Die internationale Verkehrsordnung: Grenzüberschreitender Verkehr zu Lande, auf Binnenwasserstraßen und in der Luft [1 ed.] 9783428548316, 9783428148318

Die Parallelität der Souveränitätsfixierung der Nationalstaaten einerseits und der Internationalisierung von Wirtschaft

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Die internationale Verkehrsordnung: Grenzüberschreitender Verkehr zu Lande, auf Binnenwasserstraßen und in der Luft [1 ed.]
 9783428548316, 9783428148318

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Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel

Band 190

Die internationale Verkehrsordnung Grenzüberschreitender Verkehr zu Lande, auf Binnenwasserstraßen und in der Luft Von

Jost Delbrück

Duncker & Humblot · Berlin

JOST DELBRÜCK

Die internationale Verkehrsordnung

Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel In der Nachfolge von Jost Delbrück herausgegeben von Andreas von Arnauld, Nele Matz-Lück und K e r s t i n O d e n d a h l Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht

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Völkerrechtlicher Beirat des Instituts: Christine Chinkin London School of Economics James Crawford International Court of Justice, The Hague Lori F. Damrosch Columbia University, New York Vera Gowlland-Debbas Graduate Institute of International Studies, Geneva Rainer Hofmann Johann Wolfgang GoetheUniversität, Frankfurt a.M. Fred L. Morrison University of Minnesota, Minneapolis

Eibe H. Riedel Geneva Academy of International Humanitarian Law and Human Rights Law Allan Rosas Court of Justice of the European Union, Luxemburg Bruno Simma Iran International States Claims Tribunal, The Hague Daniel Thürer Universität Zürich Christian Tomuschat Humboldt-Universität, Berlin Rüdiger Wolfrum Max-Planck-Stiftung für Internationalen Frieden und Rechtsstaatlichkeit, Heidelberg

Die internationale Verkehrsordnung Grenzüberschreitender Verkehr zu Lande, auf Binnenwasserstraßen und in der Luft Von

Jost Delbrück

Duncker & Humblot  ·  Berlin

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2015 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany

ISSN 1435-0491 ISBN 978-3-428-14831-8 (Print) ISBN 978-3-428-54831-6 (E-Book) ISBN 978-3-428-84831-7 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort und Danksagung Das Manuskript zu der hier vorliegenden Arbeit wurde zunächst als Teil einer größeren Publikation konzipiert, die nicht zustande gekommen ist. Die Anregung von Frau Professorin Dr. Kerstin Odendahl, das Manuskript als Monographie zu publizieren, habe ich gerne aufgegriffen, allerdings wohl wissend, dass das Manuskript angesichts der geraumen Zeit seit seiner Erstellung einer gründlichen Überarbeitung bedurfte. Dass die Arbeit nun als Monographie vorliegt, erfüllt mich mit großer Dankbarkeit. Dieser Dank gilt in erster Linie der wissenschaftlichen Mitarbeiterin Katharina Seifert, LL.M. (University of Cape Town), sowie den studentischen Hilfskräften Felix Telschow, David Schenk und Charlotte Gaschke, die vorzügliche Arbeit geleistet haben. Frau Andrea Neisius hat im Anschluss an die inhaltliche Aktualisierung das gesamte Manuskript formatiert. Auch ihr sei mein Dank ausgesprochen. Ganz besonderer Dank gilt Frau Professorin Dr. Kerstin Odendahl und dem gesamten Team des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht. Kiel, im August 2015

Jost Delbrück (Prof. em. Dr. Dr. h.c., LL.M. LL.D. h.c.)

Inhaltsverzeichnis Einführung ............................................................................................................... I. Vorbemerkungen .......................................................................................... II. Einheitliche internationale Verkehrsordnung? .............................................. Kapitel 1 Der grenzüberschreitende Straßenverkehr

25 25 27

31

A. Der grenzüberschreitende Personenverkehr .................................................. I. Das Recht auf Reisefreiheit .......................................................................... 1. Grundpflicht der Staaten zur Teilnahme am internationalen Verkehr .... 2. Weltweite vertragliche Regelungen des grenzüberschreitenden Personenverkehrs .................................................................................... II. Stärkere Liberalisierung des grenzüberschreitenden Personenverkehrs durch regionale Verträge ...............................................................................

32 32 34

B. Der grenzüberschreitende Verkehr mit Kraftfahrzeugen ............................. I. Die Koordinierung und Festlegung eines staatenübergreifenden Verkehrswegenetzes ..................................................................................... 1. Die Anfänge der westeuropäischen Verkehrswegeplanung .................... 2. Die UNECE-Deklaration von 1950 und das UNECE-Übereinkommen von 1975 .................................................................................. II. Straßenverkehrswegeplanung in der EU .......................................................

52

C. Das Kraftfahrzeug-Straßenverkehrsrecht ...................................................... I. Das Straßenverkehrsrecht ............................................................................. 1. Die Entwicklung des Straßenverkehrsrechts ........................................... 2. Das Übereinkommen über den Straßenverkehr von 1968 ....................... 3. Das Zusatzübereinkommen von 1971 ..................................................... II. Die Straßenverkehrszeichen .......................................................................... 1. Das Übereinkommen über Straßenverkehrszeichen von 1968 ................ 2. Das Zusatzübereinkommen von 1971 und das Zusatzprotokoll von 1973 ................................................................................................. III. Das Fahrpersonal .......................................................................................... IV. Zusammenfassung ........................................................................................

63 63 64 65 70 71 71

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Inhaltsverzeichnis

D. Das Kraftfahrzeug-Haftpflichtrecht ................................................................ I. Die Entwicklung internationaler Regelungen zur KraftfahrzeugHaftpflicht ..................................................................................................... II. Die UNECE-Resolution Nr. 5 ....................................................................... 1. Das Grüne-Karte-System und die Errichtung des Council of Bureaux .............................................................................................. 2. Zur rechtlichen Qualifikation der im Rahmen des Council of Bureaux abgeschlossenen Übereinkommen .......................................

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E. Die grenzüberschreitende Personen- und Güterbeförderung ....................... I. Die historische Entwicklung des Rechts der grenzüberschreitenden Personen- und Güterbeförderung .................................................................. II. Die grenzüberschreitende Personenbeförderung ........................................... 1. Der Vertrag über die Standardisierung der Bedingungen für Verträge für die Beförderung von Passagieren und deren Gepäck von 1973 ........ 2. Das Übereinkommen über die Personenbeförderung im grenzüberschreitenden Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen von 1982 ........ 3. Die Resolution 95/2 der ECMT .............................................................. 4. Das Interbus-Übereinkommen von 2001 ................................................ a) Die allgemeinen Regelungen ............................................................ b) Das Diskriminierungsverbot und die Liberalisierung ....................... c) Das Kontrollsystem .......................................................................... 5. Die Liberalisierung der grenzüberschreitenden Personenbeförderung im Rahmen des NAFTA ......................................................................... 6. Zusammenfassende Bewertung .............................................................. III. Der grenzüberschreitende Gütertransport ..................................................... 1. Das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr von 1956 ...................................................... a) Hintergrund und allgemeine Bestimmungen .................................... b) Detailvorschriften ............................................................................. c) Sicherung der einheitlichen Geltung und Anwendung ..................... d) Schlussbestimmungen ...................................................................... 2. Der multimodale Transport ..................................................................... 3. Sicherheitsvorkehrungen im grenzüberschreitenden Gütertransport ...... a) Das Europäische Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße von 1957 .......................... b) Das Übereinkommen über internationale Beförderungen leicht verderblicher Lebensmittel von 1970 ............................................... c) Das Übereinkommen über den physischen Schutz von Kernmaterial von 1980 und das Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle von 1989 .............................................................................. d) Das Internationale Übereinkommen über sichere Container von 1972 ...........................................................................................

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Inhaltsverzeichnis

9

e) Das Europäische Übereinkommen über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport von 1968 und 2003 (revidiert) ........ 122 4. Harmonisierung der Grenzkontrollen ..................................................... 127 F. Das Steuer- und Zollrecht für den grenzüberschreitenden Kraftfahrzeugund Güterverkehr ............................................................................................. I. Die nationalen Interessen und der internationale Regelungsbedarf ............... 1. Der Regelungsbedarf für die Erhebung von Kraftfahrzeugsteuern ......... 2. Der Regelungsbedarf für die Erhebung von Zöllen ................................ II. Die völkervertraglichen Regelungen für die Erhebung von Kraftfahrzeugsteuern ................................................................................................... III. Die völkervertraglichen Regelungen für die Erhebung von Zöllen auf Kraftfahrzeuge .............................................................................................. 1. Das Abkommen über Zollerleichterungen im Touristenverkehr von 1954 ................................................................................................. 2. Das Zollabkommen über die vorübergehende Einfuhr privater Straßenfahrzeuge von 1954 .................................................................... 3. Das Zollabkommen über die vorübergehende Einfuhr gewerblicher Straßenfahrzeuge von 1956 .................................................................... IV. Erleichterungen der Verfahren für die Zollerhebung im grenzüberschreitenden Güterverkehr ............................................................................ 1. Das Zollübereinkommen über den internationalen Warentransport mit Carnets TIR von 1975 ...................................................................... 2. Die im Rahmen der WCO geschlossenen Zollübereinkommen .............. a) Das A.T.A.-Übereinkommen von 1961 und das IstanbulÜbereinkommen von 1990 ............................................................... b) Die Kyoto-Übereinkommen von 1973 und 1999 .............................. Kapitel 2 Der grenzüberschreitende Eisenbahnverkehr A. Die internationale Zusammenarbeit im Eisenbahnwesen und der Ausbau grenzüberschreitender Eisenbahnnetze .......................................................... I. Die Entwicklung des Eisenbahnrechts bis zum Zweiten Weltkrieg .............. 1. Die Entwicklung bis 1919 ...................................................................... 2. Die Entwicklung von 1919 bis 1939 ....................................................... II. Internationale Übereinkommen über Eisenbahnnetze ................................... III. Transeuropäische Netze im Rahmen der EG/EU ..........................................

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153 153 154 154 158 160 166

B. Die technische Zusammenarbeit ...................................................................... 168 I. Wechselseitige Wagenbenutzung .................................................................. 169 1. Das RIV-Übereinkommen für Güterwagen von 1921 ............................ 170

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Inhaltsverzeichnis 2. Der Allgemeine Vertrag für die Verwendung von Güterwagen von 2005 ................................................................................................. 3. Das RIC-Übereinkommen für Personen- und Gepäckwagen von 1923 .. II. Die Europäische Gesellschaft für die Finanzierung von Eisenbahnmaterial ......................................................................................................... III. Schlaf-und Speisewagenservice .................................................................... IV. Abstimmung von Fahrplänen ........................................................................ V. Grenzbahnhöfe und Internationale Eisenbahnlinien ..................................... 1. Grenzbahnhöfe ....................................................................................... 2. Internationale Strecken ...........................................................................

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C. Das Eisenbahngüter- und -personenbeförderungsrecht ................................ I. Die historische Entwicklung: CIM und CIV ................................................. 1. Bis zum Zweiten Weltkrieg .................................................................... 2. Bis zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands .............................. II. Das gegenwärtige Recht: Das COTIF ........................................................... 1. Die Reform von 1980 ............................................................................. 2. Struktur und Aufgaben von OTIF ........................................................... 3. Die Organe des OTIF ............................................................................. a) Die Generalversammlung ................................................................. b) Der Verwaltungsausschuss ............................................................... c) Die weiteren Ausschüsse .................................................................. d) Der Generalsekretär .......................................................................... 4. Die Finanzordnung ................................................................................. 5. Die Streitbeilegung ................................................................................. 6. Das Vertragsänderungsverfahren ............................................................ 7. Die Schlussbestimmungen ..................................................................... III. Die Anhänge A – C zum COTIF .................................................................. 1. Die Eisenbahnbeförderung von Gütern (Anhang B) ............................... 2. Die Eisenbahnbeförderung von Personen (Anhang A) ........................... 3. Die Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter (Anhang C) ....................

187 187 187 189 191 191 193 199 199 200 202 203 205 205 206 208 210 211 214 217

D. Das Wagen-, Infrastruktur- und technische Eisenbahnrecht ........................ I. Inkorporierung älteren Rechts in das COTIF ................................................ II. Die Verwendung von Wagen (Anhang D zum COTIF) ................................ 1. Der Anwendungsbereich ........................................................................ 2. Begriffsbestimmungen und Haftungsregelungen .................................... III. Die Nutzung der Infrastruktur (Anhang E zum COTIF) ............................... IV. Die technischen Normen (Anhang F zum COTIF) ....................................... 1. Der Anwendungsbereich ........................................................................ 2. Das Verhältnis zum älteren Recht ..........................................................

221 221 222 222 223 224 227 227 229

173 176

Inhaltsverzeichnis V. Die technische Zulassung des Eisenbahnmaterials (Anhang G zum COTIF) ......................................................................................................... 1. Der Anwendungsbereich ........................................................................ 2. Grundsätze und Ziele .............................................................................. 3. Die technische Zulassung und ihre Umsetzung ...................................... VI. Fazit .............................................................................................................. Kapitel 3 Der grenzüberschreitende Verkehr auf Binnenwasserstraßen A. Die Freiheit der Binnenschifffahrt ................................................................... I. Einführung .................................................................................................... II. Die völkerrechtlichen Grundlagen ................................................................ 1. Die historische Entwicklung ................................................................... 2. Die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs geltenden Verträge ............. a) Die Donau ........................................................................................ b) Der Rhein ......................................................................................... c) Die Elbe und die Oder ...................................................................... d) Afrikanische, süd- und nordamerikanische Flüsse ........................... III. Die Kernelemente ......................................................................................... IV. Der Konflikt zwischen den völkerrechtlichen Schifffahrtsregimen und den EU-Kompetenzen für den europäischen Verkehrsbinnenmarkt ............. 1. Die Elbe und die Oder ............................................................................ 2. Der Rhein und die Donau ....................................................................... 3. Die Sicht der UNECE .............................................................................

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B. Der Ausbau staatenübergreifender Wasserstraßennetze .............................. I. Flüsse und Kanäle als Teil der kontinentalen Verkehrsnetze ........................ II. Das Europäische Übereinkommen über die Hauptbinnenwasserstraßen von internationaler Bedeutung von 1996 ...................................................... III. Die Anhänge ................................................................................................. 1. Der Inhalt des Anhangs I ........................................................................ 2. Der Inhalt der Anhänge II und III ...........................................................

262 262

C. Das Binnenschifffahrtsverkehrsrecht .............................................................. I. Die Zulassung von Binnenschiffen sowie Verkehrsregeln und Verkehrszeichen .......................................................................................................... 1. Das Übereinkommen über die Eichung von Binnenschiffen von 1966 ................................................................................................. 2. Das Übereinkommen über die Registrierung von Binnenschiffen von 1965 .................................................................................................

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268 269 271

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Inhaltsverzeichnis 3. Der Europäische Kodex für die Binnenschifffahrt von 2007 und die Richtlinien für Verkehrszeichen und Signale für Binnenwasserstraßen von 2005 ..................................................................................... II. Das Binnenschifffahrtsgüter- und -personenbeförderungsrecht .................... 1. Das Budapester Übereinkommen über die Güterbeförderung von 2001 . 2. Das Übereinkommen über die Beförderung von Personen und Gepäck von 1976 sowie das Protokoll von 1978 ................................................. 3. Das Übereinkommen über den Transport gefährlicher Güter von 2000 . III. Das Haftungsrecht ........................................................................................ 1. Das Übereinkommen zu Kollisionen im Binnenschifffahrtsverkehr von 1960 ................................................................................................. 2. Das Übereinkommen über die Begrenzung der Haftung von Binnenschiffseigentümern von 1973 und das Protokoll von 1978 .......... 3. Das Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt von 1988 .................................................................... Kapitel 4 Der grenzüberschreitende Luftverkehr

273 274 274 277 277 281 281 283 284

285

A. Die Freiheiten des Luftverkehrs ...................................................................... I. Die Anfänge: Luftfreiheit v. Lufthoheit ........................................................ II. Das Chicago Abkommen von 1944 .............................................................. III. Bilaterale Luftverkehrsabkommen ................................................................

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B. Die Sicherheit des Luftverkehrs ....................................................................... I. Maßnahmen bei Verletzungen des staatlichen Luftraums ............................. II. Abkommen zum Schutz gegen Flugzeugentführungen und gegen Gewaltakte .................................................................................................... III. Der Lockerbie-Fall ........................................................................................ IV. Die Rolle der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ...............................

292 292 293 294 296

C. Das Lufthaftungsrecht ...................................................................................... 297 I. Die Haftung gegenüber Passagieren ............................................................. 297 II. Die Haftung gegenüber Dritten ..................................................................... 298 D. Europäisches Luftverkehrsrecht ..................................................................... 299 Literaturverzeichnis ................................................................................................ 301

Abkürzungsverzeichnis A

AA AAR ABB ABl. Abs. ADAC ADN

ADNÄndV ADN-D

ADNR

ADR

ADSp a.E. AEG AEMR

Assembly (Aktenzeichen für Dokumente der Generalversammlung der Vereinten Nationen sowie der Generalversammlung der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten) Auswärtiges Amt Association of American Railroads Allgemeine Beförderungsbedingungen Amtsblatt Absatz Allgemeiner Deutscher Automobilclub Accord européen relatif au transport international des marchandises dangereuses par voies de navigation intérieure (Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf Binnenwasserstraßen) ADN-Änderungsverordnung Accord européen relatif au transport international des marchandises dangereuses par voies de navigation intérieure: Règlement pour le transport de matières dangereuses sur le Danube (Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf Binnenwasserstraßen: Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter auf der Donau) Accord européen relatif au transport international des marchandises dangereuses par voies de navigation intérieure: Règlement pour le transport de matières dangereuses sur le Rhin (Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf Binnenwasserstraßen: Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter auf dem Rhein) Accord européen relatif au transport international des marchandises dangereuses par route (Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße) Allgemeine Deutsche Spediteurbedingungen am Ende Allgemeines Eisenbahngesetz Allgemeine Erklärung der Menschenrechte

14 AETR AEUV a.F. AG AGC AGG AGN AGR AGTC

AIST AKB AMRK Anh. Anm. APC APTU/ERAPTU

Art. AS ASOR

Abkürzungsverzeichnis Accord européen sur les transports routiers (Europäisches Übereinkommen über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals) Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Aktiengesellschaft Accord européen sur les grandes lignes internationales de chemins de fer (Europäisches Übereinkommen über die Hauptlinien des internationalen Eisenbahnverkehrs) Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz Accord européen sur les grandes voies navigables d’importance Internationale (Europäisches Übereinkommen über die Hauptbinnenwasserstraßen von internationaler Bedeutung) Accord européen sur les grandes routes de trafic international (Europäisches Übereinkommen über die Hauptstraßen des internationalen Verkehrs) Accord européen sur les grandes lignes de transport international combiné et les installations onnexes (Europäisches Übereinkommen über wichtige Linien des internationalen kombinierten Verkehrs und damit zusammenhängende Einrichtungen) Arbeitsgemeinschaft zur Förderung und Entwicklung des internationalen Straßenverkehrs Allgemeine Bedingungen für die Kfz-Versicherung Amerikanische Menschenrechtskonvention Anhang Anmerkung Accord sur les exigences minimales pour la délivrance et la validité des permis de conduire (Agreement on Minimum Requirements for the Issue and Validity of Driving Permits) Règles uniformes concernant la validation de normes techniques et l’adoption de prescriptions techniques uniformes applicables au matériel ferroviaire destiné à être utilisé en trafic international/Einheitliche Rechtsvorschriften für die Verbindlicherklärung technischer Normen und für die Annahme einheitlicher technischer Vorschriften für Eisenbahnmaterial, das zur Verwendung im internationalen Verkehr bestimmt ist (Anhang F zum COTIF von 1999) Artikel Amtliche Sammlung der Schweiz Accord relatif aux services occasionnels internationaux de voyageurs par route effectués par autocars (Übereinkommen über die Personenbeförderung im grenzüberschreitenden Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen)

Abkürzungsverzeichnis ATA A.T.A. ATMF/ERATMF

ATP

Aufl. AUR AuslUnf AVV AZTV BAnz Bd. Begr. ber. betr. BGBl. BGL bspw. BT-Drucksache bzw. C CA CCPNM CCPR CDP CEA CEMT CEN

15

Animal Transportation Association (Tiertransportvereinigung) Admission Temporaire/Temporary Admission (Vorübergehende Verwendung) Règles uniformes concernant l’admission technique de matériel ferroviaire utilisé en trafic international/Einheitliche Rechtsvorschriften für die technische Zulassung von Eisenbahnmaterial, das im internationalen Verkehr verwendet wird (Anhang G zum COTIF von 1999) Accord relatif aux transports internationaux de denrées périssables et aux engins spéciaux à utiliser pour ces transports (Übereinkommen über die Beförderungen leicht verderblicher Lebensmittel und über die besonderen Beförderungsmittel, die für diese Beförderungen zu verwenden sind) Auflage African Union of Railways Auslandsunfälle (Unfälle mit Auslandsbezug) Allgemeiner Verwendungsvertrag Abkommen über die Zollerleichterungen im Touristenverkehr Bundesanzeiger Band Begründer berichtigt betreffend Bundesgesetzblatt Bundesverband Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung beispielsweise Bundestags-Drucksache beziehungsweise Communications et informations (Aktenzeichen für die Abteilung „Mitteilungen und Bekanntmachungen“ des Amtsblattes der EU/EG) Chicago Abkommen (International Civil Aviation Convention/ Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt) Convention on the Physical Protection of Nuclear Material (Übereinkommen über den physischen Schutz von Kernmaterial) Covenant on Civil and Political Rights Carnet de Passage European Confederation of Agriculture Conférence européenne des ministres des transports (Europäische Konferenz der Transportminister) Comité européen de normalisation (Europäisches Komitee für Normung)

16 CENELEC CEVNI CIM CIM/ERCIM

CIT CITA CIV CIV/ERCIV

CIWL CLN

CLNI CMI CMNI

CMR CoB COM COTIF CSC

Abkürzungsverzeichnis Comité européen de normalisation électrotechnique (Europäisches Komitee für elektrotechnische Normung) Code européen des voies de navigation intérieure (Europäischer Kodex für die Binnenschifffahrt) Internationales Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr von 1890 Règles uniformes concernant le Contrat de transport international ferroviaire des marchandises/Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern (Anhang B zum COTIF von 1999) Comité international des transports par chemins de fer (Internationales Eisenbahntransportkomitee) Comité international de l’inspection technique automobile (Internationale Vereinigung für die technische Prüfung von Kraftfahrzeugen) Internationale Übereinkommen über den Eisenbahn-Personen- und -Gepäckverkehr von 1924 Règles uniformes concernant le Contrat de transport international ferroviaire des voyageurs/Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen (Anhang A zum COTIF von 1999) Compagnie internationale des wagons-lits/Compagnie internationale des wagons-lits et des grands express européens Convention relative à la limitation de la responsabilité des propriétaires de bateaux de navigation (Internationales Übereinkommen über die Begrenzung der Haftung von Eigentümern von Binnenschiffen) Convention sur la limitation de la responsabilité en navigation intérieure (Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt) Comité maritime international Convention de Budapest relative au contrat de transport de marchandises en navigation intérieure (Budapester Übereinkommen über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt) Convention relative au contrat de transport international de marchandises par route (Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr) Council of Bureaux Commission (englisches Aktenzeichen der Europäischen Kommission) Convention relative aux transports internationaux ferroviaires (Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr) International Convention for Safe Container (Internationales Übereinkommen über sichere Container)

Abkürzungsverzeichnis CSSR CUI/ERCUI

CUV/ERCUV

CVN

CVR

d. DB DBGK DDR DELAG ders. d.h. dies. DK Doc. DÖV DSG DVBl. Ebd./ebd. EBIN ECE ECMT ECOSOC ECOWAS ‚E‘-Eisenbahnnetz

17

Československá Socialistická Republika (Tschechoslowakische Sozialistische Republik) Règles uniformes concernant le contrat d’utilisation de l’infrastructure en trafic international ferroviaire/Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die Nutzung der Infrastruktur im internationalen Eisenbahnverkehr (Anhang E zum COTIF von 1999) Règles uniformes concernant les contrats d’utilisation de véhicules en trafic international ferroviaire/Einheitliche Rechtsvorschriften für Verträge über die Verwendung von Wagen im internationalen Eisenbahnverkehr (Anhang D zum COTIF von 1999) Convention relative au contrat de transport international de voyageurs et de bagages en navigation intérieure (Übereinkommen über den Vertrag über den Transport von Personen und Gepäck auf Binnenwasserstraßen Convention relative au contrat de transport international de voyageurs et de bagages par route (Übereinkommen über den Vertrag über den internationalen Transport von Passagieren und deren Gepäck auf der Straße) des/durch Deutsche Bahn Deutsches Büro Grüne Karte e.V. Deutsche Demokratische Republik Deutsche Luftschifffahrtsgesellschaft AG derselbe das heißt dieselbe(n) Donaukommission Document (Dokument) Die Öffentliche Verwaltung Deutsche Schlafwagen- und Speisewagengesellschaft Deutsches Verwaltungsblatt Ebenda/ebenda Europäisches Büro für die Binnenschifffahrt Economic Commission for Europe (Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen) European Conference of Ministers of Transport (Europäische Konferenz der Transportminister) Economic and Social Council (Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen) Economic Community of West African States (Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten) Europäisches-Eisenbahnnetz (Gesamteuropäische Eisenbahnlinien)

18 EFIN EFK EG EGBGB EGK EGKS EGKSV EGV Einf. Einl. EMRK ENA endg. EPIL ErbbauRG ERFA ESTAElectronic etc. ETR ETS ETSI ETV EU EuGH EuGHE EuRatPVerkÜbk EUROFIMA EUROP Europol EUV EuZW e.V. evtl. EVU

Abkürzungsverzeichnis European Framework for Inland Navigation (Neuer Institutioneller Rahmen für die Europäische Binnenschifffahrt) Europäische Reisezug-Fahrplankonferenz Europäische Gemeinschaft Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch Europäische Güterzug-Fahrplankonferenz Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Einführung Einleitung Europäische Menschenrechtskonvention (Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten) Europäisches Niederlassungsabkommen endgültig Encyclopedia of Public International Law Erbbaurechtsgesetz European Rail Freight Association System for Travel Authorization (Elektronisches System zur Reisegenehmigung) et cetera (und so weiter) Eisenbahntechnische Rundschau European Treaty Series European Telecommunications Standards Institute (Europäisches Institut für Telekommunikationsnormen) Einheitliche Technische Vorschriften Europäische Union Europäischer Gerichtshof (Gerichtshof der Europäischen Union) Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs Europäisches Übereinkommen über die Regelung des Personenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates Europäische Gesellschaft für die Finanzierung von Eisenbahnmaterial Europäische Güterwagengemeinschaft European Police Office (Europäisches Polizeiamt) Vertrag über die Europäische Union Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht eingetragener Verein eventuell Eisenbahnverkehrsunternehmen

Abkürzungsverzeichnis E-Wasserstraßennetz EWG EWGV EWP f./ff. FS FTE FVE GAOR GATS GATT GB GBl. GG ggf. GmbH GMBl. GYIL HGB Hrsg. HStR HUK-Verband

IAEA IATA IBC IBÜ ICAO ICC i.d.F.

19

Europäisches-Wasserstraßennetz (Gesamteuropäische Hauptwasserstraßen) Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Vertrag über die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Europäischer Wagenbeistellungsplan folgende Festschrift Forum Train Europe Federation of Veterinarians of Europe General Assembly Official Records (Offizielle Protokolle der Generalversammlung der Vereinten Nationen) General Agreement on Trade in Services (Allgemeines Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen) General Agreement on Tariffs and Trade (Allgemeines Zollund Handelsabkommen) Großbritannien Gesetzblatt Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gemeinsames Ministerialblatt German Yearbook of International Law Handelsgesetzbuch Herausgeber Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland Haftpflicht-, Unfall-, Kraftfahrtversicherer-Verband (Verband der Haftpflicht-, Unfall-, Kraftfahrt- und Rechtsschutzversicherer e.V., seit Januar 1995: Verband der Schadensversicherer e.V., seit Januar 1997: Gesamtverbund der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.) International Atomic Energy Agency (Internationale Atomenergiebehörde) International Air Transport Association (Internationale Luftverkehrsvereinigung) Intermediate Bulk Containers (Großpackmittel) Interbus-Übereinkommen (Übereinkommen über die Personenbeförderung im grenzüberschreitenden Gelegenheitsverkehr mit Omnibussen) International Civil Aviation Organization (Internationale Zivilluftfahrtorganisation) International Chamber of Commerce (Internationale Handelskammer) in der Fassung

20 IEKV/IRCA/AICCF IGH ILM ILO IMCO IMO insb. IPbpR IPG IR IRU i.S. i.S.d. ISG ITC IÜHWK i.V.m. Jap.Ann.Int’l L Kfz KOM KSZE L LA LIM lit. LNTS Losbl. LPartG MA Martens NRG

Abkürzungsverzeichnis Internationale Eisenbahn-Kongressvereinigung /International Railway Congress Association/Association Internationale du Congrès des Chemins de Fer Internationaler Gerichtshof International Legal Materials International Labour Organization (Internationale Arbeitsorganisation) Inter-Governmental Maritime Consultative Organization (Zwischenstaatliche beratende Seeschifffahrts-Organisation) International Maritime Organization (Internationale Seeschifffahrtsorganisation) insbesondere Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte Intergovernmental Preparatory Group (Zwischenstaatliche Vorbereitungsgruppe) Internal Regulations International Road Transport Union (Internationale Straßentransport-Union) im Sinne im Sinne des Internationale Speisewagengesellschaft Inland Transport Committee Internationales Übereinkommen zur Harmonisierung der Warenkontrollen an den Grenzen in Verbindung mit Japanese Annual of International Law Kraftfahrzeug Kommission (deutsches Aktenzeichen der Europäischen Kommission) Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Législation (Aktenzeichen für die Abteilung „Rechtsvorschriften“ des Amtsblattes der EU/EG) Londoner Abkommen (Uniform Agreement between Bureaux) Livret indicateur international des marchandises (Internationales Güterkursbuch) litera (Buchstabe) League of Nations Treaty Series Loseblattsammlung Lebenspartnerschaftsgesetz Mannheimer Akte (Revidierte Rheinschiffahrtsakte vom 17. Oktober 1968) Martens Nouveau Recueil Général de Traités

Abkürzungsverzeichnis m.a.W. MGA Mitropa MJGT MPEPIL MüKo HGB m.w.N. NAFTA NAIADES Ned NGO No. Nr. o.ä. OAS OCTI OECD OmniBUS OSShD OSZE OTIF para. PIM PKW ProduktHaftG P-Wagen RdC R.D.I.D.C. RGBl.

21

mit anderen Worten Multilateral Guarantee Agreement (Multilaterales Garantieabkommen zwischen den nationalen Versicherungsbüros) Mitteleuropäische Schlaf- und Speisewagen Aktiengesellschaft Minnesota Journal of Global Trade Max Planck Encyclopedia of Public International Law Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch mit weiteren Nachweisen North American Free Trade Agreement (Nordamerikanisches Freihandelsabkommen) Navigation and Inland Waterway Action and Development in Europe Nederland (Niederlande) Non-Governmental Organization (Nichtregierungsorganisation) Number (Nummer) Nummer oder ähnlich Organization of American States (Organisation Amerikanischer Staaten) Office central des transports internationaux par chemin de fer (Organisation für den Internationalen Eisenbahnverkehr) Organization for Economic Cooperation and Development für alle/durch alle/mit allen (Kurztitel des Multilateral Agreement on the International Regular Transport of Passengers by Coach and Bus) Organisazija Sotrudnitschestwa Shelesnych Dorog (Organisation für die Zusammenarbeit der Eisenbahnen) Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Organisation intergouvernementale pour les transports internationaux ferroviaires (Zwischenstaatliche Organisation für den internationalen Eisenbahnverkehr) paragraph (Paragraph/Absatz) Prescriptions internationaux pour marchandises (Vorschriften über den internationalen Güterverkehr) Personenkraftwagen Produkthaftungsgesetz Privatgüterwagen Recueil des Cours de l’Académie de droit international de La Haye Revue de droit international et de législation comparée Reichsgesetzblatt

22 RGW RIC RICo RID

RIEx RIP RIV RL Rn. RNE Rs. SARPS SBB-CFF-FFS SDÜ SEK SIGNI Slg. SMGS SMPS

sog. Stat. StGB StIGH t TCM

Abkürzungsverzeichnis Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe Regolamento Internazionale delle Carrozze Réglementation relative au transport international des conteneurs (Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung von Containern) Règlement concernant le transport international ferroviaire des marchandises dangereuses (Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter – Anhang C zum COTIF von 1999) Règlement concernant le transport international ferroviaire des colis express (Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung von Expressgut) Règlement concernant le transport international ferroviaire des wagons de particuliers (Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung von Privatwagen) Regolamento Internazionale Veicoli Richtlinie Randnummer(n) RailNetEurope (Association for Facilitating Traffic on European Rail Infrastructure) Rechtssache Standards and Recommended Practices Schweizerische Bundesbahnen – Chemins de Fer Fédéraux Suisses – Ferrovie Federali Svizzere Schengener Durchführungsübereinkommen (General-)Sekretariat der Europäischen Kommission (Aktenzeichen für Arbeitsdokumente der Dienststellen der Europäischen Kommission) Signalisation des voies de navigation intérieure (Zeichen und Signale an Binnenwasserstraßen) Sammlung Soglashenije o Meshdunarodnom Grusowom Soobstschenii (Übereinkommen über die Eisenbahn-Güterbeförderung im direkten internationalen Verkehr) Soglashenije o Meshdunarodnom Passagierskom Soobstschennii (Übereinkommen über die Beförderung von Personen und Reisegepäck im direkten internationalen Eisenbahnverkehr) sogenannt (e/r/s/n) United States Statutes at Large (Sammlung und Kodifikation des Bundesrechts der Vereinigten Staaten von Amerika) Strafgesetzbuch Ständiger Internationaler Gerichtshof Tonnen Transport combiné des marchandises

Abkürzungsverzeichnis TE TEIV TEM TER TIR TransportR TRG TSI u.a. u.ä. U.D.P. ÜEB UECBV UIC UIP UN/U.N. UNCTAD UNECE UNHCR UNIDROIT UNIFE Unif.L.Rev. UNTS ÜRB US/USA ÜStrV ÜStrVZ usw. v.

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Technische Einheit im Eisenbahnwesen Transeuropäische-Eisenbahn-Interoperabilitätsverordnung Trans-European Motorways Trans-European Railway Transports internationaux routiers (internationaler Straßengütertransport) Transportrecht Transportrechtsreformgesetz Technische Spezifikation für die Interoperabilität unter anderem/und andere und ähnliches L’unification du droit privé (offizielle Dokumentenbezeichnung des Internationalen Instituts für die Vereinheitlichung des Privatrechts) Übereinkommen über die Eichung von Binnenschiffen Union Européenne du commerce du bétail et de la viande (Europäische Vereinigung des Vieh- und Fleischhandels) Union internationale des chemins de fer (Internationaler Eisenbahnverband) Union Internationale des Wagons Privés (International Union of Private Wagons/Internationale PrivatgüterwagenUnion) United Nations (Vereinte Nationen) United Nations Conference on Trade and Development (Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung) United Nations Economic Commission for Europe (Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen) United Nations High Commissioner for Refugees (Hochkommissar der Vereinten Nationen für Flüchtlinge) Institut international pour l’unification du droit privé (Internationales Institut für die Vereinheitlichung des Privatrechts) Union des industries ferroviaires européennes (Verband der europäischen Eisenbahnindustrien) Uniform Law Review United Nations Treaty Series Übereinkommen über die Registrierung von Binnenschiffen United States/United States of America (Vereinigte Staaten von Amerika) Übereinkommen über den Straßenverkehr Übereinkommen über Straßenverkehrszeichen und so weiter vom/versus (gegen)

24 VBS VBVG Verf. VersAusglG VFV Vgl./vgl. VMEV VO Vol. Vorbem. VR WCO WEG WSI WSPA WÜD WÜK WVK ZAR z.B. ZfV ZfZ Ziff. ZintEisenb. ZKR ZLW ZöR z.T. ZVEGS ZVEPS

Abkürzungsverzeichnis Völkerbundsatzung (Satzung des Völkerbundes) Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz Verfasser(s) Versorgungsausgleichgesetz Versailler Friedensvertrag Vergleiche/vergleiche Verein Mitteleuropäischer Eisenbahnverbände Verordnung Volume (Band) Vorbemerkung Volksrepublik World Customs Organization (Weltzollorganisation) Wohnungseigentumsgesetz Walther-Schücking-Institut für Internationales Recht World Society for the Protection of Animals (heute: World Animal Protection) Wiener Übereinkommen über Diplomatische Beziehungen Wiener Übereinkommen über Konsularische Beziehungen Wiener Übereinkommen über das Recht der Verträge Zeitschrift für Ausländerrecht und Ausländerpolitik zum Beispiel Zeitschrift für Verkehrswissenschaften Zeitschrift für Zölle und Verbrauchsteuern Ziffer Zeitschrift für den internationalen Eisenbahnverkehr Zentralkommission für die Rheinschifffahrt Zeitschrift für Luft- und Weltraumrecht Zeitschrift für öffentliches Recht zum Teil Zollabkommen über die vorübergehende Einfuhr gewerblicher Straßenfahrzeuge Zollabkommen über die vorübergehende Einfuhr privater Straßenfahrzeuge

Einführung I. Vorbemerkungen In den Beziehungen der Völker sind seit dem Ausgang des Mittelalters verschiedene, ja gegenläufige Entwicklungstendenzen erkennbar, die sich aber auch überkreuzen und schneiden. Auf der einen Seite bildete sich ein System politisch voneinander getrennter Nationalstaaten aus,1 die begrenzte Räume unter Ausschließung anderer Staaten beherrschen. Auf der anderen Seite aber verstärkten sich die Beziehungen zwischen den Völkern, und es entwickelte sich ein internationaler Verkehr, der die Staatsräume in wachsendem Maße verbindet und dahin tendiert, die staatlichen Grenzen zu überschreiten. Diese Entwicklung beruht darauf, dass die Fähigkeit zur Selbstbehauptung des souveränen, also unabhängigen Staates immer größeren Anforderungen an die wirtschaftlichen und technischen Ressourcen der Staaten stellte, die jedoch die Leistungsfähigkeit der Staaten zunehmend überstiegen. So wuchs der Bedarf an internationalem Austausch von Rohstoffen, anderen Waren und Gütern. Die idealtypisch vorgestellte Independenz der souveränen Staaten wich in der Realität einer wachsenden Interdependenz, die in der Form einer vermehrten bi- und multilateralen und seit dem Ende des 19. Jahrhunderts auch zunehmend institutionalisierten internationalen Zusammenarbeit praktische Ausprägung erfuhr, ohne allerdings das nach wie vor prägende Souveränitätsdenken wesentlich zurückzudrängen. Die Parallelität der Entwicklung und Ausprägung des Nationalstaates und seiner Souveränitätsfixierung einerseits und der Internationalisierung von Wirtschaft und Verkehr andererseits hat zu einer Spannung geführt zwischen dem Interesse der Staaten, den grenzüberschreitenden Verkehr steuern und kontrollieren zu können, und der Notwendigkeit, sich im Interesse der eigenen Entwicklung für eine grenzüberschreitende Kommunikation im weitesten Sinne zu öffnen,2 also für den Landverkehr mit Kraftfahrzeugen und Eisenbahn, den Binnenwasser1

Zur Entwicklung und Ausdifferenzierung eines von den souveränen Staaten gebildeten internationalen Systems siehe Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 1989, 1 ff. 2 So zutreffend auch Hafner, in: Neuhold/Hummer/Schreuer (Hrsg.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts, Bd. 1, 4. Aufl. 2004, Rn. 2097 f.

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Einführung

straßen- und den Luftverkehr ebenso wie den Verkehr über die elektronischen Medien (Telekommunikation).3 In dieser Spannungslage4 wird man auch den Grund dafür sehen können, dass es über die Jahrhunderte bis heute nicht gelungen ist, ein Prinzip der Freiheit des Verkehrs und eine daraus folgende, generelle völkerrechtliche Pflicht der Staaten zur Anerkennung zu bringen, ihre Verkehrswege und innerstaatlichen Verkehrsnetze an die anderer Staaten anzuschließen, mit anderen Worten, ihre Grenzen und Verkehrswege dem Personen-, Fahrzeug-, Schiffs-, und Luft- sowie dem Warenverkehr grundsätzlich zu öffnen.5 Als ein wichtiges, gerade auch völkerrechtlich relevantes Orientierungskriterium für die internationale Verkehrsordnung ist aber das Postulat der Freiheit der grenzüberschreitenden Kommunikation heute – vor allem auch angesichts der im Zuge der Globalisierung wachsenden weltweiten Vernetzung der verschiedenen Akteure (Staaten, internationale Organisation, Individuen, Nichtregierungsorganisationen und multinationale Unternehmen) – von richtungsweisender Bedeutung für die internationale Verkehrsordnung. Aber es sind nicht nur die wirtschaftlichen und jedenfalls zum Teil neuen technischen Herausforderungen, die sich für die Entwicklung einer offenen, am internationalen Gemeinwohl ebenso wie an den staatlichen Interessen orientierten internationalen Verkehrsordnung stellen. Auch die wachsende Rolle des Individuums und von Gruppen als Teilnehmer am internationalen Verkehr in den verschiedensten 3

Siehe dazu näher Tietje, Internationalisiertes Verwaltungshandeln, 2001, 424 ff.; zum Kommunikationsbegriff näher Delbrück, in: Thesaurus Acroasium, Communications, Bd. XV, 1987, 77, 88 ff. m.w.N.; wie hier auch Alexandrowicz, The Law of Global Communication, 1971, 1; von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 1 ähnlich schon die ältere Literatur, siehe etwa Hostie, Examen de quelque règles du droit international dans la domaine des communications et du transit, RdC 40 (1932), 397, 406 ff.; de Leener, Règles générales du droit des communications internationales, RdC 55 (1936), 1, 5 ff. 4 Ähnlich auch schon Dupuis, Liberté des voies de communication, RdC 2 (1924), 125, 129, der von der Gegensätzlichkeit (l’opposition) wenn nicht gar dem Widerstreit (l’antagonisme) von Souveränität und Liberalisierung der grenzüberschreitenden Kommunikation spricht. 5 Eine andere Frage ist, ob sich völkerrechtliche Pflichten der Zusammenarbeit auch im Verkehrsbereich aus einem übergreifenden Prinzip der Kooperation (principle of cooperation) entwickeln lassen. Aber selbst wenn man dies annehmen will – und dafür könnte die wachsende Bedeutung völkerrechtlicher Kooperationspflichten sprechen –, so würde dies dennoch nicht dasselbe sein wie die Anerkennung eines allgemeinen völkerrechtlichen Prinzips der Verkehrsfreiheit; zur Problematik und dem Inhalt völkerrechtlicher Kooperationspflichten siehe Wolfrum, Cooperation, International Law of, in: MPEPIL, Rn. 1 ff. (Stand: April 2010); Delbrück/Heinz (Hrsg.), International Law of Cooperation and State Sovereignty, 2002, passim; Delbrück, in: Thesaurus Acroasium, Communications, Bd. XV, 1987, 77, 91 ff.

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politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereichen ist eine neue Herausforderung, die zudem der Konzeption einer internationalen Verkehrsordnung eine deutliche menschenrechtliche Dimension hinzufügt.6 Hier stellt sich zum Beispiel die Frage nach einem Menschenrecht auf Reisefreiheit, das etwa in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 19487 (AEMR) (Art. 13) und im Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte von 19668 (IPbpR) (Art. 12), vor allem aber in nationalen Verfassungen eine teilweise Anerkennung gefunden hat – eine teilweise Anerkennung deswegen, weil sie nur die individuelle Ein- und Ausreisefreiheit, bezogen auf den Heimatstaat, aber eben nicht die Einreisefreiheit in ein fremdes Land, umfasst.9 So bleibt es bisher auch auf diesem Gebiet bei der Notwendigkeit, durch bi- und multilaterale Verträge Regelungen zu treffen, die den Bedürfnissen nach einer offenen, die Mobilität fördernden, zugleich aber auch die staatlichen Interessen an souveräner Steuerung der grenzüberschreitenden Bewegungen berücksichtigenden Verkehrsordnung entsprechen.

II. Einheitliche internationale Verkehrsordnung? Die Rede von einer internationalen Verkehrsordnung könnte andeuten, dass es in der Tat für die verschiedenen Formen und Modalitäten grenzüberschreitender Mobilität eine übergreifende, einheitliche Rechtsordnung gibt, auch wenn es – wie erwähnt – noch an der Anerkennung einer allgemeinen Verkehrsfreiheit mangelt. Auch die wohl überwiegend anerkannte Definition des internationalen Verkehrsrechts als die Gesamtheit der Regelungen des Rechts des grenzüberschreitenden Verkehrs von Personen und materiellen wie immateriellen Gütern zu Lande, zu Wasser, in der Luft und im Weltraum mit unterschiedlichen Transportmitteln einschließlich der elektronischen Medien scheint auf die Existenz einer einheitlichen internationalen Verkehrsordnung hinzudeuten.10 Schließlich könnte der 6

Siehe die von Sohn/Buergenthal herausgegebene Studie über den grenzüberschreitenden Personenverkehr (The Movement of Persons Across Borders, 1992), die durchgehend vom Paradigma der Menschenrechte geprägt ist. 7 GAOR, III, Resolutions UN Doc. A/810/71. 8 UNTS Bd. 999, 171/BGBl. 1973 II, 1553. 9 Vgl. dazu näher Freedman, The International Right to Travel, Trade, and Commerce 1993, 7 ff. und passim. 10 Zu dieser und ähnlichen Definitionen des internationalen Verkehrsrechts siehe Abraham, in: Strupp/Schlochauer (Hrsg.), Wörterbuch des Völkerrechts, Bd. 3, 1962, 514; etwas differenzierter Hafner, in: Neuhold/Hummer/Schreuer (Hrsg.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts, Bd. 1, 4. Aufl. 2004, Rn. 2092 ff.; auch Bergner u.a., Internationales Verkehrsrecht, 1969, 24 f., die allerdings eine solche umfassende Begriffsbestimmung nicht als „aus rechtszweigtheoretischen, sondern vielmehr aus praktischen Gründen“

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Einführung

warnende Hinweis, dass jegliche Trennung der rechtlichen Regelungen nach den Eigenheiten der verschiedenen Verkehrsmittel angesichts der engen Verbindungen zwischen den Problemlagen der einzelnen Verkehrszweige mit Zurückhaltung betrachtet werden sollte,11 die Annahme der Existenz einer einheitlichen internationalen Verkehrsordnung stützen. Ein Blick auf die Fülle der bi- und multilateralen Verträge und Konventionen für die verschiedenen Verkehrsmittel und deren unterschiedliche technischen, ökonomischen und letztlich auch politischen Bedürfnisse lässt jedoch Zweifel bestehen, ob mit einer abstrakten Begriffsbestimmung des internationalen Verkehrsrechts, wie sie in der zuvor genannten Definition zum Ausdruck kommt, letztlich wirklich viel gewonnen ist. Auch wenn nicht geleugnet werden kann, dass in den zahlreichen Verträgen zum Teil übereinstimmende Problemlösungen für die verschiedenen Verkehrszweige gefunden worden sind, so ist doch nicht zu übersehen, dass sich unter dem Dach des abstrakten Begriffs „internationale Verkehrsordnung“ sehr heterogene, spezifisch auf die Bedürfnisse der einzelnen Verkehrszweige abgestimmte Regelungsbereiche entwickelt haben,12 so etwa für den Kraftfahrzeugs- und Durchgangsverkehr, den Eisenbahnverkehr und die Binnenschifffahrt. Zu diesem Pluralismus der Sachregelungen der internationalen Mobilität kommt hinzu, dass die Rechtsgrundlagen des internationalen Verkehrsrechts ihrerseits ebenfalls unterschiedlicher Art sind. Neben universalen und regionalen völkerrechtlichen Konventionen enthalten zahlreiche bilaterale Verträge materielle, aber auch verfahrensrechtliche Regelungen des internationalen Verkehrs.13 Ein geboten ansehen; zu älteren ähnlich weiten Definitionen siehe Dupuis, Liberté des voies de communication, RdC 2 (1924), 125, 129; Hostie, Examen de quelque règles du droit international dans la domaine des communications et du transit, RdC 40 (1932), 397, 406 ff.; de Leener, Règles générales du droit des communications internationales, RdC 55 (1936), 1, 5 ff. 11 So Mutz, Traffic and Transport, International Regulation, in: EPIL, Bd. IV, 2000, 889, 890. 12 Auf die nicht einheitliche, schrittweise vollzogene, je eigene Entwicklung des Verkehrsrechts in den verschiedenen Verkehrszweigen weist zutreffend auch Hafner, in: Neuhold/Hummer/Schreuer (Hrsg.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts, Bd. 1, 4. Aufl. 2004, Rn. 2096 hin. Vgl. auch Giemulla, Traffic and Transport, International Regulation, in: MPEPIL, Rn. 2 (Stand: April 2013), der auf die weitere Unterteilung des Transportrechts, abhängig von den verschiedenen Verkehrszweigen verweist. 13 Vgl. z.B. die Sammlung der vertraglichen Rechtsquellen des internationalen Verkehrsrechts bei Hill/Evans (Hrsg.), Transport laws of the World, 1977; Haustein/Pschirrer (Hrsg.), Internationales Eisenbahnrecht, 1956; Claringbould/Valk/Harst (Hrsg.), International Transport Treaties, Losbl., Stand: 2003.

Einführung

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besonderes Merkmal dieses internationalen öffentlichen Verkehrsrechts ist, dass es zugleich auch in weitem Umfang privatrechtliche Regelungen, so zum Beispiel im internationalen Frachtverkehr, umfasst, die teils unmittelbar in das innerstaatliche Recht übernommen werden, teils nur die nationale Gestaltung des einschlägigen Privatrechts bestimmen. Das trifft namentlich auf die großen, der Rechtsvereinheitlichung dienenden völkerrechtlichen Konventionen zu.14 Man kann soweit von einer vertikalen Verschränkung des internationalen mit dem nationalen Verkehrsrecht sprechen. Schließlich wird das internationale Verkehrsrecht durch Normen des sog. soft law ergänzt.15 Besondere Bedeutung hat die Vereinheitlichung des grenzüberschreitenden, aber auch des nationalen Verkehrsrechts im Rahmen der Europäischen Union erlangt. Mit der Veröffentlichung des Weißbuches der Europäischen Kommission „Die Europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft“ im Jahr 200116 hatte die Union erstmals eine umfassende Strategie für eine neue Balance zwischen den einzelnen Verkehrsarten mit dem Ziel entwickelt, für die Unionsbürger ein effektives Transportsystem zu schaffen, das sowohl der wirtschaftlichen Entwicklung als auch dem Umweltschutz und der Verkehrssicherheit dient.17 Diese Strategie der Union wurde 2011 durch das Weißbuch „Fahrplan zu

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Siehe dazu Basedow, Der Transportvertrag, 1987, 63 ff., auch Bergner u.a., Internationales Verkehrsrecht, 1969, 25 ff., ein Beispiel für derartige Verträge zur Rechtsvereinheitlichung ist das Übereinkommen der UNCTAD über den Internationalen Multimodalen Gütertransport von 1980, ILM 19 (1980), 938 ff.; näher dazu Moreno, Legal Nature and Functions of the Multimodal Transport Document, 2002. 15 So verweist Hafner, in: Neuhold/Hummer/Schreuer (Hrsg.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts, Bd. 1, 4. Aufl. 2004, Rn. 2105 auf die Rolle der KSZE Schlussakte von 1975 (Text in: Volle/Wagner (Hrsg.), KSZE Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa, 1976, 237 ff.), in der im Abschnitt über die Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Technik sowie Umwelt unter Ziff. 6 (Zusammenarbeit auf anderen Gebieten) Absichtserklärungen zur Entwicklung des Europäischen Verkehrswesens niedergelegt sind, 262. 16 Weißbuch der Europäischen Kommission „Die Europäische Verkehrspolitik bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft“ vom 12.9.2001 KOM (2001) 370 endg. Der Text des Weißbuches ist abrufbar unter: http://europa.eu/legislation_summaries/environment/ tackling_climate_change/l24007_de.htm (letzter Zugriff: 9.4.2015). 17 Das Weißbuch vom 12.9.2001 enthält rund 60 Vorschläge, die u.a. die Förderung der Rechte der Passagiere, die Stärkung der Verkehrssicherheit auf den Straßen, die Sicherung einer nachhaltigen Mobilität, die Sicherung von Transportdiensten hoher Qualität und

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Einführung

einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“18 ersetzt. Es verfolgt das Ziel, bis zum Jahr 2050 ein noch effizienteres, wettbewerbsorientiertes und ressourcenschonenderes europäisches Verkehrssystem, bis hin zu der Verwirklichung des Verkehrsbinnenmarktes, zu schaffen.19 Der Komplexität des internationalen Verkehrsrechts entsprechend empfiehlt es sich, den gegenwärtigen Inhalt der internationalen Verkehrsordnung in den folgenden Ausführungen unter Herausarbeitung der Übereinstimmungen getrennt nach den einzelnen Verkehrszweigen (grenzüberschreitender Verkehr von Personen und Gütern auf der Straße, grenzüberschreitender Eisenbahnverkehr, grenzüberschreitender Verkehr auf Binnenwasserstraßen, grenzüberschreitender Luftverkehr) darzustellen.

schließlich auch die Stärkung des Gewichts Europas in den einschlägigen internationalen Organisationen (u.a. die International Maritime Organization ! IMO, International Civil Aviation Organization ! ICAO) betreffen. 18 Weißbuch der Europäischen Kommission „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“ vom 28.3.2011 KOM (2011) 144, abrufbar unter http://eur-lex. europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=COM:2011:0144:FIN:DE:PDF (letzter Zugriff: 9.4.2015). 19 Das Weißbuch vom 28.3.2011 enthält in seinem Anhang I 40 Vorschläge, die aufbauend auf der Strategie der Kommission von 2001 u.a. die Vollendung des Verkehrsbinnenmarktes, die Förderung eines nachhaltigeren Verkehrs, die Verkehrssicherheit, die Vollendung des gemeinsamen europäischen Luftverkehrs und die Position der EU als standardsetzende Instanz im internationalen Verkehrsbereich sichern sollen.

Kapitel 1

Der grenzüberschreitende Straßenverkehr Historisch gesehen hat der Landverkehr völkerrechtliche Relevanz erst erhalten, als zum einen die Mobilität der Menschen ein Ausmaß angenommen hatte, das über den rein lokalen Bereich hinaus reichte und auch quantitativ zu einem gesellschaftlich prägenden Faktor wurde,1 und als zum anderen mit der Entstehung des modernen Territorialstaates staatliche Grenzen eine bis heute entscheidende Rahmenbedingung für den Landverkehr – wie auch für jede andere Verkehrsform – gesetzt hatten. Ein weiterer Faktor, der gerade auch für den grenzüberschreitenden Landverkehr von grundsätzlicher Bedeutung war, ist die nicht erst mit der Erfindung der Eisenbahn sprunghaft einsetzende technologische Entwicklung der Landverkehrsmittel. Vielmehr lässt sich an dem seit dem 18. Jahrhundert ständig wachsenden Volumen der mit Pferdefuhrwerken transportierten Menschen und Wirtschaftsgüter zeigen, dass schon dieses Verkehrsmittel im Laufe der Zeit entscheidend verbessert wurde.2 Die wachsende Bedeutung des raumgreifenden, grenzüberschreitenden Landverkehrs, namentlich auf dem in eine Vielzahl von souveränen territorialen Herrschaftsgebieten zerklüfteten europäischen Kontinent, spiegelt sich in der spätestens seit dem 15. Jahrhundert stetig zunehmenden Zahl von zwischenstaatlichen Verträgen zur Regelung des grenzüberschreitenden Landverkehrs wider.3 1

Zur Entwicklung des Landverkehrs unter diesem Aspekt siehe exemplarisch die Studie von Barker/Gerhold, The Rise and Rise of Road Transport, 1700–1990, 1993, die diese Entwicklung am Beispiel Großbritanniens eindrucksvoll aufzeigt. Zur Verkehrsentwicklung und ihrer Regelung auf dem europäischen Kontinent bis zum beginnenden 19. Jahrhundert siehe Lange, Verkehr und Öffentliches Recht, 1974, 5 ff., m.w.N.; auch Sitara, in: Thesaurus Acroasium, Communications, Bd. XV, 1987, 119 ff. 2 Zu dieser Entwicklung in Großbritannien vgl. Barker/Gerhold, The Rise and Rise of Road Transport, 1993. Für diese Entwicklung auf dem europäischen Kontinent ist in dieser Hinsicht auf den erheblichen Leistungsstand des Thurn und Taxis Postunternehmens und die Ausdehnung des Postverkehrsnetzes zu verweisen, vgl. dazu Piendl, Thurn und Taxis 1517–1867, 1967, passim. 3 So z.B. auf dem Gebiet des Postwesens, siehe dazu Piendl, Thurn und Taxis 1517– 1867, 1967, passim. Zum wachsenden Bedürfnis des grenzüberschreitenden Verkehrs

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Kap. 1: Der grenzüberschreitende Straßenverkehr

Wiewohl wirtschaftlich nicht von dem gleichen Gewicht wie der grenzüberschreitende Güterverkehr soll die nähere Darlegung des Rechts des grenzüberschreitenden Personenverkehrs – unabhängig von den Verkehrsmitteln – aufgrund seiner für die heutige Völkerrechtsordnung besonders bedeutsamen menschenrechtlichen Dimension, aber auch deswegen am Anfang der weiteren Erörterungen stehen, da sich hier die einleitend genannten grundlegenden Regelungsprobleme des grenzüberschreitenden Verkehrs, d.h. die Spannungslage zwischen staatlichem Regelungs- und Steuerungsanspruch und der Liberalisierung der grenzüberschreitenden Mobilität exemplarisch aufzeigen lassen.

A. Der grenzüberschreitende Personenverkehr I. Das Recht auf Reisefreiheit Trotz der weltweit stark angestiegenen Mobilität der Bevölkerungen und des damit verbundenen grenzüberschreitenden Verkehrs kann – wie schon angedeutet – auch heute nach ganz herrschender Meinung4 im geltenden Völkergewohnheitsrecht von einem Recht des Einzelnen auf freien Zugang zu einem fremden Staatsgebiet bzw. einer allgemeinen Pflicht der Staaten, diesen Zugang zuzulassen, keine Rede sein. Zwar findet die Auffassung, dass im Zuge der wachsenden Interdependenz der Staaten diese nicht mehr das bis dahin von einzelnen Staaten aus ihrer Souveränität abgeleitete Recht der völligen und dauerhaften Abriegelung gegenüber den anderen Staaten zusteht, zu Recht wachsende Zustimmung.5 Die Pflicht zur Teilnahme am internationalen Verkehr gehört heute zu den Grundpflichten der Staaten.6 Selbst wenn man sich aber dieser Sicht anschließt, heißt das aufgrund der technischen Fortschritte im 19. und 20. Jahrhundert siehe Lange, Verkehr und Öffentliches Recht, 1974, 5 ff. m.w.N.; auch kurz von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 3 f. Zum wachsenden Bedürfnis des grenzüberschreitenden Verkehrs aufgrund der zunehmenden Globalisierung des Handels und der Weltwirtschaft siehe Giemulla, Traffic and Transport, International Regulation, in: MPEPIL, Rn. 1 (Stand: April 2013). 4 Siehe dazu Ipsen, Völkerrecht, 6. Aufl. 2014, 855; Kau, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 6. Aufl. 2013, Rn. 284; Doehring, Völkerrecht, 2. Aufl. 2004, 374 f. 5 Vgl. in dieser Richtung überzeugend auch schon Sohn/Buergenthal (Hrsg.), The Movement of Persons Across Borders, 1992, passim. Zur Begrenzung der staatlichen Souveränität im Hinblick auf die Zulassung von ausländischen Staatsangehörigen siehe Hailbronner/Gogolin, Aliens, in: MPEPIL, Rn. 14 (Stand: Juli 2013). 6 Zu den Grundpflichten der Staaten siehe Carbone/Schiano di Pepe, States, Fundamental Rights and Duties, in: MPEPIL, Rn. 18 ff. (Stand: Januar 2009); Dahm/Delbrück/ Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 2. Aufl. 2002, 775 ff.; zur Frage der Pflicht zur Zulassung von fremden Staatsangehörigen oder Staatenlosen siehe Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völker-

Kap. 1: Der grenzüberschreitende Straßenverkehr

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nicht, dass den Staaten grundsätzlich das Recht versagt wird, unter bestimmten Bedingungen ihre Grenzen für Fremde zu schließen, so etwa aus Gründen der Abwehr von Seuchengefahren oder der Gefährdung der nationalen Sicherheit.7 Die Versagung des Zugangs für Angehörige eines bestimmten Staates kann auch als Druckmittel dienen, um diesen Staat von einem missbilligten Verhalten abzubringen. Diese unfreundliche Reaktion wird nach Völkergewohnheitsrecht nicht als illegal betrachtet.8 An dieser vom Völkergewohnheitsrecht vorgegebenen Rechtslage hat sich auch dadurch nichts geändert, dass in internationalen und regionalen Menschenrechtskonventionen das Recht des Individuums auf Ausreise aus seinem Heimatland und das Recht, in dieses einzureisen, verbürgt ist.9 Denn diese Rechtsverbürgungen gewähren gerade nicht das Recht, in einen fremden Staat einzureisen. Dass die moderne Welt dennoch durch die grenzüberschreitenden Wirtschaftsaktivitäten – und nicht zuletzt auch durch den weltweiten Massentourismus – von einem stetig gesteigerten grenzüberschreitenden Personenverkehr gekennzeichnet ist, beruht somit nicht auf Völkergewohnheitsrecht10 (von gelegentlichen lokalen auf Gerecht, Bd. I/2, 2. Aufl. 2002, 106 ff. m.w.N.; Hailbronner/Gogolin, Aliens, in: MPEPIL, Rn. 13 ff. (Stand: Juli 2013). 7 Zur Limitierung des Rechts auf Freizügigkeit siehe Klein, Movement, Freedoom of International Protection, in: MPEPIL, Rn. 13 ff. (Stand: Mai 2007). 8 Zu solchen völkerrechtlich als Retorsion bezeichneten Gegenmaßnahmen siehe Dahm/ Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 1989, 90 ff. und Bd. I/3, 2. Aufl. 2002, 779; Doehring, Völkerrecht, 2. Aufl. 2004, 442 ff.; kurz auch von Arnauld, Völkerrecht, 2. Aufl. 2014, Rn. 419. 9 Siehe Art. 12 IPbpR; Art. 2 des Protokolls Nr. 4 zur EMRK vom 16.9.1963, ETS Nr. 46/BGBl. 1968 II, 423 und Art. 22 der Amerikanischen Menschenrechtskonvention vom 22.11.1968 (AMRK), OAS Official Records, OEA/SER.A/16; ILM 9 (1973), 673; siehe auch Art. 13 AEMR. 10 Anders dagegen Sohn/Buergenthal (Hrsg.), The Movement of Persons Across Borders, 1992 IX und passim, die der in den bi- und multilateralen Verträgen zum grenzüberschreitenden Personenverkehr zum Ausdruck kommenden Staatspraxis völkergewohnheitsrechtliche Regeln entnehmen wollen. Das Argument, dass eine Vielzahl bestehender, gleichlautender Verträge auf die Existenz von entsprechendem Völkergewohnheitsrecht schließen lässt, ist jedoch ambivalent. Denn die Vielzahl solcher Verträge kann umgekehrt auch darauf schließen lassen, dass die Staaten den Abschluss dieser Verträge für notwendig erachten, weil eben noch kein entsprechendes allgemeines Völkergewohnheitsrecht besteht. In der praktischen Auswirkung besteht zwischen der in der Studie vertretenen Ansicht und der hier vertretenen kein wesentlicher Unterschied, weil auch die gewohnheitsrechtliche Freiheit des grenzüberschreitenden Personenverkehrs beschränkenden Regelungen der Staaten unterliegt und – wie bei den vertraglichen Regelungen – die Staaten ihrerseits in ihrer Regelungsfreiheit Schranken unterliegen.

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Kap. 1: Der grenzüberschreitende Straßenverkehr

wohnheit beruhenden Ausnahmen abgesehen11), sondern auf nationalen, also einseitigen Regelungen über die Zulassung von ausländischen Staatsangehörigen und darüber hinaus auf bi- und multilateralen Vertragsregelungen.12 1. Grundpflicht der Staaten zur Teilnahme am internationalen Verkehr Die Grundpflicht der Staaten zur Teilnahme am internationalen Verkehr schließt – wie gezeigt – das Recht der Staaten nicht aus, die Modalitäten des grenzüberschreitenden Personenverkehrs, insbesondere die Bedingungen der rechtmäßigen Einreise von ausländischen Staatsangehörigen, festzulegen. In aller Regel müssen Personen beim Grenzübertritt einen Pass besitzen, der den Grenzbeamten über ihre Identität und Herkunft Auskunft gibt.13 Zusätzlich fordern Staaten vielfach, dass in dem Pass ein Visum der diplomatischen oder konsularischen Vertretung des Staates eingetragen ist, in welchen der Passträger einreisen möchte. Das Visum legt wiederum bestimmte Modalitäten des Aufenthaltes (Dauer, Art der beabsichtigten Tätigkeit im Gaststaat usw.) fest.14 Diese auf Völkergewohnheitsrecht, namentlich dem Fremdenrecht15 beruhende, weitgehende Freiheit der Staaten, den grenzüberschreitenden Personenverkehr zu regeln, ist jedoch nicht typisch für die Praxis. Diese wird vielmehr von vielfältigen vertraglichen Vereinbarungen der Staaten im Sinne einer im Regelfall liberalen Ordnung des grenzüberschreitenden Personenverkehrs geprägt, die eine hohe Mobilität über staatliche Grenzen hinweg ermöglicht.16 Vornehmlich sind hier bilaterale Abkommen über die Gestaltung der zwischenstaatlichen Beziehungen, wie insbesondere die sog. Freundschafts- und Niederlassungsabkommen sowie Handels- und Schifffahrtsverträge, anzuführen. Das diese Verträge leitende Prinzip ist die Gegenseitigkeit im Hinblick auf die Behandlung der Staatsangehörigen, 11

So auch schon Bothe, Boundary Traffic, in: EPIL, Bd. I, 1992, 479, 479. Siehe dazu Doehring, Völkerrecht, 2. Aufl. 2004, 374 f. 13 Der Schengen-Raum stellt, wenn auch aus Europa kaum noch wegzudenken, global gesehen noch immer eine Ausnahme dar. 14 Die Visumspflicht wird in jüngerer Zeit teilweise durch vereinfachte Verfahren ersetzt. So machen beispielsweise die Vereinigten Staaten von Amerika die Einreise unter bestimmten Bedingungen (namentlich der Staatsangehörigkeit des Einreisenden) nicht von einem Visum, sondern vom Nachweis einer elektronischen Einreisegenehmigung, dem sog. Electronic System for Travel Authorization (ESTA), abhängig. 15 Darauf weist zutreffend Hafner, in: Neuhold/Hummer/Schreuer (Hrsg.), Österreichisches Handbuch des Völkerrechts, Bd. 1, 4. Aufl. 2004, Rn. 2092 hin. 16 Siehe dazu ausführlich Delbrück, in: Thesaurus Acroasium, Communications, Bd. XV, 1987, 77, 81 ff.; auch Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/2, 2. Aufl. 2002, 111; kurz auch Bothe, Boundary Traffic, in: EPIL, Bd. I, 1992, 479, 479. 12

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die am grenzüberschreitenden Verkehr teilnehmen und sich im jeweils anderen Vertragsstaat aufhalten. So ist es üblich, den Staatsangehörigen der Vertragsparteien gegenseitig die Einreise, den Aufenthalt und das Reisen zuzusichern.17 In zusätzlichen Übereinkünften wird zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Personenverkehrs die Visumspflicht auf der Basis der Gegenseitigkeit für alle Personen oder auch nur für bestimmte Personengruppen, etwa Touristen, aufgehoben; gelegentlich ist die Aufhebung der Visumspflicht nur für zeitlich begrenzte Aufenthalte vorgesehen.18 Auch kann in solchen Übereinkünften auf den Passzwang verzichtet und stattdessen der Identitätsnachweis durch Personalausweise vereinbart werden. Selbst wenn keine derartigen vertraglichen Regelungen getroffen werden, so führen entsprechende parallele nationale Vorschriften in Ausländer- oder Passgesetzen in der Praxis häufig zu denselben Einreiseerleichterungen wie sie durch die Verträge oder Übereinkünfte geschaffen werden. Doch kann es im Falle von unilateralen Regelungen – anders als bei vertraglichen Übereinkünften – zu asymmetrischen Einreiseerleichterungen kommen. So reagierten die Vereinigten Staaten von Amerika auf die einseitige Aufhebung des Visazwanges für US-Bürger durch Polen im Jahr 1991 lediglich mit der Befreiung polnischer Staatsbürger von den Kosten für das weiterhin für sie erforderliche Einreisevisum.19 In der Anwendung der vertraglichen, gewohnheitsrechtlichen oder nationalen Regelungen des grenzüberschreitenden Personenverkehrs sind die Staaten an das Diskriminierungsverbot gebunden, dem nach ganz herrschender Meinung heute 17

Siehe z.B. Art. 2 des Freundschafts-, Handels- und Schifffahrtsvertrages zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland vom 29.10.1954, UNTS Bd. 273, 3/BGBl. 1956 II, 487; Art. II des Freundschafts-, Schifffahrts- und Handelsvertrag zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und den Niederlanden vom 27.3.1956, UNTS Bd. 285, 231; Art. 7 des Friedens- und Freundschaftsvertrages zwischen Indien und Nepal vom 31.6.1950, UNTS Bd. 94, 3; Art. III des Handelsübereinkommens zwischen Japan und der Föderation von Malaya vom 10.5.1960, Jap.Ann.Int’l L. 1961, 211, die den Angehörigen beider Vertragsparteien freien Zugang zum jeweils anderen Staat auf der Basis der Gegenseitigkeit gewähren. 18 Beispiele sind u.a. das Visa-Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Island vom 4.6.1956, UNTS Bd. 275, 189; Art. 1 des Übereinkommens zwischen Bulgarien und Rumänien über die Abschaffung von Ein- und Ausreisevisa vom 22.8.1967, UNTS Bd. 631, 60. Vor allem der starke Tourismus aus Europa nach Asien hat Länder wie Thailand, Malaysia und Singapur dazu veranlasst, mit den Herkunftsländern der Touristen Verträge über die Abschaffung der Visapflicht abzuschließen, siehe dazu und zu ähnlicher Liberalisierungspraxis, Sohn/Buergenthal (Hrsg.), The Movement of Persons Across Borders, 1992, 54 ff. 19 Dazu Sohn/Buergenthal (Hrsg.), The Movement of Persons Across Borders, 1992, 8.

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gewohnheitsrechtliche Geltung, jedenfalls in menschenrechtlich dimensionierten Zusammenhängen zukommt.20 Dieses Verbot schließt es jedoch nicht aus, dass die Staaten bei der Gewährung des Rechts auf Einreise einzelne Einreisewillige oder auch bestimmte Gruppen aus Gründen der Gesundheitsvorsorge, der nationalen Sicherheit oder der öffentlichen Ordnung (ordre public) von der Einreise ausschließen dürfen.21 In den einschlägigen bi- und multilateralen Verträgen behalten sich die Staaten deshalb üblicherweise entsprechende Ausnahmeregelungen (escape-clauses) vor. Derartige Vorbehaltsklauseln enthalten zum Beispiel Art. II Abs. 5 des Freundschafts-, Schifffahrts- und Handelsvertrages zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Bundesrepublik Deutschland: „Die Bestimmungen dieses Artikels berühren nicht das Recht beider Vertragsteile, Maßnahmen zu treffen, die zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung und zum Schutz der guten Sitten und der öffentlichen Gesundheit notwendig sind.“22 Eine weitere solche Klauseln enthält etwa das Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und Pakistan vom 12. Februar 1961 (Art. II Abs. 3).23 Insgesamt schlossen die Vereinigten Staaten derartige Verträge mit mehr als 40 Staaten,24 die neben der Erleichterung des grenzüberschreitenden Personenverkehrs vor allem der Gewährleistung des Meistbegünstigungsprinzips (most favoured nation principle) und dem Investitionsschutz dienten.25 Auch dürfen die Staaten in ihren nationalen Gesetzen Regelungen vorsehen, wonach die Gewährung der Einreise und der dabei zu beachtenden Formalitäten an unterschiedliche Bedingungen geknüpft wird – abhängig von den mit der Einreise von der betroffenen Person verfolgten Anliegen bzw. der beabsichtigten Aufenthaltsdauer.26 Solche Unterscheidungen gelten nicht als Diskriminierungen. Das Diskriminierungsverbot zielt vielmehr darauf, willkürliche Beschränkungen auch im Rahmen der Einreisefreiheit zu verhindern. Zu den verbotenen Beschränkungen gehört insbesondere die Versagung der Einreise von Personen aus Gründen der Rasse, des Geschlechts und entsprechender, im Hinblick auf die Würde des 20

Siehe dazu unter fremdenrechtlichen Gesichtspunkten schon Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/2, 2. Aufl. 2002, 106 ff. m.w.N.; ferner Kewenig, Der Grundsatz der Nichtdiskriminierung im Völkerrecht der internationalen Handelsbeziehungen, 1972, 43 f. 21 Siehe dazu Sohn/Buergenthal (Hrsg.), The Movement of Persons Across Borders, 1992, 3 ff. 22 UNTS Bd. 273, 3/BGBl. 1956 II, 487; Hervorhebung vom Verf. 23 UNTS Bd. 404, 259. 24 Siehe dazu Damrosch u.a., International Law, 4. Aufl. 2002, 806 m.w.N. 25 Damrosch u.a., International Law, 4. Aufl. 2002, 806. 26 Sohn/Buergenthal (Hrsg.), The Movement of Persons Across Borders, 1992, 17 f.

