnus deines mundes. ps. 119. 88.95 - 23 M-Mache mein gantzes leben richtig, das ich für dier wandtle und fromm seÿe, gene. 17. 1.96 die sünde meide und Guttes thue, Tob. 4. 23,97 meine hände mit vnsc huldt wasche, und meine Füsse richtig gehen. ps: 26. 6. 12.98 - 24 B-Bekehre mic h wan ich irre, biete mir deine handt, wan ich gefalle, richte mich auff, wan ich nider gestürtzet bin99 , dann du allein mac hest unsser herzen fromm, gibst fröwde und wohne. Sir. 1. 18.100 [20r ] - 25 E-rquickhe mich an meinem lezten Ende, das ich in friden könne da hin fahren, Lu⟨c⟩as. 2. 29.101 und beÿ dir mit vnaußsprec hlicher und herzlic her Frewde mic h erfrewen möge, 1. pet: 1.8.102 92

93 94

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98

99 100 101 102

Vgl. Mt 22,37: »Jhesus aber sprach zu jm / Du solt lieben Gott deinen HERRN / von gantzem Hertzen / von gantzer Seelen / von gantzem Gemüte«; s. a. Dtn 6,4. Ri 5,31b: »Die jn aber lieb haben / müssen sein / wie die Sonne auffgehet / in jrer macht.« Ps 119,108: »Las dir gefallen HERR das willige opffer meines mundes / Vnd lere mich deine Rechte.« Ps 119,88 »Erquicke mich durch deine Gnade / Das ich halte die Zeugnis deines Mundes.« Gen 17,1b: »Jch bin der allmechtige Gott / wandele fur mir / vnd sey from.« Tob 4,23b: »Aber wir werden viel Gutes haben / so wir Gott werden fürchten / die sünde meiden / vnd guts thun.« Ps 26,6a: »JCh wasche meine Hende mit vnschuld [...].« Ps 26,12 »Mein fus gehet richtig [...].« Vgl. Jer 31,18; Dan 8,18b. Sir 1,18: »Der behüt vnd macht das hertz from / Vnd gibt freude vnd wonne.« Lk 2,29a: »HErr / nu lessestu deinen Diener im Friede faren [...].« 1 Petr 1,8b: »So werdet jr euch frewen mit vnaussprechlicher vnd herrlicher freuden«.

2.1 Antonias Gebetbuch

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- 26 R-ic hte mich nicht nach meinen sünden, sonndern sc hone meiner, nac h deiner grosse Barmherzigkeit, Nehemie. 13. 22.103 - 27 G-ib das ich all mein Sach nac h deinem wort richte, Sirac h. 9. 22.104 meine glieder begebe zue waffen der gerec htigkeit, Röm. 6. 13.105 und fruchtbar seÿe in allen gutten werkhen, Coloß. 1. 10.106 So wihl ich dich loben mein lebenlang, dan dich lobet alles himmels heer, und dich sohl man preißen immer vnd Ewiglich, amen !Nֵ‫אָמ‬107 Gebet manaß. v. 14108 [20v ] Jtem wider namen gebetlein, zue samm gesezet, vor gedachte109 von M[agistro]. Johann[e]. Teheodorico.110 Enslin. Pfarrer zue Deÿzisaw Essling[er]: Herr[schafft]: A-ch Gott und herr nimm meiner wahr! N-ach dir mein seel seüffzt immer dar! T-röst mich durc h deine Gütigkeit! O-jesulein zue allen zeiten! N-imm mich in dein gnaden schutzs! j-n deim huldt für teüffels trutzs! a-uff das ich könne alle zeit! Hoch rühmen deine heÿligkeit! E-rqickhe mich mit deinem wort! R-egire mich herr, damit ich dort! Z-zu deiner herrlichkeit ein gehe! O-hn vnterlaß auch für dier stehe! 103

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109 110

Neh 13,22b: »Mein Gott / Gedenck mir des auch / vnd schone mein nach deiner grossen barmhertzigkeit.« Vgl. Ps 51,11; Geb. Manasse 1,14. Sir 9,22b: »Vnd richte alle deine Sache nach Gottes wort.« Röm 6,13b: »Sondern begebet euch selbs Gotte / als die da aus den Todten lebendig sind / vnd ewre glieder Gotte zu Waffen der gerechtigkeit.« Kol 1,10: »Das jr wandelt wirdiglich dem HErrn / zu allem gefallen / Vnd fruchtbar seid in allen guten wercken«. = Amen. Siehe auch das Ende des Gebets auf S. [20v ] u. [22v ], hier weiter unten transkribiert. Gebet Manasse 1,15b.16: »So wil ich mein Leben lang dich loben. Denn dich lobet alles Himels Heer / vnd dich sol man preisen jmer vnd ewiglich / AMEN.« = oben bereits erwähntem. Zur Orthographie vgl. WLB Cod. bibl. 4° 41 c, S. [2r ] von Antonias Hand: »der grosse güldene propehet jesaja, vnd der grosse propeht jeremia. hebraisch.«

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2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

G-ib mir nach dißer Eÿtelkeit, j-m höc hsten leÿden trost und Safft! N-ichts beständiges auff Erden ist! Zue dir sich mein seel ewig rüst, Verleihe mir beständigkeit, W-ider des Teuffels listigkeit, j-jesu mein herr hör mein begier, R-egire und leit mich für und für –, T-reib fern von mir zue alle zeit, E-wiges leÿdt und traurigkeit, m-ein leib und seel, und was ich hab,111 B-ewahre mir herr, es ist dein gab, E-rlösße mich auß aller noth, R-uff mir ins leben nac h dem todt, G-gib mir durc h deine wunden krafft! Ewige fröudt und seeligkeit, Amen Amen: !Nֵ‫אָמ‬112

Ob Enslin diese beiden Gebetstexte im Auftrag Antonias konzipierte oder sie aus freien Stücken Antonia bei einem besonderen Anlaß verehrte, wie es wohl bei Schwehlen der Fall war, bleibt ungewiß.113 Angesichts der beigegebenen Zitatnachweise für das erste Gebet ist die beobachtbare Spannbreite zwischen getreuer Wiedergabe des Textes der Bibelübersetzung Luthers114 und unbekümmert-freien Adaptationen erklärungsbedürftig. Diese reichen von orthographischen Eigenheiten und leichten Veränderungen der Wortstellung, wie sie für Zitate aus dem Gedächtnis oder nach Gehör typisch sind,115 über Umformungen im Sinne der angestrebten, gebets-imperativischen Aussageabsicht

111 112 113

114

115

Im MS habe (s. das folgende Pendant des Reimpaars gab). = Amen. Zum Vorgang vgl. den Brief Magnus Hesenthalers an Antonia (Tübingen, 1.12.1662 jul.; als Abschrift erhalten in WLB Cod. hist. fol. 551, S. [62v ]). Antonia hatte sich von Hesenthaler eine Abschrift der »Morgen= vnd Abendgebetlein« erbeten, welche dieser für seine Kinder verfaßt hatte und nun Antonia übermittelte. Siehe beispielsweise S. [18v ] Nr. 13: »G-edenckhe meiner, mein Gott im besten, nehe. 13. 31. erquickhe mich mit deiner Gerechtigkeit, psalm 119. 40.« Vgl. S. [19r ] Nr. 17 »und thue deine handt nicht von mir ab, Gott mein heyl. ps. 27. 9.« mit dem Text der Bibelübersetzung Luthers von Ps 27,9b: »Las mich nicht / vnd thu nicht von mir die Hand ab / Gott mein Heil.«

2.1 Antonias Gebetbuch

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und Personalisierung116 bis hin zu einer auffälligen Aussagemodifikation in gleich mehrfacher Hinsicht: Es heißt S. [18v ] Nr. 12: »O-liebreicher herr jesu, lege deine linckhe unter mein haupt, und laße mich deine Rechte hertzen. Cant. 2. 6.« In der Lutherübersetzung findet sich hingegen getreu dem hebräischen Original (Hld 2,6; = 8,3): »Seine Lincke liget vnter meinem Heubte / vnd seine Rechte hertzet mich.« Die Umformulierung in Antonias Gebet macht die Braut (= die Seele, konkret Antonia) zum Handlungssubjekt (»laß mich [...] herzen«), während im Bibeltext der Bräutigam Subjekt ist (»seine Rechte herzt mich«). Zugleich wird das Herzen schamhaft (?) auf die Hand (»Rechte«) eingeschränkt. Geht man davon aus, daß es sich nicht um einen lapsus memoriae (mit einem tiefenpsychologisch verständlichen Motiv? Verquickung mit Ps 119,8?), sondern eine bewußte brautmystische Deutung117 der Hoheliedstelle handelt, die den Wortlaut des Bibelverses im Sinne eines wechselseitigen Herzens zwischen Braut und Bräutigam umbiegt, bleibt die Frage nach dem Urheber. Insgesamt gesehen fällt es leichter, bei den beschriebenen Adaptationen eher Antonia am Werk zu sehen als den akademisch ausgebildeten Theologen Enslin. Folglich gewinnt die Annahme an Wahrscheinlichkeit, daß Enslin für das erste Gebet Antonia nur die Bibelstellen lieferte und die Prinzessin in eigener Person den vorliegenden Gebetstext nicht nur kopierte, sondern auch endgültig ausformulierte. Auf ihr Konto gingen dann auch einige Flüchtigkeiten und Inkonsequenzen, die ungetilgt stehenblieben.118 Diese wahrscheinliche Form des Zusammenwirkens zwischen Antonia und Enslin ist nicht ganz ohne Parallelen. Bei der andernorts besprochenen Bibelhandschrift aus Antonias Nachlaß zeigte sich eine zumindest entfernt vergleichbare Arbeitsteilung:119 Allem Anschein nach lieferte dabei Antonias Hebräischlehrer, Johann Jakob Strölin,120 den hebräischen Konsonantentext und Antonia punktierte ihn danach, was in der Hauptsache die Ergänzung der Vokalzeichen meinte.

116

117 118

119 120

Vergleiche dazu etwa die eben genannte Stelle, S. [18v ] Nr. 13 (»dann meine augen trähnen zue dir, hiob. 16. 20.«) mit Ijob 16,20b: »Aber mein auge threnet zu Gott.« Siehe auch unten Anm. 184 und 185. Siehe dazu hier S. 2 u. zum Umgang mit der Sexualmetaphorik S. 164. Siehe zumal S. [18v ] Nr. 14 »eige mein hertzs zue deinen zeügnussen«, S. [18r ] Nr. 6 »lucas. 16. 75.« und S. [19r ] Nr. 17 »ps: 30. 32« sowie jeweils die Anmerkung. Fehlerhafte Bibelstellenangaben und freie Paraphrasen von Bibelstellen aus dem Gedächtnis sind in der Frühen Neuzeit nicht ungewöhnlich. Siehe einige Beispiele in einem ca. 1550 entstandenen Inschriftenzyklus im Flur eines Privathauses bei Vossler, 2007, S. 215. Siehe Gruhl/Morgenstern, 2006, S. 104f. Zu Strölin s. hier S. 4 (mit weiteren Verweisen).

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2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

2.1.5 Deutsche Gebete und gematrische Studien Daß Antonia willens und fähig war, für ihre private Gebetspraxis biblische Texte und Formulierungen zu adaptieren, wird durch die beiden folgenden Gebete bekräftigt: [21r ] Christlic hes121 gebett 122 auß 123 und zu ⟨und⟩124125 in dem Wort Gottes verfaßet durc h bitt v[nd] gebett des gnadn wort126 von mein wenigkeit.127 auß libe zue und an dem wort bleiben, durch die Gnade Gottes128 drauff und darrinen verbleiben,129 verharrn, in dem namen dein sprec he ich das amen fein,130 amen Amen Amen.131 132

1 Ewiger Allmec htiger 133 mildtreicher güttiger Gott und 2 Vatter,134 du hast uns durc h dein heÿliges Wort135 offenbahrt und zue erkennen gegeben,

121 122 123 124 125 126 127 128 129

130

131

132 133 134 135

Gestrichen wort gebett. Gestrichen von (?). Gestrichen dem. In der Hs und gestrichen, darüber nachgetragen dem. Gestrichen Antonia hzw. (= Herzogin zu Württemberg; s. die Unterschrift S. [23r ]). Über der Zeile nachgetragen: gebett etc. wort. Gestrichen Antonia hzw. Am linken Rand nachgetragen. Vgl. Ps 119,80 »Mein hertz bleibe rechtschaffen in deinen Rechten / Das ich nicht zu schanden werde.« Vgl. auch Ps 61,7; 73,23. Vgl. den Schluß von Martin Luthers Lied »Vater unser im Himmelreich« (Luther, 1985, Nr. 35, S. 295–298 u. 345–351, Strophe [9.], 297): »Amen, das ist: es werde wahr. | Sterck unsern glauben imerdar, | Auff das wir ia nich zweiveln dran, | Das wir hiemit gebeten han | Auff dein Wort, in dem Namen dein; | so sprechen wir das Amen fein.« Siehe auch den Schluß von Antonias Gebet, S. [22v ] unter Nr. 46, hier weiter unten. Sehr ähnlich greift auch Magdalena Meisner Luthers Lied auf in ihrem privaten, handschriftlichen Gebetbuch (»Etliche Christliche vndt gottselige gebettlein, reim weise zusammengeschriben v[nd] zusammen getragen [...] im Jahr 1617«). Siehe Meisner, 2013, S. 55 [78r ]: »[...] Nun herr Jesu Christe, hertztrauter bruder, vndt Jmmanuel, Auf dein wortt, in den nahmen dein, so sprechen wir das Amen fein, Amen in Jesu Christo Amen.« Zu dieser Überschrift gibt es mehrere alternative Formulierungen. Siehe S. [20v ] und möglicherweise auch [23r ]. Siehe dazu hier unten. Die emphatische Wiederholung des »Amen« s. auch hier S. 74. Gestrichen Gestelt (mit roter Tinte geschrieben). Gestrichen Wort (mit roter Tinte geschrieben). Vgl. zu dieser Anrede unten Anm. 259. Vgl. Ps 105,42: »Denn er gedacht an sein heiliges Wort / Abraham seinem knechte geredt.«

2.1 Antonias Gebetbuch

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das du allein der Ewige wahre 3 Gott seÿest 136 ,137 in dem du durc h dein wares138 durc hdringetes [sic] Wort himmel und Erden, und alles was darinen ist, ersc haffen hast,139 dan es mueß dir alles dinen,140 so du nur dein Allmec htiges141 Wort sprisht142 , so geschihts 4 so du gebeütß Stehts da,143 wie nun alle ding durc h den geist deines 5 mundes,144 und durch dein dir gleickh wessent145 Göttliches Wort, weil ohne das selbige nichts gesc haffen oder gemac ht ist worden, gesc haffen seind,146 und bestehen, Allso hastu auß lieb alle mensc hen vornemlich vnter denselben auch mich 6 dein kindt und toc hter durch dein liebes Wort gesc haffen, ja du hast mich 7 auß meiner Mutter leibe durc h dein Allmec htiges Wort gezogen, du wahrest 8 meine zuuersicht durch dein Wort, da ich noc h an meiner Mutter Brüsten war,147 9 durch dein kräfftiges Wort bin ich auff dich geworffen von Mutter leibe an, ⟨10⟩148 disses dein heÿliges Wort hastu jderman befohlen allen mensc hen fleißig ⟨11⟩ gebotten zue haltten, das wür darinen dein gesatzs, zeügnußen v[nd] recht deines heÿlsames Wort lehren thun, weder zue rechte noch zue linckhen ⟨12⟩ weic hen,149 sonndern allein in allen wegen und Wort wandtlen,150 dann das ist [21v ] nach deine prediger die haupt summa aller dei-

136 137

138 139

140 141 142 143 144 145

146 147

148 149

150

Über der Zeile nachgetragen, dann aber gestrichen auch. Joh 17,3: »Das ist aber das ewige Leben / Das sie dich / das du alleine warer Gott bist / vnd den du gesand hast / Jhesum Christ / erkennen.« Dafür gestrichen Allmechtiges. Apg 4,24b: »[...] vnd sprachen / HERR / der du bist der Gott / der Himel vnd Erden / vnd das Meer / vnd alles was drinnen ist / gemacht hat«. Vgl. Ps 146,6; 2 Kön 19,15; Ps 33,6; Ps 107,20. Ps 119,91: »Es bleibt teglich nach deinem Wort / Denn es mus dir alles dienen.« Über der Zeile nachgetragen. Vgl. Anm. 138. = sprichst. Ps 33,9: »Denn so er spricht / so geschichts / So er gebeut / so stehets da.« Vgl. Mt 8,8. Vgl. Ps 119,13.72.88; 138,4. = wesensgleiches. Gemeint ist die im ersten Konzil von Nikaia (325 n. Chr.) herausgestellte Wesenseinheit bzw. -gleichheit von Gott Vater und Sohn (Homoousie, Consubstantialitas), »einerlei Wesens« in der deutschen Übersetzung des Symbolum NicaenoConstantinopolitanum im Konkordienbuch (BSLK, S. 26); »gleiches Wesens« bei Leonhard Hütter. Siehe Hütter, 2006, S. 57. Vgl. Joh 1,1ff. Ps 22,10: »DEnn du hast mich aus meiner Mutter leibe gezogen / Du warest meine Zuuersicht / da ich noch an meiner Mutter brüsten war.« Die Numerierung 10–12 ist wohl nur durch die spätere Einbindung verdeckt. = weichen. Vgl. Dtn 17,20 »[...] vnd sol nicht weichen von dem Gebot / weder zur rechten noch zur lincken / [...].« Dtn 26,17: »Dem HERRN hastu heute geredt / das er dein Gott seÿ / das du in alle seinen wegen wandelst / vnd haltest seine Gesetz / Gebot vnd Recht / vnd seiner stimme gehorchest.« Vgl. Dtn 5,33; 10,12; 11,22; 26,17; Jos 22,5; 1 Kön 8,58.

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2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

ner lehren, das 13 wür dich Gott fürc hten, und halten deine gebott vnd151 wort152 dan153 das gehöret allen mensc hen zue, ja du sagest selbsten herr Zebaoth, du Gott 14 Jsrael, gehor⟨c h⟩et meinen Wort beßert ewer leben, und weßen154 , das ihr gegen mir recht thuet, und einer vnter dem Andern libe, so wihl ich Ewer Gott sein, und ihr solt mein volckh sein, und widerum wandelt auff allen 15 mein wegen, dieh ich euc h155 in meinem wort gebiette auff das euch wol 16 gehe156 : auff dißen denen157 wort158 befehl nun o herr komme ich früeh 17 komme ich, auff dein wort hoffe ich159 und suc he dich von gantzem jnnersten und dieffersten grund meines herzen⟨s⟩, und bitte, Lasß 18 mir deine gewaltige hand durc h dein Allmec htiges wort beÿstehen, 19 das ich deine gebott nicht fehle, dan ich habe erwöhlet, deine wort befehl und gebott,160 laß mir deine barmhertzigkeit widerfahren, wehre meinem fueß alle falsc he und böße jrrwege, das ich nun dein 20 wort halte, laß mein hertzs recht sc haffen bleiben in deinem wort 21 und rechten, das ich vor dir nicht zue sc handen werde,161 Regier mein hertzs mund und zungen,162 das ich stätts mein gespräch, lob und lieb 22 von und an deinem wort und gebotten163 habe: dan alle deine gebott sindt recht- 23 sc haffen,164 darum wende dich zue mir165 mit deinem wort, und seÿe 24 mir gnädig nac h dei-

151 152

153 154 155 156

157 158 159 160

161

162 163 164

165

Korrigiert aus: A... (?). Vgl. Dtn 6,2a: »Das du den HERRN deinen Gott fürchtest / vnd haltest alle seine Rechte vnd Gebot / die ich dir gebiete«; s. a. die beiden Schlußfragen zu den Zehn Geboten bei Martin Luther: Der kleine Katechismus (BSLK, S. 510, Z. 5–21). Zu Antonias Katechismus s. Anm. 33 und 177. = denn. = Wesen. = euch. Jer 7,23: »Sondern dis gebot ich jnen / vnd sprach / Gehorchet meinem wort / so wil ich ewer Gott sein / vnd jr solt mein Volck sein / Vnd wandelt auff allen Wegen / die ich euch gebiete / auff das euch wolgehe.« Jer 7,5: »Sondern bessert ewr leben vnd wesen / das jr recht thut einer gegen dem andern«. = deinen. Vermutlich verworfene Variante ohne Tilgungszeichen für das folgende »befehl«. Ps 119,147: »Jch kome früe vnd schreie / Auff deine Wort hoffe ich.« Ps 119,173: »Las mir deine Hand beystehen / Denn ich habe erwelet deine Befelh.« Vgl. Ps 119,30. Ps 119,80: »Mein hertz bleibe rechtschaffen in deinen Rechten / Das ich nicht zu schanden werde.« Vgl. Ps 25,2. Ps 37,30: »DEr mund des Gerechten redet die Weisheit / Vnd seine zunge leret das Recht.« Über der Zeile nachgetragen und gebotten. Ps 111,7: »Die Werck seiner Hende sind warheit vnd recht / Alle seine Gebot sind rechtschaffen.« Ps 25,16: »Wende dich zu mir / vnd sey mir gnedig [...].« Vgl. 119,132; s. a. 69,17.

2.1 Antonias Gebetbuch

79

nem wort,166 wie du pflegest zue thun, denen die deinen namen lieben, laß mein lebens lauff und gang 25 gewiß sein in deinem wort, und laß kein vnrecht oder fürsetzlige sünde in mir, oder vber mic h herrsc hen,167 so wihl ich stetts an dir 26. 27 durc h dein wort bleiben,168 dan durc h dein wort er hälst169 du mic h beÿ deiner rechten und Allmec htigen wunder handt,170 und laite171 [22r ] 28 und [sic] mich nac h deinem Raht, durc h dein wort und nimest mich Endtlic h mit Ehren an,172 Verleihe, das ich ein solches hertzs 29 habe, dich zue firchten,173 und zue halten alle dein gebott wort und rechte,174 das ich dich allein, höchsten meinen Gott und vatter 30 v¨ ber alles, vor alles und in allen dingen, ja nur dic h und dein wort lieb habe,175 von gantzen hertzen, von gantzer seele, von gantzem gemüet von allen meinen cräfften und vermögen,176 in deine gnade und allen gaben, die du mir leiblic h und geistlic h zeitlich und Ewig,177 durch deinen 31 seegen wider fähren läßest, deine hülff nac h deinem wort,178 das ich in allen meinen wegen, thun und laßen, und vor haben179 , durc h deine 32 gnade zu deinem sc huldigen ge166

167

168 169 170 171 172 173 174 175 176

177

178 179

Ps 119,58: »Jch flehe fur deinem Angesichte / von gantzem hertzen / Sey mir gnedig nach deinem Wort.« Ps 119,133: »Las meinen gang gewis sein in deinem Wort / Vnd las kein vnrecht vber mich herrschen.« Ps 73,23: »DEnnoch bleibe ich stets an dir / Denn du heltest mich bey meiner rechten Hand.« Vor Korrektur hälstu. Ps 73,23: »DEnnoch bleibe ich stets an dir / Denn du heltest mich bey meiner rechten Hand.« Lesung des Wortendes wegen heutiger Einbindung unsicher. Ps 73,24: »Du leitest mich nach deinem Rat / Vnd nimpst mich endlich mit ehren an.« = fürchten. Dtn 26,17 (in Anm. 150 zitiert). Ps 18,2: »HErtzlich lieb habe ich dich HERR meine Stercke«; vgl. Ps 73,25. Vgl. Mk 12,30: »Vnd du solt Gott deinen HERRN lieben / von gantzem hertzen / von gantzer Seele / von gantzem Gemüte vnd von allen deinen Krefften / Das ist das furnemeste Gebot.« Vgl. Dtn 6,5; 2 Kön 23,25. Die Formulierung »leiblich und geistlich, zeitlich und ewig« ist schon im 16. Jahrhundert beliebt, um die Auswirkungen von Gottes gnädigem oder strafendem Handeln zu charakterisieren. Sie findet sich z. B. in der paraphrasierenden Auslegung der siebten Bitte des Vaterunsers in: Christian, 1853, S. 254. Antonias direkte Quelle könnte das Nürnbergische Kinderlehrbüchlein sein, 17. Lektion, Auslegung des 1. Artikels des Glaubensbekenntnisses (zit. nach: Kinderlehre, 1635, S. 147): »Warum heist Er Allmächtig? Darumb/ daß jhm alles müglich/ vnnd bey jhm nichts vnmüglich ist/ Er kan thun alles/ vnnd thut auch alles/ was er will vnd sagt (Psal. 115. vers. 3. Matth. 19. vers. 26. Luc. 1. v. 37.) (Alles müglich) Vnd also haben wir an Gott nicht allein einen getrewen/ sondern auch einen allmächtigen Vatter/ der vns in vnd auß aller Noht helffen kan vnd will/ Leiblich vnd Geistlich/ Zeitlich vnd Ewig.« Dieses beliebte Lehrwerk auf Basis von Luthers Kleinem Katechismus fand sich in Antonias Büchernachlaß. Siehe Breymayer, 1998, S. 347, Nr. [66.] (leider ohne Druckort und -jahr); Schauer, 2003, S. 45. Ps 119,41: »HERR / Las mir deine gnade widerfaren / Deine Hülffe / nach deinem Wort.« = Vorhaben.

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2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

horsam auff deine wegen in [sic] dein heÿligs 33 wort handle, dan180 alle wort Gottes sindt durc hleütert, und eine schildt181 denen die auff dic h hoffen, und trauen,182 so werde ich kein v¨ bels thun, oder das dir missfäliges ist183 und ich !‫ּה‬³‫י‬¢‫וžאִמָתֶ› אַנžתֹונ‬184 habe 34 dein wort sehr lieb,185 dan wan ich dic h nur durc h dein wort beÿ 35 mir habe, so frage ich nic hts nac h himmel und Erden, wan mir gleikh [sic] leib und seele versc hmac htet, so bistu doc h Gott Allzeit und für- 36 nemlich zue zeit meines ab-scheidtes durc h dein wort das mic h erqüikhet meines hertzens cräfftigar trost, und mein Ewiges höc hstes Ghuth und Erbtheil,186 dan durc h dasselbige bin ich nac h deinem Nahmen ge⟨ne⟩nnet worden,187 herr Zebaath188 , darum ist auch, und bleibet allso bis in mein letzstes seüffzen hinnein meines hertzens Ewige fröwdt krone und wohne189 , 37190 das ich mich zue dir in deinem heÿligen wort halte, und mein zuuersicht auff dich meinen Gott und herrn dein wort seze, und dein wort verkündige, in allem mein thun,191 und weil ich durc h dein Allmäc htig [22v ] 40 Allmäc htiges wort ⟨wenn ich⟩ auff dich meinen herrn hoffe,

180 181

182

183

184 185 186

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= denn. Die Formulierung »eine schildt« weist wahrscheinlich nicht auf femininen Gebrauch hin (dafür bietet DWB, Bd. 15, Sp. 109, s. v., auch keine Nachweise), sondern ist wohl nur Ausdruck mundartlich-nachlässiger Flexion wie weiter unten in Nr. 42 »deine name« für »deinen Namen«. Spr 30,5: »ALle wort Gottes sind durchleutert / vnd sind ein Schild denen / die auff jn trawen.« Vgl. Ps 18,31. Dtn 4,25: »WEnn jr nu Kinder zeuget vnd Kindskinder / vnd im Lande wonet / vnd verderbet euch / vnd machet euch Bilder einicherley gleichnis / das jr vbel thut fur dem HERRN ewrn Gott / vnd jr jn erzürnet.« Vgl. 1 Kön 11,6. = nämlich deine Magd Antonia. Siehe unten Anm. 201. Ps 119,140: »Dein Wort ist wol geleutert / Vnd dein Knecht hat es lieb.« Vgl. Ps 73,25f.: »Wenn ich nur dich habe / so frage ich nichts nach Himel vnd Erden. Wenn mir gleich Leib vnd Seele verschmacht / So bistu doch Gott alle zeit meines hertzen Trost / vnd mein Teil.« Ps 119,50: »Das ist mein Trost in meinem Elende / Denn dein Wort erquicket mich.« Vgl. Ps 119,25. Jes 43,1: »VND nu spricht der HERR / der dich geschaffen hat Jacob / vnd dich gemacht hat Jsrael. Fürcht dich nicht / Denn ich habe dich erlöset / Jch habe dich bey deinem namen geruffen / Du bist mein.« = Zebaoth. = Freud, Krone und Wonne. Vgl. Phil 4,1: »ALso / meine lieben vnd gewündschte Brüder / meine Freude vnd meine Krone / bestehet also in dem HErrn / jr lieben.« Vgl. Offb 2,10. Ihre Jenseitshoffnung formuliert Antonia eindrucksvoll in ihrem Brief an Johann Valentin Andreae. Siehe dazu hier s. hier S. 307. Die Nummern 38–39 fehlen; vielleicht ist sinngemäß zu ergänzen 37⟨. 38. 39⟩ das ich mich zue dir usw. (vgl. weiter oben die Numerierung 26. 27). Ps 73,28: »ABer das ist meine Freude / das ich mich zu Gott halte / vnd meine zuuersicht setze auff den HErrn HERRN / Das ich verkündige allein dein Thun.«

2.1 Antonias Gebetbuch

81

so werde ich nicht fahlen,192 sonndern Ewig vest bleiben wie dein wort und 41 der berg zion. und wie du dein nammen herrlic h gemac het hast, 42 durc h dein wort, allso laß denselben 193 lobesam deine name in mir, durc h dich194 v¨ ber und vor mir,195 196 alles in allem herrlic h von mir gehalten werden, Spric he und sage du v¨ ber und in mir 43 dein heÿliges cräfftiges wort, ‫יžהִי‬ !‫ יžהִי יžהִי‬197 Fiat, das ist, Es gesc hehe wie im himmel, allso auc h auff Erden beÿ mihr,198 und 44 dein wort 199 gibe meine seele200 große krafft, Eben durc h das 45 wort deine verheißung, darauff du mic h deine !K‫ואמת‬201 magt 46 hoffen läßest, alles nun202 auff dein wort in dem Nammen dein, sprec he ich fröwlic h und gewiß das Amen fein203 !N‫אמ‬.204 Amen fein,205 etc.

täglic h gebett und danckhsagung für die höc hste woh⟨l⟩tahten206 Gott⟨es⟩:207 Jch danckhe dir mein herr himmlisc he vatter,208 für alle deine wohlthatten, die du mir erzeigest hast, das du mich nic ht allein gesc haffen zu einem vernü⟨n⟩fftigen mensc hen, sondern zue deinem Ebenbilt nic ht nur zue dißen sondern zum Ewigen leben, und hast mic h durc h dein gesc hengtes209 gutt und Ewigen Erbtheil deines liben sohn meinem herrn und heÿlandt Je192 193 194 195

196 197 198

199 200 201 202 203 204 205 206 207 208 209

Ps 26,1b: »Jch hoffe auff den HERRN / Darumb werde ich nicht fallen.« Vgl. Ps 62,6. Gestrichen so. Korrigiert aus mich. Ps 138,2b: »[...] Denn du hast deinen Namen vber alles herrlich gemacht durch dein Wort.« Zum formelhaften »lobesam« im Sinne von ›laudabilis‹ s. DWB 12, s. v., Sp. 1083–86; zu »deine name« s. oben Anm. 181. Gestrichen durch. Vgl. das dreifache »es werde« in Gen 1,3.6.14. Siehe die Formulierung in Luthers Kleinem Katechismus (BSLK, S. 513; s. a. S. 678): »[...] wie im Himmel, also auch auf Erden. [...] wir bitten in diesem Gebet, daß er auch bei uns geschehe.« Etwas anders hingegen formuliert die Lutherübersetzung bei Mt 6,10: »Dein Reich kome. Dein Wille geschehe / auff Erden / wie im Himel.« Vgl. Lk 11,2. Gestrichen und. In der Hs hier ein Komma wohl mit Tilgungszeichen. = nämlich deine Magd. Siehe oben !‫ּה‬³‫י‬¢‫ וžאִמָתֶ› אַנžתֹונ‬und Anm. 184. Oder nur; der zweite Abstrich des -n bzw. -r ist ausgefallen (Flüchtigkeitsfehler?). Über der Zeile nachgetragen. = Amen. Siehe oben Anm. 130. Vgl. weiter unten wohlthatten. Vgl. Ps 71,15. Zu dieser Anredeformel s. unten Anm. 259. = geschenktes.

82

2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

su Christi durc h sein vnsc huldigen blutigen verdinst210 mir eine Ewige gerec htigkeit erworben⟨,⟩211 Erlößet, auß s⟨echs⟩212 6. trübsahl gerissen⟨,⟩213 das mir in der sibendte 7. kein v¨ bel berührn kan.214

Für das erste dieser beiden Gebete ist Antonias Arbeit am Entwurf der Überschrift anhand der beiden Varianten (auf S. [20v ] unten) nachvollziehbar: Ein gebett215 täglic h216 jn dem wort 217 durc h Gottes gnade darinn 218 bis an ⟨das⟩ Ende zue verharren !Nֵ‫אָמ‬219 . Ein gebett täglic h von 220 jn und221 zue dem wortt, durc h Gottes 222 gnade darinn bis an das Ende des zeitlic hen leben verharren.223

Ob zwei weitere Überschriftentwürfe auf S. [23r ] des vorliegenden Heftes diesem oder einem anderen der vorhandenen Gebete zuzuordnen sind, ist nicht zweifelsfrei zu klären. Doch verdienen sie hier nicht nur darum einen kurzen Seitenblick, weil sie nach Inhalt und wohl auch Entstehungszeit vergleichbar sind. Sie zeigen auch einen Sonderaspekt von Antonias schöpferischem Umgang mit Privatgebetformulierungen, nämlich ihre Verbindung mit gematrische Studien. Die Gematrie beruht auf dem alten Brauch, Buchstaben zur Angabe von Zahlwerten zu verwenden. Sie addiert Zahlwerte von Buchstaben in Worten oder auch Wortgruppen und unterzieht die so entstehenden Summen einer weiteren, z. B. zahlensymbolischen Auslegung. Im 17. Jahrhundert ist das Ver210

211

212 213 214

215 216 217 218 219 220 221 222 223

Zur Verbindung »blutiger Verdienst« vgl. etwa Saubert, 1647 (L), S. 21: »Als welcher JEsum CHristum mit seinem Blutigen Verdienst für seine Gerechtigkeit auch erkennet/ vnd denselben bis an sein Sel[iges]. Ende bekennet.« Apg 20,28: »SO habt nu acht auff euch selbs / vnd auff die gantze Herd / vnter welche euch der heilige Geist gesetzt hat zu Bischouen / zu weiden die gemeine Gottes / welche er durch sein eigen Blut erworben hat.« Zur Verbindung »ewige Gerechtigkeit« vgl. Ps 119, 142; Dan 9,24. Durch Einbindung unleserlich. Am linken Rand nachgetragen. Ijob 5,19: »Aus sechs Trübsalen wird er dich erretten / vnd in der siebenden wird dich kein vbel rüren.« Vgl. Ps 91,10. Dafür gestrichen wort. Über der Zeile nachgetragen, korrigiert aus täglich zu sprechen. Gestrichen Gottes. Gestrichen zu verharren,. = Amen. Über der Zeile nachgetragen, aber wohl wieder gestrichen und. Über der Zeile nachgetragen. Rechts daneben di.. (?) fecist: Es folgt ein unleserliches (hebräisches?) Wort. Rechts daneben ein unleserliches (hebräisches?) Wort.

2.1 Antonias Gebetbuch

83

fahren den Gebildeten gut geläufig und wird in Abhandlungen zur jüdischen und speziell zur kabbalistischen Hermeneutik erörtert. Auch Beispiele deutscher Gematrie gibt es.224 Antonias Nachlaß bietet eine ganze Reihe solcher Zahlwertberechnungen sowohl für das Hebräische wie das Deutsche. Aus ihnen sind unter anderem mehrere Gründe dafür zu entnehmen, warum Antonia die hebräische Transkription ihres Namens mit !‫ אנתוניה‬jedenfalls ab einem bestimmten Zeitpunkt anderen Möglichkeiten, wie etwa !‫אנטוניה‬, vorzog.225 Die Schreibung !‫ אנתוניה‬lieferte Antonia nicht nur den anagrammatisch gebildeten Wahlspruch !‫( י הוא נתנ‬mit Endbuchstaben !N‫ י הוא נת‬geschrieben),226 sondern half ihr auch bei der Bildung einer gematrischen Identität zwischen Ps 37,4 und 224

225

226

Neben dem Notarikon gehört die Gematrie zu den gängigen hermeneutischen Verfahren der Kabbala. Siehe dazu hier S. 26 u. 112; ferner den instruktiven Überblick bei Dornseiff, 1925, S. 91–118; zur Gematrie bei Grimmelshausen s. Breuer, 1995, S. 267; s. ferner Kilcher, 2000, u. a. zur Buchstabenkombinatorik bei Harsdörffer. Ein gelegentlicher Berater Antonias hat seine Beschäftigung mit der kabbalistischen Auslegungskunst gegen den Einwand verteidigt, er würde so hohe Dinge wie die Trinität aus so irrelevanten Dingen wie hebräischen Buchstaben zu beweisen versuchen. Dem hält er die Singularität des hebräischen Alphabets entgegen: Es habe eben eine ungewöhnliche Beschaffenheit und sei »wegen sonderbarer Göttlicher Geheimnussen/ so darinnen oder dadurch bezeichnet worden/ eines grösseren Bedenckens und Betrachtung wol würdig und wehrt.« Siehe Steudner, 1665, Zuschrifft, Bl. )( )( ijv , wörtliches Zitat von )( )( iijr-v . Steudners Argument setzt die zeitgenössisch noch unangefochtene Anerkennung des Hebräischen als Ursprache voraus. Siehe dazu jetzt Gruhl, 2011, S. 295f., ferner zeitgenössisch auch die Strölin bekannte Abhandlung von Bang (Bang, 1657; zur Rezeption Bangs s. hier S. 128). Im Kontext beruft sich Steudner zusätzlich noch auf Mt 5,18. Mit !‫ה‬³‫ אֲנžטֹונžי‬transkribiert Antonia ihren Namen im Brief an J. V. Andreae von 1646, s. hier S. 308 u. unvokalisiert auf dem Briefblatt in WLB Cod. or. 2° 4, S. [1], hier S. 365. Siehe dazu auch hier die nächste Anm. Siehe auf Antonias Lehrtafel das – neben dem »!‫( «ש‬s. Anm. 274) – den Edelsteinen der Krone eingravierte »!N‫«י הוא נת‬, was Antonias anagrammatischen Notizen in ihrem Nachlaß korrespondiert. Siehe WLB Cod. or. 2° 4, S. [1r ] auf einem eingeklebten Zettel: »!‫«אנתוניה‬, darunter »!Nַ‫ת‬É ‫ הּוא‬³‫ «י‬samt gematrischer Berechnung »10 12 50 400 700« [= 1172], S. [1v ] »!‫ אנטוניה‬131«; s. a. »!Nַ‫ת‬É ‫ הּוא‬³‫ «י‬als Motto in Antonias Geburtstagsbrief vom 15.12.1664 jul. an ihren Bruder Eberhard (HStA, Bestände über einzelne Personen, G 86, Bü. 1, Fasz. 1), ebenso in Antonias Brief an ihren Vetter Karl Ferdinand vom 7.2.1665 jul. (WLB Cod. hist. fol. 911, S. [31r ]); s. a. WLB Cod. hist. fol. 45,5 (ohne Hebraica transkribiert bei Raff, 1993, S. 332). Zu einer weiteren Fundstelle von »!Nַ‫ת‬É ‫ הּוא‬³‫ «י‬s. hier Anm. 36. Betz hat den Bezug auf Antonias Namen ohne Kenntnis des Entwurfes im Nachlaß im Wesentlichen korrekt erfaßt (s. Betz, 2013, S. 81). !N‫ הּוא נת‬meint demzufolge »Er hat gegeben«, kombiniert mit !‫י‬: »Der HErr [ist es]: Er [und kein anderer] hat gegeben.« Daß auf der Lehrtafel oben im mittleren Zacken der Krone nicht !‫( א‬s. Häußermann, 1966, S. 73; Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 22 u. 577; ebenso noch Betz, 2000, S. 80), sondern !‫ י‬zu lesen ist, hat Eva Johanna Schauer wieder in Erinnerung gebracht (s. Pictura docens 24f. und auch Raith, 1673, S. 9, hier S. 251; Schauer, 2003, S. 154; Betz, 2013, S. 80). Unklar ist bis auf weiteres, ob biblische Formulierungen, wie »!Nֵ‫ «הּוא נֹת‬in Ps 68,36, Vorbild waren. Zu »!³‫ «י‬s. Strölins Tableau zu den Gottesnamen in WLB Cod. hist. fol. 551, S. [105r-v ]: »!³‫ י‬Juth bedeutet den Namen Jehova«.

84

2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

ihrem Namen. Diese findet sich auf dem Schrein der Lehrtafel in Bad Teinach. Dort stehen sich !K‫ משאלת לב‬K‫ל‬N‫ והתענג עליהוה וית‬und ‫אנתוניה שרה בוירטמברג‬ !‫ותק‬227 gegenüber. Nur dem Gebildeten erschließt sich allerdings die geheime Korrespondenz zwischen Psalmvers und Namen aufgrund des identischen Zahlwerts von 2005. Eine weitere derartige Identität stellt Antonia mittels deutscher Gematrie her, wenn sie in ihrer hebräischen Bibelhandschrift neben Ps 1,1 am Rand notiert:228 ψ Antonia } 70 * Jesus } 70

      140     

So gewinnt Antonia eine treffende Darstellung der aus ihrer Sicht einzigartigen und unverwechselbaren Beziehung zu Jesus.229 Für diese Randbemerkung in der Bibelhandschrift gibt es übrigens einen sicheren terminus post quem. Der Schreiber des Konsonantentextes datiert seine Arbeit auf Mitte Mai 1653.230 Antonias gematrische Notizen in dem vorliegenden Heft fallen höchstwahrscheinlich in dasselbe Jahr. Sie befinden sich nämlich auf S. [23r ], wo Antonia zwei Überschrift- bzw. Titelentwürfe eingetragen hat samt einer Datierung auf 1653. Für viele der Worte hat die Prinzessin (s. die Unterschrift!) auch den Zahlwert darüber oder daneben vermerkt, oder er läßt sich unschwer rekonstruieren.231 227

228 229

230 231

Ps 37,4, nach Ebermaier, 1653, Widmung, Antonias »Hebraisch Symbolum«: »Habe deine lust am HERRN / Der wird dir geben was dein hertz wündschet.« (gematrisch = 2005) und »Antonia, Fürstin in Württemberg und Teck« (gematrisch = 2005). Siehe dazu Betz, 2013, S. 28. Dieselbe gematrische Berechnung findet sich in WLB Cod. hist. fol. 551, S. [106r ]. Die gematrische Berechnung von Antonias Namen hat bereits Klemm richtig erkannt, ohne sie jedoch ausdrücklich einer korrespondierenden Berechnung des Psalmverses gegenüberzustellen. Siehe Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 85. WLB Cod. bibl. 4° 41 a, S. [3r ]. Die Prinzessin setzt folgende Wertbestimmung voraus: A 1 B 2 C 3 D 4 E 5 F 6 G 7 H 8 I/J 9 K 10 L 11 M 12 N 13 O 14 P 15 Q 16 R 17 S 18 T 19 U/V 20 W 21 X 22 Y 23 Z 24. Jesus = 9+5+18+20+18 = 70; Antonia = 1+13+19+14+13+9+1 = 70; s. Schauer, 2003, S. 46, wo der gematrische Zusammenhang korrekt erfaßt wird, die geistvolle These jedoch (»140« korrespondiere seinerseits mit »ewig vermaehlt«, nämlich 5+21+9+7+20+5+17+12+1+5+8+11+19) ohne Beweise bleibt. Denn zu einer Absicht Antonias, genau diese Korrespondenz herzustellen, fehlen Belege. * und ψ sind wohl als Anspielung auf das paulinische Diktum Gal 2,20 zu deuten: »Jch lebe aber / doch nu nicht ich / sondern Christus lebet in mir. Denn was ich jtzt lebe im Fleisch / das lebe ich in dem glauben des Sons Gottes / Der mich geliebet hat / Vnd sich Selbs fur mich dargegeben.« Vgl. die Anm. 37 herausgestellte Funktion der Personalisierung mittels Namens-Akrosticha. Siehe rechts oben auf besagter Seite (Anm. 228) von Strölins Hand: »24. Maij 1653.« Die folgende Übersicht zu S. [23r ] bildet nicht die genauen Raumverhältnisse in der Handschrift ab. Die Seite enthält auch weitere Zahlwertnotizen (s. die folgenden Anmerkungen), die sich nicht durchgängig Worten bzw. Wortkombinationen zuordnen lassen.

85

2.1 Antonias Gebetbuch Erste Überschrift- bzw. Titelfassung: Wort

Gebet

38233

zue 49234

Gott

71232 Gemac ht 52236

von

deine

geringste

47237

36238

100239

magt

vnd

Asc hen240

stäublein

39241

37242

45243

98244

59235

217 235 222 674

Zweite Fassung:

232 233 234 235 236 237 238 239 240

241 242 243

244 245 246 247 248

249 250 251 252

Gebet

Wort

71246

zue 49247

Ghott

38245 Gemac ht 52249

von

deine

magt

47250

36251

39252

[67]248

217 [174]

= 21+14+17+19. = 7+5+2+5+19. = 24+20+5. = 7+14+19+19. = 7+5+12+1+8+19. = 20+14+13. = 4+5+9+13+5. = 7+5+17+9+13+7+18+19+5. Vor Korrektur kleinste [10+11+5+9+13+18+19+5 = 90]. Siehe »90« in der Notiz S. [23r ] oben rechts. = 12+1+7+19. = 20+13+4. = 1+18+8+5+13. Rechts neben der Zeile hat Antonia 48 als gematrischen Wert von aschen [1+18+3+8+5+13] notiert, also jener orthographischen Form, die sie dann in der 2. Fassung verwendet in aschen stäublein [48+98 = 146]. Daraus läßt sich ableiten, daß die Bezifferungen gematrischer Werte auf der rechten Seite des vorliegenden Blattes mindestens teilweise einer sekundären Bearbeitungsphase entstammen, insofern sie den Wortlaut der 2. Fassung voraussetzen. = 18+19+1+20+2+11+5+9+13. = 7+5+2+5+19. = 21+14+17+19. = 24+20+5. = 7+8. [Eine 8 (Zahlwert von »h«) steht am rechten Rand unterhalb von 17 (s. Anm. 255).] +14+19+19. = 7+5+12+1+8+19. = 20+14+13. = 4+5+9+13+5. = 12+1+7+19.

86

2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins toc hter253

.v. 254

geringste

aschen stäublein

[82]

[20]255

100

146

[348] [739]

.A[ntonia]. H[erzogin]. Z[u]. W[ürttemberg]. .1653.

Die inhaltliche Nähe dieser beiden Entwürfe zu dem ersten der beiden selbstformulierten Gebete Antonias auf S. [21r ]–[22v ] ist offensichtlich.256 Man vergleiche die Rede von der Magd Gottes, die hier im zweiten Entwurf durch das Motiv der Kindschaft (Tochter) noch überboten wird, ferner die auffällige Betonung des Wortes. Der Leitbegriff des ersten selbstformulierten Gebets, das für jede lutherische Theologie zentrale »Wort«,257 ist in allen vorgeführten Überschriftvarianten präsent und dann auch im weiteren Gebetstext für eine Weile graphisch hervorgehoben (bis zum Ende von S. [21r ]).

2.1.6 Die Gebete im Kontext frühneuzeitlicher Laienfrömmigkeit Auffällig ist andererseits, wie Antonia in der längsten und offenbar endgültigen Variante ihre Urheberschaft hervorhebt (»verfaßet [...] von mein wenigkeit«; S. [21r ]; s. a. Antonias Unterschrift auf S. [23r ]), auffällig im Text selbst das sporadische gemeindliche ›Wir‹.258 Gerade der Gebetseingang erinnert an gottesdienstliche Gebetsformulare, wie sie Antonia durch lebenslangen Gottesdienstbesuch geläufig waren und ihr für die Formulierung ihrer Adaptationen mühelos zu Gebote standen.259 Auch bei Betrachtung von Antonias Einwei253 254 255

256

257 258 259

= 19+14+8+19+5+17. Vor Korrektur magt. Abkürzung für vnd. Siehe die folgenden Anm. Bei Antonia in erster Version vnd [20+13+4], dann v [20]. Auf der rechten Seite notiert Antonia 17, vermutlich als Wertbestimmung für die dann fortgefallenen Buchstaben nd [13+4]. Möglich, aber nicht zu beweisen ist hingegen, daß Antonias Variationen bei den verschiedenen Überschriftentwürfen nicht nur inhaltliche, sondern durchwegs auch gematrische Gründe gehabt haben. Nichts legt zwingend nahe, daß Antonia hier nach einem irgendwie besonderen (symbolischen oder korrespondierenden?) Zahlwert strebte. Daß die Gematrie für Antonia andererseits mehr war als bloßer Zeitvertreib, kann man nach den Beispielen annehmen. Doch wieviel mehr genau? Die Menge der Beispiele reicht nicht hin, um kabbalistischen Verfahren im Falle Antonias eine tragende Rolle für ihre Spiritualität zuzumessen, wohl aber eine unterstützende und bereichernde. Siehe dazu Körtner, 2001, passim. Siehe Nr. 2 (»uns«), Nr. ⟨11⟩ und 13 (»wür«). Siehe z. B. die Formulierungen des Kollektengebets (»gmeinen Gebets«) nach der Württembergischen Kirchenordnung von 1553: »Bittet also: O allmechiger, güttiger Gott und vatter unsers Herrn Jesu Christi [...] Gib, Herr, deiner heiligen Christenheit deinen geist und göttliche weißheit, das dein wort under uns lauff und wachsse [...] Bittend also: Allmechtiger, ewiger Gott [...] Bittend also: O Allmechtiger Herr Gott [...].« Siehe Kirchenordnungen, 2004,

2.1 Antonias Gebetbuch

87

hungsgebet für die Lehrtafel fällt ja auf, daß die Prinzessin nicht nur einmal Formulierungen wählt, wie sie üblicherweise eher einem Vorbeter oder Liturgen zukommen.260 Zumal die Übernahme und Adaptation solcher Formulierungen dokumentieren Antonias Wahrnahme und Ausschöpfung des Freiraumes privater Andacht, in dem sie als Laie ohne Furcht vor Bevormundung gestalten konnte, auf unverwechselbare Weise gestaltete und auch weitere Leerseiten zu möglicher künftiger Ausschöpfung bereit hatte. Damit ist sie in ihrer Zeit keineswegs allein. Oben wurde schon auf Brotbecks privates Erbauungs- und Gebetbuch hingewiesen.261 Wie Antonia betont auch Brotbeck die eigene Urheberschaft in einer Gebetsüberschrift.262 Auch Brotbecks Texte verraten zudem sein besonderes Bildungsprofil: Während Antonias Texte eine besondere Beziehung zum Hebräischen durch hier und da eingestreute hebräische Stichworte erkennen lassen, zeigen Brotbecks Texte seine Beherrschung des Lateinischen und Griechischen. Betonung der eigenen Urheberschaft, kompilatorische Arbeitsweise und Mehrsprachigkeit sind Kennzeichen eines weiteren Gebetbuches aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts, das ein Laie lutherischen Bekenntnisses verfaßte und dann sogar drucken ließ in mehrfacher, jeweils überarbeiteter Auflage: Philipp Kegel betont in der Vorrede von Ein Newe CHristlich vnnd gar Nützlich Betbuch (Hamburg 1592) die Bedenken, welche er als Laie vor der Drucklegung hatte: »Sintemal es nicht meine Fakultet noch vocation; Ich mich dazu auch gantz vndüchtig und vngelert befünde, Sonderlich weil ohne das viel hocherleuchtete Menner gar schöne herrliche vnd trostreiche Betbücher gestelt«.263 Kegels Hervorhebung seines Laienstandes und seiner Unwürdigkeit bzw. Inkompetenz wirft ein besonderes Licht auf Antonias verbale Bescheidenheitsgesten. Ihre Betonung der eigenen Niedrigkeit ist im vorliegenden Kontext wohl nicht nur Adaptation der allgemeinen, aus der Bibel vertrauten Niedrigkeitstopik,264 sondern im Sinne Kegels Artikulation eines Laien, der dem Ver-

260 261 262

263 264

S. 256f.; ferner ebd., 258, den Beginn des Gebets »nach der predig oder zum Nachtmahl oder Vesper [...] Ach, Allmechtiger Gott, himelischer vatter [...].« Siehe auch oben den Eingang von Enslins erstem Gebet, S. [17v ]. Zur Einplanung dreier wöchentlicher Predigttage s. hier weiter unten. Siehe Gruhl/Morgenstern, 2006, S. 109f. Siehe oben bes. Anm. 23–26. Siehe Anm. 23 (Konjekturen von mir): »Precatio quottidiana clarissimi ac maxime conspicui viri domini Johannis Cunradi Brotbeccii, qui est Illustrissimo Principi Wirtenbergico a secretari⟨i⟩s intimi⟨s⟩.« Zit. nach Althaus, 1927, S. 136. Siehe vor allem die »Niedrigkeit Deiner Magd« in Lk 1,48, die offenbar mehrfach für Antonias Formulierungen Pate gestanden hat.

88

2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

dacht der Selbstüberhebung und Kompetenzüberschreitung vorbauen will.265 Was Paul Althaus an Kegel hart kritisiert, ist offenbar ein Spezifikum frühneuzeitlicher Laiengebetbücher: Gemessen am Schaffen professioneller geistlicher Schriftsteller und am Kriterium inhaltlicher und formaler Originalität bieten sie vielfach nur Kompilat und Abklatsch. Verfasser von Laiengebetbüchern stellen sich aber offenbar vielfach eben nur die Aufgabe, bekannte Muster nachzuempfinden und personalisierend anzuverwandeln. Das ist eine Möglichkeit, den Freiraum der Privatandacht auszufüllen und die eigene Gebetspraxis zu intensivieren.266 Noch ein weiteres Beispiel für ein Laiengebetbuch mit Spuren von Mehrsprachigkeit sei genannt: Konrad Heresbach (1496–1576)267 veröffentlichte in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts lateinische Privatandachtsformulare für alle Wochentage und streute hier und da griechische Stichworte ein.268

265

266

267

268

Auch Antonias jüngere Schwester, Anna Johanna, verwendet eine vergleichbare Strategie der Selbstartikulation und -darstellung in der Vorrede zu ihrer deutschen Übersetzung des lateinischen, theologischen Standardlehrbuches Württembergs (Hafenreffer, 1603; s. hier S. 91, Anm.). Zu Antonias und Johannas Selbstverständnis als Laien s. Gruhl/Morgenstern, 2006, S. 110f. Gegen Althaus, 1927, S. 136–142. Siehe jetzt Johann Anselm Steiger zu der unbekümmerten Art, wie Magdalena Meisner ihr Gebetbuch aus eigenen und fremden Texten zusammenstellte (im Nachwort zu: Meisner, 2013, S. 111f.). Vgl. auch Scheitler, 1984, S. 149: »Der Gebildete verstand es nicht nur als Andachtsübung, Geistliche Lieder zu rezipieren, sondern auch, solche zu verfassen.« Siehe auch im Nachwort von Gerhard, 2002, Bd. 2, S. 281– 376, 357f. Ein weiteres Beispiel s. bei Schuster, 2006, S. 88f.: »Schon mit 14 Jahren legte Aemilie Juliane ein privates Gebetbuch an, in dem 173 Gebete zu verschiedenen Anlässen enthalten sind sowie eine Sammlung von biblischen Sprüchen. [...] Ein großer Teil der Eintragungen umfaßt bekannte Lieder oder Gebete. [...] Das Gebetbuch ist klar in thematische Blöcke gegliedert, die Aemilie Juliane vorher nach dem Beispiel gedruckter Andachtsbücher sorgfältig zusammengestellt hat.« Zur Abwesenheit von Originalität und Individualität in volkssprachigen Gebetstexten des 15. Jh.s s. jetzt Costard, 2011, S. 260. Siehe ADB, Bd. 12 (1880), S. 103–105 (Leonhard Ennen); NDB 8 (1969), S. 606f. (Hartwig Lohse); Killy-Kühlmann 5 (2009), S. 311f. (Fidel Rädle / Reimund B. Sdzuj). Heresbach, 1592. Das DIARIVM findet sich in dieser Ausgabe nach S. 351 mit eigenem Titelblatt, Widmung und danach weitergeführter Paginierung ab S. 352. Weitere Gebete und Erbauungstexte ohne Bindung an den Tagesrhythmus folgen S. 370–443. Die Graeca s. auf S. 360 »ἱκέτην καὶ μεσvίτην«, 361 »ἱλασvτήριον«, 363 »ἰσvονομία«, 364 »ἐρικήδεα [richtig: ἐπικήδεα] δῶρα«, 368 »λόγον«, »ὁμοούσvιον«. Beim für alle Tage gleichbleibenden Morgengebet differenziert Heresbach nach Bildungsgrad und bietet zwei Versionen an. Siehe ebd., S. 352: »ORANDI FORMVLAE AD VSVM SIMPLICIVM COMPOSITAE. Mane cum surgitur.«; »EOTHINA ORATIO, ID EST, DILVCVLAria vel matutina singulis diebus cum surgitur simplici populo accommodata.«; S. 354: »ALIA FORMVLA QVA PATRESFAMILIAS et eruditiores vti poterunt.«

89

2.1 Antonias Gebetbuch

2.1.7 Ein Andachtsformular auf Basis von Psalm 119 Entwürfe solcher privater Andachtsformulare gibt es nun auch von Antonias Hand. Sie finden sich im vorliegenden Heft in Gestalt der beschrifteten Figuren des ersten Blockes, wie sich beweisen läßt.269 Innerhalb dieses Blockes erschließt sich am leichtesten die Figur auf S. [4v ] (s. Abb. 13). Der Text im Kreis lautet: »Sonntag. .119. psalm. 1. vers. bis auff. 25. Montag. bis auff. 49. v[ers]: Dienstag. bis auff. 72. v[ers]: Mittwoch. bis auff. 96. v[ers]: Donnerstag. bis auff. 120. v[ers]: Freitag. bis auff. 144. v[ers]: Samstag. bis auff 175. v[ersus]: vlt[imu]s.« Antonia hat also Ps 119 in sieben Abschnitte aufgeteilt entsprechend den sieben Wochentagen. Den sieben Wochentagssymbolen sind sieben hebräische Buchstaben unter der Kreislinie zugeordnet, die zusammen Antonias Namen transkribieren:270 So Mo Di Mi Do Fr Sa

Ps 119,1–25 –49 –72 –96 –120 –144 –175, 176

!‫א‬ ‫!נ‬ ! ‫ת‬ ‫!ו‬ N! ‫!י‬ ! ‫ה‬

Daß Ps 119 aus einem Eingangsvers plus zweiundzwanzig Oktonaren besteht, die akrostichisch dem hebräischen Alphabet folgen, war Antonia höchstwahrscheinlich bekannt.271 Diese Binnenstruktur läßt sich nicht ohne weiteres mit einem Sieben-Tage-Zyklus in Einklang bringen, und Antonia hat hier auf einen solchen Versuch verzichtet. Für ihre private Gebetspraxis war ihr vielmehr 269

270

271

Siehe WLB Cod. or. 4° 7, S. [4v ]–[16r ], und hier oben die tabellarische Inhaltsübersicht zu Antonias Heft. Zum älteren Forschungsstand s. hier Anm. 15. Sehr ähnlich bringt Antonia auch ihren Namen in die Figur auf S. [6r ] ein (s. Abb. 15); dazu unten mehr. Die leichte Verfleckung beim Nun in Buchstabenmitte läßt sich so deuten, als habe Antonia ihren Namen zuerst mit einem Nun parvum (!‫ )נ‬geschrieben (!‫)אנתוניה‬, also auf dieselbe Weise wie im vorliegenden Heft auf S. [22r ], Nr. 33 (s. hier Anm. 184), wo sie auch punktiert: !‫ּה‬³‫י‬¢‫אַנžתֹונ‬. Die Punktierung (He mit Mappik) und das Nun magnum im Wortinneren (!‫יה‬N‫ )אנתו‬legen beide gleichermaßen nahe, Antonias Namen so zu lesen, daß seine letzte Silbe – wie bei vielen genuin hebräischen Personennamen üblich – einen Gottesnamen enthält (!‫ יה‬bzw. !‫ּה‬³‫)י‬. Zu diesem Gottesnamen s. Strölin (Anm. 226): »!‫ּה‬³‫ י‬Jut Hej der halbe, oder abgekürzte Gottesname«. Ps 119,2–8 !‫ ;א‬9–16 !‫ ;ב‬17–24 !‫ ;ג‬25–32 !‫ ;ד‬33–40 !‫ ;ה‬41–48 !‫ ;ו‬49–56 !‫ ;ז‬57–64 !‫ ;ח‬65–72 !‫ ;ט‬73–80 !‫ ;י‬81–88 !‫ ;כ‬89–96 !‫ ;ל‬97–104 !‫ ;מ‬105–112 !‫ ;נ‬113–120 !‫ ;ס‬121–128 !‫ ;ע‬129–136 !P; 137–144 !‫;צ‬ 145–152 !‫ ;ק‬153–160 !‫ ;ר‬161–168 !‫ ;ש‬169–176 !‫ת‬. Siehe dazu Martin Luther: WA 31,1, 2ff.; Brenz, 1578, S. 1193. In Antonias Bibelhandschrift (s. Anm. 228) werden bei Ps 119 (WLB Cod. bibl. 4° 41 a, S. [143v ]–[152r ]) die das Akrostichon anzeigenden Buchstaben !‫ א‬bis !‫ ת‬in roter Tinte ausgeführt; ebenso Spr 31,10–31 (S. [236r ]–[237v ]) und Klgl (S. [285r ]–[290v ]). Siehe auch Anm. 37.

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2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

der Bezug auf ihren siebenbuchstabigen Namen wichtig (!‫יה‬N‫)אנתו‬, wie neben der vorliegenden Figur auch die akrostichischen deutschen Gebete (S. [17v ]– [20v ]) und eine weitere Figur (S. [14r ]) zeigen.272 Ebenfalls auf ihren Namen beziehen sich ferner die zum Monogramm verschlungenen »A« und »V« im Kreisinneren, welche sich in dieser Form auch auf S. [14r ] und [15r ] wiederfinden. Das meint »Antonia (Herzogin) von Württemberg«, latinisiert »Antonia (Ducissa) Virtembergensis«.273 In den Mittelbalken des »A«, in das Figurenzentrum, setzt Antonia Jesu Namen in hebräischer Schrift (!‫ע‬²‫יžׁשּו‬, Jeschua274 ), umgeben von Anspielungen auf das »Alpha« und »Omega« in der Offenbarung des Johannes:275 Antonia schreibt zum einen deutsch »A« und »O«, wie etwa in der Lutherbibel üblich,276 zum anderen hebraisierend »!‫ «א‬und »!‫«ת‬.277 Antonias vorliegende Verknüpfung ihres Namens mit dem Jesu kann übrigens einen klärenden Beitrag zur umstrittenen Deutung des Monogramms auf der einige Jahre später entstandenen Lehrtafel leisten: »A« und »V« ist dort nämlich zweifelsfrei im Monogramm unterhalb der überdimensionalen Krone zu lesen. Ob dort aber noch weitere Buchstaben zu finden sind und welche Bedeutung sie haben, war bislang, abgesehen natürlich vom »A« als Hinweis auf

272 273 274

275

276

277

Zu S. [14r ] s. hier unten. Zum erkennbaren Bezug zur wenig später entstandenen Lehrtafel s. gleich. In unvokalisierter Form findet sie sich zeitgenössisch z. B. oben auf dem Thesenblatt IDEA RELIGIONIS von Jeremias Slovacius (verlegt in Nürnberg 1630 zum hundertjährigen Jubiläum der Confessio Augustana); jetzt in: Harms/Schilling, 1989, Nr. III,52, S. 105ff. (s. Abb. 37). Bei der Vokalisierung wäre die Schreibung mit Patach furtivum (!‫ע‬²‫ )יžׁשּו‬korrekter. Kleine sprachliche Schnitzer im Hebräischen finden sich auch sonst in Antonias Papieren. Siehe dazu Gruhl/Morgenstern, 2006, bes. S. 106; im vorliegenden Heft s. S. [5r ] das falsch vokalisierte !‫ ה¸א‬und [12r ] !P‫ סּו‬N‫( אֵי‬dazu hier weiter unten). Es fällt auf, daß Antonia hier diese und nicht die spätestens seit Reuchlin beliebte Schreibweise !‫( יהשוה‬Jeschuh) wählt, deren Pointe die »Öffnung« des Tetragramms (!‫ )יהוה‬durch das Schin (!‫ )ש‬ist. Siehe dazu Schmidt-Biggemann, 2012, S. 16–18; ferner Bader, 2006, S. 5–17; Schubert, 2014, S. 39–41. Das Schin kommt in Antonias Heft dann aber auf S. [6r ] zum Zuge, ferner auf ihrer Lehrtafel als Gravur auf dem mittleren Edelstein der Krone; s. dazu oben Anm. 226. Zum Schin bei Strölin s. hier S. 112. Anstatt Jesu Namen findet sich in dem Emblem bei Ebermaier, 1653, Nr. LXX., S. 495, das Tetragramm, ferner Palmwedel und Anker. Siehe dazu bereits Harnischfeger, 1986, 159f. Zu Ebermaier s. Breymayer in Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 26. Ebermaiers Version steht also der Ausführung auf der Lehrtafel näher, ist zeitlich aber mindestens ebenso alt wie die Fassung in Antonias Gebetbuch Siehe Offb 1,8.11; 21,6; 22,13. »Alpha« und Omega« sind im griechischen Alphabet der erste und letzte Buchstabe. Im Deutschen müßte es entsprechend eigentlich »A und Z« heißen. Offb 1,8: »Jch bin das A vnd das O / der anfang vnd das ende / spricht der HErr / der da ist / vnd der da war / vnd der da kompt / der Allmechtige.« Christus als A und O, »!‫ «א‬und »!‫«ת‬, wird auch von Antonias Beratern behandelt. Siehe Strölins hebr. Erklärung, hier S. 321, Z. 1 u. 7; Steudner, 1665, S. [175] und [275]; in der Pictura docens, Z. 25ff., hier zitiert S. 185 (Anm.).

2.1 Antonias Gebetbuch

91

»Antonia«, umstritten.278 Aus einem Vergleich der Fassung auf der Lehrtafel mit einem Vorentwurf, der sich in Strölins Nachlaß enthalten hat, läßt sich ein zusätzliches »O« sichern.279 Im Licht der vorliegenden Figur in Antonias Gebetbuch kann nun schließlich für die Lehrtafel wahrscheinlich gemacht werden, daß »A«, »V« und »O« dort Antonia (»A« und »V«) und Jesus Christus (»A« und »O«) in Verbindung bringt, eine Verbindung, die auf Antonias Epitaphbild brautmystisch gedeutet wird und auch dort von einem Hinweis auf die Krone begleitet wird, die der Gläubige hoffnungsvoll erwartet.280 Die vorliegende Figur bekräftigt aber nicht nur Antonias Bestreben einer Alltagsheiligung durch tägliches Psalmengebet und ihre Verbundenheit mit Jesus Christus im Sinne des christlichen Bekenntnisses, die Figur beinhaltet auch dieselbe Zentrierung auf das Wort Gottes wie das größere deutsche Gebet Antonias auf S. [21r ]–[22v ]. Zumal in Luthers Verständnis und Übersetzung ist Ps 119 ja vor allem eine breite Ausfaltung der heilsamen Macht des Gotteswortes für den Gläubigen.281 Daß Gebet und Psalmenplan sich dergestalt thematisch 278 279

280 281

Zum Forschungsstand s. Betz, 2013, S. 80; ferner Schauer, 2003, S. 97, 108 u. 153. Im Entwurf (s. WLB Cod. hist. fol. 551, S. 115r ) ist das »O« als Buchstabe zweifelsfrei deutbar, während man auf Lehrtafel aufgrund von Stellung und Größe auch an die figürliche Darstellung eines, das Monogramm umschließenden Kreises bzw. Randes denken kann. Betz (ebd.) hat übrigens für den, auf der Lehrtafel erkennbaren, das Monogramm mittig überlagernden Ankerschaft eine Lesung als Buchstabe »I« erwogen und über eine zusätzliche Anspielung auf Anonias Namen durch »A«, »O« und »I« spekuliert. Nur »N« konnte er nicht finden. Der Ankerschaft ist auf der Lehrtafel jedoch farblich deutlich abgesetzt (rot anstatt goldgelb), durch die Zugehörigkeit zum Anker als Hoffnungssymbol bereits hinreichend erklärt und im übrigen in einem anderen Entwurf (s. WLB Cod. hist. fol. 551, S. 116r ) analog präsent, dort allerdings im Verein mit zwei weiteren Ankerschäften, die das Monogramm kreuz und quer überlagern. Außerdem fehlt jeglicher Hinweis auf einen Anker oder ein »I« hier in der Monogrammfassung des Gebetbuches und eine überzeugende Deutung für ein »I« steht auch noch aus. Siehe dazu hier S. 2 mit weiteren Verweisen. Siehe dazu Vossler, 2007, S. 221 (mit Belegen bei Luther). Antonia war sicherlich mit Matthias Hafenreffers theologischem Lehrbuch vertraut (s. dazu Gruhl/Morgenstern, 2006, S. 110). In dessen Prolegomena wird Luthers berühmte Trias theologischer Methodik (Oratio, Meditatio, Tentatio) referiert samt Luthers Hinweis auf Ps 119 als Exempel. Siehe Hafenreffer, 1603, S. 1f.; dazu Hägglund, 1998, S. 21. Wie Luther hebt auch Brenz auf die pädagogisch-hermeneutische Funktion des Gotteswortes nach Ps 119 ab. Siehe Brenz, 1578, S. 1193: »Petit in hoc Psalmo Propheta Dauid, vt verbo Domini erudiatur, & illuminetur«. Brenz formuliert auch klar die semantische Prämisse einer solchen Auslegung von Ps 119, nämlich ein generalisierendes Verständnis des hebräischen !‫( תורה‬Thora, Gesetz) im Sinne von »Wort Gottes« (ebd.): »Deinde verò notandum est, Prophetam Dauidem, vti vocabulo legis, & mandati, in generali acceptione more Hebraeorum, qui per !‫ תורה‬Thoro, non solam legem, sed totam scripturam intelligunt. Itaque per legem Dei, verbum eius intelligamus: quod vt intelligeretur, Propheta vsus saepè vocabulo !‫ דבר‬Dobor: quod verbum significat & !‫ אמר‬Omer, sermo, eloquium: vocat & !‫ עדות‬Edos, testimonia, quibus promissiones intelligit.« Siehe auch Arndt, 1666, S. 173: »ein Spieglein eines geistlichen/ Christlichen Lebens/

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2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

nahestehen, läßt eine zeitnahe Entstehung vermuten, also für beide etwa das Jahr 1653, wie die Datierung auf S. [23r ] nahelegt.

2.1.8 Psalmengebet und kabbalistische Sefirot in weiteren Formularen Was sich im Anschluß auf S. [5r ] bis [16r ] des vorliegenden Heftes findet (siehe Abb. 14 und 15), ist sicher das Merkwürdigste und Rätselvollste unter den Merkwürdigkeiten in Antonias Nachlaß. Die vorliegende Studie wird nur ein Stück weit in dieses Dunkel eindringen können. Dabei ist die erste Hürde schon genommen, sobald man erkannt hat, daß keine der vielen Zahlangaben in den Figuren über 150 hinausführt. Es sind also höchstwahrscheinlich Psalmen, die im Kontext der Figuren Wochentagen zugeordnet werden. Explizit von »psalm[en]« ist auf S. [16r ] die Rede; bestätigend kommt noch die Angabe »Gebet manasse.« hinzu, die in der Figur auf S. [14r ] in einer Reihe mit mehreren solchen Zahlangaben erscheint. Damit ist ein Grundverständnis gesichert: Es geht auf S. [5r ] bis [16r ] um einen (oder mehrere?) Gebets- oder Leseplan, der so wohl auch nicht zufällig in Antonias Heft der Konzeption von S. [4v ] folgt. Die Tücke steckt jedoch im Detail. Auf S. [12r ] und [14r ] ist pluralisch von »Wochen« die Rede. S. [12r ] hat offenbar einen Monatsplan im Blick, insofern verschiedene Zahlangaben auf die »Erste Wochen«, »Anderr Wochen«, »Dritte Wochen« und »Vierte Wochen« verteilt werden. S. [16r ] bringt ferner eine Zuordnung von Zahlangaben zu speziellen Predigttagen ins Spiel (»Viehren psalm[en]. auff Alle predigtag alls. Sonntag. Mittwoch. Freitag zue sprechen.«). Wie reimt sich das zu den Angaben auf den vorangehenden Seiten? Unausweichlich ist also die Frage, ob man es auf S. [5r ] bis [16r ] mit einem, in sich homogenen Plan zu tun hat oder mit mehreren, eventuell dissonanten Entwürfen. Und wie verhält sich dazu der Plan auf S. [4v ] zu Ps 119? Steht er für sich oder gehört er zu einem größeren Ganzen? Es fällt auf, daß die Zahl 119 auf S. [5r ] bis [16r ] nirgends zu finden ist. Auch einige weitere Zahlen zwischen 1 und 150 fehlen. Schließlich muß eine Deutung sich auch an der Gestalt der einzelnen Figuren bewähren sowie an den hebräischen Stichworten, die S. [5r ] bis [12r ] erscheinen. Zu einem Teil spie-

und eine hertzliche Vermahnung zur Liebe des göttlichen Worts [...] daß ichs dafür halte/ daß dergleichen nirgend [...] zu finden«. Ein weiteres Rezeptionszeugnis aus dem frühneuzeitlichen Württemberg ist das Gebet gemäß der Kirchenordnung von Neckarbischofsheim (1560), das auf die Predigt und die Rezitation bzw. den Gesang der zehn Gebote in der Festtagsliturgie folgen soll und beinahe zur Gänze aus Versen des Ps 119 besteht (Vers 33, 18, 34, 132, 29–31, 133f., 58; s. Kirchenordnungen, 2004, S. 677).

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2.1 Antonias Gebetbuch

len sie sicher auf die zehn kabbalistischen Sefirot an.282 Allerdings fehlen klare Hinweise auf die 5. und 9. Sefira. Hier eine Übersicht zu den Figuren und den angespielten Sefirot, wobei S. [4v ] mit einbezogen ist: [4v ] [5r ] [6r ] [8r ] [9r ] [10r ] [11r ] [12r ] [14r ] [15r ] [16r ]

Sonntag bis Samstag, Kreis mit Antonias Monogramm Sonntag, Dreieck Montag, Davidsstern Dienstag, siebenblättrige Blüte Mittwoch, Herz Donnerstag, siebenzackiger Stern Freitag, aus sieben Quadraten gebildetes Kreuz Samstag, aufgeschlagenes Buch Sonntag bis Samstag, Fels in Pyramidenform283 Montag, Dienstag, Donnerstag, Samstag, Quadrat, Sonntag, Mittwoch, Freitag, Gebetsschal,

1. bis 3. Sefira 4., 6., 10. Sefira 3. Sefira 6. Sefira 7. Sefira 8. Sefira 1. und 10. Sefira

Dem Leser bleibe ein Bericht über die Irrwege und Sackgassen auf dem Weg zu einer befriedigenden Rekonstruktion erspart. Ihre umständliche Schilderung würde allenfalls verständlich machen, warum ein ernsthafter Deuteversuch bislang unterblieb. Ein umständlicher Bericht über die wichtigsten Gründe für die hier favorisierte Gesamtdeutung ist allerdings unentbehrlich. Vier Beobachtungen bilden den Ausgangspunkt einer solchen Deutung: Erstens fällt ja sofort auf, daß nur den Figuren auf S. [5r ] bis [12r ] je ein Wochentag und jeweils je verschiedene Sefirotanspielungen zugeordnet sind, was vermuten läßt, daß diese Seiten eine Art Kernplan bieten, der möglicherweise später erweitert wurde. Zweitens wiederholt sich auf der folgenden S. [14r ] keine der auf S. [5r ] bis [12r ] gegebenen Zahlangaben. Das spricht für eine einheitliche Konzeption, in der S. [14r ] den Kernplan erweitert, also selbst keinen unabhängigen neuen Plan bietet. Drittens finden sich nun aber unter den Zahlangaben auf S. [15r ] einige, die mit einem Teil der Zahlangaben auf S. [5r ] bis [12r ] deckungsgleich sind. Das spräche für einen separaten Entwurf, würden die betreffenden Zahlangaben auf S. [5r ] bis [12r ] nicht hier und da zugleich den Eindruck einer späteren Bearbeitungsschicht vermitteln: Sie sind dort nämlich mehrfach in die Figuren eher hineingequetscht als den übrigen Zahlangaben mühelos angereiht und harmonieren nicht mit den Proportionen und Raumverhältnissen, wie sie durch die Figuren vorgegeben sind.284 282 284

Ernst Róth hat das bereits richtig erkannt. Siehe hier Anm. 15 und 17. Das gilt besonders für die Figur zum Donnerstag auf S. [10v ], wo die genaue Reihenfolge der Zahlangaben erst bei Hinzuziehung der Angaben auf S. [14r ] transparent wird. Ähnlich auffällig ist die Stellung der Angaben der sekundären Schicht in der Figur zum Samstag auf S. [12r ].

94

2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

Die Seite [15r ] böte demnach wohl eine Erweiterungsschicht, deren Zahlangaben von Antonia nachträglich in den Figuren auf S. [5r ] bis [12r ] ergänzt wurden. Offen bleibt so allerdings die Frage, warum eine solche Ergänzung dann für die Psalmenangaben auf S. [16r ] unterblieb. Viertens legt die Rede von »Wochen« auf S. [12r ] und [14r ] nahe, die durchgängige Gruppierung der Zahlangaben in vier Einheiten auf S. [5r ] bis [14r ]285 auf die vier Wochen eines Monats und nicht etwa auf vier Tageshoren zu beziehen. Folgt man diesem Ansatz, hätte Antonias Plan auf S. [5r ] bis [16r ] folgende Genese und Gestalt. Eine primäre Bearbeitungsstufe (wiederholte Psalmen von mir kursiv gesetzt):

[5r ] [6r ] [8r ] [9r ] [10r ] [11r ] [12r ]

So Mo Di Mi Do287 Fr Sa

Woche 1 24, 16, 44286 , 55 48, 45, 29, 40 82, 56, 35, 37 94, 57, 17, 26 81, 58, 20, 54 93, 59, 22, 28 92, 60, 21, 36

Woche 2 24, 16, 63, 68 48, 45, 50, 77 82, 56, 39, 49 94, 57, 25, 62 81, 58, 70, 71 93, 59, 27288 , 64 92, 60, 61, 112

Woche 3 24, 16, 72, 74 48, 45, 78, 86 82, 56, 52, 137 94, 57, 41, 79 81, 58, 85, 142 93, 59, 53, 110 92, 60, 127, 128

Woche 4 24, 16, 80, 89 48, 45, 97, 115 82, 56, 69, 109 94, 57, 88, 132 81, 58, 73, 75 93, 59, 83, 141 92, 60, 133, 140

Es folgt eine spätere Bearbeitungs- bzw. Erweiterungstufe für alle Wochentage:

[14r ] [14r ] [14r ] [14r ] [14r ] [14r ] [14r ]

So Mo Di Mi Do Fr Sa

Woche 1 2 4 3 5 7 10 90

Woche 2 6 32 31 51 124 13 123

Woche 3 12 8 38 101 102 130 143

Woche 4 14 11 129 131 126 120 Gebet Manasse

Eine noch spätere Bearbeitungs- bzw. Erweiterungstufe, getrennt nach predigtfreien und Predigttagen: 285

286 287

288

Auf S. [5r ]–[12r ] sind diese Gruppen noch jeweils zusätzlich mit »1«, »2«, »3« und »4« numeriert (auf S. [9r ] und [10r ] fehlt allerdings nachlässigerweise die »3«). Antonia schreibt ».4.4.«, was nach dem Kontext aber sicher in »44« zu verbessern ist. Während die Leserichtung für die Zahlangaben in den anderen Figuren durchgängig offenbar die gewöhnliche ist (dafür spricht vor allem der Vergleich mit der Leserichtung der Zahlangaben auf S. [15r ], die auf S. [5r ], [8r ], [10r ] und [12r ] ergänzt wurden), gibt es beim Donnerstag einen auffälligen Wechsel: Die Angaben zur 1. und 3. Woche auf der rechten Seite der Figur geschehen in Rechts-Links-Richtung, wie im Hebräischen üblich; die Ergänzung der Zahlangaben gemäß S. [15r ] paßt sich dem an. Dafür von Antonia gestrichen .43.

95

2.1 Antonias Gebetbuch

[15r ] und [6r ] [15r ] und [8r ] [15r ] und [10r ] [15r ] und [12r ]

Mo Di Do Sa

Woche 1 18, 34 9, 30 66, 95 33, 65

Woche 2 96, 98 76, 103 118, 135 67, 104

Woche 3 99, 100 106, 107 148, 149 105, 108

Woche 4 145, 147 113, 116 136, 146 114, 144

Die Figur für die Predigttage auf S. [16r ]289 bietet besondere Schwierigkeiten. Auf der von Antonia gewählten Figur, dem Schal, finden sich in einer ersten Reihe Tagessymbole in einer merkwürdigen Reihung: So, Mi, Mi, Fr, Mi, Mi, Mi und, die Reihe abschließend, die Abkürzung »WG.« Jeweils unter den einzelnen Posten dieser ersten Reihe stehen in einer zweiten acht Zahlangaben, deren erste Hälfte mit Tilgungszeichen versehen ist: »19, 42, 46, 48, 84, 122, 138, 134«. Hinter dem 3. und dem 5. Posten sind zwei weitere Angaben unter der Zeile eingeschoben, einmal das Symbol für Mi, darunter »47« und zum anderen Fr mit »87«. Folgt man der von Antonia unter der Figur gegebenen Erläuterung (»Vierhen psalm. auff Alle predigtag alls. Sonntag. Mittwoch. Freitag zue sprechen.«), bleiben abzüglich der gestrichenen Zahlangaben für die Predigttage die vier Psalmen 47, 84, 122 und 138. Im Sinne dieser Erläuterung scheint nun auch die Zuordnung zu drei verschiedenen Tagen (So, Mi, Fr) nach der Streichung nicht mehr von Belang. Die vier Psalmen sollen also offenbar unterschiedslos So, Mi und Fr gebetet werden. Was aber meint »WG.«? Wann bzw. wie oft soll Ps 134 gebetet werden? Ist ein »Wochengebet« gemeint, das vielleicht jede Woche einmal zu beten wäre? Bis auf weiteres läßt sich das nicht wahrscheinlich machen. Was die Zahlangaben anbelangt, fällt jedenfalls auf, daß Antonia sorgfältig darauf geachtet hat, keinen Psalm zweimal anzuführen. Entsprechende, irrtümlich unterlaufene Doppelungen werden von ihr konsequent getilgt.290 Wie oben angemerkt, könnte man nach den Beobachtungen zu S. [15r ] erwarten, auch die vier Psalmen von S. [16r ] innerhalb des Kernplans nachgetragen zu finden (für So, Mi, Fr auf S. [5r ], [9r ], [11r ]). Antonia unterließ es aus unbekannten Gründen.291 Ob die Konzeption für die Predigttage auf S. [16r ] zeitgleich mit 289

290

291

Die Predigttage sind – nach der unter die Figur gesetzten Erläuterung Antonias – So, Mi, Fr. Vgl. die von Herzog Christoph erlassene Hofkirchenordnung von 1560 (Kirchenordnungen, 2004, S. 426–428, 426; dazu auch die editor. Einleitung, S. 62f.): »Alle Sonn- unnd feyrtag solle man zway mal Predigen, nemlich morgens und zu der Vesper. Am Montag, Mittwoch und Donnerstag soll man auch Predigen [...]. Freyttags soll man auch predigen, Letani und gemain gebeth haltten.« Siehe dazu auch Müller, 1927, passim. Siehe auf der vorliegendem Seite die gestrichene »48«: Auf S. [6r ] ist »48« dem Montag zugeordnet. Davon zu unterschieden ist natürlich die bewußte, allwöchentliche Wiederholung jeweils zweier Psalmen nach dem Kernplan auf S. [5r ]–[12r ]. Auch die Zahlangaben von S. [14r ] werden auf S. [5r ]–[12r ] nicht nachgetragen; s. dazu unten.

96

2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

der für die predigtfreien Tage S. [15r ] oder erst später Gestalt gewonnen hat, ist ebenfalls ungewiß. Daß die Korrekturspuren auf S. [16r ] für mehrere Anläufe sprechen, macht die Entscheidung dabei nicht leichter. Die bisherige Analyse spricht jedenfalls dafür, daß wir es auf S. [5r ] bis [16r ] mit einem, in sich homogenen Plan zu tun haben und nicht mit mehreren, mehr oder weniger dissonanten Entwürfen. Zwischen den Zahlangaben auf S. [5r ] bis [16r ] gibt es keine Dissonanzen. Man kann die einzelnen Seiten sukzessive als Teile bzw. Erweiterungen ein und desselben Planes lesen, der in mehreren Phasen ausgearbeitet wurde, wie zumal der Konnex zwischen S. [15r ] und den S. [6r ], [8r ], [10r ] und [12r ] zeigt (eine offensichtlich sekundäre Anreicherung der S. [6r ], [8r ], [10r ] und [12r ] mittels der S. [15r ] konzipierten Psalmenauswahl). In Antonias Plan fehlen die Ps 1, 15, 19, 23, 42, 43, 46, 87, 91, 111, 117, 121, 125, 139 und 150, also fünfzehn Psalmen des biblischen Psalters, stellt man Ps 119 wegen S. [4v ] nicht in Rechnung. Dabei ist zu betonen, daß S. [4v ] nicht zwingend zu jenem Plan gehören muß, der eben für S. [5r ] bis [16r ] in seiner wahrscheinlichsten Genese dargelegt worden ist. Wir wissen also nicht gewiß, ob S. [4v ] mit Ps 119 eine von S. [5r ] bis [16r ] unabhängige, zuvor oder hernach in das Heft eingetragene Konzeption darstellt. Allein daß Ps 119 nirgends innerhalb von S. [5r ] bis [16r ] auftaucht, spricht für eine kumulierende Deutung, in der Ps 119 möglicherweise sogar am Anfang stand (und darum auch in Antonias Heft an erster Stelle steht?). Die für S. [4v ] geltenden Vorbehalte gelten mit Abstrichen auch für S. [14r ]. Man kann S. [14r ] als eigenständige Konzeption verstehen. Die Kontextstellung (zwischen S. [5r ] –[12r ] und S. [15r ] –[16r ]) begünstigt eine kumulative Deutung hier aber noch mehr als bei S. [4v ]. Hier sei nun ein Überblick gegeben: [4v ] [5r ]–[12r ]

[14r ] [15r ] [16r ]

an jedem Tag jeder Woche jeweils eine besondere Versgruppe aus Ps 119 an jedem Tag jeweils 4 Ps, davon zwei von Woche zu Woche variierend, zwei gleichbleibend; jeder Tag ist thematisch auf eine besondere Figur und eine Sefira/mehrere Sefirot bezogen an jedem Tag jeweils 1 weiterer Ps, von Woche zu Woche variierend an predigtfreien Tagen jeweils 2 weitere Ps, von Woche zu Woche variierend an allen Predigttagen jeweils 4 weitere Ps; zusätzlich wohl Ps 134 (wann und wie oft?)

Demnach wäre Antonia in mehreren Etappen zu einem Psalmengebetsplan gekommen, der zwar nicht den gesamten biblischen Psalter beinhaltet, aber einer solchen Konzeption (Vollpsalter) beachtlich nahekommt. Es fällt auf, daß unter den fehlenden Psalmen sich so allseits beliebte wie etwa Ps 1, 19, 23, 42, 46 und 91 finden, ihr Fehlen mithin wohl keine Ursache in mangelnder Wertschätzung oder theologischen Vorbehalten haben dürfte. Ihr Fehlen deutet wohl eher umgekehrt auf eine Wertschätzung hin, welche diesen Psalmen auch außerhalb

2.1 Antonias Gebetbuch

97

eines Gebetsplanes eine ausreichende Präsenz in Antonias Praxis pietatis sicherte.292 Die Frage nach dem Grund für das Fehlen einiger Psalmen leitet über zur Frage nach den inneren Gründen für die Auswahl und Verteilung der Psalmen auf die einzelnen Wochentage, wie auch die Entscheidung, einige Psalmen jede Woche zu wiederholen. Primäre Absicht Antonias ist anscheinend nicht gewesen, ihrem Plan in einer letzten Ausbaustufe unbedingt alle Psalmen des biblischen Psalters einzuverleiben. Antonias Grundkonzeption war offenbar vielmehr, jedem Wochentag eine besondere thematische Zentrierung zu geben. In diese Richtung weisen die variierenden Figuren und die unterschiedlichen hebräischen Stichworte, welche offensichtlich die kabbalistischen Sefirot für jeden Tag in besonderer Weise ins Spiel bringen sollen. Dazu gleich mehr. Für eine sekundäre Absicht Antonias, möglichst viele Psalmen aufzunehmen, sprechen die Beobachtungen zur Genese ihres Plans, umfaßt er doch in seiner letzten bekannten Ausbaustufe neunzig Prozent der im biblischen Psalter versammelten Psalmen. Je mehr nun eine solche sekundäre Absicht die Auswahl und Verteilung einzelner Psalmen motiviert, um so eher ist natürlich mit einem tendenziellen Zurücktreten der primär beabsichtigen, thematischen Zentrierung zu rechnen. Wer Masse will, muß Klasse opfern. Da zudem jeder Psalm und jeder Einzelvers aus seiner Entstehungs- und Wirkungsgeschichte bereits ein komplexes Eigenleben mitbringt und so jeder neu eingeführten thematischen Zentrierung Grenzen setzt, war Antonia sicher von Anfang an zu Kompromissen gezwungen. Entsprechend konnte sich so schon ihre primäre Absicht, jedem Wochentag einen besonderen Charakter zu geben, in der Psalmenauswahl wohl nicht durchgängig und gleichmäßig ausprägen. Man hat also bei der Frage nach den Motiven für die konkrete Auswahl eines Psalms mit einer Gemengelage von Motiven zu rechnen, die sich schwerlich überall wird befriedigend aufklären lassen. Die vorliegende Untersuchung wird sich in ihrem letzten Teil auf die konkrete Gestalt der Figuren sowie die hebräischen Sefirotbezeichnungen konzentrieren und dann exemplarisch versuchen, für S. [5r ] (So) und [6r ] (Mo) gut erkennbare Motive herauszuarbeiten. Die folgende Übersicht verzeichnet sämtliche hebräischen Stichworte, mit wel292

Zur allgemeinen Beliebtheit bestimmter Psalmen in Regionen lutherischen Bekenntnisses siehe für Mitteldeutschland die Untersuchung von Albrecht-Birkner, 1998, S. 362f.: »Das Gesamtbild [...] ist erstaunlich einheitlich. Mit Abstand am häufigsten werden die Psalmen 6 und 23 erwähnt. Ihnen folgt Psalm 1 und als dritte Gruppe die Psalmen 2, 3 und 91. In der Häufigkeit schließen sich die Psalmen 4, 13, 15, 22, 24, 25, 46, 51 und 130 an.« Diese Auflistung weist auffällig viele Übereinstimmungen mit der Liste fehlender Psalmen in Antonias Plan auf. Zur besonderen Rolle der Psalmen in deutscher Vertonung am Stuttgarter Hof und der Rolle des Kapellmeisters Sigmund Hemmel für die Hofkirchenordnung von 1560 s. Kirchenordnungen, 2004, S. 62f.; s. jetzt auch Kümmerle, 2008, S. 180–182.

98

2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

chen Antonia den einzelnen Wochentagen einen je besonderen Charakter gibt. Auffälligerweise bietet Antonia nicht einen der zeitgenössisch üblichen Kataloge von Sefirotbezeichnungen in Anlehnung an 1 Chr 29,11,293 die sie sehr wohl kannte und zu anderer Gelegenheit auch in deutscher Übersetzung eingesetzt hat.294 Auch daß die 5. und 9. Sefira offenbar gänzlich fehlen, weist auf eine bewußte Auswahl hin.295 Durchgängig handelt es sich um Stichworte, die auch Antonias Lehrer, Jakob Strölin, in seinen Sefirot-Exzerpten katalogisiert hat. Strölin schöpfte seinerseits aus den einschlägigen Darstellungen zur Kabbala bei Johann Reuchlin, Paulus Ritius und Agrippa von Nettesheim.296

[5r ]

So

Figuren Dreieck

[6r ]

Mo

Davidsstern

293

294

295

296 297 298

299

300 301

Figurenbeschriftung !‫ה¸א‬297 Er298 (1. Sefira); !‫אֶמֶת‬299 Wahrheit (1. Sefira); !‫ אָב‬Vater (1. Sefira); !Nֵ‫ ּב‬Sohn (2. Sefira); !‫רּוח‬300 Geist (3. Sefira); !Nֵ‫ אָמ‬Amen (2. Sefira) !‫ק‬ !‫ ק! ק‬Dreimal Heilig (!‫ ;קָדֹוׁש‬Jes 6,3; Anspielung auf Sefira 1.– 3.?); !‫חֶסֶד‬301 Gnade, Huld (4. Sefira); !‫ֹה‬³‫יžהו‬ Jehova (Tetragramm) u. !‫ תפארת‬Schönheit (6. Sefira);

Siehe dazu Betz, 2013, S. 20–26; ferner Schmidt-Biggemann, 2012, S. 18f.; Roland Goetschel / Otto Betz: Art. »Kabbala I/II«. In: TRE 17 (1988), 487–509, bes. 496. Neben der Anm. 224 genannten zeitgenössischen Literatur s. den Artikel »Sephiroth«. In: Zedler, Bd. 37, S. 255–259. Siehe die offenbar als Aufreihung von Neujahrswünschen für Eberhard III. (?) ausgestalteten deutschen Sefirotbäume in WLB Cod. or. fol. 4, S. [4v ] (datiert 1657) und [5v ] (datiert 1659); dazu hier S. 363, ferner 123. Es fehlen bei Antonia ferner die üblichen Hauptschlagworte zur Charakterisierung weiterer Sefirot, nämlich 1. !‫( כתר‬Krone); 2. !‫( חכמה‬Weisheit); 7. !‫( נצח‬Sieg); 8. !‫( הוד‬Lob). Siehe die Stichworte in Strölins Kurzen Erklärungen, hier S. 321; dazu S. 108. Korrekt wäre !‫הּוא‬. Zu Antonias hebräischen Schnitzern s. oben die Anm. 274. In der kabbalistischen Exegese des AT ist !‫ הּוא‬ein Gottesname. Siehe dazu neben Strölins Kurzen Erklärungen (s. hier S. 321) bes. Steudner, 1665, S. 281, zu Jes 42,8 als vorrangigem Fundort dieses Namens. Zu !‫ הּוא‬auf der Lehrtafel s. hier S. 132 u. 159. Korrekt wäre !‫אֱמֶת‬. Siehe dazu die Abhandlung, welche Johann Steudner einige Jahre später veröffentlichte. Siehe Steudner, 1665, S. 80: »Er [sc. Botril] zeigt auch mit demselbigen an/ in denen bald hernachfolgenden Worten [...] / daß das Zeichen und Siegel des wahrhafftigen Gottes des schöpfers der Welt/ oder Himmels und der Erden seye/ daß Hebreische Wort !‫אמת‬ so aus 3. Buchstaben/ und zwar nahmentlich dem ersten/ mitlen und letzten des Hebreischen Alphabet bestehet und die Wahrheit bedeutet (sintemal der dreyeinige GOtt/ welcher aller Dinge anfang/ mittel und ende/ ist die Wahrheit selber.« Zur !‫ אמת‬bei Strölin und auf der Lehrtafel s. hier S. 120, 127 u. 183. Korrekt wäre !‫ח‬²‫( רּו‬s. so auch hier auf S. [8r ]). Bevor Antonia !‫ חֶסֶד‬in das obere Feld der Figur plazierte, machte sie einen Ansatz, das Wort oben rechts in das große mittlere Feld zu schreiben. Siehe das ungetilgt stehengelassene »!‫( «חס‬das Samech ist dabei nicht einmal völlig ausgeschrieben).

99

2.1 Antonias Gebetbuch

[8r ]

Di

[9r ] Mi [10r ] Do [11r ] Fr

[12r ] Sa

siebenblättrige Blüte Herz siebenzackiger Stern aus sieben Quadraten gebildetes Kreuz aufgeschlagenes Buch

!‫ מַלְכּות‬Königreich (10. Sefira); !‫ ׁש‬das Schin in Jesu Namen302 ; !‫יה‬N‫ אנתו‬Antonia (über die Figur ähnlich verteilt wie auf S. [4v ]) !‫ח‬²‫ רּו‬Geist (3. Sefira); !‫ה‬É‫ ּבִי‬Verstand (3. Sefira) !‫ֹה‬³‫ יžהו‬HErr (6. Sefira); !‫ תפארת‬Schönheit (6. Sefira) !‫ֹה צְבָאֹות‬³‫ יžהו‬HErr der Heerscharen (7. Sefira) !‫ צְבָאֹות‬M‫ אֱל·הִי‬Gott der Heerscharen (8. Sefira)

!‫אָדֹנ®י‬303 Herr (1. und 10. Sefira); !‫ מַלְכּות‬Königreich (10. Sefira); !P‫סּו‬304 !N‫ אֵי‬ohne Ende/Grenze (1. Sefira); !‫סב‬305

Vielfach läßt sich ein engerer Konnex zwischen den Figuren und Antonias Sefirotinterpretation wahrscheinlich machen. Deutlich ist er beim Sonntag, wo Antonia die beliebte Deutung der drei obersten Sefirot auf die christliche Trinität zitiert.306 Dieser Deutung korrespondiert das Dreieck (Einheit in der Dreiheit).307 Dabei kommen die 1. und 2. Sefira noch mit je einem weiteren Stichwort zum Zug,308 während die 3. dann am Dienstag das Hauptthema bildet. Versteht man den Davidsstern beim Montag im Sinne zweier einander durchdringender Dreiecke, dürfte es sich um eine Anspielung auf die Inkarnation Christi handeln, womit nach Antonias Interpretation die 4. und 6. Sefira ihre Wirksamkeit entfalten. Dem Heiligen Geist, identifiziert mit der 3. Sefira, ist der Dienstag gewidmet. Vermutlich hat Antonia diesen Tag durch eine siebenblättrige Blüte gekennzeichnet, um auf die Vielfalt der sieben Geistesgaben309 anzuspielen. Der Mittwoch gehört ganz der 6. Sefira, die ja auch schon am Montag ins Spiel kam. Mit dem Herzsymbol weist Antonia auf einen prominenten Aspekt der 302 303 304 305

306 307 308 309

Siehe dazu hier weiter oben Anm. 274. Korrekt wäre !‫אֲדֹנ®י‬. Korrekt wäre !P‫סֹו‬. Vermutlich von Antonia als Abkürzung für !‫( סבת‬Schabbat, Samstag) gedacht. Korrekt wäre !‫שבת‬. Siehe dazu hier S. 118. Siehe etwa bei Valeriano, 1678, S. 494 (De Trino, cap. XXXIX; Trinitas rerum, cap. XL). Siehe in der oben gegebenen Übersicht »Wahrheit« und »Amen«. Siehe Jes 11,2–3a: »Auff welchem wird rugen [= ruhen] der Geist des HERRN / der Geist der weisheit vnd des verstands / der Geist des rats vnd der stercke / der Geist des erkentnis vnd der furcht des HERRN. Vnd sein Riechen wird sein in der furcht des HERRN.« Die Septuaginta und Vulgata geben das zweimal vorkommende »furcht des HERRN« je anders wieder (εὐσvεβεία, pietas und ϕόβος θεοῦ, timor Domini), womit eine Siebenzahl entstand, die auch in der frühneuzeitlichen lutherischen Theologie rezipiert wurde.

100

2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

6. Sefira hin, das liebende Erbarmen.310 Ein vergleichbar enger Konnex zwischen Figuren und Sefirot ist für Donnerstag bis Samstag bis auf weiteres nicht erkennbar.311 Das Kreuz beim Freitag erklärt sich natürlich nicht aus der Sefirotlehre, sondern ist Anspielung auf den Karfreitag.312 Wie bereits angedeutet muß für Antonias Psalmenauswahl mit verschiedenen Motiven gerechnet werden. Allein auf die kabbalistische Sefirotlehre zu schauen reicht höchstwahrscheinlich nicht. Nur einige solcher Motive können hier im Sinne eines Ausblicks auf unerforschtes Gelände abschließend für Sonntag und Montag betrachtet werden. Beim Sonntag zeigt eine erste Musterung, daß Ps 24, 44, 68, 72, 74 und 89 jeweils zumindest in einigen Versen Korrespondenzen zu den Stichworten aus der Sefirotlehre bieten. Auffällig sind daneben zwei weitere, von den Sefirot unabhängige Themen, die sich zwanglos aus Antonias Bemühen erklären lassen, den Sonntag als Tag des Kirchganges (Tempel!)313 und der Auferstehung gebührend herauszustellen: 310

311

312

313

Zur Amor und Charitas thematisierenden Herzsymbolik s. zeitgenössisch zumal Cramer, 1624a, S. 28f., Cramer, 1624b, S. 108f.; zur Rolle der Liebe auf der Lehrtafel s. hier S. 127 u. bes. 170, ferner den Vergleich S. 178, Anm. 189. Nach dem Referat bei Valeriano ist der Stern (s. Donnerstag) schon bei den alten Ägyptern ein Gottessymbol. Siehe Valeriano, 1678, S. 561 (De Stella, cap. XXIV; Universi Deus, cap. XXV): »Cum igitur per Stellas potissimum in Dei ipsius cognitionem pervenissent, ipsius universi Deum, per signum idem ipsum, quo rem deprehenderant, significare instituerunt.« Das paßt natürlich zur Herausstellung des stets siegreichen HErrn der Heerscharen (!‫ֹה צְבָאֹות‬³‫)יžהו‬, der in der Sefirotlehre der 7. Sefira zugeordnet ist. Daß Antonia mit ihrem siebenzackigen Stern genau dies assoziierte, ist bis auf weiteres nur eine Vermutung. Will das Buch beim Samstag auf die geistliche Lektüre eines Andachtsbuches, der Bibel, der Tora oder speziell des Psalters anspielen? Zur Affinität zum Psalter als »kleine[r] Biblia« s. Bader, 2009, S. 20–25. Einige Aspekte von Antonias thematischer Behandlung von Sonntag bis Dienstag sowie Freitag (Gott, Christus, Hl. Geist; Karfreitag) erinnern an die Anfänge einer thematischen Unterscheidung der Wochentage in der protestantischen Gebetsliteratur bei Johann Habermann. Siehe Koch, 2001, S. 197f.: »[...] schwierig war offensichtlich die Zuordnung bestimmter Gebetsthemen zu den einzelnen Tagen, so daß sich eine Ordnung der Gebete für die ganze Woche ergibt. Daß am Sonntag Bezug auf den Gottesdienst [...] zu nehmen ist, und daß am Freitag das Sterben Christi und am Samstag das Lebensende zu bedenken ist, war wohl unproblematisch. Für die ersten drei Tage der Woche [...] wird als erstes Kernwort und als Thema der Danksagung jeweils eines der drei Werke Gottes nach Luthers Auslegungen der drei Glaubensartikel im Kleinen Katechismus genannt: also Schöpfung, Erlösung und Heiligung. Gerichtet ist diese Danksagung am Sonntag an Gott, am Montag an Christus und am Dienstag an den Hl. Geist. Diesen Danksagungen ist als erstes Bittgebet ein Gebet um den Anfang und Grund des Christseins, d. i. um Sündenvergebung, zugeordnet und in den folgenden Tagen sind es die drei christlichen Tugenden Glaube, Hoffnung, Liebe. – Offen aber blieben so der Mittwoch und der Donnerstag. Als erstes Kernwort und als Thema der Danksagung findet sich für Mittwoch die ›Erkenntnis Christi‹ und für Donnerstag die ›leibliche Erhaltung‹ [...].« Siehe so auch bei Habermann (Koch, 2001, ebd.).

101

2.1 Antonias Gebetbuch

Sefirot

Weitere Themen

[5r ] So Er (1. Sefira) Tempel [Gott als König314 ] Auferstehung315 [Gott als König] Tempel Vater (1. Sefira) Tempel [Gott als König] Er (1. Sefira) Amen (2. Sefira) Tempel [Gott als König] Amen (2. Sefira) Tempel Vater (1. Sefira) Amen (2. Sefira)

Korrespondierende Psalmenverse 24,2.10 24,3.7.9 24,8–10 16,5.10f. 44,5 63,3 68,6 68,6.25.30 68,25 68,36 72,19 74,7 74,12 74,19 80,2 89,27 89,53

Für den Montag ist, wie gezeigt, offenbar die Inkarnation Christi das Generalthema,316 das sich in einer christlichen Deutung der Sefirotlehre nur durch Kombination mehrerer Sefirot angemessen reflektieren läßt, der Inkarnation nämlich als Erweis göttlicher Huld (4. Sefira) mit der Folge der Herabkunft und Einwohnung des Messias/Christus im Gottesvolk (10. Sefira), wobei der Messias/Christus zugleich Gottes Schönheit repräsentiert (6. Sefira), was sich besonders im Fall von Ps 45 zwanglos mit dem Motiv des schönen Bräutigams verbindet, das Antonia bestens vertraut war aus der brautmystischen Auslegung des Hohenlieds.317 Antonia versäumt es ferner nicht, die beliebte Namensspekulation beizufügen, derzufolge der Name Jesu durch den Buchstaben !‫( ׁש‬Schin) 314

315

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317

In der Sefirotlehre ist vom Königtum Gottes u. a. anläßlich der 1. Sefira die Rede zumal in Form des üblichen und Antonia sicher bekannten Hauptstichwortes zur Kennzeichnung dieser Sefira, der »Krone« (!‫)כתר‬. Ein alleiniger Bezug zur 1. Sefira ist insofern nicht angebracht, als gemäß der christlich-trinitarischen Gotteslehre das Königtum allen göttlichen Personen zukommt, mithin der 1. bis 3. Sefira. Das wird auf Antonias Lehrtafel dadurch ausgedrückt, daß allen drei oberen Sefirot eine Krone beigegeben wird, verbunden mit einer goldenen Kette, um die Unteilbarkeit der Herrschaft auszudrücken. In Strölins vorwiegend lateinischen Kurzen Erklärung findet sich bei der 2. Sefira das Stichwort »terra viventium« (vgl. Ps 27,13; 142,5; Jes 38,11; 53,8; Jer 11,19; Ez 26,20). Siehe hier S. 322. Im vorliegenden Kontext gibt es aber keinen Anhaltspunkt für dessen Assoziation. Der Bezug zum Sonntag als Auferstehungstag reicht zur Erklärung hin. Ordnet man die Inkarnation dem theologischen Oberthema ›Erlösung‹ zu, ergibt sich so noch einmal eine Übereinstimmung mit der Behandlung des Montags bei Habermann. Siehe oben Anm. 312. Siehe Steudner, 1665, S. [119]: »item ist auch nach deß Heiligen Geistes-Wirckung und Offenbarung der Sohn Gottes / Tipheret, Jehovah, der Herr der Herrligkeit / die Schönheit an

102

2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

den allerheiligsten Gottesnamen (das Tetragramm) »öffnet«.318 Nicht auszuschließen ist, daß sie mit dem Hinweis auf das »Dreimal Heilig« die Absicht verfolgte, auch die drei oberen Sefirot ins Spiel zu bringen, um der je besonderen Rolle zu gedenken, die Vater, Sohn und Geist bei der Inkarnation bzw. der Erlösung zufallen (s. das Stichwort Gott als König): Sefirot [6r ] Mo

Weitere Themen Zion

Jehova (6. Sefira) Gnade, Huld (4. Sefira) Der König als Bräutigam319 Schönheit (6. Sefira) Jehova (6. Sefira) [Gott als König320 ] [!‫אַּתָה‬321 Du (6. Sefira)] Jehova (6. Sefira) Jehova (6. Sefira) Zion [!‫אָנֹכִי‬322 Ich (10. Sefira)]

318 319

320 321 322

Korrespondierende Psalmenverse 48 passim 48,9 48,10 45 passim 45,3 29,3.–5.7–11 29,10 40,10.12.18 40,2.5f.10.12.14.17 50,1 50,2 50,7

seinen Ort kommen / also daß das Haus seiner Aufnehmung daß Malchut und Reich mit und bey ihm ist / nach dem er seine ewige Gottheit mit der angenommenen Menschlichen Natur persönlich vermählet und vereiniget.« Zum Kontext bei Steudner s. hier S. 91. Zur Brautmystik überhaupt s. hier S. 2 mit weiteren Verweisen; zur Schönheit Christi s. etwa Arndt, 1621, Fünfte Classis, Nr. 11, S. 533–537, 535: »Du bist der schönste Bräutigam zwar/ Viel schöner denn die Sonne klar«; s. a. Gerhard, 2000, Bd. 1, S. 65: »Quicquid amamus, id vel propter potentiam, vel propter sapientiam, vel propter pulcritudinem amamus: quid verò DEO potentius, quid DEO sapientius, quid DEO pulcrius? [...] DEUS per omnem illam creaturarum pulcritudinem nos ad se vocare, ad sui amorem excitare voluit, quare ergo anima nostra, quam sponsus Christus expetit, creaturis velut internuncijs huius spiritualis coniugij adhaeret?«; s. a. Angelus Silesius Heilige Seelenlust, III,79,1 (Scheffler, 1952, Bd. 2, S. 149f., 149): »Zeige mir dein Angesicht,/ Schönster Nazarener,/ Weil mir deiner Augen Licht/ Lieber ist und schöner/ Als der Maienschein/ Und der Himmel selbst mag sein.« Siehe a. die ausführliche Kontrastierung zu Frauenschönheit ebd., Bd. 1, S. 302–304 (Vorwort zur Heiligen Seelenlust). Zu einer ähnlichen inkarnationstheologischen Verbindung mehrerer Sefirot auf der Lehrtafel s. hier S. 175. Siehe dazu Anm. 274. Christologisch-brautmystisch (s. Anm. 117 und 294) ist der gesamte Psalm auf Jesus Christus deutbar und von Antonia höchstwahrscheinlich auch so verstanden worden. Was sie nicht explizit macht, vielleicht aber wußte, ist, daß in der Sefirotlehre Israel als Braut der 10. Sefira zugeordnet wird. Siehe dazu Strölins vier Kurze Erklärungen zur 10. Sefira (hier S. 330). Siehe dazu oben die Anmerkung zum entsprechenden Eintrag beim Sonntag. Das ist der üblicherweise der 6. Sefira zugeordnete kabbalistische Gottesname. Das ist der üblicherweise der 10. Sefira zugeordnete kabbalistische Gottesname.

103

2.1 Antonias Gebetbuch Gnade, Huld (4. Sefira) [!‫ אַּתָה‬Du (6. Sefira)] Jehova (6. Sefira) Zion Jehova (6. Sefira) [!‫ אַּתָה‬Du (6. Sefira)] Gnade, Huld (4. Sefira) [Gott als König] Jehova (6. Sefira) Zion [!‫ אַּתָה‬Du (6. Sefira)] Jehova (6. Sefira) [Segen (10. Sefira)323 ]

77,9 77,15 78,4.21 78,68 86,1.6.11.17 86,2.5.10.17 86,5.15 97,1 97,1.5.8–10 97,8 97,9 115,1.11–14 115,12–15

Die Analyse des Montags zeigt, wie eine umfassendere Untersuchung leicht dahin drängt, mehr als jene Stichworte zu berücksichtigen, mit denen Antonia die Sefirotlehre in ihrer Figur explizit macht. Die Gefahr unkontrollierbarer Spekulationen ist dabei nur zu bannen, wenn sich die Untersuchung streng an den Rahmen dessen hält, was anderweitig über die Kabbalastudien Antonias und ihres Umfeldes zweifelsfrei bekannt ist.324

2.1.9 Psalmengebetspläne in der frühneuzeitlichen Laienfrömmigkeit Von den kabbalistischen Ingredienzien abgesehen steht Antonia mit ihrem Andachtsplan in einer längeren Tradition christlicher Praxis pietatis. Die Geschichte einer variierenden Verteilung von Gebeten auf die sieben Wochentage läßt sich mindestens bis zum frühen Mittelalter zurückverfolgen.325 Fragt man speziell nach solchen Andachtsplänen unter Laien, bietet sich wieder ein Vergleich mit Konrad Heresbach an. Auch er gibt jedem Wochentag einen thematischen Schwerpunkt und ordnet jedem Tag bestimmte Psalmen zu.326 Dies ge323

324

325 326

Der Segen Gottes wird der 10. Sefira zugeordnet. Siehe dazu Strölins vier Kurze Erklärungen zur 10. Sefira (hier S. 330). Eine umfassendere Untersuchung der Motive von Antonias Psalmenauswahl sollte u. a. auch prüfen, ob Antonias originelles Konzept in irgendeiner Weise von der kabbalistischen Gebetstheologie Julius Sperbers (ca. 1540–1616) beeinflußt gewesen ist (s. Sperber, 1600). Sperber war zumindest Strölin aus seiner Alsted-Lektüre bekannt. Siehe dazu hier S. 117. Siehe Koch, 2001, S. 188–200. Zum monastischen Wochenpsalter s. Bader, 2009, S. 268f. Siehe Heresbach, 1592, S. 357: »FORMVLAE PRECANDI CVM SVIS RESPONdentibus Psalmis, post precationem Eothinam vsurpandae, singulis per hebdomadem diebus accommodatae«; S. 357: »Dominica vel prima die, quae vulgo Solis dicitur, post Eothinam precationem dicenda oratio. Venite, exultemus Domino, Ps. 95. item Ps. 6. 19. 25. 51. 92. 130. 143«; S. 360: »SECVNDA HEBDOMADIS DIE, QVAE VVLGO dicitur Lunae, post Eothinam legantur Psal. 33 89. 103. 104. Ad vesp. 114. 118. 136. 137«; S. 361: »TERTIA HEBDOMADIS DIE, QVAE VVLGO dicitur Martis, praeter Eothinam precationem, legan-

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2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

schieht im Rahmen eines Andachtsformulars, das neben einem alle Tage gleichbleibenden Morgengebet (precatio eothina) den einzelnen Wochentagen thematisch distinkte Tagesgebete beigibt, jeweils eingeleitet von einem biblischen Leitvers und gefolgt vom Vaterunser.327 Versteht man das vorliegende Heft Antonias als Ganzheit, enthält es ebenfalls sowohl Vorlagen für gleichbleibende wie für wechselnde Gebete. Sie lassen sich Tag für Tag zu Andachtsformularen verbinden, in denen Wiederholung und Variation als Gestaltungsprinzipien mehr oder weniger komplementär dem Zweck dienen können, private Praxis pietatis zu intensivieren. Einige weitere Beispiele seien genannt: Der Württemberger Melchior Jäger von Gärtringen (1544–1611)328 verleiht seinem Gebetsplan vor allem dadurch thematische Orientierungen, daß er jedem Wochentag eine der sieben Bitten des Vaterunsers zuordnet.329 Nicht aus biblischen Psalmen, sondern weit-

327

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tur Psalmi 48. 84. 87. et si placet, etiam 9. 10. 70 74 79. 80. 83. 94. cum sequenti oratione pro Ecclesiae conseruatione et concordia, atque contra aduersariorum insidias et molimina«; S. 363: »DIE QVARTA HEBDOMADIS, QVAE VVLGO dicitur Mercurij, pro Magistratibus. Post Eothinam orationem legantur ex his Psalmis aliqui. Psal. 20. 21. 61. 72. 82. 85. 101. Vespere 112. 127. 128. 133. 144«; S. 366: »DIE QVINTA, QVAE VVLGO IOVIS DICITVR praeter Eothinam orationem, legantur Psal. 39. 90. et 139.« (Thematischer Schwerpunkt dieses Gebets ist Gott als Arzt und Heiland.); S. 367: »DIE SEXTA, QVAE VVLGO VENERIS DICITVR praeter Eothinam legantur Psalmi 13. 22. 56. 57. 69 109. Esa. 53. Item Lactantij carmen in memoriam supplicij Christi seruatoris«; S. 368: »DIE SEPTIMA QVAE VVLGO SATVRNI DIcitur de sepultura, resurrectione, et regno Christi. Legantur Psal. 2. 3. 16. 18. 25. 45. 68. 88. 100. 139.« Zur Themenzentrierung bei einem professionellen Erbauungsschriftsteller s. Anm. 312. Siehe ebd. die Vorrede an den Leser a. E. (datiert auf den 1.12.1588): »nos igitur qui praecipue precanda per dies hebdomadarios distinguere soliti, exordium a poenitentia sumpsimus, a qua et Christus et Baptista suam precationem exorsi, eamque dominicae et primae hebdomadis diei tribuimus, quam vulgus quoque hinc reconciliationis diem vocat Sontag. Secundae diei implorationem misericordiae Dei per fidem in Mediatorem. Tertiae diei pro Ecclesiae conseruatione. Quartae pro Republica et Magistratibus, et sic reliquis diebus suas orationes tribuimus. [...]. Coronidis vice singulis precationibus adijcienda oratio dominica, quae omnium rerum precandarum Epitome a Cypriano recte appellatur.« Jäger, 1601. Das Werk ist aber einige Jahre älter (Datierung der Vorrede auf 1588). Es wurde von Andreas Osiander ins Lateinische übersetzt und erschien unter dem Titel: Precationes et meditationes piae ex psalmis biblicis fideliter collectae. Tübingen: Gruppenbach, 1592 (VD 16 J 157). Eine weitere Auflage erschien posthum 1614. Zum Autor vgl. Pfeilsticker, 1957, § 1119 und 1732. In Neuffen geboren wurde er württembergischer Staatsbediensteter (Kammersekretär ab 1566; geh. Ratssekretär 1568; Kammersekretär an der Hofkanzlei 1581, ebenda Geheimer edler Rat ab 1586) und 1582 in den Reichsadelsstand erhoben. Zu den Motiven und der Konzeption s. ebd. (Jäger, 1601) die Vorrede: Zwar gebe es viele Gebetbücher, doch sei der Psalter ein »[9r ] rechter Hortulus animae, oder Seelen Lustgarten / darinnen gleich die gantze Heilige Schrifft in eine Summa zusammen gezogen / vnnd darin man lernet Gott vertrawen [...] [9v ] Darauß zuerkennen / welcher je vnnd allwegen an statt anderer kurtzweiliger Bücher / mein lustiger Weggeferdt oder Reißgesell gewesen

2.1 Antonias Gebetbuch

105

gehend modernen Liedkompositionen besteht der jüngst erforschte Andachtsplan, welcher im Nachlaß von Aemilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt überdauert hat. Aemilie schuf sich »eine Art privates Stundenbuch«, das drei Andachtszeiten täglich vorsah. Nach einem vorgegebenen Plan verteilte Aemilie einen Gesamtbestand von sechsundachtzig Liedern dergestalt auf die Andachtszeiten, »dass sie innerhalb von vier Wochen die Sammlung durchgesungen bzw. gebetet hatte.«330 Auch bei Aemilie lassen sich jedenfalls Ansätze thematischer Orientierungen für die einzelnen Wochentage feststellen, wobei das Nähere noch genauer zu erforschen wäre. Was bei Melchior Jäger von Gärtringen und Aemilie deutlich ausgesprochen ist, nämlich eine Aufteilung auf

330

/ vnd noch. Derowegen ich auch euch meinen lieben Kindern solchen von Jugent auff wol eingebildet / vnnd ich mich dann seinem Exempel nach / erinnert [Ps 71 i.m.]: HERR / laß meinen Mund deines Rhums vnnd Preises voll sein Täglich. Mein Mund soll verkündigen deine Gerechtigkeit / täglich dein Heil / die ich nicht alle zelen kan / Auch dichtet meine Zunge täglich von deiner Gerechtigkeit. So habe ich mit meinen Gedancken auch in das gemein dienen / vnd euch als meinem hertz=[10r ]liebsten von GOtt beschertem Eheweib / vnnd Kindern / solch herrlich güldin Kleinodt deß Psalters / zum besten befehlen / vnd zu mehrer Anmanung vnd fleissiger betrachtung desselben / darauß ettliche Gebett / wie solche einem jeden Christen täglich von nöten / begreifen / vnnd fast durchauß allein deß hocherleuchteten Propheten / oder viel mehr deß H. Geistes Wort / ohne ettlichen wenigen Zusatz / so vmb mehrer verständtnus willen geschehen / gebrauchen: [...].« [11r ] »Wie aber nuhn vnser lieber HErr Christus die Form deß Gebetts / so er / als das Ewige Wort / so von anfang bey Gott ware / vns fürgeschrieben / in Siben vnterschidlichen Bitten / vnnd zugleich wie die Erschaffung der gantzen Welt von Gott dem HErrn in eine Wochen / vnnd in derselben Siben Tage außgetheilet: Also seind auch dise auß dem Psalmen ge=[11v ]zogene Gebett / Nach anleitung der Siben Bitten im Vatter vnser / vnd auff die Siben Tage in der Wochen / vnd auff jeden Tag ettliche vnterschidliche zu Morgens / vnd auff den Abend je nach eines Anligen vnd Gelegenheit / von mir angestellet. Vnd wie man die Wochen mit dem Montag anfahet / vnnd in der Ersten Bitt begeret / daß Gottes Name geheiliget werde: Also soll ein jeder Christ in gantzem seinem Leben alle ding / vnd alle seine Werck mit GOttes Forcht angreiffen / vnnd darjnnen fortfahren / wie vns abermals vnser lieber Herr Christus lehret vnnd gebeut: Suchet am Erstn das Reich Gottes / [12r ] vnd seine Gerechtigkeit / etc. Vnd der Hochweiseste König sagt [Salomon im sprüchbüchlein / Cap. 9. [Psal. III. i.m.]: Die Forcht des HErrn / ist ein Anfang der Weißheit. Dann [...] [I. Tim. 4. i.m.] die Gottseeligkeit zu allen dingen nutz vnnd fürständig / als die da Verheissung hat dises jetzigen / vnnd deß zukünfftigen Lebens. Der Vrsachen auff den Montag Morgens ich ettliche Gebett / vmb Gottesforcht vnnd Christliches Leben / etc. angesehen. [...] [22r ] Dise Gebete aber alle habe ich darumb auff meinen Kosten in Truck fertigen lassen / weil mich nicht allein ettliche vil / so euch Kinder dergleichen Sprüche und Gebete / in vnserm Haußwesen vor und nach Essens vor Tisch betten gehört / vmb derselben Abschrifft angesprochen / darmit ich es denselben desto leichtlicher mittheilen möchte: Sondern vnd fürnemlich auch / daß solche / gleich als ein Schatz vnd Pfandt der Liebe / bey euch [22v ] vnd ewern Nachkommen / vnd also meiner lieben Posteritet hinderlegt / vnd im Gebrauch bleiben vnd ihr vnd sie hiedurch ein vätterliche trewhertzige jmmerwehrende Anmanung zur Gottseeligkeit vnd fleissigem eyfferigem Gebett schöpfen vnnd haben.« Siehe Schuster, 2006, S. 95; den Plan selbst s. S. 204–206.

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2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

mehrere Horen täglich,331 kann man für Antonia zwar nicht ausschließen, die Menge der eingeplanten Gebetstexte legt eine solche Portionierung aber nicht zwingend nahe.332 Auch Heresbach verzichtet weitgehend auf eine durchgehende Horeneinteilung.333 Ein Gegenbeispiel: Der bekannte Feldherr Johann Tserclaes Tilly (1559–1632) fiel den Zeitgenossen durch seine intensive alltägliche Gebetspraxis auf. Er orientierte sich am priesterlichen Breviergebet, was neben einer Differenzierung nach Horen und Wochentagen die zusätzliche Berücksichtigung des Kirchenjahres inklusive des Festkalenders (mit seiner Fülle thematischer Orientierungen für Einzeltage oder auch -wochen) bedeutet haben dürfte.334 Wenn Antonia und Aemilie schließlich den Monat als privilegierten Zeitraum vorsehen, so erinnert dies im übrigen an den Monatspsalter des mittelalterlichen Vorbildern folgenden anglikanischen Book of Common Prayer und 331

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334

Melchior Jäger von Gärtringen und Aemilie folgen dabei der klassischen Dreizahl. Siehe Ps 55,18, worauf sich von Gärtringen in seiner Vorrede auch ausdrücklich beruft (S. [7r ]); Dan 6,10.13; Didache 8,3. Einen für alle Tage gleichbleibenden Morgen- und Abendsegen bietet Luthers Kleiner Katechismus (BSLK, S. 521f.; gefolgt von einem Formular für das Gebet vor der Mahlzeit, ebd., 522f.). Das Betbuch Christians I. (Christian, 1853) bietet für alle Wochentage je besondere Morgen- und Abendsegen an (S. 1–20), ferner vierundzwanzig weitere ad libitum ohne Wochentagsbindung (21–35). In dieser Tradition legt u. a. auch Heinrich Müller auf die Morgen- und Abendandacht besonderes Gewicht. Siehe dazu Scheitler, 1984, S. 146f. Nach Koch, 2001, S. 196f., sieht Habermann sogar acht Gebete täglich vor, wobei allerdings unklar bleibt, ob Habermann an acht disktinkte Gebetszeiten denkt, oder eine flexiblere Ausfüllung des mit Morgen- und Abendsegen institutionalisierten Rahmens vorsieht. Siehe die Analyse von Antonias Plan hier oben. Demnach hat Antonia pro Tag keinesfalls mehr als zehn Psalmen veranschlagt, in der Regel und zumal an predigtfreien Tagen eher einige weniger. Das sind noch keine Mengen, die die Annahme einer Horeneinteilung zwingend erfordern, im Gegensatz etwa zum Pensum, das man Georg von WürttembergMömpelgard (1626–1699) nachsagte. Siehe Jean-Marc Debard: Art. »Georg (II.)«. In: DHW, S. 183: »Obwohl Georg neben seiner Korrespondenz mit dem Pietisten Philipp Jacob Spener auch den Kontakt zu calvinistischen Theologen wie Pierre Du Moulin, Moyse Amyraut und John Durie hielt, blieb er ein überzeugter Lutheraner und nahm überhaupt seine religiösen Pflichten sehr ernst, teilweise auch in übersteigerter Art und Weise. So soll er täglich 60 Kapitel in der Bibel gelesen, 12 Gebete gesprochen und 12 Choräle gesungen haben.« Zu Georg s. a. Rompler, 1988, Nachwort, S. 58*f., 61*, 66*. Nur für einige Tage schlägt er neben einer Morgenandacht eine zusätzliche Abendacht vor. Siehe oben Anm. 326. Siehe Wassenberg, 1641, S. 258: »Summus militiae Dux, summae (quod rarum) pietatis et continentiae miles, quippe qui instar Africani Scipionis, pueros puellasque captivas, praecipue pulchritudinis, hostibus restituerit, ne in conspectum quidem passus adduci: ne quid de virginitatis integritate delibasse saltem vel oculis videretur. Qui horas quotidie ut sacerdos legerit, et praecipuas Provincias sanctitate prius, quam armis profligarit.« Siehe ferner Albert Gerhards: Art. »Stundengebet I«. In: TRE 32 (2001), 268–276; speziell zur Entwicklung der Horen- und Stundenbücher s. Koch, 2001, S. 7–11. Beispiele einer Berücksichtigung des Kirchenjahres s. a. bei Costard, 2011, bes. S. 258f., und Glassius, 1690, nach der Vorrede: »Zeiger wie der heilige Psalter täglich mit Nutz zu gebrauchen«.

2.1 Antonias Gebetbuch

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an die Ordnung, welche Ignatius von Loyola seinen Exerzitien zugrundelegte und bald auch Laien zur Intensivierung ihrer Gebetspraxis zugänglich gemacht wurde.335

2.1.10 Rückblick Die Analyse des vorliegenden Heftes gewährt bemerkenswerte Einblicke in Antonias private Gebetspraxis. Die einzelnen Texte lassen sich als Bestandteile eines Ganzen verstehen und könnten in dieser Form Antonia auch als Andachtsformular gedient haben. Der Grad der Ausarbeitung mit der gelegentlichen Unterscheidbarkeit mehrerer Planungs- bzw. Korrekturphasen sowie die erkennbaren Benutzerspuren gerade im Bereich der Tag für Tag gleichbleibenden Gebete sprechen für eine wirklich geübte Praxis über einen längeren Zeitraum hin. Strukturell und inhaltlich lassen sich beträchtliche Übereinstimmungen mit zeitgenössischen Gebets- und Andachtsformularen nachweisen. Für deren Nachweis wurden hier nach Möglichkeit Ausarbeitungen von Laien herangezogen, die sich oft nach Absicht und Machart von Veröffentlichungen professioneller Theologen und Erbauungsschriftsteller wenigstens graduell unterscheiden. Vielfach vorherrschende Gestaltungsprinzipien sind bei den Laien ein unbeschwertes Kompilieren, Nachempfinden und Anverwandeln ohne Anspruch auf Originalität, alles mit dem Ziel einer Intensivierung und Personalisierung der Praxis pietatis. Die Übereinstimmungen enden allerdings da, wo sich Antonias besonderes Interesse an Hebraistik und christlicher Kabbala geltend macht und eine spirituelle Dimension annimmt im Unterschied zu vielen Zeitgenossen, deren Interesse ein bloß intellektuelles oder auch apologetisch-missionarisches ist.336 Antonias Rezeption und Adaptation christlich-kabbalistischer Elemente läßt dabei keine bewußte Absicht erkennen, die angestammte lutherische Bekenntnisbindung zu lockern oder zu überspielen. Das gilt zumal, wenn man die einzelnen 335

336

Siehe Bader, 2009, S. 268f. Zu Ignatius s. Jos E. Vercruysse: Art. »Exerzitien I«. In: TRE 10 (1982), S. 698–703, 700: »Daß diese geistlichen Übungen ein in einen festen zeitlichen Rahmen gespanntes Ganzes mit eigener [...] Organisation darstellen, ist neu. Innerhalb von dreißig Tagen mit je fünf täglichen Gebetszeiten ist die erste Woche den Geheimnissen von Schöpfung, Sünde, Tod und Gericht gewidmet, und die drei weiteren gelten der Meditation der Geheimnisse des Lebens Christi [...].« Zu Adaptationen für Laien s. ebd., S. 701. Genannt sei Ignatius, 1645. Bemerkenswert ist diese deutsche Bearbeitung der Ignatianischen Exerzitien zumal durch einen verstetigenden Anhang täglicher, wöchentlicher und monatlicher Übungen (s. das Inhaltsverzeichnis) »denen zum vnderricht/ so nach vollendten Exercitijs ihrem Stand nach vollkommenlich leben wollen.« Siehe auch Paul Imhoff / Hugo Rahner: Art. »Exerzitien«. In: LThK, Bd. 3 (1995), S. 1106–1109, bes. 1108. Siehe dazu Gruhl, 2007a, bes. S. XXVII–XXXII.

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2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

Texte ihres Heftes als Bestandteile eines Ganzen versteht: Dann bildet die lutherische Theologie des Wortes sowohl in Antonias größerem Gebet wie auch in der Übersetzung und Deutung von Ps 119 gewissermaßen den tragenden Rahmen für tagesthematische, vorwiegend christlich-kabbalistische Orientierungen. Zu diesem Rahmen gehört auch die Sprache der Lutherbibel und Liturgie als vorherrschendes Vorstellungs- und Ausdrucksmedium. So kennzeichnet Antonias privates Gebetbuch schwerlich ein anderer Bibelvers besser als Ps 119,133, dessen erste Hälfte die Prinzessin in einem ihrer Gebete so paraphrasierte: »laß mein lebens lauff und gang gewiß sein in deinem wort«.337

2.2 Strölins Kabbala-Studien 2.2.1 Die vier Kurzen Erklärungen zu den Sefirot Die folgende Untersuchung schließt unmittelbar an die weiter oben gegebene Analyse von Oetingers Wiedergabe der deutschen Kurzen Erklärung Strölins an. Oetingers Herausgeber haben bereits erkannt, daß Oetingers Vorlage zu einer Vierergruppe Kurzer Erklärungen zu den Sefirot gehört und diese Vorlage ihrerseits nichts weiter ist als eine Übersetzung der kürzeren hebräischen Erklärung (abgesehen von Oetingers Zusätzen).338 Die genauere Analyse dieser Vierergruppe erlaubt es aber, noch weiter zu gehen und eine innere Entwicklung der gesamten Gruppe zu rekonstruieren, die ihren Ausgangspunkt in Strölins Rezeption entsprechender Texte bei Reuchlin und Agrippa von Nettesheim hat. Diese Entwicklung verläuft wahrscheinlich in zwei Phasen, hier künftig unterschieden als [A] und [B]. Im wesentlichen nur ein einfacher Übersetzungsvorgang aus dem Hebräischen ins Deutsche ist die Phase [B].339 Beispielsweise wird dabei aus !‫פֶׁש‬ª‫ נ‬in der kürzeren hebräischen Erklärung das ebenso kryptische »Die Seele« in Strölins deutscher Erklärung. !‫פֶׁש‬ª‫ נ‬seinerseits ist aber wohl nichts anderes als der zu einem Stichwort verkürzte Repräsentant von !‫ ׁש¬ל מׁש¬ה‬N‫ח מַטַטְרֹו‬²‫י‬¤‫פֶׁש הַּמָׁש‬ª‫ נ‬in der vorwiegend lateinischen Erklärung, die so ei337

338 339

Dieser Vers steht zweimal in Antonias Heft, auf S. [4v ] und S. [21r ], Nr. 24f.; s. oben Anm. 167. Er dient übrigens in einer zeitgenössischen Arndt-Ausgabe als eines der beiden Motti auf der Rückseite des Titelblatts. Siehe Arndt, 1653 (ebenso in der Auflage desselben Verlages von 1666). Zu Recht betont Vogler, 1998, S. 415, in seiner Charakteristik lutherischer Spiritualität den Einfluß der Lutherbibel. Das Beispiel Antonias deutet aber darauf hin, daß neben, wenn nicht gar vor aller Lektüre von Katechismen, Postillen, Bibelbüchern usw. das vielfache Hören der Liturgie prägend gewesen ist und Laien zur freien Formulierung eigener Gebete anregen und befähigen konnte. Siehe WLB Codex hist. fol. 551, S. 121–123, dazu hier S. 13 u. 321; zur Datierung S. 122ff. Siehe hier S. 321 unter [B], Z. 22f. u. 24-27, usw.

2.2 Strölins Kabbala-Studien

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ner vorangehenden Phase [A] angehören dürfte.340 Die unten gegebene Synopse zu den vier Erklärungen erleichtert die Einsicht, daß sich diese Beobachtung mit einiger Sicherheit verallgemeinern läßt: Die kürzere hebräische Erklärung samt ihrer deutschen Übersetzung (s. [B]) scheint weitgehend nur ein Auszug aus dem zu sein, was die längere hebräische und die lateinische Erklärung bieten (s. [A]).341 Daß die innere Entwicklung in der Vierergruppe so und nicht etwa umgedreht verlief, wird aber erst durch die inhaltliche und formale Abhängigkeit der gesamten Gruppe von der Kurzen Erklärung der Sefirot bei Agrippa von Nettesheim zur Gewißheit: Agrippas Text bietet nicht nur die Vorlagen für einzelne Stichworte, sondern zumeist auch für ihre Abfolge in Strölins Vierergruppe.342 Entsprechend dürfte Strölins lateinische Erklärung am Beginn seines Erarbeitungsprozesses gestanden haben. Sie verrät im Detail wie im Gesamtaufbau am deutlichsten eine Abhängigkeit von Agrippa. Dessen Erklärung ist lateinisch abgefaßt. Einige hebräische Termini erscheinen in Transkription mit lateinischen Buchstaben.343 Für Strölin lag es offenbar nahe, Agrippas Text nicht nur in Gestalt der lateinischen Erklärung zu exzerpieren, sondern dann auch eine rein hebräische Fassung zu formulieren in Gestalt seiner längeren hebräische Erklärung. Im Zuge einer weiteren Ausarbeitung des Exzerpts erfolgte noch in Phase [A] eine Ergänzung mittels anderer Quellen, hauptsächlich wohl Gikatilla und Reuchlin.344 Hinzu kommt für eine längere Randnotiz das Buch Jezira (!‫ )ספר יצירה‬bzw. ein Exzerpt daraus.345 340

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Zu deutsch »die Seele des Messias, [nämlich der] Moses [instruierende Engelfürst] Metatron«. Siehe die Anm. zu !‫ ׁש¬ל מׁש¬ה‬N‫ח מַטַטְרֹו‬²‫י‬¤‫פֶׁש הַּמָׁש‬ª‫נ‬, hier S. 330, Z. 157. Daß diese Streichung kein Einzelfall ist, zeigt das hier weiter oben behandelte Beispiel der »Confessio« bei Ritius. Siehe hier S. 16. Oetinger hat in seinem Entwurf also sachlich richtig ergänzt »Die Seele Messiae«. Siehe dazu Strölins deutsche Erklärung zur 10. Sefira (hier S. 330, Z. 164). Siehe hier S. 321–330. Zu Agrippa s. jetzt v. a. den Artikel im Verfasserlexikon, Bd. 1 (2008), S. 23–36 (WolfDieter Müller-Jahncke); Killy-Kühlmann, Bd. 1 (2008), S. 52–54 (Wolf-Dieter MüllerJahncke); ergänze: Müller-Jahncke, 1979; Schmidt-Biggemann, 2012, S. 450–476; s. a. hier S. 208. Zu Robert Fludd als einem weiteren Rezipienten Agrippas im 17. Jh. s. jetzt v. a. Schmidt-Biggemann, 2012, S. 115. Beispielsweise steht »Eloha« für !ַ‫ ; אֱלְֹוּה‬s. hier S. 326, Z. 93 u. 90. Siehe die hebr. Erklärung unter [A], bes. hier S. 321, Z. 3: !‫בָה‬µ‫ מַחֲׁש‬M«‫ קֶד‬M‫ ּפְלִיל ר¯חֲמִי‬N¢‫ אַי‬N‫ר´צֹו‬ Siehe dazu die Herkunftsnachweise ebd. im Kommentar; zu Gikatilla hier S. 25. Gegen eine direkte Benutzung einer hebräischen Gikatilla-Ausgabe jedenfalls in dieser Rezeptionsphase spricht allerdings Strölins hebräische Wiedergabe von »linea media« durch !‫ימִי‬¢‫הַּבֵנ‬Ê‫ קַו‬anstatt !‫ ;קו האמצעי‬s. die hebr. Erklärung unter [A], hier S. 326, Z. 90 u. den App. dazu. Zu Strölins Reuchlin-Exemplar s. hier S. 117; zu Steudner S. 26 (Anm.). Da Agrippa jene Passagen aus dem Buch Jezira referiert, die auch Strölin exzerpiert, ist eine Lektüre des Originals bzw. einer Übersetzung für Strölin nicht zweifelsfrei zu sichern; s. den Kommentar zu !‫ עֶׂש¬ר סְפִירֹות ּבְלִימָה‬in der lat. Erklärung, hier S. 321, Z. 6.

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2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

Wie schon angesprochen sind dann die beiden Erklärungen der Phase [B] wohl Ergebnis weiterer, sekundärer Ausarbeitungsprozesse: Nur ausnahmsweise bieten sie etwas, das sich in [A] nicht findet.346 Es ging hier offenbar vor allem um eine Verdichtung auf das nach dem Urteil Strölins Allerwesentlichste, wobei er im Einzelfall auch nicht davor zurückschreckte, eigentlich unentbehrliche Attribute zu streichen, wie !‫פֶׁש‬ª‫ נ‬zeigt.347 Diese vier Kurzen Erklärungen aus dem Nachlaß Strölins bieten also willkommene Bestätigungen und Ergänzungen für den anzunehmenden Bestand an Quellentexten, welche ein maßgeblicher Berater Antonias in seinem Kabbala-Studium auswertete.348 Neben den schon von Betz gewürdigten Klassikern Gikatilla und Reuchlin fallen dabei besonders Agrippa und das Buch Jezira ins Auge. Die Erklärungen zeigen so zumindest einige Momentaufnahmen aus dem Prozeß der Aneignung kabbalistischen Grundwissens durch Strölin: Gestützt auf mehrere Autoritäten formt er viermal ein Ganzes nach Art einer Kurzen Erklärung zu den Sefirot. Was Reuchlin zum Exzerptcharakter seiner Kurzen Erklärung ausführt,349 findet so einen Widerhall: Die vier Texte Strölins sind ganz augenscheinlich ihrerseits Exzerpte, die einen Verarbeitungs- und Verdichtungsprozeß dokumentieren. Das Nebeneinander der Vier ist ein Zeichen für die Gründlichkeit, mit der sich Antonias Mentor einem Gegenstand widmete, von dem das Gros zeitgenössischer Theologen nur am Rande Kenntnis nahm.350 Gründlichkeit verrät zumal die Rückübersetzung von Agrippas Kurzer Erklärung ins Hebräische. Sie erinnert an die Akribie und Ausdauer, mit der Strölin in seinem Reuchlinexemplar die hebräischen Zitate vokalisiert hat.351 Obwohl Strölin dergestalt nur exzerpierend zusammenträgt, lassen sich doch eigene Akzente erkennen. Reuchlins und Agrippas Erklärungen sind nur Abschnitte in größeren Textverbänden. Strölins Erklärungen stehen hingegen frei und rücken damit zumal in die Nähe jener Vertreter der kürzesten Form der Sefirotdarstellung (der oben analysierten Aufzählung), die ein Schema bieten.352 346

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Bei der 1. Sefira fällt als Sondergut !‫מָה‬µ‫ נžׁש‬auf (s. hier S. 321, Z. 23), bei der 10. Sefira !›ֶ‫י מֶל‬Éֹ‫אֲד‬ (s. hier S. 330, Z. 158). Eine Entsprechung in der lateinischen Erklärung haben andererseits !P‫ סֹו‬N‫( אֵי‬hier S. 321, Z. 22) u. !‫( יžסֹוד עָפָר‬hier S. 330, Z. 159): Siehe »Jnfinitum« u. !P‫ סו‬N‫אי‬ (hier S. 321, Z. 5 u. 10) u. »Elementum terrae« (hier S. 330, Z. 156). Zu dieser Art der Verdichtung von Kabbalistischem und den Folgen für mangelhaft vorbereitete Rezipienten s. hier oben S. 15. Zu seinem Nachlaß s. hier S. 13. Siehe dazu hier S. 25. Siehe zu Raith und der verbreiteten Beurteilung der Kabbala hier S. 4 u. 239. Zum hebraistischen Kenntnisstand der Epoche s. jetzt Gruhl, 2011, mit weiteren Literaturnachweisen. Mehr zu diesem Exemplar s. hier S. 117; dazu auch Gruhl/Morgenstern, 2006, S. 104. Siehe dazu hier S. 16.

2.2 Strölins Kabbala-Studien

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Entsprechend berücksichtigt Strölin auch das räumlichen Unter- und Nebeneinander der Sefirot. Diese Freistellung ist ein Indiz für die Schlüsselstellung der Sefirot in der Kabbala-Rezeption Strölins und des Antoniakreises überhaupt, von der noch zu reden ist. Auch bei inhaltlichen Details setzt Strölin eigene Akzente. So fällt bei der Aneignung Agrippas auf, daß Strölin gerade der jüdischen Engellehre offenbar weniger abgewinnen kann als Agrippa, den sie im Besonderen interessierte.353 Wo Strölin Engelwesen exzerpierend nennt, ist er zugleich bestrebt, sie an biblische Aussagen rückzubinden.354 Den biblisch nicht belegbaren Engelfürsten Metatron hat er zwar anfangs aus Agrippa in die lateinische Erklärung übernommen, in den anderen Erklärungen dann aber nicht mehr genannt.355

2.2.2 Das Tableau zu den Gottesnamen Im Nachlaß Strölins findet sich neben der Kurzen deutschen Erklärung ein weiteres Dokument, das die Sefirot mit deutschen Bezeichnungen auflistet und knapp glossiert.356 Diese Auflistung ist allerdings kein selbständiger Text, sondern verteilt sich auf die beiden äußersten Spalten eines Tableaus von sieben mal sieben Feldern, das eine Fülle von Gottesbezeichnungen ausbreitet. Ein Teil von ihnen ist dem Alten Testament entnommen. Weitere sind Produkte kabbalistischer Exegese.357 Reuchlin wird von Strölin ausdrücklich als Quelle 353

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Zum Interesse an kabbalistischer Engelsmagie bei Agrippa v. Nettesheim s. Grafton, 2003, S. 125f.; Schmidt-Biggemann, 2012, S. 458–461; s. a. Reuchlin, 2010, S. 162. Zumal nachbiblische Engelnamen spielen bei Strölin neben den wenigen Angaben in den Kurzen Erklärungen nur noch auf dem Tableau zum hohepriesterlichen Brustschild einer Rolle, und dort ebenfalls wohl nur, weil sie in der Vorlage zu finden waren; s. die kommentierte Edition hier S. 357. Zur Zurückhaltung gegenüber der Angelologie s. das Urteil im seinerzeit maßgeblichen theologischen Lehrbuch Württembergs: Über das hinaus, was die Bibel als sicher verbürgt, gelte: »[...] non quicquam certi affirmari posse statuimus.« Siehe Hafenreffer, 1603, S. 208–227, bes. 216; Alsted, 1630, S. 1592ff. Siehe die Anmerkung zu »Animalia Sancta« in der lat. Erklärung, hier S. 321, Z. 9. Siehe in der lat. Erklärung, hier S. 321, Z. 10. Bei Agrippa findet sich neben Metatron auch Samael. Er taucht als Teufelsname in der Pictura docens, Z. 536, auf. Agrippas Anspielungen auf pagane antike Quellen finden bei Strölin kaum Widerhall. Siehe die Stichworte Primum Mobile und Nox bei Agrippa, 1550, S. 370f. (Agrippa, 1992, S. 424f.). Siehe in der lat. Erklärung, hier S. 321, Z. 9: »primum mobile«; das aus den orphischen Hymnen entnommene Nox wird von Strölin aber erst gar nicht exzerpiert, geschweige denn in die anderen Erklärungen übernommen. Siehe WLB Cod. hist. fol. 551, S. [105v ]; s. hier S. 349, zur Datierung S. 122ff. Siehe dazu die Rezeption bei Strölins direktem Gewährsmann Agrippa, 1550, S. 218 (Agrippa, 1992, S. 289). Hauptmittel dieser Exegese sind in diesem Fall Buchstaben-Permutationen. Die vier Eckfelder des Tableaus sind der Exegese der Namen der vier Erzengel gewidmet. Auch ihre Namen enthalten nach Strölins beigegebener Übersetzung jeweils ei-

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2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

für diverse Inhalte auf diesem Tableau benannt.358 Dabei fällt besonders der Name Jesu auf.359 Sieht man mit Pico della Mirandola, Reuchlin und Strölin die Buchstabenfolge !‫ יהשוה‬als angemessene hebräische Schreibung an, läßt sich Jesu Name aus dem heiligsten, unaussprechlichen Namen Gottes, dem Tetragramm (!‫)יהוה‬, entwickeln und der Buchstabe !‫( ׁש‬Schin) als Ermöglichung der Aussprache des unaussprechlichen Namens deuten.360 Anders als in den Kurzen Erklärungen ist aber eine unangefochtene Schlüsselstellung der Sefirot hier nicht ohne weiteres erkennbar: Sie repräsentieren göttliche Eigenschaften oder Betätigungen, ohne in der Fülle des Präsentierten einen eindeutigen kompositionellen Schwerpunkt zu beanspruchen: Daß die Sefirot ein umfassende Topik für das gesamte Gebiet der göttlichen Namen abgeben wollen oder können, wird nicht ohne weiteres greifbar.361 Ihre Stellung an der Peripherie des Tableaus gibt dies nicht her, zumal wenn man Strölins Tableau zum Brustschild des Hohenpriesters hinzunimmt, in dem die Zentralstellung der zwölf Repräsentanten Israels zweifelsfrei die gedankliche Mitte ausdrückt, während die Auflistung von Engeln an der Peripherie erfolgt.362 Strölins Tableau zu den Gottesnamen folgt damit in etwa der Gewichtung bei Reuchlin und nicht wenigen anderen frühneuzeitlichen Autoren: Wenn überhaupt, spielen bei ihnen die Sefirot eine untergeordnete Rolle.363 Auf ein weit größeres, wenn vielfach vielleicht auch nur oberflächliches, Interes-

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nen Hinweis auf Aspekte des göttlichen Wesens: »wer ist wie Gott?« (Michael; das spielt an auf Gottes Unvergleichlichkeit bzw. Einzigartigkeit); »Artzet Gottes« (Raphael; vgl. Ex 15,26); »Gottes krafft v[ndt]. stärkhe« (Gabriel; vgl. die Bezeichnung der 5. Sefira); »Gottes liecht« (Uriel; vgl. die Bezeichnung der 7. Sefira sowie die Bezeichnung der Sefirot insgesamt als »Abglänze«; s. dazu hier S. 24). Siehe dazu hier S. 349. In der Formulierung der deutschen Übersetzungen zu den Sefirot lehnt sich Strölin eng an die Reuchlinschen Sefirotbezeichnungen an. Siehe auf dem Tableau, Z. 32ff. in der zweiten Spalte. Siehe hier in der Transkription des Tableaus (S. 350) in Spalte 2, von Strölin vokalisiert: !‫ ; יžהֵשּוה‬s. dazu Reuchlin, 1996, S. 368–408, bes. 370; Reuchlin, 2010, S. 542; zeitgenössisch z. B. Athanasius Kirchers monumentales Speculum Cabalae mysticae (s. hier Abb. 12); jetzt bes. Schmidt-Biggemann, 1998, S. 151; Schmidt-Biggemann, 2013a, S. 158–164; Schmidt-Biggemann, 2013a, S. 353–357; Betz, 2013, S. 81. Weitere, in der Frühen Neuzeit verwendete Schreibungen sind !‫( ישו‬Jeschu; s. Carreto, 1554, Bl. E iiir : »Iehsu vel Iesu«) und !‫ישוע‬. Letztere verwendet Antonia (s. dazu hier S. 90); s. a. Roob, 1996, S. 687 (als Transkription von Joh 19,19 in der Amsterdamer Böhme-Ausgabe v. 1680). Zum Tetragramm im Sefirot-System s. a. Steudner, 1665, bes. S. [41]f., hier S. 411 (zu »Jehovah«). Zu dieser topischen Funktion s. hier S. 27 u. 114. Siehe WLB Cod. hist. fol. 551, S. [105r ], hier S. 357. Eine umfassende Analyse beider Tableaus muß allerdings einem Judaisten vorbehalten bleiben. Siehe Grözinger, 1993, S. 179: »Das System der Zehn Sefirot wird zwar erwähnt, aber weder [...] wirklich dargestellt oder verwertet.« Zur sporadischen Behandlung bei Reuchlin s. Reuchlin, 1996, S. 226–232, 262, 308–310; Reuchlin, 2010, S. 48, 54, 64, 432, 448.

2.2 Strölins Kabbala-Studien

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se konnten hingegen die Möglichkeiten und Merkwürdigkeiten kabbalistischer Buchstaben- und Zahlenspekulationen bei den allermeisten Gebildeten der Frühen Neuzeit rechnen, sobald und insoweit sie mit der hebräischen Sprache und Schrift in nähere Berührung kamen. Speziell beim Gros der Hebraisten des 17. Jahrhunderts erregte die kabbalistische Bibelhermeneutik und ihre Nutzung in Apologetik und Judenmission besondere Aufmerksamkeit.364 Immerhin deutet Reuchlin aber eine zumindest erkenntnistheoretische Schlüsselrolle der Sefirot an, wenn er die Zehn als Erkenntnispfad und Stufen einer mystischen »Leiter« kurz einführen läßt.365 Der Vergleich mit Strölins Kurzen Erklärungen zu den Sefirot macht plausibel, warum Oetinger aus diesen Texten die deutsche Version in den Anhang seines Buches aufnahm, das Tableau hingegen mit keinem Wort erwähnt.366 Denn auf der Lehrtafel wie auch in Strölins Turris Antoniae gehört das System der Sefirot ohne Wenn und Aber zum Zentrum der Bildkomposition.367

2.2.3 Vorbilder für eine Schlüsselstellung der Sefirot Eine wichtige Stütze für eine Schlüsselstellung der Sefirot bietet Gikatillas Sefirotkommentar. Er führt vor Augen, inwiefern die Sefirot als Netzwerk von zehn Instanzen geeignet sind, einen Beitrag zur Lösung des Problems der Gottesbezeichnungen zu leisten: Das Alte Testament bietet eine Fülle solcher Bezeichnungen und provoziert damit die Frage nicht nur nach ihrer je besonderen lexikalischen und kontextuellen Bedeutung, sondern auch nach dem Warum ih-

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Siehe dazu mit Nachweisen hier S. 26 u. 83, ferner jetzt Dan, 2007, S. 87–91; Gruhl, 2011, S. 286–293. Zum speziellen Interesse an kabbalistischer Auslegungskunst für chronologische Fragen s. ein Beispiel hier S. 384. Weitere Literatur zur frühneuzeitlichen Kabbalarezeption s. hier S. 5 (Anm.). Hinzu kommt jedenfalls für einige Autoren des 16. Jahrhunderts das Interesse für die magischen und theurgischen Aspekte der kabbalistischen Behandlung von Buchstaben, Engeln und Gottesnamen. Siehe bes. zu Giorgio Veneto und Agrippa von Nettesheim jetzt Schmidt-Biggemann, 2012, S. 384–476; zu Reuchlin ebd. S. 204– 206. Alsted wird Entsprechendes in seinem Artikel als »abusus« tunlichst beiseite lassen; s. Alsted, 1630, S. 2273. Typisch ist für christliche Theologen des 17. Jh.s die Stellungnahme Balthasar Raiths. Siehe dazu hier S. 4 u. 239. Siehe mehr dazu hier S. 115. Diese Rolle für die Kontemplation als »Leiter« relativiert Grözingers eben zitiertes Urteil ein wenig. Wie bereits erörtert ist durch die Zusätze von Oetingers Hand seine Benutzung der auch heute noch zugänglichen Handschriften der vier Kurzen Erklärungen gesichert. Wenige Seite trennen sie im heutigen Cod. hist. fol. 551 der WLB von dem Tableau. Es gibt keinen Grund anzunehmen, Oetinger hätte dieses Tableau nicht ebenfalls als Teil des Nachlaßkonvolutes vorgelegen. Zu ihrer tragenden Rolle für die Bildkomposition der Lehrtafel s. hier weiter unten.

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2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

rer Fülle.368 Für Gikatilla bieten die Sefirot das passende Werkzeug nicht nur zu ihrer Inventarisierung und systematischen Durchleuchtung, sondern auch zur Rekonstruktion der göttlichen Welt, in welcher ihnen bestimmte Funktionen zukommen.369 Dabei ist die Beschäftigung mit den Sefirot für den Menschen nach Gikatilla nicht nur theoretisch von Belang, sondern von eminent praktischem Wert. Denn die kontemplativ erworbene Vertrautheit mit ihnen ermögliche es dem Beter, je nach Intention und Bedürfnis Gott unter dem jeweils richtigen, »zuständigen« Namen anzurufen.370 Gerne bedienen sich Kabbalisten verschiedener Bilder, um Wesen und Funktion der Sefirot zu erläutern. Gikatilla stellt sie unter anderem als Baum vor, dessen Stamm mit dem Tetragramm (!‫ )יהוה‬gleichgesetzt wird, dem wichtigsten alttestamentlichen Gottesnamen. Aus dem Stamm wachsen Äste heraus, denen die anderen Gottesbezeichnungen zugeordnet sind. In der frühneuzeitlichen Rezeption wird dieses Bild gerne aufgegriffen.371 Ähnlich steht es mit der beliebten anthropomorphen Beschreibung der Sefirot als menschlicher Körper: Die erste bis neunte Sefira bilden den männlichen Körper. Nummer 1. steht für den Kopf, 2. u. 3. für die Arme, 4. u. 5. für die Hände, 6. für das Herz, 7. und 8. für die Füße, 9. für den Phallus. Nummer 10. steht für den weiblichen Körper.372 Sowohl Reuchlin als auch Strölin notieren wenigstens einige Bestandteile dieser Symbolik am Rande.373 Ferner verwendet 368

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Bei den Gottesbezeichnungen unterscheidet Gikatilla Namen und Beinamen. Siehe Gikatilla, 1994, S. 5f.; Gikatilla, 1516, S. [227r ]. Die Tora besteht aus Namen, ihre Auslegung, auch in Gestalt einer Sefirotlehre, ist demnach wesentlich Onomatologie. Siehe dazu Grözinger, 2005, S. 400. Nachdem schon Reuchlin auf eine Differenzierung nach nomina propria und appellativa hingewiesen hatte (s. Reuchlin, 2010, S. 468: Nur das Tetragramm ist für Gott ein nomen proprium, die übrigen sind »aliarum proprietatum et relationum appellativa«), zitiert Alsted (Alsted, 1630, S. 2273f.) die noch differenziertere Unterscheidung Julius Sperbers (s. Sperber, 1600, S. [5r ]) nach nomina [propria] (Eigennamen), cognomenta (Beinamen) und adjectiva (Prädikativa, die die göttliche Natur mittels der Benennung einzelner Eigenschaften beschreiben); s. a. Buxtorf, 1645, zur Zehnzahl § 4, zum Tetragramm § 6ff. Zur Kombination von Sefirot und Onomatologie bei Gikatilla s. Grözinger, 2005, S. 408; zur Vorstufe, der Kombination von Sefirot und Alphabetspekulation im Buch Bahir, s. ebd. S. 120f.; zur Integration biblischer Gottesnamen in die Sefirot s. a. Dan, 2007, S. 63f. Zum entsprechenden topischen Charakter der Sefirot s. hier S. 27 u. 112. Siehe Gikatilla, 1994, S. 5f. Zum mystischen Hintergrund s. Dan, 2007, S. 57. Siehe Gikatilla, 1994, S. 6; dazu Scholem, 1993, S. 232; Idel, 1994, S. xxvii. Diese Pflanzenmetaphorik referiert auch Reuchlin, 2010, S. 432/434. Sie spiegelt sich in manchen Sefirot-Schemata christlicher Autoren wider, so bei Widmannstetter und Fludd. Siehe die Abb. bei Steudner, 1665, Tafel zw. S. [304] u. [305] (s. a. Moltmann-Wendel, 1989, S. 114; Betz, 2013, S. 24; hier S. 350); für Fludd s. Schmidt-Biggemann, 2012, S. 136. Siehe Scholem, 1993, S. 232–235; Dan, 2007, S. 62. Siehe in Strölins Tableau zu den Gottesnamen, hier S. 350 mit Kommentar; s. a. hier S. 350. Eine wichtige Rolle hingegen spielt sie in Form einer Identifizierung des kabbalistischen

2.2 Strölins Kabbala-Studien

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Gikatilla eine Gebäudemetaphorik. Demnach bilden die Sefirot ein Vorratshaus für die Gottesbezeichnungen in je besonderen Kammern.374 Schließlich werden die Sefirot als Tore vorgestellt, die der Erkennende durchschreiten muss, als »Tore des Lichts«, wie Gikatilla auch seinen Sefirotkommentar überschreibt. Indem dieser Kommentar aufsteigend von der 10. zur 1. Sefira voranschreitet, legt er ein Verständnis der Sefirot als eines mystischen Stufenweges nahe.375 Dieses Bild greift Reuchlin in seiner Würdigung der Sefirot kurz auf, um ihre orientierende Leistung für die spekulative Erkenntnis herauszustellen.376 Als Ziel der Kontemplation nach Maßgabe der Sefirot wird dem Adepten die visio beatifica verheißen. Reuchlin empfiehlt Gikatilla als Mentor und weist auf die Übersetzung des Paulus Ritius hin.377 Gerade dieses Verständnis als mystischer

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Adam Kadmon mit Christus bei Johann Albrecht Widmannstetter. Siehe dazu noch einmal hier S. 350. Siehe zumal die Passage kurz nach dem Beginn der Behandlung der 10. Sefira, wo Gikatilla der Baummetapher das Lagerhaus zur Seite stellt. Siehe Gikatilla, 1994, S. 13: »[...] all His [scil. Gottes] Names that are mentioned in the Tora are included in the Tetragrammaton YHVH, which is similar to a tree trunk. Each of the other Names – those which I have compared to roots and branches and other hidde treasures – has a unique function. It is just like a storehouse which has several rooms. Each room within the storehouse has a specific identity: one has precious gems, one has silver, another has gold, while another has different kinds of food and another has drinks. If a person needs food, he may starve to death if he doesn’t know how to get to the room, even though the rooms are full.« Auch in der Übersetzung des Ritius ist diese Passage präsent. Siehe Gikatilla, 1516, S. [230v ]. Siehe ferner hier S. 154. Siehe Gikatilla, 1994, S. 11 u. 13; s. dazu Idel, 1994, S. xxvii. Siehe Morlok, 2006, S. 179, zu Gikatillas Kommentar als mystagogischem Handbuch. Siehe Reuchlin, 2010, S. 5): »restant decem scalae gradus, per quos ad cognitionem omnium, quae sunt vere, aut sensu, aut scientia, aut fide ab imo ad summum ascendere possumus.« Siehe auch ebd., S. 19.F (150/152) u. 52.H (364/366); s. dazu jetzt Schmidt-Biggemann, 2012, S. 190–192. Auch der von Strölin exzerpierte Agrippa von Nettesheim bietet eine enge Verknüpfung von Sefirot und Gottesbezeichnungen; s. in der Erklärung selbst und hier die folgende Studie; s. Agrippa, 1550, S. 370–373 (Agrippa, 1992, S. 425–427), vor allem aber auf dem Tableau S. 218f. (Agrippa, 1992, S. 289). Gelegentlich spricht auch er von den »Stufen« der Sefirot; s. ebd., S. 374 (428): »in scalis numerorum«. Aus der Rede von Erkenntnisstufen sollte man sich aber in diesem Kontext hüten, auf ein Verständnis als Seinsstufen rückzuschließen. Gegen ein Mißverständnis der Sefirot als Seinsstufen hat sich jedenfalls Scholem, 1993, S. 228, energisch verwahrt. Der Text Gikatillas gibt ihm, soweit ich sehen kann, darin auch recht: Die Welt der Sefirot ist nach seiner Schilderung eine Welt komplexer Relationen und Bewegungen, die nicht nur in vertikaler Richtung verlaufen. »Die Sache ist ja gewiss etwas zutiefst Spekulatives, ein unermeßlicher Ozean, in das sich all unsere Kontemplation versenkt und, versunken, vom Abgrund verschlungen wird. Oder entsinnt ihr euch nicht, wie sehr sich in jüngster Zeit die Theologen fast aller Völker fast ausschließlich mit Konzeptionen der Gottesattribute abmühen, welche die einen von ihnen als Vollkommenheiten im Göttlichen bezeichnen und die anderen negative, positive, absolute

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2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

Stufenweg oder Leiter wird ein Echo auch im Antoniakreis finden, wie sich bald herausstellen wird. In dem systematischen Kabbala-Artikel der einflußreichen Enzyklopädie Alsteds fallen dem Leser gleich zwei Sefirot-Schemata ins Auge. Das eine Schema dient zur Veranschaulichung des stufenweise aufsteigenden Erkenntnisweges im Sinne Reuchlins, das andere bietet eine Kurzbeschreibung im Sinne einer Aufzählung (s. Abb. 10).378 Wie Gikatillas Kommentar und die Kurze Erklärung bei Reuchlin bietet der Artikel dabei eine Zuordnung von Gottesnamen zu den einzelnen Sefirot.379 Zwar ist Reuchlin Alsteds wichtigster Gewährsmann sowohl für die Sefirotdarstellung wie auch für den Artikel insgesamt.380 Dennoch erhalten die Sefirot bei Alsted schon rein visuell ein größeres Gewicht als bei Reuchlin.381 Sie werden zudem für die »praktische Kabbala« sogar zum »Schlüssel« (clavis) erklärt.382 Das erinnert an Gikatillas Ausführungen zu ihrer praktischen Bedeutung. Um nun aber zu zeigen, daß und inwiefern ein solches Inventarium der Gottesnamen auch für Christen von eminent praktischer Bedeutung sei, stützt sich Alsted nicht auf Reuchlin, sondern auf einen weit weniger prominenten christlichen Kabbalisten und Querdenker, Julius Sperber. Dieser betont die doxologische Funktion der Gottesnamen im Gebet, ohne damit ihren Wert für Spekula-

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und relative beziehungsweise konnotative Attribute nennen?« Die Empfehlung von Ritius’ Übersetzung der Tore des Lichts geschieht gleich im Anschluß (s. Reuchlin, 2010, S. 434; Übers. nach ebd., S. 435). Das Frontispiz von Gikatilla, 1516, (s. dazu hier S. 16) führt ebenfalls die Sefirot als Gegenstand der Kontemplation ein. Dargestellt wird ein jüdischer Kabbalist, der in ihre Betrachtung versunken ist. Siehe Alsted, 1630, S. 2273 u. 2271. Zur Aufzählung als Darstellungsform s. hier S. 15. Zu Alsted s. jetzt Jaumann, 2004, S. 24–25; Killy-Kühlmann, Bd. 1, S. 100–102 (Franz Günther Sieveke); zur Verortung der Kabbala in Alsteds Systematik Schmidt-Biggemanns Einleitung zum Reprint von Alsted, 1630 (Stuttgart-Bad Cannstatt 1989). Siehe Alsted, 1630, S. 2273. Alsted, ebd. 2272, weist im Vorfeld ausdrücklich darauf hin, daß nur ein Teil der Gottesnamen mittels der Sefirot inventarisiert werde. Weitere referiert er ebd. S. 2273. Diese Zuordnungen weichen ab von der bei Agrippa; s. auf dem Tableau Agrippa, 1550 auf S. 218f. (Agrippa, 1992, S. 289) auf in Strölins Tableau zu den Gottesnamen (s. hier S. 349). Namen, wie Agrippa, Postel oder Fludd, fallen bei Alsted nicht. Die beiden Schemata beanspruchen zusammen etwa eine von insgesamt sieben ArtikelSpalten. Alsted, 1630, S. 2273. Zur Unterscheidung von theoretischer und praktischer Kabbala s. ebd. S. 2270; s. a. Reuchlin, 2010, S. 448, Übers. nach ebd., S. 449: »Euer Mirandola schrieb in den Neunhundert Schlüssen die Worte: ›Was auch immer die anderen Kabbalisten sagen: ich würde eine Primäreinteilung der Kabbalistik in die Wissenschaft von den Sephiroth und die Wissenschaft von den Semoth vornehmen, das heißt in die Zahlen- und die Namenlehre als einen praktischen und einen theoretischen Zweig‹.«

2.2 Strölins Kabbala-Studien

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tion und Kontemplation geringer veranschlagen zu wollen als Reuchlin.383 Daß man im Gelehrtenkreis um Antonia die Konzeption der Sefirot als mystischen Stufenweg oder Leiter kannte und schätzte, belegt dann vor allem der Prolog zur Pictura docens.384 Gikatillas aufsteigende Zählung nach Toren verzeichnet aber auch schon Strölin in seiner lateinischen Erklärung neben der üblichen Sefirotzählung von oben herab. Strölin studierte neben Reuchlin und Agrippa unter anderem auch Alsteds Artikel. In seinem Reuchlinexemplar brachte er eben gerade zum erkenntnistheoretischen Aspekt der Sefirot einen Querverweis auf Alsteds Darstellung an,385 die durch eine separate schematisch-figurale Darstellung gerade diesen Aspekt eindrücklich vor Augen stellt. Alsteds Kabbala-Artikel ist für 383

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Siehe das Referat bei Alsted, 1630, S. 2273f.; zu Strölins wohl durch Alsted vermittelte Kenntnis Sperbers nach Ausweis seines Reuchlinexemplars s. hier die übernächste Anm. Zu Sperber (ca. 1540 bis 1616) s. Jöcher, Bd. 4 (1751), Sp. 729; Baumgarten, 1766, S. 1087; Churton, 1960, S. 229–231. Zur zeitgenössischen Sperberrezeption bei Abraham von Franckenberg s. von Franckenberg, 1995, S. 156f. u. 159. Aufgrund von Sperbers Rolle in der Rosenkreuzer-Bewegung war er Johann Valentin Andreae ein Begriff; s. Wollgast, 1993, S. 268. Ob der alte Andreae seinen Schützling Strölin oder auch Antonia (s. dazu hier S. 307ff.) allerdings auf Sperber hingewiesen hat oder haben würde, ist fraglich. Siehe Pictura, Z. 1–13, bes. 3: »Considera illustris devotionis scalam« (s. hier S. 185, Anm.). Das beweist das ausdrückliche Zitat aus Alsted in einer Randglosse von Strölins Hand in seinem Reuchlinexemplar. Siehe Reuchlin, 1517, Bl. III [7v ], P (die Paginierung des Exemplars, heute WLB Theol. fol. 1433, mit arab. Zahlen stammt offenbar von Strölins Hand. Es enthält mehrere Besitzervermerke, u. a. von Strölin (unten rechts auf Titelblatt): »Sum | Novissimi | Anno 1649.« (Ich gehöre dem Allerletzten. Im Jahre 1649.) Diese Art der Selbsttitulierung paßt gut zu anderen demütigen bzw. selbstironischen Äußerungen Strölins. Siehe dazu Strölins Brief an Schmidlin am 16. Februar 1659, hier S. 367, ferner die Ableitung seines Familiennamens »Strölin« von »Stroh« (s. dazu hier S. 399). Auf Strölins eifriges Studium weisen seine vielen, in schwarzer oder roter Tinte gemachten Randglossen hin. Davon zu unterscheiden sind einige weitere Glossen wohl von einer Hand des frühen 18. Jh.s (s. bes. S. [42v ]). Auf ihn verweist auch die Bemerkung von einer Hand des späten 17. Jahrhunderts unter Strölins Exzerpt eines undatierten Briefes Andreas Osianders an Johann Brenz (s. dazu Schubert, 2014, S. 41–43; 53f. eine Transkription – lies jedoch »scripsit« statt »scribit«, »docere« statt »doceri« und »improbos« statt »improbis«) auf der recto-Seite des letzten Blattes: »Herrn Magister Johann Strölins, gewesenen Pfarrers | zu Münster, eines überauß laborrosen vnd | gelehrten Mannes, seeligen gedächtnuß, eigner Hand.« Zur Vokalisierung der Hebraica s. hier S. 110. Auf der verso-Seite des Schmutztitels steht schließlich von Strölins Hand: »Jn Bava Bathra [hebr. Zitat folgt] Qui cupit Sapientiam consequi ad Austrum se convertat, qui verò ditescere, versus Septentrionem.« Gemeint ist eine Sentenz in bT Baba Bathra 25b (Übers. nach Talmud, 1990, Bd. 18): »R. Isaac said: He who desires to become wise should turn to the south [when praying], and he who desires to become rich should turn to the north.« Eine Marginalie Strölins, ebd., Bl. LIX. [63v ], R, bezieht sich auf Julius Sperbers Kabalisticae precationes (Sperber, 1600). Hin und wieder wird auch Petrus Galatinus erwähnt (z. B. ebd., Bl. LX [64v ], S). Inwieweit Strölin diese Autoren studiert hat, wäre noch zu erforschen. Doch spricht bislang nichts dafür, daß seine Kenntnisse über das hinausgehen, was er bei Reuchlin, Agrippa, Pistorius und Alsted referiert fand.

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2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

Strölin demnach ein wichtiger Anreiz gewesen, die Sefirot kraft ihrer theologischen und mystagogischen Schlüsselrolle in das Zentrum zu stellen.

2.2.4 Die trinitarische Deutung der oberen Sefirot Für die drei oberen Sefirot war bei christlichen Gelehrten der Frühen Neuzeit die trinitarische Interpretatio christiana weithin üblich.386 Sie ist überhaupt das wichtigste Moment der christlichen Rezeption und produktiven Aneignung der kabbalistischen Sefirot und findet sich so auch in Antonias Sefirotadaptationen.387 Die zweite Sefira (Weisheit) wurde dabei der zweiten göttlichen Person zugewiesen, also dem Sohn im Gegensatz zum Vater und dem Heiligen Geist. Die von einigen neutestamentlichen Stellen nahegelegte Identifikation Christi mit der göttlichen Weisheit war für diese Deutung eine wichtige Stütze. Johann Steudner, ein gelegentlicher Berater Antonias, versäumt es nicht, in seinem Kabbala-Referat darauf hinzuweisen:388 [...] darbey mögen wir Christen uns nicht unfüglich erinnern / wie die || andere Person des einigen Göttlichen Wesens / unser liebster HErr und Heiland Christus JEsus der einige Sohn GOTTES sich selbsten genennet hab Hochmah die Weißheit / wann es geheissen / Ich Weißheit wohne bei der Witz etc. Prov. 8/12. und was er gesagt Matth. 11/19. Die Weißheit muß sich rechtfertigen lassen von ihren Kindern.389

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Zum Begriff Interpretatio christiana s. den Art. In: Neuer Pauly, Bd. 14 (2000), S. 620– 633 (Johann K. Eberlein). Prozesse solcher produktiven Aneignung von Kabbalistischem faßt man gewöhnlich unter dem Schlagwort Christliche Kabbala zusammen. Siehe Friedrich Niewöhners Definition in: HWPh, Bd. 4, Sp. 661–666, 662: »Unter christlicher K. wird der Versuch christlicher Philosophen und Theologen zwischen Pico und FR. J. Molitor verstanden, die K. im Sinne des Christentums zu deuten, kabbalistische Gedanken oder Methoden auf das Christentum anzuwenden oder gar das Christentum als den eigentlichen Kern, den von den Kabbalisten selbst noch nicht erkannten Sinn ihrer Lehren auszuweisen.« Siehe bes. Scholem, 1925; Scholem, 1973a; Scholem, 1997; Benz, 1958; Faivre/Tristan, 1979; Swietlicki, 1986; Art. »Kabbala II«. In: TRE, Bd. 17 (1988), S. 501–509 (Otto Betz); fernerhin Dan, 1997; de León-Jones, 1997; Kilcher, 1998; Zika, 1998; Coudert, 1999a; Betz, 2002; Schmidt-Biggemann, 2003; Petry, 2004; Brach, 2006; Schäfer/Wandrey, 2005; Bader, 2006, S. 1–41; Schmidt-Biggemann, 2008; Daxelmüller, 2009; jetzt aber vor allem Schmidt-Biggemann, 2011; Schmidt-Biggemann, 2012, bes. S. 18f.; Betz, 2013, S. 19–26; Schubert, 2014. Siehe schon Pico della Mirandola in der Beschreibung seines Schlüsselerlebnisses mit der Kabbala (Oratio de hominis dignitate, 43,277ff.); ferner auch Reuchlin, 2010, S. 436: »[...] quas vos treis in divinis personas appellare consuevistis [...].« Siehe dazu jetzt bes. Schmidt-Biggemann, 2012, S. 59–63. Für Antonia s. hier S. 99. Zu Steudner s. hier S. 382. Steudner, 1665, S. [48]f. (»Hochmah« ist Umschrift für !‫מָה‬Çָ‫ ח‬, Weisheit); s. a. ebd. S. )( )( ij: »[...] eines hierzu bequemen ABC oder Element=Täfflins / welches daß sonder und wundergrosse Geheimnus des wahrhafftigen dreyeinigen GOTTes und Schöpfers Jehovah [...] aus

2.2 Strölins Kabbala-Studien

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Begünstigt wurde diese christliche Deutung durch eine bereits mittelalterlichkabbalistische Binnenabgrenzung der drei oberen von den sieben unteren Sefirot.390 Ebenso wie Antonia ist auch Strölin die christlich-trinitarische Deutung der drei oberen Sefirot bestens geläufig.391 Sie findet sich bei Strölin sowohl in seinen vier Kurzen Erklärungen, als auch auf seinem Tableau zu den Gottesnamen und schließlich auch in der Turris Antoniae, die andernorts bereits eingeführt wurde.392 Auf dem Tableau werden nun die Sefirot durchgängig als Gottesattribute verstanden. Die Formulierung lehnt sich eng an die Reuchlinschen Sefirotbezeichnungen an.393 Offenbar soll jede Sefira je einen Aspekt des göttlichen Wesens oder der göttlichen Wirksamkeit vertreten.394 Nur die 1. und 10. Sefira machen bei diesem Deuteansatz offenbar Schwierigkeiten: »Krone« (!‫ )ּכֶתֶר‬einerseits und »Herrschaft« bzw. »Reich« (!‫ )מַלְכּות‬andererseits werden beidemal auf Gottes Herrschertum bezogen.395 Diese Redundanz wirkt unbefriedigend. Unbefriedigend ist es auch, wie auf dem Tableau die christlich-trinitarische Deutung der ersten drei Sefirot nebenher läuft: Strölin notiert sie nur am Rande in kleinerer Schrift, ohne ihr Verhältnis zur Deutung der Sefirot als Attribute Gottes weiter zu verdeutlichen. Symptomatisch dafür ist der Gebrauch des Epithetons »König aller Könige«: Daß in den biblischen Kontexten damit speziell die zweite trinitarische Person angesprochen ist, bleibt auf dem Tableau außer Betracht.396 Wie in der zeitgenössischen Dogmatik üblich wird so vielmehr das Herrscher- bzw. Königtum Gottes als Attribut des einen göttlichen Wesens vor und in Absehung von allen trinitarischen Spezifikationen eingeführt.397

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der H. Schrifft A.T. uns dergestalt zubeschauen und betrachten fürstellt / daß darbei rechtglaubige Christen nicht ohne Verwunderung eine liebliche Harmonie und Übereinstimmung mit der H. Schrift N.T. leichtlich ersehen und warnemmen können/« Herangezogen wurde von anderen Autoren auch 1 Kor 1,30; s. Chemnitz, 1599, S. 157; s. a. hier S. 120. Zum NT s. den Art. σvοϕία. In: EWNT, Bd. 3 (1983), S. 615–624 (Harald Hegermann), bes. 623. Siehe dazu hier die Anm. zu »Trias istarum Numerationum« in Strölins lat. Erklärung zur 1. Sefira, hier S. 321, Z. 18. Zur Rezeption bei Antonia s. noch einmal hier S. 99. Zum Tableau s. die Edition hier S. 349, ferner S. 111f.; zur Turris Antoniae hier S. 33 und 266; zur Trinität in der Turris s. ebd. den Kommentar zu Pos. ↑ a-c. Strölin übernimmt exakt die hebräischen Bezeichnungen aus Reuchlins »catalogus«. Siehe Reuchlin, 2010, S. 434, dazu hier S. 15. Da der Reuchlin-Druck keine Vokalisierung (Punktierung) bot, trug Strölin diese in seinem Handexemplar Reuchlins (s. dazu hier S. 117) wie auch auf dem Tableau nach. Zum Prinzip der Zuordnung von je einem Aspekt zu je einer Sefira die Beobachtungen zu ersten Typus der Sefirotdarstellung s. hier S. 15. Siehe auf dem Tableau zu den Gottesnamen, hier S. 349, Sp. 1, Z. 7ff., u. Sp. 7, Z. 32ff. Siehe »das Lamm« in Offb 17,14 und das »Wort Gottes « in 19,13. Siehe ferner den Kommentar der Edition des Tableaus zu den eben genannten Stellen. Siehe die Beschreibung der göttlichen Allmacht bei Hafenreffer, 1603, S. 41. Als in Würt-

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2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

Anders als auf seinem Tableau und nicht mehr nur am Rande berücksichtigt Strölin das innergöttliche Gefüge der drei Personen in der Turris Antoniae: Zur Kennzeichnung der drei oberen Sefirot wählt er jeweils einen Aspekt aus dem Bedeutungsspektrum, wie es von den Kurzen Erklärungen für die einzelnen Sefirot geboten wird,398 und ordnet ihn je einer göttlichen Person zu. Da, wie schon angedeutet, das AT eine Personifikation der Weisheit (sapientia, !‫מָה‬Çָ‫)ח‬ kennt und das NT sie mit Jesus Christus identifiziert, bereitete die 2. Sefira keine Schwierigkeiten.399 Die Klugheit (prudentia, !‫ה‬É‫ )ּבִי‬dem Heiligen Geist und der 3. Sefira zuzuordnen lag mit Blick auf einige neutestamentliche Aussagen auch nicht fern.400 Statt des Herrscher- bzw. Königtums bekommt die 1. Sefira, die göttliche Person des Vaters, in der Turris Antoniae die Wahrheit bzw. Wahrhaftigkeit (veritas, !‫ ) אֶמֶת‬zugewiesen.401 !‫ אֶמֶת‬stand nicht nur im Inventarium von Strölins Kurzen Erklärungen für die 1. Sefira bereit,402 Reuchlin hatte sie zudem in seiner Kurzen Erklärung eingehender besprochen.403

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temberg examinierter Theologe kannte Strölin jedenfalls Hafenreffers Lehrbuch sicher inund auswendig. Er erwähnt es beiläufig in seinem Brief an Schmidlin am 16. Juli 1661 a. E., hier S. 376. Antonias Schwester, Johanna, hat das Buch sogar für die Laien ins Deutsche übersetzt. Siehe dazu Gruhl/Morgenstern, 2006; zu Hafenreffers Lehrbuch in seinen verschiedenen Auflagen s. jetzt Holtz, 1993, S. 32–35; Ohlemacher, 2010, S. 321–413; Wiedenroth, 2011, S. 285f.; immer noch instruktiv Kolb, 1951, passim. Siehe hier S. 321ff. Siehe die Turris Antoniae zu ↑ b und c, hier S. 266, sowie hier am Beginn dieses Unterkapitels, S. 118, das Steudnerzitat zur Identifikation Christi mit der Weisheit. Siehe Mt 25,2; Lk 1,17; 1 Kor 4,10; 2 Kor 11,19; Eph 1,8. Eindrücklich ist auch das Bildwort: »Seid klug wie die Schlangen« (Mt 10,16), das die Schlange als Attribut für die Lehrtafel lieferte. Siehe dort das entsprechende Attribut der 3. Sefira; dazu Pictura docens, Z. 70, u. Betz, 2013, S. 76; zeitgenössisch auch das Frontispiz von Cramer, 1624a (Prudentia mit Spiegel und Schlange, rechts unten). Siehe die Turris Antoniae zu ↑ a, hier S. 266, Z. 2. Strölin war sicher geläufig, daß das hebräische !‫ אֶמֶת‬in einer Reihe biblischer Kontexte die subjektiven Bedeutungsaspekte Wahrhaftigkeit und Treue herausstellt. Siehe bes. Gen 24,27; Ps 57,10; 89,2.14.24.49; s. a. den Art. !‫ אֶמֶת‬. In: Buxtorf, 1658, S. 20 (»Veritas, Fides«). Siehe »Veritas sigillum eius« in Strölins lateinischer Erklärung, hier S. 321, Z. 7; s. a. !‫אמת‬ in Z. 1; vgl. auch Antonias Psalmengebetsplan für Sonntag; dazu hier S. 98. Siehe Reuchlin, 2010, S. 434, in der Übersetzung, ebd., S. 435/437: »Sein Geheimnis ist es, daß er ehieh mit emet besiegelt, also die Essenz mit der Wahrheit. Zum Beispiel sagt der große Vorsprecher Elieser ha-Kallir: ›emet chotamo‹, d. h.: ›Emet ist sein Siegel‹.« Für !‫ אֶמֶת‬steht hier die Umschrift »emet«. Siehe auch Reuchlin, 2010, S. 458/460. Im zeitgenössisch maßgeblichen theologischen Handbuch des lutherischen Württemberg beansprucht die Veritas in der Beschreibung des göttlichen Wesens einen vorzüglichen Platz. Das spiegelt zugleich einen konfessionsübergreifenden Konsens wider. Siehe Hafenreffer, 1603, S. 39; dazu hier S. 119; s. a. auch Gerhard, 1863, S. 363f. (Loci 2,16,285–290); ferner die TugendDefinition (i. S. v. Veracitas) Melanchthons: Philosophiae moralis epitome, CR 16, Sp. 151: »[...] habitum voluntatis, videlicet amorem veritatis et simplicitatis in omnibus dictis et factis, in omni consuetudine vitae, et odium acre simulationis, fucorum, sophistices, calum-

2.2 Strölins Kabbala-Studien

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2.2.5 Rückblick und Ausblick: Die Sonderstellung des Lehrtafel-Projekts Weniger für die drei oberen, jedoch umso mehr für die sieben unteren Sefirot hält Strölins Turris Antoniae Überraschungen bereit, die es verbieten, dieses offenbar als Riß und Legende zur Lehrtafel konzipierte Dokument hier einfach anzureihen. Die Analyse der Turris führt über den Rahmen einer Betrachtung zu Strölins Kabbala-Studien deutlich hinaus. Nach ihrem Gehalt und ihrer Überschrift ist der natürliche Ort der Turris das Lehrtafel-Projekt des Gelehrtenkreises um Antonia. Davon läßt sich das Dokument nicht ohne Schaden isolieren, um es etwa als Seitenstück oder auch als Weiterentwicklung neben oder über Strölins vier Kurze Erklärungen und sein Tableau zu den Gottesnamen zu stellen. In diesem künstlerischen Projekt stehen die Sefirot zwar noch im Zentrum der Beschäftigung mit der Kabbala, aber diese Beschäftigung tritt ihrerseits in den Dienst einer umfassenderen Aufgabe, der Konzeption und Ausgestaltung einer Lehrtafel bis ins letzte Detail dessen, was dann ein professioneller Maler in Öl darzustellen hat. Dadurch gerät auch die Beschäftigung mit den Sefirot unter einen neuen und größeren interpretatorischen Erwartungsdruck: Ihre Präsenz sollte erweisbar etwas zur theologischen Erkenntnis und geistlichen Erbauung in einem öffentlichen Raum beitragen können, und dies in eben dem Erwartungsrahmen, der durch die Gattungen ›Lehrtafel‹ und ›Epitaphschrein‹ frühneuzeitlich vorgegeben ist.404 Der Blick auf Raiths Predigt verdeutlicht die wenig komfortable Lage: Wer im lutherischen Württemberg der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine Sefirotdarstellung in einer Kirche riskiert, darf auf breite enthusiastische Zustimmung nicht hoffen. Er muß froh sein, wenn man ihn einigermaßen wohlwollend oder auch nur nachsichtig gewähren läßt, vielleicht aber auch nur schweigt im Respekt vor dem Rang und Namen des Stifters.405 Daß sich der Gelehrtenkreis um Antonia dieses Erwartungsdruckes durchaus bewußt war, läßt sich zeigen.406 Im Ganzen wie im Detail knüpfte er, wo möglich, an Konventionen an; wo nötig, suchte er nach unkonventionellen Ad-

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niarum, stropharum et quidquid est huiusmodi artificiorum.« Siehe ferner die Behandlung beim achten Dekaloggebot bei Dems. (Ethicae doctrinae elementa, CR 16, Sp. 218) u. bei Chytraeus, 1565. Zur Darstellung der Wahrheit auf der Lehrtafel s. hier S. 127, ferner S. 183. Vgl. auch ihre Präsenz in einer allegorischen Darstellung der Krönung der Confessio Augustana, hier Abb. 45; dazu hier S. 127 (Anm.). Zur kunsthistorischen Einordnung der Lehrtafel s. oben S. 46. Zur lutherischen Haltung in der interkonfessionell kontroversen Bilderfrage s. einführend Kaufmann, 2006, S. 157–204. Siehe zur Rezeption in zeitgenössischen Predigten, hier S. 4 u. 239; s. a. Oetingers Darstellungsstrategie, die sich nicht zuletzt auf Antonias gesellschaftlichen Rang stützt. Siehe dazu hier S. 23. Zur nachweislichen Frühdatierung der Stiftungsabsicht s. hier S. 35f. Siehe dazu hier die nächste Studie.

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2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

aptationen. Weit mehr noch als die Behandlung der oberen Sefirot zeigt die Behandlung der sieben unteren zahlreiche konventionelle Elemente in ungewöhnlichen Adaptationen. Gelehrte wie weniger gelehrte Betrachter und Leser können so in den Artefakten und Dokumenten des Gelehrtenkreises um Antonia auf Schritt und Tritt Bekanntes finden, doch vielfach in überraschender Kombination und ungewöhnlicher Beleuchtung. Man könnte nun vor aller Detailbetrachtung auf die Idee kommen, in Strölins Beschäftigung mit den Sefirot eine entsprechende Trennlinie zwischen einer eher rezeptiv-konservierenden Phase und einer innovativ-adaptierenden zu ziehen, die Kurzen Erklärungen und das Tableau zu den Gottesnamen diesseits der Linie aufzustellen, die Turris hingegen jenseits samt weiteren einschlägigen Texten und Artefakten mit denselben ungewöhnlichen Adaptationen, unter ihnen vor allem die Lehrtafel selbst sowie deren Beschreibung durch die Pictura docens. Dieser Ordnungsversuch ist jedoch heikel. Denn erstens muß man dafür auch Dokumente berücksichtigen, die hier noch gar nicht genannt wurden, und für sie alle prüfen, inwiefern ihnen ein innovativ-adaptierender Charakter zukommt oder nicht. Und zweitens sollte die angenommene Mehrphasigkeit sich wenigstens tendenziell auch in einem zeitlichen Nacheinander manifestieren. Ein innovativ-adaptierender Charakter läßt sich nun strenggenommen keinem der vorhandenen Dokumente völlig absprechen. Nicht einmal bei Strölins Kurzen Erklärungen und dem Tableau ist dies sicher möglich, mag auf den ersten Blick auch vor allem ihre Abhängigkeit von Vorlagen auffallen und an reine Exzerpte denken lassen. Bei keiner der Erklärungen begnügt sich Strölin aber mit einem bloßen Ausschreiben Agrippas. Möglicherweise sind zumal die kürzere, in Schönschrift abgefaßte, hebräische und die deutsche Erklärung dann zugleich auch für die Belehrung und Erbauung anderer, z. B. Antonias, bestimmt gewesen und Ergebnisse entsprechender Adaptationen.407 Beim Tableau zu den Gottesnamen warnt seine auffällige Gestaltung als Komposition von siebenmal sieben Feldern mit den vier Erzengeln in den Eckfeldern vor voreiligen Schlüssen, zumal diese Gestaltung eine direkte Parallele auf dem Tableau zum Brustschild des Hohenpriesters hat, wo bei analoger Feldanzahl und -verteilung Seraphen und Cheruben die Ecken besetzen samt der Notiz »gemahlt«.408 Sehen so anspruchslose Exzerpte aus? Für das Tableau zu den Gottesnamen ist jedenfalls wahrscheinlich, daß die beschriebene Gestaltung von Strölin selbst vorgenommen wurde zur synoptischen Erschließung dessen, was hauptsächlich das dritte Buch der Ars cabalistica Reuchlins zu den Gottesnamen ausführt. Erst recht beweist Strölin Eigenständigkeit in zwei Entwürfen, welche bislang noch nicht zur Sprache gekommen sind, nämlich einem 407 408

Siehe hier die Einleitung zum Kommentar zu den Erklärungen, S. 331 Siehe dazu hier S. 357.

2.2 Strölins Kabbala-Studien

123

heraldischen und einem emblematischen Sefirotschema, beide wohl als Beilagen zu Glückwunschschreiben an Antonia gedacht.409 Ein gewisses Maß an Eigenständigkeit beweisen ferner auch zwei Entwürfe für Sefirotadaptationen von der Hand Antonias, beide wohl ebenfalls als Glückwünsche zu Neujahr für ein anderes Mitglied des Herzogshauses bestimmt (Eberhard III.?).410 Der Blick auf die vorhandenen Möglichkeiten einer genaueren Datierung macht den beschriebenen Versuch nun vollends unmöglich: Undatiert sind die Kurzen Erklärungen. Plausibel ist für sie die Annahme eines terminus post quem: Sie setzen eine intensive Beschäftigung mit Reuchlin, Agrippa usw. voraus. Strölins Reuchlinexemplar zeigt einen Besitzervermerk für 1649 und intensive Benutzerspuren.411 Auf dem Tableau zu den Gottesnamen steht zwar unten eine Notiz mit der Jahreszahl »1655«, die nahelegt, der Text sei im selben Jahr wie das Tableau zum hohepriesterlichen Brustschild entstanden.412 Was genau aber so datiert wird, ist fraglich. Wird so der Beginn und/oder die Vollendung der Ausarbeitung markiert? Die beiden Sefirotadaptationen Antonias beziehen sich ausdrücklich auf 1657 und 1659. Allerdings handelt es sich nur um provisorische Datierungen auf Entwürfen. Strölins heraldisches Schema entstand wohl Ende 1659; das emblematische Schema ist leider nicht näher datierbar. Für die Lehrtafel ist ein Datum ihrer »Geburt« (1658) und ihrer »Errichtung« überliefert (1659), ebenso 409

410 411

412

Siehe den Entwurf für ein Schema auf das Wappen der Herzöge von Württemberg, wohl als Neujahrsgruß für ein Mitglied des Herzogshauses (Antonia?) formuliert (WLB Cod. hist. fol. 551, S. [114r ]), datiert wohl auf 1660 (die im beigegebenen Chronogramm angedeutete Jahreszahl ist aufgrund einer Selbstkorrektur nicht zweifelsfrei erschließbar: »VVvrteMberger [ vr korr. aus VV; wäre Vr zu lesen, ergäbe sich die Datierung auf 1665] VVappen gVt | VVär, VnDt VVaChs Von Gottes hVt.«). Eine gestrichene Bemerkung Strölins zwischen Schema und Chronogramm weist auf einen Neujahrsgruß hin: »Einfeltigst verfasst | Auff d[a]z Newe Jahr Von der heilwertigen geburt | Vnsers Jmmanuels«. Der Entwurf eines emblematischen Schemas (ebd., S. [109r ]) umspielt die Taube als Symbol der Braut Christi unter der Überschrift: »!‫א‬³‫י‬¢‫ עַנžּתֹונ‬M‫[ יֹו‬Tag Antonias] | !‫א‬É‫[ נžעִימֹות יֹו‬Die Wonnen der Taube].« Wahrscheinlich meint !‫א‬³‫י‬¢‫ עַנžּתֹונ‬M‫ יֹו‬Antonias Tauftag, denn in einem Brief an Steudner meint Strölin mit der vergleichbaren Formulierung »Die festivo Antoniano« sicher den Tauf- und nicht den Geburtstag. Siehe dazu hier S. 385. Jedenfalls ist es ein Entwurf für ein Glückwunschschreiben. Eine vollständige Entzifferung und genauere Datierung ist bis auf weiteres nicht möglich. Ein weiterer Entwurf auf Sefirotbasis im Nachlaß (ebd. S. [108r ]) stammt von fremder Hand und hat die Überschrift: »Entwerffung Christlichen Kürchenbaws auff alt Rabinis[c]hen grund riß«. Auch dieser beschriftete »Riß« ist undatiert und bislang nicht vollständig entziffert. Siehe dazu Häußermann, 1966, S. 105 u. 113f.; Felgentreu, 2007, S. XCIII. Siehe WLB Cod. or. 2° 4, S. [4v ] u. [5v ], hier S. 363, ferner 98. Siehe zu diesem Exemplar hier S. 117. 1649 hatte Antonia sich die Anfangsgründe des Hebräischen bereits erfolgreich angeeignet. Siehe dazu Gruhl/Morgenstern, 2006, sowie hier den Brief an Andreae und den Brief von Koch (s. hier S. 307 u. 317). Siehe hier S. 349 und 357 sowie ebd. die Kommentare. Das Tableau zum Brustschild wird von Strölin ausdrücklich als Exzerpt auf »1655« datiert.

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2 Kabbalistisches im Nachlaß Antonias und Strölins

für Erstellung ihrer Beschreibung durch die Pictura docens (1660). Schaut man in die Kontexte, sind diese Datierungen aber wiederum nur Bestandteile eines Entwurfs bzw. einer vorläufigen Reinschrift mit zahlreichen Korrekturspuren und darum mit Vorsicht zu genießen.413 Das Jahr 1663 ist dann terminus ante quem für die Turris, einigermaßen sicher auch für die Pictura.414 Während eine weitgehende Vollendung des Lehrtafel-Gemäldes spätestens zu Antonias Geburtstag 1663 als gesichert gelten kann, ist für die völlige Fertigstellung des Epitaphschreins in Bad Teinach samt allen Gemälden vermutlich erst die Mitte des Jahres 1673 ein einigermaßen sicherer terminus ante quem.415 Die Möglichkeiten einer genaueren Datierung sprechen also nicht für die Annahme einer klaren zeitlichen Trennlinie zwischen verschiedenen Phasen. Vielmehr sind die wichtigsten Zeugnisse von Strölins und Antonias Sefirotadaptationen in etwa demselben Jahrfünft (1655–1660) bzw. kurz davor oder danach entstanden. Da sich eine klare Trennlinie anhand einer zeitlichen Abfolge und eines Fehlens bzw. Vorliegens eines intellektuell-künstlerischen Anspruches für die betrachteten Dokumente nicht ziehen läßt, bleibt nur die Unterscheidung nach konkreter Projektnähe oder -ferne. Zum Projekt gehören demnach neben der

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Für das erste Datum s. die Passage zur Aloe (vorne links unten auf der Lehrtafel zu sehen) in der Pictura, bes. Z. 1920f.: »Idem enim exotico huic flori, huic exegetico operi | natalis fuit«. Siehe dazu Schmidlin, 2007, S. 161: »Denn diese exotische Pflanze und dieses exegetische Werk haben dasselbe Geburtsdatum«. Gemeint ist nach dem Kontext nämlich höchstwahrscheinlich »[dies] natalis«. Zur Sache s. Fleischhauer, 1981, S. 83: »Ein typischer Auftrag des [Stuttgarter; R.G.] Hofes war das Gemälde der großen Aloe von 1658 von dem Calwer Maler Lorenz Braun für das Lusthaus. Die Aloe mit ihrer bizarren Gestalt, der auch die Symbolik der Zeit Bedeutung beimaß, hat das Interesse der Barockmenschen besonders angesprochen. So wurde das Blühen der Aloe in der Salzdahlumer Orangerie des Herzogs von Braunschweig sogar jeweils durch die Prägung einer Medaille verewigt.« Für den Hinweis auf diese Datierungsmöglichkeit danke ich Isolde Betz. Für die beiden anderen Daten s. das Chronogramm (hier als Eteostichon ausgestaltet) auf einem der beiden erhaltenen Titelblattentwürfe (s. WLB Cod. hist. fol. 551, S. [1r ]; Schmidlin, 2007, S. 2). Zur Gattung Chronogramm s. hier S. 395 (im Kommentar zu Z. 32). Man hat im Antoniakreis aber zumindest die Pictura bis einschließlich 1662 weiter bearbeitet und vervollkommnet, wie Strölins erhaltene Korrespondenz mit Steudner, Spener und Schmidlin zeigt. Einer der beiden Entwürfe des Widmungsschreibens für die Pictura ist datiert auf den 10. September 1662 (s. Cod. hist. fol. 551, S. [55v ]; Schmidlin, 2007, S. 20). Siehe die Nachricht bei Oetinger zur Vorlage der Pictura bei der Zensur (dazu hier S. 30) und das Todesdatum Strölins, das den Entstehungszeitraum der Turris begrenzt (31.1.1663 jul.; dazu hier S. 399). Siehe im Nachruf auf Antonia (Württembergisches Hausarchiv, Bestände über einzelne Personen, G 86, Bü. 1, Fasz. 1, S. [8v ]; s. dazu hier S. 7): »Als dieselbe ihren funfzigsten geburts=tag begienge, ware dise tafel schon in ihrer vollständigkeit, allwo mittler=weil, die zehen haupt=bilder, also erklärt wurden, das dardurch die feyrung des rechten jubeljahres (so das ewige leben bedeutet) Ihro angewünschet werden.«

2.2 Strölins Kabbala-Studien

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Turris die Lehrtafel, die Pictura sowie einige Seitenstücke.416 Gemeinsam ist ihnen nicht nur das erwartbar hohe Maß an zumal ikonographisch erfaßbaren Übereinstimmungen bis ins Detail, sie teilen auch in der Sefirotdeutung eine besonders große Familienähnlichkeit.417 Diese zeigt sich zumal in dem Ausmaß innovativer Deutungen der 4. und 5. sowie der 9. und 10. Sefira mit Auswirkungen auch für das Verständnis der 6. Sefira, wie die folgende Studie zeigt.

416 417

Siehe die Übersicht hier S. 13 (Anm. 45). Am nächsten kommt ihnen konzeptionell Strölins emblematisches Sefirotschema, mit Abstrichen auch sein heraldisches Schema. Siehe dazu hier S. 168. Zur Projektnähe bzw. -ferne von Antonias Psalmenplan s. bes. S. 178, Anm. 189.

3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt 3.1 Die Dreieinigkeit im Kontext der oberen Sefirot Von der Konzeption der drei oberen Sefirot innerhalb des Lehrtafel-Projekts war bereits die Rede.1 Verglichen mit der Turris Antoniae bietet die Lehrtafel eine noch reichere Ausgestaltung, indem sie zu einer ersten Bedeutungsreihe (Wahrheit, Weisheit und Klugheit) eine weitere gibt mit Liebe, Glaube und Hoffnung (s. Abb. 17). Vor allem von der Liebe wird unten noch mehr zu sagen sein.2 Ein christlich-trinitarisches Verständnis der drei oben Sefirot sichert auf der Lehrtafel gleich eine ganze Reihe von Hinweisen: Die sieben Augen erinnern an die Person des Vaters, die Sterne an den Sohn und die Feuerzungen an den Heiligen Geist. Wichtig ist aber besonders, wie ein subordinatianisches Fehl1 2

Siehe hier S. 120; zur Turris s. a. S. 33 u. 266. Zur Anlehnung an die zahlreichen frühneuzeitlichen Verbildlichungen der theologischen Kardinaltugenden (s. 1 Kor 13,13) s. v. a. Betz, 2013, S. 76f. Zeitgenössisch werden entsprechende allegorische Darstellungen von Tugenden und anderen kulturprägenden Instanzen und Kräften je nach Kontext mal konventioneller (s. Abb. 18 u. 19), mal aber auch freier ausgestaltet und gruppiert. Zur Präsenz der Wahrheit s. etwa die Krönung der Confessio Augustana (auf einem anonymen, 1632 veröffentlichten Jubiläumsblatt für das Gedenkjahr 1630) im Beisein von »FRID.«, »WARHEIT.« [Attribut: aufgeschlagenes Buch, worin steht: »PRO ¨ VERBO DEI«], »GLAVB.«, »GEDVLT«, »FVRSICHTIGKEIT.« [Prudentia, Klugheit], »STÄRCKH.« und »SIG.« (s. Marsch, 1980, S. 68 u. Abb. 57, hier Abb. 45). Die Wahrheit wird auf der Lehrtafel durch die zur Schwurhand erhobene Rechte der Allegorie der 1. Sefira versinnbildlicht. Dasselbe Attribut kennzeichnet übrigens auch die 10. Sefira. Dieselbe Darstellungsweise findet sich auch auf einem Thesenblatt des Slovacius (s. Abb. 37, links unten), vorausgesetzt man deutet dort die »ans Kinn gelegte Rechte« nicht als »Nachdenklichkeit signalisierenden Gestus« (Harms/Schilling, 1989, Nr. III,52, S. 106), sondern, m. E. richtiger, als Schwurhand. Nicht nämlich die Hand insgesamt, sondern Zeige- und Mittelfinger werden auf der Darstellung in Richtung Mund in die Höhe gestreckt in Korrespondenz zum daneben stehenden Dictum aus Mt 5,37. Es geht also um entschiedene Klarheit des Aussagens, nicht um Nachdenklichkeit. Siehe auch hier S. 166 und die Kommentierung der Pictura docens, Z. 54 (»Iure Iurato miserorum miserescentis«). Zur Darstellung der Liebe durch das Attribut des flammenden Herzens in Abgrenzung zur Charitasdarstellung bei der 6. Sefira s. hier S. 170, ferner 100. Zur korrespondierenden Attributreihe bei der »Anima fidelis« am Eingang des Gartens auf der Lehrtafel und auf dem Epitaphgemälde des Teinacher Schreins s. noch einmal S. 170ff., ferner 148. Neben dem Kelch kennzeichnet das Attribut der Wasserkanne (Hinweis auf die Taufe) die 2. Sefira als den Glauben (Fides), nicht aber als die Mäßigkeit (Temperantia), wie Raith, 1673, S. 3 (hier S. 242) und auch Moltmann-Wendel, 1989, S. 116, mißverstanden; richtig hingegen Betz, 2013, S. 77. Zur 5. Sefira als Temperantia-Darstellung s. hier weiter unten S. 145, Anm. 58. Zu Schlange u. Spiegel bei der Klugheit s. hier S. 120 (Anm.).

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3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

verständnis mittels der verketteten Kronen über den Häuptern der drei allegorischen Frauengestalten abgewehrt wird.3 Den gedanklich anspruchsvollsten Hinweis zu geben ist schließlich Aufgabe der Medaillonfelder in ihrer Mitte (s. noch einmal Abb. 17). Das mittlere, große Feld zeigt drei geometrische Grundformen (Kreis, Dreieck, Quadrat), gewissermaßen gerahmt von den drei Worten der Akklamation aus Jes 6,3 (und Offb 4,8) in der Ursprache zitiert (!‫קדוש קדוש קדוש‬, Trishagion, Dreimal heilig). Das ist ein locus classicus der christlich-trinitarischen Bibelauslegung. Ein dreiblättriges Kleeblatt nimmt den freien Mittelraum ein. In drei Silben zerlegt flankiert !‫ה‬³‫ יž הֹ ו‬die drei Blätter des Kleeblattes als Platzhalter des wichtigsten alttestamentlichen Gottesnamens, des Tetragrammes.4 Zum Schutz vor versehentlicher Aussprache wird es spätestens seit der Spätantike mit den Vokalen des hebräischen »HERR« (!‫י‬Éֹ‫ )אֲד‬geschrieben (!‫ה‬³‫)יžהֹו‬, was als dreisilbiges »Jehova« les- und sprechbar ist. Diese Dreisilbigkeit wird hier offensichtlich als ein weiterer Hinweis auf die Trinität eingesetzt. Im Zentrum des Kleeblatts und zugleich des gesamten Medaillonfeldes findet sich das Auge im Strahlenkranz, üblicherweise ein Symbol für Gottes wachende Allgegenwart.5 Soweit hat bereits Betz die Elemente des Medaillonfeldes korrekt beschrieben.6 Zu ergänzen ist der Kranz von Feuerflammen innerhalb der Kreisfigur. Er spielt an auf die göttliche Epiphanie im Feuer in Ex 3. Sie ist weiter oben auf der Lehrtafel auch als Einzelszene ausgemalt, und auch dort findet sich ein Kranz von Feuerflammen (s. ↑ 4). Bislang entgangen ist den Antoniaforschern vor allem aber der Zitatcharakter des Medaillons, obwohl Christoph Geissmar bereits 1993 darauf hingewiesen hat: Zitiert wird das Frontispiz des Caelum orientis von Thomas Bang (s. Abb. 20).7 Dieses Werk, drei orientalistische Untersuchungen zu den Anfängen der Schrift, war eben erst in Kopenhagen erschienen, als der Gelehrtenkreis um Antonia die Konzeption der Lehrtafel entwickelte. Bangs Werk war nicht nur in Stuttgart bekannt, sondern beispielsweise auch in den Niederlanden, wie die Untersuchung von Geissmar zum Titelkupfer der Amsterdamer Böhmeausga-

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5 6 7

Siehe dazu hier S. 133. Zu Augen, Sternen u. Feuerzungen s. Raith, 1673, S. 3, hier 239, Z. 82, 99, 114f. (App.), ferner den Kurtzen Begriff, hier S. 284, Z. 17 u. 26. Zur Zentralstellung des Tetragrammes unter den Gottesnamen s. hier S. 114. Diese Stellung wird in der Frühen Neuzeit in vielen bildlichen Darstellungen reflektiert. Das Tetragramm ist neben dem Auge das wichtigste und beliebte Symbol göttlicher Präsenz. Siehe etwa mehrfach bei Merian (Merian, 1965 S. 21, 45, 161) u. auf einer Lehrtafel in Bopfingen/Ostalb, entstanden nach 1650 (s. Brückner, 2007, Tafel 22, S. 227). Siehe etwa Comenius, 1658, S. 304. Siehe Betz, 2013, S. 78f. Siehe Bang, 1657; Geissmar, 1993, bes. S. 59f. Zu Bangs Werk s. a. Cornelius, 1965.

3.1 Die Dreieinigkeit im Kontext der oberen Sefirot

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be von 1682 zeigt.8 Man darf daraus folgern, daß die Schöpfer der Lehrtafel damit rechneten, ja es darauf anlegten, bei wenigstens einigen Betrachtern die Erinnerung an Bangs Frontispiz zu wecken.9 Doch auch für einen gebildeten Betrachter, der Bangs Frontispiz nicht kannte, war das Medaillonfeld wenigstens in Teilen sofort verständlich, kombiniert es doch seinerseits weitgehend bekannte Elemente. Das gilt vor allem für Dreieck (Dreieinigkeit) und Auge (Allgegenwart bzw. Allwissenheit) und das Tetragramm. Hinzutreten konnten neben der abstrakten Kreisfigur die Umkränzungen aus Lichtstrahlen, Flammen und Wolken als Anspielungen auf Begleitumstände der göttlichen Epiphanie.10 Ob Geissmars Rekonstruktion einer Symbolgeschichte des göttlichen Auges insgesamt stimmig ist, in der Bangs Bildkomposition eine »Mischform« repräsentiere, kann hier nicht untersucht werden. Augenscheinlich unzutreffend ist es jedoch, wenn er von einer »Wolke« spricht,11 wo bei Bang ein Kleeblatt zu sehen ist, das als solches auch von den Schöpfern der Lehrtafel erkannt und in blassem Grün wiedergegeben worden ist.12 Das von Bang beigegebene Motto »NON EXPRIMOR« wird von Geissmar übersetzt mit »›ich werde nicht ausgesprochen‹ oder »›ich werde nicht dargestellt‹«.13 Nach seiner Deutung spielt dieses Motto auf das spannungsvolle Verhältnis zweier verschiedener theologischer Vorstellungen an, der Unaussprechlichkeit des heiligsten Gottesnamens nach jüdischer Tradition einerseits, der christlichen Trinität andererseits. Daß beide Vorstellungen bei Bang präsent sind, ist unstrittig: Das in drei Silben zer8 9

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Siehe Geissmar, 1993, passim. Geissmars Behauptung, Bangs Werk sei »sehr selten« (ebd., S. 60), stützt sich wohl auf die spärlichen Nachweise in modernen Bibliothekskatalogen. Nicht nur Bangs rasche Rezeption in Stuttgart zeigt, daß diese Behauptung einer Relativierung bedarf. Siehe Cornelius, 1965, S. 12; hier S. 83. Und ganz grundsätzlich ist festzuhalten, daß die Hebraistik bzw. die sich allmählich formierende Orientalistik des 17. Jahrhunderts und entsprechende Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt mit weit mehr Aufmerksamkeit in der res publica literaria rechnen konnten als in späteren Jahrhunderten. Siehe dazu jetzt Gruhl, 2011, mit weiteren Literaturhinweisen. Siehe die zeitgenössische Bibelillustrationen bei Merian, 1965, S. 21 u. 69 (zu Gen 1 und Ex 19), vgl. auch ebd. S. 200 (zu Mt 3), 240 (zu Mt 25), 281 (zu Offb 4); Comenius, 1658, S. 6. Kircher expliziert in seiner »Arbor philosophica« die trinitarische Ausdeutung des Dreiecks (s. die Beschriftung im Uhrzeigersinn: »Filius, Spiritus, Pater«). Siehe ferner die Fülle des Materials bei Geissmar, 1993, bes. S. 177 (Abb. 22), 179 (25), 200 (68), 242 (149), 250 (163), 251 (164); zur Drei-Silben-Teilung des Tetragrammes s. ebd. S. 188 (44) und 202 (71f.); Kombination von drei Kronen s. ebd. 188 (44) und 206 (80); s. a. Roob, 1996, S. 636. Geissmar, 1993, S. 60. Eine andere ikonographische Fehlbestimmung bietet Oetinger mit »Hertz«. Siehe dazu hier S. 285. Einen annähernd kleeblattförmigen Nimbus findet man in der Illustration zu Offb 4 in Luther, 1545, Bd. 2, S. 2479. Das kann als Anspielung auf die Trinität verstanden werden. Siehe dazu den Art. »Nimbus«. In: Sachs, 1988, S. 267f. Geissmar, 1993, ebd.

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3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

legte !‫ה‬³‫ יžהֹו‬repräsentiert erstere, Kleeblatt, Dreieck und das Trishagion hingegen letztere. Soll jedoch Bangs Bildkomposition wirklich in der Hauptsache diese Vorstellungen in ihrem Verhältnis zueinander reflektieren? Ist sie gar »ein Zeichen für die Vermischung theologischer Vorstellungen, verbunden mit dem Hang, sie zu harmonisieren«?14 Eine Komposition von !‫ה‬³‫ יž הֹ ו‬und Trinitätssymbolen ist jedenfalls noch kein Beweis dafür, daß Bang oder der Antoniakreis ihr Verhältnis als problematisch und klärungsbedürftig angesehen hätten. Nach Geissmar seien darüber hinaus Bang und die Schöpfer der Lehrtafel zu verschiedenen Einschätzungen dieses Verhältnisses gekommen, Bang zu einer mehr optimistischen, auf Harmonie bedachten, die Schöpfer der Lehrtafel zu einem pessimistischen, »entgegengesetzten Standpunkt«: »christliche Trinitätslehre und jüdische Gottesauffassung sind nicht ohne weiteres vereinbar oder noch mehr: gottgewollt gegensätzlich, wie Kreis und Quadrat.«15 Auch hierfür bleibt Geissmar aber den Nachweis schuldig. Was erzwingt denn die Annahme, Bang und die Schöpfer der Lehrtafel hätten abweichende, ja gegensätzliche Auffassungen mit ein und derselben Bildkomposition verbunden? Der Befund bei Bang und auf der Lehrtafel läßt doch eine andere, weniger voraussetzungsreiche Deutung durchaus zu: Demnach zitierten die Schöpfer der Lehrtafel Bangs Bildkomposition, weil diese etwas ausdrückte, was auch sie im Kontext der drei oberen Sefirot vermitteln wollten. Kleeblatt, Dreieck, Trishagion und das in drei Silben zerlegte !‫ה‬³‫ יž הֹ ו‬weisen den Betrachter auf den Aspekt einer irreduziblen Dreiheit hin. Den Aspekt der unteilbaren Einheit repräsentieren andererseits Kreis, Auge sowie wohl auch der Strahlen- und Feuerkranz. Für die einen ist die beide Aspekte gleichermaßen betonende christliche Trinitätslehre nur ein intellektuelles Ärgernis und die Zurückweisung aller subordinatianischen oder modalistischen Deutungskonzepte Ausdruck einer dogmatistischen Unbelehrbarkeit, für die anderen ein gläubig anzunehmendes Mysterium. Bangs Komposition konfrontiert den Betrachter jedenfalls mit beiden Aspekten, der Dreiheit und der Einheit, ohne Abstriche. Das Motto »NON EXPRIMOR« zielt aller Wahrscheinlichkeit nach in dieselbe Richtung und wehrt alle Versuche, das Mysterium oder Ärgernis aufzulösen, nachdrücklich ab: Der eine Gott in drei Personen entzieht sich menschlichen Erklärungsversuchen. Die in der orthodoxen Trinitätslehre festgeschriebene gedankliche Unvereinbarkeit von Einheit und Dreiheit ist nun aber etwas anderes als die von Geissmar behauptete Unvereinbarkeit, ist sie doch nach orthodoxer Auffassung der Trinität inhärent. Sie steht an und für sich in keinem Spannungsverhältnis zur Unaussprechlichkeit des Tetragrammes aufgrund seiner Heiligkeit. In Spannung steht sie vielmehr zu Auffassungen von der Einheit Gottes, die eine Dreipersonalität 14 15

Ebd. Ebd.

3.1 Die Dreieinigkeit im Kontext der oberen Sefirot

131

Gottes ausschließen, wie sie u. a. im Judentum und Islam, aber auch von unitarischen Strömungen innerhalb der Christenheit vertreten wurden und werden.16 Im Zuge dieser Deutung läßt sich »NON EXPRIMOR« zudem als Anspielung auf eine Gemeinsamkeit von Trinität und Tetragramm verstehen, insofern beide menschliches Begreifen und Artikulieren in seine Schranken weisen und so in je eigener Weise eine Unaussprechlichkeit (und so gesehen auch kein Spannungsverhältnis im Sinne Geissmars) beinhalten; in beiden zeigt sich in je eigener Weise etwas von Gottes Unzugänglichkeit und Entrücktheit. Für die Deutung des Bangschen Mottos ist übrigens ein weiteres Bilddetail nicht zu vernachlässigen, über das Geissmar kein Wort verliert: Links und rechts neben der Motto-Inschrift finden sich die beiden Teile einer zerbrochenen Schreibfeder (links das gefiederte Ende, rechts die abgeflachte Schreibspitze; s. noch einmal Abb. 20). So muß sich der Betrachter fragen: Warum hat der Schreiber bzw. Zeichner sein Werkzeug zerbrochen? Geschah es aus Resignation angesichts einer unlösbaren Aufgabe? Ein weiteres Detail dürfte auf eine solche Aufgabe anspielen, die spezielle Art nämlich, mit der das Quadrat durch angedeutete Diagonallinien auf die innere Kreisfigur bezogen ist. Nach Geissmars ansprechender Vermutung ist das eine Anspielung auf die Quadratur des Kreises. Auch im 17. Jahrhundert galt sie als Inbegriff einer mit üblichen Methoden und Kräften unlösbaren Aufgabe.17 Es liegt somit für den zeitgenössischen Betrachter nahe, die zerbrochene Feder und die angedeutete Kreisquadratur zu verknüpfen und im Sinne eines Kommentars auf das angedeutete Rätsel der Dreieinigkeit zu beziehen.18 Die Schöpfer der Lehrtafel fanden wohl kein treffenderes Sinnbild für das Mysterium der Dreieinigkeit als Bangs Bildkomposition. In ihrem Zitat dieser Komposition ließen sie allerdings Bangs Motto ebenso fort wie die zerbrochene

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Zur Abwehr zeitgenössisch als Bedrohung empfundener unitarischer bzw. antitrinitarischer Strömungen auf der Lehrtafel siehe hier S. 134. Siehe Geissmar, 1993, ebd.; ferner Reich/Knobloch, 2002, bes. S. 166, 175 und 181ff. zur Unmöglichkeit einer vollkommenen Kreisquadratur in der Sicht der frühneuzeitlichen Mathematiker. Der auf der Lehrtafel dargestellte Ezechiel (s. ↑ 88) weist eine Skizze eines Näherungsvorschlages zur Kreisquadratur vor, die auf Matthias Hafenreffer zurückgeht (s. Hafenreffer, 1613, S. 341 im Appendix geometrica). Eine andere, auf die vier Elemente (Feuer, Wasser, Erde, Luft) bezogene Kreis-Quadrat-Kombination s. bei Roob, 1996, S. 342. Eine weitere Assoziationsmöglichkeit sei zumindest genannt: Nach dem Referat Knorrs kennt der Sohar in seiner Weltenlehre einen Mundus secundus mit quadratischer Grundfläche, der mit seiner Viereckigkeit auf die Vierbuchstabigkeit des wichtigsten Gottesnamens (des Tetragrammes) hinweise. Siehe Ders. Introductio in librum Sohar, sect. 2, cap. 3, § 2 (Knorr, 1684, S. 235). Ob aber Bang oder Strölin diese Lehre bekannt war oder sie aus anderen Motiven auf die Vierbuchstabigkeit des wichtigsten Gottesnamens, der in der Figur ja auch präsent ist, anspielen wollten, ist jedenfalls bis auf weiteres nicht beweisbar.

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3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

Feder.19 Bezeugen diese Auslassungen aber zugleich eine geänderte Aussageabsicht gegenüber Bang? Auffällig ist, daß das Trishagion auf der Lehrtafel anders angeordnet ist als bei Bang: Nicht den unteren Teil der Kreisfigur gibt es frei (wo bei Bang das Motto steht), sondern den oberen. So wird der Blick auf die Oberkante des Medaillonfeldes gelenkt, wo in einem weiteren, kleinen Medaillonfeld in Front der 1. Sefira !‫»( הוא‬Er«) steht: Dieses Wort ist in der jüdischen Kabbala eine prominente Bezeichnung Gottes. Sie stellt den negativtheologischen Aspekt seiner Unzugänglichkeit und Entrücktheit heraus, der die Unmöglichkeit einer gänzlich adäquaten Benennung, Beschreibung oder auch bildlichen Darstellung zur Folge hat.20 !‫ הוא‬bildet auf der Lehrtafel zusammen mit !‫ אתה‬bei der 6. Sefira und !‫ אני‬bei der 10. drei hervorgehobene Punkte auf einer Achse, die zugleich die Zentralachse des Sefirotsystems darstellt. Ein Betrachter, der das !‫ הוא‬mit den beschriebenen Sinnbildern der Trinität und der Kreisquadratur verknüpft, hat so am Ende einen negativ-theologischen Hinweis auf Gottes Unzugänglichkeit und Entrücktheit. Bangs Motto »NON EXPRIMOR« zielte nach der oben gegebenen Deutung aber auf denselben theologischen Sachverhalt. Wenn also die Schöpfer der Lehrtafel anstatt dieses Mottos das !‫ הוא‬verwenden, ist damit keine geänderte Aussageabsicht gegeben, sondern nur ein anderer Weg gefunden, der aber über Bang hinaus einen expliziten Bezug zur Kabbala herstellt. Lesbar ist dieser Hinweis allerdings nur, wenn der Betrachter mit den drei oberen Sefirot und der Bedeutung des !‫ הוא‬einigermaßen vertraut ist. Eine geänderte Aussageabsicht gegenüber Bang liegt – gegen Geissmar – damit strenggenommen nicht vor, sondern nur die Erweiterung um eine christlich-kabbalistische Bedeutungsdimension. Ist diese integrative Deutung der Medaillonfelder richtig, ergibt sich daraus ein neuer Akzent für das Verständnis des !‫הוא‬: Gewöhnlich wird es nach dem Brauch der mittelalterlich-jüdischen Kabbala nur der 1. Sefira zugeordnet. Auch in Strölins Kurzen Erklärungen geschieht dies so. Durch den eben beschriebenen Zusammenhang wird aber das !‫ הוא‬auf der 19

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Auch fehlen die angedeuteten Diagonallinien beim Quadrat und die vier Evangelistensymbole am Rand. Zu ihnen s. Geissmar, 1993, ebd. Den Evangelisten hat man auf der Lehrtafel ihren Platz woanders angewiesen, nämlich im Garten im Rahmen der Darstellung der Ecclesia (s. ↑ 89). Außerhalb des Medaillonfeldes – rechts und links jeweils auf Höhe der Evangelistensymbole – stehen bei Bang ferner vier biblische Gestalten, die mit der frühen Entwicklung der Schrift verbunden sind: Adam, Noah, Abraham (?) und Mose. Ihre Namen werden jeweils auf den Sockeln in hebräischer Schrift mitgeteilt. Die Deutung auf Abraham ist nicht ganz sicher, weil hier die Buchstaben beim Stechen besonders ungelenk ausgefallen sind. So ist die Buchstabenfolge !M‫ אברה‬nur zu erraten. Auch diese Gestalten fehlen auf der Lehrtafel, was nicht verwundert, ist die Lehrtafel doch nicht der Entwicklung der Schrift gewidmet, sondern vor allem den Sefirot. Siehe dazu hier den Kommentar zu »Jlle« in der lat. Erklärung zur 1. Sefira, hier S. 321, Z. 6.

3.1 Die Dreieinigkeit im Kontext der oberen Sefirot

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Lehrtafel auch für das Verständnis der 2. und 3. Sefira bedeutsam. Das ist im Kontext christlicher Trinitätstheologie nur konsequent. Denn abgesehen von jenen Eigenschaften, die die göttlichen Personen in ihrer Dreiheit konstituieren, sind alle Gottesprädikationen auf das eine, den Personen gemeinsame göttliche Wesen zu beziehen.21 Das gilt dann auch für die negativ-theologischen Aspekte, die mit dem !‫ הוא‬angesprochen werden. Offenbar nutzten die Schöpfer der Lehrtafel die Medaillonfelder also für Aussagen, die alle drei oberen Sefirot gleichermaßen betreffen. Ein anderes Darstellungsmittel mit demselben Effekt wählten sie für den Aspekt der »Herrschaft«: Sie gaben jeder der drei göttlichen Personen eine Krone bei und verbanden diese Kronen zusätzlich mit einer goldenen Kette (s. Abb. 17). So kommt der Betrachter weniger in Versuchung, aus der höheren und zentralen Stellung des Vaters im Darstellungsraum der Lehrtafel einen niederen Rang von Sohn und Heiligem Geist abzuleiten, anstatt nur jene emanativen Aspekte zu assoziieren, die auch die orthodoxe Trinitätslehre reflektiert in den Relationen der Zeugung und des Hervorgangs.22 Die miteinander verketteten Kronen und die Medaillonfelder sind demnach keine bloßen Schmuckelemente, sondern notwendige Beigaben, um einer naheliegenden Gefährdung der Sache durch ihre Verbildlichung entgegen zu wirken. Die Schöpfer der Lehrtafel mußten darauf reagieren, daß bei genauerem Hinsehen kabbalistische Sefirot und christliche Trinitätslehre durchaus nicht in allen Stücken harmonieren: Mit den Sefirot ist – jedenfalls im Hauptstrom frühneuzeitlicher Rezeption und Anverwandlung – die Vorstellung eines von oben nach unten sich entfaltenden Systems miteinander kommunizierender Instanzen verknüpft. Dem folgen die üblichen Verbildlichungen (Baum, Körper, Röhrenwerk oder auch Leiter), indem sie die Komplexität der Vorstellung naturgemäß reduzieren.23 Eine angemessene Darstellung der christlichen Trinität ist so von einer Sefirotdarstellung ohne weiteres nicht zu erwarten. Die verketteten Kronen und die Medaillonfelder schaffen Abhilfe, indem sie ergänzen und zurecht21

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Zu Bedeutung, Verwendung, Nutzen und Übersetzung der üblichen trinitätstheologischen Termini (u. a. »persona« und »essentia«) aus Sicht der lutherischen Orthodoxie s. ausführlich Gerhard: Loci 3,2,38–67 (Gerhard, 1863, S. 386–399). Zum Lehrbegriff s. bes. das in das Konkordienbuch aufgenommene Athanasianische Glaubensbekenntnis mit seiner Herausstellung der coaequalitas der göttlichen Personen (Art. 25; s. BSLK, S. 28–30, 29). Die dogmatisch korrekte Formulierung der Eigenschaften, die die drei Personen voneinander scheiden, listet kurz Hafenreffer, 1603, S. 65, auf: »Quae sunt illae Proprietates Hypostaticae? Pater à nullo est factus, nec creatus, nec genitus, nec procedens: Sed ab aeterno genuit Filium: à quo, ut & à Filio, Spiritus Sanctus procedit. Filius à Patre Solo est, non factus nec creatus, sed ab aeterno genitus, & in temporis plenitudine, propter salutem nostram, incarnatus, à quo, & à Patre, Spiritus Sanctus procedit.« Das ab aeterno verwehrt hier ein subordinatianisches Mißverständnis. Siehe dazu hier S. 114.

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3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

rücken. Nicht nur gegenüber Judentum und Islam bietet die Lehrtafel so eine klare Abgrenzung, sondern auch gegenüber innerchristlichen, unitarischen bzw. antitrinitarischen, speziell sozinianischen bzw. kryptosozinianischen Strömungen. Sie werden im 17. Jahrhundert von aufmerksamen Beobachtern durchaus als gegenwärtige Bedrohung wahrgenommen und mit deutlichen Worten abgewiesen.24 Der darstellerische Aufwand der verketteten Kronen und der Medaillonfelder war also vollkommen gerechtfertigt: Sie waren für die Schöpfer der Lehrtafel ein angemessener Weg, die Trinität als unverzichtbares christliches Glaubensgut anzudeuten und so die Rechtgläubigkeit ihrer christlich-kabbalistischen Sefirotdarstellung im lutherischen Württemberg zu demonstrieren.

3.2 Adler, Phönix und Paradiesvogel Die Turris Antoniae weist zusätzlich drei Vögeln auf dem angedeuteten Gebäudesims einen Platz in der Nähe der oberen Sefirot an.25 Der Phönix erschließt sich ohne Mühe als Kennzeichen der christologisch verstandenen 2. Sefira.26 Nahe liegt es auch, dem Heiligen Geist den Adler beizuordnen und dessen sprichwörtliche Scharfsichtigkeit als Sinnbild der Klugheit anzusehen.27 24

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Als Abwehrreaktionen aus der zweiten Jahrhunderthälfte seien die theologischen Dissertationen aus dem Umkeis Georg Calixts (Latermann, 1645) und Johann Wilhelm Baiers (Baumann, 1695) genannt, ferner die kritisch kommentierte Ausgabe von Johann Voelkels De vera religione (1630) durch Samuel Maresius (Maresius, 1651). Schon in diese Zeit fallen übrigens erste Versuche einer historischen Aufarbeitung (s. Sand, 1684; Lubienietzki, 1685). Siehe dazu jetzt die Überblicke bei Gustav Adolf Benrath (Art. »Antitrinitarier«. In: TRE, Bd. 3, 1978, S. 168–174), Waclaw Urban (Art. »Sozzini/Sozinianer«. In: TRE, Bd. 31, 2000, S. 598–604) und Martin Schmeisser (Schmeisser, 2012, S. 9–15). Im christlich-kabbalistischen Kontext ist v. a. Johann Stephan Rittangel zu nennen. Siehe Jezira, 1642; dazu jetzt Schmidt-Biggemann, 2013a, bes. S. 284, 288, 302, 313f. Siehe die Turris Antoniae (hier S. 266) zu ↑ 17b, 18b und c. Siehe Pictura docens, Z. 72; dazu LCI, Bd. 3 (1971), S. 430f. (Joachim Kramer); dazu Betz, 2013, S. 77, unter Berufung auf das einschlägige Kapitel des Physiologus. Siehe von den zeitgenössischen Autoren v. a. Aldrovandi, 1646, S. 806–833. Zu Gottes Weisheit s. Gerhard: Loci 2,14,258–265 (Gerhard, 1863, S. 355–357). Siehe Valeriano, 1678, S. 233 (Ingenium velox. cap. XVIII.): »PIndarus cum aliis plerisque locis, tum praecipue Nemeis, ingenii promptitudinem & velocitatem per Aquilam ostendit, sumpta ab eo comparatione, quod praedam etiam valde procul distantem mira pernicitate nanciscatur, visuque ita polleat, ut profundissima quaeque prospectet, quae omnia ingeniorum acumini sunt accommodata.« Picinelli, 1687, in seinem Adlerkapitel, S. 275, § 202: »Ita prorsus S. Joannes Apostolus intellectus sui acumine reconditissima caeli arcana penetravit. Multò maximè de infinita Dei perspicacitate id dixeris [...].« Andreae, 1619b, S. 72: »[...] quo praeterita, praesentia & futura [...] videmus [...].« Pictura docens, Z. 70; für die Assoziation mit dem Hl. Geist weist Raith, 1673, S. 3, zu Recht auf 1 Kor 2,10 hin; s. a. Betz, 2013, S. 76. Dagegen hat die Prudentia ein Fernrohr in Comenius, 1658, S. 224.

3.2 Adler, Phönix und Paradiesvogel

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Ernstere Schwierigkeiten macht das dritte Tier, das als »Paradiesvogel« ([avis] »paradisiaca«) in der Turris Antoniae einer besonderen, im übrigen aber leeren Kreisfläche unterhalb des Vaters zugewiesen ist (Abb. 7, ↑ 18c). Gerne wüßte man genauer, was es mit der Kreisfläche auf sich hat und ob dieser Vogel, wie Phönix und Adler, nur einer göttlichen Person oder allen dreien angehört. Statt der Kreisfläche in der Turris Antoniae bietet die Lehrtafel drei Medaillonfelder. Unter dem mittleren, großen Feld hat der kleinste, aber farbenprächtigste der drei Vögel ein eigenes Feld erhalten (s. Abb. 17). Bei seiner zoologischen Deutung stieß Betz auf Schwierigkeiten. Nach dem Augenschein meinte er, in dem Tier einen Jagdfasan erkennen zu können. Andererseits wußte er auch ohne Kenntnis der Turris Antoniae von der Absicht, einen Paradiesvogel darzustellen.28 Und er fand den Paradiesvogel schließlich in der frühneuzeitlichen Emblematik besprochen, allerdings als Wundertier ohne Füße, das sich beständig in den himmlischen Regionen in der Schwebe halte und sich nur von Tau ernähre.29 Wie reimt sich dies jedoch zum Jagdfasan? Und dazu, daß der Vogel auf der Lehrtafel durchaus Füße hat? Auch kommt er der Körpergröße nach eher zwischen Schwalbe oder Taube zu stehen, die sich ebenfalls auf der Lehrtafel finden. Ein ausgewachsener männlicher Jagdfasan (Phasianus colchicus) müßte in diesem Umfeld größer ausfallen. Abgesehen von der Frage der fehlenden Füße paßt der Vogel auf der Lehrtafel nach Aussehen und Darstellungsabsicht wohl noch am besten zu der Beschreibung und Abbildung, die Aldrovandi für den Kleineren Paradiesvogel gibt. Aldrovandi berichtet, er habe ein Exemplar dieser Spezies 1577 bei einem Sammler in Rom selbst untersucht: Der Schnabel sei zwei Finger lang, oben leicht gebogen und farblich zwischen safrangelb und grün die Mitte haltend, der Kopf sonst weiß, safrangelb und goldfarben getupft. Das Gefieder sei an der Brust, am Rückenende und teils auch an den Flügeln in Rottönen gehalten, sonst gelb bis weiß glänzend.30 Setzt man nun voraus, daß der Maler 28

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Betz lag WLB Cod. hist. fol. 551 vor, in dem die Pictura docens in mehreren Entwurfsfassungen enthalten ist; s. dazu hier S. 13 (Anm. 45). Die entsprechenden Zeilen 61f. werden hier weiter unten zitiert. Siehe Betz, 2013, S. 85f., bes. 85: »Die dunkelgrüne Färbung des Kopfes ist scharf abgegrenzt gegen die Kupferfarbe des Körpers und des langen quergebänderten Schwanzes. Ohne Zweifel haben wir hier das Abbild eines Jagdfasans vor uns.« Zur Beziehung der Lehrtafel zur zeitgenössischen Emblematik s. Breymayer in Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 1–30, u. Breymayer, 1978. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob es gerechtfertigt ist, genauer noch von »frühpietistischer Emblematik« zu sprechen (s. so zuletzt Breymayer, 1998, S. 312). Siehe dazu hier S. 419. Siehe Aldrovandi, 1646, S. 811: »Ea caput habebat album ferè, maculis luteis, aureisque perfusum [...]; rostrum inter luteum, & viridem medium duos ditigos longum, in supina parte quodammodò recuruum [...]. In pectore aliquo pacte rubescebat. Venter, dorsum, & alae candicabant, hae tamen superius vbique, & in fine erant ferrugineae. Dorsum primò ad

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3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

der Lehrtafel neben diesen Angaben zur Farbe nur die monochromen Tafeln bei Aldrovandi (s. Abb. 21), Nieremberg oder Jonston zur Verfügung hatte,31 wundert es nicht, daß der Vogel auf der Lehrtafel wirklich nur eine entfernte Ähnlichkeit mit dem Original in natura aufweist und Betz an den Jagdfasan erinnern konnte.32 Die Tierkundler des 16. Jahrhunderts konnten nach den damals vorhandenen Informationen noch glauben, daß die Paradiesvögel von Natur aus wunderbarerweise keine Füße hätten.33 Doch verwahrt sich Aldrovandi andererseits gegen die Nachricht, daß diese Vögel selbst schlafend in der Luft schweben würden und sich ausschließlich vom Himmelsthau ernährten.34 Im 17. Jahrhundert gewann die Auffassung an Boden, daß diese Vögel ihrer Natur nach doch Füße hätten. Daß die Eingeborenen die Füße bei den zugänglichen Exemplaren nur nach ihrer Gewohnheit entfernt hätten, um die hochgeschätzte Federpracht vor Verunreinigung zu schützen, war eine ernüchternde Auskunft, die sich aber schließlich durchsetzte. Nieremberg referiert die Streitfrage und bedauert ausdrücklich die negativen Folgen für die erbauliche Naturbetrachtung und die Emblematik.35 Man mußte nun ohne die eindrücklichsten und wun-

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flauum quodammodò tendere videbatur; posteaquam verò vropygium [die Knöchelchen am Schwanzansatz; R.G.] attingit, ad rubicundum, seu ferrugineum colorem vergebat.« Aldrovandi vergleicht die Größe des Kopfes mit der einer Walnuß (s. ebd., S. 807), den Schnabel mit dem des Spatzen (s. ebd., S. 811). Zur Größe vgl. Aldrovandis Aussage zum Größeren Paradiesvogel: Abgesehen von den weit langen, prachtvollen Schwanzfedern ähnele dieser nach Größe und Form einer Schwalbe (s. ebd., S. 809). Jonston schreibt weithin nur Aldrovandi aus (s. Jonston, 1650, S. 169–171). Siehe auch Zedler, Bd. 26, Sp. 772: »Aldrovandi zehlet derselben vier Gattungen, und andere weniger. Eine derselben wird die grössere, die andere die kleinere genannt. Die erste ist am Leibe nicht grösser als eine Schwalbe, hat einen spitzigen Schnabel, eines Zolles lang [...]. [...] Die kleinere Gattung ist der vorigen mehrenteils gleich, ohne, daß der Schnabel dunckel=blau, der Kopff rußfarbig, der Rücken aschenfarbig, ins Gelbe fallend, und die Flügel an Farben etwas heller anzusehen sind.« Die Abbildung gibt die Tafel bei Aldrovandi, 1646, S. 810, wieder; s. a. Jonston, ebd., Tab. 55. Strölin bezeugt in einem Brief die Kenntnis Aldrovandis und Jonstons. Siehe den Brief Strölins an Steudner, hier S. 383. Man vergleiche die heute reichlich vorhandenen Farbaufnahmen des Paradisaea minor (Linné) und des Phasianus colchicus. Aldrovandi, 1646, S. 806f.: »MANVCODIATIS omnibus certam magnitudinem assignari non posse, satis ex ijs, quae iam dictae sunt, constare arbitror. Omnibus tamen illud peculiare est, vt pedibus careant, & veluti fila quaedam, vel si mauis neruos, in cau- | da obtineant.« Siehe Aldrovandi, 1646, S. 807: »[...] Manucodiatas haerere in aere lubens concesserim, quiescere verò dicenti, ne iuranti quidem crediderim.« Er hält es für wahrscheinlich, daß besagte Fäden (»fila«) ihnen die Füße ersetzen und beim Ruhen in Ästen Halt geben können. Daß sich diese Vögel nur vom Tau ernähren sollen, hält Aldrovandi für ein Märchen. Er weist u. a. auf ihren Schnabel hin, der für feste Nahrung offenbar tüchtig sei. Siehe Aldrovandi, 1646, S. 808. Siehe das Rückzugsgefecht bei Nieremberg, 1635, S. 210–213 (dort wird der Bericht des Clusius zum Grund des Fehlens der Füße ausführlichst zitiert). Siehe dann Hofmann in dem Art. »PARADISUS [2]«. In: Hofmann, 1698, Bd. 3, S. 568–570, 570: »A Paradiso

3.2 Adler, Phönix und Paradiesvogel

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derbarsten Eigenschaften auskommen, die den Vogel einst zu einem dankbaren Objekt der Ausdeutung machten:36 Hat das Tier doch Füße, ernährt es sich doch nicht ausschließlich vom Himmelsthau, schwebt es auch nicht unablässig und selbst im Schlaf in höheren Regionen, bleiben der emblematischen Ausdeutung nur noch die Namensauslegung und der unbestrittene Drang des Tieres, sehr lange und sehr hoch in den Lüften zu verweilen. Schon bei Aldrovandi deutet sich eine entsprechende reduktive Adaptation in der Ausdeutung an: Sie vergleicht den Vogel mit der menschlichen Seele in ihrem himmlischen Drang, da auch sie ja in Verachtung alles Irdischen und Vergänglichen den Drang in die Höhe habe, das heißt Himmlisches für sich erflehe.37 Wie der Vogel lasse sie endlich im Tode den Leib mit seiner Erdenschwere hinter sich. Aldrovandi berichtet, er habe ein Emblem mit diesem Vogel für sich malen lassen mit dem Motto: »So strebt der Geist nach hohen Dingen.«38 In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts notiert dann Pexenfelder nur kurz die Sinnbildlichkeit des Paradiesvogels für die gen Himmel gerichtete Betrachtung.39 Etwa hundert Jahre später ist dann keine Rede mehr von Wunderbarem und seiner erbaulichen Applikation.40

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dicuntur Paradisiacae aves, quae alias Manucodiatae, seu Mamuco diatas, h. e. aves Dei (hanc enim Etymologiam Maximil. Transylvanus reddit) dictae, ex Insulis Moluccis in Europam adferuntur: Has pro apodibus malè quidam hactenus habuêre; cum ab Insulanis ideo pedes & viscera resecentur, ne pennis, quibus maximè superbiunt, foetor adhaereat, Idem Anonym. c. 5. §. 13. Et ab amico accepi, in Ulyssis Aldrovandi Cimeliarchio istiusmodi aves cum pedibus, sed brevibus admodum, & plumis taliter involutis, ut facile procul spectantem fallant, spectandam exhiberi. Vide quoque in voce Moluccae.« Siehe ferner den Art. »Paradies=Vogel«. In: Zedler, Bd. 26, Sp. 772–775, 772f.: »Paradies=Vogel, Lufft=Vogel, Paradisea Avis, Paradisi Avis, Paradisiaca Avis, Manucodiata [...]. Von den Indianern Manotto Tiratta, oder, wie andere schreiben, Tiwatta, das ist, Gottes=Vogel, Avis Dei genannt. Ein Vogel, welcher allein in den Moluckischen Inseln auf Gilolo und Aru angetroffen wird. [...] | [...] Weil die Einwohner [...] ihm die Füsse, welche sehr kurtz und ungestalt, [...] abnehmen [...]: So hat man geglaubt, daß der Vogel keine Füsse habe, und viele andere Gedichte auf diesen Irrtum gebauet, die aber nunmehr falsch befunden worden. So viel ist gewiß, daß er mehrentheils in der Lufft schwebt, und sich von Flügen [d. h. Fliegen, kleinen Insekten; R.G.] nährt, auch nicht gefunden worden, wo er niste, und von wann er in die Inseln komme.« Siehe auch ebd., Bd. 19, S. 1133f., s. v. MANUCODIATA REGIA. Siehe Henkel/Schöne, S. 798–800. Speziell auf Camerarius, der S. 800 zitiert wird, weist zu Recht Betz hin (s. ebd., Anm. 132). Zu Camerarius und einer ihm folgenden Darstellung vom Ende des 17. Jh.s s. Lieske, 2012, S. 70f. u. Abb. 4. Siehe Aldrovandi, 1646, S. 809: »[...] spretis relictisque rebus omnibus humanis caducisque altiora, caelestia imploraret.« »SIC ANIMVS PETAT ALTA« (ebd., im Druck fälschlich »ANINVS«). Pexenfelder, 1670, S. 76: »Monocodiata seu Avis Paradisea, contemplationem caeli.« Siehe Buffon-Otto, 1788, S. 420–478. All die wunderbaren Eigenschaften dieses Vogels sind nun nichts mehr als ein (ebd., S. 423) »Gewebe von groben Jrrthümern«, und »blos eine Kette von Folgen, welche man ziemlich gut aus dem ersten Irrthum, nach welchem [im Druck:

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3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

Der bloße Tiername in der Turris Antoniae ([avis] »paradisiaca«) bietet so zwar zoologischen und emblematischen Spekulationen unbeschränkten Raum, nicht aber die bildliche Darstellung auf der Lehrtafel: Der Paradiesvogel mit Füßen fordert den Betrachter auf, die sinnbildliche Ausdeutung in Konkordanz mit den neuesten naturkundlichen Einsichten zu betreiben. Nach dem Vorbild zum Beispiel Aldrovandis und Pexenfelders ist das farbenprächtige Tier durchaus noch sinnbildlich zu verstehen: Angesichts des kleinen Vogels mit seinen ausdauernden Schwingen kann sich die Seele des Betrachters auf ihr naturgegebenes Streben nach ihrem göttlichen Ursprung besinnen. Dieser mystagogische Aspekt dient im Kontext der Lehrtafel offenbar dazu, die Hinweise auf Gottes Entrücktheit und Unbegreiflichkeit zu balancieren: Mögen den Betrachter das kabbalistische !‫ הוא‬und das dargestellte Mysterium der Trinität zunächst von weiterer Erforschung abschrecken, so kann ihn der Paradiesvogel andererseits ermutigen, seine geistigen Schwingen unerschrocken einzusetzen.41 Fazit: Michael Thielmanns Beobachtung zum frühneuzeitlichen Miteinander von sinnbildlicher Deutung und empirischer Naturerkenntnis im Falle des Eisvogels42 bestätigt sich so auch beim Paradiesvogel: Wo nötig zieht eine Revision naturgeschichtlicher Einsichten entsprechend erforderliche Revisionen der Sinnbildlichkeit nach sich. Was für das obere kleine und das große Medaillonfeld auf der Lehrtafel herausgearbeitet wurde, dürfte so auch für den Paradiesvogel auf dem unteren Feld gelten: Alle drei Felder repräsentieren eben das, was keine der drei göttlichen Personen auf Kosten der anderen reklamieren könnte und keine der drei Sefirotverbildlichungen auf der Lehrtafel für sich bereits angemessen darstellt. Wer hingegen um der Symmetrie willen den Paradiesvogel einzig der göttlichen Person des Vaters zuweist, damit dieser nicht ohne ein ornithologisches Sinnbild bleibe, wird dem beschriebenen Bedeutungs-

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welchen] der Paradiesvogel keine Füsse haben soll, gezogen hat.« Was Clusius über die Treue dieser Vögel gegenüber ihrem Anführer, dem Königsparadiesvogel, kolportiere und von Nieremberg als ein weiterer (vielleicht am Ende gar einzig Bestand habender) wunderbarer Zug begrüßt wurde, sei eine »Fabel« und »ebenso abgeschmackt, als alle die andern« (ebd., S. 443). Zur mystagogischen Bildrede von den Seelenschwingen und dem Aufflug s. Pictura docens, Z. 6f. Siehe Thielmann, 2008, S. 145f.: »Die Geschichte der Interpretation des Eisvogels liest sich daher paradigmatisch für die Tatsache, dass im 16./17. Jahrhundert die allegorische Deutung einer naturkundlichen res keineswegs schlagartig durch die naturkundliche Beschreibung und die experimentellen Wissenschaften abgelöst wurde, sondern empirische Beobachtungen erst im Zuge eines längeren Rezeptionsprozesses das traditionelle Wissen relativiert oder schließlich sogar ersetzt haben.« Siehe jetzt dazu auch Rößler, 2013, passim. Rößler mag zu Recht einen »anhaltenden Widerstand vieler Autoren gegenüber möglichen Modernisierungen« hervorheben (ebd., S. 274), die Schöpfer der Lehrtafel gehören jedenfalls bei der hier beschriebenen Behandlung von Zoologischem nicht zu dieser Autorengruppe.

3.3 Die Konzeption von Blick- und Erzählrichtungen

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gefüge nicht gerecht.43 Eine Bestätigung findet die vorgetragene Deutung in der Pictura docens, Z. 61, wo dieser Vogel keiner der drei göttlichen Personen explizit zugeordnet wird. Vielmehr gedenkt sie des Paradiesvogels in einer Bemerkung zur Unaussprechlichkeit und überwältigenden Präsenz des göttlichen Mysteriums, eingeflochten in ihre Trinitätsbeschreibung:44 Hîc Animam Paradisiacae aemulam, Paradisi alumnam non ala deficit sed lingua. Et tota sanè in tantâ Maiestate deficeret, nisi ab eâdem reficeretur. Hier läßt die Seele zwar nicht ihre Schwinge im Stich, [ist sie doch eine] Mitbewerberin des Paradiesvogels [und] Mitbewohnerin des Paradieses, wohl aber ihre Zunge. Und vor so großer Herrlichkeit müßten ihr freilich alle Kräfte vergehen, würde eben jene sie nicht mit neuen Kräften versehen.

3.3 Die Konzeption von Blick- und Erzählrichtungen Auch einem mäßig gebildeten zeitgenössischen Betrachter dürfte sich rasch erschlossen haben, daß das gewaltige Gebäude auf der Mittelachse der Lehrtafel eine Reihe von Figuren und Szenen zur Linken von einer anderen Reihe zur Rechten scheidet: Links und rechts öffnen sich mehrdimensionale Bedeutungsräume, die einem gemeinsamen Beziehungsgeflecht angehören. Dabei sollen die Augen des Betrachters jeweils eine Hauptbewegung von links nach rechts vollziehen: So erschließt sich auch bei bescheidenen Bibelkenntnissen unschwer eine Korrelation zwischen Sinai und Israels Lager einerseits, Zion und Jerusalem andererseits, auch zwischen Drachenkampf und Anbetung des Lammes jeweils darüber.45 Umso gründlicher der Betrachter theologisch gebildet ist, umso deutlicher wird er die verschiedenen Bedeutungsdimensionen erfassen können: daß Szenen und Figuren aus je einem der beiden Hauptteile der christlichen Bibel stammen, dem Alten Testament links und dem Neuen rechts (abgesehen vom Drachenkampf46 ); daß links jeweils zeitlich Früheres, rechts Späteres gezeigt wird; 43

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Gegen Raith, 1673, S. 3: »Zu dessen Füssen ein Paradiß=Vogel/ als ingesessener Himmels=Burger zusehen«; s. a. Betz, 2013, S. 85f. Pictura docens, Z. 61f. Die Wiedergabe des Wortspieles aemulam – alumnam mit Mitbewerberin – Mitbewohnerin ist natürlich nur ein Notbehelf. »alumnus« in Verbindung mit einer Ortsangabe meint Anwohner. Siehe die Turris zu ↑ 6 und 7, hier S. 266. Zur Rolle der Johannesapokalypse auf der Turris und auf der Lehrtafel u. zur Links-Rechts-Symbolik in christlicher Deutung s. hier weiter unten. Das hat bereits Schauer, 2003, S. 189, zu Recht angemerkt, ohne allerdings die Beobachtung einer Gerichts- und einer Gnadenseite in angemessener Weise auf zeitgenössische Bildkon-

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3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

daß es schließlich links um das Gesetz und das Gericht geht, rechts aber um Gnade und Erlösung (und darum auch links die fünf törichten, rechts die fünf klugen Jungfrauen auftreten47 ). Zumindest bei einigen Figuren und Szenen im Garten vor dem Gebäude sowie am oder im Gebäude setzt sich dies fort: Im Garten stehen die zwölf Kleinen Propheten links den zwölf Aposteln rechts gegenüber, im Innenraum Mose und Johannes der Täufer, Josua und Paulus. Die eherne Schlange und der Gekreuzigte in ihrem Rücken bringen für den Gebildeten unmißverständlich als spezielle Relation die Typologie ins Spiel und ermuntern dazu, nach weiteren Anwendungsfällen zu suchen. Unweit davon ist die Darstellung von Passahfeier links und Abendmahl rechts zu sehen.48 Dem Hochgebildeten wird zudem auffallen, daß die Säulenzier der Säule Boas links von Tieren, die von Jachin rechts von Pflanzen gebildet wird und damit offenbar eine Anspielung auf die Unterscheidung von blutigem und unblutigem Opfer gegeben wird.49 Wer nun aber versucht, allein mit den so gewonnenen Kriterien Weiteres zu entschlüsseln, gerät bald an Grenzen: Sind die vier Großen Propheten und die vier Evangelisten etwa ebenfalls jeweils in entsprechende Zweiergruppen aufzuteilen? Gilt dies dann auch für die vielen Szenen auf den Relieffeldern des Gebäudes? Und wie schließlich verhalten sich die Figuren dazu, die das System der zehn Sefirot vor Augen führen, ferner der Zwölferkreis von Stammesfürsten Israels um Christus im Garten? Dieselben Grenzen zeigen sich auch bei der Betrachtung der Gebäudekuppel. Auch hier genügt eine einfache Hauptbewegung von links nach rechts offenbar nicht. Die Hinzunahme der Vertikalen als weiterer Blickachse bringt eine wesentliche Bereicherung: In der Vertikalen liefert die Figur am Garteneingang den entscheidenden Hinweis: Sie fordert auf, ihrem Blick von unten hinauf zu folgen, hin zu Christus im Garten, hin zur überdimen-

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zepte zu beziehen, die der Turris Antoniae und der Lehrtafel als Vorlagen dienten. Siehe dazu hier weiter unten. Auf der Lehrtafel findet man die fünf Törichten zwischen Michaels Drachenkampf (↑ 6 u. 8) und dem Sinai dargestellt. Die Klugen kann man nur erahnen in den knieenden Gestalten inmitten der Menge vor Christus am Fuß des endzeitlichen Zionsberges (↑ 7 u. 9). Das bekannte Gleichnis aus Mt 25,1–13 wird zwar kurz in Pictura docens, Z. 1668, angespielt und auch von Oetinger im Kurtzen Begriff berücksichtigt (s. hier S. 284), in Strölins und Oetingers ikonographischen Legenden zu ihren Rissen sucht man nach den Damen allerdings vergeblich, ebenso bei Raith. Siehe ↑ 76a und 77a. Siehe die Hinweise Strölins durch die Beschriftung der Turris Antoniae »animalia« und »vegetabilia« (s. hier S. 266, zu ↑ 82a u. 83a). Siehe dazu die bundes- und opfertheologischen Reflexionen in der Pictura docens, Z. 79–89, bes. 84 u. 88: Im Abendmahl als Bundesfeier des Neuen Bundes werden Brot und Wein, also Pflanzliches (vegetabilia), gereicht. Ohne Grausamkeit (»sine crudelitate«) ernähren sich die Gläubigen so von Christi Leib und Blut, ohne daß die Nahrung durch den Verzehr dahinschwindet (»sine diminuitione«).

3.4 Gesetz und Evangelium im Kontext der 4. und 5. Sefira

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sionalen Krone und dem Zitat einer weiteren Szenen aus der Apokalypse, der Huldigung durch die vierundzwanzig Ältesten. Aus dem Bibeltext muß man sich in diesem Fall das Zentrum der Szene selbständig ergänzen. Deutlich wird, daß so manches gerade auf oder nahe der Mittelachse nicht der Links-RechtsBewegung folgt. Das gilt zumal für das dargestellte Gebäude selbst und einiges in seinem Einzugsbereich, wie eben angedeutet, aber auch für die Engel und die Spruchbänder ganz oben.50 Zu den horizontalen und vertikalen Erzählrichtungen kommt also eine Ausrichtung auf die Zentralachse, unterstrichen von der Anwendung der Zentralperspektive bei Darstellung des Gebäudeinneren und der Treppen im Garten.51 In Bildmitte konkurrieren Christus im Garten, der Hohepriester im Gebäudezentrum und die riesige Krone um Aufmerksamkeit.

3.4 Gesetz und Evangelium im Kontext der 4. und 5. Sefira Strölins Turris bereichert nun nicht nur die beschriebenen Hauptbewegungen mit einer Fülle von ikonographischen Detailangaben. Dieser Riß präzisiert auch, wie die Sefirot sich dazu stellen. Und er macht auf eine weitere Bedeutungsdimension aufmerksam: Luthers Unterscheidung von Gesetz und Evangelium.52 Der theologisch gebildete Betrachter kann leicht einsehen, daß diese Unterscheidung speziell dem mittleren Sefirotpaar zuzuordnen ist und zu seiner Deutung eine weitere Dimension beisteuert: Gesetz und Evangelium verbinden sich dergestalt mit der 5. und 4. Sefira. Strölin kannte Alsteds Artikel zur Kabbala, folglich auch die Passage, in der Alsted die Sefirot unter anderem mit Gesetz und Evangelium in Verbindung bringt: Atque haec sunt decem nomina Sephiristica, quae clavis vicem funguntur in universâ Kabbalâ practicâ. Hinc enim pendent mundus, lex, evangelium omniaque Dei opera in regno naturae, gratia & gloriae. Das also sind die zehn Sefirot-Namen, die in der praktischen Kabbala insgesamt eine Schlüsselrolle einnehmen. Hiervon nämlich hängen Welt, Gesetz und Evangelium ab sowie alle Gotteswerke im Reich der Natur, der Gnade und der Herrlichkeit.53

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Zu den Spruchbändern s. Oetinger im Kurtzen Begriff a. B., hier S. 284. Siehe den Art. »Zentralperspektive«. In: Münkler/Münkler, 2005, S. 437–439. Spezifische Einflüsse lutherischer Theologie auf die Lehrtafel wurden bislang nur ausnahmsweise in der Forschung angesprochen. So behauptet Betz, auf der Lehrtafel seien Reuchlins kabbalistische Christologie mit Luthers Theologia crucis eng verbunden, ohne dies für Luther spezifisch nachzuweisen. Siehe Betz, 1998, S. 155. Alsted, 1630, S. 2273 (Übers. von mir). Zu Strölins Alsted-Rezeption s. hier S. 117 u. 268 im Kommentar zu ↑ 50. Welches Gewicht Alsted als Theologe reformierten Bekenntnisses (biogr. Nachweise s. hier oben S. 116, Anm. 378) der Unterscheidung von Gesetz und

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3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

Eine konkrete Zuordnung zum System der Sefirot selbst, verbunden mit einer Links-Rechts-Symbolik, bietet Alsted damit nicht. In der Turris entsteht sie in mehrfacher Weise: Erstens stellt Strölin »Legis Maledictio« (Fluch des Gesetzes) links zwischen Drachenkampf und Sinai, »Evangelij Consolatio« (Trost der frohen Botschaft) rechts zwischen Zion und Anbetung des Lammes (siehe ↑ 23b und 24b).54 Zweitens macht Strölin nicht nur eben gerade da auf Gesetz und Evangelium aufmerksam, wo die entsprechende Links-Rechts-Gruppierung in der Konzeption der Lehrtafel durch korrespondierende Szenen, Figuren und Symbole am stärksten ausgeprägt ist, er sorgt auch für einen besonders engen Bezug zur 4. und 5. Sefira. Diese beiden Sefirot befinden sich nicht nur in der Horizontalen genau zwischen »Legis Maledictio« sowie »Sinai« links und »Evangelij Consolatio« sowie »Sion« rechts, sie greifen mit »Justitia« (Gerechtigkeit) und »Gratia« (Gnade) semantisch-thematisch Aspekte auf, die das Bedeutungsgefüge der Sefirot und den theologischen Kontext von Luthers Unterscheidung denkbar eng aufeinander beziehen.55

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Evangelium gibt, läßt sich auch an weiteren Stellen seines Werkes ablesen. Siehe v. a. ebd., S. 1575: »Materia Scripturae sunt lex & evangelium.« Siehe ferner ebd., S. 1598ff. u. 1614. Siehe in der Legende der Turris, hier S. 266, bes. Z. 48 u. 51, hier S. 267 u. den Kommentar dazu. Man beachte auch die farbliche Hervorhebung durch rote Tinte in der Handschrift. Zur Links-Rechts-Symbolik s. grundsätzlich auch Mt 25,33 u. LCI, Bd. 3 (1971), S. 511– 515 (Erika Dinkler-von Schubert). Siehe dazu Lohse, 1995, S. 283–294; Körtner, 2001, S. 194–200; zu Calvin s. ebd., S. 200– 204. Mit »Maledictio legis« greift Strölin eine paulinische Formulierung in Gal 3,13 auf. Strölin hebt damit auf das ab, was Brenz im Anschluß an Luther als erste und eigentliche Funktion des Gesetzes formulierte (»Ministerium Legis seu Decalogi, cùm est in suo proprio & legitimo usu atque officio«), nämlich dem Menschen über seine iniustitia und ihre Straffolgen aufzuklären. Parallel bietet »Evangelij Consolatio« einen Hinweis auf die Funktion des Evangeliums. Luthers Gesetz und Evangelium setzt die programmatische Unterscheidung von Gerechtigkeit bzw. Gericht und Gnade bzw. Erlösung gedanklich voraus. Siehe dazu Hafenreffer, 1603, S. 455: »IV. LOCUS. De Lege & Evangelio. Fidem ex Evangelicis, seu Gratiae Promissionibus exoriri dixisti: unde aliquod Scripturae sacrae Discrimen esse colligo: id quódnam & quale sit, velim exponas? TOTA Scriptura sacra dividitur in LEGEM & EVANGELIUM.« Siehe den Art. »Gesetz und Evangelium I.« In: TRE, Bd. 13 (1984), S. 126–142 (Hans-Martin Barth); s. a. Gesetz V und VI, ebd., S. 85–90 (Rudolf Mau) und 90–126 (Friedrich Wilhelm Graf). Für diese Dichotomie stehen der Sinai als Ort der Offenbarung des alttestamentlichen Gesetzes und der Zion als Ort der Passion und Auferstehung Christi. Brenz formuliert die Funktionsbeschreibung »Gesetz« und »Evangelium« in einer Weise, die die Stichworte perditio und iniustitia systematisch berücksichtigt und ihnen salus und iustitia gegenüberstellt. Siehe Brenz: Apologia Confessionis, cap. De evangelio Christi (Brenz, 1590, S. 361): »Hîc ergo dicimus, quòd Ministerium Legis seu Decalogi, cùm est in suo proprio & legitimo usu atque officio, in hac corrupta hominis natura, sive scribatur in libris veteris, sive novi Testamenti [...]: sit ministerium, per quod [...] revelatur nobis, non remissio, sed augmentum & supplicium peccatorum, non iustitia, sed iniustitia nostra, non salus, sed perditio nostra, non aeterna vita, sed aeterna mors & damnatio. Ministerium autem

3.4 Gesetz und Evangelium im Kontext der 4. und 5. Sefira

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Drittens gruppiert Strölin mehrere Reliefszenen, Figuren und Symbole im unmittelbaren Umkreis, die ihrerseits die angespielten theologischen Themen illustrieren. Mit der 5. Sefira wird so auf der linken Seite der Gebäudekuppel das Thema ›Buße‹ verbunden, auf der rechten mit der 4. das Thema der Fleischwerdung (Erniedrigung) und Verklärung (Erhöhung) Christi. Als symbolträchtige Elemente fallen ferner Feuer links und Wasser rechts ins Auge. Wie auch »Justitia« (Gerechtigkeit) und »Gratia« (Gnade) lagen sie in Strölins Kurzen Erklärungen bereit. Entsprechende Szenen und Figuren fehlen auch dafür nicht. Die Themata ›Gesetz und Evangelium‹, ›Gerechtigkeit und Gnade‹, ›Gericht und Erlösung‹ durch Christus sind für theologisch gebildete Zeitgenossen zentrale Stücke oder Bedeutungsdimensionen der christlichen Heilsvermittlung und -aneignung. Strölin hat zu deren angemessener Repräsentation im Medium des Bildes und gemäß den Anforderungen an eine Lehrtafel einen mehrdimensionalen Bedeutungsraum konzipiert, dem der Betrachter in mehreren Anläufen (bzw. auch Pendelbewegungen) von links nach rechts mit Auge und Geist folgen soll. Im Medium des Textes und im Sinne eines Gebetsformulars hat dasselbe beispielsweise sein Zeitgenosse Sigmund von Birken unternommen, und dies so, daß der Leser zwar mit den Augen möglicherweise nur ein einziges Mal dem Textfluß folgt, sein Geist aber durch die wohlkomponierte Abfolge der Gedanken und Vorstellungen nun doch auch in mehreren Anläufen tiefer und tiefer die Themata in ihrer Verbundenheit erfaßt: Im vorgestellten Akt der Reue kommt er so – wie beim Betrachten von Turris und Lehrtafel – thematisch vom Sinai zum Zion, von der Last der Gesetzestafeln, der eigenen Stumpfheit und Herzensverhärtung über die Selbstanklage des Gewissens in einem inneren Gericht und tränenreiche Herzenszerknirschung schließlich zur Gnadenzusage, Absolution und Heilung durch Christus, der das Herz mit der Erinnerung an das Gesetz zuerst wundschlagen muß, um es danach mit dem Evangelium verbinden und heilen zu können: Um ein zerknirschtes Herz. Herr Jesu! du ruffest: Kommet her zu mir, alle die ihr mühseelig und beladen seyt: Jch will euch erquicken. Jch bin freilich mühselig, und beladen mit den GesetzTafeln Mose, mit dem

praedicationis Evangelii de Christo, cùm & ipsum est in suo proprio & legitimo usu atque officio, sive in libris veteris, sive novi Testamenti scribatur [...] adnuncietur: sit ministerium, per quod Spiritus sanctus offerat hominibus & conferat in credentes non supplicium, sed remissionem & condonationem peccatorum, non iniustitiam, sed iustitiam, non perditionem, sed salutionem, non mortem & damnationem, sed aeternam vitam & felicitatem.«

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3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt grossen Register meiner Sünden. Jch bin es: aber leider ich fühle nicht, daß ich es bin. Jch schlaffe noch, unter dieser Last. Ach wecke mich auf, Herr Jesu, daß ich meine Last fühle und dir zutrage: damit du mich erquicken könnest. Schlage mich harten Felsen mit dem Gesetzstab Mose, daß ich Bußthrenen fliessen lasse. Schlage mich wund, daß du mich wieder heilen könnest. Zerknirsche mein Herz, daß du es verbinden könnest. Donnere in mein Herz und erschüttere dasselbe, vom Berg Sinai: daß ich zum Berg Sion Zuflucht nehme, und ein fruchtbarer Gnad= und Trostregen darauf folge. Heiß mein Gewissen in mir mich anklagen: daß deine gnädige Absolution mir desto tröstlicher werden möge.56

Strölin hat in der Turris also dieses Verständnis der christlichen Heilsvermittlung und -aneignung in die Sefirotdeutung eingebracht und dafür bereitliegende Anknüpfungspunkte in vorhandenen Sefirot-Inventarien genutzt. Es ist bemerkenswert, daß in anderen Sefirotentwürfen von Strölins oder Antonias Hand, die keinen Bezug zum Lehrtafel-Projekt aufweisen, bei aller Familienähnlichkeit nirgends mit derselben Klarheit und Konsequenz die vorliegende Verknüpfung theologischer Themata im Sinne lutherischer Theologie und Frömmigkeit geboten wird.57 Dafür ist nach der weiter oben gegebenen Analyse aber schwerlich eine mehrphasige Entwicklung der Sefirotrezeption und -adaption im Gelehrtenkreis um Antonia verantwortlich zu machen. Vielmehr dürften die besonderen Erfordernisse des Lehrtafel-Projekts für die beschriebenen Besonderheiten ursächlich sein. Das zentrale Erfordernis ist leicht benannt: Wollte man eine für die Zeitgenossen wenigstens einigermaßen verständliche und akzeptable Lehrtafel schaffen, hatte man dafür nicht nur auf eine erkennbare Übereinstimmung mit der Lehre der Kirche, sondern auch auf die Sehgewohnheiten und die übliche Formensprache Rücksicht zu nehmen und, wo immer möglich, daran anzuknüpfen. Ein entsprechendes Vorgehen ist an der Turris und auch der Lehrtafel ablesbar. Mit Blick auf die 4. und 5. Sefira bot sich zumal eine frühneuzeitlich beliebte 56

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Sigmund von Birken: Versöhnung mit Gott. Text 17 (von Birken, 2014, S. 37, Z. 1–14). Eine poetische Behandlung des Themas ›Gesetz und Evangelium‹ unter der Überschrift »Mons Sinai & Sion. Lex & Spes.« s. bei Ebermaier, 1653, 55. Sinnbild, S. 120f. Vgl. für Strölin das heraldische Sefirotschema (WLB Cod. hist. fol. 551, S. [114r ]): [4] Darstellung des Jagdhorns (Hifthorn) »Gen. 27. v. 27. seqq.« [5] Darstellung eines wachsenden Brackenrumpfes »Gen. 49. v. 9.« Das emblematische Sefirotschema, WLB Cod. hist. fol. 551, S. [109r ]: »[4] Columba | Mit einem ölzweig | Jm mund, beÿ der Arch: | v[nd]. Vmher der gewesser tiefe. [i. m.: Gen 8. v. 12.] | Obschr[ifft]. | Speranti adspiro.« »[5] Columba allein auff einem baum trawrig sizend [i. m.: Es. 38. 4] | Obschr[ifft]. | Dum spiro, suspiro.« Siehe dazu hier S. 123, 168 u. 385. Vgl. für Antonia die beiden ebenfalls der Gratulation dienenden Sefirotschemata (WLB Cod. or. 2° 4, S. [4v ]): »[4] !‫ | חֶסֶד‬Gütte: | Willfährigkeit.« »[5] !‫[ ּפַחַּד‬korrekt wäre !‫ | ]ּפַחַד‬Gherichte. | Mässigkeit«; WLB Cod. or. 2° 4, S. [5v ]. »[4] güttige | Freundtli[c]hkeit | Errette.« »[5] Starkhe Helden | gere[c]htigkeit | befreÿe.« Zu den hier zitierten, bislang kaum unausgewerteten Handschriften s. hier S. 121ff.

3.4 Gesetz und Evangelium im Kontext der 4. und 5. Sefira

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Bildkonzeption als Anknüpfungspunkt an.58 Ihre Idee und Geschichte ist erst in jüngster Zeit gründlicher erforscht worden. Miriam Verena Fleck hat ihr eine umfassende Studie aus kunsthistorischer Sicht gewidmet.59 Tragender Bestandteil dieser Konzeption ist vielfach die Gegenüberstellung von Szenen des Alten und Neuen Testaments in zwei Bildhälften im Sinne einer Gerichts- und einer Gnadenseite, um Unterschied und Zusammenhang der beiden Testamente zu verdeutlichen. Die spezifische Auswahl der Szenen dient dazu, das im Rahmen der der beiden Testamente bestimmte Schicksal eines jeden Christenmenschen zu erklären [...]. So werden auf der linken Bildhälfte [...] die Verfehlungen des Menschen gegen die göttlichen Gebote, der damit verbundene Zorn Gottes sowie die daraus resultierende Sünde und Verdammnis der Menschheit vorgeführt.60

Rechts finden sich hingegen szenische Hinweise auf Inkarnation, Kreuzigung und/oder Auferstehung. Tituli (Bildbeschriftungen) sind häufig und bestehen gerne aus Pauluszitaten.61 Im Detail lassen sich ein Prager und ein Gothaer Typus (Baum auf der Mittelachse) und ein Weimarer Typus (Christus am Kreuz auf der Mittelachse) unterscheiden. Das von Fleck herausgearbeitete gedankliche »Grundschema der dichotomischen Scheidung in sub lege und sub gratia«62 ist jedenfalls insoweit gemeinsames Gut christlicher Theologien vor aller konfessionellen Scheidung, als es sich um paulinische Kernkonzepte handelt. Spezielle Akzente und Lehrdiffe58

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Im Folgenden wird auf die, über die Turris hinausgehende Anreicherung der Allegorien der 4. und 5. Sefira, wie sie die Lehrtafel bietet, nicht näher eingegangen. Die Forschung hat durch Deutung der beigegebenen Attribute die 5. Sefira als Darstellung sowohl der Justitia (Schwert, Waage) wie der Temperantia (Zügel) als auch der Fortitudo (Säule) aufschlüsseln können. (Zur Temperantia s. a. Antonias Sefirottafel zu Neujahr 1657 Nr. [S5], hier S. 363.) Bei der 4. hat man es hingegen wohl mit einer Kombination von Concordia bzw. Pax und Liberalitas (Ölzweig, Lamm, goldenes Szepter, Füllhorn) zu tun. Siehe zuerst Raith, 1673, S. 3, hier S. 242 u. zum Lamm S. 271 (Kommentar zu Pos. ↑ 89e); jetzt Betz, 2013, S. 72f., allerdings ohne die Liberalitas zu würdigen, welche Moltmann-Wendel, 1989, S. 116, mit ihrem Hinweis auf Fortuna grundsätzlich richtig erkannt hat. Auch Schmidlin zielt mit der Erwähnung des Füllhorns bereits auf eine Liberalitas- oder Fortuna-Darstellung. Siehe Pictura docens, Z. 162. Eine vergleichbare Anreicherung tugendallegorischer Attribute bietet die Lehrtafel auch für die oberen Sefirot und geht auch da dergestalt über die Turris hinaus. Siehe dazu hier weiter oben S. 127, Anm. 2. Fleck kann sich auf eine Reihe von Vorarbeiten stützen; beachte aus der jüngeren Zeit v. a. Reinitzer, 2006; s. a. Brückner, 2007, v. a. S. 56; ferner schon Wenz, 1996, S. 45– 66 (§ 1 Gesetz und Evangelium: Lucas Cranach d. Ä. als Maler der Wittenberger Reformation), bes. S. 53–66; s. dazu eine Rezension von Thomas Packeiser zu Fleck unter www.sehepunkte.de/2012/09/18409.html; 24.06.2016. Siehe Fleck, 2010, S. 15, u. ebd., S. 115 (seitenverkehrt). Siehe ebd., S. 241 (»gesetz« und »gnade« als Medailloninschriften). Ebd., S. 47.

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3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

renzen entstanden bei deren systematisierender und adaptierender Entfaltung. Analog wäre nach der Analyse von Fleck das nunmehr freigelegte Grundmuster der Bildkonzeption »Gesetz und Gnade« zu unterscheiden von seinen mannigfaltigen Ausprägungen und Akzentuierungen. Eben diese Mannigfaltigkeit der Entfaltungen spiegelt sich in der Bezeichnungsvielfalt, die in der bisherigen Forschung vorherrschte und so das gemeinsame Grundmuster nicht angemessen herausstellte. So ist die Rede von Gesetz und Evangelium; Gesetz und Erlösung; (Allegorie von) Sündenfall und Erlösung; Allegorie der Erlösung (des Menschen); Verdammnis und Erlösung; Rechtfertigungsbild; Rechtfertigung (des Sünders) durch den Glauben; Speculum Iustificationis; Alter und Neuer Bund; Der Mensch zwischen Altem und Neuem Bund; Gegenüberstellung von Altem und Neuem Bund; Altes und Neues Testament; Das Heilswerk Christi in reformatorischer Auffassung; Kreuzigung mit Allegorie der Erlösung; Kreuzesallegorie.63

Viele dieser Titulierungen legen nahe, es handele sich um eine genuin reformatorische bzw. protestantische Bildkonzeption. Nach Fleck ist dies allerdings nur mit Blick auf den Entstehungskontext wahrscheinlich, nicht jedoch mit Blick auf ihre Verbreitung und alle ihre Spielarten.64 Entsprechend wären nun also Turris und Lehrtafel jedenfalls in wichtigen Teilen ihrer Bildkonzeption als Abkömmlinge und Variationen des beschriebenen Grundmusters anzusprechen, das sich in der christlichen Kunst des 16. Jahrhunderts profilierte und auch noch im 17. Jahrhundert eine Reihe von Beispielen aufzuweisen hat, nun aber in einer speziellen Wendung als Konzeption einer christlich-kabbalistischen Lehrtafel, die zumal über die erkennbare thematische Gewichtung von »Gesetz und Evangelium« an Luthers Theologie anknüpft.65 Diese konzeptionelle Familienzugehörigkeit zeigt sich aber nicht nur im Hintergrund und an den Flanken im Gegenüber von Sinai und Zion,66 sondern auch in der Zusammenstellung zentraler biblischer Figuren nahe der Mittelach-

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Ebd., S. 14, Anm. 5. Siehe dazu bes. ebd., S. 27f. (Neuartigkeit der Kombination Gesetz/Gnade), S. 34 (Cranach in Wittenberg als Geburtsfeld); S. 423 (nicht lineare Entwicklung, sondern freie Variation). Beispiele s. auch ebd., S. 143–145 u. 152. Nach ebd., S. 13, entstand der Typus »um 1525 unter heute nicht mehr ganz zu klärenden Umständen«. Zur zeitgenössischen Rezeption im 17. Jahrhundert s. die Beispiele bei Fleck, 2010, S. 246 (1630); ebd., S. 240f. (1638). Siehe Fleck, 2010, S. 30, zu den Bergen; zu Jerusalem bzw. auch dem himmlischen Jerusalem ebd., S. 158f., 161, 190f., 231, 250f; s. a. den – ähnlich wie auf der Lehrtafel – in eindrucksvollen Rauch gehüllten Sinai in Abb. 104 bei Reinitzer, 2006, hier Abb. 22. Weiteres zur Sinaidarstellung hier S. 268 (Kommentar). Zum Zion und der Stadt Jerusalem s. S. 268 (Kommentar).

3.4 Gesetz und Evangelium im Kontext der 4. und 5. Sefira

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se sowie in der Darstellung von Eherner Schlange und Crucifixus.67 Vor allem ist auf Mose mit den Gesetzestafeln und Johannes den Täufer (oft gestaltet als sogenannter Anzeiger Christi) hinzuweisen, deren hervorgehobene Präsenz speziell bei diesem Bildtypus geläufig ist, ferner auch auf weitere Figuren, wie etwa Paulus, David, Jesaja und Aaron.68 Im Rahmen der Vierfigurenkomposition im Gebäudeinneren ist auf der Turris und der Lehrtafel Josua die vierte Figur.69 David, Jesaja und Aaron haben woanders einen Platz gefunden, Aaron auf Pos. ↑ 59, David auf ↑ 80f., Jesaja auf ↑ 88 innerhalb der Gruppe der vier Großen Propheten,70 aber auch da nicht zufällig auf der rechten Bildhälfte als der Gnadenseite.71 Die szenische Präsenz von Adam und/oder Eva, Grab und Tod, Weltgericht und Auferstehung ist auf Turris und Lehrtafel mal durch die Gestaltung als kleinformatige Reliefszenen zurückgenommen (s. Adam und Eva auf ↑ 60), mal auch in der Szenenwahl modifiziert worden: So ist der Kampf Michaels mit dem Drachen auf der linken Seite (s. ↑ 6) lesbar als exemplarischer Hinweis auf das Schicksal des Sünders im Endgericht, das sonst etwa durch die Darstellung eines Höllenrachens warnend vor Augen geführt wird.72 Die Zurücknahme der Präsenz von Bildelementen, wie Figuren oder Szenen, durch relative Kleinheit der Darstellung73 oder gar deren völlige Aussparung ist nun aber Indiz dafür, daß Turris und Lehrtafel gerade nahe der Mittelachse noch anderes bezwecken als eine eindrucksvolle Verknüpfung von 4. und 5. Sefira mit dem lutherisch verstandenen Bildtypus »Gesetz und Gnade«. Dazu paßt das Fehlen der Zentralfigur des Menschen (Homo) in Bildmitte – ob nun 67

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Siehe Fleck, 2010, S.190, ferner ebd., Kat. nr. 87, 89, 95, 106. Die eherne Schlange (gelegentlich im Verein mit Israels Lager in der Wüste als ihrem Kontext) kann zuweilen auch auf der rechten Bildhälfte in Nähe der Kreuzigung als Antitypus erschienen (s. z. B. ebd., Kat. nr. 102f., 105); s. a. Ebermaier, 1653, Nr. L, S. 468. Siehe Fleck, 2010, S. 50f. (Mose) 29 u. 31f. (Johannes), S. 160 (Paulus). Mose kann auf die Gesetzestafeln zeigen oder auf den Gekreuzigten (Fleck, 2010, Kat. nr. 169f.), Johannes auf den Gekreuzigten oder auf das leere Grab Christi (s. Abb. 114 und 53 bei Reinitzer, 2006; s. dazu Fleck, 2010, S. 140f.). Zu Aaron s. hier S. 151. Zur speziellen Ausprägung als Vierfigurenkomposition s. Fleck, 2010, S. 220f. (Prager Typus). Siehe dazu Fleck, 2010, S. 109 u. 311. Ein weiteres Beispiel zum Fehlen Jesajas s. ebd., S. 190. Siehe dazu ebd., S. 164. Siehe etwa ebd., Kat. nr. 52, 82, 105f. Die Schöpfer der Lehrtafel konnten sich für ihre Darstellung an gängigen Illustrationen des apokalyptischen Drachenkampfes orientieren. Siehe etwa die Illustration in Luther, 1545, Bd. 2, S. 2506. Ein Beispiel dafür sind Adam und Eva. Sie erscheinen zwar auf der linken Seite, jedoch nur in einem Relieffeld. Siehe ↑ 60 u. die Turris dazu, hier S. 266. Vgl. dagegen ihre Stellung als Hauptfiguren der linken Seite etwa bei Reinitzer, 2006, Abb. 53, 104 u. 114, hier Abb. 22, 23 u. 24.

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3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

anonym oder durch Adam bzw. Eva verkörpert – als Identifikationsangebot an den Betrachter.74 Vielmehr bietet sich ihm statt dessen die »Anima fidelis« am Eingang des dargestellten Gartens an.75 Erinnert wird so an eine Bildkonzeption, die mit »Gesetz und Gnade« wenig gemein hat, nämlich die frühneuzeitlich beliebte Veranschaulichung der Thronvision in Offb 4, in welche der Betrachter mittels der in Rücken- bzw. Halbrückenansicht gezeigten Figur des Visionärs in den Bann des himmlischen Geschehens hineingezogen wird (s. Abb. 38).76 Es ist ein Zitat dieser Bildkonzeption, wenn auf der Lehrtafel die »Anima fidelis« ebenso unten ganz im Vordergrund den Blick des Betrachters nach oben lenkt bis hin zum oberen Bildhintergrund, wo die vierundzwanzig Ältesten als ein weiteres Zitat nun ganz unmißverständlich Offb 4 und die frühneuzeitliche Darstellungskonvention in Erinnerung bringen (s. etwa Abb. 39).77 74

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Siehe noch einmal Abb. 53, 104, 114 bei Reinitzer, 2006; s. Fleck, 2010, S. 174, zur Ersetzung von Sünder, Tod und Teufel durch Propheten; ebd., S. 191 u. 233, zu Eva anstelle Adams. »Anima fidelis« ist die Bezeichnung in der Turris Antoniae, Pos. ↑89e, hier S. 271; s. a. ebd. Oetingers Riß u. den Kommentar dazu; s. auch »glaubige Seele« im Kurtzen Begriff, hier S. 284, Z. 229. Die Darstellung auf der Lehrtafel legt ein Rollenporträt nahe durch Gestaltung der »Anima fidelis« als Frauengestalt, mit der der Betrachter leicht Prinzessin Antonia assoziieren kann, wie sie auf ihrem vorgelagerten Epitaphbild zu sehen ist. Siehe dazu hier S. 2; Lieske, 1973, S. 148; Betz, 2013, S. 102f.; s. a. Schmidt-Biggemann, 2013b, S. 335. Siehe etwa die Rückenansicht in der Illustration in Luther, 1545, Bd. 2, S. 2479 (vgl. auch 2482 zu Offb 6), und die Halbrückenansicht in Dürers Apokalypsezyklus (s. Dürer, 2002, S. 73 [Apokalypse 1. Figur] u. 75 [2. Figur; s. hier Abb. 38]). Siehe dagegen den Darstellungstyp mit Vorderansicht bei Ebermaier, 1653, S. [539]. Daß durch die Rückenansicht eine besondere Öffnung zum Betrachter hin stattfindet, hat Maria Paola Scialdone in ihrer Interpretation zu Recht betont. Leider übersieht bzw. ignoriert sie aber den hier beschriebenen Zitatcharakter gänzlich und beraubt sich so einmal mehr der Möglichkeit einer historisch überzeugenden Beweisführung, etwa in Gestalt einer plausiblen historischen Rekonstruktion eines entsprechenden Aneignungs- und Adaptationsprozesses im Antoniakreis. Siehe Scialdone, 2008, bes. S. 140–142; dazu hier S. 50 (Anm.). Neben Illustrationen in Bibelausgaben (s. Merian, 1965, S. 281) oder Bilderzyklen zur Offb (s. Dürer, Apokalypse, 2. Figur, wie eben zit.) sowie der Darstellung im Stuttgarter Lusthaus (s. dazu Baur, 1992, S. 103–105, mit weiterer Lit.) kommen als zeitgenössische Anregungen auch Bildzitate in Frage, wie jenes auf dem Titelkupfer von Calovius, 1655. In seinem Teilzitat stellt das Frontispiz von Praetorius, 1620, erwartungsgemäß den musikalischen Aspekt besonders heraus (s. Abb. 40), der ja auch bei Sadeler (s. Abb. 39) und auf der Lehrtafel betont wird. Für ihre Fassung haben sich die Schöpfer der Lehrtafel übrigens entschieden, nicht nur die Darstellung des Thronenden auszusparen (siehe so auch bei Praetorius, ebd., und bei Saubert, 1625, Nr. XII., wo ein leerer Thron und das Tetragramm auf dessen Rückenlehne zu sehen sind), sondern auch die Darstellung des Lammes und der vier Symboltiere der Evangelisten (s. Offb 4, 6–8 u. Ez 1,10; 10,14), welche schon andernorts auf Lehrtafel präsent sind (s. ↑ 7 u. 89). Ein weiteres Bildzitat s. auf Pos. ↑52 der Lehrtafel; dazu Oetingers Legende, hier S. 268, u. den Kommentar dazu.

3.5 Das Gebäude im Kontext der 7. und 8. Sefira

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Entsprechend läßt sich nun auch die intensive Ausgestaltung des Bildzentrums auf Turris und Lehrtafel nicht als bloße Spielart von Baum oder Crucifixus begreifen, die vielfach als Mittelachse und Grenze zwischen den beiden Bildhälften in üblichen Darstellungen von »Gesetz und Gnade« fungieren. Die Ausgestaltung des Bildzentrums auf Turris und Lehrtafel bietet deutlich mehr als Reflexe auf dieses Bildthema: Es beherrscht so als konzeptionelle Leitidee zwar die Flanken und den Hintergrund in Auslegung und Ausgestaltung der 4. und 5. Sefira, vermag aber nach dem erkennbarem Gehalt und der Gewichtung durch Größe und Anordnung im Bildraum längst nicht alles zu motivieren, was Turris und Lehrtafel vorführen. Nimmt man die im Gelehrtenkreis um Antonia übliche Bezeichnung der gesamten Lehrtafel bzw. dann auch des Epitaphschreines bei Raith als »Turris«, »Templum« oder »Thurn« ernst,78 ist auch schon für die Schöpfer und die ersten Betrachter das Gebäude im Zentrum der Lehrtafel das eindrucksvollste Element der Bildkomposition gewesen und darum geeignet, metonymisch das Ganze zu bezeichnen.

3.5 Das Gebäude im Kontext der 7. und 8. Sefira In der Tat ist es vor allem das zentrale Gebäude und sein Garten, an dem sich der Betrachter nicht so leicht satt sehen kann. Die Fülle ist überwältigend und macht Dürers berühmtem Entwurf einer Ehrenpforte für Kaiser Maximilian I. ernsthaft Konkurrenz.79 Es ist aber eine Konkurrenz unter engen Verwandten, denn Dürers Ehrenpforte (bzw. Vorläufer oder Abkömmlinge derselben) kann mit Recht beanspruchen, die Konzeption des Gebäudes auf der Lehrtafel in manchem angeregt zu haben, so wie es frühneuzeitliche Darstellungen und Beschreibungen von Festumzügen für den Brautzug der Schulamit auf Antonias

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Siehe die Überschrift der Turris Antonia, hier S. 266; Schmidlin in seinem Brief an Strölin vom 29.5.1662 a. E. (»templo nostro«; WLB Cod. hist. fol. 551, S. [68r ]–[70v ], [70r ]); Raith, 1673, S. 9, hier S. 239; s. a. Pictura docens, Z. 2156: »Novam Ierusalem, cum Mystico Templo«; s. a. ebd. 354f., wo Schmidlin das Allerheiligste des Tempel als gedankliches Zentrum beschreibt: »Hic Centrum Amoris | IESU | Pontificis Optumi, Maxumi«. Zum Tempelcharakter des dargestellten Gebäudes s. hier das nächste Kapitel. Siehe hier Abb. 26, die Gebäudekuppel von Dürers Entwurf in Abb. 27. Dürer hat seinerseits Vorbilder. Siehe etwa die Ehrenpforte für Erzherzog Karl von Österreich (später Kaiser Karl V.) in Brügge, greifbar in einem anonymen Pariser Holzschnitt von 1515, s. hier Abb. 25, oder die Darstellung des Triumphbogens für Kaiser Ferdinand III. zur Eröffnung des Regensburger Reichstages 1652 (Harms/Schilling, 1989, S. 332). Zum frühneuzeitlichen Triumphbogen allgemein s. den Art. »Ehrenpforte«. In: RDK 4 (1958), 1443–1504 (Hans Martin von Erffa); Michels, 1985, bes. S. 79–81 u. Abb. 44f.

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3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

Epitaphbild beanspruchen können.80 Vor allem drei Gemeinsamkeiten teilen solche in der Regel ephemeren Festgebäude mit dem Gebäude auf der Lehrtafel: die beherrschende Position der Krone an der Gebäudespitze (samt heraldischen Elementen im Kontext; auf der Lehrtafel steht dafür Antonias Monogramm81 ), die zumal aus antiken Triumphbögen ableitbare Dreitorigkeit und die teilweise überreiche Ausstattung mit Relieffeldern und Statuen.82 Neben frühneuzeitlichen Ehrenpforten spielt für den Bau auf der Lehrtafel aber offenbar auch das Gebäudeideal des überkuppelten Zentralbaues eine Rolle.83 Schon auf einer flüchtigen Skizze im Nachlaß Strölins ist ein Zentral80

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Siehe dazu jetzt Schauerte, 2001, passim. Zur frühneuzeitlichen Entwicklungsgeschichte dieser ephemeren Festarchitektur u. ihrer Beziehung zum Triumphzug s. ebd. S. 31f.; zur Rezeption antiker Vorbilder s. ebd., S. 54–64, zur Druckgeschichte des Holzschnittes S. 109– 114; ferner schon Burckhardt, 1997, S. 930–932 [§ 190]. Zum Brautzug der Schulamit s. hier S. 2. Dürer bzw. seine Nachahmer (s. etwa die Illustration in Luther, 1545, Bd. 2, S. 2491) haben daneben etwa auch für die Konzeption des Engels auf der Lehrtafel (nach Offb 10,1f.; s. Pos. ↑ 46) Pate gestanden (s. Dürer, 2002, S. 91 [Apokalypse 8. Figur]). Siehe zuletzt zu Merian als höchstwahrscheinlich direktem Vorbild für die Engeldarstellung auf der Lehrtafel Eusterschulte/Knebusch, 2007, S. LXXIf; s. a. Rotenburger, 1630, zu Offb 10. Zur theologischen Bedeutung dieser Krone s. hier S. 2, zum Monogramm s. hier S. 61, 90, 91, zu ihren Edelsteinen s. im Kommentar zu Oetingers Kurtzem Begriff, hier S. 284, bes. 284. Als weitere Beispiele neben den bereits genannten s. Abb. 28, 29 u. 30. Auf antike Triumphbögen, zumal den Konstantinsbogen, als konzeptionelle Vorbilder haben bereits Eusterschulte/Knebusch, 2007, S. LXV, hingewiesen. Das spiegelt sich etwa in den zeitgenössischen Bibel-Illustrationen Merians wider. Vielfach orientieren sie sich am Baustil der Spätrenaissance. Siehe Merian, 1965, S. 121, 124, 186, 229; s. bes. S. 143 u. 154 (Tempel in Jes 6). Diesem Stil ist auch die Gebäudekonzeption in Andreae, 1619b, Tafel a. E., ferner auch die Lehrtafel jedenfalls in wichtigen Teilen verpflichtet, wie bereits richtig beobachtet worden ist. Siehe Betz, 2013, S. 55; Eusterschulte/Knebusch, 2007, ebd. Man wußte in der Frühen Neuzeit auch, daß der Jerusalemer Felsendom ein solcher Zentralbau ist. Siehe Hofmann, 1698, Bd. 4, s. v. Templum Hierosolymitanum, S. 374–375, 374: »Sic tandem Judaeis ab opere repulsis, Christiani eôdem ferè locô, opere rotundô & Graecô labore amplum & praealtum Templum erexerunt, quod per aliquot secula Patriarchali Cathedrâ decoratum, tandem à Saracenis occupatum, ac spurcô Muhammedis cultis annis 463 contaminatum est. [...] Idem autem à Turcis nun possessum [...].« Siehe dazu Naredi-Rainer, 1994, S. 36–42; u. noch einmal Eusterschulte/Knebusch, 2007, S. LXVIff., die sicher zu Recht auch (S. LXIX) auf das Pantheon in Rom u. dessen Rezeption hinweisen (s. Saubert, 1625, Nr. I. im Teil IV. von 1630). Zur Kombination differierender Baukörperkonzeptionen in der christlichen Spätantike s. Stange, 1950, S. 121ff. Zu zeitgenössischen Rekonstruktionen des Salomonischen Tempels, von denen Alsteds Jerusalemdarstellung (und ihr Zitat auf der Lehrtafel) sicher beeinflußt ist (s. dazu hier S. 268 u. Abb. 35, ferner als weiteres Beispiel hier Abb. 36), siehe Busink, 1970, bes. S. 44–46; u. – mit Berücksichtigung der Idealvorstellung eines Rundbaues und ihres Einflusses auf die Rekonstruktionsversuche – den Art. »Tempel von Jerusalem«. In: LCI, Bd. 4 (1972), S. 255–260, bes. 258 (Günter Bandmann); Naredi-Rainer, 1994, bes. S. 67–199; Kortmann, 2007, S. 178–189.

3.5 Das Gebäude im Kontext der 7. und 8. Sefira

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bau mit entsprechender Kuppel zu sehen, in dessen Mitte sich ein Altarblock befindet. Dabei erscheint der Bau aber, mittig aufgeschnitten, konsequent und spannungsfrei als zum Betrachter voll geöffnetes Halbrund. Jachin und Boas flankieren in der sichtbaren Halbkreisfläche den Altar.84 Auch auf der Lehrtafel wird der Fluchtpunkt und zugleich das Bildzentrum vom Altar vor dem Allerheiligsten und dem Priester dahinter gebildet, von Strölin in der Turris mit dem Erzpriester »Aaron« identifiziert nach Ex 28,1.85 Von der Skizze im Nachlaß abweichend stehen auf der Lehrtafel Jachin und Boas korrekter und eindrücklicher vor der Gebäudefront und ragen über das erste Stockwerk frei hinaus.86 Die Gebäudekonzeption der Lehrtafel verbindet so mehrere Grundelemente, deren Kombination sich natürlich am einfachsten additiv-staffelnd auffassen läßt, wie in der Forschung bereits nahegelegt worden ist.87 Allerdings ist auf der Lehrtafel mehr im Spiel als ein Rundbau und ein fassadenartig vorgelagerter Triumphbogen. Denn der dargestellte Innenraum zitiert mit seinem Kassettenfußboden in zentralperspektivischer Konstruktion nicht einfach nur Dürers Ehrenpforte,88 sondern deutet zugleich auch einen geradezu langhausartigen Raum an, der sich weder aus den Gegebenheiten einer Ehrenpforte noch eines Rundbaues verstehen läßt. Vielmehr hat man es offenbar mit der Kombination dreier Grundelemente zu tun: einer dreitorigen Prachtfassade, einem Langhaus und einem zentralen Rundbau, von dem die gewaltige Kuppel zeugt, dessen Zentralraum aber offenbar hinter dem Vorhang im Rücken Aarons verborgen bleibt.89 Auch genügt es nicht, von einer einfachen Addition auszugehen, denn die von den Ehrenpforten entlehnte, überdimensionale Krone krönt ja nicht eine vorgelagerte Fassade, sondern die gewaltige Kuppel des Zentralbaus. 84

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Siehe Cod. hist. fol. 551, S. [110v ]–[111r ]. Siehe auch Ebermaier, 1653, S. 387 (XCIX.): »Ecclesia Domus Spei« (Rundbau in einem Garten). Zu Aarons Darstellung s. v. a. Ebermaier, 1653, S. 344 (LXXIV.) u. 515 (LXXXIV.); jetzt Fleck, 2010, S. 140f. Aaron kann zwar nach Fleck, ebd., eine Position im Gesetz-undGnade-Typus in der linken Bildhälfte haben, doch erklärt dies nicht die zentrale Position auf der Lehrtafel. Diese ergibt sich vielmehr offenbar aus der Tempelkonzeption. Diese beiden Säulen tragen auf der Lehrtafel auf ihren Sockeln ihre hebräischen Namen !N‫יכי‬ und !‫ ;בעז‬s. zu den alten Legenden hier S. 272. Zu ihrer, wohl der Rekonstruktion Villalpandos folgenden Gestaltung s. Naredi-Rainer, 1994, bes. S. 142. Siehe so Eusterschulte/Knebusch, 2007, S. LXV. Auf die Form des gezeigten, langhausartigen Innenraumes vor dem Allerheiligsten (siehe unten) gehen die Autorinnen leider nicht ein. So suggerieren sie das Vorliegen ein Baukonzeptes, das eher dem der Karlskirche in Wien ähnelt (Johann Bernhard Fischer von Erlach), als dem weit konventionelleren, welches auch auf der Lehrtafel angedeutet wird (siehe unten). Siehe Abb. 26; ferner Biblia, 1664, u. Biblia, 1701, hier Abb. 31 u. 32. Die zentralperspektivische Konstruktion auf der Lehrtafel läßt allerdings wenig von dem hohen darstellerischen Niveau ahnen, daß Dürer und andere Fachleute der Epoche längst erreicht hatten. Denn der Fluchtpunkt ist zu hoch angesetzt. So erscheint der Boden des Langhauses als schiefe Ebene. Siehe ↑ 59. Zum Tempelcharakter s. hier weiter unten.

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3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

Insofern ist auf der Lehrtafel ein in seiner Art wohl singulärer Versuch der Verschmelzung von Elementen der Ehrenpforte und Grundelementen zeitgenössischer Tempelrekonstruktionen bzw. zugleich auch Kirchenkonstruktionen gegeben, in denen Langhaus und kuppelbekrönter Zentralbau verbunden sind.90 Motiv der beschriebenen baukonstruktiven Verschmelzung dürfte eine Mehrheit von Bedeutungsdimensionen sein, die auf der Lehrtafel gleichermaßen Beachtung verlangten, einmal die lehrhafte Darstellung einer theologischen, christlich-kabbalistischen Synthese (siehe dazu unten mehr), zum anderen die angemessene Ehrung Antonias als Stifterin der Tafel, Zentralperson des vorgeschalteten Epitaphbildes und Urheberin des Teinacher Schreines. Wesentlicher Ausdruck dieser Ehrung ist die Krone, welche sowohl auf dem Epitaphbild wie auf der Lehrtafel Antonia zugesagt wird: So steht die als Antonia vorgestellte »Anima fidelis« auf der Lehrtafel vor einer Ehrenpforte, deren Krone über das beigegebene Monogramm auf Antonia (und Christus als den Seelenbräutigam) verweist; auf dem Epitaphbild kniet sie sich an der Spitze des Brautzuges zur Krönung nieder. Diese Analyse zur Mehrfunktionalität bzw. -dimensionalität paßt nun zu der Beobachtung, daß die Schöpfer der Lehrtafel keine sichtbaren Anstrengungen unternommen haben, die zeitgenössisch verfügbaren Rekonstruktionen des Jerusalemer Tempels in der Gebäudegestaltung durchgängig zu berücksichtigen:91 Eine solche Berücksichtigung erfolgt vielmehr im Rahmen der Stadtansicht auf der rechten Seite der Lehrtafel. Sie zeigt eine Tempelanlage, die offenbar ein Abkömmling der Rekonstruktion Villalpandos ist und sich den Schöpfern der Lehrtafel in Alsteds Enzyklopädie darbot.92 Umso mehr wird der Betrachter dazu ermutigt, das Zentralgebäude der Lehrtafel als Sinnbild und Erinnerungsort wahrzunehmen und die dargestellten biblischen Personen und Szenen im Verein mit dem Umland des Gebäudes als heilsgeschichtliches Panorama zu lesen. In diesem Kontext ist etwa auch eine Darstellung Aarons vor dem geöffneten Vorhang des Allerheiligsten begreif90

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Zur Tempelrekonstruktion und der Kombination von Rund- und Längsbau s. die weiter oben genannte Literatur u. zumal noch einmal den Art. »Tempel von Jerusalem«. In: LCI, Bd. 4 (1972), S. 255–260, bes. 258f. (Günter Bandmann). Bandmann bildet nicht nur eine entsprechende Rekonstruktion Maarten van Heemskercks ab, sondern weist auch auf die Steigerung der Kuppelkonstruktionen zu »phantastischer Mächtigkeit« hin (ebd., S. 258), die sich auch für die Lehrtafel beobachten läßt. Siehe dazu neben Naredi-Rainer, 1994 (siehe oben), v. a. Miletto, 2004, S. 120–144. Insofern hat Betz mit seinem Urteil recht, der Tempel der Lehrtafel habe »wenig gemein mit der Ansicht des Tempels Salomos, wie wir diese aus dem Alten Testament (vor allem 1. Kön. 5–7; 2. Chron. 3–5) erschließen können« (Betz, 2013, S. 53). Siehe dazu im Kommentar zur Turris, zu ↑ 50, hier S. 268 u. Abb. 35. Alsteds Werk wird auch sonst von den Schöpfern der Lehrtafel herangezogen. Siehe dazu hier S. 117.

3.5 Das Gebäude im Kontext der 7. und 8. Sefira

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lich (s. Ex 26,33), und zwar nicht nur als Erinnerung an das priesterliche Versöhnungswerk Aarons und seiner Söhne (s. 1 Chr 6,49), sondern auch an das Zerreißen des Vorhangs anläßlich von Christi Tod (seinerseits verstanden als Versöhnungswerk), wie es die Formulierung in der Turris Antoniae nahelegt.93 Entsprechend kann nun das Gebäude selbst als idealtypisch-verdichtende Heiligtumsdarstellung erscheinen, in der sich der ideelle Gehalt dessen bündelt, was auf der Lehrtafel rechts als Jerusalemer Tempel (↑ 50), links als Stiftshütte in der Wüste am Sinai dargestellt ist (↑ 48) und schließlich, in einem mehr versteckten Hinweis, durch die Zeichnung angedeutet wird, welche der Prophet Ezechiel (↑ 88) auf seinem Schoß hält und als Anspielung auf den visionär geschauten Grundriß des Tempels dient.94 Auch dann aber bleibt die Art auffällig, wie das Gebäude auf der Lehrtafel in eine zentrale Szene der Offb hineinragt (s. Offb 4; ↑ 2). Jedenfalls auf den ersten Blick ergibt sich so eine zitathaft-unvollständige Darstellung der Szene, indem nur der Kreis der vierundzwanzig akklamierenden Ältesten sichtbar ist, nicht aber das Zentrum der Szene mit ihrer Gottesdarstellung. Zitathaftunvollständige Darstellungen sind frühneuzeitlich möglich.95 Die Präsenz der Gebäudespitze inmitten der Szene kann jedoch zu der Vermutung provozieren, daß die Schöpfer der Lehrtafel auf diese Weise das Gebäude selbst als Gottesdarstellung verstanden wissen wollen, und so aus ihrer Sicht von einer Unvollständigkeit keine Rede sein kann, vielmehr von einer adaptiv-innovativen Auffassung dessen, worauf Offb 4 mit der ebenso enthüllenden wie verhüllenden Beschreibung dessen, »der auf dem Stuhl saß«, abzielt (Offb 4,2f.). Insofern das Gebäude auf der Lehrtafel eine Darstellung des Systems der zehn kabbalistischen Sefirot bietet und diese als Gottesdarstellung gelten können, läge eine solche adaptiv-innovative Auffassung im Rahmen des Möglichen. Otto Betz hat bereits darauf hingewiesen, daß die Verbindung von Jachin und Boas mit der 7. und 8. Sefira, wie sie von Turris und Lehrtafel geboten wird, eine entsprechende gedankliche Verbindung in der alten Kabbala widerspiegele.96 Nur auf den ersten Blick zeigen also die 7. und 8. Sefira innerhalb der Sefirotdeutung des Lehrtafel-Projekts kein besonderes Profil, indem ihre Beschreibung auf der Turris eingefahrenen Gleisen folgt und auf den Aufwand von 93

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Siehe Mt 27,51; s. a. die Deutung in Hebr 10,19f. Siehe »velum scissum« in der Turris zu ↑ 53a, hier S. 269; ferner auch »Aaron Gemmatus« bei ↑ 59. Siehe dazu Ez 40–46 sowie die Rekonstruktion des Tempelgrundrisses durch Matthias Hafenreffer, auf den die Zeichnung mit ihrer Darstellung einer Kreisquadratur konkret anspielt. Siehe dazu hier weiter oben die Nachweise S. 131 (Anm.). Siehe hier weiter oben die Nachweise bei Praetorius und Saubert, S. 148, Anm. 77; ferner Abb. 40 im Gegensatz zu Abb. 39. Siehe Betz, 2013, S. 53; dazu Gikatilla, 1994, S. 125; Gikatilla, 1516, S. [259v ].

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3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

Mehrwortausdrücken verzichtet (»Victoria« und »Gloria«; ↑ g u. h)97 und ihre Darstellungen auf der Lehrtafel mit Palme (Siegeszeichen) und Harfe (Symbol musikalischer Verherrlichung) auskommen.98 Über die baukonzeptionelle Funktion von Jachin und Boas bekommen auch diese Sefirot ein besonderes Profil. Keineswegs zufällig oder willkürlich ist es demnach, daß diese beiden Sefirot ihren Platz genau auf der Höhe der Säulenbasen haben und daß sich genau auf dem so definierten Plateau das Tempelgebäude erhebt. Seine Konstruktion fußt so auf einer Vorgabe kabbalistischer Bibelexegese. Und das Gebäude auf der Lehrtafel wird so insgesamt als Hinweis auf eine übliche Metapher für das System der Sefirot faßbar.99 Im Kontext einer Darstellung apokalyptischer Szenen erscheint dieses Verständnis des Lehrtafel-Gebäudes auch noch in einer anderen Hinsicht jedenfalls für frühneuzeitliche Betrachter plausibel. Aus zahlreichen zeitgenössischen Darstellungen waren sie mit Verbildlichungen des himmlischen Jerusalem vertraut und der auffälligen Tatsache, daß dabei regelmäßig eine Stadt ohne Tempel abgemalt wird.100 Grund dafür ist Offb 21,22: »Vnd ich sahe keinen Tempel darinnen/ Denn der HERR der allmechtige Gott ist jr Tempel/ vnd das Lamb.« Daß ein Tempelgebäude für die Ecclesia triumphans in der Tat überflüssig sei, ist dabei zwischen protestantischen und katholischen Auslegern unstrittig, mögen sie auch hier und da in der kontrastierenden Beschreibung der Tempelfunktionen für die Ecclesia militans voneinander abweichen.101 In diesem Kontext 97

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Hingegen bietet die Turris wie bei den drei oberen Sefirot auch bei der 6., 9. und 10. Sefira Mehrwortausdrücke. Das Motiv dafür ist hier wie da erkennbar die Notwendigkeit gewesen, eine mehrdimensionale und teilweise auch innovative Bedeutungszuschreibung angemessen kenntlich zu machen. Wie geschildert kommt ähnlich bei der 4. und 5. (»Gratia« und »Justitia«) eine zusätzliche Bedeutungsdimension hinzu durch die korrelierende Kennzeichnung der Tafelhälften mit »Legis Maledictio« und »Evangelij Consolatio«. Siehe dazu hier weiter oben. Eine vergleichbare »Victoria«-Darstellung von 1632 s. hier Abb. 45 (rechts außen, in der Linken eine Standarte, darunter: »Sig.«). Zur Gebäudemetaphorik in der Sefirotlehre s. hier S. 115; zur topischen Konzeption der Sefirot als Orte der Memoria wie der Inventio s. S. 27. Siehe etwa die Illustration in Luther, 1545, Bd. 2, S. 2509, und Merian, 1965, S. 297, oder auch Sadelers Darstellung, wo jeweils im Stadtzentrum eben jene Szene erscheint, die auch auf der Lehrtafel zitiert wird, nämlich die Akklamation des Lammes auf dem Berg. Siehe hier Abb. 41. Ein Tempel hat hingegen Andreaes Christianopolis; s. Andreae, 1619b, Tafel a. E. Vgl. Hoë, 1671, S. 372: »Perquam memorabile est, quod Deus [...] omnipotens, coelestis civitatis templum dicitur, v. 22. Aliud enim templum ibi non erit. Templum alioquin profuit peccatoribus, (1.) ut illic peccata sua coram Domino deplorarent, veniamque miseri peterent, Luc. 18. v. 15. Ut (2.) in templo informarentur, docentibus iis, qui sedebant supra cathedram Mosis, Matth. 23. v. 1. Ut (3.) in domo Domini solatium adversus tentationes crucis & calamitatum perciperent, Ps. 73. v. 17. Sed in vita aeterna nihil horum omnium opus erit beatis: Quin Dominus Deus omnipotens erit ipse templum: Erit ipse omnia in omnibus, 1. Cor. 15.

3.5 Das Gebäude im Kontext der 7. und 8. Sefira

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kann jedenfalls ein theologisch gebildeter zeitgenössischer Betrachter der Lehrtafel unschwer erschließen, daß mit dem zentral dargestellten Tempelgebäude im Kontext apokalyptischer Szenen ein himmlisch-endzeitlicher Tempel wohl ebensowenig gemeint sein dürfte wie irgendein konkret irdischer. Insofern sich bei näherer Betrachtung das Gebäude als eine Repräsentation des kabbalistischen Sefirotsystems zu erkennen gibt, bedarf es zu der Schlußfolgerung, hier werde eine Gottesdarstellung beabsichtigt, nur noch eines weiteren Schrittes. Im Vergleich zu anderen zeitgenössisch vertrauten Darstellungen, etwa mittels des Tetragrammes oder durch Symbole, wie das Auge im Strahlenkranz, ist ferner zu erkennen, daß mit den christlich-kabbalistisch gedeuteten Sefirot auf der Lehrtafel zugleich implizit der Anspruch erhoben wird, eine bei weitem komplexere und der Fülle der bedenkenswerten Aspekte eher angemessene Darstellung zu bieten. Dieser – für Turris und Lehrtafel bislang nur vermutungsweise rekonstruierte – Darstellungsanspruch der Sefirot findet sich in der Pictura docens hinreichend deutlich und an passender Stelle ausgesprochen: Nach ihrem Prooemium und einem ersten Block der Sefirotbeschreibung bot sich im Textverlauf die Chance zum Rück- und Vorblick: Die Sefirot als von Antonia zu tieferer Einsicht gestiftetes Verzeichnis der göttlichen Namen und mystagogische Leiter waren bereits geschildert; ein Aufweis sollte nun dafür folgen, daß die Lehrtafel auch eine Enzyklopädie der Wissenschaften auf einen Blick böte und damit der Gelehrsamkeit der Prinzessin ein Denkmal setze. Den ersten Platz beanspruchte als Königin aller Disziplinen die Theologie.102 Eben auf der Schwelle zur Behandlung der Theologie spricht die Pictura nun die Sefirot als Summe der Selbstoffenbarung Gottes in seinen Werken an:103 Bei

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v. 28.« Vgl. für die katholische Auslegung van den Steen, 1627, S. 334: »Porrò in coelo non est templum, Primò, quia in hac mortali vita tantùm est locus oblationis, sacrificij & orationis, & per consequens templorum, quae ad hoc solùm destinantur. In coelo autem post plenam resurrectionem, locus est facialis praesentiae & fruitionis Dei, vbi videlicet Sancti Dominum facie ad faciem semper contemplantur, adorant & laudant, atque in ipso, quasi in templo diuino & increato, diuinam & beatam obtinent mansionem: ita vt Deus eis sit templum, & praeses templi, & omnia in omnibus [...]. Secundò, Deus ibi non indiget templo, ac consequenter nec Beati: quia ipsemet sibi est templum. Nam & in seipso videtur à Beatis, & in seipso maiestatem omnem templi continet, eámque quasi omnipotens totam Beatis fruendam & possidendam communicat. Hoc enim est opus omnipotentiae Dei; nusquam enim magis quàm in coelo, Deus suam omnipotentiam manifestat. Pari modo Agnus est templum Beatorum: [...]. [...] Superuacaneum ergo in coelo est templum, vbi Dei & Christi claritas immensa Beatos tenet in sui contemplatione defixos.« Siehe dazu Pictura docens, Z. 520–572. Siehe ebd., Z. 524–531 (deutsche Übersetzung von mir). Im Original sind die zehn Bezeichnungen im Sinne des Sefirotschemas räumlich verteilt. Übrigens war jedenfalls Strölin nach Ausweis seiner Exzerpte bewußt, daß dem sich offenbarenden Gott der verborgene im Sinne

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3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

Schöpfung und Erhaltung der Welt mache Gott sich uns in zehnfacher Weise kenntlich, nämlich als I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII. IX. X.

Veracem Sapientem Prudentem Beneficum Regem Iustum Iudicem Amorosum Victoriosum Gloriosum Immotos reddentem et Beatos

Wahrhaftigen Weisen Verständigen Wohltätigen Herrscher Gerechten Richter Liebreichen Siegreichen Ruhmreichen unerschütterlich Machenden und selig [Machenden].

Abschließend, und im Sinne eines Ausblickes, muß noch ein Hinweis auf die überwältigende Fülle des Bauschmuckes am Gebäude auf der Lehrtafel gegeben werden und auf die nötige Vorsicht, welche er besonders von Antoniaforschern verlangt. Wie bei der Konstruktion des Baukörpers und der Installation der Krone auf der Spitze lag eingangs der Hinweis speziell auf Dürers Ehrenpforte und deren Verwandte und Abkömmlinge nahe, die sich ihrerseits durch antike und mittelalterliche Vorbilder mit ähnlich aufwendigen Ausgestaltungen von Fassaden und speziell Portalen anregen ließen. Durch die Turris Antoniae besteht nun speziell für die vielen monochromen Reliefszenen eine sehr willkommene Möglichkeit, die Angaben der beliebten Legende zum Riß in Oetingers Buch mit konzeptionellen Informationen aus erster Hand zu vergleichen. Für einige wenige Fällen hat die vorliegende Sammlung von Studien und Kommentaren davon bereits profitieren können.104 Eine Enttäuschung erwartet allerdings jeden, der sich speziell von den Reliefszenen einen raschen und umfassenden Einblick in die Besonderheiten der Sefirotdeutung in Antonias Gelehrtenkreis erhofft. Weder die Darstellungen auf der Lehrtafel noch die Kurzbeschreibungen auf der Turris Antoniae bieten einen rasch konsumierbaren Kurzkommentar zu den Sefirot. Früher oder später riskiert jeder einen »müden Kopf«105 beim Durchmustern der Reliefs und dem Rätseln darüber, warum diese oder jene Szene dargestellt und ausgerechnet an dieser Stelle des Tempelgebäudes vorgeblendet ist. Durchaus nicht überall machen die Szenen nach Anordnung und Gehalt auf den ersten Blick erkennbar,

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der negativen Theologie gegenübersteht und daß die Sefirotlehre in ihrer Beschreibung des !P‫ סֹו‬N‫ אֵי‬und der 1. Sefira das berechtigte Anliegen der negativen Theologie berücksichtigt. Siehe dazu hier S. 321. Siehe etwa zur Szene des Judaskusses und der Benennung der zwölf Repräsentanten Israels, hier S. 31; weiteres s. im Kommentar zur Turris und der Legende in Oetingers Werk, hier S. 266. Siehe Raith, 1673, S. 10, hier S. 252.

3.5 Das Gebäude im Kontext der 7. und 8. Sefira

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ob eine Sefira und welche gemeint ist und warum. Hier gilt dieselbe Warnung wie bei der Analyse von Antonias Psalmenplan: Man hat bis auf weiteres mit einer Gemengelage von Motiven zu rechnen, und nicht in jedem Fall muß Kabbalistisches im Spiel sein.106 Auch aus einem weiteren Grund verdienen die Kleinszenen auf den Relieffeldern des Tempelgebäudes eine eigene Spezialuntersuchung: Es besteht nämlich die Hoffnung, daß eine solche Analyse am Ende auch das werkgeschichtliche Verhältnis der Turris zur Lehrtafel noch genauer aufklärt. Wie beschrieben bietet die Lehrtafel ja bei den drei oberen Sefirot sowie der 4. und 5. tugendallegorische Anreicherungen, von denen die Turris nichts weiß. Sie legt nämlich weder die Deutung der oberen Sefirot als Trias von Glaube, Liebe und Hoffnung nahe, noch stützt sie die Ausgestaltung der 4. Sefira als Pax/Concordia und Liberalitas/Fortuna sowie der 5. als Justitia, Temperantia und Fortitudo in der ganze Breite der so angesprochenen Aspekte. Wenn nun die Kleinszenen nach ihrer Beschreibung in der Turris diese Anreicherungen nirgendwo klar reflektieren, wäre dies ein starkes Argument für die Richtigkeit des Eindruckes, den die bisherige Untersuchung provoziert hat: daß nämlich die Turris eine weniger entwickelte Konzeptionsphase bezeugt, der werkgeschichtlich mindestens noch eine weitere folgte, an deren Ende die Lehrtafel stand, wie sie heute als Gemälde sich darbietet.107 Eine weitere Warnung betrifft die Möglichkeit der Kombination von Beobachtungen aus den verschiedenen Dokumenten und Artefakten des Lehrtafel-Projekts: Für die Konzeption, mehr aber noch für die Umsetzung muß mit mehreren Köpfen gerechnet werden und entsprechend vergrößerten Möglichkeiten von konzeptionellen Differenzen, allzu menschlichen Unstimmigkeiten und Inkonsequenzen.108 Anläßlich der Pictura docens ist schon auf eine letzte Hürde hingewiesen worden: Die Pictura bezweckt rezeptionsästhetisch nicht die rasche Aufklärung für jederman, sondern richtet sich an Gebildete mit Lust und Zeit zum Entschlüsseln.109 Das bislang mehrfach beobachtete Zusammenspiel mehrerer Bedeutungsdimensionen auf der Turris und der Lehrtafel zeigt zwar nicht dieselbe kompromißlose Ausrichtung auf die Erbauung einer gebildeten Elite, sondern eine Gestaltungsweise, die zwar auch dem weniger Gebildeten nicht eben weniges bieten will und kann, aber den Gebildeten mit seinen Kenntnissen und Bedürfnissen doch stets zumindest mit im Auge behält.110 106 107 108 109 110

Siehe dazu hier S. 97. Weitere Ansätze für eine werkgeschichtliche Aufarbeitung siehe hier S. 212. Siehe dazu hier S. 192. Siehe dazu hier S. 31. Siehe dazu hier weiter oben die Analyse des Medaillons und des Paradiesvogels (S. 127) sowie unten die Analysen zu Jonas Pflanze (S. 234).

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3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

3.6 Christus und Ecclesia im Kontext der 9. und 10. Sefira Blickfang auf der unteren Hälfte der Lehrtafel ist zweifellos die Gestalt Christi in Gartenmitte. Zu Recht wurde in der Antoniaforschung auf das zeitgenössisch beliebte Bildmotiv des Gnadenbrunnens hingewiesen und zumal auf das New Poetisch Hoffnungs=Gärtlein des Zavelsteiner Pfarrers und Poeten Johann Ebermaier, dessen Frontispiz einen solchen Brunnen in typischer Weise präsentiert (s. Abb. 55). Ebermaier hatte das Werk eben erst Antonia gewidmet und in Tübingen erscheinen lassen.111 Das Frontispiz vereint Lustgarten und Gnadenbrunnen, wie es auch auf der Lehrtafel geschieht: Aus Christi Seitenwunde fließen Blut und Wasser in langen Strahlen. Wasser meint in diesem Kontext das von Christus angebotene »Wasser des Lebens«.112 Im Finale der Offb und damit auch der christlichen Bibel und der Heilsgeschichte wird Christus als Spender dieses Wassers herausgestellt und mit dem Hinweis auf den Baum des Lebens auch an das Paradies erinnert.113 Für die Lehrtafel werden diese Assoziationen 111 112

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Siehe Ebermaier, 1653, Bl. )( iij. Siehe jetzt Eusterschulte/Knebusch, 2007, S. LVIII–LXIV; dazu hier im Kommentar zu ↑ 89e, S. 271, wo auch die Deutung von Isolde Betz besprochen wird; zum Motiv s. jetzt auch Brückner, 2007, S. 44; Steiger, 2013b, bes. S. 53–58. Die zentrale Darstellung eines Heilbrunnens auf der Lehrtafel kann der Betrachter vor Ort leicht mit dem heilkräftigen Sauerbrunnen Bad Teinachs assoziieren und erkennen, daß die Lehrtafel ihn so zu einer vergleichenden Meditation des irdischen Brunnens und des Gnadenbrunnens des himmlischen Arztes Christi anregen will. Steiger zeigt, ebd., eine beeindruckende Parallele in der zeitgenössischen bildlichen und literarisch-theologischen Würdigung des Heilbrunnens in der Nähe des Klosters Lüne (unweit der Stadt Lüneburg) auf. Auf der Lehrtafel werden allerdings Blut und Wasser vom umgebenden Teich gleichermaßen aufgefangen, bei Ebermaier wird das Blut in einem Kelch von einer Allegorie der Hoffnung in einem Gefäß aufgefangen und Christus hält ein anderes Gefäß hoch mit der Aufschrift »AQUA VITAE«; siehe ebd. auch deutsche Gedicht dazu, Bl. A 2r . Siehe Offb 22,17; s. a. Joh 4,14; 7,37; 19,34. Zu Recht wird in der Forschung auch regelmäßig auf die Assoziation des Gartens mit der biblisch fundierten Vorstellung eines irdischen und eines himmlischen Paradises hingewiesen. Siehe Gen 2,8; Ez 28,13, 31,8f.; Lk 23,43; 2 Kor 12,4; Offb 2,7. Zur Beliebtheit dieses Motivs in der Erbauungsliteratur s. etwa Moller, 1597, S. 110 [richtig: 100v ]: »Freylich/ liebe Seele/ bistu wie ein [Esa. 64. i.m.] Vnreiner/ vnd alle deine Gerechtigkeit ist wie ein vnfletig Kleyd. Derhalben hat dir der HERR dein Breutigam/ einen freyen offenen Brunnen [Zach. 13. i.m.] bereytet/ wider die Sünde vnd Vnreinigkeit. Ja/ mein HERR Jesu/ derselbe Brunn ist deine eröffnete Heylige Seyte/ daraus Blut vnd Wasser geflossen ist zum Sündenbade/ vnd reinigung meines Herzens. Denn dein heyliges Blut [1. Joh. 1. i.m.]/ HERR Jesu/ weschet vnd reiniget mich von allen meinen Sünden.«; Sigmund von Birken: JESUS der Erquickungsbrunn. Ps. 42. In: Versöhnung mit Gott, Gedicht 16, Str. 4: »Ach ich hab in deinen Wunden/ meinen Gnadenbrunn gefunden.« (von Birken, 2014, S. 36f., bes. Z. 31f.). Siehe Offb 22,1f.; s. zum Baum Ebermaier, 1653, S. 78. Zum Lustgarten und Paradies s. Raith, 1673, S. 9, hier S. 251. Als Anspielung auf das irdische Paradies kann auf der Lehrtafel auch Christi Darstellung als Zertreter der Schlange im Sinne des Protevangeliums gewertet werden. Siehe Gen 4,1.

3.6 Christus und Ecclesia im Kontext der 9. und 10. Sefira

159

von der Turris Antoniae bestätigt: Sie bezeichnet die Figur in Gartenmitte als »Christus Salutis fons inexhaustus« (Christus, die unerschöpfliche Quelle [unseres] Heils) und läßt vier Hauptflüsse von ihr ausgehen. Völlig korrekt werden diese dann von der Legende zum Riß in Oetingers Buch auf die Flüsse nach Gen 2,10–14 bezogen.114 Nun ist Christus im Tempel- oder auch Paradiesgarten der Lehrtafel aber ohne Zweifel zugleich Repräsentant der 10. kabbalistischen Sefira. Das verdeutlicht nicht nur seine Stellung in Relation zu den neun anderen zentralen Sefirot-Figuren am und auf dem Gebäude, sondern auch das inschriftliche !‫אני‬ (Ich) auf dem Felsbrocken unter seinen Füßen, das der Kenner alsbald mit dem !‫( אתה‬Du) der 6. und dem !‫( הוא‬Er) der 1. Sefira verbindet. In der Sefirotlehre sind diese drei Personalpronomina drei Namen Gottes und dergestalt auf die Sefirot der Mittelachse des Sefirotsystems verteilt. So werden sie auch in Strölins vier Kurzen Erklärungen verbucht.115 Wer Gikatillas Beschreibung der 10. Sefira neben Turris und Lehrtafel legt, findet gerade für den Brunnen bzw. Teich und den Fels eindrucksvolle Korrespondenzen. Etwa Gikatillas Titulierung der 10. Sefira als »fons« oder »puteus viuentium aquarum« (in der Übersetzung des Ritius) muß einen christlichen Bibelleser an entsprechende Titulierungen Christi erinnern. Gikatillas Aufgreifen der drastischen Kritik Jeremias an Israel, das den Quell verlassen habe zugunsten undichter Zisternen (s. Jer 2,13) wird ein frühneuzeitlicher christlicher Theologe wahrscheinlich vor allem auf die Juden als das Alte Gottesvolk beziehen, das Christus als Quelle verlassen habe.116 114

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Siehe ↑ k und 89a–d; hier S. 266. Zu »fons inexhaustus« als Gottesprädikat s. zeitgenössisch Comenius, 1658, S. 7: »Bonorum omnium Fons solus & inexhaustus«. Siehe hier S. 321, 326 u. 330. Siehe Gikatilla, 1516, Bl. [233r-v ] (Interpunktion und Großschreibung von mir standardisiert): »Praeuideas igitur, vt benedictionibus singulis diebus centum benedicas: quarum si vna defuerit, quasi maculatum sanctuarium relinquas existimaberis, quum eiusmodi benedictiones centum argenteis basibus assimilari habeant, per quas inundatio nominis Edonai in piscinas centum undequaque diffunditur. Solet & in lege Edonai aliquando !‫( ּבְאֵר‬puteus) cognominari, quia viuentium aquarum putei exemplum designat, in quem (vt proposita in[n]uunt) inundatio ac dependentia confluunt iuxta illud [Canti. 4 i. m.]: ›Fons hortorum puteus aquarum viuentium & distillantium de Libano.‹ & quamdiu iustitiam sectatur Israel ac rite singulis dierum benedictiones centum profert, viua supernae inundationis aqua huiuscemodi puteus repletur vniuersique Israel inde viuam ad saturitatem vndam epotantes omni diuitiarum bonorumque genere abundant. Interdum etiam dictum Edonai !‫( ּבְאֵרׁש¬בַע‬beersceua), id est ›puteus septenarii‹, dicitur, quia in ipsum per mundi fundamentum a septem supernis altitudinibus septem ducuntur torrentes. In huius vero putei occursu altus sordidarum turpiumque aquarum (extra parietem sphiros) est puteus cum reliquis multifariam puteorum generibus, in quibus serpentum scorpionumque copia repit, qui & alienae cisternae dici solent iuxta illud [Prouer. 23 i. m.]: ›Fouea profunda est meretrix & cisterna angusta aliena.‹ Qui igitur omnem prauitatis nequitiam amplectitur, haud illi umquam quisquam de Beersceua viuentium aquarum haustus propinabitur. Sed in diras perditionis cisternas, quales &

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3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

Ähnlich wird ihn auch Gikatillas Assoziation der 10. Sefira mit dem Eckstein anrühren, den die Bauleute verworfen haben (Ps 118,22; Jes 28,16). Sie ließ sofort an Christi Identifikation mit dem Eckstein denken.117 Ein Rezeptionszeugnis im Umkreis Antonias liefert Steudner. Er verknüpft ausdrücklich diese Passage bei Gikatilla mit Mt 21,42.118 In ihrer Beschreibung der 10. Sefira geht die Pictura docens gerade auf den bewußten Eckstein besonders ausführlich ein und läßt keinen Zweifel daran, daß die Christusfigur auf der Lehrtafel eben darum auf einen Felsbrocken gestellt wurde.119 Daß Turris und Lehrtafel die 10. Sefira mit Christus identifizieren, erscheint zudem im Licht christlicher Inkarnationstheologie verständlich und konsequent: Der unterste Punkt im Sefirotsystem wird bei den jüdisch-mittelalterlichen Kabbalisten als Berührungspunkt der göttlichen Welt und der irdischen Welt angesehen, als Punkt, wo Gottes »Einwohnung« (!‫א‬É‫כִי‬ ‫ ;ׁש‬Schechina) ihren Ort hat.120 Im AT ist der bevorzugte Ort das Allerheiligste in Stiftshütte oder

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ipse effodit, irruet perpetuo iuxta illud prophetae [Hiere. 2 i. m.]: ›Duo‹, inquit, ›mala fecit populus meus: dereliquerunt me fontem aquae viuae & foderunt sibi cisternas dissipatas, quae continere non valent aquas‹, cisternam scilicet perditionis, cuius fundus basisue rimis undique plena aquam in se seruare non potest, sed viperarum scorpionumque coetu circumquaque repletur, cuius metu clamauit Dauid [Psal. 68 i. m.] ›Neque vrgeat‹ inquiens ›super me puteus os suum.‹« Siehe Mt 21,41; Apg 4,11; Eph 2,20; 1 Petr 2,4–8; Gikatilla, 1516, Bl. [234r-v ]: »Appellatur itidem & !‫ה‬µ‫ הַר¸אׁש‬Nֶ‫( אֶב‬capitalis lapis), a quo ingenua caducaue entia in opere principii promuntur in esse. At ›saphireus‹ ideo dicitur, quia saphiri instar omnifariam a supernis altitudinibus colorem trahit & in creatis contraria diffundit. Nam bonum nonnumquam quandoque malum, nunc interitum nunc vitam, nunc languorem nunc medelam, nunc egestatem nunc diuitias ministrat iuxta illud [Deutero. 32 i. m.]: ›Videte nunc, quoniam ego ipse sum & non est deus mecum. Ego occidam & ego viuere faciam, percutiam, & ego sanabo.‹ Haec igitur dimensio de fonte omnium modorum [sc. sefirot] ad se piscinas & dependentias trahens cunctisque in eius dicionem redactis secundum cuiusque limitem alimentum victumque praestat iuxta illud [Psal. 117 i. m.]: ›Lapis, quem reprobauerunt aedificantes, factus est in caput anguli.‹« Siehe auch Raith, 1673, S. 7 (hier S. 247). Siehe Steudner, 1665, S. [123] »Dieses Steins hat auch der HErr Christus austrucklich Meldung gethan / da er als der Dodi und Himmlische David oder Messias / von seinem Geistlichen Weinberg geredet / Matth. 21. v. 42.« Siehe Pictura, Z. 476, 485, 490, 516. Schmidlin operiert in diesem Kontext allerdings artistisch mit mehreren Vorstellungen, dem Eckstein, dem siebenäugigen Stein nach Sach 3,9 und dem geistlichen Fels, aus dem die Gläubigen nach 1 Kor 10,4 trinken. Zum Motiv »Christus petra« s. im Umkreis Antonias Ebermaier, 1653, Nr. LIV., S. 118ff., und Nr. V., S. 219; s. a. Roob, 1996, S. 521. Siehe dazu einführend Scholem, 1973b, S. 135–191; Dan, 2007, S. 65–70; zu Gikatilla s. Grözinger, 2005, S. 427f.; für den Kenntnisstand gelehrter christlicher Hebraisten der Frühen Neuzeit s. Buxtorf, 1639, s. v. !‫כִינžּתָא‬ ‫ ׁש‬,!‫א‬É‫כִי‬ ‫ׁש‬, S. 2394–2398, 2394: »Habitatio, Cohabitatio. In specie dicitur de praesentia, gloria & majestate divina aut Divinitate, quando dicitur hominibus esse praesens, aut cum eis conversari, auxilio suo, gratiâ & salutari praesentiâ adesse. Communiter explicatur, Gloria vel Majestas divina, divinitas gloriosa; Christianus

3.6 Christus und Ecclesia im Kontext der 9. und 10. Sefira

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Tempel. Im Evangelium des Johannes wird Christi Inkarnation als Einwohnung unter uns Menschen beschrieben (Joh 1,14). Umso erstaunlicher muß es scheinen, daß nun nicht alle oder wenigstens doch eine stattliche Reihe frühneuzeitlicher christlicher Sefirotdeuter eine entsprechende Identifikation Christi mit der 10. Sefira vorgenommen haben.121 Buxtorf weist in seinem Schechina-Artikel auf eine Identifikation mit dem Heiligen Geist hin, nicht aber mit Christus.122 Auf den ersten Blick vermag man kaum zu glauben, daß erst der Gelehrtenkreis um Antonia auf diese Deutung gekommen sein soll. Einige Forscher haben Ansätze einer christologischen Schechinadeutung bei Aegidius von Viterbo (1469–1532) wahrnehmen wollen. Dessen einschlägiges Werk zur Schechina blieb in der Frühen Neuzeit allerdings ungedruckt und bereitet auch noch heutigen Lesern erhebliche Schwierigkeiten. Bis auf weiteres bleibt fraglich, ob bei Aegidius eine vergleichbare Identifikation der 10. Sefira mit Christus gegeben ist.123 Für seine Neudeutung der 9. und 10. Sefira mußte der Antoniaskreis mindestens zwei traditionelle Motivreihen modifizieren oder auch eliminieren: Zum einen stellt eine geläufige körpersymbolische Deutung einer weiblichen 10. Sefira als empfangender Frau in den anderen neun Sefirot einen Mann mit insgesamt neun Organen gegenüber. Das Neunte ist der Phallus.124

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Gerson in Versione Germanica cap. ii. Sanhedrin, reddit, die Göttliche beywohnung/ Divina cohabitatio vel praesentia.« Siehe dazu jetzt Schmidt-Biggemann, 2012, u. Schmidt-Biggemann, 2013a. Siehe noch einmal Buxtorf, 1639, s. v. !‫כִינžּתָא‬ ‫ ׁש‬,!‫א‬É‫כִי‬ ‫ׁש‬, S. 2394–2398, 2394: »Elias in Tisbi & Methurgeman monet, Spiritum sanctum eâ locutione designari.« Diese Identifikation ist aber nach dem Referat Buxtorfs schon im Frühjudentum greifbar. Siehe ebd., S. 2397f., sein Referat zu Gen 45,27 nach der Paraphrase des Targum Onkelos und zur kontroversen Auslegung von Hag 1,8. Vgl. dazu jetzt den theologischen (historisch-kritisch allerdings unzureichend fundierten) Deuteversuch bei Zeidler, 2004 (zur Lehrtafel s. den Exkurs auf S. 92–96). Siehe Aegidius, 1959; jetzt dazu Idel, 1998, S. 155; Schmidt-Biggemann, 2012, S. 347–383; ferner Secret, 1958; Javary, 1978; Javary, 1981; Nodes, 2007. Es ist bislang nicht zu belegen, auf welchem Wege der Antoniakreis Kenntnis der komplexen, geschichtstheologisch aufgeladenen Sefirotdeutung des Aegidius erlangt haben könnte. Zur Rezeption bei Ritius s. Roling, 2007, S. 4, u. ebd., Anm. 11. Bislang ist es mir nicht gelungen, bei Aegidius eine auch nur entfernt mit der Turris und der Lehrtafel vergleichbare christologische Schechinadeutung dingfest zu machen. Auch der neueste fachkundige Kommentator kann mit derlei nicht aufwarten und stößt seinerseits auf Unklarheiten bei der Darstellung zumal der 9. und 10. Sefira im Verhältnis zu Aegidius’ Schechina-Konzept. Siehe Schmidt-Biggemann, 2012, S. 378. Siehe dazu hier S. 114, 352 u. 350; ferner Idel, 1998, S. 143 (die 10. Sefira als virgo, die befruchtet wird von der 8. u. 9. Sefira und den Messias gebiert, als ein jüdisch-kabbalistischer Reflex auf die christliche Mariologie).

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3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

Mindestens ein frühneuzeitlicher christlicher Kabbalist hatte zuvor schon versucht, diese Körpersymbolik für eine globale Christologisierung der Sefirot zu nutzen: In der Antoniaforschung hat zuerst Elisabeth Moltmann-Wendel auf die Sefirotdarstellung in Johann Albrecht Widmannstetters Novum testamentum syriace hingewiesen.125 Widmannstetter errichtet in seinem Schema einen Crucifixus rechts neben einem Sefirotschema und verbindet beide mit Verweislinien in Anknüpfung an die anthropomorphe Beschreibung der Sefirot: Christi Kopf korreliert der 1. bis 3. Sefira, seine Hände der 4. und 5., die Seitenwunde der 6. (Blut) und 10. (Wasser), seine Füße der 7. und 8., das Mannesglied schließlich der 9. Originell ist also nicht nur der Bezug auf Christus über die einzelnen Organe, sondern auch die Einbeziehung von Blut und Wasser. Widmannstetter hat im übrigen den Evangelisten Johannes unter das Kreuz gesetzt samt seinem Wappentier, dem Adler, und über ihm als Hinweis auf seine LogosTheologie ein Zitat von Joh 1,1a angebracht: »In principio erat verbum.« Das ist ein Hinweis auf einen Kontext, der christuszentriert den Bogen von der Schöpfung zur Erlösung schlägt und letztere dann als Einspeisung von Blut und Wasser Christi in das Röhrenwerk der Sefirot darstellt.126 Der Gelehrtenkreis um Antonia kannte sowohl die Körpermetaphorik als sehr wahrscheinlich auch Widmannstetters Darstellung.127 Sie konnte ihn nur ermutigen, auch seinerseits adaptive Innovationen zu riskieren. Auch er hat dabei Blut und Wasser als soteriologische Symbole ähnlich deutlich herausgestellt wie Widmannstetter und, wenn auch weniger offensichtlich und eleganter, mit dem Röhrenwerk der Sefirot verknüpft, indem er deren unterste Christus zuweist, dessen Stellung so zugleich den ähnlich prominenten Vers Joh 1,14 versinnbildlichen kann. Zum anderen wird in einer üblichen brautmystischen Deutung der 10. Sefira als Braut die 6. als Bräutigam gegenübergestellt.128 Zeitgenössisch führt dies nicht nur Antonia selbst vor,129 sondern in ihrem Umkreis auch Steudner, ein ausgewiesener Kabbala-Kenner. In seiner christlich-brautmystischen Deu125

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Siehe Moltmann-Wendel, 1989, Abb. II, S. 114; Betz, 2013, S. 23f.; Wilkinson, 2007, bes. S. 137–188 u. Abb. 10. Siehe dazu hier S. 114. Ein direkter Nachweis läßt sich dafür zwar nicht führen, aber gesichert ist Strölins enger Kontakt zu Steudner. Siehe dazu hier S. 382. Steudner kannte Widmannstetter und hielt dessen Sefirot-Darstellung für wichtig genug, um sie in seinem einschlägigen Buch als vorbildliche christlich-kabbalistische Sefirotdeutung wiedergeben zu lassen. Siehe Steudner, 1665, als Abbildung zwischen S. [304] u. [305]. Zu Strölins Kenntnis der Körpermetaphorik s. oben und hier gleich auch im Folgenden. Siehe noch einmal Grözinger, 2005, S. 427f., zu Gikatilla; zur breiter entfalteten Brautmystik im mittelalterlich-kabbalistischen Sohar s. ebd., S. 542–548; s. a. Knorr, 1684, S. 177, § 49. Zur Brautmystik s. hier S. 2 mit weiteren Verweisen. Siehe hier S. 101.

3.6 Christus und Ecclesia im Kontext der 9. und 10. Sefira

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tung erscheint die »Tipheret« (6. Sefira) kombiniert mit der »Hochmah« (2. Sefira), die in der christlichen Kabbala ja regelmäßig dem Sohn Gottes zugeordnet wird. Zudem kennzeichnet Steudner den Bräutigam mittels Erwähnung der Zwei-Naturen-Lehre als Jesus Christus, Gottes und Marias Sohn gezeugt durch den Heiligen Geist. Mit »Malchut und Reich« bezieht sich Steudner auf die 10. Sefira als Braut: [...] wann es weiter bey ihnen heisset; dieser anfang der Offenbarung / nemlich die Hochmah oder Weißheit / als die andere Sefirah, werde geoffenbahret durch die Binah der Verstand / [...]: Solte sich alsdann ein rechtglaubiger Christ hierbey nicht zuerinnern haben dessen / daß die H. Schrift hin und wider in einem und dem andern fast auf gleichen schlag bezeuget? daß nemlich der H. Geist / die 3. Person des Göttlichen Wesens / (zwischen welchem und GOtt dem Vatter der Sohn die mitlere / Matt. 28 /19.) als der Geist des Verstands und Erkantnus / Esa. 11.2. der Geist der Offenbarung Eph: 1/17. den HErrn Christum als den Sohn Gottes hab geoffenbaret / und von ihm gezeuget. item ist auch nach deß Heiligen Geistes-Wirckung und Offenbarung der Sohn Gottes / Tipheret, Jehovah, der Herr der Herrligkeit / die Schönheit an seinen Ort kommen / also daß das Haus seiner Aufnehmung daß Malchut und Reich mit und bey ihm ist / nach dem er seine ewige Gottheit mit der angenommnen Menschlichen Natur persönlich vermählet und vereiniget.130 Daß mit dem andern widerholten oder gedoppelten Buchstaben !‫ה‬, in dem Nahmen Jehovah, insonderheit auf die 2. Person des Göttlichen Wesens/ nemlich auf den Sohn Gottes / den HErrn Messiam, und auf seine zweyerley Naturen seye in seiner gewissen maß ein absehen gericht / ist daraus abzunehmen / weil nach der Cabbalisten Meinung der !‫דודי‬, mein Freund / darunter verborgen / dessen die Braut Meldung thut / in dem Hohen=Lied Salomonis c. 6/2, da sie sagt: Mein Freund ist mein / und ich bin seyn; [...] Selbiger aber ist niemand anders als der Messias / aus seinen 2. unterschiedlichen Naturen / der Göttlichen und Menschlichen / in einer Person bestehend. Er ist der Dodi und liebe Vätter [d. h. Vetter] des Propheten Esaiae [...].131

Strölin kannte die körpersymbolische Deutung, wie sein Tableau zu den Gottesnamen beweist.132 Auffällig war dort das Fehlen des Phallus und der empfangenden Frau, zumal man Strölins volle Kenntnis der Körpersymbolik voraussetzen darf.133 Es ist naheliegend, bei Strölin Schamhaftigkeit oder bewußte Eliminierung als Motiv zu vermuten, weil Sexualmetaphorik tunlichst gleichermaßen aus der christlichen Sefirotdeutung wie der Brautmystik fernzuhalten 130 131 132 133

Steudner, 1665, S. [118]f. Zur Wendung »an seinen Ort kommen« vgl. Joh 1,11. Ebd., S. [120]–[122]. Siehe hier S. 352. Reuchlin bietet in seiner Kurzen Erklärung nur Fragmente der Körpersymbolik (»brachium dexterum« und »brachium sinistrum« bei der 4. u. 5. Sefira, »pes [...] dextera« und »mysterium [...] pedis sinistri«; s. Reuchlin, 2010, S. 61.V (440); Agrippas Kurze Erklärung ist von der Reuchlins abhängig. Sie streicht aber die Hinweise auf die Füße (s. Agrippa, 1992, S. 426). Ohne Bezug auf die Sefirot bietet Agrippa jedoch andernorts bei seinen zahlensymbolischen Überlegungen mehrfach eine vergleichbare, und dann jeweils vollständige Körpersymbolik (s. ebd. S. 282, 290, 294). Strölin muß also für einen guten Teil der Körpersymbolik in seinem Tableau zu den Gottesnamen auf andere Quellen zurückgegriffen haben oder das Schema aus Agrippa aufgefüllt haben.

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3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

sei.134 Phallus und empfangende Frau konnte Strölin für seine Sefirotdeutung in der Turris Antoniae nun offenbar auch aus konzeptionellen Gründen nicht brauchen: Die weibliche Besetzung der 10. Sefira wird zugunsten der Identifikation der Schechina mit Jesus Christus nicht eigentlich eliminiert, sondern auf die 9. Sefira verschoben, »konträr zur üblichen kabbalistischen Konzeption«.135 Durch die Bezeichnung »Sulamitis« (Schulamit) signalisiert Strölin gleichzeitig die Beibehaltung der brautmystischen Dimension.136 Nur hat sich jetzt die Braut direkt über ihrem Bräutigam einzurichten. Die üblicherweise mit der 9. Sefira verbundene Bedeutungszuschreibung »fundamentum« (!‫ )יžסֹוד‬bewahrt die Turris im Attribut der Braut zur Kennzeichnung ihrer geistlich-seelischen Verfaßtheit. Es ist so die »Sulamitis immota« (die unerschütterliche Schulamit).137 Abgesehen davon greift Strölin aber auf seine Kurzen Erklärungen zurück, wo er aus der brautmystisch deutbaren Reihe »Braut im Hohenlied, Himmelskönigin, Jungfrau Israel« in Reuchlins Kurzer Erklärung zwei Elemente extrahiert, nämlich »Sponsa« und »virgo«. Den beschriebenen innovativen Vorgang illustriert die folgende Übersicht im Detail:138

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Daniel Sudermann ruft diesen exegetischen Konsens zu Eingang seiner Hoheliedauslegung ins Gedächtnis (Sudermann, 1622, Bl. [A jv ]): »Das ungetödte [sic] Fleisch verstehts nicht/ deutets nur fleischlich/ vnd nach den Affecten der fleischlichen Liebe/ weil der Liebhaber geberd und gesprech hierinnen werden beschrieben/ sonder [sic] allein der Geist und das glaubige Hertz/ das voller Liebe Gottes ist [....]« Siehe dazu Pieper, 1985, S. 87. Ein Beispiel möglicher Schamhaftigkeit und deren Folgen für brautmystische Formulierungen s. bei Antonia, hier besprochen S. 75. Zur bes. im Sohar entfalteten Sexual- und Körpermetaphorik innerhalb der mittelalterlich-jüdischen Kabbala s. Grözinger, 2005, S. 548–553. Betz, 2013, S. 65. Siehe die Turris zu ↑ i, hier S. 266. Der Name Schulamit (lat. Sulamitis nach der Vulgata als Transkription des griechischen Σουλαμῖτις in den LXX) steht für die Braut des Hohenliedes (s. Hld 6,12 bzw. 7,1). Siehe so auch Pictura, Z. 512 u. 529, sowie die Entwürfe zu einer deutschen Beschreibung des »Brautzuges der Schulamit«, dargestellt auf der Außentafel des Teinacher Schreines (WLB Cod. hist. fol. 551, S. 103r ]–[104v ; s. hier S. 2). Zu seiner Etymologie nach dem zeitgenöss. Erkenntnisstand s. Hofmann, 1698, Bd. 4, s. v. SALEM [1], S. 28 »quae et Salim, in tribu Manasse, Hieronym. de Loc. Hebr. docet, hanc non esse Ierusalem, sed oppidum iuxta Scythopolim, quod usque hodie appellatur Salem, ubi ostenditur palatium Regis Melchisedec: hic Sulamitis dicitur proprie, qui habitat in Salem; quasi Salamitis. Est etiam nomen loci, Ioh. c. 3. v. 23.« Siehe auch Pictura, Z. 472 »Sionia« (»Zionstochter«). Die Kennzeichnung »unerschütterlich« erinnert an Strölins Bemühen auf dem Tableau, die Sefirot mit Eigenschaften Gottes zu verbinden: Aus der üblichen Bezeichnung der 9. Sefira leitete er Gottes Befähigung ab, als Schöpfer allem Geschaffenem gewissermaßen erst den nötigen Halt zu geben, als unbewegter Beweger im Sinne des bekannten aristotelischen Theologumenons. Zur entsprechenden Deutung in Antonia Sefirot-Entwürfen s. hier S. 363. Siehe auch Raiths Deutung, hier S. 247. Zitiert werden Reuchlin, 2010, S. 440; Strölins lat. Kurze Erklärung, hier S. 329, Z. 135, u. 321, Z. 154; sein Tableau, hier S. 349, Sp. 7, Z. 25; seine Turris, hier S. 266, Z. 10.

3.6 Christus und Ecclesia im Kontext der 9. und 10. Sefira Reuchlins Kurze Erklärung [S9] »fundamentum mundi« [S10] »sponsa in canticis canticorum, regina coeli, virgo Israel«

Strölins Kurze Erklärung [S9] »Omnipotens fundamentum« [S10] »Sponsa, virgo«

Strölins Tableau [S9] »Jesod der grundföste, vff dem vnd durch den alles besteht, der alles erhält vnd trägt Verbo suo« [S10] »Malcuth, der könig aller könige«

Strölins Turris [S9] »Sulamitis immota«

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[S10] »Christus Salutis fons inexhaustus«

Lehrtafel und auch Pictura docens stellen für Strölins Schulamit zusätzlich die Verbindung mit der Braut des Lammes in der Offb her. Besonders eindrucksvoll und malerisch erscheint sie in Offb 12,1 (und auf der Lehrtafel) als Mondsichelfrau, um nach einigen dramatischen Verwicklungen am Ende als Frau bzw. auch Braut des Lammes geehrt zu werden.139 In Abwendung von der allzu katholisch erscheinenden Ansprache der Mondsichelfrau als »Maria Himmelskönigin« besinnen sich frühneuzeitliche protestantische Exegeten auf die Auffassung als Sinnbild der Gemeinde (Ecclesia).140 So erscheint die Ecclesia als Braut Christi, mit ihrer Krone aus Offb 12,1 herausgeputzt, bei Ebermaier.141 Unter den Antoniaforschern hat bereits Klemm die entsprechend korrekte Deutung der 9. 139

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Siehe Offb 19,7; 21,9; s. die Illustration in Luther, 1545, Bd. 2, S. 2494, u. dazu Fleck, 2010, S. 175f. Siehe etwa Hoë, 1671, S. 412: »Quaenam ista mulier? Utique non B. Maria, uti insulsi quidam Pontificii verba ista torquerit, sed sancta illa, & Deo dilectissima Sponsa, ECCLESIA, quae saepiùs mulier dicitur, quia nimirum infirmior est, perinde ut Petrus mulieres infirmiora vasa nominat, 1. Pet. 3. v. 7. Mulier autem conjugata hîc introducitur, propter virum unicum, cui desponsata est, Christum Jesum, 2. Cor. 11. v. 2. & quidem non sterilis, sed gravida: [...]. Haec mulier visa est amicta Sole: Christo Jesu videlicet, qui solus est Sol justitiae, Malach. 4. v. 2. Eo inducta & circumdata est Ecclesia, Gal. 4. v. 27. Lunam habuit mulier ista sub pedibus suis, ubi per Lunam vel intelliguntur res mundana & corporales, Lunae instar mutabiles, quas non curat sed pedibus quasi conculcat vera Christi Ecclesia, quae interpretatio placuit Gregorio, qui libro 34. Moral. cap. 7. sic scribit: In Sole illustrato veritatis, in Luna verò, quae menstruis suppletionibus deficit, mutabilitas temporalitatis accipitur. Sancta autem Ecclesia, quia superni luminis splendore protegitur, quasi Sole vestitur: Quia vero cuncta temporalia despicit, ideò Lunam sub pedibus premit. Rectè ergò per lunam intelliguntur res mundanae, vel, ut aliqui malunt, sacra scriptura, quam sub pedibus suis, h. e. pro lucerna, semita, & norma pedum sive gressuum & morum suorum Ecclesia habere dicitur. In capite gestat coronam ἀσvτέρων δώδεκα, duodecim stellarum, quae nihil aliud innuunt, quàm 12. Apostolorum, & Apostolicae doctrinae propagatores: Hos enim stellis comparari in explanat. cap. primi & sexti luculenter percepimus.« Zu Alter und Verbreitung der ekklesiologischen Deutung s. Koch, 2004, S. 169–171. Siehe Ebermaier, 1653, Nr. LXXIII., S. 499: »Christus sponsus, Ecclesia sponsa« (den Ring von Christus empfangend). Ebermaier gibt im Anschluß eine Auflistung sämtlicher einschlägiger Bibelstellen. Zur »Ecclesia sponsa« als Meditationsgegenstand im Luthertum s. Moller, 1597 u. Gerhard, 2000, Bd. 1, S. 125–130.

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3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

Sefira auf die Ecclesia gegeben.142 Doch was die Schöpfer der Lehrtafel bewegt haben mag, die Ecclesia derart als 9. Sefira über Christus auf ihrer Sichel schweben zu lassen, konnte er nicht plausibel machen, noch ist das bislang anderen Forschern überzeugend gelungen.143 Die in Offb 21,2 gemalte Szene ist zwar beeindruckend: Johannes sieht die Braut von oben herabkommen.144 Aber eine solche, von festlicher Dramaturgie zeugende Herabkunft ist doch etwas anderes als das ruhige Schweben der Mondsichelfrau auf der Lehrtafel. Sehe ich recht, bietet eine Bildkonzeption aus der Zeit um 1630 die Lösung. Als Druckgraphik und Flugblatt fand sie Verbreitung und ist heute in einer kommentierten Edition bequem zugänglich. Dennoch hat sie noch niemand als mögliche Inspirationsquelle für die Konzeption der Lehrtafel ausgewertet: Auf seinem Thesenblatt zum hundertjährigen Jubiläum der Confessio Augustana im Jahr 1630 hat Jeremias Slovacius unter der Überschrift IDEA RELIGIONIS eine komplexe Darstellung der Ecclesia übergroß ins Zentrum gestellt (s. Abb. 37).145 Wie auf der Lehrtafel erscheint die Ecclesia als Mondsichelfrau.146 Christus hat auch bei Slovacius unter ihr seinen Platz, allerdings mit den Attributen des Guten Hirten und kaum ein Viertel so groß wie die Gestalt der Ecclesia. Die Begründung für diese Stellung wird in einem Schriftfeld in der Fußleiste gegeben: »PIETATIS FVNDAMENTVM FIDELE CHRISTI PASTORITIVM« (Das Hirtenamt Christi ist die verläßliche Grundlage der Frömmigkeit). Die linke Flanke der Darstellung zeigt nach der entsprechenden Beschriftung die »PRAXIS PIETATIS ACTIVA« die rechte die »PRAXIS PIETATIS PASSIVA«. Bis auf weiteres scheint diese Konzeption nicht nur einige Parallelen147 zur Lehrtafel zu liefern, sondern auch die direkte Vorlage für ein wichtiges Teilkonzept zur Deutung der 9. und 10. Sefira: Wie bei Slovacius reflektiert die 142

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Siehe seinen Brief an Oetinger vom 12.7.1763. In: Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 86. Zur Unbegründetheit einer zuweilen von Forschern herangezogenen mariologischen Deutung siehe hier S. 42. Siehe dazu jetzt Betz, 2013, S. 65. »Vnd ich Johannes sahe die heilige Stad/ das newe Jerusalem/ von Gott aus dem Himel her ab faren/ zubereit/ als eine geschmückte Braut jrem Man.« Siehe Harms/Schilling, 1989, Nr. III,52, S. 105ff. Siehe auch hier S. 90 u. 127. Die Ecclesia wird auf dem Thesenblatt auch als »Virgo Laureata« bezeichnet (s. die Inschrift auf ihrem Haupthaar: »Caput Aurum Religionis Virgo Laureata«). Wenigstens kurz erwähnt sei noch ein weiteres, anonymes, Jubiläumsblatt für 1630, das ebenfalls manche Anregungen für die Konzeption der Lehrtafel bot: Dort liegt auf einer Basisplatte (»FVNDAMENTVM JESVS CHRISTVS.«) eine aufgeschlagene »BIBLIA SACRA« als Wurzelgrund eines Baumes (»CONFESS[IO]. AVGUST[ANA].«); im Kreis darum stehen Allegorien der drei theologischen Tugenden, ferner eine »CONSTANTIA« in den Zweigen des Baumes, dessen Wipfel von göttlicher Hand bekrönt wird mit der Krone des ewigen Lebens. Siehe Marsch, 1980, S. 67 u. Abb. 55.

3.6 Christus und Ecclesia im Kontext der 9. und 10. Sefira

167

Lehrtafel so Christus als Ursache der Existenz und Persistenz der Kirche. Daß man auf der Lehrtafel das Motiv des Guten Hirten nur mit einem bescheideneren Platz auf einem Medaillon an der Basis der Säule Boas bedachte und Christus in der Gartenmitte lieber als Gnadenbrunnen und Fels zeigte, ist eine plausible Variation, deren Gründe hier schon dargelegt wurden. Wichtiger hingegen ist eine andere Differenz: Während bei Slovacius die Verkündiger und Verteidiger des Evangeliums mit ihren Namen auf dem Gewand der Ecclesia verzeichnet sind (ausgehend von den vier Evangelisten und den siebzig Jüngern Jesu),148 stellen Turris und Lehrtafel die ganze Ecclesia dar, also neben Vertretern des Neuen Gottesvolkes auch solche des Alten Gottesvolkes,149 so zumal die Repräsentanten der Stämme Israels und die Propheten im Tempelgarten.150 148

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Slovacius bietet dabei auch Größen der jüngsten Zeit, die sich um den Bestand von Kirche und Bekenntnis verdient gemacht haben, unter ihnen auch Württemberger, wie Theodor Thumm, der genau im Jubiläumsjahr der Confessio Augustana verstarb. Siehe den Art. »Thumm, Theodor«. In: ADB, Bd. 38 (1894), S. 169–171 (Paul Tschackert). Thumms konfessionspolitisch kompromißloses Eintreten für das evangelisch-lutherische Bekenntnis gefährdete das Klima zwischen dem Kaiser und dem Württemberger Herzog Johann Friedrich erheblich. Thumm starb in Schutzhaft auf Hohentübingen. Zu seiner Stellung als bekenntnistreuer und hartköpfiger Theologe nach Ausweis der Dokumente zu seinem Totengedenken s. Gruhl, 2007b, S. 218f. Dieses Konzept reflektiert auch die Pictura docens in ihrem Abschnitt zur Historia Ecclesiastica, welche mit Adam und Eva beginnt (s. bes. Z. 573) und sich im Reigen der behandelten wissenschaftlichen Disziplinen unmittelbar an die Theologia anreiht (s. Z. 521. Christi zentrale Gestalt umringt der erste Zwölferkreis; die Flanken des Gartens zeigen links und rechts je eine weitere Zwölfergruppe. Zweimal wiederholt sich die Vierzahl: Bei den Gestalten, welche die Pfeiler der Gebäudebögen schmücken, und bei jenen, die auf den Stufen davor ihren Platz haben. Siehe ↑ 88–91 und l–y, hier S. 266. In der zeitgenössischen Kunst sind solche Versammlungen zahlreich genug: Apostel, Evangelisten, Propheten und Jakobs Söhne umringen zum Beispiel auf einem beliebten Flugblatt Christus im Navis ecclesiae (s. Abb. 49). Siehe dazu Brückner, 2007, S. 48–53; ferner den Art. »Apostel«. In: LCI, Bd. 1 (1968), S. 150–173 (Josef Myslivec); Jakobs Söhne. In: Bd. 2 (1970), S. 383f. (Jürgen Paul); s. auch Möbius, 1989, passim. Im Falle der Apostel stand eine Tradition bereit, in der die verschiedenen Listen des Neuen Testaments in eine kanonische Reihe verschmolzen sind: Statt Judas Ischarioth findet man rechts unten folglich Matthias (s. Apg 1,26), daneben, in Ausgleichung der Angaben bei den Evangelisten, Judas (Thaddaeus/Labbaeus; s. Mt 10,3; Mk 3,18; Lk 6,16). Für die zwölf Söhne Jakobs und ihre heraldische Repräsentation zog man die Segenssprüche in Gen 49 heran, gelegentlich auch Dtn 33. Siehe etwa das Wappen Gads: Das Feldzeichen mit einem Löwen als Wappentier spielt auf Dtn 33,20f. an. Die Bibel bietet mehrere, im Detail jeweils abweichende Auflistungen von Söhnen bzw. Stämmen Israels (in Dtn 33 fehlen z. B. Simeon und Isaschar). Mehr dazu s. hier S. 33 u. 187. Auch viele der Gestalten in den höheren Regionen von Turris und Lehrtafel dürften nach dem Verständnis ihrer Konzepteure zumindest auch als Repräsentanten der ganzen Ecclesia anzusehen sein. So bekommt das Tempelgebäude unter anderem eben die Funktion des Gewandes der Ecclesia bei Slovacius, nämlich an die Ecclesia in ihrer vielköpfigen Fülle zu erinnern.

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3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

Als Zwischenfazit und Schluß der Behandlung der 9. und 10. Sefira soll erneut der problematischen Differenzierung der erhaltenen Dokumente aus dem Antoniakreis gedacht werden, ob nun nach Autor, Datum oder besonders der konzeptionell-thematischen Nähe bzw. Ferne zum Lehrtafel-Projekt. Seit jeher hat die Antoniaforscher vor allem die Frage nach der Rolle Antonias beschäftigt, vor allem nachdem Oetinger einer Aussage Raiths vehement widersprochen hat: Raith gab Strölin als Konzepteur der Lehrtafel an und nannte ihn, wohl doch auch mit Stolz, seinen Schüler.151 Wie dargelegt hatte Oetinger andererseits gute Gründe, Antonia als in jeder Hinsicht führenden Kopf ihres Gelehrtenkreises hervorzuheben.152 Strölins und Schmidlins Beiträge reduzieren sich in diesem vorgefaßten Urteilsschema zu denen höherer Handlanger.153 Was läßt sich nun aus den Dokumenten selbst über die Urheberschaft zumal an der ungewöhnlichen Behandlung von 9. und 10. Sefira entnehmen? In den Dokumenten aus dem Umkreis Antonias, die offenbar nicht dem LehrtafelProjekt angehören, fehlen für die 10. Sefira zumeist Spuren einer expliziten Interpretatio christiana. Das gilt uneingeschränkt für Strölins vier Kurze Erklärungen zu den Sefirot, seine Tableaus und auch für zwei Sefirotschemata von Antonias Hand.154 Liest man Strölins heraldisches und emblematisches Schema vor dem beschriebenen Hintergrund, ist ein Verständnis im Sinne der Neudeutung jedenfalls möglich: Zwingend notwendig ist es beim heraldischen Sefirotschema eindeutig nicht, geht es Strölin doch in erster Linie offenbar um paßfähige biblische Subscriptiones, die in Korrespondenz zu den heraldischen Inhalten mal einen Adler, mal eine Fahne (Panir) nach dem Wortlaut bieten:155 [9] Abbildung eines Reichsadlers Es. 40 v. 31.156 [10] Abbildung der sogenannten Reichssturmfahne Es. 11. v. 10.157

Zumindest ein exegetisch beschlagener Theologe wird beim emblematischen Schema eine Deutbarkeit von Jes 40,31 auf die Ecclesia Christi im Sinne der 151

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Nach Ausweis der erhaltenen Quellen hat Raith wahrscheinlich in seiner Repetentenzeit am Tübinger Stift Strölin unterrichtet. Zu Raiths Biographie s. die Nachweise hier S. 239, in der Einleitung zum Kommentar. Siehe hier S. 11. Siehe Oetinger, 1977a, Bd. 1, bes. S. 253–55; dazu Betz, 2013, S. 25. Zu diesen Dokumenten s. hier S. 121 u. 123. Siehe WLB Cod. hist. fol. 551, S. [114r ] »Aber die auff den HERRN harren/ kriegen newe krafft/ das sie auffaren mit flügeln wie Adeler/ das sie lauffen vnd nicht matt werden/ das sie wandeln vnd nicht müde werden.« »VND wird geschehen zu der zeit/ Das die wurtzel Jsai/ die da stehet zum Panir den Völckern/ Nach der werden die Heiden fragen. Vnd seine Ruge wird Ehre sein.«

3.6 Christus und Ecclesia im Kontext der 9. und 10. Sefira

169

Deutung der 9. Sefira in den Dokumenten des Lehrtafel-Projekts erkennen können. Und die christologische Brisanz von Jes 11,10 war zeitgenössisch anerkannt.158 Eindeutig brautmystisch ist die Konzeption in Strölins emblematischem Sefirotschema. Dies entspricht in der Zuordnung von 9. (Taube als Braut) und 10. Sefira (Tauben als Brautpaar) exakt der Konzeption der Dokumente und Artefakte des Lehrtafel-Projekts. Einen Unterschied könnte man allenfalls darin sehen, daß hier Antonia allein angesprochen wird, also die individuelle Brautmystik vorherrscht und die kollektiv-ekklesiologische Dimension kontextbedingt zurücktritt: [9] Columba Jn einem felsloch aussenher der habbich [sic; scil. Habicht] [i. m.: Cant. 2. v. 14.159 ] Obschr[ifft]. Securè. [10] Columbae ¨ Vber 2 Ehleüten die ei [sic; scil. ein] Priester zusamen gibt Obschr[ifft]. Feliciter.160

Abgesehen von der Lehrtafel selbst und ihrer Beschreibung durch die Pictura docens findet sich die originelle Deutung der 9. und 10. Sefira im Entstehungszeitraum des Lehrtafel-Projekts folglich nur in Dokumenten von Strölins Hand (also in der Turris und den beiden, eben angesprochenen Sefirotschemata), nicht aber solchen von Antonias Hand.

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Siehe z. B. Sanctius, 1615, S. 143. »Meine Taube in den felslöchern / in den steinritzen / Zeige mir deine gestalt / Las mich hören deine stim / Denn deine stim ist süsse / vnd deine gestalt lieblich.« WLB Cod. hist. fol. 551, S. [109r ] unter der Überschrift !‫א‬³‫י‬¢‫ עַנžּתֹונ‬M‫ יֹו‬, also etwa ›Antonias (Fest-)Tag‹.