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Menschen nicht disponibler Kriterien.27 Eine willkürliche und somit gegen das Diskriminierungsverbot verstoßende Behandlung von Einreisewilligen liegt auch dann vor, wenn einzelnen von ihnen bei gleichem Reisezweck und im Übrigen auch gleicher Erfüllung der Einreisebedingungen, die Einreise versagt wird. 2. Weltweite vertragliche Regelungen des grenzüberschreitenden Personenverkehrs Unter dem Einfluss der wachsenden Interdependenz der Staaten und der zunehmenden regionalen Integration haben, neben den bilateralen Vertragsregelungen des grenzüberschreitenden Personenverkehrs, multilaterale Übereinkünfte erheblich an Bedeutung gewonnen. Die zentrale Bedingung für den grenzüberschreitenden Personenverkehr ist die Sicherung des Rechts des Einzelnen, sein Land überhaupt verlassen zu können. Diese scheinbare Selbstverständlichkeit hat sich jedoch erst in jüngerer Zeit in dem Sinne durchgesetzt, dass nunmehr dieses Recht universale Anerkennung gefunden hat. Nahmen die Staaten früher für sich das Recht in Anspruch, frei darüber zu entscheiden, ob sie einen Staatsangehörigen aus dem Lande ausreisen ließen, und zudem für die Ausreise einen auch heute noch erforderlichen Pass und zusätzlich sog. Ausreisevisa verlangten,28 sind heute für die weit überwiegende Zahl der Staaten als Parteien des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (IPbpR)29 das Recht des Einzelnen, „jedes Land

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Sohn/Buergenthal (Hrsg.), The Movement of Persons Across Borders, 1992, ebd.; zu den Kontroversen über die Bedeutung des Diskriminierungsverbotes auf dem Gebiet der Einwanderung vgl. die ausführlichen Hinweise bei Oppenheim/Jennings/Watts, Oppenheim’s International Law, Bd. I/2, 9. Aufl. 1992, 897; zurückhaltend, aber nicht grundsätzlich gegen die Geltung des Diskriminierungsverbotes als Menschenrecht Doehring, Völkerrecht, 2. Aufl. 2004, 855 f. 28 Siehe dazu die interessante Studie über das Passwesen in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg von Bertelsmann. Der Verfasser plädiert für ein internationales Verkehrsrecht wonach „Jeder Angehörige der vertragschließenden Staaten ohne Unterschied seines Glaubensbekenntnisses […] das Recht [hat], sich auf das Gebiet des (der) Vertragsgegner zu begeben und dort aufzuhalten, ohne für den Eintritt, Austritt oder Aufenthalt Pässe oder andere Erlaubnisscheine vorlegen und Gebühren entrichten zu müssen,“ siehe Bertelsmann, Das Passwesen, 1914, 85. Ein Legitimationspapier, das die Staatsangehörigkeit und die Personalien angibt, soll ausreichen. In bestimmten Fällen soll der Staat zu Einschränkungen dieses Rechts befugt bleiben. Zur gegenwärtigen Rechtslage siehe Kau, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 6. Aufl. 2013, Rn. 285. 29 168 der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen haben bis Anfang des Jahres 2015 den IPbpR ratifiziert. Dieses positive Bild wird allerdings dadurch getrübt, dass – wie

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einschließlich seines eigenen zu verlassen“ (Art. 12 Abs. 2 IPbpR), und das Verbot, jemandem das Recht zu entziehen, „in sein eigenes Land einzureisen“ (Art. 12 Abs. 4 IPbpR)30, verbindlich. Aber auch heute ist das Ausreiserecht unter einen nationalen Regelungsvorbehalt gestellt (Art. 12 Abs. 3 IPbpR). Die Staaten dürfen aufgrund nationaler Gesetze das Ausreiserecht einschränken, „wenn dies […] zum Schutz der nationalen Sicherheit, der öffentlichen Ordnung (ordre public), der Volksgesundheit, der öffentlichen Sittlichkeit oder der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist und die Einschränkungen mit den übrigen in diesem Pakt anerkannten Rechten vereinbar ist.“31 Die willkürliche Entziehung des Rechts, in das eigene Land zurückzukehren, also die willkürliche Einreiseverweigerung für eigene Staatsangehörige, ist den Staaten verboten.32 Neben den bisher genannten Ein- und Ausreiserechten enthalten zahlreiche multilaterale Verträge weitere, für den grenzüberschreitenden Personenverkehr relevante Regelungen.33 Ein erheblicher Teil des grenzüberschreitenden Personenverkehrs entfällt auf die nach dem Zweiten Weltkrieg dramatisch angewachsenen Flüchtlingsströme.34 Ihr Ausmaß bietet, gerade auch in jüngster Zeit, Anlass zu weltweiter Besorgnis.35 Obwohl es weder eine völkergewohnheitsrechtliche noch eine vertraglich verein-

eingangs erwähnt – dem international verbürgten Ausreiserecht kein ebenso garantiertes Einreiserecht (mit Ausnahme des Rückkehrrechts der Staatsangehörigen eines Staates) gegenübersteht. 30 Siehe auch schon Art. 13 Abs. 2 AEMR; siehe auch Art. 12 Abs. 4 IPbpR; Art. 3 Abs. 2 Protokoll Nr. 5 zur EMRK vom 4.11.1950, BGBl. 1968 II, 1120; Art. 22 Abs. 5 AMRK (Recht auf Einreise in das eigene Land) zum Recht auf Rückkehr in das eigene Land siehe auch kurz Sohn/Buergenthal (Hrsg.), The Movement of Persons Across Borders, 1992, 76 f. 31 Siehe dazu Nowak, U.N. Covenant on Civil and Political Rights: CCPR Commentary, 2. Aufl. 2005, Art. 12 Rn. 23 ff. 32 Nowak, U.N. Covenant on Civil and Political Rights: CCPR Commentary, 2. Aufl. 2005, Art. 12 Rn. 49 ff. 33 Dazu im Überblick auch Koehler, Das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen, 1999, 173 ff. 34 Siehe dazu näher Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/2, 2. Aufl. 2002, 185 ff. 35 2013 zählte das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) 16,7 Millionen Flüchtlinge weltweit. Hinzu kamen 33,3 Millionen Binnenflüchtlinge sowie 1,2 Millionen Asylbewerber. Insgesamt waren Ende 2013 somit mehr als 51 Millionen Menschen gewaltsam aus ihrer Heimat vertrieben; vgl. dazu UNHCR Statistical Yearbook 2013, abrufbar unter: http://www.unhcr.org/54d0e28d9.html (letzter Zugriff: 10.4.2015). Die Zahlen für 2014 und 2015 liegen noch um einiges höher.

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barte Pflicht der Staaten gibt, Flüchtlinge aufzunehmen,36 sieht die Staatenpraxis anders aus. Allein die Tatsache, dass über 145 Staaten Parteien der Genfer Flüchtlingskonvention von 195137 und kaum weniger38 auch Parteien des Protokolls von 196739 zu dieser Konvention sind, belegt, dass sich die große Mehrheit der Staaten dem humanitären Anliegen, das Schicksal der Millionen von Flüchtlingen zu erleichtern, nicht verschließen will. Diese Konvention, die – wie angedeutet – selbst keine Pflicht zur Aufnahme von Flüchtlingen vorsieht, jedoch von dem Faktum der grenzüberschreitenden Flüchtlingsströme ausgeht,40 enthält darüber hinaus jedoch Regelungen, die es Flüchtlingen ermöglichen, am grenzüberschreitenden Personenverkehr teilzunehmen. Nach Art. 28 der Genfer Flüchtlingskonvention haben die Vertragsstaaten „den Flüchtlingen, die sich rechtmäßig in ihrem Gebiet aufhalten“ Reisepässe auszustellen, „die ihnen Reisen außerhalb dieses Gebietes gestatten, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entgegenstehen“.41 Für Staatenlose gelten entsprechende Regelungen aufgrund der Konvention über die Rechtsstellung der Staatenlosen von 1954.42 Im Rahmen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO), die schon seit ihrer Gründung 1919 das Problem des Schutzes von Wanderarbeitnehmern zu einem zentralen Thema ihrer Arbeit gemacht hat, sind neben den umfangreichen Menschenrechtsgewährleistungen43 Staatenverpflichtungen zur Erleichterung der 36 So Oppenheim/Jennings/Watts, Oppenheim’s International Law, Bd. I/2, 9. Aufl. 1992, 891 f.; Kau, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 6. Aufl. 2013, Rn. 301; Sohn/Buergenthal (Hrsg.), The Movement of Persons Across Borders, 1992, 106. 37 Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 28.7.1951 (Flüchtlingskonvention), UNTS Bd.189, 137/BGBl. 1953 II, 560. 38 Nur die Konvention haben Madagaskar sowie die Föderation St. Kitts und Nevis ratifiziert. Dagegen haben Kap Verde, die USA und Venezuela lediglich das Protokoll, nicht jedoch die Konvention ratifiziert (Stand: 13.4.2015). 39 Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge vom 31.1.1967, UNTS Bd. 606, 167/BGBl. 1969 II, 1294. 40 Die realitätsnahe Wahrnehmung des Flüchtlingsproblems seitens der Staaten zeigt sich u.a. auch darin, dass sie sich in Art. 31 Flüchtlingskonvention verpflichten, illegal ins Land gelangte Flüchtlinge nicht zu bestrafen. 41 Ausführungsbestimmungen zu Art. 28 Flüchtlingskonvention, einschließlich Vorgaben zum Format der Ausweise, finden sich im Anhang zur Konvention, BGBl. 1953 II, 584 ff. 42 Übereinkommen über die Rechtsstellung Staatenloser vom 28.9.1954, UNTS Bd. 360, 117/BGBl. 1976 II, 474; zur Rechtsstellung Staatenloser siehe Dahm/Delbrück/ Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/2, 2. Aufl. 2002, 94 ff. 43 So z.B. Art. 1 des Übereinkommen Nr. 143 über Missbräuche bei Wanderungen und die Förderung der Chancengleichheit und der Gleichbehandlung der Wanderarbeitnehmer vom 24.6.1975, UNTS Bd. 1120, 323, in Kraft getreten am 9.12.1978: „Each member for

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grenzüberschreitenden Bewegungen von Wanderarbeitnehmern festgelegt worden. Nach Art. 4 der Wanderarbeitnehmerkonvention der ILO von 194944 sollen die Vertragsstaaten innerhalb ihres Hoheitsgebietes Maßnahmen ergreifen, „to facilitate the departure, journey and reception of migrants for employment“.45 Ein Recht auf Ausreise aus dem Heimatland und das Recht auf Einreise gewährt Wanderarbeitnehmern das Europäische Übereinkommen über die Rechtsstellung der Wanderarbeitnehmer von 1977,46 wobei das Recht auf Einreise an die Bedingung geknüpft ist, dass der Wanderarbeitnehmer zuvor die Arbeitserlaubnis des Einreisestaates erhalten hat und im Besitz der erforderlichen Papiere ist (Art. 4). Diese Ein- und Ausreiserechte stehen weiterhin unter dem Vorbehalt gesetzlich vorgesehener Einschränkungen aus Gründen des Schutzes der Staatssicherheit, der öffentlichen Ordnung, der öffentlichen Gesundheit und der Sittlichkeit. Als Teil der den Diplomaten und Konsularbeamten durch die Wiener Übereinkommen über diplomatische und konsularische Beziehungen von 1961 bzw. 196347 eingeräumten Vorrechte und Befreiungen werden diesen zwar kein generelles Einreiserecht – die Einreise bedarf der vorherigen Zustimmung des Empfangsstaates48 – aber doch wichtige Erleichterungen bei der Einreise gewährt. So ist den Botschafts- und Konsulatsangehörigen die Einfuhr nicht nur von Gegenständen für den amtlichen, sondern auch von Gegenständen für den persönlichen Gebrauch which this Convention is in force undertakes to respect the basic human rights of all migrant workers“. 44 Übereinkommen Nr. 97 vom 1.7.1949 über Wanderarbeiter, UNTS Bd. 120, 71/ BGBl. 1959 II, 87; siehe dazu auch die inhaltlich der Konvention entsprechende Migration for Employment Empfehlung vom selben Tag, ILO, International Labour Conventions and Recommendations 1919–1981, 1982, 797. 45 Dagegen befasst sich die Konvention zum Schutz der Rechte von allen Wanderarbeitnehmern und ihren Familienmitgliedern vom 18.12.1990, UNTS Bd. 2220, 3 mit der den Wanderabreitnehmern zustehenden Menschenrechten. Das Recht auf Einreise wird explizit nicht erwähnt. 46 Europäisches Übereinkommen über die Rechtsstellung der Wanderarbeitnehmer vom 24.11.1977, ETS Nr. 93, in Kraft getreten am 1.5.1983; das Übereinkommen ist von 11 Staaten ratifiziert, weitere 4 Staaten, darunter Deutschland, haben das Übereinkommen nur unterzeichnet (Stand: 13.4.2015). 47 Wiener Übereinkommen über Diplomatische Beziehungen vom 18.4.1961 (WÜD), UNTS Bd. 500, 95/BGBl. 1964 II, 959; Wiener Übereinkommen über Konsularische Beziehungen vom 24.4.1963 (WÜK), UNTS Bd. 596, 261/BGBl. 1969 II, 1588. 48 So erteilt bspw. der Empfangsstaat dem vom Entsendestaat benannten Botschafter das Agrément. Sodann erfolgt die Notifizierung der bevorstehenden Einreise des Botschafters. Bei seiner Einreise legt er seinen Diplomatenpass vor. Mit diesem Zeitpunkt beginnt der Schutz der dem Diplomaten zukommenden Vorrechte und Befreiungen, vgl. dazu näher Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 1989, 268 ff.

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gestattet. Zusätzlich sind die Botschafts- und Konsulatsangehörigen von allen Zöllen, Steuern und ähnlichen Abgaben – mit Ausnahme bestimmter Gebühren für Einlagerung, Beförderung und ähnliche Dienstleistungen – befreit (Art. 36 Abs. 1 WÜD/Art. 50 Abs. 1 WÜK). Insbesondere für den Grenzübertritt wichtig ist – von Ausnahmen abgesehen49 – die Befreiung von der Kontrolle des persönlichen Gepäcks (Art. 36 Abs. 2 WÜD/Art. 50 Abs. 2 WÜK). Für die zum Haushalt eines Diplomaten bzw. Konsularbeamten gehörenden Familienmitglieder gelten diese Befreiungen entsprechend, es sei denn, sie sind Angehörige des Empfangsstaates (Art. 37 WÜD/Art. 53 Abs. 2 WÜK). Die Vorrechte und Befreiungen werden auch bei der Durchreise durch Drittstaaten (Art. 40 WÜD/Art. 54 WÜK) gewährt. Vertreter internationaler Organisationen, staatliche Repräsentanten bei internationalen Organisationen und Personen, die anderweitig im Auftrag internationaler Organisationen in oder durch bestimmte Staaten reisen, genießen im Wesentlichen entsprechende Vorrechte und Befreiungen.50 Hinzuweisen ist schließlich auf – allerdings beschränkte – Regelungen für größere Freizügigkeit im Rahmen des Allgemeinen Übereinkommens über den Handel mit Dienstleistungen (GATS).51 Gemäß der Anlage zum grenzüberschreitenden Verkehr natürlicher Personen, die im Rahmen des Übereinkommens Dienstleistungen erbringen, – diese Anlage bildet gemäß Art. XXIX GATS einen wesentlichen Bestandteil des Übereinkommens – gilt diese für „Maßnahmen betreffend natürliche Personen, die Dienstleistungserbringer eines Mitglieds sind, sowie für natürliche Personen, die von einem Dienstleistungserbringer eines Mitglieds in Bezug auf die Erbringung einer Dienstleistung beschäftigt werden.“ Diese weitgefasste Bestimmung des Kreises der von der Geltung der Anlage Begünstigten wird allerdings wiederum dahingehend eingeschränkt, dass „das 49 Die Ausnahmen greifen, wenn „triftige Gründe für die Vermutung vorliegen, dass [das Gepäck] Gegenstände enthält, für welche die in Absatz 1 erwähnten Befreiungen nicht gelten oder deren Ein- oder Ausfuhr nach dem Recht des Empfangsstaates verboten oder durch Quarantänevorschriften geregelt ist. In solche fällen darf die Kontrolle nur in Anwesenheit des Diplomaten oder seins ermächtigten Vertreters stattfinden“ (Art. 36 Abs. 2 WÜD). 50 Siehe dazu das Wiener Übereinkommen über die Vertretung von Staaten in ihren Beziehungen zu internationalen Organisationen universellen Charakters vom 14.3.1975, UN Doc. A/CONF.67/16, welches jedoch aufgrund einer noch fehlenden Ratifikation bis zu der Erforderlichen Anzahl von 35 Ratifikationen, noch nicht in Kraft getreten ist (Stand: 13.4.2015); vgl. ferner den Überblick zur Entwicklung und zum Stand dieser Rechtslage Möldner, International Organizations or Institutions, Privileges and Immunities, in: MPEPIL, Rn. 2 ff. insb. 32 ff. m.w.N. (Stand: Mai 2011); kurz auch Kau, in: Graf Vitzthum/Proelß (Hrsg.), Völkerrecht, 6. Aufl. 2013, Rn. 73. 51 Allgemeines Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen vom 15.4.1994, ILM 33 (1994), 44/BGBl. 1994 II, 1643.

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Übereinkommen […] weder für Maßnahmen betreffend natürliche Personen, die sich um Zugang zum Beschäftigungsmarkt eines Mitgliedes bemühen, noch für Maßnahmen, welche für die Staatsangehörigkeit, den Daueraufenthalt oder die Dauerbeschäftigung betreffen“ gilt.52 Eine weitere Einschränkung der vom GATS im Grundsatz angestrebten Freizügigkeit ergibt sich daraus, dass die Mitgliedstaaten in Übereinstimmung mit den Teilen III und IV des GATS spezifische Verpflichtungen, d.h. Verpflichtungen für bestimmte Dienstleistungssektoren, verhandeln können, die den „grenzüberschreitenden Verkehr aller Kategorien von natürlichen Personen betreffen, die Dienstleistungen nach dem Übereinkommen erbringen. Natürliche Personen, für die eine spezifische Verpflichtung gilt, erhalten die Erlaubnis, die Dienstleistung im Einklang mit den Bedingungen der betreffenden Verpflichtung zu erbringen“ (Anlage Abs. 3).53 Mit anderen Worten, die natürlichen Personen im Rahmen des Übereinkommens und speziell der Anlage zum grenzüberschreitenden Verkehr natürlicher Personen gewährte Freizügigkeit unterliegt in erheblichem Maß mitgliedsstaatlichen Regelungsvorbehalte – ein deutlicher Hinweis auf das Spannungsverhältnis zwischen dem Bedürfnis nach Liberalisierung des grenzüberschreitenden Personenverkehrs einerseits und dem staatlichen Interesse an Kontrolle über den grenzüberschreitenden Personenverkehr andererseits.54 Die staatsbezogene Ausrichtung der Freizügigkeitsregelungen im Rahmen

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Anlage zum grenzüberschreitenden Verkehr natürlicher Personen, die im Rahmen des Übereinkommens Dienstleistungen erbringen, ILM 33 (1994), 69/BGBl. 1994 II, 1658; Hervorhebung vom Verf. 53 ILM 33 (1994), 69/BGBl. 1994 II, 1658; Hervorhebung vom Verf. 54 In vorliegenden Fall lag diesem Spannungsverhältnis der Konflikt zwischen den Entwicklungsländern und den westlichen Industriestaaten, namentlich den USA, zugrunde. Während der Verhandlungen der Uruguay-Runde über das GATS forderten die Entwicklungsländer, dass die Liberalisierung des Handels mit Dienstleistungen ein hohes Maß an Freizügigkeit gerade auch für weniger qualifizierte Personen einschließen sollte, um den Entwicklungsländern eine wirksamere Teilnahme an der Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen zu sichern. Demgegenüber beharrten die Industrieländer auf einer restriktiven Freizügigkeitsregelung aus der Furcht, dass eine zu liberale Freizügigkeitsregelung zu einer ungezügelten Einwanderung minder qualifizierter Personen führen könnte. Die komplizierte Regelung der Anlage zum grenzüberschreitenden Verkehr natürlicher Personen ist das Ergebnis eines Kompromisses, der jedenfalls einen teilweisen Verhandlungserfolg für die Entwicklungsländer gebracht hat. Vgl. zum Vorstehenden Koehler, Das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen, 1999, 184 ff.; ausführlich dazu Reyna, in: Stewart (Hrsg.), The GATT Uruguay Round, A Negotiating History, Bd. II, 1994, 2335, 2367 ff.; Croome, Reshaping the world trading system: a history of the Uruguay Round, 1995, 314 f.

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des GATS zeigt sich auch daran, dass diese Regelungen keine subjektiven Rechte für die einzelnen Dienstleister begründen.55 II. Stärkere Liberalisierung des grenzüberschreitenden Personenverkehrs durch regionale Verträge Stärkere Liberalisierungen des grenzüberschreitenden Personenverkehrs als auf der weltweiten Ebene enthalten eine Reihe von multilateralen Verträgen auf regionaler Ebene. Die größere Bereitschaft der Staaten, sich auf regionaler Ebene für den grenzüberschreitenden Personenverkehr zu öffnen, beruht darauf, dass die klassischen, von der Souveränität bestimmten zwischenstaatlichen Beziehungen – wenn auch mit unterschiedlicher Intensität – von regionalen Integrationsgemeinschaften überlagert worden sind. Die mit der Bildung solcher Gemeinschaften einhergehende Beschränkung der staatlichen Souveränität wirkte sich auch auf den Bereich des grenzüberschreitenden Personenverkehrs dahingehend aus, dass die Staaten der Freizügigkeit im Integrationsbereich zunehmend mehr Raum gaben. Die entsprechenden vertraglichen Regelungen zeigen allerdings auch, dass – je nach Integrationsdichte – auf der regionalen Ebene die Staaten weiterhin auf mehr oder weniger weitreichende nationale Regelungsvorbehalte im Hinblick auf die Steuerung und Kontrolle des grenzüberschreitenden Personenverkehrs bestehen. Insbesondere die Vereinigten Staaten von Amerika hatten angesichts eines starken Einwanderungsdrucks gerade durch weniger qualifizierte Arbeitsuchende bei den Verhandlungen über das GATS auf restriktive Freizügigkeitsregelungen gedrungen. Konnten sich die Vereinigten Staaten von Amerika bei diesen Verhandlungen nur teilweise durchsetzen, so trägt das von Kanada, Mexiko und den Vereinigten Staaten im Jahr 1992 geschlossene Nordamerikanische Freihandels Abkommen (NAFTA)56 in dieser Hinsicht deutlich die US-amerikanische Handschrift. Bereits die Überschrift des 16. Kapitels des NAFTA („Temporary Entry for Business Persons“) weist auf den restriktiven Ansatz für die Freizügigkeitsregelungen hin. Wie schon in GATS-Verhandlungen vorgeschlagen, ist es das Ziel, die Liberalisierung des grenzüberschreitenden Personenverkehrs auf eine bestimmte Gruppe, nämlich auf Staatsangehörige der Parteien zu beschränken, die qualifizierte

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Ausführlich dazu auch Koehler, Das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen, 1999, 203 ff.; in diesem Sinne auch die EG in der Einleitung zur Liste der spezifischen Verpflichtungen der Europäischen Gemeinschaft und ihrer Mitgliedstaaten, BGBl. 1994 II, 1678. 56 North Atlantic Free Trade Agreement, ILM 32 (1993), 664.

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wirtschaftliche Transaktionen57 im Hoheitsgebiet der anderen Parteien erbringen, ohne dort einen dauerhaften Aufenthalt anzustreben (Art. 1608 NAFTA). Darüber hinaus durchziehen sehr detaillierte Schrankenregelungen das 16. Kapitel. So werden bereits im einleitenden Art. 1601 NAFTA die allgemeinen Prinzipien, welche die Ziele des Kapitels umreißen, wie folgt beschrieben: „[…] this Chapter reflects the preferential trading relationship between the Parties, the desirability of facilitating entry on a reciprocal basis and of establishing transparent criteria and procedures for temporary entry, and the need to ensure border security and to protect the domestic labor force and permanent employment in their respective territories.“58 Der von den Parteien gewünschten Erleichterung der Einreise dient die in Art. 1602 Abs. 1 NAFTA festgelegte allgemeine Verpflichtung der Parteien, ihre diesbezüglichen Maßnahmen in Übereinstimmung mit Art. 1601 NAFTA zu ergreifen und insbesondere diese Maßnahmen rasch umzusetzen, um den Handel mit Gütern, Dienstleistungen oder Investitionen ungebührlich zu beeinträchtigen oder aufzuhalten. Doch dann folgen neben ausführlichen prozeduralen Vorschriften auch nachhaltige Vorbehalte zum Gesundheitsschutz und zum Schutz der nationalen Sicherheit sowie Ermächtigungen für die Parteien, die nach wie vor erforderlichen Einreisedokumente zu verweigern (z.B. Art. 1603 NAFTA). Die mit diesen Einschränkungen der Freizügigkeit verbundenen Nachteile für den einzelnen Dienstleister oder Investor sollen dadurch abgemildert werden, dass zum einen die Parteien sich untereinander über ihre jeweiligen Einreisebedingungen eingehend informieren sollen (Art. 1604 NAFTA), und zum anderen Einreiseverweigerungen einem Streitbeilegungsverfahren unterliegen, mit anderen Worten, dass eine rechtsförmige Kontrolle über das Verhalten der Parteien vorgesehen ist (Art. 1606 NAFTA). Subjektive Rechte der einzelnen Dienstleister oder Investoren werden mit diesen Streitbeilegungsregelungen ebenso wenig begründet wie durch die gewährten Einreiseerleichterungen. Insgesamt zeigt sich, dass das NAFTA die Liberalisierung des grenzüberschreitenden Personenverkehrs allein als ein Instrument der Entfaltung eines umfassenderen Marktes zum Ziel hat, nicht aber eine darüber hinausgehende Integration des Kontinents, wie dies in Europa der Fall ist und wie es auch in dem Gründungsvertrag der Wirtschaftsgemeinschaft Westafrikanischer Staaten (ECOWAS)59 zumindest als Ziel festgelegt wurde.

57

Siehe dazu die Definitionen und Auflistungen in Art. 1603 Abs. 1 NAFTA in Verbindung mit Annex 1603 und Appendix 1603.A.1. 58 Hervorhebungen vom Verf. 59 Siehe Treaty of the Economic Community of West African States (ECOWAS) vom 28.5.1975; UNTS Bd. 1010, 17.

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Art. 40 des Gründungsvertrages von ECOWAS aus dem Jahr 1975 konkretisierte das Ziel der Liberalisierung des Personenverkehrs: „Member States undertake to evolve gradually common transport and communications policies through the improvement and expansion of their existing transport and communications links and the establishment of new ones as a means of furthering the physical cohesion of the Member States and the promotion of greater movement of persons, goods and services within the Community.“60 Zur Ausfüllung dieses allgemein formulierten Zieles wurde 1979 das Protokoll über den freien Personenverkehr, den Aufenthalt und die Niederlassung verabschiedet,61 welches umfassende Liberalisierungen zur Errichtung eines einheitlichen Wirtschaftsraumes für alle Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten vorsieht. Konkret ist dem bisher lediglich die Abschaffung der Visumspflicht für Einreisewillige gefolgt.62 Bemerkenswert bleibt jedoch, dass bereits dieser Liberalisierungsansatz umfassender ist als derjenige von NAFTA, da in Art. 40 als Ziel die Förderung des Zusammenhalts der Mitgliedstaaten und der Freizügigkeit der Menschen in der Gemeinschaft, also eine vertiertere Integration genannt wird. Der revidierte ECOWAS-Vertrag aus dem Jahr 199363 geht über die ersten Liberalisierungsansätze des Gründungsvertrages noch hinaus. Das neunte Kapitel des revidierten Vertrages enthält Regelungen zur Gründung und Vollendung einer Wirtschafts- und Währungsunion nach dem Vorbild der EU. Das Recht auf Freizügigkeit innerhalb von ECOWAS ist in Art. 59 Abs. 1 des revidierten Vertrages enthalten: „Citizens of the Community shall have the right of entry, residence and establishment, and Member States undertake to recognise these rights of Community citizens in their territories in accordance with the provisions of the Protocols relating thereto.“ Zwar sind in der Praxis bislang keine wesentlichen Fortschritte in Richtung auf eine allgemeine Freizügigkeit in der ECOWAS erreicht worden.64 Trotzdem bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten.

60

Hervorhebung vom Verf. Protocol Relating to Free Movement of Persons, Residence, and Establishment vom 29.5.1979, ECOWAS Doc. A/P.1/5/79, abgedruckt in: Official Journal of the ECOWAS, Bd. 1, 1979, 3; ergänzt durch das Supplementary Protocol on the Second Phase (Right to Residence) vom 1.7.1986, ECOWAS Doc. A/SP.1/7/86, abgedruckt in: Official Journal of the ECOWAS, Bd. 9, 1986, 1. 62 Koehler, Das Allgemeine Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen, 1999, 176. 63 Treaty of the Economic Community of West African States (ECOWAS) vom 24.7.1993; UNTS Bd. 2373, 233. 64 Siehe Touzenis, Free Movement of Persons in the European Union and Economic Community of West African States, 2012, 114 ff. 61

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Im Rahmen des Europarates wurde am 13. Dezember 1955 das Europäische Niederlassungsabkommen (ENA) geschlossen.65 In Art. 1 vereinbarten die Vertragsstaaten,66 „den Staatsangehörigen der anderen Vertragsstaaten die Einreise in [ihr] Gebiet zu vorübergehendem Aufenthalt [zu] erleichtern und ihnen in [ihrem] Gebiet Freizügigkeit [zu] gewähren“ allerdings mit dem Vorbehalt, dass „nicht Gründe der öffentlichen Ordnung, der Sicherheit, der Volksgesundheit oder der Sittlichkeit entgegenstehen.“ Ergänzt wurde dieses Abkommen durch das Europäische Übereinkommen über die Regelung des Personenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates (EuRatPVerkÜbk) vom 13. Dezember 1957.67 Nach dessen Art. 1 können die Staatsangehörigen der Vertragsparteien ohne Rücksicht darauf, in welchem Staat sie wohnhaft sind, mit einem in der Anlage zum Übereinkommen aufgeführten Dokument68 über alle Grenzen in das Hoheitsgebiet der anderen Parteien einreisen und von dort auch wieder ausreisen. Jedoch gilt diese Regelung nur für Aufenthalte von einer Dauer von bis zu drei Monaten (Art. 1 Abs. 2 EuRatPVerkÜbk).69 Auch können die Vertragsstaaten für den Fall, dass der Einreisende eine Erwerbstätigkeit auszuüben beabsichtigt, die Vorlage eines gültigen Reisepasses und eines Visums verlangen. Schließlich haben die Parteien das Recht, unerwünschten Personen die Einreise zu verweigern (Art. 6 EuRatPVerk Übk). Einreiseerleichterungen ähnlicher Art enthält auch das Europäische Übereinkommen über den Reiseverkehr von Jugendlichen mit Kollektivpass zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates.70 Mit der wachsenden Zahl der Mitglieder und der Entfaltung der Rechtsordnung der Europäischen Union, die umfassende Liberalisierungen des grenzüberschreitenden Personenverkehrs in Kraft gesetzt

65

ETS Nr. 19/UNTS Bd. 529, 141/BGBl. 1959 II, 998. Dies sind Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Dänemark, Griechenland, Irland, Italien, Luxemburg, die Niederlande, Norwegen, Schweden, die Türkei und das Vereinigte Königreich (Stand: 10.4.2015). 67 ETS Nr. 25/UNTS Bd. 315, 140/BGBl. 1959 II, 390. 68 Die Anforderungen der einzelnen Vertragsstaaten sind unterschiedlich. In einigen Ländern wird ein gültiger oder seit weniger als 5 Jahren abgelaufener Reisepass oder gültige Personalausweise bzw. Identitätskarten gefordert. Für Kinder und Jugendliche gelten besondere Bestimmungen, siehe dazu die Anlage zum Übereinkommen über die Regelung des Personenverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates; ETS Nr. 25/UNTS Bd. 315, 150/BGBl. 1959 II, 395. 69 Gemäß Art. 7 EuRatPVerkÜbk können die Parteien aus Gründen der öffentlichen Ordnung der öffentlichen Sicherheit oder der Volksgesundheit gegenüber allen oder einzelnen Parteien vorübergehend die Anwendung des Übereinkommens – mit Ausnahme des Artikels aussetzen. 70 Europäisches Übereinkommen über den Reiseverkehr von Jugendlichen mit Kollektivpass zwischen den Mitgliedstaaten des Europarates vom 16.12.1961, ETS Nr. 37. 66

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hat, haben die im Rahmen des Europarates geschaffenen Vertragswerke heute allerdings an Bedeutung verloren. Dagegen wurde auf subregionaler Ebene, nämlich von den skandinavischen Staaten, eine ebenfalls auf intergouvernementaler Zusammenarbeit beruhende Gemeinschaft von hoher Integrationsdichte geschaffen, in deren Rahmen eine weitreichende Freizügigkeit aufgrund des Übereinkommens zwischen Dänemark, Finnland, Norwegen und Schweden von 1954 über einen Gemeinsamen Arbeitsmarkt71 vereinbart wurde. Die Mitgliedstaaten, zu denen im Jahre 1982 Island hinzukam, verpflichteten sich, den Staatsangehörigen der jeweils anderen Mitgliedstaaten eine visumsfreie Einreise sowie das Recht zu gewähren, auf ihrem Hoheitsgebiet als Selbständige oder Beschäftigte tätig zu werden, ohne eine Arbeitserlaubnis zu fordern. Beschränkungen des grenzüberschreitenden Personenverkehrs sind im Hinblick auf die regionale Ausgewogenheit, die Beschäftigungspolitik und die wirtschaftliche Stabilität zulässige Einschränkungen, die praktisch die Freizügigkeit nicht wesentlich beeinträchtigt haben, wie die hohe Zahl der Arbeitsmigranten zeigt.72 Ähnlich wie im Fall der oben genannten Freizügigkeitsregelungen im Rahmen des Europarates haben die Regelungen des Nordischen Gemeinsamen Arbeitsmarktes nach dem Beitritt der skandinavischen Staaten (außer Norwegen und Island) heute an Bedeutung verloren.73 Dass die umfassende Liberalisierung des grenzüberschreitenden Personenverkehrs ganz wesentlich von der Integrationsdichte regionaler Staatengemeinschaften und den daraus folgenden strukturellen Beschränkungen der einzelstaatlichen Souveränität geprägt wird, beweist das Beispiel der heute 28 Staaten umfassenden Europäischen Union (EU). Den Kern der Freizügigkeitsregelungen für die EU bilden die Regelungen über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer (Art. 45 ff. AEUV), die Niederlassungsfreiheit (Art. 49 ff. AEUV) und den freien Dienstleistungsverkehr (Art. 56 ff. AEUV). Doch hat sich diese zunächst bereichsspezifische Freizügigkeitsgewährung („Mobilität 71

Agreement between Denmark, Finland, Norway and Sweden concerning a Common Labour Market von 1954, abgedruckt in: Sauvant/Weber (Hrsg.), The International Legal Framework for Services, 1992, Booklet 21, 103. 72 Seit 1954 haben mehr als eine Million Arbeitnehmer von der Möglichkeit, in einen anderen Mitgliedstaat einzureisen, Gebrauch gemacht, siehe dazu Cameron, Nordic Cooperation, in: MPEPIL, Rn. 17 (Stand: September 2009). 73 Der Nordische Gemeinsame Arbeitsmarkt galt als das Kernstück der nordischen Kooperation, die nach dem EU-Beitritt der meisten skandinavischen Staaten nicht als eine Alternative zur gesamteuropäischen Integration, sondern als eine wichtige Ergänzung dazu angesehen wurde. Die stetig fortschreitende europäische Integration stellt jedoch heute zumindest die formelle Relevanz der nordischen Kooperation in Frage, vgl. hierzu Cameron, Nordic Co-operation, in: MPEPIL, Rn. 16 und 25 (Stand: September 2009).

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des Produktionsfaktors Arbeit“)74 durch Erweiterungen des primären und sekundären Unionsrechts zu einer umfassenden, jedoch auch nicht schrankenlosen Freiheit des grenzüberschreitenden Personenverkehrs entwickelt. Der ursprünglich rein marktorientierten Ausrichtung der Freizügigkeitsrechte wuchs eine soziale und damit letztlich eine menschenrechtliche Komponente als Bestandteil der schließlich eingeführten Unionsbürgerschaft zu.75 Ausgangspunkt dieser Entwicklung war die Tatsache, dass nicht nur große Zahlen von Arbeitnehmern von der ihnen gewährten Freizügigkeit Gebrauch machten, sondern auch das ihnen ebenfalls eingeräumte Verbleiberecht (Art. 45 Abs. 3 lit. d AEUV) nutzten, womit sich das Problem des Nachzugs der Familienangehörigen der Wanderarbeitnehmer stellte. Die Antwort hierauf war der Erlass der Verordnung Nr. 1612/68 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Gemeinschaft vom 15. Oktober 1968.76 Sie wurde durch die Verordnung Nr. 492/2011 über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer innerhalb der Union vom 5. April 201177 ersetzt. Die Verordnung, die in ihrem 4. Erwägungsgrund explizit auf die Freizügigkeit als Grundrecht der Arbeitnehmer und ihrer Familien verweist, legt dessen konkrete Ausgestaltung (Art. 1 ff.), seine Erstreckung auf Familienangehörige (Art. 10 ff.) und als wichtigstes „Begleitrecht“78 durchgehend das Verbot der Diskriminierung des Arbeitnehmers im Mitgliedstaat seiner Beschäftigung fest. Historisch betrachtet bestand die bedeutendste Neuerung der europäischen Regelungen zur Freizügigkeit darin, dass in klarem Unterschied zu den zuvor angeführten weltweiten und regionalen Vertragsnormen die Freizügigkeitsregelungen als unmittelbar anwendbares Recht konzipiert wurden und damit auch subjektive Rechte des einzelnen Arbeitnehmers begründeten.79 Beschränkungen der Freizügigkeit sind nach Art. 45 Abs. 3 AEUV aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit zulässig. Darüber hinaus gelten die 74

So Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl. 2014, § 27 Rn. 1. Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl. 2014, § 27 Rn. 3; Hailbronner, Die Freizügigkeit im Spannungsfeld zwischen Staatsräson und europäischem Gemeinschaftsrecht, DÖV 1978, 857 ff.; zur Freizügigkeit im Bereich der EU siehe auch Chalmers/ Davies/Monti, European Unions Law, 3. Aufl. 2014, 475 ff. 76 ABl. Nr. L 257/2 vom 19.10.1968; ber. ABl. Nr. L 295/12 vom 7.12.1968, zuletzt geändert durch Richtlinie 2004/38/EG vom 29.4.2004, ABl. Nr. L 158/77 vom 30.4.2004; ber. ABl. Nr. L 229/35 vom 29.6.2004. 77 ABl. Nr. L 141/1 vom 27.5.2011. 78 So der treffende Terminus bei Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl. 2014, § 27 Rn. 7. 79 Siehe allgemein zur unmittelbaren Anwendbarkeit Streinz, Europarecht, 9. Aufl. 2012, Rn. 448 ff. und 848, jeweils mit Hinweisen auf die einschlägige Rechtsprechung des EuGH. 75

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Arbeitnehmer-Freizügigkeitsregelungen nach Art. 45 Abs. 4 AEUV nicht für Beschäftigte in der öffentlichen Verwaltung.80 Ergänzt wird die Verordnung Nr. 492/2011 durch die Richtlinie 2004/38/EG (Unionsbürger-Richtlinie),81 in der die Bedingungen, unter denen Unionsbürger und ihre Familienangehörigen das Recht auf Freizügigkeit und Aufenthalt innerhalb des Hoheitsgebiets der Mitgliedsstaaten genießen (Art. 1 lit. a), das Recht auf Daueraufenthalt der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten (Art. 1 lit. b) sowie die Beschränkungen dieser Rechte (Art. 1 lit. c) geregelt sind. Die Richtlinie 2004/38/EG ersetzte drei Spezialrichtlinien für Studenten, für aus dem Erwerbsleben ausgeschiedene Arbeitnehmer und Selbständige sowie für sonstige Nichterwerbstätige.82 Die neue Richtlinie führte einen einheitlichen Unionsbürgerstatus ein, der unter gewissen Voraussetzungen, namentlich dem Nachweis ausreichender finanzieller Mittel zur Sicherstellung der Existenz und dem Vorliegen von Krankenversicherungsschutz, auch nichterwerbs-

80

Maßgeblich für die nähere Bestimmung des Bereichs der „öffentlichen Verwaltung“ ist nicht das insoweit unterschiedliche nationale Recht. Zur Wahrung der einheitlichen Auslegung des Begriffs der öffentlichen Verwaltung liegt letztlich die Definitionsmacht insoweit bei den zuständigen Organen der Union, insbesondere beim EuGH. Danach ist der Begriff eng auszulegen, so dass die Ausnahmeregelung des Art. 45 Abs. 4 AEUV nur für Beschäftigte gilt, die „mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse und mit der Verantwortung für die Wahrung der allgemeinen Belange des Staates betraut sind,“ so der EuGH; Urteil vom 17.12.1980, Rs. 149/79 – Kommission/Belgien, Slg. 1980, 3881, 3901, also namentlich Justiz, Polizei, Militär, Steuerverwaltung o.ä.; dazu näher Oppermann/Classen/ Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl. 2014, § 27 Rn. 26; Plender (Hrsg.), Cases and Materials on the Law of the European Communities, 2. Aufl. 1989, 305 ff.; Streinz, Europarecht, 9. Aufl. 2012, Rn. 902. 81 Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.4.2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Angehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedsstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG; ABl. Nr. L 158/77 vom 30.4.2004; ber. ABl. Nr. L 229/35 vom 29.6.2004. Die Richtlinie wurde in Deutschland durch das Freizügigkeitsgesetz/EU umgesetzt, BGBl. 2004 I 1986; zuletzt geändert durch Art. 1 des Gesetzes vom 2.12.2014, BGBl. 2014 I 1922. Zur Richtlinie siehe Hailbronner, Neue Richtlinie zur Freizügigkeit der Unionsbürger, ZAR 2004, 259. 82 Richtlinie 90/364, ABl. Nr. L 180/26 vom 13.7.1990; Richtlinie 90/365, ABl. Nr. L 180/28 vom 13.7.1990; Richtlinie 93/96, ABl. Nr. L 317/59 vom 18.12.1993; dazu Hailbronner, Neue Richtlinie zur Freizügigkeit der Unionsbürger, ZAR 2004, 259, 260 ff.; kurz auch Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl. 2014, § 27 Rn. 13.

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tätigen Unionsbürgern und Studenten ein grundsätzliches Aufenthaltsrecht einräumt.83 Die praktische Realisierung des freien Personenverkehrs in einem Markt ohne Binnengrenzen erforderte konsequenterweise die grundsätzliche Abschaffung der Kontrollen an den Binnengrenzen. Ansätze in dieser Richtung gab es bereits in den 1970er Jahren.84 So wurden die von den Mitgliedstaaten auszustellenden Reisepässe in Form und Farbe vereinheitlicht, mit anderen Worten, es wurde eine „Passunion“ mit dem Ziel hergestellt, äußerlich sichtbar die Gemeinschaft als das „Europa der Bürger“ auszuweisen.85 Die entscheidenden Schritte für die Konstituierung der Gemeinschaft als „Raum ohne Binnengrenzen“ wurden mit der Einfügung einer entsprechenden Bestimmung in den EGV durch die Einheitliche Europäische Akte von 1986 (heute Art. 26 Abs. 2 AEUV) und die Schaffung der Unionsbürgerschaft durch den Vertrag von Maastricht (heute Art. 20 AEUV) unternommen. Dennoch konnte die Gemeinschaft hinsichtlich der Abschaffung aller Kontrollen an den Binnengrenzen – vornehmlich aus Sicherheitsgründen – keine Einigung erreichen. In der Folge schlossen Deutschland, Frankreich und die Beneluxländer 1985 ein völkerrechtliches Abkommen über die Grenzöffnung, das sog. Schengener Abkommen I, das mit dem Durchführungsabkommen von 1990 (Schengener Abkommen II)86 näher ausgeführt und weiterentwickelt wurde. Dabei ging es vor allem darum, die mit der Abschaffung der Binnengrenzkontrollen verbundenen Sicherheitsrisiken dadurch zu vermindern, dass zum einen die grenzpolizeilichen Aufgaben an den Außengrenzen zu einer gemeinsamen Aufgabe der Vertragsparteien erhoben wurden, und zum anderen die polizeiliche Zusammenarbeit insgesamt

83

Hailbronner, Neue Richtlinie zur Freizügigkeit der Unionsbürger, ZAR 2004, 259, 262; Becker, in: Ehlers (Hrsg.), Europäische Grundrechte und Grundfreiheiten, 4. Aufl. 2014, § 9 Rn. 2. 84 Vgl. dazu Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl. 2014, § 16 Rn. 2 f. 85 Siehe dazu die Ministerratsbeschlüsse vom 23.6.1981, ABl. Nr. C 141/1 und 30.6.1982, ABl. Nr. C 179/1; auch Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl. 2014, § 16 Rn. 6. 86 Siehe Übereinkommen zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (Schengener Abkommen I) vom 14.6.1985, GMBl. 1986, 79 ff.; Übereinkommen zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14.6.1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen (Schengener Durchführungsübereinkommen ! SDÜ) vom 19.6.1993, BGBl. 1993 II, 1010 ff.

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verbessert wurde.87 Den Schengener Abkommen sind im Laufe der Jahre alle EUMitgliedstaaten, bis auf Großbritannien, Irland und Zypern, beigetreten. 1997 wurde der sog. „Schengen-Acquis“, d.h. die Regelungen der beiden Schengener Abkommen sowie die auf ihrer Grundlage erlassenen Regelungen, durch ein Protokoll zum Vertrag von Amsterdam in das Unionsrecht übernommen.88 Für Großbritannien und Irland gilt die Sonderregelung, wonach sie den SchengenAcquis „mit Billigung des EU-Rates ganz oder teilweise übernehmen und sich an seiner Weiterentwicklung beteiligen“ können.89 Für Bulgarien, Rumänien und Kroatien gilt das Schengen Acquis vorerst nur teilweise. Neben den genannten EU-Mitgliedstaaten haben die Nicht-EU-Mitgliedstaaten Norwegen, Island, die Schweiz und Liechtenstein die Abkommen ratifiziert; sie gehören damit ebenfalls zu den sog. Schengen-Staaten. Insgesamt zeigt sich, dass die Staatenpraxis weltweit wie regional Fortschritte in Richtung auf eine stärkere Liberalisierung der Regelungen des grenzüberschreitenden Personenverkehrs gemacht hat. Doch wird auch deutlich, dass selbst innerhalb regionaler Integrationsgemeinschaften, die im internationalen Vergleich die weitestgehenden Liberalisierungen vorgenommen haben, das staatliche Interesse, die Letztentscheidung über die Einreise fremder Staatsangehöriger, zumindest aus Gründen der nationalen Sicherheit, der Gesundheit und in Krisenlagen auch zugunsten der Arbeitsmarktstabilität, zu behalten, weiterhin eine wichtige Rolle spielt.90

87

Dazu Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl. 2014, § 33 Rn. 66 ff. Protokoll zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstandes in den Rahmen der Europäischen Union (Protokoll Nr. B1, ABl. Nr. C 340/93 vom 10.11.1997). 89 Siehe Auswärtiges Amt, Schengener Übereinkommen und Schengener Durchführungsabkommen (Stand:12.12.2013), abrufbar unter: http://www.auswaertiges-amt.de/ DE/EinreiseUndAufenthalt/Schengen_node.html (letzter Zugriff: 9.4.2015); siehe auch Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl. 2014, § 32 Rn. 28. Der in Art. 29 EUV a.F. in Verbindung mit Art. 39 ff. des Schengener-Abkommen II vereinbarten verstärkten polizeilichen Zusammenarbeit diente die Gründung von „Europol“ durch das Übereinkommen über ein Europäisches Polizeiamt vom 26.7.1995, ABl. Nr. C 316/1 vom 27.11.1995, das inzwischen durch Ratsbeschluss 2009/371/1 vom 6.4.2009, ABl. Nr. L 121/37 vom 15.5.2009 ersetzt wurde. 90 Zu den Entwicklungsperspektiven der EU-Verkehrspolitik siehe das Weißbuch der Europäischen Kommission „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“ vom 28.3.2011 KOM (2011) 144, abrufbar unter: http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUri Serv.do?uri=COM:2011:0144:FIN:DE:PDF (letzter Zugriff: 9.4.2015), das insbesondere auch die Vollendung des Verkehrsbinnenmarktes anstrebt. 88

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B. Der grenzüberschreitende Verkehr mit Kraftfahrzeugen Obwohl Millionen von Menschen täglich am grenzüberschreitenden Verkehr teilnehmen und damit den grundsätzlichen Regelungen zur Liberalisierung des grenzüberschreitenden Personenverkehrs eine wesentliche Rolle zukommt, so ist nicht zu übersehen, dass dieser grenzüberschreitende Personenverkehr nur zu einem geringen Teil zu Fuß stattfindet.91 Vielmehr werden im grenzüberschreitenden Verkehr ganz überwiegend Verkehrsmittel wie Personenkraftwagen, Lastkraftwagen, Omnibusse, Motorräder, Fahrräder, Eisenbahnen, Schiffe und Flugzeuge benutzt. Diese sind entsprechend ihrer jeweiligen technischen Auslegung auf bestimmte, gut ausgebaute und aufeinander abgestimmte Verkehrswege angewiesen und bedürfen aus Gründen der Verkehrssicherheit sowie im Interesse eines reibungslosen grenzüberschreitenden Verkehrsflusses nationaler, vor allem aber auch internationaler Regelungen. Dabei kommt den internationalen Regelungen die Funktion zu, sowohl die nationalen Verkehrsrechtsordnungen zu harmonisieren als auch die übergreifenden Bedürfnisse nach der Schaffung möglichst offener Verkehrsräume im Interesse eines intensiven grenzüberschreitenden wirtschaftlichen und im weitesten Sinne kulturellen Austausches in einer rechtsverbindlichen Ordnung zum Tragen zu bringen. Es sind im Wesentlichen vier Bereiche, die in diesem Sinne internationaler Regelung bedürfen: 1) Die Koordinierung und verbindliche Festlegung eines staatenübergreifenden Verkehrswegenetzes; 2) die Harmonisierung der Vorschriften über die Zulassung von Kraftfahrzeugen zum Straßenverkehr, über die Straßenverkehrsregeln einschließlich der Verkehrszeichen und -signale sowie über die erforderliche Fahrerlaubnis und die Haftpflicht; 3) die Festlegung der Regeln für den grenzüberschreitenden Personen- und Gütertransport sowie 4) Regelungen des den grenzüberschreitenden Kraftfahrzeugverkehr und Gütertransport betreffenden Steuer- und Zollrechts. Diesen Regelungskomplexen ist im Folgenden im Einzelnen nachzugehen.

91

Zutreffend wies von Würzen schon frühzeitig daraufhin, dass das Recht des Fußgängers, die Straßen eines fremden Staates zu benutzen, bereits durch die Einreiseerlaubnis bzw. mit der Gewährung des Aufenthaltsrechts eingeräumt wird; siehe von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 8; ebenso Mutz, Traffic and Transport, International Regulation, in: EPIL, Bd. IV, 2000, 889, 890. An die innerstaatlichen Verkehrsregeln und -zeichen des fremden Aufenthaltsstaates sind die Fußgänger – und ebenso Fahrradfahrer und Nutzer anderer nicht motorisierter Verkehrsmittel – gebunden.

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I. Die Koordinierung und Festlegung eines staatenübergreifenden Verkehrswegenetzes Die Koordinierung und international verbindliche Festlegung eines staatenübergreifenden Verkehrswegenetzes ist erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges Gegenstand internationaler Verkehrspolitik und rechtlicher Regelung geworden. Dies hat eine Reihe von Gründen. Zum einen wurde der grenzüberschreitende Landverkehr mit Kraftfahrzeugen – Personen- und Lastkraftwagen – in Europa erst aufgrund deren technischer Fortentwicklung zu einem neben dem Eisenbahnverkehr stärker ins Gewicht fallenden Transportmittel, so dass jedenfalls in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kein verbreitetes Bedürfnis nach einem sowohl geographisch als auch bautechnisch abgestimmten grenzüberschreitenden Verkehrsnetz bestand.92 Hinzu kam, dass die europäischen Staaten – dem souveränitäts- bzw. staatsbezogenen Denken der damaligen Zeit93 entsprechend – den grenzüberschreitenden Landverkehr insbesondere in den 1930er Jahren durch einschränkende nationale Regelungen beeinträchtigten.94 Dies war in Nord-, Mittel- und Südamerika anders. Dort hat viel stärker als in Europa von Anfang an der Straßenbau im Mittelpunkt des Interesses gestanden. Im Jahre 1925 wurde der erste panamerikanische Straßenkongress (Pan American Highway Congress) in Buenos Aires abgehalten und der Ausbau des Kongresses zu einer ständigen Einrichtung mit periodisch abgehaltenen Konferenzen und einer ständigen Kommission als Organ für die Erledigung der Verwaltungsgeschäfte vereinbart. Daneben hat die 1941 als nichtstaatliche Organisation gegründete Inter-American Federation of Automobile Clubs Bedeutung erlangt. Aufgrund der Zusammenarbeit der Staaten und Interessenten konnten eine Reihe von großzügigen Straßenbauprojekten durchgeführt werden. So ist 1936 der Pan-American Highway95 und 1942 der United States-Alaska Highway entstanden.96 In jüngerer 92

In den 1920er Jahren entwickelte sich der grenzüberschreitende Güterkraftverkehr und auch ein internationaler Autobusverkehr, wogegen der grenzüberschreitende PkwVerkehr noch deutlich zurückblieb; vgl. dazu von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 93; Kunz, Die Entwicklung des internationalen Verkehrsrechts seit den Friedensverträgen, ZöR 1933, 408, 438; insgesamt blieb der internationale Straßenverkehr in der Zwischenkriegszeit noch eine Randerscheinung, so etwa Basedow, Der Transportvertrag, 1987, 167. 93 Die besondere Rolle des Staates im Bereich des Verkehrssektors hebt deutlich Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, 860 f. hervor. 94 von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 93. 95 Pan American Highway Convention vom 23.12.1936, LNTS Bd. CLXXXVIII, 99, mit der die Voraussetzungen für den Bau der von den USA bis zur Südspitze Südamerikas reichenden Straße entlang der Küste des Pazifischen Ozeans (Pan-American Highway)

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Zeit haben auch Staaten aus anderen Regionen ihre Zusammenarbeit zur Herstellung grenzüberschreitender Verkehrsnetze ausgeweitet. So haben arabische Staaten am 10. Mai 2001 ein Übereinkommen über die internationalen Straßen im Arabischen Mashreq geschlossen, das am 19. Oktober 2003 in Kraft trat.97 Am 18. November 2003 schlossen asiatische Staaten ein Übereinkommen über das Asiatische Autobahnnetz, welches am 4. Juli 2005 in Kraft trat.98 Ein zweiter Grund für die verhältnismäßig späten europäischen Bemühungen um eine Koordination des grenzüberschreitenden Straßenverkehrs lag gewiss auch darin, dass militärstrategische Gesichtspunkte gegen den Ausbau eines grenzübergreifenden, abgestimmten Fernverkehrsnetzes sprachen. Ein Blick auf die älteren Landkarten zeigt, dass in den 1930er Jahren etwa in Deutschland großzügige Fernverkehrsstraßen gebaut wurden, die jedoch keine über die Grenzen des Landes hinausreichenden Anschlüsse an ebensolche Verkehrswege aufwiesen.99 Ein dritter Grund dafür, dass sich die europäischen Staaten nicht auf ein kontinentales Fernstraßennetz einigen konnten, ist in deren mangelnder Bereitschaft zu sehen, die für den Ausbau eines solchen Verkehrsnetzes erforderlichen erheblichen finanziellen Lasten gemeinsam zu tragen – ein Problem, dass auch die nach dem Zweiten Weltkrieg schließlich begonnenen Planungen eines kontinentalen

geschaffen wurden, siehe dazu auch die kurzen Erläuterungen und weiterführenden Literaturhinweise von Hudson, International Legislation, Bd. VII, 1941, 584. Regionale Planungen für staatenübergreifende Verkehrsnetze werden auch im Rahmen des Asian Highway Coordination Committee und des Trans-African Highway Coordination Committee unternommen, vgl. dazu kurz Mutz, Traffic and Transport, International Regulation, in: EPIL, Bd. IV, 2000, 889, 890. 96 Zu Vereinbarungen zwischen den Vereinigten Staaten und Kanada zu diesem Projekt siehe Mance, Frontiers, Peace Treaties and International Organization of Transport, 1946, 55 ff. 97 Agreement on International Roads in the Arab Mashreq, UNTS Bd. 2228, 371. Die derzeitigen Vertragsparteien sind Bahrain, Ägypten, Irak, Jordanien, Kuwait, Libanon, Katar, Saudi Arabien, Palästina, Sudan, die Vereinigten Arabischen Emirate und der Jemen (Stand: 13.4.2015). 98 Intergovernmental Agreement on the Asian Highway Network vom 18.11.2003, UNTS Bd. 2323, 37. Die derzeit 29 Vertragsparteien sind Afghanistan, Armenien, Aserbaidschan, Bangladesch, Bhutan, Kambodscha, China, die Demokratische Volksrepublik Korea, Georgien, Indien, Indonesien, Iran, Japan, Kasachstan, Laos, Malaysia, die Mongolei, Myanmar, Nepal, Pakistan, die Philippinen, Russland, Südkorea, Sri Lanka, Tadschikistan, Thailand, Türkei, Usbekistan und Vietnam (Stand: 13.4.2015). 99 Siehe dazu Viscontini, Les Autoroutes Européennes et la Coopération Internationale, 1972, 6 ff.

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Verkehrsnetzes immer wieder belastete. Erst die Gründung der EG brachte insoweit jedenfalls für deren Mitgliedstaaten Fortschritte.100 Gemeinsamen europäischen Verkehrsplanungen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs standen aber nicht nur die soeben genannten grundsätzlichen Widerstände, sondern auch die durch den Kalten Krieg ausgelöste politische Spaltung des europäischen Kontinents entgegen. Vor allem in den 1950er und 1960er Jahren wurde die Verkehrspolitik der europäischen Staaten in den wirtschaftlichen Subsystemen – den Wirtschaftsgemeinschaften in Ost und West, d.h. im Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) und in den Europäischen Gemeinschaften sowie im Rahmen des Europarates – entwickelt. Der im Jahr 1949 gegründete RGW lenkte schon früh sein Augenmerk auf die Entwicklung einer gemeinsamen Verkehrspolitik.101 Diese Aufgabe fand später in Art. III Absatz 1 lit. b) des RGWStatuts102 ihren ausdrücklichen Niederschlag und wurde erneut besonders in Abschnitt 12 des Komplexprogramms für die weitere Vertiefung und Vervollkommnung der Zusammenarbeit und Entwicklung der sozialistischen ökonomischen Integration der Mitgliedsländer des RGW von 1971 (Hauptrichtungen und -aufgaben der Entwicklung der Zusammenarbeit im Transportwesen)103 hervorgehoben. Doch sucht man in den in diesem Rahmen getroffenen Regelungen vergeblich nach übergreifenden Planungen für ein staatenübergreifendes Landverkehrsnetz – und sei es auch nur innerhalb des östlichen Subsystems. 1. Die Anfänge der westeuropäischen Verkehrswegplanung Die Anfänge einer Verkehrsordnung und -politik im westeuropäischen Bereich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war von Beginn an von integrativen Tendenzen gekennzeichnet, wenn auch daneben bilaterale Abkommen zwischen

100

Siehe dazu näher Viscontini, Les Autoroutes Européennes et la Coopération Internationale, 1972, 86 ff.; Basedow, Europäische Verkehrspolitik, 1987; Bogs, Die Planung transeuropäischer Verkehrsnetze, 2002. 101 Siehe dazu näher Seiffert u.a., Das System rechtlicher Regelung der sozialistischen ökonomischen Integration, 1976, 236 ff.; auch Delbrück, Die rechtliche Regelung des Verkehrs zwischen der Volksrepublik Polen und der Bundesrepublik Deutschland, in: Institut für Staat und Recht der Polnischen Akademie der Wissenschaft (Hrsg.), 1980, 184 f. 102 Statut des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe vom 14.12.1959 mit Änderungen gemäß Protokollen vom 21.6.1974 und 28.6.1979; GBl. DDR II, 1981, Nr. 5, 82 ff. 103 Abgedruckt in: RGW-Bilanz und Perspektiven, zusammengestellt von Mitarbeitern des Internationalen Instituts für ökonomische Probleme des sozialistischen Weltsystems und Sekretariats des RGW, 1975, 173 ff.

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benachbarten Staaten eine wichtige Rolle spielten.104 Mit der Errichtung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS)105 erhielten diese Tendenzen im engsten Bereich der Mitgliedstaaten in Art. 70 EGKSV eine rechtliche Grundlage, indem für die Transporttarife eine gemeinsame Politik verpflichtend wurde. Darüber hinaus wurde die Errichtung einer entsprechenden Europäischen Verkehrsbehörde diskutiert.106 Umfassender wurden die Mitglieder der 1957 gegründeten Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) in Art. 74 EWGV auf eine gemeinsame Verkehrspolitik verpflichtet. Die Art. 75–84 EWGV ermöglichten zudem nicht unerhebliche Einwirkungen auf das nationale Verkehrswesen der Mitgliedstaaten.107 Der grenzüberschreitende Charakter dieser Planungs- und Regelungsbemühungen wird exemplarisch deutlich in dem Beschluss des Rates aus dem Jahr 1966, das ein Beratungsverfahren für Investitionen in die Verkehrsinfrastrukturen einführte, durch das die nationalen Investitionen auf dem Gebiet des Baus neuer Verkehrswege oder der Verstärkung der Kapazität vorhandener Verkehrswege im Eisenbahn-, Straßen- und Binnenschifffahrtsverkehr im Gemeinschaftsinteresse allen Mitgliedern zur Kenntnis gegeben und gegebenenfalls beraten werden sollten.108 Jenseits des engen Kreises der Mitgliedstaaten entwickelte sich eine internationale Zusammenarbeit europäischer Staaten für eine übergreifende Verkehrsordnung und -politik im Rahmen der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE), der Europäischen Konferenz der Verkehrsminister (ECMT), die im Jahr 1953 auf Initiative der Organization for Economic Cooperation and Development (OECD) und des Europarates gegründet wurde.109 Diese Zusammenarbeit hat zu eindrucksvollen Erfolgen u.a. im Ausbau des nord-, südund westeuropäischen Autobahnnetzes geführt. 104

Siehe dazu näher Viscontini, Les Autoroutes Européennes et la Coopération Internationale, 1972, 59 ff. 105 Vertrag über die Gründung der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vom 18.4.1951, UNTS Bd. 261, 140/BGBl. 1952 II, 447. 106 Siehe dazu Haustein, in: Weber/Haustein (Hrsg.), Rechtsgrundlagen des deutschen und des zwischenstaatlichen Verkehrs, 1956, 27, 44. 107 Dazu Lange, Verkehr und Öffentliches Recht, 1974, 313 ff.; zu der nachfolgenden Entwicklung siehe Kapteyn, in: Kormoss (Hrsg.), Chemin de fer et l’Europe, Bd. I, 1969, 265 ff.; Woelker, Die Verwirklichung des Europa-Verkehrs. Bisherige Wege, gegenwärtige Probleme und zukünftige Möglichkeiten, ZfV 74 (1964), 189 ff. 108 Siehe dazu Lange, Verkehr und Öffentliches Recht, 1974, 319. 109 Zur ECMT siehe European Conference of Ministers of Transport, Principal Acts of the ECMT 1953–2003, 2003; Miehsler/Hahn, European Conference of Ministers of Transport, in: EPIL, Bd. II, 1995, 180 ff.

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2. Die UNECE-Deklaration von 1950 und das UNECE-Übereinkommen von 1975 Trotz der politischen und ideologischen Teilung Europas, die auch die Verkehrspolitik – wie soeben gezeigt – stark beeinflusste, bot insbesondere die UNECE eine neutrale Plattform, auf der gesamteuropäische Probleme – und so auch die Notwendigkeit einer gesamteuropäischen Verkehrsplanung – bearbeitet werden konnten. Ein erster entscheidender Schritt in Richtung auf eine gesamteuropäische Verkehrsplanung und -ordnung wurde 1950 mit der Annahme der Deklaration über das Europäische Verkehrsnetz getan.110 Die Deklaration stellt einleitend die Vertragsziele heraus. Sie betont die Notwendigkeit, in Europa den Straßenverkehr zu entwickeln, und stellt dementsprechend fest, „that it is essential, in order to establish closer relations between European countries, to lay down a co-ordinated plan for the construction or reconstruction of roads suitable for international traffic.“ In drei knappen Punkten erklären die Vertragsparteien 1) „that they adopt the proposed road network […] as a concerted plan for construction and reconstruction of roads of international importance, which they intend to undertake, within the framework of their national programmes for public works or within the possibilities of international financing“ und 2) „that the construction or reconstruction of the roads […] shall be carried out in accordance with the [agreed] characteristics.“ Auch sollen die interna110 Declaration (with annexes) on the construction of main international traffic arteries (Erklärung über den Bau internationaler Hauptverkehrsstraßen vom 16.9.1950), UNTS Bd. 92, 91; deutscher Text in BAnz Nr. 43/64, Änderungen von 1968 betr. Annex I in BAnz. Nr.103/69, in Kraft getreten gemäß Nr. 6 der Erklärung im Zeitpunkt der Unterzeichnung für schließlich insgesamt 27 europäische Staaten. Diese Deklaration wird von Viscontini, irrtümlich als rechtlich unverbindliche Übereinkunft angesehen: „Si l’on compare la carte et la liste des Parties à la Déclaration, on constate que le réseau s’étend au territoire de pays non contractants. Cette anomalie juridique tient au fait que la Déclaration n’a pas la force juridique d’un traité international. Les Etats on simplement déclaré être prêts à coordonner leurs efforts pour que les routes européennes soulent progressivement adaptées à la circulation selon des caractéristiques uniformes. Le réseau n’est qu’une juxtaposition de routes national d’importance internationale,“ siehe Visconti, Les Autoroutes Européennes et la Coopération Internationale, 1972, 79 (Hervorhebung vom Verf.). Allein die Aufnahme der Deklaration in die United Nations Treaty Series spricht gegen diese Auffassung, da nur völkerrechtliche Verträge nach Art. 102 UN Charta registriert werden können. Aber auch die Tatsache, dass die Niederlande bei der Unterzeichnung erklärt haben, dass die Deklaration der Ratifikation bedürfe, um für sie verbindlich zu werden, spricht gegen die Auffassung von Viscontini. Dass der Vertrag als Deklaration bezeichnet wurde, ist völkervertragsrechtlich irrelevant, vgl. Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 2. Aufl. 2002, 541 f.

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tionalen Straßen „be equipped with the ancillary services provided for […]“, wobei die Hilfe privater Unternehmen, wo möglich, in Anspruch genommen werden soll. Schließlich wird 3) vereinbart, dass die designierten internationalen Straßen mit einem speziellen Signum gekennzeichnet werden sollen. In ausführlichen Anhängen (annexes) sind das geplante internationale Straßennetz (Annex I), die technische Auslegung der Straßen (Annex II) und das Signum – das rechteckige Schild mit dem weißen E auf grünem Grund mit arabischer Zahl – im Einzelnen aufgeführt (Annex III). Der unbestreitbare Erfolg dieser erst nach und nach von den europäischen Staaten angenommenen Erklärung ist, dass auf ihrer Grundlage das heute existierende Europastraßennetz entwickelt worden ist.111 Doch ist nicht zu übersehen, dass der Ausbau dieses europäischen Straßennetzes nicht in die Hand einer internationalen Verkehrsbehörde gelegt wurde, sondern dass die Umsetzung der in der Erklärung niedergelegten verkehrspolitischen Ziele im Rahmen der nationalen Programme für öffentliche Projekte (public works) und nur alternativ gemäß den Möglichkeiten internationaler Finanzierung erfolgen sollte.112 Der Vorbehalt der nationalen Planungshoheit wird darin sehr deutlich. Der starken, die Erwartungen der Vertragsparteien der Erklärung von 1950 übersteigenden Entwicklung des internationalen Straßenverkehrs in Europa konnten die Regelungen der Erklärung zu Beginn der 1970er Jahre nicht mehr gerecht werden. So wurde im Jahr 1975 das Europäische Übereinkommen über die Hauptstraßen des internationalen Verkehrs (AGR) im Rahmen der UNECE beschlossen,113 das mit seinem Inkrafttreten „in den Beziehungen der Vertragsparteien 111

Zur Ausdehnung des europäischen Straßennetzes im Sinne der Erklärung vgl. die in den folgenden Jahren mehrfach ergänzte Liste der als Europastraßen designierten Städteverbindungen und deren Verlauf in Anhang I der Erklärung, UNTS Bd. 92, 98. 112 So Punkt 1 der Erklärung. 113 UNTS Bd. 1302, 91/BGBl. 1983 II, 245; das Abkommen ist bislang für 37 europäische Staaten in Kraft getreten (Stand:13.4.2015); Text der revidierten Fassung vom 5.4.2002 vom ECOSOC, ECOSOC Doc. TRANS/SC.1/2002/3; zu dem ebenfalls revidierten Anhang I siehe UN Doc. TRANS/SC.1/367; Text der konsolidierten Fassung vom 14.3.2008, ECOSOC Doc. ECE/TRANS/SC.1/384 C. Zu den derzeitigen Entwicklungen in der EU siehe UNECE Inland Transport Committee, Transport developments in the European Union, Note by the secretariat, UN Doc. ECE/Trans/2015/23; ausführlich zum derzeitigen Stand des TransEuropean Motorway (TEM) Project und des Trans-European Railway (TER) Project siehe den TEM and TER revised Master Plan- Final Report, Bd. I, 2011 der UNECE, UN Doc. ECE/TRANS/183/Rev.2(Vol. I), abrufbar unter: http://www.unece.org/fileadmin/DAM/ trans/main/temtermp/docs/TEM_and_TER_Vol_I.pdf (letzter Zugriff: 22.4.2015) und dessen Anhänge in Bd. II, ECE/TRANS/183/Rev.2 (Vol. II), abrufbar unter: http://www.unece. org/fileadmin/DAM/trans/main/temtermp/docs/TEM_and_TER_Vol_II.pdf (letzter Zugriff: 22.4.2015). Obwohl die UNECE mit der ECMT vielfältig zusammenarbeitete, ist das

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untereinander die am 15. September 1950 in Genf unterzeichnete Erklärung über den Bau internationaler Hauptverkehrsstraßen“ ersetzt (Art. 6 Abs. 3). Das Übereinkommen von 1975 lehnt sich in Aufbau und Inhalt stark an die Erklärung von 1950 an. Es besteht aus dem eigentlichen Vertragstext und drei Anhängen. Die Zielsetzungen sind identisch mit denen der Erklärung von 1950, jedoch knapper gefasst. Dabei ist auffällig, dass sich gemäß Art. 1 die Parteien lediglich verpflichten, den Verkehrsplan im Rahmen ihrer nationalen Ausbauprogramme umzusetzen. Die Erklärung von 1950 sah dagegen vor, dass die Umsetzung der grenzüberschreitenden Verkehrsplanung im Rahmen ihrer nationalen Programme für öffentliche Vorhaben oder auch alternativ im Rahmen der Möglichkeiten internationaler Finanzierung erfolgen soll. Die Anhänge sind in den Grundzügen ebenfalls identisch mit denen der Erklärung. Der Katalog der Europastraßen ist erweitert und unterscheidet Hauptverkehrsadern, die Nord-Süd und Ost-West Achsen, und sog. Zwischenstraßen, die die Hauptverkehrsadern miteinander verbinden einschließlich der Abzweigungen und Zubringer (Art. 2 und Annex I). Die Vorschriften über die Kategorien von internationalen Verkehrsstraßen (gewöhnliche Straßen, Autobahnen und Schnellstraßen) sowie über deren bautechnische Auslegung sind ausführlicher gefasst (Annex II). Das E-Signum wird aus der Erklärung unverändert übernommen (Annex III). Neu eingeführt sind ausführliche Vorschriften über das Verfahren zur Vertragsänderung – getrennt nach der Änderung des Hauptwortlautes (Art. 7) und der Änderung der Anhänge (Art. 8 und Art. 9) – und Vorschriften über ein Streitbeilegungsverfahren (Art. 13), von dem sich jedoch gemäß Art. 15 einzelne Vertragsparteien durch Erklärung eines entsprechenden Vorbehalts freizeichnen können. Hervorzuheben ist, dass das Vertragsänderungsverfahren Entscheidungen mit Zweidrittelmehrheit vorsieht, verbunden mit sog. opting-out-Klauseln.114 Die Tatsache, dass das 25 Jahre nach der Erklärung von 1950 abgeschlossene Europäische Übereinkommen über die Hauptstraßen des internationalen Verkehrs in den Zielen und in den grundlegenden Regelungen über den Verlauf und die technische Auslegung des europäischen grenzüberschreitenden Verkehrsnetzes mit der Erklärung von 1950 übereinstimmen, unterstreicht die große verkehrspolitische Bedeutung der letzteren. So liegt denn auch die besondere Bedeutung des Übereinkommen von 1975 allein unter der Verantwortung der UNECE zustande gekommen. Dies mag darauf beruhen, dass sich die ECMT zu jener Zeit noch nur am Rande mit der Verkehrsnetzplanung befasst hat. Vorrangig wurden von der Konferenz Fragen der Regelung des Straßen- sowie des Eisenbahn- und Binnenwasserstraßenverkehrs behandelt. 114 Näheres zu diesen Klauseln Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 2. Aufl. 2002, 665; Tietje, The Changing Legal Structure of International Treaties as an Aspect of Global Governance Architecture, GYIL 42 (1999), 26, 51 f.

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Übereinkommens von 1975 in der erheblich gesteigerten geographischen Reichweite durch die Annahme durch 37 Staaten und in der durch die Einfügung eines erleichterten Änderungsverfahrens erreichten höheren Anpassungsfähigkeit an neue Verkehrsbedürfnisse und verkehrstechnische Innovationen. Anders als im Fall der internationalen Vertragsregelungen zur Freizügigkeit, die im Rahmen des Europarates geschlossen wurden und durch die Freizügigkeitsgewährleistungen durch das Recht der EU überlagert wurden, hat das Übereinkommen von 1975 jedenfalls insofern seine Bedeutung behalten, als seine geographische Reichweite auch nach den zahlreichen Erweiterungen der EU weiterhin über den Kreis der EU-Mitgliedstaaten hinausgreift. Jedoch haben heute für die EU-Mitgliedstaaten die Vorschriften des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) über eine Gemeinsame Verkehrspolitik (Art. 90 ff. AEUV) und für den Bereich der Entwicklung eines grenzüberschreitenden europäischen Verkehrsnetzes insbesondere die Regelungen des Titels XVI AEUV über Transeuropäische Netze (Art. 170 ff. AEUV) vorrangige, das Übereinkommen von 1975 allerdings nicht überlagernde, sondern ergänzende Bedeutung. Ein wichtiger Beitrag zum Ausbau der transeuropäischen Netze wurde mit der Annahme und dem Inkrafttreten des Europäischen Übereinkommens über wichtige Linien des internationalen kombinierten Verkehrs und damit zusammenhängende Einrichtungen (AGTC) vom 1. Februar 1991 geleistet, das sich allerdings allein auf Eisenbahnlinien bezieht.115 II. Straßenverkehrswegeplanung in der EU Die Ordnung des Verkehrs – ob Straßen-, Schienen-, Schiffs- oder Luftverkehr – bildete von Beginn an einen integralen Bestandteil der europäischen Integration.116 Die entsprechenden Kompetenzen zur Entwicklung und Umsetzung einer Gemeinsamen Verkehrspolitik, die heute in den Art. 90 ff. AEUV enthalten sind, erwähnen den Bereich der Planung und Durchsetzung eines europäischen Straßenverkehrsnetzes jedoch nicht ausdrücklich. Und in der Tat spielten Fragen der Verkehrsinfrastruktur in der Praxis der EG zunächst keine Rolle, wie die Entwicklung der Gemeinsamen Verkehrspolitik im Sinne eines geschlossenen 115

UNTS Bd. 1746, 3/BGBl. 1994 II, 979; mehrere Änderungen der Anlagen wurden in den Jahren 1997–2009 vorgenommen (Stand: 13.4.2015). 116 So bereits Art. 3 lit. e) EWGV; dazu näher Karl (Hrsg.), Transeuropäische Netze, 1997; zur damaligen Problematik einer Verkehrsnetzplanung durch die EG/EU siehe Wink, in: Karl (Hrsg.), Transeuropäische Netze, 1997, 59 ff.; Bogs, Die Planung transeuropäischer Verkehrsnetze, 2002.