170

3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

3.7 Die Vielgestaltigkeit der Liebe und die 6. Sefira Auch bei der 6. Sefira kommen das emblematische und das heraldische Sefirotschema von Strölins Hand den Dokumenten und Artefakten des LehrtafelProjekts denkbar nahe: Wie die Turris Antoniae ordnen sie dieser Sefira die Liebe zu.161 Frühneuzeitlich üblich ist diese Zuordnung nicht. Weit verbreitet ist vielmehr die Kennzeichnung als »Schönheit« (!‫ ּתִפְאֶר«ת‬, Tipheret), und die sonstigen Dokumente aus Strölins und Antonias Nachlaß spiegeln diesen Konsens wider, zuweilen immerhin verbunden mit einer brautmystischen Komponente.162 Die Lehrtafel zeigt nun genau das, was die Turris ankündigt, nämlich eine Reihe von Sinnbildern der Liebe (»Charitatis Symbola«), die sorgende Kindsmutter, das schnäbelnde Taubenpaar, die Glucke mit ihren Kücken (Tauben und Glucke finden sich auch in Strölins emblematischem Schema!) und schließlich den Pelikan, der seine Jungen mit dem eigenen Blut nährt, alles Bilder tätiger Liebe (s. Abb. 3; ↑ f, 21a, 22a u. 33a).163 Schmidlin fand in seiner Pictura docens dann einen eleganten Weg, die konventionelle Kennzeichnung in seine Beschreibung amplifizierend einzubinden. Späteren ist das weniger gut gelungen.164 161

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Siehe im emblematischen Schema (WLB Cod. hist. fol. 551, S. [109r ]): »[6] 2 Columbae | einander küssend, den[en] | 2 palmenzweig kreuzweis | durch den mund gezogen, v[nd]. 2. | Junge vnder [unter einer] hen glucke [.g. in der Handschrift] an ihrn schnä= | beln hangend, v[nd]. azung begehrend | Obschr[ifft]. | Amanter.« Im heraldischen Schema (Siehe WLB Cod. hist. fol. 551, S. [114r ]): »[6] Abbildung eines stilisierten Springbrunnens? | Joh. 4. v. 7. [»Da kompt ein Weib von Samaria wasser zu schepffen. Jhesus spricht zu jr / Gib mir trincken.«]« Zur 4. und 5. Sefira in beiden Schemata s. hier S. 144, zur 9. u. 10. S. 168f. Den Wortlaut der Turris s. hier S. 266, Z. 7: »6. | Charitatis | Symbola.« Siehe ebd. im Kommentar zur Turris die Nachweise; ferner Strölins Kurze Erklärungen zur 6. Sefira, hier S. 326, bes. Z. 90, 98 (»Tipheret«), 100 u. 102 (»Zierdt«), und sein Tableau zu den Gottesnamen, hier S. 349, Sp. 7, Z. 7–11: »!‫ ּתִפְאֶר«ת‬Tiffaeret, der allerweiseste Gott, der alles schön vnnd herrlich gemacht hat.« Siehe auch Antonias Sefirottafeln, hier S. 363, jeweils unter [6]; zu ihrem Psalmenplan s. S. 178, Anm. 189. Zur Brautmystik s. hier S. 162. Zur Kindsmutter als Allegorie der Charitas s. den Art. »Tugenden«. In: LCI, Bd. 4, S. 364– 380, bes. S. 369f. (Michael W. Evans); ferner hier Abb. 18 (rechts außen) u. 19 (oben links); dazu Harms/Schilling, 1985, I,11, S. 32f.; Kern, 2002, S. 437 (Abb. 7) u. 453 (Abb. 30, Titulus: »CHARITAS PVRA ET OPEROSA«). Siehe den Art. »Pelikan«. In: LCI, Bd. 3 (1971), S. 390–392 (Oskar Holle u. a.); Henkel/Schöne, S. 811–813; zeitgenössisch v. a. die christologische Auslegung bei Raith, 1673, S. 5, hier S. 244. Siehe Pictura 209: »Quam Speciosa hîc, quam preciosa Charitatis pulchritudo!« (Wie wohlgestaltet und wohlgeschätzt [präsentiert sich] hier der Liebe Schönheit!) Seit Raith haben jedoch Rezipienten wie teilweise auch Antoniaforscher den hier beschriebenen Befund nicht angemessen problematisiert. So bietet Raith ein unausgeglichenes Nebeneinander der konventionellen hebräischen Bezeichnung und des Befundes in den Artefakten und Dokumenten des Lehrtafel-Projekts (»Jn der Mitte dises geheimen Baums sitzet Frau Charitas, das sechste Bild/ !‫ ;)« תפארת‬s. a. Schauer, 2003, S. 229 (»Tipheret, als alles umfassende Lie-

3.7 Die Vielgestaltigkeit der Liebe und die 6. Sefira

171

Mag diese Fokussierung auf die Liebe auch weithin ohne direkte Vorbilder in christlich-kabbalistischen Auslegungen sein, Anküpfungspunkte für eine Herausstellung der mildtätig-barmherzigen Liebe lieferten jüdisch-kabbalistische Quellen. So spielt die göttliche Barmherzigkeit (!M‫ )רחמי‬bei Gikatilla eine nicht zu vernachlässigende Rolle in seinem Kommentar zur 6. Sefira.165 Zeitgenössisch verzeichnet Rittangel in seinem Sefirot-Schema für die 6. Sefira Schönheit und Mildtätigkeit nebeneinander (»Pulchritudo seu Clementia«).166 Ein möglicher Auslöser dieser auffälligen Akzentuierung der Liebe im Lehrtafel-Projekt könnte die oben beschriebene Neuformierung im Bereich der 9. und 10. Sefira gewesen sein. Sie konnte offenbar nicht ohne Folgen bleiben für den Bedeutungsgehalt der 6. Sefira: Ordnet man nämlich die Schönheit (!‫ )ּתִפְאֶר«ת‬brautmystisch dem Bräutigam zu, muß sie nach der beschriebenen Neuformierung ihre Position gewissermaßen samt dem Bräutigam räumen. Er bekam die 10. Sefira angewiesen – und so offenbar auch die ihm verbundene Schönheit. Ein weiterer, wenn nicht sogar der vorrangige oder eigentliche Auslöser könnte in der Absicht bestanden haben, die Liebe überhaupt und nachdrücklich ins Zentrum der Lehrtafel-Konzeption zu stellen. Unstrittig ist, daß die Liebe auf der Lehrtafel sowie dem vorgelagerten Epitaphbild gleich mehrfach und in verschiedener Weise versinnbildlicht wird. Wie oft dies aber geschieht und ob sämtliche Sinnbilder gemeinsam einen Sinnzusammenhang bilden, kann und

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be«); Betz, 2013, S. 71; Schauer, 2014, S. 51. Zur Semantik von !‫ ּתִפְאֶר«ת‬s. Buxtorf, 1658, s. v., S. 254: »Ornatus, Ornamentum, Decor, Gloria« (der Wurzel !‫ פאר‬zugeordnet; im Piël »Ornare, Decorare, Glorificare«). Wer eine angemessene hebräische Bezeichnung für den Befund geben will, muß !‫ ּתִפְאֶר«ת‬beiseite lassen und etwa zu !‫ אהב‬greifen; s. ebd., s. v. !‫אֹהֶב‬ bzw. !‫אַהֲבָה‬, S. 6: »Amor, Dilectio, Charitas«, bzw. zu !M‫רח‬, siehe ebd., s. v. !Mַ‫ר¯ח‬, S. 318: »Misericordia, Miseratio«; s. a. Koehler/Baumgartner, 1953, s. v. !M‫ר¯חֲמִי‬, S. 886 (»Erbarmen«). Hans-Peter Rüger hat !M‫ ר¯חֲמִי‬immerhin als alternative Bezeichnung neben !‫ ּתִפְאֶר«ת‬gesetzt mit Blick auf die unübersehbare Rolle der Liebe auf Antonias Epitaphbild und Lehrtafel. Siehe Rüger, 1983, S. 11. Oetinger ignoriert übrigens den Befund sowohl in der Legende zum Riß, hier S. 266, Z. 7, wie auch in der eiligen Kompilation des Kurtzen Begriffs, hier S. 284, Z. 75 (»liebliche Schönheit«). Siehe bes. seine Darlegungen zur Namensverbindung !M‫ יהוה אלהי‬und der Vereinigung von Gerechtigkeit (!N‫ )די‬und Barmherzigkeit (!M‫)רחמי‬, Gikatilla, 1883, S. 82ff.; Gikatilla, 1994, S. 150ff.; s. a. Gikatilla, 1516, S. [264r ], [265r ] u. auch [270r ] bei Besprechung der 5. Sefira: »Attamen solo duri iudicij metro [...] mundus persistere nequit: ideo mox lex ipsa Tetragrammaton [das der 6. Sefira zugeordnet ist] adiecit nomini Elohim: [...] Misericordiae nanque oraculo [6. Sefira] metrum dirj iudicij Elohim [5. Sefira] placatur atque demulcetur.« Scholem hat ferner beobachtet (Scholem, 1993, S. 232), daß im Sohar die 6. Sefira weniger oft mit !‫תפארת‬, häufiger aber mit !M‫ רחמי‬assoziiert wird als der »zwischen den Gegensätzen der beiden vorigen Sefiroth ausgleichende[n] ›Barmherzigkeit‹ Gottes.« Jezira, 1642, S. [13]). Die Variation vermerkt auch Roland Goetschel wenigstens in seiner Erläuterung des Schemas; s. seinen Art. »Kabbala I«. In: TRE, Bd. 17 (1988), S. 487–500, 496, Z. 18f.

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3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

muß auch noch gefragt werden, nachdem Wolf-Friedrich Schäufele dem gründlicher nachgegangen ist. Ganz zu Recht hat er auf Merkwürdiges in den Darstellungen der Liebe und auf einen entsprechenden Zusammenhang von Außen und Innen sowie Oben und Unten hingewiesen. In einigen wichtigen Details überzeugt seine Rekonstruktion allerdings nicht oder muß zumindest ergänzt werden. Das gilt zumal für seine Deutung der vierten Frau im Brautzug des Epitaphgemäldes als Anspielung auf die Humilitas und der ersten (der Braut) als weiterer Verkörperung der Charitas (s. Abb. 2): Eine auffallend große Rolle spielen auf dem Außen- wie auf dem Innenbild die drei theologischen Tugenden Glaube, Hoffnung und Liebe (1 Kor 13,13). Im Brautzug der Sulamith werden sie [...] dargestellt [...]. Dabei sind Anna Johanna durch den Anker und Sibylla durch das Kreuz eindeutig als Personifikationen von Hoffnung und Glaube charakterisiert. Die personifizierte Liebe wollen die bisherigen Kommentatoren meist in der vierten Frau, einer Mutter mit zwei Kindern, erkennen. Wirklich ist die Mutter mit Kindern seit dem 16. Jahrhundert das geläufige Symbol der christlichen Liebe (caritas), und auch die Wiederkehr der Figur mit weiteren Attributen auf der Innentafel [...] erfordert zwingend diese Identifizierung. Allerdings würde man doch erwarten, die Liebe als die höchste Tugend an vorderster Stelle zu sehen. Nur in diesem Fall wäre auch die korrekte biblische Reihenfolge [...] gewahrt. Und wirklich scheint hier auch die Braut Antonia-Sulamith die Caritas zu verkörpern, wenn sie mit der Rechten auf ihr Herz, gleichfalls ein klassisches Symbol der || Liebe, weist, während die Linke vielleicht schon auf die für die Herzensbeisetzung vorgesehene Stelle deutet. Demgegenüber weist die vierte Frau zusätzlich noch Attribute einer weiteren Tugend neben der caritas auf. Von den drei anderen deutlich abgerückt und schlichter gekleidet, ist sie mit ihren bloßen Füßen zugleich ein Sinnbild der Demut (humilitas); unter diesem Gesichtspunkt gewinnen auch die Kinder als Anspielung auf Mt 18,3f. eine zusätzliche Sinndimension. Wir hätten es demnach auf dem Außenbild mit vier Tugenden zu tun, indem die Caritas doppelt auftritt [...].167

Die erhaltenen handschriftlichen Brautzugentwürfe von Strölins Hand kennzeichnen die vierte Frau jedoch nur als Charitas neben der zweiten (Spes) und dritten (Fides) im bekannten Dreigespann theologischer Tugenden nach 1 Kor 13,13. Eine Berücksichtigung der paulinischen Reihen- bzw. Rangfolge der drei Tugenden findet dabei nicht statt.168 Es gibt auch keine hinreichenden Gründe anzunehmen, daß man diese Trias später im Sinne Schäufeles erweitert oder revidiert hätte.169 167 168

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Schäufele, 2001, S. 71f. »Sponsus et Sulamitis. | 3. hoffnung. 2. glaube 1. liebe [Cardinales virtutes i. m.].« (WLB Cod. hist. fol. 551, S. [103r ]; s. a. [104v ]; mehr dazu hier S. 2, Anm. 6); zur Reihenfolge s. unten S. 179ff. Die nackten Füße allein rechtfertigen noch nicht, in der Vierten zugleich die Demut zu sehen; nackte Füße haben auch Fides u. Charitas hier in Abb. 18. Eine zeitgenössische Demutsdarstellung s. in Abb. 19, links in der Mitte; dazu Harms/Schilling, 1985, I,11, S. 32. Die bescheidenere Kleidung läßt sich mindestens ebensogut aus einem anderen Kontrast erklären: Die besonders festliche und reiche Kleidung qualifiziert die Braut und ihre beiden

3.7 Die Vielgestaltigkeit der Liebe und die 6. Sefira

173

Bei ihrer Beschreibung der Lehrtafel (dem Innenbild) geht Strölins Turris auf die dargestellten Attribute der »Anima fidelis« leider nicht ein.170 Hier spricht der Befund nun klar für eine Quadriga von Tugenden. Fraglich ist nur, welche die Vierte im Bunde ist: Wir sehen hier Antonia [...] mit vier verschiedenen Tugend-Attributen: dem erhobenen flammenden Herz der Liebe, dem Anker der Hoffnung, dem Kreuz des Glaubens – und einem Lamm, das die bisherigen Kommentatoren entweder als zusätzliches Symbol des Glaubens [...] oder als Sinnbild der fürstlichen Milde [...] deuten wollen. Tatsächlich dürfte es sich um ein Doppelsymbol von Liebe und Sanftmut handeln, das hier dieselben Tugenden verkörpert wie die vierte Frau des Brautzuges.171

Aber auch hier ist es nicht erforderlich, ein »Doppelsymbol« anzunehmen. Das Lamm steht im vorliegenden Kontext doch sehr wahrscheinlich für die Geduld (Patientia) innerhalb der Quadriga, die zeitgenössisch Konrad Rotenburger für 2 Petr 1,6 herausstellt (s. Abb. 44). Auch halte ich es nicht für geboten, hier primär oder auch nur sekundär eine christologische Anspielung auf das »Lamm Gottes« anzunehmen, zumal die übrigen Angehörigen der Quadriga keine mehr- oder hintersinnige Ausdeutung provozieren.172

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Brautjungfern (Antonia, Anna Johanna und Sibylla in Rollenporträts). Bei der Ersten muß Schäufele wenigstens präzisiert werden: Die Zeigegeste in Richtung des (unsichtbaren) Herzens signalisiert hier wohl den Affekt der Liebe, welcher in der brautmystisch ausgestalteten Szene natürlich der zentrale Affekt der Braut ist. Eine weitere (bzw. gedoppelte) Charitas o. ä. Tugend-Darstellung zu geben ist hier nach dem Augenschein und Strölins Randnotiz nicht beabsichtigt. Siehe hier S. 271 den Kommentar zu ↑89e; ferner S. 2 u. 148. Schäufele, 2001, S. 72, mit Hinweisen auf die ältere Forschung. Siehe neben Rotenburger (der den achtgliedrigen Tugendkatalog in 2 Petr 1,5–7 nur partiell aufnimmt und die Hoffnung aus der bekannten Trias frei ergänzt) auch Abb. 45 (»GEDVLT«; fünfte von links, mit Lamm auf dem Arm) u. Abb. 19 (links die Dritte von oben; dazu Harms/Schilling, 1985, I,11, S. 32). Alle vier werden von Philipp Melanchthon dem ersten Dekaloggebot zugeordnet; s. ders.: Ethicae doctrinae elementorum libri duo; CR 16 (1850), Sp. 100–276, 166 (zur Synonymie von ›dilectio‹ u. ›charitas‹ s. u., v. a. Anm. 173 u. 181): »Deinde vero necesse est, habere in conspectu nomina et definitiones verarum virtutum primae tabulae [...]. Iuxta primum praeceptum, fides quae est vera notitia Dei, timor Dei, fides quae est fiducia reconciliationis, dilectio, spes, tolerantia [= patientia; R. G.].« Siehe auch Chytraeus, 1565, a. B, wo die Reihe um Humilitas und Perseverantia erweitert und Dilectio kontextgemäß als »Dilectio Dei« gefaßt wird; Gerhard, 1865, S. 27 (Locus XII. De Lege Dei), hat dann Dei Agnitio, Timor Dei, Dilectio Dei, Fides, Patientia, Humilitas. Zu den Katalogen Andreaes s. unten Anm. 183 a. E; zu protestantischen Tugendprogrammen s. Haupt, 2000, u. Kern, 2002. Betz, 2000, S. 40 u. Anm. 48, deutete neben dem Kreuz (in der Linken der Anima fidelis) das Lamm »wahrscheinlich« als Hinweis auf die theol. Tugend des Glaubens, der (ebd., S. 40) »einen Vorgeschmack des endzeitlichen, seligen Schauens erhält.« Gestützt auf das Frontispiz von Ebermaier, 1653 (s. hier Abb. 55) und unter Heranziehung von Johann Arndts Assoziation des Gnadenbrunnens mit Jes 55,1 u. Offb 7,17 (s. den Hinweis bei Eusterschulte/Knebusch, 2007, S. LXIII) hat Isolde Betz

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3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

Auch dem heutigen Betrachter ist andererseits der Liebeshinweis durch ein rotes Herz in der Rechten der »Anima fidelis« noch ohne weiteres verständlich, weitere Details wohl eher nicht (mehr). Das brennende Herz wird in Erbauungsbüchern des 17. Jahrhunderts zumal der »Charitas« zugeordnet, also der neutestamentlich im Doppelgebot konkretisierten Gottes- und Nächstenliebe (s. Mk 12,31).173 Auf der Lehrtafel zeigt das brennende Herz neben der Flamme noch zusätzlich ein sogenanntes »Jod triplex«, also die folgende, den einen Gott in drei Personen bezeichnende Buchstabenfigur: ‫ י י י‬. Sehe ich recht, fehlt auch der zugehörige Vokal, das ָ (Kamäs.) nicht (oben in der Mitte der Figur).174 Ab-

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diese Deutung revidiert und sieht nun in dem begleitenden bzw. die »Anima fidelis« zum Gnadenbrunnen führenden Lamm eine Verkörperung des »Lammes Gottes« im Sinne der Offb (s. auf der Lehrtafel ↑ 7), also kein Tugendattribut, sondern eine Christusdarstellung (s. Betz, 2013, S. 40 u. Anm. 50). Dagegen sprechen jedoch nicht nur die genannten zeitgenössischen Patientia-Darstellungen, sondern vor allem die Ausdeutung bei Ebermaier selbst, der nach der Widmung eine Frontispiz-Beschreibung (»Erklärung deß Titul=Bildes«) einrückt und dort eindeutig die Frauengestalt auf der rechten Seite als Allegorie der Geduld einführt, als Pendant zur Hoffnung links (B. A 1v): »[Cant. 1,14 i. m.] Da hangt der rund und süsse Traub/ Sein safftig Kleinod reifft/ So die Gedult ergreifft: Das Kreutz/ deß Gartens Preiß/ Bringt Engelsüsse Speiß: [Cant. 2,12 i. m.] Da kirt und schwirrt die Turtel=Taub.« Dieses Frontispiz bot also sicherlich wichtige Anregungen für die Lehrtafel, jedoch kein direktes Vorbild für eine Darstellung der »Anima fidelis«, die nach Strölins Worten den Garten eben gerade betritt (»ingrediens«). Zum Motiv des Gnadenbrunnens s. hier S. 158. In einer weiteren, dritten Bedeutung s. übrigens das Lamm als Attribut der 4. Sefira auf Pos. ↑ d; dazu hier S. 145 (Anm.). Noch ein Detail: Das Kreuz als Hinweis auf den Glauben, das die »Anima fidelis« auf der Lehrtafel kombiniert mit dem Anker (Hoffnung!) in ihrer Linken führt, ist offenbar von einer Lorbeerranke umwunden (richtig erkannt von Schauer, 2003, S. 96; als Ruhmes- bzw. Siegeszeichen nachgewiesen bei Henkel/Schöne, S. 202–207). Siehe hier Abb. 56; beigegeben ist dem u. a. das folgende Gedicht (Cramer, 1624b, S. 108, mit der Überschrift: »LAUS IN CHARITATE.«): Perpetuo in Christum Dilectio ferveat igne, Hujus amore tuus ardeat omnis amor. Nil tibi, si corpus flamma absumatur acuta, Profuerit: solus proderit almus amor. Offensichtlich wird in diesem Kontext mit der Mehrzahl von Bezeichnungen (»Charitas«, »Dilectio« u. »Amor«) keine begrifflich-terminologische Unterscheidung assoziiert. Siehe auch Cramer, 1624a, S. 29 (brennendes Herz mit der Inscriptio: »AMO«); ferner ebd. das Frontispiz (oben rechts die Charitas als Kindsmutter mit brennendem Herzen in der Rechten) u. S. 45 (Subscriptio: »Thure tuo ventoque tuo succendat IESV: | Flagro, tuum sit amor, fragro, tuus sit odor.«); Müller, 1676, Fig. 12 (nach S. 318); Geissmar, 1993, bes. S. 193 (Abb. 54) u. 194 (Abb. 55). Eine prominente Verbildlichung bietet das Frontispiz von Biblia, 1650: Zwischen einer Allegorie der Charitas und der Fides steht im Zentrum Mose mit zwei Bildtafeln vor sich, links die Opferung Isaaks in Gen 22 als Exemplum der Gottesliebe darstellend (Überschrift: »Liebe zu Gott Matt 22 v. 37«), rechts Jonathans Liebe für David nach der Tötung Goliaths in 1 Sam 17f., bes. 18,4 (»Liebe zum Nehesten« Matt 22 v. 39). Siehe eine Großabbildung in Betz, 2013, S. 39. Diese Figur war den Gebildeten wohlbekannt. Siehe dazu hier in Strölins Erklärungen zur 1. Sefira, hier S. 321, Z. 1 u. 6, mit Kom-

3.7 Die Vielgestaltigkeit der Liebe und die 6. Sefira

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gesehen vom Kamäs. zeigt das Herz auf dem Frontispiz von Dilherrs mehrfach aufgelegter Liebesflamme dieselbe Figur (s. Abb. 57). Dort gibt es auch eine Korrespondenz zu einem zweiten, Gott im Himmel repräsentierenden »Jod triplex« innerhalb eines Sonnenballs, aus dem drei Strahlen in drei Flämmchen auf dem Herzen enden und es samt den aufgeschichteten Scheiten auf dem Altar als gottgefälliges Opfer brennen lassen. Daß auf der Lehrtafel diese verfeinerte Herzsymbolik der Liebesflamme (oder einer ähnlichen zeitgenössischen Bildkomposition) zitiert wird, scheint sicher. Offensichtlich ist ferner die Korrespondenz zum Attribut in der Linken der 1. Sefira (s. Abb. 17), von der bereits am Beginn dieser Studie die Rede war.175 Allerdings fehlt diesem brennenden Herzen das »Jod triplex« aus verständlichen Gründen, ist es hier doch Attribut einer der drei göttlichen Personen, nämlich des sich in Liebe erbarmenden Vaters.176 Das Herz des Vaters und das Herz der »Anima fidelis« provozieren nun dazu, wenigstens versuchsweise Schäufeles leitthematische Korrespondenz von Tugendreihen weiter zu denken. Eine Korrespondenz von Tugend-Quadrigen ist zwar nicht schlüssig aufzuweisen. Und bei der unbestreitbaren Korrespondenz der drei theologischen Kardinaltugenden oben auf dem Epitaphbild und oben auf der Lehrtafel (in Gestalt der Sefirot-Trinitas) gibt es keine volle Übereinstimmung in der Reihenfolge und den Attributen.177 Auffällig genug bleibt aber doch die intensive Präsenz der Liebe auf der Mittelachse des Sefirot-Systems der Lehrtafel, um vom offensichtlichen Leitthema des Epitaphbildes ganz zu schweigen.178 Als »Linea media« (!‫ )קו האמצעי‬wird diese Mittelachse schon in der alten jüdischen Kabbala

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mentar. Sie wurde bereits auf dem in Kupfer gestochenen Riß in Oetingers Werk verzeichnet (s. hier S. 266 in der Einleitung zum Kommentar). Diese Pendantstellung zum Herzen in der Hand der »Anima fidelis« hat bereits Harnischfeger, 1986, S. 107, beobachtet und Moltmann-Wendel, 1989, S. 109, wieder aufgegriffen. Zum Herzen im Kontext der 6. und 1. Sefira s. hier S. 100 u. 127. Siehe hier S. 127. Neutestamentlich zeigt sich diese Liebe in der Sendung seines Sohnes (2. Sefira) zu unserer Erlösung (s. Röm 5,8; 1 Joh 4,9f.) und im Ausgießen der Liebe in die Herzen der Gläubigen durch den Hl. Geist (s. Röm 5,5); s. ferner noch einmal Strölins Erklärungen zur 1. Sefira, hier S. 321, Z. 1 (!M‫ )אב הרחמי‬u. 6 (»pater misericoridarum«), mit Kommentar. Gegen Schäufele, 2001, S. 73f.: »Die große Bedeutung dieser vier Tugenden [...] geht auch daraus hervor, daß sie auf der Innentafel [...] auch oben als Attribute der höheren göttlichen Sefirot auftreten. So sind den drei über dem Tempelgiebel plazierten oberen Sefirot [...] die Attribute der theologischen Tugenden zugeordnet: [...]. Ein Stück tiefer [...] finden wir die Figur der Mutter mit zwei Kindern wieder, die [...] wie die erste Sefirah mit der Caritas identifiziert wird. Die drei || bzw. vier Tugenden halten also kompositorisch einerseits Außen- und Innenbild, andererseits Oben und Unten des Innenbildes zusammen; sie sind Anfang und Ziel des Glaubensweges der anima devota.« Zu den oberen Sefirot als Trias s. hier S. 127. Siehe zu hier S. 2f.

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3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

in die Ausdeutung des Systems einbezogen.179 So liegt es jedenfalls für einen theologisch gebildeten Betrachter der Lehrtafel nahe, eine thematische Linie zu ziehen von der Liebe des göttlichen Vaters (1. Sefira) bis hin zur 9. und 10. Sefira in ihrer oben beschriebenen brautmystischen Beziehung, also in ihrer wechselseitigen Liebe als geistliche Brautleute, wie sie in Hld und Offb thematisiert wird.180 Der Betrachter kann in dieser Linie auch einen prominenten inkarnationstheologischen Konnex wiederfinden, klassisch formuliert in 1 Joh 4,9: »In hoc apparuit charitas Dei in nobis, quoniam filium suum unigenitum misit Deus in Mundum, ut vivamus per eum.«181 Der von Turris und Lehrtafel der 6. Sefira zugeordnete Pelikan (s. ↑ 33a) paßt bestens zu diesem liebestheologischen Zusammenhang, ist er hier doch sicher zugleich eine Anspielung auf Christus, der sein Blut gab als Beweis einer Liebe, die sogar das eigene Leben für das Leben anderer dahingibt (s. 2 Kor 5,14f.).182 Es scheint nur konsequent, daneben nicht nur die anderen »Charitatis Symbola« der 6. Sefira einzubeziehen, sondern auch das Herzsymbol in der Rechten der »Anima fidelis« und jedenfalls in der Liebe der »Anima fidelis« (im Verein mit Glaube, Hoffnung und Geduld) zugleich eine angemessene menschliche Reaktion auf die Offenbarung der göttlichen Liebe dargestellt zu finden – gewissermaßen als Aufwärtsbewegung, die der beschriebenen Abwärtsbewegung korrespondiert.183 So wäre also die Liebe der entscheidende thematische Ak179

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Siehe Gikatillas Tore des Lichts zur 6. Sefira u. dazu Strölins Erklärungen, hier S. 326, Z. 90 (zu »!‫ימִי‬¢‫הַּבֵנ‬Ê‫ ;«קַו‬Nachweise im Apparat!) u. 94 (»Linea media«); ferner auch im Umkreis Antonias Steudners Referat zur »mittlen Lini [sic]« bei Gikatilla, zitiert im Kommentar zu »Veritas sigillum eius« in der lat. Erklärung, hier S. 321, Z. 7; s. a. S. 132. Siehe dazu auch die zweite Strophe des Brautliedes oben auf dem Epitaphbild, hier S. 404. Hafenreffer zitiert 1 Joh 4,9 in dieser lateinischen Form in seinem für Württemberg maßgeblichen Lehrbuch anläßlich der Erörterung von Inkarnation und Zwei-Naturen-Lehre und als Beleg für die Wirksamkeit der göttlichen Natur im Heilsmittler Jesus Christus. Siehe Hafenreffer, 1603, S. 135 (s. a. hier S. 119, Anm.). »charitas« in der lat. Übersetzung der Vulgata entspricht »ἀγάπη« im Urtext, der in Joh 3,15 das zugehörige Verb verwendet (»ἠγάπησvεν«), während die Vulgata mit »dilexit« eine andere Wortwurzel bemüht; so wird auch in der Barocktheologie neben ›Charitas‹ gerne ›Dilectio‹ verwendet, ferner auch ›Amor‹ (oft unter Beifügung klärender Näherbestimmungen). Siehe etwa Hafenreffer, ebd., S. 608: »Nam Agape Graecis Dilectio est: Et inde sacris quoque ipsis Nomen est quandoque accommodatum: quod mutuae Charitatis & Dilectionis vinculum sit Cena Domini.« Siehe ferner ebd., S. 59 u. 839. Zum neutestamentlichen Befund s den Art. ἀγάπη. In: EWNT, Bd. 1 (1978), Sp. 19–29 (Gerhard Schneider). Zur Inkarnation als Einwohnung (Schechina) s. a. Joh 1,14; zur Schechina s. hier S. 38 (Anm.), 160 u. 164. Zur altbekannten christologischen Deutung des Pelikans siehe hier S. 170 (Anm.). Anregungen für eine solche theologisch-ethische Akzentsetzung gab es zeitgenössisch genug, regional etwa bei Johann Valentin Andreae (s. hier S. 307). In dessen Konzept einer Vita christiana und Ekklesiologie spielt die Tugend der Charitas neben der Kirchenzucht eine bedeutende Rolle; s. programmatisch im Glaubensbekenntnis in Andreae, 1619b, S. 72f.: »Credimus sanctam & universalem Ecclesiam, [...] Verbi interim ministerio eruditam, cruce

3.7 Die Vielgestaltigkeit der Liebe und die 6. Sefira

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zent der Mittelachse des Sefirotsystems auf der Lehrtafel, und in ihrer vorgeführten Vielgestaltigkeit kann sie wohl auch als zentrale Aussage der gesamten Lehrtafel wie des Epitaphbildes gelten. Schäufeles Kernthese einer übergreifenden, gewissermaßen leitthematischen Bedeutung von Glaube, Hoffnung und Liebe behält so zweifellos ein Wahrheitsmoment: Ohne Frage verbinden sie Lehrtafel und Epitaphbild neben dem Krönungsthema, und der Liebe kommt dabei eine Rolle zu, die ihrer Vorrangstellung bei Paulus und Johannes gerecht wird. Verführerisch ist nun die Idee, ein thematisches Echo der Liebesachse auch in den beiden Gemälden auf den Innenseiten der Flügeltüren des Teinacher Epitaphschreins zu finden.184 Hat man mit der Liebe vielleicht den Generalschlüssel in der Hand für den Teinacher Schrein im ganzen? Möglicherweise sollen mit der Flucht der Heiligen Familie nach Ägypten (links) und der Rettung Moses im Schilf (rechts) ja weitere Exempla der Charitas gegeben werden (tätige Liebe am eigenen und am fremden Kind). Beweisbar ist dies bis auf weiteres nicht. Doch bietet diese Deutung – gegenüber dem Hinweis auf die typologische Beziehung zwischen bedrohtem Mose- und Jesuskind185 oder dem Hinweis auf Ägypten186 oder dem Thema

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exercitam, precibus officiosam, Charitate laboriosam, communione liberalem, excommunicatione formidabilem, quam [...] || [...] Christus maritus, & caput invictam reddit, ordinemque decor, & matrimonij castitas exornat.« In der Auslegung des 4. Gebots, ebd., S. 74: »Studemus parentibus amorem, superioribus honorem, paribus decorem, concreditis pudorem [...], ac mutuis officijs Christianae Charitatis munia obire.« Im Ethik-Unterrricht, ebd., S. 155: »[...] optimae urbis cives [...] summum bonum [...] Christum esse credunt, & agnoscunt, cujus amore inter se perfectâ amicitiâ jungunter, perfectâ veritate formantur, perfectâ civilitate potiuntur, perfectâ liberalitate perfunduntur, perfectâ, ut omnia dicam, humanitate nobilitantur.« Siehe Brecht, 1992. Impulsgeber ist v. a. Johann Arndt; s. die Widmung, ebd., S. 3: »Haec nova Civitas [...] non potest non omnia ad Te referre [...].« Siehe Arndt, 1610, B. 2, Kap. 24ff., B. 3, Kap. 13ff., u. Arndt, 1621, S. 14–19 (1. Gebet, »⟨4.⟩ Vmb hertzliche brünstige Liebe«). Siehe ferner – neben dem von Breymayer wieder in Erinnerung gebrachten Tugendprogramm in Andreae, 1992 (s. bes. S. 13; dazu jetzt Breymayer, 2012, S. 87–98) – den zwölfteiligen »Tugendt Spiegel vnnd Lebens Regel Eines Christen« in Andreae, 1836, S. 57–59, wo die Liebe an dritter Stelle nach Gerechtigkeit und Klugheit erscheint; ähnlich u. breiter entfaltet im Katalog in Andreae, 1619a, S. 17f. (dort an vierter Stelle nach Fides, Spes u. Devotio). Zur lutherisch-theologischen Charitas-Konzeption im Rahmen von Gesetz und Evangelium s. gleich; zur Bewegungsdynamik s. das folgende Kapitel (»Rückblick«). Siehe dazu hier S. 3. Siehe dazu bereits Raith, 1673, S. 5, hier S. 244; jetzt Betz, 2013, S. 36; hier S. 48 u. 273. Eine nähere Untersuchung dieser Beziehung muß die Frage der Anordnung mit berücksichtigen: Warum wird so Jesus links und Mose rechts situiert? Ist dafür ein Bezug zur Gerichtsund Gnadenseite des Sefirotsystems verantwortlich? Ist in diesem Kontext der Kontrast von Nacht (links) und Tag (rechts) von Belang? Siehe Betz, 2013, S. 37; vgl. dazu Ebermaier, 1653, Nr. XIII., S. 234: »De Fuga Christi in Aegyptum«; s. dazu Breymayer, 1978, S. 260 u. Anm. 24.

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3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

der Geburt187 – den Vorteil, so ein überzeugendes tertium comparationis nicht nur zwischen den Seitengemälden zu haben, sondern auch einen starken thematischen Bezug auf die Lehrtafel selbst sowie das Epitaphgemälde.188 Für diese Rekonstruktion eines Leitthemas kann es nicht gleichgültig sein, daß Strölins Turris Antoniae dafür weit weniger sichtbare Anhaltspunkte bietet:189 Weder bezeugt sie eine Trias von Liebe, Glaube und Hoffnung bei den oberen Sefirot, noch eine Quadriga von Liebe, Glaube, Hoffnung und Geduld bei der »Anima fidelis«; das Epitaphbild und die Gemälde auf den Innenseiten der Flügeltüren erwähnt sie auch nicht. Die bisherigen Beobachtungen zum Verhältnis der Turris zu Lehrtafel und Pictura docens sprachen allesamt für ein konzeptionell-werkgeschichtliches Prius der Turris. So gesehen erscheint die mehrfache Determination der oberen Sefirot auf der Lehrtafel gegenüber der Turris als spätere konzeptionelle Anreicherung und Ausgestaltung; ähnlich die Behandlung der 4. und 5. Sefira; ähnlich auch das Krönungsthema, welches in der Turris keine erkennbare Rolle spielt.190 Welche Rolle spielt also das Liebesthema auf der Turris, wenn es nicht ohne weiteres als Leitthema erkennbar ist? Für eine verhältnismäßig wichtige Rolle spricht natürlich auch hier die beherrschende Position der 6. Sefira im Giebelfeld des Gebäudes und zugleich 187

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Siehe so Schauer, 2003, S. 140. Siehe auch ebd., S. 187, wo, m. E. nicht überzeugend, als weitere Gemeinsamkeiten die Messianität und die Präsenz Miriams genannt werden; s. ferner ähnlich spekulativ ebd., S. 202. Einen starken thematischen Bezug deutlich anderer Art hat Eva Johanna Schauer entwickelt. Siehe dazu hier S. 47. Auf der Suche nach solchen Anhaltspunkten scheint auch Antonias Psalmenplan für Montag bemerkenswert, insofern er einen gedanklichen Konnex von 1., 6. u. 10. Sefira verzeichnet (s. hier S. 98f.). Allerdings fehlt dort die 9., und die 6. kommt nicht als Liebe/Charitas ins Spiel, sondern konventionell als !‫תפארת‬/Schönheit. Mit der gleichzeitigen Hinzunahme der 2. bis 4. Sefira bringt Antonia weitere inkarnationstheologische Aspekte ein. Wenn sie dann beim Mittwoch durch die Wahl des Herzsymbols die konventionell als !‫ תפארת‬angesprochene 6. Sefira mit der Liebe assoziiert, ist dies wahrscheinlich im Sinne der bekannten brautmystischen Aufladung der 6. Sefira als Sitz des Bräutigams zu verstehen (s. dazu hier S. 162f.). Eine pointierte Herausstellung der Liebe/Charitas oder gar einer Liebes-Achse ist damit nicht gegeben, also auch nicht eine besondere konzeptionelle Nähe zum Lehrtafel-Projekt. Siehe dazu hier oben das Ende der zweiten und den Beginn der dritten Studie zur Veritas/Charitas, Sapientia/Fides u. Prudentia/Spes; ferner S. 145 (Anm.) zur Darstellung von Gratia/Liberalitas/Concordia/Pax und Justitia/Fortitudo/Temperantia. Mit Schäufele könnte man die resultierenden mehrdimensionalen Bedeutungsträger auch als Doppel- oder Dreifachsymbole ansprechen. Man verzichtet jedoch besser auf die allzu strapazierte und eher verunklärende Rede von »Symbolen«. Zum Krönungsthema und der assoziierten brautmystischen Komponente s. hier einführend S. 2. Die in der Pictura vielfach beobachtbaren Amplifikationen sowie funktions-, gattungs- und intermedial bedingten Abweichungen von Turris und Lehrtafel sind schon mehrfach angesprochen worden. Für die vorliegende Analyse der Turris-Konzeption können sie vernachlässigt werden.

3.7 Die Vielgestaltigkeit der Liebe und die 6. Sefira

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in der Mitte des Sefirot-Systems.191 Wie auf der Lehrtafel besteht ein liebesthematischer Bezug zu den beiden unteren Sefirot, welche mit den Signalworten »Sulamitis« und »Christus« deutlich brautmystisch aufgeladen sind. Wohl keineswegs zufällig signalisiert eine Mehrzahl formal-klanglicher Bezüge eine besondere Verbindung von 6. und 9. Sefira: Die Formulierung »Charitatis Symbola« hat in »Sulamitis immota« nach Silbenzahl und Klang (Homoioteleuta) ein gut sicht- und hörbares Pendant, auffällig verschieden von den Einwortbeschreibungen der 4., 5., 7. und 8. Sefira sowie der Ausführlichkeit bei der 10.192 Theologiegeschichtlich ist ferner ein engerer Bezug der 6. Sefira zum nächstgelegenen Sefirotpaar, der »Gratia« und »Justitia«, zu bedenken, sofern man deren thematische Einbindung in die lutherische Unterscheidung von Gesetz und Evangelium hinzunimmt. Wie oben beschrieben, gibt Strölin als lutherischer Theologe ihr die Aufgabe eines hermeneutischen Schlüssels für Turris und Lehrtafel in horizontaler Leserichtung samt einer Links-Rechts-Symbolik (siehe »Legis Maledictio« und »Evangelij Consolatio«).193 So mußte und muß sich auch heute ein theologisch gebildeter Betrachter fragen, wie sich eine als Charitas gedeutete 6. Sefira unter sowie gewissermaßen auf der Grenzlinie dieser erkenntnisleitenden lutherischen Unterscheidung verhält. Das zwingt nicht nur zur Rekapitulation einschlägiger Aussagen und Texte, sondern auch und vor allem zur Suche nach eindeutig lutherisch geprägten Bildentwürfen für die Charitas, welche Strölin möglicherweise vor Augen standen. Sehe ich recht, spielt die Liebe in der frühneuzeitlich-lutherischen Theologie vor allem in drei Argumentationszusammenhängen eine Rolle, einmal in grundsätzlichen Aussagen zur väterlichen Güte und Barmherzigkeit Gottes, die sich in Schöpfung und Erlösung zeigt (und bei uns kindliche Zuneigung auslöst bzw. auslösen sollte),194 dann in der Herausstellung des »sola gratia« und der heilsrelevanten göttlichen Liebe in der Rechtfertigung des Sünders (in pole191

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Die Kleinszenen im Giebelfeld werden hier vorsichtshalber beiseitegelassen: Ich gehe bis auf weiteres davon aus, daß die beiden, als Pendants gruppierten und formulierten Szenen über »6. Charitatis Symbola« zur 4. (»Benedicta inter mulieres.«; s. ↑ 21) und 5. (»Christus inter doctores.«; s. ↑ 22; s. hier S. 266, Z. 42 u. 44) gehören und so für ein Verständnis keinen unmittelbaren Beitrag leisten. Anders könnte es mit »Serpens aeneus« und »Christus crucifixus« weiter unten stehen (s. ↑ 53 u. 54). Allerdings lassen sie sich mit guten Gründen auch noch für die bei der 4. und 5. Sefira stattfindende typologische Entfaltung reklamieren (s. dazu hier S. 141ff.). Und was will man dann mit »Solis statio« (s. ↑ 35a) anfangen? Die Ausdeutung der Kleinszenen vermehrt so leicht die Schwierigkeiten anstatt sie zu reduzieren. Siehe dazu die Warnung zu methodischer Vorsicht hier S. 157. Siehe den Wortlaut hier S. 266, Z. 5–11; zum Stilgesetz der Aufzählungen S. 15. Siehe hier S. 266, Z. 5f., 48 u. 51. Siehe Hütter, 2006, S. 52f. u. 112f.; Gerhard, 1863, 2,11,216, S. 342; bei Luther selbst etwa im Großen Katechismus, BSLK, S. 648, Z. 48ff.; s. a. WA 36, S. 423..

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mischer Abgrenzung von der Gnadenlehre altgläubiger Theologen),195 schließlich in der Behandlung der Werke, die als Früchte des Glaubens zu erwarten sind und entsprechenden Forderungen Gottes korrelieren (formuliert zumal im Dekalog und im Doppelgebot der Liebe).196 Was dies für das Verständnis der theologischen Kardinaltugenden bedeutet, faßt der Rechtfertigungsartikel der Confessio Virtembergica folgendermaßen zusammen:197 Wir glauben und bekennen, daß diese drei Tugend, Glaub, Hoffnung und Liebe, seien nötig, daß man tu und übe gute Werk, so Gott gefällig sein sollen. Daß auch der Mensch diese Tugend nicht aus ihme selbs erhole, sonder [sic] empfahe sie aus Gunst und Gnaden Gottes. Und daß der Glaub sei tätig durch die Liebe [s. Gal 5,6]. Wir halten aber, daß deren Meinung, so lehren, der Mensch werde Gott angenehm und vor Gott für frumm und gerecht geacht von wegen dieser Tugend, und daß man sich vor Gottes Gericht auf den Verdienst dieser Tugend verlassen soll, etc., der rechten apostolischen und katholischen Lehr ganz zuwider sei.

Eingespielte Darstellungsmuster, welche die Charitas einfach neben anderen Tugenden aufreihten,198 konnten diese reformatorischen Akzente nicht angemessen vor Augen führen. Für die Verbildlichung einer intensiveren Beziehung bot sich natürlich die biblische Pflanzenmetaphorik vom Baum und seinen Früchten an (s. Gal 5,22 u. Mt 7,17), auch der Weinstock und seine Reben (s. Joh 15,5), ferner das genealogische Bild vom Stamm und seiner Wurzel. Und 195

196

197 198

Siehe Hütter, 2006, S. 252f. u. 342f.; Gerhard, 1865, 16,1,154, S. 434; den Ausgangspunkt s. in Luthers Römerbriefvorlesung, WA 56, S. 275: »Nunquid Deum diligere potest? At hec concupiscentia semper in nobis est; ergo nunquam dilectio Dei in nobis est, Nisi per gratiam incepta, et reliquo concupiscentie adhuc sanando, quo nondum ›diligimus Deum ex toto corde‹, per misericordiam non imputato ad peccatum, donec totum auferatur et perfecta Dei dilectio donetur credentibus et perseueranter vsque in finem pulsantibus.« Ebd., S. 307: »Non ex nobis hanc sublimem virtutem [scil. charitatem; R. G.] Apostolus asserit in nobis esse, Sed a Deo querendum. Vnde sequitur Diffusa [s. Röm 5,5], non vtique nata vel orta in nobis. Et per spiritum sanctum, non per virtutem et consuetudinem acquisita sicut Morales virtutes.«; zum Virtus-Verständnis s. a. ebd., S. 169f.; s. a. Schwarz, 1962, bes. S. 358–413; Wenz, 1998, S. 156–158. Siehe Hütter, 2006, S. 268–275 u. 313–335; Gerhard, 1866, 17,1,86, S. 53; den Ausgangspunkt s. noch einmal bei Luther, ebd., WA 56, S. 197, zu Röm 2: »›Lex‹ hoc Loco [...] tota lex Mosi intelligitur, vbi et decem precepta et Charitas Dei et proximi precipitur.«; noch einmal der Große Katechismus, BSLK, S. 649, passim, bes. Z. 12; verbildlicht in Biblia, 1650 (s. hier Anm. 173); s. a. Chytraeus, 1565, Kap. III. (bei Behandlung des 1. Dekaloggebots), De dilectione Dei & proximi; Wenz, 1998, S. 44f., 182–187, 612–644 u. pointiert 195: »[...] daß der Prozeß der Liebestätigkeit nicht als ein Hinauswachsen über, sondern als ein Hineinwachsen in die im Glauben ergriffene Versöhnungswirklichkeit Gottes vorstellig wird.« Zum majoristischen Streit s. Seeberg, 1920, S. 485–488; s. a. Art. »Ethik VII«. In: TRE, Bd. 10 (1982), S. 481–517, bes. 484 (Trutz Rendtorff); Honecker, 1992. Siehe Art. V.; Confessio, 1952, S. 141f., 141 (»Tugend« hier Plural); dazu BSLK, S. 923f. Einige Beispiele wurden hier weiter oben schon besprochen; s. v. a. Anm. 172.

3.7 Die Vielgestaltigkeit der Liebe und die 6. Sefira

181

für die Wurzel Jesse (s. Jes 11,1) gibt es bereits im Mittelalter eindrückliche bildliche Darstellungen.199 Zwei Fälle solcher Verbildlichungen des problematisch gewordenen Verhältnisses von Glaube und Liebe hat Johann Anselm Steiger jüngst besprochen: Die Fides wird als Wurzel der Charitas dargestellt auf der Almosentafel Anton Möllers d. Ä. von 1607 (St. Marien in Danzig; s. hier Abb. 42): Das Danziger Bild visualisiert liegend den personifizierten Glauben (fides) als weibliche Gestalt. Sie hält ein Crucifixus in der rechten Armbeuge und hat einen Abendmahlskelch in der linken Hand. Aus dem Herzen der fides wächst ein Baumstamm hervor, der in die Abbildung der ebenfalls personifizierten caritas übergeht, aus der wiederum Zweige wachsen. Diese münden in sieben Medaillons, die die sieben guten Werke der Barmherzigkeit szenisch zur Abbildung bringen. Präziser läßt sich die lutherische Rechtfertigungslehre und deren Verhältnisbestimmungen von Glaube und Werken, die als Früchte der Gnade verstanden werden, kaum fassen.200

Eine Weiterentwicklung des von Möller verwendeten Bildkonzepts bietet das Thesenblatt des Slovacius (s. Abb. 37): Auf seiner linken Seite wird die pietas activa mit ihren drei Vertreterinnen, der Veritas, Fides und Charitas, vorgeführt im Rahmen einer Bild-Text-Komposition.201 Mittels der Pflanzen- bzw. Wurzelmetaphorik verdeutlicht Slovacius dabei nicht nur die Rückbindung der Liebe an den Glauben, sondern auch beider an die Wahrheit (Veritas).202 Was diese Allegorie der Liebe hier vor Augen führen soll, wird durch eine Überschrift präzis herausgearbeitet: »AMOR DEI CUM PROXIMI | FRUCTUS PIORUM MAXIMI« (Die Liebe zu Gott verbunden mit der Liebe zum Nächsten [sind] die größten Früchte, die die Frommen hervorbringen [können / 199

200

201 202

Siehe dazu Alois Thomas: Art. »Wurzel Jesse«. In: LCI, Bd. 4 (1972), S. 549–558. Siehe auch die frühneuzeitlichen Abbildungen von Stammbäumen. Ein Beispiel von 1612 für die Württemberger und Habsburger Fürsten s. in DHW, S. 137. Zum Glauben als »mater omnium virtutum«, »spiritualis lux« u. »semen Christi« s. Gerhard, 2000, Bd. 1, S. 80f. Steiger, 2013a, S. 83, s. a. ebd. Anm. 182. Ebd., S. 84f., bespricht Steiger einen weiteren Fall (s. hier Abb. 43), in dem aber Glaube und Liebe nur in der Bildbeschreibung derart charakterisiert werden (s. das Zitat aus Johann Saubert Icones precantium, Nürnberg 1629, Bl. ):( ):( 3r ): Dem Glauben gegenüber (mit Rauchfaß als Gebetssymbol, vgl. Ps 141,2) »ist (als Nr. 4) ähnlich wie im Danziger Gemälde die als Mutter mit zwei Kleinkindern symbolisierte Liebe (caritas) zu sehen. Die Erläuterung zu Nr. 1 macht deutlich, dass der ›Glaube‹, wie im Danziger Bild [...] explizit abgebildet, ›der Grund vnd die Wurzel deß Gebets ist‹.« Siehe auch das Frontispiz von Biblia, 1650 (s. hier in Anm. 173); ferner dann Müller, 1676, S. 1211f. u. dazu Part. II. Fig. 10. 35. Instruktiv ist auch die beobachtbare protestantische Revision des Konzepts der Geistlichen Leiter; s. Harms/Schilling, 1989: Nr. III,100, S. 194f. (Glaube – Geduld – Hoffnung); ein kathol. Gegenbeispiel ebd., Nr. III,102, S. 198f. (Glaube – Hoffnung – Liebe). Die Hoffnung s. auf der rechten Seite unten als Repräsentantin der pietas passiva. Zur Stellung der Veritas s. hier S. 120 u. 127. Beachte die reformatorische Pointe in der Formulierung »EVANGELICA FIDES«.

182

3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

sollen]).203 Darunter und daneben wird die traditionelle Darstellung der Tugendallegorie angereichert durch eine Ausdifferenzierung mehrerer Personengruppen als verschiedener »Objecta Charitatis«. So wird zur Rechten die Beziehung zum dreieinen Gott und zu Jesus Christus expliziert, letztere mit dem Motto: »AMOR MEUS CRUCIFIXUS | Si quis non amat D[OMINUM]. N[OSTRUM]. I[ESUM]. CHR[ISTUM] | sit Anathema. 1 Cor. 16[,22].« (Meine Liebe ist der Gekreuzigte. Sollte jemand unseren Herrn Jesus Christus nicht lieben, sei er verflucht.) Ähnlich detailgenau wird die Nächstenliebe entfaltet.204 Daß Strölin beim Entwurf der Turris Antoniae und speziell bei der Konzeption der 9. und 10. Sefira das Thesenblatt des Slovacius kannte, ist zumindest wahrscheinlich. Es kann also auch angenommen werden, daß ihm die systematische Aufreihung verschiedener »Objecta Charitatis« ebenso geläufig war wie die pflanzenmetaphorische Darstellung des Verhältnisses von Glaube und Liebe 203

204

Siehe Mt 22,36–40 (Doppelgebot) und Mt 7,17. Für die lat. Formulierung ist wahrscheinlich eine Ellipse des im ersten Glied genannten Bezugswortes anzunehmen, also: amor dei cum [amore] proximi etc. Siehe dazu Stotz, 1998, S. 371 (Buch IX 90.6); s. a. Hofmann-Szantyr, S. 823, sub b. Siehe Harms/Schilling, 1989, Nr. III,52, S. 106: »[...] drei Männer, die sich mit bittenden Gesten der Charitas zuwenden, ein Gefängnisinsasse, ein bettlägeriger Kranker, ein Soldat mit gezogenem Schwert und ein thronender Herrscher.« Siehe ebd., S. 108, den originalen Wortlaut des Schemas von Slovacius’ (Zusätze in [] u. ⟨⟩ von mir): [...] Charitate agente in sua objecta, quorum aliud est { 1. | Ecclesiasticum [im Druck: »Ecclesiasti cum«] ac Spirituale.}{Sacro Sancta Divinitas | Lucem inaccessibilem habitans | Tribus Personis Revelata Majestas}{ut Deus}{Pater in voce propria | Filius in carne humana | Sp[iritus]. S[anctus]. in Baptismi Columba. 2. | Politicum ac Civile ut}{Magistratus Clementissimi Rom. 13. | Concives & Pacifici vicini Psal. 133. | Collegae fidelissimi Eccles. 25, v. 2. 3. | Oeconomicum & Naturale,}{Parentes Blandissimi | Morigeri ac Jucundissimi | Sororii ac Cognati Lectissimi}{Affines caeteri⟨que cons⟩anguinei. 4. | Humanum & ⟨r⟩ationale, quod diligendum Iubet {⟨D⟩[OMINUS]. N[OSTER]. I[ESUS]. CH[RIST]US | Talionis Ius}{Velut se | ipsum [...]. Man beachte auch die Bildformel zur Unterscheidung von innerseelischem Geschehen und äußerem Tun: Bei der Allegorie der Charitas ist das Herz sichtbar gemacht; durch strahlenförmig angeordnete Linien werden die Relationen zu den einzelnen »Objecta« angedeutet. In der Brust wohnt also der Affekt, aus dem sich die tätige Zuwendung herleitet. Nach dem Kontext geht man wohl nicht fehl, wenn man mit »Amor« und »Dilectio« diesen herzlichen Affekt bezeichnet sieht, mit »Charitas« hingegen besagte Tätigkeit an verschiedenen Personen. Mindestens »Amor« dürfte zugleich auch den Überbegriff bezeichnen, der den gesamten Phänomenbereich ›Liebe‹ einkreist (s. »AMOR DEI CUM PROXIMI«). Rechts weiter unten hat Slovacius noch einen weiteren thematischen Aspekt in einer Sentenz formuliert, deren zeitloser Gehalt den Betrachtern sicher ähnlich geläufig war: »Sorte Patet Misera q[uae] sit Dilectio Vera« (Im Elend zeigt sich [erst], was wahre Liebe ist).

183

3.8 Rückblick

(oder auch Wahrheit,205 Glaube und Liebe). Sicher bekannt war ihm andererseits, daß das Sefirot-System gerne pflanzenmetaphorisch als Baum vorgestellt wurde, dessen Wurzel allerdings oben und dessen Krone unten verortet ist, die als Stamm begriffene »linea media« mitteninne.206 Entsprechend »wächst« die Charitas als 6. Sefira aus den oberen Sefirot stammartig hervor (die 1. Sefira ist die »Veritas«), zugleich aber zwischen sowie unter »Justitia« und »Gratia« (5. und 4. Sefira) auf der Grenzlinie der Unterscheidung von Gesetz und Evangelium. Diese Unterscheidung prägt nun nach Ausweis frühneuzeitlicher lutherisch-theologischer Texte sowohl das Verständnis der Fides als auch der Charitas. Letztere erscheint im Licht des Gesetzes als Tugend, die dem ersten Gebot des Dekalogs sowie dem Doppelgebot der Liebe zugeordnet ist; im Licht des Evangeliums wurzelt sie mit ihren Werken als Früchten im Glauben.207 Dies in etwa dürfte Strölin – wie auch ein zeitgenössischer Betrachter mit soliden theologischen Kenntnissen – angesichts der Charitas assoziiert haben mit Blick auf ihre bekannte Stellung unter den anderen geistlichen Tugenden sowie auf das Gefüge der Sefirot, wie die Turris es vorführt. Die so erschließbare Assoziations- und Argumentationskette ist (noch) nicht ohne weiteres mit der beschriebenen Liebes-Achse der Lehrtafel identisch. Beides ist aber miteinander vereinbar, und so kann die Konzeption einer Liebes-Achse durchaus als Anreicherung und Erweiterung der Turris-Konzeption betrachtet werden.208

3.8 Rückblick Auf der Suche nach den besonderen Akzenten der Sefirotdeutung im Gelehrtenkreis um Antonia verdienen die 9. und 10. Sefira mindestens ebenso viel Aufmerksamkeit wie die 4., 5. und auch die 6. Und mindestens ebenso wie die Deutung der 1. bis 3. Sefira als christliche Trinität gehört die Identifikation der 10. Sefira mit Jesus Christus zu den eindeutigen und besonders auffälligen christlichen Adaptationen. 205 206 207

Siehe dazu hier S. 120 u. 127. Siehe dazu hier S. 22 u. 176. Siehe die Systematik von Chytraeus, 1565. In seiner Zuordnung von Tugenden zum ersten Gebot (s. oben Anm. 172) steht die Fides (Kap. II.) unmittelbar vor der Charitas (Kap. III.); das ›Objectum‹ der Fides ist Gott nach seinem Wesen und seinem Willen; der Wille wird noch weiter nach Gesetz und Evangelium differenziert (als seinen Offenbarungsweisen): »Obiecti seu Termini partes sunt: Dei

208

{ Essentia LEGE Voluntas patefacta in { EVANGELIO de Christo.«

Mit dem emblematischen Sefirotschema (siehe dazu am Kapitelbeginn) liegt zudem von Strölins Hand auch eine, leider nicht genau datierbare Konzeption vor, die ebenfalls stärker und offensichtlicher als die Turris dem Thema ›Liebe‹ verpflichtet ist.

184

3 Die kabbalistischen Sefirot im Lehrtafel-Projekt

Die trinitarische Deutung der 1. bis 3. Sefira konnte der Gelehrtenkreis um Antonia als Gemeingut christlicher Sefirotadaptationen ohne weiteres übernehmen. Für die 4. bis 6. sowie die 9. und 10. Sefira entwickelte er hingegen eine singuläre Verbindung verschiedener adaptiv-innovativer Deutungen im Rahmen eines christlich-kabbalistischen Lehrtafelkonzepts. Sie findet sich so nur in den Dokumenten und Artefakten des Lehrtafel-Projekts ohne Umschweife und vollständig ausgesprochen oder bildlich dargestellt. Diese Verbindung entsteht weitgehend durch eine ungewöhnliche Kombination bereitliegender zeitgenössischer Bildmotive und -konzepte. Nur mit dieser wichtigen Einschränkung kann auch künftig die Lehrtafel als »eine Neuschöpfung ohne Vorbild« aufgefaßt werden.209 Erinnert sei nur an Bangs Trinitätsdarstellung, das Bildkonzept Gesetz und Gnade, die Verbindung von Mondsichelfrau und Christus bei Slovacius, die Herzemblematik bei Cramer und Dilherr, schließlich und nicht zuletzt auch festarchitektonische Bauten zum Empfang eines Ehrengastes oder auch Triumphators nach Art von Dürers Ehrenpforte. All diese Anregungen gehen in eine reiche bildliche Ausgestaltung der Jenseitsvision von Offb 4 ein, welche die Präsenz des Göttlichen nun aber vor allem mittels der kabbalistischen Sefirot zu fassen sucht. Das Ergebnis ist eine Bildsynthese von beträchtlicher Komplexität. So ist verständlich, daß Antonias Gemälde offenbar von Beginn an als »geheimnis=tafel« oder »geheymnis=gemäld« wahrgenommen wurde.210 Trotz dieser reichen Ausgestaltung zu einem mehrdimensionalen Bedeutungsraum lassen Turris und Lehrtafel – zumindest auf den ersten Blick – ähnlich wenig von einer Dynamik im Sefirotsystem spüren wie andere zeitübliche Sefirotschemata, welche solche Aspekte vielfach nur halbherzig oder gar nicht darstellerisch berücksichtigen.211 Vermittelt über die Kanäle herrscht hingegen etwa bei Gikatilla emsigste Bewegung und Austausch: Segensströme fließen von oben herab, Gebete steigen herauf; und wenn es in dieser Kommunikation zu Störungen und Blockaden kommt, sind die Folgen für Israel und den einzelnen Gläubigen bedrohlich. Auf Turris und Lehrtafel begünstigt zumal die Gebäudemetapher im Verein mit dem statuarischen Charakter der SefirotAllegorien die Wahrnahme von Dynamik durchaus nicht. Auf den zweiten Blick gibt es dann aber doch erkennbare Bewegungen nicht nur im Bildhintergrund und an den Flanken. Die »Anima fidelis« an der Gartenpforte provoziert auf der Mittelachse eine Blickbewegung nach oben. Im Gegenzug ist immerhin 209 210 211

Dehio/Zimdars, 1993, S. 37. Siehe dazu hier S. 7 (Anm.). Siehe dazu hier S. 24 u. S. 184. Intensiv berücksichtigt – in Gestalt von Beschriftungen der Verbindungslinien (»Kanäle«, »Äste«) – wird sie etwa bei Kircher (s. hier Abb. 11) sowie in Strölins emblematischem Schema (s. hier S. 123, 168 u. 170).

3.8 Rückblick

185

Christus als Gnadenbrunnen sichtbarer Ausgang einer Bewegung letztlich auch auf den Betrachter hin, vermittelt durch die Kanäle, welche sich aus der Seitenwunde speisen. Schließlich bewirkt für das geistige Auge die Liebes-Achse eine Doppelbewegung, welche das Oben mit dem Unten und das Äußere mit dem Inneren verbindet. Insofern sie sich bei Antonias Epitaphschrein unübersehbar mit der Aufforderung des Memento mori verbindet und dazu auffordert, die größten Themen, Liebe, Tod und Leben, zu bedenken, behält Eva Johanna Schauer mit ihrem Hinweis auf eine Dramaturgia pietatis wohl im Grundsatz recht.212 Denn kontemplativ und doch auch dramatisch wird es zugehen müssen, wenn einer mit sich ehrlich ist und dann so gestimmt Antonias mystagogischen Winken folgend auf ihrer Leiter nicht ohne Mühe, doch staunend emporstrebt.213 212 213

Siehe dazu hier kritisch S. 47. Siehe die doppelte Bewegung in Pictura, Z. 1–35 (s. Schmidlin, 2007, S. 23/25; Unterstreichung wie im Original; die kursivierte Wiedergabe der Wortspiele in meiner Übersetzung ist experimentell): »Komm nur herbei, | wer immer du bist, wenn der Sinn dir nach Sternen steht! | Stelle dir (diese) Leiter erleuchteter (oder: erlauchter) Andacht vor Augen, | auf der das menschliche Nachsinnen emporsteigt und der göttliche Segen hinabsteigt. | [5] Denn wer Wunderbarem nachsinnt, wird wunderbar bereichert. | Rege deines Geistes Flügel – nicht den, der (vor Blicken) schirmt (s. Jes 6,2), sondern den, der (gen Himmel) stürmt. | Denn auf ihn wartet unversehrt und wohlverwahrt die Krone des Reichs, | nach deren (irdischem) Schattenbild wir uns unsinnig sehnen; | [10] nach (ihren) Edelsteinen stöhnen wir und steigern (so noch unsern) Unverstand. | Weit mehr Schwärmer hätte sie, würde sie Schweine zulassen, die nebenher (noch) für irdische Güter schwärmen. | Höher hinauf steige die andächtige Seele, aufs Rechte gerichtet, | und schaue, was die erleuchtete (oder: erlauchte) Andacht anschaulich gemacht hat. | Jene (d. h. die Prinzessin in ihrer Andacht) hat sich die Krone verdient, | [15] indem sie sie in ihrer Verachtetheit betrauerte und in ihrer Erlesenheit bewunderte. | Dreieinig ist sie (d. h. die Krone), weil sie dem dreieinigen König gehört | und alleiniges Abzeichen (seiner) dreieinigen Herrschaft ist. | Diese (Krone) | eröffnet die (Heilige) Schrift, erörtert die Welt (und) erwägt der Mensch, | [20] der ihre Macht bewundert, ihre Gunst besingt (und) ihre Herrlichkeit bedenkt. | Auf dem Kopf des Lammes erkennt er sie dann (wieder), | von hier gefeiert und von da geehrt (s. Offb 4). | O (welch) hochedler Glanz der Edelsteine an dieser Krone; | (schau,) was er verheißt und was er (mit dem Namen in der Inschrift) verdeutlicht! | [25] Sein einziger Strich, (der Buchstabe) !‫ י‬, ohne Streichung, | macht den Diamanten zum Inbegriff der Unzerstörbarkeit wie der Unverbrüchlichkeit der Liebe, | ein einziger (Buchstabe), aber aller Dinge A und O (s. Offb 1,8). | Obwohl man in allen Belangen aus ihm (Erhellendes) schöpfen kann, ist er doch (in seiner Bedeutung) unausschöpflich. | Und nicht weniger erlesen ist | jener andere (Buchstabe), das !‫ ש‬, | [30] der Rubine aufflammen läßt (und) den Saphir blau funkeln. | Er hat, weil er das Herz des Pentagrammes (!‫ )יהשוה‬ist und es in der Mitte teilt, | das Herz des Tetragrammes (!‫ )יהוה‬geöffnet und der Welt mitgeteilt. | Die übrigen Namen des Numens füge (nach Maßgabe des Sefirotsystems) hinzu | [35] und du wirst teilhaben an einem Meer der Liebe und einer unermeßlichen Tiefe der Wissenschaften und einem Ozean der Wonnen!« Zum Leitermotiv s. hier S. 115 (Reuchlin und Alsted) u. oben Anm. 200 a. E.; zu Mystagogie u. Meditation im Luthertum s. das Nachwort v. Gerhard, 2000, Bd. 2, S. 657–690 (Johann Anselm Steiger); zur Dramatik des Bußkampfes s. etwa von Birkens literarische Annäherung, dazu hier S. 143.

4 Der Zwölferkreis 4.1 Rezeptionsgeschichtlich bedingte Widersprüche in den Beschreibungen 4.1.1 Harnischfegers Harmonisierungsversuch Wer anhand von Klemms Riß und der zugehörigen ikonographischen Legende bei Oetinger1 die Repräsentanten Israels auf der Lehrtafel betrachtet (s. ↑ l-y), stößt unweigerlich auf das Problem ihrer Anordnung. Klemm hatte ihre Positionen im Zwölferkreis mit Buchstaben gekennzeichnet. Doch ergibt sich so ein seltsames Durcheinander: m steht zwar im Uhrzeigersinn neben l, n aber in der anderen Kreishälfte usw. Klemm bestimmte die Zwölf als die zwölf leiblichen Söhne Jakobs und nach Maßgabe der Segensordnung in Gen 49.2 Doch welche Ordnung schwebte den Schöpfern der Lehrtafel vor? Ernst Harnischfeger hat aus Oetingers Kurtzem Begriff richtig abgeleitet, daß die Zwölf nach Maßgabe der Lagerordnung von Num 2 ihren Platz erhalten haben: Jeweils eine Dreiergruppe deckt das Heiligtum auf einer der vier Seiten, im Osten Juda, flankiert von Isaschar und Sebulon, in den drei anderen Himmelsrichtungen Gruppen um Ruben, Ephraim und Dan.3 Doch warum die Lagerordnung? Das ist für Harnischfeger »nicht ersichtlich, zumal in 4. Mose 2 gar nicht die Söhne, sondern die Stämme angesprochen sind, während die Tafel ja deutlich Levi und Joseph kennzeichnet, also in den Charakterisierungen und Attributen 1. Mose 49, den Abschiedsworten Jakobs an seine zwölf Söhne, entspricht.«4 Weil die Lehrtafel »deutlich« Levi und Joseph zeige, bleibt Harnischfeger in seinem Schema des Zwölferkreises bei Levi anstatt Manasse und Joseph anstatt Ephraim in der Nachfolge von Oetingers Legende zum Riß (s. Abb. 50). Harnischfegers Kombination von zwölf Jakobssöhnen mit einigen Gegebenheiten der Lagerordnung haben neuere Forscher übernommen.5 Doch zeigt die Lehrtafel wirklich »deutlich« Levi und Joseph? 1 2 3

4 5

Siehe dazu hier S. 9ff. Siehe dazu hier S. 33, und die Legende bei Oetinger zu ↑ l-y, hier S. 271 (rechte Spalte). Siehe Harnischfeger, 1986, S. 59–61; zur Lagerordnung bereits hier S. 33. Die Art, wie im Druckbild von Oetingers Kurtzem Begriff die Fürsten in drei Kolumnen erscheinen, erinnert zwar zuerst an die Ordnung der Steine auf dem hohepriesterlichen Brustschild (s. Ex 28,17– 21), doch dürfte der bibelfeste Oetinger die in der Turris Antoniae gegebene Anspielung auf Num 2 verstanden haben. Ebd., S. 61. Siehe Betz, 1996, S. 42–46; Betz, 2000, S. 42–46; Schauer, 2003, S. 95, 207 u. S. 262f. (ebenso in Schauer, 2006); s. a. Schmidt-Biggemann, 2013b, S. 335. Zur Deutung durch

188

4 Der Zwölferkreis

Das hat jedenfalls bislang niemand in Frage gestellt. Otto Betz hat sogar eine theologische Interpretatio Christiana gegeben.6

4.1.2 Joseph und Levi? Es ist leicht zu sehen, warum man sich im Falle Josephs7 sicher wähnte: Die gewappnete Gestalt im Zentrum der Westgruppe (s. ↑ x; hier Abb. 53) trägt in der Rechten einen Bogen und deckt sich links mit einem pfeilgespickten Schild. Das erinnert ganz ohne Frage an den Segensspruch auf Joseph in Gen 49,22–24: JOseph wird wachsen / Er wird wachsen / wie an einer quelle / Die Töchter tretten ein her im Regiment. [23] Vnd wiewol jn die schützen erzürnen / vnd wider jn kriegen / vnd verfolgen / [24] so bleibt doch sein Boge fest / vnd die Arm seiner hende starck / durch die hende des mechtigen in Jacob / Aus jnen sind komen Hirten / vnd Steine in Jsrael.8

Den Bogen findet man auch in einer einflußreichen Darstellung Josephs bei Jan Sadeler dem Älteren: Dort greift der jugendlich schöne Joseph gerade nach einem neuen Pfeil für seinen Bogen, ein klarer Hinweis auf Gen 49,24 (s. Abb. 52).9 Aus dem Stiervergleich in Dtn 33,17 leitete man den Stier zur Rechten der Gestalt auf der Lehrtafel her: Seine herrligkeit ist wie ein erstgeborner Ochse / vnd seine Hörner sind wie Einhörners hörner / Mit den selben wird er die Völcker stossen zu hauff / bis an des Lands ende / Das sind die tausent Ephraim / vnd die tausent Manasse.10

Bei Levi steht die herrschende Meinung jedoch auf ausgesprochen wackeligen Füßen. Die fragliche Gestalt packt mit der Rechten einen Spieß, ihre Linke hält

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Otto Betz, seine Anreicherungen des Schemas aus Gikatilla sowie die Revision durch Isolde Betz in Betz, 2013, bes. S. 44, s. auch hier S. 209. Betz, 2000, S. 42: »Da aber das neue Israel der Lehrtafel sich nicht mehr um die Stiftshütte und ihre Diener, sondern um Christus [...] schart, verliert Levi [...] seine Sonderstellung und tritt in den Kreis der Brüder zurück. Außerdem werden Ephraim und Manasse, die als AdoptivSöhne Jakobs den Status von Begründer zweier selbständiger Stämme hatten, gemeinsam durch Josef repräsentiert.« Daß die Schöpfer der Lehrtafel so dachten, ist allerdings unbewiesen. Die Turris Antoniae hat Ephraim und Manasse, wie oben gezeigt. Auch die Pictura docens ermuntert dazu nicht. Isolde Betz hat die Ausdeutung darum zu Recht revidiert (Betz, 2013, S. 42): Levi verliert »seine Sonderstellung und scheidet aus dem Zwölferkreis aus.« Siehe Harnischfeger, 1986, S. 64; Betz, 2000, S. 48. Im Ergebnis folgt ihnen Eva Johanna Schauer gänzlich unkritisch. Siehe Schauer, 2003, S. 163. Luther, 1545, Bd. 1, S. 120. Siehe die Abb. bei Knipping, 1974, Bd. 1, Nr. 070 S1, S. 98. Sadeler kann Joseph aber auch ganz anders darstellen, siehe ebd., Nr. 081 C1, S. 105. Luther, 1545, Bd. 1, S. 401. »Ochse« meint hier das männliche Rind.

4.1 Rezeptionsgeschichtlich bedingte Widersprüche

189

einen Ast und einen zerbrochenen, scheibenartigen Gegenstand, den man als Rad gedeutet hat.11 Zu ihren Füßen ruht das Einhorn, der Baum daneben dürfte eine Eiche sein (s. Abb. 53), was die Pictura und jetzt auch die Turris Antoniae bestätigt.12 Aus dem Spieß kann man eine Anspielung auf den in Gen 49,5–7 angedeuteten Rachezug Simeons und Levis gegen Sichem herauslesen, bei dem sie mit List und Gewalt vorgingen. Ein Spieß spielt nach der Bibel dabei jedoch keine spezifische Rolle. Auch Sadeler stellt Levi als Anführer beim Überfall auf Sichem dar, wenn auch mit anderen Attributen. Levi hat bei ihm ein Schwert, keinen Spieß.13 Aber wie passen die anderen Attribute dazu? Ein zerbrochenes Rad kommt in der Sichem-Episode nicht vor. Daß die Eiche »dem starken Krieger Levi« zustehe,14 behauptet Harnischfeger, hat aber keinen Beleg. Auch die Deutung des Einhorns macht Schwierigkeiten. Der Assoziation mit Num 1,47–54 traut Harnischfeger selbst nicht so recht.15 Levi das seltene Tier kurzerhand aus Dtn 33,17 zu beschaffen, ist eine Enteignung Josephs durch den modernen Interpreten. Daß Joseph von den zwei ihm angehörenden Tieren (dem Stier aus Gen 49 und dem Einhorn aus Dtn 33) eines aus Bruderliebe Levi übereignet habe, ist eine Gedanke ohne verläßlichen Basis in den uns erhaltenen Quellen aus dem Umkreis Antonias.16 Wer ferner den trockenen gegabelten Ast für eine Anspielung auf den blühenden Stab von Levis Urenkel Aaron nehmen will bzw. auf das mit ihm aufblühende Priestergeschlecht, muß erklären, warum die Schöpfer der Lehrtafel diesen Zweig oder Stab ausgerechnet durch einen solchen Ast hätten darstellen wollen.17 Schließlich machen auch die Edelsteine Schwierigkeiten. Zwölf Edelsteine zieren die Agraffen der Obergewänder der zwölf Stammesfürsten im Tempelgarten der Lehrtafel. Oetinger bietet im Kurtzen Begriff für die Edelsteine nach Ex 28 zwei differierende Zuordnungen zu zwölf Stammesfürsten.18 Harnischfeger und die allermeisten Forscher bis heute favorisieren jene Auslegungstra11

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Siehe Harnischfeger, 1986, S. 62; Betz, 2000, S. 48f. Wahrscheinlich handelt es sich um den Mühlstein aus Ri 9,53. Siehe dazu hier S. 194. Siehe Pictura 833 (zur Deutung der dazugehörigen Gestalt als Manasse s. u.), u. die Pos. ↑ n auf Turris u. Lehrtafel. Siehe Abb. 52. Harnischfeger, 1986, S. 66. Siehe ebd., S. 62: »Ist hiermit auf die Zukunft der Söhne Levis, auf die Leviten, das erbliche Priestergeschlecht hingewiesen?« Gegen Betz, 2000, S. 48f. Siehe jedoch mehr dazu S. 195. Noch einmal gegen Betz, 2000, S. 48f. Zum Verständnis seiner Argumentation vgl. Ex 6,16– 18; 7,7; Lev 8; Num 17,8f.; 26,59; Hebr 9,4. Vielleicht hat ihn auch eine Formulierung in Oetingers Kurtzem Begriff, Z. 101f. (s. hier S. 287), angeregt: »Aharon | Mit der verdorrten Ruthe, die grünete.« Siehe dazu hier S. 34.

190

4 Der Zwölferkreis

dition von Ex 28, welche dem Smaragd Levi zuordnet und dem Onyx Joseph. Das ist aus zwei Gründen problematisch. Erstens gibt die Pictura docens für den Smaragd einen abweichenden Farbwert, nämlich Grün:19

Smaragd Onyx

Harnischfeger leuchtend schwarz-weiß-gestreift

Pictura docens grün gelb

Levi Joseph

Und zweitens hat nach dem Augenschein auf Antonias Gemälde ausgerechnet jene Figur einen grünen Stein, die nach herrschender Auffassung Joseph und nicht Levi sein soll (s. ↑ x). Um der Farbwertbestimmung der Pictura als zeitgenössischer Stimme aus dem Umfeld Antonias und zugleich dem Augenschein gerecht zu werden, müßte man die Plätze tauschen lassen und die Lehrtafel-Figur zur Linken mit ihrem grünen Agraffenstein als Levi ansprechen. Doch was würde dann mit den weiteren Attributen (Bogen, Pfeile und Stier), an denen man bislang zweifelsfrei Joseph meinte erkennen zu können? Und wenn die rechte Figur mit der gelben Agraffe Joseph wäre, könnte man das Einhorn ihm zwar rück-übereignen. Doch was wird dann mit den übrigen Attributen, die man bislang auf den an Sichem gewaltsam Rache übenden Levi bezog? Nur der Pictura und nicht zugleich dem Augenschein wurde Otto Betz gerecht, als er vom »Glanz des grünen Smaragdes« sprach, der nach Schmidlin »die Lauterkeit der levitischen Lehre« anzeige.20 Den Augenschein hat er in diesem Fall hingegen ignoriert.21

4.1.3 Rückblick Was die bislang übliche Deutung des Zwölferkreises um Christus auf Jakobs Söhne nach Gen 4922 sowie Harnischfegers entsprechenden Harmonisierungsversuch begünstigte, ist das kollektive Gedächtnis christlich geprägter Bibelleser. Ihnen haben sich die meisterlich erzählten Szenen der Josephsgeschichte 19

20 21

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Siehe Pictura 1841: »virore splendens«. Harnischfeger hatte offenbar weder die Lehrtafel noch die Pictura unmittelbar vor Augen, als er seine Farbwertangaben formulierte. Siehe Harnischfeger, 1986, S. 68 u. 70. Betz, 2000, S. 43; s. Pictura docens 1841f. Bei der Einzelbehandlung des angeblichen Joseph und Levi geht Betz bezeichnenderweise auf die Agraffensteine nicht ein, wohl aber auf die ähnlich winzigen Tierkreiszeichen. Siehe Betz, 2000, S. 48. Andere vor und nach Betz haben hingegen auch die Farbwertbestimmung der Pictura docens ignoriert, obwohl dieser Text durch Häußermann, 1966 und Oetinger, 1977a einige Jahre zuvor wieder bekannt geworden war. Ernsthaft diskutiert wird auch nicht die Liste am Schluß von Oetingers Kurtzem Begriff, wo der Smaragd Ephraim und der Onyx Manasse zugeordnet wird. Siehe Oetingers ikonographische Legende zu ↑ l-y, hier S. 271, rechte Spalte.

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eingeprägt wie weniges andere in den Mosebüchern, ob nun durch Hören, Lesen oder Kunstbetrachtung. Ephraim und Manasse bleiben hingegen eher Figuren am Rand der kollektiven Wahrnehmung als Söhne Josephs und Enkel Jakobs.23 Nicht so bei jüdischen Bibellesern und professionellen Hebraisten: Ihnen stehen die Stämme Israels im Sinne zumal der Bücher Numeri und Josua viel lebhafter vor Augen, mithin auch Ephraim und Manasse als Repräsentanten zweier Stämme und ihrer Gebiete im Gelobten Land.24

4.1.4 Der Befund in der Pictura docens Es liegt nahe, auf die beschriebenen Schwierigkeiten bei Klemm und Harnischfeger mit der Gegenthese zu antworten und anzunehmen, die Lehrtafel stelle auf den fraglichen Positionen25 nicht Joseph und Levi dar, sondern Ephraim und Manasse getreu der Lagerordnung nach Num 2. Ephraim habe demnach die Onyx-Agraffe, Manasse den Smaragd, wie es auch die Turris Antoniae und der Kurtze Begriff (am Textende) verzeichnen.26 Doch was wäre dann mit den übrigen Attributen der beiden Figuren auf der Lehrtafel, was mit der zweiten, gewissermaßen klassischen Edelsteinordnung im Kurtzen Begriff (in Textmitte), die nach Ex 28 Joseph und Levi ausweist,27 was schließlich und vor allem mit der wertvollen »Farbtabelle« der Pictura docens? Auch sie hat Joseph und Levi, nicht Ephraim und Manasse. Ist sie darum nicht geradezu ein Kronzeuge für die bislang herrschende Meinung?28 Nach Oetinger hat erst Betz wieder Schmidlins Pictura docens zur Deutung der Lehrtafel genauer zu Rate gezogen.29 Daß dieser Text – »mit geistreichen Wortspielen gespickten Verse[n]« – mehr sein will als eine prosaische Inventur der Lehrtafel, hat Betz im Blick.30 Auch rechnet er mit entstehungsgeschichtlichen Verwerfungen, die sich etwa in kleinen Differenzen zwischen Lehrtafel 23

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Das zeigt sich u. a. auch in den oben kurz berührten Beispielen aus der Kunstgeschichte (s. S. 167). Symptomatisch sind für die Frühe Neuzeit die einflußreichen Serien alttestamentlicher Gestalten des älteren Sadeler: Ephraim und Manasse fehlen; Joseph und Levi sind gleich mehrfach vertreten. Symptomatisch ist auch die Einreihung von Joseph und Levi auf dem Frontispiz einer Ausgabe der Geneva Bible (s. Abb. 46). Auch auf zeitgenössischen historischen Landkarten, welche die Landverteilung nach Jos abbilden, fallen Ephraim und Manasse ungefähr in der Mitte Palästinas sofort ins Auge. Siehe etwa Blaeu, 1665, S. 440f.; jetzt Keel, 1984, S. 252. Siehe ↑ x und n, hier Abb. 53. Siehe im Kurtzen Begriff, Z. 209 u. 211; s. dazu hier S. 33. Siehe ebd., hier S. 287, Z. 106 u. 109. Siehe dazu hier S. 190 u. S. 215. Siehe zu diesem Text aus Antonias Umkreis bereits hier S. 30. Betz, 2013, S. 11. Erst Lothar Mundt hat das Vorurteil, es handele sich um Verse, mit seinem Hinweis auf die barocke Gattung der Inscriptio arguta, widerlegt. Siehe mehr dazu hier S. 32.

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und Pictura docens zeigen.31 Beide Werke sind zwar in etwa zur selben Zeit und einem engen Konnex entstanden, doch bei Beteiligung verschiedener Personen und unter durchaus nicht optimalen Bedingungen.32 Der beiden zugrundeliegende künstlerische Entwurf ist komplex. Mit Inkonsequenzen und Widersprüchen hat man zu rechnen. Damit nicht genug: Wie bereits angedeutet, erlauben die heute vorliegenden Textzeugen nur eine annähernde Rekonstruktion der endgültigen Textgestalt der Pictura docens, die Oetinger noch in einem Exemplar vor Augen hatte. Auch aus diesem Grund kann man die Pictura docens in ihrer heute verfügbaren Gestalt nur mit Vorsicht heranziehen. Daß Betz die Pictura docens nicht systematischer auswerten konnte, belastet zuweilen seine Beweisführung. Die Handschrift, mit der er seinerzeit noch vorlieb nehmen mußte,33 erschwert eine solche Auswertung allerdings beachtlich: Die Vielzahl von eingearbeiteten Textkorrekturen bietet zwar interessante Einblicke in die Werkentstehung, belastet aber die Lesbarkeit zuweilen enorm.34 Nicht einmal, sondern fünfmal geht die Pictura docens auf die Söhne Jakobs bzw. die zwölf Stämme Israels ein: – in einer Darstellung prominenter Gestalten des Alten Testaments35 (wobei Levi und Joseph ebenso einen Platz haben wie Ephraim und Manasse; die auf der Lehrtafel den zwölf Repräsentanten Israels beigegebenen Bäume werden dabei einbezogen; Levi hat jedoch keinen Baum, die Erwähnung einer Palme bei Joseph ist getilgt; Ephraim hat eine Palme);36 – in einer Darstellung der zwölf Edelsteine (Ephraim und Manasse fehlen);37 – in einer Darstellung der Sternzeichen (Levi wird in einem Atemzug mit Simeon genannt; Joseph fehlt);38 – in einer daran anschließenden Darstellung der Jahreszeiten (Levi und Joseph fehlen);39 – in einer Darstellung der Politik (Levi und Joseph fehlen).40

In allen fünf Kontexten wird die Lehrtafel auf je eigene Weise beleuchtet. Mit Angaben zur konkreten Ikonographie ist dabei überall zu rechnen. Anders als bei Klemms Riß wird jedoch die intensive Mitarbeit des Lesers verlangt: Er muß bei jeder Zeile der Pictura docens neu ermitteln, inwieweit Schmidlin hier 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40

Siehe dazu hier S. 223, 227 u. 234 Siehe Gruhl, 2007a, passim; hier S. 212. Siehe Schmidlin, 2007. Siehe Felgentreu, 2007, S. XCIVf.; ferner hier S. 32,233, u. 200. »Archontologia« s. Pictura docens 1697; zum Aufbau der Pictura docens hier S. 204. Siehe ebd. 649–861, bes. 666, 792, 811f. (s. den textkrit. Apparat) u. 830. Siehe ebd. 1841f. u. 1874f. Siehe ebd. 2066 u. 2089f. Siehe ebd. 2089f. Siehe ebd. 2267.

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auch vordergründig auf der Lehrtafel Sichtbares benennt und inwieweit er jeweils darüber hinaus geht.41 Für die Gegenthese, die Deutung der Figuren auf Ephraim und Manasse, bietet Schmidlins Pictura docens gute, möglicherweise sogar bessere Argumente.

4.1.5 Manasse Die Beschreibung Manasses innerhalb der Darstellung prominenter Gestalten des Alten Testaments umfaßt achtzehn Zeilen. Zwölf davon beziehen sich auf Episoden um zwei Gestalten des Richterbuches, Gideon und Abimelech, zwei Angehörige des Stammes Manasse, und lenken eingangs den Blick auf die linke Hand der fraglichen Figur (s. ↑ n; Abb. 53):42 At quos in Manu fert, Deserti tribulos, Eos Seniores Succothici sensere, carnem suam tribulantes Doch die Stachelzweige der Wüste, welche er in der Hand hält, | haben die Ältesten von Sukkoth zu spüren bekommen, weil sie gegen ihre fleischliche Verwandtschaft stichelten.43

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Siehe Schmidlin selbst (Brief an Strölin vom 29. Mai 1662, WLB Cod. hist. fol. 551, S. [68r ]–[70v ], [70r ]) zu einer Anregung Steudners zu Pictura docens 2036–2123: »Jngeniose monet quae mutari in Astrologicis possint, (ubi sane comam Vngentis, pro simfonis admitto) quaeque in Architectonicis, pro Mundi Miraculis reponi; Verùm quia haec ipsa in picturâ Jllustri non repraesentantur, dubito, an inseri fas sit.« Gideon ist Sohn des Joas(ch), eines Abkömmlings Abiësers, eines Sohnes Manasses (s. Jos 17,2; Ri 6,12). Abimelech ist ein Sohn Gideons (s. Ri 8,31). Für das folgende Zitat s. Pictura docens 836f.; Hervorhebung von »tribulantes« von mir ergänzt. Die Formulierung »Deserti tribulos« zitiert eine Wendung aus Ri 8,7 nach der Vulgata: »quibus ille ait cum ergo tradiderit Dominus Zebee [Sebach] et Salmana [Zalmunna] in manus meas conteram carnes vestras cum spinis tribulisque deserti« (Hervorhebung von mir). Siehe auch die leicht variierte Formulierung in Ri 8,16: »tulit ergo seniores civitatis et spinas deserti ac tribulos et contrivit cum eis atque comminuit viros Soccoth«. Die hebräische Pluralform !M‫י‬¢‫ ּבַרŸקָנ‬wird von den LXX nur transkribiert. Zeitgenössisch behalf man sich mit der Bestimmung »(Zweige vom) Spitzdorn« (ὀξυάκανθα) oder, der Vulgata folgend, »(Zweige der) Wassernuß« (τρίβολος, tribolus od. tribulus, wörtl. »Dreizack«). Siehe Buxtorf, 1658, S. 49, s. v. !M‫י‬¢‫ּבַרŸקָנ‬: »Oxycanthae [sic], aut Tribuli«; Calepinus, 1647, Bd. 2, S. 736, s. v. »Tribulus«. Auch Buxtorf und Schmidlin dürfte klar gewesen sein: Der Zusatz »Deserti« in Ri 8, 7.16 fügt sich nicht zu »Wassernuß« oder anderen Feuchtigkeit liebenden Gewächsen (zur Übers. »Erdburzeldorn« s. jetzt Erren, 2003, S. 104, zu Vergil: georg. 1,153). So bleibt für !M‫י‬¢‫ ּבַרŸקָנ‬nur die grobe Umschreibung »(Zweige der) Stachelpflanze« zumal in der Kombination mit dem ähnlich unspezifischen »Dornengewächs« (»spina«; kombiniert in der Vulgata auch in Gen 3,18, Ijob 31,40; Mt 7,16 u. Hebr 6,8). Der Ort Sukkoth gehörte nach Jos 13,27 zum Gebiet des Stammes Gad im Ostjordanland. Gideon und seine dreihundert Krieger bekamen hier Spott zu hören statt Brot zu essen. Siehe vor allem Ri 8,15: »exprobrastis« (»ihr habt gelästert«). Um dem Wortspiel »tribulos« – »tribulantes« (tribulo: »presse, plage«) ge-

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4 Der Zwölferkreis

Durch die Erinnerung an Gideons Bestrafung der Ältesten von Sukkoth (Ri 8) kommt der Ast in der linken Hand zu einer schlüssigen Begründung. Schmidlin umspielt in den folgenden Zeilen der Pictura docens die berühmte Fabel Jotams (Ri 9), und fährt dann fort: Ignem quo consumpti sunt evocârunt, demisso tandem molari suffocatum (Die Stammesangehörigen) steckten (selbst) das Feuer an, das sie verzehren sollte | (und) das (seinerseits) endlich von einem herabgeworfenen Mühlstein erstickt wurde.44

Gemeint sind die beiden letzten Episoden in Ri 9, das Feuer, mit dem Abimelech die Vorsteher Sichems vernichtet, und Abimelechs eigenes Ende durch einen Mühlstein, den man auf der Lehrtafel in dem zerbrochenen runden Gebilde zur Linken der Figur wiedererkennen kann.45 Auch für die Eiche und das Einhorn zur Rechten der Figur bietet die Pictura docens Verknüpfungen mit Manasse: Manasses46 verò Oblivione Dignissimus, quia quod nomen habet, obliviosus. Utpote et DEI sui Immemor et sui Inflecti durus, instar quercus, ignique aptior quàm frugi. Ut Ephraimo consortem et cohaeredem scias, Indicat id ramus in ore Unicornis. Manasse andererseits | ist sehr wert vergessen zu werden, war er doch – sein Name sagt es schon – vergeßlich,47 | weder nämlich seines Gottes noch seiner selbst eingedenk, | zu hart, um sich zu beugen wie die Eiche, und (darum) geeigneter für das Feuer als für die Ernte. |

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recht zu werden, übersetze ich mit sticheln. Zur Übersetzung von »caro« mit »fleischliche Verwandtschaft« vgl. den biblischen Sprachgebrauch, z. B. Gen 2,23; 29,14; 37,27. Siehe Pictura docens 843f. (Hervorhebung von mir). Siehe Ri 9,47–57; jetzt richtig erläutert in Betz, 2013, S. 48f. In Ri 9,48 spielt ebenfalls ein Ast eine prominente Rolle. Schmidlin hat ihn eindeutig nicht im Sinn, vielleicht aber andere Mitglieder des Antoniakreises? Für ein zerbrochenes Rad (zu dieser alternativen Deutung s. hier S. 189) bietet die Bibel weder für Levi noch Manasse einen Anknüpfungspunkt. Die Stelle Pred 12,6 scheidet aus. Unterstreichung wie in der Handschrift. »Manasses« ist eine häufige Schreibung statt »Manasse« in der Vulgata und bei den Kirchenvätern. Siehe z. B. Gen 46,20; 48,5 neben 41,51; 48,1. Eine etymologische Ausdeutung des Namens findet sich schon in der Bibel (Gen 41,51: »vocavitque nomen primogeniti Manasse dicens oblivisci me fecit Deus omnium laborum meorum et domum patris mei«. Schmidlins anderweitige Deutung auf Manasses Gottvergessenheit ist ebenfalls nicht neu. Siehe Ambrosius De benedictionibus patriarcharum 1,4 (MPL 14,675 A): »Denique Manasses ex oblivione (Gen. XLI, 51), Latina interpretatione, signatur; eo quod populus Judaeorum oblitus est Deum suum qui fecit eum. Et quicumque ex ea plebe crediderit, tamquam ex oblivione revocatur.« Siehe dieselbe Namensauslegung in bT Sanhedrin 102 für Manasse, König in Juda.

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Als Schicksals- und Erbgenossen Ephraims gibt ihn | der Zweig im Maul des Einhorns zu erkennen.48

Als Figurenattribut versinnbildlicht demnach die Eiche Manasses Hartnäckigkeit.49 Betz hat den Ölzweig im Maul des Einhorns grundsätzlich richtig gedeutet, nur eben fälschlich auf das Verhältnis Levis zu Joseph50 anstatt auf die Josephssöhne Ephraim und Manasse, die in der Tat dasselbe Schicksal teilen mußten, nämlich Landverlust und Exilierung durch die Assyrer.51

4.1.6 Ephraim Doch ist die Figur links neben Manasse auf der Lehrtafel nun wirklich nicht Joseph, sondern Ephraim? Liefert die Pictura docens auch dafür die besseren Argumente? Der Fall Manasse bot für die ikonographische Ausbeutung komfortable Bedingungen: Ast, Mühlstein, Eiche und der Ölzweig im Maul des Einhorns konnten aus den achtzehn Zeilen eines einzigen Kontextes der Pictura docens und zwei Kapiteln des biblischen Richterbuches zu einer beinahe vollständigen Figurenbeschreibung zusammengeführt werden.52 Im Falle der Figur links neben Manasse ist das Verhältnis von Lehrtafel, Turris Antoniae, Pictura docens und Bibel komplexer und die ikonographische Analyse darum schwieriger. Schon bei Manasse zeigte sich ein Manko, das die Schöpfer der Lehrtafel bewältigen mußten: Wie für die Jakobssöhne gibt es in der Bibel zwar auch für die Josephssöhne Segenssprüche (s. Gen 48). Sie bie48

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Pictura 830–835 (Übersetzung und Hervorhebung des Wortspiels vergessen – vergeßlich von mir). Zur Hartnäckigkeit s. 2 Chr 30,8–10. Diese Deutung der Eiche hat Otto Betz offenbar übersehen. Sie relativiert sein Urteil, daß die Baumsymbolik mit Ausnahme der Palme beim angeblichen Joseph (s. dazu hier S. 192 u. S. 200) unentwickelt sei. Siehe Betz, 2000, S. 43. Isolde Betz vermutet, daß die Eiche auf Abimelechs Salbung bei einer Eiche anspiele nach Ri 9,6, was allerdings keine Stütze in Schmidlins Ausdeutung findet (s. Betz, 2013, S. 48). Siehe Betz, 2000, S. 48f. Isolde Betz hat diese Ausdeutung jetzt gänzlich getilgt (Betz, 2013, S. 48f.). Der Ölzweig symbolisiert Frieden und Versöhnung. Siehe Henkel/Schöne, S. 210 u. 214f. Zur Erwähnung des Einhorns bei Joseph und der Deutung bei Betz s. hier S. 202. Siehe 1 Kön 11 u. 2 Kön 17; Jes 9,20; 1 Chr 5,25f.; Zimmerli, 1975, § 20, bes. S. 158. Strenggenommen ungedeutet blieb und bleibt der Spieß in Manasses Rechter. Harnischfeger bezog ihn auf das kriegerische Wesen Levis, Otto und Isolde Betz auf Simeons und Levis Gewalttaten in Sichem (s. dazu hier S. 189). In der korrigierten Neuauflage vermutet Isolde Betz jetzt eine Anspielung auf Abimelechs Blutbad in Ri 9,5 (s. Betz, 2013, S. 48). Ich finde in der Bibel keine spezifische Verknüpfung von Levi bzw. Manasse mit einem Spieß, wie sie andererseits etwa zwischen David und Sauls Spieß besteht (s. 1 Sam 18 u. 26). Haben die Schöpfer der Lehrtafel Manasse nur eben eine im Allgemeinen passende Angriffswaffe in die Rechte geben wollen? Zum Skorpion, der auf der Lehrtafel auf dem Mühlstein zu sehen ist, s. hier unten S. 206.

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ten aber nichts von der Fülle der Segenssprüche in Gen 49 und Dtn 33. Wer für Manasse und Ephraim aussagekräftige Attribute gewinnen will, muß sie in anderen Kontexten suchen. Oder er muß sie von Joseph gewissermaßen leihen (s. Manasses Einhorn). Beides ist heikel. Leicht erliegen Betrachter oder Leser Mißverständnissen oder bleiben ratlos zurück. Dieses Manko auszugleichen verlangte von den Künstlern also umfängliche Kenntnisse verwertbarer Stoffe, Phantasie und Fingerspitzengefühl. Die Verkennung Manasses durch die bislang herrschende ikonographische Auffassung zeigt, daß Ast, Mühlstein und Einhorn für sich allein genommen selbst bibelfeste Betrachter nicht vor einer Fehldeutung bewahren können.53 Die Figur links neben Manasse ist jedenfalls nach der herrschenden ikonographischen Auffassung Joseph.54 Die Attribute Bogen und Stier aus den Segenssprüchen auf Joseph in Gen 49 und Dtn 33 lieferten dafür anscheinend sichere Beweise. Umso auffälliger muß es sein, daß die Pictura docens Bogen und Stier bei ihrer ausführlichen Behandlung Josephs mit keinem Wort erwähnt, bei Ephraim hingegen hervorhebt: Et Ephraimus quidem Iudae aemulus Arcum remissum habet, quem ad pugnam remissior invertit. volente DEO nolens, nolente volens, utrobique infelix Ephraim zwar, | der Rivale Judas, | hält den Bogen schlaff und umgedreht. Denn er war (seinerseits) zu schlaff zum Kampf, | indem er nicht wollte, was Gott wollte, und wollte, was Gott nicht wollte, in beiderlei Hinsicht ohne Glück.55

Schmidlin beschreibt keinen begeisterten Krieger, der seinen Bogen für den Kampf in Stellung bringt. Die mangelnde Kampfeslust wird aus einem Zerwürfnis mit Gott erklärt. Das erinnert an Psalm 78, wo Ephraims Bogenschützen beschuldigt werden, den Kampf gemieden und den Gottesbund gebrochen zu haben. Dort findet sich auch der Vergleich mit einem schlaffen (bzw. trügerischen oder untauglichen) Bogen: [5] ER richtet [sic] ein Zeugnis auff in Jacob / vnd gab ein Gesetz in Jsrael / Das er vnsern Vetern gebot zu leren jre Kinder. [6] Auff das die Nachkomen lerneten [...] [8] Vnd nicht würden wie jre Veter / ein abtrünnige vnd vngehorsame Art / Welchen jr Hertz nicht fest

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Die erhaltenen Quellen zeigen, daß die Schöpfer der Lehrtafel für den Betrachter Entschlüsselungshilfen konzipierten, vor allem wohl Turris Antoniae und Pictura docens. Diese blieben jedoch ungedruckt. Allein Raiths Predigt lag Klemm bei seiner Pionierarbeit gedruckt vor (s. Raith, 1673, hier S. 239). Mehr dazu s. hier S. 12. Siehe auf der Lehrtafel ↑ x; hier Abb. 53, ferner hier S. 188. Pictura docens 813–816 (Übersetzung und Hervorhebungen von mir mit Ausnahme von »Ephraimus«. Zu infelix s. u.).

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war / vnd jr Geist nicht trewlich hielt an Gott. [9] Wie die kinder Ephraim so geharnischt den Bogen füreten / Abfielen zur zeit des streits.56 Sie hielten den bund Gottes nicht / Vnd wolten nicht in seinem Gesetz wandeln. [...] [56] ABer sie versuchten vnd erzürneten Gott den Höhesten / Vnd hielten seine Zeugnis nicht. [57] Vnd fielen zu rück / vnd verachteten alles / wie jre Veter / Vnd hielten nicht / Gleich wie ein loser Bogen.57 [58] Vnd erzürneten jn mit jren Höhen / Vnd reitzeten jn mit jren Götzen. [59] VND da das Gott höret / entbrand er / Vnd verwarff Jsrael seer. [60] Das er seine Wonunge zu Silo lies faren / Die Hütten da er vnter Menschen wonet. 1. Reg. 4. [61] Vnd gab jre Macht ins Gefengnis / Vnd jre Herrligkeit in die hand des Feindes.58

Der Psalm verarbeitet vor allem Geschehnisse aus der Zeit der Richter und der frühen Könige. Damals rivalisierte der Stamm Ephraim im Norden mit Juda im Süden. Das Zentralheiligtum befand sich für eine Weile in S(ch)ilo im Norden.59 Mit Ephraim verbunden sind zwei überragende Gestalten am Beginn und Ende dieser Epoche, Josua und Samuel.60 Das »Haus Joseph«, Manasse und vor allem Ephraim, galt als groß und kriegstüchtig,61 den späteren Theologen aber 56

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Vgl. in der Vulgata (Ps 77,9): »filii Effrem intendentes et mittentes arcus conversi sunt in die belli«. Worin die Eigenart des Bogens nach dem Bild besteht, ist umstritten. Die Vulgata hält sich bedeckt (»conversi sunt in arcum pravum«, Ps 77,57). Luther denkt an die Schlaffheit, Kimchi an die trickreich jäh geänderte Schußrichtung, andere an die Untauglichkeit zur zielgenauen Verwendung. Siehe Kimchi in der zeitgenössischen Übersetzung in Coddaeus, 1621, S. 131: »Arcus dolosus, quem videtur qui tendit arcum iaculaturus in unam partem, & momento eius manum in alteram convertit. Dolum autem tribuit arcui, etiamsi is qui dolum faciat sit tendens: qui est rei autor, quanvis [sic] sit in manu alterius. Sic Israelitae interdum redibant in viam bonam, & momento redibant in viam malam.« Siehe zur dritten Deutung Delitzsch, 1894, S. 529, wo zu Recht auf die Parallele in Hos 7,16 hingewiesen wird: »reversi sunt ut essent absque iugo / facti sunt quasi arcus dolosus« (Vulgata). Eine weitere Deutung s. bei Jeremias, 1983, S. 101: »[...] einem Bogen vergleichbar, der wie eine Waffe aussieht, aber nicht benutzbar ist.« Schmidlins Formulierung hat die Schlaffheit im Blick (und streicht sie in einem Wortspiel heraus). Sein »invertit« (Pictura docens 815) könnte auf Kimchis Deutung anspielen, meint aber wohl eher, daß Ephraim den Bogen lässig (»umgedreht, verkehrt herum«?) trägt oder sich vom Kampf abwendet (s. Ps 78,9 u. 57). Zum Bogen als Metapher s. Jes 49,1f. u. Sach 9,13f. Luther, 1545, Bd. 1, S. 1032 u. 1034. Siehe Luthers Randglosse zu Vers 9: »Vor den Königen stund das Regiment im stam Ephraim / Die füreten den harnisch vnd bogen / Aber sie waren stoltz vnd traweten Gott nicht / Darumb ward es von jnen genomen / vnd Silo verstöret vnd ward in Juda auffgericht.« Zur Rivalität mit Juda s. 2 Sam 2,8ff.; 5,5; 19,41ff.; 1 Kön 11,26ff.; Jes 11,13; Hos 5,12f.; 12,1ff. Juda und Benjamin waren mit der Davidischen Dynastie und Jerusalem als politischem und religiösem Zentrum engstens verbunden. Zum Vorwurf eines Ungehorsams gegenüber Gott s. neben Ps 78 bes. 2 Chr 30,8–10. Siehe im übrigen die sorgfältige Deutung bei Delitzsch, 1894, S. 521–530. Zu Josua s. Num 13,8.16; Ri 2,8f. 1 Sam 1,1 bezeichnet Samuels Vater Elkana als Ephraimiten. Nach 1 Chr 6,12f. ist Elkana ein Abkömmling Levis. Samuel wäre demnach Sohn einer Levitenfamilie, die im Gebiet Ephraims beheimatet war. Siehe Jos 17,15–18; Ri 8,1f.; 12,1f.

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auch als allzu nachsichtig gegenüber der Landesbevölkerung und ihren Kulten,62 als allzu »lässig«, wie Schmidlin nach Psalm 78 formuliert.63 Der Bogenschütze auf der Lehrtafel unterscheidet sich in seiner Haltung einigermaßen von Sadelers Darstellung des jugendlich schönen Joseph.64 Zeichen von Entspanntheit oder Lässigkeit zeigt die Figur jedoch allenfalls in der Beinstellung. Mangelnde Kampftüchtigkeit läßt sich aus der Art, wie sie den Bogen hält, nicht ableiten. Und das will Schmidlin auch nicht sagen, denn er fährt fort: tutus alioquin sub Clypeo telis infixis hispido Sagittarum enim Pharetra et meta fuit aequè felix seu peteret telis, seu peteretur quae ut fortiùs retorqueret, fortissimè excepit65 Im übrigen aber war er sicher im Schutz seines von Geschossen gespickten Schildes. | Denn er war (zugleich) Köcher und Ziel für die Pfeile | (und operierte) mit gleichem Glück, ob er nun mit Geschossen angriff oder angegriffen wurde: | recht tapfer ließ er sie kommen, um sie noch tapferer zurück zu senden.

Soll man bei dem beschriebenen Schlagabtausch zwischen Bogenschützen an eine bestimmte biblische Kampfszene denken oder werden hier die teilweise heftigen Kämpfe der Richter- bzw. auch der frühen Königszeit in einem Lobspruch verdichtet? Sehe ich recht, spielt Schmidlin auf die blutige Schlacht in Ri 20 an, die der Schandtat von Gibea folgte. Mit Ephraim im Besonderen ist die Geschichte durch Randumstände verknüpft: Der Ehemann der geschändeten Frau ist Levit und wohnt im Stammesgebiet Ephraims, sein greiser Gastgeber hat dort seine Heimat.66 Die für ihre Kriegstüchtigkeit und ihre Bogenschützen bekannten Ephraimiten nehmen am Rachezug teil und müssen sich so den Benjamiten entgegenstellen, die ihrerseits als Bogenschützen und Steinschleuderer einen Namen haben.67 Auf dem Höhepunkt der Entscheidungsschlacht hat die Ra62 63

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Siehe Ri 1,29; 2,11–23. Gegen Isolde Betz, die Schmidlins Ausdeutung weder von der Darstellung auf der Lehrtafel (s. dazu gleich mehr), noch von der Bibel gedeckt sieht (s. Betz, 2013, S. 48, Anm. 60). Siehe auf der Lehrtafel ↑ x; hier Abb. 53. Bei Sadeler greift Joseph gerade nach einem neuen Pfeil für seinen Bogen (s. Gen 49,24 und Abb. 52). Pictura docens 817–820 (Hervorhebungen von mir). Der Stamm Levi bekam von Josua mit Blick auf seine kultischen Aufgaben keine eigenen Landlose angewiesen, sondern Wohn- und Weideplätze in den Gebieten der anderen Stämme, u. a. also in Ephraim. Siehe Jos 14,4; 21,20–22. Zum Gastgeber s. Ri 19,1 u. 16. Siehe zu den Benjamiten Ri 20,16; 1 Chr 8,39; 12,2; 2 Chr 14,7; ferner den Abschnitt der Pictura docens zu den Tierkreiszeichen, wo die Benjamiten als Bogenschützen unter dem Zeichen des Schützen angesprochen werden, die in Folge der Schandtat von Gibea »omnem fortunam perdiderunt« (Pictura docens 2073).

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che übende Koalition schließlich Erfolg mit einer riskanten Taktik: Sie teilt ihre Truppen, läßt einen Teil den Angriff der Benjamiten auffangen und einen Rückzug vortäuschen, bis der andere Teil im geeigneten Moment aus einem Hinterhalt heraus überraschend eingreift und den vereinigten Gegenangriff einleitet.68 Flavius Josephus fügt in seiner Nacherzählung ein Detail hinzu: Man drängte die überraschten Benjamiten in einen Talkessel, umzingelte das zerklüftete Gelände und griff von oben her an. Noch deutlicher stellt es die frühneuzeitliche lateinische Übersetzung des Josephus vor Augen: Die Benjamiten »wurden von Leichtbewaffneten umzingelt, die gewohnt waren, aus der Ferne zu kämpfen, und dann mit Geschossen durchbohrt wie bei einer Treibjagd auf Tiere.«69 Daß Ri 20 Schmidlins hauptsächliche Inspirationsquelle für die Schilderung von Ephraims Tapferkeit und Glück70 gewesen ist, macht also eine Reihe von Indizien wahrscheinlich. Flavius Josephus und die Vulgata standen dabei wohl Pate.71 Doch sind mindestens drei Einwände möglich: Erstens bietet Ri 20 keinen Hinweis auf einen Schild. Zweitens mag man Unbehagen empfinden bei der implizierten Annahme, daß Schmidlin die Bibelkenntnis seiner Leser derart auf keine leichte Probe stellt und sie sich den konkreten Bibelbezug mittels der beschriebenen Indizien erschließen müssen. Drittens bleibt es doch dabei, daß jedenfalls isoliert betrachtet Bogen und pfeilgespickter Schild auf der Lehrtafel 68 69

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Siehe Ri 20,29–48. Siehe Flavius Josephus: Antiquitates 5,2,11 (5,163,2, ed. Niese): »[...] καὶ εἴς τι κοῖλον σvυνελαθέντας καὶ ϕαραγγῶδες χωρίον περισvτάντες κατηκόντισvαν [...].« Josephus, 1559, S. 118 (übers. v. Sigismund G[h]elen): »[...] in conuallem quandam compulsi, circumdatis expeditioribus qui eminus pugnare assueuerant, telis ferarum in morem sunt confixi.« Diese Schilderung in Pictura docens 817–820 bildet einen Kontrast zu Lässigkeit und Unglück in Pictura docens 815f. »infelix« und »felix« (Pictura docens 816 u. 819) spielen auf die Etymologie des Namens an (s. Gen 41,52 u. auch 48,19): Ephraim (!M¢‫ )אֶפְר¯י‬läßt sich im Hebräischen als »der Fruchtbare« deuten (von dem Verb !‫פרה‬, »fruchtbar sein«). Die lateinische Übersetzung »felix« erlaubt das Spiel mit der doppelten Bedeutung »fruchtbar« und »glücklich, vom Glück begünstigt« und bietet damit für Schmidlins Beschreibung Ephraims ein wesentliches Strukturelement. Auffällig ist ferner, daß »fortiùs« in Pictura docens 820 einem verdeutlichenden Zusatz der Vulgata in Ri 20,41 entspricht: »qui prius simulaverant fugam versa facie fortius resistebant quod cum vidissent filii Beniamin in fugam versi sunt«. Im entscheidenden Moment beenden die Krieger der Koalition plötzlich die vorgetäuschte Flucht und leisten »tapferer« Widerstand. Ein Äquivalent für »fortius« bieten weder der Urtext noch andere Übersetzungen. Vgl. auch die Schlachtschilderung in Jos 8. Dort wendet Josua dieselbe Taktik siegreich an und die Vulgata charakterisiert das Moment des plötzlichen Widerstandes mit dem Zusatz »fortissime« (s. Jos 8,20: »[...] non potuerunt ultra huc illucque diffugere praesertim cum hii qui simulaverant fugam [...] fortissime restitissent«). Zu Jos 8 s. auch hier S. 232.

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mindestens ebenso gut auf Flavius Joseph im Sinne von Gen 49 deutbar sind, wo es heißt: [23] Vnd wiewol jn die schützen erzürnen / vnd wider jn kriegen / vnd verfolgen / [24] so bleibt doch sein Boge fest / vnd die Arm seiner hende starck / durch die hende des mechtigen in Jacob [...].72

Dem ersten Einwand ist entgegenzuhalten, daß sich die Schöpfer der Lehrtafel und der Pictura docens mit dem Schild nicht mehr Freiheit nehmen als Josephus und sein frühneuzeitlicher Übersetzer mit ihren Ausmalungen von Ri 20, und daß sich bei Manasse eine ähnliche Unbekümmertheit im Umgang mit dem Spieß gezeigt hat, der ebensowenig explizit aus der Bibel belegbar ist wie Ephraims Schild. In beiden Fällen haben die Künstler um Antonia phantasievoll ergänzt, nur daß der Spieß in der Pictura docens ignoriert wird, der Schild hingegen nicht. Der zweite Einwand trägt den Raffinement und Rätsel liebenden Lesegewohnheiten gebildeter Zeitgenossen zu wenig Rechnung. Profunde Bibelkenntnis ist vorausgesetzt. Scharfsinn wird vom Dichter ebenso erwartet wie vom Leser.73 Der dritte Einwand steht und fällt natürlich mit der isolierten Betrachtungsweise: Wer die Deuteschwierigkeiten sowohl für die Lehrtafel, die Turris Antoniae und auch die Pictura docens dadurch lösen kann, daß er eine stimmige(re) Gesamtdeutung vorlegt, hat argumentativ mehr geleistet. Eine solche Gesamtdeutung ist nach den bisherigen Beobachtungen mit der Annahme der Präsenz Manasses und Ephraims auf der Lehrtafel leichter und widerspruchsfreier zu erlangen als mit Levi und Joseph. Die Gesamtdeutung muß aber nicht nur Lehrtafel, Turris und Pictura gleichermaßen berücksichtigen und bei der Pictura den besonderen literarischen Charakter im Auge behalten. Sie muß auch mit entstehungsbedingten Wandlungen rechnen, wie es Betz bereits hier und da getan hat. Im Kontext solcher Wandlungen gibt es erfahrungsgemäß auch Inkonsequenzen und Widersprüche, ob sie nun Ursache oder auch Folge von Änderungen sind. Ephraims Palme in der Pictura docens ist ein Beispiel dafür. Auf der Lehrtafel ist jedem der zwölf Stammesfürsten ein Baum beigegeben. Schmidlin bespricht sie in seiner Darstellung prominenter Gestalten des Alten Testaments.74 Die Palme erwähnt Schmidlin in der die Tapferkeit und das Kriegsglück Ephraims resümierenden Sentenz: 72 73 74

Luther, 1545, Bd. 1, S. 120. »Boge« meint »Bogen«. Zum Scharfsinn s. a. Gruhl, 2006, S. 138–140 u. 148–150, u. hier S. 32 u. 223. Siehe Pictura 664 Ruben – Zypresse; 676 Simeon – Weidenbaum; 697 Juda – Weinstock; 712 Dan – Apfelbaum; 720a Naphtali – Granatapfelbaum; 734 Gad – Lorbeerbaum; 757 Asser – Ölbaum; 769 Isachar – Feigenbaum; 789 Sebulon – Tanne; 821 Ephraim – Palme; 833 Manasse – Eiche; 856 Benjamin – Mandelbaum.

4.1 Rezeptionsgeschichtlich bedingte Widersprüche

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Virtus enim Palmae instar si oneratur, muneratur, non minuitur75 Denn die Tugend wird wie die Palme unter einer Last stärker, nicht schwächer.

Nach der Handschrift ist diese Zeile in den Abschnitt zu Ephraim nachträglich eingefügt worden. Wenige Zeilen darüber, noch im Abschnitt zu Joseph, findet sich eine ähnliche, nachträglich eingefügte Zeile, welche die Palme bei Joseph ins Spiel bringt. Diese Einfügung wurde allerdings wiederum gestrichen. Sie lautet: »Sic muneratur Palmaria virtus, dum oneratur.«76 Auf den möglichen genetischen Zusammenhang von Einfügung und Tilgung bei Joseph sowie Einfügung bei Ephraim macht der Apparat der Edition leider nicht aufmerksam. Er weist nur auf die gedankliche Ähnlichkeit mit Zeile 452 als mögliches Motiv der Tilgung hin.77 Ein solches Motiv erwächst aber eher aus dem vorliegenden Kontext der Besprechung Josephs und Ephraims und der Frage, wie sich die Erwähnung einer Palme zu den ikonographisch beschreibbaren Gegebenheiten auf der Lehrtafel verhält.

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Pictura docens 821 (Hervorhebungen von mir). Das ist eine gängige frühneuzeitliche Bedeutungszuweisung. Siehe in der biblischen Botanik des Levinus Lemnius, S. [76] (in: Valesius, 1588): »Caeterùm quum haec arbor oneri renitatur, nec prementibus vrgentibusque cedat, hoc insigne in certaminibus victori decerni solet, quòd inuictum animi robur palmae naturam referat, ac sit rei fortiter atque animosè gestum symbolum ac trophaeum, Sic martyres (Apoc. 7.) qui inuicto infractoque animo aduersus Tyrannorum saeuitiam substiterunt, amicti stolis albis palmis manibus gestasse leguntur in victoriae argumentum.« Das wird aufgegriffen in der Emblematik. Siehe im Kapitel zur Palme bei Henkel/Schöne, S. 192f. Ein Zeitgenosse Schmidlins hat dergestalt den Jesuitenorden mit der Palme verknüpft. Siehe Vincart, 1652, S. 174. Siehe auch die Palmendarstellung auf dem Thesenblatt des Jeremias Slovacius (mehr dazu s. hier S. 127 u. 166.) mit der Inschrift »PRESSA VALENTIOR« (Harms/Schilling, 1989, S. 106–109, bes. 109 (III,52; IT 34). Von Christus heißt es in Pictura 450–452: »Cytharâ et Ψalterio dignus et nullis non laudum instrumentis | adoreâ adorandus | Qui facit invictam sub pondere crescere palmam.« (Würdig ist er, mit Zither und Harfe [gefeiert zu werden], ja mit allen Loblieder begleitenden Instrumenten. Mit einem Preislied soll man ihm huldigen, der die Palme derart wachsen läßt, daß sie unter der Last unüberwindbar bleibt.) Im Unterschied zu Pictura 821, wird die Palme hier noch zusätzlich symbolisch aufgeladen durch den Bezug zur siebten Sefira (s. Pictura 364). Zur metrischen Form von Pictura 452, s. den Apparat der Edition. Ausgehend von dem Vergleich Josephs mit einem Baum in Gen 49,22 hat Otto Betz die Palme auf der Lehrtafel mit Joseph verknüpfen wollen (Betz, 2000, S. 43): »Sicherlich haben die Betonung des Wachsens und der Standort an der Quelle dazu geführt, als Baum für Josef eine Palme zu wählen.« Isolde Betz hat diese Assoziation zugunsten Ephraims korrigiert (s. Betz, 2013, S. 43). Für die Favorisierung einer konkreten Baumart bietet Gen 49,22 jedoch keine Anhaltspunkte. Siehe den Apparat der Edition zu Pictura docens post 812 (Schmidlin, 2007, S. 80). Zeile 452 lautet (der weitere Kontext wurde oben bereits zitiert): »Qui facit invictam sub pondere crescere palmam« (der die Palme derart wachsen läßt, daß sie unter der Last unüberwindbar bleibt).

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Nach dem vorliegenden handschriftlichen und ikonographischen Befund ist die Annahme am wahrscheinlichsten, daß Schmidlin oder Strölin die eingefügte Zeile nach Zeile 812 wiederum gestrichen hat, um die Zuordnung der Palme zu Ephraim mit der nötigen, zumal ikonographisch relevanten Klarheit hervortreten zu lassen. Bezeugen diese Textänderungen eine konzeptionell-ikonographische Revision für die Lehrtafel? War also zumindest ursprünglich die Darstellung Josephs neben der Palme beabsichtigt? Gegen eine solche Annahme spricht schon der die Nebenposition einnehmende Manasse: Es gibt kein Indiz dafür, daß irgendwann einmal Levi seinen Platz im Kreis der Zwölf auf der Lehrtafel einnehmen sollte. Ist aber Manasse dergestalt gesichert, wird es unwahrscheinlich, daß irgendwann einmal Joseph als sein Nebenmann geplant war, denn weder Auflistungen der leiblichen Söhne Jakobs noch Num 2 kombinieren die beiden. Schließlich sprechen gegen Joseph auch zwei experimentelle Tabellen in einem erhaltenen Entwurf zur Pictura docens: In ihnen werden Bäume nicht nur den Stammesfürsten nach der Lagerordnung, sondern auch den Aposteln und in einer dritten Spalte den Kleinen Propheten beigeordnet. Die Palme steht dort neben Ephraim, Simon und Sacharia. Von Joseph ist keine Spur.78 Bis auf weiteres dokumentieren die besprochenen Texterweiterungen und -korrekturen darum wohl nur, daß Schmidlin die Erwähnung der Palme nachträglich ergänzte und eine entsprechende Zeile in einem Moment der Unaufmerksamkeit bei Joseph einbrachte, weil auch ihm die Gestalt Josephs und Auflistungen der leiblichen Söhne Jakobs, besonders die Segensordnung von Gen 49, lebendiger vor Augen standen als Ephraim und die Lagerordnung von Num 2.79 Wenn schließlich Schmidlin das Einhorn nicht nur bei Manasse, sondern auch bei Joseph bespricht, kann daraus allein noch keine ikonographische Leseanweisung oder gar ein Argument für eine konzeptionell-ikonographische Änderung auf der Lehrtafel abgeleitet werden.80 Schmidlin hat mit der Erinnerung an die Allegorie von den zwei Hörnern Josephs in Dtn 33,17 vielmehr und vor allem einen eleganten Übergang im Blick von der Behandlung Josephs zu der Ephraims und Manasses: Unicorni similis licet utrinque et Ephraimo et Manasse cornutus quicquid adversum, inversum dedit.

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Siehe Cod. hist. fol. 551 der WLB Stuttgart, S. [90v ]. Siehe dazu die Bemerkung zum kollektiven Gedächtnis oben im Rückblick, S. 191. Gegen Betz, 2000, S. 48: »Nach Schmidlins Versen war tatsächlich für Josef das Einhorn vorgesehen.« Isolde Betz hat diese Auffassung revidiert (Betz, 2013, S. 48): »Das Einhorn war bei Ephraim überzählig und wurde ohne besseren Grund einfach an Manasse weitergereicht.«

4.1 Rezeptionsgeschichtlich bedingte Widersprüche

203

Gleich dem Einhorn | – wenn auch beidseitig gehörnt mit Ephraim und Manasse – | ließ er aus all dem Abträglichen Zuträgliches werden.81

Daß die allegorische Rede von zwei Hörnern im Bibelvers mit der üblichen Übersetzung »Einhorn« kollidiert, ist Schmidlin also nicht entgangen. Er nutzt den Widerspruch sogar zu einer Pointe, an der gelehrte Leser ebenso ihr Vergnügen haben können wie an der Verknüpfung von Gen 50,20 mit der Symbolik des Einhorns in Pictura 812. Es gab für Schmidlin also Gründe genug, das seltene Fabeltier hier ins Spiel zu bringen.82 Eine ikonographische Leseanweisung für die Lehrtafel war damit offenbar nicht beabsichtigt. Sie findet sich erst im Abschnitt zu Manasse, wie oben gezeigt.83 Die Figur links neben Manasse hat auf der Lehrtafel ferner einen Stier bei sich. Auf ihn stößt der Leser der Pictura docens nicht bei Joseph, sondern bei Ephraim nach dem Abschnitt zu Bogen und Palme: Tauri instar ferox etiam Deum petere, et tauro conformare ausus est adeò imperiosus Ut tractare Dei cultum detrectaret, nisi à se imperatum.84 Wie ein Stier in seiner Raserei, | wagte er es sogar, Gott (selbst) anzugreifen und ihn einem Stier anzugleichen, | und verstieg sich in seiner Tyrannei dazu, | jegliche Form der Gottesverehrung unterbinden zu wollen mit Ausnahme der von ihm befohlenen.

Diese Passage spielt nicht mehr auf die Richterzeit an wie der Bogen, sondern auf die Zustände im sogenannten Nordreich: Nach Salomos Tod hatten der Stamm Ephraim und neun weitere Stämme sich von Juda und Benjamin im Süden separiert.85 Als Reich Israel (Nordreich) konnten sie sich gegenüber dem Südreich, Syrien und den Philistern nicht nur behaupten, sondern zeitweise

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Pictura 810–812. Hervorhebungen (außer »Unicorni«) und Übersetzung von mir. Auch noch in einem ganz anderen Kontext brachte er es ins Spiel (s. Pictura 423, als Sinnbild der alacritas). Siehe dazu hier S. 195. Pictura docens 826–829 (Hervorhebungen von mir). Eine Wiedergabe des Wortspiels wurde in der Übersetzung nicht versucht. Zur Reichsteilung und der Rolle Ephraims dabei s. Sixtus Senensis, 1626, S. 101 (im Art. »LIGNORUM duorum scriptura«): »Historia nota est, quòd sub Roboam, filio Salomonis, decem tribus ad Ieroboam, filium Nabath, de tribu Ephraim, filij Ioseph, concesserint, sicut scriptum est in tertio Regum cap. 12. & post haec populi duo extiterunt, Iuda videlicet, & socij eius tribus Beniamin, & decem tribus, quae Ioseph, vel Ephraim, vocabatur: & hae duae gentes post regem Iosiam dispersae sunt inter gentes: & post Sedechiam vtrunque regnum exterminatum fuit.«86 Politisches Zentrum dieses Reiches war erst Sichem, dann Thirza, schließlich Samaria. Zu seiner Religionspolitik s. u.

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sogar prosperieren87 und expandieren, bevor die Assyrer dem ein Ende machten.88 Auch religionspolitisch setzte das Nordreich eigene Akzente. Schmidlin spielt an auf die kultisch verehrten Stierbilder in Bet-El und Gad. Sie galten zeitgenössischen und späteren Kritikern, allen voran dem Propheten Hosea, als unverzeihlicher Religionsfrevel und traumatische Erfahrung.89 Aus theologischer Sicht erscheint die Religions- und Kultpolitik der Herrscher im Norden nicht als verständlicher Befreiungsschlag gegenüber dem religiös-kultischen Führungsanspruch Judas und als Akkommodation an Wahrnehmungsmuster der Umwelt, sondern als irrationaler Akt der Auflehnung und frevelhaften Selbstbehauptung gegenüber dem wahren Gott. Ephraims Stier ist entsprechend eine Verkörperung wild-verblendeter Raserei. So beschreibt es auch Schmidlin, wobei er den Akzent auf die obrigkeitliche Tyrannei und religionspolitische Unduldsamkeit legt, also Zustände, welche zeitgenössischen Lesern geläufig waren.

4.1.7 Rückblick In insgesamt fünf Kontexten begegnet der Leser in der Pictura docens den zwölf Söhnen Jakobs bzw. den zwölf Stammesfürsten Israels, zwei Gruppen, die bis auf Levi und Joseph oder aber Ephraim und Manasse personalidentisch sind.90 Liest er von vorne an, trifft er zuerst auf die Darstellung prominenter Gestalten des Alten Testaments, wo nach Jakob seine zwölf Söhne besprochen werden, jedoch hinter Joseph dessen Söhne, Ephraim und Manasse, eingeschoben werden.91 Schon hier umspielt die Pictura auch immer wieder auf der Lehrtafel sichtbare Figuren und ihre Attribute. Besonders die Behandlung Simeons und Levis sowie Josephs und seiner Söhne macht es dem Leser alles andere als einfach, schon bei der Erstlektü87

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Siehe Luthers Randglosse zu Gen 49,21, die den Segen auf die Königszeit bezieht. Luther, 1545, S. 120: »Der segen Joseph gehet auff das Königreich Jsrael / vnd ist gantz von leiblichem Regiment gesagt / Das die Töchter (das ist / die Stedte im Lande) wol regieret worden zeitlich vnd viel Propheten vnd grosse Leute zu Ecksteinen hatten. Vnd wiewol sie offt angefochten worden / gewonnen sie doch. Vnd dis Königreich war im geschlecht Ephraim. Also bleibt der geistlich Segen vnd Reich auff Juda / vnd das leibliche Reich auff Ephraim.« Siehe Pictura docens 822–825. Siehe 1 Kön 12,26–30; Jeremias, 1983, bes. S. 105–108. Im biblischen Kanon erinnern BetEl und Gad den Leser an den Archetypus religiös-theologischer Verirrung, den Tanz um das »Goldene Kalb« innerhalb der Sinai-Erzählung (s. Ex 32). Siehe dazu S. 192. Siehe Pictura 627–861. Manasse hat nach Gen 48,17–20 zwar den Vorrang als Erstgeborener, Ephraim jedoch wegen seiner Stärke und Bedeutung. Darum bespricht Schmidlin Ephraim zuerst.

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re jene Bezüge und Zusammenhänge zu erkennen, die hier soeben aufwendig entwickelt werden mußten: Bei Simeon und Levi mag ihm nach kurzem Nachdenken einleuchten, daß die Pictura den auf der Lehrtafel sichtbaren Simeon (s. ↑ m) beschreibt samt der ihm dort als Baum zugeordneten Weide,92 Levi hingegen unsichtbar bleibt. Auch erschließt sich nicht unmittelbar, warum bei Joseph die aus Gen 49 und Dtn 33 erwartbaren Anspielungen auf Stier und Bogen in der Pictura ausbleiben, dann aber doch das Einhorn genannt wird. Erst nach der Lektüre der Abschnitte zu den Josephssöhnen steht der vollen Einsicht nichts mehr im Wege. Man kann Schmidlin in allen diesen Fällen schwerlich mangelnde Wachheit unterstellen. Das war nur bei der Einfügung der Palme bei Joseph plausibel; und diese wurde korrigiert.93 Der Autor muß also zumindest in Kauf genommen haben, daß seine Darstellungstechnik dem Leser zuweilen Überraschungen und Irritationen bereitet.94 Die Pictura ist kein Inventarium der Lehrtafel zur ersten Orientierung auf einen Blick. Eine solche Aufgabe war wohl vielmehr der Turris Antoniae zugedacht.95 Bislang kam von besagten fünf Kontexten der Pictura vor allem dieser erste Kontext zum Zuge, die Darstellung prominenter Gestalten des Alten Testaments. Ephraim und Manasse konnten so für den Garten der Lehrtafel ikonographisch gesichert werden. Die seit Klemm beliebte Favorisierung von Joseph und Levi war dagegen nicht zu halten. Von den Figuren-Attributen auf der Lehrtafel fehlen nur noch die Sternzeichen und die Edelsteine. Für sie wird der Blick auf weitere Kontexte der Pictura unerläßlich sein.

4.1.8 Manasses und Ephraims Sternzeichen Ernst Harnischfeger hat zuerst auf die Zuordnung der Tierkreiszeichen zu den zwölf Figuren in der Gartenmitte auf der Lehrtafel hingewiesen.96 Die von 92 93 94

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Siehe Pictura 673–676, wo die Weide mit Simeons Abkömmlingen verknüpft wird. Siehe dazu hier S. 200. Die Irritationen hat Isolde Betz jüngst noch einmal präzise formuliert (Betz, 2013, S. 103): »[...] Schmidlin ist an dieser Stelle nicht ganz konsequent: In seiner Pictura docens schildert er alle zwölf Jakobssöhne in der Reihenfolge ihrer Geburt, setzt dann aber hinter Josef und vor Benjamin noch Ephraim und Manasse dazu, sodass es scheint, als würden bei ihm 14 Männergestalten für den Kreis im Paradiesgarten zur Auswahl stehen.« Man kann dem natürlich entgegenhalten, daß eben die Präsenz von 14 Männergestalten den Leser schon hinreichend davor warnen könnte und sollte, hier mit einer ikonographischen Beschreibung Punkt für Punkt zu rechnen, denn auf der Lehrtafel stehen ja nur zwölf Männer. Ein Leser, der dann sogleich folgert, er habe nur Ephraim und Manasse zu eliminieren, und danach böte die Pictura, was man von ihr erwartet, erliegt dem eigenen Kurzschluß. Schmidlins Text verlangt eben, alle gebotenen Reihen von Stammesfürsten ins Kalkül zu ziehen. Siehe dazu hier 33. Siehe ↑ l–y, hier S. 271, rechte Spalte; s. Harnischfeger, 1986, S. 59f.; dazu hier S. 187.

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Ephraim (fälschlich: Joseph) eingenommene Position hat demnach die Waage. Man sieht ihr Symbol an Ephraims Schild »als doppelte Zierleiste«.97 Manasse (fälschlich: Levi) hat den Skorpion. Dieser ist als Tier dargestellt, das sich an die Bruchfläche des Mühlsteines klammert. Die Pictura docens geht auf die Tierkreiszeichen zweimal ein, einmal ex professo im Abschnitt zur Astronomie bzw. Astrologie. Waage und Skorpion werden dort für Ephraim und Manasse bestätigt.98 Joseph kommt dort nicht vor. Auch Levi bekommt kein eigenes Tierkreiszeichen, wird aber immerhin in einem Atemzug mit Simeon erwähnt, ähnlich wie im oben behandelten Abschnitt zu Simeon und Levi innerhalb der Darstellung prominenter Gestalten des Alten Testaments.99 Aber mehr versteckt findet der Leser die Tierkreiszeichen auch schon in der Darstellung prominenter Gestalten. Im Abschnitt zu Ephraim heißt es dort: Meta etiam paternarum Benedictionum quarum vertex Iosephi vertex fuit. Librans fraternum Regnum et praeponderare deliberans In staterâ Divinae Iustitiae appensus, levior inventus est. Endpunkt war er auch der väterlichen Segnungen, / deren Scheitel(punkt) der Scheitel Josefs war. / Die brüderliche Herrschaft100 wägend und erwägend, wie er das Übergewicht erlangen könnte, / wurde er auf der Waage der göttlichen Gerechtigkeit gewogen und für zu leicht befunden.101

Der Zuordnung der Waage gewinnt Schmidlin einen plausiblen Sinn ab mit Hilfe der bekannten Formulierung »gewogen und zu leicht befunden«:102 Die Waage erinnert demnach an die unheilvolle Rivalität von Nord- und Südreich sowie den Untergang der zehn im Nordreich vereinigten Stämme Israels. Dabei waren die Assyrer nach den Propheten nur die Vollstrecker des von Gott verhängten, gerechten Strafurteils. Das Tierkreiszeichen Manasses, der Skorpion, versteckt sich in der Passage, die von Gideon zu Abimelech und Jotams Fabel überleitet:103 97

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Betz, 2013, S. 48. Betz deutet die Gestalt allerdings noch nach Klemm und Harnischfeger als Joseph. Siehe Pictura docens 2068f. Siehe ebd. 2066 u. 2089f. Siehe hier S. 192. Es ist Juda als der bedeutende Rivale im Süden gemeint, nicht Manasse. Das wird durch Pictura docens 2068 bestätigt (»[...] cum Iudâ in aequali librâ stetit«). Pictura 822–825 (Hervorhebungen von mir; Übersetzung nach Schmidlin, 2007, S. 81, wo jedoch »Höhepunkt« statt »Scheitelpunkt« steht). Siehe Gen 48,19f.; 49,22–26; 1 Kön 14,7– 11; 2 Kön 17,7–23. Dan 5,27. Pictura docens 838–842.

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et paulò post ipsi contribules Scorpionibus Spinisque castigati, non correcti cum ab oleâ, Vite, ac ficu neglecti Sub Dumeto, bonae arboris Spurio vel Stolone Umbram quaerentes Ignem quo consumpti sunt evocârunt [...]. und wenig später steckten die Stammesangehörigen höchstselbst | – mit Skorpionen-Gerten und Dornenruten gezüchtigt, doch dadurch nicht gebessert | und von Ölbaum, Weinstock und Feigenbaum verachtet | bei einem Dornengesträuch Schatten suchend, das nur der Bastard oder parasitäre Wurzelschößling eines guten Baumes war – | das Feuer an, das sie verzehren sollte [...].

Das spezielle Marterwerkzeug, die »Skorpionen-Gerten«, entnimmt Schmidlin der fatalen Drohrede Rehabeams in Sichem, die zum Anlaß der Abspaltung des Nordreiches wurde. So gibt er nicht nur eine Anspielung auf das Sternzeichen, sondern auch einen weiteren versteckten Hinweis auf das gemeinsame Schicksal Ephraims und Manasses.104 Es gelingt Schmidlin also ohne Frage, der Zuordnung der Tierkreiszeichen zu Ephraim und Manasse einen plausiblen Sinn abzugewinnen. Doch wüßte man nun gerne, wie sich das in das größere Ganze fügt. Warum zogen die Schöpfer der Lehrtafel die Lagerordnung den Auflistungen der leiblichen Söhne Jakobs, zumal der Segensordnung von Gen 49, vor? Hatten sie Vorbilder für die Verknüpfung mit dem Tierkreis? Ein vielbeachtetes zeitgenössisches Werk, das nach Form und Gehalt als das nächste Vorbild der Pictura docens gelten muß, verknüpft den Tierkreis mit den leiblichen Söhnen Jakobs: Emanuele Tesauro widmet eine Inschrift seiner Inschriften-Serie zu den Vorfahren Christi ganz dem sinnbildlichen Zusammenhang der Tierkreiszeichen mit den Söhnen Jakobs.105 Tesauro folgt damit einer antiken Ausdeutungs- und Darstellungstradition. Sie ist erstmals greifbar bei Philon von Alexandreia.106 Er ignoriert dabei die 104

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Siehe 1 Kön 12,11.14; 2 Chr 10,11.14; s. a. Isidor origines, 5,27,18 (MPL 82,212 C), im Hebräischen !‫עַקְר´ב‬, das »Skorpion« u. »Geissel« bedeuten kann (s. Koehler/Baumgartner, 1953, S. 731). Tesauro, 1645, S. 59–61; zu Person, Werk und Gattung s. Gruhl, 2006, passim, bes. S. 124ff. 131–134; Mundt, 2007, passim; hier S. 32. Strölin kannte Tesauros Werk seit 1650. Siehe seinen Brief an Andreae vom 29.8.1650 (HAB Cod. Guelf. 7.4 Aug. 2°, S. [349]), vom 23.12.1650 (ebd., S. [431]), vom 3. Januar 1651 (ebd., S. 430) u. vom 29. Januar 1651(ebd., S. 482). Siehe Ders.: vit. Mosis 2,124,3 u. spec. leg. 1,87,3 (ed. Cohn); Josephus: ant. 3,186,1–3 (ed. Niese; »Die zwölf Edelsteine [auf denen nach Ex 28 die Namen der Söhne Jakobs stehen; R.G.] aber kann man mit den zwölf Monaten vergleichen, oder auch den zwölf Sternbildern in dem Kreise, den die Griechen Zodiakus nennen.« Josephus, 1899, Bd. 1, S. 166).

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konkurrierende Lagerordnung.107 So behandelt er Levi und Joseph, nicht aber Ephraim und Manasse. Und seine Zuordnung von Tierkreiszeichen stimmt einzig bei Asser mit der Zuordnung überein, die Lehrtafel, Turris Antoniae und Pictura docens geben.108

4.1.9 Tierkreis und Lagerordnung bei Gikatilla Nach der künstlerischen Grundidee mögen also Tesauro oder ähnliche Werke der Literatur und bildenden Kunst Anregungen geboten haben,109 die Favorisierung der Lagerordnung erklären sie jedoch nicht. Gab es dafür überhaupt ein direktes Vorbild? Bei Agrippa von Nettesheim, den Strölin gekannt und anderweitig auch exzerpiert hat,110 findet sich in einem Tableau mit dem Titel »SCALA DVODENARII.« u. a. eine Verbindung von Tierkreis und Lagerordnung, die im Großen und Ganzen sehr wohl als Anregung in Frage kommt, zumal sie unter anderem auch die Zuordnung von Monaten und Edelsteinen bietet.111 Aber die erhebli-

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Siehe dazu v. a. Hübner, 1983, S. 17–36; zum Hintergrund: Franz Boll / Wilhelm Gundel: Art. »Sternbilder, Sternglaube und Sternsymbolik«. In: Roscher, Bd. 6, Sp. 867–1071; ferner Alfred Jeremias: Art. »Sterne«, ebd., Bd. 5, S. 1427–1500, bes. 1446ff. Beliebt ist eine Verbindung mit den Jahreszeiten und Körperorganen, ferner die Zuordnung zu weiteren biblischen Gestalten, u. a. den Aposteln. Der Figurenkreis kann dabei eine Zentralgestalt umringen, etwa Annus oder, wie auch auf der Lehrtafel und in Turris Antoniae, Christus. Siehe Hübner, ebd., bes. S. 14f. mit dem Hinweis auf Manilius 2,433–465; Olga Koseleff: Art. »Annus«. In: RDK 1 (1935), S. 713–715; Lieselotte Möller: Art. »Chronos«. In: RDK 3 (1953), S. 753–763; Oskar Holl: Art. »Zodiakus«. In: LCI, Bd. 4, S. 574–579. Art. »Tierkreis«. In: Sachs, 1988, S. 335f.; Henkel/Schöne, S. 953f.; ferner auch Jürgen Paul: Art. »Jakobs Söhne«. In: LCI, Bd. 2, S. 383f.; Josef Myslivec: Art. »Apostel«. In: LCI, Bd. 1, S. 150–173, bes. 162. Den feinen exegetischen Unterschied zwischen den Söhnen nach Gen 49 und den Stammesfürsten nach Num 2 verwischt bzw. ignoriert bereits der Titel der Inschrift (Tesauro, 1645, S. 59): »TRIBUNI XII.« Siehe Tesauro, 1645, S. 61; Pictura 2080. Neben Tesauro s. v. a. Schiller, 1627, S. 13–15 (Verbindung von Tierkreis und Aposteln) und Abraham a Santa Claras Predigt über Thomas von Aquin (Der klare | Sonnen-Schein/ [...] Das ist: Eine kurtze Lob-Predig [!] von dem [...] Doctore | THOMA AQUINATE, Salzburg: Melchior Haan 1684; s. in Schöne, 1963, S. 86–108 u. 1084f. (Verbindung von Tierkreis und Lebensstationen des Aquinaten). Keine konkreten Bezüge auf Astronomisches bietet hingegen Drexel mit seinen Zwölf Zeichen der Erwählung (s. Drexel, 1632). Die Pictura docens skizziert ein umfassendes Reformprogramm zur Ablösung pagan-mythologischer Bezeichnungen von Himmelserscheinungen durch biblische (s. Pictura 2054–2123). Das verdiente eine gesonderte Untersuchung ausgehend von Wilhelm Schickard und Schiller (s. bes. ebd., S. 1–5). Siehe dazu Hübner, 1983, S. 88–100; Hübner, 1995; ferner Hoppmann, 1997. Siehe dazu hier S. 109. Siehe die »SCALA DUODENARII ORPHICA« auf Agrippa, 1992, S. 294.

4.1 Rezeptionsgeschichtlich bedingte Widersprüche

209

chen Abweichungen im Detail verwehren es, Agrippa als direktes Vorbild für die Konzeption der Lehrtafel gelten zu lassen. Als die Lehrtafel entstand, hatte andererseits Athanasius Kircher gerade sein monumentales Werk zur Hieroglyphik vorgelegt. Er bietet darin eine Verbindung von Lagerordnung und Tierkreis,112 verrät aber nicht, wieweit er sein Schema anderen verdankt. Nach der Analyse von Wolfgang Hübner stützt sich Kircher vermutlich auf eine mittelalterliche Sammlung von Bibelauslegungen (Midraschim), das Sammelwerk Simeons (!‫)ילקוט שמעוני‬, wohl dem dreizehnten Jahrhundert angehörig.113 Die Unterschiede zu Lehrtafel, Turris Antoniae und Pictura docens sind im einzelnen jedoch derart groß, daß von einem Vorbild nicht die Rede sein kann. Wohl nur wenig jünger als das Sammelwerk Simeons ist aber ein SefirotKommentar, der die gesuchte Vorlage bietet.114 Er trägt den Titel Tore des Lichts und stammt aus der Feder des spanischen Kabbalisten Joseph ben Abraham Gikatilla.115 Ihn hat zuerst Hans-Peter Rüger in einem Vortrag mit der Lehrtafel in Verbindung gebracht.116 Die Stammesfürsten und Tierkreiszeichen werden bei Gikatilla aus dem heiligsten Namen Gottes abgeleitet: Aus dem Tetragramm werden durch eine kabbalistische Konsonanten-Permutation zwölf »Siegel« entwickelt. Sie entlassen aus sich vier weitere Zwölferreihen, die sich jeweils in vier Abteilungen oder »Fähnlein« untergliedern.117 Das läßt sich am besten in einer Tabelle erfassen: Die erste Reihe enthält die zwölf »Siegel«, die zweite die Stammesfürsten nach Num 2 (das Heiligtum im Osten, Süden, Westen und Norden umlagernd), 112

113

114 115 116

117

Siehe Kircher, 1653, S. 21; s. a. ebd. rechts unten auf der Tafel zu S. 287 »Speculum Cabalae mysticae«, hier Abb. 12. Siehe Hübner, 1983, S. 24–29; s. Jacob Zallel Lauterbach: Art. »YALKUT«. In: JE, Bd. 12 (1906), S. 585f.; ferner Judah David Eisenstein: Art. »ZODIAC«. In: Ebd., S. 688f. Hübner, ebd., S. 22f., kann wahrscheinlich machen, daß bereits im spätantiken Judentum jedenfalls einzelnen Stammfürsten Tierkreiszeichen zugeordnet werden konnten. Den Ausgangspunkt bildete die Gewißheit, daß die Himmelserscheinungen von Gott zum Wohle seines erwählten Volkes geschaffen worden sind (s. Babylonischer Talmud: Berachot 32b). Dem Tierkreis mußte dabei eine besondere Rolle zukommen, weil er mit seiner Zwölfzahl die Ordnung des Jahres widerspiegelt und die Assoziation mit den zwölf Stämmen herausforderte. Zum Begriff Sefirot s. hier S. 17. Zu Gikatilla und seinem Werk s. bereits hier S. 25 u.ö. Zu Hans-Peter Rüger s. hier S. 40. Gikatilla war Strölin spätestens seit 1649 ein Begriff durch Zitate bei Reuchlin. Zu Strölins Reuchlin-Ausgabe s. hier S. 117. Siehe dazu bes. die präzisen Erläuterungen in Grözinger, 2005, S. 416f., siehe hier S. 414. Sehe ich recht, werden die ontologischen und onomatologischen Implikationen der »Siegel« bei Gikatilla von den Schöpfern der Lehrtafel nirgends konkret angespielt oder adaptiert. Immerhin verrät Strölin an einer Stelle die Kenntnis der Grundprinzipien, die am Beginn des Sefer Jezirah klassisch dargestellt werden und auch von Grözinger, ebd. S. 417, herangezogen werden: Siehe [S1c] in Strölins vorwiegend lateinischer Erklärung zu den Sefirot, hier S. 321, und den Kommentar dazu.

210

4 Der Zwölferkreis

die dritte die Monate nach dem jüdischen Kalender (mit Nisan beginnend), die vierte die Tierkreiszeichen (mit dem Widder im Frühling beginnend und jeweils einer Jahreszeit in Dreiergruppen zugeordnet).118 Die Abb. 51 zeigt oben das Schema nach der Übersetzung des Paulus Ritius im Erstdruck von 1516.119

4.1.10 Tierkreis und Lagerordnung im Antoniakreis Für die Turris Antoniae und die Lehrtafel haben ihre Schöpfer Gikatillas Schema weiter angereichert und aus biblischen und außerbiblischen Quellen die zwölf Gestalten der Stammesfürsten schärfer profiliert. Die Pictura docens bemüht sich sogar, auch die Zuordnung der einzelnen Tierkreiszeichen plausibel zu machen. Das war bei Ephraim und Manasse nicht eben einfach, wie oben gezeigt. Bei Benjamin beispielsweise lag es hingegen auf der Hand, denkt man an den Ruf der Benjamiten als Bogenschützen, von dem hier auch schon die Rede war. Nicht wenig Mühe kostete sicher auch die Beigabe passender Bäume, die sich bei der Ausgestaltung des Schemas im Rahmen eines Gartens auf der Lehrtafel anbot. Das untere Schema in Abb. 51 zeigt diese Anreicherungen.120 Es ist kein Wunder, daß sich bei dieser Zusammenstellung das Eigenleben der einzelnen Elemente zuweilen doch bemerkbar macht. Die Folge sind Spannungen und Ungereimtheiten, die den aufmerksamen Leser leicht stolpern lassen oder ihm Rätsel aufgeben. Drei Stolpersteine verdienen nähere Betrachtung, wobei sich der erste schnell beiseite räumen läßt: Betz hat sowohl Gikatilla als auch die Schöpfer der Lehrtafel für ihre angebliche Willkür getadelt: 118

119

120

Siehe Gikatilla, 1994, S. 233. Der Leser sei gewarnt: Im Druck der Zeile 11 des Schemas bei Weinstein wird fälschlich Zeile 7 wiederholt; »the twelve planets« korrigiere man in »the twelve signs«. Bei Grözinger, 2005, S. 417, steht fälschlich »Waage, Krebs, Schütze« statt »Waage, Skorpion, Schütze«. Eine korrekte Wiedergabe bietet hingegen Maier, 1995, S. 160f. Eine historisch-kritische Ausgabe des Textes steht meines Wissens noch aus. Die genannten Übersetzer stützen sich zumal auf: Joseph Gikatillah: Sha’are Ora. Hrsg. v. Joseph Ben Shlomo. 3. Aufl. Jerusalem 1996 (zuerst: 1970); ferner Gikatilla, 1883 (mit dem Kommentar von Mattatias de la Kart). Siehe Gikatilla, 1516, S. [268v ]–[269r ]. In der von Ritius revidierten zweiten Ausgabe (in der Agricultura coelestis, 1541) und ihrem Abdruck in der Anthologie des Pistorius blieb es unverändert (s. Pistorius, 1587, S. 138–192, 182). Auch Athanasius Kircher kennt und verwendet das Schema in Kircher, 1653, S. 287. Das Schema stammt aus Betz, 2000, S. 44 (s. jetzt eine korrigierte Version in Betz, 2013, S. 44). Ich habe in anderer Schrift und in Fett u. a. die Monatseinteilung ergänzt, wie die Turris Antoniae sie bietet (s. Z. 144–155, hier S. 271). In der Schreibung folge ich der neuesten Transkription bei Grözinger, 2005, S. 417, abgesehen von »Tischri« (hebr. !‫י‬£‫ר‬ ‫)ּתִׁש‬ statt »Tischre«. In Klammern habe ich unsere Monatseinteilung beigefügt, ohne damit eine kalendarische Deckungsgleichheit suggerieren zu wollen. Zum Tierkreis im Verhältnis zum jüdischen Kalender s. Judah David Eisenstein: Art. »ZODIAC«. In: JE, Bd. 12 (1906), S. 689. Zu den Korrekturen in der Westgruppe s. hier weiter oben und gleich im Anschluß.

4.1 Rezeptionsgeschichtlich bedingte Widersprüche

211

»Schon Gikatilla hat Ephraim und Manasse durch Josef ersetzt und Levi einfach in die entstandene Lücke [...] eingeschoben. Dadurch ergab sich bereits eine gewissen Willkür bei der Zuweisung der Sternbilder.«121 Gikatilla bleibt in Wahrheit jedoch streng nach Num 2 bei Ephraim und Manasse. So haben ihn auch die Übersetzer seit Ritius verstanden. Die fragwürdige Ersetzung hat vielmehr erst Harnischfeger zu verantworten.122 Der zweite Stolperstein: Gäbe Num 2 nur eine egalitäre Raumordnung vor, könnte man sie leicht mit dem Lauf der Monate vereinen: Man müßte dafür nur das Lager nach Num 2 als Kreis oder Ring um das Heiligtum begreifen und den Jahreskreis darüber legen. Die Lagerordnung enthält jedoch ein hierarchisches Moment, was in der Natur einer militärischen Defensionalordnung liegt: Jede der vier Dreiergruppen hat einen leitenden Offizier. Die Bibel nennt ihn jeweils zuerst. So tut es auch Gikatilla. Bildliche Darstellungen von Num 2 haben üblicherweise das Lager als Rechteck aufgefaßt und den vier Oberhäuptern eine Voran- bzw. Eckstellung gegeben (s. Abb. 47 u. 48).123 Der dritte Stolperstein: Probleme treten jedoch auf, wenn man die biblisch vorgegebenen Hierarchien mit einer Kreisfigur vereinbaren will: Die Schöpfer von Lehrtafel und Turris Antoniae lösen die Schwierigkeit, indem sie die vier leitenden Offiziere jeweils in die Mitte ihrer Gruppe stellen. Das geht natürlich auf Kosten der Darstellung des Jahreskreises: Entgegen ihrer natürlichen Abfolge müssen jeweils der erste Monat einer Jahreszeit und das entsprechende Sternzeichen in die Mitte, der Widder beispielsweise mit Juda zwischen Stier und Zwillinge. Betz distanziert sich von dieser »Verwirrung« und »Unbekümmertheit«.124 Gelassener und sachgerechter sollte man von einem wohl kalkulierten darstellerischen Kompromiß sprechen, dessen Gründe einem zeitgenössischen wie auch modernen Betrachter einsehbar sind, ob er den Kompromiß nun billigen mag oder nicht.

4.1.11 Rückblick Damit ist der erste Teil der vorliegenden Studie am Ziel: Unter der Überschrift »Rezeptionsgeschichtlich bedingte Widersprüche« ging es vor allem um eine Reihe von Mißverständnissen und verfehlten Harmonisierungsversuchen, welche die ikonographische Analyse von Lehrtafel und Pictura docens seit Klemm und Oetinger belasten. Unbesonnene Rekonstruktionsversuche bei mangelnder 121 122 123

124

Betz, 2000, S. 44; getilgt in Betz, 2013, S. 44. Siehe dazu hier die vorangehenden Unterkapitel und bes. Harnischfegers Schema (Abb. 50). Gemeint sind Juda, Ruben, Dan und Ephraim nach Num 2,3.10.14.18. Siehe mehr dazu im Kommentar zur Lagerbeschreibung in Oetingers Kurtzem Begriff, hier S. 288, Z. 122–127. Betz, 2000, S. 44; s. so auch noch Betz, 2013, S. 44.

212

4 Der Zwölferkreis

Berücksichtigung des zur Verfügung stehenden Quellenmaterials verhinderten zumal das volle Verständnis des Zwölferkreises im Tempelgarten der Lehrtafel. Das Eigenleben der einzelnen Elemente dieser Zwölferkreis-Konzeption hat die Rekonstruktion teilweise erheblich erschwert. Hinzu kommt das Eigenleben der Pictura docens als literarischer Text mit einem künstlerischen Eigenanspruch. Oetingers eilige Kompilation, der Kurtze Begriff, tat ein Übriges, um den Forschern ihre Arbeit zu erschweren. Dank der wieder aufgefundenen Turris Antoniae und der editorischen Erschließung der Pictura docens sowie weiterer Dokumente aus dem Nachlaß des Gelehrtenkreises konnte eine Reihe von Widersprüchen entkräftet werden. Doch sind damit längst nicht alle Dissonanzen beseitigt, auf die der kritische Betrachter stoßen kann. Einige sind von ernster, werkgeschichtlich bedingter Natur und darum nicht im gleichen Sinne lösbar, sondern nur beschreibbar.

4.2 Werkgeschichtlich bedingte Dissonanzen 4.2.1 Einführung Lehrtafel, Turris Antoniae und Pictura docens sind nicht das Werk eines einzigen Künstlers. Kleine Dissonanzen sind erwartbar, wenn man mit einer Gruppe mehrerer, selbständiger Köpfe zu rechnen hat, die sich in einem mal engeren, mal eher lockeren Arbeitsverbund befanden und nicht alles jederzeit bis ins Detail abstimmen konnten. Auch größere Dissonanzen bzw. handfeste Widersprüche sind nicht auszuschließen, zumal wenn widrige Umstände die Werkvollendung beeinträchtigten. Strölin (Cannstatt, dann Münster am Neckar) und Schmidlin (Sindelfingen) waren durch Amt und Familie oft unabkömmlich. Nur gelegentlich konnten sie sich mündlich austauschen oder Antonia (Stuttgart) ihre Aufwartung machen. Mehr noch gilt das für weitere, gelegentliche Mitstreiter, also vor allem für Johann Steudner (Augsburg), Philipp Jakob Spener (Straßburg) und Magnus Hesenthaler (Tübingen).125 Für die Forschung ist das ein Glücksfall. Denn so kam es zu einer Reihe von Briefen, von denen sich ein Teil in Kopie oder Original erhalten hat. Dadurch werden kostbare Einblicke in die Werkstätten möglich, denen Lehrtafel, Turris Antoniae und Pictura docens entstammen, um nur die drei wichtigsten Teilprojekte zu nennen. Die Briefe erhellen einerseits den engen und offenbar 125

Zu den genannten Personen, ihrem Anteil an der Erarbeitung und den Bedingungen, unter denen der Antoniakreis die Lehrtafel und ihre Begleittexte erstellte, habe ich andernorts bereits die greifbaren Informationen zusammengetragen. Siehe Gruhl, 2007a, passim. Ergänze dort noch die Schreinbauer nach Schauer, 2003, S. 87. Zum Maler Gruber s. hier S. 225.

4.2 Werkgeschichtlich bedingte Dissonanzen

213

harmonischen Arbeitsverbund zwischen Strölin und Schmidlin. Gerade bei der Pictura docens haben sie weit mehr Hand in Hand gearbeitet, als Titelblatt und Widmung verraten, wo nur Schmidlin als Autor erscheint.126 Sie belegen andererseits größere Differenzen und deren Beilegung: Die Pictura und mehrere Begleittexte wurden drei Freunden zur Begutachtung vorgelegt (Steudner, Spener und Hesenthaler), bevor man das Werk der württembergischen Zensurbehörde übergab.127 Die Gutachter fanden so manches auszusetzen, machten hier und da auch Vorschläge, und man besserte eifrig, wo immer man der freundlichen Kritik recht geben konnte.128 Hier jedoch sind Dissonanzen zwischen Lehrtafel, Turris Antoniae und Pictura docens zu behandeln, die in den erhaltenen Dokumenten kaum je thematisiert werden. In nicht wenigen Fällen dürfte man sie, von verschiedenen Pflichten, Arbeiten oder auch Krankheiten beansprucht, schlicht nicht bemerkt oder ihnen keine erhebliche Bedeutung beigemessen haben oder auch durch widrige Umstände an ihrer Bereinigung gehindert worden sein.129 Kostbare Einblicke 126

127

128

129

Siehe Oetingers Zitat der Titulatur in Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 254, hier zitiert S. 30. Zu beachten ist ferner, daß nur Schmidlin einen der erhaltenen Entwürfe zu einem Widmungsschreiben der Pictura docens unterzeichnet (s. Schmidlin, 2007, S. 10). Siehe auch Strölins bescheidene Bemerkung in seinem Brief an Steudner im April 1662 am Beginn, hier S. 382: Er habe dafür nur eine erste grobe Skizze geliefert (»[...] à me saltem olim primis et paucis terminis confuse denominata potius, quam certis lineis et figuris limitata;«). Strölins aktiven Anteil an der Pictura zeigen Bemerkungen Schmidlins zu einzelnen Passagen der Pictura, für die Strölin die nötigen Verbesserungen vornehmen solle. Siehe Schmidlins Brief an Strölin vom 29.5.1662 (WLB Cod. hist. fol. 551, S. [68r ]–[70v ]), bes. zur Behandlung von Asser u. Samael. Zu Strölins Demut s. Strölin, 1664 (L), S. 10, hier S. 399. Ausdrücklich wird Strölin neben Antonia auf dem Schrein in Bad Teinach genannt, um seine maßgebliche Beteiligung zu bezeugen (in hebräischen Lettern am unteren Rand des geöffneten rechten Schreinflügels). Siehe dazu bes. Betz, 2013, S. 28f. Die Pictura wurde samt ihren Begleittexten im Januar 1663 der Zensur übergeben und auch approbiert, kam dann aber doch nicht zum Druck. Siehe Strölin in einem Brief an Spener vom 6.1.1663, hier S. 394; ferner hier oben S. 12. Oetinger berichtet von einem Vermerk über die am 18.12.1663 erteilte Druckerlaubnis auf dem Titelblatt des Exemplars der Pictura docens, das ihm vorlag. Siehe dazu hier S. 30. Siehe dazu die Einleitung des Kommentars zum Brief Strölins an Steudner vom 14.4.1662, hier S. 382. Zu den Arbeitsbedingungen, die den Alltag Strölins und Schmidlins als Pastoren in Württemberg prägten, s. Gruhl/Woolston, 2007, S. XVI, Anm. 35. Für ein Großprojekt wie die Lehrtafel und ihre Begleittexte dürfte so manche Nachtstunde nötig gewesen sein. Schmidlins Lob von Strölins Fleiß auch in den Nebenstunden dürfte kaum übertrieben sein (s. Strölin, 1664, S. 32, hier S. 402), wofür auch Strölins umfangreiche Kopierarbeiten für Antonia aus den Jahren 1649–1655 sprechen (s. WLB Cod. bibl. 4° 41 b, S. [281r ] u. [70r ]; dazu Gruhl/Morgenstern, 2006, S. 103f.). Zu hinderlichen Krankheiten s. Schmidlins Brief an Antonia vom 28.11.1662 (s. WLB Cod. hist. fol. 551, S. [62r ]) sowie seine Anspielung auf einen Aderlaß im Brief an Strölin vom Mai 1662 a.E. (ebd., S. [70v ]). Zu Strölins Kränklichkeit, mit der auch sein allzu früher Tod zusammenhängen dürfte, s. Strölin, 1664, S. 34,

214

4 Der Zwölferkreis

in die verschiedenen Werkstätten geben natürlich auch sie, und bieten damit Unverzichtbares zum besseren Verständnis des Antoniakreises.

4.2.2 Die Anordnung der Edelsteine Die Verknüpfung von zwölf Edelsteinen mit zwölf Stammesfürsten hat ihre biblische Vorlage in Ex 28, wo eine Anleitung zur Herstellung des Brustschildes für den Hohenpriester gegeben wird:130 [16] Vier ecket sol es sein vnd zwifach / eine hand breit sol seine lenge sein / vnd eine hand breit seine breite. [17] Vnd solts füllen mit vier rigen vol Stein / Die erste rige sey / ein Sarder / Topaser / Smaragd. [18] Die ander / ein Rubin / Saphir / Demand. [19] Die dritte / ein Lyncurer / Achat / Amethist. [20] Die vierde / ein Türkis / Onich / Jaspis. Jn gold sollen sie gefasset sein in allen rigen / [21] vnd sollen nach den zwelff Namen der kinder Jsrael stehen / gegraben vom Steinschneiter / ein jglicher seines namens nach den zwelff Stemmen.131

Wie man die hebräischen Edelstein-Namen im einzelnen zu verstehen und zu übersetzen habe, bereitet seit jeher den Auslegern Kopfzerbrechen. Die Schwierigkeiten sind nach Antonias Zeitgenossen Andreas Rivet sogar so groß, daß damit auch die lange Zeit beliebte Ausdeutung der Symbolik und Kräfte der biblischen Steine grundsätzlich in Frage stehe.132 Im vorliegenden Zusammenhang darf dieses Problem aber vernachlässigt werden.133

130 131

132

133

hier S. 403. Strölin macht mehrfach Scherze über sein Lahmen s. seine Briefe an Schmidlin vom 16.2.1659, hier S. 367, und vom 16.7.1661, hier 376. Davon war hier schon mehrfach die Rede. Siehe S. 33 u. 189, 207 (Anm.) u. 217. Luther, 1545, Bd. 1, S. 175 (die Marginalie nennt Ex 39, wo die Steine noch einmal genannt werden; v. 10–14). »rige(n)« meint »Reihe(n)«, »Onich« den »Onyx«; s. a. Ex 39,8–14. Diese Skepsis Rivets ist weder in der Pictura docens zu spüren, noch in einer zeitgenössischen Festrede Hottingers (Pectorale judicii sive Oratio inauguralis de gemmis theologicis; s. Hottinger, 1667, im Vorspann, Bogen *–***5). Wie die Pictura docens dabei an Deutetraditionen anknüpft, verdiente eine gesonderte Untersuchung, ausgehend von Meier, 1977, bes. S. 83–138; Brinkmann, 1980, S. 93–101; s. ferner Karin Hahn / Lore Kaute: Art. »Edelsteine«. In: LCI, Bd. 1 (1968), S. 578–580; Karin Hahn u. a.: Art. »Edelsteine«. In: LMA, Bd. 3 (1986), S. 1560–1565. Helmut Wilsdorf: Art. »Steinbücher«. In: LR, S. 684. Rivet läßt nur noch eine mystische Bedeutung für alle Steine zusammen gelten: Sie sollten zeigen, daß die Stämme für Gott kostbar sind wie Edelsteine. Zu einer konsequent rationalistischen Bibelkritik ist es von hier aus nicht mehr allzu weit (Rivet, 1634, Bd. 2, S. 199f.): »Hic de uniuscujusque lapidis mystica significatione, vel ad ipsos Israelitas, vel ad Pontificem ipsum relata, ut inquiramus, non opus est: nedum ut definiamus; quod qui tentant, aut faciunt, nae illi operam suam malè collocant [...]. Nam cum de uniuscujusque lapidis his nominibus significati specie, non certo constet, minusculum constare potest de uniuscujusque proprietate & de qua pleraque quae a rerum illarum peritis dicuntur, adhuc in incerto po- || sita sunt, nec experientia comprobata.« Die alten Übersetzungen der LXX und der lat. Vulgata haben statt des Diamanten den Jaspis (s. Ex 28,18) und statt des Jaspis den Beryll (v. 20). Siehe dazu van den Steen, 1648,

215

4.2 Werkgeschichtlich bedingte Dissonanzen

Auf Antonias Lehrtafel findet der aufmerksame Betrachter zwei Zwölfergruppen von Edelsteinen, einmal – mikroskopisch winzig – auf dem Brustschild des Hohenpriesters im Tempelinnern am Altar (s. ↑ 59),134 dann aber auch – zumeist leidlich erkennbar – auf den Gewandagraffen der zwölf Stammesfürsten im Tempelgarten (↑ l-y). In den erhaltenen Dokumenten aus dem Gelehrtenkreis um Antonia finden sich auch Angaben zur Bezeichnung der Steine und ihrem charakteristischen Aussehen. Jedenfalls bei der Bezeichnung folgte man offenbar derselben Auslegung, die Luther seiner Übersetzung zugrundelegte:135 Nach Ex 28,17–20 bilden je drei Steine eine Reihe. Bei zwölf Steinen ergeben sich so vier Reihen. Darauf verweisen in der folgenden Übersicht die Nummern jeweils am Zeilenbeginn: Turris Antoniae u. Pictura docens 1. Sarder 1. Topas 1. Smaragd 2. Rubin 2. Saphir 2. Diamant

134

135

Pictura docens hellrot bleich/goldgrün leuchtend grün feurig funkelnd himmelfarben keine Angabe

Lehrtafel (Tempelgarten) = =? = = =? grau

S. 553f. Wieder eine andere Deutung der Namen bot Josephus. Siehe Josephus, 1559, S. 67: »in primo: sardonyx, topazus, smaragdus: in secundo carbunculus, iaspis, sapphirus: in tertio lyncurius, amethystus, achates: in quarto chrysolithus, onyx, beryllus.« Zu Luthers Bemühungen um eine möglichst präzise und allgemein verständliche Übersetzung biblischer Edelsteinnamen s. seine Korrespondenz mit Spalatin von 1522 (WA Briefe, 2, S. 524, 532, 557); dazu Walther, 1917, S. 55f. Dort geht es allerdings um Offb 21,19f. Sixtus Senensis, 1626, S. 202, bietet eine Abbildung des Hohenpriesters in vollem Ornat einschließlich des Brustschildes, wie man ihn auch auf der Lehrtafel sehen kann. Schmidlin kannte das Handbuch des Sixtus Senensis und beruft sich in einer Streitfrage auf ihn. Siehe Schmidlins Brief an Strölin vom 29.5.1662 (WLB Cod. hist. fol. 551, S. [68r ]–[70v ], [68v ]). Turris Antoniae und Pictura docens stimmen bei den Bezeichnungen überein und beziehen sich damit klar auf Ex 28. Auch stimmen die Farbwerte der Gewandagraffen auf der Lehrtafel mit den Angaben der Pictura, Z. 1835–1877, zu den Steinen des Brustschildes überein. Natürlich darf man bei Artefakten des 17. Jahrhunderts nicht von der modernen Terminologie und Klassifikation ausgehen, für Mineralogisches ebensowenig wie für andere Disziplinen. Eine elementare zeitgenössische Liste s. bei Comenius, 1658, S. 27. Im Falle der Lehrtafel bietet die Pictura docens aber eine gute Basis, ist sie doch im unmittelbaren Umfeld Antonias und ihres künstlerischen Projektes entstanden. Allerdings erlaubt die altersbedingte Nachdunkelung der Lehrtafel nicht überall eine sichere Farbwertbestimmung. In zwei Fällen läßt sich nach dem Augenschein keine Angabe riskieren, in vier weiteren muß ein Fragezeichen gesetzt werden. Zu den Schwierigkeiten hinsichtlich der Zuordnung zu Levi und Joseph oder Manasse und Ephraim s. weiter unten.

216

4 Der Zwölferkreis 3. 3. 3. 4. 4. 4.

Lynkurer Achat Amethyst Türkis Onyx Jaspis

glänzend weiß geädert feilchenfarben himmelblau krallengelb vielfarbig gefleckt

? ? = =? = =?

Ein zweites Auslegungsproblem verlangt nun die volle Aufmerksamkeit: Ex 28 bietet keine Auflistung der einzelnen Namen der Söhne Israels bzw. der Stämme, die auf den Edelsteinen verzeichnet werden sollen. Sie werden vielmehr als bekannt vorausgesetzt.136 So kann man darüber streiten, ob eine der biblischen Auflistungen der leiblichen Söhne Jakobs oder die Lagerordnung nach Num 2 einschlägig ist.137 Für den Namenskatalog der Lagerordnung spricht sich Cornelius van den Steen (a Lapide) in seinem monumentalen Kommentarwerk aus. Er weist auf die Sonderrolle des Stammes Levi hin, der nach der Bibel ja nicht der Lagerordnung angehört (s. Num 2) und auch bei der Landverteilung einen Sonderstatus hat (s. Jos 21): Levi ist für den Gottesdienst ausersehen und stellt u. a. den Hohenpriester als obersten Repräsentanten des Volkes Israels vor Gott im Heiligtum.138 Mit diesem Konzept pontifikaler Repräsentation sei es aber unvereinbar, wenn auf dem Brustschild der Stamm Levi in einer Reihe mit den anderen Stämmen erscheine, werde doch Levi bereits durch den Hohenpriester selbst vor Gott repräsentiert. Entsprechend sei anzunehmen, daß die in Gen 48 erfolgende Adoption und Segnung von Manasse und Ephraim durch Jakob die Zwölfzahl der Stämme herstelle, die auf dem Brustschild benannt werden.139 136

137 138 139

Keine Namen bieten auch der Aristeas-Brief (§ 97 ed. Brodersen) u. Flavius Josephus (ant. 3,7,5 bzw. 3,166,2–3,169,3 ed. Niese). Die Pictura docens läßt bei ihrer ersten Erwähnung des Brustschildes und der Onyx-Agraffen des Hohenpriesters die Frage ebenfalls offen (s. Z. 342 u. 346). Zu Num 2 s. hier S. 187, 191, 202, 207 u. 209. Siehe Num 1,47–53; 18,20–24; Jos 21,1–8. Siehe van den Steen, 1648, S. 541 (zu Ex 28,9f.): »Sex seniorum filiorum Iacob nomina, putà Ruben, Simeon, Iudas, Dan, Nephtali, & Gad, insculpta erant onychi dextro [...] sex reliqui insculpti erant sinistro, putà Aser, Isaschar, Zabulon, Ephraim, Manasses & Beniamin [...]. Levi enim inter 12. Tribus non numeratur [...] eius loco & loco Ioseph duo filij Ioseph, scilicet Ephraim & Manasses, successerunt adoptati in filios ab auo Iacobo, Genes. 48. v. 5. [...] Ipse enim sacerdos, vtpote Leuita, per se suam tribum Leui repraesentabat; vnde non fuisset congruum inscribere Leui vesti sacerdotis.« Ebd., S. 554 (zu Ex 28,17): »Verùm verius est omittendum esse Leui, ac consequenter tribum Ioseph diuidendam in duas, scilicet Ephraim & Manasse. Ratio est, Primò, quia pontifex ipse seipso repraesentabat tribum Leui; erat enim ipse ex Leui & Leuita. Secundò, quia 12. tribus positae hîc in rationali, erant populi, putà laicorum, pro quibus sacerdos oraturus erat; gestat enim eos in pectore, vt iugiter eorum in precibus recordetur. At tribus Leui non erat laica, sed Deo consecrata, ac proinde vnà cum pontifice, quasi capite suae tribus, Deo pro ceteris tribubus laicis supplicabat. Cen-

4.2 Werkgeschichtlich bedingte Dissonanzen

217

Denselben Tenor findet man in einem einflußreichen Bibellexikon des 16. Jahrhunderts, das auch noch im 17. mehrfach aufgelegt wurde.140 Andernorts wird dieses Lexikon von Schmidlin zitiert.141 Welche Rolle der mittelalterliche Kabbalist Gikatilla für die Konzeption des Tempelgartens auf der Lehrtafel spielte, war Thema des vorangehenden Unterkapitels.142 Im Gefolge der Darlegungen zu den Stammesfürsten und den Tierkreiszeichen weist Gikatilla auf das Brustschild in Ex 28 hin. Nach dem Kontext liegt der Schluß nahe, daß auch schon Gikatilla für die in Ex 28 fehlenden Namen an die Lagerordnung dachte.143 Eine Favorisierung der Lagerordnung kann auch für die Darstellung des Zwölferkreises auf der Lehrtafel und der Turris Antoniae als sicher angenommen werden. Dies geschah sicherlich nicht zuletzt unter dem Einfluß Gikatillas, der ja gerade für die Konzeption des Zwölferkreises Pate stand, wie oben gezeigt. Der Verknüpfung mit dem Personal der Lagerordnung stehen Deutungen gegenüber, welche die zwölf Edelsteine in Ex 28 mit den leiblichen Söhnen Jakobs verknüpfen, folglich mit Levi und Joseph anstatt Manasse und Ephraim. Dabei wird mal die Reihenfolge der Geburt zugrundegelegt, mal die Gruppierung nach den leiblichen Müttern. Frühe Vertreter dieser Deutungsvarianten sind die Targumim. Sie sind den frühneuzeitlichen Auslegern bekannt144 und

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setur ergo esse vna cum capite suo, scilicet pontifice: eum enim stipabat, eumque adiuuabat in sacrificiis & sacris pro populo obeundis. Non decebat ergo pontificem gestare in pectore tribum Levi, utpote cuius ipse erat caput & princeps: illam enim seipso repraesentabat, sicut princeps repraesentat remp. rex regnum, primogenitus totam familiam & stirpem.« Siehe Sixtus Senensis, 1626, S. 121 »[...] in quorum dextro erant insculpta sena maiorum Patriarcharum nomina, hoc est, Iuda, Ruben, Gad, Aser, Nephtalim, Dan. In sinistro verò alia sena posteriorum Patriarcharum nomina, videlicet Simeon, Isachar, Zabulon, Manasse, Ephraim, Beniamin.« Siehe dazu hier S. 203 (Anm.). Siehe vor allem hier S. 209. Siehe Gikatilla, 1994, S. 235, und Grözinger, 2005, S. 417: »Im Anschluß an diese Entsprechungstabellen hebt Gikatilla noch hervor, daß der Erzvater Jakob die Stämme mit je dem ihnen zugehörigen Siegel des Tetragrammaton gesegnet hat, und daß die zwölf Edelsteine auf dem Brustschild des Hohenpriesters diese ganze ontologische Struktur gleichfalls widerspiegeln.« Gikatillas Einbeziehung des Jakobssegens setzt eine harmonisierende Konzeption voraus ähnlich der, die Cornelius van den Steen mit dem Hinweis auf Gen 48 vorträgt. In der frühneuzeitlichen lateinischen Übersetzung (Gikatilla, 1516) fehlt allerdings diese Passage zum Brustschild. Ritius hat hier, wie oft auch in anderen Kontexten, kräftig gekürzt. Wie Steudner (s. hier S. 382) dürfte aber auch Strölin den ungekürzten Originaltext der Tore des Lichts konsultiert haben. Siehe zu den zeitgenössischen Ausgaben Grözinger, 2005, S. 397f.; ferner hier S. 25. Die Targumim (oder Targume) sind antike jüdische Übersetzungen bzw. Erläuterungen zu alttestamentlichen Büchern. Sie werden in der Frühen Neuzeit oft als »Chaldaicae (d. h. Aramäische) Paraphrases« bezeichnet. Siehe neben Waltons Polyglotte (Walton, 1657) die Einführungen von Schickard, 1624, S. 19–37, und Leusden, 1656, S. ***v –****2.

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4 Der Zwölferkreis

werden für Ex 28 etwa von Christopher Cartwright ausgewertet.145 Mit einem der Targume und Raschi146 gibt Cartwright der Reihenfolge der Geburt den Vorzug. Auch Andreas Rivet stimmt dafür und betont gegen van den Steen die Unvereinbarkeit von Ex 28 mit der Lagerordnung. Rivet pocht auf die »natürliche« Bedeutung des in Ex 28,11 und 21 verwendeten »Söhne«. Manasse und Ephraim seien aber nur Enkel. Ihnen fehle das Merkmal unmittelbarer Abstammung.147 Bei der Beschreibung des hohepriesterlichen Brustschildes folgt die Pictura docens eben dieser Deutungsvariante, undzwar in exakt der Weise, wie sie auch in einem Exzerpt zum Brustschild Aarons von Strölins Hand in seinem Nachlaß erhalten geblieben ist. Entsprechend kursierten also im Gelehrtenkreis um Antonia zwei Auslegungsvarianten zu den Steinen und den Repräsentanten 145

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Siehe Cartwright, 1653, S. 353: »Jonathan & Hierosolymitanus dicunt in hoc ordine inscripta fuisse nomina tribuum Reuben, Simeon, & Levi. Ordine secundo Hierosolymitanus ait fuisse nomina tribuum Judah, Isaschar, & Zebulun [sic]; at Jonathan ei tribuit Judah, Dan, & Nephthali. Ordine tertio Hierosolymitanus ponit Dan, Nephthali & Gad; Jonathan autem Gad, Asher et Isaschar. Ordine quarto Hierosolymitanus vult fuisse Asher, Joseph, et Benjamin; at Jonathan Zebulum, Joseph, et Benjamin. Juxta Hierosolymitanum primo positi erant filii Leae, deinde filii ancillarum, et postremo filii Rachelis; sed multo commodior est ratio, quam secutus est Jonathan nempe ut juxta ordinem nativitatis, sive ex liberis, sive ancillis nati erant, nomina filiorum Israel posita essent.« Jonathan (Pseudo-Jonathan, Jeruschalmi I) folgt der Geburtsordnung. Der Hierosolymitanus (Jeruschalmi II) gruppiert nach den leiblichen Müttern (vgl. ähnlich Gen 35,22–26 und Gen 49): Ruben (1. Sohn Jakobs Gen 29,32 Lea; 49,3); Simeon (2. 29,33 Lea; 49,5); Levi (3. 29,34 Lea; 49,5); Juda (4. 29,35 Lea; 49,8); Isaschar (9. 30,18 Lea; 49,14); Sebulon (10. 30,20 Lea; 49,13); Dan (5. 30,6 Bilha/Rachel; 49,16); Naphtali (6. 30,8 Bilha/Rachel; 49,21); Gad (7. 30,11 Silpa/Lea; 49,19); Ascher (8. 30,13 Silpa/Lea; 49,20); Joseph (11. 30,24 Rachel; 49,22); Benjamin (12. 35,18 Rachel; 49,27). Siehe seinen Kommentar zu Ex 28,21 (Pentateuch, 1946, Bd. 1, S. 156). »Raschi« ist Kürzel für Rabbi Schlomo ben Jizchak (Salomon Jarchius oder ben Jarchi; s. Joseph Jacobs u. a.: Art. »RASHI«. In: JE, Bd. 10 (1905), S. 324–328). Er ist der angesehenste jüdische Ausleger des Mittelalters (1040–1105) und in der Frühen Neuzeit bestens bekannt. Weitere jüdische Ausleger kommen zu Wort bei Schickard, 1674, S. 23f., und Rivet, 1634, Bd. 2, S. 197f. Siehe Rivet, 1634, Bd. 2, S. 192–193: »Vbi notandum, non dici nomina duodecim tribuum, sed duo-|decim filiorum; proinde non fuisse insculpta nomina Manasse & Ephraim; sed nomen Ioseph; & nomen Levi, quod aliàs in quibusdam actibus omittebatur, his etiam gemmis inscribebatur. Sunt qui putent omissum fuisse, quia Sacerdos ipse per se tribum suam repraesentat; & pro Iosepho fuisse suffectos duos illius, quos diximus, filios. [...] In re autem divina, servatum fuisse ordinem naturalem, & eos tantùm in filiis Iacob numeratos fuisse, qui ab eo immediatè orti erant.« Der Hinweis zu den zwei Steinen des Ephod »nach der Reihenfolge ihrer Geburt« in Ex 28,10 ermuntert den Leser in der Tat dazu, sich an den Gebär-Kampf zwischen Lea und Rachel zu erinnern, in dem die Mägde gewissermaßen als »Leihmütter« strapaziert wurden, bis am Ende zwölf Söhne geboren waren. Allerdings wird dieser Hinweis beim Brustschild nicht wiederholt und in Ex 28,21 von Abkömmlingen Israels (gemeint ist Jakob; s. Gen 32,29) und Stämmen in einem Atemzug geredet. Das läßt Raum für die Gegenmeinung.

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4.2 Werkgeschichtlich bedingte Dissonanzen

Israels auf dem hohepriesterlichen Brustschild, wie die folgende Übersicht im Detail vor Augen führt:148 1. 1. 1. 2. 2. 2. 3. 3. 3. 4. 4. 4.

Sarder Topas Smaragd Rubin Saphir Diamant Lynkurer Achat Amethyst Türkis Onyx Jaspis

Pectorale u. Pictura Ruben Simeon Levi Juda Dan Naphtali Gad Ascher Isaschar Sebulon Joseph Benjamin

Turris u. Lehrtafel = = Ephraim = = = = = = = Manasse =

4.2.3 Mangelnde Abstimmung von Turris und Pictura? Wie aber ist es zu bewerten, daß die Pictura diese und nicht die andere, auf der Lehrtafel und der Turris Antoniae favorisierte Ausdeutung von Ex 28 bietet? Es fällt auf, daß die Pictura die Verknüpfung der Edelsteine mit den leiblichen Söhnen Jakobs nur einmal anspricht, nämlich in einer Beschreibung des hohepriesterlichen Brustschildes.149 Die Gewandagraffen der Stammesfürsten im Tempelgarten der Lehrtafel erwähnt sie hingegen nicht. So erfährt ihr Leser nirgends, daß die Edelsteine ikonographisch eindeutige Attribute im Zwölferkreis des Tempelgartens sind und dort Ephraim den Smaragd, Manasse aber den Onyx trägt. Deutlich anders verfährt die Pictura bei den Sternzeichen: Diese werden in zwei Kontexten Israels Repräsentanten zugeordnet, beidemal nach Maßgabe der Lagerordnung und jeweils mit einem Seitenblick auf Levi.150 Man hätte erwartet, daß die Pictura ähnlich auch auf die Edelsteine der Gewandagraffen eingeht und den Leser bzw. Betrachter in geeigneter Weise über die Zuordnung von Smaragd und Onyx zu den Josephssöhnen aufklärt, verbunden mit einem Seitenblick auf Levi und Joseph. Die beschriebene Dissonanz ist geeignet, bei den Lesern Verwirrung zu stiften. Oetinger bietet ein Beweis dafür. Sein Kurtzer Begriff, ein notgedrungen 148

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Das Exzerpt mit dem Titel »pectoralis Aaronicj explicatio« s. in Cod. hist. fol. 551 der WLB, S. 106, hier S. 357. Siehe ↑ 59 (dazu hier S. 33); Pictura 1829–1834. Siehe auch die Auflistung der fünf Kontexte der Pictura, wo die zwölf Repräsentanten eine Rolle spielen, hier S. 192. Siehe Pictura 666 u. 2066

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4 Der Zwölferkreis

hastiges Kompilat, bietet in einem Text das eben besprochene, dissonante Nebeneinander zweier Edelstein-Kataloge.151 Die Verwirrung wird so noch gesteigert. Ihren Gipfel erreicht sie aber bei Harnischfeger, wo Lagerordnung und Jakobs leibliche Söhne gewaltsam kombiniert werden.152 Daß die Pictura nach ihrer Gattung durchaus kein simples ikonographisches Inventarium des beschriebenen Gemäldes sein will und kann, ist bereits betont worden. Die möglichen Folgen gerade für unaufmerksame Leser wurden am Beispiel des Judaskusses vorgeführt.153 Wer genau liest, kann bemerken, daß die Pictura nirgends ausdrücklich die Agraffensteine der Zwölf im Tempelgarten des Gemäldes behandelt. Wer zudem die Lehrtafel und daneben auch noch einen Riß wie die Turris Antoniae vor Augen hat, verfügt über gute Chancen, einen ikonographischen Irrtum zu vermeiden. Es ist darum nicht gerechtfertigt, dem Autor der Pictura einen Kunstfehler anzukreiden oder im Hintergrund gar einen konzeptionellen Dissens zwischen Schmidlin und Strölin anzunehmen. Übertrieben wäre es wohl auch, aus diesen Beobachtungen eine mangelnde Vollendung der Pictura abzuleiten.154 Auffällig bleibt der beobachtete Dissens in der Rezeption der Auslegungstraditionen von Ex 28 dennoch. Bis auf weiteres hat so die Annahme am meisten für sich, daß man sich im Gelehrtenkreis um Antonia über diesen Dissens und mögliche Verwirrungen für weniger wachsame Leser der Pictura nicht recht klar geworden ist und die mangelhafte Verständigung zwischen mehreren gelehrten Köpfen erst in Oetingers Fassung des Kurtzen Begriffs unangenehme Folgen zeitigte.

4.2.4 Pentapolis oder Dekapolis? Nicht nur beim Zwölferkreis konnte es zu einem Dissens zwischen den Gelehrten um Antonia kommen. Und nicht immer mußte ein solcher Dissens ungute Folgen für unaufmerksame Leser und Betrachter haben. Das zeigt die Behandlung des Unterganges von Sodom und Gomorra auf einer der kleinen Relief-

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Siehe dazu hier S. 33. Siehe hier S. 33 u. 189. Oetingers Kurtzer Begriff macht dabei zugleich wahrscheinlich, daß auch die heute nicht mehr verfügbare Letztfassung der Pictura docens diese Favorisierung Levis und Josephs bot. Siehe hier S. 31ff. Wie Kunstfehler nach Möglichkeit ausgemerzt wurden, läßt sich nicht nur an der erhaltenen Diskussion mit Steudner und Spener über darstellerische Details verfolgen (s. die im Nachlaß Strölin erhaltene, hier weiter oben genannte Korrespondenz dazu), sondern auch am Fall der Tilgung der Zeile studieren, in der Josephs »Palmaria virtus« herausgestellt wird. Siehe dazu hier S. 192, 200 u. 205.

4.2 Werkgeschichtlich bedingte Dissonanzen

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szenen am Tempelgebäude der Lehrtafel (s. ↑ 40).155 Die Bibel nennt zwar in diesem Kontext nur zwei Orte mit Namen, Sodom und Gomorra (s. Gen 19,24), doch lassen sich weitere betroffene Siedlungen aus anderen Kontexten ermitteln. Wenn die Pictura docens von einer Gruppe von fünf Städten spricht (»Pentapolis«),156 spielt sie damit auf Weish 10,6 an.157 Die Namen der Städte und ihrer Herrscher fand man in Gen 14,2: Das sie kriegten mit Bera/ dem könige von Sodom/ vnd mit Birsa/ dem könige von Gomorra/ vnd mit Sineab/ dem könige von Adama/ vnd mit Semeber/ dem könige von Zeboim/ vnd mit dem könige von Bela / die heisst Zoar.158

Daß durch Gottes Strafgericht aber nur vier von diesen fünf Ortschaften zerstört wurden, folgerte man aus der Stelle Dtn 29,23: Das er all jr Land mit schwefel vnd saltz verbrand hat/ das sie [sic] nicht beseet werden mag/ noch wechset/ noch kein kraut drinnen auffgehet/ Gleich wie Sodom/ Gomorra/ Adama vnd Zeboim vmbgekeret sind/ die der HERR in seinem zorn vnd grim vmbgekeret hat/159

Eine besondere Kontroverse hatte das Schicksal von Bela (oder Zoar oder Segor nach LXX und Vulgata) ausgelöst, des fünften Ortes der Pentapolis. Die frühneuzeitlichen Ausleger folgen gewöhnlich der Auffassung des Hieronymus, der dessen Untergang während oder immerhin kurz nach dem Strafgericht leugnete und behauptete, man könne sich den Ort »heute noch« zeigen lassen.160 Mag sich die Pictura docens zu dieser speziellen Streitfrage auch nicht äußern, so ermuntert sie doch ihre Leser dazu, Gen 19 im Sinne der eben beschriebenen Auffassung zu verstehen, die sich in vielen zeitgenössischen Kommentaren fin-

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Zur abweichenden Deutung auf die Plünderung von Sodom und Gomorra in Gen 14 s. hier S. 268 im Kommentar zur Stelle. Pictura docens 140 (die devota anima fürchte sich nicht vor »Pentapolitanos Cineres, testes Zelotae e Coelo Ignis«). Siehe die Stelle nach dem Text der LXX: »αὕτη δίκαιον ἐξαπολλυμένων ἀσvεβῶν ἐρρύσvατο ϕυγόντα καταβάσvιον πῦρ πενταπόλεως«; s. ferner die Vulgata: »haec iustum a pereuntibus impiis liberavit fugientem descendentem ignem in Pentapoli«. Siehe bereits Schedel, 1493, Blatt XIIIv : »Penthapolis das land ligt in der nachpawrschafft Arabie vnd Palestine. vnd het fünff stet. als zodoma gomorra etc. die das fewer von himel verprennet.« Unter den zeitgenössischen Auslegern s. z. B. Gerhard, 1693, S. 401: »5. Pluit Dominus a Domino super Sodomam et Gommorram et subvertit civitates istas. At Sapient. 10. vers. 6. ignis descendit in Pentapolin, sive qvinqve civitates regni Sodomitici, Genes. 14. vers. 2.« Luther, 1545, Bd. 1, S. 45. Ebd., S. 392; s. dazu z. B. Gerhard, 1693, S. 401: »Resp. 1. Dubium nullum praeter Sodomam & Gomorram etiam Adama & Seboim fuisse hoc incendio unà cum habitatoribus suis combustas, Deuter. 29. v 23. Ose. 11. v. 8. Amos 4. v. 11.« Siehe Hieronymus: De situ et nominibus locorum Hebraicorum, s. v. »Bala« und v. a. »Segor« (MPL 23,878 B u. 919 C); Perera, 1596, S. 499.

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4 Der Zwölferkreis

den läßt.161 Ebenso dürfte es mit Oetingers Beschreibung stehen, die hier wohl von der Pictura abhängig ist.162 Rätsel dürfte dem zeitgenössischen wie auch dem modernen Leser hingegen die Beschreibung der fraglichen Reliefszene in der Turris Antoniae aufgeben: Sie spricht von einem Verband von zehn Städten, einer Dekapolis.163 Das ist wohl eine Anspielung auf eine andere Lehrmeinung zu Gen 19. Sie findet sich bei dem byzantinischen Historiker Stephanos.164 Die frühneuzeitlichen Ausleger erwähnen sie gewöhnlich mit keinem Wort. Eher noch würdigt man Strabos Annahme von dreizehn Ortschaften einer kurzen, ablehnenden Erwähnung.165 Ob Strölin als Verfasser der Turris Antoniae166 durch einen Vermittler wie den gründlichen Perera auf Stephanos gestoßen war oder durch eigene Lektüre, ist ebenso ungewiß wie der genaue Grund seiner Bevorzugung der Dekapolis.167 Den Einwand jedenfalls, sie widerspreche, wie die Strabos, der Bibel, brauchte er nicht zu fürchten. Denn von den genannten Bibelstellen bietet allein Weish 10,6 eine ausdrückliche numerische Obergrenze betroffener Ortschaften 161

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Eine Zusammenfassung dieser Position bietet Perera, 1596, S. 499: »Apparet igitur ex his quae diximus, non esse veram opinionem Lyrani aientis destructam fuisse Segor post discessum Loth ex ea vrbe. Nec probabile est quod tradunt Theodoretus in quaestione 69. in Genesim, & Suidas in voce Loth, post egressum Loth ex ea ciuitate, omnes habitatores eius fuisse deletos, atque hiatu terrae absorptos. Nec mirum, Scripturam dum memorat illud excidium, nominare tantum Sodomam & Gommorham: nimirum insigniores erant istae amplitudine, opulentia, potentia, atque improbitate; quarum scilicet imperio, ductu, exemploque mouebantur & regebantur ceterae. Vbi porro scriptum est, ignem descendisse in Pentapolim, ibi vocabulo Pentapolis significatur regio illa ex quinque vrbibus sic appellata. In hanc descendit ignis, & combussit omnia, vna tantum Segor excepta.« Siehe auch del Rio, 1608, S. 287; Pareus, 1609, S. 1304; Rivet, 1633, S. 475; Gerhard, 1693, S. 401. Siehe Oetingers Kurtzer Begriff, hier S. 286, Z. 72: »Der fünf Stätte Verbrennung.« Bei Klemm und der Turris Antoniae fand Oetinger die Pentapolis jedenfalls nicht vor. Siehe die Turris Antoniae zu ↑ 40, hier S. 268, u. den Kommentar z. St. Siehe Stephanus, 1678, S. 612, s. v. ΣΟ΄ΔΟΜΑ; Perera, 1596, S. 498: »Stephanus qui de vrbibus scripsit, decem fuisse vrbes ait, earumque principem & caput fuisse Sodomam.« Bochart hat Stephanos kritisch durchgesehen, favorisiert aber in seiner Geographia Sacra IV,37 offenbar die Zerstörung von vier Städten einer Pentapolis (s. Bochart, 1712, Bd. 1, S. 822 u. 308). Siehe Strabo, 1707, S. 1108; Perera, 1596, S. 497f. bes. S. 498: »Sed nimirum quae inibi narrat Strabo, ea non vt à se spectata, nec liquido sibi nota, sed aliorum tantum relatu accepta commemorat. VERA igitur sententia est, quatuor fuisse ciuitates clade illa excidioque destructas, Sodomam, Gomorrham, Adamam, & Seboim. Quinta vero, cui prius nomen fuit Bala, posterius autem Segor, similiter destructa fuisset, nisi DEVS, rogatu Loth, ei pepercisset.« Siehe ferner del Rio, 1608, S. 288; Pareus, 1609, S. 1304; Gerhard, 1693, ebd. Siehe dazu S. 35. Zu Perera s. jetzt Reiser, 2007, S. 153–184. Für das Vorliegen eine Verwechselung mit der im Neuen Testament mehrfach erwähnten Dekapolis im Norden Palästinas (s. Mt 4,25 u. ö.) fehlen die Anhaltspunkte. Einen vergleichbaren lapsus memoriae kann ich bei Strölin nicht finden. Zu seinen überdurchschnittlichen orientalistischen Kenntnissen s. hier S. 229.

4.2 Werkgeschichtlich bedingte Dissonanzen

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(Pentapolis). Ob das Buch der Weisheit Salomos aber überhaupt beanspruchen kann, göttlich inspiriertes Wort zu sein, war nicht nur unter den Gelehrten, sondern auch den Konfessionen umstritten. Gegen die Protestanten, welche für das Alte Testament den engeren, jüdisch-rabbinischen Kanon von vierundzwanzig Büchern bevorzugten, hatte zwar das Trienter Konzil daran festgehalten, doch war Strölin als Lutheraner daran nicht gebunden.168 Als protestantischer Ausleger konnte Strölin darum ernsthaft die Dekapolis vertreten. Man mag sich wundern, warum er sie statt der weit bekannteren Pentapolis in die Turris Antoniae einbrachte. Freude an eher abgelegener Gelehrsamkeit verraten die erhaltenen Dokumenten des Antoniakreises aber auch sonst, und man zögert zuweilen auch nicht, sie dem Publikum zuzumuten.169 Sehe ich recht, fehlen allerdings hinreichende Anhaltspunkte dafür, daß Strölin und/oder Schmidlin die Dissonanz zwischen Dekapolis (Turris Antoniae) und Pentapolis (Pictura docens) wissentlich und absichtlich erzeugt hätten, um ein gelehrtes Publikum zu beeindrucken. So genügt also bis auf weiteres die Annahme mangelnder Abstimmung bzw. Aufmerksamkeit. Und sie ist harmlos genug: Nur wer Turris Antoniae und Pictura docens genauestens nebeneinander studiert, wird den Dissens überhaupt bemerken. Irgendwelche schädlichen Folgen für unaufmerksame Leser oder Betrachter entstehen daraus schwerlich.

4.2.5 Ruben mit oder ohne Elch? Der Fall Ruben fordert nun wieder eine Rückkehr zum Zwölferkreis und zu ernsteren Schwierigkeiten. Die Lehrtafel zeigt Ruben im rechten oberen Kreisviertel im Tempelgarten (s. ↑ s, l, m), als Zentralgestalt der Südgruppe gemäß der biblischen Lagerordnung. Wie konnte es dazu kommen, daß ausgerechnet ihm, dem Erstgeborenen Jakobs, kein Tier als Attribut zur Seite steht? Überhaupt geht es in dieser Gruppe bei den Tieren – im Vergleich zu Wolf, Stier und Einhorn in der Westgruppe – wie bei armen Verwandten zu: Gad muß sich mit einem unscheinbaren Füchslein begnügen, Simeons Hund ist kaum größer. Und Ruben muß gleich ganz verzichten. Der Wasserstrahl aus seinem Krug reißt zwar ein Krebslein mit sich, doch dieses steht für Rubens Sternzeichen 168

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Siehe Concilium Tridentinum: Decretum de libris sacris et de traditionibus recipiendis (Sessio IV, 8.4.1546, DH 1502); Bellarmino: Controversiae 1,10 (Bellarmino, 1856, S. 40–42); Gerhard: Loci 1,6,65–67 (Gerhard, 1863, S. 36). Siehe zu den Kanongrenzen »non apocrypha Pietas« in Pictura docens 1149, sowie die Kritik Speners (referiert von Strölin in seinem Brief an Schmidlin vom 6.5.1662; WLB Cod. hist. fol. 551, S. [60r-v ]) u. die Reaktion Schmidlins in seinem Brief an Strölin vom 29.5.1662 (WLB Cod. hist. fol. 551, S. [68r ]– [70v ]). Siehe mehr dazu hier S. 200, ferner 31.

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4 Der Zwölferkreis

und zählt darum nicht.170 Die Pictura docens läßt sich mit diesen Beobachtungen schwerlich vereinen. Sie ermuntert den Betrachter, bei Ruben einen Elch zu erwarten, bei Gad vielleicht sogar ein Schlachtroß. Und Simeons Hund sollte nach Schmidlins Beschreibung weit schrecklicher anzusehen sein als die mopsähnliche Promenadenmischung, die auf der Lehrtafel hinter Simeons Stiefel hervorlugt. Auf den ersten Blick ist natürlich der Elch das größte Problem. Warum fehlt er auf der Lehrtafel? Nach Schmidlin werde Ruben »durch den wilden Elch und den Trauerbaum, die Zypresse, nicht übel gekennzeichnet, | insofern ihm Leid erwuchs aus Lustbarkeit.«171 Wie der Krug in Rubens Rechter spielt der Elch demnach auf Rubens Unzucht mit Jakobs Nebenfrau Bilha an (s. Gen 35,22). Das Verschütten des Wassers aus dem Krüglein ist allerdings auf der Lehrtafel zu sehen. Es deutet auf Rubens Unbändigkeit oder Leichtfertigkeit hin, die Jakob in seinem Segensspruch tadelt, und versinnbildlicht die Formulierung »effusus es sicut aqua« (du hast dich ergossen wie Wasser; Gen 49,4 nach der Vulgata; im Urtext: »unbändig wie Wasser warst du«). Bereits auf einem Kupferstich Jan Sadelers des Älteren sieht man einen von Alter und Gram gebeugten Ruben mit einem zum Guß geneigten Krüglein in der Rechten. Diese Darstellung ist nicht nur von der Bibel, sondern auch von den Testamenten der zwölf Patriarchen, einem alttestamentlichen Pseudepigraphon, inspiriert: Dort warnt ein reuiger Ruben vor jugendlicher Ahnungslosigkeit und der Unzucht, zu der er sich einst hinreißen ließ.172 Die Schöpfer der Lehrtafel kannten offenbar diese oder eine vergleichbare Ruben-Darstellung. 170

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Gegen Betz, 2013, S. 47: »Mit der Linken verschüttet Ruben Wasser aus dem Krug, in dessen hellem Strahl ein roter Krebs, sein Tierkreiszeichen (und einziges Begleittier) gut zu erkennen ist.« Zu den Sternzeichen s. das vorangehende Unterkapitel. Pictura docens 664f.: »Alce ferâ, et ferali cupresso non male notatus | qui luctum ex lasciviâ contraxit« (Übersetzung und Hervorhebungen von mir). Die Druckgraphik Sadelers s. jetzt in Knipping, 1974, Bd. 1, S. 91, urspr. im Thesaurus Sacrarum Historiarum Veteris Testamenti, Antwerpen: Gerard de Jode, 1579 (erw. Aufl. 1585), dann im Theatrum Biblicum, Amsterdam: Claes Jan Visscher, 1643 (s. dazu Knipping, ebd., S. 90, u. van der Coelen, 2002, S. 153–159). Die Graphik hat ein Epigramm bei sich. Es lautet nach dem Text der Ausgabe von 1643: »Primus Iacobi natorum nomine Ruben: | Donis excellens imperioque prior | Sed quia foedaui stratum genitoris ab illis, | Exclusus, perij ceu [im Druck: seu] leuis unda breui« (Ich bin der Erstgeborene Jakobs und heiße Ruben. Ich war mit Gaben ausgezeichnet und der erste im Regiment. Doch weil ich das Bett meines Vaters befleckte, wurden mir jene [Privilegien] entzogen, und binnen kurzer Zeit bin ich vergangen wie eine flüchtige Welle.) Zum Einfluß der Testamente in der illustrierten Genther Ausgabe von 1552 (bei Joos Lambrecht) auf die von Sadeler gestochene Vorlage s. Knipping, ebd. Rubens testamentarische Mahnung lautet in der lat. Übers. (Tesauro/Juglaris, 1711, S. 171): »Ecce, testificor vobis Deum coeli hodiè, ut non ambuletis in ignorantia juventutis & fornicatione, in qua effusus sum ego, & inquinavi lectum patris mei Jacob:« Mit »effusus sum« (ich habe mich ergossen) wird ebenfalls Gen 49,4 angespielt.

4.2 Werkgeschichtlich bedingte Dissonanzen

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Was die Auswahl des passenden Tieres für Ruben anbelangt, gingen sie aber eigene Wege. Bei Sadeler wird der Stammesfürst von einem Stier und einem Ziegenbock begleitet. Beide, oder zumindest Letzterer, bieten sehr wahrscheinlich eine Anspielung auf Rubens verhängnisvollen sexuellen Appetit.173 Der Elch soll nach Schmidlin eben dasselbe ausdrücken.174 Im Zedler findet man dieselbe Assoziation: »Das Elend=Thier ist sehr geil, und lebet mit den Wölffen in besonderer Feindschafft.«175 Wahrscheinlich hat der Lexikograph seine Weisheit aus einer Passage bei Ulisse Aldrovandi, welcher kurz erwähnt, daß die Elche während der Brunftzeit »regelrecht in Raserei geraten und zur Begattung stürmen«.176 Aldrovandis Bemerkung oder eine vergleichbare naturgeschichtliche Notiz hat wohl auch Schmidlins Elch inspiriert.177 Was der Naturforscher nur nebenbei und ohne jede moralische Beurteilung oder Nutzanwendung mitteilt, wird in der Pictura docens zum Sinnbild verwerflicher Lust.178

4.2.6 Mangelnde Vollendung der Lehrtafel? Daß heute auf der Lehrtafel Ruben weder einen Elch, noch überhaupt ein Begleittier bei sich hat, dürfte nicht im Sinne der Schöpfer der Lehrtafel gewesen sein. Auch hat der uns namentlich bekannte Maler der Lehrtafel, Johann Friedrich Gruber,179 bei vielen anderen Figuren professionelles Geschick bewiesen. 173

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Siehe die Beispiele aus der zeitgenössischen Emblematik zu Pan, Satyr und Faun bei Henkel/Schöne, S. 1832–1836 u. bes. S. 1832 zur Bocksgestalt der unteren Leibespartie, die für Luxuria und Venus (Geilheit) steht. Die sexuelle Komponente betont auch Pictura docens 1835f: »Sardij carne subrubens | Rubenum erubescere iussit, et libidinum fascina cavere.« Übers. nach Schmidlin, 2007, S. 155: »Der Sarder hat mit seinem fleischfarbenen Hellrot / Ruben befohlen zu erröten und sich vor dem verführerischen Zauber der Lüste zu hüten.« Art. »Alce«. In: Zedler, Bd. 1 (1732), Sp. 1059–1061, 1060. Aldrovandi, 1642, S. 872: »animalia [...] quodam agitata furore in venerem ruunt [...].« In den monumentalen zoologischen Werken Aldrovandis und Jonstons holten sie sich auch in anderen Fällen Rat. Siehe Strölins Brief an Steudner vom April 1662, s. hier S. 383. Für die zeitgenössische Emblematik weist das Kapitel zum Elch in Henkel/Schöne, S. 466f., kein mögliches Vorbild nach. Unter dem Stichwort Lascivia, das Pictura docens 665 mit dem Elch verknüpft, bieten eine Reihe von Alciato-Ausgaben die Assoziation mit der weißen Maus an, u. a. mit der Begründung »quòd ei natura salax, & multa libido est« (s. Alciato, 1546, S. 39). Daß man den Erstgeborenen Jakobs auf der Lehrtafel mit einer eindrucksvolleren Tiergestalt ausstatten wollte, ist verständlich. Zwischen 1655 und 1681 ist er vom Stuttgarter Hof mehrfach mit Arbeiten betraut worden. Offizieller Hofmaler, wie man zuweilen liest, war er jedoch nicht. Siehe Pfeilsticker, 1957, S. 216; Fleischhauer, 1981, S. 80–83 (s. a. 21, 37 u. 85f.); Dehio/Zimdars, 1993. S. 37; Schauer, 2003, S. 78ff.; Gruhl, 2007a, S. XXII; Betz, 2013, S. 12. Schmidlin erwähnt ihn im Zusammenhang mit der Lehrtafel in einem Brief (Schmidlin an Strölin am 29. Mai 1662, WLB Cod. hist. fol. 551, S. [68r ]–[70v ], [70r ]): »Si qua forte cum D[omino]. Grubero con-

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4 Der Zwölferkreis

An Vorlagen für die Darstellung des Elches fehlte es schließlich auch nicht. Aldrovandi und Jonston bieten brauchbare Abbildungen.180 Wenn es an all dem nicht mangelte, bleibt nur die Annahme, daß die Lehrtafel teilweise unvollendet blieb und man etwa bei der Südgruppe auf die professionell vollendende Hand des Malers Gruber verzichten mußte. Auch dem weniger geübten Betrachter wird auffallen, daß der Brautzug der Schulamit auf der Außenseite des Teinacher Schreines181 nicht durchgängig von einer Hand gemalt ist: Im unteren Drittel der rechten Tafel sieht man eine Gruppe, in deren Mitte Judith das blutige Schwert emporhält, neben sich Deborah mit ihrer Palme. Was die künstlerische Ausführung anbelangt, stammt die ganze Gruppe sicher von einer anderen, weniger professionellen Hand.182 Man achte auf die Farbbehandlung, die Verteilung von Licht und Schatten, schließlich die Physiognomien. Hat man hier einen Lehrling wirken lassen? Wie konnte man angesichts des bescheidenen Ergebnisses darauf verzichten nachzubessern? In einem Brief berichtet Strölin, der »Maler« habe den Brautzug zwar begonnen, doch unvollendet zurückgelassen. Er sei derart in Verzug, daß Schmidlin sich noch länger gedulden müsse mit seiner literarischen Beschreibung des Brautzuges.183 Die linke Außentafel wie auch zwei Drittel der rechten Tafel zeigen in der malerischen Ausführung dieselbe professionelle Hand wie die Lehrtafel selbst. Sehr wahrscheinlich ist darum mit dem »Maler« Gruber gemeint. Wann und in welchem Umfang er danach die Arbeit wieder aufnahm, ist nur ungefähr zu bestimmen: Auf das Jahr 1659 wird die Fertigstellung der Lehrtafel in einem Entwurf für ein Titelblatt der Pictura docens datiert.184 Aus einer beiläufigen Erwähnung in einem Brief geht hervor, daß Gruber im Mai 1662 (noch oder wieder?) an Antonias Schrein arbeitete.185 Jedenfalls hat er

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ferendi datur occasio, poteris illi circa ea quae in templo nostro pingenda suscepit, ingenio tuo, aliqua indigitare.« Aldrovandi, 1642, S. 866–877, 869f., und Jonston, 1652, S. 96f. Siehe dazu Harnischfeger, 1986, S. 47–53; Schauer, 2003, S. 88–93; Betz, 2013, S. 29–36; zur Titulierung und Schmidlins literarischer Beschreibung s. u. Fleischhauer, ebd., ist zu Recht vorsichtig mit der Provenienzanalyse: Es könnten am Innenbild mehrere Hände beteiligt gewesen sein. Siehe den Brief an Schmidlin vom Februar 1659, hier S. 367): »Jncepit pictor repraesentare illam schedulam, sed imperfectam reliquit. ita ille in morâ, quò minùs iam acceperis seriem et ordinem earum et numerum, item armaturas uti vocant, seu insignia earum. proin aequi bonique feres hanc moram et dilationem.« Zur Fertigstellung der Lehrtafel s. die Datierung in WLB Cod. hist. fol. 551, S. [1r ], s. auch Schmidlin, 2007, S. 3, sowie hier S. 124. Siehe Schmidlins Brief an Strölin vom 29.5.1662 (WLB Cod. hist. fol. 551, S. [68r ]–[70v ], auf S. [70r ]): »Si qua forte cum D[omino]. Grubero conferendi datur occasio, poteris illi circa ea quae in templo nostro pingenda suscepit, ingenio tuo, aliqua indigitare.« (Falls sich

4.2 Werkgeschichtlich bedingte Dissonanzen

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sich nicht um eine Nachbesserung der Lehrlingsarbeit im rechten unteren Drittel des Brautzuges gekümmert. Merkwürdig ist in diesem Zusammenhang die erhaltene Datierung der handschriftlichen Entwürfe zu Schmidlins literarischer Beschreibung des Brautzuges. Das Titelblatt datiert auf 1669.186 Das spricht jedenfalls nicht für eine rasche Wiederaufnahme der Arbeit am Brautzug, läßt vielmehr sogar die Annahme zu, daß er nach dem Februar 1659 noch länger auf seine Fertigstellung hat warten müssen.187 Wahrscheinlich ist so auch der fehlende Elch bei Ruben ein Zeichen mangelnder Vollendung. Vielleicht fiel auch er einem vorzeitigen Weggang Grubers zum Opfer. In einer Rekonstruktion darf man darum Ruben den Elch beigeben und sich dafür auf die Pictura docens berufen (s. Abb. 51).

4.2.7 Pferd oder Fuchs bei Gad? Auch bei Gad gibt es ein handfestes Problem mit der Tierdarstellung. Doch betrifft es weniger das Füchslein auf der Lehrtafel, obwohl da zumindest der Verdacht besteht, daß Gruber hier mehr hätte leisten können. Vielmehr geht es um den merkwürdigen Textbefund in der Pictura. Gleich drei Tiere bringt sie in Zeile 743f. mit Gad in Verbindung, Löwe, Fuchs und Pferd. Auf die ersten beiden wird in einem Atemzug angespielt (Hervorhebungen von mir): Ut res suas redintegraret Leoninae Vulpinam assuit.

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etwa die Gelegenheit zu einem Gespräch mit Herrn Gruber ergibt, kannst Du ihm [ja ganz] nach Deinem Sinn bestimmte Hinweise geben zu dem, was er an unserem Tempel unter dem Pinsel hat.) Nach dem Kontext denkt Schmidlin dabei an eine Reihe von Figurendarstellungen, die in Reaktion auf die Kritik Speners und Steudners nicht nur in der Pictura docens selbst revidiert werden sollen, sondern womöglich auch auf der Lehrtafel selbst. Letzteres zu entscheiden und Gruber entsprechend zu instruieren überläßt Schmidlin der Einschätzung Strölins. Siehe WLB Cod. hist. fol. 551, S. [46r ]: »Einfältigster | Glükwunsch | Vnder dem Bildnis | Deren | Von | LXX Heiligen Frawen Vnndt | Jungfrawen | bedienten Sulamithin | [...] | Auff das | Nach Vnsers Allerliebsten | Seelen Bräutigams | Jesu | Frewdenreichen Geburth | MDCLXIXste Jahr | Demüthigst abgelegt | Von | M[agistro]. J[ohanne]. L[aurentio]. S[chmidlin]. S[acerdote]. S[indelphingensi]. | indignissimo«. Daß sich Gruber mit Antonia oder ihren Beratern wegen der künstlerischen Konzeption oder der malerischen Ausführung zerstritten habe, ist nicht zu belegen. Wohl aber gibt es Anzeichen dafür, daß es mit der Entlohnung gehapert haben könnte. Siehe die Dokumente zum Soll und Haben Antonias in HStA, Württembergisches Hausarchiv, Bestände über einzelne Personen, G 86, bes. Bü. 1 a. E., Bü. 2, Fasz. 1, Nr. 1. u. 2; Bü. 3, Fasz. 2, Nr. 3. u. 4, sowie Bü. 4, Nr. 5.; eine Auswertung mit Einbeziehung weiterer Akten s. bei Sauer, 1997, S. 134– 140, bes. 138 zu Antonias beträchtlichen Schulden, die sie im Laufe der Jahre anhäufte, ohne sie je tilgen zu können; s. a. Raff, 1993, S. 335.

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4 Der Zwölferkreis

Wie bei den anderen Stammesfürsten mag der Leser auch hier zuerst in den Segenssprüchen (Gen 49 und Dtn 33) Aufklärung suchen. Im Mosesegen wird er auch fündig. Dtn 33,20 bietet für Gad einen Löwenvergleich: »VND zu Gad sprach er / Gad sey gesegnet der Raummacher / Er ligt wie ein Lew / vnd raubet den arm und die scheitel.«188 Eine ähnlich explizite Verknüpfung Gads mit dem Fuchs bietet die Bibel allerdings nicht. Auch bleibt Schmidlins »assuit« (wörtlich: »er flickte an«) rätselhaft. Immerhin scheint der Mosesegen aber einer substantivierenden Übersetzung von »Leoninae« und »Vulpinam« entgegenzukommen. Entsprechend lautet die Übersetzung in der Erstausgabe: Damit er das Seine wiederherstelle, / fügte er der Löwin eine Füchsin hinzu.189

Allerdings hat man sich so ein weiteres Problem eingehandelt: Was sollte Schmidlin dazu bewegt haben, Gad speziell mit den weiblichen Tieren zu verknüpfen? Die Frage bekommt dadurch Gewicht, daß zwar einige neuere Übersetzungen in Dtn 33,20 das hebräische !‫ לָבִיא‬mit »Löwin« wiedergeben, doch keine, die den Schöpfern und Lesern der Pictura docens zur Hand war.190 Auch die zeitgenössisch verfügbaren wissenschaftlichen Kommentare und Lexika verstehen unisono !‫ לָבִיא‬als »Löwe«, ob nun als Bezeichnung des männlichen Tieres oder der Spezies.191

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Dtn 33, 20; Luther, 1545, Bd. 1, S. 401. Schmidlin, 2007, S. 77. Jedenfalls im deutschsprachigen Raum hat »Löwin« die Übersetzung von Franz Eugen Schlachter sowie die von Hermann Menge, ferner die Elberfelder, die Zürcher und die Jerusalemer Bibel – alles Übersetzungen, die der Berücksichtigung der jeweils modernsten philologischen Erkenntnisse Vorrang vor der Bewahrung liebgewordener Formulierungen geben. Siehe die in der Frühen Neuzeit verfügbaren Übersetzungen: LXX (λέων); Vulgata (leo); Castellio, 1726, Bd. 1, S. 264; Pagninus/Montanus, 1613, S. 656; Tremellius/Beza, 1648, S. 155; ferner die Lexika: Münster, 1523, S. 213; Schindler, 1612, S. 919f., s. v. !‫ ;לבא‬Buxtorf, 1658, S. 157, s. v. !‫ ;לבא‬Hottinger, 1667, S. 20 (im den Radices Hebraicae gewidmeten Anhang); s. auch noch die Behandlung im modernen Standardwerk Koehler/Baumgartner, 1953, S. 472. Zum etymologischen Zusammenhang zwischen !‫ לָבִיא‬, λέων, leo und Löwe s. Koehler/Baumgartner, 1953, ebd. Eher skeptisch urteilt Walde/Hofmann, 1982, Bd. 1, S. 785. Die Klanggleichheit des hebräischen Namens »Lea« mit dem lateinischen »lea« (Löwin) ist hingegen zufällig. Man sollte darum den Bericht in Gen 30,9–11 über Lea, Silpa und Gad nicht mit »Leonina« assoziieren. Schmidlins und Strölins ausgewiesene Sprachkenntnisse schließen das aus. Für Leas Namen (!‫ )לֵאָה‬wurde zeitgenössisch eine Ableitung von dem Verb !‫( לאה‬abmühen, ermüden) diskutiert. Siehe Gerhard, 1693, S. 562: »Quidam statuunt illam sic vocatam, quòd fuerit οἴκουρος, sedula materfamilias, à rad[ice]. !‫ לאה‬laboravit, labore defatigatus fuit. Rectiùs dicitur, eam sic vocatam à lassitudine & debilitate, cùm !‫ לאה‬etiam significet fatiscere, defessum esse.«

4.2 Werkgeschichtlich bedingte Dissonanzen

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Samuel Bochart gilt gemeinhin als der erste, der !‫ לָבִיא‬als ausschließliche Bezeichnung des weiblichen Tieres reklamiert hat.192 Entscheidend ist für ihn der Sprachvergleich mit dem Koptischen und Arabischen. Die traditionelle jüdische Auslegung ist für ihn zwar noch ein Diskussionspartner, doch billigt er ihr nicht mehr hohe Autorität zu wie viele Hebraisten vor ihm. Auch die masoretische Vokalisierung des Bibeltextes ist für ihn nicht sakrosankt: Nach seiner Auffassung haben die Masoreten mit ihrer Unterscheidung eines männlichen !‫ לָבִיא‬von einer weiblichen Form !‫א‬³‫( לְבִּי‬s. Ez 19,2) schlicht unrecht, und dies auch nach Maßgabe binnensprachlicher Beobachtungen zur Analogie und einer Gesamtbetrachtung der Fundstellen. Die Arbeiten an der Pictura docens waren allerdings Anfang 1663 sehr wahrscheinlich weitestgehend abgeschlossen, also knapp bevor Bocharts Zoologie in der Londoner Erstausgabe der Öffentlichkeit zugänglich wurde.193 Spricht etwas gegen die Annahme, daß bereits die Schöpfer der Pictura in Dtn 33, 20 mit »Löwin« hätten übersetzen können? Strölin gilt unter den Württembergern seiner Zeit als tüchtiger Orientalist.194 Mehrfach beweist er große Aufgeschlossenheit gegenüber Argumenten der seinerzeit modernsten exegetischen Fachliteratur. Bocharts sprachvergleichende Argumentation wäre ihm verständlich gewesen, mehr wohl noch Bocharts Kontextargument: Wer zumal jene Stellen prüfe, an denen !‫ לָבִיא‬gemeinsam mit anderen Löwen-Namen erscheine, müsse zugeben, daß !‫ לָבִיא‬vielerorts, wenn nicht gar überall (also auch in Dtn 33,20 und Jes 5,29) sich als »Löwin« geschmeidig(er) einfüge.195 Bocharts scharfe Kritik an den Masoreten hätten Strölin und Schmidlin als lutherische Theologen ihrer Zeit allerdings schon aus dogmatischen Gründen ablehnen müssen. Für Bochart ist die masoretische Vokalisierung eine spätere Zutat von Menschenhand und darum falsifizierbar. Lutheraner sahen gemein-

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Siehe Bochart, 1675, S. 719f. Bochart war reformierter Theologe und Pionier einer selbstbewußten Orientalistik, die es nicht mehr nötig hat, sich an der traditionellen Auslegungskunst der jüdischen Sprach- und Bibelforscher zu orientieren. Siehe Ersch/Gruber, 1823, S. 122; Jaumann, 2004, S. 109f.; Gruhl, 2011, S. 296 u. Anm. 82. Von den späteren Hebraisten, die sich Bochart anschlossen, seien nur Wilhelm Gesenius (Gesenius/Rödiger, 1840, S. 738; Gesenius/Buhl, 1915, S. 377) und Franz Delitzsch genannt (Delitzsch, 1860, S. 585; Delitzsch, 1876, S. 78f. u. 505; Delitzsch, 1889, S. 119 u. 330). Ihnen schließt sich mit neuen Einsichten an Michel, 1977, S. 69 u. 74. Siehe Strölins Angabe zur Vorlage bei der Zensur; s. dazu hier S. 213. Siehe dazu Raith, 1673, hier S. 239 (in der Einleitung zum Kommentar); der Nekrolog Strölin, 1664 (L), hier S. 399; Kochs Brief an Antonia (hier S. 317). Zu seiner maßgeblichen Beteiligung auch an der Pictura docens s. S. 213. Siehe Gen 49,9; Num 23,24; 24,9; Jes 30,6; Ijob 4,11; 38,39; Joel 1,6; Nah 2,12. Unter vier Argumenten für Bocharts Auffassung gibt Gesenius/Rödiger, 1840, S. 738, diesem Kontextargument sogar den höchsten Rang.

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4 Der Zwölferkreis

hin die masoretische Vokalisierung als Teil des inspirierten Bibeltextes an.196 Entsprechend wäre es ein Wagnis anzunehmen, daß sich Strölin und Schmidlin nicht mit der herrschenden Meinung ihrer Zeit dabei beruhigt hätten, daß der inspirierte Text doch die weibliche Form !‫א‬³‫ לְבִּי‬in Ez 19,2 aufweise und darum !‫ לָבִיא‬als die dazugehörige männliche Form anzunehmen sei. Zum Glück ist weder die Substantivierung noch die Annahme einer Antizipation Bocharts zwingend erforderlich. Die Pictura docens spielt in der fraglichen Zeile auf eine alte Spruchweisheit an: Ubi leonis pellis deficit, vulpinam insuendam esse: hoc est, ubi deficiunt vires astu utendum. Wo die Löwenhaut nicht reicht, muß man einen Fuchsbalg anflicken. Das meint: Wo die Kräfte fehlen, muß man List gebrauchen.197

Schmidlin vertraut darauf, daß der Leser die Anspielung auf das antike Sprichwort erkennt, bei »Leoninae« entsprechend »pellis« (als Beziehungswort weiblichen Geschlechts!) ergänzt und die Zeile übersetzt:198 Um seine Besitzungen wieder zu erlangen, setzte er der Löwenhaut den Fuchsbalg zu.

Gelegentlich vergleicht Strölin in freundschaftlicher Neckerei Schmidlin mit dem listigen Reineke Fuchs.199 Dabei fällt zudem das Stichwort astutus.200 Auch findet sich eine Verknüpfung des Löwen als Inbegriff der Stärke und des Fuchses als Inbegriff erfindungsreicher Klugheit im literarischen Umfeld Altwürttembergs. Vielleicht hat sie für Pictura 744 sogar Pate gestanden.201 196 197

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Siehe dazu Gruhl, 2011, S. 294f. (mit Lit.; ergänze: Burnett, 2011). Phaedrus: appendix 25,1f. (ed. Guaglianone), seinerseits nach Otto (s. Otto, 1890, S. 189, s. v. »leo«, Nr. 2.) Reflex einer griechischen Spruchweisheit. Sie ist u. a. belegt bei Zenobius Sophista: epitome 1,93,1f. (ed. von Leutsch / Schneidewin): »῍Αν ἡ λεοντῆ μὴ ἐξίκηται, τὴν ἀλωπεκῆν πρόσvαψον.« (Sollte die Löwenhaut nicht reichen, hefte einen Fuchsbalg an!) Phaedrus war in der Frühen Neuzeit eine übliche Schullektüre in Lateinschulen. Pictura docens 743f. (Übers. u. Hervorhebung des Wortspieles von mir). Schmidlins Wahl von »assuit« dürfte durch Jesu einprägsame Bildrede vom Ausflicken veranlaßt sein (s. Mk 2,21; Vulgata): »nemo assumentum panni rudis assuit vestimento veteri«. Siehe die Briefe Strölins an Schmidlin vom Februar 1659 und vom 16. Juli 1661, hier S. 367 (s. dort auch den Kommentar mit weiterer Lit. zu Fuchs und Löwe im Sprichwort und der didaktischen Dichtung) u. S. 375. Siehe Strölins Brief an Schmidlin vom 16. Februar 1659 am Beginn, hier S. 367. Vgl. astus bei Phaedrus. Siehe Frischlins elegantes etymologisches Spiel in der Epode lugubris auf den Mediziner Leonhard Fuchs (Fuxius; aufgenommen in Frischlin, 1601, Odarum liber tertius, als 6. Stück, unpaginiert): »Nomina magna tenet de robore tracta Leonis | Cognomen illi sollers vulpes addidit | Namque Leo robustus erat virtute renidens, | Scientijs omnes homines supereminens: | Insuper ingenio, consulto et pectore pollens | Vel vulpis acrem superabat sollertiam | [...].«

4.2 Werkgeschichtlich bedingte Dissonanzen

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Entsprechend dürfte Pictura 743f. etwa auf einen diplomatischen Winkelzug oder einen militärischen Hinterhalt anspielen, durch den sich Gad eben da als Fuchs erwiesen hätte, wo eine löwenhafte Kampfesweise nicht hinreichte (s. Dtn 33,20).202 Für Betz zeigt die Verknüpfung mit dem Fuchs »wahrscheinlich die Schlauheit an, mit der Gad sich einen besonders großen oder wertvollen Anteil an der Kriegsbeute zu sichern weiß.«203 Damit bezieht Betz sich auf den Kontext des Mosesegens, wo von der Landverteilung die Rede ist (s. Dtn 33, 21). Allerdings wird dort eine besondere Schlauheit Gads nicht herausgestellt. Auch redet die Pictura ausdrücklich von einer Wiederherstellung von Gads Besitztümern und nicht von Eroberungs- oder Beutezügen. Folglich sollte man sich nicht bei der Vermutung von Betz beruhigen. In einem der schönsten biblischen Wortspiele verbindet der Segensspruch Jakobs den Stammesnamen !‫ד‬³‫( ּג‬Gad)204 mit der Bezeichnung der feindlichen Schar !‫( ּגžדּוד‬ge dud) und den Verbformen !‫( יžגּוד«ּנּו‬je gudännu) und !‫ד‬¹‫ג‬³‫( י‬jagud) zu einem Klanggemälde (s. Gen 49,19). Die Verbformen machten den frühneuzeitlichen Auslegern einige Schwierigkeiten.205 Beide führte man auf die Wurzel !‫ גדד‬zurück206 mit der transitiven Bedeutung »in Scharen überfallen« bzw. »verwüsten«207 oder auch »besiegen«.208 Das Schlußwort des Spruches, !‫עָקֵב‬ (wörtl. »Ferse«), deutete man gerne zeitlich (»endlich, am Ende).209 In Jos

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Siehe die Beschreibung der für einen schlauen Fuchs typischen Taktik bei Schopper, 1579, S. 49f.: »Qui enim simultates aut inimicitias exercent, non aperto Marte semper congrediuntur, sed quodam clandestino consilio abstrusisque insidijs, ut versuta Vulpes hîc | agit, se invicem ulciscuntur.« Betz, 2013, S. 48. Zur biblischen Deutung des Namens s. auch Gen 30,11. Einen Überblick über die traditionellen Übersetzungen und den Diskussionsstand am Ende des 16. Jahrhunderts bietet Perera, 1600, S. 839. Nach heutiger Auffassung ist !‫( יžגּוד«ּנּו‬s. auch Hab 3,16) von einer Wurzel !‫ גוד‬abzuleiten (s. Gesenius/Buhl, 1915, S. 133, »angreifen«; Koehler/Baumgartner, 1953, S. 174, »angreifen«; vielleicht Nebenform zu !‫)גדד‬, !‫ד‬¹‫ג‬³‫ י‬von !‫( גדד‬s. Gesenius/Buhl, 1915, S. 133, »angreifen«; Koehler/Baumgartner, 1953, S. 169, »sich zusammenrotten gegen jemanden«). Siehe Rivet, 1633, S. 891: »Ad verbum igitur, Gad à turma dictus est, turma, turmatim eum invadet, sed ipse etiam turmatim invasurus est eam tandem. !‫ עקב‬akebh, calcaneum significat. & accipitur pro fine; ergo, in fine, est tandem. Habuerunt Gaditae vicinos Ammonitas, à quibus saepè vexati fuerunt; ut & à Moabitis & Syris [...].«; Buxtorf, 1658, S. 54: »Populari«; ähnlich Buxtorf, 1663, S. 101. Gerhard, 1693, S. 850: »Gad exercitus superabit eum, id est, ipsum Gad superabit exercitus [...] Spiritu Prophetico praedicit, fore quidem ut haec tribus à variis hostibus oppugnetur & infestetur [im Druck: investetur], tandem tamen DEI protectione & auxilio ipsam victricem evasuram [...] & ipse suberabit tandem, (Hebr. !‫[ )עָקֵב‬...] ipse adorietur in calcaneo, id est, in fine [...].« Siehe Calvin, 1882, S. 606; Pareus, 1609, S. 2226; Rivet, 1633, ebd.; Gerhard, 1693, ebd.

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4 Der Zwölferkreis

8,13 meint !‫ עָקֵב‬aber »das äußerste Ende«,210 militär-taktisch zugespitzt »die Nachhut, rückwärtige Truppen«, wobei der Kontext zeigen muß, ob die eigenen Truppen oder die des Feindes gemeint sind. Ersteres ist in Jos 8,13 gegeben: Die eigenen rückwärtigen Truppen werden als Hinterhalt aufgestellt.211 Letzteres dürfte am Schluß des Spruches in Gen 49 angedeutet sein: Gad wird in einem Gegenangriff den Feind überraschend von hinten her aufrollen. In beiden Fällen aber geht es um ein Manöver, das eher den Fuchs als den Löwen assoziieren läßt. An einer entsprechenden Übersetzung des Spruches mit gleichzeitiger Berücksichtigung des Wortspieles hat sich Franz Delitzsch versucht: »Gad [!‫ד‬³‫– ]ג‬ Kriegsschar [!‫ ]ּגžדּוד‬schaaret sich [!‫ ]יžגּוד«ּנּו‬wider ihn und Er schartet [!‫ד‬¹‫ג‬³‫ ]י‬die Ferse«.212 Das handfeste Problem aber, weswegen Gad hier vor allem zu besprechen ist, kommt erst mit dem dritten Tier voll in den Blick. Auf der Lehrtafel sieht der Betrachter ein Füchslein. Was es mit Gad verbindet, deutet die Pictura immerhin an, um dann sogleich fortzufahren: Equus adstat, qui Sonipes, sonante tubâ irritatus Spumante fraeno, undante collo ferox generosos Gadi spiritus spirat, Cui Ut armatis velocius, felicius occurrat, pedes commodat. Zur Seite steht ein Roß, | das | mit den Hufen lärmt, erregt vom Lärm der Signaltrompete, | kampfeslustig mit schäumender Trense und wogender Mähne, | begeistert von Gads hochgesinntem Geist. | Ihm, | damit er mit schnelleren Schwingen (und somit) größerem Gelingen gegen die bewaffneten (Widersacher) anrenne, | leiht es seine Hufe.213

Zur Seite Gads steht auf der Lehrtafel aber kein Pferd. Hat es ein ähnliches Schicksal wie Rubens Elch erlitten? Ist das nicht eben geschickt gemalte Füchslein zu Gads Füßen ein Trostpreis oder Lückenbüßer? Betz hat aus dem Text der Pictura eine genetische Erklärung abgeleitet:

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Siehe Buxtorf, 1663, S. 574: »Et calcem, id est, Extremam partem ejus, Jos. 8,13.«; s. auch Oleaster, 1556, S. 308: »in fine: seu postea, aut à tergo«. Siehe dazu auch hier S. 199. Delitzsch, 1860, S. 597 (die Beigabe der hebr. Worte von mir); s. auch die Erläuterung, ebd.: »[...] er wird getreu seinem Namen ihren Angriff siegreich erwiedern, indem er ihnen in den Rücken fällt, ihren Nachtrab abschneidet und so sie aufreibt.« Pictura 745–753 (Übers. u. Hervorhebung der Wortspiele von mir); »Gadi« schreibt Schmidlin, 2007, »gadi« die Handschrift.

4.2 Werkgeschichtlich bedingte Dissonanzen

233

Schmidlins Verse verraten, daß usprünglich ein Pferd Gad in den Kampf begleiten sollte [...]. Vermutlich aus Platzgründen mußte das stolze Schlachtroß dem kleinen Fuchs weichen, doch durfte jenes wenigstens auf der Rüstung Gads als Zierfigur noch in Erscheinung treten, ebenso wie die Jungfrau, Gads Tierkreiszeichen, die sein linkes Schulterstück schmückt.214

Die Pictura hat zweifellos mehrere Entstehungsphasen durchlaufen.215 Unter anderem finden sich in der Handschrift, die der Erstedition als Vorlage diente, zahlreichen Änderungen zwischen den Zeilen und an den Rändern. Das betrifft auch Gads Pferd: Nach der erhaltenen Handschrift zu urteilen stand am Anfang ein schlichter Vergleich Gads mit einem Schlachtroß: »Animosus | Equi instar Generosi, et ad pugnam ferocientis« (Kühn wie ein Roß von edlem Geblüt, das wild ins Schlachtgetümmel drängt).216 Einige Zeilen später folgte dann das schon besprochene »Leoninae Vulpinam assuit.« In dieser ersten Version fehlen noch Textsignale, die dem Leser verraten, welches der drei Tiere auf der Lehrtafel zu sehen sei. Vor allem ein solches Signal kommt im zweiten Anlauf hinzu: Hinter »Animosus« wird der Vergleich mit dem Schlachtroß gestrichen und statt dessen direkt unter die Zeile mit den beiden anderen Tieren die Zeile eingefügt: »Equus adstat, generosos Gadi Spiritus spirat« (Zur Seite steht ein Roß, begeistert von Gads hochgesinntem Geist). Im dritten und letzten Anlauf wird diese Version um weitere Zeilen zur letzten, heute bekannten Fassung erweitert.217 Diese Letztversion gibt nicht nur einen unmißverständlichen Fingerzeig, daß Gad auf der Lehrtafel ein Pferd bei sich habe, sie unterstreicht die Bedeutung dieses Tieres noch mit einer eindrucksvollen, mehrzeiligen Beschreibung.218 Das heute auf der Lehrtafel sichtbare Füchslein läßt sich mit diesem Textbefund nicht vereinbaren. Das Pferd war offenbar nicht nur ursprünglich, sondern auch nach der letzten, heute greifbaren Textversion der Pictura das Gad zugedachte Begleittier auf der Lehrtafel. Konzeptionelle Gründe für eine Änderung zugunsten des Füchsleins auf der Lehrtafel liefern weder die Pictura noch andere werkgeschichtliche Quellen. 214 215 216 217 218

Betz, 2013, S. 48. Siehe dazu den Apparat der Edition (Schmidlin, 2007). Pictura 739 und die danach gestrichene Zeile; s. den Apparat in Schmidlin, 2007, S. 74. Siehe Pictura 745–753, wie oben zitiert und übersetzt. Nach heutigem Wissen ist die Beigabe eines Schlachtrosses jedenfalls für die Zeit vor David ein Anachronismus. Siehe Keel, 1984, S. 127–131. Bei Gad ergab sich die Assoziation wahrscheinlich aus der zeitgenössisch üblichen Übersetzung des Verbs !‫גדד‬, von der weiter oben bereits die Rede war. In einer verbreiteten Deutung enthielt sie eine Anspielung auf die turma, welche ebenso wie das deutsche Schwadron zuerst und vor allem an reguläre Reiterei denken läßt. Siehe Rivet, 1633, S. 891: »Ad verbum igitur, Gad à turma dictus est, turma, turmatim eum invadet, sed ipse etiam turmatim invasurus est eam tandem.« Buxtorf, 1663, S. 101: »Turmatim convenire, Depopulari«. Zum militärischen Terminus turma s. Justus Lipsius De Militia Romana, 2,6 (Lipsius, 1598, S. 62–64).

234

4 Der Zwölferkreis

Widrige Umstände dürften im Spiel gewesen sein, nimmt man die Beobachtungen zu Rubens Elch und zu der malerisch auffälligen Frauengruppe des Brautzuges auf der Außentafel hinzu. Offenbar stand Gruber weder für Rubens Elch noch für Gads Pferd zur Verfügung, geschweige denn für besagte Frauengruppe. Für Gad behalf man sich mit dem unscheinbaren Füchslein. Für Ruben hingegen bot die Pictura neben dem Elch kein weiteres Tier an, das auch ein Lehrling hätte ausführen können. So ging Ruben leer aus. Blieb die Lehrtafel demnach in Teilen unvollendet, weil statt Gruber nur noch ein Maler mit weit geringeren Fähigkeiten bereit stand, werden auch die von Betz erwogenen Platzgründe plausibler. Nach Grubers sonstigen Tierdarstellungen zu urteilen wären ihm selbst auf engem Raum ein Pferd und – dank guter Vorlagen bei Aldrovandi und Jonston – auch ein Elch gelungen.

4.2.8 Jonas Schattenspender – Kürbis oder Rizinus? Auch außerhalb des Zwölferkreises gibt es Unstimmigkeiten bei den Attributen zwischen Lehrtafel und Pictura docens. Ein besonders auffälliger Dissens betrifft nicht Zoologisches, sondern Botanisches: Auf der Lehrtafel hat der Prophet Jona als Erkennungszeichen ein Gewächs bei sich (s. Abb. 54), das wohl den bekannten Kürbis aus Jona 4 darstellen soll.219 Die Frucht des Gewächses ist zwar prächtig entwickelt, doch schlaff liegen seine Blätter am Boden.220 Der Wurm hat seine Arbeit also bereits getan: [6] GOtt der HERR aber verschafft einen Kürbis / der wuchs vber Jona / das er schatten gab vber sein Heubt / vnd errettet jn von seinem vbel / vnd Jona frewet sich seer vber dem Kürbis. [7] Aber der HERR verschaffte einen Wurm / des morgens / da die Morgenröte anbrach / der stach den Kürbis / das er verdorrete.221

Luther folgt den LXX, die das hebräische !N‫ קִיקָיֹו‬übersetzen mit κολοκύνθη, »Kürbis«.222

219

220

221 222

Siehe Betz, 2013, S. 64. Betz weist darauf hin, daß Jona in seiner Rechten ein Bündel Schilfgras hält in Anspielung auf Jona 2,6. Zu Jonas andernorts auf der Lehrtafel angespielten Seeabenteuern s. Turris Antoniae zu ↑ 24 (»Navis Jonae«) u. zu ↑ 26 (»Jonae Cetus«). Sadeler zeigt Jona hingegen im Schatten eines dichtbelaubten Gewächses undefinierbarer Art. Siehe Knipping, 1974, Bd. 1, S. 117. Luther, 1545, Bd. 2, S. 1616. In der zeitgenössischen lateinischen Übersetzung der griechischen LXX steht entsprechend »cucurbita«. Siehe Cratander, 1526, S. 403r , Jona 4,6: »Et praecepit dominus deus cucurbitae, & ascendit super caput Ionae [...].« In seinen Praelectiones in prophetas minores von 1524–26 spricht Luther mit der Vulgata hingegen vom Efeu (»hedera«). Siehe WA 13, S. 256, zu Jona 4,6.

4.2 Werkgeschichtlich bedingte Dissonanzen

235

In seinem Kommentar hatte bereits Hieronymus darauf hingewiesen, daß !N‫ קִיקָיֹו‬weder durch »Kürbis« noch durch »Efeu« angemessen wiedergegeben werde. Beiden Pflanzen sei es ja unmöglich, sich über Nacht und von alleine so in die Höhe zu recken, wie im Jonabuch beschrieben. Ohne geeignete Stützen würden sie sich nur am Boden ausbreiten. Bei seiner Revisionsarbeit an der lateinischen Vulgata habe er nur notgedrungen »hedera« (»Efeu«) im Text belassen, weil es in der Lebenswelt der Leser der lateinischen Übersetzung ein rechtes Äquivalent für den !N‫ קִיקָיֹו‬nun einmal nicht gebe.223 Hieronymus gibt eine botanische Beschreibung des in Palästina vorkommenden Rizinus, auch »Wunderbaum« genannt (Ricinus communis).224 Weder Hieronymus selbst, noch Luther, noch weitere Gelehrte seiner Zeit bieten in ihren Übersetzungen oder Lexika das richtige »Rizinus«.225 Johann Habermann liegt es dann schon gewissermaßen auf der Zunge: Er erwähnt das Rizinusöl, welches sich aus Jonas »Efeu« gewinnen lasse.226 Durch das Votum mehrerer anerkannter Orientalisten (Benito Arias Montano, Valentin Schindler, Johann Buxtorf der Ältere) wird einige Jahre und Jahrzehnte später die Übersetzung »Rizinus« dann zum Gemeinbesitz der gebildeten Welt.227 223

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Siehe Hieronymus: Commentaria in Jonam, zu Jona 4,6, MPL 25,1147 B–C: »Unde et nos eodem tempore quo interpretabamur prophetas, voluimus idipsum Hebraeae linguae nomen exprimere, quia sermo Latinus hanc speciem arboris non habebat; sed timuimus grammaticos, ne invenirent licentiam commentandi: et vel bestias Indiae, vel montes Boeotiae, aut istius modi quaedam portenta confingerent, secutique sumus veteres translatores, qui et ipsi hederam interpretati sunt, quae Graece appellatur κισvσvὸς, aliud enim quod dicerent, non habebant. [...] Cucurbita et hedera hujus naturae sunt, ut per terram reptent, et absque furcis vel adminiculis, quibus innituntur, altiora non appetant.« Siehe Hieronymus: ebd., MPL 25,1148 A–B: »Est autem genus virgulti, vel arbusculae, lata habens folia in modum pampini, et umbram densissimam, suo trunco se sustinens, quae in Palaestina creberrime nascitur, et maxime in arenosis locis: mirumque in modum, si sementem in terram jeceris, cito confota consurgit in arborem, et intra paucos dies quam herbam videras, arbusculam suspicis.« Siehe auch Genaust, 1996, S. 539, s. v. »ricinicarpus«. Münster, 1523, S. 415, s. v. !‫! & קיק‬N‫קִיקָיֹו‬: »hedera, cucurbita«; Castellio, 1726, Bd. 3, S. 333, übersetzt in Jona 4,6 mit cucurbita. Siehe Avenarius, 1589, S. 697: »Hedera iuxta Hieronymus. Quidam exponunt pro cucurbita [...].« Ebd., S. 709: »Hedera, nomen fructicis habentis multa et lata folia, ex quibus exprimitur oleum ricinum. Quidam coloquintham [Bittergurke, Cucumis Colocynthis, R.G.] vertunt, rursus alii cucurbitam dicunt esse, nascitur in palaestina lata habens folia, in modum Pampini, mirumque in modum citò consurgit in arbusculam.« Siehe dazu die Interlinearversion der in Antwerpen erschienenen Polyglotte zu Jona 4,6 (Pagninus/Montanus, 1610, S. 454): »ricinum« (am Rand steht: »cucurbitam«); ferner auch Schindler, 1612, S. 415, s. v. !‫קיק‬: »Inde !N‫קִיקָיֹו‬, idem quod Rabb. !‫קִיק‬, Graecis κίκι cici, ricinus: Arab. !‫ אלכרוע‬oleum alcervae: quod ex granis ejus contritis exprimitur, lucernarum luminibus & emplastris utile.« Schindler nimmt dabei den sprachvergleichenden Hinweis des Hieronymus (»!N‫ קִיקָיֹו‬quae etiam lingua Syra & Punica elkeroa dicitur.«; MPL 25, 1148 A) ausdrücklich auf: »Est autem lingua Punica eadem quam Arabica. Et Arabicè dicitur

236

4 Der Zwölferkreis

So ist es eigentlich selbstverständlich, daß die Pictura nicht vom Kürbis, sondern vom Rizinus spricht, wendet sie sich doch an gebildete Leser, die zum aktuellen Forschungsstand Zugang haben: Utramque Mundi et Humanae vitae faciem In Ricino vidit, invidit, amavit, conclamavit. Beide Seiten der Welt und des menschlichen Lebens – im Rizinus sah (Jona die eine Seite freudig) an, (die andere) mißgünstig an, liebte (die eine) und litt (unter der anderen).228

Ist aus dieser Dissonanz zwischen Lehrtafel und Pictura zu schließen, daß man auf der Lehrtafel bewußt den Kürbis habe darstellen lassen, um auch weniger gebildete Betrachter zu erreichen, welche aus Luthers Übersetzung und zudem auch aus der einheimischem Flora den Kürbis kannten? Oder ist diese Dissonanz nur ein Indiz mangelnder Abstimmung im Gelehrtenkreis um Antonia? Oder hat man die kleine Dissonanz schlicht nicht bemerkt?229 Einen vergleichbaren Fall der Berücksichtigung auch weniger gebildeter Leserschichten bei der Darstellung von Figurenattributen kann ich für die Lehrtafel nicht benennen. Strategien der Publikumsdifferenzierung sind dem Antoniakreis andererseits nicht fremd, wie das Nebeneinander lateinischer und deutscher Vorformen zur Pictura beweist.230 Solange es jedoch an weiteren, eindeutigen Fällen von Anpassungen der Darstellung an breitere Betrachterschichten für die Lehrtafel mangelt, ist ein bewußter Einsatz der Dissonanz von Kürbis und Rizinus nicht zu beweisen. Bis auf weiteres genügt also die Annahme mangelnder Abstimmung bzw. Aufmerksamkeit.

4.2.9 Rückblick Während sich der erste Teil der vorliegenden Studie vor allem mit der Auflösung scheinbarer, rezeptionsgeschichtlich bedingter Widersprüche und der Bereinigung verfehlter ikonographischer Deutungsversuche beschäftigte, hatte der zweite Teil eine Reihe von Dissonanzen vorzuführen unter der Rubrik

228 229

230

!‫ כרוע‬kerva, vel cum articulo !‫ אלכרוע‬alcerva [...].« Siehe auch Buxtorf, 1658, S. 294, s. v. !‫קיק‬: »!N‫ קִיקָיֹו‬m. Ricinus, Jona 4,6.« Zum Erkenntnisstand um die Mitte des 17. Jahrhunderts s. Bocharts Brief an Stephan Morin (urspr. wohl franz., datiert: Cadomo 5. idib. Feb. 1658): »Quaestio: Quid sit Kikajon.« (Bochart, 1712, Bd. 1, S. 919f., 919). Bochart favorisiert den Rizinus. Einige wichtige Stimmen mittelalterlicher jüdischer Ausleger bot in einer bequemen Zusammenstellung Leusden, 1656, S. 203, zu Jona 4,6. Pictura 1326f. (Hervorhebung des Wortspieles und Übersetzung von mir). Eine weitere Möglichkeit wäre, daß sie in der verlorenen Reinschrift der Pictura noch revidiert wurde? Diese Möglichkeit wird hier nicht weiter erörtert. Da Oetinger hierfür nichts bezeugt, bleibt in dieser Hinsicht jede Annahme bis auf weiteres reine Spekulation. Siehe dazu hier S. 13, Anm. 45.

4.2 Werkgeschichtlich bedingte Dissonanzen

237

›werkgeschichtlich bedingt‹. Als Hauptursachen lassen sich hier nämlich mangelnde Abstimmung zwischen mehreren gelehrten und schöpferischen Köpfen und/oder mangelnde Gelegenheit zur Werkvollendung wahrscheinlich machen. Ab und an ist auch mit allzu menschlicher Unaufmerksamkeit zu rechnen oder improvisierender Sorglosigkeit. Für so manchen Einzelfall kann man nicht mit letzter Gewißheit sagen, welche der genannten Ursachen den Ausschlag gegeben hat. Bis auf weiteres kann auch nicht ganz ausgeschlossen werden, daß zumindest im Fall von Jonas Pflanze die Dissonanz nicht doch einer Absicht entspringt. Kostbar sind die gemachten Beobachtungen allemal. Sie leisten nicht nur einen wichtigen Beitrag zu einer korrekteren ikonographischen Beschreibung der Lehrtafel. Sie bieten auch besondere Einblicke in die Werkstätten, aus denen Lehrtafel, Turris Antoniae und Pictura docens entstammen, und sind so neben den erhaltenen Briefen unverzichtbar für ein genaueres Verständnis des Antoniakreises. Als unverzichtbar sowohl zur Aufklärung der vermeintlichen Widersprüche als auch der echten Dissonanzen erwies sich daneben nicht nur ein nochmaliger Blick auf Gikatilla im Falle der Sternzeichen, sondern vor allem die intensivere Auswertung der frühneuzeitlichen Bibelauslegung, wie sie als Philologia sacra von Protestanen wie Katholiken betrieben wurde. Der Gelehrtenkreis um Antonia hat sie offenbar ebenso aufmerksam verfolgt und produktiv verarbeitet wie die aktuellen naturgeschichtlichen Einsichten etwa der Zoologie im Fall von Paradiesvogel und Elch. Zumal eine Analyse der Pictura docens kann auf eine solche Auswertung nicht verzichten.231 Quellenkritische Vorsicht war in beiden Teilen der Studie notwendig. Sie könnte auch künftig helfen, rekonstruktive Kurzschlüsse und gewaltsame Harmonisierungsversuche zu vermeiden, Irrwege, von denen es in der AntoniaForschung einige gegeben hat. Unter den Ursachen für solche Kurzschlüsse fiel besonders die bislang unzulängliche Auswertung der Pictura ins Auge, soweit sie von Antonia-Forschern überhaupt herangezogen wurde. Der bisherige Gebrauch, den zumal Oetinger und Betz von ihr machten, stand allerdings von vorne herein unter keinem günstigen Stern: Oetinger war notgedrungen sehr in Eile und Betz hatte nur eine vorläufige Fassung des Textes in den Händen, die als Handschrift mit Autorenkorrekturen übersät ist und teilweise sogar mehrere Varianten für eine Textpassage bietet.232 Beiden Forschern war so aus jeweils anderen Gründen eine überall erfolgreiche ikonographische Auswertung der Pictura nicht vergönnt. Daß die Pictura als hochgestimmter literarischer Text ein Eigenleben beansprucht und nicht einfach nur ein trockenes Inventari231

232

Siehe dazu auch den Gesamtrückblick und -ausblick, unten S. 417; zu Paradiesvogel und Elch s. oben S. 134 u. 223. Siehe den kritischen Apparat von Schmidlin, 2007.

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4 Der Zwölferkreis

um für Betrachter der Lehrtafel sein will, haben beide wohl bemerkt, ohne diesem Form- und Aussagewillen durchgängig gerecht werden zu können. Neben der Turris Antoniae ist die Pictura für die ikonographische Analyse der Lehrtafel jedenfalls unverzichtbar. Ihre Würdigung als literarisch anspruchsvoller Text muß jedoch, das haben die bislang hier gebotenen Beispiele vorgeführt, mit der Analyse unbedingt Schritt halten, um Fehldeutungen zu vermeiden.

5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel 5.1 Raiths Teinacher Einweihungspredigt Textzeuge: Druck (DR): Raith, 1673, S. 1–11

[1.] Erster Antritt.

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DAs walte und schalte der Drey=Einige GOtt/ Vatter/ Sohn und Heil[iger]. Geist/ (dessen Fest=tag/ Trinitatis=genannt[1] wir heut hoch=feyerlich halten) das A und das O/ der Erste und Letste/ der Anfang und das Ende/ der da war vor der Zeit/ der da ist in gegenwärtiger Zeit/ und der seyn wird in Ewigkeit! Wir haben uns hiehero in diß ohnlängst=erbauete/ und eben vor acht Jahren eingeweyhete Gottes=Hauß/[2] in hochansehnl[icher]. Würde/ Menge und Geträng begeben/ dem höchsten GOtt unsere Schuldigkeit (so vil durch Blödigkeit Menschlicher Natur geschehen kan) abzulegen/ und denselben gegen uns Barmhertzigkeit zuermiltern; Dessen zu seeliger Fürderung seye mit uns die Gnade deß Vatters/ die Liebe deß Sohns/ und die Gemeinschaft deß Heil[igen]. Geistes A[men]! Zum Grund aber alles dessen/ was wir heut thun mit Worten oder Wercken/ legen wir das Gebett deß HErrn. Sprech ein jedes gläubig Hertz/ in stiller Andacht/ das heilige Vatter Unser. Ewer Lieb[3] höre vor dises=mal an statt heutigen Fests Evangelij/[4] auß dem 1. Capitel deß letsten Bibelbuchs/ der Offenbahrung Johannis/ den 8. vers. zum heutigen Text an![5] der in D[octoris]. Martini Lutheri version zu teutsch also lautet: Jch bin das A und O/ der Anfang und das Ende/ (spricht der HErr) der da ist/ der da war/ und der da komt/ der Allmächtige.

Eingang der Predigt.

25

GEliebte in dem Geliebten/ und Außerwöhlte in dem Außerwöhlten Eckstein unserer Seeligkeit JEsu Christo![6] Zur Mosaischen Stifftshütten haben die Jsraeliten mit freywilligem Hertzen gesteuret und gestifftet/ jeder nach Standes gebühr und vermögen/ was er kont/ von Edelsteinen und Gold an biß auff 4–5 das A . . . Ewigkeit ] Offb 1,8.11; 21,6; 22,13 10 zuermiltern ] s. DWB, Bd. 3, Sp. 915, s. v. »ermildern« 25–240.26 Edelsteinen . . . Ziegenhaar ] Exod. 35. Marg. im DR [Ex 35,4–29]

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5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

die Widerfell und Ziegenhaar; massen[7] auch zum Salomonischen Tempel=Bau und dessen Außzierung durch Anordnung Davids deß Königlichen Propheten und Prophetischen Königs geschehen; Auß ungezweiffelter nachäffung dises löblichen brauchs deß Volcks Gottes haben auch die Heyden/ die nit Gottes Volck/ sondern ausser der Burgerschafft Jsrael waren/ gepflogen ihrer vermeinten Götter Tempeln/ was sie liebs und gutes hatten/ zur Zier/ Gedächtnuß/ und Danck zu weyhen/ auffzuhängen und zu zueignen; wie die einige[8] den Gelehrten wohlbekandte tabula Cebetis deß Weltweisen an statt aller Exempel seyn kan/ so in Saturni Tempel/ als eine heilige Beylag/ gefunden/ und auß seinem Griechischen Ursprung ins Lateinische/ Teutsche und Arabische bißher übersetzt worden.[9] || [2] Wann dann deß Durchleuchtigsten Fürsten und Herrn/ Herrn Eberhards Hertzogen zu Wirtemberg und Teckh/ Grafen zu Mümpelgardt⟨/⟩ Herrn zu Heydenheimb etc. Unsers Gnädigsten Lands=Vatters etc. geliebte Fräwlin Schwester/ die auch Durchl[euchtigste]. Fürstin und Princeßin Fräwlin ANTONIA, gebohrne Hertzogin zu Württemberg und Teckh/ Gräfin zu Mümpelgardt/ Fräwlin zu Heydenheim etc. in gantz guter Meinung/ verstehe/ dem wahren GOtt/ und keinem Andern/ zur Ehr/ diser Kirch zum Schmuck/ dero Hochg[ebornen]. u[nd]. geehr[ten]. Herrn Bruders Liebd zum Wohlgefallen; den Jnnwohnern dises Orts zum Gnadenpfand: den Ankömlingen auß der Frembde aber zu beharrlichem Nachdencken/ vor Augen stehende schöne Fabric[10] dedicirt und gewidmet hat/ auch dabey mit höchstermeldtem Herrn Bruders Liebd Beyrathen und Gutheissen Gnädigst begehret/ daß die Einführungs=SERMON durch meine Wenigkeit verrichtet würde; Als[11] schicke ich mich in underthänigster Folg=leistung zu gehorsamster Vollziehung sothanen Wercks: Bedinge mich aber/ umb leichtern Behalts und liechtern Verstands willen; folgender Ordnung/ daß ich mit Pythagorâ dem Philosopho im Cabalischen Geheimniß=Baum die zehende Zahl[12] erwöhle/ und wie Aristoteles in seine zehen Praedicamenta alle in der Natur befindtliche Dinge eingetheilet/[13] also ich die Theologi mit Beyführung der Encyclopaedi vom A biß zum O/ das ist/ von Anfang der Bibel Alten Testaments biß zu End deß Newen anführen/ und jedem Stück sein Symbolisches Gemähld oder Emblematisch Sinnbild beylegen wolle:[14] Zum andern überhaubt berühren/ wie das Centrum oder Mittel=punct diser Cabalischen Theologi, Christus JEsus/[15] als der Anfänger und Vollender unsers Glaubens seyn und bleiben müsse/ auff welchen die gantze Circumferenz der Schrift mit allen Linien zihlen und außlauffen solle; Zum dritten/ wie dise Kunstfündige[16] Fabric (so lang sie in Nachzeiten mit der Welt stehen wird) alle 26–28 Salomonischen . . . geschehen ] 1. Chronic. 30. Marg. im DR [1 Chr 29,6–8] 58–59 der . . . Glaubens ] Hebr 12,2 29 nit ] mit DR

61 Kunstfündige ] Kunstf¯undige DR

5.1 Raiths Teinacher Einweihungspredigt

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dero Besucher und Beschauer/ alle dero Gönner und Nachsinner/ so wohl möge nützen als ergötzen. Du aber/ O wunderbahrer und verborgener GOtt! öffne unsere Augen zusehen/ unsere Ohren zuhören/ unsere Hertzen zubehalten/ und (woran am meisten ligt) das gesehene/ das gehörte/ das behaltene in gefölgigen Willen/ in thätliche Ubung und lebhafftes Christenthumb zubringen! Nicht uns/ nicht uns/ sondern deinem Majestätischen Nahmen zu Großmächtigen Ehren/ und zuschaffen mit Forcht und Zittern unsere Seeligkeit! Amen! und alles Volck soll sagen: Amen!

Erster Theil. Abfassend die Contenta der Cabalischen Theologi.

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DJe Theologi, oder Lehre von GOtt/ abstractivè oder in sich selbst betrachtet/[17] wiewohls ein Abgrund ist/ davon die Hebraeer sagen gleich zu oberst im Cabalischen Geheimnuß=Baum: !"‫ סו‬%‫[אי‬18] es seye eine unendliche Tieffe; ist doch der Gottheit ursprünglicher Bronn (der Ordnung nach wie wir zufassen vermögen) die erste Person deß Himmlischen Vatters/ der einen gleich ewigen Sohn auß seinem Göttlichen Wesen unbegreifflicher weise gezeuget/ als die andere Person/ und den heiligen Geist/ als die dritte Person von sich gleichmäßig dem Sohn außgehend hat; da nicht drey wesen/ sondern eines wesens drey Personen seynd/[19] und dise Dreyfaltigkeit eine dreyfache !‫[כתר‬20] Majestätische Herr= || [3] schafft und Kron trägt; Dann der !‫[אהיה‬21] / das ist/ nach unserm Text: der da ist/ der da war/ der da kombt/[22] der Allmächtige HErr/ sitzt auff dem Stuhl der Herrlichkeit seines Dreyfachen Reichs Potentiae, Gratiae und Gloriae,[23] umbzingelt im Sinnbild mit siben Augen/ die das gantze Welt=Land durch ziehen: Zu dessen Füssen ein Paradiß=Vogel/[24] als ingesessener[25] Himmels=Burger zusehen; tausendmal tausend stehen vor Jhm der himmlischen Trabanten/ und zehenmal hundert tausend Englischer Auffwärter dienen Jhm: Zur rechten und lincken singen Jhm die Seraphim das dreymahl widerholte !‫ קדוש‬das ist/ Heilig! Heilig! Heilig! ist GOtt der HErr Zebaoth;[26] Drey erwöhlte Zeugen seiner Herrlichkeit Esaias/ Daniel/ und Johannes der Theologus,[27] habens im Geist gesehen und gehört: Von Angesicht aber zu Angesicht beschauens drey Candidaten der Ewigkeit und himmlische Contubernales, Henoch, Moses und 66–68 Nicht . . . Ehren ] Ps 115,1 68 zuschaffen . . . Seeligkeit ] Phil 2,12 68–69 und . . . Amen ] Dtn 27,15–26 84 siben Augen ] Zachar. 4. Marg. im DR [Sach 4,10] 87 Auffwärter ] Dauiel 7. Marg. im DR; korr.: Daniel 7. [Dan 7,10] 88 !‫ ] קדוש‬Esai. 6. Marg. im DR [Jes 6,3]

74 !"‫ סו‬%‫ סי"! ] אי‬%‫ אי‬DR (Druckfehler; s. Komm.)

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5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

Elias,[28] denen desto unnöthiger war Hütten auff Tabor zubawen/ deren wundersüsse Hallelujah, Cantate und Laudate, under gutem Rauchwerck und lieblichem Harpffenklang/ fortsetzen und ewig continuieren werden die vier Tiere voller Augen/ die Patriarchen der zwölff Geschlecht Jsrael/ und die Chormässige Symphoni der vier und zwantzige Eltisten/ Wann der unerschaffene Michaël völlig sigen/[29] der verworffene Sammaël aber/ der rohte Drach wird überwunden seyn/ bey Vorgang deß unbefleckten Lambs und Nachgang der Jungfräwlichen Palmen=Träger/ in besagter Offenbahrung im 12. und 14. Cap. Die ander Cabalisch Figur !‫[חכמה‬30] genant/ (deren Haubt mit siben Sternen umbgeben/ und zu den Füssen ein Phoenix ruhet in seinem wohlriechenden Cimmet=Nest[31] ) bildet für die selbst=ständige[32] Weißheit Gottes/ namblich seinen Eingebohrnen Sohn: Die heimliche Weißheit und allen Raht GOttes von unserer Seeligkeit geoffenbahret/ wohl wissend/ was in Consessu der heiligen Drey=Einigkeit/ vor Schöpffung der Welt/ die ewige Vorsehung für uns gewesen; Der auch in der Schöpffung der vorspihlende Baumeister war/ und alles geordnet mit Maaß/ Zahl und Gewicht; Eben der hält maaß im Sinnbildigen Maaß=Cäntlein:[33] sintemal jenem Meister von den siben weisen Griechenlands nach/ μέτρον ἐπὶ πᾶσ,ιν ἄρισ,τον;[34] Zuviel Weißheit Unweißheit ist bey uns Menschen/ eben wie zuviel Honig essen bitter macht/ und das zuharte schneutzen der Naß Blut herauß zwinget. Das dritte Gemähld am Cabalischen Geheimnuß=Baum ist und heißt die unerschaffene Intelligenz, !‫[בינה‬35] ⟨bei⟩ den Rabbinen genant: vorbildend die Dritte Person der Gottheit/ nemblich den Heiligen Geist/ dessen Verstand die Tieffe der Gottheit ergründet; zu dessen Haubt Emblematischer weise siben Zungen in Bogen=form gesetzt: in der rechten Hand haltend eine Schlang/ als das Symbolum der Klugheit / in der lincken einen Spiegel/ als Zeichen der Vorsichtigkeit; am Boden stehet einer seits der hochfliegende scharpff=sehende Adler aller Vögel Königin:[36] ander seits der Schiff=stellende Ancker der Hoffnung/ die nicht laßt zu schanden werden; (verstehe/ am Glauben Schiffbruch leyden) diser Geist schwebete im Anfang der Schöpffung auff dem dicken und finstern Wasser; das Chaldaeische Targum[37] enuncirts daselbst also: der Geist der Barmhertzigkeit/ so vor Gottes Angesicht ist/ blasete auff die Wasser. 93 Hütten . . . zubawen ] Matth. 17. Marg. im DR [Mt 17,4] 95–97 vier . . . Eltisten ] Apocal. 19. Marg. im DR [Offb 19,4] 98 verworffene . . . Drach ] Offb 12,3 100 Offenbahrung . . . Cap. ] Apoc. 12. & 14. Marg. im DR 101 Sternen ] Offb 1,16 104–108 heimliche . . . Gewicht ] Ephes. 1. Proverb. 8. Sapient. 11. Marg. im DR [Eph 1,9; Spr 8,30f.; Weish 11,20] 111–112 zuviel . . . zwinget ] Proverb. 30. [Spr 30,33] 116 Tieffe . . . ergründet ] 1. Corinth. 2. Marg. im DR [1 Kor 2,10] 117 Zungen ] Apg 2,3 117–118 Schlang. . . Klugheit ] Matth. 10. Marg. im DR [Mt 10,16] 120–121 Hoffnung. . . werden ] Röm 5,5 122–123 Geist . . . Wasser ] Gen 1,2 115 nemblich ] uemblich DR

5.1 Raiths Teinacher Einweihungspredigt 125

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Das vierdte Hieroglyphische Bild heißt Jungfrau !‫ גדולה‬oder !‫[חסד‬38] als ein Abriß der lieben Concordi, oder sanfftgesinneten Eintracht/ die hält mit ihrem rechten Arm das Cornu Copiae, Hülle und Fülle/ (angesehen daß Frid nehret/ wie Unfrid verzehret) Jhr lincke Hand trägt ein || [4] gerades Scepter umbwunden mit einem frischen Oelzweig/ als Zeichen deß Fridens; zu ihren Füssen ligt ein Schäfflein/ das Symbolum der Lang= und Sanfftmuth/ das Pfand und Abzeichen Königlicher und Fürstlicher Clemenz. Seitwerts ist zuschauen das fünffte Cabalische Bild/ benamßt Jungfrau ‫גבורה‬ [39] / strenge Ernsthafftigkeit oder starckmüthige Gerechtigkeit; mit ihrer rechten Hand faßt sie einen Zigel/[40] unbändige Leuth zubezäumen; Jn der linkken trägt sie das Raachschwerdt mit gleichhangender Waag der Billichkeit: zu den Füssen ligt ein Löw/ das stärckste und großmüthigste Thier/ aller Vierfüßigen Oberherr; voranzudeuten mit disen Symbolis, daß Samuels Schwerdt so wohl schneiden müsse/ wo ein verbanneter Agag in stücke zuhauen/ als Salomons Waagschalen zwischen zwo Huren gehänget/ die rechte Mutter deß Kinds wägen/ und zur Erkantnuß wahrer Mutter=Trewe bringen solten. So ist auch sonst Sirachs deß Zuchtlehrers Ermahnung: Sey unerschrocken (wie ein Löw) wann du urtheilen solt; und muß die Säul der Gleichheit zwischen Burger und Bauren nach der Regul auffrecht stehen bleiben; Jm widrigen müssen alle Grundveste deß Landes fallen: Sintemahl Ungerechtigkeit verwüstet alle Land. Jn einer Wolckensäule deß Tages und Fewersäule deß Nachts gieng der Sohn Gottes/ der wahre GOtt Abrahams/ Jsaacs/ und Jacobs seinem Volck für auß Egypten/ verwesend einen Quartier=Meister im unbekandten Ort/ einen Wegzeiger im ungebahneten/ und Zünder im finsteren Jrrweeg. Zwo grosse Säulen setzte im Eingang seines Tempels Salomo/ zur rechten Seiten !%‫ יכי‬zu teu⟨t⟩sch; er wirds richten und schlichten; zur lincken !‫ בועז‬das ist: in Jhm (verstehe/ dem Allmächtigen Gott) stehet Krafft und Macht/ in seiner Hand stehet jedermann groß und starck zumachen/ Gestalten die in diser Fabric ansehnlich nachgemahlt.[41] Wie nun die Effecten Göttlicher Gelindigkeit (die mit dem Element deß weichen Wassers sich vergleichen) im Buch deß HErrn vor Augen ligen/ im Exempel deß im Sündfluts=Wasser erhaltenen Noah mit dem Schatzkasten der ersten Welt: Jm Exempel der Befreyung deß erkohrnen Jsraels auß dem Egyptischen Diensthause: Jm Exempel der Anführung der Gedeonischen Außwahl durch die Wasser=Musterung: Jm Exempel der wunderthätigen 138 Agag . . . zuhauen ] 1. Sam. 15 Marg. im DR [Sam 15,33] 139–140 Salomons . . . solten ] 1. Reg. 3. Marg. im DR [1 Kön 3,16–28] 141–142 Sey . . . solt ] Sirach. 4. Marg. im DR [Sir 4,28] 148 Wegzeiger . . . Jrrweeg ] Exod. 13. Marg. im DR [Ex 13,21f.] 151 Krafft . . . Macht ] 1. Chronic. 30. Marg. im DR [ [1 Chr 29,11] 157–158 Gedeonischen . . . Wasser=Musterung ] Iudic. 7 Marg. im DR [Ri 4,4–7]

152 die ] sie DR

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5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

Erhaltung der drey Eyd=Gesellen Daniels/ im Babylonischen Feuerofen: Jm Exempel der persöhnlichen Erscheinung der heiligen Dreyfaltigkeit/ am Fluß Jordan; Also ligen im Gegentheil auch vor Augen die Effecten[42] deß strengen Ernsts Gottes/ (der/ wie das fressende Element deß Feuers brennet) im Exempel der fünff vom Himmel mit Feuer und Schwefel verbrannten Stätt: Jm Muster der Vertilgung deß Midianitischen Lagers durch sich selbst; Jn der Prob gäntzlicher Verderbung mit Kopff und Schwantz/ Stumpff und Stihl der verbanneten Amalekiter. Jm Beyspihl deß plötzlichen Falls und Knalls deß gott= und ruchlosen Monarchen Belsazers. Dardurch der Höchste Exempel hinderlassen zum Schrecken der Gottlosen/ die hernach kommen würden/ massen Petrus im andern Cap. Epist. 2. sie dahin deutet. Jn der Mitte dises geheimen Baums sitzet Frau Charitas, das sechste Bild/ !‫[תפארת‬43] Hebraeisch genannt/ mit ihrer Beziehrung/ benanntlich einem[44] Kind an der Brust/ und noch einem andern zur Seiten stehenden/ welches einen Oehlzweig zwischen zweyen sich schnäblenden Täublein niderlässet: Liebe und Trewe vordeutend; zu den Füssen aber mit sitzender Hünne[45] ob der Ayer=Brut/ und Außschlaiffung[46] junger Hünlein: auch dem Hieroglyphico deß offtgenannten und doch unbekandten Pelicans/ der || [5] mit Auffritzung eigenes Bluts seinen ertödteten Jungen soll das Leben widerbringen.[47] GOtt ist die Liebe/ welcher mehr als Mutter mehr als Mutter=Treue an uns thut/ dessen Sohn in den Tagen seines Fleisches Jerusalem und ihre Kinder/ wie eine Gluckhenne ihre Küchlein/ versamlen wolte/ wann nur sie gewolt hätten. Und wer auß GOtt gebohren ist/ der liebet seinen Nächsten als sich selbst/ weicht ihm auß/ wann er ihn verdrängen will/ wie Jacob seinem gehäßigen Bruder Esau: Bittet für ihn/ auch mitten in Beleidigung/ wie Moses das holdseelige Schilff=Kind/ der Typus deß allerholdseeligsten JEsus=Kinds. Laufft im Nothstand unter sie/ wie Aaron under die hinfallende Jsraeliten/ darinn niemand höher kommen oder ein perfecter Beyspihl geben hat als der Jungfrau Sohn/ das ewige Wort/ in der Zeit von der ruffenden Stimm/ Iohanne dem Täuffer verkündiget/ wie die auffgehende Sonn von der Morgenröthe; dessen Blut als deß un159 Erhaltung . . . Feuerofen ] Dan 3,27 160–161 Erscheinung . . . Jordan ] Matth. 3. Marg. im DR [Mt 3,16f.] 163 fünff . . . Stätt ] Genes. 19. Marg. im DR [Gen 19,5] 166 Amalekiter ] 1. Sam. 15. Marg. im DR [1 Sam 15,7f.] 167 Belsazers ] Daniel. 5. Marg. im DR [Dan 5,30] 168–169 Petrus . . . deutet ] 2. Petr. 2. Marg. im DR [2 Petr 2,4–8] 177–178 GOtt . . . Liebe ] 1. Ioh. 4. Marg. im DR [1 Joh 4,8] 178 Mutter ] Esai. 49. Marg. im DR [Jes 49,15] 180 Gluckhenne . . . hätten ] Matth. 23. Marg. im DR [Mt 23,37] 182–183 Jacob . . . Esau ] Gen. 28. Marg. im DR [Gen 27,41–28,5] 183–184 Moses . . . Schilff=Kind ] Exod. 2. Marg. im DR [Ex 2,3] 184 JEsus=Kinds ] Matth. 2. Marg. im DR [Mt 2,13–23] 185 Aaron ] Numer. 14. [!] Marg. im DR [Num 17,12f.] 165 Stumpff ] Strumpff DR

171 einem ] einen DR (s. den Kommentar)

5.1 Raiths Teinacher Einweihungspredigt

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gedichteten Pelicans/ am Creutz außgegossen/ das in Sünden todte Menschliche Geschlecht wider lebendig gemacht hat; deme im typo vorgespihlet die äherne Schlang von Mose in der Wüsten auffgerichtet/ zum leiblichen Heyl deren/ die von feurigen Schlangen ihrer Rebellion wegen gebissen waren. Welchen auch im Salvator-Ambt der leibliche Heyland Josua so wohl mit tröstlichen Nahmen/ als der thätlichen Einsetzung Jsraels ins gelobte Land/ repraesentirt; im Hohenpriesterlichen Ampt aber Aaron der Hohepriester deß Alten Testaments/ wann er im heiligen Schmuck und güldenen Stirnblatt/ darinn eingegraben war !‫[ קדש ליהוה‬48] die Versöhnung mit Levitischen Opffern that/ und das !‫[ אזכרה‬49] / oder Memorial der zwölff Stämm Jsrael in seinem Ampt=Schildlein auff zwölff edle Stein gegraben vor GOtt im Auß= und Eingehen trug/ uns in die Augen/ Hertz und Gedächtnuß zubringen/ daß der Priester in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedech in den Himmel für uns eingegangen/ vermittelst deß Bluts seines Bunds/ mit seiner Fürbitt allzeit unser im besten gedencke/ als die Er in seine Hände gezeichnet/ und deren Nahmen im Himmel angeschriben sind/ welche wie Er von Anfang geliebet und zu sich gezogen auß lauter Güte/ also liebt ers auch biß ans Ende: und in deren Mitte Er auff Erden in Levitischen Hütten gewohnet/ die will Er ewig bey sich im Himmel wohnen lassen/ Daß sie/ als ἐπόπται[50] seiner Herrlichkeit seyen wo er ist/ seiner gethanen und allzeit gewährten Fürbitt nach. Die sibende Station hält neben einem Palmen=Baum Jungfraw Victoria, Rabbinisch !‫[ נצח‬51] titulirt/ zum Symbolo in rechter Hand führend Aarons Mandel=tragenden Stab: in der lincken aber eine Sieges=Fahne; Recht=seitig ligen zu boden allerhand Kriegsinstrumenten: Linck=seitig stehet ein auffgerichte [!] Korngarbe/ als ein Zeichen sicheren Ackerbaues. Under dise Compagni gehören Josua/ ein Kämpffer und Dämpfer der Bannisirten Cananiter/ mit seiner außgereckten Lantzen/ der großgläubige Steller Sonn und Monds/ da GOtt der Stimm eines Mannes gehorchete: sambt allen hohen und nideren Kriegs=Officierern/ mit den geistlichen Waffen ihrer Ritterschafft: die vier grosse Propheten deß Alten Testaments mit den vier Evangelisten deß Newen/ neben den zwölff Patriarchen und kleinen Propheten die zwölff Apostel Christi/ genannt von David/ die Fürsten Juda mit ihrem Hauffen/ die Fürsten Sebulon/ die Fürsten Naphtali/ under welchen neben Petro herrschet der kleine Benjamin 190 lebendig gemacht hat ] Colos. 2. Marg. im DR [Kol 2,13] 191 Schlang ] Numer. 21. Marg. im DR [Num 21,8; Joh 3,14] 207 Herrlichkeit ] Apocal. 21. Marg. im DR [Offb 21,11] 208 Fürbitt ] Iohann. 17. Marg. im DR [Joh 17,9.20] 215 Steller . . . Monds ] Ios. 10. Marg. im DR [Jos 10,12] 220–221 Juda . . . Naphtali ] Psalm. 68. Marg. im DR [Ps 68,28] 221–246.224 kleine Benjamin . . . Brüder ] 1. Timoth. 1. | 1. Corinth. 15. Marg. im DR [1 Tim 1,12f.; 1 Kor 15,8–10; vgl. Ps 68,28] 221 Fürsten ] Fürstin DR

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5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

Paulus/ under den Sündern der fürnehmste/ under den Aposteln der geringste von sich selbst titulirt: von uns aber der außerwöhlte Rüst=Zeug/[53] der allezeit mehrer deß Reichs Gottes/ welcher mehr gearbeitet hat dann alle seine Brüder/ deme weder Schlang noch Schwerdt gescha= || [6] det oder geschieden (wie auch sonst nicht einige Creatur) von der Liebe Gottes/ welcher mit der heiligen Zwölff=Botten=Zahl/ an statt deß schreckenden Gesetzes/ außgebracht hat das tröstende Evangelium in alle vier Ende und Winde der Welt/ und außgetheilet beydes Tauff und Abendmahl an statt der im alten Bund verjahreten Beschneidung und Osterlambs/ dardurch sie/ als einen newen Posaunen=Schall/ nider geworffen die prächtige Jericho und Babylons Mauren/ das ist/ Bevestigunge deß Satans/ und alle Höhe/ so sich erhub wider die Erkändtnuß Christi/ und gefangen genommen alle Vernunfft under den Gehorsamb deß Glaubens. Den achten Ring an disem Lehr=reichen Cabal=Baum nimbt ein Jungfraw Euphemia den Griechen/ !‫[הוד‬54] aber den Hebreern genannt: zu teutsch/ ein guter Nahm oder Leümund: hält zum Sinnbild eine Harpff in den Händen/ auff welcher sie frewdig spihlet; zur lincken Seiten stehet ein scharpff=hörender Hirsch/ mit auffgerecktem Geweyh und gespitzten Ohren;[55] zur rechten stehet eine Orgel mit beygelegten allerhand wohlklingenden Instrumenten. Salomons Nahm war wie ein ausgeschüttete Salbe/ dessen Geruch die Königin von Mittag zu Jhm gezogen: Deß Friden=Fürsten JEsu Ruff und Ruhm (der mehr als Salomo ist) hat die Weisen auß Morgenland durch seinen süssen Geruch ihn anzubetten und zuverehren zu sich gezogen. So lieblich David der Mann lieblich mit Psalmen Jsraels/ mag im vortantzen gespihlet haben vor der Bundes=Lade Gottes/ da ers under die Teppiche in sein Residentz=Schloß Sion einführete; So süß sungen ihr Hosianna und Benedictus, qui venit & c[etera]. das guthertzige Völcklein in Einholung Messiae deß Gesalbten/ der Antitypischen Bunds=Laden/ da er von Bethaniâ am Palm=Tag gen Jerusalem eingeritten/ als er kurtz zuvor von Maria in Lazari Hauß mit köstlichem Narden=Wasser begossen/ und zum Vorbild seiner Begräbnuß einbalsamirt wär. Seelig ist/ der sich befleisset einen guten Nahmen zu behalten! Noch seeliger ist/ dessen Lob nicht ist auß den Menschen/ sondern auß GOtt; Am allerseeligsten der/ 225 Schlang . . . Schwerdt ] Apg 28,3–6; Röm 8,25? 225–226 geschieden . . . Gottes ] Rom. 8. Marg. im DR [Röm 8,35] 232–233 gefangen . . . Glaubens ] 2. Corinth. 10. Marg. im DR [2 Kor 10,5] 240–241 Königin von Mittag ] 1. Reg. 10. Marg. im DR [1 Kön 10,1–13] 241 Friden=Fürsten ] Matth. 12. Marg. im DR [Mt 12,18–21; Jes 9,5] 242 Weisen auß Morgenland ] Matth. 2. Marg. im DR [Mt 2,1] 244–246 vortantzen . . . einführete ] 2. Sam. 6. Marg. im DR [2 Sam 6,14f.] 246 Benedictus, qui venit ] Mt 23,39; Joh 12,13 249–250 Maria . . . einbalsamirt ] Mt 26,6–12 250–251 Seelig . . . behalten ] Sirac. 42. Marg. im DR [Sir 42,1–8] 252 Lob . . . GOtt ] Rom. 2. Marg. im DR [Röm 2,2f.] 225 geschieden ] gescheiden DR

226 Creatur ] Ereatur DR

5.1 Raiths Teinacher Einweihungspredigt

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welcher als verschmächt vor der Welt (dessen doch die Welt nicht werth war/) gantz demüthig und nidrig allhie gesessen/ dann ich sage Euch/ eben so hoch wird er dort hinauff geruckt werden/ als ein Freund Gottes/ und dessen Ehr haben vor allen/ die mit Abraham/ Jsaac und Jacob im Himmelreich zu Tisch sitzen werden/ und under dem Gesang der Englischen Chören/ und Klang der güldenen Harpffen aller Außerwöhlten mitstimmen: Ehre sey dem der auff dem Stuhl sitzet und dem Lamb! Allelujah! frewet euch! dann der Tag seiner Hochzeit ist kommen/ und sein Weib hat sich bereitet. (Zum Tag ihrer Heimführung/ als eine geschmückte Braut.) Der neunte Limbus in offtbesagtem Baum fasset in sich die Sulamith/ im Bild deß Apocalyptischen Weibes mit der Sonn bekleidet/ umb deren haupt zwölff Sterne stehen/ und die under ihren Füssen den Mond hat/[56] mit gefalteten Händen gläubiger Andacht dastehend/ als ein Emblema der Verachtung und ringschätzung aller jrrdischen Ding/ und emporhebung himmlischen Sinnes;[57] weil es billich/ daß/ wo unser Schatz/ auch unser Hertz seye. Es mag der Evangelist Marcus mit dem beygemähld deß Löwen/ Lucas aber deß Ochsen prangen: Wir erwöhlten mit Matthaeo lieber den geflügelten Engel/ und mit Iohanne den hochfliegenden Adler/ sprechende mit den Diaconis der ersten Kirchen: Sursum Corda![58] das undere Weltwesen ist ja so unbeständig als der Mond/ wer wolte darauff fussen? Es verschwind wie Rauch und Dampff/ und verzehret sich under den Händen/ wer wolte kecklich darnach greiffen? die bleibende Haab ist allein dro= || [7] ben im Himmel/ in der freudenstatt Gottes/ deren Baumeister er selbst ist/ daher sie satten Grund hat/ und so wohl Christlichem als Jüdischem Verstand nach heisset !‫ יסוד‬ein Fundament/[59] deren Gassen von lauter Gold/ deren Glantz wie ein hell Glaß durchscheinend ist/ deren zwölff Thor von zwölff köstlichen Perlen/ auff deren jeglichem ein wachender Engel zur Schildwache stehet: deren zwölff Gründe seynd von zwölff Edelsteinen. Wir die wir nicht mehr sind Gäste und Frembdlinge/ sondern Bürger mit den heiligen und Gottes Haußgenossen/ erbauet auff den Grund der Apostel und Propheten/ da Jesus Christus der Eckstein ist/[60] sollen uns darnach lassen verlangen/ und wünschen: Eja! wären wir da![61] 253 dessen . . . war ] Hebr. 11. Marg. im DR [Hebr 11,38]; zu »verschmächt« s. DWB, Bd. 25, Sp. 1118, s. v. »verschmähen« 255 hinauff geruckt ] Lk 14,10 258–259 Ehre . . . Lamb ] Offb 5,13 261 geschmückte Braut ] Apocal. 19. Marg. im DR [Offb 21,2] 265–267 Verachtung . . . Sinnes ] Coloss. 3. Marg. im DR [Kol 3,1f.] 267 wo . . . seye ] Mt 6,21 274 bleibende Haab ] Hebr 10,34; 13,14 275–276 Grund . . . Fundament ] Hebr. 11. Marg. im DR [Hebr 11,1; s. Komm.] 276–280 Gassen . . . Edelsteinen ] Apo. 21. Marg. im DR [Offb 21,9–21] 280 nicht . . . Bürger ] Ephes. 2. Marg. im DR [Eph 2,19]

263 deß ] beß DR

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5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

Das zehende/ Anfangs oder Schluß=Bild (wie man will) ist der erste und letzte/ auff welchen wir widerumb kommen müssen/ das A und O/ Jesus Christus/ der Weg / die Wahrheit/ und das Leben/ der die drey vordere Finger seiner rechten Hand in Gebärd eines Aydschwehrenden auffhebt/ daß Er nicht Lust hab am Todt deß Sünders/ sondern daß er sich bekehre und lebe. Jn der lincken hält er sein Creutz/ als die Herrschaft[62] seiner Schulter/ und Sig=Zeichen seiner Uberwindung; von seiner geöffneten rechten Seite fleußt Wasser und Blut/[63] als zwey Sacramentliche Zeugen bey uns auff Erden. Under seinen Füssen hat er die zertrettene Paradis=Schlang/ als der kommen ist in das Fleisch/ deß Teuffels Werck zu zerstören: der auff der Wolcken kommen/ und auff dem Regenbogen sitzen wird/ alß ein gerechter Richter der Todten und Lebendigen/ da seine Feinde erst zu spath werden sehen/ in welchen sie gestochen haben. Der ist die Thür zum verscherzten Paradis/ so wol als zum Schaffstall der streitenden Kirch; Wer im vertrauen auff ihn durch den auffgerichten Tauffbund Antritt und in Gottseeligem Wandel forttritt/ der wird endlich eintretten in den Seeligen Orth aller Vergnügung. Jede glaubige Gottergebene Seel wird nicht nur die vier Paradiß=Ströme/ sondern die erste und oberste Bronnenstub oder hauptquell deß lebendigen Wassers genießlich besitzen/ und geträncket werden mit der ewigwehrenden reinesten Wollust/ als mit einem Strom/ und als die erlösete deß Herrn von allem übel in sicherer Wohnung und stoltzer Ruhe immerdar triumphiren und jubiliren.[64]

Anderer Theil.

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Betreffend die Hauptsumm aller Contenten/ Christum Jesum/ das A und O/ den Kern und Stern der Schrifft.

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ES mögen die Juden ihre unmässig=gerühmte/ Cabal, auff ihre aigene gefahr/ entweder zu härterer Verstockung im jüdischen Unglauben/ oder zur superstition im Leben ihnen dienen lassen; Wir Christen thun damit gegen Sie/ wie Benaja, der vortreffliche Held Davids/ der dem greulichen Man (zu dem er nur mit einem stecken gieng) seinen spieß auß der Hand gerissen/ und mit selbigem ihn erwürget hat.[65] Die weise syllogistice zu disputiren (wie under Christen im 286 Weg . . . Leben ] Ioh. 14. Marg. im DR [Joh 14,6] 287–288 Er nicht . . . und lebe ] Ezech. 33. Marg. im DR [Ez 33,11; 18,23] 289–290 Sig=Zeichen . . . Blut ] 1. Ioh. 5. Marg. im DR [1 Joh 5,4–7.] 292 Paradis=Schlang ] Gen 3,15 292–293 der kommen . . . zu zerstören ] 1. Ioh. 3. Marg. im DR [1 Joh 3,8] 293 der . . . kommen ] Mt 24,30; 26,64 295 welchen . . . haben ] Sach 12,10 295–297 Der . . . Kirch ] Joh 10,1–9

285 letzte ] letzste DR

293 auff der ] auffder DR

299 Vergnügung ] Vergnügnung DR

5.1 Raiths Teinacher Einweihungspredigt

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Brauch ist) achten die Juden fast nichts/ massen die Philosophia zulernen ihnen verbotten; mit solchem vortheiligen Gewehr aber der Cabalisterey kan man ihnen besser beykommen/ wie Ludovico Carreto, dem Königlichen Genuesischen Juden=Artzt geschehen/ der vermittelst solcher argumentation auß der Gematria bekehret worden/ darvon er selbst ein Buch geschriben;[66] So wollen wir auch nicht mit Iohanne Reüchlin, dem Weiland gewesenen Würtenbergischen [!] Rath/ aber= || [8] gläubisch seyn/ der die Anfangs= und Ends=Buchstaben der fünff ersten versiculn Geneseos auff Jungfern=Pergament[67] geschriben am Hals bey sich getragen/ als ein Amulet, weiß nicht für was; Sondern thun/ was Matthaeus und Lucas bey ihrem Arbore Genealogicâ gethan haben/ deren jener von oben herab/ directè von Adam biß auff Christum, diser von unden hinauff/ von Christo retrogradè biß auff Adam zehlet/ jeder durch zwey und viertzig Glieder; Und also Christum für das gantze Facit und summa summarum halten. Es ist ja billich/ weil Er das A und O der Bibel ist/ daß Er im Anfang deren gesucht/ und im End derselben gefunden werde; Dann ist Er nicht die Bunds=Lade/ auff deren Deckel beede Cherubim zusammen sehen? Worzu Er uns selbst anweiset: forschet in der Schrifft/ (hinden und vornen) dann ihr meinet/ (und meinet es nicht fälschlich/ sondern warhafftig) ihr habt das (ewige) Leben darin/ und sie ists die von mir zeuget. Nicht zwar/ daß wir vonnöthen hätten unsere Glaubens=Articul und Religions=Geheimnussen auff die Cabal als einen Grund zusetzen/ sintemahl wir ein vester Prophetisch Wort haben/ nemblich den Grund der Apostel und Propheten/ darauff wir gebauet/ und folgen so wenig/ als Petrus/ klugen Fabeln; sondern daß wir Symbolische Bilder und Emblematische Gemähld/ (nicht so wohl die Augen zuergötzen/ als durch dise Illuminirung unsere Grund= und Lehr=Sätze zuillustrieren/ und die schwache Gedächtnuß[68] zustärcken) darauß nemmen/ und an disen Häcklein desto vester behalten/ auch desto leichter uns wider erinnern mögen. Jm Maccabeischen Haupt=Fahnen sollen dise Buchstaben !‫ מכבי‬auß dem 11. vers. Exodi. 15. das ist/ HERR/ wer ist dir gleich under den Göttern! gestanden seyn:[69] hatten darumb so wenig Magische Wirckung/ als Königs Antiochi Soters Panier mit dem Trottenfuß/ als einem Sinnbild deß Worts: ὑγίεια: bezeichnet; welche Figur etwan noch heutigs Tags abergläubische Mütterlein an die Wiegen ihrer Kinder (weiß nicht für was) mahlen lassen.[70] Rechtschaffene Christen=Leuth seynd gesinnet/ wie der andächtige Abt Bernhardus zu Claraevall, der sahe nichts schöners im Schreiben und Lesen/ der hörte nichts lieblichers in 323 Arbore Genealogicâ ] Matth. 1. Luc. 3. Marg. im DR [Mt 1,1–17; Lk 3,23–38] 329 auff . . . sehen ] Ex 25,20 330–332 forschet . . . zeuget ] Ioh. 5. Marg. im DR [Joh 5,39] 336 Petrus ] 2. Petri 1. Marg. im DR [2 Petr 1,16–19] 341–342 11. vers. Exodi. 15. das ist/ HERR/ wer ist dir gleich under den Göttern ] Exod. 15. v. 12. [!] Marg. im DR [15,11; s. Komm.] 324 herab ] heraß DR

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5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

Choral- und Figural-Music, der roch nichts anmuthigers under allen Gerüchen/ und schmeckete nichts süssers under allen Geschmäcken/ als den einigen HErrn JEsum/ dessen Nahme ihm war/ (seiner eignen Bekäntnuß nach) Mel in ore, melos in aure, jubilus in corde;[71] deme er auch seinen hochgeprisenen Hymnum zu immerwährendem Denck=Zeichen in der Welt hinderlassen.[72] Also/ wann ich zum Exempel lise !‫[מלאכי‬73] ich will meinen Engel für mir her senden/ so dencke ich an Daniels Michaël. Lise ich !‫ ישמח‬der König freuet sich im HErrn/[74] so resolvire ich dise vier Buchstaben auff Anagrammatische Manier ins Wort Messiah,[75] dann[76] von Messiah redet der Psalm; von disem Namen der über alle Namen ist/ ausser dem wir nicht mögen seelig werden/ können wir/ was Sirach cap. 43. geschrieben/ sagen: Summa! Er ists gar; oder was 1. Corinth. 15. stehet: Er ist alles in allem/ !‫ שדי‬der unendlich vergnügte und Vergnüger unserer Begierden/ der Stiller und Füller alles Lusts.[77]

Dritter Theil. Vom Nutzen und Ergötzen diser Cabalischen Tafel. 365

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DEr Urheber und Entwerffer diser Lehrreichen Tafel war der from=gelehrte und gelehrt=fromme/ der Andachts=eyferige und Enggewißige Herr M[agister]. Johann Jacob Strölin[78] / so vor 10. Jahren || [9] zu Münster/ nächst Cantstatt/ als Pfarrer daselbst/ seelig verstorben/ mein lieber vor 30. Jahren im Fürstl. Stipendio gewesener Discipul, damahlen vor allen (ohne Parteiligkeit zureden) der fleißigste Auditor in Erlernung der heiligen Sprach; der hat nicht allein/ vermittelst grossen Lusts und Fleisses dieselbe vor sich wohl begriffen/ sondern auch danckbarlich erkennend/ was im 31. Psalm. vers. 20. sein geführt Symbolum außweiset !9:‫ ב; נגד בני אד‬:‫ מה רב טוב; אשר=צפנתּ ליראי; פעלת לחוסי‬gemeldte Sprach durch Göttliche Schickung glücklich gepflantzt in das Fürstliche Hertz unserer Durchl[euchtigen]. Fürstin und Princeßin ANTONIA, welche/ nach eingenommenem Vorschmack solcher/ dise Cabalistische Invention Jhren angenehmsten Lust und Recreation seyn lassen/ Christum Jhren Seelen=Bräutigamb darinn zuforschen und zusuchen/ Jhrem erkieseten Symbolo gemäß/ !=‫והתענג על‬ ⟨!9⟩!;‫=ל; משאלת לב‬%‫ יהוה וית‬Habe deine Lust an dem HERREN/ der wird dir geben/ was dein Hertz wünschet/ welche beede mit güldenen Buchstaben allhier geschrieben anzuschauen.[79] Durch dessen underthänig=getrewgeflissenste 354–355 ich . . . senden ] Exod. 23. v. 20. Marg. im DR [s. Komm.] 355 Daniels Michaël ] Daniel. 12. Marg. im DR [Dan 12,1; 6,23] 359 Sirach cap. 43. ] Sirach. 23. [!] Marg. im DR [Sir 43,27] 359–360 1. Corinth. 15. ] 1 Kor 15,28 371 31. Psalm. vers. 20. ] Psalm. 31. v. 20. Marg. im DR 378–379 Habe . . . wünschet ] Psalm. 37. v. 4. Marg. im DR

350 HErrn ] HErm DR

5.1 Raiths Teinacher Einweihungspredigt

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415

251

Information in dise Tafel (so zureden) die Theologi und Philosophi von Biblischen Historien/ vorbildern/ Thieren/ Vögeln/ Bäumen/ Kräutern/ Metallen/ und edlen Steinen gebracht/ und durch langwühriges repetiren in den Kopff und Gedächtnuß gefasset worden/ theils solche Ding mit einander zuvergleichen/ theils einander entgegen zusetzen/ nach Art deß Alten und Newen Testaments/ welche/ wie Sonn und Mond/ im Gegenschein/ einander erleuchten und erleichtern. Dise Tafel ließ hochgenannte Princeßin in artiger Farben=mixtur außmahlen/ und in dise Fabric, wie sie gegenwärtig hie vor Augen stehet/ fassen/ alles niemand als dem höchsten GOtt allein zur Ehr/ nach dem Anagrammatischen Jnnhalt/ da auß ANTONIA JEHU NATAN, das ist/ GOtt hats gegeben/ entstehet.[80] Was für einen eigentlichen Nahmen aber wollen wir disem Werck/ wie es in seiner perfection jetzt da stehet/ geben?[81] Sollen wirs/ (weil sichs nach Eröffnung der beeden Flügeln/ als ein Paradiß= oder Lustgart[82] mit einem thurnförmigen Garten=hauß praesentiret) nennen einen Davids=Thurn mit Brustwehren gebawet/ daran tausend Schild gehangen/ und allerley Waffen der Starcken? oder sollen wirs nennen den Thurn auff dem waldigen Gebürg Libanon/ (wie fast die Situation umb disen Deinach ist) als einen Land=Thurn und hohe Arth gegen Damasco der Syrischen Haubt= und Residentz=Statt über gebauet? Das will sich nicht allerdings wohl schicken; wir besinnen uns auff ein anders. Johannes Hircanus, der Maccabeische Fürst/ hat zu Jerusalem/ nächst am Tempel=Bau Mitternachtwerts ein vest Schloß/ und einen Thurn darinn/ Baris[83] genannt/ auff einem Felsen 50. Ehlen[84] hoch erbauet/ zu deß Tempels Defension, in welchem das Hohe=priesterliche Ambts=Kleid bey immerbrennendem Liecht verwahret wurde; dises Schloß hat hernach Herodes Magnus, als er Meister worden/ erweitert mit Bauung ⟨von⟩ vier Thürnen in die vier Ecke/ deren der vornehmste 70. Ehlen hoch/ da die drey übrige nur 50. waren/[85] nachgenannt seinem vornehmen Römischen Freund Antonio: TURRIS ANTONIA,[86] darvon Josephus lib[ro]. 14. & 18. Archaeolog[iae]. zusehen.[87] So seye und bleibe dann gegenwärtige Fabric bekennet und benennet TURRIS ANTONIA, nicht zwar ein Martialischer Kriegs=Thurn/ weil er in keiner Vestung stehet/ sondern ein friedlicher Kirchen=Thurn/ weil er in disem Kirchen=Chor stehet/ zu gesegnetem Angedencken/ nicht zur Pracht=übung oder Gelt=Verderbung/ (wie die || [10] Pyramides in Egypten darfür von den Scribenten gehalten worden) sondern zunutzen und zuergötzen/ wie der Pharos=Thurn/ der mit seiner außbeedes gesteckten Fackel weit auffs Meer herauß gezündet.[88]

394–396 Davids=Thurn . . . Starcken ] Cantic. 4. v. 4. Marg. im DR [Hld 4,4] 396–397 Thurn . . . Libanon ] Cantic. 7. v. 4. Marg. im DR [Hld 7,5 (nach anderer Zählung 7,4)] 407 TURRIS ANTONIA ] Iosephus libr. 14 & 18. Archaeol. Marg. im DR; s. den Komm.

252

5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

Dise Lehrreiche Tafel wird dem/ der darinn lesen will/ an statt eines Buches seyn/ in tuch= und Bretter=decke gebunden/ mit außgemahlten Clausuren/ vergültem Schnitt und Stämpffeln außgezieret/ daß seinem Leser und Beschauer verwesen kan ein Histori= Thier= und Kräuter=Buch; und wanns sonst heißt: 420

425

430

435

440

445

Pro captu Lectoris habent sua fata libelli:[89]

also wirds dem einen ein verschlossen/ dem andern ein geöffnet Buch seyn/ dessen Lectores werden ungleich hinein gehen/ wie in Ezechiels/ Geheimnis vollen Tempel=Fluß/ etliche biß umb die Knöchel/ etliche biß umb die Lenden/ etliche noch weiter/ und doch endlich dabey bleiben !‫יהוה שמה‬/ wie dises theure Tetragrammaton[90] zu oberst diser Fabric in Gold gläntzet. Jst jemand von ankommenden Trinck=Gästen dises Ortes hinfüro/ der Rätzel mit der tieffsinnigen Mittags=ländischen Königin aus reich Arabia begierig/ der kan sich allhie zuversuchen Rätzel genug finden/ und wird nicht noth haben auß eigener That/ (wie Simson an seinem Hochzeits= Tag) Rätzel den Gästen auffzugeben. Wer in diesen ineinander geflochtenen Cabalistischen Gängen als ambulacris spatzieren will/ mag wol keine müde Füß/ aber leichter einen müden Kopff machen;[91] Jch will auff den Palmbaum steigen/ und seine Zweig ergreiffen/ sagt der Geistliche Sponsus: Wer dergleichen Lust zum Cabalistischen Lehr=Baum hat/ der wird nicht leer in Besteigung desselben greiffen/ sondern etwas/ das gute Gedancken underhalten und nähren kan/ ergreiffen. Nun lenden wir wunschweiß hiermit unserm Schifflein als in portu Bonae Spei an/ wie Ionae Schiffleuth dem Herrn bezahlt ihre Gelübde; dann wie soll und kan ich anderst/ der eben (wie sichs heutigem Fest nach jähret) vor 24. Jahren eine Gast=Predigt in der so=genannten Pfenning=Stube dises oberen Wirts=Hauses gehalten/ und gläublich erachte/ daß an disen Ort ich villeicht nicht mehr kommen werde/[92] daß diser Hochansehnlichen Versamblung ich nicht zu guter letze ein Votum hinderlasse so wohl in genere als in specie. Jenes nimb ich de verbo ad verbum auß dem 80.sten Psalmen: HErr GOtt Zebaoth/ wende dich doch/ schaue vom Himmel/ und sihe an/ und suche heim deinen (Kirchen=) Weinstock/ und halte ihn im Baw/ den deine Rechte gepflantzet hat/ und den du dir vestiglich erwöhlet hast. Sihe drein und schilt/ daß deß Brennens und Reissens ein Ende werde. Deine Hand schütze das Volck deiner Rechten/ und die Leuthe die du dir vestiglich erwöhlet hast: so wollen wir nicht 421–422 wirds . . . gehen ] Esai. 29. Marg. im DR [Jes 29,11.18] 423 Tempel=Fluß ] Ezechiel. 47. Marg. im DR [Ez 47,1–12] 427 Königin . . . Arabia ] 1 Kön 10 429 Simson . . . Tag ] Iudic. 14. Marg. im DR [Ri 14,12] 432–433 Jch . . . ergreiffen ] Cantic. 7. Marg. im DR [Hld 7,8] 436–437 Nun lenden . . . Gelübde ] Ion. 1. Marg. im DR [Jona 1,16]; zu »lenden« s. DWB, Bd. 12, Sp. 102, s. v. »länden« 3) 443 80.sten Psalmen ] Psalm. 80. Marg. im DR [Ps 80,15f.]

5.1 Raiths Teinacher Einweihungspredigt

450

455

460

253

von dir weichen; laß uns leben/ so wollen wir deinen Nahmen anruffen. HErr GOtt Zebaoth/ tröste uns! laß dein Antlitz leuchten/ so genesen wir. In specie, nach Erforderung gegenwärtiger sorglicher Zeiten/ beschliessen wir (daß der Anfang auch sein End finde) mit erhabenen[93] Augen und Händen: O GOtt/ Obrister Menschen=Hüter! halte dises zitterenden Landes Seulen vest/ daß unser Gnädigster Landes=Herr sambt dem Fürstlichen Hauß Wirttemberg mit all dessen Underthanen mögen seyn/ wie einer/ der vor dem Wind=Wirbel und Platz=Regen bewahret ist! Sprich kräfftiglich/ O gütiger GOtt! (weil dein sprechen so vihl als geben ist) zu unserm Land: sey gegründet! und zu seinen An= || [11] gewandten; seyt gebauet! Zu deinen und unsern Feinden aber: Seyt vertilget! Wers begehret/ vom Höchsten zum Nidersten/ (wie wirs freylich alle begehren/ und von Hertzen begehren sollen) sprech mit mir von Hertzen: Amen! in JEsu Nahmen! in welchem alle Gottes Verheissungen seynd Ja und Amen.

455 Wind=Wirbel ] Esai. 47. [!] Marg. im DR [Jes 40,24; 29,6] 456 Platz=Regen ] Ez 13,11; 38,22] 457–458 sey . . . gebauet ] Esai. 44. Marg. im DR [Jes 44,28]; zu »Angewandten« s. DWB, Bd. 1, Sp. 512, s. v. »anverwandt« 461–462 in welchem . . . Amen ] 2. Cor. 1. Marg. im DR [2 Kor 1,20]

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5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

Kommentar Als Orientalist und ehemaliger Lehrer Strölins war Balthasar Raith in Antonias Augen offenbar für die nicht alltägliche Aufgabe besonders geeignet, ihre Lehrtafel der Öffentlichkeit vorzustellen.1 Raith betont, er habe auf Antonias Wunsch diese Predigt verfaßt und gehalten (s. Z. 45f.). Zur Tendenz der Predigt gegenüber der Kabbala und ihrer christlichen Rezeption s. hier S. 4. Neben Raiths Predigt enthält der vorliegende Casualdruck im Vorspann ein Frontispiz mit einem Sefirotbaum (s. Abb. 4), ein Titelblatt und ein Widmungsblatt,2 als Anhang die Texte zweier Lieder, welche offenbar neben der Predigt Bestandteil der feierlichen Einweihung waren.3 Die Festgemeinde hatte den Sefirotbaum während der Predigt vielleicht auch auf Handzetteln vor sich. Diese bildliche Darstellung der Sefirot durch allegorische Frauengestalten weicht in Details zuweilen von der Lehrtafel ab. Einige Ausführungen Raiths verraten, daß er sich wohl schon bei der Ausarbeitung seiner Predigt eher auf diese Darstellung als auf eine Autopsie des Teinacher Gemäldes gestützt hat.4 Ob Raith, wie später Oetinger,5 die Turris Antoniae und die Pictura docens kannte, ist nicht leicht zu sagen. Einiges läßt sich als Anspielung auf Formulie1

2

3

4

5

Raith (8.10.1616–5.12.1683) studierte Theologie und orientalische Sprachen in Tübingen (Schüler von Schickard), wurde Repetent am Tübinger Stift sowie Diaconus, 1646 Pfarrer, dann Specialsuperintendent in Derendingen, ab 1656 außerordentlicher Professor der Theologie in Tübingen, ab 1660 ord. Prof. u. Stadtpfarrer daselbst. Zu seiner Beziehung zu Strölin äußert sich Raith in seiner Predigt kurz selbst. Siehe S. 8 (a. E.); mehr dazu s. hier S. 11 mit weiteren Hinweisen. Zu Raiths Biographie siehe Gruhl, 2007a, S. XXIII; daneben bes. Fischlin, 1709, S. 266–273; ADB, Bd. 27 (1888), S. 190–191 (Julius August Wagenmann) und Leube, 1921, S. 37. Einige Briefe von seiner Hand an Johann Valentin Andreae haben sich in der HAB Wolfenbüttel erhalten. Siehe Cod. Guelf. 7.4 Aug. 2°, f. 321 (dazu Heinemann, 1890, Nr. 2085, S. 221); Cod. Guelf. 7.5 Aug. 2°, f. 374–375 (ebd., Nr. 2086, S. 223). Einige Stücke s. a. in der Korrespondenz Schickards. Siehe Schickard, 2002, Bd. 2, im Index unter »Raith«. Siehe Raith, 1673, Bl. 1r und 2r , unpaginiert; eine Abbildung von Titelkupfer und Titelblatt s. in Oetinger, 1977a, Bd. 1, Tafel V. Zum Titelkupfer s. auch hier weiter unten. Die Widmung richtet sich an Eberhard III., der auch in der Predigt angesprochen wird: »Dem | Durchleuchtigsten Fürsten und Herren/ HERREN | EBERHARD | Hertzogen zu Würtemberg und | Teck/ Grafen zu Montbelgardt/ und Herren | zu Heidenheim/ etc. | Dem Erbawer | Der H. Dreyfaltigkeit=Kirchen | Jm Deynach/ | Dedicirt | Jn underthänigster Pflichtgehorsambster | Schuldigkeit | Diese gehaltene Predig | Balthasar Raith/ S[acro]. S[anctae]. Theol[ogiae]. P[rofessor].« Siehe ebd., S. 11–14. Der Text des zweiten Liedes (S. 14) findet sich auch oben auf dem Epitaphbild des Teinacher Schreins (dort samt Noten gemalt; s. dazu hier S. 2) sowie im Nekrolog auf Strölin (s. Strölin, 1664, hinter der Predigt, hier S. 404). Siehe dazu Betz, 2013, S. 25; Schauer, 2003, S. 14, sowie hier S. 280; zur Hirschdarstellung s. hier S. 269, ↑ 60a (Komm.); zum Gefäß als Attribut der 2. Sefira S. 127. Siehe dazu hier S. 30.

5.1 Raiths Teinacher Einweihungspredigt

255

rungen der Pictura deuten,6 anderes spricht eher dagegen.7 Möglicherweise hat Raith die Pictura aber auch nur sporadisch oder oberflächlich ausgewertet bzw. manches mißverstanden, wie man es bei Oetinger beobachten kann. Oder er hat nur ein deutsches Seitenstück der Pictura aus der Feder Schmidlins herangezogen, das sich als Entwurf ebenfalls in Strölins Nachlaß findet und parallele Formulierungen bietet gerade für fraglichen Kontexte (Henoch, Moses, Elias sowie die rhetorische Schlußfrage).8 Oetinger hat Raiths Predigt offenbar gekannt und auch für sein Werk zur Lehrtafel benutzt.9 1673 feierte man dieses Fest in Württemberg am 25.5. jul. (= 4.6.).10 Die heutige Kirche Bad Teinachs, in der sich auch die Lehrtafel befindet, hatte ihre Grundsteinlegung 1662. Siehe dazu bes. Fleischhauer, 1981, S. 35f., ferner hier S. 1. [3] Gemeint ist Eberhard III., als regierender Herzog Württembergs der ranghöchste Teilnehmer an der Feier, dem auch der vorliegende Casualdruck gewidmet ist. Zu Eberhard s. Raff, 1993, S. 356ff., und Joachim Fischer: Art. »Eberhard III.« In: DHW, S. 152–155. Eberhard gilt als Erbauer der Kirche. Siehe dazu v. a. Martin Schüz in Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 38f.; ferner hier S. 1. Wahrscheinlich ist der Druck von Raiths Predigt von Eberhard angeordnet und finanziert worden (s. Antonias Leichenpredigt, S. [8v ], hier S. 7f.). [4] Nach der damaligen Perikopenordnung wäre das Joh 3,1–15 gewesen.11 [5] Siehe das auf die Predigt im Druck folgende erste Lied, das ebenfalls diesen Vers umspielt. Zu dessen Präsenz in Dokumenten aus Antonias Nachlaß s. hier

[1] [2]

6

7

8

9 10

11

Siehe im Einzelkommentar zur Behandlung Henochs, Moses und Elias auf S. 3 (hier S. 241), und zur rhetorischen Frage auf S. 9 (hier S. 251: »Was für einen eigentlichen Namen aber wollen wir disem Werck [...] geben?«). Auch andere Stichworte Raiths finden sich in der Pictura, kommen als Indizien aber strenggenommen nicht in Betracht, weil sie zeitgenössisch Geläufiges bieten, für das Raith keine spezifische Vorlage benötigte. Siehe den Enzyklopädie-Topos und die Rede vom »Centrum« (S. 2) und die Bezeichnung des gefallenen Engelfürsten/Teufels als »Sammaël« (S. 3). Siehe Raiths Beschreibung der drei oberen Sefirot, die keine spezifische Anlehnung an die Pictura oder weitere Dokumente des Antoniakreises erkennen läßt, vielmehr bei der 2. Sefira eigene Wege geht mit ihrer Deutung der Wasserkanne auf die Temperantia (S. 3) anstatt auf die Taufe. Siehe dazu hier S. 127 (Anm.). Siehe den Entwurf zur Demütigen Andacht in WLB Cod. hist. fol. 551, S. [33r ]–[43r ]; s. dazu hier S. 13, Anm. 45. Siehe die Nachweise im Kommentar zu Oetingers Kurtzem Begriff, Z. 17 u. 23, hier S. 284. Siehe dazu etwa Bach, 1907, S. 70, zum 30.3. jul. (= 9.4.) als Ostertermin; gegen Betz, 2013, S. 7, wo fälschlich vom Ostertermin nach dem – im Herzogtum Württemberg erst zur folgenden Jahrhundertwende eingeführten – gregorianischen Kalender ausgegangen wird (2.4.; = 23.3. jul.; s. Bach, 1907, S. 71), was den 28.5. (18.5. jul.) als Dreifaltigkeitssonntag ergibt. Siehe Kolb, 1913, bes. S. 89–93 und 99–103; Holtz, 1993, S. 43 (Literatur!).

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5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

S. 90. Vermutlich favorisierte Antonia selbst diesen Text für die Einweihung und Raith ist dem gefolgt. Siehe auch Pictura docens, Z. 27. [6] Ps 118,22; Jes 28,16, von Raith in der beliebten christologischen Ausdeutung zitiert (s. Mt 21,42; Apg 4,11; Eph 2,20; 1 Petr 2,6–7). [7] Das meint: ›(so) wie (es)‹. [8] Das meint: ›einzigartige‹. [9] Gemeint ist die, wohl aus dem 1. Jh. n. Chr. stammende anonyme, dem Sokrates-Schüler Kebes zugeschriebene, griechische Bildbeschreibung (Ekphrasis) in Dialogform. Sie wurde in der Frühen Neuzeit mehrfach herausgegeben und auch übersetzt (Odasius, Elichmann, Gronovius) sowie bildlich dargestellt (u. a. von Holbein und Merian d. Ä.). Reflektiert wird das dem Menschen aufgegebene Streben nach Tugend und Glückseligkeit im Bild des mühsamen Weges zum Gipfel eines Berges. Nach der Fiktion der Rahmenerzählung war die Tabula Cebetis als Weihe- und Lehrtafel in einem Tempel des Gottes Chronos aufgehängt.12 [10] Etwa im Sinne von ›kunstfertig errichteter Bau‹. Raith bezeichnet so den Schrein insgesamt (s. Abb. 1), im Gegensatz zum im Inneren befindlichen Zentralgemälde, der kabbalistischen Lehrtafel, die er weiter unten mit Blick auf Gesamtentwurf und Summe des Dargestellten »Tafel« bzw. »tabula« nennt, mit Blick auf die künstlerische Repräsentation » Gemähld«; vgl. hier in der Predigt, S. 8f. [11] Im Nachsatz im Sinne von ›so‹. Siehe DWB, Bd. 1, s. v. »als«, Nr. III,3, Sp. 259. [12] Zur Bedeutung der Zahl Zehn nach Pythagoras s. Bongo, 1618, S. 357; Bongo erwähnt ebd., S. 359, auch die zehn kabbalistischen Sefirot, von Raith hier »Geheimniß=Baum« genannt. Zur Assoziationen von Pythagoräischer Zahlenlehre und Sefirot s. a. Zedler, Bd. 37, Art. »Sephiroth«, S. 255–259, 257. Zu den Sefirot s. hier S. 17, zur Baummetaphorik S. 114. [13] Das ist eine Anspielung auf die zehn Kategorien des Aristoteles in der, in Mittelalter und Früher Neuzeit beliebten, ontologischen Auslegung. Sie waren so jedem gebildeten Zeitgenossen aus den letzten Klassen seiner Gymnasialzeit, den ersten akademischen Semestern oder auch selbständiger Lektüre einer Ausgabe des aristotelischen Organon bekannt, speziell aus der dort enthaltenen Kategorienschrift. Das Organon lag in den vorzüglichen, jeweils mehrfach auf12

Siehe RDK, Bd. 3 (1952), S. 383–386 (Edmund W. Braun); Kebes, 2005, passim, bes. den 3. Essay von Barbara Hirsch (Ins Bild gesetzt – Rezeption der Tabula Cebetis in der Kunst der Renaissance); Kern, 2002, S. 325 u. ö. (s. Register). Siehe als Beispiel Johann Kramers Darstellung der Tabula Cebetis von 1551 Cebes, 1551, hier Abb. 58. Siehe auch Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 18f.

5.1 Raiths Teinacher Einweihungspredigt

257

gelegten Ausgaben von Julius Pacius de Beriga (zuerst 1584) und von Friedrich Sylburg (zuerst 1585) vor. Siehe Aristoteles, 1597, u. jetzt Kühlmann, 2013, S. 334–357. [14] Raith will den theologischen Gehalt der Lehrtafel am Raster der biblischen Bezüge durchgehen in der Weise, wie die Enzyklopädien ihren Stoff in alphabetisch geordneten Stichworten durchlaufen. Innerhalb seiner Predigt hat diese Ankündigung sowie die folgenden Sätze die Funktion einer rhetorischen Partitio. [15] Siehe auch Pictura docens, Z. 353f.: »Hîc Centrum Amoris | IESU«. [16] Im Sinne etwa von ›kunstreich‹ (s. DWB, Bd. 4, s. v. »fündig«, Sp. 542). [17] Gemeint ist damit die Gotteslehre im engeren Sinne als besonderer systematisch-theologischer Traktat oder Locus. Siehe Pictura docens, Z. 520–572; ferner Hafenreffer, 1603, lib. I., locus 1, S. 24 (De Deo). [18] !P‫ סֹו‬N‫» אֵי‬ohne Grenze, unendlich«. Siehe dazu hier S. 321, den Kommentar zu »Jnfinitum« in [S0a]. [19] Zur trinitarischen Deutung der drei oberen Sefirot in der christlichen Kabbala s. hier S. 118. »von sich gleichmäßig dem Sohn außgehend« spielt an auf das sog. Filioque, wonach der Hl. Geist seinen Ausgang (processus) nicht nur vom Vater nimmt, wie die Ostkirche betont, sondern auch vom Sohn. Auf dogmatische Feinheiten der Trinitätslehre spielt Raith auch weiter unten an. Siehe »selbst=ständige« hier in Z. 101 u. den Kommentar dazu (mit Lit.). [20] Vokalisiert: !‫ כֶתֶר‬. Siehe den Kommentar zur Turris Antoniae und zu Oetingers Legende zum Riß bei ↑ a, hier S. 266, ferner S. 17ff.; s. a. den Titelkupfer zu Raithsy Predigt (s. Abb. 4; dazu in der Einleitung zum Kommentar, hier S. 254). [21] Das ist eine Anspielung auf den kabbalistischen Gottesname !‫ה‬ª‫ אֶהְי‬. Siehe den Kommentar zu !‫ אהיה‬in Strölins vier Kurzen Erklärungen zu den Sefirot, hier S. 321 a. B. [22] Offb 1,8. [23] Bei der Beschreibung des königlichen Amtes Christi (im Rahmen einer Ämter-Trias) verwendet Johann Gerhard diese Reiche-Trias; s. Gerhard, 1863, Locus IV., § 321, S. 602, u. bes. § 324, S. 603: Officium Christi regium est, quo Christus θεάνθρωπος omnia in coelo ac terra gubernat ac imprimis ecclesiam suam adversus hostes tuetur. Regnum illud Christi consideratur vel in hac vel in futura vita. In hac vita dicitur regnum potentiae vel gratiae. Regnum potentiae est generale dominium super omnia [...]. Gratiae regnum est specialis operatio gratiae in ecclesia [...]. [...] In altera vita dicitur regnum gloriae, quod conspicietur in resuscitatione mortuorum et universali judicio ejusque exsecutione [...].

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5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

Andere lutherische Theologen des 17. Jh.s greifen das gerne auf, so auch Raith.13 [24] Zum Paradiesvogel s. hier S. 134. [25] Das meint ›eingesessener‹. [26] ›Heilig‹ (!‫ )קָדֹוׁש‬wird in Jes 6,3 dreimal akklamatorisch gebraucht und dann samt Kontext in christliche Glaubensbekenntnisse und gottesdienstliche Formulare integriert. Raith zitiert die in den lutherischen Kirchen lange Zeit gebräuchliche Eindeutschung des »Te deum laudamus«. Siehe Luther: Die drei Symbola oder Bekenntnis des Glaubens Christi (1538), WA 50,255–283, 265f. [27] Siehe Jes 6,1; Dan 7,1; Offb 1,1. [28] Siehe ↑ 3–5 auf der Lehrtafel und in der Turris Antoniae. Die konkrete Formulierung Raiths macht wahrscheinlich, daß er die Pictura docens kannte. Siehe Pictura docens, Z. 45: »Quorum Candidissimi testes, dudum Candidati dubium omne eximunt.« Siehe ferner hier S. 251. [29] Siehe »Sig=Zeichen« unten S. 7, hier S. 248. [30] Vokalisiert: !‫מָה‬Çָ‫ ח‬. Siehe den Kommentar zur Turris Antoniae und zu Oetingers Legende zum Riß bei ↑ b, hier S. 266, ferner S. 17ff. [31] »Cimmet« meint ›Zimt‹. Nach dem Physiologus sammelt Phönix Gewürze in seinem Gefieder. Siehe Physiologus Graecus, 7,5f. (ed. Sbordone); Physiologus, 1980, S. 18–20. [32] Das ist eine Anspielung auf die Drei-Hypostasen-Lehre, einen wichtigen Bestandteil der christlichen Trinitätstheologie. Der Sohn und der Heilige Geist sind zwar »wesenseins« mit dem Vater, haben als »Hypostasen« bzw. »Personen« aber zugleich eine Selbst- oder Eigenständigkeit. Siehe bes. das in die lutherischen Bekenntnisschriften aufgenommene Symbolum Athanasianum (BSLK, S. 28–30) u. die Darstellung im zeitgenössisch maßgeblichen Lehrbuch im lutherischen Württemberg (Hafenreffer, 1603, S. 44–77). Siehe auch hier

13

Siehe die Nachweise bei Schmid, 1979, § 37; ferner die gesamt-trinitarische Entfaltung in Deutschmann/Pilarik, 1695. Beide Triaden sind schon vor Gerhard nachweisbar. Zur ÄmterTrias s. Calvin: Institutiones von 1559, Buch 2, Kap. 15 (Opera, ed. Barth / Niesel, Bd. 3, 472f.), dazu kurz Rohls, 1997, S. 75; zu den Reichen s. bereits die Definition bei Hugo von St. Victor (?): Miscellanea, lib. 5, tit. 85 (De triplicis regni aquisitione), a. B.; MPL 177,797 B–C: »Primum quaerite regnum Dei et justitiam ejus (Matth. VI). Triplex est regnum, potentiae, gratiae, gloriae. De primo dicitur: Regnum tuum regnum omnium saeculorum (Psal. CXLIV). De secundo: Regnum Dei intra vos est (Luc. XVII). De tertio: Regnum meum non est de hoc mundo (Joan. XVIII). Regnum potentiae est in omni creatura, regnum gratiae in praesenti Ecclesia, regnum gloriae in vita aeterna.« Altenstaig verzeichnet diese Trias allerdings nicht, listet aber ihre Bestandteile in einer längeren Bedeutungsreihe mit auf; anstatt »regnum potentiae« heißt das erste Reich bei ihm aber »regnum Dei universale« (Art. »Regnum Dei«. In: Altenstaig, 1576, S. 278r-v, r ).

5.1 Raiths Teinacher Einweihungspredigt

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S. 133ff. Zur Identifizierung des Sohnes mit der bereits im AT personifizierten Weisheit äußert sich Raith im Folgenden unter Verweis auf Spr 8 und Weish 11. [33] Im Sinne von ›Maßkrüglein‹. Möglicherweise ist »Cäntlein« Druckfehler für »Cän(n)lein«. Siehe zu dieser Fehldeutung hier S. 127 (Anm.). [34] ›Das Maß (zu bewahren) in allen Dingen (ist) das beste.‹ Die von Raith zitierte Überlieferung schreibt diesen Ausspruch Kleobulos von Lindos zu (6. Jh. v. Chr.). Siehe Ausonius Ludus septem sapientium 67f. (ed. Green): »῎Αρισvτον μέτρον esse dixit Lindius | Cleobulus, hoc est ›optimus cunctis modus.‹«; ferner auch Weise, 1971, S. 102f. Auffällig ist die inhaltliche Nähe zu Hesiodos Erga 694 (edd. Merkelbach/West): »μέτρα ϕυλάσvσvεσvθαι · καιρὸς δ’ ἐπὶ πᾶσvιν ἄρισvτος.«. [35] Vokalisiert: !‫ה‬É‫ ּבִי‬. Siehe den Kommentar zur Turris Antoniae und zu Oetingers Legende zum Riß bei ↑ c, hier S. 266, ferner S. 17ff. [36] Raith denkt bei »Königin« an das lateinische ›aquila‹, das weiblichen Geschlechts ist. [37] Raith meint den aramäischen (›chaldäischen‹ nach frühneuzeitlicher Terminologie) Targum Jeruschalmi, den der Leser z. B. bei Walton, 1657, nachlesen konnte, in lat. Übersetzung bei Johann Gerhard (Gerhard, 1693, S. 11): »Targum Hieros. Spiritus misericordiarum seu gratiae flabat super facies aquarum.« Zu den Targumim (›Übersetzungen, Erklärungen‹, entstanden zw. 200 v. bis 800 n. Chr.) in der zeitgenössischen hebraistischen Ausbildung s. jetzt Gruhl, 2011, bes. S. 282, 292 u. 297. [38] Vokalisiert: !‫ ּגžדּולָה‬u. !‫ חֶסֶד‬. Siehe den Kommentar zur Turris Antoniae und zu Oetingers Legende zum Riß bei ↑ d, hier S. 266, u. S. 17ff. [39] Vokalisiert: !‫ ּגžבּור´ה‬. Siehe den Kommentar zur Turris Antoniae und zu Oetingers ikonographischer Legende zu ↑ e, hier S. 266, u. S. 17ff. [40] ›Zügel‹ in heutigem Deutsch. [41] Siehe dazu hier S. 140 u. 151. [42] Das meint ›Auswirkungen, Folgen‹. [43] Vokalisiert: !‫ ּתִפְאֶר«ת‬. Siehe den Kommentar zur Turris Antoniae und zu Oetingers Legende zum Riß bei ↑ f, hier S. 266, ferner S. 17ff. [44] Bei »einen Kind« dürfte es sich um einen Druckfehler handeln. Zwar ist ein mittelhochdeutscher Gebrauch von ›Kind‹ im männlichen Geschlecht ausreichend belegbar (für Personen, die nach dem natürlichen Geschlecht männlich sind),14 nicht aber ein frühneuhochdeutscher.15 [45] Das meint ›Henne‹. 14

15

Siehe Lexer, Bd. 1, Sp. 1575, s. v. kint: »vom sohne auch m. (vgl. barn)«; ferner Müller/Zarncke, Bd. 1, s. v. »kint«, S. 817a; DWB, Bd. 11, Sp. 707–727, bes. 713 unter 4,a. Siehe FWB, Bd. 8, Lfg. 2 (2003, Vibeke Winge), S. 902–911.

260

5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

Gemeint ist das Ausschlüpfen. Siehe dazu hier S. 170. [48] ›Heilig dem HERRN‹; s. !‫ה‬³‫ קֹד«ׁש לַיהו‬in Ex 28,36. [49] ›Ich gedenke‹ (!‫ ;)אזכרה‬s. !‫ אֶזžּכְר´ה‬in Ps 42,5; 77,4.7. [50] Das meint ›Augenzeugen‹. [51] Vokalisiert: !‫צַח‬ª‫ נ‬. Siehe den Kommentar zur Turris Antoniae und zu Oetingers Legende zum Riß bei ↑ g, hier S. 17, ferner 266. [52] »Zeug« ist hier männlichen Geschlechts. Siehe den Art. »zeug«. In: DWB, Bd. 31, Sp. 825–837, a. B. [53] »Zeug« ist hier männlichen Geschlechts. Siehe den Art. »zeug«. In: DWB, Bd. 31, Sp. 825–837, a. B. [54] Vokalisiert: !‫הֹוד‬. Siehe den Kommentar zur Turris Antoniae und zu Oetingers Legende zum Riß bei ↑ h, hier S. 266, ferner S. 17ff. [55] Betz, 2013, S. 67, assoziiert dieses Attribut der 8. Sefira, das auf der Lehrtafel nicht erscheint, mit der Hindin, die auf Pos. ↑ 60a zu sehen ist, der »cerva matutina« der Turris Antoniae (s. hier S. 269 und den Kommentar dazu). [56] Siehe Pos. ↑ 9 und Offb 12,1f. (Luther, 1545): »1 Vnd es erschein ein gros zeichen im himel / Ein Weib mit der Sonnen bekleidet / vnd der Mond vnter jren Füssen / vnd auff jrem Heubt eine Krone von zwelff sternen. 2 Vnd sie war schwanger / vnd schrey / vnd war in Kindesnöten / vnd hatte grosse qual zur Geburt.« [57] Raiths Verständnis als Sinnbild seelischer Unerschütterlichkeit findet sich auch in Strölins Turris Antoniae. Siehe dort das Attribut »immota«. Siehe hier S. 266 den Kommentar zu ↑ i sowie bes. S. 164. [58] ›Erhebet eure Herzen‹. Siehe etwa Cyprian De oratione dominica, cap. XXXI.; MPL 4,539 B: [46] [47]

Quando autem stamus ad orationem, fratres dilectissimi, vigilare et incumbere ad preces toto corde debemus. Cogitatio omnis carnalis et saecularis abscedat, nec quicquam tunc animus quam id solum cogitet quod precatur. Ideo et sacerdos, ante orationem praefatione praemissa, parat fratrum mentes dicendo: Sursum corda; ut, dum respondet plebs, Habemus ad Dominum, admoneatur nihil aliud se quam Dominum cogitare debere.

Siehe auch Jean Mabillon De liturgia Gallicana, cap. V., § 15; MPL 72,136 D; Luther Formula missae et communionis (1523); WA 12,212. [59] Vokalisiert: !‫ יžסֹוד‬. Zum frühneuzeitlichen Verständnis der so bezeichneten 9. kabbalistischen Sefira s. hier S. 266 den Kommentar zu ↑ i sowie S. 17. Nach der Marginalie auf Hebr 11 (s. den Apparat) bezieht sich Raith mit seinem Hinweis auf ein christliches Verständnis von ›Fundament‹ auf die Charakterisierung des Glaubens als ὑπόσvτασvις (wörtl. ›Grundlage, Basis‹; vgl. Scapula, 1652, s. v. ῾Υπόσvτασvις, S. 670: »subsistentia, res subsistens«) in Hebr 11,1.

5.1 Raiths Teinacher Einweihungspredigt

261

Siehe dazu hier S. 247. Vgl. die 3. und 4. Strophe des Weihnachtslieds In dulci jubilo. Siehe Wackernagel, Bd. 3 (1870), Nr. 1075, S. 910f.; Wunderhorn, 2009, S. 51–59 (Hermann Kurzke). [62] Damit spielt Raith wohl auf die übliche hebräische Bezeichnung dieser Sefira an, !‫›( מַלְּכּות‬Königsherrschaft‹). Siehe den Kommentar zu Oetingers Legende, zu Pos. ↑ k, hier S. 266. [63] Siehe »Sig=Zeichen« unten S. 3, hier S. 242. [64] Siehe auf der Lehrtafel die Pos. ↑ 89a–e; dazu hier S. 266, 138–141 u. 157. Siehe dazu und bes. auch zu Christus (↑ k) als der Quelle hier S. 158. [65] Das ist die übliche Rechtfertigung des Studiums der Kabbala für christliche Theologen. Siehe dazu hier das 2. Kapitel der ersten Studie (S. 5); ferner Schickard, 1624, S. 101f.: [60] [61]

[...] Cabalam non alio fine cognoscimus, quàm ut eâ contra Judaeos, harum nugarum admiratores maximos, utamur. Nescio enim an aliunde (ex propriis sc. suis Commentis,) fortius atque hinc refutari queant. nam nostrum certè Argumentandi genus, & Aristotelicos Syllogismos minus curant, quàm Elephantus, quod ajunt culicem: at una Cabalistica ratiocinatio pluris apud ipsos aestimatur, quàm universus Apodicticarum demonstrationum apparatus. Jaculemur ergò in hunc hostem tela, non quibus nos, sed ipsi vulnerabiles sunt.

Mit »harum nugarum« zielt Schickard hier besonders auf magische Praktiken, wie Amulette. Für die Ansicht, daß bei Juden eine Argumentation aus der Kabbala Wunder wirken könne, führt Schickard im Folgenden dann die Konversion des Ludovico Carreto an (s. zu ihm die folgende Anm.). Ohne Zweifel kannte Raith diese Stelle bei Schickard und hatte sie bei seiner Formulierung vor Augen.16 16

Denselben Tenor findet man zeitgenössisch etwa auch bei Steudner (ebenfalls ohne Nennung Schickards, aber mit Berufung auf weitere Gewährsmänner), dem Berater Antonias und Korrespondenten Strölins (siehe dazu hier S. 382). Siehe Steudner, 1665, S. [366]f. »Nach dem nun/ durch GOttes sonderbare Schickung/ zum Theil dergleichen Rabbinische Bücher mir sind in die Hände kommen/ darinnen ich die bißhero angezogene Zeugnuß befunden/ welche meines erachtens den jenigen so da auffschlagen und nachsuchen können oder wollen/ wol werden richtig erscheinen/ und den stich etwas besser halten/ als die durch gedachten Julium Conradum Ottonem angezogene/ als hab ich dieselbe nicht verhelen oder verbergen wollen/ sonderen zur wiederlegung der heutigen noch unglaubigen Juden/ und zur bestätigung unsers Christlichen Glaubens einfältiglich wollen fürtragen und an das Liecht geben/ Warzu [sic] mich neben anderen Ursachen auch sonderlich bewogen/ das gedachter Herr D. Müller in seinem Buch vom Judenthumb Part. 2. c. 10. von der Juden Büchern n. 8. gemeldet; Man findet auch in ihren Schrifften solche Dinge/ dardurch sie selber können eingetriben und widerleget/ und unsere Christliche Religion damit kan bekräfftiget werden. Und in den Prolegomenis von der Cabbala, p. 59. Wir Christen brauchen die Cabbalam fürnemlich darumb/ das wir die Juden damit überzeugen und reintreiben können/ als welche mit Cabbalistischen Speculationibus viel eher als mit hellen Gründen und Sprüchen der Schrifft/ können

262

5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

Todros ha-Kohen (ca. 1503–1553), alias Ludovico Carreto bzw. Ludovicus Carretus, entstammte einer spanisch-jüdischen Familie, die in Norditalien Zuflucht gefunden hatte, studierte Medizin, wurde 1550 Leibarzt von Papst Julius III. und konvertierte etwas später zum Christentum, was zu einer scharfen Kontroverse mit seinem Bruder, dem Arzt und Historiker Joseph ha-Kohen, führte. Carreto hat eine in Hebräisch und Latein parallel abgefaßte Verteidigung seiner Konversion drucken lassen (siehe Carreto, 1554). Auf diese Schrift spielt Raith (bzw. Schickard; s. die vorangehende Anm.) hier an. Carreto bedient sich zur Rechtfertigung weithin des damals üblichen Weges, nämlich eines Schriftbeweises zumal aus alttestamentlich-prophetischen Aussagen v. a. mittels kabbalistischer Auslegungsverfahren. Sechs Kontroversfragen zwischen Juden (speziell den Talmudgelehrten) und Christen werden so zugunsten der letzteren beantwortet. Auf die zehn kabbalistischen Sefirot kommt er zu sprechen, um das Recht der christliche Trinitätstheologie zu beweisen. Raiths Hinweis auf die Rolle der Gematrie meint wohl Carretos Ausführungen zum Mem clausum (gematrisch = 600) und seine Ausdeutung einer Privatvision mittels Zahlenspekulation.17 Siehe Carreto, 1554, Bl. C iiir-v und E iir bis G iijr . Zu Carreto siehe jetzt Jacobs, 2004, S. 82–108 (Lit.); Ruderman, 2010, S. 182 und Anm. 29. [67] Jungfernpergament wurde aus Häuten neu- oder ungeborener Lämmer und Kälber hergestellt und wurde als besonders feiner und reiner Beschreibstoff hoch gehandelt.18 Für die Anfertigung von Amuletten war er darum gerade gut genug,19 Mit seinem Hinweis auf Reuchlins angebliche magisch-abergläubische Anwendung der Kabbala ist Raith wahrscheinlich wiederum von Schickard abhängig bzw. einer entsprechenden Passage bei Reuchlin selbst.20 Strölin kannte sie und spielt auch in einem Exzerpt auf sie an.21 Aus ihr las[66]

17 18

19

20

21

gewonnen werden. Davon kan man lesen Ludovicum Carrer, einen Welschen/ im Buch de visionibus Dei, welcher zuvor ein Jude gewesen/ durch die Cabbalistische Meditationes aber von der H. Dreyfaltigkeit und dem HERRN Messia beweget worden/ der Göttlichen Lehr in H. Schrifft desto mehr beyfall zugeben.« Siehe dazu hier S. 82. Siehe Hofmann, 1698, Bd. 1, S. 44f., s. v. AMNION; Krünitz, Bd. 108 (Pastete - Pessots), s. v. Pergament, S. 446–448, bes. 447. Siehe HdA, Bd. 4, Art. »Johannisevangelium«, Sp. 731–733, bes. 731; speziell zu kabbalistischen Amuletten s. HdA, Bd. 4, Art. »Kabbala«, Sp. 897–906, bes. 902f (Jacoby). Siehe Schickard, 1624, S. 101: »Illud verò mihi mirum est, quòd & ipsum Reuchlinum, hominem in hisce literis alioquin ut peritissimum ità non minus autum, superstitio sic fascinavit, sicque dementavit, ut [...] decem Mosaici exordiri literas, è quinque priorum versuum extremitatibus [...] virgineaeque, hoc est, immaculatae membranae [...] inscriptas, ac vice Amuleti alicujus de collo suspensas, omnis generis pericula arcere posse crederet. Sed imputetur boni illius viri malo seculo, in varias superstitiones prono.« Schickard spielt damit offenbar an auf Reuchlin, 1517, S. LXXVIIv L. Siehe hier S. 359.

5.1 Raiths Teinacher Einweihungspredigt

263

sen sich jedoch nur mittels biographistischer Überinterpretation abergläubische Praktiken Reuchlins erschließen. Raith kolportiert demnach wohl nur ein Ressentiment in Anknüpfung an die frühneuzeitliche Kritik an der kabbalistischen Magie. Siehe dazu Kilcher, 1998, S. 190–193. [68] Zur Femininform s. den Art. »gedächtnis«. In: DWB, Bd. 4, Sp. 1927–1934, bes. 1927. [69] Raith bezieht sich auf !‫ מכבי‬als Notarikon: Es ist aus den Anfangsbuchstaben der ersten vier Worte von Ex 15,11 gebildet (!‫ה‬³‫ יžהו‬Mִ‫ה ּבָאֵל‬Èֹ‫מ‬ÈÊ‫‹ ; מִי‬HErr, wer ist dir gleich unter den Göttern?‹). Zum Notarikon als einer u. a. von Kabbalisten verwendeten Auslegungsmethode s. hier S. 83 (Anm.). [70] Gemeint ist das Pentagramm, das Reuchlin am Ende seiner Ars cabbalistica behandelt. Siehe Reuchlin, 2010, S. 540, u. hier S. 349; ferner den Index des HdA, Bd. 10 (1942), s. v. Drudenfuß und Pentagramm. [71] ›Honig im Mund, Lied im Ohr, Jubel im Herzen‹; s. Bernhard von Clairvaux Sermones in Cantica canticorum, Sermo XV,6 (MPL 183,847 A). [72] Gemeint ist der Hymnus Iesu dulcis memoria; s. MPL 184,1317f. An der Urheberschaft Bernhards bestehen kritische Zweifel. [73] ›meinen Engel‹ (!‫ ;)מַלְאָכִי‬s. Ex 23,23; 32,34. [74] ›Er freut/freue sich‹ (!‫מַח‬ ‫ׂש‬¢‫ ;)י‬s. Ps 21,1. [75] »Messiah« ist Umschrift für !‫ משיח‬und ein Anagramm von !‫ישמח‬, sofern man nur die Konsonanten der beiden hebräischen Wörter berücksichtigt. [76] = denn; s. den Art. »dann«. In: DWB, Bd. 2, Sp. 740–745, sub a. [77] Nach dem Kontext meint Raith nicht das hebräische !‫ּד¯י‬°‫›( ׁש‬allmächtig, der Allmächtige‹; s. Buxtorf, 1658, S. 338), sondern höchstwahrscheinlich das Partizip !‫י‬£‫ד‬µ‫( ׁש‬einer, der ausschüttet) des aramäischen Verbs !‫שדי‬. Siehe den Art. !‫ד´י‬ ‫ ׁש‬. In: Buxtorf, 1639, S. 2330. [78] Siehe dazu hier S. 11 mit weiteren Verweisen. [79] Siehe dazu hier S. 84. [80] Siehe auf der Lehrtafel das !‫ י‬auf dem Diamant-Edelstein oben an der überdimensionalen Krone sowie die in die Rubine auf dem Kronreif rechts und links geschnittenen hebräischen Worte !N‫הוא נת‬. Siehe dazu hier S. 83, ferner 284 (zu Z. 6 mit Anm.). !‫ הוא‬ist zugleich ein der 1. Sefira zugeordneter Gottesname. Siehe dazu hier S. 98, 132 u. 159, mit »Ille« übersetzt in Pictura docens, Z. 36. [81] Diese Formulierung Raiths macht wahrscheinlich, daß er die Pictura docens oder ihr deutsches Seitenstück kannte.22 22

Siehe Pictura docens, Z. 2362–2364: »Unum superest, | Quo insignias Nomine | Tùm Machinatricem, tùm Machinam.« Vgl. auch den Schluß von Schmidlins Demütiger Andacht (WLB Cod. hist. fol. 551, S. [43r ]; s. dazu hier S. 13, Anm. 45.

264

5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

›Lustgarten‹ ist spätestens seit Luthers Bibelübersetzung Äquivalent für ›Eden‹ und ›Paradies‹. Die vorliegende Formulierung erinnert aber besonders an eine Stelle in Osiander, 1650, Vorrede: [82]

Demnach/ als so viel Biblische Drucke nach Gottes Willen bißhero von uns vollführet/ und von vornemen gelehrten Leuten/ dißes Werck/ als ein recht himlischer Lustgarte [sic]/ hoch commendirt worden/ haben Wir Uns die Hoffnung gemacht/ wann es in einen Band/ auff billige taxa heraus gebracht/ und gedrucket werden könnte/ würde es ohn sonderen Nutzen nicht abgehen/ sondern als ein Opus verè Aureum, dergleichen im Christenthumb/ Deutscher Nation/ nie heraus kommen/ von männiglich in allen dreyen Ständen/ mit Nutz und Lust gelesen/ und im Nothfall/ an statt eines Außlegers oder Predigers selbst/ gebrauchet werden können.

Siehe Josephus Antiquitates 15,403,3 (ed. Niese); Josephus, 1899, Bd. 2, S. 360 (15,11,4). Raith behandelt »Baris« (βᾶρις) bei Josephus kontextgemäß als Eigennamen wie auch schon Flavius Josephus (Josephus, 1540, S. 418, lib. XV., cap. XIIII.): »Per latus autem aquilonis turris alta, angulosa, munita ualde fuerat, quam ante Herodem reges & sacerdotes generis Asamonaeorum construxerant, & Barin denominauerant, ut illic sacerdotalem stolam deponerent [...].« Andere frühneuzeitliche Übersetzer behandeln hier »Baris« als Appellativum im Sinne von ›Turm‹.23 [84] Das meint ›Ellen‹; s. DWB, Bd. 3, s. v. »ehle«, Sp. 52. Siehe Josephus Bell. Jud. 5,238,3 (ed. Niese); Josephus, 1963, S. 143 (5,5,8). [85] Siehe Josephus Bell. Jud. 5,243,3f.; Josephus, 1963, S. 145 (5,5,8). [86] Siehe Josephus Bell. Jud. 1,401,7; Josephus, 1959, S. 107 (1,21,1). [87] Siehe Josephus, 1617, S. 530 (Buch XVIII., Kap. VI.): »VJtellius [...] hat [...] den Bürgern [...] auch vergönnt/ das Priesterlich Kleyd sambt seinem Geschmuck im Tempel durch die Priester [...] zu verwahren. Dazumal aber lag es im Antonier Thurn [...] .« Vgl. Antiquitates 18,91,4; Josephus, 1899, S. 520 (18,4,3). Raiths Angabe »libr. 14« bzw. »lib. 14.« scheint andererseits fehlerhaft zu sein. Gemeint ist wohl die Erwähnung der Burg Antonia im – nach frühneuzeitlich üblicher Zählung – 14. Kapitel des 16. Buches der Antiquitates. Vgl. die oben im Kommentar zu »Baris« aufgelisteten Ausgaben und Fundorte. [88] Siehe dazu zeitgenössisch den Art. »PHAROS [2]«. In: Hofmann, 1698, Bd. 3, S. 701f. [89] Das ist ein bei Terentianus Maurus überlieferter Hexameter. Siehe Ders. De litteris, de syllabis, de metris v. 1286 (ed. Keil, innerhalb von: Grammatici Latini, Bd. 6. Leipzig 1874, S. 325–413). [83]

23

Siehe Liddell-Scott-Jones, s. v. βᾶρις, Nr. 2, S. 307); Josephus, 1559, S. 424 (»& turrim id uocauerunt«) und Josephus, 1617, S. 467 (»vnd es eynen Thurn genennet haben«).

5.1 Raiths Teinacher Einweihungspredigt

265

›Der HERR ist an besagtem Ort‹ (!‫ּמָה‬µ‫ֹה ׁש‬³‫)יžהו‬. Siehe das Tetragramm im Giebelfeld von Antonias Epitaphschrein (s. Abb. 1) [91] Möglicherweise ist Raiths Formulierung (»ineinander geflochtenen [...] Gängen«) angeregt durch »labyrintheis anfractibus« in einem kritischen Epigramm auf die Kabbala von Nikolaus Reusner in seiner Griphologia sive Sylvula Logogriphorum (in: Lauterbach, 1602, S. 85–211, 111–112). [92] Raith, geboren 1616, starb 1683. Ob er nach der Einweihung noch einmal nach Bad Teinach kam, ist mir nicht bekannt. [93] Das meint ›erhobenen‹. [90]

266

5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

5.2 Strölins und Oetingers Kurzbeschreibungen Textzeuge für die linke Spalte: die Beschriftung von WLB Cod. misc. 2° 24 (Turris Antoniae votiva; s. hier die Abb. 7 u. 8) = MS; für die mittlere und rechte Spalte: die dem in Kupfer gestochenen Riß beigegebene Legende in Oetinger, 1763, Faltblatt nach S. 430 (s. hier Abb. 5) = DR; s. a. Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 578f.; das Symbol ↑ von mir ergänzt

5

10

Turris ANTONIAE Votiva.[1]

Cabalistische Lehr=Tafel[2] , welche die Gelehrte Prinzeßin Antonia von Würtemberg | in dem berühmten Deinacher Baad in der Kirchen aufrichten laßen, worinnen die | 10. Abglänze oder Sephirot[3] , nemlich

1. | Veritas Patris.[grün] 2. | Sapientia Filij.[grün] 3. | Prudentia Spiritus S[ancti].[grün] 4. | Gratia.[grün] 5. | Justitia.[grün] 6. | Charitatis | Symbola.[grün] 7. | Victoria.[grün] 8. | Gloria.[grün] 9. | Sulamitis | immota.[grün] 10. | Christus Salutis | fons inexhaustus.[grün]

↑ a.) ↑ b.) ↑ c.) ↑ d.) ↑ e.) ↑ f.) ↑ g.) ↑ h.) ↑ i.) ↑ k.)

15

20

Seraphim.[rot] Elias. Rubus | Mose. Enoch. Michaelis Pugna.[rot] Agni Victoria.[rot]

die Krone,[4] die Weißheit,[5] der Verstand,[6] | die Ausbreitung,[7] die Stärcke,[8] die Schönheit,[9] der Sieg,[10] die Herrlichkeit[11] und | die Grund=Wurzel.[12] das Königreich.[13]

in Sinnbildern nebst vielen andern darauf ab= | ziehlenden Dingen vorgestellt worden. Erklärung der Zahlen der Lehr=Tafel ANTONIAE von oben herab.[14] ↑ 1) Die Crone des Reichs.[15] ↑ 2) Die 24. Aeltesten. ↑ ⟨2a⟩ ↑ 3) Elias mit dem Schwerdt. ↑ 4) Moses bey dem feurigen Busch. ↑ 5) Enoch mit einem Buch. ↑ 6) Die Schlacht und Sieg Michaels. ↑ 7) Das Lamm auf Zion.[16] ↑ 8) Die Herabstürtzung des Drachen.

2 a.) ] Offb 2,10 3,11 4,4 10 Pictura docens 8 53 524 3 b.) ] Spr 3,19 Pictura 59 525 4 c.) ] Spr 3,19 Pictura 59 525 5 d.) ] 1 Chr 29,11 Ex 34,6 Ps 36,6 Pictura 93 526 6 e.) ] 1 Chr 29,11 Ps 65,7 Pictura 94 526 7 f.) ] 1 Chr 29,11 Jes 43,14 Ps 96,6 527 Pictura 209 8 g.) ] 1 Chr 29,11 1 Sam 15,29 Pictura 364 528 9 h.) ] 1 Chr 29,11 Ps 104,1 Pictura 461 528 10 i.) ] Pictura 472 529 11 k.) ] 1 Chr 29,11 Ps 145,13 Pictura 494 531 15 1) ] Siehe oben ↑ a 16 2) ] Offb 5,8 11,16 19,4 Pictura 22 17 2a ] Jes 6,2 6 Pictura 535 18 3) ] 1 Kön 18,40 Pictura 45 181 1159 19 4) ] Ex 3,2 Pictura 892 102 20 5) ] Gen 4,17 5,22 Pictura 586 21 6) ] Offb 12,7 Pictura 117 22 7) ] Offb 4,8 5,6 Hebr 12,22 Pictura 22 172 1659 23 8) ] Offb 12,7 Pictura 118 10 i.) ] I.) DR (im Kupferstich des Risses steht ein kleines »i« ohne Punkt, was dann wohl als großes »I« mißdeutet wurde) 14 Erklärung . . . herab. ] im DR durch Schriftgröße hervorgehoben

5.2 Strölins und Oetingers Kurzbeschreibungen

267

↑ 9) ↑ 10) ↑ 11) ↑ 12) ↑ 13) ↑ 14) ↑ ⟨14a⟩ ↑ 15) ↑ 16) ↑ 17) ↑ 18) ↑ ⟨17a⟩ ↑ ⟨17b⟩ ↑ ⟨18a⟩ ↑ ⟨18b⟩ ↑ ⟨18c⟩ ↑ 19) ↑ 20) ↑ 21) ↑ ⟨21a⟩ ↑ 22) ↑ ⟨22a⟩ ↑ 23) ↑ ⟨23a⟩ ↑ ⟨23b⟩ ↑ 24) ↑ ⟨24a⟩ ↑ ⟨24b⟩ ↑ 25) ↑ 26) ↑ 27) ↑ ⟨27a⟩ ↑ ⟨27b⟩ ↑ 28) ↑ ⟨28a⟩ ↑ ⟨28b⟩

Die Menge der Heiligen um den Berg Zion. Lobende Engel. Engel mit Palm=Zweigen. GOtt mit den Heiligen, als Richter. Die Himmelfahrt JESU. Die Ausgiessung des Geistes.

25

30

35

40

45

50

55

Antiquus dierum.[rot] Ascensio Christi. Effusio Spiritus S[ancti]. 7. Oculi.[rot] 4. Rotae.[rot] 4. Animalia.[rot] Christus renitens. Magdalena pöenitens. 7. Stellae.[rot] Phöenix. 7. Linguae.[rot] Aquila. Paradisiaca.[20] Filij obedientis traditi incarnatio. Filij inobedientis perditi Susceptio. Benedicta inter mulieres. Gallina. Christus inter doctores. Par turturum. Columna Ignis. Emim prunivora.[21] Legis Maledictio.[rot][22] Navis Jonae. Onocrotalus.[24] Evangelij Consolatio.[rot] [25] Eliae Currus. Jonae Cetus. Socij Danielis in fornace. Pavo. Grus. Christus in Jordane. Ciconia. Haliaeetus.[26]

Ezechiels Räder. Ezechiels vier Thiere.[17] Verklärung JESU auf dem Berg.[18] Ein Weib wascht JESU die Füße.[19]

Die Geburt JESU. Der verlohrne Sohn. Der Engel bey Maria. JEsus lehrt im Tempel. Das Element des Feuers.

Das Element des Wassers.[23]

Eliä Himmelfahrt. Jonas vom Wallfisch verschlungen. Die drey Männer im Feuer=Ofen.

Die Tauffe JESU.

24 9) ] Offb 19,1 Pictura 22 536 1659 25 10) ] Pictura 11 97 1974 2293 27 12) ] Dan 7,9.14.22 Pictura 96 28 13) ] Mk 16,19 Lk 24,50 Apg 1,9 Pictura 429 29 14) ] Apg 2,3 Pictura 65 30 14a ] Sach 3,9 Offb 5,6 Pictura 64 31 15) ] Ez 1,16.19–21; 10,9f.16.19; 11,22 Dan 7,9 Pictura 99 32 16) ] Ez 1,5 Offb 4,6–9 Pictura 100 33 17) ] Mt 17,2 34 18) ] Lk 7,38 Pictura 1445 35 17a ] Offb 1,16 Pictura 65 36 17b ] Pictura 72 37 18a ] Pictura 65 Apg 2,3 38 18b ] Pictura 70 39 18c ] Pictura 61 40 19) ] Mt 1,18 Joh 1,14 Phil 2,6 Pictura 1428 41 20) ] Lk 15,11 Pictura 1459 42 21) ] Lk 1,28 Pictura 1418 43 21a ] Pictura 280 44 22) ] Lk 2,46 Pictura 300 45 22a ] Pictura 278 46 23) ] Ex 13,21 Pictura 216 1783 47 23a ] Pictura 124 48 23b ] Dtn 27 Pictura 553 2277 49 24) ] Jona 1,3 Pictura 239 1793 50 24a ] Pictura 125 51 24b ] Pictura 553 52 25) ] 2 Kön 2,11 Pictura 236 1159 53 26) ] Jona 2,1 Pictura 239 1323 54 27) ] Dan 3 Pictura 231 55 27a ] Pictura 123 56 27b ] Pictura 2255 57 28) ] Mt 3,13 Pictura 242 58 28a ] Pictura 2255 59 28b ] Pictura 152

268 60

65

70

75

80

85

5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

Salomonis Sapientia. Ahasveri Gratia. Jsaaci Ligatio. Melchisedeci Oblatio.

↑ 29) ↑ 30) ↑ 31) ↑ 32)

Agagus dissectus. Pelecanus.[rot] [28] Cetus confectus. Jacobi reducis Lucta.[rot] Solis statio.[rot] [29] Jacobi Exulis Scala.[rot] Mose Victoriam exorans. Manus ad parietem docens.

↑ 33) ↑ ⟨33a⟩ ↑ 34) ↑ 35) ↑ ⟨35a⟩ ↑ 36) ↑ 37) ↑ 38)

Gedeon ex olla fulgurans. Decapolis flagrans. Jsrael mare transiens.

↑ 39) ↑ 40) ↑ 41)

Gedeon aquae potu probans.

↑ 42)

Samaritana ad fontem discens.

↑ 43)

Arca undis innatans. Colossus Monarchicus.[rot] Angelus Apocalypticus.[rot] Sinai.[rot] Sion.[rot] Castra Israel.[rot] Desertum Juda.[34]

↑ 44) ↑ 45) ↑ 46) ↑ 47) ↑ 48) ↑ 49) ↑ ⟨49a⟩ ↑ 50) ↑ 51)

Salomonis weises Urtheil an den zwo | Huren. Esther kommt zum König Ahasveros. Abraham will seinen Sohn Isaac opffern. David bekommt auf seiner Flucht Schau= | Brodte zu essen.[27] Agag von Samuel zerhauen. Der junge Tobias von Raphael geführt. Jacob ringt mit GOtt. Jacob siehet im Traum die Himmels=Leiter. Sieg wider Amaleck. Belsazar wird eine Hand=Schrifft an die | Wand geschrieben. Gideons Sieg wider die Midianiter im | Lager. Loth wird von Abraham errettet.[30] Pharao und sein gantzes Heer ersauffen in | dem rothen Meer. Gideon erkennet aus dem Wasser=Lecken, | wer von den Kindern Jsrael mit ihm in den | Streit ziehen soll. JESUS redet bey dem Brunnen Sichar | mit der Samariterin. Die Arche Noa. Daniels Bild der Monarchien von Metall. Der Engel beschwört das ewige Evangelium. Der rauchende Berg Sinai.[31] Der Berg Sion.[32] Das Lager der Jsraeliten mit der Stiffts= | Hütte.[33] Die Stadt Jerusalem.[35] Der Engel mit dem Mühl=Stein in der | Offenbahrung.[36]

60 29) ] 1 Kön 3,16 Pictura 112 1051 61 30) ] Est 5 Pictura 1147 62 31) ] Gen 22 Pictura 621 63 32) ] Gen 14,18 Hebr 7,1; 1 Sam 21,7 Pictura 166 u. App. zu Pictura 1155 64 33) ] 1 Sam 15,33 Pictura 114 65 33a ] Pictura 282 66 34) ] Tob 6,6 Pictura 1151 67 35) ] Gen 32,23 Pictura 219 68 35a ] Jos 10,12 Pictura 383f. 69 36) ] Gen 28,12 Pictura 220 70 37) ] Ex 17,8 Pictura 132 71 38) ] Dan 5,5 Pictura 134 72 39) ] Ri 7,18 Pictura 137 73 40) ] Gen 19,24; 14,1–16 Pictura 140 74 41) ] Ex 14 Pictura 251 75 42) ] Ri 7,4 Pictura 375 76 43) ] Joh 4,7 Pictura 316 77 44) ] Gen 7,23 Pictura 244 78 45) ] Dan 2,31 Pictura 1893 79 46) ] Offb 10,1f. Pictura 287 80 47) ] Ex 19,18 Pictura 145 1821 81 48) ] Offb 14,1 Pictura 161 172 82 49) ] Ex 33,7 Pictura 881 2169 83 49a ] Jes 40 3 Mt 3,1 3 4,1 84 50) ] Pictura 2167 85 51) ] Offb 18,21 Pictura 449

63 David . . . essen ] Jacob usw. Himmels=Leiter. DR s. ↑ 36 David usw. essen DR s. ↑ 32

69 Jacob . . . Himmels=Leiter ]

5.2 Strölins und Oetingers Kurzbeschreibungen

90

95

100

105

110

Serpens aeneus. Velum scissum.[rot] Christus crucifixus. Johannes Bapt[ista]. Moses. Altare Thymiamatis.[rot] Josua. Paulus. Aaron Gemmatus.[rot] Protoplastorum vita decurtata. Cerva matutina.[39] Hiskiae vita prolongata.

↑ 52) ↑ 53) ↑ ⟨53a⟩[37] ↑ 54) ↑ 55) ↑ 56) ↑ ⟨56a⟩ ↑ 57) ↑ 58) ↑ 59) ↑ 60) ↑ ⟨60a⟩ ↑ 61)

Aeneum Labrum. Deus ex igne agnitus. Cöelum Manna manans. Simson aenigma exponens. Joseph somnium proponens. Christi Scyphus passionalis. Scyphus Josephi auguralis.

↑ ⟨61a⟩ ↑ 62) ↑ 63) ↑ 64) ↑ 65) ↑ 66) ↑ 67)

Canis Ulcera lingens.

↑ 68)

Samaritanus Vulnera ligans. Panis et potus Eliae. Panes et pisces Christi. Christus sepultus. Christi resurrectio. Filij Joseph benedicti. Mensa. Liberi à Christo benedicti.

↑ 69) ↑ 70) ↑ 71) ↑ 72) ↑ 73) ↑ 74) ↑ ⟨74a⟩ ↑ 75)

269

Der Engel mit dem ewigen Evangelio. Die eherne Schlange. JESUS der Gecreutzigte. Johannes der Vorgänger. Moses mit dem Gesetz. Josua. Paulus der Heyden Apostel. Aaron hinter dem Rauch=Altar.[38] Adam und Eva aus dem Paradiß ausge= | trieben. Hiskias empfindt[40] das Zeichen des zuruck ge= | henden Sonnen=Zeigers. Der GOtt Israel dem Elia mit Feuer ant= | wortet. Das Manna fällt vom Himmel.. Simson zerreißt einen Löwen. Joseph, der seine zween Träume vorträgt. Christi Kelch des Leydens am Oelberg. Der weissagende Becher Josephs in Benja= | mins Sack. Lazari Schwären werden von den Hunden | gelecket. Der barmhertzige Samariter. Elias wird vom Engel gespeißt. JESUS speiset das Volck in der Wüsten. Begräbniß JESU. Auferstehung JESU. Jakob segnet die zwey Söhne Josephs. JESUS hertzet die Kinder und segnet sie.

86 52) ] Offb 14,6 Pictura 162 287 553 87 53) ] Num 21,4 Joh 3,14 Pictura 200 88 53a ] Mt 27,51 Hebr 10,19f. Pictura 352 89 54) ] Mt 27,50 Pictura 199 90 55) ] Mt 3,1 Joh 3,23 Pictura 289 1408 91 56) ] Ex 31,18 Pictura 169 892 92 56a ] Ex 30,1 93 57) ] Num 11,28 Dtn 31,23 Pictura 382 926 94 58) ] Röm 11,13 Pictura 1552 1562 95 59) ] Ex 28,9 Pictura 346 941 96 60) ] Gen 3,24 Pictura 422 576 2151 97 60a ] Ps 22,1 Pictura 722 98 61) ] 2 Kön 20,8 Jes 38,7 Pictura 1124 99 61a ] Ex 30,18 Pictura 2253 100 62) ] 1 Kön 18,38 Pictura 1164 101 63) ] Ex 16,31 Num 11,6 Jos 5,12 Pictura 878 1034 1790 102 64) ] Ri 14,5 Pictura 394 103 65) ] Gen 37,5 Pictura 798 104 66) ] Mt 26,39 Pictura 324 105 67) ] Gen 44,2 Pictura 807 106 68) ] Lk 16,19 Pictura 684 107 69) ] Lk 10,25 Pictura 1494 108 70) ] 1 Kön 17,6 Pictura 2120 109 71) ] Mt 14 Pictura 2015 2119 110 72) ] Mt 27,57 Pictura 327 111 73) ] Mt 28,6 Pictura 425 1275 112 74) ] Gen 48,13 Pictura 507 113 74a ] Ex 25,30 Pictura 269 114 75) ] Mk 10,16 Pictura 306 2248 98 Sonnen=Zeigers ] Sonnen . Zeigers DR (Druckfehler) 100 Der . . . ant= | wortet. ] Das Manna usw. Himmel DR (Fehler; s. ↑ 63) 101 Das . . . Himmel ] Der GOtt usw. antwortet DR (s. ↑ 62)

270 115

120

125

130

135

140

5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

Candelabrum. Ex Lege consternatio. Agni Paschalis institutio.[rot] Ex Evangelio consolatio. Cöenae Dominicae Substitutio.[rot] Sabaea proponens. Magi.

↑ ⟨75a⟩ ↑ 76) ↑ ⟨76a⟩ ↑ 77) ↑ ⟨77a⟩ ↑ 78) ↑ 79)

Davidis Epinicion gloriosum. Alauda. Davidis Duellum Victoriosum. Luscinia. Arca à David introducta. Animalia. Christi Jngressus. Vegetabilia. Maria et Martha servientes. Ovis. Christus Bethaniae unctus.

↑ 80) ↑ ⟨80a⟩ ↑ 81) ↑ ⟨81a⟩ ↑ 82) ↑ ⟨82a⟩ ↑ 83) ↑ ⟨83a⟩ ↑ 84) ↑ ⟨84a⟩ ↑ 85)

Uva. Jacobus tumulatus.

↑ ⟨85a⟩ ↑ 86)

Lazarus resuscitatus. Jeremias. Daniel. Ezechiel. Esaias. Matthaeus. Johannes. Marcus. Lucas.

↑ 87) ↑ 88) ↑ 89)

Fluvius. Fluvius. Fluvius. Fluvius.

↑ ⟨89a⟩ ↑ ⟨89b⟩ ↑ ⟨89c⟩ ↑ ⟨89d⟩

XII. Prophetae Minores.[rot] XII. Apostoli.[rot]

↑ 90) ↑ 91)

Beschneidung. Das Kind JEsus wird in [!] Tempel gebracht. Die Königin aus Arabien kommt zu Salomo⟨.⟩ Die Weisen aus Morgenland kommen zu | Christo. Davids Sieg wird beneidet. David überwindet Goliath. David holet die Bunds=Lade heim. JESUS zieht in Jerusalem ein. Martha und Maria. JESUS wird von einem Weib gesalbt, und von Juda verrathen.[41] Jacob wird hinter die Höle Machpela be= | graben.[42] Lazarus geht aus dem Grab. Die vier grosse Propheten.[43] Die vier Evangelisten⟨.⟩

Die zwölff kleinen Propheten.[44] Die zwölff Apostel.[45]

115 75a ] Ex 25,31 Pictura 268 116 76) ] Lk 2,21 Pictura 295 553 117 76a ] Ex 12,3 Mt 26,18 Pictura 319 118 77) ] Lk 2,27 Pictura 553 119 77a ] Mt 26,27 Pictura 319 120 78) ] 1 Kön 10,1 Pictura 1056 121 79) ] Mt 2,1 Pictura 1429 1887 122 80) ] 1 Sam 18,6 Pictura 1019 124 81) ] 1 Sam 17,50 Pictura 1015 126 82) ] 2 Sam 6 Pictura 1029 128 83) ] Mt 21 Pictura 697 130 84) ] Lk 10,38 Pictura 1473 2247 131 84a ] Lk 15,6 Joh 10,12 132 85) ] Mt 26,7.46 Pictura 327 133 85a ] Num 13,23 Pictura 368 134 86) ] Gen 50,13 Pictura 644 135 87) ] Joh 11 Pictura 314 441 136 88) ] Pictura 1218–75 137 89) ] Pictura 1513–51 138 89a ] Pishon/Ganges Gen 2,11 Sir 24,34 Pictura 2192 139 89b ] Gichon/Nilus Gen 2,13 24,37 Pictura 2197 140 89c ] Chidekkel/Tigris Gen 2,14 Sir 24,35 Pictura 2201 141 89d ] Euphrates Gen 2,14 24,36 Pictura 2203 142 90) ] Pictura 1296–1361 143 91) ] Mt 10,2 Apg 1,26 Pictura 1552–1662

141 89d ] Pos. ↑ ⟨89e⟩ s. hier weiter unten, nach ↑ u.

271

5.2 Strölins und Oetingers Kurzbeschreibungen

145

Or[iens].[46] VER. Mer[idies]. AESTAS.

150

Occ[idens]. AUTUMNUS. Sept[entriones]. HYEMS.

155

Jsaschar. | Ijar. | Amethystus. | Taurus. | Ficus. Jehuda. | Nisan. | Rubinus. | Aries. | Cedrus. Sebulon. | Siwan. | Turcois. | Gemini. | Abies. Gad. | Elul. | Lyncurius. | Virgo. | Laurus. Ruben. | Tamus. | Sardius. | Cancer. | Cupressus. Simeon. | Ab. | Topazius. | Leo. | Salix. Benjamin. | Cislev. | Jaspis. | Sagittarius. | Amygdalus. Ephraim. | Tisri. | Smaragdus. | Libra. | Palma. Manasse. | Chesvan. | Onyx. | Scorpius. | Quercus. Aser. | Schevat. | Achates. | Aquarius. | Olea. Dan. | Tebeth. | Saphirus. | Capricornus. | Malus. Naphthali. | Adar. | Adamas. | Pisces. | M[alus]. Punica.