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Gesamtkonzeptes insgesamt erst seit dem Beginn der 1970er Jahre schärfere Konturen annahm und erst seit dem Beginn der 1980er Jahre voranschritt.117 Die Entwicklung der zunächst vorwiegend auf die Verwirklichung des Europäischen Binnenmarktes ausgerichteten Gemeinsamen Verkehrspolitik ist hier nicht im Einzelnen nachzuzeichnen.118 Vielmehr ist im Kontext der Entfaltung eines transeuropäischen Straßenverkehrsnetzes der mit dem Vertrag von Maastricht im dritten Teil des EGV 1992 eingefügte Titel XII (heute Titel XVI AEUV) über die Transeuropäischen Netze von entscheidender Bedeutung. Bereits in der Mitteilung über die weitere Entwicklung der Gemeinsamen Verkehrspolitik vom 25. Oktober 1973,119 also schon zwei Jahre vor der Annahme des im Rahmen der UNECE erarbeiteten Europäischen Übereinkommens über die Hauptstraßen des internationalen Verkehrs von 1975, betonte die damalige EG-Kommission die Notwendigkeit einer Intensivierung der gemeinsamen Verkehrsinfrastrukturpolitik, die sich jedoch nicht allein auf den Straßenverkehr, sondern auch auf die Sanierung der Eisenbahnen, Sicherheitsfragen und Fragen der Kostensenkung bezog. Zusätzlich wurde seit dem Ende der 1980er Jahre auch der Ausbau einer übergreifenden, neben dem Verkehr auch die Telekommunikation sowie die Energie umfassenden Infrastruktur für Europa zu einem vorrangigen Ziel europäischer Integration. Dabei wurde nicht nur an den Raum innerhalb der EU/EG gedacht, sondern auch darüber hinaus die gesamteuropäische Dimension der Netzplanung einbezogen.120 So räumt Art. 171 Abs. 3 AEUV der EU die Zuständigkeit ein, darüber zu beschließen, „mit dritten Ländern zur Förderung von Vorhaben von gemeinsamem

117 Vgl. dazu Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl. 2014, § 26 Rn. 2 f.; Stadler, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl. 2012, Art. 90 AEUV Rn. 8 f.; Schäfer, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 90 AEUV Rn. 1 ff.; Boeing/ Maxian Rusche/Kotthaus, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. II, Art. 90 AEUV [Stand: Oktober 2011] Rn. 23. 118 Dazu immer noch grundlegend Ipsen, Europäisches Gemeinschaftsrecht, 1972, Rn. 3 ff.; Scheuner, in: Festschrift für Hermann Jahrreiß, 1974, 209 ff.; Erdmenger, in: von der Groeben/Schwarze (Hrsg.), Vertrag über die Europäischen Union und Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, 6. Auflage 2004, Vorbem. zu den Art. 70– 80 EGV Rn. 1 ff.; zur jüngeren Entwicklung Schäfer, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 90 AEUV Rn. 1 ff.; kurz auch Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl. 2014, § 26 Rn. 3; im Überblick: Stadler, in: Schwarze (Hrsg.), EU-Kommentar, 3. Aufl. 2012, Art. 90 AEUV Rn. 8 f. 119 Siehe Bulletin der EG, Beilage 16/1973. 120 Dazu im Einzelnen Europäische Kommission (Hrsg.), Transeuropäische Netze, 1994; Frybourg, Les Réseaux transeuropéens au sens du titre XII du traité de Maastricht, 1995, 44 ff.; Zippel, Transeuropäische Netze, 1996; Bogs, Die Planung transeuropäischer Verkehrsnetze, 2002, 15 ff.

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Interesse sowie zur Sicherstellung der Interoperabilität der Netze zusammenzuarbeiten.“121 Als Ziele der Entwicklung transeuropäischer Netze durch die Union nennt der den Titel XVI einleitende Art. 170 Abs. 1 AEUV Beiträge zu leisten zur Verwirklichung des Binnenmarktes und zur Stärkung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts der Union und – um den Bürgern, Wirtschaftbeteiligten und regionalen und lokalen Gebietskörperschaften in vollem Umfang die Vorteile zukommen zu lassen, „die sich aus der Schaffung eines Raumes ohne Binnengrenzen ergeben“ – zum Auf- und Ausbau transeuropäischer Netze in den Bereichen der Verkehrs-, Telekommunikations- und Energieinfrastruktur beizutragen. Um zu verdeutlichen, dass die Entwicklung transeuropäischer Netze in den Kontext der marktorientierten Politik der Union eingebunden sein soll, hebt Art. 170 Abs. 2 AEUV hervor, dass die Tätigkeit der Union „auf die Förderung des Verbunds und der Interoperabilität122 der einzelstaatlichen Netze sowie des Zugangs zu diesen Netzen“ abzielt. Dabei soll die Union insbesondere der Notwendigkeit Rechnung tragen, „insulare, eingeschlossene und am Rande gelegene Gebiete mit den zentralen Gebieten der Gemeinschaft zu verbinden.“ Der zuvor mehrfach betonten besonderen Staatsbezogenheit der Verkehrsplanung trägt Art. 171 AEUV dadurch Rechnung, dass das Instrumentarium zum Auf- und Ausbau der transeuropäischen Netze dahingehend erweitert wird, dass neben die allgemein im AEUV vorgesehenen Handlungsformen die Festlegung von Leitlinien – einer besonderen Art von Rechtsakten des Rates – treten, die sowohl als politische Festlegungen, aber auch als förmliche Rechtsakte, also als Richtlinien und Verordnungen, unter Beachtung der einschlägigen Verfahrensregeln beschlossen werden können.123 Eine gegenüber den früheren internationalen Vereinbarungen über den Ausbau eines europäischen Verkehrsnetzes stellt Art. 171 AEUV insofern eine bedeutende Neuerung dar, als die Union sich finanziell an Verkehrsvorhaben beteiligt (Art. 171 Abs. 1 dritter Anstrich). Das besondere einzelstaatliche Interesse an der Verkehrsplanung wird in Art. 171 Abs. 2 AEUV dadurch berücksichtigt, dass den Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt wird, „untereinander in Verbindung mit der Kommission die einzelstaatlichen Politiken“ zu koordinieren, die „sich erheblich auf die Verwirklichung der Ziele des Art. 170 AEUV auswirken können.“ Aber auch hier wird die Beachtung des Gemeinschaftsinteresses dadurch gesichert, dass die Kom121

So auch schon Art.129c Abs. 3 EGV i.d.F. des Vertrages von Maastricht. Hervorhebung vom Verf. 123 Vgl. dazu näher Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl. 2014, § 26 Rn. 35; Lecheler, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim (Hrsg.), Das Recht der Europäischen Union, Bd. II, Art. 171 AEUV [Stand: Oktober 2011] Rn. 2 ff.; Schäfer/Schröder, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 171 AEUV Rn. 2 ff.; Schweitzer/Hummer/ Obwexer, Europarecht, 2007, Rn. 1952. 122

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mission „in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten alle Initiativen ergreifen [kann], die dieser Koordinierung förderlich sind.“ Insgesamt kann heute festgestellt werden, dass die internationale und insbesondere die supranationale Koordinierung und Planung des Ausbaus staatenübergreifender Straßenverkehrsnetze seit der Mitte des 20. Jahrhundert trotz aller Unterschiedlichkeit der nationalen Interessen unter dem Druck der gewaltigen technologischen Entwicklung der Straßenverkehrsmittel erhebliche Fortschritte gemacht hat. Doch ist auch unübersehbar, dass der motorisierte Straßenverkehr insbesondere unter umweltpolitischen Gesichtspunkten problematisch geworden ist. Verkehrsplanung und -politik im Sinne des immer weiteren Ausbaus der Straßenverkehrsnetze stößt an ihre Grenzen. Sie muss umfassende umweltpolitische, soziale und verkehrssicherheitspolitische Bedürfnisse berücksichtigen. Die beiden bereits erwähnten White Paper der Europäischen Kommission stellen ein interessantes Beispiel für eine komplexe Verkehrspolitik dar, die sowohl die Planung staatsübergreifender Verkehrsnetze, als auch den Umweltschutz sowie die Verkehrssicherheit integriert.

C. Das Kraftfahrzeug-Straßenverkehrsrecht I. Das Straßenverkehrsrecht Anders als die internationalrechtliche Planung und der koordinierte Ausbau der internationalen Hauptverkehrsstraßen ist die Vereinheitlichung des KraftfahrzeugStraßenverkehrsrechts durch den Abschluss internationaler Verträge bereits zu Beginn des 20. Jahrhunderts weitgehend erfolgreich begonnen worden. Das zu vereinheitlichende Kraftfahrzeug-Straßenverkehrsrecht umfasst dabei die Regelung der Zulassung von Kraftfahrzeugen und -führern zum internationalen Kraftfahrzeugverkehr, die Festlegung einheitlicher Verkehrsregeln und -zeichen, die internationalen Regelungen des Haftpflichtrechts einschließlich der Pflichtversicherung, das Kraftfahrzeugtransportrecht sowie das Kraftfahrzeugsteuer- und -zollrecht. Das starke öffentliche Interesse an der Sicherheit gerade auch des grenzüberschreitenden Kraftfahrzeugverkehrs förderte die Bereitschaft der Staaten, sich internationalen multilateralen Verträgen zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit anzuschließen und dafür den Spielraum nationalstaatlicher Regelungsgewalt einzuschränken.124 124

Zurückhaltender in der Einschätzung der Bereitschaft der Staaten zu vertraglicher Begrenzung ihrer nationalen Regelungsgewalt noch Haustein, der zu Beginn der 1950er Jahre darauf hinweist, dass der Wirkungsbereich der geschlossenen Verträge sich auf die

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1. Die Entwicklung des Straßenverkehrsrechts Bereits im Jahr 1909 wurde auf der in Paris abgehaltenen Straßenverkehrskonferenz ein Internationales Abkommen über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen geschlossen.125 Darin wurden die Anforderungen geregelt, die an die Beschaffenheit von Kraftfahrzeugen im internationalen Verkehr gestellt werden müssen. Dieser Vertrag wurde 1926 durch ein neues Abkommen im Verhältnis seiner Vertragsstaaten ersetzt,126 das – anders als das erste Pariser Abkommen – zu Beginn des Zweiten Weltkrieges nicht nur für 32 europäische Staaten, sondern auch in weiten Teilen Asiens und Afrikas galt.127 Im Jahre 1931 berief der Völkerbund eine europäische Straßenverkehrskonferenz ein, auf der ein Übereinkommen über die Vereinheitlichung von Verkehrszeichen getroffen wurde.128 Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges haben sich, wie schon im Hinblick auf die internationalen Verkehrsstraßen, auch die Bemühungen um den Aufbau einer multilateralen Ordnung des Kraftfahrzeugverkehrs, namentlich im Rahmen des Wirtschafts- und Sozialrates der Vereinten Nationen (ECOSOC) verstärkt. Im Jahre 1949 wurde von letzterem eine Konferenz über Straßen- und Kraftfahrzeugverkehr nach Genf einberufen. Aus ihren Beratungen ging das Genfer Abkommen über den Straßenverkehr vom 19. September 1949 und ein Protokoll über die Errichtung eines Nationen beschränkte, „bei denen die Interessen ungefähr gleich lagen“. Die gegenseitig gewährten Zugeständnisse „bildeten das Ergebnis wohlüberlegter Abwägungen zwischen Nationalismus und Internationalismus und zwischen Souveränität und Rücksichtnahme auf allgemeine Interessen der Staatengemeinschaft“, siehe Haustein, Die Freiheit im internationalen Verkehr, 1954, 26 f. 125 Internationales Abkommen über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 11.10.1909, RGBl. 1910, 603, in Kraft getreten am 1.5.1910, siehe RGBl. 1910, 603 mit einer Liste der Vertragsstaaten. 126 Internationales Abkommen über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen vom 24.4.1926, LNTS Bd. CVII, 123/RGBl. 1930 II, 1233, für Deutschland in Kraft getreten am 23.12.1929; zum Inhalt dieses Abkommens ausführlich von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 20 ff.; zur Vorgeschichte auch Mance, International Road Transport, 1947, 9. Zutreffend weist von Würzen, darauf hin, dass die Aufhebung des Abkommens von 1926 durch Art. 30 des Abkommens von 1949 insoweit eine nur beschränkte war, als für Vertragsstaaten des Abkommens von 1926, die dem neuen Abkommen von 1949 nicht beitraten, das alte Abkommen bestehen blieb, siehe hierzu von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 14. Neben dem Abkommen über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen wurde am selben Tage auch das Internationale Abkommen über den Straßenverkehr abgeschlossen, LNTS Bd. XCVII, 83. 127 Vgl. von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 12 f. 128 Übereinkommen über die Vereinheitlichung von Verkehrszeichen vom 30.3.1931, LNTS Bd. CL, 247.

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einheitlichen Systems von Straßenverkehrszeichen129 hervor, denen das Europäische Übereinkommen über Straßenverkehrszeichen vom 16. September 1950 sowie ein weiteres Europäisches Übereinkommen zur Anwendung des Art. 23 Genfer Übereinkommen von 1949 vom gleichen Tage folgten.130 Das Genfer Abkommen von 1949 zielte – dem überregionalen Charakter des einladenden ECOSOC entsprechend – auf eine weltweite Vereinheitlichung der Regelung des grenzüberschreitenden Kraftfahrzeugverkehrs, also sowohl der Bestimmungen über die Zulassung von Kraftfahrzeugen und Fahrzeugführern als auch der Verkehrsregeln und -zeichen ab. Dabei erwies sich die Vereinheitlichung der Verkehrszeichen als besonders schwierig. Auch der Ausweg, diese Regelung gesondert in einem Protokoll vorzunehmen, war wenig erfolgreich. Der Grund war, dass die Vereinheitlichung der Verkehrszeichen für eine Reihe von Staaten, die – wie etwa die Vereinigten Staaten von Amerika – ein eigenes System von Verkehrszeichen entwickelt hatten, die Umstellung auf ein einheitliches System erhebliche finanzielle Belastungen mit sich gebracht hätte.131 2. Das Übereinkommen über den Straßenverkehr von 1968 Dabei brachte das Genfer Abkommen von 1949 nicht nur wichtige Änderungen des Abkommens von 1926 – so hinsichtlich der Zulassung von Fahrzeugen132 –, 129

Convention on Road Traffic vom 19.9.1949, UNTS Bd. 125, 3; Protocol on Road Signs and Signals, UNTS Bd. 182, 229; deutscher Text des Abkommens bei Turegg, Das europäische Verkehrsrecht (Dokumente), 1955, 92 ff. Die Bundesrepublik Deutschland ist nicht Partei der beiden Verträge geworden. Diesem Übereinkommen folgte die Erarbeitung des Allgemeinen Abkommens über die wirtschaftliche Regelung des internationalen Straßenverkehrs vom 17.3.1954, UN Doc. E/ECE/186, das allerdings lediglich 4 Ratifikationen und 11 Unterzeichnungen aufweist und bisher nicht in Kraft getreten ist (Stand: 2.2.2015); siehe zu diesem Abkommen näher von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 110 ff.; Haustein, Die Freiheit im internationalen Verkehr, 1954, 92 ff. 130 European Agreement supplementing the 1949 Convention on Road Traffic and the Protocol on Road Signs and Signals vom 16.1.1956, UN Doc. E/ECE/223; European Agreement on the Application of Art. 23 of the 1949 Convention on Road Traffic concerning the Dimensions and Weights of Vehicles permitted to travel on certain Roads of the Contracting Parties vom 16.9.1950, UN Doc. E/ECE/TRANS/229, die Bundesrepublik Deutschland ist nicht Partei dieser Verträge geworden (Stand: 2.2.2015). 131 Dazu von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 69. 132 Siehe dazu auch das Übereinkommen über die Annahme einheitlicher technischer Vorschriften für Radfahrzeuge, Ausrüstungsgegenstände und Teile, die in Radfahrzeuge(n) eingebaut und/oder verwendet werden können, und die Bedingungen für die gegenseitige Anerkennung von Genehmigungen, die nach diesen Vorschriften erteilt wurden, UNTS

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sondern es konnten auch zukunftsweisende Einigungen über Legaldefinitionen – so hinsichtlich der Straßen, des Kraftfahrzeuges, des Fahrzeugführers und weiterer Begriffe – erzielt werden.133 Sie bildeten die Grundlage für entsprechende Bestimmungen des von der Wiener Konferenz der Vereinten Nationen über den Straßenverkehr134 erarbeiteten Übereinkommens über den Straßenverkehr von 1968 (ÜStrV)135 und des zeitgleich von der Konferenz angenommenen Übereinkommens über Straßenverkehrszeichen (ÜStrVZ), die in der revidierten Fassung der Verträge von 2006 bis heute einen wesentlichen Bestandteil des internationalen Straßenverkehrsrechts bilden.136 Bd. 335, 211/BGBl. 1965 II, 857, i.d.F. vom 5.10.1995; UN Doc. E/ECE/324/E/ECE/ TRANS/505/Rev.2; BGBl. 1997 II, 998; früherer Titel des Übereinkommens: Übereinkommen über die Annahme einheitlicher Bedingungen für die Genehmigung der Ausrüstungsgegenstände und Teile von Kraftfahrzeugen [Motorfahrzeugen] und über die gegenseitige Anerkennung der Genehmigung vom 20.3.1958; zu diesem Vertrag sind bisher über 130 Regelungen ergangen, die dem Vertrag jeweils als Anhang beigefügt werden, siehe zu den Fundstellen der bis Ende 2014 von Deutschland angenommenen Regelungen, Fundstellennachweis B, Stand: 31. Dezember 2014, 497 ff.; zum jüngsten Status des Vertrages und der Regelungen siehe UN Doc. ECE/TRANS/WP.29/343/Rev.23 vom 20.2.2015; siehe ferner das Übereinkommen über die Festlegung globaler technischer Regelungen für Radfahrzeuge, Ausrüstungsgegenstände und Teile, die in Radfahrzeuge(n) eingebaut und oder verwendet werden können vom 25.6.1998, UNTS Bd. 2119, 129/BGBl. 2001 II, 250. 133 Zum Inhalt des Abkommens von 1949 im Einzelnen siehe von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 44 ff. und passim; auch Haustein, Die Freiheit im internationalen Verkehr, 1954, 83 ff. 134 Siehe die Schlussakte der Konferenz der Vereinten Nationen über den Straßenverkehr vom 8.11.1968, UNTS Bd. 1042, 359/BGBl. 1977 II, 1106. 135 Übereinkommen über den Straßenverkehr vom 8.11.1968, UNTS Bd. 1042, 17/BGBl. 1977 II. 809. Für die am 28.3.2006 in Kraft getretene konsolidierte Fassung des Übereinkommens siehe United Nations Publications, Convention on Road Traffic of 1968 and European Agreement Supplementing the Convention – 2006 consolidated versions, 2006, UN Doc. ECE/TRANS/195. Der konsolidierte Text des Übereinkommens ist ebenfalls abrufbar unter: http://www.unece.org/fileadmin/DAM/trans/conventn/Conv_road_traffic_ EN.pdf (letzter Zugriff: 30.4.2015). Das Übereinkommen ist bislang für 73 Staaten in Kraft getreten (Stand: 2.2.2015). Zum jüngsten Änderungsvorschlag des Übereinkommens siehe UN Doc. ECE/TRANS/WP.1/145/Corr.1; zum jüngsten Änderungsvorschlag des Anhangs 2 siehe UN Doc. Annex to ECE/TRANS/WP.1/147. 136 In diese beiden Übereinkommen – wie auch in die 1971 abgeschlossenen Europäischen Zusatzübereinkommen zu diesen Übereinkommen – flossen auch zahlreiche wichtige Anregungen der 1953 gegründeten ECMT ein, siehe dazu Principal Acts of the ECMT, OECD Publications Service, 2003, 8; abrufbar unter: www.oecd-ilibrary.org/docserver/ download/7503113e.pdf?expires=1429793201&id=id&accname=ocid 41022529&check sum=152F6D6D1AD8B6F62F199C2E303A7C3F (letzter Zugriff: 23.4.2015).

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Wie das Genfer Abkommen von 1949 (Art. 4) enthält auch das ÜStrV 1968 i.d.F. von 2006 in Art. 1 eine, allerdings ungleich umfangreichere Legaldefinition von 27 Begriffen, wie sie in dem Übereinkommen verwandt werden.137 Vom Begriff des „innerstaatlichen Rechts“, des „Fahrzeugs“, des „Motorfahrrads“, der „Ortschaft“, der „Straße“ über den Begriff des „Fahrstreifens“, der „Kreuzung“ und des „Bahnübergangs“ bis zum Begriff des „Sattelanhängers“ und des „leichten Anhängers“ – um nur einen kleinen, aber für die Ausführlichkeit der Definitionen repräsentativen Teil der Begriffe zu nennen – werden alle erdenklichen Aspekte des Straßenverkehrs begrifflich erfasst. Art. 3 enthält die allgemeinen Verpflichtungen der Vertragsstaaten. Danach haben diese die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, „damit die in ihrem Hoheitsgebiet geltenden Verkehrsregeln in ihrem sachlichen Gehalt mit den in Kapitel II enthaltenen Bestimmungen [des Übereinkommens] übereinstimmen.“ Dasselbe gilt für die Gewährleistung der Einhaltung „der von den Kraftfahrzeugen (Art. 1 Buchstabe p) und den Anhängern zu erfüllenden technischen Bedingungen.“ In den neu eingefügten Abs. 5bis und Abs. 5ter werden die Vertragsstaaten in die Pflicht genommen, alles Erforderliche zu tun, um eine dauerhafte und systematische Verkehrserziehung, insbesondere in Schulen auf allen Ebenen, zu gewährleisten. Hervorzuheben ist Art. 3 Abs. 6, der die Vertragsstaaten verpflichtet, „jeder darum ersuchenden Vertragspartei die notwendigen Auskünfte zur Ermittlung der Person zu geben, auf deren Namen ein Kraftfahrzeug […] oder ein mit einem Kraftfahrzeug […] verbundener Anhänger in ihrem Hoheitsgebiet zugelassen ist, wenn aus dem vorgelegten Ersuchen hervorgeht, dass dieses Fahrzeug im Hoheitsgebiet der ersuchenden Vertragspartei in einen Unfall verwickelt war oder der Fahrer dieses Fahrzeugs einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung begangen hat, schwere Strafen oder einen Entzug der Fahrerlaubnis nach sich ziehen kann.“ Art. 4 verpflichtet solche Vertragsstaaten des ÜStrV, die nicht Parteien des zeitgleich mit diesem abgeschlossenen ÜStrVZ sind, einige wesentliche Grundsätze bei der Aufstellung ihrer Verkehrszeichen zu beachten. Insbesondere haben sie dafür zu sorgen, dass „alle Straßenverkehrszeichen, Verkehrslichtzeichen und Straßenmarkierungen, die in ihrem Hoheitsgebiet angebracht sind, ein zusammenhängendes System bilden und so gestaltet und angebracht sind, dass sie leicht zu erkennen sind.“ Zudem sollen sie „die Zahl der Arten der Verkehrszeichen“ beschränken und diese nur an den Stellen anbringen, an denen sie als nützlich 137

Siehe dazu auch die Richtlinie des Rates 92/53/EWG vom 18.6.1992, ABl. Nr. L 225/1 vom 18.8.1992, welche die frühere Richtlinie 70/156/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Betriebserlaubnis für Kraftfahrzeuge und Kraftfahrzeuganhänger ergänzte.

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angesehen werden, und weiter „Gefahrenzeichen in genügendem Abstand vor der Gefahrenstelle“ anbringen, „um die Führer rechtzeitig zu warnen“ (Art. 4 lit. a), b) und c)). Schließlich werden die Vertragsstaaten, die nicht Parteien des ÜStrVZ sind, verpflichtet, die Anbringung von zweckfremden, sowie zu Verwechslungen führenden Hinweisen an Verkehrszeichen sowie Vorrichtungen oder Gegenstände auf Bürgersteigen und Seitenstreifen zu verbieten, die Fußgänger, insbesondere ältere oder behinderte Personen in ihrer Bewegungsfreiheit beeinträchtigen (Art. 4 lit. d) (i)–(iii)). Dienen Bestimmungen wie diese dazu, ein Mindestmaß an einheitlichen Regelungsstandards für alle Vertragsstaaten – auch wenn sie sich dem gleichzeitig abgeschlossenen ÜStrVZ nicht angeschlossen haben – zu sichern, so wird auf der anderen Seite in Art. 3 Abs. 1 lit. 1 a) (i) und (ii) und in Abs. 2 den Vertragsstaaten des ÜStrV Raum für abweichende nationale Regelungen eingeräumt, allerdings nur unter der Bedingung, dass diese nationalen Regelungen „in keinem Punkte den diesen Bestimmungen [des Straßenverkehrsübereinkommens] zugrundeliegenden Sicherheitsgrundsätzen widersprechen.“ Diesem Prinzip der detaillierten, dem Ziel weitgehender Vereinheitlichung des Verkehrsrechts dienenden Vertragsregelungen einerseits und der Anerkennung nationaler Regelungsvorbehalte138 andererseits folgt auch die umfangreiche Kodifizierung des materiellen Straßenverkehrsrechts, das in Kapitel II die Regelungen über die Pflichten der Verkehrsteilnehmer (Art. 5–34), in Kapitel III die Regelungen über die Zulassung der Kraftfahrzeuge und Anhänger zum internationalen Verkehr (Art. 35–40), in Kapitel IV die Anforderungen an die Führer von Kraftfahrzeugen und die Regelungen über die Erteilung nationaler und internationaler Führerscheine (Art. 41–43),139 sowie in Kapitel V die Vorschriften für die Zulassung der Fahrräder und Motorfahrräder zum internationalen Verkehr (Art. 44) enthält. Ergänzt werden diese Regelungen durch sieben Anhänge, in denen u.a. Regelungen zur Kennzeichnung von Kraftfahrzeugen und Anhängern (Anhang 2), zu Unterscheidungszeichen (Länderkürzel wie D für Deutschland oder GB für Großbritannien – Anhang 3), zu Erkennungsmerkmalen im internationalen Ver138

Siehe dazu auch den allgemeinen Regelungsvorbehalt des Art. 53, wonach das Übereinkommen „nicht so auszulegen [ist], als hindere es eine Vertragspartei, Maßnahmen zu ergreifen, die sie für ihre innere oder äußere Sicherheit als notwendig erachtet und die mit der Charta der Vereinten Nationen vereinbar und auf die Erfordernisse der Lage beschränkt sind“. 139 Siehe dazu auch das Agreement on minimum requirements for the Issue and Validity of Driving Permits (APC) vom 1.4.1975, UNTS Bd. 1763, 11; zur Wirkung der Entziehung einer Fahrerlaubnis siehe auch die European Convention on the International Effects of Deprivation of the Right to Drive a Motor Vehicle vom 3.6.1976, ETS Nr. 88, in Kraft getreten am 28.4.1983; das Übereinkommen wurde von 12 Staaten ratifiziert, 8 weitere Staaten haben das Übereinkommen bisher nur unterzeichnet (Stand: 3.2.2015).

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kehr (Anhang 4) und zu technischen Anforderungen an die Kraftfahrzeuge und Anhänger (Anhang 5) sowie zur Gestaltung des nationalen und des internationalen Führerscheins (Anhänge 6 und 7) getroffen werden.140 Diese Anhänge sind gemäß Art. 2 ÜStrV Bestandteil des Vertrages. Das ÜStrV zeichnet sich nicht nur durch seine äußerst detaillierten Sachregelungen, sondern auch durch seine umfänglichen Schlussbestimmungen im Kapitel VI (Art. 45–56) aus. In ihnen wird bestimmt, dass das Übereinkommen der Ratifikation bedarf und für den Beitritt weiterer Staaten offen ist (Art. 45 Abs. 2 und 3). Die Vertragsstaaten können zu jeder Zeit Erklärungen über den Anwendungsbereich des Übereinkommens auf ihrem Hoheitsgebiet oder Teilen davon abgeben. Sie haben ferner ihr Unterscheidungszeichen (Landeskürzel) bei der Unterzeichnung, der Ratifikation oder dem Beitritt dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zu notifizieren (Art. 45 Abs. 4 und Art. 46). Unter den weiteren Schlussbestimmungen sind die ausführlichen Regelungen über das Änderungsverfahren (Art. 49), über die Zulässigkeit von Vorbehalten (Art. 54 Abs. 5)141 und über die Streitbeilegung (Art. 52) hervorzuheben, zu dem von den Vertragsparteien speziell ein Vorbehalt des Inhalts abgegeben werden darf, an das Streitbeilegungsverfahren (Anrufung des IGH) nicht gebunden zu sein (Art. 54 Abs. 1). Vertragsrechtlich bedeutsam ist schließlich Art. 48, der ausdrücklich festlegt, dass im Verhältnis unter den Vertragsparteien das ÜStrV von 1968 das Pariser Internationale Abkommen über den Kraftfahrzeugverkehr und das Internationale Abkommen über Straßenverkehr, beide von 1926, das Washingtoner Abkommen über die Regelung des interamerikanischen Kraftfahrzeugverkehrs von 1943 sowie das Genfer Abkommen über den Straßenverkehr von 1949 aufhebt und diese ersetzt. Obwohl die Ausführlichkeit der Regelungen des Übereinkommens und ihre durchaus operationelle Fassung seine Charakterisierung als „self-executing“ rechtfertigen könnte, hat der deutsche Gesetzgeber in Art. 1 Abs. 2 des Zustim140

Für die Texte der Anhänge in der konsolidierten Fassung von 2006 siehe United Nations Publications, Convention on Road Traffic of 1968 and European Agreement Supplementing the Convention – 2006 consolidated versions, 2006, UN Doc. ECE/TRANS/ 195. Die Texte sind außerdem abrufbar unter: http://www.unece.org/fileadmin/ DAM/trans/conventn/Conv_road_traffic_EN.pdf (letzter Zugriff: 30.4.2015); siehe dazu auch die Richtlinien zur Einführung eines europäischen Führerscheins, Erste Richtlinie 80/1263/EWG des Rates vom 4. Dezember 1980 zur Einführung eines EG-Führerscheins, ABl. Nr. L 375/1 vom 31.12.1980; Richtlinie 91/439/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein, ABl. Nr. L 237/1 vom 24.8.1991; Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (Neufassung), ABl. Nr. L 403/18 vom 30.12.2006. 141 Zum ÜStrV sind von den Vertragsparteien zahlreiche Vorbehalte erklärt und Erklärungen abgegeben worden.

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mungsgesetzes die innerstaatliche unmittelbare Anwendung des ÜStrV auf den Art. 3 Abs. 3, 5 und 6 und die dort in Bezug genommenen Bestimmungen des Übereinkommens – dazu gehören die Vorschriften der Kapitel III, IV und V – beschränkt.142 3. Das Zusatzübereinkommen von 1971 Nur drei Jahre nach dem Abschluss des ÜStrV wurde von einer weiteren Konferenz in Genf am 1. Mai 1971 das Europäische Zusatzübereinkommen zum Übereinkommen über den Straßenverkehr angenommen.143 Nach mehreren Änderungen gilt es heute i.d.F. vom 28. März 2006.144 Das Zusatzübereinkommen enthält nur 13 Artikel, die sich im Wortlaut an die allgemeinen Regelungen des ÜStrV anlehnen, sowie einen umfangreicheren Anhang, der in 28 Ziffern die Ergänzungen und Änderungen zahlreicher Artikel des ÜStrV aufführt. Ziel des Zusatzübereinkommens ist – wie die Eingangsformel sagt –, eine größere Einheitlichkeit der Verkehrsregeln in Europa herbeizuführen. Dazu wurden eine Reihe von Artikeln des ÜStrV, die lediglich Empfehlungen an die Vertragsparteien enthielten, bestimmte Maßnahmen bzw. Regelungen vorzunehmen, für die europäischen Vertragsparteien strikt verbindlich erklärt.145 Ferner wurden einzelne Artikel durch neue Absätze ergänzt, die das ÜStrV für die europäischen Vertragspartner an neue Verkehrsentwicklungen oder an erst im Nachhinein erkannte Verkehrsrisiken für besonders gefährdete Verkehrsteilnehmer anpassten.146 142 Gesetz zu den Übereinkommen vom 8. November 1968 über den Straßenverkehr und über Straßenverkehrszeichen, zu den Europäischen Zusatzübereinkommen vom 1. Mai 1971 zu diesen Übereinkommen sowie zum Protokoll vom 1. März 1973 über Straßenmarkierungen vom 21.9.1977, BGBl. 1977 II, 809. 143 Europäisches Zusatzübereinkommen zum Übereinkommen über den Straßenverkehr, das in Wien am 8. November 1968 zur Unterzeichnung aufgelegt wurde, vom 1.5.1971, UNTS Bd. 1137, 369/BGBl. 1977 II, 986. 144 Für eine konsolidierte Fassung des Zusatzübereinkommens siehe United Nations Publications, Convention on Road Traffic of 1968 and European Agreement Supplementing the Convention – 2006 consolidated versions, 2006, UN Doc. ECE/TRANS/195. Der konsolidierte Text des Zusatzübereinkommens ist abrufbar unter: http://www.unece.org/ fileadmin/DAM/trans/conventn/Agreement_road_traffic_EN.pdf (letzter Zugriff: 30.4.2015). 145 Vgl. zum Beispiel die Ziff. 5 zu Art. 6 Abs. 3, Ziff. 6 zu Art. 7 Abs. 2 des Übereinkommens i.d.F. vom 23.9.1993. Diese – wie weitere vier Änderungen dieser Art – lauteten: „Die Bestimmung diese Artikels, die in dem Übereinkommen eine Empfehlung ist, ist verbindlich“, Anhang, BGBl. 1977 II, 994. 146 Vgl. Ziff. 6 zu Art. 7 des Übereinkommens i.d.F. vom 23.9.1993, die dem Art. 7 u.a. den Absatz hinzufügte wonach „[d]ie Verkehrsteilnehmer […] gegenüber Kindern, Körperbehinderten, insbesondere Blinden mit einem weißen Stock, und alten Personen erhöhte

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Obwohl sich – wie erwähnt – die Artikel des Zusatzübereinkommens weitgehend an den Wortlaut des Übereinkommens von 1968 anlehnen, enthalten sie auch einige bedeutsame Abweichungen. So kann der Anhang zum Zusatzübereinkommen – unabhängig von den mit den entsprechenden Regelungen des ÜStrV übereinstimmenden Absätzen 1–6 des Art. 6 (entspricht Art. 49 ÜStrV) – im „Einvernehmen zwischen den zuständigen Verwaltungen aller Vertragsparteien abgeändert werden“, wobei der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Änderungen für solche Vertragsparteien davon abhängig gemacht werden kann, die aufgrund innerstaatlichen Rechts die Einholung von Sondergenehmigungen oder der Zustimmung eines gesetzgebenden Organs beachten müssen (Art. 6 Abs. 7). Eine aus dem Charakter des Übereinkommens von 1971 als Zusatzübereinkommen resultierende Änderung der Kündigungsklausel des Übereinkommens vom 1968 (Art. 30) enthält Art. 7, der besagt, dass „jede Vertragspartei, die nicht mehr Vertragspartei des am 8. November 1968 in Wien zur Unterzeichnung aufgelegten Übereinkommens über den Straßenverkehr ist“, von dem „gleichen Zeitpunkt ab auch nicht mehr Vertragspartei dieses Zusatzübereinkommens“ ist. Eine weitere bedeutsame Änderung gegenüber dem Übereinkommen von 1968 betrifft das Streitbeilegungsverfahren. Während das ÜStrV in Art. 52 vorsah, dass Streitigkeiten über die Anwendung und Auslegung des Übereinkommens, die nicht durch Verhandlungen beigelegt werden können, dem IGH vorzulegen sind, sieht Art. 9 für die Beilegung von entsprechenden Streitigkeiten bezüglich des Zusatzübereinkommens vor, dass auf Antrag einer der streitenden Vertragsparteien ein Schiedsverfahren einzuleiten ist – eine im Hinblick auf die trotz der Änderungen und Ergänzungen bestehende Einheit beider Abkommen problematische Regelung, da widersprüchliche Entscheidungen von IGH und Schiedsgericht nicht auszuschließen sind.147 II. Die Straßenverkehrszeichen 1. Das Übereinkommen über Straßenverkehrszeichen von 1968 Ebenfalls auf der Wiener Konferenz der Vereinten Nationen über den Straßenverkehr von 1968 wurde das Übereinkommen über Straßenverkehrszeichen ver-

Vorsicht walten lassen“ müssen, Anhang, BGBl. 1977 II, 995. Entsprechende Regelungen sind in das ÜStrV durch dessen erste Änderung im Jahr 1993 eingefügt worden, siehe Art. 7 Abs. 3 ÜStrV. 147 Zu der Problematik widersprüchlicher Entscheidungen internationaler Gerichte siehe Finke, Die Parallelität internationaler Streitbeilegungsmechanismen, 2004.

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abschiedet (ÜStrVZ).148 Wie das ÜStrV dient auch das ÜStrVZ der Vereinheitlichung der Straßenverkehrszeichen und Straßenmarkierungen, um dadurch den internationalen Straßenverkehr zu erleichtern und die Straßenverkehrssicherheit zu erhöhen.149 Das ÜStrVZ wurde ebenfalls mehrfach geändert und gilt heute i.d.F. vom 28. März 2006.150 Das ÜStrVZ folgt im Aufbau dem ÜStrV. Das Kapitel I enthält wie das ÜStrV die allgemeinen Bestimmungen. Art. 1 beginnt mit den Begriffsbestimmungen, die von denen des ÜStrV wohl aufgrund der anderen Regelungsziele des ÜStrVZ geringfügig abweichen. So fehlen in Art. 1 die Bestimmung des Begriffs des Kraftfahrzeugs „im internationalen Verkehr“ und die besondere Bestimmung des Begriffs des „leichten Anhängers“ sowie der „miteinander verbundenen Fahrzeuge“. Auch fällt die Festlegung des zulässigen Gewichts der Fahrzeuge kürzer aus als im ÜStrV. Das ÜStrVZ enthält insgesamt neun umfangreiche Anhänge, die gemäß Art. 2 Bestandteil des Vertrages sind. Sie sind vor allem der genauen Beschreibung und der graphischen Darstellung der Verkehrszeichen und der Straßenmarkierungen gewidmet. Art. 3 und Art. 4 enthalten allgemeine Pflichten zur Vertragserfüllung. In Art. 3 Abs. 1 lit. a) verpflichten sich die Vertragsparteien „das im Übereinkommen beschriebene System der Verkehrszeichen und Straßenmarkierungen“ anzunehmen und „es möglichst bald einzuführen“. Dazu haben sich Parteien, „[w]enn das 148

Übereinkommen über Straßenverkehrszeichen, vom 8.11.1968, UNTS Bd. 1091, 3/BGBl. 1977 II, 893. Dem Übereinkommen gingen das bereits erwähnte Protokoll über Straßenverkehrszeichen vom 19.9.1949, UNTS Bd. 182, 229 und UNTS Bd. 514, 254; das Europäische Zusatzabkommen zum Übereinkommen über den Straßenverkehr von 1949 und zum Protokoll über Straßenverkehrszeichen von 1949 vom 16.9.1950, UNTS Bd. 133, 368 und UNTS Bd. 251, 378, welches gemäß Art. 5 des Zusatzübereinkommens zum ÜStrVZ außer Kraft getreten ist; das Übereinkommen über die Kennzeichnung der Baustellen vom 16.12.1955, UN Doc. E/ECE/223 (E/ECE/TRANS/481), 1956, welches jedoch nicht in Kraft getreten ist, und das Europäische Übereinkommen über Straßenmarkierungen vom 13.12.1957, UNTS Bd. 372, 159/BGBl. 1962 II, 841, welches ebenfalls gemäß Art. 5 des Zusatzübereinkommens zum ÜStrVZ außer Kraft getreten ist, voraus. 149 So die Präambel des ÜStrVZ. 150 Für eine konsolidierte Fassung des Übereinkommens siehe United Nations Publications, Convention on Road Signs and Signals of 1968 European Agreement Supplementing the Convention and Protocol on Road Markings, Additional to the European Agreement – 2006 consolidated versions, UN Doc. ECE/Trans/196; der konsolidierte Text des Übereinkommens ist ebenfalls abrufbar unter: www.unece.org/fileadmin/DAM/trans/conventn/ Conv_road_signs_2006v_EN.pdf (letzter Zugriff: 30.4.2015). Für eine amtliche Übersetzung der Fassung vom 28.3.2006 in deutscher Sprache siehe Doc. SR 0.741.20, abrufbar unter: https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19680245/200603280000/0. 741.20.pdf (letzter Zugriff: 7.5.2015).

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Übereinkommen ein Zeichen, ein Symbol oder eine Markierung festlegt, um eine Vorschrift anzuzeigen oder um den Verkehrsteilnehmern einen Hinweis zu geben“, davon abzusehen …, „ein anderes Zeichen, ein anderes Symbol oder eine andere Markierung zu verwenden, um diese Vorschrift anzuzeigen oder um diesen Hinweis zu geben“ (Art. 3 Abs. 1 lit. a) (i)). Gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. a) (ii) können die Vertragsparteien für den Fall, dass das Übereinkommen keine Zeichen, Symbole oder Markierungen vorschreibt, um eine Vorschrift anzuzeigen, Zeichen, Symbole oder Markierungen verwenden, es sei denn, sie sind im Übereinkommen mit einer anderen Bedeutung festgelegt und entsprechen dessen festgelegten System. Innerhalb einer Frist von vier Jahren nach dem Inkrafttreten des ÜStrVZ haben die Vertragsparteien alle Zeichen, Symbole und Markierungen, die zwar denen des Übereinkommens entsprechen, aber eine andere Bedeutung haben, zu ersetzen oder zu vervollständigen (Art. 3 Abs. 2). Innerhalb einer Frist von fünfzehn Jahren sind alle den im Übereinkommen festgelegten Zeichen, Symbolen und Markierungen widersprechenden Zeichen, Symbolen und Markierungen zu ersetzen, wobei in der Übergangsfrist die bisherigen Zeichen, Symbole und Markierungen neben den neuen beibehalten werden können, um die Verkehrsteilnehmer an das neue System des Übereinkommens zu gewöhnen (Art. 3 Abs. 3). Hier wird den Vertragsparteien zwar ein gewisser zeitlicher Handlungsspielraum eingeräumt, in der Sache hat jedoch das Ziel der Vereinheitlichung der Verkehrszeichen Vorrang vor der nationalen Gestaltungskompetenz. Doch ist das Übereinkommen nicht so auszulegen, „als verpflichte es die Vertragsparteien, alle in diesem Übereinkommen festgelegten Zeichen und Markierungen anzunehmen. Im Gegenteil, die Vertragsparteien sollen die Zahl der von ihnen angenommenen Zeichen und Markierungen auf das unbedingt Erforderliche beschränken“ (Art. 3 Abs. 4). Um die Einheitlichkeit der Verkehrszeichen zusätzlich abzusichern, haben die Vertragsstaaten die Anbringung von sachfremden Zeichen oder Hinweistafeln zu verbieten, „an einem Verkehrszeichen, an dessen Träger oder an irgendeiner anderen Einrichtung zur Verkehrsregelung etwas anzubringen, was nicht in Beziehung zum Sinn und Zweck dieses Verkehrszeichens oder dieser Einrichtung steht; wenn jedoch die Vertragsparteien oder ihre Teilgebiete eine Vereinigung ohne Erwerbszweck ermächtigen, Hinweiszeichen aufzustellen, können sie gestatten, dass das Emblem dieser Gesellschaft auf dem Zeichen oder dessen Träger erscheint, sofern das Zeichen dadurch nicht schwerer verständlich wird.“ Auch haben die Vertragsparteien zu verbieten, „Tafeln, Ankündigungen, Markierungen oder Einrichtungen anzubringen, die mit Verkehrszeichen oder anderen Einrichtungen zur Verkehrsregelung verwechselt werden könnten, deren Sichtbarkeit oder Wirksamkeit verringern oder die Verkehrsteilnehmer blenden oder ihre

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Aufmerksamkeit in einer für die Verkehrssicherheit gefährlichen Weise ablenken könnten“ (Art. 4). In den Kapiteln II, III und IV werden die Straßenverkehrszeichen und Verkehrslichtzeichen unter Verweis auf die entsprechenden Anhänge,151 die gemäß Art. 2 Bestandteil des Übereinkommens sind, und die darin aufgeführten technischen und graphischen Merkmale im einzelnen beschrieben. Das Kapitel V umfasst Kennzeichnungen verschiedener Gefahrenstellen wie Baustellen und Bahnübergänge. Wie das ÜStrV enthält auch das ÜStrVZ im Kapitel VI die Schlussbestimmungen zur Unterzeichnung, zum Beitritt und der Ratifikation (Art. 37), zum Geltungsbereich (Art. 38), zum Änderungsverfahren (Art. 41), zur Zulässigkeit von Vorbehalten (Art. 46)152 sowie zum Streitbeilegungsverfahren (Anrufung des IGH153 – Art. 44) und zur Kündigung (Art. 42), die mit den entsprechenden Vorschriften des ÜStrV übereinstimmen. Wie das ÜStrV enthält auch das ÜStrVZ eine Vorschrift zu seinem Verhältnis zu früheren Übereinkommen. Art. 40 bestimmt, dass im Verhältnis der Vertragsparteien untereinander „dieses Übereinkommen bei seinem Inkrafttreten das am 30. März 1931 in Genf zur Unterzeichnung aufgelegte Abkommen über die Vereinheitlichung der Straßenverkehrszeichen sowie das am 19. September 1949 in Genf zur Unterzeichnung aufgelegte Protokoll über Straßenverkehrszeichen“ aufhebt und sie ersetzt. 2. Das Zusatzübereinkommen von 1971 und das Zusatzprotokoll von 1973 Wie das ÜStrV wurde auch das ÜStrVZ auf der Genfer Konferenz von 1971 durch ein Zusatzübereinkommen, das Europäische Zusatzübereinkommen zum Übereinkommen über Straßenverkehrszeichen vom 1. Mai 1971,154 und später durch das Protokoll über Straßenmarkierungen zum Europäischen Zusatzüberein-

151 Der Text der Anhänge i.d.F. vom 28.3.2006 ist in amtlicher deutscher Übersetzung abrufbar unter: http://www.gesetze.ch/sr/0.741.20/0.741.20_010.htm (letzter Zugriff: 6.5.2015). 152 Die Vertragsparteien des ÜStrVZ haben von der Möglichkeit Vorbehalte zu erklären und Erklärungen abzugeben zahlreich Gebrauch gemacht. 153 Die Vertragsparteien können gemäß Art. 46 Abs. 1 erklären, durch Art. 44 nicht gebunden zu sein. Gegenüber der Partei, die eine solche Erklärung abgegeben hat, sind die anderen Parteien durch Art. 44 nicht gebunden. 154 Europäisches Zusatzübereinkommen zum Übereinkommen über Straßenverkehrszeichen, das in Wien am 8. November 1968 zur Unterzeichnung aufgelegt wurde, vom 1.5.1971, UNTS Bd. 1142, 225/BGBl. 1977 II, 1006.

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kommen zum Übereinkommen über Straßenverkehrszeichen vom 1. März 1973155 im Verhältnis der europäischen Vertragsparteien untereinander teils geändert, teils ergänzt. Beide gelten heute i.d.F. vom 28. März 2006.156 Das Zusatzübereinkommen zum ÜStrVZ von 1971 folgt im Aufbau und in den allgemeinen Bestimmungen dem parallel verabschiedeten Zusatzübereinkommen zum ÜStrV.157 Auf die entsprechende Darstellung dieser allgemeinen Bestimmungen des ÜStrV wird verwiesen. Obwohl schon das Zusatzübereinkommen zum ÜStrVZ in seinem Anhang158 Änderungen der technischen Anhänge zum ÜStrVZ mit dem Ziel einer weiteren 155

Protokoll über Straßenmarkierungen zum Europäischen Zusatzübereinkommen zum Übereinkommen über Straßenverkehrszeichen, das in Wien am 8. November 1968 zur Unterzeichnung aufgelegt wurde, vom 1.3.1973, UNTS Bd. 1394, 263/BGBl. 1977 II, 1026. 156 Zusatzübereinkommen: Für die Fassung vom 28.3.2006 siehe UN Doc. TRANS/WP.1/ 2003/4/Rev.4; für eine amtliche Übersetzung in deutscher Sprache siehe Doc. SR 0.741.21, abrufbar unter: https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19710099/20060328 0000/0.741.201.pdf (letzter Zugriff: 7.5.2015). Zusatzprotokoll zum Zusatzübereinkommen: Für die Fassung vom 28.3.2006 siehe UN Doc. TRANS/WP.1/2003/5/Rev.4, für eine amtliche deutsche Übersetzung siehe Doc. SR 0.741.201.2, abrufbar unter: https://www.admin. ch/opc/de/classified-compilation/19730068/200603280000/0.741.201.2.pdf (letzter Zugriff: 7.5.2015). Für einen konsolidierten Text der Verträge siehe United Nations Publications, Convention on Road Signs and Signals of 1968 European Agreement Supplementing the Convention and Protocol on Road Markings, Additional to the European Agreement – 2006 consolidated versions, UN Doc. ECE/Trans/196; der konsolidierte Text der Verträge ist ebenfalls abrufbar unter: www.unece.org/fileadmin/DAM/trans/conventn/Conv_ road_signs_2006v_EN.pdf (letzter Zugriff: 30.4.2015). Das Zusatzübereinkommen bzw. das Zusatzprotokoll sind für 32 bzw. 27 Staaten in Kraft getreten (Stand: 30.4.2015). 157 Lediglich Art. 1 und Art. 5 weichen insoweit vom Zusatzübereinkommen zum Übereinkommen über Straßenverkehr ab, als in Art. 1 die Abs. 2 und 3 gestrichen sind und in Art. 5 – aus dem anderen Regelungsgegenstand folgend – andere frühere Verträge, die zwischen den Parteien galten, aufgehoben werden. Art. 5 bestimmt: „Im Verhältnis unter den Vertragsparteien hebt dieses Zusatzübereinkommen bei seinem Inkrafttreten die Bestimmungen hinsichtlich des Protokolls über Straßenverkehrszeichen der am 16. September 1950 in Genf unterzeichneten Europäischen Zusatzvereinbarung zum Abkommen über den Straßenverkehr und zum Protokoll über Straßenverkehrszeichen des Jahres 1949, das in Genf am 16. Dezember 1955 unterzeichnete Übereinkommen über die Kennzeichnung der Baustellen und das am 13. Dezember 1957 unterzeichnete Europäische Übereinkommen über Straßenmarkierungen auf und ersetzt sie“, UNTS Bd. 1394, 265/BGBl. 1977 II, 1008. 158 Siehe Anhang zum Europäischen Zusatzübereinkommen zum Übereinkommen über Straßenverkehrszeichen i.d.F. vom 28.3.2006, UN Doc. TRANS/WP.1/2003/4/Rev.4. für eine amtliche Übersetzung in deutscher Sprache siehe Doc. SR 0.741.21, abrufbar unter: https://www.admin.ch/opc/de/classified-compilation/19710099/200603280000/0.741.201.pdf (letzter Zugriff: 7.5.2015).

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Vereinheitlichung der Straßenverkehrszeichen und Straßenmarkierungen enthielt, wurden hinsichtlich der letzteren durch das Zusatzprotokoll von 1973 dessen einschlägige Anhänge umfassend präzisiert, um vor allem die Einheitlichkeit der Straßenmarkierungen angesichts der sich rasch verändernden Auslegung und Gestaltung der großen Fernstraßen (u.a. Autobahnen) und der sich wandelnden Techniken zur Erhöhung der Verkehrssicherheit (z.B. Verkehrsinseln o.ä.) zu sichern bzw. zu erhöhen. Das Zusatzprotokoll enthält wie die zuvor behandelten Zusatzübereinkommen die – wiederum mit den vorangegangenen Verträgen übereinstimmenden – allgemeinen Bestimmungen über Unterzeichnung, Ratifikation, Kündigung, Vorbehalte und Änderungen. Die Sachregelungen sind in dem umfänglichen Anhang enthalten, der wie im Falle der Zusatzübereinkommen zum ÜStrV und ÜStrVZ nur die Änderungen und Ergänzungen formuliert, nicht aber eine aus sich heraus verständliche Neufassung des ÜStrVZ darstellt. Den Hauptteil des Anhangs bilden detaillierte technische Zeichnungen mit Maß- und Gestaltungsangaben für Fahrbahnmarkierungen, wie z.B. Fahrbahnbegrenzungslinien oder Mittelstreifen, aber auch für auf der Fahrbahn aufgetragene Verkehrszeichen wie Stopp-Zeichen.159 Hinzuweisen ist auf die seit mehreren Jahren zu beobachtende Tendenz, die Verkehrssicherheit verstärkt nicht nur durch die erwähnten Übereinkommen über die Annahme einheitlicher technischer Regelungen für Radfahrzeuge, sondern auch durch intensivere Kontrollverfahren zur Sicherung der Einhaltung des materiellen internationalen Straßenverkehrsrechts zu erhöhen. So wurde zur Gewährleistung der Einhaltung u.a. der in dem Übereinkommen über die Annahme einheitlicher Bedingungen für die Genehmigung der Ausrüstungsgegenstände und Teile von Kraftfahrzeugen [Motorfahrzeugen] und über die gegenseitige Anerkennung der Genehmigung vom 20. März 1958 (i.d.F. von 1995)160 das Übereinkommen über die Bedingungen periodischer technischer Inspektionen von Radfahrzeugen im Rahmen der UNECE im Jahre 1997 beschlossen, das am 27. Januar 2001 in Kraft trat.161 159

Siehe dazu insgesamt die technischen Darstellungen in UNTS Bd. 1394, 303 ff./ BGBl. 1977 II, 1044 ff. und die Ergänzungen in der Anlage zum Europäischen Zusatzübereinkommen zum ÜStrVZ. 160 UNTS Bd. 335, 211/BGBl. 1965 II, 857/BGBl. 1997 II, 998. 161 Agreement Concerning the Adoption of Uniform Conditions for Periodical Technical Inspections of Wheeled Vehicles and the Reciprocal Recognition of such Inspections vom 13.11.1997, UN Doc. ECE/RCTE/CONF/4; UN Doc. ECE/RCTE/CONF/4/Add.1/Rev.1/ Corr.1 in Kraft getreten am 15.2.2007 und ECE/RCTE/CONF/4/Add.2 in Kraft getreten am 3.2.2012. Das Abkommen wurde bisher von 23 Staaten unterzeichnet und trat nach der Hinterlegung von 8 Ratifikationen in Kraft. Heute ist das Abkommen für 12 Staaten in Kraft getreten (Stand: 30.4.2015). Zum jüngsten Änderungsvorschlag siehe das Proposal with

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III. Das Fahrpersonal Der Verkehrssicherheit, die auch den Schutz von Passagieren stärkt, zugleich aber auch dem Schutz des im grenzüberschreitenden Personen- und Gütertransport tätigen Fahrpersonals dient schließlich das im Rahmen des UNECE Binnenverkehrsausschusses angenommene Europäische Übereinkommen über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals von 1970 (AETR).162 Die doppelte Zielrichtung des Übereinkommens wird in der Präambel deutlich hervorgehoben. Dort heißt es u.a., die Vertragsparteien schlössen das Übereinkommen in der Überzeugung, dass es notwendig sei, „die Sicherheit des Straßenverkehrs163 zu erhöhen, bestimmte Arbeitsbedingungen164 im internationalen Straßenverkehr nach den Grundsätzen der Internationalen Arbeitsorganisation zu regeln und gemeinsam bestimmte Maßnahmen zu treffen, um die Beachtung dieser regard to a further development of the 1997Agreement Concerning the Adoption of Uniform Conditions for Periodical Technical Inspection of Wheeled Vehicles and the Reciprocal Recognition of Such Inspections. Submitted by the International Motor Vehicle Inspection Committee (CITA), Informal document ITC (2015) Nr. 15 vom 17.2.2015. 162 Accord Européen sur les Transports Routiers (European agreement concerning the work of crews of vehicles engaged in international road transport) vom 1.7.1970, UN Doc. E/ECE/811/UN Doc. E/ECE/TRANS/564/; UNTS Bd. 993, 143/BGBl. 1974 II, 1475; geändert durch UN Doc. E/ECE/TRANS/564/Amend.1 in Kraft getreten am 3.8.1983; UN Doc. E/ECE/TRANS/564/Amend.2 in Kraft getreten am 24.4.1992; UN Doc. E/ECE/ TRANS/564/Amend.3 in Kraft getreten am 28.2.1995; UN Doc. E/ECE/TRANS/564/ Amend.4 in Kraft getreten am 27.2.2004, Doc. TRANS/SC.1/375/Add.1 in Kraft getreten am 16.6.2006; zuletzt geändert durch ECE/TRANS/SC.1/386/Add.1 in Kraft getreten am 20.9.2010. Zu der jüngsten Änderung siehe den Report of the Group of Experts on European Agreement Concerning Work of Crews of Vehicles Engaged in International Road Transport (AETR) on its eighth session, UN Doc. ECE/TRANS/SC.1/402. Das AETR ist bisher für 51 Staaten in Kraft getreten (Stand: 28.4.2015), darunter alle EU-Mitgliedsstaaten. Zu beachten ist jedoch, dass für die EU-Mitgliedsstaaten bei unmittelbar grenzüberschreitendem Verkehr innerhalb der EU die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates, ABl. Nr. L 102/1 vom 11.4.2006, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) Nr. 165/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014, ABl. Nr. L 60/1 vom 28.2.2014, ber. ABl. Nr. L 93/103 vom 9.4.2015, vorrangig ist. Zu dem früherem rechtlichen Streit über die Zulässigkeit des Beitritts von Mitgliedstaaten der EG/EU im Hinblick auf die verkehrsrechtlichen Kompetenzen siehe das AETR-Urteil des EUGH, Rs. 22/70, EUGHE 1971, 263 ff. 163 Hervorhebung vom Verf. 164 Hervorhebung vom Verf.

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Regelung zu sichern.“165 Das Übereinkommen entspricht im Aufbau und in den umfangreichen Schlussbestimmungen den zwei Jahre zuvor abgeschlossenen ÜStrV und ÜStrVZ. Auf die entsprechenden Darlegungen kann insoweit verwiesen werden. Das AETR beginnt mit umfänglichen Definitionen insbesondere zu den Begriffen der vom Übereinkommen erfassten Fahrzeuge, des internationalen Straßenverkehrs und des Linienverkehrs sowie des Fahrers, der Mitglieder des Fahrpersonals, deren Einsatzzeiten, Ruhezeiten und anderen Aufgaben als die Fahrtätigkeit (Art. 1). Art. 2 Abs. 1 bestimmt sodann den grundsätzlichen Geltungsbereich des Übereinkommens, nämlich das Hoheitsgebiet einer Vertragspartei „für den internationalen Straßenverkehr mit jedem Fahrzeug, das im Hoheitsgebiet dieser oder einer anderen Vertragspartei zugelassen ist.“ Jedoch werden in Art. 2 Abs. 2 eine Reihe von Ausnahmen eingeräumt, so z.B. „für die Güterbeförderung im internationalen Straßenverkehr mit Fahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht 3,5t nicht überschreitet“, vorbehaltlich „einer abweichenden Vereinbarung zwischen Vertragsparteien, deren Hoheitsgebiet befahren wird“. Eine interessante Regelung zum Anwendungsbereich der Bestimmungen des Übereinkommens enthält Art. 3. Danach verpflichten sich die Vertragsparteien, „in ihrem Hoheitsgebiet auf den internationalen Straßenverkehr mit Fahrzeugen, die in Nichtvertragsstaaten zugelassen sind, mindestens ebenso strenge Bestimmungen“ anzuwenden, wie sie in den Art. 5–10 vorgesehen sind. Hier wird zwar keine Vertragsregelung zu Lasten Dritter vereinbart, doch wird der Regelungsgehalt des Übereinkommens über die diesem Regelungsgehalt entsprechenden nationalen Vorschriften hinaus auch für Fahrzeuge von Nichtvertragsstaaten zur Anwendung gebracht.166 Ausnahmen von der Vorschrift des Art. 3 Abs. 2 können von den Vertragsparteien in bestimmten Fällen vorgesehen werden. Art. 4 enthält allgemeine Grundsätze, wonach jede Vertragspartei höhere Mindestwerte oder niedrigere Höchstwerte als nach den Art. 5 und 6 anwenden. Jedoch gilt „das Übereinkommen weiterhin für diejenigen Fahrer von Fahrzeugen, die in Fahrzeugen, welche in einem anderen Vertragsstaat oder Nichtvertragsstaat zugelassen sind, Beförderungen im internationalen Straßenverkehr durchführen.“ Die weiteren Vorschriften betreffen die vom Fahrer zu erfüllenden Bedingungen 165

Siehe dazu auch das im Rahmen der ILO am 27.6.1979 abgeschlossene Übereinkommen Nr. 153 über die Arbeits- und Ruhezeiten im Straßentransport, in Kraft getreten am 10.10.1982, das allerdings nur von 7 Staaten (Ecuador, Irak, Mexiko, Spanien, Schweiz, Türkei, Ukraine, Uruguay und Venezuela) ratifiziert worden ist (Stand: 28.4.2015). 166 Zur Geltung der entsprechenden Vorschriften in – aus EU-Sicht – Drittstaaten vgl. die VO 2829/77, ABl. Nr. L 334/11 vom 24.12.1977 über die Inkraftsetzung des im Rahmen der UNECE ausgearbeiteten AETR-Abkommens.

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(Art. 5), die zu beachtenden Lenkzeiten (Art. 6), Unterbrechungen (Art. 7),167 die Ruhezeiten (Art. 8), zulässige Ausnahmen soweit für die Sicherheit der Fahrgäste, des Fahrzeugs oder seiner Ladung erforderlich (Art. 9) und die Regelung über den Einbau und die Benutzung von Kontrollgeräten (Art. 10). Art. 11 enthält die Pflichten des Unternehmens gegenüber dem Fahrpersonal, mit denen die Einhaltung des AETR durch das Fahrpersonal gewährleistet werden soll. Zur Absicherung der Befolgung der vorstehenden Regelungen sieht Art. 12 Pflichten der Vertragsstaaten zur Durchführung des Übereinkommens, insbesondere die Pflicht zu gegenseitiger Unterstützung und Information vor, so z.B. bei schweren Verstößen auch die Weitergabe der Information über die verhängten Strafen. Die Schlussbestimmungen entsprechen denen der früheren, von der UNECE erarbeiteten Übereinkommen. Umfängliche Anhänge regeln die technische Ausgestaltung der Kontrollgeräte und deren Einbau. Eine entsprechende Vereinheitlichung des Straßenverkehrsrechts mit dem Ziel der Erhöhung der Verkehrssicherheit im grenzüberschreitenden Bus- und Lastkraftwagenverkehr sieht das NAFTA in Annex 913.5.a–l vor. Danach obliegt es dem gemäß Art. 913 (5)(a)(i) errichteten Land Transportation Standards Subcommittee, dem Vertreter jeder Vertragspartei angehören, ein Arbeitsprogramm auszuführen, durch das die standardbezogenen Maßnahmen der Parteien u.a. für Busse und Lastkraftwagen harmonisiert werden sollen, so z.B. für medizinische Maßnahmen für die Fahrer, für Gewicht und Größe, für Reifen, Bremsen, Abgas usw., sowie für die Überwachung der Einhaltung der Sicherheitsstandards der Fahrzeuge.168 IV. Zusammenfassung Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass das internationale Straßenverkehrsrecht an geographischer und sachlicher Reichweite, aber auch an Regelungsdichte gewonnen hat. Insbesondere gilt dies für den europäischen Raum, in 167

Regelungen zu den Lenk- und Ruhezeiten sowie zur Zusammensetzung und Ausbildung des Fahrpersonals zur Schaffung gleicher Ausgangschancen für den europäischen Wettbewerb, zugleich aber auch zur Erhöhung der Verkehrssicherheit wurden auch schon früh im Rahmen der europäischen Integration in Form von Verordnungen beschlossen, vgl. dazu die zunächst erlassene VO 543/69, ABl. Nr. L 77/49 vom 29.3.1969, an deren Stelle später die VO 3820/85, ABl. Nr. L 370/1 vom 31.12.1985, ber. ABl. Nr. L 206/36 vom 30.7.1986, trat. Letztere wurde im Jahre 2006 durch die VO 561/2006, ABl. Nr. L 102/1 vom 11.4.2006, zuletzt geändert durch VO 165/2014, ABl. Nr. L 60/1 vom 28.2.2014, ber. ABl. Nr. L 93/103 vom 9.4.2015, aufgehoben. 168 Text der einschlägigen Bestimmungen in ILM 32 (1993), 392.

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dem durch verschiedene Zusatzübereinkommen bzw. -protokolle zu den auf Universalität angelegten ÜStrV und ÜStrVZ einerseits strengere Umsetzungspflichten und andererseits erweiterte Sachregelungen gelten. Im Interesse der Einheitlichkeit des Straßenverkehrsrechts ist im europäischen Raum die Freiheit der Gestaltung des nationalen Straßenverkehrsrechts deutlich beschränkt worden, allerdings mit der Maßgabe, dass z.B. im Hinblick auf nationale Sicherheitsinteressen den Vertragsparteien Spielraum für eigene Regelungen belassen wurde.169

D. Das Kraftfahrzeug-Haftpflichtrecht I. Die Entwicklung internationaler Regelungen zur Kraftfahrzeug-Haftpflicht Mit der Eröffnung des grenzüberschreitenden Kraftfahrzeugverkehrs ist nicht nur der Gewinn erhöhter Mobilität privater und beruflicher Art verbunden, sondern auch das Risiko von Verkehrsunfällen unter Beteiligung eines in einem anderen Staat haftpflichtversicherten Kraftfahrzeugs – sei es durch Inländer im Ausland und Ausländer im Inland. So stellte sich bereits in den 1920er Jahren das Problem, ob und gegebenenfalls wie eine Harmonisierung des Haftpflichtrechts und des Rechts der Kraftfahrzeugpflichtversicherung herbeigeführt werden könnte.170 Zwar handelt es sich bei den aus Verkehrsunfällen inländischer Kraftfahrer 169

Siehe dazu beispielhaft Art. 53 ÜStrV, Art. 45 ÜStrVZ, Art. 10 Zusatzübereinkommen zum ÜStrV und Art. 10 Zusatzübereinkommen zum ÜStrVZ. Insoweit die EU Partei einzelner der behandelten Abkommen geworden ist – so z.B. des Abkommens von 1958 über die Annahme einheitlicher Bedingungen für die Genehmigung der Ausrüstungsgegenstände und Teile von Kraftfahrzeugen [Motorfahrzeugen] und über die gegenseitige Anerkennung der Genehmigung (Beschluss 97/836/EG des Rates der Europäischen Union vom 27. November 1997 über den Beitritt der Gemeinschaft zu dem „Geänderten Übereinkommen von 1958“, ABl. Nr. L 346/78 vom 27.11.1997) – können die Regelungen und Änderungen sowohl von der Union als auch von den Mitgliedstaaten angenommen werden. Für die von der Union angenommenen Regelungen und Änderungen von Regelungen, bedarf es gemäß Art. 216 Abs. 2 AEUV i.V.m. Art. 1 Abs. 4 (bei neuen Regelungen) und Art. 1 Abs. 7 (bei bestehenden Regelungen) des „Geänderten Übereinkommens von 1958“ keines zusätzlichen Rechtsaktes, mit dem diese Regelungen bzw. Änderungen von Regelungen in innerstaatliches Recht übernommen werden, so dass den Mitgliedsstaaten der EU in diesen Fällen aufgrund des Geltungs- und Anwendungsbefehls des Art. 216 Abs. 2 AEUV kein nationaler Gestaltungsspielraum bleibt. 170 Zur straf- bzw. ordnungsrechtlichen Ahndung von Verstößen gegen die Straßenverkehrsregeln siehe das vom Europarat erarbeitete Europäische Übereinkommen über die Ahndung von Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr vom 30.11.1964, ETS Nr. 52, in

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im Ausland und umgekehrt resultierenden Schadensersatzansprüchen um rein privatrechtliche Ansprüche, deren Durchsetzung nach den Regeln des internationalen Privat- und -verfahrensrechts erfolgen kann. So kann über die Regel, dass Schadensersatzansprüche nach dem am Ort des zugrundeliegenden deliktischen Handelns geltenden Recht unterliegen (lex loci delicti commissi), das jeweils anzuwendende Haftungsrecht bestimmt werden.171 Angesichts der seinerzeit und teilweise auch heute noch herrschenden Unterschiedlichkeit der nationalen Haftungsregeln und des Prozessrechts (z.B. im Hinblick auf die Beweislastregeln), aber auch des Versicherungsrechts, kann dieser Ansatz jedoch im Einzelfall zu unbefriedigenden Ergebnisse führen.172 So gab es bereits im Rahmen des Völkerbundes Bemühungen, eine Vereinheitlichung des Haftpflicht- und des Versicherungsrechts zu erreichen. Die Commission Consultative et Technique des Communications et du Transit – vergleichbar mit dem heutigen Ausschuss für Landverkehr (Inland Transport Committee) der UNECE – legte nach langwierigen Verhandlungen schließlich im Jahre 1937 zwei Entwürfe für die Vereinheitlichung des Haftpflicht- und des Versicherungsrechts vor, die jedoch weder bei den Mitgliedstaaten noch bei den betreffenden privaten Organisationen auf Zustimmung stießen. Daraufhin wurden diese Entwürfe nicht weiter verfolgt.173 II. Die UNECE-Resolution Nr. 5 Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm jedoch auf Anregung der Schweiz die UNECE diese Projekte im Jahre 1947 wieder auf. Allerdings wurde nicht mehr auf die Schaffung entsprechender völkerrechtlicher Verträge hingearbeitet. Vielmehr Kraft getreten am 18.7.1972 für 5 Staaten, 10 weitere Staaten haben das Übereinkommen unterzeichnet (Stand: 27.4.2015). 171 So Art. 7 und 8 Londoner Abkommen (LA); vgl. auch die entsprechende Regelung des Art. 40 EGBGB; dazu näher Spickhoff, in: Bamberger/Roth (Hrsg.), Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch: BGB, Bd. 3, 3. Aufl. 2012, Art. 40 EGBGB Rn. 18 ff.; Wagner, in: Heidel/Hüßtege/Mansel/Noack (Hrsg.), Nomos Kommentar zum BGB, Bd. I, 2. Aufl. 2012, Art. 40 EGBGB Rn. 15 ff.; Hohloch, in: Erman Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 14. Aufl. 2014, Art. 40 EGBGB Rn. 12 f. 172 Siehe dazu schon von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 73 ff.; für die Gegenwart auch die Verlautbarung des Deutschen Büros Grüne Karte, abrufbar unter: www.gruene-karte-buero.de/dbgkgrund.htm (letzter Zugriff: 27.4.2015). 173 von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 78 f.; siehe dazu auch LN Doc. C 380 M.256. 1937. VIII, 44 f., und LN Doc. C 196 M.125. 1939. VIII sowie den Text: Unification Internationale en matière de Responsabilité et d’Assurance obligatoire des Automobilistes, Institut international pour l’unification du droit privé (U.D.P.), 1940.

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war das Ziel, unter enger Einbeziehung der nationalen Kraftfahrzeugversicherungsträger Leitvorstellungen für die Harmonisierung der nationalen haftungs- und versicherungsrechtlichen Regelungen im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Kraftfahrzeugverkehr sowie für ein möglichst einfaches, den reibungslosen grenzüberschreitenden Kraftfahrzeugverkehr sicherndes Regelungsmodell zu erarbeiten. Die konkrete Grundlage für ein solches Regelungsmodell wurde mit Verabschiedung der Resolution Nr. 5 geschaffen, die am 25. Januar 1949 vom Unterausschuss für den Straßenverkehr des Ausschusses für den Landverkehr der UNECE unter maßgeblicher Beteiligung von relevanten privaten Organisation174 beschlossen wurde und heute in der geänderten Fassung von 2004 gilt.175 1. Das Grüne-Karte-System und die Errichtung des Council of Bureaux Mit der Resolution Nr. 5 wurde für die Lösung des Problems der Haftung für Kraftfahrzeugunfallschäden im Ausland sowie der Pflichtversicherung für Kraftfahrzeuge im grenzüberschreitenden Verkehr das in Skandinavien in ähnlicher Form bereits praktizierte System176 der sog. „Grünen Karte“ eingeführt. Ziel ist, dass kein Verkehrsopfer dadurch benachteiligt wird, dass der Schaden durch ein ausländisches Kraftfahrzeug verursacht wird, und dass zugleich der grenzüberschreitende Straßenverkehr dadurch erleichtert wird, dass der Kraftfahrer von der

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Diese auch heute noch enge Zusammenarbeit z.B. mit der International Road Transport Union (IRU) und dem unten näher behandelten Council of Bureaux wird im Bericht des Unterausschusses des Binnenverkehrsausschusses der UNECE hervorgehoben, siehe hierzu den Report of the Working Party on Road Transport on its 109th session, UN Doc. ECE/TRANS/SC.1/402 vom 25.11.2014, Ziff. 7 und 28. 175 UN Doc. E/ECE/TRANS/145 vom 25.1.1949; geändert durch Beschluss vom 29.6.1984, UN Doc. E/ECE/TRANS/SC1/319; geändert durch Beschluss vom 16.11.2000, Annex 2 of the Consolidated Resolution on the Facilitation of Road Transport (R.E.4.); geändert durch Beschluss vom 30.4.2004 Annex 2 of the Revised Consolidated Resolution on the Facilitation of Road Transport (R.E.4.), UN Doc. E/ECE/TRANS/SC.1/2002/4/ Rev.4. 176 von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 79; für Afrika erarbeitete das Sekretariat der UNCTAD gemäß einer Resolution, die von Afrikanischen Staaten auf einer von der UNCTAD und der UN Wirtschaftskommission für Afrika veranstalteten Konferenz im November 1976 angenommen wurde, das Intergovernmental Agreement on the Establishment of an Inter-African Motor Vehicle Third Party Liability Insurance Card, UN Doc. UNCTAD/INS/18. Das Übereinkommen wurde am 1.10.1978 zur Unterzeichnung aufgelegt, ist aber bisher nicht in Kraft getreten, da keine der 8 notwendigen Ratifikationen vorliegt. Lediglich Togo hat das Übereinkommen unterzeichnet (Stand: 7.5.2015).