↑ q. ↑ o. ↑ p. ↑ s. ↑ l. ↑ m. ↑ y. ↑ x. ↑ n. ↑ t. ↑ r. ↑ u.

Jsaschar. Juda. | Sebulon. Gad. | Ruben. Simeon. Ben- | jamin. Joseph. Levi. Aser. Dan. Naphtali.

Von unten hinauf.[47] Anima | fidelis, ingrediens Hortum Dei.[rot]

↑ ⟨89e⟩

Am Ende des Gartens Neuen Testaments | siehet eine Schülerin JESU voll Glauben, Liebe | und Hoffnung[48] hindurch auf k als den König, | JEsum, in welchem alle Abgläntze GOttes[49] zu= | sammen gefaßt seynd. Sie siehet sich als einen | Theil der Gemeine GOttes an, welche unter | l biß y vorgebildet ist. Aus JESU siehet sie | in die Quellen der GOttheit, Psal. 87,7. als in | die Herrlichkeit GOttes und Christi, welche da in | den sieben Geistern d biß k aus der Dreyeinig= | keit a. b. c. ausgeht. Diese Quellen siehet sie | an als den Ursprung aller verschiedenen Arten | und Geschlechter der Geschöpffe, und beschauet | an den Geschöpffen die Unsichtbarkeiten GOttes | mit Loben und Dancken. Eben so übet sie sich die | Geschichte Heil[iger]. Schrifft nach dem 414. Blatt | des Buchs,[50] in solche Classen zu theilen,[51] und alle | diese mit Zahlen bezeichnete Dinge in einem | Punct des Hertzens im Geist JESU zusammen | zu ziehen.

144 q. ] Gen 49,14 Num 1,28 Pictura 764 769 1870 1871 2063 2088 2266 145 o. ] Gen 49,8 Num 1,26 Pictura 685 701 1846 1848 2062 2087 2265 146 p. ] Gen 49,13 Num 1,30 Pictura 778 789 1872 1873 2064 2088 2267 147 s. ] Gen 49,19 Num 1,24 Pictura 727 734 1861 1862 2067 2093 2266 148 l. ] Gen 49,3 Num 1,20 Pictura 649 664 1835 1836 2065 2092 2268 149 m. ] Gen 49,5 Num 1,6 Pictura 666 676 1837 1838 2066 2093 2268 150 y. ] Gen 49,27 Num 1,36 Pictura 847 856 1877 2070 2090 2268 151 x. ] Gen 48,14 Pictura 813 821 2068 2089 2267; Gen 49,22 Num 1,32 Pictura 792 1875 152 n. ] Gen 48,14 Num 1,34 Pictura 666 833 1842 2069 2090; Gen 49,5 Num 1,47 Pictura 830 2267 153 t. ] Gen 49,20 Num 1,40 Pictura 753 755 1867 1868 2080 2095 2265 154 r. ] Gen 49,16 Num 1,38 Pictura 705 712 1851 1852 2075f. 2094 2265 155 u. ] Gen 49,21 Num 1,42 Pictura 717 720 1854 1855 2081 2095 2266 157 89e ] Pictura 2150 159 JEsum ] Pictura 2181 147 Mer[idies]. ] Knapp darüber und zugleich über der Kreislinie steht im MS in blasserer Tinte noch einmal Mer[idies]. Es handelt sich wohl nicht um eine verworfene Anordnungsvariante (die anderen vier Himmelsrichtungsangaben stehen im Kreisinnern), sondern um die Glosse eines späteren Lesers (wohl mit Bleistift; beachte die abweichende, modern anmutende Schreibung von M, r und d). 147 Gad. ] Die Namen der zwölf Stammesfürsten sind im MS sämtlich durch größere Schrift und rote Tinte hervorgehoben. 156 Von unten hinauf. ] im DR durch Schriftgröße hervorgehoben

272

5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

Kommentar Strölins Turris Antoniae votiva (s. Abb. 7; von mir schematisiert Abb. 8) und der Riß in Oetingers Buch zur Lehrtafel (s. Abb. 5) sind im monographischen Teil bereits ausführlich behandelt worden.24 Auch die seit der Neuausgabe von Oetingers Werken im 19. Jahrhundert übliche Darbietungsform des Risses (s. Abb. 6) sowie die korrigierend-modernisierenden Eingriffe in die beigegebene Legende kamen dabei zur Sprache.25 Die Transkription der Legende in der kritischen Oetinger-Ausgabe enthält sich zwar solcher Modernisierungen, läßt aber manche Wünsche an eine kritische Edition offen.26 Die ikonographischen Kurzbeschreibungen der Turris und des Risses werden hier einander tabellarisch gegenübergestellt. In der Beschriftung der Turris (hier die linke Spalte) verwendet Strölin zur Hervorhebung rote oder grüne Tinte; das wird hier jeweils am Zeilenende notiert in der Form [Farbwert] . Im Kupferstich des Risses erscheinen neben den referenzierenden Buchstaben und Zahlen eine Reihe von Beschriftungen.27 Die übrigen Angaben findet der Le24

25

26

27

Siehe oben bes. S. 9, 33, u. 35. Nach der dort gegebenen Analyse hat Oetinger nicht einfach eine dem Riß beizufügende, fertige ikonographische Legende Klemms und Knoderers übernommen oder nur redaktionell für den Kupferstich vorbereitet, sondern einen mindestens beachtlichen Anteil an ihrer endgültigen Formulierung gehabt. Darum wird er im Folgenden der Einfachheit halber als Autor behandelt, zumal klare Angaben über eine eventuelle Autorenschaft Klemms und Knoderers für den Text der Legende fehlen. Die einschlägige Stelle in Klemms Brief (s. hier S. 9) kann so gelesen werden, als überlasse Klemm Oetinger die Formulierung einer Beschreibung in Gänze. Zu jenen Elementen der Sefirotbeschreibung, die auf Oetingers ureigene Sefirotauffassung zurückgehen, s. die gegebene Analyse der Beschreibungen für die 4., 5. und auch 9. Sefira (hier S. 18), ferner den Nachweis zur Berücksichtigung der Pictura docens, welche samt weiteren Dokumenten Oetinger erst während des Druckes zugänglich wurde (s. hier S. 30). Siehe Oetinger, 1858, nach S. 398, und dazu hier S. 10. Es hat sich zumal eingebürgert, in der Legende die Sefirot-Bezeichnungen Oetingers so umzuformulieren, daß die trinitarische und christologische Deutung der ersten drei Sefirot sowie der zehnten auf der Lehrtafel deutlich zum Zuge kommt. Siehe v. a. Benz, 1958 (Faltblatt) u. Betz, 2013, S. 104. Zur trinitarischen und christologischen Deutung s. hier S. 120, 127 u. 158. Siehe Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 577–579. S. 577 wurde »I.)« als Bezeichnung der 9. Sefira stillschweigend in »i.)« korrigiert; S. 578 steht »Herabstürzung« statt »Herabstürtzung«; S. 579 wurde »Sonnen . Zeigers« stillschweigend in »Sonnen-Zeigers« korrigiert, »Jsaschar« in »Isaschar« geändert; im Text nicht korrigiert wurde hingegen die fehlerhafte Vertauschung der Legenden zu ↑ 32 und ↑ 36 sowie zu ↑ 62 und ↑ 63 (s. hier den App. sowie Benz, 1958, Beilage, und Betz, 2013, S. 104). Vor allem Otto u. Isolde Betz haben nach Erscheinen besagter Transkription bereits auch mehrere ikonographische Fehler Oetingers berichtigt, der eine Edition jetzt Rechnung tragen muß. Siehe hier bes. den Kommentar zu ↑ 32, S. 268, und zu ↑ 85, S. 289; s. auch den Kommentar zum Kurtzen Begriff Oetingers zu ↑ 24, hier S. 286. So werden die Beschriftungen der Krone auf Pos. ↑ 1 wiedergegeben: !‫( א‬fälschlich anstatt !‫) י‬ und !N‫( הוא! ש! נת‬s. dazu hier S. 83 u. 90, Anm. 274); ferner die in der Kabbala als Gottesnamen

5.2 Strölins und Oetingers Kurzbeschreibungen

273

ser bei ihm in einer Legende darunter (s. hier die rechte Spalte). Die Referenzierungen durch Buchstaben und Zahlen im Riß wurden in der vorliegenden Edition beibehalten und mit Blick auf die Turris nötigenfalls in ⟨⟩ ergänzt (s. hier die mittlere Spalte u. Abb. 8). Nicht aufgenommen wurden hier die Nummern »92« und »93«, welche sich auf die kleinen Innentafeln links und rechts von der Lehrtafel beziehen im geöffneten Teinacher Epitaphschrein.28 Strölins Turris gibt ihrerseits keinen Hinweis auf eine Existenz solcher Innentafeln oder gar eines Epitaphschreins. Neben der genauen typographischen Darbietung der Referenzierungen bei Oetinger (Punkt oder schließende Klammer oder beides) wird hier wie auch überall sonst einheitlich das Zeichen ↑ vorangestellt.29 In der direkten Gegenüberstellung zur Turris werden nunmehr auch Leistung und Grenzen von Oetingers ikonographischer Legende besser erkennbar. Offenbar aufgrund der Eile vermochte Oetinger nicht mehr, die ihm während des Druckes seines Buches plötzlich neu zugänglichen Dokumente angemessen auszuwerten. Das hatte vor allem für die Deutung des Zwölferkreises der Häupter Israels auf Pos. ↑ n und x sowie die Beschreibung der Positionen ↑ 40 und 85 negative Folgen.30 Die Gegenüberstellung hat aber auch einen Erkenntniswert für den Charakter der Turris im Unterschied zu Oetingers Legende: Die Turris bietet keine schlichte Prosa, sondern zeigt vielfach einen bewußten Einsatz von Klang und

28

29

30

interpretierten Personalpronomen !‫ הוא‬bei der 1. Sefira, !‫ אתה‬bei der 6. und !‫ אני‬bei der 10. (s. hier S. 321 unter [S1] die Anm. zu »Jlle« und unter [S10] die Anm. zu »Ego«, auch unter [S6] !‫אַּתָה‬, »Tu« und »Du«, ferner S. 98, 132, 159 u. 241); zu Paulus’ Füßen auf Pos. ↑ 58 eine Schrifttafel, auf der steht »Gal. II.« und »Eph. III.« (s. dazu Betz, 2013, S. 69f.); zu den hebräischen Worten auf den Schriftrollen in den Händen Jesajas und Jeremias auf Pos. ↑ 88 s. noch einmal Betz, 2013, S. 59f.); auf den Sockeln der beiden Säulen vor dem Tempelgebäude stehen deren hebräische Namen !N‫ יכי‬und !‫ בעז‬, »Jachin« und »Boas« (s. hier S. 151 u. 289); schließlich ist das Herz in der rechten der »anima fidelis« auf Pos. 89e mit einem hebräischen Jod triplex als Hinweis auf den dreieinen Gott als Objekt des Liebesaffektes gekennzeichnet (s. hier S. 321 unter [S1] die Anm. zu »Jod triplex«). Hier der Wortlaut der Legende in Oetinger, 1763 (s. Abb. 5): »92) und 93. Siehe pag. 11, wo es an statt 80. 92. und an statt 81. 93. heissen soll.« Auf Seite 11 von Oetingers Werk werden die kleinen Innentafeln behandelt (Oetinger, 1763, S. 11; Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 85); s. dazu hier S. 3, 48 u. 177. Auch in der vereinfachten Darbietungsform des Risses wurden diese beiden Referenzierungen übergangen (s. Abb. 6; s. a. hier S. 9f.). Siehe hier die mittlere Spalte und auch die »Technischen Hinweise« am Buchschluß. Bei der Verortung der Referenzierungen in diesem Schema habe ich gewisse Abweichungen zwischen Lehrtafel, Turris und Oetinger zur leichteren Orientierung für den Leser in Kauf genommen. Siehe vor allem die Setzung von ↑ 48 und 50–52 sowie die doppelte Vergabe von ↑ 49 und hier den Kommentar dazu. Siehe dazu die monographischen Darstellung hier S. 12, 14, 33 u. 187 sowie hier den Kommentar zu Pos. ↑ 40 u. 85, aber auch zu 32; ferner auch die Einleitung des Kommentars zum Kurtzen Begriff, hier S. 284, mit weiteren Hinweisen.

274

5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

Rhythmus, der zu einem Vergleich mit dem arguten Stil von Schmidlins Pictura docens einlädt. Keine der drei alten stichwortartigen Beschreibungen (Turris, Oetingers Riß und Oetingers Kurtzer Begriff ) bietet im übrigen eine erschöpfende ikonographische Beschreibung der Lehrtafel. Das lag nicht in ihrer Absicht. Auch die Pictura docens beansprucht das nicht.31 Vollständigkeit kann auch der folgende Einzelkommentar nicht beanspruchen. Sofern es sich um bloße Stellenangaben handelt, werden Bezüge zur Bibel und zur Pictura docens in einem ersten Apparat jeweils unter der Transkription vermerkt. Zur Bezeichnung der Lehrtafel als »turris« (›hoher Bau‹) s. Pictura docens, Z. 2346 u. 2379; s. a. ihre provisorische Titulierung »Encyclopaedia | Turris Antoniae | erectae« (Schmidlin, 2007, S. 2, App. zu Z. 12; s. a. Z. 20 u. 22); s. a. hebr. !‫ מִגžּד¯ל‬in Antonias Einweihungsgebet.32 Sehr wahrscheinlich weist »votiva« darauf hin, daß die Lehrtafel schon zur Zeit ihrer Entstehung als Weihegabe für einen öffentlichen Sakralraum gedacht war. Siehe dazu hier S. 35. [2] Zum Ausdruck »Lehr=Tafel« s. hier S. 46. Die Kennzeichnung als »Cabalistisch« bezieht sich hier auf die zentrale Darstellung der Sefirot auf der Lehrtafel und ordnet sie der Kabbala zu. Zur Kabbala s. die oben, S. 17 (Anm.), genannte Literatur, speziell zur christlichen Kabbala S. 118 (Anm.). [3] Zur Übersetzung »Abglänze« s. Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 85, Z. 17, u. die Erläuterung in Oetinger, 1999, s. v. »Abglanz, Apaugasma. Hebr. 1,3.«, S. 15f.; ferner Betz, 1999, S. 17f., u. hier im Kommentar zu !‫ עֶׂש¬ר סְפִירֹות ּבְלִימָה‬in der lat. Erklärung, hier S. 321, Z. 6. Oetinger verwendet daneben auch das quell[1]

31

32

Ein Beispiel: Unter den Tieren, die die Turris und Oetingers Riß für die Lehrtafel benennen, fehlen Schwalbe und Taube (s. auf der Lehrtafel ganz außen auf dem Giebel des Tempels nahe ↑ 19 u. 20; s. auch Pictura, Z. 2255, u. Oetingers Kurtzen Begriff, hier S. 285, Z. 49 mit Anm.). Siehe zu diesen beiden Vögeln Betz, 2013, S. 88. Betz gibt ebd. auch zum Verständnis den entscheidenden Hinweis auf Jer 8,7 in der Fassung Luthers »EJn Storck vnter dem Himel weis seine zeit/ ein Dorteltaube/ Kranich vnd Schwalbe mercken jre zeit/ wenn sie widerkomen sollen/ Aber mein Volck wil das Recht des HERRN nicht wissen.«(Luther, 1545, Bd. 2, S. 1288; in der Vulgata steht »Milvus« (Weihe), statt »Grus« (Kranich); zum Kranich s. ↑ 27b auf der Lehrtafel und der Turris. Nicht überall ist Oetingers Vorgehen verständlich. Warum ließ er in der Beschreibung zum Riß wie auch in seinem Kurtzen Begriff beispielsweise den Paradiesvogel fort, den Turris (s. hier zu ↑ 18c), Pictura docens, Z. 61, Raith (s. hier S. 241) und auch er selbst anderswo verzeichnen? Siehe Oetingers Brief in Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 95, Z. 30f. Oder warum verzeichnet zwar die Beschreibung zum Riß die Räder und vier Tiere aus Ezechiels Thronvision (s. zu ↑ 15 u. 16), Oetingers Kurtzer Begriff (s. S. 284) hingegen nicht? Ist wieder einmal Oetingers Eile in der letzten Phase der Drucklegung für solche Inkonsequenzen verantwortlich? Gruhl/Morgenstern, 2006, S. 114 oben; ebd. wird die Lehrtafel auch als !‫ית‬¢‫( תַבְנ‬Bild) bezeichnet (S. 118; s. a. den Kommentar, S. 119).

5.2 Strölins und Oetingers Kurzbeschreibungen

275

metaphorische »Ausgänge« oder »Ausflüsse« (s. etwa Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 85, Z. 3; S. 91, Z. 6). Zum Typus der folgenden knappen Aufreihungen von einzelnen Schlagworten (Z. 2–11) zur Kennzeichnung der einzelnen Sefirot s. hier S. 13–28. Im Kommentar werden jeweils die wichtigsten Referenztexte für dieser Schlagworte angegeben. Durchgängig zu vergleichen sind Strölins vier Kurzen Erklärungen zu den Sefirot (s. dazu hier S. 108 sowie die Edition S. 321), welche Oetinger rezipiert und adaptiert hat (s. ebd. u. noch einmal S. 13). [4] Zur Turris Antoniae (linke Spalte) s. bes. Strölins vorwiegend latein. Erklärung zur 1. Sefira, hier S. 321, Z. 6f.: »Pater misericordiarum. | Veritas sigillum«. Zur trinitarischen Deutung der drei oberen Sefirot s. hier S. 118. »Krone« übersetzt das hebräische !‫ּכֶתֶר‬.33 [5] »Sapientia« und »Weißheit« sind Übersetzungen des hebräischen !‫מָה‬Çָ‫ ח‬.34 [6] »Prudentia« und »Verstand« sind Übersetzungen des hebräischen !‫ה‬É‫ ּבִי‬.35 [7] Siehe zu »Gratia« hier S. 142, zu »Ausbreitung« S. 18. [8] Die 5. Sefira wird zeitgenössisch unter dem Stichwort !‫»( ּגžבּור´ה‬Stärcke«) geführt,36 ferner unter !N‫י‬£‫›( ּד‬Gericht‹)37 oder auch !‫›( ּפַחַד‬Furcht‹).38 [9] Zur auffälligen Herausstellung der Charitas bei Strölin s. hier S. 170. Üblich ist hingegen »Schönheit« (hebr. !‫)תִפְאֶר«ת‬.39 33

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Siehe so auch Raith, 1673, S. 3, hier S. 241; Art. »Sephiroth«. In: Zedler, Bd. 37, Sp. 255–259, 255; »corona« in Reuchlin, 1996, S. 226; Reuchlin, 2010, S. 434 (s. a. 54); Gikatilla, 1516, S. [267v ] (Gikatilla, 1994, S. 229); Pistorius, 1587, S. 181; Buxtorf, 1708, S. 105; Alsted, 1630, S. 2273; Kircher, 1653, Blatt nach S. 288. Siehe neben Strölins lateinischer Erklärung (ebd., hier S. 322) Reuchlin, 1996, S. 222 u. 228; Reuchlin, 2010, S. 434; Gikatilla, 1516, ebd. (Pistorius, 1587, ebd.; Gikatilla, 1994, ebd.); Buxtorf, 1708, S. 105; Alsted, 1630, ebd.; Kircher, 1653, ebd.; Raith, 1673, ebd. (hier S. 242); Art. »Sephiroth«. In: Zedler, ebd. Siehe neben Strölins lateinischer Erklärung (ebd., hier S. 323) Reuchlin, 1996, S. 226; Reuchlin, 2010, S. 434; Gikatilla, 1516, ebd. (Pistorius, 1587, ebd.; Gikatilla, 1994, ebd.); Alsted, 1630, ebd.; Kircher, 1653, ebd.; Raith, 1673, ebd. (hier S. 242); Buxtorf, 1708, ebd.; Art. »Sephiroth«. In: Zedler, ebd. Siehe »fortitudo« in Reuchlin, 1996, S. 228 u. 230; Gikatilla, 1516, ebd. (Pistorius, 1587, ebd.; Gikatilla, 1994, ebd.); Alsted, 1630, ebd.; »potentia« in Buxtorf, 1708, ebd.; Art. »Sephiroth«. In: Zedler, ebd.: »Macht«; »›gravitas‹ vel ›severitas‹« in Reuchlin, 2010, S. 434. Siehe Strölins Erklärung, ebd. (hier S. 325, Z. 77f.): »Mensu- | ra Judicii«; Raith, 1673, S. 4 (hier S. 243). Siehe Kircher, 1653, ebd.: »Timor«; vgl. Reuchlin, 1996, S. 230. Siehe auch die Aufzählung bei Agrippa, 1550, S. 371f.: »[...] quod est potentia, grauitas, fortitudo, securitas, iudicium: puniens per strages & bella: [...] uocatur etiam Pachad, quod est timor:« Siehe Reuchlin, 1996, S. 228; Gikatilla, 1516, ebd. (Pistorius, 1587, ebd.; Gikatilla, 1994, ebd.); Reuchlin, 2010, S. 434 (»ornatus«); Agrippa, 1550, S. 372: »hoc est ornatus, pulchritudo, gloria, uoluptas:« Siehe ferner Alsted, 1630, ebd.; Kircher, 1653, ebd.; Art. »Sephiroth«. In: Zedler, ebd. Buxtorf, 1708, S. 104, hat »Decor«.

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5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

Das entspricht dem hebräischen !‫צַח‬ª‫נ‬.40 Jeweils verschiedene Aspekte des hebräischen !‫ הֹוד‬nehmen die verschiedenen frühneuzeitlichen Übersetzungen in den Blick: Reuchlin, 1996, S. 228, bietet »Gloria« und – in christologischer Zuspitzung – Raith, 1673, S. 6, hier S. 246: »Deß Friden=Fürsten JEsu Ruff und Ruhm«. Zu »Herrlichkeit« vgl. »Maiestas« in Alsted, 1630, ebd., u. Buxtorf, 1708, ebd. »Preiß, Ruhm« bietet der Art. »Sephiroth«. In: Zedler, ebd.,41 »Honor« Kircher, 1653, ebd. [12] Zu »Sulamitis immota« auf der Turris s. die monographische Behandlung hier S. 164; zu »Grund=Wurtzel« bei Oetinger s. S. 22. [13] Oetingers »Königreich« verdeutscht die übliche Bezeichnung dieser Sefira, hebräisch !‫ מַלְּכּות‬.42 Zu »fons« als Übersetzung des hebräischen !‫ ּבְאֵר‬s. Gikatilla, 1516, S. [233r ]. Zur christologischen Deutung s. hier die monographische Behandlung S. 158, zur Gleichsetzung Christi mit einer Quelle bes. S. 159. [14] Siehe Z. 156 »von unten hinauf« und die Erwähnung im Inhaltsverzeichnis (Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 264). [15] Zur brautmystisch interpretierten Krönung Antonias auf der Außentafel des Teinacher Schreins und der korrespondierenden überdimensionalen Krone über Antonias Monogramm auf der Lehrtafel s. hier S. 2 u. 150. [16] Zur Zion-Darstellung s. auch hier den Komm. zu ↑ 50. [17] Siehe die 1. Sefira in Strölins vorwiegend lateinischer Erklärung zu den Sefirot, hier S. 321, Z. 9 u. den Kommentar dazu. [18] In der Pictura finde ich keine klare Anspielung auf diese Perikope. [19] Daß die hier von Strölin aufgegriffene, lange Zeit beliebte Identifikation von Maria Magdalena mit der Büßerin in Lk 7,38 sich bei einer kritischen Überprüfung als fraglich erweist (s. bes. zur frühneuzeitlichen Diskussion Reiser, 2007, S. 16f.), räumt jedenfalls Schmidlin andernorts ein (s. seinen Brief an Strölin vom 29. Mai 1662; WLB Cod. hist. fol. 551, S. [68r –70v ], [68v ]). Siehe auch Z. 33 in Oetingers Kurtzem Begriff (hier S. 285). [10] [11]

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Siehe Strölins lateinische Erklärung, ebd.; Reuchlin, 1996, S. 228 u. 230; Gikatilla, 1516, ebd. (Gikatilla, 1994, ebd.); Pistorius, 1587, ebd.; Buxtorf, 1708, ebd.; Alsted, 1630, ebd.; Kircher, 1653, ebd.; Raith, 1673, S. 5, hier S. 245; Art. »Sephiroth«. In: Zedler, ebd. »triumphus« hat hingegen Reuchlin, 2010, S. 434. Vgl. Reuchlin, 1996, S. 228 (»laus vel confessio«), u. Reuchlin, 2010, S. 434 (»confessio laudis«, also ›Lobpreisung‹); allein »confessio« s. bei Gikatilla, 1516, ebd. (zusätzlich am Rand aber: »Laus«; vgl. ebd. S. [259r-v ]), u. in Strölins lateinischer Erklärung, ebd.; s. dazu hier S. 16. Im Lateinischen steht dafür »regnum«; s. Reuchlin, 1996, S. 230; Gikatilla, 1516, ebd. (Pistorius, 1587, ebd.); Reuchlin, 2010, S. 434; Alsted, 1630, ebd.; Kircher, 1653, ebd.; Buxtorf, 1708, ebd.; Art. »Sephiroth«. In: Zedler, ebd.: »Reich«.

5.2 Strölins und Oetingers Kurzbeschreibungen

277

Zum Paradies-Vogel s. hier S. 134. Der Kupferstich des Risses bei Oetinger zeigt fälschlich einen Vogel ohne Füße. [21] Siehe dazu neben Pictura, Z. 124, die Erwähnung in Strölins Brief an Steudner vom April 1662, hier S. 383; s. ferner Betz, 2013, S. 86f., wo der Vogel, gestützt auf den Physiologus, als »straußen-ähnlichen Kasuar« angesprochen wird. [22] Siehe dazu sowie zum Pendant »Evangelij Consolatio« (↑ 24b) die monographische Behandlung hier S. 141. Auch »Sinai« und »Sion« sowie »Castra Israel« und »Desertum Juda« (s. unten) gehören thematisch hinzu. [23] Siehe den Kommentar zu Oetingers Kurtzem Begriff zu ↑ 24, hier S. 286. [24] Das ist der Rosapelikan (Pelecanus onocrotalus) auf der Spitze des rechten Obelisken des Gebäudes auf der Lehrtafel, ein würdiger Repräsentant des Elementes Wasser, da er sich ausschließlich von Fischen ernährt. Siehe dazu Jonston, 1650, S. 126–128; ferner Betz, 2013, S. 86.43 Von dieser Spezies und ihrer sinnbildlichen Bedeutung ist der »Pelecanus« zu unterscheiden (s. auf Position ↑ 33a). [25] Siehe den Kommentar zu ↑ 23b. [26] Siehe den Kommentar zu Oetingers Kurtzem Begriff, hier S. 286 [27] Die auf der Lehrtafel auf Position ↑ 32 dargestellte Szene paßt nur aufgrund eines winzigen Details besser zu Melchisedeks Labung Abrahams als zu David und den Schaubroten: In Gen 14,18 ist ausdrücklich von Brot und Wein die Rede. Die Lehrtafel zeigt deutlich zwei große Kredenzgefäße nahe bei der austeilenden Priestergestalt. In 1 Sam 21,4–7 dreht sich alles um Brote, von Getränken ist keine Rede. Betz, 1996, S. 73 u. Anm. 112, hat es wieder in Erinnerung gebracht und Oetingers Angabe entsprechend revidiert, ebd., S. 104; s. jetzt Betz, 2013, S. 73 u. Anm. 116 sowie S. 104. Melchisedek hat offenbar auch die Pictura docens44 im Blick, ebenso Oetinger.45 [28] Zur altbekannten christologischen Deutung des Pelikans siehe hier S. 170 (Anm.). Man muß ihn übrigens vom Onocrotalus auf Position ↑ 24a unterscheiden: Ihm fehlt der markante Kehlsack des Onocrotalus. Die malerische Darstellung läßt keine biologisch akzeptable Näherbestimmung zu; der Symbolwert steht ganz im Vordergrund, wie Betz zu Recht herausstellt (Betz, 2013, S. 86): »Seine Bedeutung für die Lehrtafel erschöpft sich offensichtlich darin, das Element Wasser zu repräsentieren.« [20]

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Neben Aldrovandi wird Jonston als Quelle zoologischer Informationen erwähnt im Brief Strölins an Steudner vom April 1662, hier S. 383. Siehe Pictura 167f.: Abrahams Leute sind ›vom Kampf erschöpft‹ und werden von Melchisedek ›mit Brot und Wein erquickt‹. Oetinger schließt sich offenbar der Pictura im Kurtzen Begriff an (s. »Als Uberwinder sich ergötzt«, hier S. 285, Z. 54, rechte Sp.).

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5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

Siehe auf der Lehrtafel die Sonne auf der Kassettendecke des Tempelraumes. [30] Rechts im Hintergrund der auf der Lehrtafel dargestellten Szene sieht man brennende Gebäude. Das paßt besser zu der in Gen 19 geschilderten Brandkatastrophe im Gebiet von Sodom und Gomorra als zu Gen 14,1–16: Dort rettet Abraham Lot vor fünf beutemachenden Königen, die im Siddimtal zuvor vier Könige der Region Sodom, Gomorra etc. besiegt hatten.46 Auf Gen 19 verweisen entsprechend Turris u. Pictura 140 (die devota anima fürchte sich nicht vor »Pentapolitanos Cineres, testes Zelotae e Coelo Ignis«). Auch Oetinger gibt im Kurtzen Begriff Gen 19 an (»Der fünf Stätte Verbrennung«; s. hier S. 286; Z. 72).47 Warum ließ er dann andererseits den ikonographisch fehlerhaften Hinweis auf Gen 14,1–16 in der vorliegenden Legende zum Riß unkorrigiert stehen? Wie oben dargelegt kannte Oetinger bei Abfassung des Kurtzen Begriffs sowohl Turris als auch Pictura. In der notgedrungenen Eile während der Drucklegung vermochte er aber offenbar nicht mehr, deren Angaben für eine entsprechend durchgreifende und konsequente Revision der Legende zum Riß auszunutzen.48 [31] Zur theol. Bedeutung s. den Komm. zu »Legis Maledictio.« (↑ 23b). Zum Einfluß der Bildkonzeption Gesetz und Gnade sowie entsprechenden frühneuzeitlichen Sinaidarstellungen s. hier S. 146. Wie im Fall des himmlischen Zionsberges (s. ↑ 7) mag die stark spitzkegelige Form des Sinai auf der Lehrtafel gewohnten idealtypischen Darstellungsmustern folgen.49 Bedenkt man jedoch, wie sich die Lehrtafel-Schöpfer bei der Darstellung Jerusalems um möglichste topographische Korrektheit bemühten (siehe dazu hier weiter unten), ist aber auch eine Berücksichtigung von frühneuzeitlichen Sinai-Darstellungen, wie der in Fürers Reisebeschreibung, gut denkbar, die ihrerseits eine bleibende Abhängigkeit von idealtypischen Mustern vielfach nicht verleugnen können.50

[29]

46 47

48

49

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Siehe dazu richtig Betz, 2013, S. 75, Anm. 117. Im Detail folgt er damit derselben, weit verbreiteten Deutetradition wie Pictura docens 140, wo ebenfalls von fünf Stätten geredet wird, während die Turris Antoniae, einer anderen Tradition folgend, von zehn Städten spricht (»Decapolis«); mehr zu den differierenden Deutetraditionen s. hier S. 220. Siehe dazu hier S. 12. Zuweilen unterliefen ihm nachweislich auch Fehldeutungen jedenfalls des literarisch anspruchsvollen Textes der Pictura. Siehe dazu hier S. 31. Siehe etwa die in Henkel/Schöne, S. 57–65, gesammelten Bergdarstellungen; ferner die Bergdarstellungen auf dem Flugblatt (in: Münkner, 2008, Abb. 35, S. 206) »Abbildung der Vestung Hohendwiel/ neben der Belagerung/ so im Jahr 1641. | im Monat October vorgenommen worden.« Der Spitzkegel bot sich natürlich auch angesichts des eher beengten Raumes auf der Lehrtafel an. Siehe den auf Pos. ↑ 7 gezeigten himmlischen Berg der Anbetung des Lammes. Zum Einfluß solcher Beschreibungen s. Naredi-Rainer, 1994, bes. 55–66.) Siehe Fürer, 1621, Tafel zu S. 37, hier Abb. 33; s. dazu Tobler, 1867, S. 79 (nicht hingegen

5.2 Strölins und Oetingers Kurzbeschreibungen

279

Zur theol. Bedeutung s. neben der vorangehenden Anm. zum Sinai noch einmal den Kommentar zu »Legis Maledictio.« (↑ 23b) sowie hier S. 146 zur Konzeption Gesetz und Gnade. Weiteres zur Darstellung auf der Lehrtafel s. hier bei der Besprechung der Darstellung Jerusalems auf Pos. ↑ 50. [33] Die Neureferenzierung von Oetingers Riß bei Betz, 2013, S. 105, nummeriert fälschlich auch das Lager Israels mit »48.« Korrekt ist noch Benz, 1958, S. [65] (s. hier Abb. 6). Für die Darstellung auf der Lehrtafel vgl. v. a. die zeitgenössischen Rekonstruktionen bei Prado/Villalpando, 1596, Bd. 2, S. 467, und Walton, 1657, Bd. 6, Chronologia Sacra, nach S. 52, hier Abb. 48; ferner Oetingers Kurtzem Begriff, Z. 119–127, hier S. 288, u. den Kommentar dazu. [34] In der Turris Antoniae bildet sie das Pendant für »Castra Israel« (↑ 49), so wie »Sion« zu »Sinai« (↑ 47f.; s. Abb. 7). Zum theologischen Gehalt s. oben »Legis Maledictio.« und den Kommentar dazu. Auf einem zeitgenössischen Atlas wird die Wüste Juda westlich des Toten Meeres im Gebiet des Stammes Juda eingezeichnet.51 In biblischer Zeit war sie ein Rückzugsraum für politische und religiöse Dissidenten, unter ihnen Johannes der Täufer und Jesus, für ihre Jünger bedeutsam als Ort der Vorahnung und Vorbereitung einer neuen Heilszeit. So charakterisiert sie auch Christian Kruik van Adrichem (Adrichomius),52 und Entsprechendes darf man für Strölin annehmen. Die Legende zu Oetingers Riß übergeht diese Position, nicht jedoch Oetingers Kurtzer Begriff (s. hier S. 288, Z. 118; zu Oetingers Kenntnis der Turris Antoniae s. S. 33). [35] Der Riß in Oetingers Buch (s. Abb. 5) läßt sich so mißverstehen, als sei »Berg Sion« (↑ 48) allein auf die Bergkette hinter bzw. oberhalb der »Stadt Jerusalem« (↑ 50) zu beziehen (s. Abb. 3).53 Sowohl den Gelehrten des 17. wie auch des 18. Jahrhunderts war jedoch geläufig, daß der Berg Zion topographisch gesehen mit dem Jerusalemer Stadtgebiet54 bzw. einem Teil davon identisch ist, vorzüglich mit der südöstlichen »Davidsstadt«.55 [32]

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52

53

54 55

bei Keel, 1984, S. 451 u. Küchler, 2007, S. 1195), ferner auch El Grecos Darstellung (Szene auf dem Flügelaltar von Modena, heute Galleria Estense, Modena). Siehe dazu von Teuffel, 1995, passim. Tobler (ebd. u. S. 210) weist darauf hin, daß Fürer von dem bekannten Tübinger Juristen Christoph Besold (1577–1638) rezipiert wurde. Siehe Blaeu, 1665, Bd. 10, Taf. 5 (S. 440f. im Reprint). Das entspricht einigermaßen der heute üblichen Verortung; s. Keel, 1984, S. 568–587. Siehe van Adrichem, 1600, S. 51: »DESERTVM Iudaeae Psal. 62 1. [63,1] Reg. 22. [1 Sam 22] Vbi Ioannes Baptista praedicauit poenitentiam. Matt. 3. [3,1]«; Siehe die Kritik bei Betz, 2013, S. 90: »Der waldige, burggekrönte Hügel oberhalb der Stadt wird [...] fälschlich als Berg Zion aufgefaßt.« Siehe so z. B. van Adrichem, 1600, S. 149f. Siehe die Beschriftung des südlichen Teiles der Stadt auf Alsted, 1630, Tafel zu S. 2198, hier Abb. 35 (»B[ERG]. SION« unterhalb der »DAVIDS STADT«); s. auch die Darstellung bei Walton, 1657, Bd. 6, S. 52f. Zur Geschichte der Zion-Identifikationen s. jetzt Küchler, 2007, S. 2, 126 u. 603.

280

5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

Richtig verstanden wäre also »48.« zumindest auch auf die »Davidsstadt« darunter zu beziehen.56 [36] Wie im Fall der Thronszene (s. dazu hier S. 148) handelt es sich auch hier bei der Darstellung auf der Lehrtafel um das verkürzte Zitat der Szene aus der Offb und entsprechenden frühneuzeitlichen Illustrationen, die den Engel über der Stadt Babylon zeigen. Siehe aus dem zeitgenössischen Württemberg Rotenburger, 1630, zu Offb 18 mit der subscriptio »Vber Babilon tragen leÿd | Jhr Kauffleuth, den heilgen ists freud.« Für Babylon war auf der Lehrtafel kein Raum; zitiert wird darum nur der Engel mit seinem Wurfgeschoß. [37] Siehe dazu hier im monographischen Teil S. 153. [38] Zur Darstellung auf der Lehrtafel s. hier S. 151. [39] Betz will das Erscheinen der Hindin auf der Lehrtafel aus den Segensströmen motivieren, die nach der Kabbala durch die 7. u. 8. Sefira von der 6. Sefira zur 10. weitergeleitet werden. Dazu assoziiert er die Segensströme mit den Wasserströmen, von denen in Ps 42,2 in einem Bild gesagt wird, daß der Hirsch nach ihnen lechze bzw. »schreie« (Luther).57 Zwar stellen sich Grammatik und Semantik einer Assoziation mit der Hindin nicht in den Weg,58 doch bleibt die Frage offen, warum die Hindin auf der linken Seite des Sefirotsystems auf Höhe der 8. Sefira erscheint und die Darstellung so für eine Assoziation jedenfalls mit der 7. Sefira keinen Anhalt bietet.59 Ein theologisch gebildeter Zeitgenosse as56

57 58

59

Wo »48.« auf dem Riß steht, findet sich auf Alsteds Tafel in etwa die Referenzierung »N« (s. Alsted, 1630, Tafel zu S. 2198, hier Abb. 35). Daß die Schöpfer der Lehrtafel für Jerusalem eben genau die Darstellung in Alsteds Enzyklopädie heranzogen, welche sie auch in anderen Fällen konsultierten (s. dazu hier S. 117 u. 141), ist in der Antoniaforschung bislang nicht erkannt worden. Siehe Betz, 2013, S. 89 u. Anm. 147. Siehe Betz, 2013, S. 67 u. Anm. 101. Im Hebräischen steht in Ps 42,2 die merkmallose Form !‫ל‬³‫( אַּי‬im Unterschied zum merkmaltragenden !‫לָה‬³‫ אַּי‬, s. Ps. 22,1). Die gewöhnliche Auffassung solcher merkmalloser Formen als masculina scheitert hier an der Femininform des Prädikats !‫( ּתַעֲרֹג‬sie lechzt). Michel sieht in !‫ל‬³‫ אַּי‬darum einen femininen Architerm – vgl. im Deutschen etwa ›die Taube‹ als Gattungsbezeichnung – gegeben (s. Michel, 1977, S. 73; in der Sache findet sich das schon bei Delitzsch, 1894, S. 320). Auch ohne das übliche Konjizieren der merkmaltragenden Form (vgl. s. v. !‫לָה‬³‫ אַּי‬in Gesenius/Buhl, 1915, S. 30, u. Koehler/Baumgartner, 1953, S. 37) stellt sich also Ps 42,2 der Assoziation mit der Hindin von 22,1 nicht entgegen. Nichts hindert zudem anzunehmen, daß den Schöpfern der Lehrtafel dies bewußt war: Auch sie lasen im masoretischen Text des hebr. AT !‫ ּתַעֲרֹג‬und konnten sich das so zurechtlegen, wie es Betz mit Berufung auf die Rabbinen tut. Nach Betz, ebd., sollte ursprünglich ein Hirsch Pos. ↑ 84a einnehmen u. auf die Hindin anspielen. Das läßt sich aus dem Kupferstich bei Raith (s. hier Abb. 4 u. dazu S. 254) jedoch nicht überzeugend begründen. Der Stich ist erst ein Jahrzehnt später für uns greifbar (1673) und zeigt bei der 8. Sefira keine Hindin, sondern einen Hirsch mit Geweih; s. dazu Raith, 1673, S. 6, hier S. 246. Zur Sinnbildlichkeit des Hirsches s. im Umkreis Antonias auch Ebermaier, 1653, Nr. L., S. 111–113, u. Nr. XCVII., S. 535f.

5.2 Strölins und Oetingers Kurzbeschreibungen

281

soziierte mit der »Cerva matutina« jedoch eher die beliebte typologische Auslegung von Psalm 22 auf den leidenden und auferstehenden Christus, der für uns Gottes Zorn über die Sünde trägt.60 Das paßt zur linken Seite des Sefirotsystems, auf der Strölin nach seiner lutherisch geprägten Interpretatio Christiana das Gesetz Gottes repräsentiert sieht, genauer noch dessen Fluch über den Gesetzesübertreter, »Legis maledictio«; s. ↑ ⟨23b⟩ u. den Kommentar dazu. Siehe Luthers Auslegung von Ps 42,2 am Ende von Ein kurtze vermanung zu der Beicht (WA 30/1, S. 238; BSLK, S. 733): »[...] wie der 42. Psalm sagt: ›Wie der hirsch schreyet nach den wasserbechen, so schreiet meine seele Gott zu dir‹, das ist: wie wehe und bange einem solchen ist nach einem frischen born, so angst und bange ist mir nach Gottes wort odder absolution und Sacrament etc.« Die Präsenz der »Cerva matutina« auf der Lehrtafel dürfte für Strölin zudem auch eine sehr persönliche Konnotation haben. In wortspielerischer Auslegung des Geburtsnamens seiner Frau nennt er sich andernorts »Schreyer« bzw. auch »Cervitor« in Anspielung an Ps 42,2 (Luther) und Mt 3,3 (Vulgata).61 Bedenkt man die Rolle von »Schreyer« und traut man Strölin und seinen Freunden mit Betz die Assoziation von Ps 42,2 und 21,1 zu, wäre die Hindin ein Hinweis auf einen maßgeblichen Mitarbeiter an der Lehrtafel. Das der Hinweis nur versteckt in einem Gebäudezwickel zu finden ist, paßt zu Strölins bekannter Demut und Selbstironie. Siehe dazu Strölin, 1664, S. 10, hier S. 399 (Kommentar). Strölins Name erscheint am Schrein auf der rechten Seitentafel. Siehe dazu Betz, 2013, S. 29. [40] Zum Ausfall des -e- zwischen Wortstamm und Endungskonsonant in »empfindt« s. Philipp, 1980, S. 54.62 Zur Verwendung im Sinne von ›(sinnlich) wahrnehmen‹ bzw. auch abgeblaßt ›bemerken‹ s. Horst Fleig: Art. »Empfinden«. In: GWb, Bd. 3 (1998), S. 61–65, bes. S. 61f. (1 a und d). [41] Oetinger folgt Mt und Mk, die der Frau keinen Namen geben, während Joh 12,3 sie mit Maria, der Schwester Marthas, identifiziert (s. auch den Kommentar zu ↑ 18). Der Judas-Verrat wird auf der Lehrtafel nicht dargestellt (s. dazu jetzt korrekt Betz, 2013, S. 83 u. 104, zu ↑ 85). Es handelt sich wahrscheinlich um eine ikonographische Fehldeutung Oetingers aufgrund eines Mißverständnisses von Pictura 327–329. Siehe dazu hier S. 31 und 289.

60 61

62

Siehe Wolff, 2005, § 4, bes. S. 85–92; Delitzsch, 1894, S. 206 u. 209. Siehe dazu auch Strölins Brief an Johann Valentin Andreae vom Ende Oktober 1650 (HAB Cod. Guelf. 7.4 Aug. 2°, S. [349]). Ein Beispiel für »empfindt« neben »empfindet« in der Prosa des 18. Jh.s bietet übrigens der Beitrag (Westenrieders?) »§. IV. Die Geburt JEsu« in Westenrieder, 1780, S. 55–68, 66.

282

5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

Zum präpositionalen Gebrauch von ›hinter‹ mit Akkusativ nach Verben des Aufbewahrens, Weglegens etc. s. DWB, Bd. 10, s. v. »hinter«, II. 2) d), Sp. 1492. [43] ›grosse‹ oberdeutsch statt ›grossen‹. Siehe den Kommentar zu Oetingers Kurtzem Begriff, Z. 173, hier S. 290. [44] Zur Identität der einzelnen dargestellten Personen s. den Kommentar zu Oetingers Kurtzem Begriff, Z. 131–136, hier S. 288. [45] Zur Identität der einzelnen dargestellten Personen s. noch einmal den Kommentar zu Oetingers Kurtzem Begriff, Z. 129–136, hier S. 288. [46] Die folgende Tabelle zeichnet gegen den Uhrzeigersinn die kreisförmige Anordnung der vier Gruppen nach, wie sie die Turris Antoniae in Anlehnung an die Lagerordnung von Num 2 bietet. Die Bezeichnungen der Himmelsrichtungen und Jahreszeiten in der ersten Spalte sind im MS nicht völlig konsequent angeordnet, befinden sich aber überall in Nähe der Kreislinie bzw. einzelner Stammesnamen (s. die Abb. 7). Das wurde hier vorsichtig normalisiert, um den Bezug zu Num 2 und den Monats- und Tierkreisangaben besser erkennbar werden zu lassen (s. auch die Abb. 51). Von einer eigenen Kreislinie umgeben steht im Zentrum des Kreises der Text von Z. 11 (s. o.). Von ihm gehen strahlenförmig Linien aus, die die (Segens-)Flüsse aus Christus als der Quelle symbolisieren (s. die mehrfache Beschriftung hier in Z. 138–141). Zu den Stammesfürsten und den ihnen zugeordneten Monaten, Edelsteinen, Sternzeichen und Bäumen s. a. Oetingers Kurtzen Begriff (hier S. 291, Z. 208–228), vor allem aber die monographische Behandlung hier S. 35ff. u. bes. S. 209ff. sowie S. 214. In den beiden rechten Spalten stehen Oetingers Angaben. Sie folgen hier der Segensordnung von Gen 49 und zeigen darum beachtliche Abweichungen von der Lagerordnung in Num 2. Siehe dazu oben S. 33 u. 187. [47] Siehe Z. 14 »von oben herab« u. die Anmerkung dazu. [48] Übersehen wird bei dieser Aufzählung von Tugenden, daß mit dem Lamm, welches die »Anima fidelis« begleitet, noch eine weitere zentrale christliche Tugend auf der Lehrtafel präsent ist, nämlich die Geduld (patientia). Zur Darstellung der »Anima fidelis« und ihren Attributen s. im monographischen Teil, hier S. 2, 148 u. 173. [49] Gemeint sind die Sefirot; s. o. Z. 1 mit Kommentar. [50] Die Seitenangabe bezieht sich auf die Paginierung von Oetinger, 1763. Auf S. 413–422 (= 256–262 in Oetinger, 1977a, Bd. 1) findet sich dort Oetingers Kurtzer Begriff, wobei auf S. 414 die Behandlung der zehn Sefirot beginnt. [51] Mit dieser Formulierung greift Oetinger Pictura, Zeile 51, auf: »Verum in Decem classes distribuit delicias suas Illustris devotio« (In zehn Abteilungen [42]

5.2 Strölins und Oetingers Kurzbeschreibungen

283

hat aber die erlauchte Andacht ihre Wonnen eingeteilt). Siehe auch die Übersetzung des Prologs der Pictura hier S. 185 (Anm.).

284

5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

5.3 Oetingers Kurtzer Begriff Textzeuge: Erstdruck (DR): Oetinger, 1763, S. 413–422 (Errata-Liste S. 431); Erstedition: Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 256–262

[413] Die Crone des Reichs, samt 3. Steinen, Diamant, Sapphir, Rubin.[1]

5

Die Eltesten singen dem Lamm, Wir in Lat[einischer]. Sprach Ps. 150,6. Jn Griechischer Apoc. 19,5.

Die Eltesten beten an Jehovah. Ebräischer Ps. 115,1. Teutscher Luc. 2,14.[2]

JEsus Christus.[3] Ein Palm=Ast. Englischer Chor.

10

15

20

25

Ein Palm=Ast. Englischer Chor.[4]

[414] Die 3. Zeugen der Ewigkeit. 1. Elias mit dem Schwerdt. 2. Moses mit dem Feuer=Busch 3. Enoch mit einem Buch. Die Schlacht und Sieg Michaels. Die Herabstürtzung Samaels. Des Drachen und der sieben Laster.[5] Thörichte Jungfrauen gehen ab. Verwerffung.

Das Lamm auf Zion. Mit der Menge der folgenden. Kluge Jungfrauen gehen ein.[6] Erwählung.

Die Dreyeinige Majestät der Gottheit, und die sieben Augen[7] des ewigen Vaters der Barmhertzigkeit, schwörende und erbarmende Wahrheit, Der Name !‫ הוא‬Pronomen III. pers[onae]. Er ist.[8] Der Sohn GOttes, so von dem Alten der Tage kommt, Der Menschen=Erretter und Richter, Der die geschlossene Bücher eröffnet, Mit viel 1000. mahl 1000. Engeln[9] umgeben und verehrt. Die blaue Crone. Sieben Stimmen redend.

Die grüne Crone.[10] Sieben Sterne gläntzend.[11]

1 Crone ] ↑ 1 2 Steinen ] Pictura docens 26.30 3 Eltesten ] ↑ 2 7 Palm=Ast ] Pictura 41 8 Chor ] ↑ 10 10 Elias ] ↑ 3 10 Moses ] ↑ 4 10 Enoch ] ↑ 5 12 Schlacht . . . Michaels ] ↑ 6 12 Lamm ] ↑ 7 13 Menge ] ↑ 9 14 Drachen ] ↑ 8 17 sieben Augen ] ↑ 14a 18 Vaters ] ↑ a 2 Kor 1,3 Pictura 53 20 Alten der Tage ] ↑ 12 26 Stimmen ] ↑ 18a 26 Sterne ] ↑ 17a

4 Wir ] Errata-Liste (»wir, neml[ich]. hierunten«) : Wir, neml. hierunten Erstedition : Wie DR

285

5.3 Oetingers Kurtzer Begriff

Der Mitewigen

30

Des Heiligen Geists Klugheit.

Des Sohns Weißheit.

Hoffnung. Cherubim. Adler. Des H[eiligen]. Geists Ausgiessung. [415] Der Sünderin Bekänntniß. Des verlohrnen Sohns Umkehr.

Glaube. Ophanim.[12] Phönix. Zur Rechten Erhöhung. Auf dem Berg verklärt. Des Worts im Fleisch Anbettung.

Jn dem Bild der Ewigkeit. 1. Circul. 2. Dreyeck. 3. Viereck. 4. Aug. 5. Hertz. 6. Strahl.[13] Einfach, Dreyeinig, Siebenfach.[14] Mit dreyfacher Inscription Dreymahl Heilig, Tetragrammaton.[15]

35

40

Der GOttheit

45

Stärcke und Strenge.

Grösse und Ausbreitung.[16]

Eiserner Scepter, Wage, Zaum, Schwerdt, Säule. Der Königlichen Weisheit Gericht, durch blosses Schwerdt. Agag zerhauen von Samuel. Die nistende Schwalbe

Gülden Scepter, Horn der Fülle, Schaafe, Oelzweig.[17] Der Königlichen Gnade Beweiß durch güldenes Scepter. Der junge Tobias von Raphael geführt. Girrende Taube.[18]

Die Patriarchen genennt, Der Göttlichen Majestät Thron.[19]

50

Isaacs.

55

Der GOtt und seinem Vater gehorsam war. Des Gebundenen Opferung. Ein wachender Kranich.

Abrahams. Der die Nachkommen zu GOtt zurück führt. Als Uberwinder sich ergötzt.[20] Storch, der mildthätig ist.

28 Klugheit ] ↑ c 28 Weißheit ] ↑ b 30 Cherubim ] Pictura 288 30 Ophanim ] Pictura 288 31 Adler ] ↑ 18b 31 Phönix ] ↑ 17b 32 Ausgiessung ] ↑ 14 32 Erhöhung ] ↑ 13 33 Bekänntniß ] ↑ 18 33 verklärt ] ↑ 17 34 Sohns ] ↑ 20 34 Anbettung ] ↑ 19 36 Circul. . . . Viereck ] Pictura 46 38 Einfach, . . . Siebenfach ] Pictura 48 40 Dreymahl Heilig ] Pictura 97. 1982 41 Tetragrammaton ] Pictura 33 43 Stärcke ] ↑ e 43 Grösse ] ↑ d 46 Gericht ] ↑ 29 46 Beweiß ] ↑ 30 48 Agag ] ↑ 33 48 Tobias ] ↑ 34 49 Schwalbe ] Pictura 2255 49 Taube ] Pictura 2255 54 Opferung ] ↑ 31 54 Uberwinder ] ↑ 32 55 Kranich ] ↑ 27b 55 Storch ] ↑ 28a

286

5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

Elemente. Feuer, das verzehrt.

Wasser, das ernährt.

Auf zwey Pyramiden.[21] 60

Feuer fressender Vogel. Casuarus, Emim.

Fischfressender Vogel. Onocrotalus.[22]

[416] Jnnerhalb der Pyramide. Lincke.

65

70

Rechte.

Feuer= und Wolcken=Säule vorherziehend. Des Eliä Erhöhung von der Erde gen Himmel. Der drey Männer im Feuer=Ofen Bekänntniß und Vertrauen. Stoltzer Pfau. Der Amalekiter Bekriegung. Belsazars Bestürtzung. Der Midianiter Verwirrung. Der fünf Stätte Verbrennung.[26] [27]

75

Christi Schiff von Petro.[23] Des Jonä Auswurf aus dem Bauch. des Wallfisches. Der Dreyheit Offenbarung bey dem Jordan.[24] Eisvogels ernährende Liebe.[25] Der Jsraeliten Errettung, Der zuerwählenden Prob. Der Samariterin Besserung. Der Noachiden Erhaltung. Güldener Leuchter, das ehrne Meer.

Mittlerer Circul. Der dreymahl Heiligen Majestät liebliche Schönheit. Ein paar Turtel=Tauben. Des verlohrnen Worts GOttes Findung im Tempel.

Eine gluchsende Henne. Des verheissenen Schilo[28] Englische Verkündigung.

Pelican, der mit seinem Blut die Junge belebt. 80

Jsrael, zuvor Jacob genannt. Uberwand GOTT wachend in dem GOtt=menschlichen Kampff bey Pnuel.

War ein Pilgrim, fliehend vor seinem Bruder Esau, sahe im Traum die Himmels=Leiter zu Bethel.[29]

57 Feuer ] ↑ 23 57 Wasser ] ↑ 24 60 Casuarus ] ↑ 23a 60 Onocrotalus ] ↑ 24a 63 Säule ] ↑ 23 63 Schiff ] ↑ 24 64 Erhöhung ] ↑ 25 64 Auswurf ] ↑ 26 66 Ofen ] ↑ 27 66 Offenbarung ] ↑ 28 68 Pfau ] ↑ 27a 68 Eisvogels ] ↑ 28b 69 Bekriegung ] ↑ 37 69 Errettung ] ↑ 41 70 Bestürtzung ] ↑ 38 70 Prob ] ↑ 42 71 Verwirrung ] ↑ 39 71 Besserung ] ↑ 43 72 fünf Stätte ] ↑ 40 72 Erhaltung ] ↑ 44 73 Leuchter ] ↑ 75a 73 Meer ] ↑ 61a 75 Schönheit ] ↑ f 76 Tauben ] ↑ 22a 76 Henne ] ↑ 21a 77 Findung ] ↑ 22 78 Verkündigung ] ↑ 21 79 Pelican ] ↑ 33a 82 Kampff ] ↑ 35 82 Traum ] ↑ 36

59 Fischfressender ] Errata-Liste; s. den Kommentar : Ertzfressender DR 60 Onocrotalus ] Onocutalus Errata-Liste; s. den Komm. (dort auch zu den Einrückungen in dieser Zeile) 73 Leuchter, das ehrne Meer. ] Leuchter. DR : Leuchter, das örhne Meer Errata-Liste des DR 73 ehrne ] öhrne Errata-Liste (wohl Druckfehler; s. Ehrne Schlange hier weiter unten)

287

5.3 Oetingers Kurtzer Begriff

[417] Die Lufft der Morgenröthe. Der Sonnen Aufgang. Der vier Winde sanffte Aura, Daher die Mineralien und Metallen entstehen.[30]

85

Daniels grosses Bild von Metallen.

Hier wird der Fürhang zerrissen. Das Jnnere kehrt sich herauß zur Manifestatione sui.

90

Die Ehrne Schlange wird aufgehängt von Kupffer.

Des Gecreutzigten Rosinfarbes[31] Blut mehr als das Gold des Kupffers.[32]

Moses

Johannes der Vorgänger [33]

95

100

105

110

Der Engel Johannis in Apocal[ypsi].

Mit dem Stab und zehen Worten , ein scharffer Gesetzgeber Aarons und Pharaos GOtt.[34] Josua, der Fahn=Träger mit dem Spieß, der der Sonne und dem Mond geboten. Der Jungfräuliche Beherrscher von Asien und Africa.[36]

Der aufgehenden Sonne, Der [sic] Kleinste und der Gröste, der Herold, die Stimme, ψder nicht istψ.[35] Paulus, der die Schlange abgeschüttelt, mit dem Schwerdt, der fürnehmste Sünder, der letzte Apostel, aus Asia in Europa.

Aharon Mit der verdorrten Ruthe, die grünete. Der bey dem güldenen Altar räucherte. Der Ertz=Hohepriester, Mit dem Stirn=Blatt, Ober=Kleid und Brust=Schild. Levi, Smaragd. Naphtali, Demand. Isaschar, Amethyst. Benjamin, Jaspis. Ruben, Sarder. Juda, Rubin.

Simeon, Topas. Dan, Sapphir. Aser, Achat. Joseph, Onyx. Gad, Lyncurer. Sebulon, Tyrckis.[37]

84 Lufft ] Pictura 1789 85 Sonnen ] ↑ 35a 86 vier Winde ] Pictura 1819 88 Daniels ] ↑ 45 88 Engel ] ↑ 46 89 Fürhang ] ↑ 53a 91 Schlange ] ↑ 53 91 Blut ] ↑ 54 93 Moses ] ↑ 56 93 Johannes ] ↑ 55 97 Josua ] ↑ 57 97 Paulus ] ↑ 58 101 Aharon ] ↑ 59 102 Ruthe ] Num 17,23 104 Ertz=Hohepriester ] Lev 8,1–12

91 Gecreutzigten ] Gecreutzigttn DR 92 des ] bes (?) DR (Druck verwischt) 96 Pharaos GOtt ] Pharao. GOtt DR 96 ψder nicht istψ ] s. den Komm. 105 Stirn=Blatt, Ober=Kleid ] Stirn=Blat , Ober=Kleid DR (wohl Druckfehler)

288

5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

[418] Des Osterlamms Aufhören.

Des Nachtmahls Einsetzung.

Zu äusserst stehen 115

120

125

Des Gesetzes Mosis Ausruffung. Des Bergs Sinai Entbrennung, Der Posaunen Würckung zum Umsturtz. Lat. Taratantarisatio.[40] Wüste Sinai trocken, Der Jsraeliten schwere[42] Lägerung. Die Stifts=Hütte des Priesterthums. Ruben, Jthamar. Kahatiten, Aaron. Ephraim, Gesraiten, das Allerheiligste,[45] Eleasar, Juda. Merariten. Moses. Dan, Josua.

Des Ewigen Evangelii Trost. Babylons Sturtz ψals Mühl=Steinsψ.[38] Die Furcht und Anbettung GOttes.[39] Verkündung. Wüste Juda blühend.[41] Der in die Ruhe Geführten sichere Bleibstätte.[43] Der Tempel Salomonis des Reichs.[44] Das Grab Christi. Des Gecreutzigten Auferstehung. Die Begräbniß[46] der Pilger, die Stadt, ⟨der⟩ Könige Begräbniß. Begräbniß Josaphat. Des Sterbenden Auffahrt.[47]

Zwölff 130

135

Des A[lten]. Testam[ents]. kleinere Propheten.

Des Neuen Testaments Apostel.[48]

Haggai. Judas Thaddaeus. Nachum. Matthaeus. Malachias. Jacobus Major. Micha. Bartholomaeus. Sophonias. Jacobus der Kleinere. Joel. Andreas.

Obadias. Johannes. Hoseas. Petrus. Sacharias. Simon. Jonas. Philippus. Amos. Matthias. Habacuc. Thomas.

Die zwey Säulen der Vorhöfe. a) Der Aeussere. 140

Der GOtt Jsrael mit Feuer und Regen antwortend.

GOtt, der Jsrael Manna und Fleisch verspricht.

112 Aufhören ] ↑ 76a 112 Einsetzung ] ↑ 77a 114 Ausruffung ] ↑ 47 114 Trost ] ↑ 52 115 Sinai ] ↑ 47 115 Sturtz ] ↑ 51 116 Anbettung ] ↑ 52 118 Juda ] ↑ 49a 120 Lägerung ] ↑ 49 120 Bleibstätte ] ↑ 48 121 Hütte ] ↑ 49 121 Tempel ] ↑ 50 122 Grab ] ↑ 50 123 Kahatiten, Aaron ] ↑ 49 123 Auferstehung ] ↑ 73 124 Ephraim, . . . Allerheiligste ] ↑ 49 124 Begräbniß ] ↑ 50 125 Eleasar, Juda ] ↑ 49 126 Merariten. Moses ] ↑ 49 126 Josaphat ] ↑ 50 127 Dan, Josua ] ↑ 49 127 Auffahrt ] ↑ 50 130 Propheten ] ↑ 90 130 Apostel ] ↑ 91 139 Feuer und Regen ] ↑ 62 139 Manna und Fleisch ] ↑ 63

115 ψals Mühl=Steinsψ ] s. den Komm. Komm.

125 ⟨der⟩ . . . Begräbniß ] Könige, Begräbniß DR; s.

289

5.3 Oetingers Kurtzer Begriff

145

[419] Simson, das Löwen=Rätzel auflösend. Christi Kelch des Leydens am Oelberg. Der Hund, des Lazari Schwären leckend. Des Engel=Brods und Trancks Nahrung. Christus mit Thränen begraben.

Joseph, der seine 2. Träume vorträgt. Josephs weissagender Becher in Benjamins Sack. Der Samariter, des Halbtodten Wunden verbindend. Des Evangelischen Brods und Fische Speise. Christus in Herrlichkeit auferstanden.

b) Jnnere. 150

155

160

Der Creutz=weiß gesegneten Kinds=Aufnahm. Des Gesetzlich beschnittenen Unterjochung. Der Arabischen Königin Rätzel. Davids beneideter Siegs=Ruhm. Der Stiffts=Hütte Einführung in Zion. Maria hörend und stillstehend. Martha dienend und aufmerckend. Jacob in der Höhle Machpela begraben. Die früh gejagte Hündin.[52]

Der gesegneten Andruckung an Jacobs Brust. Des im Tempel dargestellten Obligation. Der Weisen in Morgenland Geschencke. Davids gefährliche Duells=Uberwindung. Des Bundes=Engels[49] Einführung in die Stadt. Des Weibs von Bethanien Nardenwasser zur Begräbniß.[50] Der Verräther⟨,⟩ den Gesalbten verrathend mit dem Kuß.[51] Lazarus aus des Grabes Höhle gehend. Der güldene Tisch.

c) Jnnerste Säulen. 165

Boas, die Lincke. Unter den Thieren die vorsehende Ameise. Die singende Lerche. Das Jsraelitische Schaaf, zurück gebracht.

[420] Die Sephira des Lobs. 170

Vocal- und Instrumental-Erschallung. Musical-Instrumenta.

Jachin, die Rechte.[53] Die Biene voll Emsigkeit. Die Nachtigall voll Freuden=Gesang. Die Traube, aus Cana gebracht.

Der Sephira des Siegs und Uberwindung Werckzeuge durch Todes=Gefahren. Kriegs=Waffen.[54]

141 Rätzel ] ↑ 64 141 Träume ] ↑ 65 142 Kelch ] ↑ 60 142 Becher ] ↑ 67 144 Hund ] ↑ 68 144 Samariter, des Halbtodten Wunden ] ↑ 69 147 Nahrung ] ↑ 70 147 Speise ] ↑ 71 148 begraben ] ↑ 72 148 auferstanden ] ↑ 73 150 Andruckung ] ↑ 75 151 Aufnahm ] ↑ 74 153 Unterjochung ] ↑ 76 153 Obligation ] ↑ 77 154 Rätzel ] ↑ 78 154 Geschencke ] ↑ 79 155 Ruhm ] ↑ 80 155 Duells=Uberwindung ] ↑ 81 156 Stiffts=Hütte ] ↑ 82 156 Bundes=Engels ] ↑ 83 158 Maria ] ↑ 84 158 Nardenwasser ] ↑ 85 160 Martha ] ↑ 84 162 Jacob ] ↑ 86 162 Lazarus ] ↑ 87 163 Tisch ] ↑ 74a 168 Schaaf ] ↑ 84a 168 Traube ] ↑ 85a 169 Lobs ] ↑ h 169 Siegs ] ↑ g 170 Uberwindung ] Uberwindung. DR

290

5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

Die grössere[55] Propheten. 4 Daniel. 3 Ezechiel. 2 Jeremias. 1 Jesaias.[56] 175

Die Sephira Bestand, Unbeweglichkeit, erstreckt sich auf leibliche und moralische Dinge des Gerichts, des Raths, der Hülffe, des Rath=Schlusses. Ihr Bild ist Der Berg Sion.

180

185

Der alle Lunarische Veränderlichkeit, Abschattung der Weisen ausschließt, auch die sieben Gradus der Sephirot müssen zum Bestand kommen. Zur Lincken der 7 Grade[57] und zur Rechten nehmen den Platz ein. Die vier Evangelisten, Matthäus, Marcus, Lucas, Johannes.

190

195

200

Der Regenbogen. Das Denckbild des Bundes. Das Zeichen der Gnade und des verborgenen Zorns in dieser und jener Welt.[58] Der Zustand der Entstehenden, Lebenden, Sterbenden und Auferstehenden ist daraus zu schliessen. Nun folget die Thüre zum Neuen Testament, [421] JEsus Christus⟨,⟩ der König des Lichts und Kirche. Der Weibes=Saamen. Der Schlangen=Tretter. Der Fels des Heyls.[59] Einig, alleinig und gantz. Der Seegen Abrahams.[60] Sein Nahm ist Jch.[61] Er stehet auf der Erde mitten im Garten. Da sind vier Paradiß=Flüsse. Der Obere Euphrat, Und der Untere, Die Quelle der wachsthumlichen Gärten, Von den obern und untern Wassern befeuchtet. JEsus gebe uns lebendiges Wasser.

205

173 Propheten ] ↑ 88 175 Bestand ] ↑ i 201 Paradiß=Flüsse ] ↑ 89a-d 184 Zur ] zur DR

186 Evangelisten ] ↑ 89

193 Christus ] ↑ k

291

5.3 Oetingers Kurtzer Begriff

Alles untere kommt vom Wasser[62] , auch die 12. Stämme, Monath, Edelstein, Zeichen, Bäume.[63]

210

215

220

225

Benjamin. Cislev. Jaspis. Sagittarius. Amygdalus. Gad. Elul. Lyncurius. Virgo. Laurus. Naphthali. Adar. Adamas. [422] Pisces. Punica. Sebulon. Siwan. Turcois. Gemini. Abies.

Ephraim. Tisri. Smaragd. Libra. Palma. Ruben. Tamus. Sardius. Cancer. Cupressus. Dan. Tebet. Sapphir. Capricornus. Malus. Jehuda. Nisan. Rubin. Aries. Cedrus.

Manasse. Chesvan. Onyx. Scorpius. Quercus. Simeon. Ab. Topazius. Leo. Salix. Aser. Schevat. Achat. Aquarius. Olea. Isaschar. Jjar. Amethyst. Taurus. Ficus.

Nun die glaubige Seele beschaue diß alles in Christo. Gehe ein in den Garten GOttes Suche Ruhe wie die Tauben in den Fels=Löchern.[64]

230

209 ↑x 212 213 ↑m ↑l ↑s ↑t ↑r 223 224 226 ↑q

Benjamin ] ↑ y 209 Ephraim ] ↑ x 209 Manasse ] ↑ n 210 Cislev ] ↑ y 210 Tisri ] 210 Chesvan ] ↑ n 211 Jaspis ] ↑ y 211 Smaragd ] ↑ x 211 Onyx ] ↑ n Sagittarius ] ↑ y 212 Libra ] ↑ x 212 Scorpius ] ↑ n 213 Amygdalus ] ↑ y Palma ] ↑ x 213 Quercus ] ↑ n 214 Gad ] ↑ s 214 Ruben ] ↑ l 214 Simeon ] 215 Elul ] ↑ s 215 Tamus ] ↑ l 215 Ab ] ↑ m 216 Lyncurius ] ↑ s 216 Sardius ] 216 Topazius ] ↑ m 217 Virgo ] ↑ s 217 Cancer ] ↑ l 217 Leo ] ↑ m 218 Laurus ] 218 Cupressus ] ↑ l 218 Salix ] ↑ m 219 Naphthali ] ↑ u 219 Dan ] ↑ r 219 Aser ] 220 Adar ] ↑ u 220 Tebet ] ↑ r 220 Schevat ] ↑ t 221 Adamas ] ↑ u 221 Sapphir ] 221 Achat ] ↑ t 222 Pisces ] ↑ u 222 Capricornus ] ↑ r 222 Aquarius ] ↑ t Punica ] ↑ u 223 Malus ] ↑ r 223 Olea ] ↑ t 224 Sebulon ] ↑ p 224 Jehuda ] ↑ o Isaschar ] ↑ q 225 Siwan ] ↑ p 225 Nisan ] ↑ o 225 Jjar ] ↑ q 226 Turcois ] ↑ p Rubin ] ↑ o 226 Amethyst ] ↑ q 227 Gemini ] ↑ p 227 Aries ] ↑ o 227 Taurus ] 228 Abies ] ↑ p 228 Cedrus ] ↑ o 228 Ficus ] ↑ q 229 glaubige Seele ] ↑ 89e

292

5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

Kommentar Oetingers Kurtzer Begriff wurde bereits im monographischen Teil ausführlich besprochen einschließlich der komplizierten Entstehungsgeschichte und der Verfasserfrage. Der Text bietet demnach keine getreue Übertragung irgendeiner Vorlage im modernen Sinne des Wortes, sondern eine amalgamierende Adaptation vor allem der Pictura und der Turris für Leser der eigenen Zeit und mit den Schwächen einer notgedrungen eiligen Kompilation, die an einigen Stellen sogar der ikonographischen Legende zum Riß (s. hier S. 266) wider Willen Konkurrenz macht.63 Besonders zu beachten sind Stellen, an denen Oetinger Details der Lehrtafel beschreibt, die weder bei Raith,64 noch in den Dokumenten aus dem Gelehrtenkreis um Antonia registriert werden und wohl auf ureigenen Anschauungen des kompilierenden Autors beruhen, speziell auf seiner Rezeption Jakob Böhmes.65 Ähnlich frei verfährt Oetinger nach den hier andernorts gegebenen Analysen auch mit anderem Quellenmaterial.66 Der Erstdruck des vorliegenden Textes (Oetinger, 1763) ist nicht ganz frei von Fehlern, die wohl nicht alle als Druckerversehen zu werten sind, sondern auch der notgedrungenen Eile Oetinges entspringen.67 Der Wiederabdruck in Hambergers Ausgabe ist ohne textkritischen Wert.68 In Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 256–262, findet sich zwar eine Erstedition. Textkritisch notwendige Eingriffe bietet sie jedoch nur ausnahmsweise. Textdarbietung und Kommentierung lassen manche Wünsche offen. Wie auch im Fall der ikonographischen Legende zum Riß in Oetingers Buch (s. hier S. 266) lohnt sich eine erneute Bearbeitung. Bei der Textwiedergabe wurde auf die vollständige Darstellung typographischer Variationen verzichtet.69 Der obere Apparat stellt die Verbindung zur syn63 64 65

66

67

68 69

Siehe hier ab S. 9, bes. 12, 28, 31 u. 36 (dort zur angeblichen Autorenschaft Schmidlins). Siehe hier S. 239 sowie die Nachweise im Einzelkommentar. Siehe dazu hier im Einzelkommentar, bes. S. 284, 286, 287 (s. jeweils den Kommentar), ferner hier S. 20. Siehe zumal seine Bearbeitung von Strölins deutscher Kurzer Erklärung. Siehe dazu hier S. 13. Siehe dazu die monographischen Darstellung hier S. 12, 14, 33 u. 187 sowie hier den Einzelkommentar zur fehlenden Behandlung von Pos. ↑ 60a u. 74a und zu Defiziten in der Behandlung der Positionen 50f., 55f. u. 59. Siehe auch die Einleitung zur Oetingers Legende des Risses, hier S. 266. Fraglich bleibt, warum Oetinger die Errata-Liste nur in drei Fällen nutzte, um grobe Fehler zu beseitigen (s. Oetinger, 1763, S. 431). Siehe Oetinger, 1858, a. E. So wurde die Verwendung abweichender Schriftarten und die Sperrung von Einzelworten nicht dokumentiert. Inwieweit diese Variationen dem Willen des Autors oder dem Belieben des Setzers geschuldet sind (vgl. die Willkürlichkeit der Sperrung etwa auf S. 418: »Gesetzes« u. »E v a n g e l i i« sowie »Jacobus Maior« u. »J a c o b u s der Kleinere«), bedürfte einer besonderen Betrachtung, die in jedem Fall am Original erfolgen müßte. Dank der UB Tübingen ist es jetzt als Digitalisat bequem zugänglich (s. die bibliographischen Angaben zu

5.3 Oetingers Kurtzer Begriff

293

optischen Edition der Beschriftung der Turris Antoniae und der Legende zum Riß her. Verweise auf die Pictura docens und die Bibel, welche dort bereits gegeben wurden, werden hier nicht wiederholt. Warum Oetinger einzelne ikonographische Details auf der Lehrtafel verzeichnet oder nicht, ist jedenfalls gegenwärtig nicht überall gleichermaßen gut erklärbar. In manchen Fällen muß sich der Einzelkommentar damit begnügen, auf bleibende Verständnislücken hinzuweisen. Siehe den Kommentar unten zu Z. 6. Siehe die vier Banner-Inschriften auf der Lehrtafel oben links und rechts. Sie werden von Strölin, Schmidlin und Raith nirgends gewürdigt. Oetinger (oder Klemm bzw. Knoderer) hat sie wohl auf der Lehrtafel selbst vor Ort in Bad Teinach entziffert. Siehe dazu hier S. 9. [3] Oetinger kommentiert hier die überdimensionale Krone oben auf der Lehrtafel (↑ 1) mit ihren Edelsteinen und deren eingravierten hebr. Buchstaben. Er konnte sich dabei auf die Pictura (Zeile 24 bis 33) stützen, welche die Steine und deren Inschriften kommentiert, leider ohne Angaben zu den Farbwerten: oben in der Mitte wohl ein grüner Diamant mit einem !‫( י‬früher entgegen der klaren Aussage der Pictura und Raiths oft mißdeutet als !‫ ;א‬s. so zuerst in Klemms Riß; hier Abb. 5); drei blauschwarze Saphire auf dem Kronreif; der mittige mit einem !‫ ;ש‬dazwischen zwei rote Rubine mit den Aufschriften !N‫ נת‬und !‫הוא‬. Aus der Pictura wußte Oetinger, daß der Name Jesu durch das !‫ ש‬angespielt werden soll als Mittelbuchstabe des Pentagrammes, das nach Reuchlin das Tetragramm aufschließt. Siehe Näheres dazu hier S. 83, bes. Anm. 226; S. 90, bes. Anm. 274; ferner im Kommentar zu »ANTONIA JEHU NATAN« in Raiths Predigt (Raith, 1673, S. 9, hier S. 251); jetzt dazu Betz, 2013, S. 80f. [4] Auf der Lehrtafel umgeben Palmzweige (Zeichen der Huldigung und des Sieges, s. Pictura 41) das Monogramm (s. dazu hier S. 61, 90, 91 u. 150). Die Engelchöre befinden sich im Umkreis der Gebäudekuppel. [5] Sinngemäß ist in ›Samaels, des Drachen‹ zu ändern. Zur Namensgebung »Samael« s. Pictura 536. [6] Siehe dazu hier S. 140. Wie im Falle der vier Banner-Inschriften (s. oben Z. 3–5) liegt hier wohl Autopsie der Lehrtafel zugrunde und/oder eine ikonographisch korrekte Interpretation von Pictura 1668. Denn in den anderen alten [1] [2]

Oetinger, 1763). Für die vorliegende Edition wurden – neben der in jedem Fall unverzichtbaren Zentrierung und Kolumnierung – nur zwei zusätzliche Textgliederungssignale verwendet, die Unterscheidung zweier Schriftgrößen und eine absatzartige Gliederung nach Sinneinheiten. Dies geschieht in nötigenfalls behutsam korrigierender Anlehnung an erkennbare Gliederungstendenzen des Erstdruckes, ist im Ergebnis aber nur ein Diskussionsvorschlag, der in wichtigen Fällen im Einzelkommentar begründet wird.

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5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

Kurzbeschreibungen werden die zehn Jungfrauen nicht erwähnt. Siehe dazu hier S. 140. Oetinger fügt noch zwei Begriffe der Prädestinationslehre bei, die sich durch das Gleichnis illustrieren lassen (»Verwerffung«, »Erwählung«). [7] Zu »Augen«, »Sternen« und »Stimmen« (unten Z. 26) s. hier S. 128. [8] Auf der Lehrtafel ist !‫ הוא‬bei Position ↑ a auf einem kleinen schwarzen Schriftfeld zu lesen. Oetinger fand diesen Gottesnamen auch in der Vorlage zu »der Prinzeßin Ebräischen Entwurf von den letzten Quellen aller geschaffenen Dinge, d[as]. i[st]. von den Sephirot« (Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 252; vgl. 253f.). Siehe hier die Edition der Vorlage(n), S. 321 unter [S1], bes. den Komm. zu »Jlle« in Z. 6; ferner Pictura, Z. 36. [9] Siehe Dan 7,10. Zum ergänzenden Referat dieses christologisch ausgedeuteten Bibelverses hat sich Oetinger wohl von Raith anregen lassen (s. Raith, 1673, S. 3, hier S. 241, Z. 85). [10] Auf der Lehrtafel hat die Figur der 1. Sefira eine goldene, die der 2. ein grüne und die der 3. eine blaue Krone (↑ a–c) – eine weitere Bemerkung Oetingers, die auf Autopsie der Lehrtafel beruhen dürfte. Ob und welche Symbolbedeutung die Farben haben, ist bislang nicht geklärt; s. dazu Betz, 2013, S. 81. [11] Siehe oben die Anm. zu »Augen« in Z. 17. Oetinger übergeht die Elemente aus der Ezechiel-Vision (↑ 15 und 16). Doch geschieht das wohl nur aus Flüchtigkeit oder Zeitnot.70 Denn andernorts spielen sie für Oetinger bei der Behandlung der sieben Quell-Geister nach Jakob Böhme eine eminente Rolle.71 [12] Die Ophanim sind eine erst aus dem nachbiblischen Schrifttum bekannte Engelklasse. Oetinger kannte sie jedenfalls aus seinem Studium der Cabala denudata (s. etwa Knorr, 1684, S. 222), übernahm aber die Angabe im vorliegenden Fall aus der Pictura (s. App.), in deren Hintergrund Strölins Kabbalastudien stehen. Siehe Strölins Tableau zum Brustschild (s. hier S. 359, Sp. 7, Z. 27–32): »!M‫י‬¢‫ אֹופָנ‬Auffanim, die Engel so Gottes angesicht stets sehen vnnd auff die Menschen ihr Auffsicht haben.«; s. auch den Art. »Engel«. In: Oetinger, 1999, Bd. 1, S. 96–100. [13] Ein Herz ist auf der Lehrtafel nicht zu sehen. Oetinger hat vermutlich die Ausdeutung in Pictura 46–50 mißverstanden: »Circulo, quadrato, trigono idem monstrante | Licet non oculorum cor, sed cordis oculus penetrare possit. | Cuius Sancta Simplicitas in Trino Unum invenit, | in Heptaplo simplicitatem, | 70 71

Siehe dazu hier S. 12. Siehe Oetinger, 1774, § VII., S. 7f., s. auch S. 4f.; s. Böhme Aurora, cap. XIII (Böhme, 1997, S. 217–243); zu »Quell-Geister« als Bezeichnung der Sefirot s. a. den Art. »Sephiroth«. In: Zedler, Bd. 37, Sp. 255–259, 256; ferner Oetingers Emblematisches Wörterbuch, die Art. »Schärfe, Oxos«, »Schöpfung, Genesis, Ktisis« und »Welt, unsichtbare, Mundus intelligibilis, aorata« (Oetinger, 1999, Bd. 1, S. 282f., 285–291, 405f.); ferner schon hier S. 18ff. zu Oetingers Kräftelehre (Lehre von den sieben Geistern bzw. sieben unteren Sefirot).

5.3 Oetingers Kurtzer Begriff

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In Uno omnia, in omnibus Unum.« Das beschreibt nicht etwas Vorfindliches, sondern gebraucht ›Herz‹ übertragen und wortspielerisch im Rahmen einer erkenntniskritischen Aussage (nicht die menschliche Pupille, ›das Herz der Augen‹, sondern nur das ›Auge des Herzens‹ vermag kraft seiner Schlichtheit in der Vielheit die Einheit zu sehen). Entsprechend hat man die Dreizahl (Dreieck, dreiblättriges Kleeblatt, Trishagion, Trinität, die drei oberen Sefirot), Vierzahl (Viereck, Tetragramm) und auch Vielzahl (Strahlen) zur Einzahl (Kreis, Auge) in Beziehung zu setzen. Siehe mehr dazu hier S. 127. [14] Oetinger behandelt hier das auf der Lehrtafel am Gebäudegiebel sichtbare Medaillon (zwischen den Darstellungen der drei oberen Sefirot (↑ a–c). Im Fall von »Hertz« liegt ein Beobachtungsfehler vor (es ist ein Kleeblatt) und/oder eine Fehldeutung der Aussage in Pictura 46–50. Siehe dazu hier S. 128 (Anm.). [15] Auf dem eben bereits kommentierten Medaillon (s. Z. 35–41) findet man das Trishagion (dreimal !‫)קדוש‬, auf der Peripherie des Kreises. Siehe dazu noch einmal hier S. 128. [16] Zu »Ausbreitung« s. hier S. 18. [17] Zu diesen Attributen der 4. und 5. Sefira auf der Lehrtafel s. hier S. 145. [18] Die Schwalbe sitzt auf dem äußersten linken Giebelrand des Tempelgebäudes auf der Lehrtafel; die Taube auf dem rechten gegenüber. Die Risse von Strölin und Klemm registrieren sie nicht. Oetinger hat sie durch Autopsie und/oder Lektüre der Pictura (Zeile 2255) ermittelt. Siehe Betz, 2013, S. 88, besonders den Hinweis auf Ps 84,4. [19] Anspielung ungeklärt, vermutlich aus einem kabbalistischen Kontext abzuleiten. In Knorrs lexikalischer Behandlung der drei Patriarchen (Knorr, 1677, S. 22f, 444– 449, 450) ist sie allerdings nicht greifbar. [20] Siehe den Kommentar zu ↑ 32 für Klemms Riß, hier S. 268. [21] Gemeint sind die Obelisken rechts und links über dem Gebäudesims; s. dazu Eusterschulte/Knebusch, 2007, S. LXVIff.; ferner hier S. 150ff. [22] Das textkritische Problem hat Breymayer bereinigt (s. Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 542): Mit »Fischfressender« korrigiert Oetinger einen eigenen Übersetzungsfehler; »Onocutalus« ist ein Druckfehler (s. »Onocrotalus« in Pictura 125). Die Einrückungen in dieser Zeile habe ich korrigierend vorgenommen. Ihr Fehlen im Druck suggeriert nach der sonst erkennbaren Gliederungslogik die Existenz von vier Vögeln anstatt von zweien. Das ist aber sachlich wie sprachlich falsch und nur durch einen Flüchtigkeitsfehler des Autors oder Druckers zu erklären. [23] Eine Deutung der Schiffsszene auf dem rechten Obelisken bietet die Legende zum Riß nicht; nach der Turris Antoniae ist es Jonas Fluchtgefährt (s. hier S. 267 zu ↑ 24). Auf der Lehrtafel sieht man, wie ein Mann über Bord geht und

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ein großer Fisch auf ihn wartet. Doch muß man schon sehr gute Augen oder ein vorzügliche Abbildung haben, um das alles zu erkennen. Betz ist das gelungen. Eine Deutung auf Mt 14,22–33, wo nach dem Sondergut des Matthäus in den vv. 28–31 Petrus aus dem Schiff steigt, um über das Wasser zu wandeln, ist somit abzulehnen. Wahrscheinlich hat sich Oetinger von Pictura 257 (ver)leiten lassen, wie schon Betz vermutet.72 [24] Mit dieser, den theologischen Gehalt der Szene aufschließenden Formulierung lehnt sich Oetinger eng an die Pictura an: »Sic in Iordanis undâ, | Profunda Trinitatis suae Mysteria revelans | In Uno capite totius Orbis vitia diluit, delevit« (Pictura, Z. 241–243; Hervorhebung von mir). [25] Ohne erkennbaren Grund wird »Stoltzer Pfau« im DR innerhalb der Kolumne zentriert. Die Erstedition hat das mit Recht ignoriert. Mit Oetinger hat auch Betz den Vogel rechts außen auf dem Sims des Lehrtafel-Gebäudes (↑ 28b) als Eisvogel (Alkyone, Halcyone, biol. Familie der Alcedinidae) identifiziert (s. Betz, 2013, S. 87). Das beruht wohl auf einem Mißverständnis von Pictura 152–154, wo unter weiteren Tieren Seeadler und Eisvogel auftreten. Schmidlins literarisch anspruchsvolle Behandlung impliziert aber nicht zwingend eine Darstellung des Eisvogels auf der fraglichen Position, noch überhaupt eine Darstellung auf der Lehrtafel. Der Vogel auf der Lehrtafel macht Schwierigkeiten: Er hat den Schnabel eines Ibis, nicht jedoch dessen Beine (siehe Betz, ebd.); als Seeadler (s. ↑ 28b, hier S. 267) ist er eigentlich inakzeptabel73 ; schon aufgrund der stattlichen Größe kommt er als Eisvogel nicht in Frage.74 Die »ernährende Liebe« spielt an auf Schmidlins »belebende Tage des Eisvogels«,75 d. h. seine gern symbolisch und emblematisch ausgedeutete, winterliche Brutzeit während der Wintersonnenwende.76 [26] Siehe dazu hier den Kommentar zum Riß, S. 268, zu ↑ 40. 72

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Siehe Betz, 2013, S. 75 u. Anm. 118. Zu der weiteren Vermutung, die Schöpfer der Lehrtafel hätten sich erst sekundär gegen Mt 14,28–31 entschieden (so Betz, ebd.), besteht nach Auswertung der Turris und einer genaueren Beachtung des besonderen literarischen Charakters der Pictura kein Anlaß. Aus den übrigen Tierdarstellungen der Lehrtafel und einer Briefstelle, wie sehr die Schöpfer der Lehrtafel auf Naturtreue bedacht waren. Zeitgenössische Fachbücher wurden herangezogen, und sie enthielten auch adäquate Abbildungen des Seeadlers. Siehe dazu die ornithologischen Reflexionen im Brief Strölins an Steudner vom April 1662, hier S. 383; Aldrovandi, 1646, S. 188; Jonston, 1650, Tafel 2, nach S. 12. Zu Darstellung und Symbolik des Eisvogels von Ovid bis Kratzenstein Stub s. Thielmann, 2008, bes. S. 143–148 u. 163 sowie Abb. 36f. Pictura 154: »vivifica Halcyonia«. Siehe Betz, 2013, S. 87; ferner Liselotte Wehrhan-Stauch: Art. »Eisvogel«. In: LCI, Bd. 1, S. 597f., u. Henkel/Schöne, S. 840f.

5.3 Oetingers Kurtzer Begriff

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Man erwartet eine Entsprechung zu »Cerva matutina.« und »Mensa« (s. Turris Antoniae ↑ 60a u. ↑ 74a, hier S. 269). Vermutlich war auch in diesem Fall Oetingers notgedrungene Eile im Spiel; s. dazu hier S. 12. [28] Mit »Schilo« spielt Oetinger auf die beliebte christologische Auslegung des !‫יל·ה‬¤‫ ׁש‬in Gen 49,10 an.77 [29] Siehe Gen 28,12 u. 32 passim, bes. v. 28. Nach einer Aussage im Anhang zu seinem Biblischen Wörterbuch ist der Kampf am Jabbok »eine der wichtigsten Stellen der Schrift« (Oetinger, 1999, Bd. 1, S. 374f., 374). Oetinger unterzieht die Episode einer komplexen typologischen (Jakobs Kampf am Jabbok/Christi Kampf in Gethsemane) und partiell auch allegorischen Ausdeutung (äußerlicher/innerlicher Anbruch der Morgenröte; s. Gen 32,24). Am Ende des Kampfes verwandele sich der göttliche Gerichtszorn in Liebe und es offenbare sich die reine oder heilige Menschheit in Christus und unsere »Esaus oder Esels=Natur« (ebd. S. 724) sei überwunden. Im Hintergrund steht Böhmes soteriologische Konzeption eines innergöttlichen Widerstreits zwischen Zorn und Liebe sowie der Heilung des gefallenen Menschen.78 [30] Zu den Metallen s. Strölins Erklärungen zur 6. Sefira (hier S. 326, Z. 95f. u. 107); ferner Böhmes Aurora (s. dazu hier die vorangehende Anm.); Knorr, 1677, S. 117, 345f., 625. Die Zeilen 84 bis 87 speisen sich aus Oetingers eigenem Denken, zumal seiner produktiven Böhme-Rezeption. Breymayer verweist nur allgemein auf Böhmes Aurora und seine alchemistischen Vorstellungen.79 Wertvoller ist sein Hinweis auf den Zusammenhang mit dem näheren Kontext, nämlich der Aurora mit Parousie, Gericht, Offenbarung und Zerreißen des Vorhanges.80 Zur Morgenröte s. den gleichnamigen Artikel im Emblematischen Wörterbuch.81 Welcher Zusammenhang zwischen Licht, Luft und Wind so[27]

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Siehe auch »Schiloh« in Pictura docens, Z. 696. Zum frühneuzeitlichen Diskussionsstand s. Glassius, 1643, S. 71, u. Scharf, 1673, passim; s. a. Steiger, 2000, S. 211. Siehe Böhme De Signatura Rerum, cap. X. und XI. (Böhme, 1997, S. 643–700); bes. zu Jakobs Kampf s. Aurora, cap. VI. (Böhme, 1997, S. 105): Nach ebd., cap. VIII. ist die Luft in Gott »ein lieblich/ stille saussen oder wallen« (Böhme, 1997, S. 119). Zur Morgenröte s. ebd., cap. IX. (S. 144); cap. XII (S. 201); cap. XIII (S. 218); cap. XXVI (S. 495); zu Morgenröte und Regenbogen s. ebd., cap. XIII (S. 350f.). Zu den Metallen s. ebd. cap. XXII (S. 416). Siehe Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 543. Siehe »Manifestatione sui« hier in Z. 90. Siehe dazu Oetingers Emblematisches Wörterbuch, Art. »Schöpfung« und »Zorn, Orge«. In: Oetinger, 1999, Bd. 1, S. 285–291, 286, 365–371, 369. Siehe Oetinger, 1999, Bd. 1, S. 394. Zu Oetingers allegorischer Auslegung der Morgenröte als Anzeichen der Überwindung des göttlichen Zorns und seiner Verwandlung in Liebe s. hier den Komm. zu Z. 84–87.

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5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

wie Metallen und Steinen bestehe, deutet Oetinger in den Artikeln Licht u. Wind und Luft seines Emblematischen Wörterbuches an.82 [31] Zur Adjektivform »Rosinfarbes« (= Rosinfarbenes, Rosinfarbiges) s. DWB, Bd. 3, s. v. »farb«, Sp. 1321. [32] Gemeint ist wohl: Christi Blut ist noch kostbarer als das Gold, das nach alchemischer Anschauung als Goldtinktur im Kupfer enthalten ist. Siehe dazu den Art. »Kupferne Schlange«. In: Oetinger: Biblisches Wörterbuch: »Jn dem Kupfer ist die Tinctur des Goldes mehr als im Golde selbst [...].«83 [33] Die Schöpfer der Lehrtafel haben Mose ohne den Stab dargestellt, der doch angesichts seiner prominenten Rolle in vielen Episoden von Moses Wirken84 gut als Attribut taugt und in der christlichen Kunst hier und da beigegeben wird. Das macht Oetingers irreführende Angabe einigermaßen verständlich.85 Auch 82

83 84 85

Siehe die Oetinger, 1999, Bd. 1, S. 390–392 u. 406; ferner auch seine Böhme-Auslegung (Oetinger, 1774, S. 41f.; Böhme, 1920, S. 88f.): »Das erste, woran man sich stößt, ist, daß Jac. Böhm nach des grosen [sic] Englischen Staatsministers, Baconis de Verulamio, Grundlehre (in Sylva. § 98), den Grund aller heutigen Philosophie umstößt, indeme Baco sagt: Geist ist nichts, als ein dünngemachter Leib; Geist ist in den betastlichen Theilen eingeschlossen, als wie in einer Decke. Diesen Grund= || begriff muß nothwendig unser Erlöser und allein weiser Lehrer, JEsus, gehabt haben, weil er sagt: werdet ihr nicht essen das Fleisch des Menschen=Sohns und trinken sein Blut, so habt ihr kein Leben in euch. Nun sagt er: das Fleisch ist kein nütz, sollen wir es geniessen, so muß Fleisch und Blut JEsu als ein unsichtbarer allerdünnster Wind, Luft oder Geist vom ewigen Worte simplificiret und immortalisirt in unseren Seelen einwesig gemacht werden, sonst wird man allzeit sagen: das ist eine harte Rede, wer kan sie fassen: Joh 6.« Zum Ausdruck »sanfte Himmelsluft« s. in Jakob Böhmes Aurora, cap. VI. (Böhme, 1997, bes. S. 102–104). Zur Rolle der Luft bei der Entstehung der Metalle und Steine s. etwa die einschlägigen Kapitel bei Joachim Tanckius. Siehe den 4. u. 5. Traktat in Tanckius, 1614, S. 287–293 u. 293–297: Sie dringt als Wind in das Erdreich durch Luftlöcher ein und tritt als Dunst oder Dampf mit dem Schwefel und der Erde in einen Verwandlungs- und Reinigungsprozeß ein, der den Weg für das Wachsen der verschiedenen Metalle und Steine bereitet. Oetinger, 1999, Bd. 1, S. 209; s. a. Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 543. Siehe Ex 4,2ff.; 7,9ff.; 8,16; 9,23; 10,13; 14,16; 17,5.9; Num 20,8ff. Siehe Hanspeter Schlosser: Art. »Moses«. In: LCI, Bd. 3, S. 282–297, 285; vor allem aber den Kupferstich Jan Sadelers d. Ä. nach van den Broeck, zuerst veröffentlicht in Hillessemius, 1577, S. 26; s. jetzt Knipping, 1974, Bd. 1, S. 106. Zumal der bei Sadeler gegebene Darstellungstypus könnte das Vorbild für den Mose der Lehrtafel abgegeben und auch Oetinger beeinflußt haben: Sadelers Mose hat dieselbe Körperhaltung, kleine Strahlenbündel statt Hörnern, keinen zweigeteilten Bart (s. LCI, ebd.), vor sich die Gesetzestafeln. Die Abweichungen: Bei Sadeler werden auf den Tafeln die Zehn Gebote nach der lat. Vulgata zitiert (Ex 20,2–17, ohne v. 10b.11), auf der Lehrtafel nur die hebr. Anfangsbuchstaben der einzelnen Gebote (s. Betz, 2013, S. 69); bei Sadeler öffnet sich die Rechte in Zeigegeste zu den Tafeln, die Linke umschließt den Stab; auf der Lehrtafel stützt sich Mose mit der Rechten auf die Tafeln, die Linke ist in Zeigegeste zur ehernen Schlange nach oben gereckt. Die Abweichungen auf der Lehrtafel erklären sich aus dem beabsichtigten Hinweis auf die eherne Schlange rechts daneben als Typos des Gekreuzigten, was keinen Raum läßt für einen

5.3 Oetingers Kurtzer Begriff

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Schmidlins pointierte Nennung des Stabes mag das Ihre beigetragen haben (s. Pictura 904). [34] Oetinger bringt damit wohl nur Ex 4,16 und 7,1 in Erinnerung, schwerlich eine Stelle aus den Sibyllinischen Orakeln.86 [35] Die Aussage ist möglicherweise verstümmelt aufgrund der notgedrungenen Flüchtigkeit und Eile, mit der Oetinger bzw. der Setzer arbeiten mußte; s. dazu hier die Einleitung zum Kommentar. Gemeint ist vielleicht: ›der nicht ist ⟨der erwartete Messias⟩‹ (s. Joh 3,28). [36] Zu Sonne und Mond s. Jos 10,12f. Die Bibel weiß nichts von einer Frau Josuas, was die Aussage ermöglicht, er sei jungfräulich geblieben. Das Folgende ist von Oetinger offenbar auch mit Blick auf Paulus »aus Asia in Europa« formuliert (Zeile 100f. rechts), doch erklärt das noch nicht alles. Schmidlin läßt sich um eines Wortspieles willen hinreißen, Josua einen »victor sine termino« zu nennen (Pictura 930). Das einschlägige Elogium Emanuele Tesauros bietet aber eine weit genauere Vorlage für Oetinger in Gestalt einer fiktiven Inschrift auf einem himmlischen Triumphbogen für Josua: »[...] | Pompam excipiat caelestis Arcus. | Sic inscripto fastigio. | Iesu seruatori, | Dictatori virgineo | Africano, Asiatico. | [...]«87 (Ein Triumphbogen im Himmel empfange den Festzug, an seinem Giebel die folgende Inschrift: Josua, dem Erretter, dem jungfräulichen Dictator, [aufgrund seiner Siege im afrikanischen Ägypten und asiatischen Palästina ausgezeichnet mit] dem [Beinamen] Africanus [und] Asiaticus.) Tesauro adaptiert aus dem alten Rom bekannte politische und juristische Sprachmuster. Josua wird zum dictator und triumphator, verbunden mit ehrenden Beinamen (vgl. z. B. Scipio Africanus Numantinus) aufgrund seiner führenden Rolle bei der Flucht aus Ägypten (Ex 17,9; s. auch das Elogium in Sir 46,1–7) und der Landnahme. Die Wahl der Beinamen setzt dabei voraus, daß Ägypten zum afrikanischen Kontinent gehört, mithin die Landenge von Suez als Grenze zu Asien anzusehen ist.88 Tesauros Präzision und Pointierung geht bei Schmid-

86 87 88

Stab in der Linken. Entsprechendes gilt für Josua: Bei Sadeler führt er die Lanze in der Linken und hält mit der Rechten das aufgeschlagene Gesetzbuch (s. Hillessemius, 1577, S. 34; Knipping, 1974, Bd. 1, S. 107). Auf der Lehrtafel hält die Rechte die Lanze und die Linke ist in Zeigegeste erhoben (↑ 57). Gegen Häußermann in Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 543f. Tesauro, 1645, S. 89f. Siehe Sanson, 1653, S. 3: »Vers l’Occident l’Asie est separée de l’Afrique par la Mer Rouge, depuis le Destroit de Babel-mandel jusques à l’Isthme des Suez [...].« Blaeu, 1665, Bd. X, Tafel 1 (Asia noviter delineata). In der Frühen Neuzeit hat sich diese Kontinentscheidung durchgesetzt im Zuge der Erschließung der antiken Geographie. Bei Schedel, 1493, Bl. XIIIv endet Asien noch an der Westgrenze Ägyptens: »Jtem egypten land ligt auch in asia.« Auch der Nil war bei antiken Geographen als Grenze im Gespräch; s. Uta Lindgren: Art. »Kontinent«. In: Enzyklopädie der Neuzeit, Bd. 6 (2007), S. 1144–1148; für Details s. August Pauly/Albert Forbiger: Art. »Africa«. In: Pauly/Teuffel, 1866, Bd. 1, S. 505–509, 505.

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lin und Oetinger verloren. Daß man im Antoniakreis Tesauros Werk studierte, belegen ausdrücklich die Briefe Strölins an Andreae (s. dazu hier S. 400, Anm.; s. zur Rezeption Tesauros im Antoniakreis ferner Gruhl, 2006, passim). Tesauro wurde auch hundert Jahre später aufgelegt (s. z. B. Tesauro/Juglaris, 1741); Oetinger hat ihn offenbar gekannt. [37] Es handelt sich um die leiblichen Söhne Jakobs,89 die nach einer beliebten Auslegungstradition auf den Edelsteinen des hohepriesterlichen Brustschildes zu finden waren. Siehe dazu hier S. 214. Oetingers Auflistung in zwei Sechsergruppen erinnert zwar an die Beschreibung des Ephod in Ex 28,10–12 (je sechs Söhne auf einem der beiden Schulterstücke), bietet allerdings im Detail eine Reihenfolge, die weder in der Bibel oder bei Raschi,90 noch in Pictura, Turris Antoniae oder einem einschlägigen Exzerpt Strölins91 vorgebildet ist. Auch eine Aufreihung nach Farbwerten oder im Sinne der Rechts-LinksSymbolik oder gar Luthers programmatischer Dichotomie von Gesetz und Evangelium scheint nicht vorzuliegen. Möglicherweise spiegelt Oetingers Reihenfolge gar kein Vorbild oder einen vorgefaßten Plan, sondern nur die Eile während der Drucklegung (siehe dazu S. 12 und 14). Ähnliche Schwierigkeiten macht Oetingers Auflistung der Propheten und Apostel (s. Z. 131–136 u. 174). Hier in Z. 209–228 (S. 291) findet sich eine weitere, teilweise abweichende Zuordnung von Edelsteinen, wobei – wie in der Turris Antoniae (a. E., hier S. 271) – der Smaragd Ephraim und der Onyx Manasse zugeordnet werden. Siehe den Kommentar z. St.; ferner die monographische Behandlung hier S. 33, 189 u. 214. [38] Die Aussage ist wohl verstümmelt aufgrund der notgedrungenen Flüchtigkeit und Eile, mit der Oetinger bzw. der Setzer arbeiten mußte (s. hier oben S. 12 sowie auch Z. 96 (Kommentar!) u. 125. Sinngemäß ist zu ergänzen: ›als ⟨Folge des herabgeworfenen⟩ Mühl=Steins‹. [39] Siehe Offb 8,2–11,15; auf der Lehrtafel links die sieben Posaunen über dem Sinai (↑ 47); fehlt in Strölins und Klemms Riß. [40] Siehe zum Ursprung Breymayer in Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 544: »Anspielung auf QUINTUS ENNIUS (239–169 v. Chr.), Annales, lib. 2, Nr. 143 (ed. Warmington): »At tuba terribili sonitu tarantara dixit.« Bei »Taratantarisatio« handelt es sich wohl um eine spätlateinische (?) Ableitung von einem Verbum ›tarantarisare‹ (mit Trompeten schmettern, die Trompeten erschallen lassen). Weitere Belege fehlen bislang. Davon zu unterscheiden ist jedenfalls 89

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Siehe Gen 29,31–30,24; 35,16–20; 49,3–27; Ex 1,1–5; 1 Chr 2,1f.; Dtn 33,20f. (es fehlen Simeon und Isaschar) u. Off. 7,5–8 (Dan fehlt). Siehe Raschi zu Ex 28,10: Auf einem der Onyxsteine nach der Reihenfolge ihrer Geburt Ruben – Naphtali, auf dem anderen Gad – Benjamin (s. Pentateuch, 1946, Bd. 1, S. 154). Siehe die »pectoralis Aaronicj explicatio« (hier S. 349; ferner dazu S. 357 und S. 219).

5.3 Oetingers Kurtzer Begriff

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der Bedeutung nach das Verbum ›tarantarizare‹ (sieben, seihen) und ›tarantara‹ (Sieb, Seihtuch). Siehe dazu Stotz, 2000, S. 388, VI,104,9. [41] Die Lehrtafel zeigt auf Position ↑ 49a eine wild zerklüftete Phantasielandschaft. Erst Oetinger stellt betont zwei Wüstengegenden gegenüber.92 Die Farbgestaltung auf der Lehrtafel mag ihn dazu angeregt haben: Im Vordergrund sieht man auf Position ↑ 49a helle Flecken, die sich als Wasser oder blühende Vegetation deuten lassen. Die rationalistische Exegese seiner Zeit bekämpft das Vorurteil, die Bezeichnung als »Wüste« meine für das Land Palästinas dasselbe wie im Fall der Sinai-Halbinsel. Nur Letztere sei unkultiviert und unkultivierbar, eine »heulende Einöde« nach der Bibel (Dtn 32,10).93 Oetinger geht es sehr wahrscheinlich nicht um ein solches ›Vorurteil‹. Er will den bibelfesten Leser vielmehr an Jes 35 erinnern, wo die blühende Wüste gerade nicht als Indiz natürlich gegebener Kultivierbarkeit, sondern als Zeichen des Anbruchs der erhofften Heilswende eingeführt wird, welche die »heulende Einöde« zur Oase transformiert. Die Attribute »trocken« und »blühend« stehen bei Oetinger entsprechend für den Gegensatz von Gerichts- und Gnadenseite innerhalb des die Lehrtafel prägenden Sefirot-Systems. [42] Das meint in heutigem Deutsch ›beschwerlich‹ (s. den Art. »schwer«. In: DWB, Bd. 15, Sp. 2541). [43] Die beliebte Formel von der Ruhe, die Gott seinem Volk im gelobten Land gibt,94 wird in 1 Chr 6,31 tempeltheologisch gewendet: Die Bundeslade kommt zur Ruhe im Tempel in Jerusalem. 1 Chr 23,25 verknüpft die Ruhe im gelobten Land mit Gottes ewigem Wohnen im Jerusalemer Tempel (s. auch Ps 132,14). Eine Wendung ins End- bzw. Überzeitliche bieten dann Jes 32,18 u. Hebr 4,9. Oetinger setzt sie voraus, sowohl hier als auch unter dem Stichwort »Ruhe« im 92

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Die Turris Antoniae benennt die Position, überläßt die Deutung aber dem Leser (s. ↑ 49a, hier S. 268 u. den Kommentar dazu). Die Legende zu Klemms Riß schweigt sich aus. Siehe Bachiene, 1766, S. 355f.: »Allein, man würde sich sehr betriegen, wenn man alle Wüsten dieses Landes, die in der heil. Schrift vorkommen, für solche heulende Einöden halten wollte. Man siehet deutlich, daß das hebräische Wort !‫בר![ מדבר‬K‫ מ‬im Druck] (midbar) durchgängig bloß eine ungebauete Gegend, einen unbearbeiteten [umbearbeiteten im Druck] Strich Landes bedeute, da man keine Lustgärten, Weinberge oder Kornfelder antrifft, daher auch eine Wüste als ein Land beschrieben wird, da man nicht säet (Jer 2,2). Eine Wüste in diesem Verstande ist eine Gegend, die nicht gepflüget und besäet wird, die aber wegen der Menge des Grases zu Viehweiden sehr bequem ist; weswegen auch an verschiedenen Orten von den Weiden der Wüste geredet wird (Ps. 65,13.14. Joel, 1,19.). [...] Jesajas (Kap. 2,11.) redet | | von Wüsten und von Städten darinn; und in demjenigen Theile des Stammes Juda, der die Wüste Juda genennet wird, zählte man sechs Städte mit ihren Dörfern (Jos. 15,61.). [...] Diese vorläufige Anmerkung ist nicht unnöthig. Dadurch wird dem Vorurtheile vorgebeuget, das einer leichtlich fassen könnte, daß dieses Land eben nicht sehr fruchtbar seyn müsse, weil er von so vielen Wüsten höret [...].« Siehe Dtn 3,20; 12,9; 25,19; Jos 1,13.15; 21,44; 22,4; 2 Sam 7,1.11; 1 Kön 5,4; 8,56 etc.

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5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

Art. »Ruhe, Katapausis, Anapausis« seines Biblischen Wörterbuchs: »Das verheissene Land durch Kanaan abgebildet nennt Paulus Ebr. 4 unsere Ruhe.«95 Nach Maßgabe der Urbild-Abbild-Konzeption des Hebräerbriefes kann Oetinger also das irdisch-zeitliche Jerusalem als Abbild eines ewig-himmlischen Urbildes verstehen.96 Siehe auch die zeitgenössische etymologische Deutung Jerusalems »der Herr wird Sorge vor Friede und Ruhe haben«.97 [44] Siehe den Kommentar zu Turris Antoniae ↑ 50, hier S. 268. [45] Zu »Gesraiten« s. gleich den Kommentar zu »Des Sterbenden Auffahrt«. [46] »Begräbnis« wird hier im weiblichen Geschlecht gebraucht; s. DWB, Bd. 1, s. v. »begräbnis«, Sp. 1305. [47] Für die Zeilen 122–12798 findet der Betrachter auf der Lehrtafel zumeist keine konkrete Entsprechung. Im Lager sind die Figuren allzu winzig (linke Spalte; s. ↑ 49). Oetinger nennt Ruben, Ephraim, Juda und Dan als zentrale Gestalten der vier Dreierabteilungen der Lagerordnung,99 ferner die Leitsterne Mose, Aaron und Josua sowie eine Reihe von Abkömmlingen Aarons mit verschiedenen Aufgaben im heiligen Bezirk.100 Bei der Aufzählung prominenter Örtlichkeiten in und um Jerusalem (rechte Spalte) nimmt Oetinger nicht immer Rücksicht auf die Details der gezeigten topographischen Rekonstruktion: Die Lehrtafel bietet, vom Tempel und den Palastbauten Davids und Salomos abgesehen, im wesentlichen die hellenistisch-römisch überformte Stadtanlage vor der Tempelzerstörung 70 n. Chr.101 Zu seiner Aufzählung von Gräbern hat Oetinger vermutlich Schmidlins Pictura docens, Z. 146–150, angeregt, wo neben Christi Grab102 u. a. die Gräber »der Könige [und] der Fremdlinge« (»Re95 96

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Oetinger, 1999, Bd. 1, S. 277. So läßt sich die von Betz bemerkte Unsicherheit bereinigen (»doch vielleicht [...] zugleich ein Symbol für das himmlische Jerusalem«; Betz, 2013, S. 90). Art. »Jerusalem«. In: Zedler, Bd. 14, Sp. 414–450, 415. Zu »Sorge haben vor« i. S. v. »Sorge tragen für« s. DWB, Bd. 16, s. v. »sorge«, Sp. 1755–1773, unter 2) d), Sp. 1770. Häußermanns Kommentar begnügt sich mit einigen hilfreichen Verweisen auf die Bibel und Klemms Riß, ohne tiefer einzudringen. In Nm 2 ist die spezifische Anordnung nach Himmelsrichtungen vorgebildet. Oetinger orientiert sich dabei an dem auf der Turris Antoniae u. analog auch auf der Lehrtafel anderswo gegebenen Schema (s. ↑ l–y u. den Kommentar dazu, hier S. 271). Zu den Kahatitern, Gersonitern und Meraritern s. Num 3–4 u. 26,57, ferner Gen 46,11; Ex 6,16 u. 1 Chr 6,16. »Gesraiten« ist wohl ein Gedächtnisfehler (Vermengung mit den in Ps 88,1 u. 89,1 genannten »Esrahiten«). Diese drei Gruppen werden berücksichtigt bei Prado/Villalpando, 1596, Bd. 2, S. 467, Lamy, 1720, Tab. IV. (nicht aber bei Walton, 1657, Bd. 6, Chronologia Sacra, nach S. 52), und diese Berücksichtigung diente Oetinger vielleicht als Anregung (s hier s. Abb. 47; Josua allerdings fehlt in den genannten möglichen Vorlagen). Zu den Priestern Ithamar und Eleasar s. Ex 6,23 28,1 Lev 10,6 Num 3,4 4,16. Siehe den Kommentar zu Turris Antoniae ↑ 50, hier S. 268. Auf der Lehrtafel wird es ebensowenig ausgewiesen (nordwestl. Altstadt; s. dazu etwa van Adrichem, 1600, S. 175) wie der Ort der Himmelfahrt (Ölberg nach Apg 1,12; s. Oe-

5.3 Oetingers Kurtzer Begriff

303

gum, Peregrinorum«; Z. 147) genannt werden.103 Auf der Lehrtafel finden sie sich nicht, stattdessen aber das seit dem Mittelalter verehrte, angebliche Grab Davids im Südwesten.104 »Begräbniß Josaphat« meint das in 2 Kön 23,6 als Begräbnisplatz erwähnte Kidrontal oder Tal Josaphat (wegen Joel 4,2.12; der König Josaphat wurde aber dort nicht begraben, s. 1 Kön 22,50), jene auf der Lehrtafel gut erkennbare Senke unterhalb des Ölbergs, in der christl. Tradition als Begräbnisort prominenter biblischer Gestalten bekannt (u. a. Absalom, Josafat, Jesaja, Stephanus, der Herrenbruder Jakobus, Maria).105 [48] Diese Überschrift sowie die Anordnung der Personengruppen auf der Lehrtafel läßt jedenfalls eine andere Anordnung erwarten, als der DR im Folgenden mit seiner Kombination von jeweils einer Propheten- und einer Apostelgestalt sowohl links wie rechts bietet.106 Siehe Betz, 2013, S. 56–64, zur Anordnung von Kleinen Propheten und Aposteln auf der Lehrtafel (jeweils von vorne nach hinten: Haggai, Obadja, Zephanja, Nahum, Hosea, Joel, Maleachi, Sacharja, Amos, Micha, Jona, Habakuk; Jakobus der Kleine/Jüngere, Johannes, Judas Thaddäus, Andreas, Petrus, Matthäus, Matthias, Simon Kananaios, Jakobus der Ältere, Thomas, Philippus, Bartholomäus). Oetingers ikonographische Legende (s. hier S. 266) bietet hierzu nichts (s. ↑ 90 u. 91). Die Frage, welche und wieviele prominente Personen der alten Kirche den Namen »Jakobus« trugen, war unter den frühneuzeitlichen Gelehrten übrigens strittig und bereitete bei der Abfassung der Pictura einiges Kopfzerbrechen; s. dazu den Brief Schmidlins an Strölin vom 29. Mai 1662 (WLB Cod. hist. fol. 551, S. [68r ]–[70v ], [69r ]).

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tingers »Des Sterbenden Auffahrt«). Nicht zwar die Orte, aber die Ereignisse werden in der Turris Antoniae und auf der Lehrtafel andernorts benannt (s. ↑ 72, 73 u. 13); s. hier Z. 32, rechte Spalte. Als Anspielung darauf verstehe ich Oetingers (durch Flüchtigkeits- oder Druckfehler entstellte?) Angabe »Könige, Begräbniß«. Die Königsgräber (s. 2 Chr 28,27) hat man nach heutigem Kenntnisstand im Südosten der Altstadt zu suchen. Siehe Küchler, 2007, S. 81f. Siehe 1 Kön 2,10; heute innerhalb der Benediktinerabtei Hagia Maria Sion lokalisiert. Es ist auf der Lehrtafel nur erkennbar, wenn man das Vorbild, Alsted, 1630, Tafel zu S. 2198, hier Abb. 35, Pos. X., hinzunimmt. Dieses Grab Davids wird auch bei van Adrichem, 1600, S. 152, ferner bei Villalpando, Walton, Lamy (s. dazu noch einmal den Kommentar zur Turris Antoniae zu ↑ 50, hier S. 268) sowie auf vielen weiteren Stadtplänen bis heute ausgewiesen. Siehe jetzt Küchler, 2007, S. 613 u. 634–636. Mt 27,7f. bezeichnet den Töpferacker bzw. Blutacker als »Begräbniß der Pilger« (s. Luther, 1545, Bd. 2, S. 2025; Schmidlins »Fremdlinge«). Traditionell wurde er im Hinnomtal lokalisiert und als Bestattungsort für Pilger genutzt (s. van Adrichem, 1600, S. 173, s. v. ACELDEMA); Küchler, 2007, S. 758). Siehe Alsted, 1630, Tafel zu S. 2198, hier Abb. 35, »Thal Josaphat«; van Adrichem, 1600: die Gräber im Kidrontal (Tal Josaphat) S. 171; Küchler, 2007, S. 670–752. Siehe auch die merkwürdige Anordnung weiter oben in der Auflistung der Edelsteine auf dem Brustschild des Hohepristers sowie der Edelsteine und Jakobssöhne am Textende und jeweils den Einzelkommentar dazu.

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5 Dokumente I: Alte Beschreibungen der Lehrtafel

Siehe dazu richtig den Kommentar in Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 544: »Der Ausdruck [...] bezieht sich [...] auf Jesus.« [50] Zur Verbindung von Salbung und Begräbnis s. Mt 26,12. Zu »Begräbniß« im weiblichen Geschlecht s. oben den Kommentar zu Z. 124. [51] Die Szene des Judaskusses ist an dieser Stelle auf der Lehrtafel (↑ 85) nicht zu sehen. Oetingers Angabe fußt auf einem Fehlverständnis der Pictura. Siehe dazu hier S. 31 sowie den Kommentar zur Legende des Risses zu ↑ 85, hier S. 289. [52] »Hündin« ist hier eine alternative Schreibung für ›Hindin‹ (s. DWB, Bd. 10, s. v. »hindin«, Sp. 1412). Siehe Ps 22,1 in Luthers Übersetzung, ↑ 60a auf der Turris Antoniae, hier S. 269, und den Kommentar dazu. [53] Siehe dazu S. 272 sowie 151. [54] Instrumente und Waffen finden sich auf der Lehrtafel auf den PfeilerSockeln dargestellt, wo sich auch die Szenen ↑ 84a und 85a finden. [55] »grössere« oberdeutsch statt ›grösseren‹. Ob Oetinger selbst oder erst der Drucker diese oberdeutsche Wortform anstatt des hochdeutschen ›grösseren‹ in den Text gesetzt hat, ist unsicher. [56] Eine korrekte Benennung gemäß der Anordnung auf der Lehrtafel bietet die Turris Antoniae (s. zu ↑ 88, hier S. 270). Wie auch bei den Kleinen Propheten und den Aposteln gibt die hier von Oetinger gewählte Reihenfolge Rätsel auf (s. Z. 131–136 u. den Kommentar dazu). Von rechts nach links gelesen bietet Oetinger die Reihenfolge der prophetischen Bücher im alttestamentlichen Kanon. Ist er der irrigen Auffassung, daß dies auch die Anordnung auf der Lehrtafel sei? [57] Es sind die sieben Stufen gemeint, die auf der Lehrtafel vom Garten zum Plateau führen, auf dem sich das Gebäude erhebt. [58] Siehe Gen 9,13 u. Offb 4,3. [59] Zu diesen Epitheta als Anspielung auf das Protevangelium und die entsprechende Darstellung Christi auf der Lehrtafel s. hier S. 158 (Anm.). [60] Anspielung auf Gal 3,14. [61] Der 10. Sefira zugeordneter Gottesname. Siehe dazu hier S. 98, 132 u. 159. [62] ›lebendiges Wasser‹ meint Quellwasser in Anspielung an Joh 4,10f. 7,38 (s. auch Offb 22,17). Im Sefirotsystem nimmt die 10. Sefira die Funktion der Austeilung der Flüsse wahr. Wasserströme werden in der Schechina gesammelt und an die gesamte irdische Schöpfung weitergeleitet. Siehe ferner dazu den Kommentar in Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 57f. (zu Z. 10–18). Siehe auch hier weiter oben »Wasser, das ernährt«, »Die Quelle der wachsthumlichen Gärten« (Zeile 57 u. 204).

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5.3 Oetingers Kurtzer Begriff

305

Eine abweichende Zuordnung von Jakobssöhnen und Edelsteinen s. oben Z. 106–111 und den Kommentar dazu. Oetinger schwankt in seiner Beschreibung zwischen der Mehrdimensionalität des Bildes und der Eindimensionalität des Textes indem er mit seinem mal ein-, mal mehrspaltigem Schema die unsichere Mitte hält. Die Anordnung der Stämme in Oetingers Übersicht ›übersetzt‹ die Kreisanordnung auf der Lehrtafel (und in der Turris) in die normale Leserichtung (d. h. links > rechts, oben > unten), also: Dreier-Gruppe oben links ab Benjamin; oben rechts ab Gad; unten links ab Naphtali, unten rechts ab Sebulon). [64] Sowohl die Aufforderung zur mystischen Schau als auch die brautmystischen Anspielungen auf das Hld (Garten, Taube, Felsloch) übernimmt Oetinger aus der Pictura, Z. 2150 (Garten), 513 (Taube), 519 (Nest in Christi Wunde). Die Rede von der »glaubige[n] Seele« ist wohl angeregt von der Turris, hier S. 266, Z. 157, und von Raiths Predigt, hier S. 239, Z. 297ff. [63]

6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte 6.1 Antonia an Andreae vor dem 3. November 1646 Textzeugen: Handschrift (MS): HAB 106 Noviss. 2°, S. [29r-v ]; Druck (DR): Andreae, 1654 (L), Nr. 6, S. 22. // 23. // 24.; Erstedition: Andreae, 2006 (L)

[29r ] Coronidis loco.[1] Ehr würdigster hochgelährtester Herr Praelat vnd Doctor etc.

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Demnach deß herrn vnd seiner geliebten hausfraw zustand vnd stehts wehrende unbaßligkeit zu nemmet, alß mir der h[err]. Doctor schreibt, daß er mit seiner Fraw der gruben nach geh, vnd ihre wolfahrt diser jamer seligen welt gut nacht zu geben, trage ich ein Christlich betrawren wegen beharrlicher leibs unpaßligkeit, von hertzen gegen Jhnen wünschend von Gott, daß dise kürtze zeit ihres lebens die schmertzen gelindert werden vnd sie selbige in gedult ertragen könden. Was ferner der ausgang oder selige dausch deß zeitlichen lebens in daß Ewige Vollkommne leben vnd gsundhait versetzt zu werden, betrifft, preiß ich den herrn Doctor für weislich vnd glücklich, daß Er bey betrachtung seines herbey kommenden sterbens, desselben eingedenk ist, vnd bey aller zu gehaüfften beschwerden der Welt große⟨s⟩ vnheil vor augen sihet, Er aber disen trost hat, daß Er von disem allem ausgehe, vnd sein thail ausgestanden menschlich ellend in Ewige frewd verwechsle.[2] etc. Den herrn Doctor möchte ich sein leben gern lenger vergonnen wünschend daß Gott noch mehr guts durch Jhn Verschaffen möchte etc. Der herr Doctor // hat 2 Ehr würdigster hochgelährtester ] EHrwürdigster Hochgelehrtester DR 3–4 herrn . . . zu nemmet ] Herrn . . . Haußfraw Zustand . . . stets werende Vnpaßligkeit zunemmet DR 4 h[err]. ] Herr DR 4 er ] Er DR 5 wolfahrt . . . nacht ] Wohlfahrt . . . jammerseeligen Welt . . . Nacht DR 6–7 betrawren . . . leibs unpaßligkeit ] Betrauren . . . Leibs=Vnpaßlichkeit DR 7 hertzen . . . wünschend ] Hertzen . . . jhnen wünschent DR 7–8 dise . . . gedult ] diese . . . Zeit . . . Lebens . . . Schmertzen . . . Gedult DR 9–10 ferner . . . gsundhait ] ferrner [sic] . . . Ausgang . . . seelige Tausch . . . Lebens . . . Leben vnnd Gesundheit DR 9 daß ] das DR 11 herrn ] Herrn DR 11 für ] im MS in kleinerer Schrift nachträglich eingefügt 11 betrachtung ] Betrachtung DR 12–15 gehaüfften . . . verwechsle ] gehäufften Beschwerden . . . grosses Vnheil . . . Augen . . . diesen Trost . . . diesem . . . außgehe . . . Theil außgestanden . . . Elend . . . Frewd verwechßle DR 13 große⟨s⟩ ] Blattrand des MS beschädigt 16 Den herrn ] Dem Herrn DR 16 leben . . . lenger ] Leben . . . länger DR 16 wünschend ] wünschent DR 17 Verschaffen ] verschaffen DR 17 herr ] Herr DR

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

mich wol oft durch den rechten Magnet[3] bewegen könden, daß sich mein Gaist mit seinem Gaist erfrewet; ich sehne mich nach der Ewigen herbey kommenden ruh der Seelen, meine sinn begehren auch nichts anderst für vnd für, vnd wünsche mir, wie der herr Doctor nun fürstliche hand brieflein beysamen, vnd meines hingegen das letste: alß[4] wolte Gott Verleihen, daß ich das erste seÿ[5] somit aber bald nach dem herrn Doctor ⟨m⟩ein bilgrschafft auffgebe. beschließe hiemit. Den herrn hie- || [29v ] zwischen in beharrlichen Göttlichen Schutz vnd Schirm[6] befehlend⟨,⟩ mich zu gleich in sein treÿeufrig gebett. Verbleibe des herrn D[octors]. allezeit wol affectionierte

A[ntonia].[7] !‫ה‬³‫אֲנžטֹונžי‬.[8]

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Nun hat der lehrer schöne Cron Die liebe Seel auffgeben, Erlangt deß himmels Gnaden lohn, Jn jenem frewden leben. Der über hundert Jahr ein zierd mit lehr vnd leben g’wesen, Die Herd Christi recht angeführt, ist nunmehr recht genesen.[9] Christi lehr hat Er trewlich g’lehrt von gsatz vnd großen gnaden, Die kirchen Zucht eufrig begehrt, gewarnt Vor Seelen schaden. // 18 wol oft ] im MS über der Zeile nachgetragen 18 könden ] können DR 18–19 Gaist . . . Gaist ] Geist . . . Geist DR 19 sehne ] söhne DR (wohl Druckfehler) 20 ruh ] Ruh DR 20 sinn ] Sinn DR 21 herr ] Herr DR 21 fürstliche . . . brieflein ] Fürstliche Handbriefflein DR 21 fürstliche ] davor im MS ein unbeschriebener Raum in der Breite von ca. 6 Buchstaben 22 Verleihen ] verleihen DR 23 herrn ] Herrn DR 23 ⟨m⟩ein ] im MS am Wortbeginn Korrekturspuren (ein verkleckster Kleinbuchstabe ähnlich einem n oder r, danach ein freistehender kräftiger vertikaler Federzug, den man mit dem DR als s (miß-)verstehen kann) : sein DR 23 bilgrschafft . . . beschließe ] Bilgramschafft . . . Beschließe DR 25 mich zu gleich ] Mich zugleich DR 25 treÿeufrig ] Lesung des -y- unsicher (verblaßt durch Abrieb an der Faltkante) : Treweyfrig DR 25–26 gebett. . . . herrn D[octors]. ] Gebet . . . Herrn Doctors DR 27 allezeit ] Lesung des -ei- unsicher (Abrieb an der Faltkante); möglicherweise ist -ai- zu lesen 28 !‫ה‬³‫אֲנžטֹונžי‬. ] fehlt im DR 29 lehrer ] Lehrer DR 30 Die ] im MS korrigiert wohl aus Sei⟨n⟩ 31 himmels Gnaden lohn ] Himmels Gnaden=Lohn DR 32 frewden leben ] Frewden=Leben DR 33 zierd ] Zierd DR 34 lehr vnd leben ] Lehr und Leben DR 36 ist nunmehr ] Nun ist Er [?] vor Korrektur : Jst nunmehr DR 37 lehr ] Lehr DR 38 von . . . gnaden ] Von Gsatz . . . Gnaden DR 39 kirchen Zucht eufrig ] Kirchen=Zucht eyfferig DR 40 gewarnt Vor Seelen schaden ] Gewarnt vor ... Schaden DR 40 Seelen ] im MS über ein ausgestrichenes, ebenfalls zweisilbiges Wort geschrieben

6.1 Antonia an Andreae vor dem 3. November 1646

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Die studien Er hat geziert, Die künsten Er geliebet; Gott zu Ehr hat er recht geführt, Jm Glauben sich geübet. 45

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Nun ist der Gaist in Gottes hand, den Er dem körper geben; Nun scheint daß liecht im g⟨’⟩lobten land, vnd hat daß frewden leben, Nun glantzt der wie die helle Sonn, der hie erleücht gewesen, ist recht geehrt, hat ruh vnd wonn, ist Ewig nun genesen, Am jüngsten Tag die düre bein Werden schon wider leben, die jetz ins grab gescharret ein, All krafft würdt Gott dann geben, dann werden wür mit Leib vnd Seel den Valentinum sehen: da würdt nit seyn ein menschen fehl. Wann Er Vor Gott würdt stehen.

41 studien ] Studien DR 42 künsten ] Künsten DR 43 er ] Er DR 45 Gaist . . . hand ] Geist . . . Hand DR 46 körper ] Cörper DR 47 daß . . . land ] das Liecht im Globten Land DR 48 daß frewden leben ] das Frewden=Leben DR 50 der ] Der DR 51 ist . . . wonn ] Jst . . . Ruh vnd Wonn DR 52 ist ] Jst DR 53 jüngsten Tag . . . bein ] Jüngstentag [sic] die dürre Bein DR 55 grab ] Grab DR 56 krafft würdt ] Krafft wird DR 57 dann ] Dann DR 57 wür ] Lesung unsicher (diakrit. Punkte nachträglich gestrichen bzw. Korrektur zu -i[?] : wir DR 58 den ] Den DR 59 da ] Da DR 59 würdt ] Lesung unsicher (Blattrand beschädigt) : werden DR 59 ein ] Lesung unsicher (Tinte verblaßt und Blattrand beschädigt) : fehlt in DR 59 menschen fehl ] Menschen=Fehl DR 60 Vor ] vor DR 60 würdt stehen ] Lesung unsicher (Blattrand beschädigt) : wirdt stehen DR; nach dieser letzten Gedichtzeile im DR: ENDE.

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

Kommentar Die Erstherausgeber dieses Briefes haben weitgehend nach dem Druck ediert1 und die von Martin Brecht bereits 2002 identifizierte handschriftliche Vorlage nicht angemessen berücksichtigt.2 Daß es sich – abgesehen von einigen gut erkennbaren Einsprengseln (s. unten zur Datierung und zu den überarbeitenden Eingriffen im Zuge der Drucklegung) – bei dieser Vorlage um ein Autograph Antonias handelt, scheint mir sicher nach einem Vergleich mit anderen Dokumenten, die zweifelsfrei von Antonias Hand stammen.3 Die Ähnlichkeit im Schriftbild einschließlich der deutlichen Anzeichen für eine eher ungeübte Hand weisen auf Antonia. Die Handschrift zeigt auch einige Sinn- und Stilkorrekturen durch die erste Hand, die als typische Autorkorrekturen gelten können. Zumal der Gedichttext ist davon betroffen, aber auch Zeile 11, 18, 30, 36, 40.4 Über der Grußadresse steht in der Handschrift am linken oberen Blattrand in kleinerer Schrift eine Datierung »3 Nov. 1646.« Wahrscheinlich stammt sie von Johann Valentin Andreaes Hand als Vermerk über den Tag des Briefempfangs und folgt dem alten Kalenderstil.5 Sowohl auf der Recto- wie vor allem auf der Verso-Seite hat sich eine weitere Hand mit rotem Buntstift verewigt. Nach der ansprechenden Vermutung der Erstherausgeber handelt es sich um die Hand Gottlieb Andreaes, der den Druck von Andreaes Leichenschrift bei Kautt in Stuttgart organisierte.6 Es sind Anweisungen zur Vorbereitung des Druckes (Bogenzählung, Zählung der Gedichtstrophen, Unterstreichung hervorzuhebender Wörter im Gedicht). Bemerkenswerterweise wird dabei auch die Streichung der hebräischen Unterschrift verfügt (siehe Apparat). Dies geschieht aber wohl

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Siehe Andreae, 2006 (L), S. 62. Das gilt trotz der gegenteiligen Beteuerung in ebd., S. 57 u. ebd. Anm. 23. Otte hielt sie hingegen nur für eine Briefkopie von der Hand Gottlieb Andreaes (s. Otte, 1982, S. 157). Die Erstherausgeber sind ihm kritiklos gefolgt (s. Andreae, 2006 (L), S. 75, Anm. 76). Die Transkription bietet eigentlich nur in folgenden Fällen die auch bei anderen frühneuzeitlichen Dokumenten bekannten Schwierigkeiten: s und ß sind nicht selten schwer zu unterscheiden, ähnlich die Klein- oder Großschreibung mancher Buchstaben, zumal V/v. Die Erstherausgeber vermuten hingegen, diese Korrekturen seien auf Wunsch der Prinzessin durch Gottlieb Andreae vorgenommen worden (s. Andreae, 2006 (L), S. 73). Das halte ich für mindestens ebenso unwahrscheinlich wie die dabei offenbar vorausgesetzte Briefkopiethese Ottes. Zu Gottlieb Andreaes Überarbeitung der Orthographie usw. s. hier weiter unten. Siehe in eben demselben Wolfenbütteler Briefcorpus die Datierungen auf S. [28r ], S. [41r ] und [42r ] usw. sowie die Eingangsnotiz auf S. [28v ] ganz unten: »Praes[entatum]. 8. Dece[m]b. [16]42.« Siehe Andreae, 2006 (L), S. 54f.

6.1 Antonia an Andreae vor dem 3. November 1646

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nur aus (arbeits-)ökonomischen oder drucktechnischen Gründen.7 Die abweichende, stark glättende Orthographie des Druckes wird mit Ausnahme der Interpunktion (u. a. Virgeln statt Kommata, wie in deutschen Drucken der Zeit üblich) hier im Apparat dokumentiert.8 Für das angehängte Gedicht stellt sich die Frage nach dem Urheber (Antonia selbst?) und dem Anlaß (für den Brief ad hoc verfaßt?) gesondert. Beides ist unsicher,9 doch sprechen besagte Autorenkorrekturen für eine Urheberschaft Antonias,10 wenn auch Vergleichbares von ihrer Hand weitgehend fehlt.11 Antonias Brief ist ausdrücklich ein Antwortbrief auf ein Schreiben Andreaes, das bis auf weiteres als verschollen gelten muß.12 Über Andreaes Verhältnis zu Antonia ist nicht viel bekannt. Daß er gelegentlich ihre Tugenden und ihren Bildungshunger lobt,13 ist noch kein Indiz für ein engeres persönliches Verhältnis jenseits der Etikette. Eher schon in diese Richtung weisen Nachrich7

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Andreae, 2006 (L), S. 76f., vermuten hingegen eine absichtliche Mystifikation, m. E. ohne einleuchtende Gründe und unter Berufung auf das mißverstandene »Coronidis loco.« am Briefbeginn (s. dazu hier im Einzelkommentar). Vgl. etwa »wünschent«; als grammatische Korrektur »dem Herrn«, statt ›den Herrn‹. Siehe dazu Andreae, 2006 (L), S. 58. Im Gedicht werden vom DR einige Worte hervorgehoben: »Cron, Seel, Gnaden=Lohn, über hundert Jahr, Lehr, Leben, Gsatz, Gnaden, Kirchen=Zucht, Studien, Künsten, Ehr, Glauben, Geist, Liecht, Sonn, Bein, All Krafft, Leib vnd Seel, Valentinum, Gott«. Das betonen die Erstherausgeber. Siehe Andreae, 2006 (L), S. 59, 77 u. 113. Bei der Strophengliederung des Gedichts fällt auf: Das Reimschema (gekreuzter Endreim) legt die Gliederung in vierzeilige Strophen nahe. MS und Druck gliedern jedoch achtzeilig, wobei der Druck noch die so gegebenen vier Segmente durchnummeriert (1.-4.). Diese Beobachtung reicht allein aber noch nicht hin, den ursprünglichen Urheber und Anlaß woanders zu suchen. Dem Anschein nach geht immerhin der Vierzeiler in Antonias Exemplar von Saubert, 1625, auf die Prinzessin selbst zurück. Siehe dazu hier S. 59. Weit unsicherer steht es mit dem Brautlied auf dem Epitaphbild des Teinacher Schreins, für das Harnischfeger ohne zwingende Gründe Schmidlin als Dichter vermutet hat. Siehe dazu hier S. 404. Zu Andreae s. jetzt Wilhelm Kühlmann: Art. »Johann Valentin Andreae«. In: KillyKühlmann, Bd. 1 (2008), S. 152–155; Brecht, 2008, passim, bes. zu Andreaes Kränklichkeit in seinem letzten Lebensjahrzehnt s. S. 233 (Ende 1635); S. 240 (zu 1639–1640) S. 297 (zur Zeit ab etwa 1650); immer noch instruktiv Fritz, 1928, passim; bes. zur Familie s. Kümmerle, 2008, S. 69–79, ferner 266–269; s. a. hier S. 176 (Anm.) u. 419. Siehe Brecht, 2002, S. 172: »Dem Agenten Hainhofer gegenüber schildert Andreae einmal nach einem Besuch der Grazien das breite und gleichmäßig intensiv bearbeitete Bildungsspektrum der Prinzessinnen mit Latein, Italienisch, Mathesis, vokaler und instrumentaler Musik, sowie, nicht zu vergessen, Gottesfurcht. Die positive Schilderung dürfte nicht ohne Hintergedanken erfolgt sein. Nach Andreae verdienten die am Hof nicht eben in üppigen Verhältnissen lebenden Prinzessinnen die Verheiratung und würden dem betreffenden Hause Glück bringen.« Siehe Andreaes Brief an Hainhofer vom 8. Juli 1645 jul. (HAB 74 Novissimi 2°, [249r ], vgl. [254r ]); bei s. Brecht, 2002, ebd., Anm. 46. Zu Hainhofer s. a. Krapf/Wagenknecht, 1979. Zu Andreaes Urteil über Antonia s. a. Raff, 1993, S. 332.

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

ten über mehrere persönliche Begegnungen14 und wohl auch eine jedenfalls der neueren Forschung nicht bekannt gewordene eigenhändige Widmung eines Buchexemplars.15 Gerne sehen Antoniaforscher Andreae als Anreger bzw. sogar geistigen Vater von Antonias Lehrtafel. Konkrete und zweifelsfreie Beweise fehlen hierfür jedoch bislang.16 Daß aber Antonia und Strölin Andreae näher kannten und hochschätzten, steht außer Zweifel. Der vorliegende Brief bezeugt dies für Antonia.17 Eine ganze Reihe von Briefen Strölins belegen, wie tief er sich Andreae als väterlichem Gönner und Förderer verpflichtet weiß.18 Abgesehen von dem Bittschreiben an Friedrich Carl (s. Raff, 1993, S. 335), den zwei hebräischen Gedichten (s. Gruhl/Morgenstern, 2006) und zwei deut14

15

Antonia und Sibylla hatte Andreae einmal während einer Kur bei seinem Schwiegersohn Walther in Calw zu Gast. Ferner wird ein Besuch Antonias in Bebenhausen erwähnt. Siehe Andreaes Brief an August vom 20.5.1646 jul. (HAB 65.1 Extravagantes, 283r ) u. vom 2.6.1652 jul. (HAB 65.2 Extravagantes, 211r ), bei Brecht s. ebd., Anm. 47. Siehe hier die Abb. 59 (entnommen aus Andreae, 1845, a. E.; s. dazu ebd., S. XIII): »Die am Ende des Werkchens mitgetheilten lateinischen Schriftzüge sind ein getreues Facsimile von dem sich in dem Burk’schen Exemplare von J.V. Andreae’s Summa doctrinae christianae trigemina, (Lüneburg MDCXLIV) befindenden Autographe des Autors, welches mir von Herrn Dr. med. Georg Kloß dahier freundlichst zum Geschenk gegeben wurde [...].« In deutscher Übersetzung lautet der Text: [Allein] der Glaube macht gerecht [vor Gott]. [Dieses Buchexemplar] widmet der Durchleuchtigsten Prinzessin und Herrin, Herrin Antonia, Herzogin von Württemberg und Teck, Gräfin von Mömpelgart usw., seinem allergnädigsten Fräulein, verbunden mit dem Wunsch allseitigen Wohlergehens in tiefster Demut Johann Valentin Andreae, Doktor. Gegeben am Vortag von Christi Himmelfahrt [dem 7.5. 1645 jul.] 1645.

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17

18

Siehe Gruhl, 2007a, S. XXIII, Anm. 64. Ähnlich vorsichtig äußert sich auch Martin Brecht. Siehe Brecht, 2008, S. 248: »Mit der von ihr gestifteten kabbalistischen Lehrtafel [...] lebt [...] bis heute etwas von Andreaes geistigem Erbe fort.« Siehe aber dagegen ebd., S. 262: »Dass Andreae Strölin das Interesse an der Kabbala vermittelt hat, ist allerdings nicht zu belegen.« Kulturgeschichtlich gehört Antonias Verhältnis zu Andreae – wie wohl sicherer noch zu Strölin – in eine Reihe mit ähnlichen Verbindungen adliger Damen zu ihren Mentoren. Für Oberdeutschland vgl. zeitgenössisch etwa das Verhältnis der Prinzessinnen Anna (1617– 1672) und Elisabeth (1620–1692), den Töchtern des Markgrafen Georg Friedrich von Baden-Durlach, zu Jesajas Rompler. Übrigens hat auch Elisabeth eine poetische Grabschrift auf ihren Mentor verfaßt (s. dazu Rompler, 1988, S. 60*, 67* u. 110* (Nr. 24f.); s. a. ebd., S. 54*f., 57*, 60*f., 63*, 65*ff.). Ferner bietet sich im Thüringischen Aemilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt und Ahasver Fritsch an (s. dazu Schuster, 2006, passim). Siehe HAB Cod. Guelf. 7.4 Aug. 2°, S. [349], [350r ], [430], [431], [437], [482], [485r ], [486], s. a. S. [384] (an Gottlieb Andreae); s. dazu hier S. 400 (Anm.).

6.1 Antonia an Andreae vor dem 3. November 1646

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schen Gebeten ihres Gebetbuches (s. hier S. 76) ist der vorliegende Text das längste und gehaltvollste Schreiben, das Antonia nach dem momentanen Kenntnisstand selbst verfaßt hat. Neben einer persönlichen Verbundenheit mit Andreae zeigt es, wie intensiv und souverän Antonia die zeitgenössische, christliche Ars vivendi et moriendi beherrscht und seelsorgerlich einsetzen kann.19 Schließlich stellt die in der Handschrift erhaltene (im Druck aber getilgte) hebräische Briefunterschrift ein wichtiges frühes Zeugnis für Antonias Hebräischstudien dar.20 Es handelt sich um eine in der Frühen Neuzeit zumal innerhalb von Buchtiteln beliebte Wendung im Sinne von ›zum Schluß bzw. als Anhang, Zugabe, Angebinde (sei beigefügt)‹ (so auch ›coronidis vice‹, ›coronidis instar‹, ›pro operis coronide‹; ergänze ›adjici placet‹, ›adjectum est‹ o. ä.).21 Diese Überschrift stammt aller Wahrscheinlichkeit nach auch von der Hand Antonias. Welcher Sache (einer Labe für den Kränkelnden?) oder welchem anderen Schriftstück Antonia ihren Brief beifügte, ist unbekannt. Der DR hat diese Zeile kommentarlos konserviert, ob nun einfach aus Pietät oder mit Blick auf eine bewußte Einordnung von Antonias Schreiben als allerletztes Testimonium (siehe den Aufbau des Casual-Druckes insgesamt). Auffällig ist dabei, daß der DR die Datierung des Briefempfangs fortläßt und dem Leser die Annahme erlaubt, Antonias Schreiben stehe auch chronologisch an letzter Stelle, was sachlich unzutreffend ist.22 Die Deutung der Erstherausgeber [1]

19

20 21

22

Zur Ars moriendi Antonias s. Ebermaier, 1653, Widmung: »Demnach E[wre]. F[ürstliche]. G[naden]. viel mit Sterbens=Betrachtungen umgehet [...] haben E. F. G. derselben unter unter anderen auch diesen Leichtext belieben lassen/ Ps. 125. v. 1.« Siehe zur Ars moriendi der Epoche Ariès, 1982, bes. S. 123–180; Holtz, 1996, passim; Gerhard, 2002, Nachwort, S. 284–354, und Wodianka, 2004, passim. Weitere Zeugnisse von Antonias gelebter Frömmigkeit s. hier S. 57. Siehe dazu Gruhl/Morgenstern, 2006, passim, bes. S. 103–105. Siehe z. B. Fürer, 1621, a. E.: »Coronidis loco | Hanc JOAN. PALUDII epistolam, luce non | indignam, subijcere placuit | ad DN. CHRISTOPH FÜRERUM &c.«; Krebs-Schmalz S. 368, s. v. Coronis: »[...] was bei den Alten den krummen Federzug bedeutet, den manche Schriftsteller am Ende einer Schrift zu ziehen pflegten, im bildlichen Sinne in der Bedeutung das Ende, für finis, zu brauchen, hat nur eine Stelle bei Martial 10,1,1 für sich, so daß es heutzutage nicht wohl zulässig ist zu sagen: libro coronidem imponere, für finem facere.« Kirsch, 1774, Teil 1, s. v. »Coronis«, S. 727, verzeichnet daneben die Bedeutung: »oberste Spitze eines Bergs, oder Gebäudes, Knopf oder Fahne auf einem Hause.« Einen Beleg dafür liefert Andreae, 1649, Widmung a. B.: »Nam cùm solii Tui, cui feliciter insides, basin Pietatem seriam feceris, eique summa Eruditione superstructa, coronidem, Morum concinnitatem imposueris.« Das ist allerdings noch kein Beleg dafür, daß auch besagte Wendung entsprechend frühneuzeitlich verwendet wurde (›als Spitze‹), und dies auch in einem übertragenen Sinn, wie die Erstherausgeber annehmen (»gewissermaßen als Krönung«; s. u.). In diesem Sinne kann der Leser des DR auch eine andere Aussage Antonias ausdeuten. Siehe unten zu »meines hingegen das letste«.

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

dieses Briefes, wonach die Wendung »mit einiger Sicherheit im übertragenen Sinne [...] gewissermaßen als Krönung des ganzen Werkes« zu verstehen sei (Andreae, 2006 (L), S. 76), zielt allein auf diesen, offensichtlich sekundären Kontext des Casual-Druckes und entbehrt bislang zudem überzeugender Belege für einen solchen Gebrauch der sprachlichen Wendung. [2] Siehe zur ewigen Freude bei Gott Ps 16,11 (zit. nach den LXX in Apg 2,28); zur Kontrastierung von gegenwärtigem Leid und künftiger Freude Joh 16,20.22; 2 Kor 8,2; 1 Petr 4,13. [3] Zum zeitgenössisch beliebten metaphorischen Gebrauch des Magneten s. neben Arndt, 1653, Buch 3, Kap. 13 a. B., mit Blick auf den vorliegenden Kontext besonders die breit entfaltete theologische Verwendung in Meurer, 1664, S. 1f.23 Zum kulturgeschichtlichen Hintergrund siehe vor allem Kircher, 1643, u. Röller, 2010, bes. S. 89–125. [4] Im Nachsatz im Sinne von: ›(al)so‹ (s. DWB, Bd. 1, s. v. »als«, Sp. 259, Nr. III,3). [5] Das spielt wohl an auf Andreaes Sammlung seiner Korrespondenz, die dann 1649 auch erstmals in Ulm im Druck erschien (Selenianae Augustalia Ioannis Valentini Andreae, S. T. D. una cum opusculis aliis). Nach Zeile 60 steht im DR: »ENDE.« Das gehört wohl zum redaktionellen Rahmen der sechs aus dem Briefnachlaß ausgewählten Gedichte.24

23

24

»MEditandi [MEeditandi im Druck], quid ex Theologico, quod inquisivi hactenus, gazophylacio seligerem ad disputandum, mentem subiit UNIO fidelium cum Christo mystica, ocellus ille Theologiae & nobilis verè Unio. Equidem ex Uno omnia, omnia in uno, & ad unum omnia, mirabili emanatione fluere, magneticae ad modum confibulationis pendere & velut ad centrum finaliter rapi, Atrium si ingredimur Naturae, experimur suaviter; suavius tamen, dum in Sanctum penetramus Gratiae; suavissimè si in Adyta Gloriae oculos, quantum hâc in infirmitate licet, nostros immittimus; scilic[et]. in Unione perfectio est, extra hanc interitus. En Magnetismum ex sapienti Artificis summi nutu, Naturae in Regno, ubi ex superioribus inferiora, ex his alia, omnia ab invicem concatenatione pendent suavissimâ. Gratiae certè Regnum Magnetem imitatur, dum efficaciter & seriò trahit coelestis Pater Joh. 6. v. 44. Filius, Sapientiae aeterna, suaviter omnia disponit; Spiritus S[anctus]. indissolubili, quantum ex se, nexu corda hominum, unde exciderunt separata reunit, connectit atque obsignat. Et, quem mens humana penetrare, effari lingua nequit, Magneticum verè illapsum Regnum olim pandet gloriae, ubi, per quos hactenus nobiscum, quasi eminus, egit DEUS, gratiae radios, spiritus, funes, excipiet nexus intimus, immediatus, futuro omnia in omnibus DEO, aenig- | maticae visioni intuitivâ successurâ, μονῇ nostra non in domo amplius ἐπιγείω [nicht weiter mehr allein in unserem irdischen Haus], sed futurâ ἐν ἀχειροποιήτῳ [sondern in dem künftigen, das nicht mit Händen gemacht ist], ipso in DEO, qui Magnes utrinque centralis Act. 17. v. 28. Hos. 2. v. 19. 20. I. Cor. 15. v. 28.« Gegen die Erstherausgeber (Andreae, 2006 (L), S. 76f.), welche eine absichtsvolle Anspielung auf Mt 20,16 und – ohne konkrete Anhaltspunkte – einen Wunsch Antonias vermuten, welcher die Schlußstellung dieses Briefes im DR motiviere.

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Siehe Ps 91,1.4; 119,114; 2 Sam 22,3; zur Bedeutung des Psalters, speziell des 119. Psalms, für Antonia s. hier S. 89. [7] Zu Recht heben die Erstherausgeber hervor (Andreae, 2006 (L), S. 76): »Interessanterweise signierte die Prinzessin ihren Brief in hebräischer Sprache. Gottlieb Andreae hätte den in hebräischen Buchstaben geschriebenen Namen in der Druckvorlage in deutschen Buchstaben ausschreiben können, doch entschied er sich für die Namensinitiale A.« Als Grund vermuten sie (ebd.): »Die Mystifikation des Namens der Prinzessin könnte ebenso wie die Plazierung des Briefes an letzter und somit unpassender Stelle auf einen Wunsch von Prinzessin Antonia zurückgehen. Darin muß man gewiß keine Demutsgeste sehen, sondern muß einen tieferen Grund suchen.« Was sie im Folgenden entwickeln, stützt sich auf ihr Verständnis von »Coronidis Loco« und scheint mir zweifelhaft (siehe oben den Kommentar zum Briefbeginn) sowie unnötig. Zur Erklärung genügt doch etwa schon die Annahme, Gottlieb Andreae habe aus drucktechnischen oder finanziellen Gründen auf die hebräische Unterschrift verzichtet, das »A.« aus der Handschrift unverändert übernommen und die Abkürzung bewußt nicht aufgelöst.25 [8] Das ist nach meiner Kenntnis der früheste Beleg für Antonias gern geübten Brauch, Hebräisches in Briefen – und dabei speziell ihren Namen in der Unterschrift – einzustreuen. Später wird sie allerdings regelmäßig die Transkription !‫ אנתוניה‬verwenden. Siehe dazu hier S. 83. [9] In dieser und den folgenden Strophen wird der Tod Andreaes als bereits eingetreten antizipiert; das Gedicht ist ein regelrechtes Epicedium (siehe dazu Gruhl, 2007b, bes. S. 202, Anm. 4). Es bereits zu Lebzeiten des Angesprochenen zu verfassen und ihm sogar zu Erbauung und Trost mitzuteilen, ist zu Antonias Zeiten durchaus keine ungewöhnliche Geste, zumal der besondere Anlaß für die Beilage des Gedichts offenbar Andreaes Rede vom baldigen eigenen Tod (und dem seiner Frau) ist. Siehe am Briefbeginn: »alß mir der h[err]. Doctor schreibt, daß er mit seiner Fraw der gruben nach geh, vnd ihre wolfahrt diser jamer seligen welt gut nacht zu geben [. . . ].« Entsprechend wurden auch Brief und Gedicht in den Nekrolog auf Andreae ganz selbstverständlich eingereiht. Siehe Andreae, 2006 (L), S. 53. Fragen gibt allein »über hundert Jahr« auf. Da sich das augenscheinlich nicht buchstäblich auf die Tätigkeits- oder auch Lebensspanne J. V. Andreaes (geb. 1586) beziehen läßt, haben die Erstherausgeber dieses Briefes darin eine Anspielung gesehen auf die »Zeitspanne vom Eintritt Jakob Andreaes [...], des Großvaters von J. V. Andreae, in das geistliche Amt (1546) bis zum Tod J. [6]

25

Nach der ansprechenden Vermutung der Erstherausgeber könnte dies möglicherweise wegen Antonias gesellschaftlichem Rang geschehen sein, der bei einer ausdrücklichen Nennung eine Stellung weiter vorne in der Casualschrift erfordert hätte. Siehe ebd. sowie S. 112f.

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

V. Andreaes (1654)« (Andreae, 2006 (L), S. 56). Datiert man das Gedicht anstatt nach dem Todesjahr Andreaes (1654; zugleich Erscheinungsjahr von DR) nach dem Eingangsvermerk im MS auf 1646, könnte man diese Deutung sogar noch präziser fassen, indem man »über« als Angabe einer zeitlichen Erstreckung nimmt,26 also ›in einem Zeitraum von hundert Jahren‹ auf 1546 bis 1646 bezieht. Allerdings bleibt der Anstoß, daß das Gedicht nirgends auf die Generationenfolge der Andreaes anspielt, sondern eindeutig nur von J. V. Andreae die Rede ist. Darum ist es plausibler, die 100 als Symbolzahl zu verstehen im Sinne einer Aussage innerhalb der überlieferten letzten Worte Luthers: Vergilium in Bucolicis et Georgicis nemo potest intelligere, nisi quinque annis primum fuerit pastor aut agricola. Ciceronem in epistolis nemo secundo intelligit, nisi viginti annis sit versatus in republica aliqua insigni. Scripturas sacras sciat se nemo gustasse satis, nisi centum annis cum prophetis ecclesias gubernaverit.27

Demnach würde so Andreae als tüchtiger Schrifttheologe im Sinne Luthers geehrt.

26

27

Siehe DWB, Bd. 23, s. v. »über«, II, A, 9, Sp. 93: »durch hindurch, zeitlich: beim Akkusativ zur Angabe einer zeitlichen Erstreckung«. Siehe Luther: WA TR 5, S. 317; s. auch ebd., S. 168; ferner WA 48, S. 241; s. a. Brecht, 1987, S. 367f.

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6.2 Wilhelm Koch an Antonia am 29. Juli 1652

6.2 Wilhelm Koch an Antonia am 29. Juli 1652 Textzeuge: Briefhandschrift (MS) nachträglich fixiert auf S. [1r ] von WLB Cod. or. 2° 4 [1] [2]

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15

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! ²§‫ר‬³‫ּבְלִי י‬Ê‫ עַד‬M‫לֹו‬µ‫ׁש‬ ‫ח‬ !‫ח‬²ֹ‫ּבְלִי כ‬Ê‫עֲבּוּד´תִי עַד‬

Durchleüchtige Hochgeborne Fürstin, Gnädiges Fräwlin, dieweil es Euer fürstliche Gnaden also gnädig wöllen belieben, deßwegen schikhe ich deroselben hiermit ein vnderthhönige supplication[3] vmb einen Aimer wein, tröstlicher hoffnung, Euer fürstliche Gnaden gnädige intercession werde nit lähr abgehen.[4] Darnach v¨ berschikhe ich auch gnädig begerter maßen, ein hebraischen brieff, an Euer fürstliche Gnaden Praeceptorem Diaconum zu Cantstatt,[5] weil er zuo dergleichen lust hat, wördts ihm nit zuwider sein, vnd mir villeicht wider schreiben. Dieweil ich ohnlangsten ein vnderthönige supplication vmb ein promotion dene fürstlichen Consistorio v¨ berschickt, Jst an Euer fürstliche Gnaden mein vnderthöniges Pitten, durch ihre gnädige intercession auch daß beste darbei zuethun.[6] !M£‫ר‬³‫ י‬. !‫ר´תִי וžאֹמַר‬µ‫ אֶקֹוד מֹול ּפְנ¦י ׂש‬Nֵ‫ּובְכ‬ [7] !K§‫צְר‬¢‫ י‬N¢‫ ּכְבָבַת עַי‬K¦‫קַרŸנ‬Ê‫יžה יžהֹוָה אֶת‬ Dabam Sulz et c[etera]. den 29. Julij, Anno 1652. Ewer fürstliche Gnaden Vnderthöniger gehorsamer Pfarrer allda M[agister]. Wilhelm Koch

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

Kommentar Im Nachlaß Antonias28 hat sich der vorliegende Brief im Original erhalten. Er ist auf der Recto-Seite des ersten Blattes des Cod. or. 2° 4 der WLB so fixiert, daß auch Teile der Außenseite des Briefes lesbar sind.29 Rechts unten befindet sich dort eine Datierung (»29. Julij 1652.« von unbekannter Hand). Sie trägt dazu bei, alte Fehldeutungen des Absendernamens (Roth, 1965, Nr. 590, S. 369: »Hochstein«), -ortes (Kayserling, 1897, S. 511: »Zültz (?)«) und der Datierung (Kayserling, ebd., S. 511: »July 19, 1653«; Róth, ebd., vermutet »1658«) auszumerzen. Absender ist Wilhelm Koch, geb. um 1593, aufgewachsen in Blaubeuren, am 3.3.1613 zum Magister promoviert an der Universität Tübingen, im kirchlichen Dienst ab 1617 als zweiter Pfarrer (Diaconus) in Wildberg tätig, ab 1626 Pfarrer in Wart und dann in Sulz (unweit von Wildberg) von 1634 bis 1657.30 Der vorliegende Brief bietet eine wertvolle Momentaufnahme aus der Frühzeit von Antonias Beschäftigung mit dem Hebräischen unter Anleitung Jakob Strölins.31 Christliche Hebraisten der Frühen Neuzeit klagen immer wieder darüber, daß trotz vorhandener und stetig verbesserter Hilfsmittel nur wenige Studenten das Hebräische mit rechter Begeisterung treiben. Bei vielen müsse sich die heilige Sprache mit dem dritten Platz begnügen hinter dem Lateinischen und Griechischen, was doch ihrer Bedeutung völlig unangemessen sei. So klagen nicht nur Reuchlin, Buxtorf und Schickard,32 sondern auch noch 28 29

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31

32

Siehe hier S. 60. Zu Cod. or. 2° 4 s. weiteres hier S. 363 (Kommentar). Auf vergleichbare Weise ist in einem anderen Nachlaßband ein Zettel fixiert, der vermutlich Antonias Anfänge im Hebräischen dokumentiert und darum von ihr aufbewahrt wurde: WLB Cod. or. 2° 4, S. [8r ], näher besprochen in Gruhl/Morgenstern, 2006, S. 105f. u. Anm. 27. Es spricht nichts dagegen, Antonia selbst als Urheberin dieser Form der Archivierung anzusehen. Siehe Sigel, 1934, Bd. 13,1, S. 334; Jahn, 1756, S. 29; richtig liest den Absendernamen schon Kayserling, 1897, S. 511). Nach den überlieferten Lebensdaten ist als Absendeort das Dorf Sulz am Eck (bei Wildberg an der Nagold; zur Region um Wildberg siehe den kurzen Überblick und Forschungsliteratur jetzt in Schad, 2002, S. 16–18) am wahrscheinlichsten, nicht hingegen Sulz (Stadt) am Neckar oder Sulz bei Lahr, das damals zur Grafschaft Nassau-Saarbrücken gehörte. Siehe mehr dazu bei Kayserling, 1897, S. 510–511; Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. XIII–XIV; Gruhl/Morgenstern, 2006, S. 103f.; Gruhl, 2007a, S. XXVI. Siehe den Beginn der Praefatio in Reuchlin, 1506: »Persaepe mihi cogitanti de communi sacrarum literarum iactura. Dionysi frater. quae cum multitudine sophismatum annis superioribus tum maxime nunc propter eloquentiae studium et poetarum amoenitatem non modo negliguntur. uerum etiam a quam plurimis contemptui habentur. in mentem uenit tandem oportuni cuiusdam remedij. ne sancta bibliae scriptura uel aliquando tota pereat. et simul animarum nostrarum progressus cum suaui cantu Sirenum quas ne Vlysses quidem audiret ad inferos abeat.« Zu Reuchlin siehe auch hier S. 16. Siehe die Klage des älteren Buxtorf

6.2 Wilhelm Koch an Antonia am 29. Juli 1652

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eine Generation später Balthasar Raith: »Die heilige Sprache und die verwandten orientalischen Sprachen werden bei uns nicht gerade mit glühendem Eifer betrieben bei der außerordentlichen Hast, die unsere Pfarramtskandidaten an den Tag legen, und schon immer habe ich mich verwundert gefragt, warum sie nicht (wenigstens) zu jener Zeit mehr Verehrer hatte, als Herr Schickard noch mit seiner Stimme dem Katheder Leben einhauchte.«33 Doch gab es rühmliche Ausnahmen nicht nur unter den Geistlichen, sondern auch den Laien. Eine Reihe von Namen findet sich bei Kayserling und im Casualdruck bei Strölins Tod (s. Strölin, 1664). Es ist wohl kein Zufall, daß diese kleine Gruppe von Aktivisten im Württembergischen nicht selten wenigstens in lockerem Kontakt zu Antonia stand. Nach dem vorliegenden Brief gehörte Koch dazu, wie auch Esenwein und der Elsässer Spener. Ein hebräischer Brief Kochs an Johann Valentin Andreae wird in der HAB aufbewahrt.34 Möglicherweise hat Andreae auch den Kontakt zwischen Antonia und Koch vermittelt. Auch ein hebräisches Gedicht (samt deutscher Übersetzung) Kochs findet sich, das wohl im selben Jahr wie der vorliegende Brief oder im folgenden entstanden ist.35 ›Friede bis (zur Zeit) ohne Mond‹; s. Koehler/Baumgartner, 1953, S. 129, s. v. !‫ ּבְלִי‬7.; nach Apc 21,23.25 also bis zum Eintritt in das himmlische Jerusalem, wo weder Sonne noch Mond vonnöten sind und es keine Nacht mehr gibt [2] ›Meine Dienstbarkeit bis zum Versiegen (aller) Kraft‹; vgl. Buxtorf, 1658, S. 221, s. v. !‫ד´ה‬u‫ עֲב‬: »Famulitium, q. d. Servitium«. [3] Das meint eine Bittschrift. [1]

33

34 35

in einem Brief aus dem Jahre 1608 über die Universität Basel (zit. bei Burnett, 1996, S. 24, Anm.): »Rari hic sunt studiosi hujus linguae.« Siehe ferner Schickard in einem Brief an Johann Valentin Andreae, Tübingen 14.2.1634 (Schickard, 2002, Bd. 2, Nr. 628, S. 183f.). Brief an den jüngeren Buxtorf, Tübingen 7.8.1655 (Übers. von mir); s. Schickard, 2002, Bd. 2, Nr. 807, S. 439: »[...] Linguae S. et cognatarum orient⟨alium⟩ studium non admodum apud nos fervet in tam praecipiti candid⟨atorum⟩ ministerij festinatione, mirum semper mihi visum, cur non plures procos habuerit eo tempore, cum Dn. Schickh. viva voce cathedram professoriam animaret [...].« Zu Raith siehe hier S. 4 u. 239. Die visitierenden Konsistorialräte entschlossen sich 1649 angesichts der unbefriedigenden Leistungen der Stiftler dazu, bereits auf den niederen Klosterschulen mit dem Hebräischen beginnen zu lassen, was ganz im Sinne der Empfehlungen Schickards war. Dauernde Abhilfe brachte auch dies nicht, wie Raiths Klage zeigt. Nach Leubes Resüme (Leube, 1921, S. 75; vgl. auch S. 76f. und 81) scheint nun mal »das Hebräische nicht gerade die Liebe vieler Stipendiaten gewesen zu sein.« Cod. Guelf. 7.4 Aug. 2°, fol. 408; siehe Heinemann, 1890, Nr. 2085, S. 221. Siehe Ebermaier, 1653, carmen gratulare Nr. III.; ein hebräisches Epicedium auf Thumm und weitere Hinweise s. in Gruhl, 2007b, S. 218f.

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

»Aimer« (= Eimer) war ein Hohlmaß in Altwürttemberg (bei vergorener Flüssigkeit: 294 Liter; vgl. Krapf/Wagenknecht, 1979, S. 510). In einer Notzeit (1637) hatten Antonia und ihre Schwestern dem Stipendium 2 Fuder Wein gespendet (siehe Kolb, 1914, S. 50). Zwar verfügte Antonia in den fünfziger Jahren nachweislich in sehr bescheidenem Umfang auch über eine eigene Weinproduktion,36 doch soll sie sich nach Kochs Formulierung bei Dritten (dem Konsistorium oder dem Landesherrn?) ins Mittel legen. Die besondere Rolle des Weines als Grundnahrungsmittel und Statussymbol für die württembergische Geistlichkeit läßt sich gut aus den Dokumenten zur Geschichte des Tübinger Stifts ermessen. Sicheres Zeichen für Armut oder eine Notzeit war der Mangel an Fleisch und Wein.37 [5] Gemeint ist Johann Jakob Strölin, siehe hier S. 399. [6] Ob damit eine (dauernde) Anstellung oder Beförderung durch die aus drei geistlichen und vier weltlichen Räten bestehende Stuttgarter Regierung (Promotion) in Sulz oder einer anderen Pfarrstelle gemeint ist, bleibt ungewiß.38 Jedenfalls verblieb Koch in Sulz. Ein Beispiel für ein fürstliches Eingreifen in das Promotionsverfahren bietet Kolb, 1914, S. 39, Anm. 1: Johann Valentin Andreae war vom Konsistorium für die Pfarrstelle in Ensingen vorgesehen worden. Der Landesfürst vergab die Stelle jedoch an Balthasar Vitus. Unter den drei Kandidaten für die 1670 vakante Abtsstelle in Herrenalb stand Schmidlin auf der Vorschlagsliste des Konsistoriums nur auf dem zweiten Platz, bekam aber die Stelle (s. Gruhl/Woolston, 2007, S. XVII). Es ist nicht ausgeschlossen, daß in diesem Fall Antonia zugunsten ihres Beraters und Dichters bei ihrem Bruder erfolgreich intervenierte. [7] ›Und so verbeuge ich mich tief vor meiner Fürstin und spreche: Je[hova], mein Herr, erhöhe dein Horn‹ (scil. Kraft; vgl. 1 Sam 2,10; Ps 92,10; 148,14), ›und wie (sein) Augapfel (sei ihm) dein Sinnen‹ (vgl. 1 Chr 28,9). [4]

36 37 38

Siehe Sauer, 1997, S. 137. Siehe Hahn/Mayer, 1985, S. 266f., u. Leube, 1921, S. 35 (zum Mai 1623). Zum Ausdruck vgl. Strölin, 1664 (L), S. 30, hier S. 400.

321

6.3 Strölins Kurze Erklärungen zu den Sefirot

6.3 Strölins Kurze Erklärungen zu den Sefirot Textzeugen: Handschrift (MS): WLB, cod. hist. fol. 551, S. [121]–[123] (die hebräische Erklärung unter [A] ist jene auf S. 121, die unter [B] S. 123); Druck (DR) der deutschen Erklärung von S. [123] in Oetinger, 1763, S. 407–410, jetzt in Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 253f. Zur entstehungsgeschichtlichen Unterscheidung zw. einer Phase [A] u. [B] s. hier S. 108ff.

M‫לֹו‬ ‫ | ׁש‬. ω . ‫ ת‬. [6] ‫ כתר‬. ‫ א‬. α | . [5] ‫ אמת חתמו‬. [4] M‫[ | אב הרחמי‬3] . ‫[ אהיה‬2] . ‫[ י י ָ י‬1] . ‫הוא‬ . ‫ ׁש¬אֵינֹו‬M‫בִי‬È‫ ּכֹו‬. Zֵ‫ ּבְלִי | ק‬M‫ל עֹולָמִי‬È ‫ מְקֹור‬. ‫קְר¯ב אֵלָיו‬¢‫ אֹור | אִׁש ל¸א י‬. N‫ וžאַחֲרֹו‬N‫ׁשֹו‬£‫י הָר‬Éֹ‫אֲד‬ [12] !‫בָה‬µ‫ מַחֲׁש‬. [11] M«‫ קֶד‬. [10] M‫ ּפְלִיל ר¯חֲמִי‬.[9] N¢‫ | אַי‬. [8] N‫ ר´צֹו‬. [7] N . ‫חַּיֹות הַּקֹוד«ׁש‬ 5

10

20

[S1] [121]

Decem Sephiroth Numerationes, | Hebraeorum dictae Jneffabiles.[13] |

[S0a]

Jnfinitum (Abyssus.) [14]

[122]

!‫[ּבְלִימָה! | עֶׂש¬ר סְפִירֹות‬15] | Jod triplex[16] | Jlle.[17] Ero qui ero.[18] Pater misericordiarum.[19] | Veritas sigillum eius[20] | α. ω. [21] corona[22] !‫[ א ת‬23] . | Pax Domini Primi et Novissimi.[24] Lux inaccessibilis[25] | fons omnium seculorum sinè fine.[26] Stellarum ex- | pers (primum mobile.) [27] Animalia Sancta !M‫ר´פִי‬ ‫[ ּוׂש‬28] . Nun finale[29] | !M‫י‬¢‫ר הַּפָנ‬°‫ ׂש‬N‫[ מַּטַטְרֹו‬30] | Sigillum est Patris !P‫[ אל‬31] | 10.[32] | !‫[ ת‬33] | !P‫ סו‬N‫[ אי‬34] | 1.[grün][35] %

15

[A]

'







X

Y

7. duplices literae !‫ב! ג! ד! כ! פ! ר! ת‬ aequiparentur[36] | 12. simplices verò 12. signis. | unumquodque nomen componitur ex aliqua | Matrum. Duplicium. Simplicium | Elementorum. Planetarum. Signorum Zodiaci. | sed hoc modo tantummodò exanimae q[uod]. est ut vivat | seu proferri possit, accedunt vocales animantes q[uarum]. | emanatio autem et dependentia est à 10 sephiroth | et sic veniunt accentus supra infra positi.[37] Trias istarum Numerationum[38] | superiorum est unicus thronus et | residet in eo S. S. S.[39] Dominus | Zebaoth p.[40] 3 Matres Elementa | 7 duplices. planetae. spiritus apocalyptici | 12 simplices signa. angeli portitores | 22 faciunt | 10 sefiroth | Sapientiae 32 veniunt semitae[41]

[S1]

[S1a]

[S1b]

[S1c] [B]

P‫ סֹו‬N‫ת | אֵי‬Ê‫א‬ . ‫בָה‬µ‫ מַחֲׁש‬. [48] ‫מָה‬µ‫ | נžׁש‬. M«‫ | קֶד‬. N‫ ר´צֹו‬. [47] M‫ | אָב הָר¯חֲמִי‬. [46] ‫ | ּכֶתֶר‬. [45] ‫ | הּוא‬. [44] ‫ה‬ª‫י י ָ י | אֶהְי‬ [43]

Die 10 Sephirot mit ihren verwandten dingen

[42]

| A vnd O[49] | Ohne Endt.[50]

[S0] [S1]

[S0] [123]

25

Jch werde sein.[51] | Er.[52] | Cron.[53] | Der Vatter der Barmherzigckheit.[54] | Daß göttliche wohlgefallen.[55] | gegen Morgen.[56] | Das Gemüeth.[57] Die Nachsinnung.[58] | Kaetaer, | Crone | AEhjaeh von 4. buchstaben.[59] 24 Die 10 . . . dingen ] von anderer (Oetingers? s. hier S. 15) Hand im MS am oberen Blattrand ergänzt : im DR als Überschrift gesetzt 24 10 ] zehen DR 24 verwandten ] nach Korrektur (ein Wort gestrichen, vermutlich zusezen) 24 dingen ] Dingen DR 24 vnd ] und DR 24 Ohne Endt ] ohne End DR 25 sein ] seyn DR 25 Barmherzigckheit ] Barmhertzigkeit DR 25–26 Daß göttliche wohlgefallen ] Das Göttliche Wohlgefallen DR 26 gegen ] Gegen DR 26 Gemüeth ] Gemüth DR 27 Kaetaer. . . buchstaben ] von anderer (Oetingers?) Hand im MS ergänzt (s. Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 534f.) 27 buchstaben ] Buchstaben DR

[S1]

322

6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

30

. !M‫י‬¢‫ הַחַי‬Z«‫ אֶר‬. M¢‫מַי‬µ™ַ‫ | צְבָא ה‬. !‫ אַּצִילּות א‬. Nֵ‫ אָמ‬. ‫ית‬¤‫ | ר§אׁש‬. ‫ּה‬³‫ י‬. ‫ הַּבְכֹור‬Nֵ‫ | ּב‬. ‫מָה‬Çָ‫ ח‬. ‫י | י¦ׁש‬ ‫ עֹמֶק‬. M‫י‬¢‫ אֹופָנ‬. ‫בֵי ׁש¬בֶת‬Ç‫ ּכֹו‬. !‫ע‬²‫ | ּג®לְּג®ל! קָבּו‬. ‫ ּפֶלֶא‬. !‫ה‬É‫אׁשֹו‬£‫ תֹור´ה! לְמַּבָר‬. ‫ּכִּסֵא‬Ê‫ד עַל‬³‫ | י‬. ‫רŸאָה‬¢‫י‬ . !M‫י‬¢‫מָה הָעֶלְיֹונ‬Çָ‫ | ח‬.

35

Jod | prima nominis !‫ יהוה‬litera. | Est !‫ א‬aliquid Sapientia. | filius primogenitus. Jah. princi- | pium. Amen. emanatio prima. exercitus | Coelorum. terra viventium. timor duplex. | Manus super solium. Lex primigenia. Mirabilis. | Orbis fixus. stellae fixae. formae. | !‫ּה‬³‫! | ייהוה! י‬M‫י‬¢‫ וžאֹופָנ‬M‫! | ּכְרּובִי‬M¯‫יאֵל ׁש¬ל אָד‬¢‫ | ר¯ז‬pertinet istud !‫ | ויאמר‬9. | 2. Z«‫ | אֶר‬. M¢‫מַי‬µ™ַ‫ צְבָא ה‬. ‫ית‬¤‫ | ר§אׁש‬. ‫ עֹמֶק‬. !‫ פֶלֶא‬. ‫ הַּבְכֹור‬Nֵ‫ | ּב‬. ‫מָה‬Çָ‫ | ח‬. ‫רŸאָה‬¢‫ י‬. ‫ י¦ׁש‬. Nֵ‫ | אָמ‬. ‫ּה‬³‫י‬ . M‫י‬¢‫הַחֲּי‬

40

Jod der Erste | buchstaben vom Namen | Iâh. | Der abgekurzte Nam Gottes | zweÿer buchstaben. | Amen: Er ist. Die kindtliche forcht. | Die Weissheit. | Der Erstgebohrne Sohn. Wunderbahr. | Der abgrundt oder tieffe. Der anfang. | Das himmels heer. | Landt der lebendigen. | Chochmah | Weisheit

28 !‫ ] אַּצִילּות א‬s. Buxtorf, 1639, s. v. !‫ אַּצִילּות‬, S. 202: »emanatio«; !‫( א‬in der lat. Erklärung prima) kennzeichnet die 2. Sefira als erste Emanation aus der 1. Sefira. 28 !M‫י‬¢‫ ] הַחַי‬korrekter !M‫י‬¢‫הַחֲּי‬ (s. so Z. 37) 29 !‫ תֹור´א! ] תֹור´ה‬vor Korr. 29 !‫ה‬É‫אׁשֹו‬£‫ה! ] לְמַּבָר‬É‫איׁשֹו‬£‫ לְמַּבָר‬vor Korr. (kontrahierte Form aus !‫ לָּמָה‬und !‫ה‬Éֹ‫אׁש‬£‫ בָר‬in der Bedeutung ›vormals, beim ersten Mal‹; s. Gesenius/Buhl, 1915, s. v. !N‫אׁשֹו‬£‫ ר‬, S. 739, zu 1 Chron 15,13; s. a. »Lex primigenia« im MS, S. [121, [S2] 29 !‫] ּג®לְּג®ל‬ zur astronom. Bedeutung s. Buxtorf, 1639, S. 438, s. v. !‫ ; ּג®לְּג®ל‬s. a. Micraelius, 1661, s. v. Orbis, S. 935–944. 29 !‫ע‬²‫ קָבּועַ! ] קָבּו‬MS 30 !M‫י‬¢‫מָה הָעֶלְיֹונ‬Çָ‫ ] ח‬gemeint ist wohl Gikatillas !‫חכמה העליונה‬ (s. Gikatilla, 1883, S. 187; Gikatilla, 1994, S. 330; Passage fehlt in Gikatilla, 1516) 31 Jod . . . litera. ] im MS nachträglich auf die Kreislinie geschrieben (s. Abb. 16) 31 !‫ א‬aliquid ] fehlt in [A]; vgl. dazu Rittangels Kommentar zum Buch Jezira (s. Jezira, 1642, S. 55f.) u. hier S. 321 34 formae ] Übersetzung von !M‫י‬¢‫( אֹופָנ‬s. Ez 1,15f. u. hier die folgende Anm. im App.) 34 !‫ייהוה‬ . . . !M¯‫יאֵל ׁש¬ל אָד‬¢‫ ] ר¯ז‬Übersetzung von »tetragrammaton cum Iod coniunctum«, »Cherubin, siue quem uocant Hebraei Ophanim, hoc est formae, uel rotae«, »Razielem, qui praefectus Adam« (Agrippa, 1550, S. 370f.; Agrippa, 1992, S. 425) 36 !‫ ] פֶלֶא‬korrekter !‫( ּפֶלֶא‬s. so oben unter [A]) 38 Jod . . . Namen ] im MS nachträglich auf die Kreislinie geschrieben (s. Abb. 16) 38 Erste . . . buchstaben ] erste Buchstaben DR 38 Iâh ] Jäh DR 38–39 abgekurzte . . . Amen: ] abgekürtzte Nahm GOttes ... Buchstaben. Amen. DR 39 Die . . . forcht ] die [!] kindliche Forcht DR 39 Weissheit ] Weißheit DR 40–41 abgrundt . . . lebendigen ] Abgrund ... Tieffe ... Anfang ... Himmels=Heer ... Land ... Lebendigen DR 41 Chochmah | Weisheit ] von anderer (Oetingers?) Hand ergänzt (s. Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 535); Umschrift u. Übersetzung für !‫מָה‬Çָ‫ ח‬: Chochmah, Weißheit DR

[A] [S2] [121]

[122]

[B] [123]

6.3 Strölins Kurze Erklärungen zu den Sefirot

45

50

323

!M‫י‬£‫ּפּור‬u‫ הַּכ‬M‫ | יֹו‬. ‫ּבָת ׁש¬ל מַעְלָה‬°™ַ‫ ה‬. ‫דֹול‬³‫ ׁשֹופָר הַּג‬. ‫ | יֹובֵל‬. ‫ֹה‬¢‫ י¾הו‬. ‫ח הַּקֹד«ׁש‬²‫ | רּו‬. ‫ה‬É‫ ּבִי‬. ‫ה | ּפְאֵר‬ ‫ הַּבָא‬Mָ‫ | חַי¦י! עֹול‬. ‫ֹה‬³‫ נ¦ד«ר! לַיהו‬. !‫ה‬³‫ אֹור הַּתְמִי‬. ‫ סְלִיחָה‬. ‫ | ּתְׁשּובָה‬. ‫ימִי‬¢‫ קֹול הַּפְנ‬. Mָ‫ ּפְדּות עֹול‬. ‫ית‬£‫ ּבְר‬. ‫ּבָת‬°™ַ‫ּבְדֹות! ה‬Ç¢‫ נ‬. !M‫י‬¢‫ צְד´קָה הָעֶלְיֹונ‬. !M‫ אַראָלִי‬. !‫ּבְתָא‬°™ַ‫ | ה‬Nַ‫ אֹופ‬. ‫לֹות‬³‫ מַּז‬. ‫בֵי לֶכֶת‬Ç‫ ּכֹו‬. . !M‫י‬¤‫ חֲמִיׁש‬. ‫כִינ®ת! ׁש¬ל מַעְלָה‬ ‫ ׁש‬. ‫ ּגžבּורֹות‬. ‫ | ּבְאֵר ׁש¬בַע‬. N‫ הַר לְבָנֹו‬. Zֵ‫ יֹוע‬. !‫ ּפֶה‬M¢‫פָתַי‬ ‫ ּוׂש‬N‫לָׁשֹו‬ He | altera prior nominis !‫ יהוה‬litera. | Ornatus⟨.⟩ | Prudentia (intelligentia)⟨.⟩ Spiritus | Sanctus. Jehovj. Jubilaeus annus. Tuba | magna. Sabbathum superius. dies expi- | ationum. redemptio seculj. Vox interior. poe- | nitentis conversio. indulgentia remissionis. Lux ad- | mirabunda. Votum Domino. Vita venturi seculi. | stellae erraticae (Planetae) sydera. Orbis Saturni. | fortes robusti | !M‫י וžאַרŸאָלִי‬¢‫ח! | ּתְרֹונ‬²‫! | צַפְקִיאֵל ׁש¬ל נֹו‬M¨‫ | וžיֹופִיאֵל ׁש¬ל ׁש‬pertinet !‫ | ו®יžד¯ּבֵר‬8. | 3. ‫ ּתְׁשּובָה‬. ‫⟨ | נ¦ד«ר ּפָדּות‬.⟩ N‫ לְבָנֹו‬. ‫ּבָט! ׁש¬ל מַעְלָה‬°™ַ‫ח הַּקֹוד«ׁש | ה‬²‫ה | רּו‬É‫ | ּבִי‬M¤‫ֹה | יֹובֵל חֲמִיׁש‬¢‫ה | י¾הו‬ ‫ ּגžבּורֹות‬. Zֵ‫ | יֹוע‬.