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Pflicht entbunden wird, sich an der Grenze den erforderlichen Versicherungsschutz für das Besuchsland (sog. Grenzversicherung177) zu beschaffen.178 Die als Empfehlung an die Regierungen der Mitgliedstaaten gerichtete Resolution Nr. 5 sieht vor, dass „[w]ith a view to providing uniform and convenient arrangements for motorists to be adequately insured against third party road risks when entering countries where insurance against such risks is compulsory“ die Regierungen die Versicherer der genannten Risiken auffordern, gemäß den in der Resolution angeführten Leitlinien miteinander Übereinkommen abzuschließen, und ihnen dabei Hilfestellung leisten. In jedem Land ist danach eine zentrale Institution – das Büro – zu schaffen, die von der jeweiligen Regierung anerkannt wird. Die nationalen Büros sind private Organisationen unterschiedlicher Rechtsform,179 deren Mitglieder Versicherungsunternehmen sind, die selbst Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungen anbieten. Die nationalen Büros sind ihrerseits in einer Dachorganisation, dem Council of Bureaux (CoB) mit Sitz in London, zusammengeschlossen. Der CoB steht unter der Schirmherrschaft des Unterausschusses für Straßenverkehr des Binnenverkehrsausschusses der UNECE und ist für die Förderung der Durchführung der zwischen den nationalen Büros in Übereinstimmung mit der Resolution Nr. 5 geschlossenen Übereinkommen und die Beratung von Angelegenheiten gemeinsamen Interesses der Mitgliedsbüros des CoB zuständig. Grundlage für die Zusammenarbeit der nationalen Büros bei der Abwicklung von Kraftfahrzeugschadensfällen im Ausland war das von der Generalversammlung des CoB angenommene Londoner Abkommen (Uniform Agreement), das den Mustervertrag für die bilateralen Überein177 Zur Regelung der Grenzversicherung in Deutschland und darüber hinaus in Europa siehe Lemor, in: Feyock/Jacobsen/Lemor (Hrsg.), Kraftfahrtversicherung, 3. Aufl. 2009, AuslUnf, Rn. 1 ff. m.w.N. 178 So die Verlautbarung des „Deutschen Büros Grüne Karte e.V.“, abrufbar unter: http://www.gruene-karte.de/das-gk-system.html (letzter Zugriff: 8.5.2015); zum System der Grünen Karte in seiner frühen Gestaltung siehe auch von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 79 ff. m.w.N. 179 In Deutschland nahm mit Wirkung vom 1. Januar 1994 der Verein „Deutsches Büro Grüne Karte e.V.“ (DBGK) zunächst mit Sitz in Hamburg, seit dem 1.9.2007 mit Sitz in Berlin, als Rechtsnachfolger der Auslandsabteilung des ehemaligen HUK-Verbandes die Funktion des zentralen nationalen Büros wahr; siehe dazu die Verlautbarung des DBGK, abrufbar unter: http://www.gruene-karte.de/das-dbgk.html (letzter Zugriff: 8.5.2015); siehe auch Lemor, in: Feyock/Jacobsen/Lemor (Hrsg.), Kraftfahrtversicherung, 3. Aufl. 2009, AuslUnf, Rn. 20; Die Satzung des Vereins „Deutsches Büro Grüne Karte e.V.“ i.d.F. von 2007 ist abgedruckt in Feyock/Jacobsen/Lemor (Hrsg.), Kraftfahrtversicherung, 2009, Texte, XXI.; der Text ist ebenfalls abrufbar unter: http://www.gruene-karte.de/uploads/ media/Das_DBGK_Satzung.pdf (letzter Zugriff: 27.4.2015).

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kommen der Mitglieder des CoB enthielt.180 An deren Stelle traten mit Wirkung vom 1. Juli 2003 die Internal Regulations (IR).181 Aufgabe der nationalen Büros ist es, ihren Mitgliedern standardisierte Versicherungskarten (Certificates of Insurance – die Grünen Karten) zu übermitteln, die diese dann vervollständigen und ihren Versicherungsnehmern ausgeben. Das Vorweisen der Grünen Karte beim Grenzübertritt erspart dem Kraftfahrer/Halter den Abschluss einer Haftpflichtversicherung für das Besuchsland in den Fällen, dass dieses Land nach seinem Recht die obligatorische Haftpflichtversicherung vorsieht – was die Regel ist.182 Eingeleitet durch Initiativen der EG, die Verkehrspolitik der Gemeinschaft in Richtung auf Erleichterungen des grenzüberschreitenden Verkehrs innerhalb der Gemeinschaft, aber auch für den Verkehr mit europäischen Drittländern einerseits und auf die Entwicklung des Binnenmarktes im Bereich der Versicherungswirt-

180

Für den Text des Londoner Abkommens i.d.F. von 1991 siehe Schmitt/Schomaker, Das Londoner Muster-Abkommen, 1993, 91 ff. (englisch) und 101 ff. (französisch); zur Konzeption der Neufassung des Londoner Abkommens im Jahre 1991 siehe 33 ff. 181 Der Text der IR vom 30.5.2002 ist abgedruckt in: Feyock/Jacobsen/Lemor (Hrsg.), Kraftfahrtversicherung, 3. Aufl. 2009, Texte, XVIII. (deutsch) und XIX. (englisch); der aktuelle Text in der revidierten Fassung vom 23.5.2013 ist abrufbar unter: http://www. cobx.org/content/default.asp?PageID=58&DocID=66953 (letzter Zugriff: 11.5.2015); eine deutsche Übersetzung ist abrufbar unter: http://www.gruene-karte.de/uploads/media/GK_ 40_Internal_Regulations_02.pdf (letzter Zugriff: 13.5.2014). 182 Die Kfz-Haftpflichtversicherung wurde seit Mitte des 20. Jahrhunderts zunächst im Wege nationaler Gesetzgebung eingeführt. Namentlich im Rahmen der wachsenden europäischen Integration wurde die Einführung der Haftpflichtversicherung durch internationale Übereinkommen (so z.B. das Europäische Übereinkommen – das sog. Straßburger Übereinkommen – über die obligatorische Haftpflichtversicherung für Kraftfahrzeuge vom 20.4.1959, ETS Nr. 29/BGBl. 1965 II, 281) sowie durch EG-Richtlinien vorgeschrieben. Zur zivilrechtlichen Haftung für durch Kraftfahrzeuge verursachte Schäden siehe auch das im Rahmen des Europarates erarbeitete Europäisches Übereinkommen über die zivilrechtliche Haftung für durch Kraftfahrzeuge verursachte Schäden vom 14.5.1973, ETS Nr. 79, das allerdings lediglich von Deutschland, Norwegen und der Schweiz unterzeichnet wurde und bisher nicht in Kraft getreten ist (Stand: 27.4.2015); zum Ganzen siehe Lemor, in: Feyock/Jacobsen/Lemor (Hrsg.), Kraftfahrtversicherung, 3. Aufl. 2009, Europarechtliche Grundlagen der Kfz-Haftpflichtversicherung, Rn. 5 ff. und zur Pflichtversicherung als Voraussetzung für das Grüne Karte-System ders., in: Feyock/Jacobsen/Lemor (Hrsg.), Kraftfahrtversicherung, 3. Aufl. 2009, AuslUnf, Rn. 17.

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schaft andererseits,183 wurde bereits 1972 für die damaligen EG-Mitgliedstaaten die Kontrolle der Grünen Karte an den innergemeinschaftlichen Grenzen aufgehoben.184 Zur Umsetzung der Pflicht zur Aufhebung der Kontrolle des Versicherungsnachweises mussten die nationalen Büros sich durch Übereinkommen verpflichten, das amtliche Kennzeichen von Fahrzeugen mit gewöhnlichem Standort in einem anderen Mitgliedstaat der Gemeinschaft als Versicherungsnachweis anzusehen und die Deckung von Schäden von Fahrzeugen auch dann zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich nicht versichert sind. Diese Übereinkommen wurden in Zusatzabkommen zum Londoner Abkommen zunächst bilateral getroffen. Im Jahre 1991 löste das Multilaterale Garantieabkommen zwischen den nationalen Versicherungsbüros (MGA)185 die bilateralen

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Siehe dazu u.a. die Zweite Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, ABl. Nr. L 8/17 vom 11.1.1984 (u.a. Anhebung des Versicherungsschutzes im Gebiet der Gemeinschaft auf ein gewisses Mindestniveau), und die Dritte Richtlinie 90/232/EWG des Rates vom 14. Mai 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, ABl. Nr. L 129/33 vom 19.5.1990 (u.a. Erweiterung des Versicherungsschutzes von Fahrzeuginsassen, Einführung von Mindestversicherungssummen bei Auslandsunfällen), näheres zu diesen Richtlinien bei Lemor, in: Feyock/Jacobsen/Lemor (Hrsg.), Kraftfahrtversicherung, 3. Aufl. 2009, Europarechtliche Grundlagen der Kfz-Haftpflichtversicherung, Rn. 37 ff. und 54 ff. m.w.N.; zur Entwicklung der rechtlichen Rahmenbedingungen in Europa siehe ebd. Rn. 1 ff. 184 Erste Richtlinie des Rates 72/166/EWG vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht, ABl. Nr. L 103/1 vom 2.5.1972. Vorausgegangen war das oben genannte, in dieselbe Richtung zielende Straßburger Übereinkommen, das allerdings nur von 7 Staaten ratifiziert (so aber von der Bundesrepublik Deutschland) und 5 weiteren Staaten unterzeichnet wurde (Stand: 27.4.2015); es erlangte daher keine wesentliche praktische Bedeutung und wurde durch EGRichtlinien überholt, vgl. dazu näher Lemor, in: Feyock/Jacobsen/Lemor (Hrsg.), Kraftfahrtversicherung, 3. Aufl. 2009, Europarechtliche Grundlagen der Kfz-Haftpflichtversicherung, Rn. 5 und 9 ff. 185 Für den Text des MGA siehe den Anhang zu der Entscheidung 91/323/EWG der Kommission vom 30. Mai 1991 zur Durchführung der Richtlinie 72/166/EWG des Rates betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht, ABl. Nr. L 177/25 vom 5.7.1991.

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Zusatzabkommen ab.186 Mit dem Inkrafttreten der IR am 1. Juli 2003 wurde das MGA, ebenso wie das Londoner Abkommen, von diesen abgelöst.187 Die IR fassen ihre Vorgängerabkommen in einem Grundlagentext zusammen.188 Sie sind in sieben Abschnitte eingeteilt. Der Abschnitt I (Art. 1–6) enthält allgemeine Vorschriften. Art. 2 beinhaltet eine Reihe von wichtigen Definitionen, unter anderem des „Versicherers“ (Art. 2 Ziff. 2 IR), des „Unfalls“ (Art. 2 Ziff. 6), des „Geschädigten“ (Art. 2 Ziff. 7) und der „Grünen Karte“ (Art. 2 Ziff. 11). In Art. 3 ist das Verfahren für die Geltendmachung eines Anspruchs geregelt, in Art. 5 die Rückerstattung. Abschnitt II (Art. 7–9) enthält fakultative Vorschriften, welche die vertraglichen Beziehungen zwischen den Büros auf der Grundlage der Grünen Karte regeln. Die Vorschriften des Abschnitts II finden Anwendung, wenn die vertraglichen Beziehungen zwischen den Büros auf der Grünen Karte beruhen. Geregelt werden die Ausstellung und die Ausgabe von Grünen Karten (Art. 7), die Bestätigung der Gültigkeit einer Grünen Karte (Art. 8) sowie gefälschte, unbefugt ausgegebene oder widerrechtlich geänderte Grüne Karten (Art. 9). Abschnitt III beinhaltet Vorschriften, welche die vertraglichen Beziehungen zwischen den Büros auf der Grundlage der unterstellten Versicherungsdeckung regeln (Art. 10–15). Ebenso wie bei Abschnitt II handelt es sich dabei um fakultative Bestimmungen, die grundsätzlich dann Anwendung finden, wenn die Beziehungen zwischen den

186

Grundlage für dieses Abkommen war die Richtlinie 72/166/EWG des Rates vom 24. April 1972 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug- Haftpflichtversicherung und der Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht, ABl. Nr. L 103/1 vom 2.5.1972, die nach mehrfachen Änderungen (wie die weiteren drei Kfz-Richtlinien, namentlich die Richtlinie 84/5/EWG des Rates vom 30. Dezember 1983 betreffend die Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten bezüglich der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung; die Richtlinie 90/232/EWG des Rates vom 14. Mai 1990 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, ABl. Nr. L 129/33 vom 19.5.1990 und die Richtlinie 2000/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Mai 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung, ABl. Nr. L 181/65 vom 20.7.2000) durch die Richtlinie 2009/103/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung und die Kontrolle der entsprechenden Versicherungspflicht, ABl. Nr. L 263/11 vom 7.10.2009, aufgehoben wurde. 187 Gemäß Art. 1 lit. d) entfiel für Fahrzeuge, die normalerweise in einem der Unterzeichnerstaaten stationiert sind, die Vorweisung der Grünen Karte. Aufgrund des amtlichen Kennzeichens dieser Fahrzeuge werden diese als versichert angesehen. 188 Lemor, in: Feyock/Jacobsen/Lemor (Hrsg.), Kraftfahrtversicherung, 3. Aufl. 2009, AuslUnf, Rn. 27 ff.

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Büros auf der unterstellten Versicherungsdeckung beruhen. Abschnitt IV (Art. 16– 17) enthält Regelungen zu den zwischen nationalen Versicherungsbüros geschlossenen Abkommen. Abschnitt V (Art. 18) regelt das Änderungsverfahren der IR und Abschnitt VI (Art. 19) das Schiedsverfahren.

2. Zur rechtlichen Qualifikation der im Rahmen des Council of Bureaux abgeschlossenen Übereinkommen Die vorgenannten, im Rahmen des CoB geschlossenen Übereinkommen sind keine völkerrechtlichen Verträge, wenn sie sich auch der Form nach von diesen nicht wesentlich unterscheiden. Aber ihre Parteien sind keine Völkerrechtssubjekte, und sie sind nicht dem Völkerrecht unterstellt, wie dies die Definition des völkerrechtlichen Vertrages in Art. 2 lit. a) WVK vorsieht. Doch weichen diese Übereinkommen von rein privatrechtlichen Verträgen insofern ab, als sie von nichtstaatlichen Organisationen abgeschlossen werden, die hierzu der Anerkennung durch ihre Sitzstaaten bedürfen. Mit anderen Worten, ihre Vertragsabschlusskompetenz leitet sich aus einer Delegation seitens der Staaten ab. Zudem steht das CoB, in dessen Rahmen die Übereinkommen erarbeitet werden, unter der Schirmherrschaft des Unterausschusses für Straßenverkehr des Binnenverkehrsausschusses der UNECE, das mit der Resolution Nr. 5 und deren Änderungen klare Vorgaben für die Übereinkommen der nationalen Büros beschließt und die Arbeiten des CoB im Interesse einer möglichst effektiven Vereinheitlichung des Haftpflichtrechts für internationale Verkehrsschadensfälle begleitet. So liegt mit diesem Regelungssystem ein früher Fall der Erfüllung einer genuin öffentlichen Aufgabe durch nichtstaatliche Akteure vor, die damit jedoch mangels einer ausdrücklichen oder zumindest konkludenten Erklärung der Staaten, ihnen eine – wenn auch begrenzte – Völkerrechtssubjektivität einzuräumen, diese Aufgabe als Privatrechtssubjekte erfüllen, ihre Verträge also als privatrechtliche abschließen.189

189

Zur Rechtsstellung nichtstaatlicher Wirkungseinheiten im Völkerrecht allgemein siehe Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/2, 2. Aufl. 2002, 231 ff.; wie hier von Hoffmann, in: J. v. Staudinger (Begr.), Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 2001, Art. 40 EGBGB Rn. 459 ff.; missverständlich Lemor, in: Feyock/Jacobsen/Lemor (Hrsg.), Kraftfahrtversicherung, 3. Aufl. 2009, AuslUnf, Rn. 23, der die aufgrund des Londoner Abkommens geschlossenen Verträge „rechtlich als Verträge des Internationalen Privatrechts“ wertet.

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E. Die grenzüberschreitende Personen- und Güterbeförderung I. Die historische Entwicklung des Rechts der grenzüberschreitenden Personen- und Güterbeförderung Mit dem Anwachsen der grenzüberschreitenden Personenbeförderung mit Bussen und des Gütertransports seit den 1920er Jahren entstand auch auf diesem Gebiet der Bedarf für internationale Regelungen. Jedoch blieb den verschiedenen Vorschlägen und Entwürfen auf den Verkehrskonferenzen von Barcelona (1921), Genf (1923) und im Rahmen der Verkehrskommission des Völkerbundes sowie auf der Verkehrskonferenz von 1931 der Erfolg versagt. Dies gilt namentlich für den der Verkehrskonferenz vorgelegten Entwurf einer Convention of the International Regime of Commercial Motor Transport der Völkerbund-Verkehrskommission. Dem Entwurf blieb die Anerkennung versagt, obwohl er nur äußerst bescheidene Regelungen zur Förderung des grenzüberschreitenden Transportverkehrs vorsah, so die Durchfahrtfreiheit und ein Diskriminierungsverbot bei gleichzeitiger Aufrechterhaltung des Rechts der Staaten, für den grenzüberschreitenden Personenund Güterverkehr die ausländischen Fahrzeuge den nationalen Regeln zu unterwerfen und für den Transport in ihrem Lande eine Genehmigung zu fordern. Zudem blieb die Beförderung von Personen und Gütern innerhalb eines Staates durch Ausländer untersagt.190 Auch die Empfehlung der Konferenz von 1931, die Staaten sollten bilaterale Abkommen zur Regelung des internationalen Kraftfahrzeugverkehrs abschließen, wurde zunächst nur von wenigen Staaten befolgt.191 Die Gründe für die geringe Resonanz der Empfehlung der Verkehrskonferenz dürften in dem Problem des in den Staaten seinerzeit aufkommenden Wettbewerbs zwischen Schiene und Straße192 und – allgemeiner – in der noch herrschenden Vorstellung von der Freiheit für den internationalen Straßenverkehr als einer „kontrollierten Freiheit“193 gelegen haben. Erst mit der dramatischen Expansion des Kraftfahrzeugverkehrs nach dem Zweiten Weltkrieg nahm die Entfaltung einer internationalen Regelung des grenzüberschreitenden Personen- und Gütertrans190

Siehe zu den Anfängen dieser Bemühungen um eine internationale Regelung von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 93 ff. 191 Siehe dazu von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 100 f.; Mance, International Road Transport, Electricity and Miscellaneous, 1947, 26, und Haustein, Die Freiheit im internationalen Verkehr, 1954, 87. Aufgrund der Empfehlung der Konferenz schlossen Frankreich, Belgien und Luxemburg am 16.6.1935, LNTS Bd. CLXII, 19; Belgien und die Niederlande am 31.12.1937, LNTS Bd. CLXXXIX, 389; und Österreich und die Schweiz am 21.11.1936, LNTS Bd. CLXXIX, 342 entsprechende Verträge ab. 192 So zutreffend von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 101. 193 Haustein, Die Freiheit im internationalen Verkehr, 1954, 88 f.

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ports Gestalt an. Dabei ist allerdings kritisch anzumerken, dass die vielfältigen völkerrechtlichen, international-privatrechtlichen und nationalen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Regelungen das angestrebte Ziel eines einheitlichen Transportrechts bisher nicht bzw. nur sehr unvollkommen erreicht haben. So wird sowohl von verkehrs- als auch rechtswissenschaftlicher Seite zu Recht die nach wie vor herrschende Uneinheitlichkeit des Verkehrsrechts kritisiert.194 Diese drückt sich auch darin aus, dass es die Staaten aus ihrem Selbstverständnis als souveräne Träger der Territorialhoheit über lange Zeit vorgezogen haben, Fragen des grenzüberschreitenden Verkehrs – wenn überhaupt – mittels bilateraler Verträge zu regeln, die ihnen mehr Freiheit zur Durchsetzung ihrer nationalen Interessen, namentlich solcher protektionistischer Art, ließen. Doch ist nicht zu übersehen, dass seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine Reihe von multilateralen völkerrechtlichen Verträgen und Leitlinien auf dem Gebiet des grenzüberschreitenden Straßengüterverkehrs, der grenzüberschreitenden Personenbeförderung auf der Straße, insbesondere zur Beseitigung von Hindernissen beim Grenzübertritt und zur Verringerung der mit dem Straßenverkehr verbundenen Umweltgefahren erarbeitet worden sind. Mit anderen Worten, es haben angesichts der wachsenden Interdependenz der Staaten internationale Gemeinwohlinteressen so an Gewicht gewonnen, dass sich die Staaten, besonders regional, zu multilateraler Zusammenarbeit zusammenfinden. Diesen Entwicklungen, die sich vornehmlich im Rahmen der ECMT, der UNECE und der EG/EU, aber auch der NAFTA vollzogen, ist in den Grundzügen im Folgenden nachzugehen. Dabei ist in diesem Rahmen die Darstellung auf die völkerrechtliche und – soweit erforderlich – die europarechtliche Rechtsentwicklung zu beschränken.195 II. Die grenzüberschreitende Personenbeförderung Im Vergleich zum Umfang der internationalen vertraglichen Regelungen des grenzüberschreitenden Gütertransports ist die multilaterale Regelung speziell der grenzüberschreitenden Personenbeförderung noch eher bescheiden. Dies mag zum großen Teil mit der überragenden wirtschaftlichen Bedeutung des Gütertransports zusammenhängen, hat aber auch wohl darin seinen Grund, dass Hauptziel der Kodifikationsbemühungen auf dem Gebiet des grenzüberschreitenden Transports eine einheitliche Gestaltung dieses Rechtsgebietes war und ist, eine durchgehend 194

Siehe dazu näher Basedow, Der Transportvertrag, 1987, 1 ff. m.w.N. Zu den international-privatrechtlichen Dimensionen der hier zu behandelnden Probleme siehe Jesser-Huß, in: MüKo HGB, Bd. 7, 3. Aufl. 2014, CMR, Einl. Rn. 35 ff.; Helm, in: Staub (Begr.), Großkommentar HGB Anh. VI nach § 452: CMR, 4. Aufl. 2002, Art. 1 Rn. 1. 195

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separate Regelung der grenzüberschreitenden Personenbeförderung aber der allgemein beklagten Fragmentierung des internationalen Transportrechts Vorschub leisten würde. So ist das Recht der grenzüberschreitenden Personenbeförderung heute einerseits von nur von wenigen Staaten unterzeichneten bzw. ratifizierten und/oder nicht in Kraft getretenen Verträgen, andererseits von auf eine Integration von Personen- und Gütertransportregelungen gerichteten Resolutionen der ECMT, Empfehlungen des Binnenverkehrsausschusses der UNECE und von Regelungen innerhalb der EG/EU gekennzeichnet. Angesichts dieser Rechtslage ist es nicht verwunderlich, dass trotz aller Bemühungen um multilaterale Regelungen bilaterale Abkommen, welche die grenzüberschreitende Personenbeförderung – und den Gütertransport – zum Gegenstand haben, bis heute eine wichtige Rolle spielen.196 Um trotzdem eine möglichst weitgehende Harmonisierung der Regelungen zu erreichen, hat die ECMT im Jahre 1997 einen Mustervertrag für bilaterale Abkommen beschlossen und den Mitgliedstaaten – einschließlich der Mitgliedstaaten der EG/EU – empfohlen, sich bei Vertragsabschlüssen zum grenzüberschreitenden Personen- und Gütertransport dieses Mustervertrages zu bedienen oder bestehende Verträge im Sinne des Mustervertrages zu ändern.197 1. Der Vertrag über die Standardisierung der Bedingungen für Verträge für die Beförderung von Passagieren und deren Gepäck von 1973 Nachdem der Binnenverkehrsausschuss der UNECE im Jahre 1947 einen Beschluss zur Beseitigung der Beschränkungen in der Freiheit des Straßenverkehrs gefasst hatte, den sich die Mitgliedstaaten der UNECE allerdings nur in unterschiedlichem Maße in bilateralen Verträgen zu eigen machten,198 erarbeitete der UNECE-Binnenverkehrsausschuss zu Beginn der 1970er Jahre einen Vertrag mit dem Ziel, einheitliche Bedingungen für die Beförderung von Passagieren und 196

Zu den älteren bilateralen Verträgen siehe näher von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 118 ff. 197 Der Mustervertrag basiert auf den einschlägigen Rechtsakten der EG/EU und der bisherigen bilateralen Vertragspraxis; der Text des Mustervertrages ist im Anhang zur Recommendation Framework for Bilateral Agreements in Road Transport, CEMT/CM (97)21 – CM(97)21/ADD1 vom 22.4.1997 veröffentlicht. Die Regelungen für die Personenbeförderung finden sich in „Section II: Passenger transport“. 198 Der Beschluss des UNECE-Binnenverkehrsausschusses wurde als Vertrag bezeichnet, war aber in Wirklichkeit ein Geflecht von bilateralen Verträgen, die den Inhalt des Beschlusses – die sog. Genfer Freiheiten – in unterschiedlichem Umfang aufnahmen, vgl. dazu näher Haustein, Die Freiheit im internationalen Verkehr, 1954, 89 ff.

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deren Gepäck im grenzüberschreitenden Straßenverkehr zu schaffen. Dieser Vertrag über die Standardisierung der Bedingungen für Verträge für die Beförderung von Passagieren und deren Gepäck (CVR),199 der zum Teil Elemente des Beschlusses von 1947 aufnahm, wurde am 1. März 1973 angenommen, trat aber erst nach Erreichen der von Art. 25 Abs. 1 geforderten Mindestzahl von fünf Ratifikationen am 12. April 1994 in Kraft. Den Eingangsbestimmungen über den Anwendungsbereich des CVR und den Kreis derjenigen Mitarbeiter, für deren Handlungen oder Unterlassungen der Transportunternehmer haftet (Art. 1–4), folgen Regelungen über Transportdokumente für Passagiere (Art. 5–7) und Gepäck (Art. 8–10 ), die Haftung des Unternehmers für Personen- und Gepäckschäden (Art. 11–19), Ansprüche und deren Durchsetzung sowie die Nichtigkeit von dem Abkommen zuwiderlaufenden Vereinbarungen (Art. 20–23) und die üblichen Schlussbestimmungen (Art. 24–36) u.a. zum Kreis der zugelassenen Vertragsparteien sowie zur Kündigung und zum Inkrafttreten. Angesichts der geringen Zahl von Vertragsparteien hat das CVR bisher keine besondere Rolle gespielt.200 Zwar sind in den Jahren 2000 und 2001 im Rahmen des UNECE-Binnenverkehrsausschusses neue Überlegungen angestellt worden, wie dem Abkommen eine bessere Akzeptanz verschafft und die Zahl der Vertragsparteien erhöht werden kann.201 Die Überarbeitung des CVR wurde jedoch im Jahr 2005 aus dem Arbeitsprogramm gestrichen und bisher nicht wieder aufgenommen.202

199 Convention on the contract for the international carriage of passengers and luggage by road (CVR), UNTS Bd. 1774, 109. Im Wege der Staatennachfolge des früheren Jugoslawien wurden zwischen 1992 und 2001 Bosnien-Herzegowina, Kroatien, Serbien und Montenegro, in der Staatennachfolge der früheren Tschechoslowakei Tschechien und die Slowakei Parteien des Vertrages. Lettland trat dem Vertrag am 14.1.1994 bei, die Ukraine am 17.5.2005, Montenegro am 23.10.2006 und Moldawien am 19.12.2012. Deutschland und Luxemburg haben den Vertrag lediglich unterzeichnet (Stand: 14.5.2015). 200 Das Protocol to the Convention on the contract for the international carriage of passengers and luggage by road (CVR) vom 5.7.1978, UN Doc. ECE/TRANS/35 fand noch geringere Akzeptanz. Lediglich Lettland trat dem Protokoll am 14.1.1994 bei. Deutschland hat das Protokoll am 1.11.1978 unterzeichnet, jedoch nicht ratifiziert (Stand: 14.5.2015). 201 Siehe hierzu den Report of the Working Party on Road Transport on its Ninetyfourth session (14–16 November 2000), UN Doc. UNECE/TRANS/SC.1/367, 7 sowie den Report of the Working Party on Road Transport on its Ninety-fifth session (16–19 October 2001) vom 1.8.2001, UN Doc. TRANS/SC.1/2001/14. 202 Siehe hierzu das Draft Programme of Work 2006–2010; Annex 3 zu dem Report of the Working Party on Road Transport on its Ninety-ninth session (17–19 October 2005) vom 28.11.2005, UN Doc. TRANS/SC.1/377.

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Ein 2013 von der Schweizer Delegation eingebrachter Vorschlag über ein Multilaterales Abkommen für die Regulierung des internationalen Personentransports203 (OmniBus) wurde bisher noch nicht angenommen.204 Deutschland, Belgien und Ungarn lehnten eine Beteiligung an dem Schweizer Vorschlag unter Hinweis auf Verhandlungen eines ähnlichen Abkommens im Rahmen der EU zunächst ab.205 2. Das Übereinkommen über die Personenbeförderung im grenzüberschreitenden Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen von 1982 Hatte das CVR die Vereinheitlichung der Verträge für die internationale Beförderung von Passagieren und Gepäck alle derartigen Transporte zum Ziel, wurde auf Initiative der EG und der ECMT ein vom Regelungsgegenstand her weniger umfassendes Vertragswerk ausgearbeitet – es beschränkte sich auf den Bereich des Gelegenheitsverkehrs mit Kraftomnibussen –, das nun aber vor allem im Hinblick auf die Entwicklung eines europäischen Verkehrsbinnenmarktes der Liberalisierung der internationalen Personenbeförderung dienen sollte. Das Übereinkommen über die Personenbeförderung im grenzüberschreitenden Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen (ASOR)206 wurde zwischen der EG und acht Mitgliedern der ECMT, die nicht Mitgliedstaaten der EG waren, mit dem Ziel geschlossen, die in

203

Für den Schweizer Entwurf des Vertragstextes des Multilateral Agreement on the international regular transport of passengers by coach and bus (OmniBUS) and the administrative procedures applicable to issuing authorizations and other related administrative documents siehe Harmonization of requirements concerning international road transport and facilitation of its operation: Proposal for a global multilateral agreement on the international regular transport of passengers vom 26.7.2013, UN Doc. ECE/TRANS/ SC.1/S/2013/1/Rev.1. 204 Siehe hierzu den Report of the Working Party on Road Transport on its 109th session (28–29 October 2014) vom 25.11.2014, UN Doc. ECE/TRANS/SC.1/402. 205 Siehe hierzu den Report of the Working Party on Road Transport on its 108th session (28–30 October 2013) vom 13.11.2013, UN Doc. ECE/TRANS/SC.1/400. 206 Agreement on the International Carriage of Passengers by Road by means of Occasional Coach and Bus Services (ASOR) vom 26.5.1982, ABl. Nr. L 230/39 vom 5.8.1982, in Kraft getreten am 1.12.1983, ABl. Nr. L 309/33 vom 10.11.1983.

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der EG bereits geltende Liberalisierung des Gelegenheitsverkehrs mit Bussen207 auf weitere europäische Staaten auszudehnen. Der auf den Gelegenheitsverkehr mit Bussen beschränkte Anwendungsbereich des ASOR wird durch die detaillierte Unterscheidung dieser Verkehrsart von einem regelmäßigen Busverkehr und einem Pendelverkehr unterstrichen (Art. 2–4). Die zentrale Vorschrift des ASOR bildet Art. 5, der die Liberalisierung des Gelegenheitsverkehrs mit Bussen dahingehend regelt, dass diese Verkehrsart nur noch einer Transportgenehmigung seitens des Staates bedarf, in dem das benutzte Fahrzeug registriert ist. Die anderen Vertragsparteien verzichten also auf das ihnen bis dahin zustehende Recht, die Einreise von Bussen im Gelegenheitsverkehr von einer eigenen Transportgenehmigung abhängig zu machen – ein wichtiger Fortschritt in Richtung auf eine über die EG hinausgreifende Liberalisierung des grenzüberschreitenden Straßenverkehrs, wenn auch zunächst nur für eine eng begrenzten Kreis von Verkehrsteilnehmern. 3. Die Resolution 95/2 der ECMT Der Schwachpunkt des ASOR war jedoch, dass es zu einem Zeitpunkt, zu dem sich die Erweiterung der EG einerseits und die Annäherung zwischen den westlichen Staaten und dem europäischen Osten und Südosten andererseits schon deutlich abzeichnete, keine Öffnungsklausel für den Beitritt weiterer Staaten enthielt. So hat das ASOR als solches heute angesichts weiterreichender Abkommen und Leitlinien im Rahmen der EU und der ECMT bereits erheblich an Bedeutung verloren, nicht jedoch sein Inhalt.208 Ein erster Schritt in Richtung auf eine Ausdehnung der Liberalisierungsregelungen des ASOR auf Staaten, die aufgrund der mangelnden Beitrittsmöglichkeit nicht Vertragsparteien des ASOR werden konnten, wurde von der ECMT unternommen. Auf ihrer Tagung vom Juni 1995 beschloss der Rat der ECMT die Resolution 95/2 über die „Internationale Personenbeförderung mit

207 Siehe dazu Verordnung Nr.117/66/EWG des Rates vom 28. Juli 1966 über die Einführung gemeinsamer Regeln für den grenzüberschreitenden Personenverkehr mit Kraftomnibussen, ABl. Nr. L 147/2688 vom 9.8.1966 und Verordnung (EWG) Nr. 1016/68 der Kommission vom 9. Juli 1968 zur Festlegung der Muster der Kontrolldokumente gemäß Art. 6 und 9 der Verordnung Nr. 117/66/EWG des Rates, ABl. Nr. L 173/8 vom 22.7.1968. 208 Siehe dazu ECMT (Hrsg.), Principal Acts of the ECMT 1953–2003, 2003, 7 f. Das ASOR bleibt auch in Kraft für die Schweiz und die Türkei, die weder Mitgliedstaaten der EU noch Vertragsparteien des Interbus-Übereinkommens sind.

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Kraftomnibussen,“209 die den Liberalisierungsstandard für den grenzüberschreitenden Gelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen des ASOR nicht nur übernahm, sondern auch durch Regeln für die Harmonisierung der Standards der Arbeitsbedingungen und die Bedingungen für die Zulassung zum Beruf eines Straßentransportunternehmers und für den Marktzugang ergänzte. Die Resolution ist – wie alle an die Mitgliedstaaten gerichteten Beschlüsse des Rates oder des Stellvertreterausschusses der ECMT dieser Art210 – als solche unverbindlich. Doch sind diejenigen Mitglieder an die Resolution gemäß Art. 9 lit a.) des Gründungsprotokolls der ECMT gebunden, die für sie gestimmt haben. Art. 9 lit. a) sieht vor, dass „[t]he conclusions reached within the Conference shall be put into effect in the countries in agreement with them in that the Ministers of Transport concerned, acting individually within the area of their national competence, shall take or propose whatever measures may seem to them to be most appropriate.“211 Aus diesem Verständnis heraus wird in der Präambel der Resolution 95/2 der Stellvertreterausschuss angewiesen, über die Umsetzung der Resolution dem Rat der ECMT zu berichten. Darüber hinaus enthält das Kapitel V der Resolution 95/2 Kollisionsregeln für den Fall, dass zwischen ihr und dem ASOR, mit dem Europäischen Gemeinschaftsrecht, dem Vertrag über den Europäischen Wirtschaftsraum und dem Wiener Übereinkommen über den Straßenverkehr Konflikte bestehen. Im Konfliktfall sollen die genannten Verträge Vorrang vor der Resolution 95/2 genießen (Kapitel V 1.2). Damit wird der Vertragscharakter der Resolution hinsichtlich der Mitgliedstaaten, die sie angenommen haben, auch dadurch unterstrichen, dass völkervertragsrechtliche Kollisionsregeln für sie gelten sollen.

209 Resolution Nr. 95/2 on the International Passenger Transport by Buses and Coaches vom 7./8.6.1995, UN Doc. ECMT/CM(95)3/FINAL. 210 Obwohl das Gründungsprotokoll der ECMT und die Verfahrensregeln ihrem Wortlaut nach keinen schlüssigen Hinweis auf eine Unterscheidung zwischen bestimmten Arten von Entscheidungen geben – Art. 9 lit. a) des Protokolls spricht von „conclusions reached within the Conference,“ die von sie akzeptierenden Mitgliedern umgesetzt werden sollen, während Verfahrensregel 8 von „Resolutions agreed upon by the Council […] on matters of procedure relating to the progress of their work […]“ handelt – wird in der Praxis die Unterscheidung von „resolutions“ und „conclusions“ offenbar in dem Sinne getroffen, dass Resolutionen Empfehlungen an die Mitglieder aussprechen, während Beschlüsse (conclusions) interne Entscheidungen wie die Annahme von Berichten und Agenden betreffen, vgl. dazu Miehsler/Hahn, European Conference of Ministers of Transport, in: EPIL, Bd. II, 1995, 180, 181 f., die jedoch zu Recht darauf hinweisen, dass zwischen den beiden Begriffen kein wesentlicher Unterschied besteht. Die Texte des Gründungsprotokolls der ECMT und der Verfahrensregeln sind in der Dokumentation der ECMT zugänglich. 211 Hervorhebung vom Verf.

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Obwohl es das Ziel der Resolution 95/2 war, die Liberalisierungsregelungen des ASOR auch auf solche Staaten zu erstrecken, die aufgrund der fehlenden Beitrittsklausel dem ASOR nicht beitreten konnten, und darüber hinaus weitergehende Regelungen für den internationalen Gelegenheitsverkehr mit Omnibussen und u.a. für den Marktzugang zu treffen, hat die Resolution – wie zuvor das ASOR durch die Resolution 95/2 – aufgrund des Abschlusses und des Inkrafttretens des sog. Interbus-Übereinkommens an Bedeutung verloren. 4. Das Interbus-Übereinkommen von 2001 Das Übereinkommen über die Personenbeförderung im internationalen Gelegenheitsverkehr mit Omnibussen (Interbus-Übereinkommen – IBÜ) von 2001212 ist am 1. Januar 2003 in Kraft getreten. Vertragsparteien waren zunächst die EG und weitere 13 ost- und südosteuropäische Staaten.213 Mit dem Beitritt von zehn dieser 13 ursprünglichen Vertragsstaaten (Lettland, Litauen, Polen, Tschechische Republik, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Rumänien, Bulgarien und Kroatien)214 zur EU wurde gemäß Art. 32 IBÜ deren Status als individuelle Vertragsparteien als beendet betrachtet. Das IBÜ übernimmt den wesentlichen Inhalt des ASOR sowie der ECMT-Resolution 95/2, geht aber in wichtigen Punkten über diese hinaus mit dem Ziel, eine weitergehende Liberalisierung des grenzüberschreitenden Transportmarktes durch eine Harmonisierung von Arbeitsbedingungen im Transportgewerbe gemäß den Standards des AETR (Art. 8) und von technischen Regelungen für die im grenzüberschreitenden Verkehr benutzten Omnibusse (Art. 5 mit Verweis auf die detaillierten technischen Normen für Omnibusse im Anhang 2).

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Übereinkommen über die Personenbeförderung im internationalen Gelegenheitsverkehr mit Omnibussen (Interbus-Übereinkommen) vom 18.6.2001, ABl. Nr. L 321/13 vom 26.11.2002. 213 Estland konnte aus bestimmten Gründen das Übereinkommen nicht innerhalb der Unterzeichnungsfrist (14.4.2000–30.6.2001) zeichnen, kündigte jedoch seinen Beitritt an, vgl. den Bericht der Berichterstatterin des Europäischen Parlaments, Ms Dana Rosemary Scallon, für das Parlament vom 18.6.2002 (Recommendation on the proposal for a Council decision on the conclusion of the INTERBUS Agreement on the international occasional carriage of passenger by coach and bus – 13262/1/2001-COM (2001) 540 – C5-0087/ 2002 –, Explanatory Note para. 4). Durch den Beitritt Estlands zur EU ist der Beitritt zum IBÜ hinfällig geworden. 214 Die weiteren Vertragsparteien sind Bosnien-Herzegowina, die Republik Moldau und die Türkei (Stand: 26.5.2015).

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a) Die allgemeinen Regelungen Anschließend an eine umfängliche Präambel, in der die Vertragsparteien ihre mit dem IBÜ im Einzelnen verfolgten Ziele darlegen, folgen elf Abschnitte mit insgesamt 34 Artikeln, womit das IBÜ schon dem Umfang nach das ASOR und die ECMT-Resolution 95/2 übertrifft. Das Übereinkommen findet Anwendung auf die „grenzüberschreitende Beförderung von Fahrgästen gleich welcher Nationalität auf der Straße, und zwar im Gelegenheitsverkehr zwischen den Gebieten zweier Vertragsparteien oder von und nach dem Gebiet der gleichen Vertragspartei und, soweit im Rahmen solcher Verkehre erforderlich, im Transit durch das Gebiet einer anderen Vertragspartei oder das Gebiet eines diesem Übereinkommen nicht beigetretenen Staates“ (Art. 1 lit. a), 1. Anstrich). Das IBÜ findet weiter Anwendung auf die Beförderung von Fahrgästen „durch auf Miet- oder Entgeltbasis arbeitende Verkehrsunternehmer, die in einer der Vertragsparteien nach deren Recht niedergelassen sind und eine Erlaubnis zur Beförderung von Fahrgästen im grenzüberschreitenden Gelegenheitsverkehr mit Omnibussen besitzen“ (Art. 1 lit. a), 2. Anstrich), und auf die Beförderung von Fahrgästen „mit Omnibussen, die in der Vertragspartei zugelassen sind, in deren Gebiet der Transportunternehmer niedergelassen ist“ (Art. 1 lit. a), 3. Anstrich IBÜ). Schließlich gilt das IBÜ auch für „Leerfahrten der für diese Verkehre eingesetzten Omnibusse“ (Art. 1 lit. b) IBÜ). Nach Art. 1 Abs. 2 darf aber keine Bestimmung des IBÜ dahingehend ausgelegt werden, dass sie den „im Gebiet einer Vertragspartei niedergelassenen Transportunternehmern die Möglichkeit“, „nationale Gelegenheitsverkehre im Hoheitsgebiet einer anderen Vertragspartei durchzuführen“ (Kabotage), gewähren würde.215 Die Beförderung von Gütern für gewerbliche Zwecke mit ihrer Bauart nach für den Personentransport bestimmten Omnibussen ist nach Art. 1 Abs. 3 im Geltungsbereich des IBÜ ausgeschlossen. Das IBÜ gilt nicht für auf eigene Rechnung durchgeführte Gelegenheitsverkehre (Art.1 Abs. 4). 215

Vgl. aber Art. 6 a.E. und Art. 7 Abs. 2, wonach das Kabotageverbot nicht für Verkehre gilt, die von Transportunternehmern, die in der EG niedergelassen sind. Bei diesen Verkehren „kann der Ausgangs- und/oder Zielort des Verkehrs in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft liegen, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat der Omnibus zugelassen oder der Verkehrsunternehmer niedergelassen ist.“ Auf EG-Ebene ist die Liberalisierung des Personenverkehrs mit Kraftbussen zunächst aufgrund der Verordnung (EG) Nr. 12/98 des Rates vom 11. Dezember 1997 über die Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Personenkraftverkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, ABl. Nr. L 4/10 vom 8.1.1998, festgelegt worden, die jedoch durch die heute geltende Verordnung (EG) Nr. 1073/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum grenzüberschreitenden Personenkraftverkehrsmarkt und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, ABl. Nr. L 300/88 vom 14.11.2009, aufgehoben wurde.

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b) Das Diskriminierungsverbot und die Liberalisierung Eine zentrale Stellung im IBÜ nimmt das Diskriminierungsverbot ein, das weder im ASOR noch in der ECMT-Resolution 95/2 enthalten war. Allen Einzelregelungen, zu denen auch die umfänglichen Begriffsbestimmungen des Art. 3 gehören, vorangestellt, verpflichtet Artikel 2 die Vertragsparteien sicherzustellen, „dass der Grundsatz des Verbots jeglicher Diskriminierung aufgrund der Nationalität oder des Geschäftssitzes des Transportunternehmens oder des Herkunfts- oder Bestimmungslandes des Omnibusses eingehalten wird, insbesondere im Hinblick auf die Steuerbestimmungen nach Abschnitt VI und die Kontroll- und Strafbestimmungen nach Abschnitt IX“ des Übereinkommens. Damit wird – wie die Präambel des IBÜ es formuliert – eine „Grundvoraussetzung für die Erbringung grenzüberschreitender Verkehrsleistungen“ an prominenter Stelle des Übereinkommens besonders hervorgehoben. Wie schon die Resolution 95/2 bedient sich auch das IBÜ der Technik der Bezugnahme auf sekundäres EG-Recht. Anders als die Resolution 95/2, die im Kapitel II ausführlich die fachlichen und persönlichen Anforderungen an die Personenverkehrsunternehmer auflistet, begnügt sich Art. 4 damit, die Vertragsparteien, also auch solche, die der EG/EU nicht angehören, zu verpflichten, soweit noch nicht geschehen, Vorschriften zu erlassen, „die den Bestimmungen der im Anhang 1216 genannten Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft entsprechen.“ Das bedeutete, dass die Konkretisierung dieser persönlichen Anforderungen erst aus dem Inhalt der entsprechenden Richtlinie, nämlich der Richtlinie 96/26/EG,217 entnommen werden konnte. Die in der Richtlinie festgelegten Mindestanforderungen für den Zugang zum Beruf des Verkehrsunternehmers sowie für die gegenseitige Anerkennung der hierfür erforderlichen Dokumente wurden von den Mitgliedstaaten 216

Die insgesamt 5 Anhänge sind gemäß Art. 33 IBÜ Bestandteile des IBÜ. Richtlinie 96/26/EG des Rates vom 29. April 1996 über den Zugang zum Beruf des Güter- und Personenkraftverkehrsunternehmers im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr sowie über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise für die Beförderung von Gütern und die Beförderung von Personen im Straßenverkehr und über Maßnahmen zur Förderung der tatsächlichen Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit der betreffenden Verkehrsunternehmer, ABl. Nr. L 124/1 vom 23.5.1996, zuletzt geändert durch die Richtlinie 98/76/EG des Rates vom 1. Oktober 1998 über den Zugang zum Beruf des Güter- und Personenkraftverkehrsunternehmers im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr sowie über die gegenseitige Anerkennung der Diplome, Prüfungszeugnisse und sonstigen Befähigungsnachweise für die Beförderung von Gütern und die Beförderung von Personen im Straßenverkehr und über Maßnahmen zur Förderung der tatsächlichen Inanspruchnahme der Niederlassungsfreiheit der betreffenden Verkehrsunternehmer, ABl. Nr. L 277/17 vom 14.10.1998. 217

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jedoch äußerst uneinheitlich umgesetzt, was u.a. beträchtliche negativen Auswirkungen auf die Markttransparenz hatte und Wettbewerbsverfälschungen zur Folge hatte. Aus diesem Grunde wurde die Richtlinie 96/26/EG durch die Verordnung 1071/2009218 ersetzt. Das Kernstück des IBÜ bildet Art. 6, der Regelungen über die Liberalisierung des Gelegenheitsverkehrs mit Omnibussen enthält. Danach sind fünf Formen von Gelegenheitsverkehren, „die im Gebiet einer anderen Vertragspartei als derjenigen, in der der Verkehrsunternehmer niedergelassen ist, von der Genehmigungspflicht befreit,“ nämlich 1) Rundfahrten mit „geschlossenen Türen, d.h. Fahrten, die mit dem gleichen Omnibus ausgeführt werden, der die gleiche Reisegruppe über die gesamte Fahrtstrecke befördert und an den Ausgangsort zurückbringt“ bei der der Ausgangsort im Gebiet der Vertragspartei liegt, „in der der Verkehrsunternehmer niedergelassen ist“; 2) Beförderung von Fahrgästen auf der Hinfahrt mit leerer Rückfahrt, soweit der Ausgangsort im Gebiet der Vertragspartei liegt, in der der Verkehrsunternehmer niedergelassen ist. Dasselbe gilt 3) für Fahrten mit leerer Hinfahrt, allerdings nur unter im einzelnen festgelegten Bedingungen; 4) Transitfahrten durch das Gebiet von Vertragsparteien im Zusammenhang mit genehmigungsfreien Gelegenheitsverkehren und 5) Leerfahrten von Omnibussen, die als Ersatz dienen sollen, „die bei einer unter dieses Übereinkommen fallenden grenzüberschreitenden Verkehrsleistung beschädigt oder ausgefallen sind.“ Wie bereits dargestellt, ist gegenüber Nichtmitgliedstaaten eine Privilegierung von in der EG/EU niedergelassenen Verkehrsunternehmen ausgeführten Verkehren dahingehend vorgesehen, dass „der Ausgangs- und/oder Zielort des Verkehrs in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft liegen kann, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat der Omnibus zugelassen oder der Verkehrsunternehmer niedergelassen ist.“ Mit Art. 7 wird angesichts der im allgemeinen Völkerrecht noch fehlenden generellen grenzüberschreitenden Verkehrsfreiheit eine Selbstverständlichkeit festgestellt, dass nämlich für „Gelegenheitsverkehre, die nicht den in Art. 6 genannten Bedingungen entsprechen,“ eine Genehmigung nach Art. 15 IBÜ erforderlich bleibt, deren Ausgestaltung und Verfahren in diesem und in Art. 16–17 IBÜ vorgeschrieben ist.219 Diese Liberalisierungsbestimmungen werden durch Regelungen über die Befreiung von bestimmten Steuern und Zöllen ergänzt, zu denen jedoch Steuern und Abgaben auf Kraftstoffe, die Mehrwertsteuer auf Verkehrsleistungen, Straßenbenutzungsgebühren und sonstige 218

Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers und zur Aufhebung der Richtlinie 96/26/EG des Rates, ABl. Nr. L 300/51 vom 14.11.2009. 219 Das Muster der Antragsformulare ist im Anhang 5 festgelegt.

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von den Verkehrsnutzern für die Nutzung der Infrastruktur erhobene Gebühren nicht zählen (Art. 9). c) Das Kontrollsystem Um die Einhaltung der Vorschriften des IBÜ zu sichern, müssen die Verkehrsunternehmer von den zuständigen Behörden nach dem vom IBÜ vergebenen Muster erstellte Kontrolldokumente einholen, deren einzelne Fahrtblätter mit den Namen der Fahrgäste im Original während der ganzen Fahrt mitgeführt werden müssen (Art. 10–13), wobei zwei oder mehr Vertragsparteien vereinbaren können, dass die Fahrgastliste nicht erforderlich ist. Das Kontrolldokument muss dann jedoch die Zahl der Fahrgäste enthalten. Sanktionen für Verstöße gegen diese Vorschriften sind im Abschnitt IX enthalten. Jenseits dieser die Einhaltung des IBÜ sichernden Regelungen wird gemäß Abschnitt X ein Gemeinsamer Ausschuss gebildet (Art. 23), der für die ordnungsgemäße Durchführung des Übereinkommens zu sorgen hat (Art. 24). Dieser Artikel beschreibt im Einzelnen die Aufgaben und Kompetenzen sowie das Verfahren des Gemeinsamen Ausschusses. Gegebenenfalls auftretende Streitigkeiten über die Durchführung und Auslegung des IBÜ sind von einem von den Streitparteien und dem Gemeinsamen Ausschuss zu berufenden, mit drei Schiedsrichtern besetzten Schiedsgericht zu entscheiden (Art. 24 Abs. 4). Unter den „Allgemeinen und Schlussbestimmungen“ ist Art. 25 IBÜ hervorzuheben, der eine für die Harmonisierung des Rechts des grenzüberschreitenden Verkehrs mit Omnibussen wichtige Bestimmung enthält. Danach werden die Regelungen der zwischen Vertragsparteien geschlossenen zweiseitigen Übereinkommen vom IBÜ ersetzt. 5. Die Liberalisierung der grenzüberschreitenden Personenbeförderung im Rahmen des NAFTA Eine Liberalisierung der grenzüberschreitenden Personenbeförderung durch Busse – wie des grenzüberschreitenden Transportwesens insgesamt – ist auch im Rahmen des NAFTA zwar angelegt, jedoch bisher nur unvollkommen umgesetzt worden. Die entsprechenden allgemeinen Vorschriften zum grenzüberschreitenden Dienstleistungsverkehr finden sich in Kapitel 12, Art. 1201 ff. sowie in dem Annex 1212 zum Kapitel 12 und Detailregelungen in den Anhängen I, II und V zum NAFTA.220 Das Übereinkommen ist anzuwenden auf „the access or use of dis220 ILM 33 (1993), 605, 649 ff. (Kapitel 12) und 704 ff. (Anhang I), 748 ff. (Anhang II) und 761 ff. (Anhang V).

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tribution and transportation systems in connection with the provision of a service“ (Art. 1201 Abs. 1 lit. c)). Damit gelten für diesen Bereich der Dienstleistungen, also auch für die grenzüberschreitende Personenbeförderung mit Bussen, die Prinzipien der Inländergleichbehandlung (Art. 1202), der Meistbegünstigung (Art. 1203) sowie die Vorschriften über die Pflicht der Vertragsparteien, Dienstleistern einer anderen Vertragspartei eine über die Bestimmungen der Art. 1202 und 1203 hinausgehende günstigere Behandlung einzuräumen (Art. 1204), sowie von den Dienstleistern einer anderen Vertragspartei als Bedingung für die grenzüberschreitende Dienstleistung nicht zu verlangen „to establish or maintain a representative office or any form of enterprise, or to be resident, in its territory“ (Art. 1205). Jedoch nimmt Art. 1206 eine Reihe von bestehenden Maßnahmen von der Anwendung der Artikel 1202, 1203 und 1205 aus, die den Liberalisierungsvorschriften des Übereinkommens zuwiderlaufen, und zwar Maßnahmen, die aufrechterhalten werden von einer Vertragspartei „(i) at the federal level, as set out in its Schedule to Annex I, (ii) by a state or province, for two years after the date of entry into force of this Agreement, and thereafter as set out by a Party in its Schedule to Annex I in accordance with paragraph 2, or (iii) a local government. “ Ausgenommen von der Anwendung der Art. 1202, 1203 und 1205 ist ferner die Aufrechterhaltung oder sofortige Erneuerung jedweder zuwiderlaufenden, zuvor genannten Maßnahme oder die Änderung einer solchen Maßnahme in dem Maße „that the amendment does not decrease the conformity of the measure, as it existed immediately before the amendment, with Articles 1203 and 1205.“ Innerhalb von zwei Jahren nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens kann jede Vertragspartei „set out in its Schedule to Annex I … any existing non-conforming measure maintained by a state of province, not including a local government“ (Art. 1206 Abs. 2). Nach Art.1206 Abs. 3 gelten die Art. 1202, 1203 und 1205 nicht für eine Maßnahme „that a Party adopts or maintains with respect to sectors, subsectors or activities, as set out in its Schedule to Annex II.“ Von diesen Ausnahmeregelungen haben die Parteien umfänglichen Gebrauch gemacht. Die Liberalisierungsmaßnahmen sind stufenweise und im gegenseitigen Einvernehmen umzusetzen. Jedoch haben sich dabei erhebliche Schwierigkeiten, namentlich im Verhältnis zwischen den USA und Mexiko, ergeben. Nicht nur gab und gibt es hier erhebliche Unterschiede in den nationalen Anforderungen an die Qualifikation der Führer von Lastkraft- und Busfahrern sowie an die technische Ausrüstung der Fahrzeuge, die der Umsetzung der Liberalisierung des Grenzverkehrs entgegenstehen. In beiden Ländern haben außerdem verschiedene gut organisierte Interessengruppen (Gewerkschaften, Unternehmerverbände und Umweltschützer) ihren Einfluss auf die jeweiligen Regierungen gegen die im NAFTA

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vorgeschriebene Liberalisierung so nachdrücklich geltend gemacht, dass trotz mühsam erreichter Übereinstimmungen über die Umsetzung der Liberalisierungsregelungen die amerikanische Regierung während der Clinton-Administration die Erfüllung der NAFTA-Regelungen abgelehnt hat.221 Hier zeigt sich nicht nur ein bedenklicher Umgang mit völkerrechtlich bindenden Vertragspflichten, sondern auch, dass das NAFTA eben nur eine Freihandelszone, nicht aber eine Integrationsgemeinschaft begründet hat, so dass nationale Wirtschaftsinteressen im Zweifel die Oberhand über Gemeinschaftsinteressen behalten, auch wenn dies vertraglich vereinbarten Pflichten zuwiderläuft. In Südamerika haben Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Paraguay, Peru und Uruguay 1989 in Santiago de Chile eine Reihe von Abkommen zur Erleichterung der Personenbeförderung und des Gütertransports auf der Straße und mit der Eisenbahn zwischen diesen Ländern beschlossen.222 Die Regelung des zwischenstaatlichen Straßentransports haben die ECOWAS-Staaten in der Cotonou Convention von 1982223 getroffen. 6. Zusammenfassende Bewertung Das hier in den Grundzügen vorgestellte Recht der grenzüberschreitenden Personenbeförderung ist von einer zunehmenden, jedoch regional im Wesentlichen auf Europa beschränkten Regelungsdichte gekennzeichnet, die zudem nach wie vor jeweils nur begrenzte Sachbereiche erfasst. Dennoch ist nicht zu übersehen, dass der den Vertragsparteien der verschiedenen Verträge eingeräumte nationale Regelungsspielraum namentlich unter dem immer stärker gewordenen Einfluss der EU stark zurückgenommen worden ist.224 Die dem europäischen Integrations-

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Zu diesen Vorgängen siehe ausführlich Folsom/Gordon/Lopez, NAFTA: A Problem Oriented Coursebook, 2000, 217 ff.; skizzierend Senti, NAFTA, 1996, 79 ff.; Sheppard, The NAFTA Trucking Dispute: Pretexts for Noncompliance and Policy Justifications for U.S. Facilitations of Cross Border Services, MJGT 11 (2002), 235 ff. 222 Dazu Mutz, Traffic and Transport, International Regulation, in: EPIL, Bd. IV, 2000, 889, 892 f. 223 Convention regulating inter-State road transportation between ECOWAS member States vom 29.5.1982, UNTS Bd. 1690, 145. 224 Zu vertraglichen Regelungen zur Erleichterung der grenzüberschreitenden Personenbeförderung zwischen einigen Staaten Lateinamerikas (Argentinien, Bolivien, Brasilien,

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prozess innewohnende Dynamik hat die eingangs betonte Spannung zwischen nationalem Interesse an einer wirksamen Kontrolle über den grenzüberschreitenden Verkehr und dem wachsenden Interesse an einer umfassenden Liberalisierung des grenzüberschreitenden Verkehrs zugunsten des letzteren in weitem Maße aufgehoben. Anders stellt sich die Rechtslage im Rahmen des NAFTA dar, in dessen Rahmen nicht nur durch die Beibehaltung von nationalen Genehmigungsvorbehalten für den grenzüberschreitenden Bus- und Lastkraftwagenverkehr und durch den weitgehenden Ausschluss von Kabotage, sondern auch durch das Festhalten am Schutz nationaler Wirtschafts-, aber auch Verkehrssicherheitsinteressen der im Grundsatz angestrebten Liberalisierung des grenzüberschreitenden Straßenverkehrs im Wege stehen. III. Der grenzüberschreitende Gütertransport In wirtschaftlicher Perspektive kommt dem grenzüberschreitenden Gütertransport eine ganz besonders wichtige Bedeutung zu. Noch in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg beruhte die Möglichkeit des grenzüberschreitende Straßenverkehrs und insbesondere des Gütertransports mit Lastkraftwagen weitgehend auf bilateralen zwischenstaatlichen Verträgen, die Fragen vornehmlich der Genehmigung der Einreise von Gütertransporten, der Festlegung von Kontingenten, die Anforderungen an die Transportunternehmer und an die Fahrer sowie die technische Ausstattung der Lastkraftwagen bestimmten.225 Einen ersten Ansatz zu einer multilateralen Regelung insbesondere des grenzüberschreitenden Straßengüterverkehrs bildete das bereits erwähnte Abkommen über die wirtschaftliche Regelung des Straßenverkehrs und das Pflichtenheft vom 17. März 1954, das vom Unterausschuss für Straßenverkehr der UNECE erarbeitet wurde.226 Die mit diesem Abkommen erreichten Erleichterungen für den internationalen Straßenverkehr waren eher bescheiden. Sie bestanden neben der Einigung auf eine Definition des Begriffs des internationalen Güterverkehrs227 im WesentliChile, Paraguay, Peru und Uruguay) siehe kurz Mutz, Traffic and Transport, International Regulation, in: EPIL, Bd. IV, 2000, 889, 892 f. 225 Vgl. dazu Haustein, Die Freiheit im internationalen Verkehr, 1954, 94 f. 226 Allgemeines Abkommens über die wirtschaftliche Regelung des internationalen Straßenverkehrs vom 17.3.1954, UN Doc. E/ECE/186. Es weist allerdings lediglich 4 Ratifikationen und 11 Unterzeichnungen auf und ist bislang nicht in Kraft getreten (Stand: 2.2.2015); zu dem Abkommen näher von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 110 ff.; Haustein, Die Freiheit im internationalen Verkehr, 1954, 92 ff. 227 Internationaler Güterverkehr ist danach ein Verkehr, der mit einem zur Beförderung von Gütern bestimmten Fahrzeug ausgeführt wird und bei dem der Abfertigungsort und der

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chen darin, dass die Genehmigung zur Durchführung der jeweiligen Gütertransporte von der zuständigen Behörde des Zulassungslandes erteilt wird, mit der Folge, dass die Vertragspartner von den Transporteuren nicht neben der Beachtung der einschlägigen internationalen Bestimmungen auch die Einhaltung der gegebenenfalls strengeren nationalen Vorschriften des Besuchslandes verlangen dürfen. Dieses Übereinkommen ist – wie bereits erwähnt – bis heute nicht in Kraft getreten und ist im Hinblick auf die späteren Liberalisierungsschritte sowohl für die grenzüberschreitende Personenbeförderung als auch für den grenzüberschreitenden Kraftfahrzeugverkehr – einschließlich des Lastkraftwagenverkehrs – inhaltlich weitgehend überholt. Anstelle von umfassenden allgemeinen Regelungen auch für den grenzüberschreitenden Gütertransport auf Straßen hat die Staatengemeinschaft international und regional zahlreiche Verträge geschlossen bzw. im Rahmen der EG/EU Rechtssetzungen vorgenommen, mit denen spezielle, mit dem internationalen Gütertransport verbundene Probleme gelöst wurden. Damit wurde rechtspolitisch ein Weg eingeschlagen, wie er auch für die bereits behandelte grenzüberschreitende Personenbeförderung beschritten wurde, nämlich statt einer umfassenden multilateralen Ordnung separate Teilordnungen für bestimmte, besonders wichtige Sachverhalte zu schaffen. Schwerpunkte dieser Regelungen waren bzw. sind die Vereinheitlichung des Transportvertragsrechts sowie die Anpassung des Transportrechts an neue Formen des Gütertransports (z.B. multimodaler Transport), der Schutz vor den mit dem Gütertransport verbundenen Gefahren wie der Transport von gefährlichen oder verderblichen Gütern u.Ä., sowie die Beseitigung von Hindernissen beim Grenzübertritt und schließlich – insbesondere innerhalb der EU – Fragen der Sicherung fairer Wettbewerbsbedingungen und der Liberalisierung des Verkehrsmarktes für den Bereich des Gütertransports, die mit der Aufhebung der früheren Kontingentierung der Zulassungen für den grenzüberschreitenden Güterverkehr228

Bestimmungsort in zwei verschiedenen Ländern liegen, vgl. dazu Haustein, Die Freiheit im internationalen Verkehr, 1954, 93. 228 Vgl. dazu Verordnung (EWG) Nr. 3164/76 des Rates vom 16. Dezember 1976 über das Gemeinschaftskontingent für den Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedsstaaten, ABl. Nr. L 357/1 vom 29.12.1976.

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ab dem Jahr 1993229 und der völligen Liberalisierung der Kabotage230 ab Juli 1998 erreicht wurde. 1. Das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr von 1956 Angesichts der divergierenden nationalen Regelungen des Straßengütertransportverkehrs und der ebenfalls inhaltlich nur bedingt einheitlichen bilateralen Abkommen über den grenzüberschreitenden Gütertransport bestand mit der Zunahme des internationalen Gütertransports das Bedürfnis, durch den Abschluss einer multilateralen Konvention zur Vereinheitlichung des Frachtrechts und der Haftung der Frachtführer, die das später nicht in Kraft getretene Abkommen über die wirtschaftliche Regelung des internationalen Straßenverkehrs von 1954 ergänzen sollte, bessere Rahmenbedingungen für den internationalen Gütertransport zu schaffen. a) Hintergrund und allgemeine Bestimmungen Ein solches Abkommen wurde wiederum im Rahmen der UNECE erarbeitet und am 19. Mai 1956 abgeschlossen.231 Das Übereinkommen über den Beför-

229

Siehe Verordnung (EWG) Nr. 1841/88 des Rates vom 21. Juni 1988 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 3164/76 über das Gemeinschaftskontingent für den Güterkraftverkehr zwischen den Mitgliedsstaaten, ABl. Nr. L 163/1 vom 30.6.1988. 230 Siehe dazu die ursprüngliche Verordnung (EWG) Nr. 3118/93 des Rates vom 25. Oktober 1993 zur Festlegung der Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmen zum Güterkraftverkehr innerhalb eines Mitgliedsstaats, in dem sie nicht ansässig sind, ABl. Nr. L 279/1 vom 12.11.1993, die zwischenzeitlich durch die Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs, ABl. Nr. L 300/72 vom 14.11.2009 aufgehoben wurde; siehe zur Kabotage außerdem die Verordnung (EG) Nr. 1073/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum grenzüberschreitenden Personenkraftverkehrsmarkt und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006, ABl. Nr. L 300/88 vom 14.11.2009 zum Vorstehenden Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl. 2014, § 26 Rn. 12. Zur ursprünglichen Kabotageverordnung im Straßenverkehr siehe Gronemeyer, Die neue EU-Kabotageverordnung und ihre Auswirkungen auf das deutsche Güterkraftverkehrsrecht, EuZW 1994, 523 ff. 231 Zur Vorgeschichte des CMR siehe de la Motte/Temme, in: Thume (Hrsg.), Kommentar zur CMR, 3. Aufl. 2013, vor Art. 1 Rn. 1 ff.; Herber/Piper, CMR, 1996, Einführung

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derungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR)232 trat am 2. Juli 1961 in Kraft. Im Jahre 1978 wurde Art. 23 CMR durch ein Protokoll233 geändert und ergänzt.234 Das Protokoll trat am 28. Dezember 1980 in Kraft, weist jedoch eine geringere Zahl von Vertragsparteien auf als das Übereinkommen. Das CMR enthält einheitliche Regeln über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr, also eine zivilrechtliche, keine ordnungsrechtliche Materie, wie z.B. die Voraussetzungen, unter denen Unternehmer mit bestimmten Kraft-

Rn. 1 ff. m.w.N.; Clarke, International Carriage of Goods by Road: CMR, 6. Aufl. 2014, 3 ff.; kurz auch schon Didier/Andresen, CMR, 8. Aufl. 2015, Einl. Rn. 1 ff. 232 Convention on the Contract for the International Carriage of Goods by Road (CMR) vom 19.5.1956, UNTS Bd. 399, 189/UNECE Nr. 25/BGBl. 1961 II, 1119. Dem Übereinkommen gehören 55 Parteien an – für Großbritannien und Nordirland gilt das Übereinkommen gemäß Ziff. 1 des Unterzeichnungsprotokolls nicht im Verhältnis zur Republik Irland –, 9 Staaten haben das Übereinkommen bisher nur unterzeichnet (Stand: 15.5.1015). Für die Bundesrepublik Deutschland trat das CMR am 5.2.1962 in Kraft, Bekanntmachung vom 28.12.1961, BGBl. 1962 II, 12. Das CMR war das erste UNECE-Übereinkommen, das die Bundesrepublik Deutschland nach ihrem 1956 erfolgten Beitritt zur UNECE unterzeichnete, siehe dazu Didier/Andresen, CMR, 8. Aufl. 2015, Einl. Rn. 8; Glöckner, Leitfaden zur CMR, 7. Aufl. 1991, Einl. Rn. 8. Ein Beitritt der DDR zum CMR erfolgte erst am 27.3.1973, da die DDR zuvor mangels internationaler Anerkennung der UNECE nicht angehörte. Aus diesem Grund konnte die DDR dem CMR gemäß der Beitrittsregelung des Art. 42 CMR – wie auch anderen Verkehrsabkommen der UNECE – zunächst nicht beitreten. Diese ihrer Ansicht nach diskriminierende und damit völkerrechtswidrige „Sperrklausel“ kritisierten seinerzeit Bergner u.a., Internationales Verkehrsrecht, 1969, 408; zur CMR siehe auch von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 113 ff. 233 Protocol to the Convention on the Contract for the International Carriage of Goods by Road (CMR) vom 5.7.1978, UNTS Bd. 1208, 427/UNECE Nr. 26/BGBl. 1980 II, 721. Das Protokoll ist bisher für 42 Staaten in Kraft getreten, 6 Staaten haben das Protokoll bisher nur unterzeichnet (Stand: 15.5.2015). Zur Entstehungsgeschichte des CMR siehe Herber/Piper, CMR, 1996, Einführung Rn. 1 ff.; de la Motte/Temme, in: Thume (Hrsg.), Kommentar zur CMR, 3. Aufl. 2013, Vorbemerkung vor Art. 1 Rn. 1 ff. 234 Änderung und Ergänzung betrafen nur Art. 23 Abs. 3 CMR, der als Maßstab für die Haftungsbegrenzung auf der Grundlage des Feingoldwertes der Währungen festlegte. Er bestimmte als Goldfranken ein Gewicht von 10/31 und 0,900 Feingehalt. Nach dem Zusammenbruch des internationalen Bretton Woods Währungssystems konnte diese Einheit nicht mehr zugrundegelegt werden, weil die Goldparität der Währungen nicht mehr gegeben war. Die Bestimmung der Haftungsbeträge wurde durch das Protokoll von 1978 auf einen bestimmten Goldgegenwert auf die Bezugnahme auf das Sonderziehungsrecht des Internationalen Währungsfonds umgestellt. Eingefügt wurden in Art. 23 die Abs. 7– 9, welche die Umrechnung der in dem neuen Abs. 3 genannten Rechnungseinheit näher regeln; vgl. dazu Herber/Piper, CMR, 1996, Einführung Rn. 12.

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fahrzeugen grenzüberschreitende Beförderungen vornehmen dürfen.235 Das CMR ist unmittelbar anwendbares deutsches Recht236 und gilt im Range eines einfachen Gesetzes.237 Da das CMR keine abschließende Regelung enthält, ist ergänzend auf nationales Recht zurückzugreifen.238 Das CMR ist in beiden Originalsprachen – Englisch und Französisch – verbindlich. Nationale Gerichte haben diese Fassungen ihren Entscheidungen zugrundezulegen.239 Kapitel I bestimmt den Geltungsbereich des CMR. Danach gilt das Übereinkommen für „jeden Vertrag über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Straße mittels Fahrzeugen“ (Kraftfahrzeuge, Sattelkraftfahrzeuge, Anhänger und Sattelanhänger i.S. des Art. 4 des Abkommens über den Straßenverkehr von 235

Vgl. dazu de la Motte/Temme, in: Thume (Hrsg.), Kommentar zur CMR, 3. Aufl. 2013, vor Art. 1 Rn. 8 ff. 236 Vgl. dazu das Gesetz zu dem Übereinkommen vom 19. Mai 1956 über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) vom 16.8.1961, BGBl. 1961 II, 1119; Herber/Piper, CMR, 1996, Vorbemerkung vor Art. 1 Rn. 1. 237 Nach ganz herrschender Meinung erhält das unmittelbar anwendbare Vertragsrecht über das Vertrags- oder Zustimmungsgesetz den Rang einfacher Bundesgesetze, es sei denn der Vertrag oder eine seiner Normen gibt eine allgemeine Regel des Völkerrechts wieder, der gemäß Art. 25 GG einen Rang über dem einfachen Gesetzesrecht, jedoch unterhalb der Verfassung eingeräumt wird, vgl. dazu statt anderer Geiger, Grundgesetz und Völkerrecht, 6. Aufl. 2013, 168 f., und zur unmittelbaren Anwendbarkeit eines Vertrages, ebd. 174 ff.; Rojahn, in: Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, Bd. 2, 6. Aufl. 2012, Art. 59 Rn. 37; Vöneky, Verfassungsrecht und völkerrechtliche Verträge, in: Isensee/ Kirchhof (Hrsg.), HStR, Bd. XI, 3. Aufl. 2013, § 236 Rn. 26; Pernice, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetz Kommentar, 2. Aufl. 2006, Art. 59 Rn. 11; speziell für die CMR Herber/ Piper, CMR, 1996, Vorbemerkung vor Art. 1 Rn. 4. 238 Herber/Piper, CMR, 1996, Vorbemerkung vor Art. 1 Rn. 2. In Deutschland würde damit späteres nationales Recht angesichts der Gleichrangigkeit des CMR-Rechts als einfachgesetzliches Recht diesem vorgehen, muss jedoch nach ganz herrschender Meinung völkerrechtskonform, in diesem Falle also CMR-konform ausgelegt werden; so zutreffend Herber/Piper, CMR, 1996, Vorbemerkung vor Art. 1 Rn. 4; allgemein dazu statt anderer Herdegen, in: Maunz/Dürig (Begr.), GG, Art. 25 [Stand: Februar 2003] Rn. 3 ff. 239 So zutreffend Herber/Piper, CMR, 1996, Vorbemerkung vor Art. 1 Rn. 2; diese schon völkergewohnheitsrechtlich geltende Regel ist heute in Art. 33 WVK kodifiziert, vgl. dazu näher Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 2. Aufl. 2002, 652 ff. Die im Bundesgesetzblatt neben den Fassungen in den Originalsprachen veröffentlichte deutsche Übersetzung ist von Deutschland, Österreich und der Schweiz gemeinsam erarbeitet worden, vgl. dazu Herber/Piper, CMR, 1996, Einführung Rn. 8. Das CMR enthält – anders als spätere Verträge wie z.B. das UN-Kaufrechtsübereinkommen – keine ausdrückliche Regelung zu ihrer Auslegung, so dass hier vor allem die Rechtsprechung eine wichtige Rolle hinsichtlich der Auslegungsgrundsätze gespielt hat, vgl. dazu näher Herber/Piper, CMR, 1996, Vorbemerkung vor Art. 1 Rn. 8 ff., mit ausführlichen Rechtsprechungsnachweisen.

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1949),240 „wenn der Ort der Übernahme des Gutes und der für die Ablieferung vorgesehene Ort, wie sie im Vertrage angegeben sind, in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer ein Vertragsstaat ist. Dies gilt ohne Rücksicht auf den Wohnsitz und die Staatsangehörigkeit der Parteien“ (Art. 1 Abs. 1). Die Regelung, dass das CMR auch dann gilt, wenn nur einer der beiden Staaten, in denen Übernahme- oder Ablieferungsort liegen, Vertragsstaat des CMR ist, hat in den ersten Jahren nach dem Inkrafttreten des CMR völkerrechtliche Bedenken dahingehend laut werden lassen, dass über Art. 1 Abs. 1 CMR Nichtvertragsstaaten möglicherweise zur generellen Anerkennung des CMR für ihr jeweiliges Staatsgebiet gezwungen werden könnten.241 Abgesehen davon, dass das CMR in Art. 6 Abs. 1 lit. k) im Frachtbrief die Angabe enthalten muss, dass die Beförderungen trotz einer gegenteiligen Abmachung den Bestimmungen dieses Übereinkommens unterliegt, was heißt, dass die Geltung des CMR für einen Beförderungsvertrag in jedem Frachtbrief vereinbart wird, also von einem Zwang zur generellen Anerkennung der CMR durch Nichtvertragsstaaten keine Rede sein kann, ist die kritisierte Regelung des Art. 1 Abs. 1 CMR angesichts der großen Zahl von Vertragsstaaten heute nur von geringer Bedeutung.242 b) Detailvorschriften Nach Art. 1 Abs. 3 gilt das CMR auch, „wenn in [seinen] Geltungsbereich fallende Beförderungen von Staaten oder von staatlichen Einrichtungen oder Organisationen durchgeführt werden,“ sofern sie entgeltlich erfolgten – eine Regelung, die im Hinblick auf die früheren sozialistischen Staaten erforderlich war, die privaten gewerblichen Güterverkehr nicht kannten. Das heißt, dass Gütertransporte innerhalb des staatlichen Bereichs wie Militärtransporte oder Hilfs240

Dies gilt auch heute, obwohl das Übereinkommen von 1949 für die meisten Staaten durch das ÜStrV von 1968 ersetzt ist. Der Grund ist, dass nicht alle Vertragsstaaten des CMR auch Parteien des ÜStrV sind und das CMR auch keine Verweisung auf das ÜStrV vorgenommen hat, vgl. dazu Herber/Piper, CMR, 1996, Art. 1 Rn. 19. 241 So Muth, Leitfaden zur CMR, 1963, 27, dessen entsprechender Hinweis von Bergner u.a., Internationales Verkehrsrecht, 1969, 404, aufgegriffen und dahingehend verschärft wurde, dass Art. 1 Abs. 1 insoweit „gegen allgemein anerkannte Prinzipien des Völkerrechts verstößt“. 242 So Herber/Piper, CMR, 1996, Art. 1 Rn. 55, die den Sinn des Art. 6 lit. k) vornehmlich als Versuch des CMR verstehen, der „mit dem weiten Anwendungsbereich verbundenen Gefahr widersprechender Gerichtsentscheidungen bei Beförderungen zwischen einem Vertrags- und einem Nichtvertragsstaat entgegenzuwirken“; zu dieser als ParamountKlausel bezeichneten Regelung auch Teutsch, in: Thume (Hrsg.), Kommentar zur CMR, 3. Aufl. 2013, Art. 6 Rn. 20 m.w.N.

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lieferungen in andere Vertrags- oder Drittstaaten – weil unentgeltlich, wenn auch nicht kostenlos – nicht in den Geltungsbereich des CMR fallen.243 Ausgenommen von der Geltung des CMR sind Beförderungen, „die nach den Bestimmungen internationaler Postübereinkommen durchgeführt werden (Art. 1 Abs. 4 lit. a)),“ die Beförderung von Leichen (Art. 1 Abs. 4 lit. b)) und die Beförderung von Umzugsgut244 (Art. 1 Abs. 4 lit. c)). Zur Sicherung einer möglichst einheitlichen Geltung des CMR verpflichten sich die Vertragsparteien, untereinander keine „zwei- oder mehrseitigen Sondervereinbarungen“ zu schließen, die „Abweichungen von den Bestimmungen dieses Übereinkommens enthalten.“ Jedoch sind Sondervereinbarungen zugelassen, durch die z.B. der kleine Grenzverkehr von der Geltung des Übereinkommens ausgenommen wird (Art. 1 Abs. 5). Ein besonderes Problem der Geltung des Übereinkommens ergibt sich in Fällen, in denen zwar Frachtgut während des gesamten Transports in dem mit ihm beladenen Fahrzeug verbleibt, das Fahrzeug selbst jedoch auf einem Teil der Strecke zur See, mit der Eisenbahn, auf Binnenwasserstraßen oder auf dem Luftwege befördert wird und das Frachtgut nicht umgeladen wird. In diesem Fall gilt das CMR für die gesamte Beförderung (Art. 2 Abs. 1 S. 1).245 Dies gilt jedoch nicht, wenn „bewiesen wird, dass während der Beförderung durch das andere Verkehrsmittel eingetretene Verluste, Beschädigungen oder Überschreitungen der Lieferfrist nicht durch eine Handlung oder Unterlassung des Straßenfrachtführers, sondern durch ein Ereignis verursacht worden sind, das nur während und wegen der Beförderung durch das andere Beförderungsmittel eingetreten sein kann“ (Art. 2 Abs. 1 S. 2). In diesem Fall bestimmt sich die Haftung des Straßenfrachtführers danach, wie der Frachtführer des anderen Verkehrsmittels gehaftet hätte, wenn ein lediglich das Gut betreffender Beförderungsvertrag zwischen dem Absender und dem Frachtführer des anderen Verkehrsmittels nach den für dieses geltenden zwingenden Vorschriften geschlossen worden wäre. Bestehen solche 243

Vgl. dazu Herber/Piper, CMR, 1996, Art. 1 Rn. 57; zum Geltungsbereich auch Day/ Griffin, The Law of International Trade, 3. Aufl. 2003, 111 ff. 244 Im Unterzeichnungsprotokoll zum CMR (Ziff. 2) verpflichteten sich die Vertragsparteien, über ein Übereinkommen für den Beförderungsvertrag für Umzugsgut zu verhandeln. Entsprechende Verhandlungen wurden 1960 im Rahmen der UNECE aufgenommen, die jedoch 1961 lediglich zur Annahme von Musterklauseln für die Beförderung von Umzugsgut führten, die dann allerdings 1962 in durch die International Road Transport Union veröffentlichte allgemeine Bedingungen für internationale Umzüge eingingen, vgl. dazu Herber/Piper, CMR, 1996, Einführung Rn. 10. 245 Siehe aber die Ausnahme des Art. 14, wonach Abweichungen von den im Frachtbrief festgelegten Bedingungen erlaubt sind, „wenn aus irgendeinem Grunde vor Ankunft des Gutes an dem für die Ablieferung vorgesehenen Ort die Erfüllung des Vertrages zu den im Frachtbrief festgelegten Bedingungen unmöglich ist oder unmöglich wird“.

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Vorschriften jedoch nicht, so gilt wiederum das CMR für die Haftung des Straßenfrachtführers (Art. 2 Abs. 1). Diese Regelung gilt auch für den Fall, dass der Straßenfrachtführer zugleich auch der Frachtführer des anderen Verkehrsmittels ist, wobei seine Tätigkeit als Straßenfrachtführer und Frachtführer des anderen Verkehrsmittels so angesehen wird, als sei sie von zwei Personen ausgeübt würden (Art. 2 Abs. 2). In den weiteren Kapiteln werden die privatrechtlichen und international-privatrechtlichen Regelungen für den Beförderungsvertrag getroffen, d.h. die Regelungen zur Haftung des Frachtführers für andere Personen (Kapitel II), zum Abschluss und zur Ausführung des Beförderungsvertrages (Kapitel III), zur Haftung des Frachtführers (Kapitel IV), zu Reklamationen und Klagen (Kapitel V) und zu Bestimmungen über die Beförderung durch aufeinanderfolgende Frachtführer (Kapitel VI).246 Abgesehen von Art. 2 enthält das CMR noch keine Regelungen zu dem sog. multimodalen (früher „kombinierten“) Transport.247 Diese Transportform – der Gütertransport erfolgt unter Verwendung unterschiedlicher Verkehrsmittel (Kraftfahrzeuge, Eisenbahn, Schiff, Flugzeug) – gewann allerdings nach Inkrafttreten des CMR immer größere Bedeutung, so dass in verschiedenen internationalen Gremien und Organisationen Verhandlungen zur Erarbeitung einer Konvention über multimodale Transporte geführt wurden, ohne jedoch zu einem Erfolg zu führen. Erst 1980 gelang es im Rahmen der Welthandelskonferenz (UNCTAD), ein Übereinkommen über multimodale Transporte zu beschließen, das aber bis heute nicht in Kraft getreten ist.248

246

Zum Beförderungsvertrag (Transportvertrag), grundlegend Basedow, Der Transportvertrag, 1987; Clarke, International Carriage of Goods by Road: CMR, 6. Aufl. 2014, 21 ff.; sowie Greif, Personenbeförderungsgesetz: Kommentar, 1961; Heinze (Begr.), Fehling/ Fiedler (Hrsg.), Personenbeförderungsgesetz: PBefG, 2. Aufl. 2014; Fromm/Sellmann/Zuck, Personenbeförderungsrecht, 4. Aufl. 2013; Didier/Andresen, CMR, 8. Aufl. 2015; Widmann, Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR), 1993; Thume (Hrsg.), Kommentar zur CMR, 3. Aufl. 2013; Herber/Piper, CMR, 1996; Koller, Transportrecht, 8. Aufl. 2013. 247 Siehe zu den Problemen der Regelung des multimodalen Transport Basedow, Der Transportvertrag, 1987, 57 ff. 248 United Nations Convention on International Multimodal Transport of Goods vom 24.5.1980; für den Text siehe UN Doc. TD/MT/CONF/16 (1980). Der Text ist ebenfalls abgedruckt bei Schadee, Transport, International Transport Treaties (Stand: 1986), VI152 ff. Dazu siehe auch Herber/Piper, CMR, 1996, Einführung Rn. 11.

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c) Sicherung der einheitlichen Geltung und Anwendung Von völkervertragsrechtlicher Bedeutung ist Art. 41 CMR, die einzige Vorschrift des Kapitels VII, die zur Sicherung der einheitlichen Geltung und Anwendung des CMR als für beide Vertragsparteien zwingend geltendes Recht in seinem Absatz 1 bestimmt, dass jede Vereinbarung, die unmittelbar oder mittelbar von den Bestimmungen des Übereinkommens abweicht, nichtig und ohne Rechtswirkung ist.249 Darüber hinaus dient die Regelung des Art. 41 Abs. 1 CMR auch dazu, den Schutz des wirtschaftlich Schwächeren zu sichern sowie die Konkurrenz zu dämpfen.250 Ausgenommen von dieser Regelung sind Vereinbarungen, die von Frachtführern untereinander getroffen werden, die von den Art. 37 und 38 abweichen (Art. 40).251 Allerdings hat die Nichtigkeit solcher Vereinbarungen nicht die Nichtigkeit der übrigen Vertragsbestimmungen zur Folge (Art. 41 Abs. 1 S. 2). Anstelle der nichtigen Absprache gelten die Bestimmungen des CMR.252 In Art. 41 Abs. 2 wird insbesondere die Nichtigkeit von Vereinbarungen hervorgehoben, mit denen sich der Frachtführer die Ansprüche aus der Versicherung des Gutes abtreten lässt, von jeder anderen ähnlichen Abmachung sowie von jeder Abmachung, durch die die Beweislast verschoben wird. Damit soll namentlich die durch das CMR geschaffene, in Rechten und Pflichten der Parteien eines Transportvertrages ausgewogene Gesamtordnung für den Beförderungsvertrag geschützt werden.253 d) Schlussbestimmungen Die Schlussbestimmungen des Kapitels VIII entsprechen hinsichtlich der Bestimmung des Kreises der Staaten, für die das Übereinkommen zur Unterzeichnung oder zum Beitritt offen steht, sowie hinsichtlich des Inkrafttretens, der 249

Siehe dazu näher Koller, Transportrecht, 8. Aufl. 2013, Art. 41 CMR Rn. 1; ebenso Herber/Piper, CMR, 1996, Art. 41 Rn. 1. 250 So Koller, Transportrecht, 8. Aufl. 2013, Art. 41 CMR Rn. 1; siehe auch dazu die Denkschrift der Bundesregierung zum CMR, BT-Drucksache III/1144, 46. 251 Solche abweichende Vereinbarungen können auch durch allgemeine Geschäftsbedingungen wie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Spediteure (ADSp.) getroffen werden, dazu Herber/Piper, CMR, 1996, Art. 40, Rn. 1 m.w.N.; zulässig sind abweichende Vereinbarungen auch dann, wenn das CMR keine abschließende Regelung enthält und das nationale Recht Anwendung findet, siehe dies., Art. 41 Rn. 4; Koller, Transportrecht, 8. Aufl. 2013, Art. 41 CMR Rn. 1. 252 Herber/Piper, CMR, 1996, Art. 41 Rn. 2 m.w.N. 253 Siehe dazu näher Herber/Piper, CMR, 1996, Art. 41 Rn. 5; Koller, Transportrecht, 8. Aufl. 2013, Art. 41 CMR Rn. 2.

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Änderung, der Beilegung von Meinungsverschiedenheiten über die Auslegung des Übereinkommens (Anrufung des IGH – Art. 47), der Kündigung und des Außerkrafttretens, den von der ECE auch in anderen verkehrsrechtlichen Übereinkommen getroffenen Regelungen. 2. Der multimodale Transport Unter dem Eindruck des raschen Wandels der Transportmittel – so vor allem das dramatische Anwachsen des Containertransports – und des entsprechend gewachsenen Anteils des Transports mit verschiedenen Beförderungsmitteln (Lastkraftwagen-, Eisenbahn-, Flugzeug-, See- und Binnenwasserstraßentransport), des sog. multimodalen (intermodalen, kombinierten oder gebrochenen) Transports,254 wuchs das Bedürfnis nach einem einheitlichen, die gesamte Transportstrecke abdeckenden Frachtdokument.255 Unter Mitwirkung von Vertretern zahlreicher internationaler zwischenstaatlicher Organisationen (ICAO, UNECE) und Nichtregierungsorganisationen wie dem Central Office for International Railway Transport (OCTI), der International Road Transport Union (IRU) und der Internationalen Handelskammer (ICC), erarbeitete eine von UNIDROIT eingesetzte Arbeitsgruppe einen ersten Entwurf einer Konvention über den kombinierten Gütertransport. Diesen Entwurf nahm der UNIDROIT-Rat 1963 an. Im Hinblick auf die Aktivitäten anderer Organisationen – so z.B. des Permanent Bureau of the Comité Maritime International (CMI) –, die ebenfalls auf die Erarbeitung einer Konvention über den kombinierten Verkehr zielten, wurde er aber zunächst nicht weiter verfolgt.256 Vielmehr sollte das Ergebnis der Arbeiten des CMI abgewartet werden. Auf dessen Grundlage, der Draft Convention on Combined Transport-Tokyo Rules vom April 1969, und auf der Grundlage des Konventionsentwurfes von UNIDROIT begannen 1969 Verhandlungen zwischen UNIDROIT und CMI, die im Januar mit der Kombinierung der beiden vorliegenden Entwürfe in Gestalt des „Rom-Entwurfes“ einer Konvention über den intermodalen Transport endeten. Um eine weitere Verfeinerung des „Rom-Entwurfes“ voranzutreiben, initiierten UNECE 254

Zu diesen Begriffen Koller, Die Bedeutung des § 662 HGB für den multimodalen Transport, VersR 1982, 1 ff. 255 Basedow, Der Transportvertrag, 1987, 366; bereits in den 1930er Jahren gab es erste Bemühungen um ein Rechtsregime für den damals so genannten „kombinierten Transport“ durch UNIDROIT, siehe dazu Moreno, Legal Nature and Functions of the Multimodal Transport Document, 2002, 11 f. m.w.N. 256 Siehe hierzu Moreno, Legal Nature and Functions of the Multimodal Transport Document, 2002, 11 ff. m.w.N.

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und die Zwischenstaatliche Beratende Schifffahrtsorganisation (IMCO, heute IMO) eine Reihe von Treffen. Die Teilnehmer unterstützten den „Rom-Entwurf“ nicht, einigten sich jedoch im Ergebnis auf einen modifizierten Konventionsentwurf, die Draft Convention on the International Combined Transport of Goods (TCMEntwurf – Transport Combiné des Marchandises). Auch dieser Entwurf fand keine Akzeptanz. Namentlich Entwicklungsländer erhoben Bedenken, weil sie befürchteten, insbesondere im Containertransport von ausländischen Anbietern an den Rand gedrückt zu werden.257 Nach diesen Fehlschlägen starteten die UN und IMCO/IMO 1972 eine neue Initiative, die zu der Entscheidung führte, die UN Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) mit weiteren Untersuchungen der Problematik des multimodalen Transports und namentlich seine wirtschaftlichen Auswirkungen insbesondere für die Entwicklungsländer zu betrauen. UNCTAD setzte 1973 eine zwischenstaatliche Vorbereitungsgruppe (IPG) ein, die im März 1979 einen neuen Konventionsentwurf – die Draft Convention on International Multimodal Transport – beschloss.258 Auf Einladung der UN Generalversammlung trat im November 1979 eine Konferenz der Bevollmächtigten für die Annahme einer Konvention über den multimodalen Transport in Genf zusammen. Bereits am 24. Mai 1980 wurde die United Nations Convention on International Multimodal Transport of Goods im Konsensverfahren angenommen. Aber dabei ist es geblieben. Auch über dreißig Jahre nach Annahme der Konvention weist sie lediglich elf Vertragsstaaten auf – etwas mehr als ein Drittel des für das Inkrafttreten erforderlichen Quorums von 30 Parteien, darunter keine der großen Handelsnationen.259 Die Aussichten, dass sich dieser Status der Konvention noch ändern wird, werden als gering eingeschätzt.260 Um dennoch dem Bedürfnis nach einer den modernen Anforderungen entsprechenden Regelungen Rechnung zu tragen, sind von der UNCTAD in Zusammenarbeit mit der ICC die UNCTAD/ICC Rules for Multimodal Transport Documents erarbeitet worden, die vom Exekutivrat der ICC 1991 angenommen wurden und ab dem 1. Januar 1992 gelten. Ihre Anwendung beruht jedoch – wie 257

Moreno, Legal Nature and Functions of the Multimodal Transport Document, 2002, 15 m.w.N. 258 Report of the Intergovernmental Preparatory Group on a Convention on International Multimodal Transport, Part One, Draft Convention on International Multimodal Transport vom 14.3.1979, UN Doc. TD/MT/CONF/1. 259 Vertragsstaaten sind: Burundi, Chile, Georgien, Libanon, Liberia, Malawi, Mexiko, Marokko, Ruanda, Senegal und Sambia. Norwegen und Venezuela haben die Konvention bisher lediglich unterzeichnet (Stand: 26.5.2015). 260 So auch schon Moreno, Legal Nature and Functions of the Multimodal Transport Document, 2002, 22.

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schon frühere Regeln der ICC – auf Freiwilligkeit. Zudem können sie bestehende Regelungen in verbindlichen internationalen Konventionen und nationalen Gesetzen nicht abbedingen, was ihre Effektivität beeinträchtigt. Darüber hinaus sind inzwischen auf regionaler und – wie angedeutet – auf nationaler Ebene Regelungen zum multimodalen Gütertransport getroffen worden,261 die jedenfalls zum Teil auf die UN Konvention sowie auf die Rules for Multimodal Transport zurückgreifen, jedoch keinen Ersatz für eine umfassende, von breiter Akzeptanz getragene Regelung darstellen, wie sie mit der UN Konvention angestrebt wurden.262 3. Sicherheitsvorkehrungen im grenzüberschreitenden Gütertransport Wie bereits erwähnt, hat die UNECE wie schon auf dem Gebiet der grenzüberschreitenden Personenbeförderung auch von dem Vorhaben einer umfassenden multilateralen Vertragsregelung des grenzüberschreitenden Gütertransports abgesehen und statt dessen eine Reihe von Spezialkonventionen erarbeitet, unter denen das CMR das Kernstück bildet. Große Bedeutung kommt daneben aber auch dem nur ein Jahr nach dem CMR angenommenen Europäischen Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße vom 30. September 1957 (ADR)263 sowie dem am 1. September 1970 beschlossenen Übereinkommen 261 Für Deutschland siehe das Gesetz zur Neuregelung des Fracht-, Speditions- und Lagerrechts (Transportrechtsreformgesetz – TRG) vom 25.6.1998, BGBl. 1998 I, 1588; mit dem das Privatrecht der Güterbeförderung für alle Transportarten einheitlich im Handelsgesetzbuch (HGB) kodifiziert wurde (§§ 343 lit. a)–475 lit. h) HGB), darunter auch ausdrücklich für den multimodalen Transport (§§ 452–452 lit. d) HGB). 262 Zu den regionalen und nationalen Regelungsaktivitäten näher Moreno, Legal Nature and Functions of the Multimodal Transport Document, 2002, 21 f., der die Wirkung dieser Alleingänge kritisch würdigt. 263 Europäisches Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) vom 30.9.1957, UNTS Bd. 619, 77/BGBl. 1969 II, 1491 sowie die umfangreichen Anlagen A und B im Anlagenband zu BGBl. 1969 II. Bislang ist das ADR für 48 Staaten in Kraft getreten (Stand: 26.5.2015); Art. 14 ADR wurde durch das Protokoll über die Änderung des Art. 14 Abs. 3 vom 21.8.1975, UNTS Bd. 1394, 532/BGBl. 1979 II, 1334 und das Protokoll über die Änderung des Art. 1 lit. a, Art. 14 Abs. 1 und Abs. 3 lit. b vom 28.10.1993, UN Doc. E/ECE/TRANS/WP.15/CD/6 vom 1.12.1993, geändert; dieses Protokoll, das von allen Parteien des ADR zu ratifizieren ist, (bisher 33 von den 48 Parteien des ADR) ist noch nicht in Kraft getreten (Stand: 26.5.2015); zu den Fundstellen der zahlreichen Änderungen der Anlagen A und B zum ADR siehe UNTS Bd. 774, 368; Bd. 828, 518; Bd. 883, 174; Bd. 907, 158; Bd. 921, 284; Bd. 922, 282; Bd. 926, 114; Bd. 951, 433; Bd. 982, 313; Bd. 987, 435; Bd. 1003, 249; Bd. 1023, 462; Bd. 1035, 330; Bd. 1074, 352; Bd. 1107, 269; Bd. 1161, 461; Bd. 1162, 437; Bd. 1259, 407; Bd. 1279, 307; Bd. 1297, 406; Bd. 1344, 231; auch Fundstellennachweis B, Stand: 31. Dezember 2014,

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über die Beförderungen leicht verderblicher Lebensmittel und über die besonderen Beförderungsmittel, die für diese Beförderungen zu verwenden sind (ATP),264 zu. Beide Abkommen zielen sowohl auf den Schutz wichtiger Gemeinschaftsinteressen – Schutz vor Schäden durch austretende giftige oder explodierende Stoffe einerseits, Schutz vor Beeinträchtigungen der Gesundheit durch verdorbene Lebensmittel andererseits – als auch auf die Erleichterung des grenzüberschreitenden Gütertransports durch eine Vereinheitlichung der notwendigen rechtlichen Regelungen. a) Das Europäische Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße von 1957 Das Europäische Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR), das erst gut ein Jahrzehnt nach der Auflegung zur Unterzeichnung und Ratifikation in Kraft trat – und dies nur mit dem Erreichen der Mindestzahl von fünf Ratifikationen –, hat erst in den 1970er Jahren und besonders nach dem Ende des Kalten Krieges auch bei den ehemaligen Ostblockstaaten breitere Akzeptanz gefunden.265 Der Grund dafür dürfte darin gelegen haben, dass sich das ADR auch auf gefährliche Güter bezieht, die von großer militärischer Bedeutung waren, wie z.B. radioaktive und chemische Substanzen, deren Transport keinen internationalen Vertragsregelungen unterliegen sollte. Dabei beschränkt sich das Übereinkommen selbst im Wesentlichen auf allgemein gehaltene Regelungen und trägt so eher den Charakter eines Rahmenabkommens, das aus dem ADR und den in neun Teilen gefassten Detailregelungen besteht, die ihrerseits auf die Anlagen A (Teile 1–7) und B (Teile 8–9) aufgeteilt sind.266 Einige der Vorschriften des ADR sind allerdings im Hinblick auf das hier mehrfach angesprochene Problem der Spannungslage zwischen dem souveränitätsorientierten Anspruch auf die Sicherung nationaler Regelungsgewalt und der internationalen Harmonisierung der Regelungen über den grenzüberschreitenden Transport gefährlicher Güter auf der Straße von besonderem Interesse. 491 ff. Für den derzeit gültigen Text des „ADR 2015“ und der Anlagen A und B in Kraft getreten am 1.1.2015 siehe UN Doc. ECE/TRANS/242 (Vol. I and II). 264 Übereinkommen über internationale Beförderungen leicht verderblicher Lebensmittel und über die besonderen Beförderungsmittel, die für diese Beförderungen zu verwenden sind (ATP) vom 1.9.1970, UNTS Bd. 1028, 121/BGBl. 1974 II, 566. 265 Weit über die Hälfte (30 von 48) der heutigen Vertragsparteien sind dem Übereinkommen nach 1990 beigetreten (Stand: 21.5.2015). 266 Siehe dazu nähere Angaben zur Struktur des ADR und seiner Anlagen die Einführung zum „ADR 2015“, abrufbar unter: http://www.unece.org/fileadmin/DAM/trans/ danger/publi/adr/adr2015/ADR2015e_WEB.pdf (letzter Zugriff: 21.5.2015).

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Grundsätzlich gilt, dass gefährliche Güter i.S. der Anlage A nicht zum internationalen Transport zugelassen sind, es sei denn, ihr Transport ist in Übereinstimmung mit den in den Anlagen A und B des ADR festgelegten Bedingungen erlaubt worden (Art. 2). Doch behalten die Vertragsparteien das Recht, „durch zweioder mehrseitige Sonderabkommen zu vereinbaren, dass bestimmte gefährliche Güter, die nach [dem] Übereinkommen von der Beförderung im internationalen Verkehr ausgeschlossen sind, unter gewissen Bedingungen im internationalen Verkehr auf ihren Gebieten befördert werden dürfen oder dass gefährliche Güter, die nach [dem] Übereinkommen im internationalen Verkehr nur unter bestimmten Bedingungen befördert werden dürfen, zur Beförderung im internationalen Verkehr auf ihren Gebieten unter Bedingungen zugelassen werden, die leichter sind als die Bedingungen der Anlagen [des] Übereinkommens“ (Art. 4 Abs. 3). Im Übrigen entspricht das ADR hinsichtlich der allgemeinen Vorschriften über das Inkrafttreten (Art. 6–7), die Kündigung und das unwirksam werden (Art. 8–9) sowie die Streitbeilegung (Art. 11–12) im Wesentlichen den bereits zuvor behandelten UNECE-Übereinkommen. Eine Besonderheit weist das in Art. 14 vorgesehene Verfahren für die Änderung der das ADR konkretisierenden Regelungen der Anlagen A und B auf. Diese Anlagen mit den äußerst umfangreichen, sehr detaillierten technischen Regelungen für den sicheren Transport gefährlicher Güter sind gemäß Art. 3 ADR „wesentliche Bestandteile“ des Übereinkommens. Die Ausgliederung der inhaltlich in der Tat wesentlichen Detailvorschriften aus dem eigentlichen Vertragstext hat ihren Grund darin, dass aus Gründen häufig notwendiger Anpassung der technischen Regelungen an neue Entwicklungen oder im Interesse der Angleichung des ADR an andere Übereinkommen über den Transport gefährlicher Güter im Eisenbahnverkehr, zur See, auf inländischen Wasserstraßen und in der Luft267 ein vereinfachtes Änderungsverfahren geboten ist, also nicht die Vorschriften über eine Änderung des Grundvertrages zur Anwendung kommen müssen.268 Danach können Änderungsvorschläge zu den Anlagen A und B von jeder Vertragspartei an 267

Vgl. z.B. die Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter (RID), Anhang C zum Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 i.d.F. des Protokolls von Vilnius vom 3.6.1999, BGBl. 1985 II, 296; zuletzt geändert mit Wirkung zum 1.1.2015, BGBl. 2014 II, 890), und das Übereinkommen über die Beförderung gefährlicher Güter auf Binnenwasserstraßen (ADN) vom 26.5.2000, UN Doc. ECE/TRANS/182 (Vol. I and II). Zu den Bemühungen der UNECE um eine Harmonisierung der Regelungen der RID, des ADR und des ADN siehe den Report of the Ad Hoc Working Group on the Harmonization of RID/ADR/ADN with the United Nations Recommendations on the Transport of Dangerous Goods, UN Doc. ECE/ TRANS/WP.15/AC.1/2015/23/Add.1 vom 12.6.2015. 268 Siehe dazu Art. 14 ADR i.d.F. von 2015.

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den UN Generalsekretär eingereicht werden, die dieser den anderen Parteien übermittelt. Die Änderung gilt als angenommen, wenn nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten ein Drittel der Vertragsparteien – oder von fünf von ihnen, wenn das Drittel diese Zahl übersteigt – ihren Widerspruch angemeldet hat. Wenn die Änderung als angenommen gilt, tritt sie nach Ablauf weiterer drei Monate für alle Parteien in Kraft (Art. 14 Abs. 3), wobei zwei – ebenfalls der Erleichterung des Änderungsverfahrens dienende – Ausnahmen von dem geschilderten Verfahren vorgesehen sind (Art. 14 Abs. 3 lit. a) und lit. b)). Innerstaatlich hat der deutsche Gesetzgeber dem Ziel der Vereinfachung von Änderungen der Anlagen dadurch Rechnung getragen, dass der Bundesminister für Verkehr solche Änderungen unmittelbar durch Rechtsverordnung in Kraft setzen kann (Art. 2 Abs. 1 des Zustimmungsgesetzes zum ADR).269 Die Anlage A enthält die Vorschriften über die gefährlichen Stoffe und Gegenstände (Teile 1–7), die Anlage B diejenigen über die Beförderungsmittel und die Beförderung (Teile 8–9). Teil 1 der Anlage A enthält Begriffsbestimmungen und allgemeine Vorschriften – so zum Anwendungsbereich (1.1). Teil 2 führt die Prinzipien auf, nach denen die Klassifizierungen der Gefahrstoffe vorgenommen werden (2.1), enthält eine Gefahrstoffaufzählung und besondere Vorschriften für die in dieser Aufzählung angeführten 13 Klassen gefährlicher Stoffe sowie die Prüfverfahren (2.2 und 2.3). Teil 3 enthält u.a. Verzeichnisse der gefährlichen Güter (3.2), Sondervorschriften sowie Freistellungen im Zusammenhang mit der Beförderung von in begrenzten Mengen verpackten gefährlichen Gütern (3.4). Teil 4 behandelt die Verwendung von Verpackungen, Großpackmitteln (IBC), Großverpackungen (4.1), ortsbeweglichen Tanks und Tankcontainern aus faserverstärkten Kunststoffen und weitere derartige Transportmodalitäten (4.2–4.5). Teil 5 regelt den Versand. Allgemeinen Bestimmungen z.B. zum Anwendungsbereich (5.1) folgen Vorschriften über die Kennzeichnung und Bezettelung der Versandstücke (5.2) und das Anbringen von Großzetteln (Placards) sowie Kennzeichnungen (5.3), über die Dokumentation (5.4). Der Teil 5 schließt mit Sondervorschriften für den Versand von ansteckungsgefährlichen Stoffe und für begaste Wagen oder Container (5.5). Die Teile 6 und 7 enthalten sehr detaillierte Bau- und Prüfvorschriften für Verpackungen, Großpackmittel (IBC), Großverpackungen, ortsbewegliche Tanks und Tankcontainer aus faserverstärkten Kunststoffen (Teil 6) sowie Vorschriften für die Beförderung, die Be- und Entladung sowie die Handhabung (Teil 7), darunter auch Vorschriften für den Versand als Expressgut und die Handhabung von Hand- und Reisegepäck (7.6 und 7.7). 269

Vgl. Gesetz zu dem Europäischen Übereinkommen vom 30. September 1957 über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR), BGBl. 1969 II, 1489.

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Die Anlage B zum ADR umfasst die Teile 8 und 9. Sie enthalten die Detailvorschriften für den neben der Erfassung der gefährlichen Stoffe und deren ordnungsgemäßer Verpackung wesentlichen dritten Bereich, d.h. die Anforderungen, die an das den Transport durchführende Personal, an die Ausrüstung und Bedienung sowie die Konstruktion und Zulassung der Transportfahrzeuge zu stellen sind. Durch die Übernahme der Regelungen des ADR (Anlagen A und B) und des RID durch die Richtlinien 94/55/EG bzw. 96/49/EG (RID-Rahmenrichtlinie) galten diese Regelungen für die Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft auch für innerstaatliche Gefahrgutbeförderungen mit der Eisenbahn und auf der Straße und für Beförderungen zwischen den Mitgliedstaaten, „und zwar unabhängig von einem CIM-Beförderungsvertrag und unabhängig von einem verwendeten Beförderungsdokument.“270 Die beiden Richtlinien wurden im Jahre 2008 durch die Richtlinie 2008/68/ EG271 ersetzt. Ziel der neuen Richtlinie war es „eine für alle Aspekte der Beförderung gefährlicher Güter zu Lande und auf Binnenwasserstraßen geltende gemeinsame Regelungen festzulegen“ und diese einheitlichen Vorschriften auch auf die innerstaatliche Beförderung gefährlicher Güter ausweiten, um die Bedingungen für die Beförderung gefährlicher Güter zu harmonisieren. b) Das Übereinkommen über internationale Beförderungen leicht verderblicher Lebensmittel von 1970 Das Übereinkommen über internationale Beförderungen leicht verderblicher Lebensmittel und über die besonderen Beförderungsmittel, die für diese Beför-

270

Vgl. dazu die Richtlinien 94/55/EG des Rates vom 21. November 1994 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für den Gefahrguttransport auf der Straße, ABl. Nr. L 319/7 vom 12.12.1994 und die Richtlinie 96/49/EG des Rates vom 23. Juli 1996 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter, ABl. Nr. L 235/25 vom 17.9.1996, kurz dazu auch die Erläuternden Bemerkungen RID-Anhang C zum COTIF, abgedruckt in: OTIF (Hrsg.), Bericht des Zentralamtes über die Revision des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 und erläuternde Bemerkungen zu den von der 5. Generalversammlung angenommenen Texten vom 1.1.2011 abrufbar unter: http://www. otif.org/fileadmin/user_upload/otif_verlinkte_files/07_veroeff/03_erlaeut/COTIF_Rapport_ explicatif_01_01_2011_d.pdf (letzter Zugriff: 24.7.2015). 271 Richtlinie 2008/68/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. September 2008 über die Beförderung gefährlicher Güter im Binnenland, ABl. Nr. L 260/13 vom 30.9.2008.

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derungen zu verwenden sind (ATP) vom 1. September 1970272 verfolgt ein dem des ADR entsprechendes Ziel, nämlich die auch mit dem anwachsenden internationalen Gütertransport verbundenen Risiken für die Bevölkerung und die Umwelt zu vermeiden oder zumindest zu verringern. Dass das ATP erst fast anderthalb Jahrzehnte nach dem ADR abgeschlossen wurde, dürfte damit zu erklären sein, dass der internationale Transport von Lebensmitteln erst mit der fortschreitenden Liberalisierung der Märkte einen erheblichen Anteil des gesamten internationalen Gütertransports gewann und damit im Hinblick auf den unter gesundheitspolitischen Gesichtspunkten besonders problematischen Transport leicht verderblicher Lebensmittel auch international einen deutlichen Regelungsbedarf auslöste. Nach dem gegenwärtigen Stand weist das ATP 49 Vertragsparteien auf, darunter – anders als beim ADR – auch die Vereinigten Staaten. Das ATP lehnt sich im Aufbau und in der Regelungstechnik an das ADR an. Wie dieses enthält das ATP selbst nur wenige grundsätzliche Vorschriften, während die umfänglichen Detailregelungen, vornehmlich technischer Art, in drei Anlagen sowie deren Anhängen getroffen sind. Letztere unterliegen – wie die Anlagen des ADR – einem vereinfachten Änderungsverfahren (Art. 18), um flexibel auf neue technische Entwicklungen sowie wissenschaftliche Erkenntnisse über die Konservierung der leicht verderblichen Lebensmittel während des Transports reagieren zu können. Anders als das ADR erklärt das ATP nicht ausdrücklich die Anlagen zu Bestandteilen des Vertrages. Die angesichts der allgemein gehaltenen Regelungen des Vertrages notwendigen ausdrücklichen Bezugnahmen auf die Vorschriften der Anlagen lassen jedoch keinen Zweifel daran zu, dass die Anlagen integrale Bestandteile des ATP bilden. In Art. 1 ATP wird festgelegt, dass nur solche Beförderungsmittel – dazu gehören nicht nur Kraftfahrzeuge – als für den Transport leicht verderblicher Lebensmittel ausgerüstet bezeichnet werden dürfen, wenn sie den in Anlage 1 zum ATP aufgestellten Begriffsbestimmungen und Normen entsprechen, also etwa eine der Anlage 1 entsprechende Wärmedämmung oder einen entsprechenden Kältespeicher besitzen. Art. 2 ATP verpflichtet die Vertragsparteien, die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die in Art. 1 bezeichneten Beförderungsmittel auf ihre Übereinstimmung mit den Vorschriften der Anlage 1 prüfen und überwachen zu lassen. Die gemäß Anlage 1 von den jeweils zuständigen Behörden ausgestellten 272

UNTS Bd. 1028, 121/BGBl. 1974 II, 565; der englische Text des ATP, in der am 13.11.2014 in Kraft getretenen Fassung ist abrufbar unter: http://www.unece.org/ fileadmin/DAM/trans/doc/2014/wp11/ATP-2014_E.pdf (letzter Zugriff: 21.5.2015), ber. durch UN Doc. ECE/TRANS/232/Corr.1, abrufbar unter: http://www.unece.org/fileadmin/ DAM/trans/main/wp11/wp11fdoc/ECE-TRANS-232-corr1-e.pdf (letzter Zugriff: 2.6.2015); für Fundstellen zu den zahlreichen Änderungen der Anlagen und deren Anhängen, siehe Fundstellennachweis B, Stand: 31. Dezember 2014, 653.

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Bescheinigungen darüber werden von den Vertragsparteien gegenseitig anerkannt. Die Vertragsparteien können auch derartige, von einer zuständigen Behörde einer Nichtvertragspartei ausgestellte Bescheinigungen (Anlage 1 Anhänge 1 und 2) anerkennen.273 Art. 3 und 4 ATP regeln den Anwendungsbereich der Vorschriften über die Verwendung besonderer Beförderungsmittel zur internationalen Beförderung bestimmter leicht verderblicher Lebensmittel. Auch das ATP räumt den Vertragsparteien das Recht ein, untereinander zweioder auch mehrseitige Abkommen zu schließen, die allerdings – anders als die entsprechende Regelung des ADR (Art. 4 Abs. 3 ATP) – nur auf die Einführung strengerer Bestimmungen für die Beförderungsmittel und die Beförderungsmodalitäten (z.B. Einhaltung von bestimmten Temperaturen in Fällen besonderer klimatischer Verhältnisse) gerichtet sein dürfen. Insoweit verlangt das ATP von den Parteien eine größere Einschränkung ihrer nationalen Regelungsgewalt als noch das ADR, obwohl die vom ADR geschützten Gemeinschaftsinteressen keineswegs hinter den vom ATP geschützten zurückstehen. Im Übrigen entsprechen die allgemeinen und Schlussbestimmungen des ATP in den Grundzügen denen der anderen UNECE Verträge zum Transportwesen. Auf die entsprechende Darstellung wird verwiesen. c) Das Übereinkommen über den physischen Schutz von Kernmaterial von 1980 und das Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle von 1989 Weitere Sonderregelungen für den Transport bestimmter Güter enthalten das im Rahmen der IAEA ausgearbeitete Übereinkommen über den physischen Schutz von Kernmaterial (CCPNM) vom 3. März 1980.274 Dieses Übereinkommen verpflichtet die Vertragsstaaten u.a., besondere Schutzmaßnahmen für den Transport 273

Siehe zur Pflicht der Vertragsparteien, Maßnahmen zur Durchsetzung zu ergreifen, sich gegenseitig über diese Maßnahmen und im Falle von Verstößen zu informieren (Art. 6 ATP). 274 UNTS 1456, 101/BGBl. 1990 II, 326. Im Juli 2005 wurden weitreichende Änderungen des Übereinkommens beschlossen, siehe hierzu den Report by the Director General, Nuclear Security – Measures to Protect Against Nuclear Terrorism, Amendment to the Convention on Physical Protection of Nuclear Material, IAEA Doc. GOV/INF/2005/10-GC(49)/INF/6 vom 6.9.2005, die jedoch bisher nicht in Kraft getreten sind (Stand: 15.7.2015). Deutschland hat den Änderungen des Übereinkommens zugestimmt, BGBl. 2008 II, 574. Weitere Regelungen für den Transport von Kernmaterial sind in den IAEA Safety Standards enthalten, siehe dazu IAEA, Regulations for the Safe Transport of Radioactive Material, 2012 Edition, Specific Safety Requirements, No. SSR-6, abrufbar unter: http://wwwpub.iaea.org/MTCD/publications/PDF/Pub1570_web.pdf (letzter Zugriff: 15.7.2015).

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von Kernmaterialien verschiedener im Anhang II festgelegter Kategorien festzulegen.275 Obwohl vorrangig aus Gründen des Umweltschutzes abgeschlossen, enthält auch das Basler Übereinkommen über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung gefährlicher Abfälle und ihrer Entsorgung von 1989 (Basler Übereinkommen)276 Bestimmungen, die die ausnahmsweise Zulassung eines grenzüberschreitenden Transports gefährlicher Abfälle nicht nur von einer Exporterlaubnis des Ausgangsstaates, sondern auch von der vorherigen schriftlichen Zustimmung der Regierung des Empfängerstaates abhängig machen.277 Beide hier behandelten Übereinkommen enthalten ganz erhebliche Einschränkungen des betroffenen Güterverkehrs und begründen damit auch eine starke Stellung der jeweils involvierten Staaten. Anders aber als bei den zuvor behandelten älteren Verträgen über den grenzüberschreitenden Gütertransport – aber auch bei den älteren Verträgen zum internationalen Straßenverkehrsrecht – ist die Betonung der staatlichen Hoheitsgewalt im Fall des CCPNM und des Basler Übereinkommens nicht in dem Streben der Staaten, nationale Regelungsinteressen zur Geltung zu bringen. Vielmehr geht es hier um die Nutzung der staatlichen Durchsetzungsmacht zum Schutz von Staatengemeinschaftsinteressen, nämlich dem Schutz vor den Gefahren, die von Kernmaterial oder von gefährlichen Abfällen für Menschen und Umwelt ausgehen.278 275

Art. 3 und 4 i.V.m. dem Anhang I zum CCPNM; zum Umfang des physischen Schutzes insbesondere Ziff. 2 des Anhangs I, der u.a. vorsieht: „[…] a) Bei Material der Kategorien II und III findet der Transport unter besonderen Vorsichtsmaßnahmen statt, einschließlich vorheriger Absprachen zwischen Absender, Empfänger und Beförderer sowie vorheriger Vereinbarung zwischen den der Hoheitsgewalt und Regelungsbefugnis der Ausfuhr- und Einführländer unterstehenden natürlichen und juristischen Personen hinsichtlich Zeitpunkt, Ort und Verfahren des Übergangs der Verantwortung für den Transport“ und „b) Bei Material der Kategorie I findet der Transport unter den besonderen Vorsichtsmaßnahmen der für den Transport von Material der Kategorien II und III beschriebenen Art sowie zusätzlich unter ständiger Überwachung durch Begleitpersonal und unter Bedingungen statt, die eine enge Verbindung zu angemessenen Interventionskräften gewährleisten,“ zitiert aus BGBl. II, 1990, 338. 276 Das Basler Übereinkommen vom 22.3.1989, UNTS Bd. 1673, 57/BGBl. 1994 II, 2703, ist am 5.5.1992 in Kraft getreten und gilt heute für 183 Staaten (Stand: 3.6.2015). Weder die Änderungen zum Basler Übereinkommen vom 22.9.1995, UN Doc. UNEPCHW.3-35 noch das Zusatzabkommen vom 10.12.1999, Doc. UNEP/CHW.1/WG/1/9/2 sind bisher in Kraft getreten (Stand: 3.6.2015). 277 Dazu Art. 4 Abs. 9 sowie Art. 6 des Basler Übereinkommens. 278 Zum Problem, dass mit den Schutzmaßnahmen zugunsten der Umwelt diskriminierende Handelsbeschränkungen verbunden sind bzw. sein können, siehe Harders, Discriminatory Measures in Economic and Trade Relations, in: Wolfrum (Hrsg.), United Nations Law, Policies and Practice, 1995, Bd. I, Rn. 4 f.

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d) Das Internationale Übereinkommen über sichere Container von 1972 Den Zielen des Schutzes des menschlichen Lebens beim Umgang mit Containern und zugleich der Erleichterung des grenzüberschreitenden Containertransports dient das Internationale Übereinkommen über sichere Container (CSC),279 das von der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) in Zusammenarbeit mit der UNECE erarbeitet und am 2. Dezember 1972 auf einer gemeinsamen Konferenz der Vereinten Nationen und der IMO verabschiedet wurde. Das CSC entspricht in seinem Aufbau dem ATP: wenige Artikel zur Definition der im Übereinkommen verwandten Begriffe (Art. II), zum Anwendungsbereich (Art. III) und Prüfung der Container, ihrer Besichtigung, Zulassung (Art. IV) und zur Anerkennung der Zulassungen sowie zum Kontrollverfahren (Art. V und VI) folgen zehn Artikel über Unterzeichnung, Ratifikation, Beitritt, Inkrafttreten, Änderungsverfahren usw., sowie zwei Anlagen mit den Detailvorschriften für die Prüfung, Besichtigung, Zulassung und Instandhaltung von Containern. Obwohl im Hinblick auf die überwiegend im Seefrachtverkehr stattfindenden Containertransporte vornehmlich für diese Transportart konzipiert, stellt das CSC in Art. III klar, dass dieses Übereinkommen „für neue und vorhandene Container, die für eine internationale Beförderung verwendet werden, mit Ausnahme der besonders für den Luftverkehr entwickelten Container“ gilt. Jeder neue Container „ist nach den Bestimmungen für die Typprüfung oder nach den Bestimmungen für die Einzelprüfung entsprechend Anlage I zuzulassen,“ während „vorhandene Container (…) nach den Bestimmungen für die Zulassung vorhandener Container entsprechend Anlage I binnen 5 Jahren nach dem Tage des Inkrafttretens dieses Übereinkommens zuzulassen“ sind (Art. III Abs. 2 und 3). Die Vertragsparteien sind verpflichtet, zur Durchführung der Bestimmungen der Anlage I „ein wirksames Verfahren für die Prüfung, Besichtigung und Zulassung der Container entsprechend den in diesem Übereinkommen festgelegten Kriterien“ einzuführen. Sie kann jedoch „ordnungsgemäß von ihr beauftragte Organisationen mit der Prüfung, Besichtigung und Zulassung betrauen“, hat dann aber den Generalsekretär der IMO davon zu unterrichten. Sofern ein zugelassener Container nicht den Anlagen I und II entspricht, hat die zuständige Verwaltung die für erforderlich gehaltenen Maßnahmen zu treffen, „damit der Container diesen Vorschriften entspricht“ oder dessen Zulassung zu entziehen (Art. IV). Abweichende Sicherheitsvorschriften dürfen die Vertragsparteien nicht erlassen. Erlaubt sind jedoch die Anwendung innerstaatlicher 279

So die Präambel der Konvention (Abs. 1 und 2); UNTS Bd. 1064, 3/BGBl. 1976 II, 253, zuletzt geändert durch BGBl. 2014 II, 1320; derzeit sind 78 Staaten Parteien des Übereinkommens (Stand: 5.6.2015).

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Regelungen oder Gesetze oder internationaler Vereinbarungen, die „zusätzliche bautechnische Sicherheitsvorschriften oder -prüfungen vorschreiben, für Container, die besonders für die Beförderung gefährlicher Güter gebaut sind (…).“ Unter „gefährlichen Gütern“ sind solche im Sinne internationaler Vereinbarungen – also z.B. des ADR – zu verstehen (Art. V Abs. 2).280 Wie die zuvor behandelten Übereinkommen lässt auch das CSC einen gewissen Spielraum für die nationale Regelungsgewalt, der jedoch im Interesse möglichst einheitlicher Sicherheitsstandards deutlich begrenzt ist und zudem nur für die Anordnung schärferer Sicherheitsanforderungen offen ist. Auch hier zeigt sich, dass mit der wachsenden Bedeutung des grenzüberschreitenden Transportverkehrs die Bereitschaft der Staaten wächst, sich im Interesse einheitlicher Sicherheitsstandards und damit der Möglichkeit weiterer Liberalisierung des grenzüberschreitenden Güterverkehrs Beschränkungen ihrer nationalen Regelungsgewalt zu unterwerfen. e) Das Europäische Übereinkommen über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport von 1968 und 2003 (revidiert) Im Bereich des grenzüberschreitenden Gütertransports stellt die Vereinheitlichung und Intensivierung des Schutzes von Tieren während des Transports eine besondere Herausforderung dar. Bereits im Jahre 1968 wurde im Rahmen des Europarates ein Übereinkommen über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport erarbeitet, das am 13. Dezember 1968 zur Unterzeichnung und Ratifikation aufgelegt wurde und am 20. Februar 1971 in Kraft trat.281 Durch ein Zusatzprotokoll zu diesem Übereinkommen wurde u.a. der EWG der Beitritt als Vertragspartei eingeräumt (Art. 1 Abs. 4).282 Mit dem Ziel, die im Übereinkommen von 1968 niedergelegten Schutzmaßnahmen für Tiere im internationalen Transport stärker zu akzentuieren und auch den Erfahrungen der vergangenen Jahrzehnte sowie den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechend zu verstärken, wurde im Europarat unter Mitwirkung 280

Hervorhebung vom Verf. ETS Nr. 65/BGBl. 1973 II, 721; das Übereinkommen weist 24 Vertragsstaaten auf, Bulgarien hat das Übereinkommen bisher lediglich unterzeichnet (Stand: 5.6.2015). 282 Zusatzprotokoll zum Europäischen Übereinkommen über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport vom 10.5.1979, ETS Nr. 103, in Kraft getreten am 11.11.1989, nachdem das Erfordernis, dass alle Vertragsparteien des Übereinkommens von 1968 auch Vertragsparteien des Zusatzprotokolls geworden sind, erfüllt war. Die EU ist nicht Vertragspartei geworden, auch sind mit 19 von 28, nicht alle Mitgliedstaaten der EU Vertragsparteien (Stand: 5.6.2015). 281

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der UNECE und zahlreicher NGOs283 im Jahr 2003 eine revidierte Fassung des Übereinkommens verabschiedet, die am 14. März 2006 in Kraft trat und das vorherige Abkommen ersetzte.284 Dementsprechend werden die Vertragsparteien des alten Übereinkommens verpflichtet, bei der Ratifikation, der Annahme oder Zustimmung des revidierten Vertrags für sich das alte Übereinkommen zu kündigen (Art. 37 revidiert). Damit wird vermieden, dass Staaten gleichzeitig an zwei sich – jedenfalls teilweise – widersprechende Verträge über denselben Regelungsgegenstand gebunden sind. Gegenstand des alten und des revidierten Übereinkommens ist es, Fortschritte beim Schutz von Tieren im internationalen Transport durch die Annahme gemeinsamer Bestimmungen zu erzielen. Während das alte Übereinkommen seinen Anwendungsbereich durch eine detaillierte Aufzählung einzelner Tierarten bestimmt (Art. 2 alt), geht das revidierte Übereinkommen einen anderen Weg. Es bestimmt, dass das Übereinkommen auf alle Wirbeltiere anzuwenden ist, und nimmt lediglich den Transport von Einzeltieren in Begleitung einer verantwortlichen Person sowie von Stubentieren (pet animals) in Begleitung des Eigentümers, wenn der Transport nicht kommerziellen Zwecken dient, von der Geltung des Übereinkommens aus (Art. 2 revidiert). Die Zielsetzung der Übereinkommen ist dieselbe, nämlich während des Transports unnötige Leiden der Tiere zu vermeiden oder wenigstens zu vermindern. Doch während das alte Übereinkommen diese allgemeine Zielsetzung nur in der Präambel und im übrigen eher implizit durch Beschreibung der zu unternehmenden Schutzmaßnahmen in mehreren Artikeln zum Ausdruck brachte, widmet das revidierte Übereinkommen seiner Zielsetzung einen ganzen Artikel, in dem die wesentlichen Prinzipien und Schutzziele in fünf Absätzen aufgeführt werden (Art. 4 Abs. 1–5 revidiert) und zudem sichergestellt wird, dass das Übereinkommen weder die Erfüllung von anderen Regelungen über sanitäre und veterinäre Kontrollen (Abs. 6 revidiert) noch die Freiheit der Parteien

283

Dazu gehörten die International Air Transportation Assoziation (IATA), die World Society for the Protection of Animals (WSPA), die European Livestock and Meat Trading Union (UECBV), die Animal Transportation Association (AATA), die European Confederation of Agriculture (CEA), die Eurogroup for Animal Welfare und die Federation of Veterinarians of Europe (FVE), siehe dazu den Explanatory Report zum Europäischen Übereinkommen über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport (revidiert), abrufbar unter: http://www.conventions.coe.int/Treaty/en/Reports/Html/193.htm (letzter Zugriff: 5.6.2015). 284 Europäisches Übereinkommen über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport (revidiert) vom 6.11.2003; ETS Nr. 193/BGBl. 2006 II, 798, in Kraft getreten am 14.3.2006. Das Übereinkommen weist derzeit 12 Vertragsparteien – darunter Deutschland – und weitere 8 Unterzeichnungen – darunter die EU – auf (Stand: 21.5.2015).

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berührt, strengere Maßnahmen zum Schutze von Tieren während eines internationalen Transports zu ergreifen. Nach beiden Übereinkommen gehören zu diesen Maßnahmen die Gestaltung der Transportmittel (ausreichende Größe und Gewährleistung ausreichender Belüftung, Vermeidung von Vorrichtungen, die zu Verletzungen der Tiere während des Transports führen können, Vermeidung von schädlichen Auswirkungen durch klimatische und Wetterbedingungen, sichere Lade- und Entladevorrichtungen, Reinigung der Transportmittel auch während des Transports usw.), strikte Regelungen für die Vorbereitung, die Dauer und die notwendigen Pausen während des Transports sowie die Versorgung der Tiere mit Wasser und Futter. Im Hinblick auf diese Regelungen zeichnet sich das revidierte Übereinkommen gegenüber dem alten durch eine größere Übersichtlichkeit und bessere Systematik aus. Beide Übereinkommen enthalten besondere Regelungen für den Tiertransport im Straßen-, Eisenbahn- und Luftverkehr sowie für den Transport auf dem Wasserweg. Im Unterschied zum alten ist das revidierte Übereinkommen insofern als ein Rahmenabkommen konzipiert, als die Parteien verpflichtet werden, im Rahmen von multilateralen Konsultationen technische Protokolle für bestimmte Aufgabenbereiche zu erarbeiten (Art. 32, 33 revidiert), die Entwicklungen aus der wissenschaftlichen Forschung aufzunehmen um damit eine rasche und flexible Anpassung des Übereinkommens sicherzustellen (Art. 34 revidiert). Das revidierte Übereinkommen steht den Mitgliedern des Europarates sowie der EU zur Unterzeichnung offen und bedarf der Ratifikation (Art. 37 revidiert). Der Ministerrat des Europarates kann nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens auch Nichtmitgliedstaaten mit der in Art. 20d des Statuts des Europarates vorgesehenen Mehrheit und der einstimmigen Zustimmung der Vertreter der Vertragsparteien, die berechtigt sind, im Ministerrat anwesend zu sein, zum Beitritt einladen (Art. 38 revidiert).285 Die EU/EG hatte – wie schon erwähnt – durch das Protokoll von 1979 zu dem Übereinkommen von 1968 das Recht erhalten, Vertragspartei des 1968er Übereinkommens zu werden, hatte davon aber keinen Gebrauch gemacht. Dies mag damit zusammengehangen haben, dass seinerzeit zwar auf der Ebene der Kommission die Entwicklung einer gemeinsamen Verkehrspolitik als wichtige Aufgabe erkannt, von vielen Mitgliedstaaten jedoch nicht als vordringlich angesehen

285

Bisher ist jedoch kein Nichtmitgliedstaat dem revidierten Übereinkommen beigetreten (Stand: 5.6.2015). Zum revidierten Übereinkommen siehe auch den Explanatory Report zum Europäischen Übereinkommen über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport (revidiert), abrufbar unter: http://www.conventions.coe.int/Treaty/en/ Reports/Html/193.htm (letzter Zugriff: 5.6.2015) mit Kommentaren zu einzelnen Vorschriften.

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wurde.286 Als dann aber ab Mitte der 1980er Jahre im Rahmen der Verwirklichung des Binnenmarktes auch die Entwicklung eines Verkehrsbinnenmarktes in Angriff genommen wurde, kam es zum Erlass von Regelungen über den Tierschutz beim Transport innerhalb der Gemeinschaft und beim Im- und Export in oder aus Drittländern, die über den Regelungsgehalt des 1968er Europaratsübereinkommen hinausgingen. Das revidierte Übereinkommen hat die EU unterzeichnet aber noch nicht ratifiziert. Die Abweichungen auf EU-Ebene ergaben sich aus dem Bestreben, die Durchsetzung des Tierschutzes und des Schutzes vor der Verbreitung von Seuchen in einer Weise zu regeln, die mit den Zielen der Liberalisierung des Transportverkehrs im Binnenmarkt vereinbar waren, also z.B. die Kontrollen der Einhaltung der Schutzvorschriften jeweils am Ausgangsort zu organisieren, um Grenzkontrollen zu vermeiden und Diskriminierungen auszuschließen. Die Regelungen wurden in einer Reihe von Richtlinien in den Jahren 1990, 1991 und 1995 getroffen.287 Diesen Richtlinien folgten drei Verordnungen: die VO (EG) Nr. 1255/97 zur Festlegung gemeinschaftlicher Kriterien für Aufenthaltsorte und zur Anpassung des im Anhang der Richtlinie 91/628/EWG vorgesehenen Transportplans288; die VO (EG) Nr. 411/ 98 über weitere Tierschutzvorschriften für Straßenfahrzeuge zur Beförderung von 286 Siehe dazu Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, zuletzt 4. Aufl. 2009, § 27 Rn. 3 ff. 287 Siehe Richtlinie 90/425/EWG des Rates vom 26. Juni 1990 zur Regelung der veterinärrechtlichen und tierzüchterischen Kontrollen im innergemeinschaftlichen Handel mit lebenden Tieren und Erzeugnissen im Hinblick auf den Binnenmarkt, ABl. Nr. L 224/29 vom 19.8.1990; Richtlinie 91/496/EWG des Rates vom 15. Juli 1991 zur Festlegung von Grundregeln für die Veterinärkontrollen von aus Drittländern in die Gemeinschaft eingeführten Tieren und zur Änderung der Richtlinien 89/662/EWG, 90/425/EWG und 90/675/EWG, ABl. Nr. L 268/56 vom 24.9.1991; Richtlinie 91/628/EWG des Rates vom 19. November 1991 über den Schutz von Tieren beim Transport sowie zur Änderung der Richtlinien 90/425/EWG und 91/496/EWG, ABl. Nr. L 340/17 vom 11.12.1991; Richtlinie 95/29/EG des Rates vom 29. Juni 1995 zur Änderung der Richtlinie 91/628/ EWG über den Schutz von Tieren beim Transport, ABl. Nr. L 148/52 vom 30.6.1995, die im Anhang einen detaillierten Transportplan enthält. 288 Verordnung (EG) Nr. 1255/97 des Rates vom 25. Juni 1997 zur Festlegung gemeinschaftlicher Kriterien für Aufenthaltsorte und zur Anpassung des im Anhang der Richtlinie 91/628/EWG vorgesehenen Transportplans, ABl. Nr. L 174/1 vom 2.7.1997, geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1040/2003 des Rates vom 11. Juni 2003 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1255/97 hinsichtlich der Benutzung von Aufenthaltsorten, ABl. Nr. L 151/21 vom 19.6.2003 und der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen sowie zur Änderung der Richtlinien 64/432/EWG und 93/119/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1255/97, ABl. Nr. L 3/1 vom 5.1.2005.

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Tieren während mehr als acht Stunden289 und die VO 615/98, die Durchführungsbestimmungen zur Ausfuhrerstattungsregelung in Bezug auf den Schutz lebender Rinder beim Transport enthält.290 Dementsprechend hätte es für die EU/EG keinen Sinn gehabt, sich dem aus ihrer Sicht veralteten Übereinkommen als Vertragspartei anzuschließen. Vielmehr strebte die Kommission gegen Ende der 1990er Jahre den Abschluss eines neuen, umfassenden Übereinkommens zum Tierschutz beim Transport an, das nicht nur für die Mitgliedstaaten der EU/EG, sondern darüber hinaus auch für andere europäische Staaten gelten sollte und inhaltlich den Vorstellungen der Gemeinschaft im Hinblick auf einen effektiven Schutz der Tiere beim Transport, wie sie in der EG-Regelungen zum Ausdruck gekommen waren, Rechnung tragen sollte.291 Das zuvor dargestellte Übereinkommen von 2003 ist das Ergebnis dieser gemeinsam mit dem Europarat, der UNECE und weiteren Organisationen unternommenen Bemühungen, so dass es nur konsequent war, dass sich die EU/EG – wie zuvor 289 Verordnung (EG) Nr. 411/98 des Rates vom 16. Februar 1998 mit zusätzlichen Tierschutzvorschriften für Straßenfahrzeuge zur Beförderung von Tieren während mehr als acht Stunden, ABl. Nr. L 52/8 vom 16.2.1998, aufgehoben durch die Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen sowie zur Änderung der Richtlinien 64/432/ EWG und 93/119/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1255/97, ABl. Nr. L 3/1 vom 5.1.2005. 290 Verordnung (EG) Nr. 615/98 der Kommission vom 18. März 1998 mit Durchführungsbestimmungen zur Ausfuhrerstattungsregelung in Bezug auf den Schutz lebender Rinder beim Transport, ABl. Nr. L 82/19 vom 19.3.1998; ber. ABl. Nr. L 298/46 vom 7.11.1998, die durch die Verordnung (EG) Nr. 639/2003 der Kommission vom 9. April 2003 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 1254/1999 des Rates hinsichtlich des Schutzes lebender Rinder beim Transport als Voraussetzung für die Gewährung von Ausfuhrerstattungen, ABl. Nr. L 93/10 vom 10.4.2003, ersetzt wurde. Zum Vorstehenden siehe näher auch den Tierschutzbericht der Bundesregierung 1999, BTDrucksache 14/600 vom 11.3.1999, Abschnitt X: Transport von Tieren. Weitere Informationen aus den Tierschutzberichten der Bundesregierung von 2001, BT-Drucksache 14/ 5712 vom 29.3.2001, Abschnitt IX: Transport von Tieren und 2003 BT-Drucksache 15/723 vom 26.3.2003, Abschnitt X: Transport von Tieren; siehe auch Bericht über den Stand der Entwicklung des Tierschutzes (Tierschutzbericht 2011) der Bundesregierung, BT-Drucksache 17/6826 vom 22.8.2011, Abschnitt 2: Transport von Tieren. 291 Die in den genannten Richtlinien zum Ausdruck gekommenen Vorstellungen der EU/EG hinsichtlich des Tierschutzes auch im Bereich des Verkehrs erhielten mit dem Protokoll über den Tierschutz und das Wohlergehen der Tiere vom 10. November 1997, das zum Amsterdamer Vertrag abgeschlossen und gemäß Art. 311 EGV (heute Art. 51 EUV) Vertragsbestandteil wurde, bereits primärrechtlichen Status. Art. 13 AEUV hat das Protokoll inhaltlich übernommen und bildet heute die primärrechtliche Grundlage. Siehe hierzu näher Streinz, in: Streinz (Hrsg.), EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 167 AEUV Rn. 17.

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dargelegt –, diesem Übereinkommen anschloss und es am 24. Juni 2004 unterzeichnete. Allerdings behalten die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen auch nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens ihre innergemeinschaftliche Geltung. 4. Harmonisierung der Grenzkontrollen Die zahlreichen Verträge zu Regelungen des grenzüberschreitenden Güterverkehrs auf der Straße, in multimodaler Form, aber auch – wie noch zu zeigen sein wird – mit der Eisenbahn, auf dem Wasser und in der Luft enthalten – wie gezeigt – vielfältige Verpflichtungen der Vertragsstaaten zur Durchführung von Kontrollen, die – abgesehen vom Bereich der EU/EG – zunächst ganz überwiegend an den Grenzstationen, in jüngerer Zeit jedoch auch an bestimmten Kontrollpunkten im Ausgangs- oder Empfangsstaat durchzuführen sind. Um die für den grenzüberschreitenden Güterverkehr daraus resultierenden Behinderungen, die sich wegen des wachsenden Verkehrsaufkommens bedrohlich verstärkten, jedenfalls bei den Grenzkontrollen zu mildern, erarbeitete der Binnenverkehrsausschuss der UNECE im Jahre 1982 das Internationale Übereinkommen zur Harmonisierung der Warenkontrollen an den Grenzen (IÜHWK).292 Obwohl als ein internationales, das heißt, nicht auf europäische Staaten begrenztes Übereinkommen konzipiert, ist der Kreis der Vertragsstaaten – mit Ausnahme von Südafrika, Lesotho und Kuba – auf Europa beschränkt geblieben. Bis auf Malta sind alle Mitgliedstaaten der EU Vertragsparteien, da aber die EU ihrerseits Vertragspartei ist, fällt auch Malta unter den Geltungsbereich des Übereinkommens. Insoweit die EU als Vertragspartei auf in ihre Zuständigkeit fallenden Gebieten im eigenen Namen die Rechte ausübt und die Verpflichtungen erfüllt, die das Übereinkommen sonst ihren Mitgliedstaaten überträgt, die Vertragsparteien des Übereinkommens sind, sind die Mitgliedstaaten der EU nicht berechtigt, diese Rechte einschließlich des Stimmrechts individuell auszuüben (Art. 16 Abs. 2 IÜHWK). Nur zwölf der insgesamt 26 Artikel des IÜHWK enthalten materielle Regelungen zum speziellen Sachgegenstand, die sich jedoch im wesentlichen auf die Festlegung des Vertragszieles (Art. 2), der Pflichten einer angemessenen personellen und technischen Ausstattung der Kontrolleinrichtungen (Art. 5) und der Koordinations-, Kooperations- und Informationspflichten (Art. 4, 6–9) beschränken. Entscheidende 292

UNTS Bd. 1409, 3/BGBl. 1987 II, 640, in Kraft getreten am 15.10.1985; zuletzt geändert durch Hinzufügen der Anlage 9, BGBl. 2012 II, 1300, in Kraft getreten am 30.11.2011. Neben der EU sind 47 Staaten Vertragsparteien des Übereinkommens (Stand: 5.6.2015).

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Bedeutung für die Konkretisierung der Vertragspflichten kommt daher den sieben Anlagen zu, die gemäß Art. 13 einen integralen Bestandteil des IÜHWK bilden. Die restlichen 14 Artikel des Vertrages befassen sich mit den allgemeinen Fragen des Verhältnisses des IÜWHK zu anderen Verträgen (Art. 14, 15), den prozeduralen Anforderungen für das Inkrafttreten (Art. 16, 17), mit der Kündigung (Art. 18), Beendigung (Art. 19) Streitbeilegung (Art. 20), der Erklärung von Vorbehalten (Art. 21) und Vertragsänderungen (Art. 22, 23), wobei Art. 22 Abs. 2 IÜHWK für die Prüfung von Änderungsvorschlägen die Errichtung eines Verwaltungsausschusses vorsieht, der aus Vertretern aller Vertragsparteien besteht.293 Der UN Generalsekretär wird als Depositar bestimmt (Art. 16) und mit der Aufgabe betraut, die Parteien von etwaigen Anträgen, Mitteilungen oder Einwänden anderer Parteien zu informieren (Art. 23, 25). Nach dem Ablauf von fünf Jahren nach dem Inkrafttreten kann jede Vertragspartei über den UN Generalsekretär die Einberufung einer Überprüfungskonferenz beantragen (Art. 24). Soweit ersichtlich ist von dieser Möglichkeit bisher kein Gebrauch gemacht worden. Der sachliche Geltungsbereich des IÜHWK wird dahingehend bestimmt, dass es für alle Waren im Import, Export oder Transit, wenn sie über eine oder mehrere See-, Luft- oder Landgrenzen transportiert werden (Art. 3), und für Zollkontrollen, gesundheitsrechtliche, tierärztliche und pflanzenschutzrechtliche Kontrollen, sowie Kontrollen der Einhaltung technischer Normen und Qualitätskontrollen (Art. 1 und die Anhänge 1–6) gibt. Dem Anhang 1 des IÜHWK kommt insofern besondere Bedeutung zu, als hier nicht nur Einzelheiten für die Durchführung der Zollkontrollen geregelt werden, sondern wegen der „Präsenz des Zolls an allen Grenzen und des allgemeinen Charakters seiner Maßnahmen“ (so Art. 1 der Anlage 1) die Grundsätze für die anderen Kontrollen vorgegeben werden. Diese anderen Kontrollen sind „soweit wie möglich in Abstimmung mit den Zollkontrollen“ zu organisieren, und in „Anwendung dieses Grundsatzes können diese Kontrollen gegebenenfalls ganz oder teilweise an einem anderen Ort als an der Grenze durchgeführt werden, sofern die angewandten Verfahren zur Erleichterung des internationalen Warenverkehrs beitragen“ (Art. 1 Abs. 1 und 2 der Anlage 1). Um die mit diesem Grundsatz beabsichtigte Abstimmung der verschiedenen Kontrollen zu gewährleisten, ist der „Zoll umfassend über die Rechts- und Verwaltungsvorschriften“ zu unterrichten, „die zur Vornahme anderer als zollamtlicher Kontrollen führen könnten“ (Art. 2 Abs. 1 der Anlage 1). Für den Fall, dass andere als zollamtliche Kontrollen für erforderlich gehalten werden, so obliegt es dem Zoll sicherzustellen, „dass die

293 Siehe hierzu die Verfahrensregeln des Verwaltungsausschusses in Anlage 7 zum IÜHWK.

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betreffenden Dienste unterrichtet werden“, mit denen der Zoll dann zusammenzuarbeiten hat (Art. 2 Abs. 2 der Anlage 1). Dem Vertragsziel, durch eine Harmonisierung der Warenkontrolle an den Grenzen den grenzüberschreitenden Warenverkehr zu erleichtern, dienen die weiteren Regelungen des Art. 3 der Anlage 1. Dieser schreibt vor, dass, sofern verschiedene Kontrollen an demselben Ort durchzuführen sind, die zuständigen Dienste „alle geeigneten Vorkehrungen“ treffen, um diese Kontrollen möglichst gleichzeitig oder „unverzüglich nacheinander durchzuführen“ (Art. 3 Abs. 1 und 2 der Anlage 1). Art. 3 Abs. 3 der Anlage 1 geht noch einen Schritt weiter, indem zur Erleichterung der Abfertigungen der „Zoll auf Grund ausdrücklicher Übertragung der entsprechenden Befugnisse durch die zuständigen Dienste in deren Namen alle oder einen Teil der Kontrollen durchführen [kann], für die diese Dienste zuständig sind.“ In diesem Fall haben die zuständigen Dienste dafür zu sorgen, „dass dem Zoll die erforderlichen Mittel zur Verfügung gestellt werden.“ „In allen Bereichen, die Gegenstand [des IÜHWK] sind, tauschen die Kontrolldienste und der Zoll so bald wie möglich alle sachdienlichen Informationen aus, um die Wirksamkeit der Kontrollen sicherzustellen.“ Schließlich hat der zuständige Dienst aufgrund der Kontrollergebnisse über die weitere Behandlung der Waren zu entscheiden und erforderlichenfalls die für die anderen Kontrollen zuständigen Dienste zu informieren. „Auf Grund dieser Entscheidung führt der Zoll die Waren dem entsprechenden Zollverfahren zu“ (Art. 4, Abs. 1 und 2 der Anlage 1).294 Diesen Grundsätzen entsprechen die Regelungen in den Anlagen 2–6 zum IÜHWK. Bemerkenswert an den vorstehend dargestellten Regelungen ist neben der herausragenden Rolle des Zolls in den Bemühungen um eine Harmonisierung der Grenzkontrollverfahren und damit um eine Erleichterung des grenzüberschreitenden Warenverkehrs die tief in die Organisationsgewalt der Vertragsstaaten eingreifenden Vorgaben. Das Allgemeininteresse an einem reibungslosen grenzüberschreitenden Warenverkehr hat sich angesichts des dynamischen Liberalisierungsprozesses der Märkte gegenüber dem traditionellen Bestreben der Staaten durchgesetzt, ihre nationale Regelungs- bzw. Organisationsgewalt namentlich auf einem so sensiblen Gebiet wie der Grenzkontrolle zu bewahren. Diesem Interesse der Vertragsstaaten tragen allerdings die Art. 11 und 12 IÜHWK in begrenztem Maße Rechnung, in denen nationale Regelungsvorbehalte für den Fall eingeräumt sind, dass ein Vertragsstaat aus Gründen der öffentlichen Ordnung, insbesondere der öffentlichen Sicherheit, Moral und Gesundheit oder zum Schutz der Umwelt, des kulturellen Erbes oder gewerblichen, industriellen und geistigen Eigentums Verbote und Be294 Alle Zitate sind der deutschen Fassung des IÜHWK und seiner Anlagen in BGBl. 1987 II, 650 ff. entnommen.

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schränkungen bei der Ein-, Ausfuhr- oder Durchfuhr vorsieht (Art. 11 IÜHWK) oder Notstandsmaßnahmen ergreift, die jedoch dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit entsprechen müssen und aufzuheben sind, wenn die auslösenden Gründe entfallen sind (Art. 12 IÜHWK).

F. Das Steuer- und Zollrecht für den grenzüberschreitenden Kraftfahrzeug- und Güterverkehr I. Die nationalen Interessen und der internationale Regelungsbedarf Schon bald nach der Entwicklung des Kraftfahrzeugs als privates oder öffentliches Personenbeförderungsmittel und als gewerbliches Gütertransportmittel haben die Staaten diesen Verkehr als Steuerobjekt entdeckt. So wurden Abgaben für die Benutzung der Fahrbahnen, auf den Besitz oder den Betrieb von Kraftfahrzeugen, also eine Kraftfahrzeugsteuer, und auf die Beförderungsleistungen, also eine Beförderungsteuer, sowie Verbrauchssteuern für Betriebsstoffe erhoben.295 Da nach dem Selbstverständnis der Staaten das Besteuerungsprivileg einen integralen Bestandteil ihrer Souveränität bildet, wurde die Höhe solcher Abgaben in den einzelnen Ländern aus fiskalischen Gründen und zum Zwecke der Lenkung der Verkehrswirtschaft sehr unterschiedlich bestimmt. Im Zuge der wachsenden Bedeutung des grenzüberschreitenden Verkehrs und Gütertransports wurde aber schnell klar, dass sowohl die Unterschiedlichkeit der Abgabenhöhe als solche als auch besonders hohe Abgabenforderungen für den grenzüberschreitenden Verkehr ein erhebliches Hindernis darstellten. Namentlich bei der Kraftfahrzeugsteuer, aber auch bei der Betriebssteuer stellte sich das Problem der Doppelbesteuerung, wenn Kraftfahrzeuge nicht nur in ihrem Heimatstaat, sondern auch in jedem Staat dessen Kraftfahrzeugsteuer unterworfen wurden, in dem das Kraftfahrzeug – unabhängig von der Dauer – betrieben wird. So gab es Regelungen für Nutzfahrzeuge, wonach von den Kraftfahrzeugführern beim Grenzübertritt vom Besuchsland die volle Steuer für ein Jahr, in anderen Fällen für einen Monat erhoben wurde.296

295 296

Siehe dazu von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 135. Siehe dazu von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 139.