55

He der ander | buchstaben vom Namen. | Jehovih. | Jehovah gelesen AElohim. | Mit sieben Puncten. | Daß Jubel oder fünffzigst Jahr. | Der Verstandt. | Der Heylige Geist. | Der Obere oder hohe Sabbath. Der berg | Libanon. Die Gelübde des Mundt. | Die Erlösung. Die Bekehrung. buß⟨.⟩ | Der Rath. Die Stärckhinn. | Binah | Verstand 42 !M‫י‬£‫ּפּור‬u‫ ] הַּכ‬richtig wäre !M‫י‬£‫( הַּכִּפּור‬s. Lev 23,27) 43 !‫ה‬³‫ ] אֹור הַּתְמִי‬als Übersetzung von »lumen mirificum« (Reuchlin, 2010, S. 438); s. Buxtorf, 1639, s. v. !‫ ּתְמִיהָה‬, S. 2604: »!‫& ּתְמִיהָה‬ contractè, !‫ה‬³‫ ּתְמִי‬Admiratio, Mirum [...].« 43 !‫ ינדר! ] נ¦ד«ר‬vor Korr. 43 !‫ ] חַי¦י‬korrekter !‫חַּי¦י‬ 44 !‫ּבְתָא‬°™ַ‫ ] ה‬s. Buxtorf, 1639, S. 2322, s. v. !‫ּבְתָא‬°‫ ׁש‬44 !M‫ ] אַראָלִי‬s. Buxtorf, 1639, s. v. !‫ אַראָל‬, S. 207: »Valens, Praevalidus. Sumitur pro Angelis.«; s. »fortes robusti« unten Z. 50, in der Vorlage »quos Hebraei vocant Aralim, hoc est ›angeli magni, fortes et robusti‹« (Agrippa, 1550, S. 371; Agrippa, 1992, S. 426) 44 !M‫י‬¢‫ ] צְד´קָה הָעֶלְיֹונ‬Lesung des !M unsicher; gemeint ist wohl Gikatillas !N‫( צדק עליו‬s. Gikatilla, 1883, S. 171; Gikatilla, 1994, S. 302; Gikatilla, 1516, S. [273r ]) 44 !‫ּבְדֹות‬Ç¢‫ ] נ‬Form fraglich; man erwartet !‫ּבַדֹות‬Ç¢‫( נ‬bzw. vor !‫ּבָת‬°™ַ‫ ה‬die determinierte Form !‫ּבַּד§י‬Ç¢‫) נ‬ 45 !‫ ּפֶה‬M¢‫פָתַי‬ ‫ ] ּוׂש‬wohl ›und Lippen (wörtl. die beiden Ränder des Mundes)‹ (s. Maldonatus, 1610, S. 552, zu Ez 40,43 nach LXX und Vulgata; s. a. Schindler, 1612, S. 1928, s. v. !‫ )שפת‬45 !‫כִינ®ת‬ ‫] ׁש‬ !‫ שכונת‬vor Korr. 45 !M‫י‬¤‫ ] חֲמִיׁש‬es fehlt wohl das Beziehungswort; man erwartet !M‫י‬¤‫ חֲמִיׁש‬M‫י‬£‫עָר‬ ‫ ׁש‬, s. Reuchlin, 2010, S. 438: »quinquagintae portae« 46 He . . . litera ] im MS nachträglich auf die Kreislinie geschrieben (s. Abb. 16) 51 !M‫י וžאַרŸאָלִי‬¢‫ ] ּתְרֹונ‬Umschrift von ›throni und (zwar) Aralim‹; s. Kol 1,16 u. Agrippa, 1550, S. 371 (Agrippa, 1992, S. 426): »per ordinem thronorum, siue quos Hebraei uocant Aralim«; das verbindende !‫ ו‬ist ein !‫ ו‬explicativum 51 ‫צַפְקִיאֵל‬ !‫ח‬²‫ ] ׁש¬ל נֹו‬Übersetzung von »Zaphchiel, praefectus Nohe« (Agrippa, ebd.) 51 !M¨‫] וžיֹופִיאֵל ׁש¬ל ׁש‬ Übersetzung von »Iophiel, praefectus Sem« (Agrippa, ebd.) 52 !‫ּבָט‬°™ַ‫ ] ה‬richtig wäre !‫ּבָת‬°™ַ‫ה‬ (Flüchtigkeitsfehler; s. dagegen Z. 42 u. 44) 54 He der ander . . . buchstaben vom Namen ] im MS nachträglich auf die Kreislinie geschrieben (s. Abb. 16) 54 ander . . . buchstaben ] andere Buchstaben DR 55 Daß Jubel . . . Verstandt. ] Das Jubel= ... fünfzigste ... Verstand DR 56 Heylige ] Heilige DR 56 hohe ] Hohe DR 56 berg ] Berg DR 57 Mundt ] Mundes DR 57 buß ] Buß DR 57 Stärckhinn ] Stärcke DR 58 Binah . . . Verstand ] von anderer (Oetingers?) Hand ergänzt (s. Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 535); Umschrift u. Übersetzung von !‫ה‬É‫ּבִי‬

[A] [S3] [121]

[122]

[B] [123]

324

60

65

6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

. ‫קִי‬É . M‫מִי‬³‫יכּות! י‬£‫ אֲר‬. ‫ | ׁש¨בֶט‬. M‫ מִּד¯ת הָר¯חֲמִי‬. ‫ית‬¢‫ע וžי®ד הַיžמָנ‬²‫ | זžרֹו‬. !‫ גžדּולָה‬. ‫ אֵל‬. ‫ | חֶסֶד‬. ‫ב‬ª‫ג‬ª‫נ‬ . !M‫י‬¢‫מָג‬u‫ חֶסֶד ּופַחַד מ‬. Nֵ‫ כֹוה‬. Mָ‫ אַבְר´ה‬. !M‫מָלִי‬ ‫ חַׁש‬. ‫ צֶד«ק‬Nַ‫ אֹופ‬. M¢‫ יžסֹוד מַי‬. M¢‫מַי‬µ‫ | ׁש‬. Nָ‫אֵׁש הַלָב‬ . M¢‫מַי‬µ‫הִרŸעֲפַת! ׁש‬ | Meridies. | Misericordia (gratia.) El. Magni- | ficentia. brachium et manus dextra. | Mensura miserationum. Sceptrum. prolongatio | dierum. Jnnocens. Jgnis albus. Schamaim. Elementum | Aqua. Orbis Jovis Jllustris. Abraham. Sacerdos. | !M‫מָלִי‬ ‫ס וžחַׁש‬ª‫! | ּדֹומִינ®אְצִיֹונ‬Mָ‫ | צַדŸקִיאֵל ׁש¬ל אַבְר´ה‬7. | 4.

[A] [S4] [121]

[122]

Lumen | providen- | tiae vel | Oculus | Misericordiae | !‫ חסד‬1. | !‫ תפארת‬2.

[S4a]

. M¢‫ יžסֹוד מַי‬. M¢‫מַי‬µ‫ | הִרŸעֲפַת ׁש‬. ‫ ׁש¨בֶט‬. ‫ית‬¢‫ע וžי®ד הַיžמָנ‬²‫ | זžרֹו‬. ‫ ּגžדּולָה‬. ‫ | חֶסֶד‬. ‫ב‬ª‫ג‬ª‫ נ‬. Mָ‫ | אַבְר´ה‬.‫אֵל‬

[B] [S4] [123]

70

El. | Von zweÿ buchstaben vnd 2. Puncten⟨.⟩ | Der Barmhertzige Gott. | Der Ertz Vatter Abraham. Der Mittag. | Barmhertzigkheit, gnad, Großmächtigkh[eit]. | Der Rechte Armb vnnd rechte handt. Das Scepter. | Das weiße licht, Das treuffeln der himmel. | Element Waßer. | Gedulah | die ausbreitung | Grund der Repulsion

59 !‫ ] גžדּולָה‬korrekter !‫( ּגžדּולָה‬s. Z. 67) 59 !‫יכּות‬£‫» ] אֲר‬longitudo« nach Buxtorf, 1639, s. v., S. 217 60 !M‫מָלִי‬ ‫ ] חַׁש‬s. Agrippa, 1550, S. 371 (Agrippa, 1992, S. 426): »quem uocant Hebraei Hasmalim«; s. a. Maldonatus, 1610, S. 331, zu !‫מַלָה‬ ‫ הַחַׁש‬in Ez 1,4 (s. a. 1,27; 8,2): »Putant autem pleriq[ue]. angelum significare [...]. Itaq[ue]. Chald[aica]. Paraphr[asis]. ipsam dictionem immutatam reliquit !‫[ חשמלא‬im Druck fälschlich !‫]חטמלא‬.«; s. a. Buxtorf, 1639, s. v. !M‫חש‬, S. 844; Dalman, 1938, s. v. !‫מְלָא‬ ‫ חַׁש‬, S. 163: »(Ez 8,2) Engelname.« 60 !M‫י‬¢‫מָג‬u‫! ] מ‬M‫י‬¢‫ ממָג‬MS (s. mehr im App. zu !M‫י‬¢‫ מּומָג‬in Z. 75) 61 !‫ ] הִרŸעֲפַת‬von der Wurzel !P‫ ;רע‬s. u. Z. 71: »das treuffeln der himmel« 62 ] in der Alchemie übliches Zeichen für das Element Wasser; im MS dicht oberhalb der Kreisfigur der 4. Sefira befindlich 64 Schamaim ] Umschrift von !M¢‫מַי‬µ‫ ׁש‬65 ‫ס‬ª‫ּדֹומִינ®אְצִיֹונ‬ !M‫מָלִי‬ ‫ ] וžחַׁש‬Umschrift von ›dominationes und (zwar) Has(ch)malim‹; s. Kol 1,16 u. Agrippa, 1550, S. 371 (Agrippa, 1992, S. 426): »per ordinem Dominationum, siue quem uocant Hebraei Hasmalim« 65 !Mָ‫ ] צַדŸקִיאֵל ׁש¬ל אַבְר´ה‬Übers. v. »Zadkiel, praefectus Abrahae« bei Agrippa, ebd. 66 Lumen . . . !‫ תפארת‬2. ] Die sieben Zeilen befinden sich dicht oberhalb des Kreisbogens von [S2] (s. Abb. 16) 69 buchstaben . . . Gott ] Buchstaben und zwey ... barmhertzige GOtt DR 69–70 Ertz Vatter ] ErtzvaterDR 70 Barmhertzigkheit, gnad, Großmächtigkh[eit] ] Barmhertzigkeit, Gnad, Großmächtigkeit DR 71 Rechte Armb vnnd rechte handt ] rechte Arm und ... Hand DR 71 Das weiße licht, ] von anderer (Oetingers?) Hand ergänzt (s. Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 536; hier S. 20) : Das weisse Licht DR 71–72 treuffeln . . . himmel ] Treuffeln ... Himmel DR 72 Element Waßer ] Element. – Wasser DR (Druckfehler) 72 Gedulah . . . ausbreitung . . . Repulsion ] von anderer (Oetingers?) Hand ergänzt (s. Oetinger, 1977a, ebd.) 72 Gedulah . . . ausbreitung ] Gedulah. Die Ausbreitung DR; Umschrift u. Übersetzung von !‫ ; גžדּולָה‬s. hier S. 18

6.3 Strölins Kurze Erklärungen zu den Sefirot

75

80

325

!‫אֹות‬ȟ‫ עַר‬. !‫ מַחְזֹור‬. ‫ | חֶר«ב‬. N‫י‬£‫ מִּד¯ת הַּד‬. ‫מָאלִית‬ ‫ | זžרֹועַ וžי®ד הַׂש‬. ‫ גžבּור´ה‬. M‫ אֱל·הִי‬. !‫ | פַחַד‬N‫צָפֹו‬ . !‫ זžכּות‬.‫ אֹפֶל‬. ‫ | לַיžלָה‬. M¢‫מַי‬µ‫ ׁש‬. !‫ יžסֹוד אֵׁש‬. M‫י‬£‫ר‬µ‫ מֵיׁש‬. ‫ׁש‬ª‫ עֹנ‬. ‫ּתַעֲׂש¬ה‬Ê‫ מִצְוֹות | ל¸א‬. ‫מַעְלָה‬Ê‫ׁש¬ל‬ | M‫ ּבֵאל·הִי‬Mָ‫יאת עֹול‬£‫ בְר‬. !M‫י‬¢‫ פַחַד! וžחֶסֶד מּומָג‬. ‫י‬¢‫ לֵו‬. ‫צְחָק‬¢‫ | י‬. M‫ר´פִי‬ ‫ ׂש‬. M‫י‬£‫ מַאֲד‬Nַ‫ אֹופ‬. ‫מִלְחָמָה‬ . M¢‫מַי‬µ‫ הִרŸעֲפַת! | ׁש‬. !‫ יֹוסֶר‬M¢‫בְעָתַי‬¤‫ ׁש‬. N‫הָב עֹולָה לַּצָפֹו‬³‫ ר´עָה ז‬N‫מִּצָפֹו‬ F | Septentrio. | Timor. Elohim. Potentia. | brachium et manus sinistra. Mensu| ra Judicij. Gladius. Cingulum. Judiciariae | domus superiores. Praecepta prohibitiva. poena. re- | ctitudines. Elementum Jgnis. Schamaim. Nox. tene- | brae. Meritum. Bellum. Orbis Martis. Seraphim. Jsaac. | Levj. gravitas. securitas. !‫ּבֹור‬¢‫ ג‬M‫! | אֱל·הִי‬M‫ר´פִי‬ ‫ּתַאְּתֶס ּוׂש‬ ‫! | פֹוטֶׁש‬N‫מְׁשֹו‬¤‫ | ּכַמָאֵל ׁש¬ל ׁש‬6. | 5. trijudices. | !‫ חסד‬1. | !‫ פחד‬2. | !‫ תפארת‬3. ‫ אֹפֶל‬. ‫ׁש‬ª‫ עֹנ‬. ‫ | יžסֹוד אֵׁש‬. ‫ חֶר«ב‬. ‫מָאלִית‬ ‫ע וžי®ד הַׂש‬²‫ | זžרֹו‬. ‫ ּגžבּור´ה‬. ‫ | ּפַחַד‬. N‫ צָפֹו‬. ‫צְחָק‬¢‫ | י‬M‫אֱל·הִי‬ . ‫ לַיžלָה‬.

85

AElohim | Von Vier buechstaben, vnd 7. Puncten. | Der Gerechte Gott. | Der Ertz Vatter Isaac. Die Mitter Nacht. Die forcht von [sic] der Straff. Stärkhe. Der linkhe Armb, vnnd linkhe Hand. Das Schwerdt. | das rote licht, Element fewer. | Die Straff. Das tunckhele finsternuß. Die Nacht. | Gebhurah, die zusammengezogene | Stärke | grund der attraction

73 !‫ ] פַחַד‬korrekter !‫( ּפַחַד‬s. Z. 83) 73 !‫ ] מַחְזֹור‬s. Buxtorf, 1639, s. v., S. 735: »Circulus, Cyclus«. 73 !‫אֹות‬ȟ‫ ] עַר‬s. Buxtorf, 1639, s. v. !‫אֹות‬ȟ‫ עֶר‬, S. 1666: »Tribunalia, Consistoria judicialia, Judicum consessus ordinarii, Judicia«; s. »Judiciariae | domus« in Z. 78; s. a. Dalman, 1938, s. v. !‫ עַרŸּכֵי‬, S. 323 74 !‫ אׁש! ] אֵׁש‬MS 74 !‫ ] זžכּות‬s. Buxtorf, 1639, s. v. !‫כּו‬³‫ ז‬, S. 668: »[...] !‫[ זžכּות‬...] Justitia [...] item Meritum [...].« 75 !‫ ] פַחַד‬korrekter !‫( ּפַחַד‬s. Z. 83) 75 !M‫י‬¢‫! ] מּומָג‬M‫י‬¢‫ג‬³‫ מּוו‬MS (Flüchtigkeitsfehler? vgl. !M‫י‬¢‫מָג‬u‫ מ‬in Z. 60; s. a. Buxtorf, 1651, S. 231, zu !M‫ מּוקָמִי‬76 !‫ ] יֹוסֶר‬Form fraglich; man erwartet !‫ יֹוסֵר‬oder !‫ מּוסָר‬bzw. !‫( מֹוסָר‬s. Buxtorf, 1658, S. 132) 76 !‫ ] הִרŸעֲפַת‬s. Z. 61 u. den Apparat 77 F ] in der Alchemie übliches Zeichen für das Element Feuer; im MS dicht oberhalb der Kreisfigur der 5. Sefira befindlich 81 !‫ּבֹור‬¢‫ ג‬M‫ ] אֱל·הִי‬s. »Elohim gibor« (Agrippa, 1550, S. 371; Agrippa, 1992, S. 426); s. a. Jer 32,18 81 !M‫ר´פִי‬ ‫ּתַאְּתֶס ּוׂש‬ ‫ ] פֹוטֶׁש‬Umschrift von ›potestates und (zwar) Seraphim‹; s. »per ordinem potestatum, siue quem uocant Hebraei Seraphim« (Agrippa, 1550, S. 372; Agrippa, 1992, S. 426) 81 !N‫מְׁשֹו‬¤‫ ] ּכַמָאֵל ׁש¬ל ׁש‬85 Vier . . . vnd 7. ] vier Buchstaben und sieben DR 85 Gerechte Gott ] gerechte GOtt DR 86 Ertz Vatter ] Ertz=Vater DR 86 Mitter Nacht ] Mitternacht DR 86 von ] vor DR 86–87 Stärkhe. Der linkhe Armb, vnnd linkhe ] Stärcke ... lincke Arm und lincke DR 87 das rote licht, ] von anderer (Oetingers?) Hand ergänzt (s. Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 536; hier S. 20) : Das rothe Licht DR 87 fewer ] Feuer DR 88 tunckhele finsternuß ] dunckele Finsterniß DR 88–89 Gebhurah. . . grund . . . attraction ] von anderer (Oetingers?) Hand ergänzt (s. Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 536; Gebhurah ist Umschrift für !‫ ; גžבּור´ה‬s. hier S. 18) 88 Stärke ] Stärcke DR; Übersetzung für !‫גžבּור´ה‬ 88–89 grund . . . attraction ] Grund ... Attraction DR

[A] [S5] [121]

[122]

[S5a]

[B] [123]

326 90

95

100

6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

. ‫ | מִזžר¯ח הַׁש¬מֶׁש‬. ‫ אֹור‬. !‫ה‬µ‫ מִּד¯ת הַּקְדֹוׁש‬. !‫ימִי‬¢‫הַּבֵנ‬Ê‫ קַו‬. ‫ תִפְאֶר«ת‬. ‫ | אֱלְֹוּהַ וžד¯עַת‬. ‫ֹה‬³‫ יžהו‬.‫ ו‬. ‫אַּתָה‬ ‫ הַׁש¬מֶׁש‬Nַ‫ אֹופ‬. !‫ מַּתָּכֹות‬. ‫ נֹור´א‬. !‫אָה‬£‫ הַר מֹור‬. ‫ אֱמֶת‬. !‫ | ז®ּכָאֹות‬. ‫ ּד¯עַת‬. !M‫י‬¢‫ הַחַּי‬Zֵ‫ ע‬. ‫ּתָב‬Çִ‫ּתֹור´ה ׁש¬ּב‬ . ‫דֹול‬³‫ הַּג‬Nֵ‫ ּכֹה‬. Nֵ‫ק‬³‫⟨ ז‬.⟩ !‫ר´אֵל‬ ‫ׂש‬¢‫ י‬M‫ מַלְאָכִי‬. !‫⟨ יžסֹוד אַּו¦יר‬.⟩ !‫ע‬²‫ ר´קִי‬. N¦‫ | מָג‬. Vav | tertia nominis !‫ יהוה‬litera. | Tu. Jehovah. | Eloah et scientia. Pulchritudo. | Linea media. Mensura Sanctitatis. Lux. Ortus | Solis. Lex scripta. Lignum Vitae. Scientia. Justifica- | tiones. Veritas. Mons Morihah [sic]. Metuendus. Metalla (.mineralia.)⟨.⟩ Orbis | Solis. clypeus. firmamentum. Elementum Aëris⟨.⟩ Nuncij Jsrael⟨.⟩ | Senex. Sacerdos Magnus (.Voluptas. ornatus. gloria. Claritas.) | !M‫ירŸטּותֶס ּומַלְאָכִי‬¢‫! | ו‬N‫ה הַקָטֹו‬³‫צְחָק וžטֹובִי‬¢‫ | פְלִיאֵל ׁש¬ל י®עֲקֹב! | רŸפָאֵל ׁש¬ל י‬pertinet Tipheret ad | !‫ | ו®יžד¯ּבֵר‬5. | 6. M‫י‬¢‫ הַחֲּי‬Zֵ‫ | ע‬. ‫ ּד¯עַת‬. ‫ מִזžר¯ח חַׁש¬מֶׁש‬. ‫ אֹור‬. N¦‫ | מָּג‬. ‫ר´אֵל‬ ‫ׂש‬¢‫ | י®עֲקֹוב! א! י‬. ‫ | ּתִפְאֶר«ת‬. ‫ | אַּתָה‬. ‫ֹה‬³‫ו | יžהו‬ . !Mֵ‫ דֹומ‬M¬‫ׁש‬ª‫ | ּג‬. ‫ מַּתָּכֹות‬. ‫ יžסֹוד אַּו¦יר‬. !‫ח‬²‫ | רּו‬. !‫יאָה‬£‫ מֹור‬. ‫ נֹור´א‬. ‫ ּתֹור´ה‬. Vav der dritte | buechstaben vom Namen | Jehovah. | Der Eigenthumbliche vierbuchstabige Nam. | Der Heÿlige Gott. | Du. | Die herrliche Zierdt u[nd] Schönheit⟨.⟩ | Der Ertzvatter Jacob mit verändertem Namen Jsraël. | Der Schildt. Daß Liecht. 90 !‫ימִי‬¢‫הַּבֵנ‬Ê‫ ] קַו‬bei Gikatilla heißt die Mittellinie (s. dazu hier S. 132, 176 u. 336) regelmäßig !‫( קו האמצעי‬s. bes. Gikatilla, 1883, S. 126; Gikatilla, 1994, S. 228; s. a. Buxtorf, 1639, s. v. !‫אמצעי‬, S. 1242); die Form !‫ימִי‬¢‫ ּבֵנ‬ist fraglich; man erwartet !‫י‬¢‫ ּבֵינֹונ‬oder !M¢‫ ּבֵנ®י‬bzw. !M¢‫( ּבֵינ®י‬s. Buxtorf, 1639, s. v., S. 296; Dalman, 1938, s. v., S. 54) 90 !‫ה‬µ‫ ] הַּקְדֹוׁש‬Buxtorf bietet !‫א‬µ‫ ּקְדֹוׁש‬und !‫ה‬µ‫ ּקְדּוׁש‬mit der Bedeutung »Sanctitas« (s. Buxtorf, 1639, s. v., S. 1979f.) 91 !M‫י‬¢‫ הַחַּי‬Zֵ‫! ] ע‬M‫י‬¢‫ חַּי‬Zֵ‫ ע‬MS (Flüchtigkeitsfehler; s. Gen 2,9 u. Z. 100 91 !‫ ] ז®ּכָאֹות‬s. Buxtorf, 1639, s. v. !‫ זžּכָה‬, S. 666f. 91 !‫אָה‬£‫] מֹור‬ s. a. Z. 101; man erwartet !‫ה‬³‫ּי‬£‫ מֹור‬bzw. !‫ה‬³‫ּי‬£‫( מֹר‬s. Gen 22,2) 91 !‫ ] מַּתָּכֹות‬s. Dalman, 1938, s. v. !‫מַּתֶכֶת‬, S. 259: »Guß, Metall«; die Form !‫ מתכות‬s. bei Gikatilla, 1883, S. 180; Gikatilla, 1994, S. 316 92 !‫ע‬²‫ ר´קִיעַ! ] ר´קִי‬MS 92 !‫ ] אַּו¦יר‬s. Buxtorf, 1639, s. v., S. 45 92 !‫ר´אֵל‬ ‫ׂש‬¢‫ י‬M‫] מַלְאָכִי‬ !‫ר´אֵל‬ ‫ׂש‬¢‫ י‬.!M‫ מַלְאָכִי‬MS (Flüchtigkeitsfehler, durch den !Nֵ‫ק‬³‫ר´אֵל ז‬ ‫ׂש‬¢‫ י‬verbunden sind; s. korrekt »Nuncij Israel« in Z. 97); zu !M‫ מַלְאָכִי‬s. Buxtorf, 1658, s. v. !K‫לא‬, S. 157 93 Vav . . . litera ] im MS nachträglich auf die Kreislinie geschrieben (s. Abb. 16) 93 et scientia ] Übersetzung von »Vaudahat« (Agrippa, 1550, S. 372; Agrippa, 1992, S. 426) 97 Voluptas. . . . gloria. ] s. »Tipheret, hoc est ornatus, pulchritudo, gloria, voluptas« (Agrippa, 1550, S. 372; Agrippa, 1992, S. 426); pulchritudo ist Übers. v. »Tipheret« (!‫ )תִפְאֶר«ת‬97 Claritas. ] von ders. Hand ergänzt (ebenfalls aus Agrippa, ebd.) 98 !M‫ירŸטּותֶס ּומַלְאָכִי‬¢‫ ] ו‬Umschrift von ›Virtutes und (zwar) Malachim‹; s. »per ordinem Virtutum, siue quem uocant Hebraei Malachim« (ebd.) 98 !N‫ה הַקָטֹו‬³‫צְחָק וžטֹובִי‬¢‫] רŸפָאֵל ׁש¬ל י‬ s. »Raphaël, qui fuit praefectus Isahac, & Tobiae iunioris« (ebd.) 98 !‫ ] פְלִיאֵל ׁש¬ל י®עֲקֹב‬s. »Peliel, praefectus Iacob« (ebd.) 100 !‫ ] י®עֲקֹוב‬ein Hinweis auf Jakob fehlt in [A] 100 !‫ ] א‬Lesung (heutige Einbindung!) und Deutung unsicher ("!‫ א‬i. S. einer Abkürzung für !‫ אָמּור‬, ›genannt‹? Siehe die deutsche Version in Z. 104 u. Gen 35,10) 101 !‫יאָה‬£‫ ] מֹור‬s. Z. 91 u. den App. 101 !‫ח‬²‫ ] רּו‬fehlt in [A] 101 !Mֵ‫ ] דֹומ‬s. Buxtorf, 1639, s. v., S. 510f.: »Silens, id est, Insensibile corpus, ut lapides & metalla«; !‫ד‬. !‫ג‬. fehlt in [A] 102 Vav. . . Namen ] im MS nachträglich auf die Kreislinie geschrieben (s. Abb. 16) 102 buechstaben ] Buchstaben DR 102 Eigenthumbliche ] eigenthumliche DR 103 Heÿlige Gott ] Heilige GOtt DR 103 herrliche ] nach Korr. aus (wegen Streichung und Abrieb teilw. unleserlich): herrlich e...liche 103 Zierdt ] Zierd DR 103 u[nd] Schönheit ] von späterer (Oetingers?) Hand ergänzt (s. Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 536) : und Schönheit DR 104 mit ] im MS weitgehend unleserlich 104 Jsraël ] Jsrael DR 104 Schildt. Daß Liecht ] Schild. - - Das Licht DR

[A] [S6] [121] [122]

[B] [123]

6.3 Strölins Kurze Erklärungen zu den Sefirot 105

110

327

Der Auffgang der Sonnen. | Die Rechtfertigung | Daß Erkandtnuß. Das Holtz deß Lebens. Das gaist Gesetz. | Der Erschröckhliche. Der Berg Moriah. Der Geist. | Das maaß. Die | m⟨ittel linie⟩ Linea viridis | Element lufft. | Die Metallen vnndt Mineralien | Tiph⟨aere⟩t | die Schönheit | grund deß glantzes. | . ‫ ּכֹוס ּתַנžחּומֹות‬. ‫ הָעֵצָה‬M‫ מְקֹו‬. M‫חָקִי‬ ‫ל ו! | ׁש‬ª‫ ר«ג‬. ‫י‬¢‫ | עַּמּוד הַיžמָנ‬. ‫צַח‬ª‫ נ‬. ‫ֹה צְבָאֹות‬³‫ | יžהו‬. N‫כִי‬³‫י‬ . M‫ אֱל·הִי‬. !‫ּה‬³‫ נֹוג‬Nַ‫ אֹופ‬. !‫ח‬²ֵ‫! צֹומ‬M¬‫ׁש‬ª‫ג‬

[A] [S7] [121]

Jachin. | Jehova Zebaoth. victoria. | Columna dextra. pes et crus dextrum | Coeli nubilosi. Locus Consilij. Calix consolatio- | num. Corpus vegetabile. Sphaera Veneris. Dei | Zelus et amor Justitiae. | !M‫ינžצִּפַאְטּוס וžאֱל·הִי‬£‫ד! | ּפְר‬¢‫יאֵל ּוצְרּויžאֵל ׁש¬ל ּד´ו‬¢‫הַנ‬ | 4. | 7. 115

. ‫ח‬²ֵ‫ צֹומ‬M¬‫ׁש‬ª‫ ּג‬. ‫ | ּכֹוס ּתַנžחּומֹות‬. M‫חָקִי‬ ‫ | ׁש‬. ‫ית‬¢‫ל הַיžמָנ‬ª‫ | עַּמּוד וžר«ג‬. ‫צַח‬ª‫ | נ‬. ‫ֹה צְבָאֹות‬³‫ | יžהו‬. N‫כִי‬³‫י‬

[122]

[B] [123]

Jachin !‫ | א‬Die Säule Salomoniß zur rechten. | Jehovah Zebaoth. | Der herr der ¨ heerschaaren. Von 9. buechstaben. | Der Sieg. triumph. Vberwindung | Der Rechte fueß. | Die tunckhele neblichte wolkhen. | Der Trost-Becher. | Daß gruenend wachsendte | grund der schweren | Naezach | Die uberwindung | zum ewig bleiben 105 Auffgang ] Aufgang DR 105 Die Rechtfertigung ] von späterer (Oetingers?) Hand ergänzt; zu Oetingers Assoziation der Sefirot- mit der christlichen Rechtfertigungslehre s. hier S. 27 105 Daß Erkandtnuß ] Das Erkänntniß DR 105 deß ] des DR 106 Das gaist Gesetz ] geist von späterer (Oetingers?) Hand über der Zeile nachgetragen (s. Oetinger, 1977a, Bd. 2, ebd.; s. a. Röm 8,2) : Das Geist=Gesetz DR 106 Erschröckhliche ] Erschröckliche DR 106–107 Das maaß ] Die Maaß DR 107 m⟨ittel linie⟩ ] im MS auf der Faltkante durch Abrieb unleserlich : Mittel=Linie, DR 107 Linea viridis ] von späterer (Oetingers?) Hand ergänzt; s. dazu hier S. 132 107 lufft ] Lufft DR 107 vnndt ] und DR 108 Tiph⟨aere⟩t . . . glantzes ] von späterer (Oetingers?) Hand ergänzt (s. Oetinger, 1977a, Bd. 2, ebd.); heute teilw. unleserlich; Umschrift und Übersetzung von !‫ ּתִפְאֶר«ת‬: Tiphaeraet ... Grund des Glantzes DR 109 !‫ ] ו‬Deutung unsicher (vav consecutivum als Abkürzungsformel i. S. v. ›usw.‹? Siehe Z. 111 pes et crus dextrum, Z. 115 !‫ית‬¢‫ל הַיžמָנ‬ª‫ עַּמּוד וžר«ג‬110 !M¬‫ׁש‬ª‫ ] ג‬man erwartet !M¨‫( ּגžׁש‬s. Koehler/Baumgartner, 1953, s. v., S. 1062, zu Dan 3,27 etc.); s. aber zeitgenössisch Buxtorf, 1658, s. v. !M¬‫ׁש‬ª‫ ּג‬, S. 63: »At !M¬‫ׁש‬ª‫[ ג‬sic] Chald[aice]. Corpus«; s. a. Buxtorf, 1639, s. v., S. 486 110 !‫ח‬²ֵ‫ צֹומֵחַ! ] צֹומ‬MS 110 !‫ּה‬³‫ ] נֹוג‬man erwartet !‫( נֹוג®ּה‬s. Dalman, 1938, s. v., S. 265) 113 !M‫ינžצִּפַאְטּוס וžאֱל·הִי‬£‫ ] ּפְר‬Umschrift von ›Principatus und (zwar) Elohim‹; s. »per ordinem Principatuum, siue quem uocant Hebraei Elohim« (Agrippa, 1550, S. 372; Agrippa, 1992, S. 426) 113 !‫ד‬¢‫יאֵל ּוצְרּויžאֵל ׁש¬ל ּד´ו‬¢‫ ] הַנ‬s. »Haniel, & [...] Ceruiel, praefectus Dauid« (Agrippa, 1550, S. 372; Agrippa, 1992, S. 426f.) 116 !‫ ] א‬fehlt im DR 116 Salomoniß zur rechten ] Salomonis zur Rechten DR 116 Jehovah Zebaoth ] Jehovah. Zebaoth MS : Johovah (Druckfehler; s. Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 537) Zebaoth DR 116–117 herr . . . buechsta¨ ben ] HERR der Heerschaaren ... Buchstaben DR 117 triumph. Vberwindung ] Lesung unsi¨ wohl korrigiert aus e ) : Triumph. – Uberwindung DR 118 Rechte fueß ] rechte Fuß cher (V DR 118 tunckhele . . . wolkhen ] dunckele ... Wolcken DR 118–119 Daß . . . wachsendte ] Das grünend wachsende DR 119 grund der schweren . . . | zum ewig bleiben ] von späterer (Oetingers?) Hand ergänzt (s. Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 537) 119 grund der schweren ] Grund der Schweren DR 119 uberwindung ] Uberwindung DR; Umschrift (Naezach) und Übersetzung von !‫צַח‬ª‫נ‬

328 120

6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

. !Z‫ לּו‬. !Mֶ‫ עֶצ‬. ‫ֹה‬³‫ קִנžאַת יžהו‬. M‫חָקִי‬ ‫ל ו! | ׁש‬ª‫ ר«ג‬. ‫מָאלִי‬ šַ‫ | עַּמּוד ה‬. ‫ הֹוד‬. ‫ צְבָאֹות‬M‫⟨ | אֱל·הִי‬.⟩ ‫ּבֹעַז‬ . M‫ ּבְנ¦י אֱל·הִי‬. !‫ב מַרŸקְלִיס‬È‫ ּכֹו‬Nַ‫ אֹופ‬. !‫! חָי‬M¬‫ׁש‬ª‫ | ג‬. !Pֶ‫ּכֹוס הַּקֶצ‬

[A] [S8] [121]

125

Boas. | Elohim Zebaoth. Confessio. | Columna sinistra. pes et crus | sinistrum. coeli nubilosi. Zelus Domini. | substantiae robur. ossiculum. calix fremitus. Cor| pus animatum. Sphaera stellae Mercurij. filij deorum | (non belli et iustitiae, sed pietatis et consonantiae harmoniae. | Laus⟨.⟩ celebratio. decor. celebritas. Ornatûs elegantia.) | !M‫אַנžג¦ילִי ּובְנ¦י אֱל·הִי‬ǟ‫לֹומֹה! | אַר‬ ‫אֵל ׁש¬ל ׁש‬È‫ | מִי‬3. | 8. ‫ֹה‬³‫ קִנžאַת יžהו‬. Pֶ‫ | ּכֹוס הַּקֶצ‬. !‫! חָי‬M¬‫ׁש‬ª‫ | ג‬. ‫מָאלִית‬ šַ‫ל ה‬ª‫ | עַּמּוד וžר«ג‬. ‫ | הֹוד‬. ‫ צְבָאֹות‬M‫ | אֱל·הִי‬. ‫ּבֹעַז‬

[122]

[B] [123]

130

Boas !‫ | א‬Die Säule Salomonis zur linkhen. | AElohim Zebaoth. | Der Gott der heerschaaren. Von zehen buchstaben. | Die Bekandtnuß, vnd Lob. | Der Linckhe fueß. | Das Empfindtlich wachsendte. | Der Becher deß grimms. | Der Eiffer deß herrn. | Hod | Die herrlichkeit

120 !‫ ] ו‬Deutung unsicher (vav consecutivum als Abkürzungsformel i. S. v. ›usw.‹? Siehe App. zu Z. 109 120 !Mֶ‫]?[ ] עֶצ‬...!‫ עֶצֶמ‬vor Korr. 120 !Z‫ ] לּו‬Deutung unsicher (Verwechslung mit !‫ע‬²‫ )?לֹו‬121 !Pֶ‫ ] הַּקֶצ‬s. Buxtorf, 1639, s. v. !Pֶ‫קֶצ‬, S. 2102: »Fervor irae, Ira fervens« 121 !M¬‫ׁש‬ª‫ ] ג‬s. Z. 101 korrekter !M¬‫ׁש‬ª‫ ּג‬121 !‫ חָיי! ] חָי‬vor Korr.; man erwartet !‫( חַי‬s. korrekt !‫אֵל חַי‬ in Z. 132; s. Buxtorf, 1658, s. v. !‫ חַי‬, S. 100) 121 !‫ב מַרŸקְלִיס‬È‫ב! ] ּכֹו‬È‫ ּכֹו‬. !‫ מַרŸקְלִיס‬MS (s. aber Sphaera stellae Mercurij in Z. 124 u. »sphaeram Mercurij« in der Vorlage (Agrippa, 1550, S. 372; Agrippa, 1992, S. 427)); die Form !‫ מַרŸקְלִיס‬ist fraglich; man erwartet !‫ ; מַרŸקֹולִיס‬s. Buxtorf, 1639, s. v., S. 1262f.: »Markolis, Mercurius« 122 Confessio ] scil. laudis; s. dazu hier S. 16 124–125 non . . . consonantiae ] (direktes Zitat der Vorlage (Agrippa, 1550, S. 372; Agrippa, 1992, S. 427) 126 !M‫אַנžג¦ילִי ּובְנ¦י אֱל·הִי‬ǟ‫ ] אַר‬Umschrift von ›Archangeli und (zwar) Bne elohim‹; s. »per ordinem Archangelorum, siue quem Hebraei uocant Bne elohim« (ebd.) 126 !‫לֹומֹה‬ ‫אֵל ׁש¬ל ׁש‬È‫ ] מִי‬s. »Michaël, qui fuit praefectus Salomonis« (Agrippa, 1550, S. 373; Agrippa, 1992, ebd.) 127 !M¬‫ׁש‬ª‫ ] ג‬s. Z. 101 korrekter !M¬‫ׁש‬ª‫ ּג‬127 !‫ ] חָי‬s. den App. zu !‫ חָי‬in Z. 121 128 !‫ ] א‬fehlt im DR 128 linkhen ] Lincken DR 128–129 Gott . . . heerschaaren ] GOtt ... Heerschaaren DR 129 buchstaben ] Buchstaben DR 129 Bekandtnuß, vnd ] Bekänntniß und DR 129–130 Linckhe fueß ] lincke Fuß DR 130 Empfindtlich wachsendte ] empfindlich wachsende DR 130 deß grimms ] des Grimms DR 130–131 deß herrn ] des HErrn DR 131 Hod | Die herrlichkeit ] von späterer (Oetingers?) Hand ergänzt (s. Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 537); Umschrift und Übersetzung von !‫ הֹוד‬131 herrlichkeit ] im MS in eigener Zeile darunter ohne verzehrung mit Tilgungszeichen : Herrlichkeit DR

6.3 Strölins Kurze Erklärungen zu den Sefirot

329

! ‫ אַּבִי‬. Mָ‫ | יžסֹוד עֹול‬. ‫יק‬£‫ צַּד‬. ‫ ּכֹול‬. ‫ עֵת‬. ‫ חֹוק‬. N‫ הַר צִּיֹו‬. ‫⟨ | יžסֹוד‬.⟩ ‫ּד¯י‬°‫ אֵל ׁש‬. ‫ה‬ª‫ ז‬. ‫אֵל חַי‬ ‫ר‬ ‫ ׂש¨כֶל‬. !‫י‬¢‫ּבָת הַּתַחְּתִּי‬°‫ ׁש‬. !‫ית מִילָה‬£‫ ּבְר‬. Mָ‫⟨ | מֶלֶ› עֹול‬.⟩ !M‫י‬¢‫ חַי‬M‫ אֱל·הִי‬. ‫ ּומַלְאַ›! הַּגֹואֵל‬. ‫ׂשר´אֵל‬¢‫י‬ . !‫ה! ו®הֲהֶפְסֶד‬³‫ּי‬³‫ הַהֲו‬. M‫ | ּכְרּובִי‬. !‫ח‬²§‫ר‬³‫ י‬Nַ‫ אֹופ‬. ‫טֹוב‬

135

140

145

Deus Vivus | Hic. Omnipotens⟨.⟩ fundamentum. | Mons Zion. Statutum. tempus. Omne. Justus. | fundamentum Orbis. Robustus Jsraëlis et Angelus redemptor | Dij vivj. Rex mundi. foedus circumcisionis. Sabbathum inferioris. Jntel- | lectus bonus. Sphaera Lunae. Cherubim. generatio et corruptio | (redemptio⟨,⟩ quies.) | !M‫רּובִי‬Ç‫יאֵל! | אַנžג¦ילִי ּו‬¢‫ יžהׁשּועָה וžד´נ‬Pֵ‫יאֵל ׁש¬ל יֹוס‬£‫ | ג®בְר‬2. | 9. !›ָ‫ | מַלְא‬. !‫י‬¢‫ּבָט הַּתַחְּתִּי‬°‫ | ׁש‬. N‫ צִּיֹו‬. ‫ עֵת‬. ‫ ׂש¨כֶל טֹוב‬. ‫יק‬£‫ צַּד‬. ‫ | חֹוק‬. ‫ | יžסֹוד‬. ‫ּד¯י‬°‫ׁש‬Ê‫ אֵל‬. ‫חַי‬Ê‫ה | אֵל‬ª‫ז‬ !‫ הַּד¯עַת‬Zֵ‫ | ע‬. ‫ה וžהַהֶפְסֶד‬³‫ּי‬³‫ | הַהֲו‬. M‫י‬¢‫ חַּי‬M‫ | אֱל·הִי‬. ‫הַּגֹואֵל‬ Dieser. | El Chaj. | Der lebendige Gott. | El Schaddaj. | Der allmächtige Gott. | Die Grundtvöste. | Daß Recht der Gerechten. Vnnderweisung des guten Verstands. | Die rechte Zeit. Der Berg Zijon. Der Vnndere oder Nidere | Sabbath. Der Engel der Erlöset hat. Der Lebendige | Gott. | Daß Zuenemmen vnndt Abnemmen, oder | Leben vnndt | Todt. | Der baum deß erkandtnuß. | Jesod | der bestand | unverzehrlichkeit. | unauflößlichkeit

132 !‫ ] אַּבִיר‬man erwartet den status constructus !‫( אֲבִיר‬s. Jes 1,24) 133 !›ַ‫ ] ּומַלְא‬s. Buxtorf, 1639, s. v. !K‫לא‬/!›ָ‫ מַלְא‬, S. 1115 133 !M‫י‬¢‫ ] חַי‬korrekter !M‫י‬¢‫ חַּי‬133 !‫ ] מִילָה‬korrekt wäre !‫( מּולָה‬s. Koehler/Baumgartner, 1953, s. v., S. 503; !‫ מִילָה‬ist falsch erschlossene Grundform zum Pl. !‫ מּולֹות‬in Ex 4,26; s. a. Buxtorf, 1658, s. v. !‫מּול‬/!‫מּולֹות‬, S. 168) 133 !‫י‬¢‫ ] הַּתַחְּתִּי‬man erwartet !‫ה‬³‫( הַּתַחְּתִּי‬s. Buxtorf, 1658, s. v. !‫ ּתַחְּתִי‬, S. 377, u. !‫ּבָת‬°‫ ׁש‬, S. 335) 134 !‫ח‬²§‫ר‬³‫ר§חַ! ] י‬³‫ י‬MS 134 !‫ה‬³‫ּי‬³‫ ] הַהֲו‬s. Buxtorf, 1639, s. v. !‫ה‬³‫ּי‬³‫הֲו‬, S. 602 134 !‫ ] ו®הֲהֶפְסֶד‬zum Lexem s. Buxtorf, 1639, s. v. !‫הֶפְסֶד‬, S. 1765; zur Vokalisierung des waw consecutivum und des Artikels s. die Korrektur in !‫( וžהַהֶפְסֶד‬Zeile 141; s. a. Gesenius/Kautzsch, 1909, S. 117 f u. 316 d) 139 !M‫רּובִי‬Ç‫] אַנžג¦ילִי ּו‬ Umschrift von ›Angeli und (zwar) Cherubim‹; s. »per ordinem angelorum, siue quem Hebraei uocant Cherubim« (Agrippa, 1550, S. 373; Agrippa, 1992, S. 427) 139 Pֵ‫יאֵל ׁש¬ל יֹוס‬£‫ג®בְר‬ !‫יאֵל‬¢‫ ] יžהׁשּועָה וžד´נ‬siehe »Gabriel, qui fuit praefectus Ioseph, & Iosue, & Daniel« (ebd.) 140 ‫ּבָט‬°‫ׁש‬ !‫י‬¢‫ ] הַּתַחְּתִּי‬man erwartet !‫ה‬³‫ּבָת הַּתַחְּתִּי‬°‫( ׁש‬s. Z. 133 mit App.) 140 !›ָ‫ ] מַלְא‬man erwartet !›ַ‫מַלְא‬ (s. so Z. 133) 141 !‫ הַּד¯עַת‬Zֵ‫ ] ע‬fehlt in [A] 142 Gott ] GOTT DR 142 Gott ] GOtt DR 143 Grundtvöste ] Grundvöste DR 143 Daß ] Das DR 143 Vnnderweisung ] Unterweisung DR 144 Zijon ] Zion DR 144 Vnndere oder Nidere ] untere oder niedere DR 145 Erlöset ] erlöset DR 145 Lebendige | Gott ] lebendige GOtt DR 145–146 Daß . . . Abnemmen ] Das Zunehmen und Abnehmen 146 vnndt | Todt ] und Tod DR 146 baum deß erkandtnuß ] Baum des Erkänntnisses DR 146–147 Jesod | der bestand . . . unauflößlichkeit ] von späterer (Oetingers?) Hand ergänzt (s. Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 537); Umschrift (Jesod) und Übersetzung von !‫ יžסֹוד‬146–147 bestand . . . unauflößlichkeit ] Bestand, Unverzehrlichkeit, Unauflößlichkeit DR

[A] [S9] [121]

[122]

[B] [123]

330

150

155

6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

‫ אֹהֶל‬. ‫יד‬¢‫ ּבֵית ד´ו‬. ‫ | ּתֹור´ה ׁש¬ּבְעַל פֶה‬. ‫ ּבְכֹור´ה‬. ‫ה‬ȧ‫ ּבְר‬. ‫ה‬È´‫ ּבְר‬. ‫[ | מַלְּכּות‬60] . ‫י‬Éֹ‫ אֲד‬. ‫י‬¢‫ אֲנ‬. ‫ה‬ ‫ הַּד¯עַת‬Zֵ‫ ע‬. ‫ | מִצְוֹות עֲׂש¨ה‬. ‫ּקָה‬u‫ ח‬. ‫ זאֹת‬. !‫ ּבְתּולָה‬. ‫ ּכַּלָה‬. ‫ר´אֵל‬ ‫ׂש‬¢‫סֶת י‬ª‫ ּכְנ‬. ‫ית‬£‫ הַּבְר‬N‫ | אֲרֹו‬. ‫מֹועֵד‬ . ‫מָה‬Çָ‫ הַח‬M®‫ י‬. ‫ׁש¬ר‬ª‫ נ‬. ‫ צֶד«ק‬. ‫ה‬É‫כִי‬ ‫ ׁש‬. He[61] | Posterius et 4. nominis !‫ יהוה‬litera.[62] | Ego.[63] Adonaj.[64] Regnum.[65] Benedictio.[66] | Piscina.[67] Primogenitura.[68] Lex oralis.[69] Domus Da- | vid.[70] congregationis tabernaculum.[71] arca foederis⟨.⟩[72] | Ecclesia⟨.⟩[73] | Synagoga Jsraëlis.[74] Sponsa.[75] Virgo.[76] haec.[77] statutum.[78] praecepta | affirmativa. lignum scientiae.[79] cohabitans gloria.[80] Justitia.[81] Aquila.[82] | Mare sapientiae.[83] Elementum terrae.[84] Heroës | pertinet ad Malchuth[85] : !‫[ו®י¸אמֶר‬86] | !M‫י‬¤‫אִיׁש‬ ‫ר§י נžפָׁשֹות‬ ‫[אַׁש‬87] | !‫ ׁש¬ל מׁש¬ה‬N‫ח מַטַטְרֹו‬²‫י‬¤‫פֶׁש הַּמָׁש‬ª‫[ נ‬88] | 1. | 10. . ‫ר´אֵל‬ ‫ׂש‬¢‫סֶת י‬ª‫ ּכְנ‬. ‫ | צֶד«ק‬. ‫יד‬¢‫ ּבֵת ד´ו‬. ‫ ּבְכֹור´ה‬. ‫ה‬È´‫ ּבְר‬. ‫ּקָה‬u‫ ח‬. ‫ | ז¸את‬. ‫ | מַלְכּות‬. ›ֶ‫י מֶל‬Éֹ‫ה | אֲד‬ ‫י‬¢‫ | אֲנ‬. ‫פֶׁש‬ª‫ נ‬. [89] ‫ יžסֹוד עָפָר‬. ‫ | ּבְתּולָה‬. ‫ ּכַּלָה‬. ‫אֹהֶל מֹועֵד‬

160

He der lezte buchstaben oder vierte⟨.⟩ | Adonaj Maelaech.[90] | Der Herr der König ist vnd bleibt.[91] Daß Reich. Das mundliche gesetz.[92] | Diese. Daß recht. Der seegen. Die Erstegeburth. Daß | hauß Davidts. Die Gerechtigkheit. Die versamblung Jsraël. | Die hütten deß Stiffts. Die Brauth. Die Jungfraw Tochter. | Die [93] gemeine. Element Erden. Schlüßel Davids. | Die Seele Messiae | Jch. Malkut | das königreich .[94]

149 !‫ בְתּולָה! ] ּבְתּולָה‬MS 160 He . . . vierte⟨.⟩ ] im MS nachträglich auf die Kreislinie geschrieben (s. Abb. 16) 160 lezte buchstaben ] letzte Buchstaben DR 160 Herr ] HErr DR 161 vnd ] und DR 161 Daß ] Das DR 161 Das mundliche gesetz ] von derselben (?) Hand ergänzt 161 gesetz ] Gesetz DR 161–162 Daß recht. Der seegen ] Das Recht. Der Seegen DR 162 Erstegeburth ] Erstgeburt DR 162 Daß | hauß Davidts ] Das Haus Davids DR 162 Gerechtigkheit ] Gerechtigkeit DR 162–163 versamblung Jsraël ] Versammlung Jsrael DR 163 hütten deß Stiffts ] Hütten des Stifts DR 163 Brauth ] Braut DR 163 Jungfraw ] Jungfrau DR 163–164 Die gemeine ] von anderer (Oetingers?) Hand ergänzt (s. Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 537) : Die Gemeine DR 164 Schlüßel Davids ] von anderer (Oetingers?) Hand ergänzt (s. Oetinger, 1977a, Bd. 2, ebd.) 164 Schlüßel ] Schlüssel DR 164 Messiae ] von anderer (Oetingers?) Hand ergänzt (s. Oetinger, 1977a, Bd. 2, ebd.) : Meßiä DR 164 Jch ] fehlt im DR (wohl Flüchtigkeitsfehler) : Jeh Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 538 (Lese- oder Druckfehler) 164 Malkut | das königreich ] von anderer (Oetingers?) Hand ergänzt (s. Oetinger, 1977a, Bd. 2, ebd.) : Malkut, das Königreich DR

[A] [S10] [121]

[122]

[B] [123]

6.3 Strölins Kurze Erklärungen zu den Sefirot

331

Kommentar Strölins vier Kurze Erklärungen zu den Sefirot sind im monographischen Teil ausführlicher besprochen worden. Dort wurde auch begründet, warum eine synoptische Darbietung sinnvoll ist und wie die vier Fassungen sich wahrscheinlich entstehungsgeschichtlich zueinander verhalten. Als weitgehend sicher kann demnach die Unterscheidung einer primären Phase [A] von einer sekundären Phase [B] gelten.39 Darum ist hier nur einiges zu ergänzen. Alle vier Erklärungen folgen in der Handschrift dem üblichen Sefirotschema mit einer räumlichen Anordnung der einzelnen Textteile. So steht der Text zur 1. Sefira ganz oben in der Mitte, der zur 2. folgt darunter rechts, der der 3. links daneben usw. Die vorwiegend lateinische Fassung (s. unter [A]) bietet im MS zusätzlich auch noch eine Integration der verschiedenen Textteile in elf Kreisfiguren (die drei ersten Sefirotkreise werden durch einen zusätzlichen größeren Kreis umschlossen); ferner werden hier die Sefirot von 1. bis 10. mit arabischen Zahlen sowohl von oben herab durchnummeriert als auch von unten herauf. Letzteres geschieht offenbar speziell in Anlehnung an Gikatillas Darstellung der Sefirot als Tore, die der Adept durchschreiten muß, beginnend mit der 10. Sefira als erstem Tor.40 Die vorliegende Edition trägt diesen besonderen Gestaltungsmerkmalen Rechnung: Die Siglen an den Seitenränder ([S0], [S1] usw.) definieren die Positionen der einzelnen Textteile in dem beigegebenen Schema, das die räumlichen Verhältnisse und die Kreisfiguren vor Augen führt (s. Abb. 16). Die vorwiegend lateinische Fassung bietet daneben noch ein weiteres, astronomischastrologisches Koordinatensystem zu den Sefirot: Jeweils unten auf der Kreislinie der einzelnen Sefirotkreise finden sich die zeitgenössisch üblichen Zeichen für die sieben Planeten in folgender Verteilung: 3. Sefira: Sonne; 4.: Mond; 5.: Mars; 6.: Merkur; 7.: Jupiter; 8.: Venus; 9.: Saturn. Zu den beiden hebräischen Fassungen: Die hebräische Erklärung unter [B] ist eine sorgfältig-kalligraphische Reinschrift in größeren Lettern, die möglicherweise auch zur Weitergabe an Dritte gedacht war. Die hebräische Erklärung unter [A] ist sorgloser niedergelegt. Nur einzelne Buchstaben werden durch Übergröße hervorgehoben. Hier finden sich auch Nachlässigkeiten und Korrekturen.41 Zur deutschen Fassung: Der Text der Handschrift zeigt eine Reihe deutlich erkennbarer späterer Zutaten von anderer Hand. Zum einen handelt es sich um Ergänzungen in Tinte und in etwas kleinerer Schrift. Sie stammen sehr wahr39 40 41

Siehe S. 108. Siehe dazu hier S. 115f. sowie den Einzelkommentar zu Z. 11. Siehe hier den Apparat zur Synopse der 2. bis 9. Sefira, S. 322ff. Siehe auch die zuweilen fehlende Dageschierung (z.B. !M‫י‬¢‫ אֹופָנ‬statt !M‫י‬¢‫ ;אֹופָּנ‬s. die Nachweise im App.).

332

6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

scheinlich von Oetingers Hand, wie schon Breymayer und Häußermann festgestellt haben.42 Oetinger hat sie vermutlich beigefügt, als er Strölins Kurze Erklärungen für seine deutsche Fassung exzerpierte (DR). Diese Eintragungen in Tinte werden hier in kleinerer, serifenloser Schrift wiedergegeben und der handschriftliche Befund insgesamt mit dem Wortlaut des Druckes kollationiert. Abweichungen in der Interpunktion wurden dabei aber nur gelegentlich berücksichtigt. Die schematische Anordnung der Sefirot wie auch die Planetenzeichen findet im Druck keinen Widerhall. Zum anderen hat eine spätere Hand die erste bis neunte Sefira mit Bleistift arabisch durchnummeriert. Ob auch diese Eintragungen von Oetinger bzw. aus seiner Zeit stammen, ist unsicher. Dafür spricht immerhin, daß – wohl in Anlehnung an die vorwiegend lateinische Fassung – der Druck eine solche Zählung der Sefirot von oben herab von »1.« bis »10.« bietet. Ausführlicher kommentiert werden hier nur die 1. (samt den einleitenden Beitexten [S0] bis [S1c]) und die 10. Sefira, weil sie für Strölins Rezeption der Sefirot eine herausragende Rolle spielen.43 Zur 2. bis 9. Sefira wird hingegen nur ein knapper editorischer Apparat geboten, der neben der Textkonstitution gelegentlich auch Wortformen und -bedeutungen des nachbiblischen Hebräisch sowie Hinweise auf den Wissensstand der zeitgenössischen Hebraistik bietet.44 Vokalisiert !‫הּוא‬. Siehe unten Z. 6 den Kommentar zu »Jlle«. Siehe unten »Jod triplex«. [3] Vokalisiert !‫ה‬ª‫ אֶהְי‬. Siehe unten »Ero qui ero«. [4] Vokalisiert !M‫ אַב הַר¯חֲמִי‬. Siehe unten »Pater misericordiarum«. [5] Vokalisiert !‫ אֱמֶת חֹתָמֹו‬. Siehe unten Z. 7 »Veritas sigillum eius«. [6] Vokalisiert !‫ ּכֶתֶר‬. Siehe unten »corona«. [7] Bis einschließlich !N sind hebräische Erklärung [A] und lateinische Erklärung (s. »Nun finale«) nach Gehalt und Ordnung auffällig ähnlich. Ab !N‫ ר´צֹו‬bzw. !M‫י‬¢‫ר הַּפָנ‬°‫ ׂש‬N‫ מַטַטְרֹו‬fehlen die Entsprechungen. Siehe dazu die Einleitung des Kommentars u. bes. S. 109 (Anm.) zur Schlußgruppe. [8] Die lateinische Erklärung hat zu !N‫ ר´צֹו‬keine Entsprechung. Siehe aber die hebräische Erklärung [B], Z. 23, u. v. a. die deutsche, Z. 26, wo übersetzt wird: »Daß göttliche wohlgefallen.« Siehe dort die Anmerkung. [1] [2]

42

43 44

Siehe Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 534. Das ist im monographischen Teil eingehender besprochen worden. Siehe hier S. 14. Siehe dazu hier S. 118, 127 u. 158. Siehe zumal die häufigen Verweise auf Buxtorf, 1639. Exemplarisch sei auf den Apparat zu !M¬‫ׁש‬ª‫ ג‬in Z. 110 hingewiesen.

6.3 Strölins Kurze Erklärungen zu den Sefirot

333

Zu deutsch ›das Nichts‹ (s. etwa Jes 40,17). Weder die hebräische Erklärung [B], noch die lateinische oder deutsche Erklärung haben dazu eine Entsprechung. Im Hintergrund steht Gikatilla, 1516, S. [277r ] (Pistorius, 1587, S. 181; Gikatilla, 1994, S. 360f.).45 ›Nichts‹ kennzeichnet demnach die Verborgenheit und Unzugänglichkeit der 1. Sefira, ist also, wie !P‫ סו‬N‫( אי‬s. a. dessen Übersetzung in Z. 24 »Ohne Endt.«), eine negativ-theologische Bestimmung.46 [10] Zu deutsch ›Richter, der (stets) Barmherzigkeit übt‹ (s. zu !‫ ּפְלִיל‬etwa Dtn 32,31). Weder die hebräische Erklärung [B], noch die lateinische oder deutsche Erklärung haben dazu eine Entsprechung. Es handelt sich wohl um eine Parallelformulierung zu !M‫( אב הרחמי‬s. oben u. auch »Pater misericordiarum«). [11] Zu deutsch ›Osten‹. Die lateinische Erklärung hat dazu keine Entsprechung; s. aber die hebräische Erklärung [B] u. die deutsche (s. dort die Anmerkung zu »gegen Morgen«). [12] Die lateinische Erklärung hat dazu keine Entsprechung; s. aber die hebräische Erklärung [B] u. die deutsche (s. dort die Anmerkung zu »Nachsinnung«). [13] Den negativ-theologischen Aspekt der Unaussprechlichkeit stellen in diesem Zusammenhang auch die frühneuzeitlichen Übersetzungen des Buches Jezira (!‫ )ספר יצירה‬heraus, in dem sich !‫ עֶׂש¬ר! סְפִירֹות! ּבְלִימָה‬findet; s. Pistorius, 1587, S. 869: »Decem Sephiroth praeter ineffabile«; Jezira, 1642, S. 153: »DECEM NVMERATIONES praeter illud INEFFABILE«. Siehe zum Thema auch hier weiter unten die [S0] zugeordneten Textpassagen. Allerdings werden dort nicht die Sefirot selbst als unaussprechlich angesprochen, sondern die gewissermaßen hinter oder über ihnen im Verborgenen bleibende Gottheit (s. dazu auch »Jnfinitum« in der nächsten Zeile und den Einzelkommentar dazu hier im Anschluß).47 Das ist ein deutlich anderer Akzent. Reuchlin referiert beide Akzentsetzungen als Auslegungsvarianten zum Beginn des Buches Jezira.48 [9]

45

46

47

48

Auch anläßlich der 2. Sefira bespricht Gikatilla !N¢‫ אַי‬im Vorblick auf die 1. Sefira. Siehe Gikatilla, 1516, S. [275v ] (Pistorius, 1587, S. 189; Gikatilla, 1994, S. 326). Zur frühneuzeitlichen Rezeption der negativen Theologie zumal bei Pico della Mirandola, der zugleich die jüdische Kabbala rezipiert und u. a. Reuchlin nachhaltig beeinflußt, s. Westerkamp, 2006, bes. 158–161. Zum !N¢‫ אַי‬und seinem Verhältnis zum !P‫ סֹו‬N‫ אֵי‬s. a. den Aufsatz Schöpfung aus Nichts und Selbstverschränkung Gottes in: Scholem, 1970, S. 53–89, bes. S. 76f. Gikatilla unterzieht die drei Buchstaben des Wortes einer gesonderten Auslegung. Zum dritten, dem !N , s. hier die Anmerkung zu »Nun finale«. Agrippa vergleicht die Sefirot entsprechend mit Gewändern, Werkzeugen oder Abbildern des Archetypus, derer sich die verborgene Gottheit bedient. Siehe Agrippa, 1550, S. 370 (Agrippa, 1992, S. 424). Siehe Reuchlin, 2010, S. 61.V (443) in Übersetzung: »Das interpretieren die einen als beli, d. h. ›ohne‹ oder auch ›außer‹, und mah, d. h. ›was‹, als wollte man sagen: ›zehn außer etwas‹, also mit Ausnahme der Washeit Gottes, und deuten daher gerne belimah mit ›bis auf das, was unsagbar ist‹, die anderen leiten es gerade von belom pikha u-leschonkha mi-le-

334

6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

»Jnfinitum« ist hier die Übersetzung des hebräischen !P‫ סו‬N‫אי‬, vokalisiert !P‫ סֹו‬N‫אֵי‬.49 Auch Kirchers Sefirottafel hat ganz oben das !P‫ סו‬N‫אי‬.50 Zu »Abyssus« s. a. Agrippa, 1550, S. 374 (Agrippa, 1992, S. 428), wo es mit der Gottesbezeichnung !‫ הּוא‬und der obersten Sefira verknüpft wird. Wie die Übersetzungen zeigen, erkannte man in dem Ausdruck !P‫ סֹו‬N‫אֵי‬51 geläufige Gottesprädikate der negativen Theologie und der ihr verpflichteten Sprache der Mystik wieder: ›Unendlichkeit‹, ›Abgrund‹, auch das von Agrippa ins Spiel gebrachte ›Nacht‹ sind Kennzeichnungen des verborgenen und unaussprechlichen Gottes.52 Siehe auch Pictura docens, Z. 35, u. Strölins !‫ּה‬³‫ י‬P‫ סֹו‬im Brief an Schmidlin vom 6.5.1662 (WLB Cod. hist. fol. 551, S. [60r-v ]) am Beginn. [15] Diese Zeile ist im MS zwar oben in den Kreis von [S1] eingeschrieben, stellt sachlich aber eine Überschrift dar, die noch über [S0] zu denken ist. Ähnlich steht es unten mit »Die 10 Sephirot mit ihren verwandten dingen«, das [S0] zugeordnet ist, aber sachlich ebenfalls eine Überschrift ist (s. dazu hier S. 15). !‫ עֶׂש¬ר סְפִירֹות ּבְלִימָה‬ist ein Zitat aus dem Buch Jezira, 1,2:53 !‫עשר ספירות בלימה‬, [14]

49

50 51

52

53

dabber ab, d. h.: ›indem du deine Zunge zügelst‹ (oder ›bändigst‹) ›damit du nicht sprichst‹: weil es heilige Worte sind, die man nicht öffentlich verbreiten darf.« Siehe Gikatilla, 1516, S. [267r ] (Pistorius, 1587, S. 181; Gikatilla, 1994, S. 231): »infinitum«; Reuchlin, 2010, S. 61.V (434): »›infinitudo‹, et est abyssus«; in Umschrift (»Ensoph«) bei Agrippa, 1550, S. 370 (Agrippa, 1992, S. 424): »[...] quod est Ensoph in Cabala, Orpheus noctem uocat.« Siehe Kircher, 1653, Tafel zu S. 289, hier Abb. 11. Zum mittelalterlich-jüdischen Verständnis s. jetzt Scholem, 1973b, S. 31 u. 38f. Dan, 2007, S. 58–60. Siehe Thomas von Aquino Summa Theologica pars I q. 7 a. 1; Reuchlin, 2010, S. /62/ (437) in Übersetzung: »[...] dass gerade die Unendlichkeit der drei höchsten Zählungen des kabbalistischen Bau/m.ii/mes, die ihr die drei Personen im Göttlichen zu nennen pflegt, weil es sich dabei um die abstrakteste Essenz handelt, die zurückgezogen der Tiefe des Dunkels innewohnend untätig oder, wie man sagt, auf nichts bezogen ist, aus diesem Grund ajin genannt wird, d. h. ›nichts‹ oder ›das nicht Seiende‹, und das ›Nicht-Ende‹, also en sof, weil wir, gestraft mit so großer geistiger Armut dem Göttlichen gegenüber, in gleicher Weise über das urteilen, was nicht zu sehen ist, wie über das, was es nicht gibt.« Siehe auch ebd., S. 61.V (434): »pelagus immensum«; ferner dazu Betz, 1999, S. 35. Zum »Abyssus« (›Abgrund‹) s. a. den Aufsatz Schöpfung aus Nichts und Selbstverschränkung Gottes in: Scholem, 1970, S. 53–89, bes. S. 81. Zu ›Nacht‹ s. van der Sandt, 1640, S. 208f., s. v. »NOX«. Die zwei verbreiteten lateinischen Übersetzungen durch Ritius und dann Rittangel s. in Pistorius, 1587 S. 869–872 (zu Pistorius s. hier S. 26) u. Jezira, 1642; dazu Scholem, 1993, S. 81–84; Idel, 1993, u. Schmidt-Biggemann, 1993; Schmidt-Biggemann, 1998, S. 344– 353; Grözinger, 2005, S. 29–64; zu Postels Übersetzung s. Jezira, 1994; s. ferner die zeitgenössische literaturgeschichtliche Notiz in Buxtorf, 1708, S. 93f., s. v. !‫ יצירה‬IETZIRAH, vel SEPHER IETZIRAH: »Liber creationis. Liber Cabbalisticus celebris, qui tribuitur Abrahamo patriarchae, ut titulus prae se fert, [...]. Quidam attribuunt eum R. Akivae, unde in praefatione secunda Zohar Mantuani scribitur [...]. Excusus Mantuae in quarto cum commentariis R. Abraham, ben Dior, Rabbi Mosis, ben Nachman, R. Mosche !‫ בוטרילו‬Butrillo, Rabbi Saadiae Gaon, & R. Elieser !‫ מגרמישא‬anno CCCXXII, Christi CIC IC LXII. [Hunc

335

6.3 Strölins Kurze Erklärungen zu den Sefirot

in wörtlicher Übersetzung: »Zehn Zahlen ohne was« (Jezira, 1993, S. 6); ebenso Reuchlin, 2010, S. 3.O (52): »Decem numerationes praeter quid«. Das Buch Jezira versteht ›Sefirot‹ (!‫ )סְפִירֹות‬als ›Zahlen‹ (s. die eben zitierte Übersetzung von Meyer). Bei den mittelalterlichen Kabbalisten wurden sie regelmäßig gedeutet als »Potenzen, in denen sich die wirkende Gottheit konstituiert«.54 Diese Konstitution und Wirksamkeit wurde als Entfaltungsprozeß gerne mit Lichtund Quellmetaphern begriffen; die Neudeutung des Wortsinnes von ›Sefirot‹ als ›Abglänze‹ war so naheliegend (so z. B. im Vorspann und am Ende der ikonographischen Legende bei Oetinger, hier S. 266, Z. 1 mit Anm. u. Z. 157). Der Bedeutungswandel wird in der Frühen Neuzeit registriert, ebenso auch die von Ex 24,10 inspirierte etymologische Neuableitung von !‫›( סַּפִיר‬Saphir‹).55 [16] Gemeint ist !‫ י! י! י‬oder !‫ י! י! י‬, zuweilen auch vokalisiert mit einem !ָ (Kamäs.) oder auch in der Form !‫י‬³‫יי‬, eine gängige Abkürzungsform für das Tetragramm (!‫)יהוה‬.56 Siehe !‫ י! י! י‬in den hebräischen Erklärungen [A] u. [B]. Steudner geht ausführlicher auf das Jod triplex ein (s. Steudner, 1665, S. [105]). Zur Vorgeschichte bei Arcangelo de Borgonovo s. Schmidt-Biggemann, 2012, S. 486f. Der Hervorhebung des Jod triplex durch Voranstellung in einer eigenen Zeile entspricht in der hebräischen Tafel [A] die Mittelstellung des ‫ י י י‬. Für »corona« und !‫ כתר‬dient hingegen offenbar beidemal die Mittelstellung zur Hervorhebung. Siehe die folgende Übersicht zu Z. 1 u. 6f. der Synopse: [122] Jod triplex | Jlle. Ero qui ero. Pater misericordiarum. Veritas sigillum eius. α. ω. corona !‫ת א‬.

[121] !‫אהיה‬

‫י ָי‬ ‫י‬

!‫הוא‬

. ω . !‫ ת‬. !‫ כתר‬. !‫ א‬. α.

Eine hervorgehobene Stellung hat !‫ י! י! י‬etwa auch in Kirchers Speculum Cabalae mysticae (Kircher, 1653, Tafel zu S. 287, s. hier Abb. 12) und auf der Titel-

54 55

56

ipsum librum in linguam convertit Latinam Paullus Riccius.]« Rittangel wird in Bang, 1657, S. 4, bei Besprechung des Buches Jezira als Autorität zitiert. Steudner (s. zu ihm hier S. 209) benutzt in Steudner, 1665, sowohl das Buch Jezira selbst wie auch den Kommentar des um 1400 lebenden spanischen Kabbalisten Moses Botarel (Erstdruck Mantua 1562; s. den Art. »Moses Botarel«. In: JE Bd. 9 (1905), S. 63 (Jacob Zallel Lauterbach); Steudner nennt ihn »Botril«). Er erwähnt auch Rittangel, ferner Athanasius Kircher (s. Steudner, 1665, S. 38). Inwieweit ein Einfluß Steudners vorliegt, dem Strölin brieflich für seine Beratung in cabalisticis dankt, ist nicht mit Gewißheit zu sagen. Siehe den Brief an Steudner vom 14. April 1662, hier S. 382. Zu Strölins Kenntnis Bangs s. hier S. 83 u. 128. Scholem, 1973b, S. 32; s. a. Scholem, 1993, S. 225; Schubert, 1992, S. 247f. Siehe etwa Buxtorf, 1639, s. v. !‫סְפִיר´ה‬, Sp. 1535f. Christliche Kabbalisten rezipieren beide Bedeutungen. So ist für !‫ סְפִירֹות‬die auf das Buches Jezira anspielende Übersetzung numerationes üblich, doch wird zugleich die Bedeutungsfülle der mittelalterlichen Anschauung übernommen inklusive der Licht- und Quellmetaphorik. Zur Vielfalt der Bedeutungszuschreibungen s. a. hier S. 24. Siehe Comenius, 1658, S. 6; Buxtorf, 1708, S. 5, s. v. ´!‫יי‬.

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

seite von Raith, 1673. Weit häufiger noch findet man das ausgeschriebene Tetragramm in vergleichbar hervorgehobener Stellung. Die Hervorhebung kann verstanden werden im Sinne eines Mottos, einer Widmung, eines Gebetsanrufes oder auch einer Akklamation, die dem göttlichen Herrscher und Schöpfer dargebracht wird.57 Im Unterschied zum ausgeschriebenen Tetragramm kann das dreifache Jod christlicherseits zugleich als Anspielung auf die Trinität verstanden werden. Siehe dazu hier »S. S. S.« in Z. 18. [17] Übersetzung für !‫הוא‬, vokalisiert !‫הּוא‬, zu deutsch ›Er‹. Das ist eine weitere negativ-theologische Wendung und bezeichnet Gott in seiner Verborgenheit und Unzugänglichkeit für unser Erkennen (deus absconditus); s. Gikatilla, 1516, S. [277r ] (Pistorius, 1587, S. 191; Gikatilla, 1994, S. 356): »Hu .i[d est]. ille eo quod in supernis residens latibulis nulli se coram offert.« Auf der Lehrtafel liest man !‫ הוא‬auf Position ↑ a. [18] Übersetzung der göttlichen Selbstauslegung in Ex 3,14: !‫ה‬ª‫ה אֲׁש¬ר אֶהְי‬ª‫ אֶהְי‬. Daraus wird eine Bezeichnung für die oberste Sefira gewonnen: !‫( אהיה‬s. unvokalisiert in Strölins hebräischer Erklärung [A]); s. Gikatilla, 1516, S. [276v ] (Pistorius, 1587, S. 191; Gikatilla, 1994, S. 349): »Decimum sanctarum dictionum nomen est Eheie«; Agrippa, 1550, S. 370 (Agrippa, 1992, S. 425): »Primum horum nomen est Eheie«. [19] Im Hebräischen !M‫(אב הרחמי‬s. Z. 1), vokalisiert !M‫ אַב הַר¯חֲמִי‬. Siehe 2 Kor 1,3. Barmherzigkeit ist eines der Kennzeichen dieser Sefira.58 Siehe Gikatilla, 1516, S. [276v ]–[277r ] (Pistorius, 1587, S. 191; Gikatilla, 1994, S. 349): »nam [...] ad hanc aduolantes machinam quamuis iudicio culpabiles [...] fuerint/ ineffabili || tamen huius misericordiae largitate omnem propulsat noxam:« Das begründet Gikatilla im Folgenden aus dem Kontext von Ex 3, wo sich Gottes Erbarmen mit Israel deutlich zeigt. [20] ›Die Wahrheit ist sein Siegel‹, hebräisch !‫אמת חתמו‬, vokalisiert !‫ אֱמֶת חֹתָמֹו‬. Siehe Reuchlin, 2010, S. 61.V (436); vor allem aber Steudner, 1665, S. 33f. (Kursivierung von mir):59 Und GOTT der HErr/ ist die Warheit / der lebendige GOtt und | König diser Welt oder die Ewigkeit. Und es steht geschrieben (Ps. 119/160.) der Anfang deines Wortes ist !‫ אמת‬Aemet die Warheit (1. B. Mosis cap. 1/1.) Am anfang Bara Elohim &c. Schuff GOtt usw. Dann sein Sigel/ nemblich deß Heiligen/ hochgelobt sey Er/ ist die Wahrheit/ gleichwie unsere Rabbinen b[eatae]. m[emoriae]. gesagt haben in den Talmudischen Tractaten Sanhedrin und Joma: zum anzeigen/ daß Er seye beständig ewig/ und daß Er am Anfang in der mittlen Lini [sic]/ und an dem ende. Dann das !‫ א‬Aleph oder Alpha ist am Anfang/ und das !M ist in der mitte des Al-

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Siehe z. B. das Tetragramm im Giebelfeld des Teinacher Schreines (s. Abb. 1). Siehe Reuchlin, 2010, S. 61.V (434); s. a. Agrippa, 1550, S. 370 (Agrippa, 1992, S. 425): »attribuitur deo patri«. Steudner bietet hier die Übersetzung einer Passage aus Moses Botarels Kommentar zum Buch Jezira (s. hier S. 109), am Beginn.

6.3 Strölins Kurze Erklärungen zu den Sefirot

337

phabet [sic], wann Menazpach oder die fünff Buchstaben/ so bey den Hebräern Finales und Endbuchstaben sind/ auch darzu gerechnet werden/ und das !‫ ת‬Tau ist am ende (der letzte Buchstab). Und Er/ welcher hoch zu loben / hat seine Creatur geendet mit dem Sigel !‫אמת‬ Aemet oder Warheit (1. Buch Mos. cap. 2/3.) die Gott schuff und machet.60

Als Umschreibung göttlicher Ewigkeit wird α (Anfang des griech. Alphabets) und ω (Ende des griech. Alphabets; s. a. gleich vom hebr. Alphabet !‫)א ת‬ verwendet in Offb 1,8; 21,6; 22,13; s. a. die weitere Umschreibung der Ewigkeit Gottes in Offb 22,13, hier weiter unten verwendet (s. »Pax Domini Primi et Novissimi« u. die Anmerkung dazu). Siehe Reuchlin, 2010, S. 61.V (434): »[...] commentatores circa arborem decem numerationum [...] affirmantes, quod ensoph sit alpha et o [...].« Siehe auch Steudner, 1665, S. [175] zu Christus als A und O, !‫ א‬und !‫ ; ת‬s. a. S. [275]; s. a. Strölins Brief an Steudner vom 14.4.1662 am Beginn, hier S. 382, und Raith, 1673, S. 1, hier S. 239. [22] Im Hebräischen !‫כתר‬, vokalisiert !‫ ּכֶתֶר‬. Zur Hervorhebung durch Mittelstellung s. oben die Anm. zu »Jod triplex«. Neben Gikatilla und Reuchlin61 s. a. Agrippa, 1550, S. 370 (Agrippa, 1992, S. 425): »Numeratio eius uocata est Cether, quod interpretatur corona seu diadema:« [23] Das ist eine weitere Umschreibung göttlicher Ewigkeit parallel zu »α. ω.« hier weiter oben. !‫ א‬und !‫ ת‬bilden Anfang und Ende des hebr. Alphabets. [24] Im Hebräischen !N‫ וžאַחֲרֹו‬N‫ׁשֹו‬£‫י הָר‬Éֹ‫ אֲד‬M‫לֹו‬ ‫ ׁש‬. Zum Frieden Gottes s. Ri 6,24; Sir 38,8; Phil 4,7; Kol 3,15. Die Ewigkeitsformel »der Erste und der Letzte« zitiert Offb 22,13. [25] Im Hebräischen !‫קְר¯ב אֵלָיו‬¢‫אֹור אִׁש ל¸א י‬. Zu Gott als unzugänglichem Licht s. 1 Tim 6,16. Im Mittelalter und der Frühen Neuzeit ist das eine beliebte negativtheologische u. mystische Metapher. Siehe beispielsweise die folgende Passage bei Reuchlin:62 [21]

Beim gegenwärtigen Stand der Dinge konnte es sich also ergeben, dass die Art und Weise, wie unser Intellekt zu Gott geführt wird, nur mit vielen Buchstaben und Worten darstellbar war. Das ist auch gar nicht erstaunlich; denn kluge Fachleute suchen einen Springquell stets mittels vieler verschiedener kleiner Wasserläufe. So hat Gott aus seiner abgrundtiefen Quelle alle Dinge ausströmen und [und und im Druck] zur unendlichen Schlucht zurückfliessen las-

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Ab der Erwähnung der Mittellinie (»mittlen Lini«, linea media) handelt es sich um ein Referat von Gikatillas Auslegung von !‫ אֱמֶת‬anläßlich der 5. Sefira in den Toren des Lichts (s. Gikatilla, 1516, S [266v ]; (Pistorius, 1587, S. 180; Gikatilla, 1994, S. 222). Zur linea media s. a. Gikatilla, 1516, S [275v ]; Gikatilla, 1994, S. 326); zur Rolle auf der Lehrtafel hier S. 132, 176 u. 326. Siehe dazu Gikatilla, 1516, S. [277v ] (Pistorius, 1587, S. 191; Gikatilla, 1994, S. 365), und Reuchlin, 2010, S. 61.V (S. 434). Reuchlin, 2010, S. 73.S (509); s. a. ebd., S. 61.V (436): »Plura huc reducunt ut aleph magnum, timorem domini, lucem inaccessibilem, dies aethernitatis [...].«

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

sen. [...] [Chamai sagt im Buch der Betrachtung:] ›Auf dass er die Sache im Wort hervorbringe und das Wort in der Sache, um immerfort alle Dinge in den Quell des Glanzes zurückzuführen und den Glanz in das Wort als einer Quelle ohne Ende und ohne Zahl, hin zu dem Licht, das unerreichbar ist durch die Verstärkung des Dunkels und verborgen in der Gesamtheit der zweiundzwanzig Buchstaben.‹

Zum lichtmetaphorischen Zusammenhang mit den Sefirot als ›Abglänzen‹ sind vor allem die Aussagen Steudners zu vergleichen; s. Steudner, 1665, S. [38], hier S. 411. Zur Quellmetaphorik s. a. gleich im Anschluß. [26] Im Hebräischen !Zֵ‫ ּבֶלִי ק‬M‫ מְקֹור ּכָל עֹולָמִי‬. Zum quellmetaphorischen Zusammenhang mit den Sefirot als ›Emanationen‹ siehe v. a. Agrippa, 1550, S. 370 (Agrippa, 1992, S. 424): Die Kabbalisten »decem principalia nomina diuina, ueluti numina quaedam, ceu dei membra acceperunt, quae per decem numerationes, quae Sephiroth uocant [...] influunt in omnia [...].« Siehe auch Steudner, 1665, S. [38] (s. hier S. 411). [27] »Stellarum expers« übersetzt !‫ ׁש¬אֵינֹו‬M‫בִי‬È‫ּכֹו‬. Gemeint ist die Sphäre über den Fixsternen. Siehe Agrippa, 1550, S. 370 (Agrippa, 1992, S. 425): »[...] exinde per primum mobile, omnibusque essendi munus largitur, ipsum uniuersum per totam circumferentiam, & centrum replens [...].«63 [28] Im MS steht !M‫ר´פִי‬ ‫ ּוׂש‬nicht hinter, sondern direkt unter »Animalia Sancta«. Das spricht für eine nachträgliche Ergänzung (von derselben Hand). Daß !M‫ר´פִי‬ ‫ּוׂש‬ im Gegensatz zu »Animalia Sancta« in der hebräischen Erklärung [A] keine Entsprechung hat, läßt ebenfalls auf einen späteren Zusatz schließen. »Animalia Sancta« sind im Hebräischen !‫ חַּיֹות הַּקֹוד«ׁש‬, in Umschrift »Haioth Hacadosch« (s. u.). Siehe die Bezeichnung der Engelwesen in den biblischen Visionsberichten in Ez 1,5 u. Offb 4,6–9. !M‫ר´פִי‬ ‫ ּוׂש‬meint ›und die Seraphim‹. Siehe in der Bibel Jes 6,2. Eine Vorlage für ihre Nennung bei der 1. Sefira bietet Agrippa, 1550, S. 370 (Agrippa, 1992, S. 425): »[...] influit per ordinem Seraphim, uel ut uocant Hebraei, Haioth Hacadosch, hoc est animalia sanctitatis:« Die Konjunktion ›und‹ (!‫ )ו‬bei Strölin zeigt, daß er die »Animalia Sancta« und die Seraphim 63

Zur vorausgesetzten Kosmologie s. a. Reuchlin, 2010, S. 16.K-L (131) in Übersetzung: »[...] wie ein Eiweiß in seiner Schale, das sich um das Dotter herum legt, so hüllt die erste, die intelligible Welt die zweite ein, sodass sie in allen ihren Eigenschaften von dort gelenkt wird. So kommt es, dass beide durch Bande der Eintracht aneinander gekettet sind, und zwar so eng, dass sie oft ihr eigenes ebenso wie das Wesen und die Benennungen ihrer Inhalte großzügig miteinander tauschen. [16.L] Denn in der zweiten, der Sinnenwelt werden die neun Sphären von dem unbeweglichen Empyreum aus bewegt, das unter Metatrons unablässiger Aufsicht steht, und in der ersten Welt bewegt Gott der Unbewegliche die neun Engelschöre, so wie der Schöpfer aller Dinge zuerst in unbeweglicher Stille alles erschuf, dann aber durch sein Sprechen jedes Einzelding in neunfältiger Rede auf seinen Bereich verwies.« Siehe auch ebd., S. 20.M. (154f.), wo auf (Pseudo-)Aristoteles Über den Kosmos verwiesen wird. Zum Engelfürsten Metatron s. hier weiter unten.

6.3 Strölins Kurze Erklärungen zu den Sefirot

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(!M‫ )ׂשר´פִי‬als zwei, in verschiedenen biblischen Kontexten auftretende Gruppen unterscheidet, während Agrippa »Haioth Hacadosch« wohl als umfassenden Gattungsnamen verwendet. Auf der Lehrtafel flankieren ganz oben zwei sechsflügelige Seraphim die Tempelkuppel (s. Turris Antoniae zu ↑ 2a). Die »Animalia Sancta« identifiziert die Turris Antoniae auf ↑ 16 (s. hier S. 267). [29] Im Hebräischen !N .64 Siehe zum Kontext bei Gikatilla oben in der hebräischen Erklärung [A] zu !N¢‫ אַי‬. Das !N steht nach Gikatilla für den Segensfluß von der 1. zur 10. Sefira: »And the letter nun [...] is the essence of overflow of blessing [im Druck: bessing] and mercy which is transmitted from Sphere to Sphere until it reaches the Sphere MaLCHUT.«65 In Gikatilla, 1516, fehlt diese Passage. [30] Im MS ist das erste !‫ ט‬in !N‫ מַּטַטְרֹו‬dageschiert zur Kennzeichnung einer angenommenen Konsonantenverdoppelung (s. dazu Buxtorf, 1651, S. 13). Bei Agrippa fand Strölin hingegen die Transkription »Metattron« vor, was einer Dageschierung des zweiten !‫ ט‬entspricht. Siehe Agrippa, 1550, S. 370 (Agrippa, 1992, S. 425): »[...] cuius intelligentia particularis, nuncupatur Metattron, hoc est, princeps facierum, cuius officium est, introducere alios ad faciem principis, & per hunc loquutus est dominus Moysi.« Zu Deutsch etwa: ›(Der Engelfürst) Metatron, Anführer der Panim [also der Engel, die vor Gottes Angesicht stehen].‹ Wohl auch mit Blick auf die vermutete etymologische Herkunft von ›metator‹ schreibt Buxtorf in seinem einschlägigen Artikel hingegen !N‫( מַטַטְרֹו‬Buxtorf, 1639, S. 1192f.). Auch heute transkribiert man ›Metatron‹. Siehe dazu den Art. »Metatron«. In: JE, Bd. 8 (1904), S. 519 (Ludwig Blau). Bei Reuchlin wird Metatron mehrfach behandelt.66 [31] Zu »sigillum« s. o. »Veritatis sigillum eius«. Vokalisiert man !Pֶ‫אָל‬, ist mit !P‫ אל‬der erste Buchstabe des hebräischen Alphabets gemeint, das !‫( א‬Aleph).67 Als Zahlwort vokalisiert meint !Pֶ‫» אֶל‬Tausend, Geschlecht, Abteilung«. Abraham ben Dior behandelt innerhalb seines Kommentars zum Buch Jezira die Unzugänglichkeit der ersten Sefira für unsere Erkenntnis (s. JE, Bd. 1 (1901), s. v. »ABRAHAM IBN DAUD«, S. 101–103 [J. Guttmann]). !P‫ אל‬wird dabei als Inbegriff aller möglichen Buchstabenformen angesprochen und als Inversion von !‫ פלא‬in Auslegung von Dtn 17,5, wo !‫ פלא‬als Verbform vorkommt (s. Jezira, 1642, S. 1). Diese Passage bedürfte weiterer Erläuterungen, die der 64 65

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Siehe Gikatilla, 1516, S. [277r ] (Pistorius, 1587, S. 191; Gikatilla, 1994, S. 361). Gikatilla, 1994, ebd. Siehe Gikatilla, 1883, S. 205 (zu den Ausgaben s. hier S. 210): .‫ לספירת המלכו"ת‬M‫ מספירה לספירה עד הגיע‬M‫ פשוטה סוד המשכת שפע הברכה והרחמי‬N"‫נו‬ Siehe Reuchlin, 2010, S. 11.E (100); 16.L (130); 20.M (154); 61.V (440); s. a. hier oben in der Anmerkung zu »Stellarum expers (primum mobile.)«; zu Metatron und dem Messias s. hier in der Synopse zur 10. Sefira die Anmerkung zu !‫ ׁש¬ל מׁש¬ה‬N‫ח מַטַטְרֹו‬²‫י‬¤‫פֶׁש הַּמָׁש‬ª‫נ‬. Siehe Gesenius/Kautzsch, 1909, S. 27–29.

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

Herausgeber und Übersetzer Rittangel ebd. aber nicht bietet und der künftigen Kommentierung durch eine Judaisten überlassen bleiben muß.68 [32] Der Sefirotkommentar Gikatillas, die Tore des Lichts, bietet eine aufsteigende Zählung nach ›Toren‹: Das erste Tor, womit Gikatilla auch beginnt, ist die zehnte Sefira, die erste ist dann das zehnte und letzte Tor. Siehe dazu hier S. 115f. [33] Die Deutung ist fraglich. Siehe oben die Anmerkung zu !P‫ אל‬in Z. 10. [34] Siehe oben »Jnfinitum« und die Anmerkung dazu. [35] Diese Bezifferung in grüner Tinte. Siehe die übliche absteigende Zählung der Sefirot von 1–10. [36] Gemeint ist die Entsprechung der sogenannten ›doppelten‹ Buchstaben des hebräischen Alphabets und der sieben Planeten, deren Zeichen in der Zeile darüber stehen. Siehe die folgende Anmerkung. [37] Das ist sehr wahrscheinlich ein Exzerpt einer Passage bei Agrippa von Nettesheim, in der dieser den Beginn des Buches Jezira referiert: Außerdem teilen die Hebräer die Buchstaben ihres Alphabets in drei Gruppen, nämlich in zwölf einfache, sieben doppelte und drei Mütter, von denen sie sagen, daß sie als die Charaktere der Dinge die zwölf Himmelszeichen, die sieben Planeten und die drei Elemente, Feuer, Wasser und Erde, bezeichnen, denn die Luft halten sie für kein Element, sondern sozusagen für ein Bindemittel der Elemente und für einen Hauch. Auch die Punkte und Tonzeichen teilen sie denselben zu. Wie nun durch den Geist des Schöpfers und die Wahrheit aus den Aspekten der Planeten und Himmelszeichen in Verbindung mit den Elementen alles hervorgebracht worden ist und hervorgebracht wird, so werden aus den Charakteren und Punkten dieser Buchstaben, welche die Werke der Schöpfung bezeichnen, die Namen aller Dinge gebildet, gleichsam als Symbole und Vehikel dieser Dinge, deren Wesen und Kräfte sie überall mit sich führen. [...] || [...] nach der Lehre der Hebräer drei Mütter, nämlich: !‫ ;י ו א‬sieben doppelte: !‫ ד ג ב‬K P ‫ ;ת ר‬die übrigen zwölf einfachen sind !‫ה ז ח ט ל מ נ ס ע צ ק ש‬.69

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Möglicherweise bildet !P‫ אל‬hier das Pendant zum folgenden !‫ת‬, dem !‫( ּתָו‬Taw oder Tau) als dem letzten Buchstaben des Alphabets. Ginge es jedoch um eine solche Gegenüberstellung (s. bereits weiter oben !‫ א‬und !‫ ת‬einander gegenüberstehend), würde man anstatt !‫ ת‬den Buchstabennamen, !‫ ּתָו‬, erwarten und nicht nur !‫ ת‬. Agrippa, 1988, S. 171f.; s. Agrippa, 1550, S. 167–169 (Agrippa, 1992, S. 242): »Trifariam praeterea partiuntur Hebraei alphabeti sui literas, uidelicet in duodecim simplices, septem duplices, & tres matres, quas tanquam characteres rerum significare dicunt duodecim signa, septem planetas, & tria elementa, uidelicet ignem, aquam, terram: nam aërem non elementum, sed uelut elementorum glutinum & spiritum habent. His etiam puncta, & apices coordinant. Sicut itaque ex planetarum & signorum aspectibus simul cum elementis opifice spiritu & ueritate omnia producta sunt & producuntur, ita ex his li- || terarum characteribus, & punctis illa producta significantibus constituuntur rerum omnium nomina [...]. [...] apud Hebraeos tres matres sunt uidelicet, !‫ א ו י‬Septem [sic] duplices, uideli || cet [uideli || uidelicet im Druck], !‫ בגדכפרת‬Reliquae duodecim uidelicet, !‫ הזחטלמנסעצקש‬simplices sunt.«

6.3 Strölins Kurze Erklärungen zu den Sefirot

341

Mit ›Punkten‹ sind hier die Vokalzeichen der hebräischen Schrift gemeint. Sie sind gewissermaßen das Lebenselixier von Sprache und Rede, die Konsonanten für sich genommen ›leblos‹. Zu den schmückenden Häckchen (apices; die oben zitierte Übersetzung »Tonzeichen« ist entsprechend zu korrigieren) s. Kilcher, 1998, S. 44 (mit Abb.); zum Häckchen am Jod s. Gikatilla, 1516, S [275v ] (Pistorius, 1587, S. 189; Gikatilla, 1994, S. 326). Die zweiundzwanzig Buchstaben des hebräischen Alphabets und die zehn Zahlzeichen des Dezimalsystems (›Sefirot‹; !‫)סְפִירֹות‬70 werden als »32 Wege der Weisheit«, d. h. als »Wege« der Erkenntnis verstanden. 32 ist die Summe der Zahlwerte der Buchstaben !‫ ב‬und !‫ל‬. Siehe Reuchlin, 2010, S. 54.L (384). [38] »Numeratio« ist eine der gängigen frühneuzeitlichen Übersetzungen von !‫( ספירה‬Sefira).71 [39] »S[anctus]. S[anctus]. S[anctus].« meint ›der dreimal Heilige‹ (s. Jes 6,3 und hier S. 241 mit Anm.). Ihren Ursprung hat die Sonderstellung der drei oberen Sefirot wohl schon im Buch Bahir. Siehe Grözinger, 2005, S. 121: »Die drei ersten Sefirot werden, beginnend vom Bahir, oft als Gruppe der höheren Offenbarungsstufen der Gottheit zusammengefasst, denen die sieben unteren als weltbezogene Gruppe gegenübersteht.« Eine speziellere Einteilung ordnet die drei oberen der Vernunft, die sieben unteren den Affekten Gottes zu. Siehe den Art. »Buße III.« In: TRE, Bd. 7 (1981), S. 439–446 (Louis Jacobs), bes. S. 444f. Auch Gikatilla kennt eine Sonderstellung der drei oberen Sefirot. Siehe Gikatilla, 1516, S. [278r ] (Pistorius, 1587, S. 192; Gikatilla, 1994, S. 369): »Memento autem non solum diadema/ sed tria pariter oracula eminentiora a sanctissimo dei nomine complexa/ humanam in hoc saeculo/ intelligentiam aufugere: in futurum vero nobis eorum locuplex admittitur cognitio.« »oracula« meint ›numerationes‹ bzw. ›Sefirot‹.72 Die christlich trinitarische Deutung konnte Strölin beispielsweise in dem exzerpierten Werk Agrippas finden. Siehe Agrippa, 1550, S. 371 (Agrippa, 1992, S. 426): »hae sunt tres numerationes summae & supremae, ueluti sedes diuinarum personarum, quarum iussu fiunt omnia: sed per reliquas septem exequuntur, quae idcirco dicuntur numerationes fabricae.« Die sieben unteren Sefirot sind 70 71

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Siehe zur Bedeutung von ›Sefirot‹ oben in Z. 6 die Anm. zu !‫ עֶׂש¬ר סְפִירֹות ּבְלִימָה‬. Siehe Gikatilla, 1516, S. [226r ] (Pistorius, 1587, S. 138; Gikatilla, 1994, S. 3): »EFFLAGITASTI IAM DVDVM, MI DILEctissime: vt circa sancta Dei nomina: quae mensuras: ac sphiros .i[d est]. numerationes appellari libuit semitam tibi lucis ostenderem:« Zur »Trias« s. die folgende Anmerkung. Siehe auch das Zitat aus dem Jezira-Kommentar Rabbi Isaaks bei Reuchlin, 2010, S. /62/ (438). Diese Sonderstellung ermutigte die christlichen Interpreten zur trinitarische Deutung auf die drei göttlichen Personen. Siehe Reuchlin, 2010, S. /62/ (437), zit. oben in der Anm. zu »Jnfinitum«. Die sieben unteren Sefirot werden dann als göttliche Eigenschaften bzw. Aspekte der göttlichen Wirksamkeit angesehen.

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

so Befehlsempfänger der drei oberen. Weitere Nachweise u. Erläuterungen s. hier oben S. 118. Siehe daneben auch Kircher, 1653, S. 287; Steudner, 1665, S. [47] (s. hier S. 411); Strölins Turris Antoniae zu ↑ a–c (s. hier S. 266). [40] Siehe Beck/Henning, 2003, S. 219, zu »p.« als Abkürzung für ›et cetera‹ oder ›perge‹. [41] Siehe Agrippa, 1550, S. 167–169 (Agrippa, 1992, S. 242; oben bereits zitiert zu »7. duplices [...] infra positi«); Steudner, 1665, S. [42], s. hier 411. Zur Bedeutung von matres duplices und simplices s. o. [S1a]. Zu den »spiritus apocalyptici« s. Offb 1,4; 3,1; 4,5; 5,6; die kontroverse Auslegung referiert van den Steen, 1627, S. 14f. In Verküpfung mit den Planeten bieten sieben Namen Agrippa, 1992, S. 282 (»Zaphkiel, Zadkiel, Camael, Raphael, Haniel, Michaël, Gabriel«) und Kircher, 1654, S. 37f. (»septem Spiritus Apocalyptici [...] Sebtaël, Zedakiël, Madamiël, Schemfiël, Nogaël, Cochabiel [!], Leuaniel«). Nur biblisch bezeugte Engelnamen hat Hoë, 1671, S. 19f.; zu Hafenreffer u. Strölin s. hier S. 111. [42] Siehe !‫ ת! א‬und α ω in Z. 1 der hebräischen Erklärung [A] sowie Z. 7 in der vorwiegend lateinischen Erklärung und den Kommentar. [43] Siehe die Anmerkung zu »Jnfinitum« in der lateinischen Erklärung. [44] Siehe ebd. die Anmerkung zu »Ero qui ero«. [45] Siehe ebd. die Anmerkung zu »Jlle«. [46] Siehe ebd. die Anmerkung zu »corona«. [47] Siehe ebd. die Anmerkung zu »Pater misericordiarum«. [48] Siehe die Übersetzung »Gemüeth« in der deutschen Erklärung und die Anmerkung dazu. Es fehlt in der hebräischen Erklärung [A] und der vorwiegend lateinischen Erklärung. [49] Im Hebräischen !‫ א ת‬, bzw. in unserer Leserichtung !‫ ת א‬, im Griechischen α ω. Siehe die entsprechende Anmerkungen zur lateinischen Erklärung, Z. 7. [50] Hebräisch !P‫ סו‬N‫אי‬. Siehe ebd. die Anmerkung zu !P‫ סו‬N‫אי‬. [51] Im Hebräischen !‫ה‬ª‫ אֶהְי‬. Siehe ebd. die Anmerkung zu »Ero qui ero«. [52] Siehe ebd. die Anmerkung zu »Jlle«. [53] Siehe die Anmerkung ebd. zu »corona«. [54] Siehe ebd. die Anmerkung zu »Pater misericordiarum«. [55] Hebräisch !N‫›( ר´צֹו‬Wohlgefallen, Wille‹; s. o. Z. 3 u. 23). In der Bibel bezeichnet es das Wohlgefallen Gottes, welches man etwa durch Opfer zu erreichen sucht (s. Jes 56,7), oder den göttliche ›Willen‹ (s. Ps 40,9). Gikatilla bespricht !N‫ ר´צֹו‬sowohl bei der 1. wie der 2. Sefira. Siehe Gikatilla, 1994, S. 332–334 und 350f., 353. Die Behandlung bei der 1. hat Ritius jedoch in seine Übersetzung nicht aufgenommen, sondern nur die bei der 2; s. Gikatilla, 1516, S. [276r ] (Pistorius, 1587, S. 190; Gikatilla, 1994, S. 332).

6.3 Strölins Kurze Erklärungen zu den Sefirot

343

Hebräisch !M«‫›( קֶד‬Osten‹). Der Garten Eden wird im Osten lokalisiert (s. Gen 2,8). Wie die 1. Sefira hat auch das Paradies im Osten eine Vorrangstellung, nämlich als Ausgangspunkt von Gottes Schöpfung.73 [57] Hebräisch !‫מָה‬µ‫ נžׁש‬, in der Bibel mehrfach der ›Lebenshauch‹ oder ›Geist‹ des Menschen (s. etwa 1 Kön 17,17; Spr 20,27), vom göttlichen Hauch als Ausdruck des Zornes, Urheber des Lebens oder Weisheit (s. etwa Ijob 4,9; 27,3; 32,8). Gikatilla erwähnt die !‫מָה‬µ‫ נžׁש‬anläßlich der 10. Sefira als Empfängerin des von oben herabsteigenden göttlichen Segens. Ritius übersetzt !‫מָה‬µ‫ נžׁש‬mit ›mens‹. Siehe Gikatilla, 1516, S. [233r ] (Pistorius, 1587, S. 145; Gikatilla, 1994, S. 18): »Unde collige, quod, si non singulis dierum centum benedictiones protulerit, non exhibebitur menti una [d. h. benedictio i. S. v. ›Segen‹], quia nec spiritui decem, quae decima sunt levitarum.«74 [58] Hebräisch !‫בָה‬µ‫ מַחֲׁש‬, im AT ›Plan‹ (Jer 18,11); später auch: ›Gedanke, Absicht‹ (Dalman, 1938, S. 232). Gikatilla erörtert !‫בָה‬µ‫ מַחֲׁש‬zwar anläßlich der 2. Sefira, jedoch so, daß die hier erfolgende Zuordnung zur 1. Sefira plausibel erscheint.75 [59] »Kaetaer« ist Umschrift für !‫ ּכֶתֶר‬, übersetzt »Crone« (s. a. oben »Cron«). Siehe oben in Z. 7 »corona« und die Anmerkung dazu. Wie das folgende »Crone« handelt es sich um eine spätere Zutat wohl von Oetingers Hand. Inhaltlich ist es eine Dublette. Siehe dazu oben S. 15. »Aehjaeh« ist Umschrift für das vier Konsonanten umfassende !‫אהיה‬, vokalisiert !‫ה‬ª‫»( אֶהְי‬Ich werde sein«); s. oben Z. 1 und in Z. 6 »Ero qui ero.« u. den Kommentar dazu. [60] Im MS ». !‫ ה‬. !‫י‬¢‫ אֲנ‬. !‫י‬Éֹ‫«אֲד‬. Der Vergleich mit Z. 151 legt nahe, daß hier im MS Links-Rechts-Schreibweise vorliegt. Man beachte auch die Hervorhebung des !‫ ה‬, der eine Hervorhebung der anderen Buchstaben des Tetragrammes jeweils durch größere Lettern bei der 2. Sefira (!‫)י‬, der 3. (!‫ )ה‬u. der 6. (!‫ )ו‬entspricht (s. a. die Anmerkungen zu »He« und »Posterius et 4. nominis !‫ יהוה‬litera.« in Z. 151), während die folgenden Zeilen in Rechts-Links-Schreibweise zu lesen sind. Um [56]

73

74

75

Siehe Gikatilla, 1516, S. [277r ] (Pistorius, 1587, S. 191; Gikatilla, 1994, S. 355, s. a. 361– 365). Eine weitere Behandlung anläßlich der 10. Sefira ist bei Ritius nicht aufgenommen. Siehe Gikatilla, 1994, S. 52: »Just as there are three Names connected in unity and they are ADoNaY, YHVH and EHYE, so too there are three elements intrinsically tied to man and they are the NeFeSH (the living force), the RUaCH (the spirit) and the NeSHaMaH (the Divine soul). For a man must tie his NeFeSH to the RUaCH and the RUaCH to the NeSHaMaH and the NeSHaMaH to ADoNaY [...].« Siehe Gikatilla, 1883, S. 31: ‫ הללו נמשכו‬M‫ מג´ קשרי‬K‫ ג´ שמות בקשר היחוד האמתי בסוד אדנ|!"י יהו"ה אהי"ה כ‬N‫כי כמו שה‬ .‫ לקשור הנפש ברוח והרוח בנשמה והנשמה באדנ|!"י‬M‫ האד‬K‫ נפש רוח ונשמה וצרי‬M‫באד‬ Siehe Gikatilla, 1516, S. [276r ] (Pistorius, 1587, S. 190; Gikatilla, 1994, S. 335); ferner auch Gikatilla, 1994, S. 337–346.

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

der besseren Lesbarkeit willen habe ich diese Inkonsequenz beseitigt und die Wortreihenfolge umgestellt.76 [61] Das ist eine Umschrift für den hebräischen Buchstaben !‫ ה‬. Gemeint ist der vierte Buchstabe des Tetragrammes. Siehe o. Z. 148 u. die hier folgende Anmerkung. [62] Siehe Reuchlin, 2010, S. 440: »litera quarta tetragrammati«. Siehe die Erläuterung bei Steudner in engem Anschluß an Gikatilla: [...] !‫ יהוה‬bedeut [!] alle zehen Sephirot, die zwey ersten seyen im !‫י‬, als dessen Gypffel die Keter oder Kron/ und der unter theil die Hochmah oder Weißheit bedeute. Die dritte Sephira mit disen beeden vereiniget seye die Binah, und werde durch das erste !‫ ה‬im Namen Jehovah angedeutet. Das !‫ ו‬aber bedeute die sechs nachfolgende Sephirot, und das letzter !‫ ה‬die letzte/ nehmlich die zehende [...].77

Eine Umschrift für !‫י‬¢‫ ;אֲנ‬s. Gikatilla, 1516, S. [238v ] (Pistorius, 1587, S. 151; Gikatilla, 1994, S. 35): »Inditur etiam dimensioni huic vniversa in lege pronomen !‫י‬¢‫ אֲנ‬ENI .i[d est]. EGO, quia metrum hoc praetorium Israel existit quod vindictae pro eis supplicium infert:« Auf der Lehrtafel liest man !‫ אני‬auf Position ↑ k auf dem Fels unter den Füßen Christi. [64] Eine Umschrift für !‫י‬Éֹ‫ ; אֲד‬s. Gikatilla, 1516, S. [231r ] (Pistorius, 1587, S. 143; Gikatilla, 1994, S. 14): »PRimum igitur propiusque creatis omnibus nomen: quo .s[cilicet]. ad regem tetragrammaton aditus patescit: est, quod voce sonat Edonai .i[d est]. dominus.«; Reuchlin, 2010, S. 440: »Adonai«; zur direkten Vorlage bei Agrippa von Nettesheim s. hier unten die Anmerkung zu »Adonaj Maelaech« in der deutschen Erklärung. [63]

76 77

Der Fall in Z. 132, 135, 140 u. 142 jeweils a. B. liegt anders (Differenz zw. [A] u. [B]!). Steudner, 1665, S. [45]. Zu Steudner s. hier oben S. 382 (Kommentar). Steudners Erklärung lehnt sich eng an eine Passage bei Gigatilla an. Siehe Gikatilla, 1516, S. [263v ] (Pistorius, 1587, S. 177; Gikatilla, 1994, S. 159–163): »Nec te praetereat mysticum Iod nominis Tetragrammaton secundum sphiram cui nomen est sapientia referre/ ipsum vero diadema infinitum vocatum/ scias non charactere Iod sed suo tantum apice denunciari. Secunda vero litera nominis Tetragrammaton s[cilicet]. he. !‫ ה‬metrum ostendit prudentiae vnde in omnia quae inferius sunt sphiristica oracula vitae inundatio demittitur: cuius ampliorem tractatum in proprio capite expectabis. Tertia praedicti nominis litera scilicet vau. !‫ ו‬. sex monstrat sphiros iuxta ipsius referentis elementi numerum: tres quidem ab eius characteris dimidio sursum/ tres a dimidio deorsum. Sursum quippe magnificentia: fortitudo: pulchritudo. Deorsum autem victoria: confessio: fundamentum: ac profunda admirandaque deinceps in his Tetragrammaton characteribus audies: quo nimirum laetabitur cor tuum. Quarta iterum litera he. !‫ ה‬. scribitur ac in sphiristico choro extremum .s[cilicet]. regnum denunciat per quod nominis altissimi unio absoluitur: quum inde rerum discrimen deorsum exoritur⟨.⟩« Kilcher, 1998, S. 44, bietet eine Abbildung, die den apex eines Jod zeigt, von dem hier anfänglich die Rede ist.

6.3 Strölins Kurze Erklärungen zu den Sefirot

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Eine Umschrift für !‫ ; מַלְּכּות‬s. Gikatilla, 1516, S. [239r ] (Pistorius, 1587, S. 152; Gikatilla, 1994, S. 35; verstehe die Punkte als Kommata):

[65]

Quoniam autem huius mensurae dicioni quaeque subijciuntur saeculi creata: eaque [eisque bei Pistorius] magnus constituitur alumnus: cuius amplitudini quoduis creatorum aspirat. appellatur & haec in lege !‫ מַלְּכּות‬MALCHVS .i[d est]. regnum. quia ea manu ducente rex Tetragrammaton. sua quaeuis munia obit. iuxta illud [Ps 21,29]. dei tetragrammaton est regnatio praeestque gentibus [...].

Siehe Reuchlin, 2010, S. 440: »regnum«; ferner auch Agrippa, 1550, S. 373 (Agrippa, 1992, S. 427): »[...] Malchuth, quod est regnum & imperium, & significat ecclesiam, & templum dei, & ianuam:« [66] Das ist eine Umschrift für !‫ה‬È´‫ּבְר‬. Siehe die folgende Anmerkung. [67] Das ist eine Umschrift für !‫ה‬ȧ‫ּבְר‬. Siehe dazu die Erläuterung des Zusammenhangs von !‫ה‬È´‫ ּבְר‬und !‫ה‬È´‫ ּבְר‬bei Gikatilla, 1516, S. [232r ] (Pistorius, 1587, S. 144; Gikatilla, 1994, S. 16): merito cuius ipsum quidem Edonai: in lege !‫ה‬ȧ‫ ּבְר‬Berecha .i[d est]. Piscina nominari solet. Nam Beracha .i[d est]. benedictio prolatione Berecha .i[d est]. piscina [!] sonat: qua gnatis benedixit Iacob. eamque in hereditatem suscepit ab Ysac. Ysac de Abraam: Abraam vero a nomine altissimi: vt (ea duce) reserandi portas Edonai scientiam [Edonai: scientiam im Druck] traheret & sibi & alijs vendicare [scil. vindicare] posset quaecumque postulat vsus.

Das ist eine Umschrift für !‫ּבְכֹור´ה‬. Siehe dazu Gikatilla, 1516, S. [232v ] (Pistorius, 1587, S. 144; Gikatilla, 1994, S. 16f.):

[68]

[...] huius insuper piscinae causa inter esau & iacob acerrima longaeuaque emersit contentio. Haec ipsa primogenitura est: quam Esau venalem exposuit Iacob: cuius venditionis contractui acquieuit rursus & Ysac: dum Mesopotamiam Syriae mittebat ipsum Iacob. vt scribitur [Gn 28,2ff.]: surge & vade Mesopotamiam Syriae: deus autem omnipotens benedicat tibi: & det tibi benedictiones Abraam.

Das ist eine Umschrift für !‫תֹור´ה ׁש¬ּבְעַל פֶה‬. Zur Unterscheidung einer schriftlichen Tora (den fünf Büchern Moses) von einer mündlichen Tora bei den Rabbinen und den Kabbalisten s. Scholem, 1981, S. 68–72. Siehe die Abhandlung zur 5. Sefira, bei der die schriftliche Tora angesiedelt wird (Gikatilla, 1516, S. [266v ]; Pistorius, 1587, S. 180; Gikatilla, 1994, S. 221); Reuchlin, 2010, S. 440: »mysterium legis ab ore datae«. [70] Das ist eine Umschrift für !‫יד‬¢‫ בֵית ד´ו‬. Siehe dazu Gikatilla, 1516, S. [239v ] (Pistorius, 1587, S. 152; Gikatilla, 1994, S. 36): [69]

verum quia metrum hoc foederis vltionem explere consueuit: ideo mandata eius vilipendentem regem Saul a proprio regno dispulit quod exinde tradidit Dauid. vnde MALCHVS .i[d est]. regnum domus Dauid vocitari solet: quae quidem commensuratio a David commercio minime discedens eiusdem bella hostilemque vindictam exercuit. ex quo protulit Dauid [Ps 17,37f.]. Persequar inimicos eosque assequar &c. quos & vulneribus confodiam &c.

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

Siehe aber auch hier wiederum vor allem Reuchlin, 2010, S. 440: »regnum domus David«. [71] Das ist eine Umschrift für !‫אֹהֶל מֹועֵד‬. Siehe dazu Gikatilla, 1516, S. [237r ] (Pistorius, 1587, S. 150; Gikatilla, 1994, S. 30): Consueuit & vbique dimensio haec !‫ אֹהֶל מֹועֵד‬Ohel MOED .i[d est]. Tabernaculum concilij, nuncupari/ quia dei: quam incolit domus est haec iuxta illud [Lev 1,1]. acclamauit autem Mose & locutus est ei deus tetragrammaton de tabernaculo concilij dicens &c.

Im Hebräischen entspricht dem !‫ית‬£‫ הַּבְר‬N‫אֲרֹו‬. Siehe Gikatilla, 1516, S. [235v ]– [236r ] (Pistorius, 1587, S. 148f.; Gikatilla, 1994, S. 25f.); ferner wiederum auch Reuchlin, 2010, S. 442: »arca foederis et duae tabulae in ea«. [73] Hebräisch !‫ר´אֵל‬ ‫ׂש‬¢‫סֶת י‬ª‫ ּכְנ‬. Siehe Reuchlin, 2010, S. 440: »ecclesia Israelis«; ferner Agrippa (hier oben zitiert in der Anmerkung zu »Regnum«). Als Äquivalent zu »ecclesia« findet sich in den hebräischen Erklärungen [A] u. [B] !‫סֶת‬ª‫( ּכְנ‬determiniert durch !‫ר´אֵל‬ ‫ׂש‬¢‫ ; י‬s. das folgende »Synagoga Jsraëlis«), nicht aber das geläufige !‫ קָהָל‬.78 [74] Hebräisch !‫ר´אֵל‬ ‫ׂש‬¢‫סֶת י‬ª‫ ּכְנ‬. Siehe Gikatilla, 1516, S. [246r ] (Pistorius, 1587, S. 159; Gikatilla, 1994, S. 52) u. hier die vorangehende Anmerkung. [75] Hebräisch !‫ ּכַּלָה‬. Siehe dazu Gikatilla, 1516, S. [246r ] (Pistorius, 1587, S. 159; Gikatilla, 1994, S. 53); Reuchlin, 2010, S. 440: »sponsa in canticis canticorum«. [76] Hebräisch !‫ ּבְתּולָה‬. Siehe Reuchlin, 2010, S. 440: »virgo Israel«.79 [77] Hebräisch !‫ ; ז¸את‬s. dazu Gikatilla, 1516, S. [243v ] (Pistorius, 1587, S. 156; Gikatilla, 1994, S. 46). [78] Hebräisch !‫ּקָה‬u‫ ; ח‬s. dazu Gikatilla, 1516, S. [255v ] (Pistorius, 1587, S. 169; Gikatilla, 1994, S. 90). [79] Hebräisch !‫ הַּד¯עַת‬Zֵ‫ ; ע‬s. dazu Gikatilla, 1516, S. [242v ] (Pistorius, 1587, S. 156; Gikatilla, 1994, S. 44). [80] Hebräisch !‫ה‬É‫כִי‬ ‫ׁש‬. Siehe dazu Gikatilla, 1516, S. [235r ] (Pistorius, 1587, S. 147; Gikatilla, 1994, S. 23f.): [72]

Haec eadem interdum mensura. !‫ה‬É‫כִי‬ ‫ ׁש‬SCHINA. denominari assueuit .i[d est]. gloria cohabitans: quae tabernaculo peracto assidue Israel incoluit. iuxta illud [Ex 25,8]. facientque mihi sanctuarium & habitabo in medio eorum.

Hebräisch !‫ ;צֶד«ק‬s. dazu Gikatilla, 1516, S. [237r-v ] (Pistorius, 1587, S. 150; Gikatilla, 1994, S. 30): »Interdum & haec mensura !‫ צֶד«ק‬ZEDECH .i[d est] iusti-

[81]

78 79

Siehe z. B. Lev 16,17: »!‫ר´אֵל‬ ‫ׂש‬¢‫« קְהַל י‬. Siehe Amos 5,2; Jer 18,13; 31,4.21.

6.3 Strölins Kurze Erklärungen zu den Sefirot

347

cia. cognominatur. quia saeculorum domos eligens: assidue gloria haec Ierusalem incolebat. iuxta illud [Jes 1,21]. || plena iudicij iusticia pernoctauit in ea.« [82] Hebräisch !‫ׁש¬ר‬ª‫( נ‬Adler); siehe dazu Gikatilla, 1516, S. [239v ] (Pistorius, 1587, S. 152; Gikatilla, 1994, S. 37); Reuchlin, 2010, S. 440: »aquila«. [83] Bis hierhin bietet die hebräische Erklärung [A] jeweils Entsprechungen. Es ist gut möglich, daß der nun folgende Text ab »Elementum« eine nachträgliche Ergänzung von derselben Hand darstellt. »Mare sapientiae« ist hebräisch !‫מָה‬Çָ‫ הַח‬M®‫ י‬. Siehe Gikatilla, 1516, S. [233v –234r ] (Pistorius, 1587, S. 146; Gikatilla, 1994, S. 19f.): Saepe insuper eidem Edonai. !M®‫ י‬IAM .i[d est]. maris cognomen adaptatur. Quia in idipsum (veluti in mare flumina) omnis piscinae inundatio dependentiaue collabitur. iuxta illud [Pred 1,7]. omnia flumina intrant in mare. [...] || [...] sic pariter latentibus in rebus sapientes eandem mensuram Edonai: mare sapientiae vocant: quum cuiusuis sapientiae ac dependentiae & quae de superna manant sapientia/ haec receptaculum extet: e cuius fonte omnes quidem sapientiae participes sapientiam hauriunt & ebibunt:

Im Hebräischen !‫ יžסֹוד! עָפָר‬. Siehe Strölins hebräische Erklärung [B], WLB, cod. hist. fol. 551, S. [123], hier weiter unten. Zu !‫ יžסֹוד‬im Sinne von Element s. Buxtorf, 1639: »[...] apud Physicos, !‫ יžסֹוד‬Elementum, Principium rerum naturalium. Plurale, !‫ אַרŸּבַע יžסֹודֹות‬Quatuor Elementa; nempe !‫ אֵׁש‬Ignis, !‫ח‬²‫ רּו‬Spiritus, Ventus, vel !‫ אַּו¦יר‬Aer, !M¢‫ מַי‬Aqua, !‫ עָפָר‬vel !Z«‫ אֶר‬Terra [...].« [85] Malchuth ist Umschrift für !‫ מַלְּכּות‬, verdeutscht ›Königreich‹. Siehe die Anmerkung zu »Regnum« in der lateinischen Erklärung, oben Z. 151. [86] Zu Deutsch: ›Und er sprach.‹; als Einleitungsformel wohl mit dem Folgenden zu verbinden. Siehe ebenso am Ende der 2. Sefira in Strölins lateinischer Erklärung, hier S. 322. [87] Zu Deutsch etwa: ›die glückseligen Seelenwesen‹.80 Siehe Agrippa, 1550, S. 373 (Agrippa, 1992, S. 427): »animarum uidelicet beatarum, qui ab Hebraeis dicitur Ißim, hoc est, nobiles, heroës, & principes«.81 [88] Zu Deutsch etwa: ›die Nefesch des Messias (, nämlich der) Moses (instruierende Engel) Metatron.‹ Siehe Agrippa, 1550, S. 373 (Agrippa, 1992, S. 427): »[...] praesidet illis [d. h. den untergeordneten Engelwesen] anima Meßihae, siue (ut alij dicunt) intelligentia Mettatron, quae dicitur prima creatura, siue anima mundi, & praefectus Mosae.« Was der Ausdruck ›Nefesch (!‫פֶׁש‬ª‫ )נ‬des Mes[84]

80

81

!M‫י‬¤‫ אִיׁש‬steht unmittelbar links neben Mittelachse Sefirotschemas. Zwischen !‫ נžפָׁשֹות‬und !M‫י‬¤‫אִיׁש‬ (rechts der Mittelachse, von ihr ungefähr sieben Buchstaben entfernt) ist eine Lücke. Ursache ist vielleicht nur, daß der Schreiber bemüht war, die Zeile um die Mittelachse zu zentrieren, sich aber beim Wechsel in die Rechts-Links-Schreibweise räumlich verschätzte. Zur Übersetzung von !‫ר§י‬ ‫ אַׁש‬s. a. Buxtorf, 1658, S. 32, s. v. !‫ר§י‬ ‫ אַׁש‬: »Beatitates, Felicitates: Beatus:« Aus dem AT ist nur der formelhafte Gebrauch als Interjektion (›Heil dem ...‹) zu belegen (s. !‫ר§י הָאִיׁש‬ ‫ אַׁש‬Ps. 1,1 u. ö.; !M´‫ר§י אָד‬ ‫ אַׁש‬Ps 32,2 u. ö).

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

sias‹ bedeutet, erläutert Reuchlin (Übersetzung nach Reuchlin, 2010, S. 20.M [155 u. 157]): Auch über den Mikrokosmos ist uns allen klar, dass sich, /e.ii/ welchen Aspekt man auch wählt, sieben Begriffe das menschliche Wesen definieren: der Körper, die Seele und ihre Zusammensetzung, die wir nefesch nennen [...], zusammen gesetzt, heißt das, aus den vier Kräften der Seele und den vier Eigenschaften der höheren Welt. Die wiederum wird, weil sie beseelt ist, durch ihren eigenen Geist erleuchtet, der Metatron heißt. Die zweite ist die höchste Welt der abstrakten Intelligenzen, [...] die voll ist von Abbildern, Formen, losgelösten Geistern und Engeln, [...] umgeben und gelenkt von der Seele des Messias selbst, [20.N] die für die Kabbalisten die Meta-Idee allen Lebens repräsentiert. [...] Und wie in der Welt des Menschen, die Mikrokosmos genannt wird, der Geist über die Seele des Menschen gebietet, so gebietet Metatron über die Himmelswelt, gebietet die Seele des Messias über die Welt der Engel [...].

Zur vorausgesetzten Kosmologie und der Rolle Metatrons s. die Anmerkungen zu »Stellarum expers (primum mobile.)« und !M‫י‬¢‫ר הַּפָנ‬°‫ ׂש‬N‫ מַטַטְרֹו‬hier in der Synopse zur 1. Sefira, Z. 9f.; dazu Brach, 2006, passim. [89] Siehe oben die Anmerkung zu »Elementum terrae« in Z. 156. [90] Das ist eine Umschrift für !›ֶ‫י מֶל‬Éֹ‫ אֲד‬. Der nächste Eintrag in der Erklärung (»Der Herr der König ist vnd bleibt.«) ist dazu eine Übersetzung, die die hebräische Wortverbindung als Nominalsatz deutet und ein Prädikat sinngemäß ergänzt. Eine direkte Vorlage hierfür wie für das Folgende bietet Agrippa von Nettesheim. Siehe Agrippa, 1550, S. 373 (Agrippa, 1992, S. 427): »Decimum nomen est, Adonai melech, hoc est, dominus & rex:« Zur Proklamation Gottes als König s. in der Bibel etwa Ps 10,16; 29,10. [91] Siehe die vorangehende Anmerkung. [92] Siehe !‫ תֹור´ה ׁש¬ּבְעַל פֶה‬in der hebräischen Erklärung [A], hier Z. 148, und »Lex oralis« in der lateinischen Erklärung, hier Z. 152, u. den Kommentar dazu. [93] Siehe oben die Anmerkung zu !‫ ׁש¬ל מׁש¬ה‬N‫ח מַטַטְרֹו‬²‫י‬¤‫פֶׁש הַּמָׁש‬ª‫ נ‬in Z. 157; ferner hier S. 15 u. 109. [94] »Malkut« ist Umschrift für !‫ מַלְכּות‬, »das königreich« eine Übersetzung dazu. Siehe oben die Anmerkung zu »Malchuth«, Z. 156.

6.4 Strölins Tableau zu den Gottesnamen

349

6.4 Strölins Tableau zu den Gottesnamen Textzeuge: Handschrift (MS): WLB Cod. hist. fol. 551, S. [105v ]

Strölins Tableau zu den Gottesnamen82 ist weitgehend ein Exzerpt aus Reuchlins Hauptwerk zur Kabbala. Der enge Bezug auf Reuchlin wird bereits durch die folgenden Angaben von Strölins Hand über den Tabellenspalten signalisiert: Über der 1. Spalte steht: »Vide R[euchlinum]. l[ibro]. C[abbalisticae Artis]. 3. p[agina]. 57. a«. Siehe Reuchlin, 2010, S. 400. Über der 2. Spalte steht: »Vide R[euchlinum]. l[ibro]. C[abbalisticae Artis]. 3. p[agina]. 58. b«. Siehe Reuchlin, 2010, S. 408 u. 410. Über der 3. Spalte steht: »Vide R[euchlinum]. l[ibro]. C[abbalisticae Artis]. 3. p[agina]. 58. b«. Siehe Reuchlin, 2010, S. 408 u. 410. Über der 5. Spalte steht: »Vide R[euchlinum]. l[ibro]. C[abbalisticae Artis]. 3. p[agina]. 57.« Siehe Reuchlin, 2010, S. 404. Über der 6. bis 7. Spalte steht: »Vide R[euchlinum]. l[ibro]. C[abbalisticae Artis]. 3. p[agina]. 59.« Siehe Reuchlin, 2010, S. 414. Weitere Hinweise auf Reuchlin erfolgen in einzelnen Feldern. Siehe dazu die Nachweise hier im Einzelkommentar.

Strölins Eigenleistung besteht wohl vor allem in der Formierung zu einem Tableau, das ein Inventarium der von Reuchlin diskutierten Gottesnamen auf einen Blick bietet.83 Schon einige Zeit bevor es im Barock zum stehenden Brauch wurde, geistige Inhalte nach Möglichkeit auch durch solche schematischen Übersichten zu erschließen und mitzuteilen, hat etwa Agrippa von Nettesheim von dieser darstellerischen Möglichkeit reichlich Gebrauch gemacht.84 Strölin kannte Agrippas Einlassungen zur Kabbala. Es ist gut möglich, daß er sich auch von Agrippas schematischen Übersichten anregen ließ.85 Warum allerdings Strölin den Stoff genau so und nicht anders auf die Felder seiner Übersicht verteilte, ist jedenfalls zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht überall glei82 83

84

85

Siehe dazu bereits im monographischen Teil S. 111 u. 112. Zur Einschätzung Häußermanns, die nicht hinreichend zwischen diesem Tableau und dem zum hohepriesterlichen Brustschild unterscheidet, siehe im Kommentar zum Tableau zum hohepriesterlichen Brustschild (hier S. 357, Anm.). Siehe zumal das zweite Buch von De occulta philosophia (Agrippa, 1992, S. 257, 259, 262, 266ff., 270, 272 u. ö.). Zur Verwendung von Agrippas Kurzer Erklärung zu den Sefirot s. hier S. 108 u. 163.

350

5

6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

!‫ּג¸אֵל‬ goël ein Erlöser.[1] abbreviat[is]. !‫אֵל‬È‫ מִי‬literis Michaël, wer ist wie Gott?[2] Pater [5]

tres[6]

!‫ּכֶתֶר‬ caput[7]

10

Kaeter die Cron Gottes des Königs vber alle Könige[10] filius !‫מָה‬Çָ‫ ח‬supremae dextra

15

Chochmah bedeutet den Allein: Allerweisesten Gott.

Spiritus S.[12] 20

!‫ה‬É‫ּבִי‬

sephiroth

sinistra

Binah bedeutet den Allwißenden klüegesten vnnd verständigsten Gott 25

Manus dextra !‫ חֶסֶד‬Charitas

30

Chaesaed bedeutet den Gnädigen barmherzigen vnndt gutthätigen Gott Manus sinistra ‫ה‬ ! ´‫ ּגžבּור‬Aquilo [16] Gefurah,

35

bedeutet den starkhen gewaltigen Gott.

fortissimus. !‫ אֵל‬Maximus El, heist G⟨ot⟩t vom wort Elohim

Optimus

!‫ּה‬³‫ י‬Clementiss[imus]. diese buchstaben Juth Hej bedeuten den abgekürtzten Namen Jehova.

!³‫י‬ Juth bedeutet Namen

facit 13. ut et !‫[יאיי‬3]

facit 15

2. literarum.

2. literarum.[4]

1. literarum.

!‫ּד¯י‬°‫ׁש‬ Schaddaj der Alleine,[8] Allmächtige Gott

!‫ו‬ ! ‫יוה‬ ‫ה‬ Vav. Jehovah versetzt.[9]

!‫ס‬ ‫יהה !ו‬ Samech. Jehova

facit 10.

facit 314. 3. literarum.

4.

! ³‫יžהו‬ ‫ה‬ Jehovah gantz[11] facit 26.

‫ ה! ש‬praeest. !‫הוהי‬ schün Jehovah versezt,

4. literarum.

7.

5. duo

!‫ל‬ !‫ו‬

!N‫עֶלְיֹו‬ Elion der allerhöchste Gott

facit 616 vel 166.[13]

!‫כ‬ ! ‫הוי‬ ‫ה‬ Coff. Jehovah versezt, bedeutet, das Gott sey der Anfang vnd Endt, der Erste vnd der Letste

4 literarum.

8.

!M‫אֱל·הִי‬ Gott der Gerechte. facit 646 vel 86.[15]

!‫ו‬ ‫ההי !ו‬ Vov Jehovah versezt

5. literarum.

9.

!‫יžהֵשּוה‬ litera Schin im Namen Jehovah, bedeutet so vil alß Schaddaj den All[17] mächtigen Gott [18]

!‫ ו! ו‬praeest. ! ‫והי‬ ‫ה‬ Vov Jehovah versezt. 13.

!‫י‬

!‫י‬

!‫א‬ Elohim in bedeutet alles erfüllt gegen[=] !‫ה‬ deus !‫יהוהיה‬ stella sexan[-] glo[-] duo ser[-] Vov Jut Namen Got[-] ex Je[-] E[14] schaddaj den fünff außge[=]

!‫ו‬ ! ‫ויה‬ ‫ה‬ Vav Jehovah 16.

facit 326 5. literarum. 40

!‫ּג¸אֵל‬ Goel ein Erlöser[20] literae abbreviatae.

45

!‫רŸפָאֵל‬ Raphael, Artzet Gottes[21]

!‫ּבֹור‬¢‫אֵל ּג‬ El gibbor, der starckhe Gott

!M‫אֱל·הִי‬ Elohim der allerheiligste Gott

facit 242.

facit 646 vel 86

6. literarum.

5. literarum.

!‫יתָא‬£‫[אַרŸאֲר‬19] Or orhita der Erhaltende d⟨essen⟩ Ver[=] 7.

Jn... [Ausriß an der Blattunterkante, ca. 5 Buchstaben Textverlust] 1655.

351

6.4 Strölins Tableau zu den Gottesnamen

!‫י‬

! !‫י‬ ‫ה‬ !‫י! ה! ו‬

den Jehova.

10

!‫ י! ה! ו! ה‬facit 72.[26]

Jehovah in dreÿangel getheilt 10. literarum [27] !‫ה‬ !‫יהוה‬ Hej. Jehova gantz

5

versetzt. N[ume]ro 1.[28] triangula [29]

15

20

den Eckhen Gott der ! M vnd vberall wertig ist ‫!י‬ deorum gularis[32] bus !‫ו‬ pentes[33] vom gantzen tes Jehovah. hovah !‫[ה‬36]

[30]

[31] !‫י‬ ! ‫היו‬ ‫ה‬ Jod Jehova gebrochen

[22]

[23] !‫יהוה‬ !‫יהו‬ !‫[יהי‬25] Jehovah der Allerheiligste vnd höchste Gott.

literarum 10.

!‫ּג¸אֵל‬ Goël ein Erlöser[24] literis !‫אֵל‬£‫ ג®בְר‬abbreviat[is]. Gabriel Gottes krafft v[ndt]. stärkhe

72. facit

! ‫ צְבָאֹו‬M‫אֱל·הִי‬ ‫ת‬ Elohim Zebaoth, der Gott v¨ ber allen herrschenden Gott der heerscharen 10. literarum !‫ה צְבָאֹות‬³‫יžהו‬ Jehovah Zebaoth, der H[err] der Heerscharen der v¨ ber alles herrscht

20.

9. literarum

!‫א‬ !‫ההוי‬ oleph.[34] Jehovah versezt

!‫ה צִדŸקֵנּו‬³‫יžהו‬ Jehova Zidkenu, der H[err] vnnser gerechtigkeit vndt vnnß gerecht macht[35]

21.

9. literarum

!‫ ּתִפְאֶר«ת‬cor Tiffaeret, der allerweiseste Gott, der alles schön vnnd herrlich gemacht hat. !‫צַח‬ª‫⟨ נ‬pes⟩ dextra Naezach, Gott der Ewig bleibt vnnd bestehet auch alles vberwindet.

⟨pes⟩ sinister !‫הֹוד‬ Hod bedeutet die Clarheit Gottes

25

vnnd Jah in Eckhen theilt

[37] !‫ו‬ ‫היה !ו‬ Vov Jehovah versezt 19.

30

!‫ּבֹור‬¢‫ ּג‬M‫אֱל·הִי‬ Elohim gibbor der starkhe gewaltige Gott 9. literarum

versezt. 35

!‫ה‬ ‫והה !י‬ Hej Jehovah versezt 17.

!‫ה‬³‫יžהו‬ ! ַ‫ד¯ע‬³‫ו‬ ‫ת‬ Jehovah Vadaat der allwissende Gott

!‫יžסֹוד‬ Jesod der grundföste, vff dem vnd durch den alles besteht, der alles erhält vnd trägt Verbo suo[38] !‫מַלְכּות‬ Malcuth, der könig aller königen [sic][39]

8. literarum

40

All⟨=⟩ Gott ...[41] standt ⟨erleuch⟩tet literarum. 45

!‫ה‬ª‫אֲׁש¬ר אֶהְי‬ Ascher Ehiah. der Ewige Gott, der da Jst⟨,⟩ gewesen⟨,⟩ ist vndt sein wirdt 522.[42] 7. literarum

!ַ‫אֱלֹוּה‬ !‫ד¯עַת‬³‫ו‬ Eloah Vadaat der allwissende Gott 8. literarum

!‫ּג¸אֵל‬ Goël ein Erlöser[40] literae abbreviatae.

!‫יאֵל‬£‫אּור‬ Vriel Gottes liecht

352

6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

chermaßen einsichtig. Die Gruppierung in genau sieben mal sieben Felder findet sich auch in Strölins Tableau zum Brustschild des Hohepriesters.86 Daß Strölin in beiden Fällen die Basiszahl Sieben als Symbolzahl der Vollkommenheit nicht bewußt angestrebt haben soll, sondern sie sich nur zufällig bei der Stoffverteilung ergab, ist unwahrscheinlich. Reuchlin legt diese Art der Gruppierung andererseits nirgends nahe. Herzstück des Tableaus zum Brustschild des Hohepriesters bildet ohne Frage die Zuordnung von zwölf Edelsteinen und zwölf Repräsentanten Israels.87 Ob das vorliegende Tableau zu den Gottesnamen in gleicher Weise konzentrisch angelegt ist, bleibt bis auf weiteres unsicher. Ein erkenntnisleitende Überschrift fehlt im MS. Den drei Feldern in Tableaumitte ist die im Kontext auffällige Präsenz von Symbolfiguren gemeinsam (Davidsstern aus zwei Dreiecken, Kreis, Pentagramm), aus deren Gestalt jeweils eine nähere Beziehung zu Gottesnamen abgeleitet wird nach Maßgabe der materialen Präsenz dieser Namen als hebräischer Buchstabenkörper. Diesen Zentralbereich umschließen gewissermaßen ringförmig die zwölf Permutationen der vier Konsonantenbuchstaben des Tetragrammes.88 Die so gegebene vorherrschende Präsenz des Tetragrammes spiegelt die Vorrangstellung dieses Namens bei jüdischen wie christlichen Kabbalisten. Er gilt als der vornehmste aller Gottesnamen und wird als ›Wurzel‹ aller anderen Namen der ›Stammesmitte‹ des Sefirotbaums zugeordnet.89 Weitere Gottesnamen bilden eine Art äußeren Ring. Die Flanken des Tableaus werden, abgesehen von den Eckfeldern, durch die zehn Sefirot gebildet. Mit Blick auf ihre Schlüsselrolle in der Kabbalarezeption des Gelehrtenkreis um Antonia ist auffällig, daß eine solche Rollenzuweisung weder auf dem vorliegenden Tableau, geschweige denn auf dem anderen Tableau zum hohepriesterlichen Brustschild (siehe unten) ablesbar ist.90 Bei der Behandlung der 9. und 10. Sefira fällt hier ferner auf, daß die anthropomorphe Deutung der Sefirot mit Stillschweigen übergangen wird.91 86 87 88

89 90 91

Siehe hier S. 357. Auf diese thematische Zentrierung weist dort bereits die Überschrift in der Handschrift hin. Siehe die Vorlage bei Gikatilla, 1516, S. [268v –269r ]; Reuchlin, 2010, S. 466 (/67/) u. in einem Tableau von Zwölferreihen in Agrippa, 1992, S. 292; dazu Schmidt-Biggemann, 2012, S. 474–476. Strölin gebraucht für das jeweilige Ergebnis einer solchen BuchstabenPermutation den Ausdruck »versetzt« bzw. »versezt«. im Gegensatz zu »gantz«. Siehe dazu hier die Anmerkung zu »Vav. Jehova versetzt«. Buchstabenpermutationen und Zahlwertbestimmungen sind geläufige Mittel kabbalistischer Exegese. Siehe dazu hier S. 26 u. 83. Siehe dazu hier S. 114 u. auch 128. Siehe dazu hier S. 112. Zur mittelalterlich-kabbalistischen Körpersymbolik s. hier S. 114. Demnach ist der 9. Sefira der Phallus, der 10. der weibliche Körper zugeordnet. Siehe unter Strölins Gewährsleuten dafür Agrippa, 1992, S. 438f.; zur Präsenz bei Athanasius Kircher s. Kircher, 1653, S. 214, u. Schmidt-Biggemann, 2012, S. 345 u. 369. Zur Eliminierung dieser Symbolik im vorlie-

6.4 Strölins Tableau zu den Gottesnamen

353

Eine auffällige Gemeinsamkeit beider Tableaus stellt die Besetzung der vier Eckfelder mit Engelwesen dar. Die Eckfelder enthalten hier zudem zwei weitere interessante Hinweise. Einmal zeigen sie als einzige eine Vorstufe der Ausarbeitung (s. dazu den Einzelkommentar). Zum anderen enthält diese Vorstufe mit »gemahlt« einen Hinweis auf eine vorfindliche oder beabsichtigte künstlerische Darstellung. Bei den Gottesnamen notiert Strölin vielfach Zahlwertbestimmungen nach Maßgabe der Gematrie, einer der drei klassischen kabbalistischen Auslegungsmethoden neben Notarikon und Temura.92 Zu den konkreten Zahlwertberechnungen zu den einzelnen Gottesnamen fand er in der Regel keine Angaben bei Reuchlin oder Agrippa vor. Er war also bei der Berechnung auf sich gestellt. Davon zeugt Strölins Auflistung alternativer Berechnungsmöglichkeiten, die sich aus den verschiedenen Bewertungsmöglichkeiten zumal der fünf hebräischen Endbuchstaben ergeben. Darunter wurde eine Zeile getilgt: »Ein gemahlter cherub.« Auch in den drei anderen Eckfeldern des Tableaus findet sich dieselbe, getilgte Zeile.93 Offenbar hat Strölin in der ersten Entwurfsphase je einen Cherub für je ein Eckfeld vorgesehen (vier Cheruben s. in Ez 10,9), dann aber sich dafür entschieden, die vier Erzengel statt dessen einzusetzen. Eine namentliche Aufzählung der als Vorkämpfer fungierenden Engelfürsten konnte Strölin bei Reuchlin finden. Siehe Reuchlin, 2010, S. 544/546: »In exercitu dei quatuor antesignani ‫מיכאל‬ !‫גבריאל אוריאל רפאל‬, id est Michael, Gabriel, Uriel, Raphael [...].«. Ebenda, S. 408, geht Reuchlin auch darauf ein, daß u. a. diese Engelnamen jeweils den Gottesnamen !‫ אֵל‬enthalten, was sicher ein Grund für Strölin gewesen sein durfte, die Vier in sein Tableau der Gottesnamen aufzunehmen. [2] Reuchlin übersetzt hingegen: »Quis tam fortis?«. Siehe Reuchlin, 2010, S. 400. [3] Strölin entnimmt !‫ יאיי‬aus Reuchlins Referat aus Rabbi Chamais Buch der Betrachtung zur Verfertigung heilender Siegel aus Gottesnamen. Siehe Reuchlin, 2010, S. 538: »est autem !‫ יאיי‬cabbalistice idem, quod El.«. Zu El, Elohim und Eloha s. ebd., S. 464. [4] Das bezieht sich auf den Gottesnamen !‫ אֵל‬. In hebräischer Konsonantenschrift besteht er aus zwei Buchstaben. Entsprechend sind auch die Angaben zur Buchstabenzahl in den folgenden Tabellenfeldern zu verstehen. [1]

92 93

genden Tableau sowie auch im Konzept für die Lehrtafel s. im monographischen Teil, hier S. 163. Siehe dazu hier S. 82. Siehe dazu auch die Eckfelder des Tableaus zum hohepriesterlichen Brustschild, hier S. 357, wo vier Seraphim eingesetzt sind.

354

6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

»Pater« ist mit »filius« und »Spiritus S[anctus].« in den beiden darunterliegenden Feldern zu verbinden. Links am Rand in Höhe dieser drei Felder hat Strölin zur Erläuterung »Trinitas« glossiert (jeweils eine Silbe des Wortes über der Tabellenaußenlinie in Höhe eines der drei Felder). Zur trinitarischen Auslegung der drei oberen Sefirot s. hier S. 118. [6] »tres« ist mit »supremae« und »sephiroth« in den beiden darunterliegenden Feldern zu verbinden. Zur besonderen Stellung der drei oberen Sefirot gegenüber den sieben unteren s. im Kommentar zu Strölins vier Kurzen Erklärungen zu [S1b] »Trias istarum Numerationum«, hier S. 321. [7] Zur anthropomorphen Darstellung der Sefirot als menschlicher Körper s. hier S. 352. [8] Zu diesem Gottesnamen s. Reuchlin, 2010, S. 468. [9] Zu dem in diesem Feld und in weiteren Feldern darunter und rechts daneben dargebotenen Spekulationen auf Basis des Tetragrammes s. Reuchlin, 2010, S. 466. [10] Offb 17,14; 19,16; s. a. Phil 2,10f. Siehe dieselbe Titulatur unten für die 10. Sefira, Z. 32ff. [11] »gantz« meint den Namen mit allen seinen Buchstaben ohne Permutation ihrer Reihenfolge im Gegensatz zu »abgekürtzt« und »versezt« (d. h. nach Permutation). [12] S[anctus]. [13] Die Variante des Zahlwertes ergibt sich aus der Entscheidung, den letzten Buchstaben als Schlußbuchstaben zu zählen (616 = 70+30+10+6+500) oder nicht (166 = 70+30+10+6+50). [14] Im MS befindet sich hier ein Pentagramm, an seinen Spitzen im Uhrzeigersinn: !‫ י‬, !‫ י‬, !‫ ה‬, !‫ ש‬, !‫ד‬, d. h. die Gottesnamen !‫ה‬³‫ י‬und !‫ּד¯י‬µ‫ ׁש‬andeutend. Auf das Pentagramm geht kurz Reuchlin ein, jedoch ohne Bezug auf !‫ה‬³‫ י‬und !‫ּד¯י‬µ‫ׁש‬. Siehe Reuchlin, 2010, S. 540. [15] Die Variante des Zahlwertes ergibt sich aus der Entscheidung, den letzten Buchstaben als Schlußbuchstaben zu zählen (= 1+30+5+10+600) oder als Binnenbuchstaben (86 = 1+30+5+10+40). [16] Zu »Aquilo« bei der 5. Sefira s. Reuchlin, 2010, S. 440. [17] Im MS hier in kleinerer Schrift: »vid[e]. R[euchlinum]. 3. libr[o]. d[e]. Verbo Mirif[ico]. p[agina]. 54. et sequentes« Siehe Reuchlin, 1996, S. 368–408. [18] Im MS hier in kleinerer Schrift: »vid[e]. R[euchlinum]. 3. libr[o]. C[abbalisticae Artis]. p[agina]. 10. [?] a« Siehe Reuchlin, 2010, S. 542 (!‫ יžהֵשּוה‬, »IESU«), ferner auch S. 468 (!‫ּד¯י‬°‫ ׁש‬, »Sadai«). Weiteres dazu s. hier S. 112. [19] Strölin entnimmt !‫יתָא‬£‫ אַרŸאֲר‬aus Reuchlins Referat zur Verfertigung heilender Siegel aus Gottesnamen. Siehe Reuchlin, 2010, S. 538: »Demum in membranae [5]

6.4 Strölins Tableau zu den Gottesnamen

355

tergo depingunt !‫אראריתא‬. quod interpretatur sic: ‫אחד ראש אחדותו רוש ייחודו‬ !;‫תמורתו אחד‬, id est: ›Unum, principium unitatis suae, principium singularitatis suae, vicissitudo sua, unum‹.« Siehe auch hier weiter unten auf dem Tableau zum hohepriesterlichen Brustschild, Spalte 1, Z. 33ff. [20] Darunter eine Zeile offenbar getilgt: »Ein gemahlter cherub.« [21] »Artzet« ist eine im Mittel- und auch noch Frühneuhochdeutschen anzutreffende Form für ›Arzt‹. Siehe den Art. »arzt«. In: DWB, Bd. 1, Sp. 577. »Arzt Gottes« ist Übersetzung von !‫רŸפָאֵל‬. Vgl. Ex 15,26. [22] Glosse im MS: »26. | 21. | 15. | 10. | ⟨=⟩ 72.« Diese Zahlwertbestimmung bezieht sich zeilenweise summierend auf die Ausfaltung des Tetragrammes rechts davon, wobei im MS aufgrund der beengten Raumverhältnisse die anzunehmende dritte Reihe (!‫ )יה‬und vierte (!‫ )י‬in eine Zeile geschrieben sind. Die Zahlwertbestimmung sowie das Segment links davon zeigen, daß es vier und nicht drei Reihen sein sollen. [23] Glosse im MS: »40 !‫ | יייי‬15 !‫ | ההה‬12 !‫ | וו‬5 !‫ ⟩=⟨ | ה‬72.« [24] Darunter eine Zeile offenbar getilgt: »Ein gemahlter cherub.« [25] In kleiner Schrift im MS: »Vid[e]. R[euchlinum]. l[ibro]. C[abbalisticae Artis]. 3. p[agina]. 66.« Zu dem in diesem Feld dargebotenen Spekulationen auf Basis des Tetragrammes s. Reuchlin, 2010, S. 458/460. [26] Im MS werden diese vier Reihen von einem Dreieck umschlossen; die Zahlwertbestimmung »72« bezieht sich auf alle vier Reihen; am linken Rand des Tabellensegments wird sie zeilenweise expliziert: »10. | 15. | 21. | 26. | ⟨=⟩ 72.« Zu dem in diesem Feld dargebotenen Spekulationen auf Basis des Tetragrammes s. Reuchlin, 2010, S. 458/460. [27] Glosse im MS: »!‫ י‬praeest.« [28] Strölin bietet zwölf Felder mit Permutationen des Gottesnamens, die sich wie ein innerer Ring um die drei Mittelfelder des Tableaus legen. Siehe dazu oben in der Einleitung. Die hier beginnende Nummerierung setzt mit ihren Lücken (»2.«, »3.« und weitere fehlen) und ihrer höchsten Zahl (»21.«) die Zählung in einem Referenztext voraus. Näheres ist bislang unsicher. [29] Im MS sind die sechs hebräischen Buchstaben in diesem Tabellensegment durch Linien zu einem Davidsstern verbunden, einer »stella sexangularis« (im MS aus Platzgründen in die erste Zeile des darunter liegenden Feldes gesetzt), bestehend aus zwei Dreiecken, die sich gegenseitig durchdringen, das eine mit der Spitze nach oben (!‫)א‬, das andere nach unten (!‫)ה‬. Siehe den Davidsstern in Antonias Gebetbuch S. [6], hier S, 93, 98 u. 99 (Anm.). Er wird dort aber nicht mit demselben Gottesnamen verbunden und wohl in einem deutlich andern Sinn gebraucht (Hinweis auf die Inkarnation?). [30] Glosse im MS: »commutandum cum inferiori [?]«.

356

6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

Glosse im MS: »Vid[e]. R[euchlinum]. l[ibro]. C[abbalisticae Artis]. 3. p[agina]. 57. [?]« [32] Diese Zeile (»stella sexangularis«) gehört sachlich noch zum darüber befindlichen Tableau-Feld und kommentiert die dort sichtbare geometrische Figur (Davidsstern). Siehe dort die Anmerkung. [33] Gemeint ist sehr wahrscheinlich das Kreis-Symbol, gebildet von zwei Schlangen, die jeweils der anderen in den Schwanz beißen, die damit die Kreislinie schließen und so ein Symbol der Vollkommenheit oder auch der Ewigkeit darstellen.94 [34] Gemeint ist der hebr. Buchstabe !‫א‬. [35] Das erinnert an eine zentrale theologische Formel der lutherischen Theologie. Zu Gesetz und Evangelium als einem wesentlichem konzeptionellen Bestandteil der Lehrtafel s. hier S. 141. [36] Der Sinn dieser Zeile, die sich vermutlich ebenfalls auf zwei (nämlich !‫י‬ und !‫ )ה‬der vier Konsonanten des Tetragrammes (d. h. vom »gantzen Namen«) bezieht, ist fraglich. [37] Glosse im MS: »!‫ ה‬ultimum praeest.« [38] Man erwartet bei der 9. Sefira im Zuge der Körpermetaphorik hier den Hinweis auf den Phallus (s. Strölins Angaben in Kleinschrift zur 1. u. 4. bis 8. Sefira). Siehe dazu hier die Anm. zu »caput«, Z. 8. [39] Offb 17,14; 19,16; s. a. Phil 2,10f. Siehe dieselbe Titulatur bereits für die 1. Sefira oben Z. 9ff. (dort statt »königen« die Form »Könige«). Man erwartet bei der 10. Sefira im Zuge der Körpermetaphorik hier den Hinweis auf den weiblichen Körper (s. Strölins Angaben in Kleinschrift zur 1., 4. - 8. Sefira). Siehe dazu hier die Anm. zu »caput«, Z. 8, und S. 352. [40] Darunter eine Zeile offenbar getilgt: »Ein gemahlter cherub.« [41] Teile dieser und der beiden folgenden Zeilen sind heute durch Abrieb, Einbindung und Überklebung weitgehend unlesbar. [42] Strölin kombiniert hier zwei Worte (!‫ה‬ª‫ )אֲׁש¬ר אֶהְי‬im Sinne der Gematrie zu einer Zahlwertsumme: 1 + 300 + 200 + 1 + 5 + 10 + 5 = 522.95

[31]

94 95

Siehe Henkel/Schöne, S. 652–659, zum Schlangenring. Siehe so auch Raschi zu Ex 3,14 (in Pentateuch, 1946, S. 154).

6.5 Strölins Tableau zum Brustschild des Hohenpriesters Textzeuge: Handschrift (MS): WLB Cod. hist. fol. 551, S. [105r ]

Tiefer noch als Strölins Tableau zu den Gottesnamen96 führt das vorliegende Tableau in die vielbeschworenen Abgründe kabbalistischer Theologie und im besonderen der Angelologie. Für die Deutung kommt hier erschwerend hinzu, daß die Vorlage(n) zu Strölins Exzerpt bislang nicht identifiziert werden konnte(n), und so auch Strölins Eigenleistung nicht mit Gewißheit herausgearbeitet werden kann. Er selbst weist das Tableau nur summarisch als Exzerpt aus und nennt als Gewährsmann einen »Raphael Judaeus« (s. rechts außen ganz oben und unten). Unklar ist zudem, ob sich Strölin auf eine Handschrift oder einen Druck stützt, und vor allem, welcher Raphael gemeint ist.97 Im Zentrum dieses Tableaus steht die in der Bibel nur angedeutete Zuordnung von Söhnen Jakobs bzw. Stammesfürsten zu den Edelsteinen auf dem Brustschild des Hohepriesters nach Ex 28.98 Welche Schwierigkeiten sich ergeben, wenn ein Exeget die biblischen Andeutungen in eine plausible Rekon-

96 97

98

Siehe hier S. 349. Schmuck, 1998, S. 845, weist insgesamt fünf Personen dieses Namens aus, die zeitlich grundsätzlich in Frage kommen. Daß einer von den Genannten durch eine einschlägige Druckschrift bekannt geworden sei, kann ich bis auf weiteres nicht nachweisen. Man sollte auch nicht voreilig von der Existenz einer Druckschrift ausgehen. Daß christliche Hebraisten persönliche oder briefliche Kontakte zu jüdischen Gelehrten pflegten, ist bekannt. Für den süddeutschen Raum seien für das 17. Jahrhundert vor allem Buxtorf d. Ä. und Schickard genannt. Leider läßt sich dergleichen für Strölin bislang nicht schlüssig nachweisen. Als persönlicher Berater in cabbalisticis wird nur Steudner greifbar. Siehe den Brief an Steudner vom 14. April 1662, hier S. 382. Ob also »Raphael Judaeus« als Strölins unmittelbarer Gewährsmann »die Tabellen aus Reuchlin zusammengestellt hat« und von Strölin die »Spuren fleißigster Benützung und Einträge[n]« stammen, wie Häußermann annimmt (s. Häußermann, 1966, S. 70; s. a. ebd., S. 79, 112 u. 143), oder ob im vorliegenden Fall, wie vermutlich bei dem Tableau zu den Gottesnamen, die Tabellierung von Strölin stammt, ist bis auf weiteres nicht entscheidbar. Im Gegensatz zu Häußermann ist es aber auf jeden Fall nicht statthaft, beide Tableaus mehr oder weniger auf »Raphael Judaeus« zurückzuführen, insofern Strölin diesen Gewährsmann ja nur für das vorliegende Tableau namhaft macht und es, anders als das Tableau zu den Gottesnamen, durchaus nicht in vergleichbarem Umfang eine Kombination von Lesefrüchten aus Reuchlin darstellt. So kann man bis auf weiteres sogar annehmen, daß Strölin für das vorliegende Tableau von seinem unbekannten Gewährsmann nur die hebräischen Stichworte übernahm und die Übersetzungen sowie gelegentliche Glossen (u. a. zu Parallelstellen bei Reuchlin; s. den Einzelkommentar) selbst beifügte und vermutlich auch das Ganze, wie im Fall des Tableaus zu den Gottesnamen, in die vorliegende tabellarische Form brachte (und damit einer Anregung Agrippas von Nettesheim folgte, wie oben S. 349 dargelegt). Zur Struktur des Tableaus von sieben mal sieben Felder s. oben S. 349.

358

!‫ אֶחָד‬13. [1]

5

10

6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

Ph. C. de C. [?] [2]

primae tabulae[3]

!M‫שרפי‬ Seraph, oder Ein Engels oder Menschenangesicht mit Flügeln gemahlt Einwerts sehend vber sich

!‫אֵׁש‬ ! ‫יאו‬ ‫א‬ Esch Jova das helle liecht Gottes Gen. 1. fiat lux et facta est lux.

!‫[צמרכד‬5] Zimmarachad der Engel Zahl[7]

!‫י‬Éֹ‫ אֲד‬roth. [6] Adonaj der barmherzige Gott 65.[8]

!‫ּבָא‬ ! ָ‫ית‬£‫אַרŸאֲר‬ ‫א‬ Beih Oleph deutet den Sohn vom Vatter Or orrhita das Liecht vom liecht, d[a]z alles erleuchtet !Nֵ‫רŸאּוב‬ Ruben, der Erste Sohn Jacobs !M´‫ אֹד‬Sarder.

!‫יžסֹוד‬ Jesod die deß Messiae brust schildt[=] stirnblat faß[4] in der handt. !N‫מְע‬¤‫ׁש‬ Schimeon !‫פִטְּד´ה‬

4. literarum 15

!M‫אַרŸאָלִי‬ Or Elohim. Gott deß liechts, vnnd starkher heldt 20

!‫ּד¯י‬°‫ ׁש‬roth. Schadaj der allmächtige Gott 314. facit.

!‫יžהּוד´ה‬ Jehuda der Vierdte !›ֶ‫ נֹפ‬Rubin.

!N´‫ּד‬ Dan der Jacobs !‫סַפִיר‬

!‫ד‬³‫ּג‬ Gad der Siebende Sohn Jacobs !M¬‫ לֶׁש‬Lyncurius[9]

!‫אָׁש¨ר‬ Ascher

!N‫[ זžבּולִי‬10] Sabulon der Zehendt

!Pֵ‫יֹוס‬ Joseph Sohn !Mַ‫ׁשֹה‬

3. literarum

!M‫מַלְאָכִי‬ Malachim die Engel der Bottschafft. 25

!‫צְבָאֹות‬ ! ‫ אֱל·הִי‬roth. M Zebaoth Elohim der Gott der heerscharen vber alles herrschendt

!‫בֹו‬ ‫ׁש‬

10. literarum

! ‫ר´פִי‬ ‫ׂש‬ M Seraphim die Entzündete Clarheit. 30

!‫צְבָאֹות‬ !‫ה‬³‫ יžהו‬roth. Zebaoth Jehovah der H[err]. der heerscharen vber alles herrschendt

!‫יׁש‬¤‫ ּתַרŸׁש‬Turckhis.

9. literarum

35

! ‫ארארית‬ ‫א‬ Or Orrhita[11] Engel des liechts

!ַ‫אֱלֹוּה‬ Eloah der heiligste Gott 42. facit

!‫ּבֹור‬¢‫ּג‬ ! ‫ אֱל·הִי‬roth. M Gibbor Elohim, der starckhe Gott

4. literarum

9. literarum

!‫ אֵל‬roth. El eben Nam 31. 2. literarum

40

45

!M‫סרפי‬ Seraphim gemahlt i[d]. e[st]. alata hominis facies. Einwerts vber sich sehend

!‫מַסְּג®ס‬ !‫י¦אּוא‬ Masgas Jehu, Name der Engel

!‫[ ּכַפּו‬12] ! ָ‫אַּגžל‬ ‫א‬ Cappav Agla, gott der mit seinen händen alles beschützt, lenckhet vnd führet

!‫מֹוׁש¬ה‬ cum De⟨c⟩a[-] culo, darun[=] ⟨nu, g⟩ott tes gesez !‫[⟩צִ!⟨דקֵּנּו‬13] !M‫י‬¢‫ר הַּפָנ‬°‫ׂש‬ darunder !‫ ה!"גדול‬venit !‫ה‬... [?]

359

6.5 Strölins Tableau zum Brustschild des Hohenpriesters

Raphael Judaeus 1655.[14]

pectoralis Aaronicj explicatio

5

grundtvöste Aaron mit lin, inful[16] vnnd rauchlinckhen

!‫יžהּו‬ ! ָ‫חַסְּכ‬ ‫א‬ Jehu vom Namen Jehova Chasko bedeutet Messia des Gesalbten. !‫מלכות‬ !‫י‬¢‫לֵו‬

10

der Andere

Levj der dritte Sohn Jacobs

Topasen

!N⟨!‫[עֶלְי!⟩ֹו‬15] !‫י¦ׁשּו‬ Älion der allerhöchste gott Jeschu von Jeschuah. der H[err] des heils vnndt der Seeligkeit

!M‫כרובי‬ Cherub soll in Menschenangesichts gestalt gemahlt werden mit flügeln. Einwerts sehendt vndersich

!‫ּד¯י‬°‫ ׁש‬roth. Schaddaj Gott der Allmächtige Schöpfer aller Dinge

!‫[ בֹוֹוֹוֹו‬17] Bufoff dise buchstaben haben in der Zahl XXVI. gegen den wert Echat vnd Anchora iedes hat

!ָ‫ ּבָר´ק‬Smaragdt 3. literarum.

314. facit.

15

fünffte Sohn Saphir.

!‫נ®פּתָלִי‬ Naphtali der Sechste !M‫ י®הֲלֹו‬Diamant

20

! ָ‫ׂשּכ‬µš¢‫י‬ ‫ר‬ Jsaschar der Neundte Sohn Jacobs

!‫ הּוא‬roth. Hej Vou Oleph der Nam Gottes zum theil[19]

!M‫מָלִי‬ ‫חַׁש‬ Chasmalim. die Engel des liechts wie frewden

12. facit.

ignes dimittentes

!‫ אַחְלָמָה‬Amethyst.

3. literarum.

flammen.

!N‫מִי‬³‫[ בִנžי‬20] Bin Jamin der Zwölffte Sohn Jacobs

!‫ה‬ª‫ אֶהְי‬roth. Ähieh der Nam Gottes der Ersten würdt[21]

!‫פֶה‬ ‫ׁש‬³‫ י‬Jaspis

3. literarum.

!M‫י‬¢‫אֹופָנ‬ Auffanim, die Engel so Gottes angesicht stets sehen vnnd auff die Menschen ihr Auffsicht haben.

!M‫אֱל·הִי‬ !‫יžהֹוָה‬ Elohim Jehovah der Allerheiligste vnnd höchste Gott

!‫ י! יžהֹוָה‬roth. Jot Jehovah der Name Gottes

9. literarum

5. literarum.

Achat 25

der Eilffte Jacobs Onÿch.

der vorige Gottes 35

40

45

der Engel

Zahl.[18] !M¢‫רּובי‬Ç Cherubim

15. facit. 2. literarum.

der Achte

30

!‫ּה‬³‫ י‬roth. Jut Hej der halbe, oder abgekürzte Nam Gottes vom Jehovah

XIII. welches

Moscheh ⟨logo⟩ et bader Zidk⟨e⟩der gerechge⟨bende⟩ ⟨[!N‫[מַ!⟩טַ!]טְרֹו‬24] ... [?]

21. facit.

36. facit.

!‫יžסֹוד‬ !‫עַּמֹו‬ Jeisot Ammo. die grundtvöste Gottes vnd seines Volkhes.

!‫אֶמֶת‬ !N¢‫עַי‬ Ämaet Ain der allsehende gott

!‫צבאות‬

!‫אלהא‬

4 3 21

|!‫| י!|ה!| ו!|ה‬ |!‫|א!|ד!| נ!| י‬ | !‫| י!| י!| א!| י‬ |!‫|א!|ה!| י!|ה‬ 4 3 2 1 [22]

Die Vier heiligen Namen [23] Gottes !M‫כרובי‬ Ein geflügelt Menschen angesicht gemahlt Cherubim. Einwerts vndersich sehend

ex orig[inale]. m[ense]. Februarii[25] 1655 descript[um] | !‫[הקהיוקהק‬26]

360

6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

struktion eines wirklich vorhandenen oder wenigstens visionär geschauten Brustschildes überführen will, wurde andernorts speziell für die Diskussionslage in der Frühen Neuzeit und die Anforderungen der bildlichen Darstellung auf der Lehrtafel skizziert.99 Nach der dort gegebenen Typologie gehört das vorliegende Tableau des »Raphael« zu den Deutungen, die die zwölf Edelsteine in Ex 28 mit den Jakobssöhnen nach der Reihenfolge der Geburten verknüpfen. Auffällig ist im übrigen, daß die Schilderung des Brustschildes in der Pictura docens exakt mit dem vorliegenden Exzerpt übereinstimmt.100 Die am Rand des Tableaus gebenen Datierungen von Strölins Hand (1655) weisen in eine Zeit deutlich vor Vollendung der Pictura.101 So steht nichts der Annahme entgegen, daß das vorliegende Tableau die Vorlage für die Beschreibung des Brustschildes in der Pictura abgegeben hat und schon darum nicht nur Strölins KabbalaStudien dokumentiert, sondern auch einen Platz in den Akten zur Entstehung der Pictura beanspruchen kann. Die Analyse von Strölins Kurzen Erklärungen zu den Sefirot hat gezeigt, daß er Agrippas offensichtliches Interesse für die Angelologie nicht unbedingt in gleicher Intensität teilte.102 Insofern ist auch bei dem vorliegenden Tableau fraglich, inwieweit Strölin als wissensdurstiger Hebraist und geübter Exzerptor die spekulative Verknüpfung des Brustschildes mit einer esoterischen Engelwelt mehr nur zur Kenntnis nahm und eher oberflächlich registrierte oder sich längerwährend mit entsprechenden Studien befaßte. Gemeint ist eine gematrische Bestimmung des Zahlwertes des Wortes: !‫אֶחָד‬ = 13. Zur Gematrie s. hier S. 82. [2] Entzifferung und Bedeutung sind unsicher (vielleicht ist »Pf.« zu lesen). [3] Siehe Ex 28,15–30. Mit »primae« wird vermutlich darauf angespielt, daß im selben Kapitel neben diesem »Amtsschildlein« noch das »Stirnblatt« beschreiben wird (28,36ff.). [4] Siehe Luther, 1545, Ex 28,19–29 (vgl. Lev 8,8), bes. v. 29: »ALso sol Aaron die Namen der kinder Jsrael tragen in dem Amptschiltlin / auff seinem hertzen / wenn er in das Heilige gehet [. . . ].« [5] Im MS stehen über den drei mittleren Buchstaben Abkürzungszeichen (zur Kennzeichnung als Notarikon). Zur Bedeutung s. die übernächste Anm. [6] Worauf sich diese und die folgenden Farbangaben beziehen, ist unklar (auf die exzerpierte Vorlage oder eine geplante Reinschrift?). Möglicherweise han[1]

99 100 101

102

Siehe dazu hier S. 207ff. Siehe dazu hier S. 219 und ebd. die tabellarische Übersicht. Siehe die Datierung der Vollendung auf das Jahr 1660 auf dem erhaltenen Titelblatt (WLB Cod. hist. fol. 551, S. 1r ; Schmidlin, 2007, S. 2). Siehe dazu hier S. 111.

6.5 Strölins Tableau zum Brustschild des Hohenpriesters

361

delt es sich um eine Zuordnung zur linken, mit Feuer und Gericht verknüpften, ›roten‹ Gerichtsseite im Sefirotsystem (siehe auf der Lehrtafel die ausgeprägte Symbolik von Feuer und Wasser; vgl. Betz, 2013, S. 75). Auch ist auffällig, daß diese Tabellenspalte mit dem Stichwort !‫( אֵׁש‬Feuer) beginnt. Siehe auch die Farbangaben in der vorletzten Spalte der Tabelle. [7] Glosse im MS: »Vid[e]. R[euchlinum]. l[ibro]. 3. C[abbalisticae Artis]. p. 77. de amuleto. sunt ultimae Versuum 1. 2. 3. 4. 5. literae cap. 1. Genes[eos].« Siehe Reuchlin, 1517, S. LXXVIIv , Abschnitt L (Reuchlin, 2010, S. 536/538/540). Es geht um die Verwendbarkeit einer Kombination der Endbuchstaben der jeweils letzten Worte in den ersten fünf Versen der hebräischen Bibel (!‫ )צמרכד‬für ein Amulett. Siehe auch hier weiter unten zu !‫בוווו‬. [8] Hier und im Folgenden finden sich Zahlwertbestimmungen. Siehe oben das Tableau zu den Gottesnamen und die Erläuterungen dort (im MS S. 105v ). [9] Lesung des Wortendes unsicher. [10] Die Vokalisierung weicht sowohl vom biblischen Gebrauch (!N‫לּו‬u‫ )זžב‬wie auch von der Transkription (eine Zeile tiefer) auffällig ab. [11] Siehe auf dem Tableau zu den Gottesnamen hier weiter oben S. 349, in Spalte 4, Z. 40ff. [12] Die Vokalisierung weicht auch hier von der Transkription (eine Zeile tiefer) auffällig ab. [13] Siehe hier weiter unten. [14] Siehe die Datierung der Abschrift unter der Tabelle; zur Person s. hier die Einleitung zum Kommentar. [15] Daß heute im MS sicher nur noch !‫ עֶלְי‬und danach vermutlich !N oder !‫ ו‬zu lesen sind, ist wohl auf den Papierabrieb zurückzuführen, der an dem alten, das Wortende überlagernden Faltrand besonders ausgeprägt ist. [16] »inful«, eingedeutscht aus lat. infula, meint hier die Kopfbedeckung des Hohenpriesters. Siehe zeitgenössisch Sixtus Senensis, 1626, S. 203: !‫ מצנפת‬Miznepheth, Graeci τίαραμ, nonnulli Galerum, alij Infulam vocant, lineum pileolum figuram habens dimidiatae spherae [...], sacerdotibus omnibus commune, cui superpositus est alter hiacynthinus pileolus aliquanto sublimior, quem autor libri Ecclesiastici Mitram, Salomon in libro sapientiae Diadema vocant.

Siehe auch ebenda die Abbildung, S. 202; ferner Schindler, 1612, s. v. !P‫צנ‬, S. 1555f., unter I., zum Nomen !P‫י‬¢‫»( צָנ‬cidaris, vitta, tiara«), als dessen Synonym !‫פֶת‬ª‫ מִצְנ‬ausgewiesen wird (S. 1556); s. a. Koehler/Baumgartner, 1953, s. v. !‫פֶת‬ª‫מִצְנ‬, S. 557, mit Hinweis auf Ex 28,4 etc. [17] Glosse im MS in kleiner Schrift rechts im selben Tabellenfeld: »Vid[e]. R[euchlinum]. l[ibro]. 3. C[abbalisticae Artis]. p. 77.« Siehe Reuchlin, 1517, S. LXXVIIv , Abschnitt L (Reuchlin, 2010, S. 536/538/540). Bei Reuchlin steht

362

6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

auch über dem Buchstaben !‫ ב‬ein Punkt zur Kennzeichnung als Abkürzung (Notarikon). Glosse im MS neben der Tabelle rechts am Rand: »primae vol[uminis]⟨.⟩ initiales versuum 1. 2. 3. 4. 5. Gen. 1.« Siehe dazu Reuchlin ebd. Es geht um die Verwendbarkeit einer Kombination der Anfangsbuchstaben der ersten fünf Verse der hebräischen Bibel (!‫ )בוווו‬für ein Amulett. Siehe dazu kritisch Raith, 1673, S. 7f., hier S. 262. Siehe auch Strölins analoge Erläuterungen hier in der Tabelle, erste Spalte, Z. 9–11, zu !‫צמרכד‬. [18] Strölin erläutert hier den gematrischen Wert der Buchstabenfolge !‫בוווו‬. Er beläuft sich in der Tat auf 26. »Echat« ist vermutlich eine Transkription für das hebräische Zahlwort für 1 (!‫)אֶחָד‬. !‫ אֶחָד‬hat den gematrischen Zahlwert 13, wie Strölins links oben am Blattrand über seiner Tabelle vermerkt (s. dazu die Anmerkung). Was »anchora« (lat. für Anker, Klammer) meint, ist unklar. Zur Zahl der Engel s. Reuchlin, 1517, S. LXXVIIr (Reuchlin, 2010, ebd.). [19] Vermutlich ist gemeint, daß zwei der drei Konsonanten von !‫ הּוא‬sich auch im Tetragramm finden, nämlich !‫ ה‬und !‫ו‬. [20] Man erwartet !N‫מִי‬³‫ ּבִנžי‬. [21] Das meint ›Würde‹. Gemeint ist die 1. Sefira, welcher u. a. !‫ה‬ª‫ אֶהְי‬als Gottesname zugeordnet wird. Siehe dazu Strölins Kurze Erklärungen, zur 1. Sefira, hier S. 321. [22] Glosse zum gematrischen Zahlwert im MS links von der Namentabelle auf Höhe von !‫=( ייאי‬31): »valet 31.«; auf der anderen Seite rechts von Tabelle: »Sigillum idem, quod !‫אֵל‬...[?] | vid[e]. R[euchlinum]. l[ibro]. 3. C[abbalisticae Artis]. p. 77.« Siehe noch einmal denselben Kontext in Reuchlins Werk zur Kabbala, ebd. [23] Darüber im MS in kleiner Schrift: »sigilla« [24] Siehe Strölins Kurze Erklärungen, zur 1. Sefira, zu !M‫י‬¢‫ר הַּפָנ‬°‫ ׂש‬N‫ מַטַטְרֹו‬, hier S. 321, Z. 10. [25] Im MS »2br.« Diese und die folgende Zeile wurden offenbar aus Raumnot im MS im untersten Tableaufeld rechts außen plaziert. [26] Nach Häußermann, 1966, S. 112, ist damit gemeint »das Dreimalheilig des Gottesnamens, verschlungen mit den Buchstaben Jod, He, Waw, He«. Eine einfach Kombination bzw. Verschlingung des Tetragrammes !‫ יהוה‬mit dem abgekürzten Trishagion !‫( קקק‬s. Jes 6,3)103 liegt allerdings nicht vor, denn so bliebe das dritte !‫( ה‬He) überzählig. Bis auf weiteres bleibt die Bedeutung also ungeklärt. Zudem fehlt Strölins rätselhafter Buchstabengruppe eine Kennzeichnung als Abkürzung.

103

Siehe so im Vorspann zu Antonias Sefirottafel von 1657 (s. hier S. 363).

363

6.6 Antonias Sefirottafeln

6.6 Antonias Sefirottafeln Textzeuge: Handschrift (MS): WLB Cod. or. 2° 4, S. [4v ] u. [5v ]

[4v ] Er | Der dreÿ Einige Herr Gott vndt Erlöser des Christli[c]hen jsraels, | Belibe | nach seinem Göttli[c]hen wohlgefallen zum Anfang mitel v[nd] Endt | dises .1657. jahr [sic] Ewer fürstl. Dhur[chlaucht]: Erkennen vnd Liben zue lassen, die vohlkommene [sic] zehendte | zahl seiner. . !‫ י‬. !‫[קקקי‬1] . !‫ י‬. [2]

5

[S1] !‫ | ּכֶתֶר‬cronen. hoheit. [S2] !‫ה‬É‫ | ּבִי‬weißheit. | heimlichkeit. [S3] !‫מָה‬Çָ‫ | ח‬verstandes. | klugheit. [S4] !‫ | חֶסֶד‬Gütte: | Willfährigkeit. 10

[S5] !‫ | ּפַחַּד‬Gherichte. | Mässigkeit[3] [S6] !‫ | ּתִפְאֶר«ת‬Schönheit. | Zierligkeit. [S7] !‫צַח‬ª‫ | נ‬vberwündung. | herrligkeit. [S8] !‫ | הֹוד‬lobß- | liebli[c]hkeit. [S9] !‫ | יžסֹוד‬vostte.[4] | beständigkeit

15

[S10] !‫ | מַלְכּות‬Rei[c]hs vnendt- | li[c]hkeit

1 Er ] im MS über »dreÿ« (Zeile darunter) nachgetragen 1 dreÿ Einige ] dreÿ Einiger vor Korrektur 2 Belibe ] im MS über der folgenden Zeile mit Einrückung nachgetragen 2 wohlgefallen ] im MS mit Worttrennung (wohl=gefallen), weil unterbrochen von der Beschreibung der 1. Sefira [S1]; daraus läßt sich eine sekundäre Einfügung des gesamten Vorspruches folgern 3 Ewer ] im MS danach wiederum eine Unterbrechung des Satzflusses durch den Text von [S1] 3 fürstl. ] h... vor Korr. (herzoglichen?) 4 die ] im MS danach Unterbrechung des Satzflusses durch den Text von [S1] u. [S2] 4 zahl . . . !‫ ] קקקי‬steht im MS unterhalb von vohlkommene [sic] zehendte 4 !‫ ] קקקי‬im MS über jedem hebräischen Buchstaben ein Strichlein als Abkürzungszeichen. 10 !‫ ] ּפַחַּד‬korrekt wäre !‫ּפַחַד‬

364

6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

[5v ] !‫[עִּמָנּואֵל‬5] Jesus. [S1] der warhaftige | Ghott vnd das | Ewige leben | beseelige. [S2] hoher | wunder nam | belustige 5

[S3] Gheistli[c]he | Salbung | belehre [S4] güttige | Freundtli[c]hkeit | Errette. [S5] Starkhe Helden | gere[c]htigkeit | befreÿe. [S6] Schöne | Heÿligkeit | Erfülle. [S7] Trost vnnd | Heÿls kelch | erquickhe

10

[S8] Brautliedt. | vnd Ghloria [sic] | Erfröwe. [S9] vöster | demuths grundt | beföstige. [S10] Rei[c]hs | königes [sic] seegen | benedeÿe E[wer]: F[ürstliche]: G[naden]: | an Leib, Seel v[n]d | Amen:[6] Selah:[7] | HallelujaH.[8] !‫[קש!"יבש‬9] .12. Januarij .1659.

Kommentar Diese beiden Sefirottafeln stammen durchgängig von Antonias Hand, abgesehen von den späteren Paginierungen (oben Mitte und rechts), die wohl ihre Aufnahme in den heutigen Cod. or. 2° 4 der WLB bereits voraussetzen, der ein wichtiger Bestandteil des heute verfügbaren handschriftlichen Nachlasses der Prinzessin darstellt.104 Dieser Codex besteht zu einem Großteil aus einem Pa104

Zu ihrem Nachlaß s. hier S. 60.

6.6 Antonias Sefirottafeln

365

pierstoß von Blättern identischer Beschaffenheit und offenbar auch Herkunft. Umso mehr fallen einige Blätter auf, die sekundär eingeklebt wurden, so der Brief Kochs (s. S. [1], hier S. 317)105 und die vorliegenden Tafeln: Sie sind beide ursprünglich auf einem Foliobogen aufgezeichnet worden, der so gefaltet wurde, daß sich Blätter mit einem Format von 19 cm mal 31 cm ergaben, die sich dann auch gut in das vorliegende Konvolut einbinden ließen, aber geringfügig kleiner ausfallen als die übrigen Blätter (Format: 20 cm mal 33 cm) und so schon auf dem ersten Blick eine besondere Herkunft verraten. In der Handschrift sind die Sefirotbezeichnungen jeweils im Sinne der üblichen räumlichen Ordnung neben- und untereinander gruppiert genau in der Weise, wie auch bei der Sefirottafel zu Raiths Predigt sowie den zahlreichen, zumeist ungenutzten Sefirotschemata im vorliegenden Codex. (s. dazu hier S. 16). Auf die räumliche Anordnung verweisen die hier beigegebenen Siglen [S1]– [S10], welche sich auf das Schema im Anhang beziehen (s. Abb. 16). Dieses Schema ist gleichermaßen auch für Strölins vier Kurze Erklärungen zu gebrauchen (s. hier S. 108 u. 321) und korrespondiert zudem der von Raith für seine Einweihungspredigt zugrundegelegten Sefirottafel (Kupferstich), welche ihrerseits zu Cod. or. 2° 4 in einer merkwürdigen, engeren Beziehung steht (s. Abb. 4 und dazu S. 254): Einmal enthält nämlich auch das vorliegende Konvolut ein Exemplar von Raiths Schema (s. S. [3r ]), zum anderen auf S. [6]–[555] jeweils verso Sefirotschemata wie das des Kupferstiches, aber ohne die figürliche Ausfüllung.106 Zum Gehalt der beiden Schemata siehe die Ausführungen im monographischen Teil, S. 98 u. bes. 123. »!‫ «קקק‬meint das Trishagion in Jes 6,3. Vgl. Buxtorf, 1708, S. 184. »!‫«י‬ fungiert in der Frühen Neuzeit oft als abgekürzter Gottesname (siehe !‫ּה‬³‫ י‬oder das Tetragramm !‫)יהוה‬. Die Verbindung »!‫ «קקקי‬meint also ›Dreimal heilig [ist] der HERR.‹ Verstanden als Zahlzeichen meint ». !‫ י‬. « die Zehn, im vorliegenden Kontext wohl also metonymisch die kabbalistischen Sefirot, welche stets im Zehnerverbund auftreten (s. dazu hier im monographischen Teil S. 17 u. ö.). [2] Siehe die vorangehende Anmerkung. [1]

105

106

Einige Freiräume des S. [1r-v ] fixierten Briefes von Koch hat Antonia für Notizen genutzt, u. a. für experimentelle gematrische Berechnungen (s. dazu hier S. 83) ähnlich jenen, die auf dem Teinacher Schrein Antonias Namen betreffen, und zwar sowohl in der Form !‫אנטוניה‬ wie auch in der beliebteren Form !‫ אנתוניה‬mit ihrem Anagramm !N‫ ;יהוא!"נת‬s. dazu hier S. 83 u. 308. Siehe auch die Berechnungen auf S. [106r ] (auf dem Entwurf eines Kranzes; ähnliche, impreseartige Entwürfe vgl. in WLB Cod hist. fol. 551, S. [117] u. [118] jeweils recto). Dabei bieten S. [389]–[555] einfach nur die zehn Kreisfiguren ohne die Andeutungen der kanalartigen Verbindungen). Hat sich Antonia diese Blätter aus der Produktion des besagtes Kupferstiches abzweigen bzw. gewissermaßen als Formulare anfertigen lassen?

366

6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

Siehe dazu hier S. 145 zur Temperantia-Darstellung auf der Lehrtafel. = feste; vgl. S. [5v ] (hier unten) »[S9] vöster | demuths grundt | beföstige.« [5] Siehe Antonias Gratulationsbrief zum Geburtstag vom 15. Dezember 1662 an ihren Bruder Eberhard, wo über der Grußzeile mottoartig »!‫( «עִּמָנּואֵל‬transkribiert: ›Immanuel‹; wörtl.: ›Gott [ist/sei] mit uns!‹) steht als Anspielung auf Mt 1,23, wo das von Jesaja angekündigte Kind mit Jesus Christus identifiziert wird (s. das folgende »Jesus«).107 Hinweise auf !‫ עִּמָנּו אֵל‬streut Antonia auch in spätere Briefen ein (jeweils abgekürzt zu !‫) ע‬.108 [6] Siehe dieselbe Schlußformel in Antonias Erklärung in WLB Cod. hist. fol. 45,5 (auf dem dort eingefügten Zettel; s. dazu hier S. 35), ferner mehrfach in Antonias beiden deutschen Gebeten (s. dazu hier S. 73 unter »-27-«). [7] Das ist eine Transkription des vielfach im biblischen Psalter formelhaft gebrauchten !‫( סֶלָה‬s. Ps 3,2 u. ö.). Zu seiner Bedeutung s. Buxtorf, 1658, S. 213f.: [3] [4]

Selah. Vocabulum Musicum, quod aliis est Elevatio, quasi à !‫סָלַל‬, vocem scil. ibi in cantu fuisse elevandum, & simul animos ad Deum. Mihi potiùs communis pausae nota, quòd ibi omnium vocum aequabilis esset pausa, & communis quaedam cantus quasi Prostratio [i. S. v. schlagartiges Verstummen], quod & ipsum gravitati & suavitati in canendo non parum servit.