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1. Der Regelungsbedarf für die Erhebung von Kraftfahrzeugsteuern Um derartige Belastungen des grenzüberschreitenden Kraftfahrzeugverkehrs zu beseitigen oder zumindest abzumildern, bot sich den Staaten zunächst an, Erleichterungen im Wege bilateraler Abkommen zu vereinbaren, etwa in Gestalt des gegenseitigen Verzichts auf die Erhebung der Kraftfahrzeugsteuer für Fahrzeuge, die nur vorübergehend in einem anderen Land genutzt werden.297 Der bilaterale Ansatz hatte aus der Sicht der souveränitätsfixierten Staaten den Vorteil, dass in den zweiseitigen Verhandlungen die jeweiligen nationalen Interessen leichter gewahrt werden konnten, als dies im Rahmen der Aushandlung multilateraler Abkommen der Fall wäre. Jedoch hat es auch schon früh Versuche gegeben, umfassendere Lösungen durch den Abschluss multilateraler Abkommen über die Regelung der Kraftfahrzeugsteuer – und auch der Beförderungssteuer – im internationalen Verkehr herbeizuführen und so die immer notwendiger werdende Liberalisierung des grenzüberschreitenden Verkehrs zu ermöglichen. Hierauf wird zurückzukommen sein. 2. Der Regelungsbedarf für die Erhebung von Zöllen Neben der Erhebung von Kraftfahrzeug- und Beförderungssteuer stellen sich für den grenzüberschreitenden Kraftfahrzeugverkehr in allen seinen Formen auch erhebliche Probleme durch die Erhebung von Zöllen und dies in zweifacher Hinsicht. Zum einen geht es um die zollrechtliche Behandlung der Kraftfahrzeuge selbst, wenn sie in einem fremden Staat fahren. Zum anderen geht es um die zollrechtliche Behandlung der Güter, die im grenzüberschreitenden Verkehr befördert werden. Letzteres ist vorrangig Gegenstand des allgemeinen internationalen Zollrechts298 und nicht des internationalen Verkehrsrechts. Fragen der zollrechtlichen Behandlung von Waren und Gütern, die im internationalen Verkehr transportiert werden, stellen sich jedoch im Hinblick auf die technischen Verfahren der Zollabfertigung und für bestimmte Formen des internationalen Güterverkehrs, die unter dem Gesichtspunkt der Beseitigung von Hindernissen für den internationalen Verkehr auch eine verkehrsrechtliche Dimension aufweisen und deshalb internationaler Regelung bedürfen. Insoweit ist in diesem Zusammenhang auch auf die inzwischen zahlreich abgeschlossenen zollrechtlichen Spezialverträge einzugehen.

297

Siehe dazu von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 136 ff. m.w.N. Einen zusammenfassenden Überblick über das internationale Zollrecht gibt Einhorn, Customs Law, International, in: MPEPIL, Rn. 1 ff. m.w.N. (Stand: Juni 2014). 298

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II. Die völkervertraglichen Regelungen für die Erhebung von Kraftfahrzeugsteuern Bereits auf der Pariser Straßenverkehrskonferenz von 1909 wurde der Gedanke einer Befreiung der Kraftfahrzeuge, die sich nicht länger als drei Monate in einem anderen Land befinden, von allen direkten Steuern zur Diskussion gestellt. Dabei ging es jedoch noch nicht um den Vorschlag zum Abschluss eines multilateralen Vertrages, sondern darum, dass sich die Staaten einseitig, jedoch inhaltlich übereinstimmend zu einem solchen Schritt bereitfinden sollten – ein frühes Beispiel für die später sog. Technik des „gegenseitigen Beispiels“, die im Rahmen der Rüstungskontrollverhandlungen der 1960er Jahre eine bedeutende Rolle bei dem Bemühen um eine Konsensbildung zwischen den sich im Kalten Krieg gegenüberstehenden Verhandlungsparteien spielte.299 Die Teilnehmer der Pariser Konferenz waren nicht bereit, sich dem britischen Vorschlag anzuschließen. Namentlich traditionelle Ferienländer befürchteten aufgrund des Verzichts erhebliche Ausfälle an Steuereinnahmen.300 Nach dem Ersten Weltkrieg nahm sich der Völkerbund der Problematik der Doppelbesteuerung mit dem Ziel an, jedenfalls für Auslandsaufenthalte von einem bis drei Monaten eine Steuerbefreiung durchzusetzen sowie das Besteuerungsverfahren zu vereinheitlichen und zu vereinfachen.301 Aufgrund der Vorarbeiten im Völkerbund entstand ein Konventionsentwurf, der auf der Straßenverkehrskonferenz von 1931 in Genf angenommen und unterzeichnet wurde.302 Der Vertrag räumt den Angehörigen der Vertragsstaaten Steuerfreiheit für den Betrieb und den Besitz von privaten Kraftfahrzeugen für Auslandsaufenthalte bis zu 90 aufeinander folgende Tage ein. Um die Steuerbefreiung zu erhalten, musste eine Bescheinigung (fiscalpermit) vorgewiesen werden, die von den Behörden des Registrierungsstaates oder von durch diese ermächtigten Organisationen (z.B. Automobilclubs) auszustellen waren. Die Bescheinigungen waren an den Grenzen abzustempeln und sollten dem Nachweis der Aufenthaltsdauer dienen. Den Vertragsstaaten wurde von der Konferenz empfohlen, die Steuerfreiheit über die im Vertrag vorgesehene Dauer hinaus auszudehnen.

299

Zur Technik des gegenseitigen Beispiels siehe Menzel, Die Technik des „gegenseitigen Beispiels“, in: Delbrück/Ipsen/Kewenig (Hrsg.), Abschreckung und Entspannung, 1977, 756 ff. 300 Poidebard, La circulation des automobiles, 1913, 99; auch von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 137 f. 301 Siehe dazu Mance, International Road Transport, 1947, 17. 302 Text des Vertrages in LNTS Bd. CXXXVIII, 149. Der Vertrag wurde von 12 Staaten ratifiziert, zu denen Deutschland allerdings nicht gehörte.

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Eine Vereinbarung über die vom Völkerbund angestrebte Harmonisierung und Vereinfachung des Steuererhebungsverfahrens wurde nicht erreicht. Keine Einigung wurde auch über den Abschluss eines Vertrages über die Regelung des gewerblichen Straßenverkehrs erzielt, der auch Regelungen über eine Steuerbefreiung enthalten sollte. Wie stark fiskalische Interessen der Vertragsstaaten des Übereinkommens über die Steuerbefreiung für private Kraftfahrzeuge auch nach seinem Abschluss das Verhalten der Parteien bestimmte, zeigt sich darin, dass das Übereinkommen letztlich wenig wirksam blieb, weil etliche Vertragsstaaten höhere Benzinsteuern einführten und damit für den internationalen Straßenverkehr neue Hindernisse schufen. Zudem wurde von den Vertragsstaaten in der Folgezeit auch Kraftfahrzeugen Steuerfreiheit gewährt, die nicht einem Vertragsstaat angehörten, womit die vertraglich vereinbarte Pflicht der Angehörigen der Vertragsstaaten zur Vorweisung der fiscal permit unterlaufen wurde.303 War somit der multilaterale Ansatz zur Regelung des Doppelbesteuerungsproblems de facto gescheitert, so konnte es nicht verwundern, dass in der Folge mehrere Vertragsstaaten, aber auch Nichtvertragsstaaten, darunter Deutschland, wiederum auf bilaterale Abkommen zurückgriffen.304 Erst in der Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden die Bemühungen um multilaterale Übereinkommen zur Regelung der Doppelbesteuerungsproblematik bzw. der Besteuerung von Kraftfahrzeugen im internationalen Straßenverkehr wieder aufgenommen, nachdem es unmittelbar nach dem Kriegsende zunächst erneut zum Abschluss von bilateralen Abkommen gekommen war. Wiederum war es der Binnenverkehrsausschuss der UNECE, der den Anstoß zu einer multilateralen Lösung der Besteuerung der Kraftfahrzeuge im internationalen Verkehr gab. Nunmehr sollte jedoch neben dem privaten auch der gewerbliche Fahrzeugverkehr in die Regelungen aufgenommen werden, was angesichts der stark wachsenden Bedeutung des Güterkraftverkehrs nur konsequent war. Die Arbeiten des Binnenverkehrsausschusses führten schließlich im Jahr 1956 zum Abschluss von drei Konventionen: die Konvention über die Besteuerung von privaten Kraftfahrzeugen im internationalen Verkehr vom 18. Mai 1956,305 die Kon303

Zum Vorstehenden siehe von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 139. Solche Verträge schloss Belgien mit Deutschland (LNTS Bd. CLXII, 9), der Schweiz (LNTS Bd. CLXXII, 293), Norwegen (LNTS Bd. CLXXVIII, 153), Ägypten (LNTS Bd. CLXXXII, 155), Großbritannien (LNTS Bd. CXCVI, 209) und den Niederlanden (LNTS Bd. CXC, 199). Deutschland schloss Verträge mit der Schweiz (Reichsministerialblatt 1928, 526) und mit Dänemark (Hinweis in Bundesanzeiger Nr. 123, 2 vom 1.7.1954). Zum Ganzen siehe von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 140. 305 Convention on the Taxation of Road Vehicles for Private Use in International Traffic vom 18.5.1956, UNTS Bd. 339, 3/UNECE Nr. 22/BGBl. 1960 II, 2397, in Kraft getreten 304

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vention über die Besteuerung von Kraftfahrzeugen in der internationalen Personenbeförderung vom 14. Dezember 1956306 und die Konvention über die Besteuerung von Kraftfahrzeugen im internationalen Gütertransport vom 14. Dezember 1956.307 Gleichlautendes Ziel der Übereinkommen ist die Erleichterung des internationalen Reiseverkehrs mit privaten Fahrzeugen, die Erleichterung des gewerblichen internationalen Gütertransports und der Personenbeförderung durch die Gewährung von Steuerbefreiungen für die benutzten Fahrzeuge bei vorübergehendem Aufenthalt auf dem Gebiet eines anderen Vertragsstaates.308 Nicht gilt diese Befreiung für Wege- und Brückengelder und Verbrauchssteuern, was insbesondere die Benzinsteuer und in den Übereinkommen über die Besteuerung von Fahrzeugen im internationalen Güter- und Personentransport auch gegebenenfalls erhobene Beförderungssteuern betrifft (jeweils Art. 2 Satz 2). Nach Art. 3 Abs. 1 aller drei Übereinkommen wird „[d]iese Befreiung (…) im Gebiet jeder Vertragspartei so lange gewährt, als die in den geltenden Zollvorschriften dieses Gebietes vorgeschriebenen Voraussetzungen für die vorübergehende eingangsabgabenfreie Einfuhr der in Art. 2 angeführten Fahrzeuge erfüllt sind.309 Im Unterschied zu den Übereinkommen über die Besteuerung von Fahrzeugen im internationalen Güter- und Personentransport sieht Art. 3 Abs. 2 des Übereinkommens über die Besteuerung privater Fahrzeuge im internationalen Verkehr vor, dass die Vertragsparteien „die Dauer [der] Befreiung auf dreihundertfünfundsechzig aufeinanderfolgende Tage beschränken“ können, „auch wenn die vorübergehende eingangsabgabenfreie Einfuhr für einen längeren Zeitraum zugelassen ist“ (Art. 3 Abs. 2 Übereinkommen über die Besteuerung privater Fahrzeuge). Nach Art. 3 Abs. 2 des Übereinkommens über die Besteuerung von Fahrzeugen im internationalen Gütertransport gilt die Steuerbefreiung nicht für solche Fahrzeuge, die sich in einem anderen Vertragsstaat befinden und dort mit Genehmigung des Aufenthaltsstaates Transporte zwischen zwei Orten innerhalb dessen Gebietes (sog. kleine Kabotage) durchführen.

am 18.8.1959; dem Übereinkommen gehören weltweit 23 Staaten an, Belgien hat das Übereinkommen unterzeichnet, jedoch nicht ratifiziert (Stand: 29.5.2015). 306 Convention on the Taxation of Road Vehicles Engaged in International Passenger Transport vom 14.12.1956, UNTS Bd. 436, 131/UNECE Nr. 23, in Kraft getreten am 29.8.1962; dem Übereinkommen gehören weltweit 20 Staaten an. Deutschland gehört nicht dazu (Stand: 29.5.2015). 307 Convention on the Taxation of Road Vehicles Engaged in International Goods Transport vom 14.12.1956, UNTS Bd. 436, 115/UNECE Nr. 24, in Kraft getreten am 29.8.1962; dem Übereinkommen gehören weltweit 20 Staaten an. Deutschland gehört nicht dazu (Stand: 29.5.2015). 308 So die Präambeln und die insoweit gleichlautenden Art. 2 der drei Übereinkommen. 309 Für die Steuerbefreiung des gewerblichen Verkehrs ist zudem Bedingung, dass die Voraussetzungen für die Genehmigung des Transportes vorliegen (Art. 3 Abs. 1 a.E.).

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Die Schlussbestimmungen über Unterzeichnung, Ratifikation, Inkrafttreten, Kündigung, Außerkrafttreten und Streitbeilegung entsprechen dem vom Binnenverkehrsausschuss verfolgten Modell. Hervorzuheben ist Art. 4 des Übereinkommens über die Besteuerung privater Fahrzeuge im internationalen Verkehr, der bestimmt, dass Vertragsparteien des Übereinkommens von 1931 alsbald, nachdem sie Vertragsparteien des Übereinkommens von 1956 geworden sind, die nach Art. 17 des Übereinkommens von 1931 vorgesehenen Schritte zu dessen Kündigung vornehmen. Bei den drei multilateralen Besteuerungsübereinkommen ist es geblieben. Auch ist die Zahl der Vertragsparteien bis heute relativ niedrig, und die Aussichten, dass sich dies in der Zukunft noch wesentlich ändern wird, sind gering. So haben bilaterale Verträge weiterhin ihre Bedeutung behalten. Darüber hinaus hat sich das Problem der vertraglichen Regelung der Besteuerung von Kraftfahrzeugen im grenzüberschreitenden Verkehr für die Mitgliedstaaten der EU durch die Entfaltung des Binnenmarktes weitgehend erledigt. So wurden hier durch die Richtlinie 93/89/EWG erstmals gemeinschaftsrechtliche Grundsätze der Besteuerung von Kraftfahrzeugen im Güterverkehr und für nationale Maut- und Benutzungsgebühren festgelegt, die durch nachfolgende Richtlinien ausgeweitet und präzisiert wurden.310 Als Fazit der Bemühungen um eine Erleichterung des grenzüberschreitenden Kraftfahrzeugverkehrs durch multilaterale Verträge zur Beschränkung bzw. Aufhebung von Kraftfahrzeugsteuern und/oder Abgaben kann daher festgehalten werden, dass offenbar nationale Fiskal-, aber auch verkehrswirtschaftliche Lenkungsinteressen einem durchschlagenden Erfolg entgegenstehen. Lediglich unter dem Einfluss der Integrationsdynamik – wie sie die EU trotz mancher Rückschläge kennzeichnet – sind nachhaltige Liberalisierungseffekte für den Verkehr 310

Richtlinie 93/89/EWG des Rates vom 25. Oktober 1993 über die Besteuerung bestimmter Kraftfahrzeuge zur Güterbeförderung sowie die Erhebung von Maut- und Benutzungsgebühren für bestimmte Verkehrswege durch die Mitgliedstaaten, ABl. Nr. L 279/32 vom 12.11.1993. Die Richtlinie wurde zunächst durch die Richtlinie 1999/62/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 1999 über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge, ABl. Nr. L 187/42 vom 20.7.1999 ersetzt; diese wurde wiederum durch die Richtlinie 2006/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Mai 2006 zur Änderung der Richtlinie 1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge, ABl. L Nr. 157/8 vom 9.6.2006 geändert. Dazu kurz Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 6. Aufl. 2014, § 26 Rn. 13, die insbesondere auf die Interoperabilität auf europäischer Ebene durch die Richtlinie 2004/ 52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über die Interoperabilität elektronischer Mautsysteme in der Gemeinschaft, ABl. Nr. L 166/124 vom 30.4.2004, ber. ABl. Nr. L 200/50 vom 7.6.2004, verweisen; zur ursprünglichen Richtlinie 93/89/EWG siehe Heselhaus, Gemeinschaftsrechtliche Vorgaben für Straßenbenutzungsgebühren für den Schwerverkehr, EuZW 1993, 311 ff.

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durch die Aufhebung oder ggfs. auch Harmonisierung der Besteuerungsregelungen zu erzielen. III. Die völkervertraglichen Regelungen für die Erhebung von Zöllen auf Kraftfahrzeuge Größere Bedeutung in der internationalen verkehrsrechtlichen Vertragspraxis hat das Problem der Erhebung von Zöllen auf Kraftfahrzeuge im grenzüberschreitenden Verkehr sowie auf in unterschiedlicher Weise oder mit unterschiedlichen Mitteln durchgeführte internationale Gütertransporte gewonnen. Auf diesem Gebiet sind bis in die jüngste Vergangenheit u.a. im Rahmen der UNECE – mit oder ohne Beteiligung auch anderer internationaler Organisationen sowie Nichtregierungsorganisationen – sowie im Rahmen des 1950 gegründeten Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens (heute WCO)311 zahlreiche multilaterale Verträge abgeschlossen worden.312 Sie sind in den folgenden Abschnitten im Einzelnen zu behandeln. Zu diesen Verträgen gehören im Rahmen der UNECE zunächst das Abkommen über die Zollerleichterungen im Touristenverkehr von 1954, das Zollabkommen über die vorübergehende Einfuhr privater Straßenfahrzeuge, ebenfalls von 1954, und das Zollabkommen über die vorübergehende Einfuhr gewerblicher Straßenfahrzeuge von 1956. Von großer Bedeutung wurden dann das Zollübereinkommen über den internationalen Warentransport mit Carnets TIR von 1959 und das dieses ersetzende gleichlautende Zollübereinkommen von 1975. Schließlich sind einige Spezialübereinkommen zu nennen, welche die Zollbehandlung von Paletten,313 von Containern314

311

Abkommen vom 15. Dezember 1950 über die Gründung eines Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens (heute World Customs Organization – WCO), UNTS Bd. 157, 129/BGBl. 1951–1952 II, 1, 19. Dem Rat gehören 179 Vertragsparteien an (Stand: 29.5.2015), darunter auch von Beginn an die Bundesrepublik Deutschland, die seit dem 4.11.1952 Mitglied ist. 312 Zu den ersten Ansätzen auf der Verkehrskonferenz von 1949 für den Abschluss entsprechender Verträge siehe näher von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 150 ff. 313 Europäisches Übereinkommen über die Zollbehandlung von Paletten, die im internationalen Verkehr verwendet werden vom 9.12.1960, UNTS Bd. 429, 211/BGBl. 1964 II, 406. 314 Zollübereinkommen über Behälter vom 18.5.1956, BGBl. 1961 II, 985; ersetzt durch das Internationale Übereinkommen über sichere Container (CSC) vom 2.12.1972, UNTS Bd. 998, 43/BGBl. 1976 II, 253.

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und von Pool Containers regeln, die im internationalen Transport verwendet werden.315 Drei unterschiedliche Schwerpunkte werden also mit den genannten Verträgen gesetzt: 1) Zollerleichterungen für den internationalen Reise- und Kraftfahrzeugverkehr, 2) Erleichterungen der Verfahren für die Zollerhebung im internationalen Waren- und Güterverkehr und 3) Erleichterungen bzw. Harmonisierungen der zollrechtlichen Behandlung spezieller Transportmittel. In den Verträgen spiegelt sich der rasche Wandel der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedürfnisse nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Überwindung zumindest der schwersten Folgen der Zerstörungen in Europa wider. 1. Das Abkommen über Zollerleichterungen im Touristenverkehr von 1954 Anfang der 1950er Jahre wuchs auch in Europa wieder das Bedürfnis der Menschen, in das benachbarte Ausland zu reisen. Das Bewusstsein jedenfalls der Menschen in den westlich orientierten, demokratischen Staaten, wieder ein Stück Reisefreiheit zurückgewonnen zu haben und der Drang, insbesondere im westlichen Deutschland, die Nachbarländer (wieder) kennenzulernen, trug zu den Anfängen des dann in wenigen Jahren stark dramatisch anwachsenden privaten Tourismus bei. Diese Bewegung traf sich mit den in weiten Teilen Europas verbreiteten politischen Bestrebungen, ein vereintes Europa zu schaffen. Ein liberalisierter Reiseverkehr für den einzelnen Bürger konnte diesem Ziel nur förderlich sein. Ein großes Bedürfnis nach einem liberalisierten Reiseverkehr bestand aber auch weltweit, namentlich in Ländern, die traditionell reizvolle Reiseziele boten. Das Abkommen über die Zollerleichterungen im Touristenverkehr (AZTV) von 1954 inklusive seines Zusatzprotokolls316 und das Zollabkommen über die vorübergehende Einfuhr privater Straßenfahrzeuge von 1954 sowie die Schlussakte über die Konferenz der Vereinten Nationen über Zollformalitäten bei der vorübergehenden 315

Convention on Customs Treatment of Pool Containers Used in International Transport vom 21.1.1994, UNTS Bd. 2000, 289; in Kraft getreten am 17.1.1998; dem Übereinkommen gehören 14 Staaten an, 3 weitere Staaten (Dänemark, die Schweiz und Uganda) haben bisher nur unterzeichnet. Deutschland ist nicht Vertragspartei (Stand: 29.5.2015). 316 UNTS Bd. 276, 191/BGBl. 1956 II, 1886; Änderung des Art. 2 vom 6.6.1967, UNTS Bd. 596, 542/BGBl. 1968 II, 231; Zusatzprotokoll zum Abkommen über die Zollerleichterungen im Touristenverkehr betreffend die Einfuhr von Werbeschriften und Werbematerial für den Fremdenverkehr vom 4.6.1954, UNTS Bd. 276, 266/BGBl 1956 II, 1919; dazu auch die Schlussakte der Konferenz der Vereinten Nationen vom 4.6.1954, UNTS Bd. 276, 191/BGBl. 1956 II, 2044.

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Einfuhr privater Straßenfahrzeuge und im Touristenverkehr317 bildeten nach dem den grenzüberschreitenden Straßenverkehr allgemein regelnden Straßenverkehrsabkommen von 1949 sehr konkrete, bis heute fortgeltende Regelungen zur Erleichterung des privaten Reiseverkehrs.318 Wie sehr diese Übereinkommen den Interessen der Staaten und ihrer Bevölkerungen entsprachen und auch noch entsprechen, zeigt sich darin, dass jeweils 32 Konferenzteilnehmer die Übereinkommen noch am Konferenzende unterzeichneten, beide schon nach nur zweieinhalb Jahren in Kraft traten und heute weltweit 80 bzw. 81 Vertragsparteien aufweisen.319 Das AZTV umfasst 25 Artikel, von denen sich jedoch nur 13 mit den materiellen Regelungen befassen. Die restlichen Artikel betreffen die allgemeinen Vorschriften über das Inkrafttreten, den Beitritt, die Kündigung und die Beilegung von Meinungsverschiedenheiten unter den Vertragsparteien – Vorschriften, die denen der zuvor behandelten verkehrsrechtlichen Konventionen entsprechen. Art. 1 definiert nicht nur den Begriff des Touristen als eine Person, „die das Gebiet eines Vertragsstaates, in dem diese Person nicht ihren gewöhnlichen Wohnort hat, aufsucht und sich dort während eines Zeitraumes von zwölf aufeinanderfolgenden Monaten nicht weniger als vierundzwanzig Stunden und nicht länger als sechs Monate aufhält“, wobei dies nur gilt, „wenn die Reise einem anderen rechtmäßigen Zwecke als der Einwanderung dient, wie Touristik, Erholung, Sport, Gesundheit, Familie, Studium, religiösen Wallfahrten oder Geschäften.“ Vielmehr wird in diese Legaldefinition zugleich auch ein Diskriminierungsverbot einbezogen, indem „jede Person ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechtes, der Sprache oder Religion“ die Touristeneigenschaft gemäß den festgelegten Kriterien zukommt – eine für das Jahr 1954 bemerkenswert fortschrittliche Regelung, welche die erst in den späteren Verträgen zur Erleichterung des Personenverkehrs zum Ausdruck gebrachte menschenrechtliche Dimension der Regelungen des grenzüberschreitenden Personenverkehrs vorwegnahm. Art. 2 Abs. 1 sieht die Eingangsabgabenfreiheit für das „persönliche Reisegut“ des Touristen vor, das nach Abs. 2 „alle Bekleidungsstücke und anderen Gegenstände, neu oder gebraucht, die ein Tourist unter Berücksichtigung aller Umstände seiner Reise in angemessenen Umfang persönlich benötigt, umfasst,“ wobei alle zu Handelszwecken eingeführten Waren ausgeschlossen bleiben. In Absatz 3 des Art. 2 werden dann eine Reihe von Gegenständen aufgelistet (u.a. Fotoapparate, persönlicher Schmuck, Fern-

317

UNTS Bd. 276, 191/BGBl. 1956 II, 2044. Zu den vorausgegangenen Bemühungen um Zollerleichterungen auf regionaler, d.h. europäischer, Ebene und weltweit siehe näher von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 148 ff.; siehe auch den Bericht über Vereinbarungen zahlreicher europäischer Staaten über Zollerleichterungen, ZfZ 1959, 126 f. 319 Stand vom 28.5.2015. 318

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gläser und Rundfunk- oder Fernsehgeräte320 sowie Campingausrüstung). In den Art. 3 und 4 wird die zulässige Einfuhr von begrenzten Mengen an Genussmitteln (Zigaretten, Zigarren, Tabak, Alkoholika und Kosmetika) geregelt. Die in den Art. 2–4 eingeräumten Abgabenbefreiungen stehen unter dem generellen Vorbehalt, dass kein Verdacht auf missbräuchliche Ausnutzung der Befreiungen besteht. Für in Art. 2 genannte Gegenstände von hohem Wert können die Vertragsstaaten die Ausstellung eines Zollpapiers für die vorübergehende Einfuhr verlangen (Art. 5). Die Vertragsstaaten haben sich zu bemühen, keine Zollformalitäten einzuführen, die die Entwicklung des internationalen Touristenverkehrs behindern könnten (Art. 6), sie behalten jedoch das Recht, ihre polizeilichen und anderen Vorschriften über die Einfuhr, den Besitz und das Tragen von Waffen und Munition anzuwenden. Dagegen dürfen sie Ein- und Ausfuhrverbote nur anwenden, wenn diese Verbote nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern z.B. aus Gründen der öffentlichen Moral, der öffentlichen Sicherheit, öffentlichen Gesundheit, der Hygiene, der Veterinärpolizei oder des Pflanzenschutzes erlassen worden sind (Art. 9). Nicht gelten die genannten Befreiungen und Erleichterungen für den kleinen Grenzverkehr und diese Befreiungen müssen in bestimmten Fällen – wesentliche Überschreitung der zugelassenen Gesamtmenge der von einem Touristen eingeführten Waren, mehrfache Einreise eines Touristen innerhalb eines Monats, Touristen unter 17 Jahren – nicht gewährt werden (Art. 10). Die Art. 11 und 12 AZTV sehen Sanktionen für Verletzungen der vorstehenden Regelungen durch einen Touristen vor. Vertragsstaaten, die einer Zoll- oder Wirtschaftsunion angehören, sind nicht gehindert, für Personen, die diesen Unionen angehören, besondere Bestimmungen zu treffen (Art. 13).321 Betrachtet man diese Regelungen, die nur neun Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs vereinbart wurden – zu einer Zeit also, in der die materiellen und vor allem auch psychischen Verwundungen durch den Krieg noch keineswegs überall verheilt waren – so ist der Grad der Liberalisierung des Touristenverkehrs durch die Einräumung von Zollerleichterungen beachtlich, aber auch die weiterhin deutliche Bestätigung nationaler Regelungsgewalt unübersehbar. Dass sich hieran auch mehr als ein halbes Jahrhundert später nichts geändert hat, dürfte darauf zurückzuführen sein, dass das Abkommen mit seinen mittlerweile 80 Vertrags320

Diese wurden durch Änderung des Vertrages vom 4.4.1968 in die Liste aufgenommen, BGBl. 1968 II, 231. 321 Dies ist im Rahmen der EU mit der Vollendung des Binnenmarktes und damit eines einheitlichen Zollgebiets der Gemeinschaft geschehen, siehe dazu Witte (Hrsg.), Zollkodex Kommentar, 6. Aufl. 2013; auch Witte/Wolffgang (Hrsg.), Lehrbuch des Europäischen Zollrechts, 7. Aufl. 2012.

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parteien Staaten aus allen Regionen der Welt umfasst, die zwar das gemeinsame Interesse an der Entwicklung des Tourismus eint, die aber – anders als die Mitgliedstaaten z.B. der Europäischen Union untereinander – nach wie vor sehr unterschiedliche Vorstellungen über die regulierende Rolle des Staates haben. 2. Das Zollabkommen über die vorübergehende Einfuhr privater Straßenfahrzeuge von 1954 Dem Ziel der Entwicklung des Tourismus dient auch das Zollabkommen über die vorübergehende Einfuhr privater Straßenfahrzeuge von 1954 (ZVEPS),322 das gleichzeitig mit dem Abkommen über Zollerleichterungen im Touristenverkehr abgeschlossen wurde. Trotz der gleichen Zielsetzung unterscheidet sich das Zollabkommen über die vorübergehende Einfuhr privater Straßenfahrzeuge nicht unerheblich von dem parallel geschlossenen Abkommen durch eine stärkere Betonung der Kontrollgewalt der Vertragsstaaten über die Zulassung der vorübergehenden Einfuhr von privaten Straßenfahrzeugen sowie deren Befreiung von Eingangsabgaben. Diese restriktivere Haltung der Vertragsstaaten beruht auf der nachvollziehbaren Sorge, dass eine allzu freie vorübergehende Einfuhr von privaten Straßenfahrzeugen die Gefahr des Missbrauchs der Einfuhrfreiheit mit sich bringt, aus dem sich dann auch entsprechende finanzielle Verluste ergeben können, wenn die vorgeblich nur vorübergehend eingeführten Fahrzeuge nicht wieder ausgeführt werden, ohne dass die für eine dauernde Einfuhr fälligen Zoll- und sonstige Abgaben entrichtet wurden. Um derartigen Missbräuchen entgegenzuwirken, sieht das Abkommen umfangreiche und sehr detaillierte Kontroll- und Verfahrensregelungen vor. Im Einzelnen ergibt sich folgendes Bild: Wie das AZTV werden einleitend in Art. 1 ZVEPS fünf Legaldefinitionen für die Begriffe „Eingangsabgaben“, „Fahrzeuge“, „eigener Gebrauch“, „Zollpapier für die vorübergehende Einfuhr“ und „Personen“ im Sinne des Abkommens vorgegeben. Danach sind Eingangsabgaben „nicht nur Zölle, sondern auch alle 322

UNTS Bd. 282, 249/BGBl. 1956 II, 1948; Änderung durch Einfügung eines Art. 25bis, Bekanntmachung durch Verordnung über die Änderung des Zollabkommens über die vorübergehende Einfuhr privater Straßenfahrzeuge vom 12.7.1985, in Kraft getreten am 23.4.1985, BGBl. 1985 II, 867; vorwiegend redaktionelle Änderungen wurden am 30.7.1992 angenommen, die durch Verordnung des Bundesministers der Finanzen aufgrund des § 28 des Zollverwaltungsgesetzes vom 21.12.1992, BGBl. 1992 I, 2125 und BGBl. 1993 I, 2493; für Deutschland in Kraft getreten am 1.1.1994, BGBl. 1994 II, 1105; erneut geändert durch Einfügung eines Absatzes 4 in Art. 13, BGBl. 2001 II, 524, durch die dritte Verordnung über die Änderung des Zollabkommens über die vorübergehende Einfuhr privater Straßenfahrzeuge, BGBl. 2001 II, 523.

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anderen bei der Einfuhr zu erhebenden Abgaben“ (Art. 1 lit. a)). Fahrzeuge werden – soweit sich aus dem Abkommen nichts anderes ergibt – definiert als „alle Straßenkraftfahrzeuge (einschließlich Fahrräder mit Motor) und Anhänger (mit dem Fahrzeug oder getrennt von diesem eingeführt), mit ihren Ersatzteilen, ihrem normalen Zubehör und ihrer normalen Ausrüstung, die mit dem Fahrzeug eingeführt werden“ (Art. 1 lit. b)). Unter „eigenem Gebrauch“ ist die Benutzung des Fahrzeugs, die nicht zur „Beförderung von Personen gegen Entgelt, Entlohnung oder andere Vorteile“ und nicht zur „gewerblichen oder kommerziellen Beförderung von Waren gegen oder ohne Entgelt“ zu verstehen (Art. 1 lit. c)). Das „Zollpapier für die vorübergehende Einfuhr“ ist das „Zollpapier, aus dem ersichtlich ist, dass die Eingangsabgaben durch Bürgschaft oder Hinterlegung sichergestellt sind“ (Art. 1 lit. d)). Personen im Sinne des Abkommens sind „natürliche und juristische Personen, soweit sich aus dem Zusammenhang nichts anderes ergibt“ (Art. 1 lit. e)). Die im Hinblick auf das Ziel des ZVEPS, nämlich den internationalen Tourismus zu entwickeln, zentrale Vorschrift bildet Art. 2, der in Abs. 1 unter „dem Vorbehalt der Wiederausfuhr und unter den anderen in diesem Abkommen vorgesehenen Bedingungen“ bestimmt, dass jeder Vertragsstaat diejenigen Fahrzeuge ohne Entrichtung der Eingangsabgaben und ohne Anwendung von Einfuhrverboten und -beschränkungen vorübergehend zur Einfuhr zulassen, deren Eigentümer ihren gewöhnlichen Wohnort außerhalb seines Gebietes haben; Voraussetzung ist, dass die Fahrzeuge von den Eigentümern selbst oder von anderen Personen, die ihren gewöhnlichen Wohnort außerhalb seines Gebietes haben, anlässlich eines vorübergehenden Aufenthalts zu ihrem eigenen Gebrauch eingeführt und benutzt werden.“ Nach Art. 2 Abs. 2 muss für diese Fahrzeuge ein Zollpapier (Triptyk, Carnet de passages en douane)323 für die vorübergehende Einfuhr vorgewiesen werden „durch das die Entrichtung der Eingangsabgaben und erforderlichenfalls auch der verwirkten Zollstrafen gesichert wird.“ Nach Art. 3 wird der Treibstoff, „der sich in den gewöhnlichen Kraftstoffbehältern der vorübergehend eingeführten Fahrzeuge befindet, frei von Eingangsabgaben und frei von Einfuhrverboten und -beschränkungen zugelassen.“ Ein Zollpapier für den Treibstoff oder ein entsprechender Vermerk in dem Zollpapier für das Fahrzeug ist nicht erforderlich. Anders dagegen kann ein solches Zollpapier von den Vertragsstaaten für Ersatzteile vorgesehen werden,324 die zur Instandsetzung eines bestimmten, bereits vorübergehend eingeführten Fahrzeugs dienen sollen (Art. 4 Abs. 1). Die Absicherung der Zollerhebungsinteressen des Eingangsstaates wird mit der Vorschrift des 323

Vgl. dazu die Musterformulare in den Anhängen zum Zollabkommen über die vorübergehende Einfuhr privater Straßenfahrzeuge, UNTS Bd. 282, 282/BGBl. 1956 II, 1989. 324 Zitiert nach BGBl. 1956 II, 1951.

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Art. 4 Abs. 2 perfektioniert, indem hier auch festgelegt wird, wie die ersetzten Teile zollrechtlich zu behandeln sind. Für sie sind, wenn sie nicht wieder ausgeführt werden, die Eingangsabgaben zu entrichten, es sei denn, sie werden nach den Vorschriften des betreffenden Landes dem Staat unentgeltlich überlassen oder unter amtlicher Aufsicht auf Kosten der Beteiligten vernichtet. Die hier exemplarisch im einzelnen vorgestellten zentralen Vorschriften des ZVEPS belegen die eingangs getroffene Feststellung, dass die Staaten bei der vorübergehenden Einfuhr von Straßenfahrzeugen die Gefahr des Missbrauchs für erheblich halten und deshalb in dem Abkommen eine hohe Kontrolldichte vorgesehen haben. In den weiteren Kapiteln des Abkommens werden die Verfahren zur Ausgabe (Kapitel III), die darin zu machenden Angaben (Kapitel IV), die Bestimmungen für die Abfertigung zur vorübergehenden Einfuhr (Kapitel V), die Verlängerung der Gültigkeitsdauer und Erneuerung der Zollpapiere (Kapitel VI) und die Bereinigung von Zollpapieren, die nicht ordnungsgemäß erledigt wurden, etwa im Fall der Vernichtung, des Verlusts oder Diebstahls (Kapitel VII) geregelt. Hervorzuheben ist bezüglich der Ausgabe der Zollpapiere, deren Form durch Musterformulare in den Anhängen bestimmt ist, dass die Vertragsstaaten diese Ausgabe privaten Verbänden oder Organisationen – in Deutschland etwa dem ADAC – übertragen werden können (Art. 6).325 Der Hauptzweck dieser Delegation der Ausgabe an derartige Verbände oder Organisationen ist, dass diese Verbände als Aussteller der Zollpapiere die Haftung für die fälligen Eingangsabgaben gegenüber den jeweils zuständigen Finanzverwaltungen übernehmen bzw. für die Erlegung der geschuldeten Eingangsabgaben bürgen und damit zu einer bürgernahen Abwicklung des Zollverfahrens beitragen. Die Bedeutung des für den grenzüberschreitenden Personenverkehr mit privaten Kraftfahrzeugen nach wie vor wichtigen ZVEPS von 1954 liegt in der Vereinfachung der Zollverfahren. Doch ist namentlich in Europa diese Bedeutung insofern relativiert, als viele Staaten einseitig auf die Vorweisung von Passierscheinen für private Kraftfahrzeuge bereits Ende der 1950er Jahre und zu Beginn der 1960er verzichtet haben326 und das Rechtsregime des Europäischen Binnenverkehrsmarktes die früheren völkerrechtlichen Regelungen über die vorübergehende Einfuhr privater Straßenfahrzeuge überlagert. 325

Zu den rechtlichen Beziehungen zwischen diesen Organisationen und den Staaten sowie zwischen den Organisationen und den Kraftfahrern sowie zwischen den beteiligten Organisationen siehe näher von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 162 ff. 326 Siehe dazu den Bericht Zollerleichterungen für Kraftfahrzeuge im Reiseverkehr, ZfZ 32 (1956), 155 ff. und den Bericht Zollvereinfachungen für Kraftfahrzeuge, ZfZ 35 (1959), 126 f. zu den Zollerleichterungen auch von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 156 f.

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3. Das Zollabkommen über die vorübergehende Einfuhr gewerblicher Straßenfahrzeuge von 1956 Nur zwei Jahre nach dem Abschluss des ZVEPS wurde 1956 in Genf ein diesem Abkommen entsprechendes Zollabkommen über die vorübergehende Einfuhr gewerblicher Straßenfahrzeuge (ZVEGS)327 angenommen. Das Ziel dieses Abkommens war es, „bei der vorübergehenden Einfuhr gewerblicher Straßenfahrzeuge soweit wie möglich gleichartige Bestimmungen anzuwenden und insbesondere für diese Fahrzeuge die Verwendung der für private Straßenfahrzeuge vorgesehenen Zollpapiere“, also die Carnets de passages en douane, zu gestatten. Diese Gleichartigkeit der Bestimmungen für gewerblich genutzte Straßenkraftfahrzeuge ist weitgehend erreicht worden. Eine große Zahl der Vorschriften des ZVEGS stimmt mit den entsprechenden Regelungen des ZVEPS wörtlich überein. Zahlreiche andere sind inhaltlich gleich, jedoch teilweise sprachlich überarbeitet mit dem Ziel, den Text der Vorschriften stilistisch zu glätten. Der Rest der Vorschriften des ZVEGS ist den besonderen Bedürfnissen der Lastkraftwagenfahrer (z.B. die zollfreie Mitführung von einer angemessenen Menge von persönlichem Reisegut unter Einhaltung der von den Zollbehörden festgesetzten Bedingungen, (Art. 3 Abs. 1) sowie von Mundvorräten und kleinen Mengen Tabak, Zigarren und Zigaretten (Art. 3 Abs. 2)), den besonderen Eigenschaften von Lastkraftwagen (z.B. die Definition des Fahrzeugs (Art. 1 lit. b)), die Definition der gewerblichen Verwendung (Art. 1 lit. c)) und die Festlegung der Angaben in den Zollpapieren über das einzuführende Fahrzeug (Art. 10)) und schließlich der zum Teil veränderten Zusammensetzung der Gruppe der Vertragsparteien sowie deren Wünschen im Hinblick auf die Schlussbestimmungen angepasst worden. So kann auf die Darstellung des ZVEGS im Detail verzichtet und auf die Ausführungen zum ZVEPS sowie auf den Text des ZVEGS verwiesen werden. IV. Erleichterungen der Verfahren für die Zollerhebung im grenzüberschreitenden Güterverkehr Von gleicher Bedeutung wie die zollrechtliche Behandlung der für den grenzüberschreitenden Straßenverkehr benutzten privaten und gewerblichen Kraftfahrzeuge ist die zollrechtliche Erfassung der grenzüberschreitend beförderten Güter selbst. Auch hier wuchs nach dem Zweiten Weltkrieg das Bedürfnis nach Erleichterungen der zollrechtlichen Abfertigung des von Jahr zu Jahr gestiegenen internationalen Gütertransports. 327 Zollabkommen über die vorübergehende Einfuhr gewerblicher Straßenfahrzeuge vom 18.5.1956, UNTS Bd. 327, 123/BGBl. 1961 II, 922.

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1. Das Zollübereinkommen über den internationalen Warentransport mit Carnets TIR von 1975 Bereits unmittelbar nach Gründung der UNECE und der Einrichtung des International Transport Committee und dessen Zollausschuss wurde in Zusammenarbeit mit der Internationalen Handelskammer und der Internationalen Straßentransport-Union (IRU)328 und anderen nichtstaatlichen Organisationen die Arbeit an einem Vertragsentwurf für die Einführung eines Verfahrens zur Warenzollerhebung, das sich an dem Zollpassierscheinverfahren für Kraftfahrzeuge und an schon Ende des 19. Jahrhunderts geschaffenen zollrechtlichen Regelungen für den Eisenbahnverkehr orientieren sollte.329 Nachdem es auf der Straßenverkehrskonferenz von 1949 nur zu einer Vereinbarung über die vorläufige Anwendung des Entwurfes gekommen war, gelang Anfang des Jahres 1959 der Abschluss des Zollübereinkommens über den internationalen Warentransport mit Carnets330 TIR331 (TIR-Übereinkommen).332 Trotz dreier Änderungen erwies sich dieses Übereinkommen im Laufe der Zeit als den Anforderungen des internationalen Gütertransports nicht mehr angemessen und wurde 1975 durch das Zollübereinkommen über den internationalen Warentransport mit Carnets TIR (TIR-Übereinkommen 1975) ersetzt.333 Kernpunkt des Übereinkommens ist die Regelung der 328

Die IRU wurde am 23.3.1948 in Genf gegründet und hat heute Mitgliedsverbände in über 100 Ländern, vgl. hierzu den Jahresbericht 2015 der IRU, „IRU 2015“, abrufbar unter: http://www.iru-ebook.iru.org/ar2015/en/ (letzter Zugriff: 16.7.2015). 329 Näher dazu von Würzen, Internationales Kraftfahrzeugrecht, 1960, 178 ff. 330 Carnet ist ein Zolldokument. 331 Die Abkürzung TIR steht für Transports Internationaux Routiers. 332 Zollübereinkommen über den internationalen Warentransport mit Carnets TIR vom 15.1.1959, UNTS Bd. 348, 13/BGBl. 1961 II, 649; Änderungen vom 19.11.1963, UNTS Bd. 481, 598/BGBl. 1964 II, 109, und vom 1.7.1966, UNTS Bd. 566, 356/BGBl. 1966 II, 1446. 333 Zollübereinkommen über den internationalen Warentransport mit Carnets TIR vom 14.11.1975, UNTS Bd. 1079, 89; UNTS Bd. 1142, 413/BGBl. 1979 II, 445; in Kraft getreten für die Bundesrepublik Deutschland am 20.6.1983; zuletzt geändert durch BGBl. 2013 II, 643; Nachweis der zahlreichen Änderungen der Anlagen zu diesem Übereinkommen im Fundstellennachweis B, Stand: 31. Dezember 2014, 728. Art. 56 Abs. 1 TIRÜbereinkommen 1975 bestimmt, dass dieses Übereinkommen mit seinem Inkrafttreten das TIR-Übereinkommen von 1959 in den Beziehungen zwischen den Vertragsparteien außer Kraft setzt und an dessen Stelle tritt. Nach Art. 56 Abs. 2 werden die nach den Bedingungen des Übereinkommens von 1959 für Straßenfahrzeuge und Behälter ausgestellten Verschlussanerkenntnisse (Zulassungsbescheinigungen) von den Vertragsparteien dieses Übereinkommens für den Warentransport unter Zollverschluss innerhalb ihrer Gültigkeitsdauer oder unter Vorbehalt der Erneuerung anerkannt, sofern die Fahrzeuge und Behälter nach wie vor den Bedingungen entsprechen, unter denen sie ursprünglich zugelassen

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Zollerhebung für Warentransporte mit Straßenfahrzeugen und Behältern nach dem Carnet TIR-Verfahren, das – so die Präambel des TIR-Übereinkommens 1975 – auf eine Vereinfachung und Harmonisierung der Verwaltungsförmlichkeiten im internationalen Transportwesen, insbesondere an den Grenzen zielt. Das Carnet TIR ist ein mit dem Triptyk vergleichbarer Zollpassierschein. Vordrucke nach dem Muster im Anhang 1 werden von der IRU in Genf an die ihr angeschlossenen, von den Zollbehörden der Vertragsstaaten ermächtigten nationalen Verbände (Art. 6) – zollfrei (Art. 7) – gesandt, die dann das Carnet an die Transportunternehmer ausgeben.334 In Deutschland geschieht die Ausgabe über die Landesorganisationen des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung (BGL) e.V. in Frankfurt sowie die Arbeitsgemeinschaft zur Förderung und Entwicklung des internationalen Straßenverkehrs (AIST) e.V. in Berlin. Mit einem Carnet TIR kann Ware durch das Gebiet mehrerer Vertragsstaaten befördert werden – mit Ausnahme von Warentransporten ausschließlich innerhalb der Europäischen Union, die dem EU-Recht unterfallen. Vom Transportunternehmer fordern die Zollstellen keine Sicherheitsleistung für die auf die transportierten Waren lastenden Zölle und anderen Abgaben (Art. 4). Dafür übernehmen die zugelassenen nationalen Verbände die Bürgschaft für diese Zölle und anderen Abgaben, die – sollte es zu Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit einem TIR-Transport kommen – entstehen können (Art. 8).335 Anwendbar ist das TIRVerfahren auf Warentransporte, „bei denen die Waren ohne Umladung über eine oder mehrere Grenzen von einer Abgangszollstelle einer Vertragspartei bis zu336 einer Bestimmungszollstelle einer anderen oder derselben Vertragspartei in Straßenfahrzeugen, Lastzügen oder Behältern befördert werden, wenn auf einem Teil der Strecke zwischen Beginn und Ende des TIR-Transports die Beförderung im Straßenverkehr erfolgt (Art. 2). worden sind. Zu den 71 Vertragsparteien (Stand: 9.6.2015) gehört auch die EU. Praktisch umsetzbar ist das TIR-Verfahren jedoch nur in den Vertragsstaaten, die über in ihnen zugelassene Verbände existieren, die die erforderlichen Bürgschaften für Zölle und Abgaben, die ggfs. bei auftretenden Unregelmäßigkeiten im Zusammenhang mit einem TIRTransport auftreten können, übernehmen. 334 Mit dem Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1192/2008 der Kommission vom 17. November 2008 zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 mit Durchführungsvorschriften zu der Verordnung (EWG) Nr. 2913/92 des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Gemeinschaften, ABl. Nr. L 329/1 vom 6.12.2008, am 1.1.2009 ist innerhalb des Zollgebietes der EU die elektronische Übermittlung der TIR Daten an die jeweiligen Zollstellen vorgeschrieben. 335 Zu den Modalitäten der Ausgabe von Carnets TIR und zur Haftung der bürgenden Verbände vgl. Kapitel II TIR-Übereinkommen 1975. 336 Zur Legaldefinition der Abgangs- und der Bestimmungszollstelle vgl. Art. 1 lit. f) und g) TIR-Übereinkommen 1975.

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Der wesentliche Vorteil des TIR-Verfahrens liegt darin, dass die Vertragsparteien die im Abgangsland getroffenen zollamtlichen Maßnahmen – darunter vor allem die Zollverschlüsse (Art. 34)337 – anerkennen und damit von den Transit- und Bestimmungsländern die Waren, die im TIR-Verfahren befördert werden, an den Grenzzollstellen grundsätzlich nicht überprüft werden (Art. 5 Abs. 1 TIR-Übereinkommen 1975), es sei denn es besteht der Verdacht von Unregelmäßigkeiten (Art. 5 Abs. 2 TIR-Übereinkommen 1975). Damit wird der Aufenthalt bei diesen Grenzzollstellen erheblich verringert. Besondere Bestimmungen gelten für den Transport außergewöhnlich schwerer oder sperriger Waren (Art. 29 ff.). Sanktionen bei Verstößen gegen das Übereinkommen sind in Kapitel IV (Art. 36 ff.) geregelt. Aus vertragsrechtlicher Sicht ist Art. 43 TIR-Übereinkommen 1975 hervorzuheben, der eine Auslegungsvorschrift enthält. Sie verweist darauf, dass die „Erläuterungen in Anlage 6 und Anlage 7 […] Auslegungen einiger Bestimmungen dieser Übereinkommens und seiner Anlagen [enthalten].“ Auch geben die Erläuterungen „einige empfohlene Praktiken wieder.“ Damit trägt das Übereinkommen der Notwendigkeit Rechnung, angesichts der sehr detaillierten Regelungen des Übereinkommens, vor allem aber auch der insgesamt acht, z.T. sehr umfangreichen Anlagen die Einheitlichkeit der Vertragsanwendung so weit wie möglich sicherzustellen. Die Schlussbestimmungen des Kapitels VII, die im Wesentlichen den entsprechenden Regelungen anderer, von der UNECE ausgearbeiteten Verträge gleichen, sehen jedoch auch die Schaffung eines Verwaltungsausschusses vor,338 dem die Vorbereitung und Umsetzung von Änderungen des TIR-Übereinkommens 1975 und der Anlagen 1–7 obliegt (Art. 59 und 60). Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung des Übereinkommens sind möglichst im Verhandlungswege oder auf andere Weise beizulegen (Art. 57 Abs. 1). Gelingt dies nicht, so ist die Streitigkeit einem Schiedsgericht vorzulegen, dessen Entscheidung für die am Streitfall beteiligten Parteien bindend ist (Art. 57 Abs. 2 und 3). Das TIR-Übereinkommen 1975weist insgesamt eine hohe Regelungsdichte auf, ist aber andererseits so konsequent auf die einfache praktische Anwendung durch die Zollverwaltungen und der nationalen Verbände ausgerichtet, dass in der Praxis 337 Zu den Voraussetzungen für die Zulassung von Straßenkraftfahrzeugen und Behältern für den Warentransport im TIR-Verfahren siehe die Art. 12 ff. des TIR-Übereinkommens 1975 sowie die Anlagen dazu, auf die in den Artikeln verwiesen wird; zur Durchführung des Transports im Carnet TIR-Verfahren siehe im einzelnen die Art. 15 ff. ebd. Zum TIRTransport zugelassene Straßenfahrzeuge oder Lastzüge müssen vorne und hinten eine rechteckige Tafel tragen mit der den Merkmalen der Anlage 5 entsprechenden Aufschrift „TIR“ (Art. 16). 338 Die Zusammensetzung und die Geschäftsordnung des Verwaltungsausschusses sind in der Anlage 8 zum TIR-Übereinkommen geregelt, BGBl. 1979 II, 563.

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ein hohes Maß an Leichtigkeit des grenzüberschreitenden Warentransports erreicht worden ist. Doch ist auch festzustellen, dass die Bedeutung dieses Übereinkommens infolge der starken Erweiterung des Kreises der EU-Mitgliedstaaten zurückgegangen ist, weil – wie bereits erwähnt – der Warentransport innerhalb der Gemeinschaft von dem Übereinkommen nicht erfasst wird. 2. Die im Rahmen der WCO geschlossenen Zollübereinkommen Unter den im Rahmen des Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens (heute WCO)339 zahlreich geschlossenen Abkommen sind besonders hervorzuheben das Zollübereinkommen über das Carnet A.T.A. für die vorübergehende Einfuhr von Waren von 1961, das Istanbul-Übereinkommen von 1991, die Kyoto-Abkommen von 1973 und 1999, das Internationale Übereinkommen von 1983 über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren mit Änderungsprotokoll von 1986340 sowie weitere sechs Konventionen über die vorübergehende Einfuhr von Umschließungen, Berufsausrüstungen, wissenschaftlichem Gerät, Werbematerial für Messen, medizinischem, chirurgischem und Labormaterial zur leihweisen Verwendung für Diagnose- und Behandlungszwecke sowie von Lehrmaterial.341 Auf die wichtigsten dieser Verträge wird im Folgenden eingegangen.

339 Abkommen vom 15. Dezember 1950 über die Gründung eines Rates für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens (heute World Customs Organization – WCO), UNTS Bd. 157, 129/BGBl. 1951–1952 II, 1, 19. Dem Rat gehören 179 Vertragsparteien an (Stand: 29.5.2015), darunter auch von Beginn an die Bundesrepublik Deutschland, die seit dem 4.11.1952 Mitglied ist. 340 ABl. Nr. L 198/1 vom 20.7.1987/BGBl. 1986 II, 1067, in Kraft getreten am 1.1.1988. 341 Zollübereinkommen über die vorübergehende Einführ von Umschließungen vom 6.10.1960, UNTS Bd. 473, 131/BGBl 1969 II, 1065; Zollübereinkommen über die vorübergehende Einfuhr von Berufsausrüstung vom 8.6.1961, UNTS Bd. 473, 153/BGBl. 1969 II, 1065, 1076; Zollübereinkommen über die vorübergehende Einfuhr von wissenschaftlichem Gerät vom 11.6.1968, UNTS Bd. 690, 97/BGBl. 1969 II, 1914; Zollübereinkommen über die vorübergehende Einfuhr von Werbematerial und Ausstellungswaren vom 8.6.1961, UNTS Bd. 473, 187/BGBl. 1967 II, 745; Zollübereinkommen über die vorübergehende Einfuhr von medizinischem, chirurgischem und Labormaterial etc. vom 28.4.1960, UNTS Bd. 376, 111/BGBl. 1966 II, 598; Zollübereinkommen über die vorübergehende Einfuhr von Lehrmaterial vom 8.6.1970, UNTS Bd. 817, 313/BGBl. 1971 II, 1101.

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a) Das A.T.A.-Übereinkommen von 1961 und das Istanbul-Übereinkommen von 1990 Anlass für den Abschluss des Zollübereinkommens über das Carnet A.T.A. für die vorübergehende Einfuhr von Waren (A.T.A.-Übereinkommen) im Jahr 1961342 war das Bedürfnis verschiedener Arten von Unternehmen, ihre Produkte schnell auf Messen oder Ausstellungen als Muster oder als Teil ihrer eigenen Berufsausrüstung grenzüberschreitend zu transportieren. Das zu diesem Zweck eingeführte Carnet A.T.A.343 ersetzt die nationalen Zollformalitäten für die vorübergehende Einfuhr von Waren und erspart Kosten für die Zollabfertigung an jeder einzelnen Grenze. Das Verfahren entspricht im Kern dem bereits zwei Jahre vorher im Rahmen der UNECE durch das TIR-Übereinkommen geschaffenen Carnet TIRVerfahren. Die eingangs erwähnten, im Laufe der Zeit für spezifische Waren, Produkte oder Ausrüstungen geschaffenen Zollübereinkommen orientieren sich am A.T.A.-Übereinkommen. Es ist verständlich, dass diese Vielzahl von Verträgen (und Empfehlungen) zu im Grunde – wenn nicht identischen, so doch vergleichbaren zollrechtlichen Problemen den Wunsch nach einer einheitlichen und umfassenden Regelung hat aufkommen lassen. Mit der Verabschiedung des Übereinkommens über die vorübergehende Verwendung (Istanbul-Übereinkommen) im Jahr 1990344 ist dieses Vorhaben realisiert worden. Das Istanbul-Übereinkommen führt dreizehn vorangehende Übereinkommen über die vorübergehende Verwendung in einem Gesamtübereinkommen zusammen, wobei den Besonderheiten der verschiedenen, vorübergehend eingeführten Waren in dreizehn Anlagen zum Übereinkommen Rechnung getragen wird. Die Annahme der Anlage A (Carnets A.T.A./CPD345) ist für alle Vertragsparteien obligatorisch. Darüber hinaus ist mindestens eine weitere Anlage anzunehmen (Art. 24 Abs. 4).346

342 Zollübereinkommen über das Carnet A.T.A. für die vorübergehende Einfuhr von Waren (A.T.A.-Übereinkommen) vom 6.12.1961, UNTS Bd. 473, 219/BGBl. 1965 II, 948, in Kraft getreten am 30.7.1963; derzeit gehören dem Übereinkommen 63 Staaten an (Stand: 21.7.2015). 343 Das Akronym A.T.A. steht für die französisch-englische Wortkombination „Admission Temporaire/Temporary Admission“. 344 Übereinkommen über die vorübergehende Verwendung vom 26.6.1990, ABl. Nr. L 130/4 vom 27.5.1993/BGBl. 1993 II, 2214, in Kraft getreten am 27.11.1993. 345 CDP steht für „Carnet de Passage“. 346 Die Annahme der Anlagen durch die Vertragsparteien ist durchgängig hoch: von den 67 Vertragsparteien, darunter auch die EU, haben 66 Vertragsparteien die Anlage A und 64 Vertragsparteien die Anlage B.1 angenommen. Die Annahmezahlen für die restlichen elf

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Das Istanbul-Übereinkommen beruht auf demselben Grundgedanken wie die vorangegangenen Übereinkommen (das A.T.A.-Übereinkommen und die weiteren, zuvor genannten Spezialübereinkommen zur vorübergehenden Einfuhr bestimmter Produkte und Gegenstände), nämlich nur vorübergehend eingeführte Waren o.ä. im Grundsatz von allen Zoll- und anderen Abgaben und Formalitäten zu befreien (Art. 2). Die Vertragsparteien sind – soweit in einer Anlage nichts anderes bestimmt ist – berechtigt, aber nicht verpflichtet, „für die vorübergehende Verwendung von Waren (einschließlich Beförderungsmittel) die Vorlage eines Zollpapiers (Carnets A.T.A./Carnets CPD)347 und die Leistung einer Sicherheit zu verlangen“ (Art. 4). Das Istanbul-Übereinkommen regelt im Wesentlichen allgemeine Verfahrensfragen, so die Festlegung der Frist für die Wiederausfuhr (Art. 6), besonders ausführlich, die Möglichkeiten der Beendigung der vorübergehenden Verwendung (Art. 8–14) und die Verpflichtung der Vertragsparteien auf die Verringerung der Zollformalitäten. Fragen der für die Vertragsparteien verbleibenden Handlungsspielräume sind zum einen in Art. 17 Istanbul-Übereinkommen geregelt, der vorsieht, dass das Übereinkommen nur Mindesterleichterungen festlegt und die Parteien nicht gehindert sind, aufgrund nationalen Rechts oder aufgrund bilateraler oder multilateraler Vereinbarungen weitergehende Erleichterungen zu gewähren. Weitere Regelungen finden sich zum anderen in Art. 19 Istanbul-Übereinkommen, der einen weitreichenden nationalen Regelungsvorbehalt für die Wahrung der öffentlichen Ordnung und Moral, der öffentlichen Sicherheit, der öffentlichen Hygiene und Gesundheit, veterinärpolizeilicher oder pflanzenschutzrechtlicher Belange, des Schutzes gefährdeter Arten freilebender und Pflanzen, von Urheberrechten und oder gewerblichem Eigentums enthält, geregelt. Unter den im Kapitel V des Istanbul-Übereinkommens enthaltenen üblichen Schlussbestimmungen ist Art. 22 hervorzuheben, der – wie schon das TIR-Übereinkommen – die Einrichtung eines Verwaltungsausschusses vorsieht, dem die Aufgabe obliegt, die „Durchführung dieses Übereinkommens, die zu seiner einheitlichen Auslegung und Anwendung geeigneten Maßnahmen und etwaige Änderungsvorschläge zu prüfen“ und „über die Einbeziehung neuer Anlagen in dieses Übereinkommen“ zu beschließen. Ähnlich wie das TIR-Übereinkommen weist das Istanbul-Übereinkommen mit den Anlagen insgesamt eine hohe Regelungsdichte auf, die jedoch der Akzeptanz des Vertragswerkes nicht abträglich gewesen ist und dies nicht nur, weil das Übereinkommen zugleich auch weitgehende nationale Reglungsmöglichkeiten einAnlagen liegen zwischen 39 und 55 Annahmen (Stand: 12.6.2015), zu den Angaben siehe WCO General Secretariat, WCO Doc. PG0245E1a vom 13.1.2015. 347 Siehe dazu die Anlage A zum Istanbul-Übereinkommen.

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räumt, sondern weil es letztlich gerade die sehr detaillierten, auf die Einheitlichkeit der Zollverfahren sichernden Regelungen sind, die die erstrebten Erleichterungen der Zollverfahren und damit des internationalen Waren- und Güterverkehrs bewirken. b) Die Kyoto-Übereinkommen von 1973 und 1999 Bereits 1973 hatte der Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiete des Zollwesens (heute WCO) ein Internationales Übereinkommen über die Vereinfachung und Harmonisierung der Zollverfahren (Kyoto-Übereinkommen)348 ausgearbeitet. Das am 25. September 1974 in Kraft getretene Übereinkommen hat heute jedoch noch lediglich vier Vertragsparteien.349 1999 wurde das revidierte KyotoÜbereinkommen verabschiedet, das am 3. Februar 2006 nach dem Erreichen des erforderlichen Quorums von 40 Ratifikationen durch Vertragsparteien des KyotoÜbereinkommens von 1973 in Kraft getreten ist350 und heute 102 Vertragsparteien hat.351 Schon in dem Kyoto-Übereinkommen 1973 war vorgesehen, dass die Vertragsparteien bei der Unterzeichnung, Ratifikation oder dem Beitritt die Anlage oder die Anlagen, die sie annehmen, festlegen müssen, wobei sie mindestens eine Anlage annehmen müssen. Die Anlagen bilden für die Parteien, die sie angenommen haben, nach Art. 8 des Kyoto-Übereinkommens 1973 einen Bestandteil des Übereinkommens; sie treten jedoch nur nach der gesonderten Annahmeerklärung durch die jeweilige Vertragspartei in Kraft, haben also in diesem Sinne auch den Charakter eines selbständigen Übereinkommens, was auch für Abstimmungen im Rat und im Technischen Ausschuss ausdrücklich festgelegt ist (Art. 7). Die insgesamt 31 Anlagen zum Kyoto-Übereinkommen 1973352 regeln viele Details der Zollformalitäten, Zollbefreiung bestimmter Waren oder Ursprungsnachweise usw., 348 International Convention on the simplification and harmonization of Customs procedures vom 18.5.1973, UNTS Bd. 950, 269/ABl. Nr. L 100/2 vom 21.4.1975, in Kraft getreten am 25.9.1974. 349 Vertragsparteien sind Burundi, Demokratische Republik Kongo, Gambia und Israel (Stand: 12.1.2015). 350 Art. 3 Abs. 3 Protokoll zur Änderung des Internationalen Übereinkommens zur Vereinfachung und Harmonisierung der Zollverfahren, BGBl. 2003 II, 2092. 351 Das revidierte Kyoto-Übereinkommen ist von 102 Vertragsparteien, darunter der EU als Nichtmitglied des Rates der WCO, ratifiziert worden (Stand: 12.6.2015). 352 Nach dem Inkrafttreten des revidierten Kyoto-Übereinkommens von 1999 sind nur noch 2 der insgesamt 31 Anlagen des Kyoto-Übereinkommens von 1973 in Kraft (Stand: 12.1.2015).

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die allerdings nurmehr mittelbaren Bezug zum landgebundenen, grenzüberschreitenden Personen- und Güterverkehr haben. Das revidierte Kyoto-Übereinkommen von 1999 folgt im Wesentlichen seinem Vorgänger, passt aber letzeres an die modernen technischen Möglichkeiten der Zollerhebung und Warenerfassung, z.B. durch elektronische Datenverarbeitung, an.

Kapitel 2

Der grenzüberschreitende Eisenbahnverkehr A. Die internationale Zusammenarbeit im Eisenbahnwesen und der Ausbau grenzüberschreitender Eisenbahnnetze In der Entwicklung des internationalen Verkehrs ist die Erfindung der Eisenbahn (zuerst in England 1825) eine Umwälzung von größter Bedeutung. Zum einen stellte der Einsatz der Eisenbahn für den Transport von Gütern nach Umfang und Schnelligkeit – verglichen mit den traditionellen straßengebundenen Transportmitteln und der Binnenschifffahrt – einen quantitativen und qualitativen Sprung dar, der wesentlich zu der im 19. Jahrhundert zu beobachtenden Expansion der Märkte beitrug. Zum anderen aber ging von der neuen Verkehrstechnik ein nachhaltiger Zwang für die Staaten aus, bei der Entwicklung eines seiner Natur nach nicht auf das einzelstaatliche Territorium begrenzten Verkehrsmittels mit anderen Staaten zu kooperieren.1 Dieser Kooperation war auch die Tatsache förderlich, dass – anders als im Falle des Luftverkehrs ein Jahrhundert später – das Eisenbahnwesen als ein Anliegen von überwiegend technischer und wirtschaftlicher Bedeutung, aber nicht eigentlich als Politikum angesehen wurde. So haben sich schon im Laufe des 19. Jahrhunderts zunächst die Eisenbahnverwaltungen, dann auch die Regierungen und neben den staatlichen auch die nichtstaatlichen Fachverbände der Verkehrsträger zusammengefunden, zahlreiche Abkommen geschlossen und eine Reihe von Verkehrsunionen mit ständigen Büros, periodischen Konferenzen, Fachausschüssen und anderen Organen ins Leben gerufen.2 Wie beim grenzüberschreitenden Straßenverkehr bilden die Entwicklung eines zwischen den Staaten abgestimmten Schienennetzes (u.a. 1

So stellte von Stein bereits im Jahre 1885 fest: „Le système des chemins de fer qui, originairement, ne formait qu’un organisme de communication pour chaque Etat, commence à devenir de plus en plus une partie essentielle de la grande communauté des Etats de l’Europe“, von Stein, Le droit international des chemins de fer en cas de guerre, R.D.I.D.C. XVII (1885), 332, 342. 2 Siehe dazu den noch immer einschlägigen Überblick bei Haustein, Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 7 ff.

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einheitliche Spurweite), die Vereinbarung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bei der Nutzung des rollenden Materials und die Abstimmung der Fahrpläne für den internationalen Eisenbahnverkehr einerseits und die Regelung des Personen- und Güterverkehrs auf der Schiene (das Beförderungsvertragsrecht) andererseits die Regelungsschwerpunkte. Diesen Sachbereichen ist im Folgenden im Einzelnen nachzugehen. I. Die Entwicklung des Eisenbahnrechts bis zum Zweiten Weltkrieg Wie kein anderes Verkehrsmittel ist die Eisenbahn, namentlich im grenzüberschreitenden Verkehr, auf eine enge Zusammenarbeit der Staaten und der nationalen privaten wie öffentlichen Eisenbahnträger bei der Auslegung der Schienenwege und ihrer technischen Kompatibilität als Bedingung eines möglichst reibungslosen grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehrs angewiesen. 1. Die Entwicklung bis 1919 So selbstverständlich aus gegenwärtiger Sicht die Notwendigkeit einer solchen Zusammenarbeit erscheinen mag, so mühsam erwies sich zunächst die Umsetzung dieser Einsicht in der Praxis. Die Entwicklung der Eisenbahnen vollzog sich nämlich in den ersten Jahrzehnten nach der Erfindung dieses Verkehrsmittels keineswegs unter zentraler staatlicher Lenkung. Vielmehr waren private Eisenbahngesellschaften ebenso Träger dieser Entwicklung wie staatliche Unternehmen, was namentlich im Rahmen des aus souveränen Staaten bestehenden Deutschen Bundes3 zu einer Vielfalt von Eisenbahnunternehmungen führte.4 3 Im Gründungsjahr gehörten dem Bund 41 Mitglieder an. Diese Zahl verringerte sich durch Gebietsänderungen bis zum Ausbruch des Krieges von 1866 auf 34 (vgl. dazu näher Kimminich, Deutsche Verfassungsgeschichte, 2. Aufl. 1987, 321), von denen aufgrund ihrer geringen Größe nicht alle den Aufbau einer eigenen Eisenbahn in Angriff nehmen konnten. Soweit dies geschah, waren der staatsrechtlichen Lage entsprechend die ersten deutschen Eisenbahngesetze ausschließlich Gesetze der Länder und später zum kleinen Teil Gesetze des Norddeutschen Bundes, vgl. dazu Wittenberg u.a., Kommentar zum Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG), 2004, Einführung 15. 4 Entsprechende Entwicklungen gab es in Nord- und Mittelamerika, wo 1934 die Association of American Railroads (AAR), die das Gebiet der USA, Kanadas und Mexikos umfasst und heute neben 20 Vollmitgliedern eine große Anzahl von Special Members und Associate Members hat. Eine Auflistung der verschiedenen Mitglieder und Mitgliedschaften ist abrufbar unter: https://www.aar.org/Pages/AboutUs.aspx?t=aarmembers (letzter Zugriff: 16.6.2015). Darüber hinaus besteht seit 1906 die Pan-American Railway Congress Association, der Regierungen und Eisenbahnunternehmen von 20 Staaten ange-

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Doch die Notwendigkeit zur Zusammenarbeit führte immerhin schon in den Jahren 1846 und 1847 zum Zusammenschluss zuerst der preußischen, später dann auch der anderen deutschen Eisenbahnen zum Verein Deutscher Eisenbahnverwaltungen, dem sich im Laufe der Zeit viele andere europäische Eisenbahnverwaltungen anschlossen.5 Dem Verein kommt das Verdienst zu, sowohl auf dem Gebiet der Vereinheitlichung der technischen Gestaltung des rollenden Materials, der Schienenwege, Bahnhöfe und der Signalanlagen usw. als auch im Bereich der Regelung des nationalen wie des grenzüberschreitenden Güter- und Personenverkehrs bahnbrechende Regelungsmodelle entwickelt und umgesetzt zu haben, auf denen auch das gegenwärtige internationale Eisenbahnrecht nach wie vor beruht. So wurde das vom Verein Mitteleuropäischer Eisenbahnverbände (VMEV) geschaffene Betriebsreglement für den Güterverkehr in weiten Teilen zur Grundlage des ersten Internationalen Übereinkommens über den Eisenbahnfrachtverkehr (CIM) von 1890. Trotz mehrerer Änderungen und Anpassungen ist das CIM heute zusammen mit dem Internationalen Übereinkommen über den EisenbahnPersonen- und -Gepäckverkehr (CIV) von 1924 integrierter Bestandteil des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr von 1980 (COTIF).6 Von großer Bedeutung für die Entwicklung einheitlicher Bedingungen für den grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr waren auch die vom Verein Deutscher Eisenbahnverwaltungen 1867 veröffentlichten „Technischen Vereinbarungen des Vereins über den Bau und Betrieb der Haupt- und Nebenbahnen,“ die dem schweizerischen Bundesrat 1881 als Anregung dienten, die europäischen Staaten nach Bern zu einer Serie von Konferenzen einzuladen. Bereits am 15. Mai 1886 schlossen auf der Grundlage der Technischen Vereinbarungen fast alle europäischen Staaten das Berner Übereinkommen betreffend die technische Einheit im Eisenbahnwesen (TE), das am 1. April 1887 in Kraft trat und nach Änderungen auch hören. In Afrika wurde 1972 unter der Schirmherrschaft der UN Wirtschaftskommission für Afrika die African Union of Railways (AUR) gegründet, dazu kurz auch Mutz, Railway Transport, International Regulation, in: EPIL, Bd. IV, 2000, 14, 17. 5 Im Jahr 1933 gehörten dem Verein 106 ordentliche, 4 außerordentliche Mitglieder und eine angeschlossene Verwaltung, die Deutsche Lufthansa AG Berlin an, so dass es nur folgerichtig war, den Verein im Jahr 1932 in „Verein Mitteleuropäischer Eisenbahnverwaltungen“ (VMEV) umzubenennen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde am 23.5.1946 vom Transportdirektorat des Alliierten Kontrollrates für Deutschland in Berlin den Eisenbahnverwaltungen der 4 Besatzungszonen die Wiederaufnahme ihrer Teilnahme an dem Verein verboten. Damit hörte der Verein de facto auf zu bestehen, vgl. dazu näher Haustein, Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 66 ff. 6 Zum Vorstehenden siehe Haustein, Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 68 f.

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noch nach dem Inkrafttreten des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr von 1980 i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 3. Juni 1999 in Kraft ist. Art. 10 der Einheitlichen Rechtsvorschriften für die Verbindlichkeitserklärung technischer Normen und für die Annahme einheitlicher technischer Vorschriften für Eisenbahnmaterial, das zur Verwendung im internationalen Verkehr bestimmt ist (APTU – Anhang F zum COTIF 1999) sieht nämlich vor, dass erst mit dem Inkrafttreten der vom Fachausschuss für technische Fragen gemäß Art. 8 § 3 APTU beschlossenen Anlagen in allen Vertragsstaaten der TE in der Fassung von 1938 die Vorschriften der TE außer Kraft treten.7 Die TE legt für die Vertragsstaaten die verbindliche Normalspurweite und technische Bedingungen für den Bau der im internationalen Verkehr eingesetzten Wagen fest. Eine weitere, für den reibungslosen grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr wichtige Entwicklung wurde vom VMEV auf dem Gebiet des Austausches des rollenden Materials (z.B. Personen- und Güterwagen) eingeleitet. Es zeigte sich frühzeitig, dass die Nutzung des dem jeweiligen nationalen privaten oder öffentlichen Eisenbahnunternehmens gehörenden rollenden Materials sich nicht auf das Gebiet einzelner Staaten beschränken lässt. So schuf der VMEV bereits im Jahr 1855 die ersten „Normalbestimmungen für die wechselseitige Wagenbenutzung“, die dann in das Vereinswagenübereinkommen übergingen. Dieses Übereinkommen galt bis 1914 und ist seinerseits fast wörtlich in das vom Internationalen Güterwagenverband im April 1921 auf der Konferenz von Stresa angenommene Übereinkommen über den Austausch und die Benutzung von Güterwagen zwischen Eisenbahnverkehrsunternehmen (RIV-Übereinkommen)8 übernommen worden. 7

Vgl. Art. 10 der Einheitlichen Rechtsvorschriften für die Verbindlichkeitserklärung technischer Normen und für die Annahme einheitlicher technischer Vorschriften für Eisenbahnmaterial, das zur Verwendung im internationalen Verkehr bestimmt ist (APTU – Anhang F zum Übereinkommen COTIF); Text der ursprünglichen Fassung von 1886 in RGBl. 1887, 111; Text der Fassung von 1913 in RGBl. 1914, 187. Diese Fassung wurde durch eine vom Internationalen Eisenbahnverein erarbeitete Neufassung ersetzt, die am 1.1.1939 in Kraft trat, Text in RGBl. 1939 II, 912, auch in Vertragssammlung des AA, Bd. 32 A 440. Das revidierte TE von 1939 wurde von allen europäischen Staaten außer Finnland, Portugal, Spanien und der damaligen Sowjetunion ratifiziert; zum Vorstehenden näher Haustein, Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 11 und 66 ff.; auch Mutz, Railway Transport, International Regulation, in: EPIL Bd. IV, 2000, 14, 15. 8 Die Abkürzung RIV steht für Regolamento Internazionale Veicoli. Das RIV trat am 1.1.1922 in Kraft; siehe dazu näher Haustein, Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 69 f. und 85 f.; auch Bergner u.a., Internationales Verkehrsrecht, 2. Aufl. 1986, 318 f. Der Text des mehrfach überarbeiteten Übereinkommens in der Fassung vom 1.7.2000 ist abgedruckt in: Internationaler Eisenbahnverband (UIC) (Hrsg.), RIV 2000 – Übereinkommen über den Austausch und die Benutzung von Güterwagen zwischen Eisenbahnverkehrsunternehmen, Losbl., Stand: 1.1.2005.

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Ähnlich war die Entwicklung der Regelung der gegenseitigen Benutzung der Personen- und Gepäckwagen. Der Annahme des entsprechenden Übereinkommens vom 1. Januar 1923, des Übereinkommens über die gegenseitige Benutzung der Personen- und Gepäckwagen (RIC-Übereinkommen),9 ging der vor dem Ersten Weltkrieg von einer großen Zahl europäischer Eisenbahnverwaltungen erarbeiteten „Europäischen Wagenbeistellungsplan“ (EWP) voraus. Ganz wichtige Schritte zu einer umfassenden Kooperation der Eisenbahnverwaltungen untereinander und der Regierungen und der Eisenbahnverwaltungen der europäischen und überseeischen Staaten waren die Gründung des Internationalen Eisenbahnverbandes (UIC) im Jahre 192210 und die Gründung der Internationalen Eisenbahn-Kongressvereinigung (IEKV/IRCA/AICCF) im Jahre 1929, die an die Stelle des bereits im Jahr 1885 gegründeten Internationalen Eisenbahn-Kongressverbandes trat und bis heute besteht.11 Insgesamt zeigen sowohl die beispielhaft genannten internationalen Verträge über die Regelung verschiedener Aspekte des sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelnden internationalen Eisenbahnverkehrs als auch die nationalen und internationalen Eisenbahnverbände das Bemühen um eine grenzüberschreitende Vernetzung der Eisenbahnlinien. Jedoch gab es bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges noch keine Übereinkommen, die speziell auf die Ausbildung solcher internationaler Eisenbahnnetze zielten. Dies mag daran gelegen haben, dass eine grenzüberschreitende Vernetzung des Eisenbahnverkehrs aus Sicht der beteiligten Staaten erheblich in deren nationale Regelungsgewalt ein9

Die Abkürzung RIC steht für Regolamento Internazionale delle Carrozze. Der Text des RIC-Übereinkommens in der Fassung vom 1.1.2001 ist abgedruckt in: Internationaler Eisenbahnverband (UIC) (Hrsg.), RIC-Übereinkommen über den Austausch und die Benutzung der Reisezugwagen im internationalen Verkehr, Losbl., Stand: 12.12.2004; zum Vorstehenden näher Haustein, Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 90 ff. Ein Auszug des Textes des RIC-Übereinkommens in der Fassung vom 1.1.2014, welche die Version des RIC von 1.1.2001 ablöste, ist abgedruckt in: Internationaler Eisenbahnverband (UIC) (Hrsg.), RIC – Übereinkommen über den Austausch und die Benutzung der Reisezugwagen im internationalen Verkehr, abrufbar unter: http://www.uic.org/IMG/pdf/ extract_ric_2014-01-01_de.pdf (letzter Zugriff: 1.7.2015). Hintergrund für die Änderungen war die fortschreitende Liberalisierung des Bahnsektors im Rahmen der europäischen Integration. Eine Liste der RIC-Partner mit Stand vom 1.1.2015 ist abrufbar unter: http://www. uic.org/IMG/pdf/liste_der_partner_ric_2015_01_01_de.pdf (letzter Zugriff: 1.7.2015). 10 Dazu näher Haustein, Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 71 ff.; die UIC ist der Sache nach das Arbeitsorgan des nicht als ständige Einrichtung konzipierten Staatsvertrages über die Technische Einheit (TE). Die UIC hat derzeit 197 Mitglieder, davon 82 aktive, 80 assoziierte und 35 angeschlossene Mitglieder (Stand: 3.6.2015). 11 Dazu näher Haustein, Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 63 ff.; kurz auch Mutz, Railway Transport, International Regulation, in: EPIL, Bd. IV, 2000, 14, 17.

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zugreifen drohte, was namentlich angesichts der im späten 19. und beginnenden 20. Jahrhundert wachsenden politischen Spannungen im europäischen Raum aus strategischen Gründen Bedenken auslöste. Obwohl die Gewährleistung des Rechts der Staaten, beim verstärkten Ausbau internationaler Verkehrsnetze nationale Sicherheitsinteressen zu wahren, auch nach dem Ende des Ersten Weltkrieges weiterhin eine wichtige Rolle spielte, nahm die entsprechende internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des internationalen Eisenbahnwesens sowohl auf der Grundlage der verkehrspolitischen Regelungen des Friedensvertrages von Versailles von 191912 als auch besonders im Rahmen des Völkerbundes einen deutlichen Aufschwung. 2. Die Entwicklung von 1919 bis 1939 Auf der Grundlage des Art. 23 lit. e) VBS, in dem sich die Mitgliedstaaten des Völkerbundes verpflichteten, „die nötigen Anordnungen zu treffen, um die gerechte Regelung des Verkehrs und der Durchfuhr sowie die gerechte Regelung des Handels aller Bundesmitglieder zu gewährleisten und aufrechtzuerhalten,“13 schuf der Völkerbund eine Reihe von Unterorganen und Kommissionen,14 die sich speziell der Entwicklung des internationalen Eisenbahnrechtes in enger Kooperation mit den verschiedenen internationalen Eisenbahnverbänden, so u.a. dem UIC,15 widmen sollten. Aus der Arbeit der mit dem Verkehrswesen befassten Organe des Völkerbundes ist neben dem auf der ersten internationalen Verkehrskonferenz von Barcelona (1921) angenommenen Abkommen über die Freiheit des Transitverkehrs16 das gerade für die Entwicklung eines europäischen Verkehrsnetzes be12

Vgl. dazu Art. 98 und die Art. 365 ff. VFV, RGBl. 1919, 1251 ff.; diese Artikel enthielten zahlreiche Verpflichtungen für Deutschland, so etwa später abzuschließenden Eisenbahnverkehrsübereinkommen beizutreten (Art. 379 VFV) oder mit Nachbarstaaten wie Polen bilaterale Abkommen über einen pass- und zollfreien Durchgangsverkehr zu treffen; vgl. dazu ausführlich Haustein, Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 266 ff., und zu entsprechenden Regelungen in den weiteren Friedensverträgen von Lausanne und Trianon, ebd., 268 ff. 13 Zitiert aus RGBl. 1919, 717, 743. 14 Näher dazu Haustein, Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 35 ff. m.w.N. zur zeitgenössischen Literatur. 15 Zu Entstehung und Bedeutung des UIC siehe näher Haustein, Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 71 ff. 16 Barcelona Übereinkommen und Statut über die Freiheit des Durchgangsverkehrs vom 20.4.1921; LNTS Bd. VII, 11/RGBl. 1924 II, 387; der Beitritt Deutschlands erfolgte mit Schreiben vom 18.3.1924, in Kraft getreten am 16.6.1924, womit Deutschland seiner Verpflichtung aus Art. 379 VFV nachkam.

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sonders bedeutsame Übereinkommen und Statut über die internationale Rechtsordnung der Eisenbahnen hervorgegangen, das am 9. Dezember 1923 in Genf abgeschlossen wurde.17 Das Übereinkommen selbst regelt in zehn Artikeln im Wesentlichen nur Fragen der Ratifikation, des Beitritts, der Kündigung und der Revision. Hervorzuheben ist jedoch Art. 1, in dem die Vertragsparteien erklären, das dem Übereinkommen beigefügte Statut über die internationale Rechtsordnung der Eisenbahnen anzunehmen, und feststellen, dass dieses Statut „einen wesentlichen Bestandteil dieses Übereinkommens“ bildet, und dass die Vertragsparteien „die Verpflichtungen und Verbindlichkeiten des Statuts nach seinem Wortlaut und nach Maßgabe der darin enthaltenen Bedingungen annehmen“. Das Übereinkommen wurde von den meisten europäischen Staaten, darunter Deutschland, ratifiziert.18 Die materiellen Regelungen sind in dem Statut enthalten. Für die hier behandelte Entwicklung eines europäischen Eisenbahnnetzes ist Art. 1 von besonderer Bedeutung. Dort heißt es: „Um ihre Eisenbahnnetze in einer den Bedürfnissen des internationalen Verkehrs entsprechenden Weise zu verbinden, verpflichten sich die Vertragsstaaten: in den Fällen, in denen die Eisenbahnnetze sich schon berühren, auf den bestehenden Strecken den durchgehenden Dienst einzurichten, wo immer es die Bedürfnisse des internationalen Verkehrs verlangen; in den Fällen, in denen die bestehenden Verbindungen den Bedürfnissen des internationalen Verkehrs nicht genügen, sich ihre Entwürfe über den Ausbau bestehender Linien, deren Verbindung mit den Eisenbahnnetzen eines oder mehrerer Vertragsstaaten oder deren Fortsetzung in das Gebiet eines oder mehrerer der Vertragsstaaten diesen Bedürfnissen entsprechen würden, unverzüglich mitzuteilen und sie in wohlwollendem Einvernehmen zu prüfen.“19 Das Ziel, die bestehenden nationalen Eisenbahnnetze zu verbinden, wird in Art. 1 des Statuts klar vorgegeben. In seinen operativen Teilen enthält der Artikel jedoch eine bindende Verpflichtung zur Vernetzung nur der bestehenden Strecken, die sich schon berühren, und zwar durch die Einrichtung durchgehender Dienste. Wo solche Verbindungen noch nicht bestehen, sind die Vertragsparteien zwar verpflichtet, einander über etwaige Pläne für den Ausbau einer internationalen Vernetzung ihrer nationalen Eisenbahnnetze zu informieren. Die Empfänger dieser Informationen sind jedoch nur verpflichtet, diese „in wohlwollendem Einvernehmen“ zu prüfen. Nimmt man den letzten Absatz des Artikels hinzu, wonach die 17

Übereinkommen und Statut über die Rechtsordnung der Eisenbahn vom 9.12.1923, LNTS Bd. XLVII, 55/RGBl. 1927 II, 909. 18 In Kraft getreten für Deutschland am 5.3.1928, Bekanntmachung vom 30.1.1928 in RGBl. 1928 II, 14. 19 Hervorhebungen vom Verf.

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voranstehenden Bestimmungen „keinerlei Verpflichtung nach sich [ziehen] für die Strecken, die aus örtlichen Gründen oder zur Landesverteidigung gebaut sind“, so bleibt festzustellen, dass mit dem klaren Bekenntnis zur Notwendigkeit, ein internationales Eisenbahnverkehrsnetz zu schaffen und mit den in Art. 1 vorhandenen Ansätzen zu verbindlicher Umsetzung dieses Zieles ein für die Zukunft des internationalen Eisenbahnverkehrs wichtiger Schritt getan wurde. Zu weitergehenden Schritten, etwa inter- oder übernationaler verbindlicher Netzplanung, waren die Staaten seinerzeit noch nicht bereit. Nationale Sicherheitsinteressen und das traditionelle Souveränitätsdenken waren zu dieser Zeit noch zu stark ausgeprägt. Auf der anderen Seite ist aber auch zu betonen, dass viele Erleichterungen für den internationalen Eisenbahnverkehr jenseits der grenzüberschreitenden Vernetzung im Wege bilateraler Abkommen und auch durch das Statut von 1923 erreicht wurden, bis die zunehmenden politischen Spannungen in den 1930er Jahren sowohl die Arbeit des Völkerbundes als auch die bilateralen Beziehungen immer stärker belasteten und mit dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges zum Erliegen kamen. II. Internationale Übereinkommen über Eisenbahnnetze Obwohl das Eisenbahnwesen seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert – wie schon dargelegt – bereits von einer intensiven Zusammenarbeit zunächst der nationalen Eisenbahngesellschaften, dann aber auch dieser mit den Regierungen gekennzeichnet war und sich dementsprechend ein vielfältiges Geflecht von internationalen Verbänden entwickelt hat, kam es – anders als im Bereich der Regelung des internationalen Straßenverkehrs – erst in der 1980er Jahren zu Planungen eines transeuropäischen Eisenbahnnetzes. Eine Planungskonzeption wie die Deklaration über das Europäische Verkehrsnetz von 1950 sucht man im Bereich des Eisenbahnverkehrs in der Nachkriegszeit vergeblich. Lediglich innerhalb der 1957 geschaffenen EWG wurde aufgrund Art. 74 EGV mit der Verpflichtung der Mitgliedstaaten auf eine gemeinsame Verkehrspolitik die verbindliche Grundlage auch für eine Verkehrswegeplanung für die Eisenbahn geschaffen. Ausdrücklich wird im Beschluss des Rates der EWG von 1966 über das Beratungsverfahren für Investitionen auf dem Gebiet des Baus neuer Verkehrswege oder der Verstärkung vorhandener Verkehrswege auch der Eisenbahnverkehr aufgeführt. Erst nachdem 1975 im Rahmen der UNECE das Europäische Übereinkommen über die Hauptstraßen des internationalen Verkehrs (AGR) beschlossen worden war, erhielten Bestrebungen, ein entsprechendes europäisches Verkehrsnetz auch für die Eisenbahn zu schaffen Auftrieb. Es dauerte jedoch weitere zehn Jahre bis schließlich am 31. Mai 1985 das Europäische Übereinkommen über die Hauptli-

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nien des internationalen Eisenbahnverkehrs (AGC) in Genf unterzeichnet wurde. Das AGC trat am 27. April 1989 in Kraft, nachdem die in Art. 6 aufgestellten Bedingungen – Ablauf einer Frist von 90 Tagen nach Hinterlegung der achten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde, sowie das Erfordernis, dass eine oder mehrere Linien des internationalen ‚E‘-Eisenbahnnetzes die Hoheitsgebiete von mindestens vier dieser Staaten durchgehend verbinden – erfüllt waren.20 Das AGC lehnt sich in Aufbau und Inhalt an das AGR von 1975 an, soweit nicht der Stand der Entwicklung der nationalen Eisenbahnen und Besonderheiten des Eisenbahnverkehrs kleinere Abweichungen erforderte. Das Übereinkommen hat nur drei der Sachmaterie gewidmete Artikel, allerdings zwei Anlagen, die im Einzelnen das internationale ‚E‘-Eisenbahnnetz (Anlage I) sowie die technischen Merkmale der Hauptlinien des internationalen Eisenbahnverkehrs beschreiben (Anlage II). Die übrigen 12 Artikel betreffen die Regelungen zum Inkrafttreten (Art. 4–6), das Streitbeilegungsverfahren (Art. 8–9) das Verfahren zur Änderung des Hauptwortlautes sowie der Anlagen (Art. 11–13) und die Regelungen zur Kündigung und zur Aussetzung der Anwendung des Übereinkommens bei Unterschreitung der Zahl der Vertragsparteien von acht über eine Zeitraum von 12 Monaten (Art. 14–15). In der Präambel betonen die Vertragsparteien die Notwendigkeit, „den internationalen Eisenbahnverkehr in Europa zu erleichtern und zu entwickeln“ und ferner, „dass es zur Verstärkung der Beziehungen zwischen den europäischen Ländern wichtig ist, einen koordinierten Plan für den Ausbau und den Bau von Eisenbahnlinien21 vorzusehen, die den zukünftigen Erfordernissen des internationalen Verkehrs entsprechen.“ Die zentralen Vorschriften sind in den Art. 1 und 2 AGC enthalten. In Art. 1 AGC billigen die Vertragsparteien das vorgeschlagene Eisenbahnnetz, das als „Internationales ‚E‘-Eisenbahnnetz“ bezeichnet und in der Anlage I beschrieben wird, als koordinierten Plan für den Ausbau und Bau von Eisenbahnlinien von großer internationaler Bedeutung. Zudem erklären sie die Absicht, „diesen Plan im Rahmen ihrer nationalen Programme entsprechend ihren jeweiligen Rechtsvorschriften zu verwirklichen.“ Dabei sind sie allerdings an die in Anlage I festgelegten Eisenbahnverkehrslinien sowie an die technischen Merkmale gebunden. Das ergibt sich aus der in Art. 1 AGC ausgesprochenen Billigung des in Anlage I beschriebenen Internationalen ‚E‘-Eisenbahnnetzes und aus der in Art. 3 AGC enthaltenen Festlegung, wonach das ‚E‘-Eisenbahnnetz der „großen Magistralen“ den 20

Europäisches Übereinkommen über die Hauptlinien des internationalen Eisenbahnverkehrs vom 31.5.1985, UNTS Bd. 1530, 65/BGBl. 1988 II, 988; dem Übereinkommen gehören 27 Staaten an, darunter Deutschland (Stand: 2.6.2015). 21 Hervorhebungen vom Verf.

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technischen Merkmalen der Anlage II „entspricht“ oder den Bestimmungen der Anlage II „bei den im Rahmen der nationalen Programme durchgeführten Baumaßnahmen angepasst“ wird. Hervorzuheben ist Art. 7 AGC, der einen nationalen Regelungsvorbehalt für die Vertragsparteien enthält. Danach ist das Übereinkommen „nicht so auszulegen, als hindere es eine Vertragspartei daran, die mit der Charta der Vereinten Nationen übereinstimmenden und auf das jeweils Erforderliche beschränkten Maßnahmen zu treffen, die nach ihrer Auffassung für ihre äußere oder innere Sicherheit notwendig sind“.22 Hier wird die besondere strategische Bedeutung deutlich, welche die Staaten dem Eisenbahnverkehr und dem dafür zur Verfügung stehenden Schienennetz beimessen. Doch ist dieser auf dem Gedanken der Wahrung der staatlichen Souveränität beruhende nationale Regelungsvorbehalt relativ zurückhaltend formuliert, indem seine Ausübung nicht nur an die Einhaltung der Charta der Vereinten Nationen – und wichtiger noch – an die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsprinzips gebunden ist. Auch müssen in diesem Rahmen getroffene Sicherheitsmaßnahmen zeitlich begrenzt bleiben und dem Generalsekretär der Vereinten Nationen als Verwahrer (Depositar) des Übereinkommens unter Angabe ihrer Art umgehend notifiziert werden. Das heißt, die Ausübung des nationalen Regelungsvorbehalts ist materiell rechtlich und prozedural gebunden und damit kontrollierbar – gegebenenfalls im Rahmen des judiziären Streitbeilegungsverfahrens, von dem sich die Vertragsparteien allerdings nach Art. 9 AGC freizeichnen können. Für den Eisenbahngüterverkehr spielt – anders als beim Straßengüterverkehr – neben der Vereinfachung und Vereinheitlichung der Frachtverträge und -dokumente die technische Ausgestaltung des Verkehrsnetzes und namentlich der Terminals im Hinblick auf den wachsenden multimodalen Transport eine besonders wichtige Rolle. Aufgrund der nach wie vor unterschiedlichen nationalen Infrastrukturen und technischen Unterschieden beim rollenden Material ergab sich für den mit der Eisenbahn durchgeführten internationalen multimodalen Gütertransport die Notwendigkeit, u.a. auf der Grundlage des AGC ein Netz der Eisenbahnlinien des internationalen kombinierten Verkehrs zu schaffen, das den besonderen technischen und infrastrukturellen Anforderungen entspricht. Im Rahmen der UNECE ist über ein entsprechendes Übereinkommen im Jahre 1991 Einigkeit erzielt worden. Das Europäische Übereinkommen über wichtige Linien des internationalen kombinierten Verkehrs und damit zusammenhängende Einrichtungen (AGTC) wurde am 1. Februar 1991 in Genf unterzeichnet.23 Das AGTC lehnt sich im 22

Hervorhebung vom Verf. UNTS Bd. 1746, 3/BGBl. 1994 II, 980; dem am 20.10.1993 in Kraft getretenen Übereinkommen gehören derzeit 32 Staaten an, darunter Deutschland. Das Protocol on Combined Transport on Inland Waterways to the European Agreement on Important International 23

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Aufbau und teilweise auch inhaltlich an das AGC an. Allerdings setzt bereits die Präambel nicht nur gegenüber dem AGC, sondern auch früheren, vom Inlandsverkehrsausschuss der UNECE erarbeiteten Verkehrsverträgen, neue Akzente. Natürlich steht das Bemühen um eine leistungsfähigere und kundenfreundlichere Gestaltung des grenzüberschreitenden kombinierten Verkehrs und die dazu erforderliche Schaffung entsprechender rechtlicher Rahmenbedingungen, die einen koordinierten Plan für den Ausbau der Dienste des kombinierten Verkehrs und der für ihren Betrieb erforderlichen Infrastruktur festlegen, im Zentrum des Übereinkommens. Unübersehbar ist jedoch, dass die Präambel gleich zweimal auch auf Umweltschutzbelange verweist. So wird auf die „nachteiligen Auswirkungen […] auf die Umwelt“ durch die Zunahme des internationalen Güterverkehrs Bezug genommen und auf die „große Bedeutung des kombinierten Verkehrs für die Entlastung des europäischen Straßennetzes, insbesondere im alpenquerenden Verkehr, und der Milderung von Umweltschäden“ hingewiesen. Mit anderen Worten heißt dies, dass nicht nur die Verbesserung der rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen für einen effizienteren kombinierten Transport Ziel des Übereinkommens ist, sondern auch die verstärkte Verlagerung des Gütertransports von der Straße auf die Schiene. Das AGTC beginnt in Art. 1 mit Legaldefinitionen für die Begriffe „kombinierter Verkehr“, „Netz wichtiger Linien des internationalen kombinierten Verkehrs“ sowie „damit zusammenhängender Einrichtungen.“ Danach bezeichnet der Begriff „kombinierter Verkehr“ „die Beförderung von Gütern in ein und derselben Beförderungseinheit unter Benutzung mehr als eines Verkehrsträgers“ (Art. 1 lit. a)). Diese knappe Definition hebt sich deutlich von der sehr viel detaillierteren Definition des International multimodal transport in der gut zehn Jahre früher erarbeiteten United Nations Convention on International Multimodal Transport of Goods ab, die jedoch wie bereits ausgeführt, bis heute nicht in Kraft getreten ist. Hierin dürfte jedoch nicht der Grund dafür zu sehen sein, dass die Vertragsstaaten des AGTC nicht auf die frühere Legaldefinition des Begriffs des internationalen multimodalen Transports zurückgegriffen haben. Vielmehr ist der Grund für diese Abweichung von der United Nations Convention on International Multimodal Transport of Goods darin zu sehen, dass das AGTC als ein auf Europa begrenztes Abkommen auch inhaltlich ein begrenzteres Regelungsziel verfolgt. Es geht hier um die Festlegung von Rahmenbedingungen für einen „koordinierten Plan für den Ausbau der Dienste des kombinierten Verkehrs und der für ihren Betrieb erCombined Transport Lines and Related Installations (AGTC) of 1991 vom 17.1.1997, UNTS Bd. 1746, 3, ist am 29.10.2009 in Kraft getreten. Dem Protokoll gehören derzeit 9 Staaten an, 7 weitere, darunter Deutschland, haben das Protokoll bisher nur unterzeichnet (Stand: 3.6.2015).

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forderlichen Infrastruktur […], welcher sich auf international vereinbarte Leistungsparameter und -vorgaben stützt,“ während die UN-Konvention eine umfassende Regelung des internationalen modalen Gütertransports unter Einschluss der vereinheitlichten Frachtdokumente, der Haftungsfragen und weiterer handelsrechtlicher Probleme anstrebte. Dem verkehrstechnischen Ziel des AGTC entsprechend bezeichnet der Begriff des „Netz[es] wichtiger Linien des internationalen kombinierten Verkehrs“ „alle für den internationalen kombinierten Verkehr als wichtig erachteten Eisenbahnlinien, i) wenn sie gegenwärtig für den internationalen kombinierten Linienverkehr genutzt werden […]; ii) wenn sie wichtige Zulaufstrecken für internationalen kombinierten Verkehr darstellen; iii) wenn sie voraussichtlich in naher Zukunft zu wichtigen Linien des kombinierten Verkehrs (entsprechend der Begriffsbestimmung unter den Ziffern i und ii) werden“ (Art. 1 Abs. b). Der Begriff „damit zusammenhängender Einrichtungen“ bezeichnet nach Art. 1 Abs. c Terminals im kombinierten Verkehr, Grenzübergangspunkte, Spurwechselbahnhöfe und Fährschiffverbindungen/Fährhäfen, die für den internationalen kombinierten von Bedeutung sind. Wie schon das Übereinkommen und Statut über die Rechtsordnung der Eisenbahn von 1923 und das AGC bedient sich auch das AGTC der Regelungstechnik, die konkreten Detailvorschriften in Anlagen festzuhalten, die einen integralen Bestandteil des Übereinkommens bilden (Art. 5), während im Übereinkommenstext die Vertragsparteien lediglich „die Bestimmungen dieses Übereinkommens als einen koordinierten internationalen Plan für die Entwicklung und den Betrieb eines Netzes wichtiger Linien des internationalen kombinierten Verkehrs und damit zusammenhängender Einrichtungen“ annehmen und die Absicht erklären, „diesen Plan im Rahmen ihrer nationalen Programme zu verwirklichen“ (Art. 2 Satz 1). Darüber hinaus wird in Art. 2 AGTC bestimmt, das zu verwirklichende Netz des internationalen kombinierten Verkehrs „aus den in Anlage I aufgeführten Eisenbahnlinien sowie aus den Terminals im kombinierten Verkehr, Grenzübergangspunkten, Spurwechselbahnhöfen und Fährschiffverbindungen/Fährhäfen [besteht], die für den internationalen kombinierten Verkehr von Bedeutung sind“ und in der Anlage II aufgeführt sind. Art. 3 AGTC legt fest, dass die technischen Merkmale der Eisenbahnlinien des Netzes des internationalen kombinierten Verkehrs der Anlage III entsprechen oder bei im Rahmen der nationalen Programme durchgeführten Baumaßnahmen angepasst werden. Die Eisenbahnlinien des Netzes des internationalen kombinierten Verkehrs erhalten die Bezeichnung „C-E“ in Verbindung mit einer arabischen Zahl, wobei das „E“ deutlich macht, dass die „C-E“ Linien im wesentlichen den in Anlage I des AGC festgelegten Hauptlinien

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(„E“-Linien) des internationalen Eisenbahnverkehrs entsprechen.24 In Art. 4 AGTC verpflichten sich die Vertragsparteien schließlich, zur Erleichterung der Dienste des internationalen kombinierten Verkehrs innerhalb des Netzes geeignete Maßnahmen zu ergreifen, „um die Leistungsparameter und Mindestvorgaben für Züge im kombinierten Verkehr und damit zusammenhängenden Einrichtungen zu erreichen, auf die in Anlage IV Bezug genommen wird.“ Die weiteren sechzehn Artikel des AGTC betreffen die üblichen Vertragsregularien wie das Erfordernis der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung (Art. 8), die Möglichkeit des Beitritts (Art. 9) und das Inkrafttreten (Art. 10). Hervorzuheben sind hier die Art. 11 und 17 AGTC. Art. 11 betrifft die Einräumung eines nationalen Regelungsvorbehalts – wie im AGC – für Bewahrung der äußeren und inneren Sicherheit. Entsprechende Maßnahmen müssen allerdings verhältnismäßig und zeitlich begrenzt sein. Sie sind zudem dem Depositar (dem Generalsekretär der Vereinten Nationen – Art. 6) umgehend zu notifizieren. Art. 17 AGTC enthält eine Schutzklausel, nach der die Bestimmungen dieses Übereinkommens „nicht anderen Bestimmungen vorgehen [dürfen], die einige Staaten in Übereinstimmung mit anderen mehrseitigen Verträgen, wie zum Beispiel dem Vertrag von Rom von 1957 zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, untereinander anzuwenden genötigt sind.“ Zusammen mit dem AGC bildet das AGTC einen wichtigen Schritt hin zu einer deutlichen Verbesserung der Rahmenbedingungen für einen effizienten internationalen Eisenbahnverkehr.25 Unübersehbar ist jedoch auch beim AGTC die Betonung der Achtung der nationalen Entscheidungsgewalt sowohl im Hinblick auf das „Ob“ von im Einklang mit den Vorgaben des Übereinkommens vorzuneh24 In der Anlage I zum AGTC wird dazu angemerkt: „‘C-E’ denotes railway lines essentially identical to relevant E lines of the European Agreement on Main International Railway Lines (AGC) of 1985. ‘C’ denotes other lines important for international combined transport. ‘C’ line numbers are identical to those of the nearest E line and are sometimes followed by a serial number. The E number has been placed for easy reference and comparison with the lines contained in the AGC. It in no way indicates whether States are or intend to become Contracting Parties to the AGC“. 25 Neben den oben geschilderten multilateralen Verträgen zur Entwicklung eines europäischen bzw. transeuropäischen Eisenbahnnetzes spielen in der Praxis weiterhin bilaterale Abkommen eine wichtige Rolle. Als ein entsprechendes Beispiel aus der jüngeren Vergangenheit sei hier auf das zwischen Deutschland und Polen geschlossene „Abkommen zwischen dem Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen der Bundesrepublik Deutschland und dem Minister für Infrastruktur der Republik Polen über die Zusammenarbeit bei der Weiterentwicklung der Eisenbahnverbindungen Berlin-Warschau (Warszawa) (C-E 20) sowie Dresden-Breslau (Wroclaw) (E 30/C-E 30)“ vom 5.6.2003, BGBl. 2003 II, 650 verwiesen.

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menden Baumaßnahmen als auch bezüglich des „wie“ der Umsetzung des Netzplanes im Rahmen nationaler Programme. Jedoch ist zu bedenken, dass durch die Gründung der Zwischenstaatlichen Organisation für den Internationalen Eisenbahnverkehr (OCTI) aufgrund des Übereinkommens vom 9. Mai 1980 und insbesondere durch dessen Neufassung durch das Änderungsprotokoll vom 3. Juni 1999 eine auf eine integrierte und umfassende Ordnung des internationalen Eisenbahnwesens geschaffen worden ist, die die einzelstaatliche Regelungsgewalt erheblich einschränken wird. III. Transeuropäische Netze im Rahmen der EG/EU Wie bereits ausgeführt, ist in der EG/EU nicht nur die Entwicklung einer gemeinsamen Verkehrspolitik im Allgemeinen, sondern auch auf dem Gebiet der Eisenbahnen im Besonderen nur zögerlich in Gang gekommen. Erst in den 1980er Jahren entwickelte sich so etwas wie eine übergreifende EG-Eisenbahnpolitik, die einerseits auf die Stärkung der internationalen Eisenbahnzusammenarbeit, andererseits aber auch auf die Errichtung eines Binnenmarktes für den Schienenverkehr zielte.26 Es dauerte jedoch noch fast zehn Jahre bis die Schaffung eines nicht nur europäischen, sondern zugleich transeuropäischen Verkehrsnetzes unter Einschluss des Schienenverkehrs von der EG aufgegriffen wurde. Speziell den Ausbau des Schienennetzes für Hochgeschwindigkeitszüge betrifft die Richtlinie 96/48/EG vom 23. Juli 199627 über die Interoperabilität des transeuropäischen Hochgeschwindigkeitsbahnsystems.28 Dieser Richtlinie folgte fünf Jahre später die Richtlinie 2001/16/EG vom 19. März 200129 über die Interoperabilität des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems. Durch die Richtlinie 2004/50/EG vom 29. April 200430 und die Richtlinie 2008/57/EG vom 17. Juni 200831 wurden die beiden Richtlinien in wesentlichen Teilen geändert. Die Richtlinien haben gegenüber den Regelungen des AGTC Vorrang, wie dies Art. 17 26

Dazu Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 4. Aufl. 2009, § 27 Rn. 29. ABl. Nr. L 235/6 vom 17.9.1996; zu diesen wie zahlreichen anderen, nicht das Eisenbahnnetz betreffenden EG/EU Regelungen siehe Wittenberg u.a., Kommentar zum Allgemeinen Eisenbahngesetz (AEG), 2004, 16 ff. 28 Dazu näher Fox, „Interoperabilität“ Europaweite Harmonisierung des Hochgeschwindigkeitsbahnverkehrs, ETR 46 (1997), 549 ff.; Seifart/Schweinsberg, Interoperabilität im europäischen Hochgeschwindigkeitsbahnverkehr, ETR 49 (2000), 160 ff.; Ronellenfitsch, Die Umsetzung des Eisenbahninfrastrukturpaketes, DVBl. 2002, 657 ff. 29 ABl. Nr. L 110/1 vom 20.4.2001. 30 ABl. Nr. L 164/114 vom 30.4.2004. 31 ABl. Nr. L 191/1 vom 18.7.2008. 27

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AGTC auch unterstreicht. In der Sache spielt der Vorrang in diesem Fall keine Rolle, weil sowohl das AGTC ausdrücklich als auch die Richtlinie ihrer Natur nach die Umsetzung der jeweiligen – übereinstimmenden – Regelungsziele in die Hand der Vertrags- bzw. Mitgliedstaaten legen, in beiden Fällen also der nationalen Entscheidungsgewalt Raum gelassen wird.32 Neben der Entwicklung eines interoperablen transeuropäischen Schienennetzes erforderte die Errichtung eines Binnenmarktes im Schienenverkehr auch die schrittweise Umwandlung der Eisenbahnverwaltungen in Dienstleistungsunternehmen und damit auch die Schaffung der Voraussetzungen für Wettbewerb dieser Unternehmen untereinander. Einen bedeutenden Schritt auf dem Wege zu einer umfassenden Eisenbahnpolitik der EG/EU wurde mit der Richtlinie 91/440/EWG zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen unternommen, mit der Verpflichtungen u.a. zur unabhängigen Geschäftsführung der Eisenbahnunternehmen, zur rechnerischen Trennung von Infrastruktur und Verkehrsleistungen, zur Sanierung der Finanzstrukturen und zur Zulassung internationaler Eisenbahngruppierungen zu den nationalen Eisenbahnnetzen festgelegt wurden.33 Die mit der Richtlinie 91/440/EWG eingeleitete Eisenbahnpolitik wurde mit drei sog. Bahnpaketen34 zur Weiterentwicklung der Liberalisierung des Güterverkehrs auf bestimmten transeuropäischen Routen, der Kabotagefreiheit im 32 Zur teilweisen Umsetzung der Richtlinie 2001/16/EG in Deutschland siehe die Verordnung über die Interoperabilität des konventionellen transeuropäischen Eisenbahnsystems vom 9.6.2005, BGBl. 2005 I, 1653; zur Trennung von Netz und Betrieb der DB siehe näher Berschin, Zur Trennung von Netz und Betrieb der DB aufgrund des europäischen Eisenbahnpaktes, DVBl. 2002, 1079 ff.; zur Umsetzung der Richtlinie 2008/57/EG in Deutschland siehe das Achte Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 12.9.2012, BGBl. 2012 I, 1884 sowie die Verordnung über die Interoperabilität des transeuropäischen Eisenbahnsystems (Transeuropäische-Eisenbahn-Interoperabilitätsverordnung-TEIV) vom 5.7.2007, BGBl. 2007 I, 1305; zuletzt geändert durch die Vierte Verordnung zur Änderung der Transeuropäischen Eisenbahn-Interoperabilitätsverordnung vom 30.3.2015, BGBl. 2015 I, 420. 33 Richtlinie 91/440/EWG des Rates vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft, ABl. Nr. L 237/25 vom 24.8.1991; aufgehoben durch Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums, ABl. Nr. L 343/32 vom 14.12.2012; dazu Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 4. Aufl. 2009, § 27 Rn. 30. 34 Für die jüngsten Vorschläge der Kommission für ein viertes Bahnpaket siehe die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen über „Das vierte Eisenbahnpaket – Vollendung des einheitlichen Europäischen Eisenbahnraums zur Steigerung von Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum in der EU“, KOM (2013) 25 endg.

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Güterverkehr in den Mitgliedstaaten der EG/EU und schließlich zur begrenzten europaweiten Öffnung des Personenverkehrs auf den transeuropäischen Routen in Konkurrenz der EG-Eisenbahnunternehmen fortgeführt.35 Mit der Verordnung (EG) Nr. 881/200436 wurde die Europäische Eisenbahnagentur gegründet. Aufgabe der Agentur mit Sitz in Lille/Vallenciennes (Frankreich) ist es, auf dem Gebiet der Sicherheit auf den Eisenbahnen der Gemeinschaft sowie im Bereich der Eisenbahninteroperabilität gemeinsame Ziele bzw. Vorschläge zur Unterstützung der Europäischen Kommission, des Rates und der Parlaments zu erarbeiten. Die Verordnung legt die Organisation und die Arbeitsmethoden der vorgesehenen etwa 100 Mitarbeiter fest.

B. Die technische Zusammenarbeit Wie schon zuvor betont, verlangt das Eisenbahnwesen – will es einem möglichst reibungslosen und effizienten grenzüberschreitenden Verkehr sichern – seiner Natur nach eine enge internationale Zusammenarbeit. Die Bemühungen, für diese Zusammenarbeit verlässliche rechtliche Grundlagen zu schaffen, gehen deshalb in ihren Anfängen auf das 19. Jahrhundert zurück und wurden bis in die Gegenwart kontinuierlich fortgeführt. Jenseits der zuvor behandelten Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Entwicklung eines transeuropäischen Eisenbahnnetzes und der Festlegung der technischen Einheit im Eisenbahnwesen (TE) durch das Berner Übereinkommen von 1887 sind es im Wesentlichen vier weitere Bereiche, die im Laufe der Zeit Gegenstand völkerrechtlicher oder nicht-völkerrechtlicher internationaler Regelungen wurden: der grenzüberschreitende Einsatz und der Erwerb des rollenden Materials, die Vorhaltung spezieller Dienste (Speise- und Schlafwagenservice), die grenzüberschreitende Fahrplangestaltung und die gegenseitige Nutzung von Grenzbahnhöfen.

35

Siehe dazu näher Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 4. Aufl. 2009, § 27 Rn. 29 ff. 36 Verordnung (EG) Nr. 881/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Errichtung einer Europäischen Eisenbahnagentur (Agenturverordnung), ABl. Nr. L 164/1 vom 30.4.2004; ber. ABl. Nr. L 220/3 vom 21.6.2004; geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1335/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 2008 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 881/2004 zur Errichtung einer Europäischen Eisenbahnagentur (Agenturverordnung), ABl. Nr. L 354/51 vom 31.12.2008; nähere Einzelheiten zu den Aufgaben der Agentur sind abrufbar unter: http://www.era. europa.eu/Core-Activities/Pages/home.aspx (letzter Zugriff: 3.6.2015).

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I. Wechselseitige Wagenbenutzung Die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der wechselseitigen Wagenbenutzung begann bereits in der Mitte des 19. Jahrhunderts, als der VMEV 1855 die ersten „Normalbestimmungen für die wechselseitige Wagenbenutzung“ schuf, die dann in das Vereinswagenübereinkommen übergingen. Dieses Übereinkommen galt bis 1914 und wurde 1921 vom Internationalen Güterwagenverband fast wörtlich in das Übereinkommen über die gegenseitige Benutzung von Güterwagen im internationalen Verkehr (RIV-Übereinkommen) übernommen. Entsprechend verlief die Entwicklung für die gegenseitige Benutzung der Personen- und Gepäckwagen. Das 1923 geschlossene Übereinkommen über die gegenseitige Benutzung der Personen- und Gepäckwagen (RIC-Übereinkommen), das dem RIVÜbereinkommen entspricht, beruhte auf dem schon vor dem Ersten Weltkrieg von zahlreichen europäischen Eisenbahnverwaltungen erarbeiteten EWP. Beide Verträge – das RIC- und das RIV-Übereinkommen – wurden von nationalen Eisenbahnverwaltungen geschlossen. Sie waren damit – und sind bis heute nach herrschender Lehre37 – keine völkerrechtlichen Verträge, auch wenn die vertragschließenden Parteien je eigene Rechtspersönlichkeit nach dem Sitzstaatsrecht besaßen oder staatseigene Unternehmen waren und Sachverhalte von eminent öffentlichem Interesse international regelten.38 Beide Übereinkommen enthielten nicht nur die Sachregelungen über die gegenseitige Benutzung bestimmten rollenden Materials, sondern auch institutionelle Vorkehrungen, indem sie vorsahen, dass die beteiligten Eisenbahnverwaltungen im Falle des RIV-Übereinkommens den Internationalen Güterwagenverband und im Falle des RIC-Übereinkommens den Internationalen Personen- und Gepäckwagenverband bildeten. Die 37 Zur Frage einer partiellen, abgeleiteten Völkerrechtssubjektivität von internationalen nichtstaatlichen Organisationen siehe näher Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/2, 2. Aufl. 2002, 231 ff.; im Falle der RIC- und RIV-Übereinkommen scheiterte die Annahme ihrer völkerrechtlichen Qualität allerdings daran, dass die Staaten, deren Eisenbahnverwaltungen die Übereinkommen geschlossen hatten, bis heute nicht von deren völkerrechtlicher Qualität ausgehen und damit implizit zu erkennen gaben, dass sie den vertragschließenden Eisenbahnverwaltungen keine abgeleitete partielle Völkerrechtssubjektivität zumessen. 38 Haustein, Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 158, spricht von den RIV- und RIC-Übereinkommen als „multilateralen Verträgen der Eisenbahnverwaltungen“ – heute als Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) bezeichnet. Die Änderung der Bezeichnung ist ein Hinweis auf das Ziel der Privatisierung der Eisenbahnen, vgl. zur Terminologie das dem Vertrag beigefügte Abkürzungsverzeichnis des RIV-Übereinkommens, Anhang B, abgedruckt in: Internationaler Eisenbahnverband (UIC) (Hrsg.), RIV 2000 – Übereinkommen über den Austausch und die Benutzung von Güterwagen zwischen Eisenbahnverkehrsunternehmen, Losbl., Stand: 1.1.2005. Die Bezeichnung EVU wurde nur für Mitglieder (Vertragsparteien) des RIV-Übereinkommens verwendet, so Teil 1, Ziff. 1.1.

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Verbände waren als unabhängige, selbständige Organisationen ausgestaltet, als deren Organe die Vollversammlung, der Ausschuss und eine geschäftsführende Verwaltung vorgesehen wurden.39 Bis 1982 standen beide Verbände unter der geschäftsführenden Verwaltung der Schweizer Staatsbahnen (SSB-CFF-FFS). Von dieser Zeit an wurden die Verbände und ihre Tätigkeitsfelder in die UIC eingegliedert, und an die Stelle der bisherigen geschäftsführenden Verwaltung trat das Büro RIV/RIC der UIC,40 so dass die späteren Fassungen der Übereinkommen keine institutionellen Regelungen mehr enthielten.41 1. Das RIV-Übereinkommen für Güterwagen von 1921 Das Übereinkommen über den Austausch und die Benutzung von Güterwagen zwischen Eisenbahnverkehrsunternehmen (RIV-Übereinkommen) von 192142 gilt derzeit in der Fassung vom 1. Januar 2000 mit von 2001, 2002, 2004 und 2005.43 Das Übereinkommen besteht aus einer Präambel, drei Teilen (I–III), die in Unterabschnitte nach dem dekadischen System (z.B. Ziff. 1.1 usw.) untergliedert sind, aus zwei Anhängen (Begriffsbestimmungen und Abkürzungen) und insgesamt zwölf Anlagen, zahlreichen Mustern, z.B. von Versandzetteln und Begleitscheinen, sowie sog. Blättern mit Abbildungen von Zeichen für Wagenanschriften und mit technischen Zeichnungen u.ä. (Blätter 1–30). Sie sind alle Bestandteile des 39

Dazu ausführlich Haustein, Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 84 ff. (RIV-Verband) und 90 ff. (RIC-Verband); auch Bergner u.a., Internationales Verkehrsrecht, 2. Aufl. 1986, 318 f. (RIV-Verband) und 222 f. (RIC-Verband). 40 Vgl. die Hinweise bei Miskoc, Die Zukunft des RIV-Übereinkommens unter neuen Bedingungen, Vortrag in Paris am 11.8.2004, abrufbar unter: http://www.uiprail.org/ documents/Miskoc%20D.pdf (letzter Zugriff: 16.6.2015). 41 Lediglich im RIV-Übereinkommen wurde in Ziff. 3.1 auf die Statuten des RIV verwiesen, die in der RIV-Geschäftsordnung (UIC Merkblatt C 2) enthalten waren. Im RIC-Übereinkommen findet sich nicht einmal ein solcher Hinweis. Ziff. 3.3 verweist auf ein getrennt aufgelegtes RIV-Adressenverzeichnis, in dem die Adressen der EVU aufgeführt sind. Die EVU sind verpflichtet, „Anschriftenänderungen den anderen EVU sowie dem RIC/RIV-Büro unverzüglich bekanntzugeben. Jedes EVU haftet für alle Schäden, die sich daraus ergeben, dass Anschriftenänderungen den übrigen EVU nicht rechtzeitig mitgeteilt worden sind“. 42 Die Abkürzung RIV steht für Regolamento Internazionale Veicoli. Das RIV trat am 1.1.1922 in Kraft; siehe dazu näher Haustein, Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 69 f. und 85 f.; auch Bergner u.a., Internationales Verkehrsrecht, 2. Aufl. 1986, 318 f. 43 Der Text in der Fassung vom 1.7.2000 mit den oben erwähnten Änderungen ist abgedruckt in: Internationaler Eisenbahnverband (UIC) (Hrsg.), RIV 2000 – Übereinkommen über den Austausch und die Benutzung von Güterwagen zwischen Eisenbahnverkehrsunternehmen, Losbl., Stand: 1.1.2005.

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Übereinkommens (Ziff. 1.6). In der kurzen Präambel heißt es, dass bei „der Beförderung von Gütern durch mehrere Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) […] technische und betriebliche Regeln für reibungslose Verwendung von Wagen erforderlich“ seien. Solche Regeln trügen dazu bei, „die Effizienz und damit die Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs zu steigern.“ Diesem Zweck soll das RIV-Übereinkommen dienen. Teil I regelt den Anwendungsbereich des RIV-Übereinkommens. Es gilt demnach grundsätzlich „für leere und beladene Wagen, die Gegenstand eines internationalen CIM-Frachtvertrags44 sind, Gegenstand eines Frachtvertrages im Binnenverkehr oder sich außerhalb eines Frachtvertrags im Gewahrsam eines EVU befinden“ (Ziff. 1.2). Als Wagen i.S.d. Übereinkommens gelten alle Wagen des EVU, „dessen Eigentumsmerkmal sie gemäß der einheitlichen UIC-Kennzeichnung tragen“ (Ziff. 1.4). Das Übereinkommen findet auch auf Wagen von Nichtmitgliedern Anwendung, wenn diese Wagen durch ein EVU übernommen worden sind. Sie sind dann wie Wagen der übernehmenden EVU zu behandeln (Ziff. 1.5). Das RIVÜbereinkommen gilt, „soweit keine Sondervereinbarungen zwischen EVU bestehen.“ Solche Sondervereinbarungen sind jedenfalls dann abzuschließen, wenn „das Übereinkommen im Falle eines Binnenverkehrs im Widerspruch zur nationalen Gesetzgebung steht“ (Ziff. 1.3). Die in Teil II niedergelegten Richtlinien gelten „gemeinsam für EVU-Wagen und für Privatgüterwagen (P-Wagen), die bei einem EVU eingestellt sind“, wobei die „Allgemeinen Bedingungen für die Inbetriebnahme und Nutzung von P-Wagen“ nicht im Übereinkommen selbst geregelt, sondern in einem besonderen UIC-Merkblatt 433 enthalten sind. Teil II des RIV-Übereinkommens enthält die „Gemeinsamen Richtlinien für EVU- und P-Wagen.“ Hier finden sich die grundlegenden Regelungen über die Bedingungen für den Austausch und die Beförderung (Kapitel 2.1.), zu denen die Zulassung der Wagen durch die zuständigen Stellen sowie der Nachweis gehören, dass die Wagen den technischen Bestimmungen entsprechen und die Verladerichtlinien eingehalten sind (Ziff. 11.1 RIV-Übereinkommen). Die Kennzeichnung der Wagen mit den Buchstaben „RIV“ ist Nachweis der Zulassung und auch dafür, dass die Wagen den Vorschriften der TE entsprechen (Ziff. 21.1).45 Die Rege44 CIM – Internationales Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr. Dieses Übereinkommen wurde durch die Reformen der internationalen Eisenbahnordnung 1980 in das Internationale Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) – heute in Kraft in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 3.6.1999 – als Anlage integriert. 45 Für die Mitgliedstaaten der zwischenstaatlichen Organisation für den internationalen Eisenbahnverkehr (Organisation Intergouvernementale pour le Transport internationaux Ferroviaires – OTIF) wurden diese Vorschriften bereits durch den Anhang F (APTU) – Verbindlichkeitserklärung technischer Normen und Annahme einheitlicher technischer Vorschriften – zum COTIF ersetzt; siehe dazu näher den Bericht des Zentralamtes über die

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lungen zur Beförderung betreffen die Kennzeichnung der Wagen von Zügen mit normaler Geschwindigkeit und von schnell fahrenden Zügen (Ziff. 11.4). Weiter finden sich in diesem Kapitel nähere Bestimmungen über die Übernahme und Zurückweisung von Wagen. Danach müssen austauschfähige Wagen übernommen werden. Jedes EVU ist verpflichtet, die Wagen schonend und sorgfältig zu behandeln (Ziff. 12.1). Wagen, die nicht den genannten Bedingungen entsprechen, dürfen zurückgewiesen werden (Ziff. 12.2). Austauschfähige Wagen dürfen u.a. dann zurückgewiesen werden, „wenn eine staatliche Behörde die Übernahme verbietet, wenn die Übernahme vorübergehend unmöglich ist oder wenn eine unzulässige Überschreitung der Lastgrenze, der Radsatzlast (Drehgestelllast) oder des Fahrzeuggewichtes je Längeneinheit vorliegt.“ Eine Ausnahme gilt dann, wenn die Überschreitung der Lastgrenze durch während der Fahrt eingetretene Witterungseinflüsse hervorgerufen wird (Ziff. 12.3).46 Die weiteren Kapitel des Teils II betreffen detaillierte technische Regelungen (Kapitel 2.3), das Ersatzteilmanagement (Kapitel 2.3) und die Verladerichtlinien (Kapitel 2.4). Auch in diesem Zusammenhang auftretende Haftungsfragen sind geregelt (Ziff. 37). Der Teil III enthält Richtlinien ausschließlich für EVU-Wagen, welche die Benutzung der Wagen (z.B. Wiederbeladung im Auftrag des Eigentums-EVU und durch das benutzende EVU, die Rückführung ohne Ladung, die Entschädigung der Leerläufe usw. – Kapitel 3.1.) und die Behandlung der Wagen (Reinigung, Auswaschung und Entseuchung – Kapitel 3.2.). Teil IV schließlich regelt die Behandlung der beim Transport benutzten Decken (Kapitel 4.1), die, wenn das übernehmende EVU haften sollte, mit dem Eigentumsmerkmal und mit einer Nummer und der Angabe ihrer Größe in Quadratmeter versehen sein müssen (Ziff. 101.1). Der vorstehende, notwendigerweise unvollständige Überblick über den Inhalt des RIV-Übereinkommens zeigt, welchen hohen Anforderungen der moderne internationale Schienengüterverkehr im Hinblick auf die technische Einheitlichkeit Revision des COTIF durch das Änderungsprotokoll 1999 (Protokoll von Vilnius), Ziff. 33.18, abgedruckt in: OTIF (Hrsg.), Bericht des Zentralamtes über die Revision des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 und erläuternde Bemerkungen zu den von der 5. Generalversammlung angenommenen Texten vom 1.1.2011, 10 ff., abrufbar unter: http://www.otif.org/fileadmin/user_upload/otif_ verlinkte_files/07_veroeff/03_erlaeut/COTIF_Rapport_explicatif_01_01_2011_d.pdf (letzter Zugriff: 24.7.2015). 46 Weitere Ausnahmen von der Übernahmepflicht ergeben sich aus den Vorschriften über den internationalen Güterverkehr (PIM). Wagen, die nach dem internationalen Güterkursbuch (LIM) mit schnellfahrenden Zügen zu befördern sind, dürfen nicht zurückgewiesen werden, wenn sie das Zeichen SS oder ** nicht tragen; sie sind in Zügen mit normaler Geschwindigkeit zu befördern (Ziff. 12.3.4 und Ziff. 12.4). Andere Ausnahmeregelungen enthält die Anlage III.

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und die Koordinierung des Einsatzes des rollenden Materials unterliegt. Für nationale Regelungen bleibt in dem international weit vernetzten Gütertransportsystem nur wenig Raum. Dennoch zeigen z.B. die in den Ziff. 12.1–12.4 RIVÜbereinkommen vorgesehenen Ausnahmen von der Übernahmepflicht von Wagen, dass den nationalen Stellen unter bestimmten Bedingungen ein eigener Regelungsspielraum zugestanden wird. Insgesamt überwiegt jedoch das aus der Natur der Sache – d.h. aus den technischen und transportstrategischen Notwendigkeiten – begründete hohe Maß der Integration der nationalen EVU in das System des internationalen Schienengütertransports. Das RIV-Übereinkommen hat nach Annahme des im Folgenden zu behandelnden Allgemeinen Verwendungsvertrages im Jahr 2005 allerdings viel von seiner Bedeutung verloren. 2. Der Allgemeine Vertrag für die Verwendung von Güterwagen von 2005 Im Zuge der zunehmenden Privatisierung des Eisenbahnverkehrs und der damit verbundenen Ausbildung eines internationalen Eisenbahnverkehrsmarktes ist das Interesse an einem umfassenden, namentlich auch privates rollendes Material für den Güterwagenaustausch einbeziehenden Vertrages über die gegenseitige Nutzung und den Austausch des rollenden Materials gewachsen. Er sollte den seit langer Zeit bestehenden und neuen, in den Markt drängenden Unternehmen zugänglich sein und damit den Herausforderungen der Liberalisierung und des Wettbewerbs zwischen den Güterbahnen in Europa Rechnung tragen.47 Ein solcher Vertrag wurde vom Internationalen Eisenbahnverband (UIC) in Zusammenarbeit mit der European Rail Freight Association (ERFA) und der Internationalen Privatgüterwagen-Union (UIP) erarbeitet und im Sommer 2005 angenommen. Dieser Allgemeine Vertrag für die Verwendung von Güterwagen (Allgemeiner Verwendungsvertrag – AVV),48 der wie das RIV-Übereinkommen kein völkerrechtlicher Vertrag ist, weil von nichtstaatlichen Wirkungseinheiten geschlossen, ist am 1. Januar 2006 in Kraft getreten. Der AVV hat die bisherigen Bestimmungen über den Austausch der Güterwagen zwischen den Eisenbahnunternehmen (EVU) und insbesondere die Bestimmungen des RIV-Übereinkommens und die der UIC-Merkblätter 433 und 99249 für die dem AVV beigetretenen Parteien 47

UIC Pressemitteilung Nr. 2216 vom 5.7.2005. Der Text des AVV in der Fassung vom 1.1.2015 ist abrufbar unter: http://www. gcubureau.org/documents/10184/52492/20150101+-+DE+-+AVV+Full+Version.pdf/ 11d4b4db-617d-4a01-b580-7eb86358d5b5 (letzter Zugriff: 5.6.2015). 49 UIC-Merkblatt 433 „allgemeine einheitliche Bedingungen für die Inbetriebnahme und Nutzung von P-Wagen“ und UIC-Merkblatt 992 „Verteilung der durch die Verwendung oder den Umlauf von Privatgüterwagen verursachten Schäden zwischen den Eisenbahnverkehrsunternehmen“ (EVU). 48

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ersetzt, wobei zu beachten ist, dass der AVV keine Regelung über die Aufhebung des RIV-Übereinkommens enthält. Diejenigen Parteien des RIV-Übereinkommens, die dem AVV nicht beigetreten sind, bleiben also untereinander an das RIVÜbereinkommen gebunden. Das AVV gilt jedoch „auch für Wagen, die nicht dem AVV beigetretenen Haltern gehören und von einem vertraglichen EVU übernommen werden“ (Art. 17 AVV). Der AVV, dem seit seinem Inkrafttreten über 600 Bahnen und Wagenhalter aus 20 Staaten beigetreten sind,50 enthält neben einer sehr kurzen, den Vertragszweck zusammenfassenden Präambel acht Kapitel und vierzehn Anlagen. Kapitel I regelt den Gegenstand, den Anwendungsbereich, die Kündigung und Vertragsänderungen (Art. 1–6). Kapitel II enthält die Vorschriften über die Pflichten und Rechte des Halters hinsichtlich der technischen Zulassung und Instandhaltung der Wagen (Art. 7), der Wagenanschriften und Identifizierung der Wagen (Art. 8) und des Zugriffsrechts des Halters (Art. 9). Entsprechend bestimmt Kapitel III die Pflichten und Rechte des EVU u.a. bezüglich der Übernahme, der Zurückweisung und Behandlung der Wagen (Art. 10–12) sowie bezüglich der Beförderungsfrist der Wagen und der Haftung, der Disposition leerer Wagen, der Informationen an den Halter, Übergabe eines Wagens an Dritte und Übernahme von Wagen dritter Halter (Art. 13–17). Kapitel IV regelt die Feststellung und Behandlung der Schäden an Wagen im Gewahrsam eines EVU (Art. 18–21), Kapitel V die Haftung bei Verlust oder Beschädigung eines Wagens (Art. 22–26), Kapitel VI die Haftung bei Schäden, die durch einen Wagen verursacht werden (Art. 27) und Kapitel VII die Haftung für Bedienstete und andere Personen (Art. 28). Kapitel VIII enthält abschließende Bestimmungen über Verladerichtlinien, Abrechnungen und Zahlungen, Schadensersatzpflichten, den Gerichtstand, die Verjährung, die Vertragssprachen und das Inkrafttreten (Art. 29–35). Unter den vierzehn, vornehmlich technischen Regelungen gewidmeten Anlagen ist die Anlage 8 hervorzuheben. Sie enthält die Geschäftsordnung für die im Rahmen des AVV erforderliche Verwaltung, die – wie beim RIV-Übereinkommen – in der UIC angesiedelt bleibt.51 Der AVV entspricht in den Grundzügen dem RIV-Übereinkommen, ist aber knapper gefasst. Die wesentliche Neuerung besteht darin, dass der AVV sowohl für private als auch öffentlich-rechtliche EVU gilt. Unter einem EVU versteht der AVV jedes private oder öffentlich-rechtliche Unternehmen, „das über eine Lizenz 50

Vgl. dazu die Information des Büros des Allgemeinen Vertrags für die Verwendung von Güterwagen, abrufbar unter: http://www.gcubureau.org/welcome (letzter Zugriff: 3.6.2015). 51 Siehe dazu Miskoc, Die Zukunft des RIV-Übereinkommens unter neuen Bedingungen, Vortrag in Paris am 11.8.2004, abrufbar unter: http://www.uiprail.org/documents/ Miskoc%20D.pdf (letzter Zugriff: 16.6.2015).

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entsprechend der EU-Gesetzgebung verfügt und dessen Haupttätigkeit im Erbringen von Eisenbahnverkehrsleistungen zur Beförderung von Gütern und/oder Personen besteht, wobei dieses Unternehmen verbindlich die Transaktion sicherstellen muss; dieser Begriff umfasst auch die Unternehmen, die nur die Transaktion sicherstellen“ (Anlage 2). Allerdings weist der AVV eine Lücke auf (Art. 6 ist unbesetzt). Das Verfahren für künftige Änderungen, die im Wege der in Art. 4 AVV vorgesehenen Weiterentwicklung des Vertrages geschlossen werden können, ist in der Geschäftsordnung festgelegt. Das AVV-Büro erhält dabei die „redaktionelle und koordinierende Aufgabe“ für die Weiterentwicklung des Vertrages. Ziel des AVV ist es, den in den im Rahmen der COTIF geltenden Einheitlichen Rechtsvorschriften für Verträge über die Verwendung von Wagen im internationalen Eisenbahnverkehr (ERCUV – Anhang D zum COTIF) nur „unvollständig geregelten Verwendungsvertrag mit Inhalt zu füllen und eine Einheitlichkeit der Bedingungen für den Einsatz von Güterwagen in nationalen und internationalen Verkehren herzustellen“. Bemerkenswert ist, dass der AVV – wiewohl kein völkerrechtlicher Vertrag – nach Art. 2.1 AVV im internationalen Eisenbahnverkehr den völkerrechtlichen ERCUV und „in nationalen Eisenbahnverkehren den gegebenenfalls anwendbaren nationalen Vorschriften“ vorgeht, „soweit dies jeweils zulässig ist.“ Dieser „Vorrang“ des AVV vor den ERCUV – und ggfs. auch vor nationalen Regelungen, ist nicht im Sinne eines Vorrangs kraft einer höheren Normqualität des AVV zu verstehen, die ihm als zwischen nichtstaatlichen Wirkungseinheiten geschlossenen Vertrag im Verhältnis zu den völkerrechtlichen Vorschriften der ERCUV nicht zukommen kann. Gemeint ist mit der Regelung des Art. 2.1 AVV, dass in allen Fällen, in denen den Vertragsparteien durch die ERCUV, die weitgehend dispositives Recht enthalten,52 Vertragsfreiheit eingeräumt ist und in denen vom AVV besondere Regeln vorgesehen sind, diese und nicht die – in diesem Sinne subsidiären – Regelungen der ERCUV anzuwenden sind. Entsprechendes gilt auch für das Verhältnis der Regelungen des AVV zum nationalen Recht. Die Frage, wann der Vorbehalt in Art. 2.1 AVV greift, dass die Regelungen des AVV nur vorgehen, „soweit dies jeweils zulässig“ ist, beantwortet sich hinsichtlich des internationalen Eisenbahnverkehrs aus den ERCUV und hinsichtlich des nationalen Rechts aus dessen ggfs. vorhandenen zwingenden Vorschriften.53

52

Nur die Verjährungsregelung der ERCUV (Art. 12) ist durch Parteien nicht abdingbar, weil Art. 12 anders als die anderen Vorschriften der ERCUV keine Klausel enthält, die den Parteien eine abweichende Regelung erlaubt. 53 So die Auskunft des OTIF vom 9.3.2007, die dem Verf. vorliegt.

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3. Das RIC-Übereinkommen für Personen- und Gepäckwagen von 1923 Das zuerst im Jahre 1923, also kurze Zeit nach der Annahme des RIV-Übereinkommens, geschlossene RIC-Übereinkommen wurde mehrfach geändert; heute trägt es den Titel „Übereinkommen über den Austausch und die Benutzung der Reisezugwagen im internationalen Verkehr“ und gilt in der Fassung vom 1. Januar 2001 mit Änderungen von 2002 und 2004.54 Das RIC-Übereinkommen entspricht im Aufbau im Wesentlichen dem RIV-Übereinkommen mit der Ausnahme, dass die Grobeinteilung in Teile entfällt und die Vorschriften lediglich auf acht, mit römischen Zahlen nummerierte Kapitel aufgeteilt werden. Die Kapitel sind ihrerseits in Unterabschnitte mit durchlaufenden arabischen Ziffern (1–42) gegliedert, deren weitere Untergliederung nach dem dekadischen System vorgenommen ist. Den Kapiteln folgen fünf Anlagen (I–V), achtzehn Muster und sieben sog. Blätter, wobei anzumerken ist, dass – anders als im RIV-Übereinkommen – eine Bestimmung fehlt, wonach die Anlagen, Muster und Blätter als Bestandteil des RIC-Übereinkommens sind. Aber auch das Gegenteil ist aus dem Fehlen einer entsprechenden Klausel nicht zu entnehmen, weil zahlreiche Vorschriften des Übereinkommens auf die Anlagen usw. im Sinne einer Rechtsverweisung Bezug nehmen. Die Geschäftsordnung RIC ist – wie beim RIV-Übereinkommen – in einem gesonderten Merkblatt (UIC-Merkblatt C3) enthalten. Anders als das RIV-Übereinkommen beginnt das RIC-Übereinkommen nicht mit einer Präambel, sondern beschränkt sich auf wenige, eher technische Vorbemerkungen. Kapitel I enthält die Regelungen über den Geltungsbereich des Übereinkommens. Dieses Kapitel regelt „den Austausch und die Benutzung der Personenwagen, einschließlich der Schlaf-, Liege- und Speisewagen, sowie „der Gepäck- und Postwagen und Autotransportwagen“ zwischen den dem RIC-Übereinkommen angehörenden EVU, die in der Anlage I aufgeführt sind (Ziff. 1.1.). Entsprechend den Bestimmungen des Übereinkommens „können die EVU auch den Austausch und die Benutzung anderer dem Personenverkehr dienender Fahrzeuge (z.B. Triebzüge) mit Sondervereinbarungen regeln“ (Ziff. 1.1.1). Unter bestimmten Bedingungen gilt das Übereinkommen auch für Privatreisezugwagen (Ziff. 1.1.2). Wagen von EVU, die nicht dem RIC-Übereinkommen angehören, unterfallen dem Übereinkommen, wenn sie von einem Mitglieds-EVU in den RICVerkehr eingebracht werden (Ziff. 1.2). Ziff. 1.3 und 1.4 regeln die Haftung des einen Wagen anderer EVU benutzenden EVU für die Benutzung und Behandlung 54

Die Abkürzung RIC steht für Regolamento Internazionale delle Carrozze. Der Text des RIC-Übereinkommens in der Fassung vom 1.1.2001 ist abgedruckt in: Internationaler Eisenbahnverband (UIC) (Hrsg.), RIC-Übereinkommen über den Austausch und die Benutzung der Reisezugwagen im internationalen Verkehr, Losbl., Stand: 12.12.2004; zum Vorstehenden näher Haustein, Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 90 ff.

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sowie für alle Personen- und Sachschäden, die durch Fahrzeuge anderer EVU verursacht worden sind. Ziff. 2 listet die Bezeichnungen der Wagen- und Wagenstände auf. Kapitel II „Einleitende Bestimmungen“ (Ziff. 3–5), regelt die Beistellung und den Übergang der Wagen. Im Einzelnen betrifft das den Wagenlauf, die Wagenbeistellung und die Wagenqualität, ferner die Bedingungen für die Zugbildung und die Behandlung der Wagen sowie die Übergabe, die Übernahme und die Zurückweisung. Nur übergangsfähige Wagen dürfen in Züge eingestellt werden (Ziff. 4.1). Übergangsfähige Wagen dürfen zurückgewiesen werden, u.a. wenn ihre „Übernahme von der zuständigen Behörde verboten wurde oder von ihre für Züge besondere Vorschriften erlassen wurden, denen die Wagen nicht entsprechen“, „wenn sie aus Gebieten eintreten, für die Quarantänemaßnahmen verfügt wurden“ oder „wenn nach besonderen Transporten die vorgeschriebenen sanitären und hygienischen Maßnahmen (Desinfektion, Reinigung und Entseuchung) nicht vorgenommen worden sind“ (Ziff. 5.1).55 Kapitel III „Durchführung der Züge“ (Ziff. 6–7) behandelt den Verkehr der Wagen sowie Einzelheiten zur Reinigung, Entseuchung und Entsorgung der Wagen. Kapitel IV „Behandlung bei Unregelmäßigkeiten“ (Ziff. 8–13) enthält Bestimmungen zu Aussetzen, Ersatz und Wiedereinstellung von Wagen, Beförderung außer Dienst befindlicher Wagen, Behandlung der Innenausstattung und Zubehörteile, Beschädigung und schwerbeschädigte Wagen, Ersatzteile und Erledigung der Schäden sowie Berechnung der Ersatzkosten. Kapitel V regelt den Ausgleich und die Abrechnung der Laufleistungen der Wagen und die Zahlung (Ziff. 14–16), Kapitel VI enthält technische Bestimmungen (Ziff. 17–37), Kapitel VII die Wagenanschriften (Ziff. 38–39) und Kapitel VIII Bekanntmachungen, Kennzeichnung reservierte Plätze, Wagenlauf- und Nummernschilder. Am 1. Januar 2014 ist eine neue Fassung des RIC-Übereinkommens in Kraft getreten.56 Hintergrund für die Änderungen war die fortschreitende Liberalisierung des Bahnsektors im Rahmen der europäischen Integration. Die dadurch erforderli-

55

Näheres zur Übernahme in den Ziff. 5.3–5.6 RIC-Übereinkommen. Ein Auszug des Textes des RIC-Übereinkommens in der Fassung vom 1.1.2014 ist abgedruckt in: Internationaler Eisenbahnverband (UIC) (Hrsg.), RIC – Übereinkommen über den Austausch und die Benutzung der Reisezugwagen im internationalen Verkehr, abrufbar unter: http://www.uic.org/IMG/pdf/extract_ric_2014-01-01_de.pdf (letzter Zugriff: 1.7.2015). Dem Übereinkommen in der Fassung vom 1.1.2014 gehören heute 38 EVU an (Stand: 1.1.2015), vgl. dazu das Verzeichnis der Mitglieds-EVU in Anlage I zu dem Übereinkommen, abrufbar unter: http://www.uic.org/IMG/pdf/list_of_signatories_ ric_2015_01_01_en.pdf (letzter Zugriff: 22.7.2015). 56

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chen Änderungen des Vertrages haben allerdings den geschilderten Inhalt des RIC-Übereinkommens in den wesentlichen Punkten nicht geändert. Wie das RIV-Übereinkommen zeichnet sich das RIC-Übereinkommen durch eine beeindruckende Präzision der Regelungen aus, die sich wiederum aus dem Ziel des Übereinkommens, einen reibungslosen und einheitlichen Anforderungen entsprechenden Austausch des dem Personen- und Gepäckverkehr dienenden rollenden Materials und dessen Benutzung zu gewährleisten, zwingend ergibt. Wie im Falle des RIV-Übereinkommens bleibt den Vertragsparteien ein nur sehr geringer eigener Gestaltungsspielraum. Bemerkenswert ist zudem, dass diese umfassenden Regelungen, die ersichtlich erhebliche Auswirkungen auf die Gestaltung des nationalen Schienengüter- und des Personen- und Gepäckverkehrs haben, von nichtstaatlichen Wirkungseinheiten getroffen wurden und weiterhin getroffen werden. Mit anderen Worten, auf diesem Gebiet werden eminent öffentliche Aufgaben, die zumindest in einigen Staaten in früherer Zeit auch als hoheitliche verstanden wurden, auf transnationaler Ebene wahrgenommen. Die Verträge sind – wie gesagt – internationale, jedoch weiterhin nicht-völkerrechtliche Verträge. II. Die Europäische Gesellschaft für die Finanzierung von Eisenbahnmaterial Bereits im Jahr 1955 schlossen eine Reihe europäischer Staaten im Rahmen der Europäischen Konferenz der Transportminister ECMT das Abkommen über die Gründung der Europäischen Gesellschaft für die Finanzierung von Eisenbahnmaterial (EUROFIMA).57 Mit diesem völkerrechtlichen Vertrag billigen die Regierungen „die Gründung der Gesellschaft“, für welche die dem Vertrag beigefügten Statuten und „subsidiär das Recht des Sitzstaates, insoweit es durch dieses Abkommen nicht geändert wird, maßgebend“ ist (Art. 1 EUROFIMA-Vertrag). Die Gesellschaft ist eine Aktiengesellschaft nach schweizerischem Gesellschaftsrecht, deren Aktionäre die Eisenbahnverwaltungen der Vertragsparteien sind. Die Statu-

57

UNTS Bd. 378, 225/BGBl. 1956 II, 907, in Kraft getreten am 22.7.1959, letzte Änderung in Kraft getreten am 19.6.2014, BGBl. 2014 II, 518. Dem Abkommen, das am 20.10.1955 von der Bundesrepublik Deutschland, Österreich, Belgien, Dänemark, Spanien, Frankreich, Italien, Luxemburg, Norwegen, den Niederlanden, Portugal, Schweden, Schweiz und Jugoslawien geschlossen und durch ein Zusatzprotokoll vom gleichen Tag, (BGBl. 1961 II, 1116, in Kraft getreten am 30.3.1956 – Änderung in Kraft getreten am 4.5.1998, BGBl. 2002 II, 666) ergänzt wurde, gehören heute 24 Staaten an (Stand: 5.6.2015). Dem EUROFIMA-Vertrag ging die 1953 erfolgte Gründung der europäischen Güterwagengemeinschaft (EUROP) durch 10 westeuropäische Eisenbahnverwaltungen voraus.

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ten sehen vor, dass Sitz der EUROFIMA die Stadt Basel, und damit die Schweiz Sitzstaat ist.58 Der EUROFIMA-Vertrag weist mit seiner engen Verzahnung von völkerrechtlichen, nationalen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Regelungen (einschließlich von Rechtsanwendungsregeln) und Umsetzungsmechanismen eine äußerst interessante Gestaltung auf. Allein auf der völkerrechtlichen Vertragsebene wirken die Vorschriften über das Inkrafttreten (Art. 15–16), den Beitritt und die Vertragsdauer (Art. 11–12) sowie die Beilegung von Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung des Abkommens (Art. 14 – Zuständigkeit des IGH soweit nichts anders vereinbart ist). Die von den Regierungen übernommenen materiellen Verpflichtungen sind darauf gerichtet, dass sie innerstaatlich geeignete und notwendige – öffentlich rechtliche – Maßnahmen zur Erleichterung der Tätigkeit der Gesellschaft ergreifen, also etwa ihren „Eisenbahnverwaltungen die Genehmigungen erteilen, die sie für alle Handlungen, die sich auf die Gründung der Gesellschaft beziehen, benötigen“ (Art. 4), aber auch Beeinträchtigungen der Tätigkeit der Gesellschaft durch steuerliche oder zollrechtliche Belastungen vermeiden (Art. 7).59 Der völkerrechtliche Charakter des Abkommens wird wiederum dadurch deutlich, dass die Zustimmung aller beteiligten Regierungen, deren Eisenbahnverwaltungen Aktionäre der Gesellschaft sind, zu allen Änderungen der Statuten der Gesellschaft erforderlich ist, die „den Sitz der Gesellschaft, den Zweck, die Dauer, die Bedingungen für die Aufnahme einer Eisenbahngesellschaft als Aktionär, die in bestimmten Fällen erforderliche qualifizierte Mehrheit für die Abstimmung in der Generalversammlung, die Stimmengleichheit der Mitglieder des Verwaltungsrates“ und „die Haftung der Aktionäre für die mit der Gesellschaft abgeschlossenen Finanzierungsverträge“ betreffen. Dagegen bedürfen Änderungen der Statuten, „die sich auf die Erhöhung oder Herabsetzung des Grundkapitals, das Stimmrecht der Aktionäre, die Zusammensetzung des Verwaltungsrates und die Verteilung des Gewinnes beziehen“ allein der Zustimmung des Sitzstaates (Art. 2). Der Zustimmung der Regierungen unterliegen auch die „Beschlüsse der Gesellschaft über die Errichtung von Agenturen oder Filialen“ (Art. 6 Abs. a). Zudem hat die Gesellschaft den am EUROFIMA-Vertrag beteiligten Regierungen jährlich „über die Entwicklung der Gesellschaft und ihre finanzielle Lage“ zu berichten. Die Regierungen werden ihrerseits „über alle die Tätigkeit der Gesellschaft berührenden Fragen von gemeinsamem Interesse sowie über die sich hierfür notwendig erweisenden Maßnahmen beraten“ – mit anderen Worten sie üben ähnliche Funktionen aus, wie ein Aufsichtsrat einer Aktiengesellschaft (Art. 6). 58

So die Präambel des Zusatzprotokolls zum EUROFIMA-Vertrag. Zu zollrechtlichen Erleichterungen für zur Ausbesserung von EUROP-Wagen verwendete Ersatzteile siehe auch das entsprechende Zollabkommen vom 15.1.1958, BGBl. 1960 II, 1313. 59

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Aus Art. 3 Abs. a EUROFIMA-Vertrag ergibt sich, dass die Verträge, die zwischen der Gesellschaft und den Eisenbahnverwaltungen „über die Zurverfügungstellung des durch die Gesellschaft gekauften Materials dem Recht des Sitzstaates unterworfen werden“ können. Geschieht dies, so regelt jedoch der EUROFIMA-Vertrag selbst bestimmte, ihrem Charakter nach privatrechtliche Folgen, dass nämlich „die Gesellschaft solange Eigentümerin des betreffenden Materials [bleibt], sofern darüber nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist, bis sie den vollständigen Kaufpreis erhalten hat, ohne dass eine Eintragung in das Register notwendig ist.“ Des Weiteren regelt Art. 3 Abs. a EUROFIMA-Vertrag dann die Rechtsfolgen für den Fall der Nichterfüllung des Vertrages zwischen der Gesellschaft und der beteiligten Eisenbahngesellschaft. Bei Streitigkeiten aus solchen Verträgen, die dem Recht des Sitzstaates unterworfen werden, können die Gerichte des Sitzstaates angerufen werden, die dann zu entscheiden haben (Art. 3 Abs. b). Die EUROFIMA hat sich zu einem finanziell stabilen Unternehmen entwickelt,60 das trotz der in den letzten Jahren schwieriger gewordenen wirtschaftlichen Bedingungen gewinnbringend arbeitet. Das Hauptziel der Gesellschaft, die Kosten der Beschaffung neuen rollenden Materials durch Gemeinschaftsbestellungen wesentlich zu senken, konnte nicht immer befriedigend erreicht werden. Ein positiver Effekt ist aber, dass durch die Gemeinschaftsbestellungen eine stärkere Vereinheitlichung des rollenden Materials der verschiedenen Eisenbahnverwaltungen und damit auch eine gleichmäßigere Qualität insbesondere in der Ausstattung der dem Reiseverkehr dienenden Züge erreicht werden konnte. III. Schlaf- und Speisewagenservice Einen speziellen Bereich der Vorhaltung rollenden Materials durch die Eisenbahnverwaltungen bzw. Unternehmen bildet die Vorhaltung von Schlaf- und Speisewagen. Diese Aufgabe ist von jeher durch in der Form privaten Gesellschaften erfüllt worden. Erste Einsätze von Schlaf- und Speisewagen fanden 1868 in den USA und 1879 in England statt. Auf dem europäischen Kontinent wurde 1874 die Compagnie Internationale des Wagons-Lits, die seit 1884 Compagnie Internationale des Wagons-Lits et des Grands Express Europèens/Internationale Speisewagengesellschaft (CIWL/ISG) hieß. Diese Firma eines belgischen Gründers wurde alsbald zum Hauptorganisator für Reisen der europäischen Staatsoberhäupter, die auch in 60 Siehe dazu den Geschäftsbericht der EUROFIMA für das Jahr 2014, abrufbar unter: http://www.eurofima.org/reports/annual_Report_2014_E.pdf (letzter Zugriff: 3.6.2015).