Antonia versteht Selah offenbar im Sinne der von Buxtorf favorisierten Deutung als Pausenzeichen. [8] Damit spielt Antonia auf das den biblischen Psalter abschließende !‫ּה‬³‫י‬Ê‫הַלְלּו‬ an (Ps. 150,6). Sie wählt wohl bewußt die ungewöhnliche Umschrift »HallelujaH«, um dem affigierten Gottesnamen !‫ּה‬³‫( י‬s. dazu hier S. 89) mit seinem nachdrücklich zu sprechenden He in Schlußstellung gerecht zu werden. Zum Wortverständnis s. noch einmal Buxtorf, 1658, S. 79: »!‫ּה‬³‫ הַּלְלּוי‬Hallelujah, Laudate Dominum, ex Imperativo !‫ּה! & הַּלְלּו‬³‫ י‬.« [9] Ohne Abkürzungszeichen: ›trockenes Stroh, dürre Stoppel‹ (s. Nah 1,10; Ijob 13,25). Die Auflösung ist unsicher.109

107 108 109

Siehe !‫ עִּמָנּו אֵל‬in Jes 7,14 u. 8,8.10. Siehe WLB Cod. hist. fol. 911, S. [30]f. !‫ ק!"ׁש‬bedeutet nach Weigenmeier, 1604, S. 52v f.: »!‫מַע‬ ‫יאַת ׁש‬£‫ קְר‬Lectio Audi. Ex Deuter. 6. [Vers 4] Solent bis diebus singulis Iudaei mane ac vespere, recitare summa cum attentione illud !‫ׁשמע יׂשראל יהוה אלהנו יהוה אחד‬, Audi Israël, Dominus Deus noster, Dominus vnus est; & quae sequuntur, quae velut summa totius legis est. Dant autem operam, vt in loco quàm maximè mundo haec recitent.« Siehe auch Buxtorf, 1708, S. 184f. Ist es eine Datierung (s. unten), folglich !‫› יבש‬der zwölfte‹ (!‫› )יב‬Tag des Schevat‹ (!‫ ;שבט‬s. Buxtorf, 1658, s. v., S. 333: »nomen mensis Januarij«) oder des Jahres (!‫?)שנה‬

6.7 Strölin an Schmidlin am 16. Februar 1659

367

6.7 Strölin an Schmidlin am 16. Februar 1659 Strölin dankt für einen Brief Schmidlins und berichtet von einem Treffen mit Antonia: Schmidlins Verse (vermutlich zum Entwurf einer Lehrtafelbeschreibung gehörig) hätten der Prinzessin gut gefallen; seiner Bitte um eine Liste der Personen des Brautzuges (auf dem Außenbild des geplanten Epitaphschreins für Antonia) habe Antonia aber (noch) nicht entsprechen können: Der Maler habe seine Arbeit am Brautzug unvollendet zurückgelassen und sei derart in Verzug, daß sich Schmidlin noch gedulden müsse. Auch die erbetene Ausgabe von Rists Liedern könne Strölin ihm leider nicht beschaffen; er vertraue aber darauf, daß Schmidlin auch so die Aufgabe aufgrund seiner dichterischen Begabung wunschgemäß bewältigen könne. Strölin berichtet von einem Gespräch mit dem Hofapotheker; dieser lasse Schmidlin grüßen und fragen, warum man den Februar nicht »Cornuarius« nenne. Vielleicht könne Schmidlin aus seinem Wörterbuch eine Begründung geben. Nur zu gerne würde sich Strölin mit Schmidlin im persönlichen Gespräch austauschen und nicht nur durch Briefe, die man derzeit durch Boten an einer Zwischenstation hinterlegen bzw. abholen lassen müsse. Textzeuge: Handschrift (MS): WLB Cod. hist. fol. 551, S. [56r ]

Solem Salem Salutem.[1]

5

10

15

20

Mi Contubernalis[2] et Rex inter Astutos[3] Reinikes[4] . tua cauda me traxit à quodam Amalekitâ[5] decaudicatum, et claudicantem[6] inter postremos agminis Jsraëlitarum.[7] proxime accepi tuas[8] , suavissimas, et prout petiisti, oravi[9] ego ab Jllustrissima[10] , cuj tuj Rhythmi[11] bellissime complacuêre, consignatum illas personas pedissequas Sponsae.[12] Jncepit pictor[13] repraesentare illam schedulam, sed imperfectam reliquit. ita ille in morâ, quò minùs iam acceperis seriem et ordinem earum et numerum, item armaturas uti vocant, seu insignia earum. proin aequi bonique feres hanc moram et dilationem. patientius quàm astutius. laboravi iuxtà pro Ristii carminibus tibi communicandis,[14] sed difficilior est ille nostrâs Advocatus Dominus Salzmann,[15] extra urbem transmittendis, ego me sponsorem praebui, satius iudicavi difficiliorem non amplius gravare q[uam] ulterius efflagitare. tua vena satis fluida scaturit e limpido gurgite et fonte Jsraëlis,[16] ex quo iucundissime fluunt fluenta gratiae tibi concessae.[17] ne gravatim accipias quod satisfacere tuo voto nequeam hac vice⟨,⟩ alia vice fusius. Pharmacopoeus Aulicus[18] te salutat quàm amicissime, et ex te (.per me quaesitum ab ipso.) interrogato percontari cupit, cur non dicatur februarius, Cornuarius, hornunus.[19] respondi sic nuncupari mensem à deastrâ februâ, forte purgatorij Pontificij Ethnici inventrice. acquievit sed simul tamen te rescire id voluit, an ex tua Nomenclatura ratio alia subsit nec ne! Laux heist ein lux, forte etiam Lucretius.[20] Ebrius ein Mezelsupp nit vom hirsch oder hasen, sondern vom Eber.[21] 20 lux, forte ] lux. forte MS

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25

30

6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

Tandem si quid fraterne monebo, fraterno animo accipies. si ego te, tu me informare et emendare potueris, nae magnas et multas inibis gratias tibi à me debituras. Vtinam tecum unà esse possim per unum atque alterum diem, non deerit forte occasio oblata, permissu mej Antistitis,[22] qui te salutat officio[si]ss[im]e, brevi mora et hora parva alter alterum capere et intelligere posset melius, quàm per trium literarum internuncium, accipio conditionem quam tabellarius tuus à quo tuas[23] accepi, mihi indigitavit, ibi secure deponentur utriusque literae, in des Küster Amelins hauß,[24] quam ego quidem ignoro, sed novit eam et pernovit tuus tabellio,[25] et propola quaedam Cantstadiensis, quae ibi diverticulum suum quaerunt.[26] Sic vive⟨,⟩ vige, vale, flore.[27] Dabam raptim Cantstadij. 16. februarij. 1659. T[uus]. Notißimus Novissimus

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Cervitor.[28]

26 melius, quàm ] melius. quàm MS

6.7 Strölin an Schmidlin am 16. Februar 1659

369

Kommentar Es handelt sich um einen Brief Strölins im Original (siehe die Adressierung auf der Außenseite der Briefhandschrift110 und die entsprechende Faltung). Zur Person s. hier im monographischen Teil bes. S. 4 u. zu seinem Nachlaß S. 13 (Anm.). Zum Adressaten s. hier S. 30 (Anm.). Ob der vorliegende und weitere Briefe im Original vor oder erst nach Strölins Tod (1663) Bestandteile des heute als Cod. hist. fol. 551 der WLB bekannten Konvoluts wurden, ist ungewiß. In jedem Fall aber hat ein Späterer (Schmidlin?) in wenigstens einem Fall das Konvolut nach Strölins Tod mit einem weiteren Schriftstück, das thematisch dem Lehrtafel-Projekt angehört, aufgefüllt.111 Wenigstens schlaglichtartig erhellt das vorliegende Schreiben die freundschaftliche Beziehung von Schreiber und Empfänger, welche offenbar auf die gemeinsame Studienzeit in Tübingen zurückgeht und im Rahmen des LehrtafelProjekts in eine intensive Phase schöpferischer Zusammenarbeit eintritt.112 Den konventionellen Briefbeginn (›Salutem [dico]‹ i. S. v. ›Gesundheit, Wohlergehen [wünsche ich Dir]‹113 ) hat Strölin zu einer volltönenden Trias erweitert. Siehe auch die Trias am Beginn von Strölins Brief an Schmidlin vom 16. Juli 1661, S. [59v ], hier S. 375: »Vitam, Gratiam, Benedictionem Hebraicam«. Im vorliegenden Fall hat aber der Wille zum Wortspiel die Wahl der Elemente offenbar wesentlich mitbestimmt.114 Hinzu kommt noch die Mehrdeutigkeit des »Salem«: ›Sal‹ kann im Lateinischen sowohl ›Salz‹ wie ›Witz‹ bedeuten, wobei ›Witz‹ zudem auch noch auf ein poetologisches Programm bezogen werden kann, an dem sich die beiden Freunde orientieren;115 »Salem« bezeichnet überdies auch noch die Stadt Jeru[1]

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Siehe im MS, S. [56r ]: »Sündelfingen. | Herrn Pfarrern daselbsten | M. Joh. Laurentio Schmidlin, | einzuhändigen. | Cito.« Siehe die Titulatur des Schriftstückes Cod. hist. fol. 551, S. [46r ]–[48r ], [46r ]: »Einfältigster Glükwunsch | Vnder dem Bildnis | Deren | Von | LXX Heiligen Frawen Vnndt Jungfrawen | bedienten Sulamithin«, datiert auf das »MDCLXIXste Jahr« Zur Zusammenarbeit im Gelehrtenkreis um Antonia s. einführend im monographischen Teil, S. 212f. (mit weiterer Literatur) sowie bes. die hier folgenden weiteren Briefe Strölins; ferner dann Schmidlins Nekrolog auf Strölin, hier S. 399. Andere Variationen siehe in Lenz, 2002 (vor allem ›S. P. Q.‹ u. ›S. S. D.‹). Siehe auch die Assonanzreihe am Briefschluß: »vive⟨,⟩ vige, vale, flore«, stilistisch eine Überbietung des altbekannten »vive, vale« o. ä. Die wortspielerische Verknüpfung sal/sol ist nicht neu. Siehe Czapla, 2013, S. 370f., zu einem ca. 1635 entstandenen Casualgedicht Martin Widmanns. Siehe die programmatische Behandlung des Salzes in Harsdörffers Vorrede (»Notwendige An= und Einleitung«) zu seiner Ars Apophthegmatica (Harsdörffer, 1990). Siehe zu Schmidlins Pictura docens hier S. 30.

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

salem.116 Zu ›Witz‹ paßt auch die gleich folgende Ansprache des Adressaten als ›König der klugen Füchse‹. [2] »Contubernalis« spielt hier auf die Ausbildung am Tübinger Stift an. Strölin wurde 1636 ins Stift und in die Universität Tübingen aufgenommen, erwarb den Magistergrad 1639 und blieb danach in Tübingen, um Theologie zu studieren. Erst für 1645 ist Strölins dauernder Aufenthalt in Stuttgart belegt. Schmidlin wurde 1640 an der Universität Tübingen immatrikuliert und kam 1641 ins Stift.117 Die beiden sind also nicht nur Stiftler, sondern haben auch eine gemeinsame Zeit in Tübingen gehabt. Siehe auch die Formulierung im Brief Strölins an Schmidlin vom 16. Juli 1661 a. E., hier S. 376: »olim in eadem sylva Contubernali.« [3] Zu »Astutos« siehe weiter unten »astutius«. [4] Zu »Reinekes« siehe die lat. Fassung des Volksbuches (Schopper, 1579). Siehe Strölins Brief an Schmidlin vom 16. Juli 1661, hier S. 375: »nisi vulpes esses«. Siehe ferner hier S. 230. Zum Fuchs im Sprichwort und der beliebten Verknüpfung mit dem Löwen s. Otto, 1890, S. 189f. Sie war auch in der Frühen Neuzeit sprichwörtlich. Siehe etwa Henkel/Schöne, S. 454–458. Speziell zur Rezeption des Reineke Fuchs s. neben Hartmann Schopper Michael Beuthers vielgedruckte hochdeutsche Übertragung des Reinke de Vos (zuerst 1544). Siehe dazu Kühlmann, 2006, passim, mit weiterer Literatur. [5] Siehe Ri 3,12ff. u. Num 14,43ff.; s. a. Gruhl, 2007b, S. 219, zur zeitgenössisch bei Vertretern des evangelischen Württemberg offenbar beliebten Bezeichnung von Widersachern (zumal Katholiken, bes. Jesuiten) mit Namen alttestamentlicher Fremdvölker inklusive der in diesem Gebrauch noch heute bekannten ›Philister‹. [6] Zu Strölins Kränklichkeit s. den Brief Strölins an Schmidlin vom 16. Juli 1661, hier S. 376, u. den Nachruf in Strölin, 1664 (L), S. 34, hier S. 403. Welche Blessur Strölin hier meint und wer der Amalekiter ist, dem er sie verdankt, ist unbekannt. Auffällig ist die wortspielerische Reihe ›cauda – decaudicatum – claudicantem‹. Sie erinnert an die besondere Faktur der Pictura docens, an deren Entstehung Strölin regen und aktiven Anteil nahm. Siehe dazu im monographischen Teil, hier S. 13, 30 u. 212. [7] Diese Art der Selbsttitulierung paßt gut zu dem, was wir sonst von Strölins Art wissen, mit sich umzugehen. Siehe Strölin, 1664 (L), S. 10, hier S. 399 mit weiteren Hinweisen im Kommentar; s. a. »claudicasset« im Brief Strölins an Schmidlin vom Juli 1661, hier S. 375. 116

117

Siehe Gen 14,18; Ps 76,2; Hebr 7,1; zeitgenössisch s. beispielsweise den Gebrauch bei Gryphius: Vermischte Gedichte. An seinen Bruder Paul Gryphius (nach Hermann Palm vor dem 11.11.1640 entstanden), Z. 47 (Gryphius, 1961, S. 559–564, 560). Siehe dazu Gruhl/Woolston, 2007, S. X–XV.

6.7 Strölin an Schmidlin am 16. Februar 1659

371

Ergänze ›literas‹. Der gemeinte Brief Schmidlins ist verschollen. Also hatte Strölin mit Antonia in dieser Zeit öfter Kontakt. Vgl. umgedreht Strölins Brief an Schmidlin vom 16. Juli 1661, hier S. 375: Er meinte, Schmidlin bei Antonia finden zu können. [10] Gemeint ist Prinzessin Antonia. [11] »Rhythmi« ist eine zeitgenössisch übliche Bezeichnung für Versdichtungen, die nicht den Regeln antiker Metrik folgen. Siehe Hofmann, 1698, Bd. 4, s. v. RHYTHMUS, S. 64. Schmidlin arbeitete zeitgleich an einem deutschen Gedicht auf die Lehrtafel,118 eventuell auch schon an einer deutschen poetischen Beschreibung des Brautzuges auf dem Epitaphbild.119 [12] Eine solche Übersicht hat sich in WLB Cod. hist. fol. 551, S. [103]–[104], erhalten. Auf S. [104r ] findet sich links unten auch ein Datierung des Schemas von Strölins Hand: »29. Septembris [7bris im MS] festô Michaelis, 1659 Cantst[adii].« Zwischen dem vorliegenden Brief und diesem Schema liegt ein halbes Jahr. Mußte Schmidlin folglich so lange warten? In Cod. hist. fol. 551 findet sich jedenfalls aus späteren Jahren ein Entwurf von Schmidlins Hand für eine deutsche poetische Beschreibung des Brautzuges, die ein solches Schema voraussetzt. Siehe dazu hier im monographischen Teil S. 2. [13] Sehr wahrscheinlich ist Johann Friedrich Gruber (ca. 1620–1681) gemeint. Siehe zu ihm Schauer, 2003, S. 78–80, ferner hier S. 225 sowie Schmidlin in seinem Brief an Strölin vom 29. Mai 1662 (WLB Cod. hist. fol. 551, S. [68r ]– [70v ], [70r ]): »Si qua forte cum D[omino]. Grubero conferendi datur occasio, poteris illi circa ea quae in templo nostro pingenda suscepit, ingenio tuo, aliqua indigitare.« Unklar ist, warum Gruber die Arbeit abbrach und ob er sie jemals wieder aufgenommen hat. Zu Anzeichen mangelnder Vollendung auf der Lehrtafel selbst und auf dem Epitaphbild s. hier S. 225. Die eben zitierte Erwähnung Grubers in einem Brief Schmidlins belegt immerhin, daß er später wenigstens einmal noch eine Zeit lang für Antonia gearbeitet hat. [14] Wahrscheinlich ist der bekannte Theologe und Dichter Johann Rist (1607– 1667) gemeint,120 der u. a. mehrere Gedichtsammlungen hat drucken lassen. Ob und welche Ausgabe von Gedichten bzw. Liedern Rists im vorliegenden Kontext gemeint ist, bleibt ungewiß. [8] [9]

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119 120

Siehe Schmidlin »Demütige Andacht« (WLB Cod. hist. fol. 551, S. [33r ]–[43r ]), deren Reinschrift Oetinger bezeugt (»Herrn SCHMIDLINS deutsche[n] Verse[n] an die Prinzeßin«). Siehe dazu hier S. 12. Siehe dazu hier S. 2, 13 (Anm. 45), 367 u. 382. Siehe den einschlägigen Artikel in: Killy-Kühlmann, Bd. 9 (2010), S. 668–670 (Eberhard Mannack / Johann A. Steiger). Auch in Stuttgart gab es in dieser Zeit einen Johann Rist (Vater des von Sigel 1934, Bd. 15,1, S. 495, nachgewiesenen Geistlichen M. Johann Peter Rist), von dem mir aber keine carmina bekannt sind.

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

Näheres zur Person wurde bislang nicht ermittelt.121 Es handelt sich um eine zeitgenössisch beliebte Metapher. Vgl. beispielsweise Heermann, 1656, Zuschrifft, [Bl. )(iijr ]: [15] [16]

[...] Denn wir wollen denjenigen nicht beypflichten/ welche gleichsam profeß gemacht dem weiblichen Geschlechte zu widersprechen; ja wir müssen viel mehr gestehen/ daß viel Matronen und Jungfrauen an der Gottesfurcht (welche ein Kaiserin aller Tugenden ist) den Mannes=Personen die Wage halten/ ja wol das Vortheil abgelauffen. [...] [Bl. )(iiijr ] [...] die da Lust haben zum Gesetze deß HErrn / und reden von seinem Gesetze Tag und Nacht/ die nicht alleine das H. Bibel=Buch vor einen Schutz und Artzney ihrer Seelen achten/ sondern auch andere reiner Lehrer Schrifften/ welche wie reine Bäche aus den klaren Brunnen Jsraelis hervor geleitet sind/ mit Lust lesen und [Bl. )(iiijv ] hochhalten.122

Von Schmidlins besonderer poetischer Begabung (gratia) wußten nicht nur Strölin und Antonia, sie wird auch in einem Gutachten des Stuttgarter Konsistoriums von 1670 hervorgehoben. Siehe dazu Gruhl/Woolston, 2007, S. XVII. [18] Gemeint ist offenbar Jean Goudrion; s. Pfeilsticker, 1957, § 354: »G(o)udrion Joh. von Tours, titulierter Hofapotheker, 1639 März 28. ff., als wirklicher Hofapotheker beeidigt von Burgvogt Ulrich Albrecht von Gaisberg 1645, bis zu seinem Tod um Jakobi 1660.« Goudrion ist auch bekannt als Autor einer botanischen Abhandlung (Anatomia et Physiognomia simplicium, Nürnberg 1647); s. Weyer-Menkhoff/Breymayer, 2015, Nr. 151, c*. [19] »Cornuarius« ist hier eine Latinisierung von ›Hornung‹ ohne Rücksicht auf den schon antiken Gebrauch des Wortes (neben Cornarius) als Berufsbezeichnung (Hornmacher, -bläser). [20] Wahrscheinlich ist der Stuttgarter Hofprediger Johann Friedrich Laux gemeint.123 Zu ›laux – lux‹ siehe das zeitgenössische Anagramm und auch das [17]

121

122

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Eher unwahrscheinlich (aber nicht unmöglich) ist die Identität mit (Jöcher, Bd. 4, 1751, S. 88): »Salzmann (Johann), ein Jurisconsultus, ward 1672 zu Straßburg Doctor, und schrieb: analysin articuli CX Constitutionis criminalis Caroli V von Straf schrifftlicher unrechtlicher peinlicher Schmähung.« Strölin kannte die Metapher auf jeden Fall aber aus dem für die Geistlichen und Lehrer des evangelischen Württemberg verbindlichen dogmatischen Kompendium. Siehe Hafenreffer, 1603, Praefatio, Bl. ):( 3r ): »Unde factum est, ut cùm non ex humanarum Traditionum lacunis, aut quibuscunque hominum placitis; sed ex limpidissimis Israelis fontibus, ista vitae verba hausta, & penè cum nutricis Lacte instillata tuae Celsitudini fuerint: ea, ex quotidiano illo & nunquam intermisso Sacrarum Literarum studio, ad hanc usque aetatem, benè magnum & laudabilem numerum praestantissimorum, tam Veteris, quàm Novi Testamenti dictorum, atque plurimum etiam Psalmorum Thesaurum sibi comparaverit, quae omnia (qua divina vales) memoria complectens, de omnibus tàm Fidei, quàm vitae Christianae Capitibus, integras per DEI gratiam Sententias promere, & rei propositae accommodare potes.« Siehe »Dominus M. Lauxius Concionator aulicus« im Brief Strölins an Schmidlin vom 16. Juli 1661, hier S. 375. Siehe dazu Jöcher, Erg.-Bd. 3 (hrsg. v. Rotermund, 1810), Sp. 1428:

6.7 Strölin an Schmidlin am 16. Februar 1659

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auf ihm fußende Distichon von M. J. G. Kaußler, abgedruckt im Nachruf auf Laux (zit. in Fischlin, 1709, S. 298–300): LAUXIUS per ᾿Αναγράμμα LUX VISA Lux erat in Terris non condita* VISA docendo, Nunc Lux in Coelis Stella** Decusque nitet. * Matth. 5. v. 15.16. ** Dan. XII. v. 3.

Siehe DWB, Bd. 12, s. v. »metzelsuppe«, Sp. 2154: »suppe in der beim schlachten eines schweines die würste gekocht werden, wurstsuppe. oberdeutsch [...] gastmahl beim schweineschlachten gegeben [...].« Strölin leitet scherzhaft ›ebrius‹ (trunken) von ›Eber‹ und ›ius‹ (Suppe) ab. ›ebrius‹ läßt sich folglich mit ›Ebersuppe‹ übersetzen. [22] Gemeint ist Friedrich Kies (um 1599–1661), seit 1639 Dekan in Cannstatt.124 Strölin war ihm als Vicarius unterstellt. [23] Ergänze sinngemäß ›literas‹. [24] Zu dem genannten Kirchendiener Amelin liegen zur Zeit keine weiteren Informationen vor.125 [25] »tabellio« ist nach Calepinus wie ›libellio‹ zu verstehen: »Ein bott/ oder briefftrager.«126 [26] Der Plural zeigt, daß beide Personen gemeint sind, die als Briefzusteller genannt werden. Aus der Wahl des Relativpronomens »quae« läßt sich entnehmen, daß Strölin mit »tuus tabellio« keine erwachsenen männlichen Personen im Blick hat (dann hätte er ›qui‹ gewählt). Über die Identität der beiden Personen ist mir nichts Näheres bekannt. [21]

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»Laux (Johann Friedr.) war der Sohn eines Prokurators, und zu Tübingen den 22. Okt. 1623 gebohren, er studirte in seiner Vaterstadt, wurde 1645 Repetent, 1649 Diakonus zu Urach, 1651 Prediger im Krankenhause zu Stuttgard, und im folgenden Jahre Superintendent zu Waiblingen, 1658 Hofprediger und Consistorialrath zu Stuttgard, und starb den 3. Jul. 1669. Fischl. II. p. 298.« Siehe Fischlin, 1709, S. 298–300 (nach S. 299 hielt Johann Lorenz Schmidlin die Leichenrede auf ihn). Siehe Sigel, 1934, Bd. 13,2, S. 543: »[...] mag. 14. Aug. 39. Rep. 45–48. Vik. in Blaubeuren (Weihnachten) 48. [...] Dekan in Waiblingen 57. Hofprediger in Stuttg. & zugl. Konsist.- & Kirchenrat 59–69. I. J. 1664 begleitete er den Herzog Eberhard III. zum Reichstag nach Regensburg. [...] Vgl. Bl. f. w. KG. v. 1929, 98.« Vgl. Sigel, 1934, Bd. 13,1, S. 218. Siehe zu ihm auch Strölins Brief an Schmidlin vom 16. Juli 1661 (hier S. 376) im Kommentar. Als Familienname ist »Am(m)elin« in Frankreich, Belgien, Baden und Österreich neuzeitlich nachweisbar. Ein Peter Amelin wird in Württemberg 1514 urkundlich erwähnt (in einem amtlichen Protokoll vom November 27). Siehe HStA Stuttgart, Signatur: A 44 U 2216 (Urfehden 1405–1600, 1742, 3.3.11 Lenningen). Siehe Calepinus, 1647, Bd. 1, s. v. Libellio [2], S. 920.

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

Siehe die ähnliche Formel in Strölins Brief an Schmidlin am 6. Mai 1662 (WLB Cod. hist. fol. 551, S. [60r-v ]) a. E.: »Sic vive vige flore fave«. Solche poetisierend-klangmalerische Gliederhäufung in Grußformeln ist zeitgenössisch nicht ungewöhnlich. Vgl. ein frühes Beispiel bei Lauterbach, 1602, S. 185 (in einem Distichon Konrad Bachmanns innerhalb von Reusners Aenigmata): »Viue vale flore longum inultumque diuque | [...].« [28] Das ist eine scherzhaft latinisierende Anspielung an »Schreyer«, womit Strölin in zwei weiteren erhaltenen Briefen unterschreibt in Anspielung auf den Geburtsnamen seiner Frau, einer geborenen Schreyer.127 Ein Brief an Andreae erklärt das vorausgesetzte Assoziationsfeld. Strölin verknüpft »Schreyer« mit dem schreienden Hirsch in Ps 42,2 (Luther) und der Stimme eines Rufers in der Wüste (Jes 40,3; Mt 3,3). Siehe Strölins Brief an Johann Valentin Andreae vom Ende Oktober 1650; dazu hier S. 409, Anm. 16. [27]

127

Siehe Strölin an Steudner im April 1662, hier S. 385, ferner an Johann Jakob Hainlin im Mai 1660 (WLB Cod. hist. fol. 551, S. [66r ]–[67v ]).

6.8 Strölin an Schmidlin am 16. Juli 1661

375

6.8 Strölin an Schmidlin am 16. Juli 1661 Sein lahmer linker Fuß habe Strölin daran gehindert, Schmidlin in Sindelfingen oder bei Prinzessin Antonia in Stuttgart persönlich zu treffen. Scherzhaft vergleicht Strölin sich mit einem Hirsch, Schmidlin (der sich offenbar irgendwann einmal bei einem Mundraub hat ertappen lassen) mit einem Fuchs, vor dem man Eier, Gänse und Hühner durch Wachhunde schützen müsse. Strölin trägt Schmidlin für dessen Schwiegermutter Dankesgrüße auf und erinnert sich dankbar an dessen Schwiegervater (Hainlin), dessen Belehrung er viel verdanke. Antonia erwarte bislang vergeblich ein Antwortschreiben Steudners (das offenbar eine erbetene kritische Beurteilung von Schmidlins Pictura docens enthalten soll). Schmidlin möge sich gedulden und Steudners Schweigen nicht vorschnell als Zeichen von Mißfallen deuten. Strölin verfolge mit Sorge den Fall eines Schülers oder Amtskollegen namens Fischlin, der einen ungerechtfertigten Verdacht auf sich gezogen habe. Er hoffe im übrigen, Schmidlin demnächst einmal wieder persönlich treffen zu können, und versichere ihm, daß Antonia ihn hochschätze. Demnächst wolle er Schmidlin über den Ausgang der ersten Disputation (Diözesandisputation?) berichten, die er am morgigen Tag zu absolvieren habe. Textzeuge: Handschrift (MS) WLB Cod. hist. fol. 551, S. [59r-v ]

[59v ] Vitam, Gratiam, Benedictionem Hebraicam![1]

5

10

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Achikar![2] Et te vel Sindelvingae[3] convenissem, vel Stutgardiae apud Jllustrissimam[4] , nisi omninò claudicasset pes meus[5] sinisterior, et vel Cervus leporina vel vulpina quaesisset, si etiam reperisset ova. nisi vulpes esses, dicerem, te metamorphosi quadam in Lepum[6] et lupum transijsse, oves enim mihi non reliquisses nisi mactatas, viden me etiam num vivere, et cervinam Memoriam nequaquam labilem habere. requisivissem prius à te, me conventuro Salvam guardiam pro gallinulis et anserulis meis. palatum consule tuum. odorabis et sapies quid hoc rej sit. et niger phylax et grandis albus molossus rusticanus, et custos ruffus praetorialis excubias agunt pro hisce fallacibus fallendîs. Jngentes gratias ago pro accepta fragrantia per Socrum tuam, quam millies vobiscum saluto, transmissa, debitor inter debitores manebo sed gratus, neque ulla Sancti viri Domini praeceptoris mej mecum intercidet memoria.[7] Steudneri[8] Epistola aut iudicium hactenus nullum ad Jllustrissimam, ad alium intermedium, ad Hopfferum,[9] aut ad me transmissum fuit, anxie desiderat responsionem eius Minerva Württembergica,[10] quare moram cum illâ bene interpreteris, velim te quam maxime rogatum. Difficilia quae pulchra nosti, ne tarditatem causam displicentiae reputes. fischlini[11] casus me hactenus anxium habuit, Superiores 4 sinisterior, et ] sinisterior. et MS

12 fragrantia ] frangrantia vor Korrektur

376 20

25

30

35

6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

non credunt. sapiunt sed sibi solis, nec consuluerunt pro re nata, sed quasi sub ferula hucusque timidiusculum detinuerunt. Sunt quae non omnibus propalanda videntur, neque concredenda sunt, si unà et soli essemus, te cum forte ipse communicaret et tuo consilio uteretur pio, ut qui ipsi recommendatissimus es inde à Domino piae memoriae Socero tuo.[12] Solus Dominus M[agister]. Lauxius Concionator aulicus[13] rem ut est perbene novit, intellexit, consuluit, moderatus est, cui nos debemus totos. Dominus Specialis aeque ut ego valetudinarius est unde et vicario potitus est.[14] ego quidem non Molossus sed Trochaicus sum, Spondaeus[15] tamen DEo volente evadam, si ad te transiliero. Viam interea sabulosam, salebrosam complanari (durchs äxtlin plan hämmern) cura, referam quae relati l[ectione]. t[ua]. digna visa fuerint, scilicet te aestimari à Nostra Madonna, non Mariam, sed Antoniam me intelligere intelligis, la Madame Duchesse Wurtemberg. absque ioco et fuco,[16] fucos enim à praesepibus arcent.[17] quamprimum quid post crastinam disputationem nostram solennem officialem primam ex Compendio Hafenrefferiano compertum habuero certi, quod tua dignum sit rescire, mea referre, audies et scribam[18] sic te Vitalem vita ipsa velut diu sospitet cum tuis quos et quas salutamus ego et rex meus familiaris domesticus.[19] ac dilationem et cunctationem meam plus quam fabianam aequanimiter et quidem ter fraterne suscipe ac favere perge Tuo

40

Jm hewet Newen Nata haec ep[isto]la.[20] 1661.

olim in eadem sylva Contubernali. ad Stipulatori:[21] Pastori Monasteriensi[22]

M[agistro]. Joh[anni]. Jacobo Strölino m[anu ]p[ro]p[ria].

29 durchs äxtlin ] im MS über der Zeile nachgetragen

6.8 Strölin an Schmidlin am 16. Juli 1661

377

Kommentar Es handelt sich um einen Brief Strölins im Original mit einer Adressierung auf der Außenseite der Handschrift und einer entsprechenden Bogenfaltung.128 Zur Überlieferungsgeschichte und zum Inhalt vgl. die Hinweise in der Einleitung zum Kommentar zu Strölins Brief an Schmidlin vom 16. Februar 1659, hier S. 367. Gerade in dem vorliegenden Brief zeigt sich Strölins ausgeprägter Humor und eine Lust an Sprachwitz und Wortspiel, die ihn neben seiner Gelehrsamkeit zur Mitarbeit besonders an der Pictura docens befähigten, sich aber auch in den Formulierungen der Turris Antoniae zeigt (s. hier S. 266). ›Benedictio Hebraica‹ meint hier wohl die schon im AT geläufige Grußformel »!œְ‫ ל‬M‫לֹו‬µ‫( «ׁש‬Friede sei mit dir; s. Ri 6,23 usw.) oder einen Segensspruch in der Art von Num 6,24–27. [2] Eine Person dieses Namens spielt in der alten vorderorientalischen Literatur als Held einer Erzählung bzw. eines Romans und als Namensgeber für eine Sammlung von Weisheitssprüchen eine Rolle. Reflexe davon bietet die altgriechische Literatur u. a. in Passagen des Äsop-Romans und mit der Nachricht, daß Demokrit von besagter Spruchsammlung beeinflußt sei.129 Ob und inwieweit Strölin von diesen Überlieferungen Kunde hatte, ist ungewiß. Sicher scheint hingegen, daß er die kurze Erwähnung eines Verwandten des Tobit und zugleich hohen Staatsbeamten kannte, die zwar nicht in der lat. Vulgata, der Übersetzung Luthers oder auch dem hebräischen Text der kanonischen Bücher des Alten Testaments greifbar ist, wohl aber in den LXX. Nach ihrem Text von Tob 1,21f.130 (s. a. 11,20) trägt die fragliche Person den Namen ›Achiachar‹ oder ›Achichar‹ (Αχιαχαρος, Αχιχαρος; in Transkriptionen frühneuzeitlicher Autoren ›Achiocharus‹, ›Achiacharus‹, ›Aquicar‹, ›Akakar(us)‹ oder eben auch »Achikar«) und wird als Neffe und zugleich Retter Tobits eingeführt.131 Um welcher Eigenschaft oder Tätigkeit willen aber Strölin seinen Freund Schmid[1]

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Siehe im MS, S. 59r : »Syndelfingen, | pp. Herrn Pfarrern daselbst | M. Johann Laurentio | Schmidlin. | einzuehändigen. | .H.« Siehe v. a. Clemens von Alexandreia Stromata 1,15,69,4 (ed. Stählin). Dort wird die Namensform ᾿Ακίκαρος verwendet wird. Siehe dazu jetzt mit weiteren Nachweisen Woschitz, 2005, bes. S. 255. Siehe die Übersetzung bei Kautzsch, 1900, Bd. 1, S. 137f.: »21 [...] Und es ward König sein Sohn Sachardan an seiner Statt und setzte den Achiachar, den Sohn meines Bruders Anael, über das ganze Geldwesen seines Reichs und über die ganze Verwaltung. 22 Und Achiachar bat für mich, so daß ich nach Ninive zurückkehrte. Achiachar aber war Mundschenk und Siegelbewahrer und Kanzler und Vorsteher des Geldwesens, und Sachardan setzt ihn als Zweiten in seinem Reiche ein. Er war aber mein Neffe.« Vgl. zumal die zeitgenössische Zusammenfassung bei van den Steen, 1854, S. 642, Commentaria in Tobiam, zu Tob 1,25: »Hebraea et Graeca addunt Tobiam bonis suis restitutum

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

lin nun »Achikar« nennt, ist jedenfalls bis auf weiteres unklar. Vermutlich will Strölin so – halb im Ernst, halb im Scherz – Schmidlins Klugheit, Gewandheit oder auch Verschlagenheit herausstellen in Analogie zu Schmidlins Titulierung als »rex inter astutos Reinekes« im Brief an Schmidlin vom Februar 1659,132 eine Begabung also, die sowohl bei Beutezügen in fremden Hühnerställen wie auch in Angelegenheiten bei Hofe von Vorteil ist, auf die Strölin im folgenden Kontext leider allzu kurz und vage anspielt. [3] In Sindelfingen bekleidete Schmidlin seit 1657 das Amt des Stadtpfarrers. Siehe dazu hier S. 30 (Anm.). [4] Gemeint ist sicher Prinzessin Antonia. Diese Stelle bezeugt also, daß Schmidlin mit der Prinzessin auch persönlich Umgang hatte. [5] Zum Hinkefuß s. a. Strölins launige Bemerkung in dem Brief an Schmidlin vom Februar 1659, hier S. 367. [6] Man erwartet ›Leporem‹. Einen anderen Beleg für einen Übergang von lepus zur 2. Deklination im Mittel- oder Neulatein kenne ich nicht. Handelt es sich um einen schlichten Flüchtigkeits- oder Gedächtnisfehler? [7] Damit ist Johann Jakob Hainlin gemeint, der Stiefvater von Schmidlins erster Frau, Barbara Sophia Hafenreffer, mithin der Schwiegervater Schmidlins. Siehe dazu Gruhl/Woolston, 2007, S. XVf., u. Gruhl, 2007a, S. XXIII, Anm. 65. Er war zugleich ein hochverehrter Lehrer Strölins, wie dessen Brief an Hainlin vom Mai 1660 beweist, der sich in einem Konzept bzw. einer Kopie in Strölins Nachlaß erhalten hat. Siehe WLB Cod. hist. fol. 551, S. [66r ]–[67v ]. [8] Zu Steudner s. im Kommentar zu Strölins Brief an Steudner, hier S. 382. [9] Vgl. Jöcher, Bd. 2, S. 1700f.: »HOPFER (Thomas), ein lutherischer Theologus, gebohren zu Augspurg 1618 den 1. Mart. studirte zu Leiden und Königsberg, wurde 1644 zu Regenspurg Prediger, 1649 Pfarrer zum heiligen Creutz in Augspurg, welcher Kirche zum besten er 1650 eine Reise in Sachsen, Dännemarck und Schweden gethan, 1661 Superintendens zu Heydenheim, und end-

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fuisse per Achiacharum, sive Akakarum, nepotem suum [seinen Neffen] qui in magna erat gratia et honore apud Asarhaddon (quem Graeca vocant Sarchedon) filium et successorem Sennacherib. Achiacharus enim (quem Noster cap. 11. v. 20. vocat Achior) erat filius Anaelis, qui erat frater Tobiae, quem [scil. Achiacharum; R. G.] Asarhaddon constituit primo suum pincernam; secundo ab annulo regio, ut quasi sigillifer eo litteras regias obsignaret, qualis fuit Mardochaeus apud Assuerum, Esther cap. 3; tertio totius imperii Assyriorum διοικητην, id est gubernatorem; quarto rationibus omnibus praefectum, seu Rationalem; quinto secundum a se sive vicarium suum, ut habent Hebraea et Graeca.« Siehe auch die kurze Notiz bei Hofmann, 1698, S. 39, s. v. ACHIOCHARUS; ferner Siber, 1573, S. 144 (innerhalb von Nr. XVII. Tobiae patris in exilio assyrio miseriae): »Maestus suis popularibus hic, et ad necem | Iussu Tyranni quaeritur saeui, bonis | Et omnibus spoliatur: occubat, (Deus | Punire sic solet impios) a proprijs | Rex filijs mactatus: Aquicaris opera | Licet et recuperat Tobias sua, fit tamen | Rursus benignitate pauper, et miser.« Siehe hier S. 230 u. 367.

6.8 Strölin an Schmidlin am 16. Juli 1661

379

lich zu Schorndorf. Er schrieb Valet= Hochzeit= und Leichen=Pre= || digten; neun Fürbilder des alten Testaments mit ihren Gegenbildern des neuen Testaments in 9 Predigten; heidenheimisches Vale, und schorndorfisches Salve, nebst einem Anhange etlicher der fürnehmsten Stücken aus den Actis seiner Verfolgung, und starb 1678.« Vgl. Sigel, 1934, Bd. 12,1, S. 974: »Dekan in Heidenheim 1662; in Schorndorf 65; + das[elbst]. 17. Juni 1678, aet. 60 [...].« Als Augsburger war Hopffer offenbar gut mit Steudner bekannt. [10] Damit ist natürlich Antonia gemeint. Es handelt sich um eine zeitgenössisch übliche Form des Lobs einer gelehrten Frau. Das hat bereits Häußermann, 1966, S. 81, richtig erkannt. Jan van Beverwijck (Beverovicius) spricht Anna van Schurman ebenso an (Brief an sie vom 22.6.1642 Beverwijck, 1644, S. 1–4,1): »ANNAE MARIAE A SCHVRMAN, Minervae, et Musarum delicio, IOH. BEVEROVICIUS, S. D.« Siehe auch die panegyrisch-scharfsinnigen Parallelisierungen Antonias mit Aristoteles, ferner Pandora, Juno, Pallas [Athene], Venus, einer Muse und einer Sibylle in der Pictura docens, Z. 1754, 2370–2375. [11] Welcher Angehörige der verzweigten Familie Fischlin hier gemeint ist, bleibt unklar. Zur näheren Auswahl stehen: Ein Johann Heinrich Fischlin (um 1613–1675) war 1661 Pfarrer in Gussenstadt (vgl. Sigel 1934, Bd. 11, S. 105); sein älterer Sohn Johann Tobias (um 1641–1667) hatte unlängst den Magistergrad erworben (am 20.3.1661) und wurde 1663 Pfarrverweser in Herrenalb (vgl. ebd.). Der aus Cannstatt stammende (und darum vielleicht Strölin bekannte) Philipp Balthasar Fischlin (1638–1698?) hatte den Magistergrad am 15.8.1660 erworben und wurde 1662 Pfarrverweser in Herrenalb (vgl. ebd., S. 107). [12] Hainlin verstarb 1660. Siehe dazu Gruhl, 2007a, S. XXIII, Anm. 65. [13] Vgl. seine Erwähnung in Strölins Brief an Schmidlin vom 16. Februar 1659, hier S. 367. [14] »Specialis« meint nach heutigem Sprachgebrauch den (Spezial-)Superintendenten (superintendens specialis) bzw. Dekan. Die von Strölin 1661–63 verwaltete Pfarrei von Münster (Neckar) gehörte zum Dekanat Cannstatt.133 Im Jahre 1661 wechselte dort der Dekan: Friedrich Kies (amtierte von 1639–61)134 wurde durch Wilhelm Leyser (amtierte 1661–1665) abgelöst.135 Da Kies bereits am 3.3.1661 verstarb, meint Strölin hier Leyser, einen Enkel des bekannteren Polykarp Leyser d. Ä.136 133 134

135 136

Vgl. Sigel, 1934, Bd. 5,2, S. 561 u. 563 Siehe seine Erwähnung Strölins Brief an Schmidlin vom 16. Februar 1659, hier S. 367 (Einzelkommentar). Vgl. ebd., Bd. 2,2, S. 617. Vgl. ebd., Bd. 13,2, S. 698. Dieser Wilhelm Leyser ist nicht zu verwechseln mit dem älteren Wilhelm Leyser (1592–1649), dem jüngeren Bruder Polykarp Leysers d. J. (1586–1633).

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

Strölin verwendet prosodische Elemente zur Abbildung des Humpelns (Trochäus) und des gesunden, regelmäßigen Schreitens (Spondäus). [16] Vgl. Cicero Brutus 162,5f. (ed. Malcovati): »in his omnibus inest quidam sine ullo fuco veritatis color«; Augustinus De bono viduitatis § 23 (MPL 40,446): »Non amat ille fallaciarum fucos: veris veritas delectatur; et ille, si quod legisti agnoscis, veritas vocatur. Ego sum, inquit, via, et veritas, et vita (Joan. XIV, 6).« [17] Siehe Vergil Georgica 4,168 (ed. Mynors): »Ignavum fucos pecus a praesepibus arcent.« Siehe auch Ders. Aeneis 1,435; ferner Hieronymus Epistola XCVIII. (Übers. des Osterbriefes des Bischofs Theophilos von Alexandreia an die Bischöfe Ägyptens aus dem Jahr 402), § 25 (MPL 22,811): »aculeoque conscientiae in morem apium noxios peccatorum fucos repellamus, plena ceris ac melle alvearia reservantes.« Strölin macht sich also für sein Wortspiel137 die Doppeldeutigkeit von »fucos« (Purpurfarben; Drohnen) zunutze. [18] Zu Hafenreffers Compendium (Hafenreffer, 1603) s. hier S. 119. Vor welchem Gremium und zu welchem Anlaß seine Disputatio solennis officialis prima stattfinden sollte, erwähnt Strölin leider nicht. Nach der Wortwahl und den anderen bekannten biographischen Daten zu urteilen ist damit anscheinend nicht ein Examen durch das Stuttgarter Konsistorium gemeint (siehe dazu Weismann, 1990, Bd. 1, S. 431, mit weiterer Lit.!) oder gar eine Veranstaltung an der Tübinger Universität, sondern vielmehr eine der im neuzeitlichen Württemberg lange Zeit üblichen Diözesandisputationen. Sie fanden in der Frühen Neuzeit gewöhnlich mehrfach jährlich statt unter Leitung des Dekans der jeweiligen Diözese. Die Teilnahme war für Pastoren und Lehrer verpflichtend. Nach 1600 wurde es üblich, als Disputationsgegenstand einen locus aus dem gebräuchlichen theologischen Compendium zu bestimmen.138 Strölin sagt ferner leider nicht, ob er als Opponent (Angreifer der Lehrbuchaussagen) oder Respondent (Verteidiger) bei der Disputation zum Einsatz kommen sollte. [19] Mit »rex meus etc.« meint Strölin zweifellos seine Ehefrau Anna Barbara, geb. Schreyer. Siehe dazu hier S. 400. [20] Das bedeutet ›im Juli [bei] Neumond‹. Siehe DWB, Bd. IV,2, s. v. »heuet«, Sp. 1286; »im Neuen« meint ›bei Neumond‹. Siehe Fischer, 1914, S. 2006. Der Neumond war im Juli 1661 am 16.07. jul. zu beobachten. [21] Zu »Contubernali« s. im Brief an Schmidlin vom Februar 1659, hier S. 367 u. den Kommentar dazu. Zur Bedeutung von Adstipulator vgl. Zedler, Bd. 1 [15]

137

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Es handelt sich um eine sowohl homophone wie homographe Traductio. Siehe dazu den Art. »Wortspiel«. In: RDL, Bd. 3, S. 864–867, bes. 865 (Christian Wagenknecht). Siehe dazu gründlich Kolb, 1923, bes. S. 21. Kolb, ebd., S. 22, kann allerdings nicht nachweisen, daß bereits die Compendia von Heerbrand und später Hafenreffer dergestalt zum Zuge kamen. Strölins vorliegende Erwähnung Hafenreffers spricht dafür.

6.8 Strölin an Schmidlin am 16. Juli 1661

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(1732), Sp. 582: »Adstipulator, der sich in dem Contract eines andern mit verbindlich machet; ein Mitverheißer, der ein gleiches, oder eben soviel verspricht, it[em]. der mit dem andern gleiches Sinnes ist.« Mit der auffälligen Schreibung »ad Stipulatori« spielt Strölin dabei auf seine private Etymologie seines Familiennamens von Stroh, lat. stipula, an.139 Vgl. Strölin, 1664, S. 10 (s. hier S. 399): »Massen er seinen Namen vom Stroh derivirt, und wie wol Gottes Krafft mächtig bey ihm war/ sich selbst für nichts geachtet/ [...]«. Diese Etymologie verwendet dann Steudner in seinem poetischen Nachruf; s. Strölin, 1664 (L), vor Bogen H: Dum fueras inter Stipulas Clamore sonantes, Ah dolor! Ah vitae labor anxius omnis & asper! Adstipulabaris Stipula Clamante notatus: Quippe Tibi nomen Stipulae, cognomen habebas Clamantis: Vae Vae clamabas saepe labore Atque dolore simul Vitae stimulatus acerbo. [...] Stridenti miserum stipula disperdere carmen Desinis, ac potius multum majora canenti Et mage laeta Choro Sanctorum jubila laetus Succinis, & charum cernenti in Monte Magistrum Jam radiare novo vultus fulgere, Bonumque Clamanti Petro Domine est hîc esse, placebit Hîc [Hic im Druck] habitare diu, sint hîc habitacula fixa! Acclamas pariter fulgenti fronte serenus, Hîc habitare placet, sint hîc habitacula fixa, Adstipulator ades Johann Jacobe Beatus. [22]

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Gemeint ist Münster am Neckar.

Vgl. auch denselben Ausdruck in derselben Schreibweise im Brief Strölins an Spener vom 6.1.1663 a. E., hier S. 394.

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

6.9 Strölin an Steudner am 14. April 1662 Weil Strölin so gar nichts habe von sich hören lassen, werde Steudner mit gutem Grund den Verdacht hegen, Strölin würde ihn vernachlässigen, nachdem Steudner sich doch gegenüber Antonias und Strölins Anfragen derart hilfsbereit erwiesen habe und Schmidlins Pictura docens samt seinen deutschen Epigrammen zum Brautzug unverzüglich (kritisch durchgesehen und glossiert) nach Stuttgart übersandt und eine Eingangsbestätigung erwartet habe, und zusätzlich noch eine Liste der Namen der Stammmütter Israels nach rabbinischer Überlieferung beigelegt und das Buch des Rabbi Elchanon mit zusätzlichen Bemerkungen zu dessen kabbalistischen Berechnungen zum Auftritt des Messias ergänzt habe. Strölin versichere ihm aber, daß er so die Prinzessin vollauf zufrieden gestellt habe und sie ihm hiermit durch Strölin ihren aufrichtigen Dank und ihre bleibende Verbundenheit übermitteln lasse. Auch hoffe Strölin auf seine Nachsicht und gelobe Besserung. Steudners Verbesserungs- und Korrekturvorschläge zu Schmidlins Pictura docens habe Schmidlin ausdrücklich dankend angenommen. Den Rest des Briefes füllen u. a. eine Reihe erster Detailreaktionen Strölins auf Steudners Rückfragen sowohl zur Lehrtafel als besonders auch zum Text der Pictura docens sowie weiterführende gelehrten Erwägungen vor allem zur biblischen Chronologie. Textzeuge: Handschrift (MS): WLB Cod. hist. fol. 551, S. [61r-v ]

[61r ] !N‫[ תשב! בסת!"ר! עליו‬1] Reverende admodum et Clarissime Vir Fautor, Amice, ac in α frater peramande singulariterque honorande.[2]

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Obmutuisse[3] me omnino, aut obmutescere velle, contemptâ Literarum reciprocatione, aut neglectâ Vestrae Charitatis Humanitate, quae tam facilis fuit Jllustrissimae D[omi]n[ae]. D[omi]n[ae]. Antoniae ducissae W[ürttembergiae]. et T[ecciae]. de !‫[ יצ"ו‬4] desiderio pio, Sanctoque in Lingua Sancta ulteriori profectui, ut taceam de mea singulari et privata per Vestras Epistolas Jnformatione et Emendatione, satisfaciendi, quam audax nimis ego fui eam compellandi, provocandi, insimulabor a Reverenda Vestra Humanitate nec absque causa, cum illa Sephiristica Descripta à Pastore Syndelfingensi; à me saltem olim primis et paucis terminis confuse denominata potius, quam certis lineis et figuris limitata;[5] adiunctis Heroinarum Sacrarum, ad probarum ancillarum servile officium usque, germanicis epigrammatibus,[6] R[everenda]. V[estra]. Humanitas, ad primam voluntatem Jllustriss[im]ae, meamque huius rei ad vos denunciationem; Jllius Celsitudini absque morâ Stutgardiam transmiserit, et de facta integrâ integrorum receptione internuncium desiderabunda expectaverit; insuper priorum

!‫בסת!"ר‬

1 ] unter !‫ ב‬im MS ein kleiner vertikaler Strich (ähnlich einem Mätäg; s. den Kommentar z. St.)

6.9 Strölin an Steudner am 14. April 1662

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383

Patriarcharum ex !M‫[ספר תולדות! אד‬7] denominatis uxorum Nominibus pro Rabinorum traditione, ac Messiano Cabalistico auctario ex Rabbi Elchanon pragensis supputatione,[8] eiusque libelli Editionem, ut deosculer pijssimi D[omi]n[i]. D[octoris]. Glassii iudicium et indicium Rhetoricum,[9] coronarit; ast[10] in quibus omnibus cumulatissime Sacro Jllustrissimoque Celsitudinis eius genio et pio ingenio satisfeceritis, eoque se nomine plurimum Reverendae Vestrae Humanitati Eius Celsitudo contestata est gratios[issim]e obligatam antea, porro nulla interrumpenda sacra affectione teneri.[11] tardioris renuntiationis culpam tardior Menalcas[12] à Reverenda Vestra Humanitate deprecatum eo, eiusque veniam haud difficulter consequendam spero, compensaturus omissa, neglecta, non penitus interrupta, pro posse. Quae monuit R[everenda]. V[estra]. Humanitas, restituenda, emendanda, immutanda, D[omi]n[u]s. Pastor Syndelfingensis in se recepit corrigenda ideoque Vobis ingentes pro commonitione amica gratias debere se fatetur. De nomine Elisa ex Magistri sui Eliae zeloso et ominoso nomine (eliso saltem ‫ש‬.) eruendo quod scripserit,[13] ait factum esse iuxtam communem Vulgi pronuntiationem Elias, non ignorasse se diversa utriusque nominis elementa. bene interea, ne quid derogaret bene descripto commentario, perplacuit Jllustrissimo Genio, Vestra accurata et oculata solertia. De Emim prunivora, scilicet ave, genus enim ignoratur utrum dicendum sit, masculinum ne an femininum ei addendum, neque ista avium species nobis nisi ex relatione nota, scilicet Mauritiades panegyrico: Aldrovandi appendice; Jonstoni ornitholog[ia].; Grundmanni historia gymnasiastica, et ex oculatis testibus, quorum pictor ipse post Generosissimam utramque, Matrem et virginem filiam Auwinghusias Baronissas, cum suae Celsitudinis ancillâ primariâ, Ambstelodami et Viennae viderunt et audierunt ita nuncupari; (.percipimus appellari Emme, alio nomine Casuarus, nequaquam autem ex Hebraeo Gigantoque horrendo nomine Emime.) tolerandum, cum sit saltem Elementi Jgnis, cum pyrobolicis, hieroglyphicum.[14] De Danielis loco, quod referendum. »tempus signandi peccati, tribus vocibus designatum« cap. 9. v. 24. !›ַ‫חְּת‬ª‫ נ‬Mִ‫בְע‬¤‫ ׁש‬Mִ‫ע‬u‫ב‬µ‫ ׁש‬,[15] »quarum capita prophetiae locum« !N"!‫ שש‬defective sc[ilicet]., arcem Susan »signarunt«⟨.⟩[16] ex suppositione[17] factum fuisse aut contigisse id ibidem, caeterum meliori stabimus iudicio et indicio. Esaias filio Virginis ipsa Multiplicationis promissione passionis tempus sc[i32–33 De nomine . . . scripserit ] Pictura docens 1185–92 37 De Emim prunivora ] Pictura docens 124 47 De Danielis loco ] Pictura docens 1280–81 52 Esaias . . . tempus ] Pictura docens 1229–32

18 !M‫ ] אד‬im MS über der Zeile nachgetragen

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

licet]. à 4. anno regis Achas. ex hypothesi r[ationi]s Raschi indixit utrobique Literam (finalem !M) in medio contra regulam figurans, ut extra Naturae regulas haec futura crederes.[18] alter locus accipiendus de c[apitulo]. 7. Esaiae v. 14. (conveniunt tres septenarii) ubi OLIM !‫ה‬M‫ העל‬praeter morem linguae scriptum Schikkardus in Bechinath Happeruschim, pag. 77.[19] interrogat et proponit ex Munsteri Matthaeo Hebraico (.Comes quidam Jllustrissimae suae Celsitudini me audiente asseruit, asseveravit, sibi tale Jonathanis Thargum in quo expresse (.!‫ה‬M‫ העל‬Mem clauso.) scriptum fuerit, ad manus fuisse.) tantum virum scilicet Munsterum, non absque fundamento Judaeis, qui eum vanitatis convincere potuissent, obiectare potuisse. vellem nobis in residuo esse tale aliquod veteranum Exemplar. Congratularemur nobis. de !‫רבה‬M‫ ל‬facilior ex Clarissimi p[iae]. m[emoriae]. Heinlini Maiore Maxima chronologia sacra mystica termini à quo iam indigitati. ad quem, passionis nempe praecisissimum annum, irrefragibilis demonstratio.[20] || [61v ] Haec praecipua fuerunt, ex descripto Turris Antoniae Encyclopaedias commentario, renuntianda Vobis. Hoseae locus Cap. XIII. V. 14. Ero mors tua Mors,[21] mihi privatus est et singularis, petitionem principij me proponere dicetis, i[d]. e[st]. incertum ex aeque incerta. Verum pie Amice, cum Montes pendeant a punctis Sacris,[22] in Lingua Sancta, non Judaicarum, sed ad Messiam ab Adamo inde, sub Adamo primo praefiguratum, Secundum scilicet Adamum intendentium tantummodo, quaerentium et indagantium Christianarum fidelium, nec amplius coniecturam saltem, sed ultra topicam ancillarem probabilitatem, Theologicarum iam antea satis demonstratarum ex clarissimis dictis, illustrationum; non possum non amplecti ex posteriori membro !‫אֹול‬ ‫[ אֱחִי קָטָבְœ ׁש‬23] quod in supputatione arithmetica 964. facit,[24] subtractumque à Mystico Heinliniano passionis anno, ubi pestis postibus insequi factus Jesus, qui est 4256. ultima quippe Oseae vaticinantis tempora, cum Esaia anterior sit, annumque Mysticum eumque ferme Sabbathicum, imo Jubilaeum, 3382.[25] licet dominicalis annus fiat, quo ipso Dominus Noster Jesus Christus die dominica resuscitatum iri tempore designasset, ita circumstantia circumstantiam firmat. proditque saltem Novendecennium Julianae supputationis chronologicae, quo Esaias posterior Trisagion Angelico Seraphicum audisset. ita videtur mihi Hoseas et Esaias unum Adamum scilicet secundum ex Virgine nasciturum matre, filium Jmmanuelem intendisse chronologice. Si obscurior fuero aut prolixior, veniam dabit R[everend]ae. V[estrae]. Humanitatis charitas, maluissem coram Jllustrissima contulisse oretenus, facilius et felicius nos expedijssemus. pro addito Benedictionis Votivo et felicioris et velocioris sub Censura expeditionis etiam num repetit Jllustrissima Sua Celsitudo 53 r[ationi]s ] Auflösung der Abkürzung unsicher

6.9 Strölin an Steudner am 14. April 1662

385

vobis gratias cum gratiosissima ex se salute agit, ac ut in posterum ei communicanda Sacra ex Lingua et rara, sibi cara et clara in futuro exhibeatis, subinde transmittatis amice rogitat propensissima Vobis voluntate.

95

Ego etiam R[everendae]. V[estrae]. Humanitatj me observanter insinuando recommendo futurus perpetuum R[everendae]. V[estrae]. Humanitatis

100

Die festivo Antoniano[26] Baptismati revertente. % post Misericordias. A[nno]. 1662[30]

Deditissimus cultor, Symmysta,[27] ad Stipulator,[28] Pastor Monasteriensis[29] M[agister]. Johann Jacobus Strölin dictus Schreyer[31] m[anu ]p[ro]p[ria].

Kommentar Bei dem MS handelt es sich um ein ausgearbeitetes Briefkonzept oder eine Kopie von Strölins Hand.140 Der Adressat, Johann Steudner, wurde als Sohn des Kürschners Balthasar Steudner d. Ä. in Augsburg am 29.12.1620 geboren und verstarb auch dort am 14.5.1666. In Vorbereitung auf die Laufbahn eines evangelischen Geistlichen studierte er in Straßburg ab 1641. Als ersten unter seinen Gönnern und Förderern nennt er in seiner philosophischen Disputation Johann Konrad Dannhauer. Unter Dannhauers Vorsitz absolvierte er auch seine theologische Disputation (Steudner, 1645). Im Jahr 1649 wurde er an St. Ulrich in Augsburg Hilfspfarrer (Diaconus), 1661 Ephorus Collegii.141 Von Steudners überdurchschnittlicher Gelehrsamkeit im Bereich der Hebraistik und der Kabbala zeugt vor allem sein einschlägiges Buch (Steudner, 1665; ein Ausschnitt s. hier S. 411), daneben natürlich die Tatsache, daß man ihn im Gelehrtenkreis um Antonia als Berater hochschätzte, wie v. a. der vorliegende Brief Strölins bezeugt. Es ist nicht auszuschließen, daß Straßburger Kontaktpersonen Anto140

141

Siehe zum zeitgenössischen Brauch, Konzepte oder Kopien von Briefen zu archivieren etwa Laufhütte, 1998, S. 495f.: »Eine Anzahl eigener Briefe ist, meist nach dem Tod der Partner, zu Birken zurückgelangt. Wichtiger für unsere Kenntnis seines Anteils an seiner Korrespondenz sind Birkens Konzeptbücher. [...] Die Art seiner Fixierung eigener Briefe ist sehr unterschiedlich: Von Entwürfen über Regesten und Auszüge bis zu sorgfältigen Kopien [...] reicht das Spektrum.« Burger, 2001, S. 207, Nr. 1236, zum Vater s. ebd., Nr. 1235; s. a. Oetinger, 1977a, Bd. 2, S. 504f. Steudners Stammbuch hat sich in der WLB Stuttgart erhalten (Cod. hist. 8° 83). Zur Familie s. Hämmerle, 1926, S. 97f. Für wichtige Hinweise danke ich Herrn Dr. Helmut Zäh (Augsburg).

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

nia auf Steudner aufmerksam gemacht haben.142 Ein Casualgedicht Steudners hat sich unter den Epicedia auf Strölin erhalten.143 Das Ausmaß von Steudners Beratertätigkeit in Antonias Lehrtafel-Projekt läßt sich nicht genau ermessen. In Strölins Brief an Schmidlin vom Juli 1661 ist von Antonias ungeduldiger Erwartung einer Antwort Steudners auf Anfragen die Rede, welche wenigstens zu einem guten Teil offenbar das LehrtafelProjekt betrafen.144 Der vorliegende Brief bestätigt den zwischenzeitlichen Eingang mindestens eines Antwortbriefes. Bald darauf, am Ende von Strölins Brief an Schmidlin vom 6. Mai 1662, ist von zwei Antwortschreiben Steudners die Rede, welche derweil vorlägen145 und offenbar zu einem beachtlichen Teil aus »monita et correctiones« zur Pictura docens bestanden, welche Strölin und Schmidlin neben den kritischen Anmerkungen Speners gemeinsam prüften und in die Pictura einarbeiteten.146 Gewissermaßen einen Vorgeschmack dieser Prüfung bietet der vorliegende Brief in seinem Mittelteil, dessen enger Bezug auf die Pictura in einem gesonderten Apparat über dem kritischen Apparat dokumentiert wird.147 !N‫ ּתֵׁש¨ב ּבְסֵתֶר עֶלְיֹו‬meint ohne Rücksicht auf die Abkürzung: ›Mögest du im Schutz des Höchsten wohnen‹ (s. Ps 91,1a); die Abkürzung !‫ סת!"ר‬meint !P‫סֹו‬/ [1]

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Antonia selbst war einige Jahre vor Steudners Studienzeit als Exulantin in Straßburg (1634– 1639; s. dazu jetzt Schauer, 2003, S. 32–34). Siehe in Strölin, 1664 (L), vor Bogen H; ein Ausschnitt wird hier zitiert im Kommentar zu Strölins Brief an Schmidlin im Juli 1661, hier S. 375. Siehe hier S. 375: »Steudneri Epistola aut iudicium hactenus nullum etc.« Siehe WLB Cod. hist. fol. 551, S. [60r-v ], [60v ]: »Habes simul binas literas Steudneri, ut perlegas, cum mea responsione ad alteras, et perlectas quam primum fieri potuerit, remittas.« Diese beiden Schreiben Steudners sind verschollen. Mit »cum mea responsione« bezieht sich Strölin wahrscheinlich auf den hier vorliegenden Brief vom 14. April. Siehe neben dem eben genannten Brief Strölins den Schmidlins an Strölin vom 29. Mai 1662 (WLB Cod. hist. fol. 551, S. [68r ]–[70v ]), wo Schmidlin auf Steudners »monita et correctiones« (ebd., S. [69v ]) reagiert, nachdem er sich zuvor mit den Verbesserungsvorschlägen Speners auseinandergesetzt hat. Zu Speners Rolle s. hier S. 394 in der Einleitung zum Kommentar. Leider sehr wenig ist über die Rolle Magnus Hesenthalers bekannt. Siehe Schmidlins Brief an Antonia am 28. November 1662 (WLB Cod. hist. fol. 551, S. [62r ]) und Hesenthalers Brief an Antonia vom 1.12.1662 (ebd., S. [62v ]). Der in Tübingen ansässige Hesenthaler hat sich demnach offenbar vor allem mündlich mit Schmidlin über die Pictura und das Problem ihrer Übersetzung ins Deutsche ausgetauscht. Zu den genannten Personen s. Gruhl, 2007a, bes. S. XXIf.; ergänze meinen Art. »Magnus Hesenthaler«. In: Killy-Kühlmann, Bd. 5 (2009), S. 362f. Zur Zusammenarbeit im Gelehrtenkreis um Antonia s. a. im monographischen Teil, S. 212f. (mit weiterer Literatur). Zur Notwendigkeit einer gesonderten Studie zur Pictura und einer Edition der thematisch einschlägigen Dokumente aus dem Nachlaß Strölins und Schmidlins s. hier im Ausblick S. 418f.

6.9 Strölin an Steudner am 14. April 1662

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! ª‫ ּתָו‬/ !‫( רֹוׁש‬Ende bzw. Ziel/ Mitte/ Anfang bzw. Ursprung).148 Der kleine vertika› le Strich unter !‫ ב‬im MS sieht aus wie ein bekanntes prosodisches Zeichen (!‫מֶתֶג‬, Mätäg), das den Leser bei der korrekten Aussprache von Vokal(läng)en und der korrekten Silbentrennung unterstützt. Sehe ich recht, trifft jedoch keiner der Gründe, die die Grammatiker für seine Setzung kennen, im vorliegenden Fall – eines Sche wa mobile, gefolgt von einem Sere (!‫ – )ּבְסֵתֶר‬zu.149 Auch schreibt Strölin in dieser Grußzeile die Worte unvokalisiert; ein Mätäg erwartet man schon darum nicht. Andererseits ist mit !‫ סת!"ר‬eine Abkürzung im Spiel (siehe oben). Buxtorf bietet nicht wenige Abkürzungen, deren erstes Element die Präposition !ְ‫›( ּב‬in‹) ist, z. B. die Angabe für einen Fundort im Talmud: !‫בב!"ב‬ »in Bava posteriore« (Buxtorf, 1708, S. 46). Ein Mätäg-artiges Zeichen findet sich in solchen Fällen nicht. Nun gehört bei Strölin die Präposition aber auch gar nicht zum abgekürzten Wortsinn (!‫ רֹוׁש! = סת!"ר‬/!›ª‫ ּתָו‬/!P‫)סֹו‬, sondern ist nur Bestandteil des anderen, gewissermaßen auf der Oberfläche liegenden Wortsinnes, bei dem man !‫ בסתר‬als !‫ ּבְסֵתֶר‬deutet, was offenbar in Strölins Absicht liegt. So vermute ich, daß Strölin hier den kleinen vertikalen Strich verwendet, um den Leser davor zu warnen, die Präposition zugleich als Teil des abgekürzten Wortsinnes zu verstehen. Es wäre demnach ein kleines Trennzeichen, nur eben nicht für Vokale und Silben (wie ein Mätäg im Rahmen einer voll vokalisierten und akzentuierten Schreibweise). Leider kenne ich keine vergleichbaren Fälle für eine solche Verwendung des Striches, und so bleibt es bei einer bloßen Vermutung. [2] Die Buchstabenkombination eines griechischen Alpha, Omega und eines Chi in der Mitte meint: Christus, der das A und O genannt wird (vgl. Apc 1,8; 21,6; 22,13). Siehe dazu hier S. 90. [3] Der erste Satz ist offenbar Strölins Versuch, Steudner mit einem komplexen syntaktischem Gebilde zu ehren bzw. zu beeindrucken. Das Ergebnis ist einigermaßen unübersichtlich. Den Hauptgehalt bietet das oben gegebene Regest. [4] Das ist eine gängige Abkürzung für: !‫י וžג¸אֲלִי‬£‫ה צּור‬³‫›( יžהו‬HERR, mein Fels und mein Erlöser‹; Ps 19,15; s. Buxtorf, 1708, S. 105 [recte 107], s. v. !‫)יצ"ו‬. [5] Gemeint ist die Pictura docens. Siehe dazu hier S. 30 u. 191. Die Kennzeichnung der Pictura docens als den Sefirot150 gewidmetes Werk (»Sephiristica«) spielt vor allem auf den ersten Teil dieses Textes an, der der Beschreibung der auf der Lehrtafel zentral dargestellten Sefirot gewidmet ist (s. Pictura, Z. 51–532). Die vorliegende Briefstelle bezeugt für die Pictura, was Raith für die Lehrtafel selbst betont hat, nämlich Strölins wichtigen Anteil an der 148 149

150

Buxtorf, 1708, S. 160, s. v. !‫סת!"ר‬. Siehe Buxtorf, 1651, S. 36–45; Gesenius/Kautzsch, 1909, § 16, S. 66–68; die einschlägigen Stellen im Bibeltext s. bei Gesenius/Buhl, 1915, S. 554, s. v. !‫סֵתֶר‬. Siehe dazu hier S. 17 u. 24, ferner 7 u. 266.

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

Konzeption.151 Daß Strölin hier seinen Anteil herunterspielt (»primis et paucis terminis confuse denominata potius«) paßt zu den Ausdrücken persönlicher Bescheidenheit und Selbstironie, die auch sonst für ihn typisch sind.152 Zu den Sefirot s. hier – neben den Ausführungen im monographischen Teil – den Kommentar zu !‫ עֶׂש¬ר סְפִירֹות ּבְלִימָה‬in der Synopse zur 1. Sefira, hier 321, Z. 6. [6] Die deutschen Epigramme Schmidlins auf die Mitglieder des Brautzuges auf dem Epitaphbild für Antonia sind heute nur in einer Entwurfsfassung bekannt. Siehe WLB Cod. hist. fol. 551, S. [50]–[53]; dazu hier S. 2, 367 u. 371. [7] !M´‫ סֵפֶר תֹולְדֹות אָד‬meint ›Adams Geschlechterbuch‹.153 [8] Zu Elchanon (2. H. 16. Jh.) s. den Art. »Paulus of Prague«. In: JE, Bd. 9 (1905), S. 563f. (Max Seligsohn). Gemeint ist seine gematrische Zahlwertberechnung154 für !‫רבה‬M‫( ל‬Jes 9,6 a. B.) in: Elchanon, 1580, Bl. D iir : Jtem ist wol zumercken/ das in diesem wort/ [...] ist der buchstab mem finale [...] zugeschlossen/ vnd stehet mitten im wort/ welches nicht der gebrauch ist in heiliger schrifft [...] / darum [...] zuweilen kan gerechnet werden in der zal 600. als dem/ wenn man die zahl vom gantzen wort lemarbe [...] zusamen nimpt helt sich als viel in der zahl/ als: 837. el ben Hâmaschiach Ieschuah [...] auff | deutsch/ Jesus Christus Son Gottes.155

Glassius behandelt die chronologische Spekulationen zum Mem clausum in !‫רבה‬M‫( ל‬Jes 9,6 a. B.) in Glassius, 1643, S. 8, ohne dort allerdings Elchanon zu erwähnen. [10] Statt ›at‹ wird ›ast‹ zuweilen auch in der Prosa verwendet. Vgl. etwa Gellius Noctes Atticae 1,9,5,1 (ed. Marshall). [11] Contestari wird im vorliegenden Kontext ohne Akkusativ des Angerufenen in der Bedeutung ›laut versichern‹ mit Accusativus cum Infinitivo verwendet. Ein spätantikes Anwendungsbeispiel für diese Konstruktion findet sich in 1 Petr 5,12 (Vulgata): »[...] scripsi obsecrans et contestans hanc esse veram gratiam Dei in qua state«.156 [9]

151 152 153 154 155

156

Siehe dazu hier S. 4 u. ö. Zur Zusammenarbeit im Antoniakreis s. S. 212f. Siehe dazu hier S. 399 (Kommentar). Vgl. Gn 5,1; Sixtus Senensis, 1626, S. 45b f. Zur Gematrie s. hier im monographischen Teil S. 82. Für !‫רבה‬M‫ ל‬lautet die gematrische Berechnung 30+600+200+2+5=837; für »el ben Hâmaschiach Ieschuah« läßt sich derselbe Zahlwert vermutungsweise so rekonstruieren: !‫אל‬ 1+30=31; !N‫ ב‬2+50=52; !‫ המשיח‬5+40+300+10+8=363; !‫ ישועה‬10+300+6+70+5=391; zusammen 837. Eine Unsicherheit bzw. interpretatorischer Spielraum besteht zumal bei der Schreibung !‫ ישועה‬für ›Jesus‹. Siehe zu weiteren frühneuzeitlichen Schreibvarianten für Jesu Namen hier S. 90 u. 112 (jeweils in der Anm.). Auffälligerweise – und wohl wiederum im Sinne der Nutzung des vorhandenen Interpretationsspielraumes – wird bei der Berechnung von !N‫ ב‬2+50=52 der Zahlwert von !‫( נ‬50; nun parvum) und nicht von !N (700; nun magnum) zugrundegelegt. Siehe Krebs-Schmalz, Bd. 1, S. 353, s. v. Contestari.

6.9 Strölin an Steudner am 14. April 1662

389

Siehe Vergil Ecloga 10,19f. Zur Beschreibung des Menalcas als »tardus« vgl. Vergil, 1830, S. 239f. [13] Der Name Elias ist in der hebräischen Bibel in den Formen !‫הּו‬³‫( אֵלִּי‬s. etwa 1 Kön 17,13 u. weitere Stellen in den Königsbüchern) und !‫ה‬³‫( אֵלִּי‬s. etwa 2 Kön 1,12; Mal 3,23) präsent, Elisa hingegen als !‫ע‬µ‫( אֱלִיׁש‬s. 1 Kön 19,16, 2 Kön 2,2 u.ö.).157 Steudner hatte nun offenbar darauf hingewiesen, daß sich im Hebräischen Elisa nicht namensspielerisch aus Elia mittels ‫ש‬-Einfügung ›ableiten‹ lasse, wie Schmidlin an einer Stelle der Pictura docens suggeriere.158 Strölin räumt dies ein. Er und Schmidlin verweisen auf die zeitüblich jedenfalls im deutschen Sprachraum und unter dem Einfluß von Luthers Bibelübersetzung weit verbreiteten Namensformen ›Elia‹ und ›Elisa‹, die zu dem Namensspiel eingeladen hätten. Steudners Einwand wird aber von Beiden beherzigt. Schmidlin wird bald darauf vorschlagen: Man solle entweder die fragliche Zeile so ändern, daß das Namensspiel ausdrücklich auf die, frühneuzeitlichen deutschsprachigen Lesern vertrauten, Formen ›Elia‹ und ›Elisa‹ bezogen wird (und zugleich der irreführende Hinweis auf das Hebräische mittels des ‫( ש‬Schin) verschwindet), oder man solle die Zeile tilgen.159 [14] Zum Emim (bzw. ›Eme‹, ›Emeu‹ oder auch ›Casuar‹) auf der Lehrtafel s. die Angabe auf der Turris Antoniae, hier S. 266, zu ↑ 23a »Emim prunivora« [12]

157

158

159

›Elias‹ geht hingegen zurück auf die anverwandelnde Transkription im Griechischen (᾿Ηλίας, s. Mt 11,14 usw.), dem die lat. Vulgata folgt (›Helias‹ bzw. ›Elias‹) sowie teilweise auch das Deutsche (s. etwa den Art. »Elias«. In: GWb, Bd. 3, S. 44.). Siehe Z. 1185–1192 (die Übers. entnommen aus Schmidlin, 2007, S. 110): »Elisae | Eliso ‫ש‬ idem nomen gerenti | tamque arctè ei adhaerenti, ut | sibi per vim vindicare velle | promissum Spiritum videretur | geminatum reliquit | quasi pallio involutum [...].« »Dem Elisa,/ der, elidiert man das Schin, denselben Namen trug / und ihm [scil. Elia] so eng anhing, dass/ es den Anschein hatte,/ als wolle er sich den versprochenen Geist mit Gewalt an-eignen,/ hinterließ er (Elia) seinen zweifachen,/ gleichsam in einen Mantel eingehüllten [Geist] [...].« Schmidlin hat bei seiner Erfindung also fälschlich an die Schreibung !‫ אלישה‬gedacht (anstatt an das korrekte !‫)אלישע‬, die in der hebräischen Bibel für eine andere Person gebraucht wird (den Sohn Jawans; s. Gen 10,4; 1 Chr 1,7; Ez 27,7). Schmidlins Namensspiel ist übrigens formal der bekannten Namensspekulation Reuchlins nachgebildet, der zufolge der Name Jesu durch den Buchstaben !‫( ׁש‬Schin) den allerheiligsten Gottesnamen (das Tetragramm) ›öffnet‹ und auch am Beginn der Pictura docens angespielt wird (Zeile 31–33; s. dazu hier im monographischen Teil, S. 90 u. 112, jeweils in der Anm). Denselben poetisch-onomatologischen Kunstgriff s. in Pictura docens, Z. 685–687: »IEHUDAH | Daleth delato, nomen DEI eius habebis. | Quod insertum Ipsius ianitorem indicat«. In diesem Fall ist das Namensspiel auch im Hebräischen überzeugend (und bietet darum Steudner auch keinen Anlaß zu Kritik), denn der Name Judas (!‫ )יהודה‬wird durch Fortlassung des Dalet (!‫ )ד‬zum Tetragramm (!‫)יהוה‬. Siehe in seinem Brief an Strölin vom 29. Mai 1662; WLB Cod. hist. fol. 551, S. [68r ]–[70v ], [68v ]: »Respectu habito ad communem pronuntiationem, verba sic poni possunt ›(Eliso s idem vulgô nomen repraesentanti)‹ vel linea haec tota deleri.«

390

6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

(mit dem Kommentar). Zur Rolle Aldrovandis als wichtigem zoologischen Gewährsmann s. a. im monographischen Teil, hier S. 134 u. 225, zu Jonston s. hier S. 135 (Anm.) u. 225 (Anm.). Näheres zum erwähnten Werk von Grundmann sowie zu den Baronessen Auwinghus und der namenlosen Bediensteten Antonias konnte bislang nicht ermittelt werden. Strölins spezieller Hinweis auf den Anhang von Aldrovandis Werk bezieht sich auf Aldrovandi, 1646, Bd. 3, S. 451, wo der Vogel »Eme« abgebildet und beschrieben wird. Siehe Aldrovandi, 1637, S. 541, hier Abb. 60. Noch ausführlicher ist die Schilderung in Jonstons Historiae Naturalis De Avibus Libri VI. (Jonston, 1650, Bd. 3, S. 172–174).160 [15] ›Siebzig Wochen sind festgesetzt‹ (Dan 9,24). [16] Die Anfangsbuchstaben (capita) der drei Worte können als geheimer Hinweis auf den Ort gedeutet werden, an dem sich der Prophet aufhielt: !N°‫ׁשּוׁש‬, S(ch)us(ch)a(n), die Winterresidenz der persischen Könige (s. Dan 8,2), sofern man defektiv (ohne Vokalbuchstaben) schreibt, hier also ohne !‫ ו‬, nämlich !N‫שש‬. [17] Das meint ›aus Absicht, Berechnung‹. [18] Vgl. Raschi zu Jes 7,14: »ecce mulier, uxor mea, !‫ הרה‬i. e. concipiet hoc annô, qui fuit annus quartus (regni) Achasi.«161 [19] In Schickard, 1630, S. 12, wird anläßlich der Besprechung des Mem das Phänomen des irregulären Mem clausum (!M) im Wortinnern erwähnt: Dies sei vom Heiligen Geist so gewollt, aber ein Geheimnis, das hier nicht behandelt werden könne. Strölin bezieht sich auf den folgenden Kontext bei Schickard (Schickard, 1624, S. 76f.): Ad tres enumeratas Cabalae species [Gematrie, Notarikon u. Temura; R.G.], videtur & Quarta pertinere quam !‫ צוריית‬Z U R I I T H Figurativam nuncupant: ubi vel ex ipsâ & antiquâ literarum picturâ || quidpiam eliciunt; vel characteres illos veteres, cum novis & arcanis permutant. Sunt igitur duo ejus modi. Prior, qui circa figurarum allusiones occupatur. illius officium est causas dicere, cur aliquae literae caeteris Majores, aliae minores, jam ab antiquo & semper exaratae fuerint? cur Nun alicubi inversum? Ayn verò supra lineam suspensum sit? & quae sunt talia, cum stupore legentium, in Bibliis etiamnum hodie visa. Jtem cur in illo Esaiae 7. v. 14. Ecce Virgo concipiet, vox ‫ה‬M‫ העל‬cum Mem clauso in medio, praeter morem linguae olim scripta fuerit? quod Christiani Cabalistae de perpetuâ Mariae Virginitate explicant. de quo Munsterus in notis ad illud caput, & rursus iisdem fere verbis, in praefatione super Mattheum Hebraico–Latinum, utrobique contra Judaeos

160

161

Zu dem beiläufig erwähnten hebräischen ›Emim‹ s. Dtn 2,10f. (Vulgata): »Emim primi fuerunt habitatores ejus, populus magnus, et validus, et tam excelsus, ut de Enacim stirpe, quasi gigantes, crederentur, et essent similes filiorum Enacim. Denique Moabitae appellant eos Emim.« Siehe auch Gen 14,5. Übers. nach Breithaupt, 1713, S. 54 (!‫)העלמה אשתי הרה השנה הזאת והיא היתה שנה ארבע לאחז‬.

6.9 Strölin an Steudner am 14. April 1662

391

‫ סתומה ובודאי הוא רמז שהיא היתה‬M"M ‫ה‬M‫ של העל‬M"‫ שהמ‬N‫ יונת‬M‫ועוד תמצע בקבלה בתרגו‬ ;‫ הלידה ואחד הלידה‬M‫בתולה קוד‬ Porrò invenies in Cabala, è Thargum Jonathae (quamvis autem hodie in nostris Exemplaribus secus sit, non tamen puto tantum virum [vinum im Druck; gemeint ist Sebastian Münster; R.G.] haec absque fundamento asseverasse, nedum Judaeis, qui eum vanitatis convincere potuissent, tam constanter objectasse), quòd litera Mem vocis haalMah sit clausa (M qualis in fine pingi solet) certè id innuit, eam fuisse virginem ante partum & post partum.

Abgesehen von der Bemerkung in runden Klammern (»quamvis autem [...] objectasse«) bietet Schickard hier eine Übersetzung des vorangehenden hebräischen Zitats aus Münster.162 [20] Hainlin bietet in seiner originellen mystischen Chronologie163 für die Geburt Christi folgende Datierung an (Hainlin, 1646, S. 50) »Ante Epocham Christianam. 7. [...] Mystico 4214.«, für Christi Passion dann den 23. Apr. im Jahr (ebd., S. 56) »Epochae Christianae. 34. [...] Mystico 4256.« [21] Siehe Hos 13,14 in der lat. Vulgata: »ero mors tua o mors«. [22] Strölin kannte diesen hermeneutischen Kernsatz wohl aus Schickard, 1624, S. 64: Cur, inquiunt Cabalistae, inter Judaeos occultè Christianizantes, Scriptura quae nihil inane vel in cassum tradit, sacrarum fabricarum Quantitates tàm sollicitè nobis inculcat? !‫ בה‬M‫ תלויי‬M‫ גדולי‬M‫ הררי‬N‫ בתורה אפילו אות אחת שאי‬N‫אי‬ non est in Lege vel unica litera, à qua non maximi montes suspensi sint.

162

163

Siehe Münster, 1546, zu Jes 7,14; ferner sein Evangelium secundum Matthaeum in lingua Hebraica cum versione latina, atque annotationibus [...] una cum Epistola D. Pauli ad Hebraeos, hebraice et latine, Basel 1557 (von mir nicht eingesehen). Eine nähere Erforschung steht noch aus und kann hier nicht geleistet werden. Sie müßte Hainlins Stellung zu Scaliger, Kepler und Maestlin ebenso einbeziehen wie seine Auseinandersetzung mit zeitgenössischen Kritikern und auch seine Rezeption nicht nur bei Strölin, sondern auch noch bei Johann Albrecht Bengel. Zu Hainlin und Strölins Beziehung zu ihm s. Strölin, 1664 (L), hier S. 399 (Kommentar). Einen ersten Eindruck von der zeitgenössischen Wirkung Hainlins vermittelt Fischlin, 1709, S. 160f.: »Abstrusioris || ingenii & doctrinae virum fuisse vel sola Chronologia Mystica demonstrat, quae si M. Hesenthalero fides, tot literati orbis Heroibus, Lansio, Salmasio, Vossio, Heinsio, Comenio, Usserio, Forbesio aliisque stuporem incussit, & calculum album extorsit, cum ab illo in applicatione hebdomadum Danielis id viderent praestari, quod hactenus omnibus Chronologis fuit impossibile. Quanquàm alii non extremae caveae Chronologi subtiliorem, quàm solidiorem conatum illum fuisse putârint, rationibus moti haud nullis. Quos inter fuére Tobias Wagnerus (qui tamen eandem postea sententiam fovisse scribitur) & Hieronymus Kromajerus, Theologus Lipsiensis: Heinlinius verò vindicias suae calculationis adornavit, deque suggestione illius sibi divinitus factâ tàm certum se affirmavit, ut ad conbustionem libri sui publicam, si res aliter sese habeat, provocaverit; cujus placita hodiernum [hodienum im Druck] Viri quidam docti adoptare incipiunt.«

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

Buxtorf zitiert ihn in seinem kleinen Hebräisch-Wörterbuch.164 Auch in der Pictura docens, Z. 1701, wird auf ihn angespielt (zu Deutsch: Im Gesetz gibt es keinen einzigen Buchstaben, an dem nicht gewaltige Berge aufgehängt sind). [23] Siehe Hos 13,14 in der lat. Vulgata: »ero morsus tuus inferne« (Unterwelt, ich will für dich ein Stich [eine tödliche Krankheit] sein). [24] Die eben zitierten drei Worte aus Hos sind folgendermaßen gematrisch zu summieren: 1+5+10=16; 100+9+2+500=611; 300+1+6+30=337; zusammen = 964. Zur Gematrie s. bereits hier weiter oben im Kommentar. [25] Zur Datierung von Jesu Tod auf das mystische Jahr 4256 s. hier weiter oben. Strölin subtrahiert von diesem Datum die Zahl 964 und kommt auf das mystische Jahr 3292 als Datum, an dem Hosea in seinem prophetischen Ausspruch einen versteckten Hinweis auf Jesu Passion gegeben habe. Strölin vergleicht dann diese mystische Datierung mit dem anderweitig errechneten Jahr 3382, für das Hainlin nun zwar keine gesonderte Eintragung bietet, das jedoch mitten in die Zeit von Jesajas Auftreten nach Hainlins Analyse fällt,165 kommt damit auf eine Differenz von 90 Jahren zwischen Hoseas Ausspruch und diesem mystischen Jahr 3382 und folgert daraus, daß die gesamte Berechnung plausibel sei (nach allgemeinem Konsens der Exegeten sei Hosea ja einige Zeit vor Jesaja aufgetreten). [26] Zur vergleichbaren Formulierung !‫א‬³‫י‬¢‫ עַנžּתֹונ‬M‫ יֹו‬s. hier im monographischen Teil S. 123 (Anm.). [27] Siehe auch Strölins Brief an Spener vom 6. Januar 1663, a. E., hier S. 394. Zum frühneuzeitlichen Sprachgebrauch s. Kirsch, 1774, T. 1, s. v. Symmysta, S. 2781: »ein Mitpfarrer, Mitlehrer.«166 [28] Dieselbe Selbstbezeichnung s. in Strölins Brief an Schmidlin vom Juli 1661 a. E., hier S. 375, und den Kommentar dazu. 164

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Siehe Buxtorf, 1658, Praef. S. )(4v : »At verò Hebraicae linguae, in qua Verbum Dei generi humano primò revelatum, proprietas ita comparata est, ut in brevi dictione, variam sententiarum vim & sensus profundos invenire liceat. Illud tritâ sententiâ Hebraei indicant, cum dicunt [...].« Beide Autoren machen keine Angabe zur Fundstelle. Sie konnte bislang nicht ermittelt werden. Siehe Hainlins Datierung des Beginns von Jesajas prophetischer Tätigkeit auf das mystische Jahr 3367, in dem er auch den Untergang für das Nordreich (Israel im Gegensatz zu Juda) innerhalb eines Zeitraums von 65 Jahren vorhergesagt habe (Hainlin, 1646, in den Jahrestabellen): »Esaias munus exorsus, ad πανολεθρίαν [scil. das gänzliche Verderben; R. G.] Israël. 65 an. praestituit.« Siehe ergänzend Gruhl, 2007b, S. 228, Anm. 115; ferner Naogeorg satura 5.2: »Sedulò procurantque scholas mystasque«; das Lobgedicht von Johann Förster auf Leonhard Hütter: »HUTTERE CUSTOS Mystaque pervigil Sionis« (Hütter, 1608, Vorspann); das Lobgedicht von Johannes Gryphiander auf Walther (Walther, 1668, Vorspann):

6.9 Strölin an Steudner am 14. April 1662

393

Gemeint ist Münster am Neckar, wo Strölin zuletzt Pfarrer war.167 Den Montag (%) nach (dem Sonntag) Misericordias Domini168 nennt Strölin den Festtag, an dem man der Taufe Antonias gedenkt (»Die festivo Antoniano Baptismati revertente«).169 Durch die Quellen zweifelsfrei gesichert war bislang nur Antonias Geburtstag, der 24. März jul. (3. April nach dem neuen Stil), also der Mittwoch vor dem Palmsonntag jul. im Jahr 1613.170 Zu Antonias Tauftag konnten bislang nur zwei widersprüchliche Angaben von Zeitgenossen beigebracht werden: Freitag, der 16., oder Montag, der 19. April jul.171 Raff hält den Montag für das zwar quellenmäßig besser gesicherte Datum, vermutet jedoch den Sonntag davor (Misericordias) unter Berufung auf den Brauch des Herrscherhauses, möglichst Sonntage zur Taufe zu wählen, »sofern keine Nottaufe erforderlich wurde oder etwa gleichzeitig ein Hochzeitsfest stattfand.«172 Nunmehr darf aufgrund der vorliegenden Aussage Strölins der folgende Montag, also der 19. April jul. 1613, als gesichert gelten. [31] Zur Bezeichnung als »Schreyer« s. Strölin, 1664 (L), S. 30, hier S. 400. [29] [30]

Macte hâc opellâ, Mysta Dei optime, Et veriorem fontibus ex sacris Sensum explicare perge nobis, Atque procul removere nugas: 167 168

169 170

171 172

Siehe dazu Strölin, 1664 (L), S. 30, hier S. 399. Das ist der Montag nach dem 2. Sonntag nach Ostern; s. zur Benennung: »Misericordias Domini in aeternum cantabo« (Ps 88,2 Vulgata). Zur Datierung s. die übernächste Anm. Den Todestag der hl. Antonia (am 26. April jul.) kann Strölin nicht gemeint haben. Siehe WLB Cod. hist. fol. 911, S. [27–28] u. Raff, 1993, S. 331, Anm. 4. Zur Osterfestberechnung für dieses Jahr s. etwa Bach, 1907, S. 71 (greg. Ostersonntag am 7.4. = 28.3. jul.; jul. Ostersonntag am 4.4. jul. = 14.4.). Für das Jahr 1662 s. ebd., S. 70 u. 72 (gleicher Termin: 30.3. jul. = 9.4.). Der Montag nach dem 2. Sonntag nach Ostern fiel 1662 also auf den 14. April jul. (= 24.4.). Siehe Raff, ebd. Siehe Raff, ebd., Anm. 7.

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

6.10 Strölin an Spener am 6. Januar 1663 Prinzessin Antonia habe Strölin damit betraut, Spener ihren Dank und ihre Wertschätzung für sein Gedicht über die zehn Sefirot und die göttlichen Eigenschaften auszudrücken, ein Gedicht, das eine Kurzfassung von Antonias Lehrtafel biete. Für Speners Übernahme einer Predigerstelle (wohl der Spitalpfarrei in Straßburg) wolle Antonia von Gott reichen Segen erflehen. Spener möge die beigefügte Ausgabe von Homburgs geistlichen Liedern als ihr Geschenk annehmen. Gleichzeitig bitte sie ihn, ihr nach Möglichkeit Näheres zur gottesdienstlichen Musikpflege im alten Israel mitzuteilen, welche Abraham Harophe (alias Portaleone, in seiner hebräisch verfaßten Enzyklopädie) behandelt habe. Schmidlins Pictura docens liege derweil dem Konsistorium zur Begutachtung vor, und man hoffe auf eine rasche und günstige Reaktion. Textzeuge: Handschrift (MS): WLB Cod. hist. fol. 551, S. [63r ]

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Clarissime simul et Humanissime Domine, Amice exoptatissime. Cum pio felicis Novi huius Anni auspicate voto gratiosissimam[2] Serenissima Nostra Domina Domina ANTONIA Ducissa W[ürttembergiae]. et T[ecciae]. ex se Salutem internuntius meus calamus, mens et manus Vestrae charitati transscribere iussus est,[3] denunciando simul gratissimum cessisse Suae Celsitudinis pietati, ingeniosissimum Vestrum per X. Sephiroth Votivum Nominum et Attributorum Divinorum delectabile Carmen, quod totius Operis Antoniani Breviarium, simul et pijssimi Ingenij compendium iure merito appellare placebat[4] inque benevolentiae suae certissimum Symbolum, Eadem Serenissima Vestrae Humanitati ad Officium Ecclesiasticum[5] quaeque tum sanctificantia, tum administrantia superna dona ac bona animitus comprecatur in Ter Sanctissime Benedicti Numinis Gloriam redundatura Ecclesiaeque aedificationem, Vestrum item proprium commodum longum perennatura, addito Sacrarum, devoti Homburgij cantionum libro, quem gratum ex Sua Manu Vobis esse cupit.[6] benevoleque rogat se quid singularum ex Hebraeo de antiqua Sacra Musica, quo nomine R[abbi]. Abrah[am]. Harophe[7] summariam interpretationem de instrumentis et Melodia recommendat, observationum ad amicas Vestras Manus fiet, amice communicando, eas transscribere haud gravari velitis.[8] Opus ipsum Sacrarum Inscriptionum Latinum, iam sub Censuram felici omine Dominae Württembergicae superiori Ecclesiastae D[omino]. Zellero traditum, proximè ab eodem reddendum, et luci feliciter exponendum, lubentissime expectatur approbandum.[9] Ego pias meas preces, et cum animo deditissimo devota vota feliciter, terque beate transigendi huius Anni, Vitaeque Vestrae curriculi, amicus ad Stipulator[10] iungo! faveat quibusque bonis Triunus[11] Anno qui est

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6.10 Strölin an Spener am 6. Januar 1663

IVbILaeVs antωnIanae aetatIs DIVInâ, (.LVCIs MvnDI.) fovente CleMentIâ DVLCIßIMVS LVCIDIssIMVs![12]

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Münster[13] 6. Januarij 1663. R[everendae].V[estrae]. charitatis deditissime amicissimus Symmysta[14]

Kommentar Bei der Handschrift handelt es sich offenbar um ein ausgearbeitetes Briefkonzept oder eine Kopie, die Strölin für sein Archiv verfertigte. Das ist vor allem erkennbar am Fehlen der Unterschrift Strölins und am Ort der Adresse. Sie befindet sich nicht auf der Rück- bzw. Außenseite des Schreibens, sondern direkt unter der letzte Zeile (»Symmysta«) am linken Blattrand. Sie lautet: »Reverendo plurimum et clarissimo | Domino | M[agistro]. Philipp Jacobo Spenero | Ecclesiae Xenodochialis | Ministro vigilantissimo | Domino Amico suo longe | exoptatissimo. | Argentoratum.« Diese Adresse ist auch die einzige Stelle des Schreibens, wo der Adressat ausdrücklich namentlich genannt wird, der später berühmt gewordene Theologe Philipp Jakob Spener (1635–1705).173 Spener wird als Berater Antonias von Strölin bereits in seinem Brief an Schmidlin vom 6. Mai 1662 a. B. erwähnt174 Speziell zum Lehrtafel-Projekt hat er nachweislich neben Steudner eine stattliche Reihe von Verbesserungsvorschlägen zur Pictura docens beigetragen, welche Strölin und Schmidlin gemeinsam prüften und zu einem guten Teil auch in die Pictura einarbeiteten.175

173

174 175

Siehe Gruhl, 2007a, S. XXI, Anm. 61, mit weiteren Literaturhinweisen; beachte bes. Wallmann, 1986, Kap. III. u. IV.; ergänze jetzt v. a. Wallmann, 2008a, sowie den Art. »Spener«. In: Killy-Kühlmann, Bd. 11 (2011), S. 101–104 (Dietrich Blaufuß). Siehe WLB Cod. hist. fol. 551, S. [60r-v ]. Näheres dazu s. hier S. 212 sowie in der Einleitung des Kommentars zu Strölins Brief an Steudner, hier S. 382.

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

Der vorliegende Text ist meines Wissens das letzte Schreiben von Strölins Hand, das die Zeiten überdauert hat.176 Zur Leichenschrift auf Strölins allzu frühen Tod im Jahr 1663 hat neben Steudner auch Spener ein Trauergedicht beigesteuert.177 Eine erste, nicht gänzlich fehlerfreie Transkription des vorliegenden Briefes hat Häußermann, 1966, S. 119f., vorgelegt. Das läßt sich übersetzen mit: ›Tue es mit mir vereint!‹ Wenn man die Buchstaben nach den darüber geschriebenen Zahlen umstellt ergibt sich der Name ›Jesus‹, !‫ישוע‬. Diese hebr. Schreibung des Namens Jesus ist eine der zeitgenössisch üblichen Transkriptionen und wird u. a. auch von Antonia verwendet.178 [2] Verbinde mit »Salutem«. [3] Strölin übernahm diese Aufgabe auch gegenüber Steudner. Siehe Strölins Brief an Steudner vom April 1662 a. B., hier S. 382 mit Kommentar. [4] Dieses Gedicht Speners ist offenbar verschollen.179 Aber ein anderes hat sich erhalten, das Spener als Epicedium für die Leichenschrift auf Strölin beisteuerte. Siehe dazu hier S. 399. Mit dem ›opus Antonianum‹ ist die Lehrtafel gemeint. »X. Sephiroth« bezeichnet die zehn kabbalistischen Sefirot. Siehe dazu hier S. 17 u. 24, ferner 7 u. 266. [5] Das bezieht sich höchstwahrscheinlich auf die Stelle als Spitalpfarrer in Straßburg, welche Spener dann aber doch nicht antrat.180 Als sie die vorliegenden Glückwünsche formulierten, haben Antonia und Strölin von Speners Rückzieher offenbar noch nichts gewußt. Erst Ende März des Jahres 1663 nahm Spener die Stelle eines Freipredigers in Straßburg an.181 [6] Zu Ernst Christoph Homburg (alias Erasmus Chrysophilus Homburgensis; 1605–1681) s. Ernst Kelchner: Art. »Homburg, Ernst Christoph«. In: ADB, Bd. 13, S. 43f., 44: »Seine geistlichen Lieder erschienen zu Naumburg 1658, 1 Theil mit 100 Liedern, und zu Jena 1659, 2. Theil mit 50 Liedern, und zwar wurde der erste Theil mit Melodien von Werner Fabricius [...] und der zweite Theil von Paul Becker zu Weißenfels versehen.« Der vorliegende Brieftext sollte also einer Sendung eines Exemplars der genannten Liederausgabe beigelegt werden. [7] Abraham Harophe ist der unter frühneuzeitlichen christlichen Gelehrten übliche Name für den italienisch-jüdischen Arzt und Enzyklopädisten Abra[1]

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Strölin starb am 31. Januar, einem Samstag. Siehe dazu Strölin, 1664 (L), hier S. 399. Siehe Strölin, 1664 (L), Epicedium Nr. VII., G 2v – 3r . Siehe WLB Cod. or. 4° 7, S. [4v ], wo zusätzlich auch die Vokalzeichen beigegeben sind. Siehe dazu hier S. 90. Siehe dazu Wallmann, 1986, S. 151f. Siehe ebd., S. 159f., ferner hier die Einleitung zum Kommentar. Siehe dazu ebd., S. 163f.

6.10 Strölin an Spener am 6. Januar 1663

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ham ben David Portaleone (1542–1612).182 Im Jahr 1612 ließ Portaleone in Mantua ein Buch mit dem Titel !M‫( שלטי הגבור‬Shilte ha-Gibborim, ›Schilde der Starken‹; vgl. Hld 4,4) erscheinen. Das Werk, de facto eine Art Enzyklopädie, gibt sich als Vermächtnis und Erbauungsbuch für Portaleones Söhne und enthält hauptsächlich – »nach dem Ritual des Tempeldienstes stilisiert«183 – drei Zyklen von Lesungen aus Bibel, Talmud und Sohar. »Damit sich seine Leser leichter vorstellen können, sich im Tempel zu befinden, stellt Portaleone [...] eine minuziöse Beschreibung [...] der Tempelanlage [...] und der liturgischen Vorschriften voran.«184 Die Kapitel 4–14 dieser Beschreibung befassen sich mit der Tempelmusik und bieten eine ausführliche Untersuchung der in Bibel und Mischna erwähnten Musikinstrumente. Das Buch war offenbar nur in einer geringen Auflage gedruckt worden und schwer aufzutreiben. Breitere Bekanntschaft unter christlichen Gelehrten sicherte ihm u. a. die Berücksichtigung in Athanasius Kirchers Musurgia universalis (Rom 1650). Auch Antonias Interesse dürfte durch Kirchers Behandlung geweckt worden sein.185 [8] Nach Wallmann hat Spener der Prinzessin auf dieses Verlangen hin aber nichts bieten können.186 [9] Gemeint ist die Pictura docens. Antonia hatte Spener gebeten, sie vor der Übergabe an die Zensur vorbeugend kritisch zu lesen.187 Das tat er auch und übermittelte dann Verbesserungsvorschläge.188 Oetinger berichtet von einem Vermerk über die am 18.12.1663 erteilte Druckerlaubnis auf dem Titelblatt des Exemplars der Pictura docens, das ihm vorlag.189 Christoph Zeller (1605– 1669) war unter Eberhard III. Hofprediger und Mitglied des Stuttgarter Konsistoriums sowie der Zensurkommission, dann auch Abt von Bebenhausen. Er hielt die Leichenpredigt auf Johann Valentin Andreae.190 Vorausgesetzt Oetingers Angabe ist zuverlässig, hätte sich das Konsistorium sehr viel mehr Zeit gelassen, als mit »proximè« hier erhofft wird. Die Pictura docens kam dann aus unbekannten Gründen nicht mehr zum Druck. [10] Zu »ad Stipulator« s. den Brief Strölins an Steudner vom 14. April 1662, a. E. mit Kommentar, hier S. 382. 182 183 184 185 186 187

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Zur Biographie s. jetzt Miletto, 2004, S. 1–14. Ebd., S. 17. Ebd., S. 18. Siehe zur zeitgenössischen Rezeption ebd., S. 22–25. Siehe Wallmann, 1986, S. 151f. Siehe die Bemerkung zu den Herren Zensoren im Brief Strölins an Schmidlin vom 6.5.1662 (WLB Cod. hist. fol. 551, S. [60r-v ]). Zur Zensur s. a. hier 213. Siehe dazu hier die Einleitung zum Kommentar mit weiteren Verweisen. Siehe Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 255, Bd. 2, 538; Gruhl, 2007a, S. XXXI., s. dazu hier S. 213 u. 30. Siehe Andreae, 1654 (L).

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

Anspielung auf den dreieinen Gott des christlichen Glaubens. Es handelt sich um eines der im Barock überaus beliebt Chronogramme.191 Die Großbuchstaben ergeben, als römische Zahlzeichen gelesen, zusammen das Jahr 1663, in dem Antonia fünfzig Jahre alt wurde.192 »LVCIs MvnDI« spielt dem Wortsinn nach an auf Joh 8,12 u. 9,5, wo lux mundi als Selbstbezeichnung Jesu Christi eingeführt wird. [13] Gemeint ist Münster am Neckar, wo Strölin zuletzt Pfarrer war.193 [14] Zu dieser Bezeichnung siehe Strölins Brief an Johann Steudner vom April 1662 a. E., hier S. 382, mit dem Kommentar dazu. [11] [12]

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Zur poetischen Spielform des Chronogrammes s. den Art. »Kryptogramm«. In: RDL, Bd. 2 (2000), S. 349–351 (Joseph Kiermeyer-Debre). Zu Antonias Lebensdaten s. hier S. 1. Weiteres zu Chronogrammen im Umkreis des Lehrtafel-Projekts s. hier S. 66 (Anm.), 123 u. 124. Siehe dazu Strölin, 1664 (L), S. 30, hier S. 399.

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6.11 Schmidlins Nekrolog auf Strölin

6.11 Schmidlins Nekrolog auf Strölin Textzeugen: Druck (DR) = Strölin, 1664 (L), S. 10, 28–34; das Lied »Seelen=Frewd« auf dem unpaginierten Blatt danach recto und verso, als weitere Textzeugen in seinem Apparat: E = Epitaphbild des Teinacher Schreins; R = Raith, 1673, S. 14

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[10] [...] Der selbe hat nicht die Güter dieser Welt/ nicht Wollust/ nicht eitele Ehr gesucht; (Massen[1] er seinen Namen vom Stroh derivirt,[2] und wie wol Gottes Krafft mächtig bey ihm war/ sich selbst für nichts geachtet/ sondern GOTT und seinen Dienst/ und seine Ehr/ daß er solche in all seinem Thun befürdern/ und ihme nicht alleine hier in seiner Kirchen/ bey seinem Altar dienen/ sondern auch dermahlen eins in der unbeweglichen Hütten GOttes ewiglich bleiben möchte.[3] Welchen Zweck er bey wolmeinender Erklärung deß Geheimnisreichen/ Hochfürstlichen Wundergemählts vilfältig an Tag gegeben/ wann er bey Betrachtung deß innersten/ deß Hertzen/ deß Allerheiligsten/ eine sonderbare Frewd bezeuget/ und bey nahem verzuckt gewesen:[4] Daß er also nach Gottes Lob und Preiß/ sich wie ein Hirsch durstig und brünstig erwisen;[5] Daran dann billich seine Zuhörer ein Exempel nemmen/ und nach dem Zweck/ denn er ihnen gewisen/ sich strecken/ und einig trachten sollen.[6] [...]

[28] PERSONALIA Nun wil die Christliche Schuldigkeit erfodern/ daß wir auch dessen/ mit wenigem gedencken sollen/ deme zu letster Ehr/ dise hochansehliche Versammlung angestellet/ dise einfältige Sermon gehalten worden. Nämlich deß weiland Ehrnvesten und Wohlgelehrten Herrn/ M[agistri]. Johann[is]. Jacob Strölins seelig/ gewesnen treweyferigen Seelsorgers diser Christlichen Gemein; Derselbe nun ist vor ungefähr 42. Jahren/ und zwey Monaten/[7] zu Stutgart von Christlichen und Gottseeligen Eltern/ in dises Menschliche Elend erzeuget worden. Sein seliger Vatter war/ Herr M[agister]. Joh[hannes]. Strölin/ || [29] Collaborator[8] deß Fürstlichen paedagogii zu Stutgart: Seine Mutter/ Fraw Anna Schillerin/ von Ulm/[9] eine berühmt=Gottseelige Matron; Welche Eltern diß ihnen von GOTT geschencktes Kind/ wie Hanna ihren jungen Samuel/ gleich bey der Geburt/ GOtt gelobet/ und zu seinem Kirchen=Dienst gewidmet; Welches Hertzgelübde sie auch dem Höchsten getrewlich bezahlet.

20–21 Derselbe ] Defuncti Nativitas. Marg. im DR

22 Eltern ] Parentes. Marg. im DR

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

Dann nachdem sie wol gewust/ daß diß ihr liebes Kind ohne die heilige Tauff für kein waares Glid deß Leibs/ oder Mitgenoss der Hütten Christi/ zu achten/ so haben sie durch solch heil[iges]. Sacrament/ als ein ὄχημα πρὸς οὐρανὸν, wie es Cyrillus[10] nennet/ ja als die Thür und Eingang zur Hütten Gottes/ dasselbe auch dahin befürdert/ und also zu GOtt und seinem heiligen Berg gebracht; Nachgehends auch also aufferzogen/ und zu den Schulen angehalten/ daß es nicht allein in solcher Hütten bleiben/ sondern auch als ein getrewer Diener vor GOtt stehen/ und bey seinem Altar dienen möchte. Nachdem er nun zu Stutgart stattliche Dona[11] in der Schul sehen lassen! [sic] (darumb er auch in dem 14. Jahr[12] seines Alters in das Kloster Bebenhausen/ und noch selben Jahrs nacher Tübingen in das Fürstliche Stipendium promovirt[13] worden/) hat Er auch alle seine Gedancken dahin gerichtet; Daß Er zu seinem GOtt kommen/ bey seinem GOtt bleiben/ für[14] seinem GOtt dienen/ seines Gottes Ehr befürdern/ seine Hütte ziern/ und erhalten möchte: Und darumb unterließ Er auch nichts an seinem Fleiß/ mit seinem Gebett und Flehen daß GOtt sein Liecht/ und seine Warheit von oben senden/ und Ihn auff allen Wegen laiten wolte: Welches Er auch von seinem Gott vergnüglich erhalten; Gott sandte ihm das Liecht seiner Gnaden/ segnete sein Studiren/ und führete ihne/ also auff seinen Wegen/ das; nachdem || [30] kläglichsten Jammer dises Herzogthumbs/[15] primam; Anno 1639. aber secundam Lauream[16] bekommen: Und sich hernach (die Mathematica Studia zwar nicht verlassend/[17] ) mit grossem Ernst und Fleiß zu dem Studio Theologiae begeben; Er also durch Gottes Gnad dabey proficirt,[18] daß Er Anno 1645. zur fünfften Class der ansehnlichen Schul zu Stutgart/ (dabey Er auch nicht ohne grossen Ruhm und Nutzen die Cantzel in das fünffte Jahr/ Vicario modo versehen/) gnädigst bedacht; Von dannen Anno 1650. zu dem Diaconat Cantstatt promovirt worden/ deme Er dann mit sonderbahrem[19] Belieben einer gantzen Gemein/ biß in das eilffte[20] Jahr recht eifferig vorgestanden/ biß Er Anno 1661. und also vor sibenviertel Jahren/ zu diser Christlichen Gemein gnädigst verordnet worden.[21] Wie nun der Allerhöchste ihne geleitet/ und geführet zu seiner Kirchen=Hütte/ daß Er da sein Prediger seyn solte; So hat Er ihme auch eine eigne Hütte bescheret/ und in den Ehstand geleitet/ wie Er dann sich Anno 1650. und also in dem 30. Jahr seines Alters/ mit Jungfrawen Anna Barbara/ deß auch Ehrwürdig= und Wohlgelehrten Herrn/ M. Jodoci Schreyers S[eeligen]. gewesnen wohlverdienten Diaconi, der benachbarten Reichs=Stadt Eßlingen/ ehlichen Tochter/ ehelich eingelassen/ mit deren Er inner 12. Jahrn/

29 Dann ] Baptismus. Marg. im DR 34 Nachgehends ] Studiorum Scopus. Marg. im DR 48 Lauream ] Gradus. Marg. im DR 50 Er ] Promotio. Marg. im DR 51 Class ] 1. in Scholam. Marg. im DR 52 Cantzel ] 2. ad Diaconatum. Marg. im DR 55 biß ] 3. ad Parochiam Monast[erii]. Marg. im DR 59 dann ] Conjugium. Marg. im DR

6.11 Schmidlins Nekrolog auf Strölin

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erzeugt 8. Kinder/ 4. Söhn/ und 4. Töchter/ davon noch 2. Söhnlein/ und 2. Töchterlein bey Leben; Welche der Allerhöchste GOtt/ als der rechte Vatter über alles das Kinder heisst/ reichlich trösten/ Väterlich versorgen/ und gnädiglich erhalten wolle.[22] Wunderbahrlich hatte ihne GOtt der HErr so Tags/ so Nachts geführet/ und wider Geist= und Leibliche Feind/ wunderbahrlich beschützet. Wie dann der leidige Teuffel den jenigen absonderlich gram ist/ die GOtt am geflissensten dienen; Das/ was himmlisch ist/ am embsigsten suchen || [31] und seinem verfluchten Höllenreich am mehsten Abbruch thun: Denen er nicht allein durch seine liebe getrewe/ vil Leids zufüget: Sondern auch selbsten durch schwere Versuchung ernstlich nachstellet; Dieweil er nun innen worden/ daß unser seeliger Mitbruder/ bald von Anfang sich darauff beflissen/ und solche Gaben sehen lassen/ die ihm und seinem Reich nicht wenig nachtheilig seyn möchten: So hatt er ihme auch bey Zeiten grausam zu gesetzet; Wiewol er allezeit durch das Schwerd deß Geists/ ritterlich ist abgetrieben worden. Es ist aber Ehrngedachter unser Hertzgeliebter seel[iger]. Mitbruder/ durch fast täglichen Kampff nur desto muthiger und stärcker worden/ daß Er dem leidigen Teuffel zu Trutz/ seinem GOtt aber zu Ehren/ desto mehr Fleiß und Eiffer in Kirchen=Geschäfften/ und auch sonsten sehen lassen. Wie Er dann die Zeit/ so Er neben tragenden Ampts=Geschäfften gewinnen können/ nicht auff Müssiggang: weniger Uppigkeit/ noch andere heillose Ding/ am wenigsten aber auff unehrliche Handthierung gewendet: sondern vilmehr auff rechten Verstand heiliger Schrifft/ mit deren Er auch Geist= und Weltliche Historien/ und alte Commentarios conferirt, und manch verborgene Ding gantz nutzlich erforschet; Daher Er auch alle Kost/ alle Frewden/ denen Er beygewohnet/ mit solchen Gesprächen lieblich gewürtzet. Sonderlich aber hat Er sich auch mit Orientalischen Sprachen erlustigt; Und wie grosse Frewd und Wonne Er an seinem GOtt habe/ unter anderem/ auch sonderlich mit dem bezeuget/ daß Er den jenigen Stellen heiliger Schrifft/ in dem Original-Text fleissig nachgeforschet/ welche entweder von den verstockten Juden ungereimbt wider uns getrieben; Oder von uns rechtmässiger Weiß wider sie geführet/ von ihnen aber schändlich verkehrt werden; Damit Er sie dort mit ihrem eignen Schwerd schlagen; Da aber desto kräfftiger || [32] überweisen/ und in allem/ seines Gottes Ehr befürdern möchte. Sonderbahren Lust[23] und Frewd hatte Er/ wann Er irgend wo/ Vestigia und Merckmahl deß Namens JESU in dem Alten Testament gefunden: Oder sonst auff verborgene Weiß/ wiewol nach rabbinischer Art/ doch zu ihrer der Juden eigner Beschä64 erzeugt ] Liberi. Marg. im DR 68 geführet ] Tentationes. Marg. im DR 82 Zeit ] Studia Privata. Marg. im DR 70 geflissensten ] geflissnesten DR

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

mung und Überweisung herauß bringen kondte.[24] Dise allerlieblichste Seelen=Lust/ hat hochvernünfftig wargenommen/ und hertzbegirig aufgefangen/ die Durchleuchtige Hochgeborne Fürstin und Princessin/ Princessin ANTONIA, Hertzogin zu Würtemberg und Teck/ Gräfin zu Mümpelgart/ etc. Unser allerseits gnädige Fürstin und Princessin. Dann als Er deroselben Hochfürstl. Gnaden die Fundamenta Hebraeischer Sprach weisen solte; Hat Er mit underthänigstem Fleiß nicht allein dorten nichts unterlassen/ sondern durch demütigste Unterweisung die vorhin brünstige Liebe zu Gottes Wort/ also vermehret/ daß Sie sonderbaren/ und vilen unbekandten/ Lust/ darinnen gefunden: Deßwegen auch die Trost und Lehrreiche Wort deß Königlichen Propheten Davids; (Habe deine Lust an dem Herrn/ der wird dir geben/ was dein Hertz wünschet/)[25] zu Ihrem/ recht Fürstlichen/ Symbolo, erwöhlet/ und umb seines grossen Fleisses/ so Christlichen Eiffers/ so tieffen Nachsinnens willen/ ist Er auch von Hochgedachter Ihrer Hochfürstlichen Gnaden/ mit sonderbahren hohen Gnaden angesehen worden:[26] Und wäre wol zu wünschen/ daß ein solcher Eiffer/ solch Auffrichtigkeit/ solch unverdrossner Fleiß/ Gottes Ehr außzubreiten/ die Gemeine || [33] Welche Ihme auch dises rare und hochrühmliche Zeugnus ertheilt/ daß all sein Wesen Gottseelig/ all sein Fürnemmen zu Gottes Ehr gerichtet gewesen/ und Sie bey Geistreicher Erklärung schöner Sprüch/ so sie von Ihme gehört/ manchen Vorgeschmack und Seelen=Trost deß ewigen Lebens empfunden: zu erbawen/ die liebe Jugend auffzurichten/ von vilen/ ja von allen gerühmt werden köndte:[27] Aber je seltzamer Exempel/ je kläglicher der Tod/ deß/ der also geleuchtet. Und hie soll niemand gedencken/ daß villeicht allein umb mehr Hochgedacht Ihrer Hochfürstlichen Gnaden geleisteter underthänigster Seelen=Dienst willen/ sein Lob unverdienter Weiß/ und über die Mass/ also herauß gestrichen werde: daß Er kein Engel/ sondern vil Gebrechen/ so wol/ als andere/ unterworffen gewesen/ und den Göttlichen Schatz/ in einem gebrechlichen Gefäss/ getragen/ daß wissen wir gar wol; Und hat Er auch solches vilfältig selbsten erkennet und bekennet.[28] Wir haben aber gleichwol das zu bedencken/ daß man kein Liecht unter einen Scheffel stellen[29] und rühmlicher Leuth/ die GOtt trewlich gedient/ und unter dem unartigen und verkehrten Geschlecht diser Welt/ als Liechter geleuchtet/ nicht vergessen soll.[30] So werden nun/ nicht allein ich der geringste/ sondern auch andere/ so umb ihne gewesen/ von seinem sonderbahren Fleiß/ Eiffer/ Gottes=Forcht/ und Theologischer Auffrichtigkeit/ mit gutem Gewissen zeugen können/ und müssen. Und dise höchstbetrübte Gemein insonderheit/ wird beseuffzen und beklagen/ betrawern und beweinen/ den grossen Verlust/ den sie in ihrer Schul/ so er wider auffgerichtet; In ihrer Kirchen/ so vermit110 gefunden: Deßwegen ] gefunden. : Deßwegen DR

6.11 Schmidlins Nekrolog auf Strölin

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telst seiner getrewen underthänigsten Dienst herrlich gezieret/ und mit heilsamer Lehr erfüllet; In ihrer Versamblung/ so durch seinen unärgerlichen Wandel gebessert worden/ verspühren werden: Darumb gewiß auch seine Ruhe/ Ehre seyn/ und sein Gedächtnus im Seegen bleiben/ und nicht vergehen wird. Nachdem Er nun GOtt zu Ehren/ und seinen Nechsten zu erbawen/ all seine Zeit und Kräfften[31] auffgeopfert/ und bey zunemmendem newen Menschen/ den alten geschwächt/[32] auch seinen Leib allerding[33] außgemergelt/ und über vilfältig wol= || [34] meinendes Ermahnen/ hoher und niderer Personen/ bey nächtlicher Weil seinen Studiis fast unablässig obgelegen; Hat Er die Bawfälligkeit/[34] so sich ohne das schon eine geraume Zeit bey ihme ereiget/ mercklich vermehrt/ schwere Flüsse erwecket; Welche dann von Tag zu Tag überhand genommen; Nachdem er nun gleichwol mit Kinderlehren/ Krancke besuchen/ und Predig verrichten nichts unterlassen wolte; Hat die Schwachheit also zu genommen/ daß keine durch Hochfürstliche Gnädigste Sorgfalt verordnete Mittel/ über müglichst angewandten Fleiss mehr hafften wolten: Unterdessen Er mit Gottseeligen Gedancken von seinem HErrn JESU/ und von einem seeligen End/ (wie die tröstliche Sprüch und Reimen/ welche kurtz zuvor geschriben/ auff seinem Tisch gefunden worden/) solches Augenscheinlich bezeugen/ stätigs umbgegangen; Biß Er verwichenen Sambstag Vormittag nach 10. Uhr/ vor=Hochgedacht seine Gnädige Fürstin und Princessin/[35] wie auch das gantze Hochfürstl. Hauß Würtemberg demütigst gesegnend/ und sampt seiner Seelen/ GOtt befehlend/ unter seinem und der umbstehenden Gebett sanfft und seelig entschlaffen/ und an dem Sabbathtag/ die so lang verlangte Ruh in seinem Gott erfrewlich gefunden.[36] [...]

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

I. Christus.

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Auff Seele vermähle dich ewig mit mir: Nimb Schöne/ die Crone/ die himmlische Zier. Tod/ Teuffel und Höllen=Macht hab Ich bezwungen/ Ohnendliche Frewden durch Leiden errungen. II. Braut.

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Nur (werthester JEsu!) du warest mein Lust/ Auch ausser dir war mir kein Frewde bewust/ Ich liebte dich hertzlich im Glauben ohn sehen: Für hoffen/ steth offen in Himmel zu gehen III. Engel.

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Willkommen Ihr Fromme! kompt alle zugleich/ Zu leben und schweben im seeligen Reich; Helfft preisen den dreymal Hochheiligen Namen Das A und O: singt Alleluia mit Amen! 16 leben ] Eben unter disen Worten wurde der Cörper in das Grab eingelassen. Fußnote im DR; fehlt in E und R 1 I. ] Cantus Primus E : fehlt in R 2 Christus ] CHRISTUS SPONSUS E 3 Auff Seele ] AUff Seele! R 3 vermähle dich ewig mit mir ] Vermähle Dich Ewig mit Mier E 4 Schöne ] Schone E 4 Crone ] Krone R 4 himmlische ] Himmlische E 5 Tod ] Todt E und R 5 und ] Vnd E 5 Höllen=Macht ] Hellen-macht E 5 Ich ] ich E und R 5 bezwungen ] Bezwungen E 6 Ohnendliche ] Unendliche R 6 Frewden durch Leiden errungen ] Freuden Durch Leyden Errungen E 6 Leiden ] Leyden R 7 II. ] Bassus Cantinuus [corr. Continuus] E : fehlt in R 8 Braut. ] ANIMA SPONSA. E 9 Nur ] Nun R 9 werthester JEsu ] Werthister [sic] IESV E 9 du warest mein Lust ] Du Warest Mein Lust E 10 ausser . . . mir kein . . . bewust ] Ausser Dir War Mir Kein Freude Bewust E 10 kein . . . bewust ] nicht Frewde bewußt R 11 liebte . . . im ] Liebte Dich Hertzlich Jm E 11 ohn ] Ohn E 11 sehen ] Sehen E und R 12 steth ] steht R 12 offen in ] Offen Jn E 12 zu gehen ] Zu gehen E : zugehen R 13 III. ] Cantus Secundus E : fehlt in R 14 Engel ] ANGELORUM CHORUS R 15 Ihr ] Jhr E 15 Fromme ] Frommen R 15 kompt ] Kompt E 15 zugleich ] Zugleich E 16 Zu leben ] Zu Leben E : Zuleben R 16 und schweben im ] Vnd Schweben Jm E 16 seeligen Reich ] Seeligen Reych E 17 preisen den ] Preysen Den E 17 dreymal . . . Namen ] Dreymal Hoch Heyligen Nahmen E : Dreymahl Hoch=heiligen Namen R 18 und ] Vnd E 18 singt Alleluia mit ] Singt Alleluja Mit E 18 Alleluia ] Halleluiah R

6.11 Schmidlins Nekrolog auf Strölin

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Kommentar Anders als Schmidlin, der Karriere machte und eine ganze Reihe von Casualdrucken ausgehen ließ, bekam Strölin keinen Platz in den maßgeblichen regionalen und überregionalen Personen-Lexika von Fischlin (Fischlin, 1709) und Jöcher. Seine Bedeutung als spiritus rector Antonias, (Mit-)Entwerfer und -hersteller der Turris Antoniae, der Lehrtafel und der Pictura docens, schließlich auch Chronologe auf den Spuren Hainlins blieb lange Zeit weithin verborgen.194 Nicht weniges trug dazu auch Oetingers einflußreiche Fehleinschätzung der Arbeitsverteilung im Antoniakreis bei,195 sicherlich auch Strölins allzu früher Tod, der den Gelehrtenkreis um Antonia seines Koordinators beraubte und wohl auch seine chronologischen Ausarbeitungen Entwürfe bleiben ließ.196 Strölins Briefe wurden nur soweit überhaupt bemerkt, wie sie die Arbeit an der Lehrtafel betreffen; seine teilweise erhaltene Korrespondenz mit Hainlin und Andreae ist bislang weitgehend unausgewertet.197 In der Darstellung Ezechiels auf der Lehrtafel hat man ein Rollenporträt Strölins vermutet. Doch dürfte das einer näheren Überprüfung nicht standhalten.198 Umso kostbarer ist Schmidlins Leichenpredigt. Geboten werden hier allerdings nur biographisch relevante

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Die Hinterbliebenen wußten hingegen noch, daß sie mit »demselben in Morgenländischen Sprachen/ Welt=Geschichten/ Zeit=Rechnungen/ ein besondere Zierd« verloren hatten (s. in der »Abdanckung« im DR auf Bogen F3v ). Raith nennt Strölin »Urheber und Entwerffer« der Lehrtafel; s. hier S. 4. Zur versteckten Präsenz von Strölins Namen in der gematrischen Lesung des hebräischen Zitats von Ps 31,20 auf dem Teinacher Schrein s. Betz, 2013, S. 29. Zur »Cerva matutina« als Hinweis auf Strölin s. Turris Antoniae, ↑ 60a und den Kommentar dazu (hier S. 269). Zu Strölins handschriftlich erhaltenem Nachlaß allgemein s. hier S. 13. Siehe dazu hier S. 11, 212 sowie in der Einleitung des Kommentars zu Strölins Brief an Steudner, hier S. 382, jeweils mit weiteren Hinweisen. Siehe WLB Cod. hist. fol. 551, S. [95]–[102]; dazu Strölins Brief an Hainlin vom 20. Mai 1660, ebd., S. [66]–[67]. Siehe dazu Häußermann, 1966, S. 110–112, s. a. 104. Daran vermochten auch die verdienstvollen prosopographischen Bemühungen Martin Brechts nur wenig zu ändern, wozu sein Unverständnis für das intensive Interesse mancher altwürttembergischen Theologen für Chronologie und Kabbala sicher das Seine beigetragen hat. Siehe Brecht, 2002, u. Brecht, 2008, jeweils im Index (Hainlin). Auf Strölins in Wolfenbüttel im Original erhaltene Briefe geht Brecht, 2002, S. 57, nur kurz ein. Es handelt sich im Detail um folgende Briefe Strölins an J. V. Andreae im Cod. Guelf. 7.4 Aug. 2° der HAB: S. [400] (6.5.1641); [401] (15.10.1641); [402] (8.11.1641); [403] (14.11.1642); [404] (26.11.1642); [405] (12.12.1642); [406] (1.1.1643); [407] (22.4.1643); [408] (20.5.1643); [409] (18.11.1643); [410] (9.12.1644); [349] (29.10.1650); [431] (23.12.1650), ferner Strölins damit offenbar in Zusammenhang stehender Entwurf einer Threnologia S. [350] (vor dem 3.11.1650); an seinen Bruder Johann Benedikt Strölin S. [433] (27.6.1642; zu korrigieren ist die falsche Adressatenangabe bei Heinemann, 1890, Nr. 2085, S. 222). Siehe dazu Schauer, 2003, S. 70–75. Zum Rollenporträt s. hier S. 2.

406

6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

Ausschnitte.199 Schmidlin bemüht sich nach Kräften, dem Freund ein Denkmal zu setzen und wirklichen oder möglichen Verdächtigungen entgegenzutreten. Auch wenn man die Seitenhiebe auf Papisten, Calvinisten und Weigelianer (s. im DR S. 18f.), nicht zu vergessen die verstockten Juden (ebd., S. 31), als Ausdruck der ehrlichen Überzeugung eines glaubensfesten und bekenntnistreuen Pfarrers und künftigen Konsistorialrates verstehen kann und soll, bleibt es doch auffällig, wie Schmidlin sie ins Visier nimmt samt allen (DR, S. 18f.) »Enthusiasten und dergleichen Phantasten [...] Welche an Statt dises waaren || Liechts den verführischen [!] Geistern/ und Irrwischen folgen/ ihren Träumen/ Erscheinungen/ Zufällen/ und vermeinten heimlichen Offenbarungen/ dadurch sie sich selbsten stürtzen/ und alle die ihnen nachfolgen [...].« Nach meinem Eindruck ist das Teil einer wohlkalkulierten Darstellungsstrategie, um Strölin in Schutz zu nehmen, dessen Ausbrüche mystischer Begeisterung Schmidlin seinen Lesern nicht verschweigen will (s. DR, S. 10, hier Z. 11: »bey nahem verzuckt«). Bedenkt man etwa Raiths reservierte Haltung gegenüber der Kabbala, wie er sie in seiner Einweihungspredigt deutlich werden ließ, war diese Strategie der Lage angemessen. Strölin bewegte sich mit seinen rabbinischen und kabbalistischen Studien, wie einst Reuchlin und später Oetinger, durchaus im Grenzbereich dessen, was man seinerzeit bei einem christlichen Gelehrten, noch dazu bei einem Geistlichen, gewöhnlich zu akzeptieren geneigt war.200 Mehrfach betont Schmidlin die Nützlichkeit dieser Studien Strölins für andere. Daß der Verstorbene verdientermaßen die höchste Gunst einer Herzogin genoß, wird natürlich stark betont und macht Schmidlin seine Aufgabe bedeutend leichter. Das hier im Wortlaut des Casualdruckes gebotene dreistrophige Lied in deutschen Versen (im Druck eingerückt zwischen Predigt und Epicedia) findet sich auch oben auf dem Epitaphbild des Teinacher Schreins (dort samt Noten gemalt)201 sowie bei Raith, 1673 (s. hier S. 254). Die im Apparat verwendeten Siglen meinen: E = Epitaphbild; R = Raith. In der Antoniaforschung hat Harnischfeger das Lied in modernisierter Orthographie wiedergegeben und die »ein

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200 201

Im Druck folgt auf das Titelblatt die Predigt (S. 3–34, ab 28 die »PERSONALIA«); danach »Seelen=Frewd | In Sterbens=Leid | Oder | Verzeichnis der jenigen Geistlichen | Lieder / und Todten=Musicen / welche vor= unter= | und nach der Christlichen Beerdigung deß See= | lig verstorbnen | Herrn Strölins / | Choraliter | Und | Figuraliter | gesungen und gehalten worden seynd.« (Nr. IV. ist das auch auf der Lehrtafel und im Anhang zu Raiths Predigt präsente Lied »Auff Seele / vermähle dich ewig mit mir« usw.; siehe hier weiter unten), danach »Christliche Abdanckung« (Bogen F recto bis Bogen vor G recto). Schließlich folgen »EPICEDIA | In Obitum | Reverendi, tàm pii, quàm Docti viri | Dn. M. Joh. Jacobi Strölini, pastoris | Münasteriensis« (ab dem Bogen vor G verso bis K 3 verso). Siehe dazu hier S. 4 u. 239. Siehe dazu hier S. 2.

6.11 Schmidlins Nekrolog auf Strölin

407

wenig naiven Verse« Schmidlin zugeschrieben.202 Diese Zuschreibung machte er in Kenntnis der wenigen deutschen Verse, welche Oetinger aus einem Entwurf in Strölins Nachlaß abdruckt und dabei im Titel Schmidlin als Autor nennt.203 Eine Urheberschaft Schmidlins ist natürlich möglich, aber bis auf weiteres nicht beweisbar. Ähnlich steht es auch bei dem Trostlied für Andreae in einem Brief Antonias von 1649.204 Für gegebene Anlässe im näheren oder ferneren Bekanntenkreis Gedichte oder Lieder zu verfassen, war unter den Gebildeten des Barock stehender Brauch. Die zeitgenössischen Casualdrucke sind voll von solchen Stücken, und nicht wenige sind von deutlich schlechterer literarischer Qualität als das vorliegende und auch jenes in Antonias Brief.205 Die zahlreichen Tagesangaben im folgenden Einzelkommentar folgen dem alten Kalenderstil, so nichts anderes vermerkt ist. Hier handelt es sich um die frühneuhochdeutsch übliche Konjunktion in der Bedeutung ›wie denn‹. Siehe DWB, Bd. 12, s. v. »maszen«, Sp. 1737. [2] Darauf spielt auch eines der beigegebenen Epicedia an.206 Die etymologische Deutung von Personennamen ist im Barock sehr beliebt, wie zumal viele erhaltene Casualgedichte zeigen. Ein Beispiel gibt Strölin selbst in seinem Brief an Schmidlin vom 16. Februar 1659 (hier S. 367) mit seiner Auslegung des Namens ›Laux‹. Dieser Brief bezeugt auch die von Schmidlin hervorgehobene Demut Strölins, seinen ausgeprägten Sinn für Selbstironie, Humor und Sprachwitz. Entsprechend ordnet sich Strölin, ebd., mit seinem Hinkebein »inter postremos agminis Jsraëlitarum« ein. Ähnlich bestimmt er seinen Platz in dem Besitzervermerk in seinem Reuchlinexemplar (»Sum | Novissimi | Anno 1649.«).207 Zu seiner Demut bei der Bestimmung seines Anteils an der Pictura docens s. hier S. 399. Zur Bescheidenheit als einer im höfischen Umfeld unüblichen und auffallenden Tugend vgl. die Ausführungen zu Jesaias Rompler, der seinerseits Mentor adliger Damen war, in Rompler, 1988, Nachwort, S. 62*. [3] Siehe Hebr 8,2; 9,11; 12,27f. [4] Zum zeitgenössischen Verständnis der Beinahe-Verzückung zu Lebzeiten s. die Schilderung von Böhmes Todesstunde in Abraham von Franckenbergs [1]

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Harnischfeger, 1986, S. 47f., 48. Siehe ebd., S. 45, Anm. 65, und WLB Cod. hist. fol. 551, S. [33r ]; Oetinger, 1977a, Bd. 1, S. 255. Siehe hier S. 308. Siehe dazu mit weiteren Literaturangaben Gruhl, 2007b, sowie hier S. 88 (mit dem Hinweis auf Scheitler, 1984). Es wurde auszugsweise oben zitiert im Kommentar zu »ad Stipulatori« in Z. 41 von Strölins Brief an Schmidlin vom 16. Juli 1661, hier S. 376. Siehe im monographischen Teil, hier S. 117.

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

Bericht vom Leben und Abscheid Jakob Böhmes.208 Franckenberg weist dort auch auf weitere frühneuzeitliche Behandlungen des Phänomens hin. Damit soll nicht behauptet werden, daß Schmidlin Franckenberg oder auch Böhme rezipiert hat. [5] Siehe Ps 42,2. [6] Hier, wie auch weiter unten (s. »nutzlich«), betont Schmidlin die Nützlichkeit der mystisch-kabbalistischen Studien Strölins für andere. Das ist wahrscheinlich ein apologetischer Reflex. Siehe dazu hier die Einleitung des Kommentars. [7] Das war am 10.12.1620 (s. hierzu und zum Folgenden Gruhl, 2007a, S. XXI, Anm. 57, mit weiteren Nachweisen). [8] Siehe Gruhl/Woolston, 2007, S. XIV, wo die Angabe zu Ursache und Zeitpunkt des Todes zu korrigieren ist: Einmal wird der Vater in den Jugendbriefen Strölins als noch lebend erwähnt.209 Meine Annahme, er sei bereits ca. 1635 an der in Stuttgart grassierenden Pest gestorben, ist entsprechend zu revidieren. [9] Zu den Ulmer Vorfahren s. a. die Anspielungen in Strölins Jugendbrie210 fen. [10] Das meint ein ›Gefährt zum Himmel‹; s. Kyrill von Jerusalem Prokatechesis 16,3f. (ed. W. C. Reischl/ J. Rupp). Altsprachliche Zitate sind in zeitgenössischen gedruckten Predigten nichts Ungewöhnliches. [11] Das meint ›Begabungen‹. [12] Diese Angabe ist ungereimt, vergleicht man sie mit Schmidlins Angabe zum Geburtsjahr, zum Jahr der Heirat und zum Todesjahr (siehe dazu weiter oben). Seinen 14. Geburtstag feierte Strölin demnach schon November/Dezember 1634. 1636 war er also im 16. Lebensjahr. [13] Siehe den Eintrag in der Universitätsmatrikel Tübingen unter dem Jahr 1636: »Johannes Jacobus Strölin Stuttgardianus«.211 Im Tübingener Stift war u. a. Balthasar Raith sein Lehrer.212 [14] Im Sinne von ›vor‹. [15] Gemeint ist zumal die Schlacht bei Nördlingen (1634), in der die Schweden samt den protestantischen Württembergern den Kaiserlichen unterlagen und 208

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Zur Datierung der Abfassung auf 1651 u. des Erstdrucks auf ca. 1652 s. Telle in von Franckenberg, 1995, S. 62. Den Text s. in Böhme, 1920, § 30, S. 40. Siehe Strölin an seinen Bruder Johann Benedikt am 27.6.1642; HAB Cod. Guelf. 7.4 Aug. 2°, S. 433; zur erhaltenen Korrespondenz aus den Jahren 1641 bis 1652 s. hier weiter unten Siehe Strölins Briefe an Johann Valentin Andreae vom 6.5.1641; 15.10.1641, 12.12.1642; 22.4.1643; 20.5.1643 (HAB Cod. Guelf. 7.4 Aug. 2°, S. 400f.; 405; 407f.). Bürk/Wille, 1953, S. 211; vgl. ebd. im Apparat die Angabe: »Stipendiarius 11.7.1636« Siehe Raith, 1673, S. 9; hier S. 239; s. a. 250. Raith war von 1636 bis 1641 Repetent am Stift (s. Binder, 1798, S. 369).

6.11 Schmidlins Nekrolog auf Strölin

409

sich eine Welle von Gewalt, Plünderungen und Schikanen über das ›Ländle‹ ergoß. Nicht zuletzt die protestantischen Geistlichen und die Bildungsanstalten gerieten oft in größte Not.213 Daß Strölin die Finanzierung seiner Ausbildung zu einem guten Teil dem Einspringen Johann Valentin Andreaes verdankte, betonen seine Briefe an den Gönner unermüdlich.214 [16] Prima L[aurea]. = Baccalaureus; secunda L. = Magister artium; siehe dazu Jahn, 1756, S. 126: Magisterpromovend 14.8.1639. [17] Strölin wurde ein eifriger Schüler Johann Jakob Hainlins, des prominentesten Württemberger Mathematikers und Chronologen seiner Generation.215 [18] Im Sinne von ›Fortschritte gemacht‹ (s. lat. proficisci, profectus). [19] Im Sinne von ›besonderem‹. [20] Das ist eine häufige Schreibvariante für ›elfte‹. [21] Gemeint ist Münster am Neckar. [22] Zur Heirat s. Gruhl, 2007a, S. XXI (Anm.), u. Strölins Brief an Joh. Valentin Andreae vom 29.10.1650 (HAB Cod. Guelf. 7.4 Aug. 2°, S. [349r ]). [23] »Lust« wird hier nach Ausweis des Attributs als männliches Substantiv behandelt (wie oft im Oberdeutschen der Frühen Neuzeit). Siehe DWB, Bd. 12, s. v. »lust«, Sp. 1314. [24] Auch hier ist ein apologetischer Unterton spürbar: Strölins studia rabbinica dienten demnach dem anerkannten Zweck der apologetisch-missionarischen Auseinandersetzung mit den Juden. Vgl. auch den Seitenhieb auf die verstock213 214

215

Speziell zu den Klosterschulen und dem Tübinger Stift s. Gruhl/Woolston, 2007, S. IX–XIV. Die innerhalb der Korrespondenz Andreaes erhaltene Briefschaft konnte ich bislang nur grob sichten. Sie stammt aus den Jahren 1641–44 u. 1650—52. Siehe HAB Cod. Guelf. 7.4 Aug. 2°, S. 349 (29.10.1650), 430r (3.1.1651); 431 (23.12.1650); 437r (3.10.1650); 482 (29.1.1651); 485 (26.2.1652); 486r (28.8.1652); 400 (6.5.1641); 401 (15.10.1641); 402 (8.11.1641); 403 (14.11.1642); 404 (26.11.1642); 405 (12.12.1642); 406 (1.1.1643); 407 (22.4.1643); 408 (20.5.1643); 409 (18.11.1643); 410 (9.12.1644). Siehe auch den Brief an Gottlieb Andreae, ebd. S. 384 (28.9.1651). Siehe dazu Heinemann, 1890, Nr. 2085, S. 222 (Korrektur an den Angaben Heinemanns: Kein Brief an J. V. Andreae sondern an den jüngeren Bruder Johann Benedikt Strölin ist HAB Cod. Guelf. 7.4 Aug. 2°, S. 433, datiert 27.6.1642). Siehe Kolb, 1914, S. 10 (innerhalb der Fortsetzung von 1915): In der Zeit, als Balthasar Raith der einzige Repetent am Tübinger Stift war, »kam es sehr erwünscht, daß Heinlin [...] damals Pfarrer in Derendingen, zugleich Superintendent des Amts Tübingen und Prälat von Bebenhausen, [...] sich 1638 erbot, die Stipendiaten in Sprachen, Philosophie und Theologie privatim zu unterrichten, ohne weitere Belohnung [...]. Sein Anerbieten wurde zunächst vorgemerkt, ob und wie weit es zur Ausführung kam, sagen die Akten nicht.« Im Falle Strölins kam es jedenfalls in dieser Zeit oder später zu einer offenbar intensiven Phase der Unterweisung. Siehe Strölins Brief an Hainlin vom 20.5.1660 (im Original erhalten in Cod. hist. fol. 551, S. [66r ]–[67v ]). Siehe auch Strölins Berufung auf Hainlins mystische Chronologie in seinem Brief an Steudner vom April 1662, hier S. 384. Zu Hainlin s. Gruhl, 2007a, S. XXIII.

410

6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

ten Juden, oben S. 31. Siehe dazu hier die Einleitung zum Kommentar und die dort gegebenen weiteren Verweise. [25] Siehe Ps 37,4. Dazu s. hier im monographischen Teil S. 60 (Anm.) u. 84. Der hebräische Vers, welcher als Motto Antonias zugleich in gematrischer Lesung ihren Namen enthält, ist auch auf dem Teinacher Schrein zu sehen (s. dazu Betz, 2013, S. 28f.). [26] Zu Strölins Verhältnis zu Antonia s. Gruhl/Morgenstern, 2006, passim; ferner Gruhl, 2007a, S. XXVI, sowie den Brief Kochs an Antonia, hier S. 317. [27] Antonias Teinacher Epitaphschrein samt der Lehrtafel widmet sich ganz diesem »Vorgeschmack und Seelen=Trost«. Siehe dazu hier S. 2. [28] Die Einschränkung des Totenlobs durch den Hinweis auf sein Sündersein ist ein unverzichtbarer Topos in zeitgenössischen protestantischen Leichenreden. [29] Siehe Mt 5,15. [30] Siehe Phil 2,15. [31] Zu dieser Pluralform s. DWB, Bd. 11, s. v. »kraft«, 3) a), Sp. 1932. [32] Das spielt auf die paulinische Unterscheidung vom ›alten‹ und ›neuen‹ Menschen an. Siehe 2 Kor 5,17. [33] Das meint ›völlig‹ (omnino). Siehe DWB, Bd. 1, s. v. »allerdinge«, Sp. 221f.; mit abgelegtem -e; s. dazu ebd. [34] Der Vergleich des Menschen in seiner irdischen Existenz mit einem Bauwerk, dem der Ruin droht, ist schon in der Antike greifbar; s. Plautus Mostellaria (ed. Lindsay), v. 91–148. [35] Damit ist Antonia gemeint. [36] Strölin verstarb am 31.1.1663, einem Samstag, dem siebten, der Ruhe geweihten Tag der jüdischen und christlichen Woche.216

216

Vgl. Gen 2,2; Ex 20,11; Dtn 5,14; Mk 16,2; Joh 20,1. Das hebräische Wort !‫ּבָת‬°‫›( ׁש‬Schabbat‹) leitet sich her von dem Verb !‫בַת‬µ‫›( ׁש‬aufhören‹, ›ruhen‹).

6.12 Steudners Werk zur Kabbala

411

6.12 Steudners Werk zur Kabbala Textzeuge: Druck (DR): Steudner, 1665, S. [38]–[43]

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[38] [...] XXIV. Von den zehn Sephirot oder Sphirot, welche in gestalt zehen aneinander gehengter Sphaerarum sive orbium, das ist/ kuglen [sic] oder kreiß und cirkel/ fürgebildet werden/ massen selbige so wol Herr Hackspan, in fin. de Cabbal. Iudaica,[1] und Herr Johann Stephan Rittangel/ geweßter Professor Extraordinarius Lingv[arum]. Orient[alium]. auff der Preussischen Hohen=Schul zu Königsberg in Translato libro Iezirah,[2] als der berühmte P[ater]. Kircher in seinem Oedipo Aegypt[iaco]. T[omo]. 2. P[arte]. I. class[e]. 4.[3] verzeichnet/ und von den Göttlichen Namen und Zunamen/ welche die Cabbalisten darauff ziehen/ deren zehen auch S. Hieronymus Epist. ad Marcellam[4] erzehlet/ hat unter andern sonderlich geschriben R. Ioseph Ben Gecatila, Castiliensis, in seinem berühmten Buch Schaare Orah, Portae Lucis[5] genannt/ darüber R. Mattatias de la Kart einen Commentarium oder Außlegung geschriben/ so darmit in Hebräischer Sprach zu Craccau in Polen gedruckt worden.[6] Paulus Ritius[7] des Käysers Maximiliani Medicus hat einen grossen theil desselbigen Buchs ins Latein versetzt/ und dem end seines 4. Buches de Coelesti Agricultura angehänget.[8] XXV. In seiner Vorrede über Schaare Orah nennet Mattatias de la Kart die Sephirot alle miteinander ein reines klares Liecht/ und vollkommene Einigkeit/ und meldet sie seyen Azilot[9] Emanationes oder außgäng und ausflüsse der Kräfften und || [39] Eigenschaften Gottes/ dadurch er würcket und die Welt regieret; man hab sich dieselbige nicht anders einzubilden/ als wie die flammen einer glüenden Kohlen etc. [...] || [41] [...] Und da GOTT wollen [sic] seine Warheit offenbahren/ und die Welt erschaffen/ seye auß Ihm herfür gefuncklet eine leuchtende Krafft über der Schöpffung/ die haben sie mit dem Gedancken verglichen; gleich als wann ein Werckmeister sein Gedancken hätte über seinen Bau und demselbigen weißlich nachsinnete am anfang desselbigen/ und dises haben sie Gleichnuß=weise genennet (als die erste Sephiram) Keter Eljon, coronam summam, die höchste Kron oder Circkel/ als welcher alles krönet und abcircklet; und da seye geoffenbahret der spitz deß Buchstaben Jod an dem wesentlichen Namen Gottes (Jehovah.) Und dises Feuer oder Liecht hab 620. feurige Funcken von sich gegeben/ nach der Zahl deß Worts !‫ כתר‬Keter, und bei diser Kron seye kein auffhören gewesen/ biß auß derselben herfür gefuncklet nach dem grad der funcklung Hochmah die Weißheit (als die andere Sephi⟨ra⟩) und da sey geoffenbahret die dicke deß || [42] Buchstabens Iod, versteh in dem wesentlichen Namen Gottes Jehovah, und da haben auch gefunckelt 32. Funcken/ welche sie nennen die 32. Weg oder Stege der Weißheit/ und die Krafft diser feurigen Funcklung hab auch nicht auffgehöret/ biß daß

412

40

45

50

6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

von der Hochmah oder Weisheit herfür gefuncklet und ausgegangen auch nach dem grad der funcklung die dritte Sephira, welche sie Binah den Verstand oder Erkandtnus nennen/ so in 50. Funcken ausgeschlagen/ welche sie heissen die 50. portas Intelligentiae, Thor deß Verstands oder Erkandtnus. Und da seye offenbahret der Buchstab He. [...] So seye auch von Binah herfür gefuncklet und außgegangen eine Krafft/ welche sie nennen Hesed die Gnad und Barmhertzigkeit (als die vierdte Sephira, so sonst gemeiniglich auch genennet wird Gedulla die Magnificenz oder Majestät auß dem 1. Buch der Chronick c. 30. in Hebr. 29. v. 11.). Deßgleichen von Hesed die Pahad oder Forcht (als die fünffte Sephira, so sonsten gemeiniglich auch heisset Geburah, die Gewalt oder Stärcke/ ex l[oco]. c[itato].) Und von diser die Tipheret die Herrligkeit oder Schöne/ als die sechste Se- || [43] phira. Und da sey der Buchstab Vav auß dem wesentlichen Namen Gottes geoffenbahret worden. Von Tipheret aber seye außgegangen Hod der Danck/ Ruhm oder Zierde/ als die achte Sephira, und von diser Iesod, das fundament und Grund/ als die neundte Sephira. Und darnach sey herfür gegangen eine Krafft/ so alle Kräffte zusammen binde/ und alles regiere/ welche sie nennen Malchut das Reich/ als die zehende Sephira, und da seye geoffenbahret der letzte Buchstab He auß dem wesentlichen Namen GOTTES Jehovah etc.

6.12 Steudners Werk zur Kabbala

413

Kommentar Das vorliegende längere Exzerpt aus Steudners heute seltenem Werk illustriert den Kenntnisstand des wohl wichtigsten Beraters Antonias und Strölins in kabbalistischen Fragen, wie der erhaltene Brief Strölins an Steudner beweist.217 Mehrfach wird oben im monographischen Teil auf die hier exzerpierten Passagen Bezug genommen. Siehe Hackspan, 1660. Siehe Jezira, 1642. [3] Siehe Kircher, 1653. [4] Siehe Hieronymus: Epistola XXV. ad Marcellam (De decem Nominibus Dei); MPL 22,428f. [5] Siehe zu Gikatilla hier S. 25 u. 209. [6] Die Krakauer Ausgabe erschien wohl 1600. Siehe dazu Grözinger, 2005, S. 397f.; zu dem gemeinten, um die Mitte des 16. Jh.s in Bologna lebenden, aber aus Polen stammenden Kommentator s. den Art. »DELACRUT, DELACROT, or DE LA CROTA, BEN SALOMON«. In: JE, Bd. 4 (1903), S. 504 (I. Broydé). Buxtorf transkribiert in seiner Bibliographie im Art. zu Gikatilla (Buxtorf, 1708, S. 195) »Mattatias delakart« [sic] (für !‫ )מתתיה דלאקרט‬und gibt als Erscheinungsjahr der Krakauer Ausgabe 1594 an. Siehe bei Steudner auch noch ebd., S. [45]. [7] Zu Ritius s. hier S. 26. [8] Siehe Gikatilla, 1516; mehr dazu hier S. 26, 114 u. 411. [9] Siehe das Stichwort !‫אֲצִילּות‬. In: Buxtorf, 1639, S. 202, mit der Übersetzung »Emanatio«. [1] [2]

217

Siehe seinen Brief vom 14. April 1662, hier S. 382; zur Person Steudners s. dort in der Einleitung zum Kommentar und hier unten im Index.

414

6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

6.13 Das Tetragramm und die zwölf Stämme bei Gikatilla Die folgende Detailerklärung einer Passage aus Gikatillas »Toren des Lichts« ist ein wörtliches Zitat aus: Grözinger, 2005, S. 416–419 (Auszug aus dem Kapitel: 2.4 Die Kette des Seins und die Emanation). Siehe dazu hier im monographischen Teil, bes. S. 209.

[416] Den Nachweis dieses umfassenden inneren Zusammenhangs führt Gikatilla an anderer Stelle ein weiteres Mal mit Hilfe der Onomatologie. Dabei führt Gikatilla den alles verbindenden Faden direkt auf das Tetragramm zurück, das ja der Stamm und Inbegriff allen Seins ist. Das Tetragrammaton, so legt er dar, hat ja die vier Buchstaben JHWH, die sich, wenn man das »J« am Anfang fest stehen lässt, in insgesamt drei verschiedenen Konstellationen darstellen lassen: 1. JHWH, 2. JHHW, 3. JWHH. Dasselbe lässt sich durchführen, wenn man den zweiten Buchstaben des Tetragrammaton an die Spitze stellt: 1. HWHJ, 2. HWJH, 3. HHJW. Ebenso kann man schließlich unter Voranstellung des W und des zweiten H verfahren. Gikatilla kommt dabei zu dem Resultat, daß jedem der vier Buchstaben ein »Fähnlein« Permutationen mit je drei Gliedern beziehungsweise Siegeln zugehört, was insgesamt zwölf Siegel ergibt:

5

10

Fähnlein I. Fähnlein II. Fähnlein III. Fähnlein IV.

15

JHWH HWHJ WHJH HJHW

JHHW HWJH WHHJ HJWH

JWHH HHJW WJHH HHWJ

Diese zwölf Siegel des Tetragrammaton, gegliedert nach vier Fähnlein, entsprechend der israelitischen Lagerordnung in der Wüste (Num 2), haben nun ihre folgenden soziologischen, kalendarischen, astronomischen und räumlichen Entsprechungen:

20

»Das sind die zwölf Stämme der Jakobssöhne nach vier Fähnlein gegliedert:

25

Fähnlein I: Fähnlein II: Fähnlein III: Fähnlein IV:

Jehuda Ruben Efraim Dan

Isaschar Simeon Manasse Ascher

Sebulon Gad Benjamin Naftali. ||

[417] Dies sind die zwölf Monate nach zwölf Tierkreiszeichen, nach zwölf Richtungen des Raumes, nach vier Jahreszeiten:

30

Jahreszeit I: Jahreszeit II: Jahreszeit III: Jahreszeit IV:

Nisan Tammus Tischre Tevet

Ijjar ’Av (Mar)Cheschwan Schevat

Siwan ’Ellul Kislew ’Adar.«

Aus dem folgenden Text ergibt sich noch die Tierkreiskonstellation:

415

6.13 Das Tetragramm und die zwölf Stämme bei Gikatilla

35

40

45

50

55

60

65

70

I. Herrschaft in der Jahreszeit II. Herrschaft in der Jahreszeit III. Herrschaft in der Jahreszeit IV. Herrschaft in der Jahreszeit

Nisan: Tammus: Tischre: Tevet:

Widder Krebs Waage Steinbock

Stier Löwe Krebs Wassermann

Zwillinge Jungfrau Schütze Fische

Zur letzten Tabelle ist nur noch zu bemerken, daß die vier genannten Monats namen hier die vier Jahreszeiten bezeichnen, an deren Haupt sie stehen, also Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter. Im Anschluss an diese Entsprechungstabellen hebt Gikatilla noch hervor, daß der Erzvater Jakob die Stämme mit je dem ihnen zugehörigen Siegel des Tetragrammaton gesegnet hat, und daß die zwölf Edelsteine auf dem Brustschild des Hohenpriesters diese ganze ontologische Struktur gleichfalls widerspiegeln. Bei der Erörterung des dem Neopythagoräismus nahestehenden Sefer Jezira war dargestellt worden, daß der Autor die drei Buchstabengruppen des Alphabets, von drei, sieben und zwölf Buchstaben im Kosmos, in der Zeit und im Menschen als Strukturmerkmale wiederfand. Gikatilla geht noch einen Schritt weiter. Für ihn liegen hier nicht nur Strukturparallelen vor, sondern emanatorische Zusammenhänge, und im Falle des Erzvatersegens außerdem theurgische. Dies wird aus der folgenden Darlegung Gikatillas deutlich: »Denn der Name, E. s. g. [Er sei gepriesen; R. G.], hat Jakob und seine Söhne in der Ordnung einer vollkommenen Merkava [sefirotische Welt] angeordnet, die mit seinem wahrhaften Namen, E. s. g., eins ist. Siehe ich will dir Geheimnisse offenbaren: Du weißt ja schon, daß die Tierkreiszeichen (Massalot) zwölf sind. Und von ihnen kommt die Kraft zu den zwölf Monaten des Jahres. Jedes Tierkreiszei- || [418] chen ist den Bedürfnissen seines Monats zugeordnet. Aber den Tierkreiszeichen und Monaten kommt die Kraft, das Bestehen und die Nahrung vom Namen JHWH, E. s. g., zu, und zwar auf folgende Weise: Wisse, daß die zwölf Tierkreiszeichen am Himmel, von denen sich die unteren Geschöpfe nähren, die Kraft von den zwölf Siegeln bekommen, in denen sich der große Name JHWH, E. s. g., verwesentlicht und eins ist. Und diese zwölf Siegel findest du in vier Lagerfähnlein, und so findest du auch im Jahr vier Jahreszeiten. Und gleichermaßen findest du in Israel zwölf Stämme und vier Lagerfähnlein in der Form der zwölf Siegel des Namens und seiner Fähnlein.«

Nach diesem soeben zitierten Text bietet Gikatilla die oben dargestellten Entsprechungstabellen. Und nach ihnen fasst er zusammen und sagt: »Wenn du diese Tabelle betrachtest und gut studierst, wirst du finden, dass sich von diesen zwölf Siegeln des ausgezeichneten Namens und seinen vier Fähnlein alle Geschöpfe ernähren. [...] So siehst du mit deinen eigenen Augen, dass alles am Namen JHWH, E. s. g., hängt. Und die Form der zwölf Stämme Israels und ihre vier Fähnlein kommen aus der Kraft der Form der zwölf Siegel und ihrer vier Fähnlein. [...] Und auch die zwölf Tierkreiszeichen am Himmel können auf Erden nichts bewirken, außer gemäß der Kraft das jedes Tierkreiszeichen (Massal) vom ausgezeichneten Namen empfängt,

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6 Dokumente II: Briefe, Entwürfe und Exzerpte

denn jedes der zwölf Tierkreiszeichen empfängt die Kraft von seinem Siegel des Namens JHWH, E. s. g., jedes von einem bestimmten Siegel.«

Um das Verständnis des Lesers sicherzustellen, betont Gikatilla in seiner Darstellung dieser Zusammenhänge noch einmal ausdrücklich, daß zum Beispiel »die Jahreszeit [Nisan] den Ausfluss (Schefa‘) vom Buchstaben Jod des ausgezeichneten Namens, erhält, der drei Siegel hat.« Das oben schon Gesagte, daß Gikatilla in der Welt einen durchgängigen Strom der Emanation sieht, der von der Gottheit ausgeht und die ganze Welt durchzieht, wird also auch bei dieser Erörterung nochmals mit aller wünschenswerten Deutlichkeit unterstrichen. Gikatilla kommt an vielen Stellen seines Buches auf die theologisch kosmologische Emanationsthematik zurück, beschreibt sie zuweilen mit mehr sefirotischem, zuweilen mit mehr onomatologischem Akzent, aber doch stets so, daß der Emanationsstrom von der ersten Sefira, die zugleich ’En Sof ist, bis || [419] herab zu den niedrigsten Seinsstufen reicht.

7 Gesamtrückblick und -ausblick Über den speziellen Ertrag der vorgelegten Einzelstudien ist jeweils an ihrem Ende berichtet worden. Insgesamt gesehen hat die vorliegende Sammlung von Studien, Dokumenten und Materialien zur Arbeit und den künstlerischen Werken des Antoniakreises vor allem zwei wichtige Desiderata im Blick gehabt: die möglichst umfassende Erschließung von handschriftlichen Quellentexten aus dem Nachlaß der württembergischen Prinzessin Antonia und ihres wichtigsten Beraters Johann Jakob Strölin; ferner die Erhebung dessen, was diese Quellen zumal über die schöpferische Aneignung der christlichen Kabbala innerhalb eines Gelehrtenkreises im lutherischen Württemberg des 17. Jahrhunderts aussagen können. Daß die vorgelegten Studien in ihrem Verbund am Ende nicht nur verschiedene Facetten dieser Aneignung erkennbar werden lassen, sondern zugleich auch entwicklungs- und werkgeschichtliche Stadien, war anfangs mehr ein Wunsch und später dann durchaus auch eine glückliche Fügung. Vorab planbar war es nicht. Denn wie sich die Zeugnisse privater Praxis pietatis aus dem Nachlaß Antonias und die Kabbalastudien ihres Lehrers und Beraters Strölin zur Lehrtafel und ihren Seitenstücken stellen würden, war anfangs nicht zu sehen. Und doch wurde diese Frage je länger je mehr zur zentralen erkenntnisleitenden Frage. Als Antwort liegt nun eine vorläufige Rekonstruktion vor, die wenigstens bruchstückhaft zeigen kann, wie Antonia von bescheidenen Anfängen einer Beschäftigung mit dem Hebräischen ausgehend sich die Möglichkeiten kabbalistischer Konzepte erschloß, welche Rolle die Kabbalastudien Strölins spielten sowie seine konzeptionelle Begabung (die sich dann wohl am deutlichsten in dem Entwurf der Turris Antoniae manifestierte), und wie Antonia und Strölin sich für den Plan begeisterten, eine ungewöhnliche christlichkabbalistische Lehrtafel zu errichten mit einer Fülle von Figuren und Szenen als Summe und Vermächtnis ihrer theologischen Überzeugungen. Um die Lehrtafel im Licht der neu ausgewerteten handschriftlichen Quellen nun auch ihrerseits neu zu begreifen, war eine intensivierte Einbeziehung der zeitgenössisch blühenden Druckgraphik erforderlich, von der man in der bisherigen Forschung allenfalls sporadisch Notiz genommen hat, ferner die wenigstens punktuelle Erschließung des weiten Feldes frühneuzeitlicher Bibelauslegung, basierend auf der zeitgenössisch breit und intensiv betriebenen Hebraistik im Rahmen einer Philologia sacra. So hatte sich vor allem die letzte Studie den Finessen und Kontroversen der akademisch-wissenschaftlichen Exegese zu widmen, an deren neuesten Fragestellungen und Einsichten die Mitarbeiter An-

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7 Gesamtrückblick und -ausblick

tonias offenbar rege und kritisch Anteil nahmen. Auch in dieser Hinsicht sollte eine Folgestudie zur Pictura docens (siehe unten) die neu gewonnene Basis nutzen und die Forschung einmal mehr zu Revisionen und erneuten Aufbrüchen ermuntern.1 In dieser vorliegenden Rekonstruktion einer persönlichen wie auch werkgeschichtlichen Entwicklung spielte Johann Lorenz Schmidlins Pictura docens als literarisch anspruchsvoller Text zwar eine beachtliche Rolle, ins Zentrum jedoch gehörte sie nicht. Grund dafür ist nicht nur ihre relativ späte Fertigstellung (man feilte an ihr noch bis weit ins Jahr 1662, während die Lehrtafel offenbar einige Zeit vorher ihrer Vollendung jedenfalls recht nahe kam), sondern zumal ihr Eigenleben, das sie immer wieder unter Beweis gestellt hat. Zu diesem Eigenleben gehört auch eine eigene Entwicklungsgeschichte, die ihrerseits erst in groben Zügen bekannt geworden ist. Wie im Fall der Lehrtafel ist es ein großes Geschenk für die historische, speziell literarhistorische Forschung, daß sich Vorarbeiten und Seitenstücke in Gestalt verschiedener Entwürfe erhalten haben. Doch gehört all dies in eine eigene, neue Studie, die weder unabhängig von den hier vorgelegten Analysen unternommen werden sollte, noch auch im voraus erfolgreich hätte erledigt werden können. Denn die Pictura ist nach ihrer Entstehung, Machart und Bestimmung dann doch wesentlich Bildbeschreibung und Lob der Bildstifterin, insoweit also mehr von der Lehrtafel abhängig als umgekehrt. In einer entsprechenden Folgestudie müßte wiederum eine Reihe von thematisch einschlägigen Briefen, Entwürfen und Materialien herangezogen werden, um die Werkgeschichte der Pictura als arguter Großinschrift mit einer ungewöhnlichen Forcierung des Stilmittels der Paronomasie einigermaßen aufhellen zu können.2 Von dieser künftigen Analyse darf man dann auch eine noch genauere Erfassung jenes Spezifikums der Turris und der Lehrtafel erhoffen, das sich im 1

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Zur überfälligen Revision gängiger Einschätzungen der frühneuzeitlichen Bibelexegese s. grundsätzlich v. a. Reiser, 2007, bes. S. 1–38, sowie die Beiträge des von Magne Sæbø herausgegebenen Sammelbandes (Hebrew Bibel/Old Testament. The History of Its Interpretation. Vol. II. From the Renaissance to the Enlightenment. Göttingen 2008). Entsprechend verlangt sowohl die Frage nach den Anfängen, Wendepunkten und Motiven der historischkritischen Erforschung eine erneute Durcharbeitung als auch die Bewertung der Rolle katholischer Exegeten. Zum einschlägigen handschriftlichen Material s. die Übersicht hier S. 13 mit weiteren Verweisen. Ihr anspruchsvolles Eigenleben stellt die Pictura nicht zuletzt durch die Interpretationsfehler unter Beweis, zu denen sie etwa Oetinger verleiten konnte. Siehe dazu hier vor allem S. 31. Das fordert eine besondere methodische Vorsicht bei der Rekonstruktion des offenbar gegebenen intermedialen Beziehungsgeflechts zwischen Lehrtafel und Pictura. Zur aktuellen Diskussion um eine angemessene Erfassung von Phänomenen der Intermedialität s. Wolf, 2014, bes. S. 29–32, zur expliziten intermedialen Referenz.

7 Gesamtrückblick und -ausblick

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Verlauf der bisherigen Studien zu meiner nicht geringen Verblüffung in großer Deutlichkeit gezeigt hat: Ich meine die Verquickung von christlicher Kabbala und lutherischer Theologie. Auf eine solche Verquickung war und ist die Antoniaforschung nicht vorbereitet. Man dachte an Pansophie oder etwa auch eine gewisse überkonfessionell-irenisch-mystische Grundstimmung, eventuell gar an Parallelen zu den Konzepten im Kreis um Knorr von Rosenroth oder wenigstens deutliche Anzeichen einer frühpietistischen Gemeinschaftsbildung, aber man rechnete nicht wirklich mit einer so nachdrücklichen Präsenz von Worttheologie (siehe Antonias selbstformulierte Gebete), von Gesetz und Evangelium, einer deutlichen ekklesiologischen Erdung der Brautmystik, einer johanneisch anmutenden Fokussierung auf die Liebe sowie einer deutlich artikulierten Abwehr antitrinitarischer Konzepte. Ein Auseinanderfallen von Lehre und Leben, das man der lutherischen Orthodoxie des 17. Jahrhunderts seit der Aufklärung immer wieder gerne unterstellt, war nirgends zu beobachten; auch deutliche Belege für ein besonderes reformorthodoxes Programm gibt es hier nicht.3 Kabbalistisches verbindet sich mit einer lutherischen Theologie ohne kritische Reserve oder eine erkennbare Tendenz zur Verdrängung des angestammten Bekenntnisses und seiner zeitgenössisch und regional üblichen Entfaltung.4 3

4

Zum aufklärerischen Klischee einer ›toten Orthodoxie‹, zur Annahme einer Frömmigkeitskrise und einer reformorthodoxen Bewegung als Vorläuferin des Pietismus im 17. Jh. s. einführend Rublack, 1992, bes. S. 20–27; s. a. Vogler, 1998, S. 414. Vogler führt ebd., S. 415, vor, wie man die beobachtbare »Hinwendung zur Frömmigkeit« bzw. auch »Frömmigkeitsbewegung« ohne Rückgriff auf mißverständliche Kategorien, wie »reformorthodox« oder »frühpietistisch«, formulieren und angemessen als »eine der tragenden Säulen des Luthertums im 17. Jh.« anerkennen kann. Sicherlich richtig ist auch die Kennzeichnung als Bewegung »vor allem der Theologen, Kirchenmänner und Fürstenhöfe« (ebd.). Beispiele, wie Magdalena Meisner, Antonia oder auch Aemilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, zeigen daneben, daß Frauen eine aktive und zuweilen auch zentrale Rolle spielen konnten. Bei aller Rede von einer Dynamik (»Hinwendung«, »Bewegung«) bleibt aber zu beachten, daß der Buß- und Umkehrruf ein zentraler Topos der frühneuzeitlichen lutherischen Erbauungsliteratur und überhaupt der geistlichen Beredsamkeit ist nach dem Vorbild der Evangelien und so noch keine direkten kirchengeschichtlichen oder religionssoziologischen Rückschlüsse zuläßt. Zur methodischen Vorsicht s. hier S. 57f. Die genauere Auswertung biographischer Quellen begünstigt für das Luthertum des 17. Jh.s die Annahme, daß jedenfalls bei »fast allen herausragenden Persönlichkeiten [...] Gelehrsamkeit und Frömmigkeit sowohl im persönlichen Leben wie in ihren literarischen Werken eine sehr enge Verbindung« eingingen (Sommer, 2005, S. 594). Zu Andreaes Reformutopie und Sozietätsplänen v. a. aus den Jahren 1619 u. 1620 s. bes. Hardtwig, 1997, Kap. IV. u. S. 243ff. sowie S. 425f. (Anm. 63). Antonia und ihr Gelehrtenkreis bietet damit mutatis mutandis einen der seltenen frühneuzeitlichen Belege dafür, »daß die christliche Kabbalah Reuchlins offensichtlich keineswegs nur in hochgelehrten, humanistischen, auf jeden Fall aber altgläubigen Zirkeln, sondern auch im reformatorischen und radikalreformatorischen Lager rezipiert wurde.« Ferner daß »die Kabbalah in ganz unterschiedlichen Bildungsschichten und Formen aufgenommen« wur-

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Insofern verhalten sich die erhaltenen Dokumente des Antoniakreises gegenüber Versuchen merkwürdig neutral, die lutherische Kirchen- und Frömmigkeitsgeschichte des 17. Jahrhunderts durch die Annahme eines Neben- und Gegeneinanders verschiedener konservativer oder progressiver Flügel zu begreifen. Das fordert nicht nur weitere Detailstudien heraus, sondern auch die Bereitschaft, das Gesamtbild der Epoche nötigenfalls zu revidieren.

de (Schubert, 2008, 317). Wie der von Schubert untersuchte Augustin Bader (s. ebd.) und Andreas Osiander (s. Schubert, 2014) hätte Antonia also ein eigenes Kapitel zwischen der Behandlung Athanasius Kirchers und Knorr von Rosenroths in einer künftigen Aufarbeitung der Geschichte der christlichen Kabbala verdient. Siehe dagegen Schmidt-Biggemann, 2012, u. Schmidt-Biggemann, 2013a.

Bibliographie der Quellentexte [Aegidius 1959] Egidio da Viterbo: Scechina e libellus de litteris Hebraicis. Hrsg. v. François Secret (Edizione nazionale dei classici del pensiero italiano II,10). Rom 1959. [Agrippa 1550] HENRICI | COR. AGRIPPAE | AB NETTESHEYM [...] | [...] | DE OCCVLTA | PHILOSOPHIA | LIBRI III. | LVGDVNI, | Apud Godefridum, & Marcellum, | Beringos, fratres, | 1550 [zuerst 1533]. [Agrippa 1988] Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim: Die magischen Werke. Übers. mit einer Einleitung von Kurt Benesch. 3. Aufl. Wiesbaden 1988. [Agrippa 1992] Cornelius Agrippa: De occulta philosophia libri tres. Hrsg. v. Vitoria Perrone Compagni. Leiden 1992 [zuerst 1533]. [Alciato 1546] ANDREAE AL= | CIATI EMBLEMATVM LI= | BELLVS, NVPER IN LV= | CEM EDITVS. | ALDVS | VENETIIS, M. D. XLVI. | [...]. [Aldrovandi 1637] VLYSSIS ALDROVANDI | [...] | ORNITHOLOGIAE | Tomus Tertius ac postremus | [...] | Sumptibus M. Antonij Berniae | Bibliopol. Bonon: | BONON[IAE]. Apud Nicolaum Tebaldinum MDCXXXVII. [Aldrovandi 1642] VLYSSIS ALDROVANDI | [...] | QVADRVPEDVM OMNIVM BISVLCORVM | HISTORIA. | IOANNES CORNELIVS VTERVERIVS BELGA | colligere incaepit | THOMAS DEMPSTERVS BARO MVRESK SCOTVS I. C. | perfecte absoluit. | [...] | BONON[IAE]. Apud Io. Baptistam Ferronium MDCXXXXII. [Aldrovandi 1646] VLYSSIS ALDROVANDI | [...] | ORNITHOLOGIAE | HOC EST | DE AVIBVS HISTORIAE | LIBRI XII. | [...] | Sumptibus Marci Antonij Berniae | BONON[IAE]. Apud Nicolaum Tebaldinum MDCXLVI. [Alsted 1630] JOHANNIS-HENRICI | ALSTEDII | ENCYCLOPAEDIA | Septem tomis distincta, | I. Praecognita disciplinarum, libris quattuor. | II. Philologica, libris sex. | III. Philosophia theoretica, libris decem. | IV. Philosophia practica, libris quattuor. | V. Tres superiores facultates, libris tribus. | VI. Artes mechanicae, libris tribus. | VII. Farragines disciplinarum, libris quinque. | Serie | PRAECEPTORUM, REGULARUM, & COM- | MENTARIORUM PERPETUA. | Insertis passim Tabulis, Compendiis, Lemmatibus marginalibus, Lexicis, | Controversis, Figuris, Florilegiis, Locis communibus, & Indicibus; | ita quidem, ut hoc Volumen, secundâ curâ limatum & | auctum, possit esse instar Bibliothecae in- | structissimae. | HERBORNAE NASSOVIORUM | ANNO M. DC. XXX [UB Tübingen Aa 21 R]. [Altenstaig 1610] LEXICON | THEOLOGICVM | COMPLECTENS VOCABVLO- | RVM DESCRIPTIONES, DIFFINITIONES | & interpretationes [...] | [...] à Ioannes | Altenstaig [...] | [...] | ANTVERPIAE, | In Aedibus Petri Belleri sub scuto | Burgundiae, 1576. [Andler 1668 Leichendruck] Geistliche Trost=Quellen | durstiger Seelen; | Das ist: | Einfälltige [sic] Erklärung | deß Paulinischen Macht= und Trost=Spruchs/ | Rom. IIX. v. 31.32.33.34. | Bey Christlicher Leich=Versamblung/ | Deß weiland Edlen Vest= und Hochgelehrten | Herrn/ | JOHANN DANIEL | ANDLERS, | Ihro Fürstl. Durchl. zu Württemberg gewesenen | Rennt=Cammer Expeditions-Raths | seligen/ | [...] | Einer Christlichen Gemein vorgetragen | von | M. Johann Wolffgang Dietterich/ | Spital=Helffern | Stuttgart/ Getruckt bey Johann Weyrich Rößlin/ | Fürstl. Württemb. bestellten Buchtruckern. 1668 [UB Tübingen L XVI 41, S. 32–67, Epicedia verschiedener Autoren 5. Stück]. [Andreae 1615] [Johann Valentin Andreae:] Fama Fraternitatis | Oder | Entdeckung | der Brüderschafft | des löblichen Ordens deß | RosenCreutzes/ | Beneben der | CONFESSION | Oder | Bekantnus derselben Fraternitet, | an alle Gelehrte vnd Häupter in | Europa geschrieben. | [...] | Gedruckt zu Dantzigk/ durch Andream | Hünefeldt. Jm Jahr/ 1615. [Andreae 1619 a] Geistliche | Kurtzweil | J[oannis]. V[alentini]. A[ndreae]. | Zu Ergetzlichkeit einfältiger | Christen mitgetheilt. | [...] | Straßburg/ | Jn Verlegung Lazari Zetzners Erben/ | Anno 1619. [Andreae 1619 b] REIPUBLICAE | CHRISTIA- | NOPOLITANAE | DESCRIPTIO | [...] | ARGENTORATI, | Sumptibus haeredum LAZARI ZETZNERI, | Anno M. DC. XIX. [Andreae 1649] THEOPHILUS, | Sive de | CHRISTIANA | RELIGIONE sanctius | colenda | VITA temperantius | instituenda, | Et LITERATVRA rationabilius | docenda | CONSILIUM. | [...] | IOAN: VALENTINI ANDREAE | [...] | STUDTGARDIAE, | TYPIS Matthiae Kauttii, | Anno M. DC. XLIX. [Andreae 1654 Leichendruck] Christliche Leich=predig/ | Bey der Begräbnuß weilund deß Wol=Ehrwür=

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Bibliographie der Quellentexte

| digen vnd Hochgelährten Herrn / | JOHANNIS VALENTINI | ANDREAE, | Der Heiligen Schrift | Doctoris, Fürstlichen Braunschweigi | schen vnd Würtembergischen Raths / Abbts vnd GeneralSuperintendens zu Adelberg / und einer Ersa= | men Landschafft in Würtemberg grössern Außschusses Verwan= | tens / welcher Dienstags den 27. Junii / Anno 1654. Abends vm | 7. Vhr zu Stuttgart in Christo Jesu sanfft und selig entschlaffen | vnd Freytags den 30. Junii / bey ansehnlicher Ver= | sammlung ehrlich zur Erden bestattet | worden. | [...] | Gehalten durch | Christophorum Zellerum, Fürst= | lichen Würtembergischen Consistorial=Rath / | vnd Hofpredigern zu Stuttgart / | Daselbsten gedruckt bey Johann Weyrich Rößlin / | Im Jahr M. DC. LIV [Als Anhang: BONUS ODOR | SVAVE-OLENS | NOMINIS ANDREANI. | [...] | EXHALATUS | In Tumbam | JOH. VALENTINI | ANDREAE, VIRI DEI | Ab | Illustrissimis, Cordatioribus, Amicis can- | didis, clientibus et aliis. | STUTTGARDIAE, | Typis Matthiae Kauttij. Anno 1654. [UB Tübingen LXVI 41, 13. Stück]. [Andreae 1836] Die Christenburg. Allegorisch-epische Dichtung von Johann Valentin Andreä. Nach einer gleichzeitigen Handschrift herausgegeben von Carl Grüneisen. Aus dem sechsten Bande der Zeitschrift für die historische Theologie besonders abgedruckt. Leipzig 1836. Verlag von Joh. Ambr. Barth [Edition eines nur handschriftlich erhaltenen, wohl zwischen 1615 u. 1620 entstandenen Werkes]. [Andreae 1845] Johann Valentin Andreae: Die Kämpfe des christlichen Herkules. Ein altes Buch für die neue Zeit aus dem Lateinischen übersetzt und herausgegeben von einem seiner Nachkommen. Frankfurt/M. 1845 [UB Tübingen Dk II 312; Johann Valentin Andreaes Herculis christiani luctae XXIV erschien 1615 in Straßburg]. [Andreae 1992] Johann Valentin Andreae: Ein geistliches Gemälde. Entworfen und aufgezeichnet von Huldrich StarkMann Diener des Evangeliums. Nach dem wiedergefundenen Urdruck Tübingen 1615 hrsg. von Reinhard Breymayer. Tübingen 1992. [Andreae 2002] Theophilus. Bearb. v. Jana Marlová u. a. (Gesammelte Schriften 16. Hrsg. v. Wilhelm Schmidt-Biggemann). Stuttgart-Bad Cannstatt 2002. [Andreae 2006 Leichendruck] Sabine Koloch, Frank Böhling, Hermann Ehmer (Hrsg.): Akkumulation von Ansehenskapital. Die Gedenkschrift für Johann Valentin Andreae. Edition mit einer Bibliographie der gedruckten Werke von Gottlieb Andreae. In: DAPHNIS. Hrsg. v. Barbara Becker-Cantarino et al. Bd. 35, H. 1–2. Amsterdam 2006, S. 51–125 (krit. Textedition: S. 93–124). [Aristoteles 1597] Aristotelis Stagiritae Peripateticorum Principis Organum, hoc est, libri omnes ad logicam pertinentes, Graece et Latine. Julius Pacius recensuit. Editio secunda, Frankfurt am Main: Heredes Andreae Wecheli 1597 [Reprint, Hildesheim, 1967]. [Arndt 1610] Vier Bücher | Von wahrem Christenthumb/ | Heilsamer | Busse/ Hertzli= | cher Rewe vnd Leid vber die Sün= | de vnd wahrem Glauben: auch heili= | gem Leben vnd Wandel der rechten | wahren Christen. | Derer Jnhalt nach dem Titul zu finden. | Das Erste Buch | Jetzo auffs newe vbersehen vnd gebessert/ | Durch | Johannem Arndt/ [...] | [...] | Mit Churf. Sächsischer Freyheit/ etc. | Gedruckt zu Magdeburg durch Joachim | Böel/ Jn verlegung Johan Francken/ | Jm Jahr 1610 [enthält Buch 1–4; Buch 1 zuerst 1605]. [Arndt 1621] ParadißGärtlein/ | Voller Christ= | licher Tugenden/wie diesel= | bige in die Seele zu pflantzen/ Durch andächti= | ge/ | lehrhaffte vnd tröstliche Gebet/ zu Ernewerung | des Bildes Gottes/ zur Vbung des waren lebendi= | gen | Christenthumbs/ zu Erweckung des newen geist= | lichen Lebens/ zur Dancksagung für allerley Wol= | thaten Gottes/ | zum Trost in Creutz vnd Trüb= | sal/ zur Heilung / Lob vnd Preiß des | Namens Gottes. | Jn welchem alle Artikel vnser Christlichen | Religion/ neben den Hauptsprüchen heiliger | göttlicher Schrifft begriffen seyn. | [...] | Auffs New vermehret vnd verbessert | Durch | IOHANNEM ARNDT [...] | [...] | Gedruckt zu Magdeburg bey Johann Francken/ | Anno M. DC. XXI. [Arndt 1653] Vier Bücher | Vom wahren | Christenthumb/ | Durch | Herrn JOHANNEM ARNDT, | [...] | Lüneburg/ | Gedruckt und verlegt durch Johann und Hein= | rich/ denen Sternen/ Gebrüdern. | Jm Jahr M. DC. LIII. [Arndt 1666] Außlegung des | gantzen | Psalters [...] | [...] | Jn 2 Theile abgefasset/ | [...] | Durch | H. Johann Arndten [...] | [...] | Sampt einer Vorrede Johann Gerhards [...] | [...] | Lüneburg/ | Gedruckt und verlegt durch Johann und Heinrich Sternen | seelig hinterlassene Erben | ANNO M DC. LXVI [zuerst Jena 1617]. [August zu Braunschweig-Lüneburg u.a. 1654] BONUS ODOR | SVAVE-OLENS | NOMINIS ANDREANI. | Supra Centum Annos, & quod excedit, | IN ECCLESIAM CHRISTI, | Orthodoxiâ, voce, Calamo, Exemplo, | meritisque integerrimis san- | ctè clari. | EXHALATUS | In Tumbam | JOH. VALENTINI | ANDREAE, VIRI DEI | Ab | Illustrissimis, Cordatioribus, Amicis can- | didis, clientibus & aliis. | STUTTGARDIAE, | Typis Matthiae Kauttij. Anno 1654.

Bibliographie der Quellentexte

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[Avenarius 1589] !M‫י‬¤‫ | סֵפֶר הַׁשֳר´ׁש‬HOC EST | LIBER RADICVM SEV | LEXICON EBRAICUM, IN QVO | OMNIVM VOCABVLORVM BIBLICO- | rum propriae ac certae redduntur significationes, cum vera & | dilucida multorum locorum scripturae sacrae | explicatione. | Adjecta est plerisque Radicibus Symphoniacarum | linguarum deriuatio. | Denuò auctus, & recognitus. | AVTORE | D. JOHANNE AVENARIO | EGRANO. | [...] | Cum gratia & priuilegio. | WITEBERGAE | PER HAEREDES IOHANNIS CRATONIS | ANNO | M. D. LXXXIX [zuerst 1568; UB Tübingen Ci VII 5]. [Bachiene 1766] Wilhelm Albert Bachiene, | [...] Historische | und | Geographische Beschreibung | von | Palästina, | nach seinem ehemaligen und gegenwärtigen | Zustande [...] | Aus dem Holländischen übersetzt | [...] von | G. A. M. | Des ersten Theils erster Band. | Cleve und Leipzig, | verlegts G. C. B. Hofmann, 1766. [Bang 1657] !‫! | עט‬M‫[ הקד‬im Druck: !M‫ | ]חקד‬CAELUM | ORIENTIS ET | PRISCI MUNDI | TRIADE | Exercitationum Literariarum | Repraesentatum, | CURISQVE | THOMAE BANGII D. ET PR. | Regii Hauniensis investigatum. | Cum | S. R. M. FRIDERICI III | Speciali Privilegio. | HAUNIAE | Typis PETRI MORSINGII, Reg. & Acad. Typogr. | Sumptibus vero PETRI HAUBOLDI Bibliop. | M. DC. LVII [WLB Theol. qt. 512]. [Baumann 1695] [...] | DISSERTATIONEM HISTORICO- | THEOLOGICAM | DE | MONARCHIANIS | ANTITRINITARIIS | ANTIQVIS & RECENTIORIBUS [sic], | ad illustrandum | Articulum I. August. Confess. | PRAESIDE | JOH. WILHELMO BAIERO, | [...] | Publicae disquisitioni subjiciet | Ad d. April. A. M DC XCV. | LAURENTIUS MATTH. BAUMANN, | STOLPAE POMERANUS. | HALAE MAGDEBURGICAE, | Typis CHRISTOPH. ANDREAE ZEITLERI, ACAD. TYPOG. [Baumgarten 1766] Siegmund Jacob Baumgarten: Geschichte der Religionspartheyen. Hrsg. v. Johann Salomon Semler. Halle 1766 [Reprint: Hildesheim 1966]. [Bellarmino 1856] ROBERTI BELLARMINI | [...] | DE CONTROVERSIIS | CHRISTIANAE FIDEI | [...] | TOMUS PRIMUS | NEAPOLI | APUD JOSEPHUM GIULIANO | [...] | 1856 [= Opera omnia, Tomus I; zuerst 1586]. [Beverwijck 1644] JOH. BEVEROVICII | EPISTOLICAE | QUAESTIONES, | Cum | DOCTORUM | RESPONSIS. | Accedit Ejusdem, | Nec non Erasmi, Cardani, Melanchthonis, | MEDICINAE ENCOMIUM. | ROTERODAMI, | Sumptibus ARNOLDI LEERS, | ΑIΒ IΒΑ XLIV. [Bible 1599] THE | BIBLE, | THAT IS, | THE HOLY SCRIPTVRES | conteined in the Old and New | TESTAMENT. | Translated according to the Ebrew and Greeke, and | conferred with the best Translations in | diuers Languages. | [...] | IMPRINTED AT LONDON | by the Deputies of Christopher Barker, | Printer to the Queenes most | Excellent Maiestie. | 1599 [Geneva Bible; zuerst 1560; sehr wahrscheinlich eine der auf 1599 rückdatierten Ausgaben, die noch Jahre nach Erscheinen der King James Bible, 1611, gedruckt wurden]. [Biblia 1650] BIBLIA | Mit der Auslegung | Das ist: | Die gantze heilige Schrifft/ | Altes und Neues Testaments | [...] | D. Martini Lutheri. | Mit einer kurtzen/ jedoch gründlichen Erklärung des Textes/ | [...] | Aus | Des [...] Herrn/ | D. LUCAE OSIANDRI, Senioris | [...] Lateinischem | EXEMPLAR. | Auff vieler [...] Begehren/ [...] | [...] in die Hochdeutsche Sprache [...] | gebracht/ und [...] in [...] Stuttgart/ in Sieben Theilen/ [...] an Tag geben/ | Durch | [...] | M. David Förtern [...] | [...]. | ANNO CHRISTI M. DC. L. | Lüneburg/ Gedruckt und verlegt durch Johann und Heinrich/ die Sterne [VD17 3:300410S; urn:nbn:de:gbv:3:3-41297]. [Biblia 1664] BIBLIA | SACRA | VETERIS ET NOVI | TESTAMENTI | STUTTGARDIAE, | Typis JOHANNIS WYRICHII RÖSSLINI, | ANNO M. DC. LXIV. [Biblia 1701] BIBLIA, | Das ist/ | Die gantze | Heilige Schrifft, | Alten und Neuen | Testaments/ | Teutsch/ | D. Martin Luthers. | Mit Summarien/ richtiger | Eintheilung der Biblischen | Bücher und Capitel/ [...] | [...] | Wittenberg/ | Jn Verleg. Balth. Christoph Wust | des Aeltern/ Buchdruck= und Händlers in | Franckfurt am Mayn/ | Jm Jahr Christi M. DCC. I. [Blaeu 1665] GEOGRAPHIA | QVAE EST | COSMOGRAPHIAE | BLAVIANAE | PARS PRIMA, | QVA | ORBIS TERRAE | TABVLIS | ANTE OCVLOS PONITVR, | ET | DESCRIPTIONIBVS | ILLVSTRATVR. | AMSTELAEDAMI, | Labore & Sumptibus | IOANNIS BLAEV, | M DC LXV [Reprint: Joan Blaeu: Atlas Maior of 1665 [...] Introduction and texts by [...] Peter van der Krogt. [...] Mit einer Auswahl der Originaltexte von [...] Joan Blaeu. Directed and produced by Benedikt Taschen. Köln 2005.]. [Bochart 1675] HIEROZOICON | SIVE BIPERTITUM OPUS | DE | ANIMALIBUS | S. SCRIPTURAE. | [...] | Authore | SAMUELE BOCHARTO, | Revisum atque correctum ab innumeris mendis, quibus Editio Londinensis scatebat, | Opera atque studio | DAVID CLODII Hamb. Profess. Gissensi. | Recusum verò | FRANCOFVRTI AD MOENVM. | Impensis JOHANNIS DAVIDIS ZUNNERI. | Typis BAL-

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Bibliographie der Quellentexte

THAS. CHRISTOPHORI WUSTII. | ANNO M DC LXXV [Predigerseminar Wittenberg 2° Eth 170; zuerst 1663]. [Bochart 1712] SAMUELIS BOCHARTI | OPERA OMNIA | HOC EST | PHALEG, CHANAAN, | ET | HIEROZOICON | Quibus accesserunt Dissertationes variae | [...] | In quibus omnibus digerendis [...] operam posuerunt | [...] Johannes Leusden & Petrus de Villemandy. | EDITIO QUARTA. | LUGDUNI BATAVORUM, | Apud CORNELIUM BOUTESTEYN, & SAMUELEM LUCHTMANS. | TRAJECTI ad RHENUM, | Apud GUILIELMUM vande WATER, M. DCC. XII [Es folgt ein Schmucktitel und ein Titelblatt für den 1. Bd., hrsg. v. Petrus de Villemandy, v. a. PHALEG, CHANAAN u. a. Geographica enthaltend, mit der Datierung M. DCC. VII.]. [Böhme 1920] Jakob Böhme: Schriften. Ausgewählt u. hrsg. v. Hans Kayser. Leipzig 1920 [enthält auch A. von Franckenbergs Lebensbeschreibung u. Oetingers Böhme-Auszug]. [Böhme 1997] Jacob Böhme: Werke. Morgen-Röte im Aufgang. De Signatura Rerum. Hrsg. v. Ferdinand van Inghen. Frankfurt/M. 1997. [Bongo 1618] PETRI BVNGI | [...] | NVMERORVM MYSTERIA | Ex abditis plurimarum disciplinarum fontibus hausta: | [...] | Postrema hac editione ab Auctore ipso copioso Jndice, & ingenti | appendice auctum. | [...] | LVTETIAE PARISIORVM | Apud MICHAELEM SONNIVM, via Iacobaea; | sub Scuto Basiliensi. | M. DC. XVIII [ein Nachdruck der Ausgabe Bergamo 1599 liegt vor, hrsg. u. eingel. v. Ulrich Ernst, Hildesheim u.a. 1983]. [Breithaupt 1713] R. SALOMONIS JARCHI, | !‫ יור‬DICTI, | COMMENTARIUS | HEBRAICUS, | IN | PROPHETAS | MAIORES ET MINORES; | UT ET | IN | HIOBUM ET PSALMOS, | LATINE VERSUS, | Cum duobus vetustissimis codicibus | MStis membraneis collatus, | Multis in locis auctus & emendatus | notis criticis & philologicis | illustratus | JOH. FRIDERICO BREITHAUPTO, | S. Caesar. Majest. & Duc. Saxon. Consiliario, | Accessit | Rerum & Verborum Index. | GOTHAE, | Sumptibus ANDREAE SCHALLII, | Typis, REYHERIANIS, | M. DCC. XIII. [Tübinger Stift q 1042; erschien zugleich mit Breithaupts Übersetzung von Raschis Pentateuchkommentar]. [Brenz 1578] OPERVM REVE= | RENDI ET CLARIS- | SIMI THEOLOGI, D. IOAN- | NIS BRENTII [...] | [...] | Tomus Tertius. | IN QVO SEQVEN= | tia habentur | [...] | Lucubrationes eiusdem & CYGNEA CANTIO, in | Psalmos centum & sex. | [...] | TVBINGAE | Excudebat Georgius Gruppenbachius, | ANNO M. D. LXXVIII. [Brenz 1590] OPERVM REVE= | RENDI ET CLARISSI- | MI THEOLOGI, D. IOANNIS | BRENTII [...] | [...] | Tomus Octauus. | IN QVO CONTINENTVR | POLEMICA SCRIPTA CONTRA PE- | trum à Soto, & Sacramentarios. | [...] | TVBINGAE, | Excudebat Georgius Gruppenbachius, | ANNO M. D. XC. [Buffon-Otto 1788] Herrn von Buffons | Naturgeschichte | der Vögel. | Siebenter Band. | Brünn, | gedruckt bei Joseph Georg Traßler, und im | Verlage F. A. Schrämdis. | 1788 [übers. u. bearb. v. B. Otto]. [Buxtorf 1639] JOHANNIS BUXTORFII P. | LEXICON | CHALDAICUM, TALMUDICUM | ET RABBINICUM, | In quo | OMNES VOCES CHALDAICAE, TALMUDICAE ET RABBINICAE, | quotquot in universis Vet. Test. Paraphrasibus Chaldaicis; in utroque Talmud, Ba- | bylonico & Hierosolymitano, in vulgaribus & secretioribus Hebraeorum Scri- | ptoribus, Commentatoribus, Philosophis, Theologis, Cabalistis & Ju- | reconsultus extant, fideliter explicantur, | [...] | Nunc demum, post PATRIS obitum, ex ipsius Autographo fideliter descriptum [...] | [...] in lucem editum | à | JOHANNE BUXTORFIO FILIO, | [...] | BASILEAE, | Sumptibus & typis Ludovici König, M. DC. XXXIX. [Buxtorf 1645] JOHANNIS BUXTORFII | [...] | DISSERTATIO | DE NOMINIBUS | DEI HEBRAICIS. | BASILEAE, | Sumptibus Haered. Ludovici König. | M. DC. XLV. [Buxtorf 1651] JOHANNIS BUXTORFII | THESAURUS | GRAMMATICUS | LINGUAE SANCTAE | HEBRAEAE, | Duobus libris methodicè propositus, | QUORUM PRIOR, VOCUM | singularum naturam & proprietates, alter, vo- | cum conjunctarum rationem & elegan- | tiam universam, accuratissimè | explicat. | ADJECTA | PROSODIA METRICA, SIVE POE- | seos Hebraeorum dilucida tractatio: | [...] | Editio quinta [...]. | [...] | BASILEAE, | Impensis Haered. LUDOVICI REGIS. | M. DC. LI [Reprint: Hildesheim/New York 1981]. [Buxtorf 1658] JOHANNIS BUXTORFII | MANUALE | HEBRAICUM ET | CHALDAICUM. | Quo | SIGNIFICATA OMNIUM | VOCUM, TAM PRIMARUM, QUAM | derivatarum, quotquot in Sacris | Bibliis, Hebraeâ & partim | Chaldaeâ linguâ scri- | ptis, extant, | Solide & succinctè explicantur. | [...] | Editio Sexta castigatior | Curâ JOH. BUXTORFII Fil. | BASILEAE, | Impensis AUTHORIS, | Typis GEORGII DECKERI, | Academiae Typographi, A. M DC LVIII. [Buxtorf 1663] JOHANNIS BUXTORFII | LEXICON | HEBRAICUM ET | CHALDAICUM: | Complectens | OMNES VOCES, TAM PRIMAS QVAM | Derivatas, quae in Sacris Bibliis, Hebraeâ & | ex parte

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Chaldaeâ linguâ scriptis, | extant: | [...] | Editio septima, de novo recognita, & innumeris in | locis aucta & emendata. | [...] | BASILEAE. | Sumptibus JOHANNIS KÖNIG, | M. DC. LXIII. [Buxtorf 1708] IOANNIS BUXTORFII | DE | ABBREVIATURIS | HEBRAICIS | LIBER NOVIS ET COPIOSUS. | CVI ACCESSERVNT | OPERIS TALMUDICI | BREVIS RECENSIO, | Eiusdemque Librorum et Capitum | Index: | ITEM | BIBLIOTHECA | RABBINICA | ORDINE APLPHABETICO DISPOSITA, | CUM APPENDICE EIDEM | INSERTA. | EDITIONE HAC NOVISSIMA | Omnia Castigatiora, luculentis Ad- | notationibus inlustrata, & novis Abbre- | viaturis Librorumque Titulis | aucta. | HERBORNAE NASSAVIAE, | STANNO ET SUMTIBUS | IOAN. NICOLAI ANDREAE, | ANNO M. DCC. VIII [zuerst 1613; Reprint: Hildesheim/New York 1985]. [Calepinus 1647] AMBROSII | CALEPINI | DICTIONARIVM, | QVANTA MAXIMA FIDE AC DILIGENTIA ACCVRATE | emendatum, et tot recens factis accessionibus ita locupletatum, vt iam | THESAVRVM LINGVAE LATINAE quilibet polliceri sibi audeat. | [...] | Pro operis coronide adiectum est Supplementum ex Glossis ISIDORI, | Adornatum a R. P. IOANNE LVDOVICO DE LA CERDA, Societatis IESV. | EDITIO NOVISSIMA. LVGDVNI, | Sumptibus Haered. PETRI PROST, PHILIPPI BORDE, | ET LAVRENTII ARNAVD. | M. DC. XLVII. [...] [HAB Wolfenbüttel M: Kb 2o 40, 2 Bd.e]. [Calovius 1655] I. N. J. | ABRAHAM CALOVII D. IN ACAD. | VVITEBERG. P. P. ET ELECTOR. SAXON. | SUPERINTEND. GENER. | SYSTEMA | LOCORUM THEOLOGICORUM, | è Sacrâ potissimum Scripturâ, & Antiquitate, | nec non adversariorum confessione, | DOCTRINAM, PRAXIN, | & Controversiarum Fidei, | Cùm Veterum, tùm imprimis recentiorum pertractationem | luculentam exhibens. | TOMUS SECUNDUS | De Cognitione, Nominibus, Na- | turâ & Attibutis DEI. | [...] | WITEBERGAE | Sumptibus ANDREAE HARTMANNI Bibliopolae, | Typis Johannis RöHNERI Acad. Typographi. | ANNO M DC LV [Predigerseminar Wittenberg 4° S.Th. 15]. [Calvin 1882] Ioannis Calvini: Commentarii in quinque libros Mosis (Opera quae supersunt omnia. Bd. 23; Opera exegetica et homiletica. Bd. 1; Corpus Reformatorum 51). Braunschweig 1882. [Carreto 1554] Epistola Ludouici | CARRETI AD IVDAEOS, | quae inscribitur Liber visorum Diuinorum: | Qua eos ad resipiscentiam inuitat, validissmis- | que rationibus Christianam asserit veritatem, | Vnà cum Latina interpretatione. | PARISIIS. | Ex officina Christiani Wecheli, sub | Pegaso, in vico Bellouacensi, | M. D. LIIII. [Cartwright 1653] ELECTA | Thargumico-Rabbinica; | SIVE ANNOTATIONES IN EXODUM. | Ex triplici Thargum, seu Chal- | daicâ Paraphrasi, nempe Onkel, Jonathanis, & | Hierosolymitanâ; item ex Commentariis Rab- | binorum, nempe Salomonis Jarchi, Aben Ezra, & Abra- | baneelis; nec non ex Libro Radicum, seu Lexico R. | Davidis Kimchi, [...]. | Authore Christophoro Cartwrighto, | [...]. | LONDINI, | Typis Thomae Mabb: prostant apud Sam Thomson ad | insigne Equi candidi, in Coemeterio Paulino; | M. DC. LIII. [Castellio 1726] BIBLIA | SACRA | EX | Sebastiani Castellionis | INTERPRETATIONE | Eiusque Postrema Recognitione. | IN QUATUOR TOMIS. | LONDINI, | Excudebat Jacob. Bettenham. | Impensis J. KNAPTON [...] | [...] M. DCC. XXVI [zuerst 1551]. [Cebes 1551] Tabula Cebetis Thebani. [Holzschnitt v. Johann Kramer. Gedruckt zu Nürnberg durch Hans Kramer 1551. Ein Exemplar heute in: Staatliche Graphische Sammlung München. Gemeinfreies Digitalisat unter zeno.org/nid/20004116909; abgerufen am 31.8.2014]. [Chemnitz 1599] LOCORUM THEOLOGICORUM | [...] MARTINI CHEMNITII, [...], | [...] | PARS PRIMA. | QUIBUS ET LOCI COMMUNES | D. PHILIPPI MELANCHTHONIS PERSPICUE | EXPLICANTUR, & QUASI INTEGRUM CHRISTIANAE | DOCTRINAE CORPUS ECCLESIAE DEI SYNCERE PROPONITUR. | Editio nova, emaculata [...], | Opera & studio Polycarpi Leyserii, [...] | [...] | FRANCOFURTI | EX OFFICINA PALTHENIANA, SUMPTIBUS IOANNIS SPIESSII. | M. D. XCIX [zuerst: 1591]. [Christian 1853] Betbuch Christian des Ersten, Herzogs und Churfürsten zu Sachsen, vom Jahre 1589. Mit Gebeten des Churfürsten August von Sachsen. Hrsg. v. Johann Konrad Irmscher. Erlangen 1853. [Chytraeus 1565] REGVLAE | VITAE. | VIRTVTVM DE= | SCRIPTIONES METHODICAE, IN | Academia Rostochiana proposita, & | recens recognita, | A | DAVIDE CHYTRAEO. | VVITEBERGAE. | EXCVDEBAT IOHANNES | CRATO. | ANNO M. D. LXV. [Coddaeus 1621] HOSEAS | PROPHETA, | Ebraice & Chaldaice. | Cum duplici versione Latina: | ET | Commentarijs Ebraïcis trium Doctissimorum Judaeorum; | Masorâ item parvâ, ejusque, & Commentario- | rum Latinâ quoque interpretatione. Accedunt [...] annotationes [...] | Lugduni Batavorum, | Typis RAPHELENGIANIS. | Prostant apud IOHANNEM MAIRE, | ANNO M. DC. XXI. [Comenius 1658] JOH. AMOS COMENII, | ORBIS SEN- | SUALIUM PICTUS. | [...] | Die sichtbare Welt/

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| Das ist | Aller vornemsten Welt=Dinge und Le= | bens=Verrichtungen | Vorbildng und Benahmung. | NORIBERGAE, | Typis & Sumptibus MICHAELIS ENDTERI. | Anno Salutis ΑIΒ IΒΑ LVIII [Reprint: Dortmund 1978]. [Confessio 1952] Confessio Virtembergica. Das württembergische Bekenntnis von 1551. Hrsg. v. Ernst Bizer (Blätter für württembergische Kirchengeschichte, Sonderheft 7). Stuttgart 1952. [Cramer 1624a] EMBLEMATUM SACRORUM | Prima Pars. | Das ist: | Fünffzig Geistlicher in Kupf= | fer gestochener Emblematum auß der | H. Schrifft / [...] | Erster Theyl. | [...] | Franckfurt am Mayn/ | Jn Verlegung LUCAE JENNIS | ANNO M. DC. XXIV [Reprint: Daniel Cramer: Emblemata sacra. Mit einem Nachwort v. Sabine Mödersheim. Hildesheim u.a. 1994]. [Cramer 1624b] EMBLEMATUM SACRORUM | Secunda Pars. | Das ist: | Fünffzig Geistlicher in Kupf= | fer gestochener Emblematum auß der | H. Schrifft / [...] | Ander Theyl. | [...] | Franckfurt am Mayn/ | Jn Verlegung LUCAE JENNIS | ANNO M. DC. XXIV. [Cratander 1526] Sacra Biblia | ad LXX Interpretum fidem | diligentissime tra[ns]lata | per | Andream Cratandrum | Basileae | 1526 [UB Tübingen Ga XXXVI 18]. [del Castillo Velasco 1641] Subtilissimi Scoti Doctorum | Super 3. sententiarum librum | Tomus Primus. | DE INCARNATIONE | VERBI DIVINI, ET PRAE[-] | SERVATIONE VIRGIN. | MARIAE AB ORIGINALI. | AUTHORE | R. P. F. FRANC[IS]CO. DEL CASTILLO VELASCO, | [...]. | ANTVERPIAE, APVD PETRVM BELLERVM ANNO M. DC. XLI. [del Rio 1608] MARTINI DEL-RIO | [...] | PHARVS SACRAE SAPIENTIAE, | Quo | quid contineatur pagina sequens docebit. | NVNC PRIMVM IN LVCEM EDITVS. | [...] | LVGDVNI, | Sumptibus Horatij Cardon. | M. DCVIII. | Cum priuilegio S. Caesar. Majest. & Christianiss. Franc. & Nauarr. Regis [Tübinger Stift q 344]. [Deutschmann/Pilarik 1695] [...] | PENTECOSTALIS | DISPUTATIO THEOLOGICA | De | TRIPLICI SPIRITUS | SANCTI REGNO, POTEN- | TIAE, GRATIAE, ET GLORIAE, | IN GENERE | Ex Psalmo LI, 12. 13. 14. | Qvam | SUB PRAESIDIO | [...] | DN. JOH. DEUTSCHMANNI | [...] | Publico Eruditorum Examini subjiciet | STEPHANUS PILARICK, | [...] | Die XXXI. Maji [sic], Anno 1695. | WITTEBERGAE, | Typis Johannes Hakii. [Dilherr 1654] Göttliche Liebesflamme: | Das ist/ | Andachten/ Gebet/ und Seufzer/ | über | Das Königliche Braut= | Lied | Salomonis/ | Darinnen ein Gottseli= | ges Hertz/ | fürnemlich zu eiveri= | ger Betrachtung der unverschuldeten Lie= | be Christi und seiner schuldigen Gegenliebe/ | werd angemahnet: | Samt etlichen Gebeten der H. | Kirchenlehrer/ | Wie auch etlichen Predigten/ glei= | ches Jnhalts/ und einer Anweisung/ wie/ aus | dem Hohenlied/ können die Jährliche Eingänge der | Evangelischen Predigen [sic]/ hergenommen | werden. | [...] | Zum dritten mahl aufgelegt/ vermehret | und verbessert: Durch | Johann Michael Dilherrn. | [...] | Nürnberg/ in Verlegung Wolffgang Endters | deß altern. 1654. [zuerst 1651]. [Drexel 1632] ZODIACVS | CHRISTIANVS | seu | signa XII. diuinae | PRAEDESTINA= | TIONIS; | Totidem symbolis | in aes incisis expli= | cata | Ab Hieremia Drexe= | lio è Societate IESV. | Editio Quarta prioribus, | omnibus auctior | MONACHII. | Formis Cornelij | Leysserij Electo= | ratis Typographi | MDC XXXII [zuerst lat. 1618, dt. 1619]. [Dürer 2002] Albrecht Dürer: Das druckgraphische Werk. Bd. II. Holzschnitte und Holzschnittfolgen. Bearb. v. Rainer Schoch et al. München et al. 2002. [Ebermaier 1653] New Poetisch Hoffnungs=Gärtlein/ | Das ist: CCC. und XXX. Sinnbilder | von der | Hoffnung | So zum theils auß der Heili= | gen Schrifft/ zum theils auß aller= | hand alten Kirchenvättern/ Geschichtschrei= | bern/ Poeten/ Naturkündigern/ Vernunfft= | und Zucht=Lehrern ge= | zogen. | Vnd mit Lateinisch= und Teutschen | Versen erkläret werden/ | von M. Johann Ebermeier/ gekröntem | Kais. Poeten/ und der Zeit Pfarrern | zu Zavelstein. Tübingen/ | Getruckt bey Gregorio Kerner/ | Jm Jahr M. DC. LIII. [Elchanon 1580] MYSTERIVM NOVVUM | Ein new herr= | lich vnd gründlich beweiß | aus den Prophetischen Schriff- | ten/ nach der Hebreer Cabala/ daß der | name Jesus Christus Gottes vnd Ma= | rie Son in den fürnemsten Propheceyungen | von Messia verdeckt bedeutet/ daß auch | er wahrhafftig sey der verheisse= | ne Messias. | Gestellet durch | Elchanon Paulum von Prag/ | Welcher zuuor bey den Jüden ist ein | fürnemer hochgelarter Rabi gewesen/ vnd ge= | heissen Rabi Elchanon/ sich aber in dem na= | men Jesu Christi Tauffen lassen im waren | Christlichen glauben/ in Polen in der Stadt | Chellim im Jahr 1568. | Sampt einer ernsten vermanung des Au= | thoris an alle Jüden. | Gedruckt zu Helmstadt durch Jaco= | bum Lucium Anno 1580 [WLB Theol. oct K 1215]. [Fischlin 1709] J. N. F. | MEMORIA THEOLOGORUM | WIRTEMBERGENSIUM RE- | SUSCITATA, |

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h. e. | BIOGRAPHIA | PRAECIPVORVM | VIRORVM; | qui à tempore Reformationis usque ad | hanc aetatem partim in Ducatu Wir- | tembergico Verbum Domini docuerunt, partim extra | suam hanc Patriam vocati Ecclesiae Christi | aliis in terris inservierunt, | atque | Vel scriptis Theologicis, vel officiorum | dignitate, vel aliis meritis praestan- | tibus inclaruere. | Accessit Elenchus Scriptorum tum edito- | rum, tum In Manuscriptis latentium cum Supple- | mentis atque Indicibus necessariis. | Pars II. | Auctore | M. LUDOVICO MELCHIORE | FISCHLINO, | Ministro Verbi Stuttgardiano. | Ulmae, | Sumptibus GEORGII WILHELMI Kühnen / | Bibliop. Anno M. DCC. IX [UB Tübingen theol A 431]. [Frischlin 1601] OPERUM POETICORUM | NICODEMI FRISCHLINI, [...] | PARS ELEGIACA; | CONTINENS VIGINTI DVOS | Elegiacorum carminum libros, ad imitationem Ovidii, et optimorum hoc in genere auctorum scriptos, | [...] | QUIBUS ADHAERESCUNT EIUSDEM | Auctoris Odarum libri tres: Anagram. unus. | CUM PRAEFATIONE M. GEORGII | PFLVEGERI [...] | ARGENTORATI. | Excudebant haeredes Bernh. Iobini. | ANNO. M. DCI. [Fürer 1621] CHRISTOPHORI FÜRERI | ab Haimendorf, | [...] | ITINERARIUM | AEGYPTI, ARABIAE, SYRIAE, ALIA- | RUMQUE REGIONUM | Orientalium. | Addita est Oratio funebris & carmina | exsequialia | [...] | NORIMBERGAE | Ex officina Abrahami Wagenmanni. | ΑIΒ IΒΑ XXI [M DC XX. nach Druckermarke am Buchschluß]. [Gerhard 1613] Postilla: | Das ist/ | Erklärung der Son= [sic] | täglichen vnd fürnehmesten Fest=Euange= | lien/ vber das gantze Jahr. | [...] | Verfasset durch | Johan Gerhardt/ [...] | [...] | Ander Theil. | Vom Sontage Trinitatis an/ biß auff den | letzten. | [...] | Gedruckt zu Jehna [sic]/ durch Tobiam Steinman. | Jm Jahr 1613. [Gerhard 1693] JOHANNIS GERHARDI, D. | COMMENTARIUS | super | GENESIN, | IN QVO | Textus declaratur, qvae- | stiones dubiae solvuntur, observationes eru- | untur, & loca in speciem pugnantia con- | ciliantur. | [...] | Editio novissima & emendatior | [...] | LIPSIAE, | Sumptibus JOHANNIS HEREBORDI KLOSII, Bibliop. | ANNO M DC XCIII [zuerst 1637]. [Gerhard 1863] IOHANNIS GERHARDI | LOCI THEOLOGICI | [...] | NOVEM TOMIS COMPREHENSUM | DENUO JUXTA EDITIONEM PRINCIPEM ACCURATE TYPIS EXSCRIBENDUM | CURAVIT | [...] | ED. PREUSS | [...] | BEROLINI. | SUMTIBUS GUST. SCHLAWITZ. | 1863 [Tomus primus; zuerst 1610]. [Gerhard 1865] IOHANNIS GERHARDI | LOCI THEOLOGICI | [...] | NOVEM TOMIS COMPREHENSUM | DENUO JUXTA EDITIONEM PRINCIPEM ACCURATE TYPIS EXSCRIBENDUM | CURAVIT | [...] | ED. PREUSS | [...] | BEROLINI. | SUMTIBUS GUST. SCHLAWITZ. | 1865 [Tomus tertius]. [Gerhard 1866] IOHANNIS GERHARDI | LOCI THEOLOGICI | [...] | NOVEM TOMIS COMPREHENSUM | DENUO JUXTA EDITIONEM PRINCIPEM ACCURATE TYPIS EXSCRIBENDUM | CURAVIT | [...] | ED. PREUSS | [...] | BEROLINI. | SUMTIBUS GUST. SCHLAWITZ. | 1866 [Tomus quartus]. [Gerhard 2000] Johann Gerhard: Meditationes Sacrae (1606/7). Lateinisch – Deutsch. Hrsg. v. Johann Anselm Steiger (Doctrina et Pietas I,3). 2 Teilbde. Stuttgart-Bad Cannstatt 2000. [Gerhard 2002] Johann Gerhard: Enchiridion consolatorium (1611). Lateinisch - Deutsch. Hrsg. v. Matthias Richter (Doctrina et Pietas I,5). 2 Teilbde. Stuttgart-Bad Cannstatt 2002. [Gikatilla 1516] [Joseph ben Abraham Gikatilla, übersetzt von Paulus Ritius] PORTAE LVCIS | Haec est porta Tetragrammaton iusti intrabunt per eam. | !‫ב¸אּו בֹו‬³‫ י‬M‫יקִי‬£‫ֹה צַד‬³‫עַר לַיžהו‬°‫ה הַׁש‬ª‫[ ז‬Ps 118,20 (Vulgata Ps 117,20 iuxta Hebr.): haec est porta Domini iusti intrabunt in eam.; Druckermarke am Buchende: »Excusa in officina Millerana Augustae Vindelico= | rum, quinto Idus Iunias. Anno salutis humanae | M. D. XVI.«; WLB HB 1650]. [Gikatilla 1883] !‫ יבואו בו‬M‫[ זה השער לי!“י צדיקי‬Ps 118,20] | !‫[ שערי אורה! | ספר‬Tore des Lichts] | [...] | [...] !P‫יוס‬ [...] !‫[ גיקטליי!“א‬Josef Gikatilla] [...] | !‫[ ווארשא‬Warschau] | !‫!“ג! לפ!“ק‬M‫[ שנה תר‬Im Jahr {5}643 = 1882/1883] | !‫[ שמואל‬Samuel] [...] !‫[ ארגעלבראנד‬Orgelbrand] [...] [Reprint: Jerusalem 720 = 1959/1960]. [Gikatilla 1994] SHA’ARE ORAH. Gates of Light. Rabbi Joseph, the son of Abraham Gikatilla. Translated with an introduction by Avi Weinstein. With a foreword by Arthur Hertzberg and an historical introduction by Moshe Idel. Walnut Creek u.a. 1994. [Glassius 1643] PHILOLOGIAE SACRAE, | QUA TOTIUS | SACROSANCTAE VETERIS ET | NOVI TESTAMENTI SCRIPTURAE, TUM | STYLUS & LITERATURA, TUM SENSUS & | GENUINAE INTERPRETATIONIS | RATIO EXPENDITUR. | LIBRI DUO, | AUTORE SALOMONE GLASSIO, D. Ecclesiarum & Scholarum in Ducatu | Saxo-Gothano Superintendente. | Editio Secunda, | priori auctior. | IENAE | TYPIS & SUMPTIBUS | ERNESTI STEINMANNI. | ANNO M. DC. XLIII [zuerst 1623].

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[Glassius 1690] Die | Psalmen Davids | nach dem | Eigentlichen Wort=Verstand | erkläret/ | und mit dem Lehr=reichen Nutzen | des Seel. Herrn | D. SALOMON GLASSENS | erläutert/ | [...] | Samt | [...] | Einem kurtzgefasten [sic] | Gebet=Büchlein/ | [...] | Nürnberg/ Jn Verlegung Joh. Andreae Endters Sel. Söhne. | ANNO. M DC XC [BSB München Liturg. 1465 i]. [Gryphius 1961] Andreas Gryphius: Lyrische Gedichte (ders.: Werke. Hrsg. v. Hermann Palm. 3 Bd.e. Dritter Band). Darmstadt 1961 [Nachdruck der Ausg. v. 1884]. [Hackspan 1660] THEODORICI HACK- | SPANII, SS. THEOL. ET | LINGUARUM ORIENT. | PROF. PUBL. | MISCELLANEORUM | SACRORUM | LIBRI DUO, | Quibus accessit | EIUSDEM EXERCITATIO | DE | CABBALA JUDAICA. | ALTDORPHII, | Typis & Sumptibus GEORGII HAGEN, | Universitatis Typographi, | ANNO M. DC. LX [Predigerseminar Wittenberg LC 418]. [Hafenreffer 1603] Loci Theolo- | gici, | CERTA METHODO AC RA- | tione, in Tres Libros tributi. | QVI | THEOLOGI- | CARVM SVMMAS, SVIS VBIQVE | DILVCIDIS SCRIPTVRAE TESTI- | monijs confirmatas, breuiter continet: earundem | Christianam Praxin, paucis commonstrant: ac | nostri denique Seculi praecipuas | ῾Ετεροδιδασvκαλίας fideliter | exponunt: | COLLECTI PER | MATTHIAM HAFENREFFERVM, | [...] | TVBINGAE, | Typis Georgij Gruppenbachij, | ANNO M. DCIII. [Hafenreffer 1613] TEMPLUM | EZECHIELIS, | SIVE IN IX. POSTREMA | Prophetae Capita | Commentarius: | NON TANTVM | GENVINAM TEXTVS | ET EXPEDITAM INTERPRETA- | tionem, unâ cum Templi, admiranda Spiritus S. cura | & studio delineati, Architectonicae aeneis | formis expressa: VERUM ETIAM DE PRAECIPVIS | CHRISTIANAE RELIGIONIS CAPITIBVS | jucundas et utiles Meditationes; facilem insuper de Hebraeorum omnium generum | Mensuras, Ponderibus ac Monetis, cum nostratibus comparatam | explicationem complectens: | EX PROPHETICA PENV, ET | alijs divinarum Scripturarum cognatis oraculis ita con= | formatus, ut totius Evangelicae doctrinae Compendium, & ad quamplurima | Scripturarum loca promptè dextreque intelligenda justa | Isagoge haberi possit: | In Academia Tubingensi elaboratus | PER | Matthiam Hafenrefferum, S. S. Theolo- | giae Doctorem, ejusdemque in Academia Tubin- | gensi Professorem. | Cum Privilegio Electoris Saxoniae ad decennium speciali. | TVBINGAE, | Typis Theodorici Werlini, sumptibus Iohannis | Berneri Francofurtensis. | ANNO CHRISTI | M DC XIII. [WLB Theol. fol 779]. [Hainlin 1646] SOL TEMPORVM. | Sive | CHRONOLOGIA | Mystica, | Quâ | Trium hujus Mundi seculorum Tempora, per genuinam | SABBATHICORVM & JVBILAEORVM annorum hacte- | nus incognitam Formam, Mysticumque Septenarium, in HEBDO- | MADAS distributa, extra dubitationis aleam ponuntur, | eorumque HARMONIA hucusque tacita | à silentio vindindicatur. | Item | ELENCHVS CHRONOLOGICVS NOVUS. | per totam Sacram Scripturam Veteris et Novi Testamenti, ab | Orbe condito, usque ad ultimum excidium | Hierosolymorum deductus. | Auctore | JOHANNE JACOBO HAINLINO | TVBINGAE, | Sumptibus PHILIBERTI BRVNNJ [= BRVNNII], | ANNO M. DC. XLVI [UB Tübingen Fb 19]. [Harms/Schilling 1985] Wolfgang Harms / Michael Schilling: Deutsche illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts. Band 1. Die Sammlung der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Teil 1: Ethica. Physica. Tübingen 1985. [Harms/Schilling 1989] Wolfgang Harms / Michael Schilling: Deutsch illustrierte Flugblätter des 16. und 17. Jahrhunderts. Band 1. Die Sammlung der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel. Teil 3: Theologica. Quodlibetica. Tübingen 1989. [Harsdörffer 1990] Georg Philipp Harsdörffer: Ars Apophtegmatica. Das ist: Kunstquellen Denckwürdiger Lehrsprüche und Ergötzlicher Hofreden, Neudruck der Ausgabe Nürnberg 1655, eingel. u. hrsg. v. Georg Braungart, Frankfurt/M. 1990 [Folgeband: Artis Apophtegmaticae Continuatio. Fortgeleitete Kunstquellen Denckwürdiger Lehrsprüche und Ergötzlicher Hofreden, Neudruck der Ausgabe Nürnberg 1656, eingel. u. hrsg. v. Georg Braungart, Frankfurt/M. 1990]. [Heermann 1656] CONCIONUM VARIARUM | FASCICULUS: | Sonderbahre Predigten/ | Oder: | Erklärung allerley schöner Biblischer Text/ [...] | [...] | Mit einer Zugabe | Der Poetischen Erquickstunden | vermehret | Von Johann Heermann [...] | [...] | Nürnberg/ | Jn Verlegung Wolffgang deß Jüngern/ und Johann | Andreae Endtern/ im Jahr 1656. [Heresbach 1592] DE EDVCANDIS | ERVDIENDISQVE | PRINCIPVM LIBERIS, | REIPVBLICAE GVBERNANDAE | DESTINATIS, DEQVE REPVBLICA | Christiane administranda | Epitome: | LIBRI DVO. | ACCESSIT DIARIVM, SEV QVOTI- | dianae preces hebdomadis accommodatae. Item Celeu- | ma exhortatorium ad praeparationem | Christiane moriendi. | AVCTORE CONRADO HERESBACHIO | [...] | FRANCOFVRTI AD MOENVM. | M. D. XCII [Druck bei Johann Feyerabend; zuerst: Köln 1574]. [Hillessemius 1577] SACRARVM | ANTIQVITATVM | MONVMENTA; | PATRIARCHARVM, REGVM,

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PRO- | PHETARVM & virorum verè illustrium | veteris Testamenti, Imaginibus et Elogiis | apparata atque inscripta: | Auctore | LVDOVICO HILLESSEMIO | ANDERNACO. | ANTVERPIAE, | Ex officina Christophori Plantini, | Architypographi Regij; | M. D. LXXVII. [Hoburg 1644] Spiegel | Der Misbräuche beym Predig= | Ampt im heutigen | Christentumb | Vnd wie selbige gründlich vnd | heilsam zu reformieren. | [...] | Von | ELIA PRAETORIO | [...] | [o. O.] Jm Jahr 1644. [Hoë von Hoënegg 1671] COMMENTARIORUM | IN [...] | JOHANNIS | APOCALYPSIN, | [...] | LIBRI VIII. | [...] | à | MATTHIA HOË, Austrico, | [...] | NUNC DENUO PRAELO SUBMISSI, INQUE COMMODISSIMAM HANC | formam redacti [...] | [...] | Cum Praefatione MARTINI GEIERI D. [...] | [...] | LIPSIAE & FRANCOFURTI, | Impensis Haeredum SCHÜRERIANORUM, & FRITZSCHII. | Anno M DC LXXI. [zuerst 1610] [Hofmann 1698] JOH. JACOBI HOFMANNI | [...] | LEXICON | VNIVERSALE, | HISTORIAM SACRAM ET PROFANAM | Omnis aevi, omniumque Gentium; | CHRONOLOGIAM AD HAEC VSQVE TEMPORA; | GEOGRAPHIAM ET VETERIS ET NOVI ORBIS; | PRINCIPVM PER OMNES TERRAS FAMILIARVM | [...] | GENEALOGIAM; | Tum | MYTHOLOGIAM, RITVS, CAERIMONIAS, | Omnemque Veterum Antiquitatem, ex Philologiae fontibus haustam; | VIRORVM, INGENIO ATQVE ERVDITIONE CELEBRIVM | Enarrationem copiosissimam; | Praeterea | ANIMALIVM, PLANTARVM, METALLORVM, LAPIDVM, GEMMARVM, | Nomina, Naturas, Vires, | Explanans. | EDITIO ABSOLVTISSIMA, | [...] | LVGDVNI BATAVORVM, | Apud JACOB. HACKIVM, CORNEL. BOVTESTEYN, | PETR. VANDER AA, et JORD. LVCHTMANS. | MDC XCVIII. | [...] [4 Bd.e]. [Hottinger 1658] JOH: HENRICI HOTTINGERI, [...] | PROMTUARIUM; | Sive | BIBLIOTHECA ORIENTALIS: | Exhibens | Catalogum, sivi, Centurias aliquot tam Authorum | quàm librorum Hebraicorum, Syriacorum, Ara- | bicorum, Aegyptiacorum, Aethiopicorum, &c. | [...] | HEIDELBERGAE; | Typis & Impensis ADRIANI WYNGAERDEN, | [...] | ΑIΒ IΒΑ LIIX. [Hottinger 1667] GRAMMATICAE | LINGUAE | SANCTAE | Libri duo: | Conscripti | A | JOH. HEN. HOTTINGERO, | Tigurino. | Editio secunda, auctior | & emendatior. | [...] | TIGURI, | Ex Typographeo Bodmeriano. | M DC LXVII [zuerst 1647]. [Hoyer 1986] Anna Ovena Hoyers Geistliche und Weltliche Poemata. Hrsg. v. Barbara Becker-Cantarino. Tübingen 1986 [Reprint der Erstausgabe Amsterdam 1650]. [Hunnius 1608] Ägidius Hunnius d. Ä.: Commentarius in Evangelium de Iesu Christo, secundum Ioannem. In: TOMVS TERTIVS | OPERUM LA- | TINORVM [sic] | [...] | WITEBERGAE, | Typis M. Georgij Mulleri, | Impensis Iohan. Iacobi Porsij Bibliopolae Francof: ad Moenum. | ANNO M. DC. VIII. [Sp. 615–1023; Einzelausgabe zuerst: Frankfurt/M.: Johann Spieß, 1585]. [Hütter 1608] LIBRI | CHRISTIA= | NAE CONCOR- | DIAE: | Symboli Ecclesia- | rum γνησvίως Lutheranarum, no- | vissimo hoc tempore, longè | augustissimi; | Explicatio plana & perspicua, | In Electorali Academia VVITEBER- | GENSI publicè proposita, | à | LEONHARTO HUTTERO: | [...] | WITEBERGAE | Excusa: Sumtibus Zachariae Schüreri Bibliopolae: | Typis Martini Henckelij, Anno Gratiae | M. DC. VIII. [Hütter 2006] Leonhardt Hütter. Siehe Ders.: Compendium Locorum Theologicorum. Hrsg. v. Johann Anselm Steiger (Doctrina et Pietas II, 3). Bd. 1. Stuttgart-Bad Cannstatt 2006. [Ignatius 1645] EXERCITIA SPIRITVALIA | Das ist | Geistliche Vbungen | Deß Heiligen | IGNATII | LOIOLAE | [...] | Nach außtheilung in die | vier Wochen | [...] | Zu mehrerm Nutz für jedes Stands= | Personen weitläuffiger erkläret | Von einem Priester gemel= | ter Societet JEsu | [...] | Getruckt zu Jngolstadt/ bey Gregorio | Hänlin. Jm Jahr 1645 [Unterzeichner des Widmungsschreibens: Leonhard Lerchenfeldt SJ]. [Jäger 1601] Christliche Gebett/ | Auß den | Psalmen | Davids zusa= | men gezogen / vnd auff | die vnterschidliche Tage | in der Wochen außgetheilet: | Durch den Edlen / etc. | Melchior Jägern von | Gärtringen / zu Eningen. | Getruckt | Zu Tübingen / bei Erhardo Cellio. | 1601 [Datierung der Vorrede: 1.12.1588; UB Tübingen Gi 1577]. [Jezira 1642] !‫ | ספר יצירה‬ID EST | LIBER IEZIRAH | Qui | ABRAHAMO PATRIARCHAE | adscribitur, unà cum Commentario Rabi [sic] ABRAHAM | F. D. [i. e. ben Dior] super 32. Semitis Sapientiae, à quibus liber | IEZIRAH incipit. Translatus & Notis illustratus à | JOANNE STEPHANO RITTANGELIO | Ling. Orient. in Elect. Acad. Regiomontana | Prof. Extraord. | AMSTELODAMI, | Apud JOANNEM & IODOCVM IANSSONIOS, | M DC XLII [Tübinger Stift q 1046]. [Jezira 1993] Das Buch Jezira. In der Übersetzung von Johann Friedrich von Meyer. Hrsg. v. Eveline Goodman-Thau / Christoph Schultze. Berlin 1993. [Jezira 1994] Sefer Jezirah. Übersetzt und kommentiert von Guilielmus Postellus. Neudruck der lateinischen

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Ausgabe Paris 1552. Hrsg. u. erl. v. Wolf Peter Klein (Clavis Pansophiae 1). Stuttgart-Bad Cannstatt 1994. [Jonston 1650] HISTORIAE NATURALIS | DE AUIBVS [sic] | LIBRI VI | Cum aeneis figuris | IOHANNES IONSTONUS | [...] | Concinnauit. | FRANCOFVRTI AD MOENVM | Impensa | MATTHAEI MERIANI | MDCL. [Jonston 1652] HISTORIAE NATURALIS | DE QUADRUPETIBUS [sic] | LIBRI. | Cum aeneis figuris | IOHANNES IONSTONUS MED: DOCTOR | Concinnauit | FRANCOFURTI AD MOENUM | impensis | HAEREDUM MATH: MERIANI [1652?]. [Josephus 1540] FLAVII IOSEPHI | ANTIQVITATVM IVDAICARVM LIBRI | XX. [...] | [...] | BASILEAE IN OFFICINA FROBENIANA | ANNO M. D. XL. [Josephus 1559] FLAVII IOSEPHI | ANTIQVITATVM IVDAICARVM | LIBRI XX. [...] | [...] à Si= | gismundo Gelenio conuersi. | DE BELLO IVDAICO libri vii. [...] | [...] per Sigismundum Gelenium castigati. | [...] | Froben | BASILEAE M D LIX. | [...]. [Josephus 1617] Flauij Josephi/ | [...] Historien | vnd Bücher: [...] | [...] | Alles auß dem griechischen Exemplar/ [...] | [...] von newem verteutscht [von Conrad Lautenbach, Widmung datiert auf 1574] [...] | [...] | [Druckermarke am Buchschluß: Getruckt zu Straßburg/ durch | Theodosium Rihel. | M. DC. XVII.]. [Josephus 1899] Des Flavius Josephus Jüdische Altertümer. Übers. u. mit Einl. u. Anm. versehen von Dr. Heinrich Clementz. 2 Bd.e. Halle 1899. [Josephus 1959] Flavius Josephus: De Bello Judaico / Der jüdische Krieg. Hrsg. u. übers. von Otto Michel und Otto Bauernfeind. Bd. I. Darmstadt 1959. [Josephus 1963] Flavius Josephus: De Bello Judaico / Der jüdische Krieg. Hrsg. u. übers. von Otto Michel und Otto Bauernfeind. Bd. II,1. Darmstadt 1963. [Kebes 2005] Die Bildtafel des Kebes. Eingel., übers. u. mit interpretierenden Essays versehen v. Rainer Hirsch-Luipold u.a. (Sapere Bd. 8). Darmstadt 2005. [Kinderlehre 1635] Nürnbergisch | Kinder Lehr | Büchlein. | Gedruckt vnd Verlegt | bey Wolffgang Ender. | M. B. GEER. | 1635 [Nürnberg]. [Kirchenordnungen 2004] Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. Bd. 16: Baden Württemberg II. Herzogtum Württemberg. Bearb. v. Sabine Arend. [...] Tübingen 2004 (Die evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. Hrsg. v. Gottfried Seebaß / Eike Wollgast), S. 243–246. [Kircher 1643] ATHANASII KIRCHERI | [...] | Magnes | Siue | DE ARTE MAGNETICA | OPVS TRIPARTITVM, | [...] | Editio secunda post Romanam multò correctior. | COLONIAE AGRIPPINAE, | Apud IODOCVM KALCOVEn, | ANNO M. DC. XLIII. | [...] [zuerst: Rom 1641; 3. verbesserte Aufl.: Rom 1654]. [Kircher 1653] ATHANASII KIRCHERI | SOC. IESV | OEDIPI | AEGYPTIACI | Tomus Secundus. | GYMNASIVM | SIVE | Phrontisterion Hieroglyphicum in Duodecim | Classes distributum, | IN QVIBVS | Encyclopaedia Aegyptiorum, id est, Veterum Hebraeorum, Chal- | daeorum, Aegyptiorum, Graecorum, coeterorumque Orientalium | recondita Sapientia, hucusque temporum iniuria perdita, per | artificiosum sacrarum Sculpturarum contextum de- | monstrata, instauratur, | Felicibus Auspicijs | FERDINANDI III. | CAESARIS. | PARS PRIMA | Complectens Sex priores Classes. | ROMAE, | Ex Typographia Vitalis Mascardi, Anno M DC LIII. | [...] [UB Tübingen Ci XI 4 fol. R. - 2,1]. [Kircher 1654] ATHANASII KIRCHERI | SOC. IESV | OEDIPI | AEGYPTIACI | Tomus III. | THEATRVM HIEROGLYPHICVM | HOC EST, | Noua & hucusque intentata | OBELISCORVM | [...] | INTERPRETATIO | [...] | Felicibus Auspicijs | FERDINANDI III. | CAESARIS. | PARS PRIMA | Complectens Sex priores Classes. | ROMAE, | Ex Typographia Vitalis Mascardi, Anno a Partu Virgineo M DC LIV. [Kirsch 1774] ADAMI FRIDERICI KIRSCHII | ABVNDANTISSIMVM | CORNVCOPIAE | LINGVAE LATINAE | ET | GERMANICAE SELECTVM, | QVO CONTINENTVR | Vocabula Latina omnis aeui, antiqui, medii ac | noui, pariter ac Graeca, Latinitate donata, nec non formulae | dicendi elegantiores et Constructiones Verborum; | [...] | EDITIO NOVISSIMA, | A mendis non paucis studiose repurgata, Parte vtraque aucta, | in ordinem redacta, ac denique tironum purioris | Latinitatis studiosorum vsui accommodata. | [...] | LIPSIAE | SVMTV ENGELHARTI BENIAMINIS SVIKERTI | ΑIΒ IΒΑΑ LXXIV [Teil 1: Lat. - Dt.; Teil 2: Dt. - Lat.]. [Knipping 1974] John B. Knipping. Iconography of the Counter Reformation in the Netherlands. 2 Bd.e. Nieuwkoop / Leiden 1974. [Knorr von Rosenroth 1677] KABBALA DENUDATA | Seu | DOCTRINA HEBRAEORUM | TRANSCENDENTALIS ET METAPHYSICA | ATQUE THEOLOGICA | [...] | Sulzbaci, Typis ABRAHAM LICHTENTHALERI, 1677.

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[Knorr von Rosenroth 1684] KABBALAE DENUDATAE | TOMUS SECUNDUS: | Id est | LIBER | SOHAR | RESTITUTUS; | [...] | FRANCOFURTI, | Sumptibus JOANNIS DAVIDIS ZUNNERI, | Typis BALTHASAR. CHRISTOPH. WUSTII Sen. 1684. [Krapf/Wagenknecht 1979] Ludwig Krapf / Christian Wagenknecht (Hrsg.): Stuttgarter Hoffeste. Texte und Materialien zur höfischen Repräsentation im frühen 17. Jahrhundert (Neudrucke deutscher Literaturwerke NF 26). Tübingen 1979. [Lamy 1720] DE TABERNACULO | FOEDERIS, | DE SANCTA CIVITATE | IERUSALEM, | ET | DE TEMPLO EJUS. | LIBRI SEPTEM. | Autore BERNARDO LAMY, Congregationis Oratorii Presbytero. | PARISIIS, | Apud JOANNEM MARIETTE, viâ Jacobaeâ, sub Columnis Herculeis. | M. DCC. XX. | [...] [Hrsg. v. Pierre Nicolas Desmolets]. [Latermann 1645] DE | SANCTISSIMO | TRINITATIS MYSTE- | RIO CONTRA SOCI- | NIANOS | EXERCITATIO, | QVAM | [...] | SVB PRAESIDIO | GEORGII CALIXTI | [...] | PROPONIT | M. IOHANNES LATERMANNVS | COBVRGO-FRANCVS. | HELMSTADII, | IN TYPOGRAPHEO CALIXTINO EXCVDIT | HENNINGVS MVLLERVS. | ΑIΒ IΒΑ XLV. [Lauterbach 1602] IOANNIS | LAVTERBACHII POETAE | NOBILIS ET LAVRO CORONATI, | Aenigmata. | [...] | ADDITIS SIMVL NICOLAI | Reusneri Leorini Com. Palat. Caes. et P. L. | Aenigmatis. | E COLLEGIO PALTHE- | NIANO | [Frankfurt/M.] ANNO M. DCI [darin nach S. 60: Reusners Aenigmata mit eigenem Titelblatt, datiert 1602: NICOLAI REVSNERI LEO- | RINI COMITIS PALATI- | NI CAESAREI | Aenigmata, | [...] | E COLLEGIO PALTHE- | NIANO. | ANNO M. DCII.]. [Leusden 1656] IONAS | ILLUSTRATUS, | Per | Paraphrasin Chaldaicam, Ma- | soram magnam, & parvam; | Et per | Trium Praestantissimorum Rabbinorum | SCHELOMONIS JARCHI, | ABRAHAMI ABEN EZRAE, | DAVIDIS KIMCHI, | Textum Rabbinicum punctatum, | Nec non | Per varias notas philologicas, | AUTHORE | JOHANNE LEUSDEN, | Lib. Art. Mag. & Linguae Sanctae in Inclytâ Ul- | trajectinâ Academiâ Professore Ordinario. | Trajecti ad Rhenum, | Typis Gisberti à Zijll, & Theodori ab Ackersdijck, | ANNO M. DC. LVI [Tübinger Stift 8° 1091]. [Lipsius 1598] IVSTI LIPSII | DE | MILITIA ROMANA | LIBRI QVINQVE, | COMMENTARIVS AD POLYBIVM. | Editio noua, aucta variè & castigata. | ANTVERPIAE, | EX OFFICINA PLANTINIANA, | Apud Ioannem Moretum. | M. D. XCVIII. | [...] [zuerst 1596]. [Lubienietzki 1685] HISTORIA | REFORMATIONIS | POLONICAE, | In qua | Tum REFORMATORUM, tum ANTI- | TRINITARIORUM origo & progressus | in POLONIA & finitimis Provin- | ciis narrantur. | Authore STANISLAO LUBIENIECIO, | [...] | FREISTADII [Amsterdam], | Apud JOHANNEM ACONIUM. | ΑIΒ IΒΑ LXXXV. [Luther 1545] Biblia: | Das ist: Die | gantze Heilige Schrifft | Deudsch/ Auffs new | zugericht. | D. Mart. Luth. | Begnadet mit | Kurfürstlicher zu Sachsen | Freiheit. | Gedruckt zu Wit= | temberg/ Durch Hans Lufft. | M.D. XLV [zit. nach der Edition: D. Martin Luther: Die gantze heilige Schrift Deudsch. Wittenberg 1545. Hrsg. v. Hans Volz. 3 Bd.e. Bonn 2004; zuerst Hamburg 1972]. [Luther 1985] Luthers geistliche Lieder und Kirchengesänge. Hrsg. v. Markus Jenny (AWA 4). Köln / Wien 1985. [Magirus 1687] TOBIAE MAGIRI | EPONYMOLOGIUM | CRITICUM, | Complectens | COGNOMINA, DESCRIPTIONES, | ELOGIA ET CENSURAS | PERSONARUM AC RERUM | cum veterum tum recentium bello | aut pace insignium | Ex variis Scriptoribus collecta | Nunc | duplo quam olim auctius editum | Cura | CHRISTIANI WILHELMI EYBENII. | [...] | FRANCOFURTI et LIPSIAE, | Sumptibus Friderici Lüderwald, Bibliopolae Helmstadiensis, | Anno M. DC XXCVII. [Maldonatus 1610] IOANNIS | MALDONATI | [...] | Commentarij in Prophetas IIII. | IEREMIAM, BARVCH, EZECHIELEM, & DANIELEM. | [....] | Omnia nunc primùm in lucem prodeunt. | PARISIIS, | Sumptibus Claudij Morelli. | M. DC. X. | [...]. [Maresius 1651] HYDRA SOCINIANISMI | EXPUGNATA: | Sive | JOHANNIS VOLKELII | MISNICI, DE VERA RELIGIONE, | (ut falsò inscribitur) libri quinque: | quibus praefixus est | JOHANNIS CRELLII Franci | (ejusdem commatis) liber de DEO & EJUS ATTRI- | BUTIS, ita ut unum cum illis opus (integrumquem | Sociniana impietatis Systema) constituat: | Cum eorundem Refutatione exacta per additas An- | notationes & Censuras necessarias, | AUTHORE | SAMUELE MARESIO [...] | GRONINGAE, | Apud JOANNEM NICOLAUM Typographum, | ANNO M. DC. LI [2 Bd.e]. [Meisner 2013] Magdalena Meisner: Gebetbuch (begonnen 1617). Hrsg. u. komm. v. Johann Anselm Steiger. Passau 2013. [Merian 1965] Matthäus Merian: Die Bilder zur Bibel. Hrsg. u. eingel. v. Peter Meinhold. Hamburg 1965. [Meurer 1664] I. N. D. N. J. C. | VITIS | COELI MATER, | id est: | MYSTICA FIDELIUM | CUM CHRISTO

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UNIO, | ex Ioh. Cap. XV. potissimum | delineata, | & | Sub PRAESIDIO | [...] | [...] CHRISTOPHORI WÖLFLINI, | [...] | ab | Authore Respondente | M. Jo. ULRICO MEURERO, [...] | ad diem 14. Octobris. | Tubingae, | Typis JOH. HENRICI REISII. | Anno 1664. [Micraelius 1661] JOH. MICRAELII | LEXICON PHILOSOPHICUM | TERMINORUM PHILOSOPHIS | USITATORUM | ORDINE ALPHABETICO SIC DIGESTORUM, | UT INDE FACILE LICEAT COGNOSSE, | [...] | QVID IN SINGULIS DISCIPLINIS QVOMODO | SIT DISTINGVENDUM ET DEFINIENDUM. | Editio Secunda ab ipso Authore Correcta et Aucta [...]. | STETINI, impensis JEREMIAE MAMPHRASII, Bibliop. | Typis MICHAELIS HÖPFNERI, anno ΑIΒ IΒΑ LXI. [Moller 1597] MYSTERIVM | MAGNVM. | Fleissige vnd | andächtige Betrachtung des | grossen Geheimniß der Himlischen | Geistlichen Hochzeit vnd Verbündniß vn= | sers HERREN Jesu Christi / mit der | Christgleubigen Gemeine seiner Braut / vnd | wie man dasselbe nützlich vnd mit frewden | bedencken / vnd tröstlich ge= | brauchen sol. | Durch | MARTINVM MOLLERVM | von Wittenberg / Diener des heyligen | Euangelij zur Sprotta. | [...] | Gedruckt zu Görlitz / bey | Johann Rhambaw. [Vermerk am Buchende: Gedruckt zu Görlitz / bey | Johann Rhambaw. | ANNO | M. D. XCVII [Tüb. Stift 8° 8184]. [Müller 1676] Göttliche | Liebes=Flamme | Oder | Auffmunterung zur Liebe | Gottes: | Durch Vorstellung dessen [sic] unendlichen | Liebe gegen uns. | Mit vielen schönen Sinnebildern gezieret [...] | [...] | Vorgebildet | von | Doct. Heinrich Müllern [...] | [...] | Franckfurt am Mayn/ | Drucks und Verlags Balthasar Christoph Wusts. | Jm Jahr Christi M. DC. LXXVJ [urn:nbn:de:gbv:23-drucke/th-18514]. [Münster 1523] !‫ הׁשורׁשות‬K‫ | ערו‬DICTIONARIVM. | HEBRAICVM, | nunc primum aeditum & ty= | pis excusum, Adiectis | Chaldaicis uoca- | bulis non pa- | rum multis. | AVTORE F. SEBASTIANO | MVNSTERO MINORITA. | APVD FROB. M. D. XXIII. | MENSE IVNIO. [...]. [Münster 1546] Hebraica Biblia | latina planeque nova | SEBAST. MVNSTERI TRALATIONE, POST OMNEIS OM- | nium hactenus ubiuis gentium aeditiones euulgata, & quoad fieri potuit, he- | braicae ueritati conformata: adiectis insuper | è Rabinorum [sic] commen- | tarijs annotationibus haud poenitendis, pulchre & uoces | ambiguas, & obscuriora quaeque loca | elucidantibus. | Accesserunt in hac secunda aeditione multae novae annotationes, praesertim in Pentateucho, atque in multis | locis textus clarior redditus ets, et Hebraicae ueritati magis quàm antea conformatus. | Index quoque praecipuarum sententiarum et expositionum, toti operi prae- | missus, iam demum additus est. | BASILEAE | 1546. [UB Tübingen Ga I 2] [Nieremberg 1635] IOANNIS EVSEBII NIEREMBERGII | [...] | HISTORIA | NATVRAE | MAXIME PEREGRINAE, | LIBRIS XVI. DISTINCTA. | [...] | ANTVERPIAE, | EX OFFICINA PLANTINIANA | BALTHASARIS MORETI. | M. DC. XXXV. [Oetinger 1763] Offentliches | Denckmahl | Der | Lehr=Tafel | einer weyl[and]. | Würtembergischen | Princeßin Antonia | in Kupffer gestochen, | Dessen Original sie von den 10. Ab= | gläntzen GOttes in den Dainachischen | Brunnen in einem prächtigen Gemähld | gestifftet, | Wobey | von der Krafft der Brunn=Quellen, | von der Philosophie der Ebräer, | und überhaupt | von dem Geist GOttes | nach allen Stellen | Neuen Testaments | eine Erklärung gegeben wird | von | M. Friederich Christoph Oetinger, | Special-Superintendent in Herrenberg. | TUBINGEN | gedruckt bey Joh. David Bauhof und Francki= | schen Wittib, 1763 [WLB Theol. oct. 13132; HBF 9753; UB Tübingen: Gf 2021, VD18 13939734; http://idb.ub.uni-tuebingen.de/diglit/Gf2021]. [Oetinger 1774] Jnbegriff | der | Grundweisheit, | oder | kurzer Auszug | aus den Schriften | des | teutschen Philosophen, | in einem | verständlicheren Zusammenhang. | Frankfurt und Leipzig | 1774. [Oetinger 1858] Öffentliches | Denkmal der Lehrtafel | einer weil[and]. Wirttembergischen | Prinzessin Antonia | in Kupfer gestochen, | dessen Original sie von den zehn Abglänzen Gottes in den | Deinachischen Brunnen in einem prächtigen Gemälde gestiftet, | wobei | von der Kraft der Brunnquellen, | von der Philosophie der Ebräer, | und überhaupt | von dem Geiste Gottes | nach allen Stellen neuen Testaments | eine Erklärung gegeben wird | von | M. Friedrich Christoph Oetinger, | Special=Superintendent in Herrenberg. | Neu herausgegeben von | Karl Chr. Eberh. Ehmann, | Pfarrer in Unterjesingen bei Tübingen. | Stuttgart, 1858. | Druck und Verlag von J. F. Steinkopf. [Reihentitel: Des Wirttembergischen Prälaten, | Friedrich Christoph Oetinger, | sämmtliche Schriften, | zum ersten Mal | vollständig gesammelt und unverändert herausgegeben | von | Karl Chr. Eberh. Ehmann, | Pfarrer in Unterjesingen bei Tübingen. | Zweite Abtheilung. | Erster Band, | [...]. | Stuttgart, 1858. | Druck und Verlag von J. F. Steinkopf. [WLB Theol. oct. 13125-2,1]. [Oetinger 1977 a] Friedrich Christoph Oetinger: Die Lehrtafel der Prinzessin Antonia. Hrsg. v. Reinhard Breymayer / Friederich Häußermann (Texte zur Geschichte des Pietismus, Abt. VII, Bd. 1). Teil 1 u. 2. 2 Bd.e. Berlin / New York 1977.

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[Oetinger 1977 b] Friedrich Christoph Oetinger: Swedenborgs irdische und himmlische Philosophie. Hrsg. v. Karl Chr. Eberhard Ehmann. Eingel. u. neu hrsg. v. Erich Beyreuther (Sämtliche Schriften, 2. Abt. Bd. 2). Stuttgart 1977. [Oetinger 1979] Friedrich Christoph Oetinger: Theologia ex idea vitae deducta. Hrsg. v. Friederich Ohly (Texte zur Geschichte des Pietismus, Abt. VII, Bd. 2). Teil 1 u. 2. 2 Bd.e. Berlin / New York 1979. [Oetinger 1999] Friedrich Christoph Oetinger: Biblisches und emblematisches Wörterbuch. Hrsg. v. Gerhard Schäfer (Texte zur Geschichte des Pietismus Abt. VII Bd. 3). Teil 1 u. 2. Berlin / New York 1999. [Oetinger 2010] Friedrich Christoph Oetinger: Genealogie der reellen Gedancken eines Gottes-Gelehrten. Eine Selbstbiographie. Hrsg. v. Dieter Ising. Leipzig 2010. [Oettinger 1610] Warhafftige Historische Beschreibung | Der Fürstlichen Hochzeit/ vnd deß Hochan= | sehnlichen Beylagers/ | So | DEr Durchleuchtig Hoch= | geborn Fürst vnnd Herr/ HErr Johann Friderich | Hertzig zu Würtemberg vnd Teck/ Grave zu Mümp= | pelgart/ Herr zu Haydenhaim/ etc. | Mit | Der auch Durchleuchtigen Hochgebornen Fürstin | vnnd Frewlin/ Frewlin Barbara Sophie Marggrävin zu | Brandenburg/ in Preussen/ [...] | [...] | [...]. Jn der Fürstlichen Haubtstatt Stuttgardten/ Anno | 1609. den 6. Novembris vnd etliche hernach volgende Tag | Celebriert vnd gehalten hat: | Darinnen alle Fürsten/ Fürstinnen vnd Frewlin: | Graven/ Herren vnd vom [...] | [...] | [...] so dieser Hochzeit | beygewohnt/ verzeichnet: [...] | [...] | Durch/ | M. Johann Oettingern/ Fürstl. Würtembergischen | Geographum vnd Renovatorem. | Gedruckt in der Fürstlichen Haubtstatt Stuttgart/ | Anno 1610. [Oleaster 1556] REVERENDI | PATRIS FRATROS HIERONYMI | AB OLEASTRO LVSITANI [...] Com| mentaria in Mósi Pentateuchum, iuxta .M. | Sanctis Pagnini Lucensis [...] | Olysippone apud Iohannem Barrerium Regium Typographum. | Anno à nato Seruatore nostro Iesu Christo. | M. D. L. VI. [Osiander 1650] BIBLIA | Mit der Außlegung. | Das ist: | Die gantze heilige Schrift | Altes und Neues Testaments [sic]/ Des | Hocherleuchten und theuren Mannes Gottes | D. Martini Lutheri. | Mit einer kurtzen / jedoch gründlichen Erklärung des Textes / | Andeutung aller denkwürdigen Sachen / und der fürnehmsten Lehr=Puncten / welche zu | mehrer Nachrichtung / und ümb bessern Verstands willen in solche zwey [ ] Zeichen eingeschlossen / auch mit | fürgesetzten Summarien über alle Bücher und Capitel / | Aus | Des Wol=Ehrwürdigen und Hochgelahrten Herrn / | D. LUCAE OSIANDRI, Senioris, | Weiland hochverdienten Würtembergischen Theologi, Lateinischem | EXEMPLAR. | Auff vieler Gottsfürchtiger Hoher und Nieder Personen sehnliches Begehren / männiglich | zu grossem Nutz / in die Hochdeutsche Sprache (daran zehen gantze Jahr gearbeitet) hiebevor | gebracht / und in der Fürstlichen Würtembergischen Hof= und Häuptstadt Suttgart / in Sieben Theilen / | auffs treulichste verfertiget / und an den Tag gegeben / | Durch | Den Ehrnvesten / Hoch= und wolgelahrten Herrn / | M. DAVID FÖRTERN, Damals Fürstl. Durchl. zu Würtemb. Junger | Herrschafft getreuen Praeceptorn und Registratorn. | Anitzo aber [...] von neuem zu einem Bande eingerichtet. [...] | ANNO CHRISTI M. DC. L. | Lüneburg / | Gedruckt und verlegt durch Johann und Heinrich / die Sterne [Tübinger Stift f 219; auf dem Vorsatzblatt: Ex Munificentia | Serenissimi Principis ac Domini | DOMINI | Eberhardi III. Ducis | Wirtembergiae etc: | DOMINI AC NUTRITII Illustris | Stipendii Theologici Tubingensis | Inservio Bibliothecae | eiusdem stipendij. | VIII. Maij. Anno ΑIΒ. IΒΑ. LIV.]. [Pagninus/Montanus 1610] !M‫ אחרוני‬M‫ | נביאי‬ISAIAS, | IEREMIAS, | EZECHIEL, | Osee, Ioël, Amos, Abdias, Ionas, | Michaeas, Nahum, Habacuc, | Sophonias, Aggaeus, | Zacharias, Malachias; | Hebraïcè; | Cum interlineari versione | XANTIS PAGNINI; | BEN. ARIAE MONTANI [...] studio [...] | diligentißimè expensae. | EX OFFICINA PLANTINIANA | RAPHELENGII, | 1610. [Pagninus/Montanus 1613] BIBLIA | HEBRAICA, | cum interlineari interpretatione | Latinâ | XANTIS PAGNINI LVCENSIS, | Quae quidem interpretatio, cùm ab Hebraicarum dictionum | proprietate discedit, sensum, videlicet, magis quàm ver- | ba exprimens, in margine libri est collocata, atque alia | BEN. ARIAE MONTANI HISPALENSIS, | aliorumque collato studio è verbo reddita, ac diverso chara- | cterum genere distincta, in eius locum est substituta. | [...] | EX OFFICINA PLANTINIANA. | RAPHELENGII, | 1613 [dieser Bd. umfaßt nur den Pentateuch]. [Pareus 1609] IN GENESIN | Mosis | COMMENTARIVS | [...] | AVTHORE | DAVIDE PAREO | [...] | Typis Iohannis Lancelloti, Academiae Typographi, | Impensis IONAE RHODII, in cujus Bibliopoleio prostat. | FRANCOFVRTI | ΑIΒ IΒΑ IX. [Pentateuch 1946] Pentateuch with Targum Onkelos, Haphtharoth and Prayers for Sabbath and Rashi’s Commentary. Hrsg. u. übers. v. M. Rosenbaum / A. M. Silbermann. 2 Bd.e. London 1946. [Perera 1596] BENEDICTI | PERERII VALENTINI | È SOCIETATE | IESV: | Tertius Tomus. | COMMENTARIORVM | in Genesim. | SVPER HISTORIA CENTVM ANNORVM, | quam de sanctissimo Patriarcha Abraham scripsit Moses, à | capite duodecimo, vsque ad vigesimum quintum. | LVGDVNI, | EX

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OFFICINA IVNTARVM. | M. D. XCVI. | CVM PRIVILEGIO [Tübinger Stift q 343-3; Besitzervermerk auf Titelblatt: Ex bibliotheca M. Michaelis Mülleri Ulmensis]. [Perera 1600] BENEDICTI | PERERII VALEN- | TINI È SOCIETATE | IESV, | Tomus Quartus | COMMENTARIORVM IN | LIBRVM GENESIS. | [...] | Editio altera [...] repurgata. | LVGDVNI, | APVD HORATIVM CARDON. | M. DC. | [...]. [Pexenfelder 1670] APPARATUS | ERUDITIO- | NIS TAM RERUM QUAM VER- | BORUM PER OMNES ARTES ET SCIENTIAS, | Instructus | OPERA ET STUDIO | P. MICHAELIS PEXENFELDERI, So| cietatis JESU Sacerdotis. | [...]. | NORIMBERGAE, | Sumptibus MICHAELIS & JOH. FRIDERICI | ENDTERORUM, An. MDC LXX. [Physiologus 1980] Physiologus. Frühchristliche Tiersymbolik. Hrsg. u. übers. v. Ursula Treu. Berlin 1980. [Picinelli 1687] MUNDUS | SYMBOLICUS | IN EMBLEMATUM UNIVERSITATE | FORMATUS, EXPLICATUS, ET TAM SACRIS | quàm profanis Eruditionibus ac Sententiis illustratus: | [...] | Idiomate Italico conscriptus | à [...] | D. PHILIPPO PICINELLO | [...] | Nunc verò | Justo Volumine auctus & in latinum traductus | à R. D. AUGUSTINO ERATH | [...] | TOMUS PRIMUS; | [...] | COLONIAE AGRIPPINAE | Sumptibus HERMANNI DEMEN, Anno M. DC. LXXXVII [zuerst 1635]. [Pico 1969] Giovanni Pico della Mirandola / Gian Francesco Pico: Opera Omnia (1557–1573). Tomus I. Con una introduzione di Cesare Vasoli. Reprint Hildesheim 1969 [auf S. 733–900: Johannes Reuchlin: De arte cabbalistica]. [Pistorius 1587] ARTIS | CABALISTICAE: | HOC EST, | RECONDITAE THEOLOGIAE | ET PHILOSOPHIAE, | SCRIPTORVM: | Tomus I. | In quo praeter PAVLI RICII Theologicos & Philosophicos libros sunt | Latini penè omnes & Hebrae nonnulli praestantissimi Scriptores, | qui artem commentariijs suis illustrarunt. | OPVS OMNIBVS THEOLOGIS, ET OC- | CVLTAE ABSTRVSAEQVE PHILOSOPHIAE STV- | diosis pernecessarium: & hactenus à clarissimis mul- | tis uiris magno desiderio exspe- | ctatum. | Ex D. IOANNIS PISTORII, NIDANI, MED. | D. ET MARCHIONVM BADENSIVM | Consiliarij Bibliotheca. | [...] | BASILEAE, | PER SEBASTIANVM | HENRICPETRI. [Druckermarke am Buchende: BASILEAE, | PER SEBASTIANVM | HENRICPETRI: | Anno | D. M. XXCVII. | Mense Aprili. [Prado/Villalpando 1596] HIERONYMI PRADI | ET | IOANNIS BAPTISTAE | VILLALPANDI | [...] | IN EZECHIELEM | EXPLANATIONES | ET | Apparatus Vrbis, ac Templi | Hierosolymitani | COMMENTARIIS | ET IMAGINIBVS | OPVS TRIBVS TOMIS | DISTINCTVM | [...] | ROMAE | [...] | ΑIΒ IΒ XC VI. [Praetorius 1620] Theatrum INSTRUMENTORUM | Seu | SCIAGRAPHIA | Michaëlis Praetorii C. | Darinnen | Eigentliche Abriß vnd | Abconterfeyung/ fast aller | derer Musicalischen Instrumen- | ten, so jtziger zeit in Welschland/ Enge= | land/ Teutschland vnd andern Ortern vblich vnd vor= | handen seyn: [...] | [...] | Wolffenbüttel/ Jm Jahr 1620 [Bd. II v. dems.: Syntagma musicum. Wolfenbüttel 1619; Reprint: Kassel 2001]. [Psalter 1629] Der gantze Psalter. | Des königlichen | Propheten Dauids | Sampt schönen Ge= | betlein für die Seelen | im Fegfeur trostlich zusprechen | Darbey ein kurtzer | Jnhalt des R. P. | Dominici à Iesu | Maria Jedes Psalms | [...]. | München in verlag Peter Königs [1629; ÖNB Wien, Alt Prunk 2. Z. 15]. [Raith 1673] !‫ | י! י! י‬TURRIS ANTONIA | Oder | Einweyhungs Rede | Bey Auffrichtung | Der | Auß dem Cabalistischen Geheimnuß=Baum | entsproßnen | Und | Von der | Durchleuchtigsten Fürstin und Princessin/ | Princessin ANTONIA | Gebohrnen Hertzogin zu Würtemberg und Teck/ | Gräfin zu Montbelgard/ und Fräwlein zu | Heidenheim/ | In die Kirch im Deynach gestiffteten | und auffgerichteten | Lehr=Tafel | Gehalten | Durch | Balthasar Raithen/ S. S. Theol. D. und P. P. | Academ. Tubing. | Auch auff Gnädigsten Befehl gedruckt. | Tübingen | Durch Joachim Hein. | Anno M. DC. LXXIII [WLB 25 a 466]. [Reuchlin 1506] Johannes Reuchlin: DE RUDIMENTIS HEBRAICIS. Hildesheim u.a. 1974 [Neudruck der Ausgabe: Pforzheim 1506]. [Reuchlin 1517] IOANNIS | REVCHLIN | PHORCENSIS LL. DOC. | DE ARTE | CABALISTICA | LIBRI TRES LEONI | X. DICATI. | Cum Priuilegio Imperiali [Druckermarke a. E.: »Hagenau apud Thomam Anshelmum Mense Martio. M. D. XVII.«; dem einst im Besitz u. a. Jakob Strölins befindlichen Exemplar der WLB (Theol. fol. 1433) ist ein Exemplar von De verbo mirifico angebunden; s. jetzt Reuchlin 1996; Druck von 1514, s. die Druckermarke a.E.: »Tubingae ex aedibus Thomae Anshelmi Badensis | Cal. Augusti. Anno M. D. XIIII. Sub | illustri principe Vdalrico | Vuirtembergen.«]. [Reuchlin 1996] Johannes Reuchlin: De verbo mirfico / Das wundertätige Wort (1494). Hrsg. v. WiduWolfgang Ehlers u.a. (Sämtliche Werke I,1). Stuttgart-Bad Cannstatt 1996 [zuerst 1494]. [Reuchlin 2010] Johannes Reuchlin: De arte cabalistica libri tres / Die Kabbalistik. Hrsg. v. Widu-Wolfgang Ehlers / Fritz Felgentreu (Sämtliche Werke II,1). Stuttgart-Bad Cannstatt 2010 [zuerst 1517].

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[Rivet 1633] ANDREAE RIVETI | [...] | EXERCITATIONES CXC. | IN | GENESIN | [...] | LVGDVNI BATAVORVM, | Ex Officinâ BONAVENTVRAE & ABRAHAMI ELZEVIR. | Academiae Typograph. | ANNO ΑIΒ IΒΑ XXXIII. | [...]. [Rivet 1634] ANDREAE RIVETI | [...] | COMMENTARII, | In Librum secundum MOSIS, | QVI | EXODVS | apud Graecos inscribitur: | [...] | LVGDVNI BATAVORVM, | Apud FRANCISCVM HEGERVM, è regione Academiae. | ANNO ΑIΒ IΒΑ XXXIV. [Rompler 1988] Des Jesaias Romplers von Löwenhalt erstes gebüsch seiner Reim-getichte 1647. Hrsg. u. kommentiert v. Wilhelm Kühlmann / Walter E. Schäfer. Tübingen 1988 [zuerst 1647]. [Roob 1996] Alexander Roob: Das hermetische Museum, Alchemie & Mystik. Köln 1996. [Rotenburger 1630] Biblische Summarien | Vber iede vnd alle Capitel der gantzen | Heiligen Schrift Zu guter Nachrichtung | deß Gedächtnuß nach Ordnung des A. B. C. | in Figuren vnd kurtzen Rheÿmen gefasset, | [...] | Durch Conrad Rotenburger | [...] | 1630. | mit Verlegung | Iohann Huttenlochs Burger: Daselbsten [Reprint: Conrad Rotenburger. Biblische Summarien. 1630. Hrsg. v. Geschichtsverein Bietigheim-Bissingen. Stuttgart 2011]. [Sanctius 1615] GASPARIS | SANCTII | CENTVMPVTEOLANI | [...] | IN ISAIAM PROPHETAM | COMMENTARII | [...]. | NUNC PRIMVM EVVLGATI | [...]. | LVGDVNI | SVMPTIBVS HORATII CARDON | M. DC. XV. [Sand 1684] Bibliotheca | ANTI-TRINITARIORUM, | sive | Catalogus Scriptorum, & succincta narratio | de vita eorum Auctorum, qui praeterito & hoc secu- | lo, vulgo receptum dogma de tribus in unico Deo | per omnia aequalibus personis vel impugnarunt, vel | docuerunt solum Patrem D. N. J. Christi esse | illum verum seu altissimum Deum. | Opus Posthumum Christophori Chr. Sandii. | Accedunt | alia quaedam Scripta [...]. | Quae omnia simul juncta | COMPENDIUM HISTORIAE ECCLESIASTICAE UNITARIORUM, | qui SOCINIANI vulgo audiunt, exhibent. | FREISTADII [Amsterdam], | Apud JOHANNEM ACONIUM. | ΑIΒ IΒΑ LXXXIV. [Sanson 1653] L’ASIE, | EN PLUSIEURS CARTES | NOUVELLES, ET EXACTES, &c. | EN DIVERS TRAITEZ | DE GEOGRAPHIE, ET D’HISTOIRE. | Là où sont descrits succinctement, & auec vne | belle Méthode, & facile. | SES EMPIRES, SES MONARCHIES, SES ESTATS &c. | [...] | Par le S. SANSON d’Abbeville, Geographe ordinaire du Roy. | A PARIS, | CHEZ L’AVTHEVR, ruë S. Iacques, à l’Esperance. | [...] [1653]. [Saubert 1625] ΔΥΩΔΕΚΑΣ | Emblematum Sacrorum | quorum consideratio accurata ad | Fidei exercitium et exci= | tandam Pietatem plu= | rimum facere | potest: | Erster Theill [sic] [...] | [...] durch | M. Joh[annem]. Saubertum. | [...] | Durch Petrum Jselburger ins | Kupffer gebracht, vndt bey Simon Halb= | meyern gedruckt / zufinden bey | Balthasaris Caymoxen zu Nurnberg | A[nn]o. M DC XXV [WLB Stuttgart Allg. 2° 287; beigebunden Teil 2–4 von 1626, 1629 u. 1630]. [Saubert 1638] ICONES | PRECANTIUM | Das ist: | Christliche Fi= | guren/ zur Gebesstund an= | gesehen/ in welchen die Exempla der | rechtschaffnen Beter vnnd Bußfertigen Hertzen | [...] vor Augen | gestellt werden [...] | Durch | M. Johannem Saubertum, | [...] | Jetzt zum andernmal gedruckt vnd | verlegt durch Wolffgang Endter. | ANNO CHRISTI | M. DC. XXXVIII. [1. Aufl. 1629; 2. Aufl. zuerst 1637]. [Saubert 1646] Wohlgemeint Bedencken. | wie die Büchlein | CHRISTIAN Hohburgs/ | [...] | Recht zu erklären/ vnd ohne An= | stoß zu lesen. | [...] | Nürnberg. | Gedruckt/ bey Johann=Friderich Sartorio. 1646. [Saubert 1647 Leichendruck] Christliche Trawr- vnd Leich- | predigt/ | auß dem Buch der Weißheit c. III. v. 1. 2. seqq. | Bey der [...] | Leichbestattung | Deß [...] | Herrn | JOHANNIS | SAUBERTI, | [...] | Gehalten [...] | [...] | Von | M. Michaële Webero [...] [Nürnberg: Endter, 1647; VD 17 1:048841G]. [Scapula 1652] IOAN[NIS]. SCAPULAE | LEXICON GRAECO-LATINUM, | E probatis AUCTORIBUS locupletatum, | CUM INDICIBUS | ET GRAECO ET LATINO, auctis & correctis. | [...] | ACCEDUNT | LEXICON ETYMOLOGICUM, | [...] | ET | IOAN[NIS]. MEURSII GLOSSARIUM CONTRACTUM, | | [...] | EDITIO NOVA ACCURATA. | AMSTELAEDAMI, | Apud IOANNEM BLAEUW, | & | LUDOVICUM ELZEVIRUM. | M. DC. LII [zuerst Basel 1580]. [Scharf 1673] ILLUSTRISSIMUM | JACOBI PATRIARCHAE | VATICINIUM | de | !‫ | שילה יהודה‬GENES. CAP. XLIX. COMM. X. | In incluto Electorali Saxonum Athenaeo | publicae ventilationis luci | expositum: | ac instanti tempore, quod pia Antiquitas meditationi | ADVENTUS DOMINICI consecravit, | benevolae | Philologorum juxtim & Theologorum | Censurae oblatum | à | JOANNE FRIDERICO SCHARFIO | J. U. D. & P. F. ADJ. | Excusum denuò Literis Hackianis | A. S. ΑIΒ IΒΑ LXXIII [Predigerseminar Wittenberg Diss 182a 37]. [Schedel 1493] [Hartmann Schedel; Georg Alt; Michael Wolgemut; Wilhelm Pleydenwurff] REgister Des | buchs der Cro- | niken vnd geschichten. | mit figuren vnd pildnus | sen wun | anbeginn der welt | bis auf dise vnnsere Zeit [Druckermarke am Buchschluß: Nürnberg: Anton Koberger, 23.12.1493].

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[Scheffler 1952] [Johann Scheffler, alias] Angelus Silesius: Sämtliche poetische Werke. hrsg. v. Hans Ludwig Held. 3. erw. Aufl. 3 Bd.e. München / Wien 1952 [zuerst 1922; Neudruck Wiesbaden 2002]. [Schickard 1624] !M‫ | בחינת הפירושי‬BECHINATH | HAPPERUSCHIM | Hoc est | Examinis Commentationum | Rabbinicarum | in Mosen | PRODROMVS | vel Sectio prima, | complectens | GENERALEM | PROTHEORIAM, DE | 1. Textu Hebraico | 2. Targum Chaldaico | 3. Versione Graecâ, | 4. Masóreth, | 5. Kábbalah | 6. Peruschim. | [...] | AUTHORE | Wilhelmo Schickardo, | Sacr. Literarum Heb. Professore. | TUBINGAE, | Typis Viduae Johan-Alexandri Cellii, | ANNO M. DC. XXIV [UB Tübingen Ge 400]. [Schickard 1630] Der Hebraische | Trichter / | Die Sprach leicht einzugiessen / | Das ist / | Vnterweisung / | Wie ein Teutscher Leser / ohn | Lateinischen Behelff / die H. | Sprach behend erlernen | möge / | So klar vnd einfältig / daß es auch | ein Knab fassen kan. | Durch | Wilhelm Schickardten / | Professor zu Tübingen. | [...] | Leipzig / in verlegung Gottfried | Grossens / Buchh. Anno 1630 [UB Tübingen Ci VII 23]. [Schickard 1674] WILHELMI SCHICKARDI | [...] | !K‫ | משפט המל‬JUS REGIUM | HEBRAEORUM | E tenebris Rabbinicis erutum, &| luci donatum | Cum | ANIMADVERSIONIBUS & NOTIS | JO. BENEDICTI CARPZOVI, | [...] | LIPSIAE, | Sumptibus Haeredum Friderici Lanckischi. | Typis JOHANNIS COLERI. | M DC LXXIV [zuerst 1625]. [Schickard 2002] Wilhelm Schickard: Briefwechsel. Hrsg. v. Friedrich Seck. 2 Bd.e. Stuttgart-Bad Cannstatt 2002. [Schiller 1627] Coelum stellatum christianum convexum: ad maiorem Dei omnipotentis, sanctaeque eius tam triumphantis, quam militantis ecclesiae gloriam, obductis gentilium simulachris, eidem domino et creatori suo, postliminio quasi restitutum / humili conatu et voto Iulii Schilleri [...] sociali opera Ioannis Bayeri uranometriam novam, priore accuratiorem, suppeditantis; scalpello Casparis Schecksii Augustae Vindelicorum: praelo Andreae Apergeri, 1627 [ETH-Bibliothek Zürich, Rar 1504: 2]. [Schindler 1612] LEXICON | PENTAGLOTTON, | Hebraicum, Chaldaicum, Syriacum, Talmudico- | Rabbinicum, & Arabicum. | IN QVO OMNES VOCES HEBRAEAE, CHALDAEAE, | Syrae, Rabbinicae & Arabicae, adjectis hincinde Persicis, Aethiopicis & Turcicis; | [...] | [...] explicantur. | [...] | COLLECTUM [...] | à | [...] | DN. VALENTINO SCHINDLERO OEDERANO | [...] | HANOVIAE, | Typis Joannis Jacobi Hennei. | MDCXII. [Schmeisser 2012] Sozinianische Bekenntnisschriften. Der Rakówer Katechismus des Valentin Schmalz (1608) und der sogenannte Soner-Katechismus. Hrsg. v. Martin Schmeisser (Quellen und Darstellungen zur Geschichte des Antitrinitarismus und Sozianismus in der Frühen Neuzeit 1). Berlin 2012. [Schmidlin 2007] Johann Lorenz Schmidlin: Pictura docens. Unter Mitarbeit von Reinhard Gruhl, Inga Woolston, Anne Eusterschulte, Anja Knebusch, Lothar Mundt und Felix Mundt, zum ersten Mal hrsg. und übers. v. Fritz Felgentreu und Widu-Wolfgang Ehlers (Clavis Pansophiae 4). Stuttgart-Bad Cannstatt 2007. [Schöne 1963] Das Zeitalter des Barock. Texte und Zeugnisse. Hrsg. v. Albrecht Schöne (Die deutsche Literatur. Texte und Zeugnisse 3). München 1963. [Schopper 1579] SPECVLVM | vitae aulicae. | DE ADMIRABILI | FALLACIA | ET ASTVTIA VVLPECVLAE | REINIKES LIBRI QVATVOR, | nunc primum ex idiomate Germanico latinitate | donati, adiectis elegantissimis iconibus, | veras omnium apologorum animaliumque | species ad vivum adumbrantibus, | Auctore | HARTMANNO SCHOPPERO, | Novoforense Norico. | [...] | FRANCOF. AD MOENVM, | M. D. LXXIX [zuerst 1567]. [Schulordnungen 1860] Evangelische Schulordnungen. Hrsg. v. Reinhold Vormbaum. Bd. 1: Die Schulordnungen des sechzehnten Jahrhunderts. Gütersloh 1860. [Sixtus Senensis 1626] BIBLIOTHECA | SANCTA | A. F[rancisco] SIXTO SENENSI | ORDINIS PRAEDICATORVM, | EX PRAECIPVIS CATHOLICAE ECCLESIAE | Auctoribus collecta, & in octo libros Digesta. | [...] | POSTMODVM A REVERENDO SOCIET. IESV PATRE IOANNE HAYO | SCOTO, REVISA, SCHOLIISQVE ILLVSTRATA. | [...] | COLONIAE AGRIPPINAE, | Ex Officina Choliana, Sumptibus Petri Cholini. | ANNO M. DC. XXVI. | [...] [UB Tübingen Gh 310]. [Siber 1573] Adami Siberi | SIONION, | SEV, | HISTORIAE SACRAE. | LIBRI OCTO. | [...] | LIPSIAE. [...] [Vögelin / Andreas Schneider 1573]. [Sperber 1600] KABALISTICAE | PRECATIONES, | siue | SELECTIO | RES SACROSAN= | cti Nominis Divini | Glorificationes | E Sacrorum Bibliorum fontibus, et | praesertim ex medulla Psalmorum Dauidis haustae, et | ita concinnatae, vt ijs Deus Opt: Max: facilius placa- | ri, et ad euxaudiendum atque auxiliandum melius | commoueri, Mens etiam orantis arden- | tius in Deum eleuari poßit. | STVDIO ET OPERA | IULII SPERBERI C. | [...] | Cum Gratia et Priuilegio etc. | Magdeburgi apud Iohannem Francum 1600.

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[Stephanus 1678] ΣΤΕΦΑΝΟΣ | ΠΕΡΙ ΠΟΛΕΩΝ | STEPHANUS | DE | URBIBUS | QUEM PRIMUS | THOMAS DE PINEDO | LUSITANUS | Latii jure donabat [...] | [...] | AMSTELODAMI, | Typis JACOBI de JONGE. | ΑIΒ IΒΑ LXXVIII. [Steudner 1645] ΜΥΣΤΗΡΙΟΣΟΦΙΑΣ | SECTIONIS TERTIAE | ARTICULI SECUNDI | PARS PRIMA | in qua proponitur | Μυσvτηριοσvοϕίας sive Sacramento-maniae | Calvinianae | ELENCHUS, | QUEM | Divinâ adjuvante gratiâ | PRAESIDE | DN. JOH-CONRADO | DANNHAWERO [...] | defendere conabitur | M. JOHANNES STEUDNER | [...] | ARGENTORATI, | Typis FRIDERICI SPOOR. | M. DC. XLV. [Steudner 1665] Jüdische | ABC Schul | Von dem Geheimnuß deß | dreyeinigen wahren GOttes und | Schöpffers | JEHOVAH. | Aus dem denkwürdigen letzten Spruch | und Auslegung R. Mosis Botril, über deß Pa= | triarchen Abrahams ersten Satz cap. 1. im | Buch Jezirah / eröffnet | und | Mit Christlichen Anmerckungen / aus meh= | rern Zeugnissen H. Schrifft und Jüdischer | Rabbinen / bezeichnet und er= | klärt. | Darbey auch von der Juden mit ihrem eignen | Mund bekanter Blindheit / und von deß Erzvatters | Abrahams und seiner Sarae Glauben an den dreyeinigen | GOtt / und den Messiam aus zweyen Naturen be= | stehend / gehandlet wird. | Durch | M. Johannes Steudner / Ephorum | Collegij Evangelici Augustani. | Gedruckt zu Augspurg bey Johann Schultes/ | Im Jahr 1665. [Strabo 1707] ΣΤΡΑΒΩΝΟΣ | ΓΕΩΓΡΑΦΙΚΩΝ | ΒΙΒΛΟΙ ιζ | STRABONIS | RERUM | GEOGRAPHICARUM | LIBRI XVII. | [...] | AMSTELAEDAMI, | Apud JOANNEM WOLTERS, M. DCCVII. [Strölin 1664 Leichendruck] Davids | Lust/ Liecht und Frewd. | Nach Anleitung deß 43. Psalmen/ | Vers. 3. und 4. | Bey | Sehr trawriger Leich=Begängnis/ | Deß | Weiland Ehrwürdigen und | Wohlgelehrten Herrn | M. Johann. Jacob | Strölins Seeligen/ | gewesenen treweiferigen Pfarrers | zu Münster. | Als derselbe den 4. Februarii, Anno 1663. in | hochansehnlicher und volckreicher Versammlung/ | ehrlich zur Erden bestattet worden. | Auß gnädigstem Anbefehlen | einfältigst vorgetragen. | Durch | M. Johann. Laurentium Schmidlin/ Pfarrern zu Sündelfingen. | Getruckt zu Stuttgart/ bey Johan. Weyrich Rößlin/ | Fürstl. Würtemb. bestelltem Buchtrucker. | Anno M. DC. LXIV [UB Tübingen L XVI 89, 6. Stück, Paginierung bis S. 36; danach: (a) Seelen=Frewd | In Sterbens=Leid | Oder | Verzeichnis der jenigen Geistlichen | Lieder/ und Todten=Musicen/ welche vor= unter= | und nach der Christlichen Beerdigung deß See= | lig verstorbnen | Herrn Strölins/ | Choraliter | Und | Figuraliter | gesungen und gehalten worden seynd. (b) EPICEDIA. | In obitum | Reverendi, tàm pii, quàm Docti viri | Dn. M. Joh. Jacobi Strölini, pastoris | Münasteriensis]. [Sudermann 1622] Hohe geistreiche Lehren/ vnd | Erklärungen: | Vber die fürnembsten Sprüche deß | Hohen Lieds Salomonis/ von der Liebhabenden | Seele/ das ist/ der Christlichen Kirchen vnd jhrem | Gemahl Jesu Christo. | [...] | Mit schönen Figuren gezieret/ gedruckt vnd | verlegt/ durch Jacob von der Heyden/ Chalcographi. | Anno M. DC. XXII. [Talmud 1990] Hebrew-English-Edition Of The Babylonian Talmud. Übers. v. Maurice Simon u.a. Hrsg. v. Isidore Epstein. 30 Bd.e. London 1990 [Soncino-Ausgabe]. [Tanckius 1614] [Joachim Tancke] PROMPTVARIVM | ALCHEMIAE | Ander Buch/ Darinnen der vor= | nehmsten gelehrten Philosophen | vnd Alchimisten Schrifften vnd | Tractaten | Von dem Stein der Weisen/ | [...] | Jm Jahr/ | M DC XIV. | Leipzig / bey Henning Grossen zubefinden [erster Bd. 1610; Reprint beider Bd.e., eingel. v. Karl R. H. Frick, Graz 1976]. [Tesauro 1645] PATRIARCHAE | Sive | CHRISTI SERVATORIS | GENEALOGIA | Per Mundi aetates traducta | A D. EMANVELE THESAVRO | Patritio Taurinensi, | Comite, et Magna Crucis Equite | SANCTORVM MAVRITII, | ET LAZARI. | EDITI. | Ad Emin.um et Reveren.um | DD. CAESAREM | MONTIVM. | S. R. E. Cardinalem | Et Eccles. Mediol. | Archiepiscop. | MEDIOLANI | Apud Bidellium. MDCXXXXV | Superiorum permissu et Privilegio [UB Tübingen Dk II 404]. [Tesauro/Juglaris 1711] ELOGIA | PATRIARCHARUM, | et | CHRISTI IESU | DEI-HOMINIS. | EMANUELIS THESAURI | PATRITII TAURINENSIS, | ET | ALOYSII JUGLARIS | E SOCIETATE JESU. | Quibus ob praestantiam & anti- | quitatem adjunctum est | TESTAMENTUM XII. | FILIORUM IACOB, | Longissimo tempore Judaeorum in- | vidiâ ab | usu Christianorum subtractum & | absconditum, abhinc verò annis CCCXXII. | Latinitate donatum ab Episcopo Linco- | linensi Roberto II. | COLONIAE AGRIPPINAE, | Sumptibus FRANCISCI METTERNICH Bibliop. | Unter gölden Waagen. | Anno M. D. C. CXI [Das Testamentum duodecim patriarcharum ist auf S. 169–232 im Anschluss an Tesauro eingefügt mit dem Titelblatt: TESTAMENTUM | DUODECIM | PATRIARCHARUM | FILIORUM JACOB. | Per | ROBERTUM LINCOLINENSEM | EPISCOPUM, | è | Graeco in Latinum versum. | Floruit author Anno M. CC. XLII. | Prima vice | PARISII | Anno 1549. | Apud Martinum Juvenem, sub insigni D. Christo- | phori, è | regione Collegii Cameracensium | impressum. Derselbe Verlag druckte die Ausgabe 1741 mit leicht geändertem Titelblatt noch einmal].

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[Tesauro/Juglaris 1741] ELOGIA | PATRIARCHARUM, | et | CHRISTI JESU | DEI-HOMINIS. | EMAN[UELIS]. THESAURI | PATRITII TAVRINENS, | ET | ALOYSII JUGLARIS | E SOCIETATE JESV. | Quibus ob praestantiam & anti- | quitatem adjunctum est | TESTAMENTVM XII. | FILIORUM JACOB, | Longissimo tempore Judaeorum invidiâ ab | usu Christianorum subtractum & absconditum, | abhinc verò annis CCCXXII. Latinitate dona- | tum ab Episcopo Lincolinensi Roberto II. | COLONIAE AGRIPPINAE, | Sumptibus Viduae WILH. METTERNICH & FILII Bibliop. | Sub Signo Gryphi. | ANNO M DCC XLI [UB Tübingen Gi 1522]. [Tremellius/Beza 1648] BIBLIA SACRA | SIVE | TESTAMENTVM VETVS, | Ab IM. TREMELLIO et FR. IVNIO | ex Hebraeo Latinè redditum. | ET | TESTAMENTVM NOVVM. | à THEOD. BEZA è Graeco in | Latinum versum. | [...] | AMSTELODAMI, | Apud Ioannem Ianßonium. | ΑIΒΑ. XLVIII. [Valeriano 1678] JOANNIS PIERII VALERIANI | BELLUNENSIS | HIEROGLYPHICA, | SIVE | DE SACRIS AEGYPTIORUM | ALIARUMQUE GENTIUM LITERIS, | Commentariorum Libri LVIII. | duobus aliis ab eruditissimo viro annexis. | Accesserunt [...] HIEROGLYPHICORUM COLLECTANEA. | [...] | HORAPOLLINIS item hieroglyphicorum libri duo ex postrema Davidis Hoeschelii | correctione. [...] | [...] Editio ad novissimas Germaniae composita [...] | [...] FRANCOFURTI AD MOENUM, | Sumptibus Christiani Kirchneri, | Typis WENDELINI MOEWALDI, | ANNO M DC LXXIIX. [Valesius 1588] FRANCISCI | VALESII, | DE IIS QVAE | SCRIPTA SVNT PHY- | sicè in libris sacris de | Sacra Philosophia. | LIBER SINGVLARIS. | Cui propter argumenti similitudinem, adjuncti sunt duo | alij. Nempe LEVINI LEMNII de plantis sacris: | Et FRANCISCI RVEI de Gemmis, ante qui- | dem editi, sed nunc emendatiùs expreßi. | LVGDINI, | APVD FRANCISCVM LE FEVRE. | M. D. LXXXVIII [Predigerseminar Wittenberg LC 443]. [van Adrichem 1600] THEATRVM | TERRAE SANCTAE | ET BIBLICARVM | HISTORIARVM | cum tabulis geographicis | aere expressis. | AVCTORE, CHRISTIANO | ADRICHOMIO, DELPHIO [Druckermarke am Buchschluß: COLONIAE AGRIPPINAE, | In Officina Birckmannica, sumptibus | Arnoldi Mylij. | Anno ΑIΒ IΒΑ.]. [van den Steen 1627] COMMENTARIA | IN | APOCALYPSIN | S. IOHANNIS | [...] | Auctore | R. P. CORNELIO CORNELII | A LAPIDE E SOCIETATE IESV, | [...] | LVGDVNI, | Sumptibus Iacobi & Matthaei Prost fratrum | M. DC XXVII. [van den Steen 1648] COMMENTARIA | IN | PENTATEVCHVM | MOSIS, | Auctore | R. P. CORNELIO CORNELII | A LAPIDE, | è Societate IESV, | [...] | Vltima editio aucta & recognita. | ANTVERPIAE | APVD IOAN: ET IAC: MEVRSIOS, | ANNO M. DC. XLVIII [zuerst 1616]. [van den Steen 1854] COMMENTARIA IN SACRAM SCRIPTURAM | AUCTORE R. P. | CORNELIO CORNELII A LAPIDE, | [...] | EDITIO | XYSTO RIARIO SFORTIAE | DICATA | TOMUS II. | COMPLECTENS COMMENTARIA IN IOSUE, RUTH, IV. LIBROS REGUM, II. PARALIPOMENON, ESDRAM, | NEHEMIAM, TOBIAM, IUDITH, ESTHER, ET MACHABAEOS. | NEAPOLI | APUD I. NAGAR EDITOREM | [...] | ANNO M. D. CCC. LIV. [van der Sandt 1640] R. P. | MAXIMILIANI | SANDAEI | [...] | PRO | THEOLOGIA MYSTICA | CLAVIS | ELVCIDARIVM. ONOMASTICON | VOCABVLORVM ET LOQVVTIO= | num Obscurarum, quibus Doctores Mystici [...] | [...] vtuntur [...]. | COLONIAE AGRIPPINAE | Ex Officinâ Gualterianâ | Anno [...] | M. DC. XL. [Vergil 1830] PVBLIVS | VERGILIVS MARO | VARIETATE LECTIONIS | ET | PERPETVA ADNOTATIONE | ILLVSTRATVS | A | CHRIST. GOTTL. HEYNE | EDITIO QVARTA | CVRAVIT | GE. PHIL. EBERHARD. WAGNER | VOLVMEN PRIMVM. BVCOLICA ET GEORGICA. LIPSIAE | SVMTIBVS LIBRARIAE HAHNIANAE. | MDCCCXXX. | LONDINI | APVD BLACK, YOVNG & YOVNG. [Vincart 1652] R. P. | Ioannis Vincartii | Gallobelgae | Insulani | E Societate | IESV | SACRARVM HEROIDVM EPISTOLAE. | Editio Secunda | MONACHII | Typis Lucae Straub | M. DC. LII. | SVMPTIBVS | Ioannis | Wagneri [zuerst 1640]. [von Birken 2014] Sigmund von Birken: Erbauungsschrifttum. Hrsg. v. Johann Anselm Steiger. Teil I: Texte (ders.: Werke und Korrespondenz. Hrsg. v. Klaus Garber et al. Bd. 8/I). Berlin / Boston 2014. [von Franckenberg 1995] Abraham von Franckenberg: Briefwechsel. Eingel. u. hrsg. v. Joachim Telle. Stuttgart-Bad Cannstatt 1995. [Wagner 1662 Leichendruck] DECUS ET ORNAMEN- | TVM REIPVBL. PATR. | Herr | Georg Wagner/ | Deß Heil. Reichstadt Eßlingen/ | Hochmeritirter | Burgermeister/ | Und Regenten=Haupt/ | [...] | kläglich entworffen von | M. Adamo Weinheimero, Pfarrern und Super- | intendenten daselbst. | Tübingen/ | Gedruckt bey Johan Alexander Cellio. | Im Jahr 1662 [UB Tübingen L XVI 132].

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[Walther 1668] MICHAELIS WALTHERI, D. | OFFICINA BIBLICA | noviter adaperta: | In qvâ perspicuè videre licet | Qvae scitu cognituque maximè sunt necessaria | De | SACROSANCTA SCRIPTURA | in Genere: | & | in Specie | de LIBRIS ejus | I. CANONICIS. | II. APOCRYPHIS. | III. DEPERDITIS. | IV. SPURIIS. | Editio secunda, ad usuale exemplar B. AUCTORIS | emendata, in aliqvot locis aucta, & indice copiosissimo | ornata.| [...] | WTTENBERGAE | Literis & sumptibus Haered. JOBI WILHELMI FINCELII, | Exscribebat MICHAEL MEYER, | Anno ΑIΒ IΒΑ LXVIII [Predigerseminar Wittenberg ETh 115]. [Walton 1657] BIBLIA SACRA | POLYGLOTTA, | Complectentia | Textus Originalis HEBRAICUM cum Pentateucho Samaritano, CHALDAICUM, GRAECUM. | Versionumque antiquarum SAMARITANAE, GRAECAE LXXII Interp. CHALDAICAE, SYRIACAE, ARABICAE, AETHIOPICAE, PERSICAE, VULG. LAT. | Quicquid comparari poterat. | Cum Textuum, & Versionum Orientalium Translationibus Latinis. | EX | VETUSTISSIMIS MSS. UNDIQUE CONQUISITIS, | optimisque Exemplaribus impressis, summâ fide collatis. | Quae in prioribus Editionibus deerant suppleta. | Multa antehac inedita, de novo adjecta. | Omnia eo ordine disposita, ut Textus cum Versionibus uno intuitu conferri possint. | [...] | Opus totum in sex TOMOS tributum. | Edidit | BRIANUS WALTONUS, S. T. D. | [...] | Imprimebat THOMAS ROYCROFT, | M. D. C. LVII [6. Bd.; der erste Bd. erschien 1654; Reprint: Graz 1963–65]. [Wassenberg 1641] FLORUS GERMANICUS, | Sive | EVERHARDI WASSENBERGII | Embricensis, | COMMENTARIORUM | DE BELLO, | Inter invictissimos Imperatores | FERDINANDOS II. & III. | Et eorum hostes | [...] | GESTO, | LIBER SINGULARIS, | Ad Annum 1641. absolutus & continuatus. | [...] | HAMBURGi; | Apud BERNARDVM BALDVINVM. | M DC XLI. [Weigenmeier 1604] !‫ | ר´אׁשי תֵבֹות‬GEORGII WEI- | GENMEIERI, [...] | [...] | Tractatus | Continens & explicans | ABBREVIA- | TURAS OMNES, QUOT- | QVOT [sic] IPSE AVTOR EX PLV- | rima Commentariorum Heb. lectione obseruare potuit, | [...] | NVNC VERO AB ILLIVS | haeredibus in huius Linguae candidato- | rum vsum, in lucem emissus. | [...] | TUBINGAE, | Typis & impensis Erhardi Cellij. | Anno 1604 [im Anhang Sebastian Münsters Biur Haperuschim]. [Weise 1971] Leben und Meinungen der Sieben Weisen. Griechische und lateinische Quellen. Hrsg. u. übers. von Bruno Snell. 4., verb. Aufl. München 1971. [Westenrieder 1780] [Lorenz von Westenrieder] Baierische Beyträge zur schönen und nützlichen Litteratur. Des zweyten Jahrgangs erster Band. München 1780. [Wunderhorn 2009] Geistliches Wunderhorn. Große deutsche Kirchenlieder. Hrsg. v. Hansjakob Becker et al. München 2009 [zuerst 2001].

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Antonias Epitaphschrein in der Kirche von Bad Teinach . . . . . Antonias Teinacher Epitaphbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . Antonias Lehrtafel im Teinacher Epitaphschrein . . . . . . . . . Sefirottafel im Druck von Raiths Predigt . . . . . . . . . . . . . . Der Kupferstich zur Lehrtafel in Oetingers Buch . . . . . . . . . Die Lithographie nach dem Kupferstich in Oetingers Buch . . . . Strölins ›Turris Antoniae votiva‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . Orientierungsschema auf Basis der ›Turris Antoniae votiva‹ . . . Sefirottafel in den ›Portae Lucis‹ des Paulus Ritius . . . . . . . . Sefirottafel in Alsteds Enzyklopädie . . . . . . . . . . . . . . . . Sefirottafel in Kirchers ›Oedipus Aegyptiacus‹ . . . . . . . . . . ›Speculum Cabalae mysticae‹ in Kirchers ›Oedipus Aegyptiacus‹ Antonias Psalmengebetsplan auf Basis von Ps 119 . . . . . . . . Antonias Psalmengebetsplan für Sonntag . . . . . . . . . . . . . Antonias Psalmengebetsplan für Montag . . . . . . . . . . . . . Orientierungsschema zu Antonias und Strölins Sefirottafeln . . . Die drei oberen Sefirot auf der Lehrtafel . . . . . . . . . . . . . . Darstellung von Spes, Fides und Charitas . . . . . . . . . . . . . ›Der Tugend Lustgarten‹ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Frontispiz von Bangs ›Caelum Orientis‹ . . . . . . . . . . . . . . Kleinerer Paradiesvogel nach Aldrovandis ›Ornithologia‹ . . . . . Darstellung des Themas ›Gesetz und Gnade‹ von 1554 . . . . . . Darstellung des Themas ›Gesetz und Gnade‹ um 1600 . . . . . . Darstellung des Themas ›Gesetz und Gnade‹ von 1634 . . . . . . Ehrenpforte für Karl von Österreich . . . . . . . . . . . . . . . . Dürers Ehrenpforte für Maximilian I. . . . . . . . . . . . . . . . Kuppel von Dürers Ehrenpforte für Maximilian I. . . . . . . . . . Triumphbogen in Nürnberg für Kaiser Matthias I. . . . . . . . . . Trauergerüst für Kaiser Rudolf II. . . . . . . . . . . . . . . . . . Ehrenpforte für Herzog August d. J. . . . . . . . . . . . . . . . . Frontispiz einer lateinischen Bibel von 1664 . . . . . . . . . . . Frontispiz einer deutschen Bibel von 1701 . . . . . . . . . . . . Sinai-Darstellung in Fürers ›Itinerarium‹ (1621) . . . . . . . . . Jerusalem-Darstellung in Fürers ›Itinerarium‹ (1621) . . . . . . . Jerusalemplan in Alsteds Enzyklopädie . . . . . . . . . . . . . . Jacob Jehuda Leons Tempelrekonstruktion . . . . . . . . . . . .

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Jeremias Slovacius’ ›Idea Religionis‹ von 1630 . . . . . . Dürers Darstellung von Offb 4–5 . . . . . . . . . . . . . . Sadelers Darstellung von Offb 4–5 . . . . . . . . . . . . . Frontispiz von Praetorius’ ›Theatrum Instrumentorum‹ . . Sadelers Darstellung des Neuen Jerusalem . . . . . . . . Die Fides als Wurzel der Charitas . . . . . . . . . . . . . Die Rolle der geistlichen Tugenden beim Gebet . . . . . . Darstellung von Patientia, Spes, Charitas und Fides . . . . Die Krönung der Confessio Augustana . . . . . . . . . . Levi und Joseph als Stammeshäupter auf einem Frontispiz Das Lager Israels nach Villalpando . . . . . . . . . . . . Das Lager Israels nach Walton . . . . . . . . . . . . . . . Darstellung der ›Navis ecclesiae‹ . . . . . . . . . . . . . Harnischfegers Schema der zwölf Stammesfürsten . . . . Schemata zu den zwölf Stämmen bei Ritius und Betz . . . Joseph und Levi nach Sadeler . . . . . . . . . . . . . . . Ephraim und Manasse auf der Lehrtafel . . . . . . . . . . Jona auf der Lehrtafel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ebermaiers ›Hoffnungsgärtlein‹ . . . . . . . . . . . . . . Die Charitas in Cramers ›Emblemata sacra‹ (1624) . . . . Dilherrs ›Liebesflamme‹ (Frontispiz, 1654) . . . . . . . . Darstellung der ›Tabula Cebetis‹ . . . . . . . . . . . . . . Andreaes Widmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Die Behandlung des Eme bzw. Emim bei Aldrovandi . . .

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Abbildung 1: Antonias Epitaphschrein in der Kirche von Bad Teinach

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Abbildung 2: Antonias Teinacher Epitaphbild (Brautzug der Schulamit; Ausschnitt)

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Abbildung 3: Antonias Lehrtafel im Teinacher Epitaphschrein

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Abbildung 4: Sefirottafel im Druck von Raiths Predigt

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Abbildung 5: Der Kupferstich zur Lehrtafel in Oetingers Buch

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Abbildung 6: Die Lithographie nach dem Kupferstich in Oetingers Buch

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Abbildung 7: Strölins ›Turris Antoniae votiva‹

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Abbildung 8: Orientierungsschema auf Basis der ›Turris Antoniae votiva‹

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Abbildung 9: Sefirottafel in den ›Portae Lucis‹ des Paulus Ritius

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Abbildung 10: Sefirottafel in Alsteds Enzyklopädie (1630)

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Abbildung 11: Sefirottafel in Kirchers ›Oedipus Aegyptiacus‹

468

Abbildung 12: ›Speculum Cabalae mysticae‹ in Kirchers ›Oedipus Aegyptiacus‹

469

Abbildung 13: Antonias Psalmengebetsplan auf Basis von Ps 119

470

Abbildung 14: Antonias Psalmengebetsplan für Sonntag

471

Abbildung 15: Antonias Psalmengebetsplan für Montag

472

Abbildung 16: Orientierungsschema zu Antonias und Strölins Sefirottafeln

473

Abbildung 17: Die drei oberen Sefirot auf der Lehrtafel

Abbildung 18: Darstellung von Spes, Fides und Charitas (Frontispiz, 1641)

474

Abbildung 19: ›Der Tugend Lustgarten‹ (Kupferstich, zwischen 1646 und 1666)

475

Abbildung 20: Frontispiz von Bangs ›Caelum Orientis‹

476

Abbildung 21: Kleinerer Paradiesvogel nach Aldrovandis ›Ornithologia‹

477

Abbildung 22: Darstellung des Themas ›Gesetz und Gnade‹ (Gemälde, 1554)

478

Abbildung 23: Darstellung des Themas ›Gesetz und Gnade‹ (Gemälde, um 1600)

479

Abbildung 24: Darstellung des Themas ›Gesetz und Gnade‹ (Gemälde, 1634)

480

Abbildung 25: Ehrenpforte in Brügge für Karl von Österreich (Holzschnitt, 1515)

481

Abbildung 26: Dürers Ehrenpforte für Maximilian I. (Erstausgabe von 1517/18)

482

Abbildung 27: Kuppel von Dürers Ehrenpforte für Maximilian I.

483

Abbildung 28: Triumphbogen in Nürnberg für Kaiser Matthias I. (Kupferstich, 1612)

484

Abbildung 29: Trauergerüst für Kaiser Rudolf II. (Kupferstich, 1612)

485

Abbildung 30: Ehrenpforte für Herzog August d. J. von Braunschweig-Lüneburg (Kupferstich, 1653)

486

Abbildung 31: Frontispiz einer lateinischen Bibel von 1664

Abbildung 32: Frontispiz einer deutschen Bibel von 1701

487

Abbildung 33: Sinai-Darstellung in Fürers ›Itinerarium‹ (1621)

Abbildung 34: Jerusalem-Darstellung in Fürers ›Itinerarium‹ (1621)

488

Abbildung 35: Jerusalemplan in Alsteds Enzyklopädie (1630)

489

Abbildung 36: Jacob Jehuda Leons Tempelrekonstruktion (1641)

490

Abbildung 37: Jeremias Slovacius’ ›Idea Religionis‹ (Kupferstich, 1630)

491

Abbildung 38: Dürers Darstellung von Offb 4–5 (Holzschnitt, 1498)

492

Abbildung 39: Sadelers Darstellung von Offb 4–5 (Kupferstich, 1585)

493

Abbildung 40: Frontispiz von Praetorius’ ›Theatrum Instrumentorum‹ von 1620

Abbildung 41: Sadelers Darstellung des Neuen Jerusalem (Kupferstich, 1585)

494

Abbildung 42: Die Fides als Wurzel der Charitas (Almosentafel, 1607)

Abbildung 43: Die Rolle der geistlichen Tugenden beim Gebet (Buchillustration, 1629)

495

Abbildung 44: Darstellung von Patientia, Spes, Charitas und Fides (Illustration zu 2 Petr 1 von 1630)

Abbildung 45: Die Krönung der Confessio Augustana (Thesenblatt, 1632)

496

Abbildung 46: Levi und Joseph als Stammeshäupter (Frontispiz, 1599)

497

Abbildung 47: Das Lager Israels nach Villalpando

Abbildung 48: Das Lager Israels nach Walton

498

Abbildung 49: Darstellung der ›Navis ecclesiae‹ (Kupferstich, Mitte des 17. Jh.s)

499

Abbildung 50: Harnischfegers Schema der zwölf Stammesfürsten

500

Abbildung 51: Schemata zu den zwölf Stämmen bei Ritius und Betz

501

Abbildung 52: Joseph und Levi nach Sadeler

Abbildung 53: Ephraim und Manasse auf der Lehrtafel

502

Abbildung 54: Jona auf der Lehrtafel (zweiter v. rechts)

Abbildung 55: Ebermaiers ›Hoffnungsgärtlein‹ (Frontispiz, 1653)

503

Abbildung 56: Die Charitas in Cramers ›Emblemata sacra‹ (1624)

Abbildung 57: Dilherrs ›Liebesflamme‹ (Frontispiz, 1654)

504

Abbildung 58: Darstellung der ›Tabula Cebetis‹ (Johann Kramer, Holzschnitt, 1551)

505

Abbildung 59: Andreaes Widmung eines Exemplars seines ›Christlichen Herkules‹ an Antonia

506

Abbildung 60: Die Behandlung des Eme bzw. Emim bei Aldrovandi

Technische Hinweise Mit den folgenden kursiv gesetzten Kurztiteln werden die wichtigsten behandelten Artefakte und Dokumente bezeichnet: Lehrtafel; Turris Antoniae votiva, verkürzt auch Turris Antoniae oder einfach Turris; Pictura docens, verkürzt auch Pictura; Herrn Schmidlins Kurtzer Begriff, verkürzt auch Oetingers Kurtzer Begriff oder einfach Kurtzer Begriff; Strölins Kurze Erklärung(en), verkürzt auch Strölins Erklärung(en), und speziell Strölins vorwiegend lateinische Erklärung, verkürzt auch Strölins lateinische Erklärung. Sie alle werden innerhalb der ersten Studie einführend beschrieben. Biblische Bücher werden mit den folgenden Kürzeln bezeichnet:1 Am = Amos; Apg = Apostelgeschichte; Bar = Baruch; 1 Chr = 1. Buch der Chronik; 2 Chr = 2. Buch der Chronik; Dan = Daniel; Dtn = Deuteronomium (5 Mose); Eph = Epheserbrief; Esra = der Esra; Est = Ester; Ex = Exodus (2 Mose); Ez = Ezechiel (Hesekiel); Gal = Galaterbrief; Gen = Genesis (1 Mose); Hab = Habakuk; Hag = Haggai; Hebr = Hebräerbrief; Hld = Hohelied; Hos = Hosea; Ijob = Hiob; Jak = Jakobusbrief; Jdt = Judit; Jer = Jeremia; Jes = Jesaja; Joel = Joel; Joh = Johannesevangelium; 1 Joh = 1. Johannesbrief; 2 Joh = 2. Johannesbrief; 3 Joh = 3. Johannesbrief; Jona = Jona; Jos = Josua; Jud = Judasbrief; Klgl = Klagelieder des Jeremia; 1 Kön = 1. Buch der Könige; 2 Kön = 2. Buch der Könige; Koh = Kohelet (Prediger Salomo); Kol = Kolosserbrief; 1 Kor = 1. Korintherbrief; 2 Kor = 2. Korintherbrief; Lev = Levitikus (3 Mose); Lk = Lukasevangelium; 1 Makk = 1. Buch der Makkabäer; 2 Makk = 2. Buch der Makkabäer; Mal = Maleachi; Mi = Micha; Mk = Markusevangelium; Mt = Matthäusevangelium; Nah = Nahum; Neh = Nehemias; Num = Numeri (4 Mose); Obd = Obadja; Offb = Offenbarung des Johannes (Apokalypse des Johannes); 1 Petr = 1. Petrusbrief; 2 Petr = 2. Petrusbrief; Phil = Philipperbrief; Phlm = Philemonbrief; Pred = Prediger; Ps = Psalmen; Ri = Richter; Rut = Ruth; Röm = Römerbrief; Sach = Sacharja; 1 Sam = 1. Buch Samuel; 2 Sam = 2. Buch Samuel; Sir = Jesus Sirach; Spr = Sprichwörter (Sprüche Salomos); 1 Thess = 1. Thessalonicherbrief; 2 Thess = 2. Thessalonicherbrief; 1 Tim = 1. Timotheusbrief; 2 Tim = 2. Timotheusbrief; Tit = Titusbrief; Tob = Tobit (Tobias); Weish = Weisheit; Zef = Zefania.

Dank vor allem der Arbeiten Reinhard Breymayers verfügt die Antoniaforschung über ein beinahe erschöpfendes Verzeichnis der einschlägigen Handschriften.2 In die Bibliographie der Quellentexte wurden neben den Altdrucken 1

2

Parallelstellen innerhalb der ersten drei Evangelien werden in der Regel nicht gegeben (sie lassen sich dem Apparat vieler moderner Bibelausgaben entnehmen), sondern es wird nur Mt angeführt. Die frühneuhochdeutschen Bibelzitate entstammen Luthers Übersetzung (s. Luther, 1545). Siehe Breymayer, 1998, bes. S. 329–333. Zu ergänzen sind in diesem Katalog: – Antonias Brief an J. V. Andreae (HAB 106 Noviss. 2°, S. [29r-v ]); dazu hier S. 307; – das nur in einer Reproduktion des 19. Jh.s greifbare, handschriftliche Widmungsschreiben J. V. Andreaes (s. Andreae, 1845, a. E.; dazu hier S. 312, Anm.); – Strölins Briefe an J. V. Andreae (HAB Cod. Guelf. 7.4 Aug. 2°, S. [400]-[410]) aus dem

508

Technische Hinweise

unveränderte Neudrucke aufgenommen, ferner Werke, die in der Hauptsache eine wissenschaftliche Quellenedition bieten.3 Casual-Drucke werden unter dem Namen der betroffenen Person eingeordnet mit einem erklärenden Zusatz (»Leichendruck«, »Hochzeitsdruck«), in den Kurztiteln mit dem Zusatz »(L)« oder »(H)«. Die Ordnung der Einträge erfolgt in den Bibliographien nach Maßgabe der Kurztitel streng alphabetisch und ohne Rücksicht auf Umlaute. Das gilt auch für Namenszusätze (del unter ›D‹, van unter ›V‹ usw.). Häufig zitierte Lexika, Handbücher und andere Sammelwerke wurden nicht in die Bibliographien aufgenommen. Sie werden im Text mit einem Kurztitel oder einer mehrbuchstabigen Abkürzung angeführt (ohne in Kommata beigesetzte Jahreszahl) und innerhalb der folgenden Liste allgemeiner Abkürzungen aufgeschlüsselt: | = Zeilenumbruch; || und // = Seitenumbruch ↑ (unmittelbar gefolgt von einer Zahl und/oder einem Kleinbuchstaben, z. B. ↑ 84) = Positionsangabe für die Lehrtafel gemäß Abb. 8 und auch 6 (s. hier S. 266) ψ = crux interpretationis in edierten Texten a. B. = am Beginn; a. E. = am Ende Abb. = Abbildung; App. = editorischer Apparat (jeweils am unteren Seitenende); Art. = Artikel AT = Altes Testament AWA = Archiv zur Weimarer Ausgabe (s. unten WA) B. = Bogen; bes. = besonders bT = Babylonischer Talmud; Bü. = Büschel (v. Akten) BSB = Bayerische Staatsbibliothek München BSLK = Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche. Hrsg. im Gedenkjahr der Augsburgischen Konfession 1930. 12. Aufl. Göttingen 1998. CR = Corpus Reformatorum. Hrsg. v. Karl Gottlieb Bretschneider u. a. 108 Bde. Halle u. a. 1834–2013.

3

Zeitraum zwischen 6.5.1641 und 9.12.1644 sowie zwischen 29.10.1650 und 23.12.1650 (ebd. S. [349]f. u. [431]); ferner an seinen jüngeren Bruder Johann Benedikt vom 27.6.1642 (ebd. S. [433]); s. dazu hier S. 13 u. 405. Neben Breymayer siehe für den erhaltenen Nachlaß Antonias Schauer, 2003, S. 4–8 u. 236; Gruhl/Morgenstern, 2006, passim; speziell für Cod. hist. fol. 551 der WLB Häußermann, 1966, passim; Felgentreu, 2007, S. LXXXIX–XCIV. Siehe hier bes. S. 13 (Anm.), 28ff., 59, 109, 111, 123, 307 (Komm.), 317 (Komm.) u. 399 (Komm.). Folgende Titel aus der Zeit nach 1900 finden sich folglich in dieser ersten Bibliographie: Aegidius 1959; Agrippa 1988, 1992; Andreae 1992, 2002, 2006; Birken 2014; Böhme 1920, 1997; Confessio 1952; Dürer 1957, 2002; Franckenberg 1995; Gerhard 1998, 2000, 2002; Gikatilla 1994; Gryphius 1961; Harsdörffer 1990; Harms 1985; Harms/Schilling 1985, 1989; Hoyer 1986; Hütter 2006; Jezira 1993, 1994; Josephus 1959; Kebes 2005; Kirchenordnungen 2004; Knipping 1974; Krapf/Wagenknecht 1979; Luther 1985; Meisner 2013; Merian 1965; Oetinger 1977 a/b, 1979, 1999, 2010; Opitz 1967; Pentateuch 1946; Physiologus 1980; Pico 1969; Reuchlin 1996, 2010; Rompler 1988; Roob 1996; Scheffler 1952; Schickard 2002; Schmeisser 2012; Schmidlin 2007; Schöne 1963; Spener 1992, 1996, 2000, 2005; Talmud 1990; Wunderhorn 2009.

Technische Hinweise

509

DH = Enchiridion symbolorum definitionum et declarationum de rebus fidei et morum / Kompendium der Glaubensbekenntnisse und kirchlichen Lehrentscheidungen. Hrsg. v. Heinrich Denzinger, jetzt Peter Hünermann. 37. Aufl. Freiburg 1991. DWB = Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bde. in 32 Teilbänden. Leipzig 1854–1961. Quellenverzeichnis Leipzig 1971. DHW = Das Haus Württemberg. Ein biographisches Lexikon. Hrsg. von Sönke Lorenz u. a. Stuttgart 1997. ElsWB = Wörterbuch der elsässischen Mundarten. Bearb. von Ernst Martin und Hans Lienhart. 2 Bde. Straßburg 1899–1907. Enzyklopädie der Neuzeit = Enzyklopädie der Neuzeit. Hrsg. v. Friedrich Jaeger. 16 Bde. Stuttgart / Weimar 2005–2012. EWNT = Exegetisches Wörterbuch zum Neuen Testament. Hrsg. v. Horst Balz / Gerhard Schneider. 3 Bde. Stuttgart u. a. Berlin 1978–1983. FS = Festschrift FWB = Frühneuhochdeutsches Wörterbuch. Hrsg. v. Robert R. Anderson, Ulrich Goebel, Oskar Reichmann. Bd. 1ff. (12 Bd.e in Planung, Bd. 1–9 erschienen). Berlin / New York 1989ff. GWb = Goethe-Wörterbuch. Hg. v. der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (bis Bd. 1, 6. Lfg.: Deutsche Akademie der Wissenschaften zu Berlin; bis Bd. 3, 4. Lfg.: Akademie der Wissenschaften der DDR), der Akademie der Wissenschaften in Göttingen und der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. Bislang Bd. 1–5,12. Stuttgart 1978–2011. (H) = (Hochzeitsdruck) HAB = Herzog August Bibliothek (Wolfenbüttel) HdA = Handwörterbücher zur deutschen Volkskunde. Abteilung 1. Aberglaube. Hrsg. v. Hanns Bächtold-Stäubli / Eduard Hoffmann-Krayer. Henkel/Schöne = Arthur Henkel / Albrecht Schöne: Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts. Stuttgart 1996. Hofmann-Szantyr = Johann B. Hofmann / Anton Szantyr: Lateinische Syntax und Stilistik (Handbuch der klassischen Altertumswissenschaften 2,2,2). 2. verb. Aufl. München 1972. HWPh = Historisches Wörterbuch der Philosophie. Hrsg. v. Joachim Ritter / Karlfried Gründer. 13 Bde. Darmstadt 1971–2007. HStA = Hauptstaatsarchiv Stuttgart i. m. = in margine (als Randbemerkung) i. S. v. = im Sinne von JE = The Jewish Encyclopedia, A Descriptive Record Of The History, Religion, Literature, And Customs Of The Jewish People From The Earliest Times To The Present Day. Hrsg. v. Isidore Singer. 12 Bde. New York/London 1901–1906. Jöcher = Christian Gottlieb Jöcher: Allgemeines Gelehrten Lexicon. 4 Bde. Leipzig 1750–1751. Fortsetzung und Ergänzungen hrsg. v. J. C. Adelung, dann v. H. W. Rotermund (Bd. 1: A–B. 1774; 2: C–J. 1787; 3: K–Lu. 1810; 4: Lu–Mo. 1813; 5: Mo–Pf. 1816; 6: Pf–Ra. 1819; 7: Ri– Romuleus. 1820, veröffentlicht erst 1897). jul. = nach julianischem Kalenderstil Killy-Kühlmann = Killy Literaturlexikon. Autoren und Werke des deutschsprachigen Kulturraumes. 2. vollst. überarb. Aufl. Hrsg. v. Wilhelm Kühlmann. Berlin / New York 2008–2012. Krebs-Schmalz = Johann Philipp Krebs: Antibarbarus der lateinischen Sprache. 7. von Josef Hermann Schmalz bearb. Aufl. Basel 1905.

510

Technische Hinweise

Krünitz = Oeconomische Encyclopädie, oder allgemeines System der Staats= Stadt= Haus= und Landwirthschaft. Hrsg. v. Johann Georg Krünitz. 242 Bde. Berlin 1773–1858. (L) = (Leichendruck) LCI = Lexikon der christlichen Ikonographie. Begr. von Engelbert Kirschbaum. Hrsg. von Wolfgang Braunfels. 8 Bde. Freiburg im Breisgau u. a. 1968–1976. Lexer = Matthias Lexer: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bde. Leipzig 1872–1878. Liddell-Scott-Jones = Henry G. Liddel / Robert Scott / Henry St. Jones: A Greek-English Lexicon. Ninth Edition. Oxford 1940. LMA = Lexikon des Mittelalters. Hrsg. von Robert-Henri Bautier. 10 Bde. München 1980–1999. LR = Lexikon der Renaissance. Hrsg. v. Günter Gurst u. a. (Digitale Bibliothek 41 im Verlag Directmedia). Berlin 2004 [2. überarb. als CD-ROM erschienene Ausgabe; zuerst als Buch 1989]. LThK = Lexikon für Theologie und Kirche. Hrsg. v. Walter Kasper. 3. Aufl. 11 Bde. 1993–2001. LXX = Septuaginta, die alte griechische Übersetzung des AT MPL = Migne Patrologia Latina Müller/Zarncke = Wilhelm Müller / Friedrich Zarncke: Mittelhochdeutsches Wörterbuch. Mit Benutzung des Nachlasses von Georg Friedrich Benecke ausgearbeitet. 3 Bde. Leipzig 1854– 1866. Neuer Pauly = Der Neue Pauly. Hrsg. v. Hubert Cancik / Helmuth Schneider; Manfred Landfester (Rezeptions- und Wissenschaftgeschichte). 16 Bde. 1996–2003. NT = Neues Testament PfWB = Pfälzisches Wörterbuch. Begründet von Ernst Christmann. Fortgef. von Julius Krämer. Bearb. von Rudolf Post. Unter Mitarb. von Sigrid Bingenheimer. 6 Bde. und ein Beiheft. Stuttgart 1965–1998. PRE = Realenzyklopädie für protestantische Theologie und Kirche. 3. Aufl. Hrsg. v. Albert Hauck. 24 Bde. Leipzig 1896–1913. RDK = Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte. Hrsg. v. Otto Schmitt u. a. Stuttgart (Bd. 1–5), München (Bd. 6ff.) 1937ff. RDL = Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft. Hrsg. v. Klaus Weimar (Bd. 1), Harald Fricke (Bd. 2), Jan Dirk Müller (Bd. 3). 3 Bde. Berlin / New York 1997–2003. RGG = Religion in Geschichte und Gegenwart. 4. Aufl. Hrsg. v. Hans Dieter Betz u. a. 8 Bde. Tübingen 1998–2005 (Registerbd. 2007). Roscher = Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie. Hrsg. v. Wilhelm H. Roscher. 6 Bd.e u. 4 Suppl.bd.e. Leipzig / Berlin 1893–1937 (Reprint: 1965). s. = siehe; s. a. = siehe auch; s. v. = sub voce; S. = Seite; Sp. = Spalte. TRE = Theologische Realenzyklopädie. Hrsg. von Gerhard Müller u. a. 36 Bde. Berlin / New York 1977–2004. Gesamtregister. 2 Bde. 2006–2007. u. ö. = und öfter; v. = vers(us); v. a. = vor allem Verfasserlexikon = Deutscher Humanismus 1480–1520. Verfasserlexikon. Hrsg. v. Franz Josef Worstbrock. 2 Bde. Berlin / New York 2005 / 2013. WA = D. Martin Luthers Werke. Kritische Gesamtausgabe. Schriften. Hrsg. v. Johann Karl Friedrich Knaake, Karl Drescher u. a. 120 Bde. Weimar 1883–2009; WA TR = WA, Kritische Gesamtausgabe. Tischreden. Wackernagel = Philipp Wackernagel: Das deutsche Kirchenlied von der ältesten Zeit bis zu Anfang des XVII. Jahrhunderts. 5 Bde. Leipzig 1864–1877. WLB = Württembergische Landesbibliothek (Stuttgart)

Technische Hinweise

511

Zedler = Johann Heinrich Zedler (Hrsg): Grosses vollständiges Universallexikon aller Wissenschafften und Künste. Bd. 1–64 u. 4 Supplementbände. Leipzig 1732–1751. Z. = Zeile

In den Editionen werden Abkürzungen bzw. Ligaturen entweder durch Zusätze in eckigen Klammern oder in trivialen und zweifelsfreien Fällen stillschweigend aufgelöst. Zugehörige Punkte werden bewahrt, abgesehen von: »a.« = »autem«, »v.« = »verò« bzw. »vide«. Vielfach wird in den alten Dokumenten »J« unterschiedslos für unser »I« und »J« verwendet. Das wurde beibehalten. Anstatt der Umlautkennzeichnung durch e wurde aber »ä«, »ö« und »ü« gesetzt und anstatt »I« bei arabischer Zählung die »1«. Eingriffe in die Interpunktion wurden jeweils im textkritischen Apparat vermerkt. Die Kennzeichnung hebräischer Abkürzungen (wie zuweilen auch eines anderen, etwa gematrischen oder anagrammatischen, Hintersinnes) erfolgt in den Handschriften und Altdrucken vielfach durch eine oder zwei kleine Virgeln (selten auch eine Virgel zwischen zwei Punkten) über oder auch nach der betreffenden Buchstabengruppe, hier aber stets nach der Gruppe. Die Abbildung von Handschriftenseiten aus dem Bestand der WLB Stuttgart erfolgt mit freundlicher Genehmigung durch die Handschriftenabteilung der WLB. Es folgen die Quellennachweise für sämtliche Abbildungen: 1. Betz, 2013, S. 8. 2. Betz, 2013, S. 27. 3. Betz, 2013, S. 38. 4. Betz, 2013, S. 25. 5. Oetinger, 1763, Faltblatt nach S. 430 6. Benz, 1958, S. [65]. 7. WLB Cod. misc. 2° 24 (copyright für die Abbildung: Joachim Siener, WLB). 8. R. G. 9. Gikatilla, 1516, S. [267v ]. 10. Alsted, 1630, S. 2273. 11. Kircher, 1653, Tafel nach S. 288. 12. Ebd., Tafel nach S. 286. 13. WLB Cod. or. 4° 7, S. [4v ]. 14. Ebd., S. [5r ]. 15. Ebd., S. [6r ]. 16. R. G. 17. Betz, 2013, S. 77. 18. del Castillo, 1641, Frontispiz. 19. Harms/Schilling, 1985, S. 33. 20. Bang, 1657, Frontispiz. 21. Aldrovandi, 1646, S. 812. 22. Reinitzer, 2006, S. 159, Abb. 104. 23. Ebd., S. 90, Abb. 53. 24. Ebd., S. 169, Abb. 114.

512

Technische Hinweise

25. Schauerte, 2001, S. 355, Abb. 18. 26. Ebd., Abb. 1 (Beilage). 27. Ebd., S. 380, Abb. A 4. 28. Harms/Schilling, 1989, S. 323. 29. Ebd., S. 419. 30. Ebd., S. 341 31. Biblia, 1664, Frontispiz. 32. Biblia, 1701, Frontispiz. 33. Fürer, 1621, Tafel zu S. 37. 34. Ebd., Tafel zu S. 50. 35. Alsted, 1630, Tafel zu S. 2198. 36. Busink, 1970, S. 45. 37. Harms/Schilling, 1989, S. 108f. 38. Dürer, 2002, S. 75. 39. Knipping, 1974, Bd. 2, S. 31, Nr. 242 S1. 40. Praetorius, 1620, Frontispiz. 41. Knipping, 1974, Bd. 1, S. 28, Nr. 239 S1. 42. Steiger, 2013a, Abb. 10, S. 162.4 43. Ebd., Abb. 11, S. 164.5 44. Rotenburger, 1630, zu 2 Petr 1. 45. Marsch, 1980, Abb. 57. 46. Bible, 1599, Frontispiz. 47. Prado/Villalpando, 1596, Bd. 2, S. 467. 48. Walton, 1657, Bd. 6, Chronologia Sacra, nach S. 52. 49. Harms/Schilling, 1989, S. 111. 50. Harnischfeger, 1986, S. 60. 51. Gikatilla, 1516, S. [268v –269r ]; Betz, 2000, S. 44.6 52. Knipping, 1974, Bd. 1, Nr. 070 S1, S. 98 (Joseph u. Levi). 53. Betz, 2013, S. 45 (Ephraim und Manasse). 54. Ebd., S. 63 (Jona). 55. Ebermaier, 1653, Frontispiz. 56. Cramer, 1624b, S. 108. 57. Dilherr, 1654, Frontispiz. 58. Cebes, 1551. 59. Andreae, 1845, a. E. 60. Aldrovandi, 1637, S. 541.

Der folgende Index bietet die Namen historischer und biblischer Personen und Orte. Nicht verzeichnet werden Herausgeber, Verleger und Verlagsorte, die bloß anmerkungsweise erwähnt werden; nicht unterschieden wurde zwischen Buxtorf Vater (gest. 1629) und dem oft eng kooperierenden Sohn (gest. 1664). 4

5

6

Es handelt sich um eine Wiedergabe der Almosentafel in St. Marien Danzig (Anton Möller d. Ä., 1607). Es handelt sich um eine Wiedergabe der Tafel »Der Grund vnd Eigenschafften des rechtschaffenen Gebets« in: Saubert, 1638, nach der Vorrede. Die Korrekturen und Ergänzungen in serifenloser Schrift sind von mir. Siehe jetzt auch Betz, 2013, S. 44.

Index Aaron, 33, 147, 151–153, 189, 218, 244, 245, 269, 287, 288, 300, 302, 359, 360 Abiëser, 193 Abimelech, 193–195, 206 Abraham, 76, 132, 243, 247, 268, 277, 278, 285, 290, 324, 334, 345 Abraham a Santa Clara, 208 Abraham Ibn Daud (ben Dior; Rabbi), 334, 339 Absalom, 303 Achikar, 375 Adam, 4, 115, 132, 147, 148, 167, 249, 269, 322, 384, 388 Adama, 221, 222 Adrichem, Christian Kruik van (Adrichomius), 279, 302, 303 Aegidius von Viterbo, 161 Aemilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt, 59, 67, 88, 105, 106, 312, 419 Äsop, 377 Agrippa von Nettesheim, Heinrich Cornelius, 16, 18, 52, 98, 108–111, 113, 115–117, 122, 123, 163, 208, 209, 275, 322– 329, 333, 334, 336–342, 344–349, 352, 353, 357, 360 Akiba ben Joseph (Rabbi), 334 Albrecht-Birkner, Veronika, 59, 97 Alciato, Andrea, 225 Aldrovandi, Ulisse, 134–138, 225, 226, 234, 277, 296, 390 Alsted, Johann-Heinrich, 5, 16, 18, 24, 26, 52, 111, 113, 114, 116, 117, 141, 142, 150, 152, 275, 276, 279, 280, 303 Althaus, Paul, 87, 88 Ambrosius von Mailand, 194 Amelia Elisabeth von Hessen-Kassel, 59 Amos, 288, 303 Amsterdam, 57, 112, 128, 224, 383 Andler, Johann Daniel, 3 Andreae, Gottlieb, 14, 310, 315 Andreae, Jakob, 315 Andreae, Johann Valentin, 1, 5, 42, 53, 58, 59, 64, 80, 83, 117, 123, 134, 150, 154, 173, 176, 207, 254, 281, 300, 307, 310–316, 319, 320, 374, 397, 405, 407–409, 419, 507 Andreas, 288, 303 Angelus Silesius (Johann Scheffler), 102 Anna Johanna, Herzogin von Württemberg, 35, 88, 120, 172, 173, 311 Antiochos I. Soter, 249 Antonia, Herzogin von Württemberg, 1–14, 17, 21, 23, 26, 28–30, 32, 33, 35–51,

53–55, 59–61, 63–69, 73–76, 78– 80, 82–104, 106–108, 110, 112, 117, 118, 120–124, 128, 144, 145, 148– 150, 152, 155–158, 160–162, 164, 168, 169, 172, 173, 176, 178, 183– 185, 189–191, 212, 214, 215, 218, 220, 226, 227, 229, 236, 240, 250, 251, 254, 255, 261, 264–266, 274, 276, 280, 307, 310–315, 317, 318, 320, 352, 355, 362–367, 371, 375, 378, 379, 382, 385, 386, 390, 393– 398, 402, 405, 407, 410, 413, 417– 419 Antonius, Marcus, 251 Antwerpen, 235 Ariès, Philippe, 59, 313 Aristeas, 216 Aristoteles, 51, 52, 240, 256, 257, 338, 379 Arndt, Johann, 51, 58, 59, 91, 102, 108, 177, 314 Ascher, 33, 216–219, 271, 287, 291, 358, 414 August II., Herzog zu Braunschweig-Lüneburg, 52, 312 Augustinus von Hippo, 380 Ausonius, Decimus Magnus, 259 Auwinghus, Baronessa, 390 Bach, Joseph, 255, 393 Bacher, Wilhelm, 25 Bachiene, Wilhelm Albert, 301 Bachmann, Konrad, 374 Bacon, Francis, 298 Bad Teinach, siehe Teinach Bader, Günther, 90, 100, 103, 107, 118 Baier, Johann Wilhelm, 134 Bandmann, Günter, 152 Bang, Thomas, 83, 128–132, 184, 335 Barth, Hans-Martin, 142 Bartholomäus, 288, 303 Basel, 319 Battafarano, Michele, 20 Bauer, Hermann, 43 Baumann, Lorenz M., 134 Baur, Jörg, 148 Bebenhausen, 312, 397, 400 Bechmann, Ulrike, 2 Beck, Julius, 342 Becker, Paul, 396 Bela, 221 Bellarmino, Roberto, 223 Belsazar, 286 Bengel, Johann Albrecht, 39, 391

514 Benjamin, 33, 197, 200, 203, 205, 210, 216–219, 245, 269, 271, 287, 289, 291, 300, 305, 359, 414 Benrath, Gustav Adolf, 134 Benz, Ernst, 18, 38, 39, 44, 118, 272, 279 Berbig, Georg C. B., 58 Bergengruen, Maximilian, 51 Bernhard von Clairvaux, 263 Bethanien, 246 Betz, Otto und Isolde, 1–3, 10, 15, 18, 20, 25, 29, 35, 38, 40, 42–46, 83, 84, 91, 98, 110, 112, 114, 118, 120, 124, 127, 128, 134–137, 139, 141, 145, 148, 150, 152, 153, 158, 162, 164, 166, 168, 171, 173, 177, 187–192, 194, 195, 198, 200–202, 205, 206, 210, 211, 213, 224–226, 231–234, 237, 254, 255, 260, 272–274, 277–281, 293–296, 298, 302, 303, 334, 361, 402, 405, 410 Beuther, Michael, 370 Beverwijck, Jan van, 379 Beza, Theodor, 228 Bidembach, Georg Wilhelm, 30 Bilha, 224 Binder, Christian, 408 Birken, Sigmund von, 55, 143, 144, 158, 185, 385 Blaeu, Joan, 191, 279, 299 Blaubeuren, 318 Blaufuß, Dietrich, 395 Bochart, Samuel, 222, 229, 230, 236 Böhme, Jakob, 20, 21, 23, 27, 38, 39, 129, 292, 294, 297, 298, 407, 408 Boll, Franz, 208 Bongo, Pietro (Bungus), 256 Bopfingen, 128 Brach, Jean-Pierre, 26, 118, 348 Braun, Bettina, 1 Braun, Edmund W., 256 Brecht, Martin, 4, 177, 310–312, 316, 405 Breining, Friedrich, 59 Breithaupt, Johann Friedrich, 390 Brenz, Johann, 64, 66, 89, 91, 117, 142 Breuer, Dieter, 83 Breymayer, Reinhard, 1, 9–11, 13, 15, 18, 20, 30, 35, 38, 42, 44, 46, 59, 60, 64, 68, 79, 90, 135, 177, 295, 297, 300, 332, 507 Brinkmann, Hennig, 214 Broeck, Crispin van den, 298 Brotbeck, Johann Konrad, 62, 63, 87 Brucker, Jakob, 5 Brückner, Wolfgang, 46, 128, 145, 158, 167 Bruegel d. Ä., Pieter, 46 Bührer, Benigna Veronica, 14 Bührer, Matthäus, 12, 14

Index Buffon, Georges-Louis Leclerc de, 137 Burckhardt, Jacob, 150 Burnett, Stephan G., 230, 319 Busink, Theodor A., 150 Buxtorf, Johann, 5, 18, 19, 26, 114, 120, 160, 161, 171, 193, 228, 231–233, 235, 236, 263, 275, 276, 318, 319, 322– 329, 332, 334, 335, 339, 347, 357, 366, 387, 392, 413 Calepinus, Ambrosius, 193, 373 Calixt, Georg, 134 Calovius, Abraham, 148 Calvin, Jean, 142, 231 Camerarius, Joachim d. J., 137 Cannstatt bei Stuttgart, 250, 400 Carrer, siehe Todros ha-Kohen Carreto, Ludovico, 112, 262 Cartwright, Christopher, 218 Castell, Graf von, 38 Castellio, Sebastian, 228, 235 Chamai Gaon (Rabbi), 338, 353 Chemnitz, Martin, 119 Christian August von Sulzbach, 51 Christian I., Kurfürst von Sachsen, 79, 106 Chytraeus, David, 121, 173, 180, 183 Cicero, Marcus Tullius, 316, 380 Clemens von Alexandreia, 377 Clusius, Carolus, 136, 138 Coddaeus, Willem (Kodde), 197 Comenius, Johann Amos, 46, 128, 129, 134, 159, 215, 335, 391 Conermann, Klaus, 1 Cornelius, Paul, 128, 129 Cossmann, Alfred, 10 Costard, Monika, 59, 88, 106 Coudert, Allison P., 6, 118 Cramer, Daniel, 100, 174, 184 Cranach, Lukas d. Ä., 145, 146 Cratander, Andreas, 234 Cyprian von Karthago, 260 Czapla, Ralf Georg, 369 Dülmen, Richard van, 57 Dalman, Gustaf, 324–327, 343 Dan, 33, 187, 211, 216–219, 271, 287, 288, 291, 300, 302, 358 Dan, Joseph, 5, 25, 27, 28, 113, 114, 118, 160, 334 Daniel, 241, 243, 267, 268, 270, 287, 290, 391 Danzig, 181 David, 147, 160, 195, 197, 233, 240, 245, 246, 248, 251, 270, 279, 280, 289, 302, 303, 327, 330, 345, 346, 402 Daxelmüller, Christoph, 118 Debora, 226 Decker-Hauff, Hansmartin, 2, 45

Index Dehio, Georg, 1, 184, 225 Delacrut, Mathatias ben Salomon (de la Kart), 210, 411 Delitzsch, Franz, 34, 197, 229, 232, 280, 281 Dell’Asta, Matthias, 16 Delrio, Martin, 222 Demokrit, 377 Derendingen, 409 Dertinger, Christina Dorothea, 14 Dertinger, Georg Adam, 14 Deutschmann, Johann, 258 Dietz, Armin, 1 Dilherr, Michael, 175, 184 Dinkler-von Schubert, Erika, 142 Dominicus, Hl., 64 Dornseiff, Franz, 83 Drexel, Jeremias, 208 Dülmen, Richard van, 57 Dürer, Albrecht, 46, 148–151, 156, 184 Dyck, Anthonis van, 46 Eberhard III., Herzog von Württemberg, 1, 123, 240, 254, 255, 366, 397 Ebermaier, Johann, 46, 67, 84, 90, 144, 147, 148, 151, 158, 160, 165, 173, 177, 280, 313, 319 Edighoffer, Roland, 51 Ehmann, Karl Chr. Eberh., 20, 23, 38 Eisenstein, Judah David, 209, 210 Elchanon, siehe Paulus von Prag Eleasar, 288, 302 Elia, 241, 255, 266, 267, 269, 284, 286, 383 Elias Levita, 161, 216 Elichmann, Johann, 256 Elieser ben Hyrkanos (Rabbi), 334 Elischa, 383 Elkana, 197 Ennen, Leonhard, 88 Ennius, Quintus, 300 Enslin, Johann Dietrich, 67, 73–75, 87 Ephraim, 33–37, 187, 188, 190, 192–208, 210, 211, 215–219, 271, 288, 291, 300, 302 Erffa, Hans Martin von, 149 Ernst, Ulrich, 66 Erren, Manfred, 193 Esau, 286, 297, 345 Esenwein, Matthäus, 3, 319 Esslingen, 400 Eusterschulte, Anne, 46, 51–53, 150, 151, 158, 173, 295 Eva, 147, 148, 167 Ezechiel, 131, 153, 252, 267, 270, 274, 290, 405 Fabricius, Johann Jakob, 59 Fabricius, Werner, 396 Faivre, Antoine, 118

515 Felgentreu, Fritz, 13, 29, 30, 123, 192, 508 Ferdinand III., Kaiser, 149 Fischer von Erlach, Johann Bernhard, 151 Fischlin, Johann Heinrich, 379 Fischlin, Ludwig Melchior, 254, 373, 391, 405 Fischlin, Philipp Balthasar, 379 Fleck, Miriam Verena, 145–148, 151, 165 Fleischhauer, Werner, 45, 124, 225, 255 Fludd, Robert, 42, 109, 114, 116 Förster, Johann, 392 Forbesius, Johannes, 391 Forbiger, Albert, 299 Franckenberg, Abraham von, 117, 407, 408 Friedrich Carl, Herzog von Württemberg-Winnenthal, 312 Frischlin, Nikodemus, 230 Fritsch, Ahasver, 59, 312 Fritz, Eberhard, 1, 59 Fritz, Friedrich, 311 Fuchs, Leonhard, 230 Fürer, Christoph, 278, 313 Fürst, Julius, 26 Gabriel (Erzengel), 353 Gad, 33, 167, 193, 200, 204, 216–219, 223, 224, 227, 228, 231–234, 271, 287, 291, 300, 305, 358 Gaisberg, Ulrich Albrecht von, 372 Gehlen, Sigismund, 199 Geissmar, Christoph, 128–132, 174 Gellius, Aulus, 388 Genaust, Helmut, 235 Gennep, Arnold van, 48 Georg II. von Württemberg-Mömpelgard, 106 Georgii-Georgenau, Eberhard E. von, 63 Gerhard, Johann, 2, 59, 62, 63, 88, 102, 120, 133, 134, 165, 173, 179–181, 221–223, 228, 231, 259, 313 Gerhards, Albert, 106 Gesenius, Wilhelm, 229, 231, 280, 322, 329, 339, 387 Gibea, 198 Gideon, 193, 194, 206, 243, 268 Gikatilla, Joseph ben Abraham, 16–18, 24–26, 40, 44, 109, 110, 113–117, 153, 159, 160, 162, 171, 176, 184, 188, 209– 211, 217, 237, 275, 276, 322, 323, 326, 333, 334, 336, 337, 339–347, 352, 411, 413–416 Ginzberg, Louis, 5 Glassius, Salomo, 5, 26, 106, 297, 388 Goetschel, Roland, 44, 98, 171 Gomorra, 220–222, 278 Gotthard, Axel, 1 Goudrion, Jean, 372 Graf, Friedrich Wilhelm, 142 Grafton, Anthony, 111

516 Graz (Steiermark), 64 Gregor der Große, 165 Greiffenberg, Catharina Regina von, 59 Greiner, Karl, 1 Grimmelshausen, Hans Jakob Chr. von, 5, 83 Grözinger, Karl-Erich, 25, 28, 112, 114, 160, 162, 164, 209, 210, 217, 334, 341, 413, 414 Gronovius, Jakob, 256 Gruber, Johann Friedrich, 212, 225–227, 234, 371 Gryphius, Andreas, 370 Gryphius, Paul, 370 Gundel, Wilhelm, 208 Haag, Norbert, 59 Habakuk, 288, 303 Habermann, Johann, 59, 100, 101, 106, 235 Hackspan, Theodor, 5, 16, 26, 411, 413 Haegglund, Bengt, 91 Hämmerle, Albert, 385 Häußermann, Friedrich, 10, 12, 20, 29, 36, 40, 44, 46, 50, 51, 53, 83, 123, 190, 299, 302, 332, 349, 357, 362, 379, 396, 405, 508 Hafenreffer, Barbara Sophia, 378 Hafenreffer, Matthias, 88, 91, 111, 119, 120, 131, 133, 142, 153, 176, 257, 258, 372, 380 Haggai, 288, 303 Hahn, Joachim, 320 Hahn, Karin, 214 Haimerl, Franz Xaver, 58 Hainhofer, Philipp, 311 Hainlin, Johann Jakob, 374, 375, 378, 384, 391, 392, 405, 409 Harnischfeger, Ernst, 33, 40, 44, 46, 48, 90, 175, 187–191, 195, 205, 211, 220, 226, 311, 406, 407 Harsdörffer, Georg Philipp, 83, 369 Haupt, Maike G., 173 Hecht, Koppel, 38 Heemskerck, Maarten van, 152 Heermann, Johann, 58, 372 Heimbach-Steins, Marianne, 2 Heinemann, Otto von, 254, 319, 405, 409 Heinsius, Daniel, 391 Heiß, Gernot, 65 Henoch, 241, 255, 266, 284 Heresbach, Konrad, 88, 103, 106 Herodes der Große, 251 Hesenthaler, Magnus, 8, 74, 212, 213, 386, 391 Hesiodos, 259 Heymair, Magdalena, 67 Hieronymus von Strido, 164, 221, 235, 380, 411 Hillessemius, Ludovicus, 298, 299 Hirsch, Barbara, 256

Index Hoburg, Christian, 58 Hoe von Hoenegg, Matthias, 154, 165 Hölscher, Lucian, 58 Hofmann, Johann Jakob, 136, 150, 164, 262, 264, 371, 378 Holbein, Hans d. J., 256 Holl, Oskar, 208 Holtz, Sabine, 59, 120, 255, 313 Homburg, Ernst Christoph, 396 Honecker, Martin, 180 Hopffer, Thomas, 375 Hoppmann, Jürgen G. H., 208 Hosea, 288, 303, 384, 392 Hottinger, Johann Heinrich, 5, 26, 214, 228 Hoyer, Anna Ovena, 67 Hübner, Wolfgang, 208, 209 Hütter, Leonhard, 77, 179, 180, 392 Hunnius, Ägidius d. Ä., 2 Idel, Moshe, 25, 114, 115, 161, 334 Ignatius von Loyola, 107 Imhoff, Paul, 107 Isaak, 243, 247, 285, 325, 345 Isaak der Blinde (Rabbi), 341 Isaschar, 33, 34, 167, 187, 216–219, 271, 287, 291, 300, 359, 414 Itamar, 288, 302 Jacobs, Joseph, 218 Jacobs, Louis, 341 Jacobs, Martin, 262 Jäger von Gärtringen, Melchior, 104, 106 Jahn, Samuel Gottlieb, 318, 409 Jakob, 167, 187, 188, 192, 202, 207, 216–220, 223–225, 231, 243, 247, 269, 270, 286, 289, 297, 300, 326, 345, 357– 360 Jakobpauitsch, Sybilla, 64 Jakobus d. Ä., 288, 303 Jakobus d. J., 288, 303 Jaumann, Herbert, 116, 229 Javary, Genevieve, 161 Jeremia, 270, 290 Jeremias, Alfred, 208 Jeremias, Jörg, 197, 204 Jericho, 246 Jerobeam, 203 Jerusalem, 139, 146, 149, 150, 152, 154, 164, 166, 197, 210, 244, 246, 251, 268, 270, 278, 279, 302, 370, 408 Jesaja, 147, 241, 270, 290, 301, 303, 366, 392 Jesus von Nazareth (Christus), 1–3, 5, 17, 18, 33, 38, 41, 48, 59, 66, 76, 82, 84, 86, 90, 91, 99, 101, 102, 112, 120, 140, 143, 144, 149, 158–161, 163–167, 176, 177, 182, 183, 185, 227, 230,

Index 239, 240, 244, 246–249, 253, 266– 271, 276, 279, 281, 282, 284, 286, 288–290, 297, 298, 302, 304, 305, 308, 312, 314, 364, 366, 384, 387– 389, 392, 396, 398, 401, 403, 404 Joas(ch), 193 Jode, Gerard de, 224 Joel, 288, 303 Johann Friedrich, Herzog von Württemberg, 167 Johannes auf Patmos, 134, 166, 287 Johannes der Evangelist, 161, 162, 241, 247, 270, 290 Johannes der Lieblingsjünger, 288, 303 Johannes der Täufer, 140, 147, 244, 279, 287 Jona, 157, 234–237, 267, 286, 288, 295, 303 Jonston, Jan, 136, 225, 226, 234, 277, 296, 390 Joschafat, 288, 303 Joseph, 33, 34, 36, 37, 187–192, 195–198, 200– 206, 215–220, 269, 271, 287, 289, 358 Joseph ben Abraham Gikatilla, siehe Gikatilla Joseph ha-Kohen, 262 Josephus, Flavius, 199, 200, 207, 215, 216, 251, 264 Josua, 140, 147, 191, 197–199, 245, 269, 288, 299, 302 Jotam, 194 Juda, 33, 187, 196, 197, 200, 203, 204, 206, 211, 216–219, 245, 268, 271, 277, 279, 287, 288, 291, 301, 302, 358, 389 Judas Ischariot, 31, 32, 37, 156, 167, 220, 270, 281, 289, 304 Judas Thaddäus, 167, 288, 303 Judit, 226 Julius III., Papst, 262 Karl Ferdinand von Württemberg-Oels, 83 Karl V., Kaiser, 149, 372 Katharina, Hl., 64 Kaufmann, Thomas, 4, 121 Kaute, Lore, 214 Kayserling, Meyer, 9, 318 Kebes, 256 Keel, Othmar, 191, 233, 279 Kegel, Philipp, 87, 88 Kepler, Johannes, 391 Kern, Margit, 170, 173, 256 Khunrath, Heinrich, 46 Kiermeyer-Debre, Joseph, 66, 398 Kies, Friedrich, 373 Kilcher, Andreas B., 26, 28, 83, 118, 263, 341, 344 Kimchi, David, 197 Kircher, Athanasius, 6, 7, 16, 18, 24, 112, 129, 209, 210, 275, 276, 314, 334, 335, 342, 352, 397, 411, 413 Kirsch, Adam Friedrich, 392

517 Klemm, Jakob Friedrich, 2, 9, 11, 18, 19, 21, 31, 33, 39, 46, 84, 165, 187, 191, 192, 196, 205, 206, 211, 222, 272, 293, 295, 300–302 Kleobulos von Lindos, 259 Kloß, Georg, 312 Knoderer, Andreas, 9, 18, 31, 272, 293 Knorr von Rosenroth, Christian, 5, 20, 26, 38, 39, 131, 162, 294, 295, 297, 419 Koch, Ernst, 2 Koch, Michael, 165 Koch, Traugott, 100, 103, 106 Koch, Wilhelm, 229, 317–320, 365, 410 Köhler, Ludwig, 171, 207, 228, 231, 280, 319, 327, 329, 361 Körtner, Ulrich H. J., 86, 142 Kolb, Christoph, 35, 120, 255, 320, 380, 409 Koldau, Linda Maria, 1 Kortmann, Mike, 150 Koseleff, Olga, 208 Kramer, Joachim, 134 Kromayer, Hieronymus d. J., 391 Küchler, Max, 279, 303 Kühlmann, Wilhelm, 5, 51, 58, 257, 311, 370 Kümmerle, Julian, 30, 53, 97, 311 Kummer, Ulrike, 10, 20 Kurzke, Hermann, 261 Lacan, Jacques, 50 Lambrecht, Joos, 224 Lamy, Bernard, 302, 303 Lansius, Thomas, 391 Lapide, siehe Steen, Cornelius van den Latermann, Johann, 134 Laufhütte, Hartmut, 55, 385 Lauterbach, Jacob Zallel, 209, 335 Lauterbach, Johann, 265, 374 Laux, Johann Friedrich, 372 Lazarus, 246, 270, 289 Lea, 34, 218, 228 Lebrun, François, 59 Lemnius, Levinus, 201 Leonhard, Hl., 64 León-Jones, Karen Silvia de, 118 Leube, Martin, 254, 319, 320 Levi, 33, 34, 36, 37, 187–192, 194, 195, 197, 198, 200, 202, 204–206, 208, 211, 215–220, 271, 287, 325, 359 Levi-Strauss, Claude, 48 Leyser, Polykarp d. Ä., 379 Leyser, Wilhelm, 379 Lieske, Reinhard, 2, 10, 32, 45, 137, 148 Lindgren, Uta, 299 Linné, Carl von, 136 Lipsius, Justus (Joost Lips), 233 Lohse, Bernhard, 142 Lohse, Hartwig, 88

518 Lubienietzki, Stanislaus, 134 Lüneburg, 158 Lukas, 247, 249, 270, 290 Luria, Isaak, 20, 39 Luther, Martin, 6, 58, 65, 68, 74, 76, 79, 91, 100, 106, 129, 141, 142, 146–148, 150, 154, 165, 179, 180, 188, 197, 200, 204, 214, 215, 221, 228, 234–236, 239, 258, 264, 274, 280, 281, 300, 303, 304, 316, 360, 374, 377, 389, 507 Mabillon, Jean, 260 Maestlin, Michael, 391 Magdalena, 267 Magirus, Tobias, 52 Maier, Johann, 25, 26, 210 Maldonado, Juan, 323, 324 Maleachi, 288, 303 Malebranche, Nicolas, 23 Manasse, 33–37, 94, 164, 187–197, 200, 202– 208, 210, 211, 215–219, 271, 291, 300, 414 Manasse, König in Juda, 194 Manilius, Marcus, 208 Maresius, Samuel, 134 Maria, 163, 165, 246, 267, 281, 303, 390 Maria Magdalena, 276 Maria, Marthas Schwester, 270, 289 Markus, 247, 270, 290 Marsch, Angelika, 46 Martha, 270, 289 Matthäus, 247, 249, 270, 288, 290, 303 Matthias, 167, 288, 303 Mau, Rudolf, 142 Maximilian I., Kaiser, 149, 411 Maximilianus Transylvanus (Maximiliaen van Sevenborgen), 137 Meier, Christel, 214 Meisner, Magdalena, 59, 76, 88, 419 Melanchthon, Philipp, 173 Melanchthons, Philipp, 120 Melchisedek, 164, 245, 277 Menge, Hermann, 228 Merian, Matthäus, 128, 129, 148, 150, 154, 256 Metatron, 50, 109, 111, 338, 339, 347, 348 Meurer, Johann Ulrich, 52, 314 Micha, 288, 303 Michael (Erzengel), 58, 112, 140, 147, 242, 266, 284, 350, 353 Michel, Diethelm, 149, 229, 280 Michels, Anette, 149 Micraelius, Johann, 5, 322 Miletto, Gianfranco, 152, 397 Mittelstrass, Jürgen, 55 Möbius, Friedrich, 167 Mögling, Daniel, 46

Index Möller, Anton d. Ä., 181 Möller, Lieselotte, 208 Mohammed, 150 Molitor, Franz Joseph, 118 Moller, Martin, 158, 165 Moltmann-Wendel, Elisabeth, 41–43, 47, 114, 127, 145, 162, 175 Montano, Benito Arias, 19, 228, 235 Morgenstern, Matthias, 4, 45, 54, 60, 62, 75, 87, 88, 90, 91, 110, 120, 123, 213, 274, 312, 313, 318, 410, 508 Morlok, Elke, 25, 115 Mose, 3, 4, 48, 50, 109, 132, 140, 143, 144, 147, 154, 177, 187, 191, 228, 231, 239, 241, 244, 245, 255, 266, 268, 269, 284, 287, 288, 298, 302, 345, 347, 359 Moses ben Nachman (Rabbi), 334 Moses Bonyak Botarel von Cisneros (Rabbi), 334–336 Mühlen, Karl-Heinz zur, 6 Müller, Heinrich, 59, 106, 174, 181 Müller, Johann, 261 Müller, Karl, 95, 109 Müller-Jahncke, Wolf-Dieter, 109 Münch, Paul, 59 Münkler, Herfried und Marina, 2, 141 Münkner, Jörn, 278 Münster am Neckar, 117, 212, 250, 379, 381, 393, 395, 398, 400, 409 Münster, Sebastian, 228, 235, 391 Mundt, Lothar, 32, 191, 207, 323 Myslivec, Josef, 167, 208 Nabat, 203 Nahum, 288, 303 Naphtali, 33, 200, 216–219, 245, 271, 287, 291, 300, 305, 359 Naredi-Rainer, Paul von, 150 Neukirchen, Thomas, 32 Newton, Isaac, 20, 21, 23, 27 Nieremberg, Johann Eusebius, 136 Nieremberg, Johannes Eusebius, 136 Niewöhner, Friedrich, 5, 118 Noa, 132, 243 Nodes, Daniel Jonathan, 161 Nördlingen, 408 Obadja, 288, 303 Odassi, Lodovico (Odasius), 256 Oetinger, Friedrich Christoph, 2, 3, 9–15, 17–24, 27–40, 42–44, 46, 47, 50, 83, 84, 90, 108, 109, 113, 121, 124, 129, 135, 140, 141, 150, 156, 159, 166, 168, 171, 187, 189–192, 212, 213, 219, 220, 222, 236, 237, 254–260, 266, 272–279, 281, 282, 284, 292–305,

Index 318, 321–330, 332, 335, 343, 371, 385, 397, 405–407 Oettinger, Johann, 2 Ohlemacher, Andreas, 120 Oleaster, Hieronymus (ab Oleastro), 232 Osiander, Andreas, 104, 117 Osiander, Lukas, 264 Otte, Wolf-Dieter, 310 Otto, Julius Konrad, 261 Ovidius Naso, Publius, 296 Pacius de Beriga, Julius, 257 Packeiser, Thomas, 46, 145 Palm, Hermann, 370 Pareus, David, 222, 231 Paul, Jürgen, 167, 208 Paulus, 39, 140, 145, 147, 245 Paulus von Prag (Elchanon), 6, 382, 383, 388 Pauly, August, 299 Perera, Benito, 221, 222, 231 Petersen, Johanna, 59 Petrus, 6, 117, 165, 244, 245, 286, 288, 296, 303 Petry, Yvonne, 118 Peuckert, Will E., 51 Pexenfelder, Michael, 137, 138 Pfeilsticker, Walther, 64, 104, 225, 372 Phaedrus, 230 Philipp, Gerhard, 281 Philippus, 288, 303 Philon von Alexandreia, 207 Physiologus, 258 Picinelli, Filippo, 134 Pico della Mirandola, Giovanni, 4, 5, 38, 112, 118 Pieper, Monica, 164 Piepmeier, Rainer, 18, 20, 21 Pietsch, Roland, 20 Pilarick, Stephanus, 258 Pindar, 134 Pistorius, Johann, 16, 26, 38 Plautus, Titus Maccius, 410 Ploucquet, Christoph Friedrich, 23 Portaleone, Abraham ben David, 394, 397 Praetorius, Michael, 148 Praetorius, Stephan, 59, 153 Pythagoras, 240, 256 Rachel, 34, 218 Rädle, Fidel, 88 Raff, Gerhard, 1, 8, 35, 36, 83, 227, 255, 311, 312, 393 Rahner, Hugo, 107 Raith, Balthasar, 4–8, 11, 17, 19, 22, 23, 30, 31, 37, 43, 45, 46, 49, 83, 110, 113, 121, 127, 134, 139, 140, 145, 149, 156, 158, 160, 164, 168, 170, 177, 196, 229, 239, 254–265, 274–276, 280,

519 292–294, 319, 336, 337, 362, 365, 387, 399, 406, 408, 409 Raphael (Erzengel), 350, 353 Raschi (Rabbi Schlomo ben Jizchak), 218, 300, 356, 384, 390 Rauscher, Julius, 58 Rehabeam, 203 Reich, Karin, 131 Reichle, Erika, 1 Reinitzer, Heimo, 145–148 Reiser, Marius, 222, 276, 418 Rendtorff, Trutz, 180 Reuchlin, Johann, 4–6, 13, 16–18, 25, 26, 38, 40, 44, 49, 52, 53, 90, 98, 108, 110– 112, 114–120, 122, 123, 141, 163– 165, 249, 262, 263, 275, 276, 318, 323, 333–339, 341, 344–349, 352– 355, 357, 361, 362, 389, 406, 407 Reusner, Nikolaus, 265, 374 Rist, Johann, 367, 371 Rist, Johann Peter, 371 Ritius, Paulus, 16, 17, 25, 26, 52, 98, 109, 115, 116, 159, 161, 210, 211, 217, 334, 335, 342, 343, 411, 413 Rittangel, Johann Stephan, 134, 171, 322, 334, 335, 340, 411 Rivet, André, 214, 218, 222, 231, 233 Röller, Niels, 314 Rößler, Hole, 138 Roling, Bernd, 16, 26, 161 Rom, 135, 150 Rompler, Jesaias, 59, 106, 312, 407 Rotenburger, Konrad, 150, 173, 280 Róth, Ernst, 61, 318 Ruben, 33, 187, 200, 211, 216–219, 223–225, 227, 232, 234, 271, 287, 288, 291, 300, 302, 358, 414 Rublack, Hans-Christoph, 419 Ruderman, David B., 262 Rüger, Hans-Peter, 40, 41, 44, 171, 209 Saadia Gaon (Rabbi), 334 Saba, Königin von, 252, 289 Sacharja, 202, 288, 303 Sadeler, Jan d. Ä., 154, 191, 198, 224, 225, 298, 299 Salmasius, Claudius, 391 Salomo, 60, 105, 150, 152, 163, 203, 223, 239, 243, 246, 268, 270, 288, 302, 327, 328, 361 Salzmann, Johann, 367 Samuel, 197, 243, 268, 285, 399 Samuel, Gabriella, 28 Sanctius, Gaspar (Sánchez), 169 Sand, Christoph Chr., 134 Sandt, Maximilian van der (Sandaeus), 334 Sanson, Nicolas, 299

520 Saubert, Johann, 58, 59, 82, 148, 150, 153, 181, 311 Sauer, Paul, 35, 227, 320 Scaliger, Joseph Justus, 391 Scapula, Johannes, 260 Schad, Petra, 59, 318 Schäufele, Wolf-Friedrich, 2, 51, 58, 172, 173, 177 Scharf, Johann Friedrich, 297 Scharfe, Martin, 36, 45, 46 Scharffenorth, Gerta, 1 Schauer, Eva Johanna, 1–3, 10, 20, 29, 38, 44– 51, 60, 61, 79, 83, 84, 91, 139, 170, 178, 185, 187, 188, 212, 225, 226, 254, 371, 386, 405, 508 Schauerte, Ulrich, 150 Schedel, Hartmann, 221, 299 Scheitler, Irmgard, 59, 88, 106, 407 Schickard, Wilhelm, 5, 208, 217, 218, 254, 261, 262, 318, 319, 357, 384, 390, 391 Schiller, Julius, 208 Schilo, 197 Schindler, Valentin, 228, 235, 323, 361 Schlachter, Franz Eugen, 228 Schlegelmilch, Ulrich, 32 Schlosser, Hanspeter, 298 Schmeisser, Martin, 134 Schmidlin, Johann Lorenz, 12–14, 22, 28–31, 35, 36, 44, 45, 51, 52, 54, 117, 120, 124, 145, 149, 160, 168, 190–207, 212, 213, 215, 217, 220, 223–230, 232, 233, 237, 255, 263, 293, 296, 299, 300, 303, 311, 320, 334, 360, 367, 369, 371–375, 377, 378, 380, 382, 386, 388, 389, 392, 394, 395, 399, 405–408, 418 Schmidlin, Johann Lorenz II., 14 Schmidlin, Johann Lorenz III., 14 Schmidlin, Johann Lorenz IV., 14 Schmidlin, Rosina Dorothea, geb. Dertinger, 14 Schmidt-Biggemann, Wilhelm, 4–7, 10, 16, 20, 26, 27, 32, 39, 42, 90, 98, 109, 111– 116, 118, 134, 148, 161, 187, 334, 335, 352 Schmuck, Hilmar, 357 Schnurrer, Christian Friedrich, 13, 14 Schoeps, Hans-Joachim, 6 Scholem, Gershom, 5, 20, 25–27, 40, 41, 114, 115, 118, 160, 171, 333–335, 345 Schopper, Hartmann, 231, 370 Schreyer, Jodokus, 400 Schubert, Anselm, 16, 90, 117, 118 Schubert, Kurt, 24, 25, 335 Schütz, Johann Jakob, 59 m Schütz Zell, Katharina, 59 Schüz, Martin, 2, 36, 46 Schukraft, Harald, 1

Index Schulamit, 14, 149, 150, 164, 165, 172, 226, 227, 247, 369 Schulitz, John, 20 Schulz, Frieder, 58 Schulze, Wilhelm August, 20 Schurman, Anna van, 59, 379 Schuster, Susanne, 2, 59, 67, 88, 105, 312 Schwarz, Reinhard, 180 Schwehlen, Narcissus, 64–66, 74 Scialdone, Maria Paola, 44, 50, 148 Scipio Africanus Numantinus, 299 Scriver, Christian, 58 Sdzuj, Reimund B., 88 Sebach, 193 Sebulon, 33, 34, 187, 200, 216–219, 245, 271, 287, 291, 305, 358, 414 Seckendorff, Veit Ludwig von, 58 Secret, François, 161 Seeberg, Reinhold, 180 Segor (Zoar), 221, 222 Siber, Adam, 378 Sibylla, Herzogin von Württemberg, 35, 172, 173, 311, 312 Sichem, 189, 190, 194, 195, 203, 207 Sigel, Christian, 67, 318, 373, 379 Simeon, 33, 167, 189, 192, 195, 200, 204–206, 216–219, 223, 224, 271, 287, 291, 300, 358, 414 Simeon ben Jochai, 39 Simon, der Kanaanäer, 202, 288, 303 Simson, 289 Sindelfingen, 12, 30, 212, 369, 375, 378 Sixtus Senensis, 203, 215, 217, 361, 388 Slenczka, Ruth, 46 Slovacius, Jeremias, 90, 127, 166, 167, 181, 182, 184, 201 Sodom, 220–222, 278 Sommer, Wolfgang, 58, 419 Spalatin, Georg, 215 Spener, Philipp Jakob, 38, 106, 124, 212, 213, 220, 223, 227, 319, 381, 392, 394– 396 Sperber, Julius, 103, 114, 116, 117 Spindler, Johann, 64 Stählin, Wilhelm, 57 Stange, Alfred, 150 Steen, Cornelius van den (a Lapide), 155, 214, 216–218, 377 Steiger, Johann Anselm, 58, 88, 158, 181, 185, 297, 371 Steiner, Rudolf, 40 Stemberger, Günther, 6 Stengel, Friedemann, 20, 39 Stephanos von Byzanz, 222 Stephanus, 303 Steudner, Johann, 1, 5–7, 26, 83, 90, 98, 101, 109, 112, 114, 118, 120, 123, 124,

521

Index 136, 160, 162, 163, 176, 193, 212, 213, 217, 220, 225, 227, 261, 277, 296, 335–338, 342, 344, 357, 374, 375, 378, 379, 381, 382, 385–387, 389, 396–398, 409, 411, 413 Stotz, Peter, 182, 301 Strabo, 222 Straßburg, 212, 372, 385, 386, 394, 396 Strauch, Solveig, 58 Strobl, Maria, 64 Strölin, Anna Barbara, geb. Schreyer, 374, 380, 400 Strölin, Anna, geb. Schiller, 399 Strölin, Johann, 399 Strölin, Johann Benedikt, 408, 409 Strölin, Johann Jakob, 1, 2, 4–9, 11–15, 17–19, 23, 24, 26, 28, 30, 35, 36, 43–47, 49, 52, 53, 75, 83, 84, 89–91, 98, 101– 103, 108–117, 119–125, 131, 132, 136, 140–144, 149, 150, 155, 159, 162–165, 168–174, 178, 179, 182, 183, 193, 202, 207–209, 212, 213, 215, 217, 218, 220, 222, 223, 225, 227–230, 250, 254, 255, 257, 260, 261, 272, 275–277, 279, 281, 292– 297, 300, 303, 312, 318–321, 331, 332, 334–339, 341, 347, 349, 352– 357, 360, 362, 365, 369–382, 385– 387, 389–399, 405–410, 413, 417 Stronks, Els, 59 Stuttgart, 8, 13, 23, 30, 35, 45, 51, 53, 61, 63, 97, 116, 128, 129, 202, 212, 225, 310, 320, 370–373, 375, 380, 382, 385, 397, 399, 400, 408 Sudermann, Daniel, 59, 164 Sukkoth, 193, 194 Sulz am Eck, 318 Sulz am Neckar, 318 Sulz bei Lahr, 318 Swedenborg, Emanuel von, 23 Swietlicki, Catherine, 118 Sybelisy, Wendelinus, 52 Sylburg, Friedrich, 257 Tasch, Stephanie Goda, 2 Teinach, 1, 4, 9, 11, 14, 31, 35, 41, 47, 49, 51, 124, 158, 254, 255, 265, 266, 311, 336, 410 Terentianus Maurus, 264 Tesauro, Emanuele, 207, 208, 224, 299, 300 Teuffel, Christa Gardner von, 279 Theodoret von Kyrrhos, 222 Theophilos von Alexandreia, 380 Thielmann, Michael, 138, 296 Thomas, 288, 303 Thomas von Aquino, 64, 208, 334 Thomas, Alois, 181

Thümmel, Hans Georg, 46 Thumm, Theodor, 167, 319 Tilly, Johann Tserclaes, 106 Tobit, 377 Tobler, Titus, 278 Tode, Sven, 58 Todros ha-Kohen (Ludovico Carreto), 6, 248, 261, 262 Tremellius, Immanuel, 228 Trient, 223 Tübingen, 74, 104, 158, 212, 254, 318, 319, 370, 373, 380, 400, 408, 409 Ulm, 408 Urban, Waclaw, 134 Uriel (Erzengel), 351, 353 Ussher, James, 391 Valeriano, Giovanni Pierio, 99, 100, 134 Valesio, Francisco, 201 Veit, Patrice, 58 Vercruysse, Jos E., 107 Vergilius Maro, Publius, 193, 316, 380, 389 Villalpando, Johann Baptista, 151, 152, 279, 302, 303 Vincart, Jean (Antoine), 201 Visscher, Claes Janszoon, 224 Voelkel, Johann, 134 Vogler, Bernard, 58, 108, 419 Vossius, Gerardus Johannes, 391 Vossler, Christina, 75, 91 Wagenknecht, Christian, 380 Wagner, Georg, 67 Wagner, Tobias, 391 Wallmann, Johannes, 51, 57–59, 395–397 Walther, Michael, 392 Walther, Wilhelm, 215 Walton, Brian, 217, 303 Warburg, Aby, 48 Wart, 318 Wassenberg, Eberhard, 106 Wehrhan-Stauch, Liselotte, 296 Weiditz, Hans, 16 Weismann, Christoph, 64, 380 Wenz, Gunther, 145, 180 Westenrieder, Lorenz von, 281 Westerkamp, Dirk, 333 Weyer-Menkhoff, Martin, 10, 20, 372 Widmann, Martin, 369 Widmannstetter, Johann Albrecht, 41, 114, 115, 162 Wiedenroth, Ulrich, 120 Wien, 151 Wildberg an der Nagold, 318 Wilkinson, Robert J., 162 Wilsdorf, Helmut, 214

522 Wilson, Curtis, 21 Winge, Vibeke, 259 Wodianka, Stephanie, 58, 313 Wölfflin, Christoph, 8 Wolf, Johann Christoph, 26 Wolf, Werner, 281, 418 Wolff, Christian, 23 Wolff, Jens, 281 Wollgast, Siegfried, 117 Woolston, Inga, 4, 13, 30, 213, 320, 370, 372, 378, 408, 409 Woschitz, Karl Matthäus, 377

Index Zäh, Helmut, 385 Zalmunna, 193 Zavelstein, 158 Zeboim, 221, 222 Zeidler, Maria Theresia, 161 Zeller, Christoph, 394, 397 Zenobius Sophista, 230 Zephanja, 288, 303 Zika, Charles, 118 Zimmerli, Walther, 195