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Deutschland bis 1884 Betreiber des einzigen Speisewagens war. Mit der 1916 unter Beteiligung deutscher, österreichischer und ungarischer Eisenbahnverwaltungen erfolgten Gründung der Mitteleuropäischen Schlafwagen- und Speisewagen Aktiengesellschaft (Mitropa), welche die zwischenzeitlich im Deutschen Reich gegründeten privaten Gesellschaften im Jahr 1917 übernahm, erstand der ISG eine ernsthafte Konkurrenz. Die daraus entstandenen Spannungen zwischen der ISG und der Mitropa wurden im Versailler Friedensvertrag (Art. 367) durch strenge Beschränkungen der Handlungsfreiheit der Mitropa zugunsten der ISG entschieden und schließlich 1925 durch ein Abkommen zwischen der ISG und der Mitropa im Sinne einer Abgrenzung der Interessensphären entschärft.61 Eine ganz neue Lage entstand erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Mitropa wurde aufgrund der Teilung Deutschlands aufgespalten. In der DDR blieb die Mitropa als Aktiengesellschaft (!) erhalten. In der Bundesrepublik wurde der westliche Teil der Mitropa in eine Tochtergesellschaft der Deutschen Bundesbahn – die Deutsche Schlafwagen- und Speisewagengesellschaft (DSG) – umgewandelt. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands existierten die Deutsche Bundesbahn und die Deutsche Reichsbahn zunächst nebeneinander bis sie 1994 zur Deutschen Bahn AG fusionierten. Die ostdeutsche Mitropa und die DSG wurden zur Mitropa AG zusammengeschlossen. Diese neue Gesellschaft erhielt vier Geschäftsbereiche: Service im Zug, Gastronomie und Handel an Bahnhöfen, Service an der Straße und Schiffscatering. Letzterer Bereich wurde 1999/2000 an die Scandlines übertragen und der Bereich Service im Zug 2002 in die DB Reise & Touristik AG (seit 2003 die DB Fernverkehr AG) eingegliedert. Im Jahr 1994 wurde die Mitropa mit den verbliebenen Geschäftsbereichen an die Compass Group Deutschland GmbH verkauft und die Mitropa AG in die Mitropa GmbH umbenannt.62 Obwohl der Schlafwagen- und Speisewagen-Service von Beginn an privatrechtlich, wenn auch an die jedenfalls teilweise staatlichen Eisenbahnverwaltungen gebunden, organisiert war, spiegeln nun diese neuen Organisationsstrukturen deutlich den radikalen Privatisierungsprozess des Eisenbahnwesens wider. IV. Abstimmung von Fahrplänen Einen zentralen Bereich enger Kooperation zwischen den Eisenbahnverwaltungen bildete von jeher die abgestimmte Fahrplanfestlegung, und zwar sowohl für den Reisezug- als auch für den Güterzugverkehr. 61

Siehe dazu ausführlich Haustein, Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 166 ff. m.w.N. 62 Zum Vorstehenden zur Geschichte der Mitropa siehe Bechtloff, Die Mitropa-AG, 2000.

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Bereits in den 1860er Jahren, als es die ersten durchgehenden Zugverbindungen von Österreich durch deutsche Länder nach Frankreich gab, erkannte man die Notwendigkeit, u.a. Abstimmungen der Fahrpläne vorzunehmen. Etwa zehn Jahre später wurden zu diesem Zweck regelmäßige Konferenzen abgehalten, an denen zunächst Eisenbahnverwaltungen aus Deutschland, Österreich und angrenzender Nachbarländer teilnahmen. Mit der wachsenden Zahl von Teilnehmern konstituierte sich die Konferenz 1890 als internationale Fahrplankonferenz, die sich dann ab 1891 als europäische Fahrplankonferenz bezeichnete. Neben der Abstimmung der Fahrpläne befasste sich die Konferenz auch mit den Modalitäten der Zollabfertigung und der Passkontrolle. Die Geschäftsführung der Konferenz wurde von den Schweizerische Bundesbahnen (SBB) übernommen. Unter dem Namen „Europäische ReisezugFahrplankonferenz“ (EFK) erhielt die Organisation 1923 eine Satzung.63 Deutlich später, nämlich erst nach dem Ersten Weltkrieg, kam es zur Gründung der „Europäischen Güterzug-Fahrplankonferenz“, nachdem es zu Beginn des 20. Jahrhunderts nur lockere Vereinbarungen zwischen der deutschen und der österreichisch-ungarischen Eisenbahnverwaltungen gab. Im Jahr 1930 erhielt die „Europäische Güterzug- Fahrplankonferenz“ (EGK) eine Satzung. Die Aufgabe der Geschäftsführenden Verwaltung wurde den Tschechoslowakischen Staatsbahnen übertragen. Die Livret-indicateur international marchandises (LIM) gab von dann an das Internationale Güterkursbuch heraus. 1997 wurden die EFK und EGK zusammengeführt in einer neuen Organisation, das gesamteuropäische Forum Forum Train Europe (FTE). Das Forum ist keine Organisation mit eigenständiger Geschäftspolitik. Es ist vielmehr eine Plattform die das Ziel verfolgt, eine grenzüberschreitende Koordinierung unter den Eisenbahnverkehrsunternehmen zur Harmonisierung der internationalen Produktionspläne und Trassenbestellungen für den grenzüberschreitenden Güterverkehr zu ermöglichen. Nach der Gründung des Vereins RailNetEurope (RNE) als Organisation der Infrastrukturbetreiber am 1. Januar 2004 und dem darauf folgenden Austritt der Infrastrukturbetreiber Ende 2004 wurde das FTE ab dem 1. Januar 2005 eine Organisation der Eisenbahnverkehrsunternehmen und Dienstleistungsgesellschaften.64 Am 25. Mai 2005 wurde das neue Statut von der Vollversammlung angenommen und der Verein Forum Train Europe (FTE) gegründet. Sitz des

63

Zum Vorstehenden siehe ausführlicher Haustein, Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 93 f. 64 So der Bericht der FTE zu Geschichte und der Weiterentwicklung der FTE, abrufbar unter: http://www.forumtraineurope.eu/organisation/forum-train-europe/geschichte/ (letzter Zugriff: 5.6.2015).

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Vereins ist Bern. Eine koordinierende Rolle u.a. auf dem Gebiet der Fahrplanfestlegung spielt auch die UIC.65 V. Grenzbahnhöfe und Internationale Eisenbahnlinien Wie schon wiederholt betont, ist die Gewährleistung eines effizienten grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehrs ein äußerst wichtiges Element einer offenen, umfassenden Landverkehrsordnung. Einem solchen effizienten Eisenbahngrenzverkehr standen in den ersten Jahrzehnten des Eisenbahnverkehrs erhebliche Hindernisse entgegen, die aus dem Selbstverständnis der souveränen Staaten im ausgehenden 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts resultierten. So wurde noch in zu Beginn der 1960er Jahre festgestellt, dass die Entwicklung des internationalen Eisenbahnverkehrs und die schrittweise Entfaltung eines internationalen Eisenbahnrechts „nicht darüber täuschen [kann], dass der Eisenbahnverkehr sich als Landverkehr notwendig in Räumen bewegt, die der staatlichen Hoheitsgewalt unterstehen. Auch die sog. internationalen Strecken zerfallen, juristisch gesehen, in Teilstrecken unter der territorialen Hoheitsgewalt einzelner Staaten.“66 Zwar hatten schon einzelne Mitgliedstaaten des Deutschen Bundes untereinander und mit Nachbarstaaten jenseits des Bundes Verträge geschlossen, die auf die Regelung der Modalitäten des grenzüberschreitenden Zugverkehrs einschließlich der Passkontrollen und der Zollabfertigung zielten. Sie blieben jedoch weit davon entfernt, die Grenzen als solche durchlässiger zu machen. Es ging um die Festlegung und Abgrenzung der von Entsende- und Empfangsstaat vorzunehmenden Hoheitsakte beim Grenzübertritt. Das blieb auch so nach der Gründung Deutschen Reiches von 1871, wodurch die von den Gliedstaaten des Reiches untereinander abgeschlossenen Verträge obsolet wurden, nicht aber solche Verträge, die von diesen Staaten mit ausländischen Staaten geschlossenen worden waren. Und in der Sache waren auch spätere vom Reich mit den Nachbarstaaten abgeschlossene Verträge von derselben souveränitätsbestimmten Sicht geprägt wie ihre Vorgänger. Auch das bereits erwähnte, im Rahmen des Völkerbundes abgeschlossene Übereinkommen über die internationale Rechtsordnung der Eisenbahnen von 1923, das grundsätzlich auf eine Erleichterung des grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehrs abzielte, ist in Art. 1 nicht über in diesem Sinne gefasste bloße Richtlinien hinausgekommen. Das Übereinkommen bot im Wesentlichen eine

65

Siehe Mutz, Railway Transport, International Regulation, in: EPIL, Bd. IV, 2000, 14,

16 f. 66

Dahm, Völkerrecht, Bd. 2, 1961, 736.

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zusammenfassende Kodifikation des seit der Mitte des 19. Jahrhunderts vornehmlich in Europa entstandenen Eisenbahnrechts.67 Mit der schrittweisen Schaffung eines Verkehrsbinnenmarktes im Rahmen der EG/EU und darüber hinaus der Einrichtung nicht nur transeuropäischer, sondern auch transkontinentaler Eisenbahnnetze hat sich nach dem Zweiten Weltkrieg insoweit ein deutlicher Paradigmenwechsel vollzogen. Die seither entwickelten Strategien zur Liberalisierung des grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehrs knüpfen zwar an die früher entwickelten technischen Praktiken der Abwicklung des Eisenbahngrenzverkehrs an. Anders als jene zielen die heutigen Regelungen auf die Relativierung bzw. der praktischen Überwindung der Grenzen, anstatt sie wie in älterer Zeit durch das vereinbarte Regelwerk zu betonen. Auf die beiden für den effizienten grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr wichtigsten, auch trotz Liberalisierungen weiter bestehenden Regelungsaufgaben – die Ausübung von Hoheitsgewalt an Grenzbahnhöfen und auf internationalen Strecken – ist im Folgenden einzugehen. 1. Grenzbahnhöfe Aus der Praxis der Staaten und/oder der jeweils zuständigen Eisenbahnverwaltungen haben sich im Laufe der Zeit verschiedene Modelle der Gestaltung von Grenzbahnhöfen entwickelt. In der Terminologie der UIC werden Grenzbahnhöfe in Betriebswechselbahnhöfe (exchange stations) und Gemeinschaftsbahnhöfe (joint stations) unterteilt. Im ersten Fall gibt es zwei grenznahe Bahnhöfe dies- und jenseits der Staatsgrenze zwischen zwei Staaten, die von den jeweils zuständigen Eisenbahnverwaltungen betrieben werden, d.h. sowohl für ggfs. notwendige Lokomotiv- oder Spurweitenwechsel als auch für die Passkontrollen und Zollabfertigung sorgen. Im Fall des Gemeinschaftsbahnhofes besteht nur ein Bahnhof diesseits oder jenseits der Grenze. Dieser Bahnhof wird ganz oder teilweise von der Eisenbahnverwaltung des Staates betrieben, in dem der Bahnhof liegt. Insoweit in einem Gemeinschaftsbahnhof die Abfertigungen und Kontrollen vom Personal der Grenznachbarn gemeinsam vorgenommen werden, wird von „internationalen Bahnhöfen“ gesprochen. Insbesondere, aber nicht nur, bei diesen wird es erforderlich, dass hoheitliche Tätigkeiten wie die Passkontrollen und die Zollabfertigungen von dem Personal des einen Grenzstaates auf dem Hoheitsgebiet des anderen ausgeübt werden, was nur im Einverständnis mit dem betroffenen Staat geschehen darf.

67

Zum Vorstehenden Haustein, Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 128 f. und 183 ff.; auch kurz Mutz, Railway Stations on Foreign Territory, in: EPIL, Bd. IV, 2000, 10, 11.

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In der Praxis hat sich daher von jeher der Abschluss von entsprechenden bilateralen völkerrechtlichen Verträgen und auf deren Grundlage der Abschluss von Verwaltungsabkommen durch die zuständigen Eisenbahnverwaltungen durchgesetzt, in denen die Details der Abgrenzungen der Kompetenzen des jeweils tätig werdenden Eisenbahnpersonals festgelegt werden.68 Da diese Praxis in einigen Fällen bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts zurückreicht und entsprechende Verträge über diesen Zeitraum im Wesentlichen gültig geblieben sind, ist die jeweilige Rechtslage – insbesondere durch die zahlreichen ergänzenden Verwaltungsabkommen – recht unübersichtlich geworden.69 Um die Effizienz des grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehrs angesichts des insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg stark angewachsenen Eisenbahngüterund Personenverkehrs durch eine Harmonisierung der Regelungen für den Grenzverkehr zu steigern, sind im Rahmen der UNECE mehrere multilaterale Abkommen erarbeitet und abgeschlossen worden. Zu erwähnen sind hier zwei im Jahr 1952 abgeschlossene Verträge: zum einen das Abkommen über die Erleichterung des Grenzübergangs von Passagieren und ihrem Gepäck im Eisenbahnverkehr, zum anderen das Abkommen über den grenzüberschreitenden Eisenbahngüterverkehr.70 In diesen Verträgen sind Regelungen über die Bestimmung eines Grenzbahnhofes und die Kompetenzen des zuständigen Personals enthalten, das mit den Aufgaben der Grenzabfertigung betraut ist. Eine wesentliche größere Zahl von Staaten hat sich der im Jahr 1982 angenommenen Konvention über die Harmonisierung der Grenzkontrollen für den grenz-

68 Zur Entwicklung des Rechts des grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehrs und insbesondere der Kooperation an Grenzbahnhöfen siehe ausführlich Haustein, Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 178 ff.; auch zusammenfassend Mutz, Railway Stations on Foreign Territory, in: EPIL, Bd. IV, 2000, 10 ff. m.w.N. 69 Ein eindrucksvolles Beispiel für diesen Befund bildet die Regelung der Grenzüberquerungen zwischen der Schweiz und Deutschland, siehe dazu den informativen Beitrag von Schneider, Grenzüberquerungen des öffentlichen Rechts Deutschland-Schweiz, in: Müller u.a. (Hrsg.), Staatsorganisation und Staatsfunktionen im Wandel, FS Kurt Eichenberger, 1982, 673 ff. 70 Siehe International Convention to facilitate the crossing of frontiers for passengers and baggage carried by rail vom 10.1.1952, UNTS Bd. 163, 3 (Ergänzung UNTS Bd. 328, 319), und die International Convention to facilitate the crossing of frontiers for goods carried by rail vom gleichen Tag, UNTS Bd. 163, 27 (Ergänzung UNTS Bd. 328, 319). Die Bundesrepublik Deutschland ist diesen Verträgen, die insgesamt nur 10 bzw. 12 Parteien aufweisen (Stand: 3.6.2015), nicht beigetreten. Zu den beiden Verträgen siehe auch Haustein, Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 207 ff.

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überschreitenden Güterverkehr angeschlossen.71 Dieses Abkommen bezieht sich nicht nur auf den grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehr, sondern auf den gesamten multimodalen grenzüberschreitenden Gütertransport.72 Neben den multilateralen Regelungen zur Erleichterung des grenzüberschreitenden Eisenbahnpersonen- und Güterverkehrs hat es auch immer wieder entsprechende bilaterale Abkommen zwischen Nachbarstaaten gegeben, so in jüngerer Zeit zwischen der Republik Serbien und Montenegro und Bulgarien.73 2. Internationale Strecken Wie bei der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben bei der Abfertigung des grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehrs auf Grenzbahnhöfen stellt sich das Problem der Ausübung hoheitlicher Funktionen auf fremdem Territorium auch beim Eisenbahnbetrieb auf sog. „internationalen Strecken“ jedenfalls dann, wenn Züge aus dem Entsendestaat in dem Empfangsstaat von Eisenbahnverwaltungen aus dem Entsendestaat betrieben werden74 oder bestimmte Zügen aus dem Entsendestaat im Durchgangsverkehr die Strecken des Empfangsstaates nutzen – Situationen, die in älterer Zeit häufig auftraten,75 heute aber aufgrund der weitgehenden Liberalisierung des internationalen Eisenbahnverkehrs, namentlich im Rahmen des Europäischen Verkehrsbinnenmarktes und der Entwicklung interoperabler, transeuropäischer und zunehmend auch transkontinentaler Eisenbahnnetze in der Praxis an Bedeutung verloren haben. Wenn auch grundsätzlich – wie beim grenzüberschreitenden Straßenverkehr – nach wie vor nicht von einer allgemeinen Eisenbahnverkehrsfreiheit gesprochen werden kann, so bestehen heute doch Zweifel daran, ob den Staaten noch ein sich aus der Souveränität ableitendes Recht zur

71 Siehe Internationales Übereinkommen zur Harmonisierung der Warenkontrollen an den Grenzen vom 21.10.1982, UNTS Bd. 1409, 3/BGBl. 1987 II, 638/ABl. Nr. L 1266/1 vom 12.5.1984. Das Abkommen weist 57 Vertragsparteien auf, darunter auch die EU (Stand: 3.6.2015). 72 Siehe dazu kurz auch Mutz, Railway Stations on Foreign Territory, in: EPIL, Bd. IV, 2000, 10, 11. 73 Zu diesem 2005 geschlossenen Abkommen siehe den Bericht des UNECE Inland Transport Committee, UN Doc. TRANS/SC.2/2005/5/Add.1 vom 17.11.2005. 74 Zur internationalen oder fremdstaatlichen Verwaltung von Eisenbahnen in älterer Zeit siehe Haustein, Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 221 ff. 75 Zu den internationalen Strecken und der entsprechenden Regelungspraxis siehe ausführlich Haustein, Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 243 ff.

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totalen Verweigerung der Eröffnung seines Schienennetzes für den grenzüberschreitenden internationalen Eisenbahnverkehr zusteht.76

C. Das Eisenbahngüter- und -personenbeförderungsrecht I. Die historische Entwicklung: CIM und CIV 1. Bis zum Zweiten Weltkrieg Erheblich früher als im Bereich des internationalen Straßengüterverkehrs, für den erst im Jahre 1956 mit dem Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR)77 – einheitliche Regelungen geschaffen wurden, zwangen die besonderen Bedingungen des grenzüberschreitenden Eisenbahnpersonen- und Eisenbahngütertransports dazu, anstelle der zunächst üblichen, aber zunehmend unzureichenden bilateralen diplomatischen Übereinkünfte einheitliche Vorschriften für diesen Verkehrszweig zu schaffen. Die entsprechenden Bemühungen begannen gegen Ende des 19. Jahrhunderts.78 Der stark anwachsende internationale Gütertransport, der durch mindestens zwei, häufig aber auch durch mehrere Länder führte, ließ entsprechend verschiedene Rechtssysteme aufeinander stoßen. Die damit verbundenen Schwierigkeiten konnten nur durch die Schaffung einheitlicher internationaler Regelungen überwunden werden. Im Jahr 1890 trat eine internationale Konferenz zusammen, deren Ziel die Annahme eines umfassenden Übereinkommens über den internationalen Gütertransport mit der Eisenbahn war. Dieses Internationale Übereinkommen über den Eisenbahnfrachtverkehr (Convention concerning the Carriage of Goods by 76

In diesem Sinne ist auch fraglich, ob das lange Zeit die Diskussion über den Umfang und die Grenzen einer völkerrechtlichen Pflicht der Staaten zur Kooperation auf dem Gebiet des internationalen Eisenbahnverkehrs prägenden Gutachten des Ständigen Internationalen Gerichtshofs (StIGH) im Streit zwischen Litauen und Polen über den Eisenbahnverkehr zwischen beiden Ländern vom 15.10.1931 (StIGH, Railway traffic between Lithuania and Poland, Advisory Opinion of 15 October 1931, Series A/B No. 4) noch die heutige Rechtslage in vollem Umfang zutreffend wiedergibt. 77 Convention on the Contract for the International Carriage of Goods by Road, UNTS 399, 189/BGBl. 1961 II, 1120. 78 Zum Folgenden siehe Matyassy/Mutz, Das Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980, ZintEisenb. 89 (1981), 1 ff.; ausführlich schon Haustein, Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 11 ff.; einen kurzen Überblick bietet Mutz, Railway Transport, International Regulation, in: EPIL, Bd. IV, 2000, 14 sowie ders., Traffic and Transport, International Regulation, in: EPIL, Bd. IV, 2000, 889 ff.

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Rail – CIM)79 wurde am 14. Oktober 1890 angenommen und trat nach seiner Ratifikation am 1. Januar 1893 in Kraft. Bemerkenswert war nicht nur, dass sich Vertragsstaaten auf einheitliche Regelungen über den Frachtverkehr einigen konnten, was erhebliche Beschränkungen der nationalen Regelungsgewalt der Vertragsstaaten bedeutete, sondern auch, dass durch den Vertrag auch institutionelle Vorkehrungen für die Durchführung des Übereinkommens getroffen wurden. Die Vertragsstaaten schufen eine Verwaltungsunion und als deren Sekretariat das Centralamt für den internationalen Eisenbahnverkehr (Eisenbahnzentralamt) mit Sitz in Bern. Art. 1 § 1 des Reglements betreffend die Errichtung eines Central-Amtes vom 14. Oktober 189080 beauftragte den Bundesrat der Schweizerischen Eidgenossenschaft, das zu errichtende Amt zu organisieren und seine Geschäftsführung zu überwachen.81 Bemerkenswert an diesem ersten CIM-Übereinkommen – und für die weitere Entwicklung des internationalen Eisenbahnfrachtrechtes bahnbrechend – war aber auch, dass die Vertragsstaaten wegen der dynamischen Entwicklung sowohl des Eisenbahnbetriebs als auch der Praxis des Frachtverkehrs beschlossen, das Übereinkommen von Zeit zu Zeit auf sog. Revisionskonferenzen auf Mängel zu überprüfen und ggfs. zu revidieren. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs haben vier solche Revisionskonferenzen und darüber hinaus außerordentliche Konferenzen stattgefunden, auf denen dem Übereinkommen zahlreiche Spezialregelungen als Anlagen beigefügt wurden.82 Mit der 5. Revisionskonferenz von 1952 begann eine neue Folge von Revisionen der CIM, die erst einmal in der institutionellen und materiell-rechtlichen Reform von 1980 gipfelte. Auf sie wird im Folgenden im Einzelnen einzugehen sein. Obwohl schon auf der 1. Revisionskonferenz von 1896 angeregt wurde, auch für den Bereich der Eisenbahnpersonen- und -gepäckbeförderung ein dem CIM entsprechendes Übereinkommen zu schaffen, blieben diese Anstöße zunächst ohne Erfolg. Erst im Jahr 1923 gelang es, das Internationale Übereinkommen über den Eisenbahn-Personen- und -Gepäckverkehr (International Convention concerning the Transport of Passengers and Baggage by Rail – CIV)83 fertigzustellen, das am 23. Oktober 1924 unterzeichnet und am 1. Oktober 1928 in Kraft trat. Das CIV war im Wesentlichen dem CIM nachgebildet, wich jedoch aufgrund der unter79

RGBl. 1892, 793. Das Reglement wurde ! wie das später für das Zentralamt geschaffene Statut ! dem Übereinkommen als Anlage II beigefügt. 81 Matyassy/Mutz, Das Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980, ZintEisenb. 89 (1981), 1, 3. 82 Näher siehe Haustein, Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 13. 83 LNTS Bd. LXXVIII, 17/RGBl. 1925 II, 483. 80

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schiedlichen Bedingungen des Eisenbahnpersonen- und -gepäckverkehrs einerseits und des Eisenbahngüterverkehrs andererseits auch vom CIM ab. In institutioneller Hinsicht und im Hinblick auf die auch für das CIV immer wieder notwendigen Änderungen bzw. Anpassungen an die eisenbahntechnischen und Betriebsentwicklungen folgte das CIV dem Modell des CIM. Wie im Falle des CIM wurde die Durchführung des CIV von dem bereits bestehenden Eisenbahnzentralamt wahrgenommen, und auch das CIV sah regelmäßige Überprüfungen und ggfs. Revisionen seiner Regelungen vor. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges kam es für das CIV jedoch nur zu einer Revisionskonferenz im Jahr 1933. Wie für das CIM begann 1952 auch für das CIV eine Reihe von Revisionen, die – wie erwähnt – mit der umfassenden Reform von 1980 einen ersten Höhepunkt fand. 2. Bis zur Wiederherstellung der Einheit Deutschlands Für beide Übereinkommen gilt, dass auch Deutschland von Anfang an dem Kreis der Vertragsstaaten angehörte. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Teilung Deutschlands wurde seine Stellung als Vertragsstaat jedoch von den damaligen Ostblockstaaten in Frage gestellt. Der von der Schweiz ausgesprochenen Einladung von Vertretern der damaligen Bundesrepublik Deutschland zur Teilnahme an der außerordentlichen Revisionskonferenz im Mai 1950 widersprachen die Ostblockstaaten mit dem Hinweis, dass Vertreter des westdeutschen Teilstaates nicht als Vertreter ganz Deutschlands auftreten könnten. Nur dieses sei Vertragsstaat, nicht aber die Bundesrepublik. Diesem politischen Problem trugen die Vertragsstaaten pragmatisch dadurch Rechnung, dass die damalige Bundesrepublik Deutschland an der außerordentlichen Konferenz von 1950 und der Revisionskonferenz von 1952 nur als Beobachter teilnehmen durfte. Erst nachdem auf einer weiteren außerordentlichen Konferenz im Jahre 1953 ein Zusatzprotokoll zu CIM und CIV84 beschlossen wurde, wonach Vertragsstaaten oder deren Gebietsteile, welche die Übereinkommen von 1952 nicht unterzeichnet hatten, der schweizerischen Regierung mitteilen konnten, dass sie die Regelungen der Übereinkommen von 1952 durch innerstaatliche Rechtsetzung übernommen haben und durchführen, konnte die Bundesrepublik wieder am Vertragsregime von CIM und CIV teilhaben. Die DDR wurde 1950 Teil eines unter der Führung des damaligen Sowjetunion geschaffenen Vertragssystems zwischen den Ostblockstaaten – 1953 traten auch die VR China, die Mongolische VR und die VR Korea, später auch Kuba und 84

Additional Protocol to the International Conventions of 25 October 1952 concerning the carriage of goods by rail (CIM) and the carriage of passengers and luggage by rail (CIV), Tractatenblad (Ned) 1954, Nr. 96.

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Albanien bei – mit einheitlichen Bestimmungen über die zwischenstaatliche Beförderung von Personen, Reisegepäck und von Gütern,85 das aber – von u.a. planwirtschaftlich bedingten Abweichungen – jedenfalls hinsichtlich des Eisenbahnfrachtverkehrs in den Grundzügen dem CIM entsprach.86 Mit der durch Zustimmungsgesetz vom 21. Dezember 196487 erfolgten Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an den Übereinkommen CIM und CIV in der Fassung vom 25. Februar 1961 nahm sie wieder ihren Platz als vollberechtigter Vertragsstaat der Übereinkommen CIM und CIV sowie ihrer Anlagen ein. Durch Zustimmungsgesetz vom 26. April 197488 ist die Bundesrepublik Deutschland dem Zusatzübereinkommen vom 26. Februar 1966 zum Internationalen Übereinkommen über den Eisenbahn-Personen und -Gepäckverkehr vom 25. Februar 1961 (CIV) über die Haftung der Eisenbahn für Tötung und Verletzung von Reisenden,89 dem Internationalen Übereinkommen vom 7. Februar 1970 über den Eisenbahnfrachtverkehr (CIM),90 dem Internationalen Übereinkommen vom 7. Februar 1970 über den Eisenbahn-Personen- und -Gepäckverkehr (CIV),91 dem Zusatzprotokoll vom 7. Februar 1970 zu den Internationalen Übereinkommen CIM und CIV,92 ferner dem Protokoll I vom 9. November 1973 der Diplomatischen Konferenz für die Inkraftsetzung der Übereinkommen CIM und CIV vom 7. Februar 85

Siehe dazu das Übereinkommen über die Beförderung von Personen und Reisegepäck im direkten internationalen Eisenbahnverkehr (SMPS) und das Übereinkommen über die Eisenbahn-Güterbeförderung im direkten internationalen Verkehr (SMGS), beide vom 6.12.1950, in Kraft getreten am 11.11.1951. Die Vertragsstaaten bildeten 1957 ! in Parallele zum Zentralamt für das internationale Eisenbahnwesen ! die Organisation für die Zusammenarbeit der Eisenbahnen (OSShD), dazu näher Bergner u.a., Internationales Verkehrsrecht, 2. Aufl. 1986, 108 und 189 ff.; kurz auch Mutz, Railway Transport, International Regulation, in: EPIL, Bd. IV, 2000, 14, 16. 86 So zutreffend Haustein, Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 15; zum Vorstehenden insgesamt ders., Das internationale öffentliche Eisenbahnrecht, 1953, 16 und 33 ff. 87 BGBl. 1964 II, 1517, aufgehoben durch Art. 4 des Zustimmungsgesetzes zum Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zu den Übereinkommen CIM und CIV i.d.F. vom 7.2.1970, BGBl. 1974 II, 357, 358. 88 BGBl. 1974 II, 357. 89 BGBl. 1974 II, 359 mit dem Protokoll I der Diplomatischen Konferenz für die Inkraftsetzung des am 26. Februar 1966 unterzeichneten Zusatzübereinkommens zum Internationalen Übereinkommen über den Eisenbahn-Personen und -Gepäckverkehr (CIV) vom 25. Februar 1961 über die Haftung der Eisenbahn für Tötung und Verletzung von Reisenden sowie des zugehörigen Protokolls B, BGBl. 1974 II, 377. 90 BGBl. 1974 II, 381. 91 BGBl. 1974 II, 495. 92 BGBl. 1974 II, 489/553.

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197093 und dem Protokoll II vom 9. November 1973 der Diplomatischen Konferenz für die Inkraftsetzung der Übereinkommen CIM und CIV vom 7. Februar 1970 betreffend die Verlängerung der Geltungsdauer des am 26. Februar 1966 unterzeichneten und am 1. Januar 1973 in Kraft getretenen Zusatzübereinkommens zur CIV 1961 über die Haftung der Eisenbahn für Tötung und Verletzung von Reisenden94 beigetreten. Seit der Wiederherstellung der Einheit Deutschlands erstreckte sich die Geltung der genannten Verträge auf das gesamte deutsche Staatsgebiet. II. Das gegenwärtige Recht: Das COTIF 1. Die Reform von 1980 Das gegenwärtige Eisenbahnpersonen- und -güterverkehrsrecht beruht auf dem Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (Convention relative aux transports internationaux ferroviaires – COTIF) vom 9. Mai 1980. Das COTIF gilt heute95 in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 3. Juni 1999,96 sowie der vom Revisionsausschuss auf seiner 24. Tagung angenommenen Änderungen der Art. 9 und 27 des Übereinkommens und der Anhänge B (CIM), E (CUI), F (APTU) und G (ATMF) zum Übereinkommen sowie der vom Fachausschuss RID in seiner 47. und 48. Tagung angenommenen Änderungen des An93

BGBl. 1974 II, 557. BGBl. 1974 II, 560. 95 Auf der 12. Generalversammlung vom 29.–30.9.2015 soll es zu einer Teilrevision des COTIF und der Verabschiedung einer überarbeiteten und konsolidierten Fassung kommen, vgl. http://www.otif.org/fileadmin/user_upload/otif_verlinkte_files/04_recht/03_CR/03_CR_ 25_2014/CR_25_Endgultige_Niederschrift__AD__d.pdf (letzter Zugriff: 31.7.2015) sowie die Erläuternde Bemerkungen betreffend die Revision des COTIF, Doc. AG 12/13 vom 4.5.2015, abrufbar unter: http://www.otif.org/fileadmin/user_upload/otif_verlinkte_files/04_ recht/02_Generalversammlung/AG_12_13_Erlaeuternde_Bemerkungen_Konsolidierte_ Fassung_d.pdf (letzter Zugriff: 31.7.2015). 96 BGBl. 2002 II, 2149; zur Vorgeschichte des Protokolls 1999 und des als Anlage des Protokolls 1999 geänderten und neu gefassten COTIF siehe die Vorgeschichte zum Protokoll 1999, Ziff. 1 ff., abgedruckt in: OTIF (Hrsg.), Bericht des Zentralamtes über die Revision des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 und erläuternde Bemerkungen zu den von der 5. Generalversammlung angenommenen Texten vom 1.1.2011, 22 ff., abrufbar unter: http://www.otif.org/fileadmin/ user_upload/otif_verlinkte_files/07_veroeff/03_erlaeut/COTIF_Rapport_explicatif_01_01_ 2011_d.pdf (letzter Zugriff: 24.7.2015); Vertragssprachen sind Deutsch, Englisch und Französisch, letzteres ist im Falle von Abweichungen maßgebend (Art. 42 COTIF). 94

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hangs C (RID) zum Übereinkommen.97 Die zunächst selbständigen Internationalen Übereinkommen CIM und CIV sowie das Zusatzübereinkommen vom 26. Februar 1966 über die Haftung der Eisenbahn für Tötung und Verletzung von Reisenden wurden mit dem Inkrafttreten des Änderungsprotokolls am 1. Juli 2006 ersetzt. Das COTIF ist das Ergebnis intensiver Reformbestrebungen, die seit dem Beginn der 1979er Jahre verfolgt wurden und sowohl in institutioneller als auch materiell-rechtlicher Hinsicht das Eisenbahnpersonen- und Eisenbahnfrachtrecht den modernen Anforderungen anpassen.98 Dass das COTIF die Übereinkommen CIM und CIV sowie das Zusatzübereinkommen von 1966 ersetzt, bedeutet jedoch nicht, dass die entsprechenden Regelungen unter dem COTIF nicht mehr Teil der internationalen Eisenbahnordnung sind. Sie sind vielmehr – dem Ziel des COTIF entsprechend – in den Vertrag als Anhänge A und B integriert und somit Bestandteil des COTIF. Das gilt auch für die Einheitlichen Rechtsvorschriften über die Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter (RID) als neuer Anhang C des COTIF. Die einheitlichen Rechtsvorschriften für die internationale Eisenbahnbeförderung von Privatwagen (RIP), für die internationale Eisenbahnbeförderung von Containern (RICo) und für die internationale Eisenbahnbeförderung von Expressgut (RIEx) sind jedoch mit der Reform des COTIF von 1999 als solche nicht in das Vertragswerk von 1999 aufgenommen worden. Allerdings wurde der Regelungsgegenstand des RIP in den neu hinzugekommenen „Einheitlichen Rechtsvorschriften für Verträge über die Verwendung von Wagen im internationalen Eisenbahnverkehr (CUV)“ als Anhang D zum Übereinkommen übernommen. Die Einheitlichen Rechtsvorschriften RICo wurden in die CIM integriert.99 97 Am 1.12.2010 sind die vom Revisionsausschuss der OTIF in Vorbereitung des EUBeitritts zum COTIF im Juni 2009 angenommen Änderungen in Kraft getreten. Die EU ist dem COTIF mit Wirkung zum 1.7.2011 beigetreten; zum Verhältnis zwischen OTIF und EG vor dem Beitritt der EU zum COTIF siehe die Broschüre des Internationalen Eisenbahntransportkomitees „COTIF-Recht und EG-Recht im internationalen Eisenbahnverkehr: Spannungsfelder und Lösungsansätze“, abrufbar unter: http://www.cit-rail.org/de/eisen bahntransportrecht/cotif/ (letzter Zugriff: 18.6.2015). 98 Siehe dazu ausführlich Matyassy/Mutz, Das Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980, ZintEisenb. 89 (1981), 1, 3 ff.; zu den konkreten Reformvorhaben in der Mitte der 1990er Jahre auch Mutz, Vers un nouveau droit de transport international ferroviaire, Unif.L.Rev. 1 (1996), 442 ff. 99 Siehe hierzu die Allgemeinen Erläuterungen zu den ERCIM, Ziff. 34, abgedruckt in: OTIF (Hrsg.), Bericht des Zentralamtes über die Revision des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 und erläuternde Bemerkungen zu den von der 5. Generalversammlung angenommenen Texten vom 1.1.2011, 101 ff., abrufbar unter: http://www.otif.org/fileadmin/user_upload/otif_verlinkte_files/07_veroeff/

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Hinzugekommen sind ferner die „Einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die Nutzung der Infrastruktur im internationalen Eisenbahnverkehr (CUI)“ als Anhang E zum Übereinkommen, die „Einheitlichen Rechtsvorschriften für die Verbindlichkeitserklärung technischer Normen und für die Annahme einheitlicher technischer Vorschriften für Eisenbahnmaterial, das zur Verwendung im internationalen Verkehr bestimmt ist (APTU)“, als Anhang F zum Übereinkommen und die „Einheitlichen Rechtsvorschriften für die technische Zulassung von Eisenbahnmaterial, das im internationalen Verkehr verwendet wird (ATMF),“ als Anhang G zum Übereinkommen. Das Zusatzübereinkommen von 1966 zum Internationalen Übereinkommen über den Eisenbahn-Personen und -Gepäckverkehr vom 25. Februar 1966 über die Haftung der Eisenbahn für Tötung und Verletzung von Reisenden ist in den wesentlichen Regelungen in Titel III des CIV übernommen worden. Damit wird das Kernziel der Reformen von 1980 und 1999, im Wesentlichen erreicht, nämlich nicht nur eine übersichtliche und zugleich umfassende Rechtsordnung für das internationale Eisenbahnwesen zu schaffen, sondern auch eine internationale, zwischenstaatliche Organisation zu gründen, die sich nach dem Muster der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) und der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) mit möglichst allen Fragen befasst, „die für den internationalen Eisenbahnverkehr von Bedeutung sind und deren Regelung Aufgabe der Staaten ist.“100 Im Folgenden ist zunächst das Ergebnis der Reform näher darzustellen. 2. Struktur und Aufgaben von OTIF Bereits durch das COTIF von 1980 wurde anstelle der bis dahin bestehenden Verwaltungsunion in Gestalt des mit den früheren Übereinkommen CIM und CIV geschaffenen Zentralamtes für den internationalen Eisenbahnverkehr mit Sitz in 03_erlaeut/COTIF_Rapport_explicatif_01_01_2011_d.pdf (letzter Zugriff: 24.7.2015); die besonderen Bestimmungen der Internationalen Ordnung für die Beförderung von Expressgut (RIEx) sind als solche nicht übernommen mit Ausnahme von Regelungen über die Beförderung von Gefahrgütern als Expressgut, die in das RID (Art. 5) bzw. in einer Anlage zum RID integriert sind, siehe dazu die Allgemeinen Erläuterungen zu den ERCIM, Ziff. 35. 100 So die Allgemeinen Erläuterungen zum Protokoll 1999, Ziff. 1, abgedruckt in: OTIF (Hrsg.), Bericht des Zentralamtes über die Revision des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 und erläuternde Bemerkungen zu den von der 5. Generalversammlung angenommenen Texten vom 1.1.2011, 22 ff. (Hervorhebungen im Original).

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Bern die Zwischenstaatliche Organisation für den internationalen Eisenbahnverkehr“ (Organisation Intergouvernementale pour le Transport internationaux Ferroviares – OTIF) von den Mitgliedstaaten als Parteien des COTIF gebildet (Art. 1 § 1). Nach Art. 1 § 2 hat die OTIF ihren Sitz – wie dies von jeher für das Zentralamt galt – in Bern. Neu an der Regelung ist jedoch, dass die Generalversammlung der OTIF beschließen kann, deren Sitz in einen anderen Ort in einem der Mitgliedstaaten zu verlegen (Art. 1 § 3). Hierin wird man eine Reaktion derjenigen der heute insgesamt 50 Mitgliedstaaten101 der OTIF sehen können, die nicht nur aus Europa stammen und die dementsprechend den Sitz der Organisation nicht auf die Schweiz fixieren wollen, sondern mit der Einräumung der Möglichkeit einer Sitzverlegung die Überregionalität der Organisation unterstreichen.102 Wie andere der heute existierenden internationalen zwischenstaatlichen Organisationen besitzt die OTIF völkerrechtliche Rechtspersönlichkeit. Sie kann als solche „insbesondere Verträge schließen, bewegliches und unbewegliches Vermögen erwerben und veräußern sowie klagen und verklagt werden“ (Art. 1 § 3). Die Organisation, die Mitglieder des Personals, die von der Organisation berufenen Sachverständigen und die Vertreter der Mitgliedstaaten „genießen die zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben erforderlichen Vorrechte und Immunitäten“ (Art. 1 § 4). Die Bedingungen, unter denen diese Vorrechte und Immunitäten greifen, sind in dem Übereinkommen beigefügten Protokoll über die Vorrechte und Immunitäten der Zwischenstaatlichen Organisation für den internationalen Eisenbahnverkehr (OTIF) vom 9. Mai 1980 im Einzelnen festgelegt.103 Ziele der Organisation sind die umfassende Förderung, Verbesserung und Erleichterung des internationalen Eisenbahnverkehrs (Art. 2). Zur Umsetzung dieser Ziele nennt Art. 2 § 1 als Aufgaben der Organisation die Aufstellung einheitlicher Rechtsordnungen für vier Rechtsbereiche, so für den „Vertrag über die Beförderung von Personen und Gütern im durchgehenden 101

Die Mitgliedschaften des Irak und des Libanon ruhen bis zur Wiederaufnahme des internationalen Eisenbahnverkehrs; das Beitrittsverfahren von Aserbaidschan ist derzeit noch nicht abgeschlossen. Jordanien ist assoziierter Mitgliedsstaat. 102 In diesem Sinne auch die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 1 COTIF, Ziff. 2, abgedruckt in: OTIF (Hrsg.), Bericht des Zentralamtes über die Revision des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 und erläuternde Bemerkungen zu den von der 5. Generalversammlung angenommenen Texten vom 1.1.2011, 34 ff., abrufbar unter: http://www.otif.org/fileadmin/user_upload/otif_ verlinkte_files/07_veroeff/03_erlaeut/COTIF_Rapport_explicatif_01_01_2011_d.pdf (letzter Zugriff: 24.7.2015); als möglicher Grund für eine Sitzverlegung wird beispielsweise hier auch eine (Teil-)Fusion mit der Organisation über die Zusammenarbeit der Eisenbahnen (OSShD) in Warschau angeführt, ebd. 103 BGBl. 1985 II, 171.

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internationalen Eisenbahnverkehr, einschließlich ergänzender Beförderungen mit anderen Beförderungsmitteln, die Gegenstand eines einzigen Vertrags sind“ (Art. 2 § 1 lit. a) Ziff. 1), womit der multimodale Transport gemeint ist, der heute – wie zuvor schon für den Bereich des Straßengütertransports gezeigt – große Bedeutung erlangt hat. Als weitere Rechtsbereiche, für die einheitliche Rechtsordnungen aufgestellt werden sollen nennt Art. 2 § 1 den „Vertrag über die Verwendung von Wagen als Beförderungsmittel im internationalen Eisenbahnverkehr“ (Art. 2 § 1 lit. a) Ziff. 2), für den „Vertrag über die Nutzung der Infrastruktur im internationalen Eisenbahnverkehr“ (Art. 2 § 1 lit. a) Ziff. 3) sowie für den Bereich der „Beförderung gefährlicher Güter im internationalen Eisenbahnverkehr“ (Art. 2 § 1 lit. a) Ziff. 4). Weiter soll die Organisation – wie auch schon die bisherige Verwaltungsunion – „auf eine zügige Beseitigung von Hindernissen beim Grenzübertritt im internationalen Eisenbahnverkehr unter Berücksichtigung besonderer öffentlicher Belange104 hinwirken, soweit diese Hindernisse ihre Ursache im staatlichen Verantwortungsbereich haben“ (Art. 2 § 1 lit. b)). Die Aufhebung des bis 1980 geltenden Berner Übereinkommens betr. die technische Einheit im Eisenbahnwesen (TE) vom 15. Mai 1886 spiegelt sich wider in der Aufnahme der Aufgabe, „zur Interoperabilität und technischen Harmonisierung im Eisenbahnbereich durch Verbindlichkeit technischer Normen und Annahme einheitlicher technischer Vorschriften“ beizutragen (Art. 2 § 1 lit. c)) und „ein einheitliches Verfahren für die technische Zulassung von Eisenbahnmaterial, das zur Verwendung im internationalen Verkehr bestimmt ist“, aufzustellen (Art. 2 § 1 lit. d)). Wie schon dem Zentralamt obliegt der OTIF auch die Aufgabe, „die Anwendung und Durchführung aller im Rahmen der Organisation geschaffenen Rechtsvorschriften und ausgesprochenen Empfehlungen zu überwachen (Art. 2 § 1 lit. e)) und „die in Buchstaben a. bis e. genannten einheitlichen Rechtsordnungen, Regeln und Verfahren unter Berücksichtigung der rechtlichen, wirtschaftlichen und technischen Veränderungen“ weiterzuentwickeln (Art. 2 § 1 lit. f)). Schließlich kann die Organisation im Rahmen der in Art. 2 § 1 genannten Ziele „weitere einheitliche Rechtsordnungen ausarbeiten“ (Art. 2 § 2 lit. a)) und „einen Rahmen bilden, in dem die Mitgliedstaaten weitere internationale Übereinkommen mit dem Ziel ausarbeiten können, den

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Art. 2 § 1 lit. b) COTIF; Hervorhebung vom Verf.; die Worte „unter Berücksichtigung besonderer öffentlicher Belange“ wurden auf Antrag Deutschlands eingefügt. Zur Begründung wurde von Deutschland ausgeführt, dass die Beschleunigung des Grenzübertritts kein „absolutes Ziel“ sei. Vielmehr müssten auch so wichtige Gesichtspunkte wie die Bekämpfung der illegalen Einwanderung oder des Rauschgiftschmuggels als „besondere öffentliche Belange“ mit bedacht werden; siehe dazu die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 2 COTIF, Ziff. 7.

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internationalen Eisenbahnverkehr zu fördern, zu verbessern oder zu erleichtern“ (Art. 2 § 2 lit. b)).105 Das Ziel, mit der Gründung der Organisation einen Rahmen für eine umfassende Ordnung für das internationale Eisenbahnwesen zu schaffen und das heißt die internationale Zusammenarbeit bei der Verwirklichung dieses Ziels „grundsätzlich in der Organisation zu konzentrieren, soweit ein Zusammenhang mit den Aufgaben besteht, die ihr gemäß Art. 2 und 4 zugewiesen sind“, wird in Art. 3 COTIF nachdrücklich unterstrichen. Die in diesem Artikel festgelegten Verpflichtungen der Mitgliedstaaten beschränken sich nicht darauf, innerhalb der Organisation eine enge Zusammenarbeit zu pflegen, sondern sie zielen auch darauf, dass die Mitgliedstaaten „alle notwendigen und zweckdienlichen Maßnahmen ergreifen, damit bestehende multilaterale Übereinkommen und Vereinbarungen, deren Vertragsparteien sie sind, entsprechend angepasst werden, soweit diese Übereinkommen und Vereinbarungen die internationale Zusammenarbeit im Eisenbahnwesen betreffen und anderen zwischenstaatlichen oder nichtstaatlichen Organisationen Aufgaben zuweisen, die sich mit den Aufgaben der Organisation überschneiden“ (Art. 3 § 1 S. 2).106Als multilaterale Übereinkommen, die internationale Zusammenarbeit im Eisenbahn betreffend, sind z.B. die im Rahmen der UNECE geschlossenen Europäischen Übereinkommen über die Hauptlinien des internationalen Eisenbahnverkehrs (AGC) von 1985 und über wichtige Linien des internationalen kombinierten Verkehrs und damit zusammenhängenden Einrichtungen (AGTC) von 1991, die Europäischen Übereinkommen über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Straße (ADR) von 1957 und auf Binnenwasserstraßen (ADN) von 2000,107 sowie die zunächst von nationalen Eisenbahnverwaltungen im Jahre 1921 angenommene RIV-Übereinkommen und das 1923 angenommene RIC-Übereinkommen zu nennen. Zwischenstaatliche und nichtstaatliche Organisationen bzw. Organe derselben im Sinne des Art. 3 § 1 sind z.B. die UNECE, die ECMT einerseits und die UIC andererseits.

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Zu den Zielen der OTIF siehe im Einzelnen die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 2 COTIF. 106 Hervorhebung vom Verf.; zu Art. 3 siehe näher auch die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 3 COTIF. 107 Zu dieser Zusammenarbeit siehe z.B. näher die Allgemeinen Erläuterungen zum RID, Ziff. 9 f., abgedruckt in: OTIF (Hrsg.), Bericht des Zentralamtes über die Revision des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 und erläuternde Bemerkungen zu den von der 5. Generalversammlung angenommenen Texten vom 1.1.2011, 143 ff., abrufbar unter: http://www.otif.org/fileadmin/user_ upload/otif_verlinkte_files/07_veroeff/03_erlaeut/COTIF_Rapport_explicatif_01_01_20 11_d.pdf (letzter Zugriff: 24.7.2015).

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Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, alle notwendigen und zweckdienlichen Maßnahmen zu ergreifen, um eisenbahnrechtlich relevante Verträge außerhalb des COTIF-Regimes, deren Parteien sie sind, an das COTIF-Regime anzupassen, stellt die Organisation vor die Aufgabe, die im Rahmen der EG/EU, der UIC und der OTIF entwickelten Regelungen in der Praxis zu harmonisieren,108 weil aufgrund des unterschiedlichen rechtlichen Charakters der Regelungen von z.B. OTIF (völkerrechtlich), EG/EU (supranational) und UIC (vertragliche Regelungen einer nichtstaatlichen Organisation) im Falle von Normenkollisionen der unmittelbare Rückgriff auf die Kollisionsregeln des Völkerrechts nicht zurückgegriffen werden kann.109 Das Ziel des COTIF, die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Eisenbahnwesens in der OTIF zu konzentrieren, wird weiterhin in Art. 4 COTIF sehr deutlich. Auf Beschluss der Generalversammlung der OTIF kann diese – im Einklang mit den in Art. 2 genannten Zielen – „Aufgaben, Mittel und Verbindlichkeiten übernehmen, die ihr von anderen zwischenstaatlichen Organisationen auf der Grundlage von Vereinbarungen mit diesen Organisationen übertragen werden“ (Art. 4 § 1). Umgekehrt können auf Beschluss der Generalversammlung Aufgaben, Mittel und Verbindlichkeiten auf andere zwischenstaatliche Organisationen auf der Grundlage von Vereinbarungen mit diesen übertragen werden (Art. 4 § 2). Auffällig ist, dass diese Übernahmen oder Übertragungen von Aufgaben, Mitteln und Verbindlichkeiten nur für zwischenstaatliche Organisationen vorgesehen sind, also nicht für die UIC,110 die in bedeutendem Umfang Aufgaben im Bereich des internationalen Eisenbahnverkehrs erfüllt. Die Organisation kann nach Art. 4 § 3 mit Zustimmung des Verwaltungsausschusses auch Verwaltungsaufgaben wahrnehmen, „die mit ihren Zielen in Zusammenhang stehen und ihr einem Mitgliedstaat übertragen werden.“111 Allerdings hat der Mitgliedstaat die Ausgaben zu tragen, die sich aus der Wahrnehmung der übertragenen Aufgaben ergeben. 108

Siehe dazu beispielhaft die vom Zentralamt für den internationalen Eisenbahnverkehr publizierte Abhandlung „Harmonisierung des internationalen Transportrechts – Anpassung der beiden Frachtrechtssysteme CIM und SMGS“, ZintEisenb. 105 (1997), 120 ff., sowie Zólcinski, Zusammenwirken der Frachtrechtssysteme CIM und SMGS im internationalen Eisenbahnverkehr, ZintEisenb. 106 (1998), 176 ff. und die Untersuchung von Lehman, Wagenrecht: „Einstellungsvertrag“ wird vom „Verwendungsvertrag“ abgelöst, ZintEisenb 113 (2005), 67 ff. 109 Zur Vertragskonkurrenz ausführlich Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 2. Aufl. 2002, 680 ff. 110 Mit der UIC besteht jedoch heute eine gute Zusammenarbeit z.B. auf dem Gebiet der Verbesserung der Verfahren beim Grenzübertritt im internationalen Eisenbahnpersonen- und -güterverkehr, für das OTIF zusammen der ECE und dem Comité International des Transports par Chemins de Fer (CIT) zahlreiche Vorschläge und Empfehlungen erarbeitet hat. 111 Hervorhebung vom Verf.

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Den in Art. 3 COTIF aufgeführten Verpflichtungen der Vertragsstaaten fügt Art. 5 sog. „besondere Verpflichtungen“ hinzu. Danach verpflichten sich die Mitgliedstaaten, alle geeigneten Maßnahmen zu ergreifen, um den internationalen Eisenbahnverkehr zu erleichtern und zu beschleunigen – ein Ziel, das auch in den schon behandelten älteren Einzelverträgen, aber auch von der UNECE und CEMT verfolgt wurde. Konkret bedeutet dies die Verpflichtung der Mitgliedstaaten „jedes überflüssige Verfahren zu beseitigen, die noch erforderlichen Formalitäten zu vereinfachen und vereinheitlichen“, sowie „die Grenzkontrollen zu vereinfachen“ (Art. 5 § 1 lit. a)–c)). Auch verpflichten sich die Mitgliedstaaten, dazu beizutragen, „ein möglichst hohes Maß an Einheitlichkeit bei Vorschriften, Standards, Verfahren und Organisationsmethoden betreffend Eisenbahnpersonal, Eisenbahninfrastruktur und Hilfsdienstleistungen zu erreichen“ (Art. 5 § 2). Schließlich kommen die Mitgliedstaaten überein, „den Abschluss von Vereinbarungen zwischen Infrastrukturbetreibern zu fördern, die darauf abzielen, den internationalen Eisenbahnverkehr zu optimieren“ (Art. 5 § 3).112 Interessant ist, dass die Vorschrift es offen lässt, ob diese Infrastrukturbetreiber selbständige Unternehmen sein sollen oder ob sie Teil einer nationalen Eisenbahnverwaltung bleiben können.113 Auffällig ist auch, dass die in den genannten Regelungen des COTIF vorgesehenen Verpflichtungen der Mitgliedstaaten relativ weich formuliert sind, d.h., den Mitgliedstaaten ein gewisses Maß an Freiheit bezüglich der Art und Weise und im Ausmaß der Erfüllung der Verpflichtungen belassen. Die Allgemeinen Bestimmungen des Titels I des COTIF enden mit einer Aufzählung der Einheitlichen Rechtsvorschriften, die vorbehaltlich der Abgabe von Erklärungen oder Vorbehalten im internationalen Eisenbahnverkehr und bei der technischen Zulassung von Eisenbahnmaterial zur Verwendung im internationalen Verkehr Anwendung finden, also CIV, CIM, CUV, CUI, APTU und ATMF (Art. 6 § 1 lit. a), b) und d)–g)), die gemäß Art. 6 § 2 mit ihren Anlagen Bestandteil des COTIF sind.114 112

Der Art. 5 § 3 COTIF wurde auf Antrag Frankreichs eingefügt. In den Erläuterungen zu Art. 5 § 3 COTIF wird vermerkt, dass es sich bei dieser Vorschrift nicht um eine Norm zwingenden Charakters handelt, vgl. die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 5 COTIF 1999, Ziff. 3. 113 Die Trennung von Infrastrukturbetreibern und Eisenbahnbetriebsunternehmen ist ein z.B. von der EU im Zuge der Verwirklichung eines integrierten Eisenbahnverkehrsmarktes verfolgtes Ziel. 114 Text der „Einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen (CIV)“ – Anhang A zum COTIF, in: BGBl. 2002 II. 2190 ff.; Text der „Einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern (CIM)“ ! Anhang B zum COTIF, in: BGBl. 2002 II, 2221 ff., zuletzt geändert d. BGBl. 2010 II, 1248, in Kraft getreten am 1.12.2010, BGBl.

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3. Die Organe des OTIF Organe der Organisation sind die Generalversammlung, der Verwaltungsausschuss, der Revisionsausschuss, der Fachausschuss für die Beförderung gefährlicher Güter (Fachausschuss RID), der Ausschuss für Erleichterungen im Eisenbahnverkehr, der Fachausschuss für technische Fragen und der Generalsekretär (Art. 13 § 1 lit. a)–g)). Art. 13 § 2 sieht vor, dass die „Generalversammlung die zeitlich befristete Einrichtung weiterer Ausschüsse für besondere Aufgaben beschließen kann.“115 a) Die Generalversammlung Die Generalversammlung besteht aus allen Mitgliedstaaten (Art. 14 § 1).116 Sie gibt sich eine Geschäftsordnung und bestimmt die Mitglieder des Verwaltungsausschusses sowie für jedes Mitglied ein Ersatzmitglied. Sie bezeichnet auch den Mitgliedstaat, der den Vorsitz führt. Zu den wichtigsten der in dem umfangreichen Katalog des Art. 14 § 2 COTIF aufgelisteten Aufgaben gehören die Wahl des Generalsekretärs (Art. 14 § 2 lit. c)), 2011 II, 231; Text der „Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter (RID)“ – Anhang C zum COTIF, in: BGBl. 2002 II, 2256 ff. und Anlagenband Nr.18, zuletzt geändert durch BGBl. 2014 II, 890, aktueller Text (Stand: 1.1.2015) in BGBl. 2014 II, Anlagenband Nr. 26, 99 ff.; Text der „Einheitlichen Rechtsvorschriften für Verträge über die Verwendung von Wagen im internationalen Eisenbahnverkehr (CUV)“ – Anhang D zum COTIF, in: BGBl. 2002 II, 2258 ff.; Text der „Einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die Nutzung der Infrastruktur im internationalen Eisenbahnverkehr (CUI)“ – Anhang E zum COTIF, in: BGBl. 2002 II, 2264 ff., zuletzt geändert durch BGBl. 2010 II, 1249, in Kraft getreten am 1.12.2010, BGBl. 2011 II, 231; Text der „Einheitlichen Rechtsvorschriften für die Verbindlichkeitserklärung technischer Normen und für die Annahme einheitlicher technischer Vorschriften für Eisenbahnmaterial, das zur Verwendung im internationalen Verkehr bestimmt ist (APTU)“ – Anhang F zum COTIF, in: BGBl. 2002 II, 2276 ff.; Text der „Einheitlichen Rechtsvorschriften für die technische Zulassung von Eisenbahnmaterial, das im internationalen Verkehr verwendet wird (ATMF)“ – Anhang G zum COTIF, in: BGBl. 2002 II, 2284 ff. Die Texte sind in ihrer jeweils aktuellen Fassung ebenfalls abrufbar unter: http://www.cit-rail.org/de/eisenbahntransportrecht/cotif/ (letzter Zugriff: 30.6.2015). 115 Diese Kompetenz der Generalversammlung wurde eingeführt, um Änderungen des COTIFs zu vermeiden, sollte es sich als notwendig erweisen, weitere Ausschüsse einzurichten, so die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 13 COTIF, Ziff. 4. 116 Auf die mit Einverständnis der Mehrheit der Mitgliedstaaten ausgesprochene Einladung des Generalsekretärs können Nichtmitgliedstaaten sowie internationale, im Eisenbahnwesen tätige Organisationen an Tagungen der Generalversammlung mit beratender Stimme teilnehmen (Art. 14 § 7).

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die Bestimmung der Richtlinien für die Tätigkeit des Verwaltungsausschusses und des Generalsekretärs (Art. 14 § 2 lit. d)), die Festlegung des für einen Zeitraum von sechs Jahren geltenden Höchstbetrages, den die Ausgaben der Organisation in jeder Haushaltsperiode erreichen dürfen, und nötigenfalls die Festlegung von Richtlinien für deren Begrenzung (Art. 14 § 2 lit. e)), die Entscheidung über die Verlegung des Sitzes der Organisation (Art. 14 § 2 lit. l)), über Beitrittsanträge und über die Bedingungen des Beitritts einer regionalen Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Art. 14 § 2 lit. m) und n)) sowie über Assoziierungsgesuche (Art. 14 § 2 lit. o)) und über die Auflösung der Organisation (Art. 14 § 2 lit. p)). Weitere Aufgaben ergeben sich aus den Art. 1 § 6, 4 § 1 und 2, 13 § 2, 26 § 7. Die Generalversammlung ist beschlussfähig (Art. 13 § 3), wenn die Mehrheit der Mitgliedstaaten vertreten ist (Art. 14 § 4 S.1). Mitgliedstaaten können sich von einem anderen Mitgliedstaat vertreten lassen, jedoch kann ein Staat nicht mehr als einen anderen Staat vertreten (Art. 14 § 4 S.2). Die Generalversammlung fasst ihre Beschlüsse mit der Mehrheit bei der Abstimmung vertretenen Mitgliedstaaten (Art. 14 § 6 S.1 1.HS). In bestimmten Fällen ist jedoch eine Zweidrittelmehrheit erforderlich (Art. 14 § 6 S.1 2.HS). Die Fülle der Aufgaben der Generalversammlung weist diese deutlich als das Hauptorgan der Organisation aus. Sie beschließt die Vorgaben für die Tätigkeit der anderen Organe und hat bei so zentralen Fragen, wie z.B. die Änderung des COTIF und die Beschlussfassung über Finanzfragen, das letzte Wort. Doch ist bei dieser Einschätzung einschränkend zu berücksichtigen, dass die Generalversammlung regulär nur alle drei Jahre durch den Generalsekretär zusammengerufen wird (Art. 14 § 3 S.1).117 Zusätzliche Tagungen können nur auf Antrag eines Drittels der Mitgliedstaaten oder auf Antrag des Verwaltungsausschusses sowie in anderen in den Art. 33 §§ 2 und 3 und Art. 37 § 4 COTIF vorgesehenen Fällen einberufen werden (Art. 14 § 3 S.1). Das bedeutet, dass in der Alltagspraxis der Organisation dem Verwaltungsausschuss als Exekutivorgan, vor allem aber dem ständig präsenten Generalsekretär eine erhebliche Bedeutung zukommt. b) Der Verwaltungsausschuss Der Verwaltungsausschuss, dem als Exekutivorgan stärker operative Aufgaben obliegen, ist dementsprechend kleiner als die Generalversammlung, aber doch mit 117

Der Drei-Jahres-Rhythmus ist jedoch eine Verbesserung gegenüber dem zuvor geltenden Fünf-Jahres-Rhythmus. Diese Änderung war auch deswegen erforderlich, weil in dem reformierten COTIF 1999 die Amtszeit des Verwaltungsausschusses, dessen Zusammensetzung die Generalversammlung bestimmt, auf drei Jahre begrenzt wurde, siehe die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 14 COTIF, Ziff. 2.

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einer Mitgliederzahl von einem Drittel der Mitgliedstaaten recht groß (Art. 15 § 1). Auch die Mindestzahl von nur einer jährlichen Tagung – die Einberufung weiterer Tagungen kann der Ausschussvorsitzende allerdings auf Antrag des Generalsekretärs oder vier seiner Mitglieder einberufen – scheint auf den ersten Blick mit der Funktion des Verwaltungsausschusses als Exekutivorgan und dem umfangreichen Aufgabenkatalog nicht recht zusammenzupassen. Doch ist einer effizienten Erledigung der Aufgaben des Ausschusses dadurch Rechnung getragen worden, dass der Ausschussvorsitzende „in den Grenzen und unter Bedingungen, die in der Geschäftsordnung des Ausschusses festgelegt sind, die dringlichen Fragen, die zwischen den Tagungen auftreten, behandelt“ (Art. 15 § 9). Hinzukommt, dass ein großer Teil der operativen Aufgaben dem Generalsekretär obliegen. Die Mitglieder des Verwaltungsausschusses und für jedes Mitglied ein Ersatzmitglied sowie der Vorsitzende werden von der Generalversammlung für drei Jahre bestimmt (Art. 14 § 2 i.V.m. Art. 15 § 2). Im Regelfall darf ein Mitglied nicht mehr als zwei aufeinanderfolgende Amtszeiten dem Ausschuss angehören (Art. 15 § 4). Der Ausschuss ist beschlussfähig, wenn zwei Drittel der Mitglieder vertreten sind. Die Vertretung durch einen anderen Mitgliedstaat ist zulässig, jedoch kann ein Mitglied nicht mehr als ein anderes Mitglied vertreten (Art. 15 § 6). Der Verwaltungsausschuss fasst seine Beschlüsse mit der Mehrheit der bei der Abstimmung vertretenen Mitglieder (Art. 15 § 7). Die Aufgaben des Verwaltungsausschusses lassen sich grob in fünf Bereiche einordnen, nämlich die Wahrnehmung der inneren Organisationsgewalt, das Finanzierungs- und Rechnungswesen, die Überwachung der Geschäftsführung des Generalsekretärs, die Überwachung der Anwendung des COTIFs und der von anderen Organen gefassten Beschlüsse sowie einer kleinen Zahl sonstiger Aufgaben.118 Im Einzelnen geht es bei der inneren Organisationsgewalt um den Erlass einer Geschäftsordnung (Art. 15 § 5 lit. a)), den Abschluss des Sitzabkommens (Art. 15 § 5 lit. b)), den Erlass des Personalstatuts der Organisation und die Ernennung der höheren Bediensteten unter Berücksichtigung ihrer Eignung und einer angemessenen geographischen Verteilung (Art. 15 § 5 lit. c) und d)). Im Bereich des Finanzierungs- und Rechnungswesens obliegt dem Ausschuss die Aufstellung einer Ordnung für das Rechungswesen und die Buchhaltung der Organisation sowie die Festsetzung der von den Mitgliedstaaten zu leistenden Beiträge und besonderer Vergütungen (Art. 15 § 5 lit. e)–l) i.V.m. Art. 26 und 27). Im vierten Bereich geht es um die Überwachungsaufgaben, also die Überwachung der Geschäftsführung 118 Zu den Aufgaben und zur Arbeitsweise des Verwaltungsausschusses siehe die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 15 COTIF.

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des Generalsekretärs, insbesondere der sachgemäßen Anwendung des Übereinkommens sowie der Ausführung von Beschlüssen anderer Organe einschließlich der Ergreifung notwendiger Maßnahmen zur Verbesserung der Anwendung des Übereinkommens und Beschlüsse (Art. 15 § 5 lit. n) und o)). Zu den weiteren Aufgaben zählt die Begutachtung von Fragen, welche die Tätigkeit der Organisation betreffen können und die dem Ausschuss von einem Mitgliedstaat oder dem Generalsekretär unterbreitet werden (Art. 15 § 5 lit. p)). Ferner entscheidet der Ausschuss über Streitigkeiten zwischen einem Mitgliedstaat und dem Generalsekretär hinsichtlich seiner Funktionen als Depositar (Art. 15 § 5 lit. q) i.V.m. Art. 36 § 2) und über Anträge auf Ruhen der Mitgliedschaft (Art. 15 § 5 lit. r)). c) Die weiteren Ausschüsse Für die weiteren Ausschüsse – den Revisionsausschuss, den Fachausschuss für die Beförderung gefährlicher Güter, den Ausschuss für Erleichterungen im Eisenbahnverkehr und den Fachausschuss für technische Fragen – enthält Art. 16 allgemeine Bestimmungen für deren Zusammensetzung, Tagungsweise und Abstimmungsverfahren, die in Teilen denen des Verwaltungsausschusses entsprechen. Entsprechend kurz sind die die einzelnen Ausschüsse betreffenden Vorschriften (Art. 17–19) mit Ausnahme des dem Fachausschuss für technische Fragen gewidmeten Art. 20. Der Grund ist, dass der Fachausschuss für technische Fragen, der die Arbeit der Organe der früheren TE fortführt, durch die neuen Einheitlichen Rechtsvorschriften APTU und ATMF – bedingt durch den äußerst komplexen Regelungsgegenstand – umfangreichere Aufgaben zugewiesen erhalten hat. Der Revisionsausschuss entscheidet gemäß Art. 33 § 4 über Anträge auf Änderung des COTIF und über Anträge, die gemäß Art. 33 § 2 der Generalversammlung zur Entscheidung vorzulegen sind. Er ist beschlussfähig, wenn die Mehrheit der Mitgliedstaaten vertreten ist (Art. 17). Der Fachausschuss RID entscheidet gemäß Art. 33 § 5 über Anträge des RID-Übereinkommens. Er ist beschlussfähig, wenn ein Drittel der Mitgliedstaaten vertreten ist (Art. 18). Der Ausschuss für Erleichterungen im Eisenbahnverkehr schließlich befasst sich mit allen Fragen des Erleichterung des Grenzübertritts im internationalen Eisenbahnverkehr (Art. 19 § 1 lit. a)) und empfiehlt Standards, Methoden, Verfahren und Praktiken betreffend Erleichterungen im internationalen Eisenbahnverkehr (Art. 19 § 1 lit. b)). Beschlussfähig ist der Ausschuss, wenn ein Drittel Mitgliedstaaten vertreten ist (Art. 19 § 2). Der Fachausschuss für technische Fragen entscheidet über die Verbindlichkeitserklärung einer technischen Norm für Eisenbahnmaterial, das zur Verwendung im

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internationalen Verkehr bestimmt ist, gemäß Art. 5 der Einheitlichen Rechtsvorschriften APTU, und über die Annahme einer einheitlichen Vorschrift für Bau, Betrieb, Instandhaltung oder für Verfahren betreffend Eisenbahnmaterial, das zur Verwendung im internationalen Eisenbahnverkehr bestimmt ist, gemäß Art. 6 APTU. Darüber hinaus entscheidet er gemäß Art. 33 § 6 über Anträge auf Änderung des Übereinkommens APTU (Art. 20 § 1 lit. a), b) und d)). Er beobachtet die Anwendung technischer Normen und einheitlicher technischer Vorschriften für Eisenbahnmaterial, das zur Verwendung im internationalen Eisenbahnverkehr bestimmt ist, und prüft ihre Weiterentwicklung im Hinblick auf eine Verbindlichkeitserklärung oder Annahme gemäß den in Art. 5 und 6 APTU vorgesehenen Verfahren und befasst sich mit allen weiteren Angelegenheiten, die ihm gemäß APTU und den Einheitlichen Rechtsvorschriften ATMF zur Behandlung zugewiesen sind (Art. 20 § 1 lit. c) und e)). Hervorzuheben ist, dass der Ausschuss für technische Fragen entweder technische Normen für verbindlich erklären oder einheitliche technische Vorschriften annehmen oder ihre Verbindlichkeitserklärung oder Annahme ablehnen kann. In keinem Fall kann er sie ändern (Art. 20 § 3). Der Fachausschuss für technische Fragen ist beschlussfähig, wenn die Hälfte der Mitgliedstaaten vertreten ist (Art. 20 § 2). Jedoch haben bei der Beschlussfassung über Bestimmungen der Anlagen der Einheitlichen Rechtsvorschriften APTU Mitgliedstaaten, die den betreffenden Bestimmungen gemäß Art. 35 § 4 widersprochen oder eine Erklärung gemäß Art. 9 § 1 der Einheitlichen Rechtsvorschriften APTU abgegeben haben, kein Stimmrecht (Art. 20 § 2).119 d) Der Generalsekretär Dem Generalsekretär kommt – wie schon angedeutet – neben dem Verwaltungsausschuss besonderes Gewicht in der Leitung des OTIF zu. In der äußerst knappen Regelung, dass der Generalsekretär „die Sekretariatsgeschäfte besorgt“ (Art. 21 § 1), kommt dieses besondere Gewicht seiner Aufgaben nur unvollkommen zum Ausdruck. Erst der in Art. 21 § 3 enthaltene umfangreiche Aufgabenkatalog zeigt, welch wichtige Rolle dem Generalsekretär in der Gesamtleitung des OTIF zugedacht ist. Hinzu kommt, dass der Generalsekretär das einzige Organ ist, das ständig am Sitz der Organisation präsent ist. Dem Anliegen, Kontinuität in der Geschäftsführung des OTIF zu sichern, wird auch dadurch Rechnung getragen, dass der Generalsekretär, der von der Generalversammlung auf drei Jahre gewählt wird, zweimal wiedergewählt werden kann und sich die Amtszeit eines Generalsekretärs somit auf insgesamt neun Jahre erstrecken kann. Andererseits ist die 119 Zu diesen Ausschüssen siehe näher die Erläuternden Bemerkungen zu den Art. 17– 20 COTIF.

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darin liegende Begrenzung der Amtszeit sinnvoll, weil mit der Wahl eines neuen Generalsekretärs auch neue Impulse für die Leitung der Organisation ausgelöst werden können. Die Aufgaben des Generalsekretärs umfassen die üblichen, eher technischen Sekretariatsaufgaben, wie die Ausführung der Aufgaben, die ihm von anderen Organen übertragen werden, die Mitteilung der von der Generalversammlung und von den Ausschüssen gefassten Beschlüsse an die Mitgliedstaaten, die rechtzeitige Übermittlung der erforderlichen Dokumente für die Tagungen der verschiedenen Organe an die Mitgliedstaaten, die Ausarbeitung des Arbeitsprogramms, des Voranschlags und des Geschäftsberichts der Organisation und deren Vorlage an den Verwaltungsausschuss zur Genehmigung, die Führung der Finanzen der Organisation im Rahmen des genehmigten Voranschlages, die Einberufung der Generalversammlung und der übrigen Ausschüsse sowie die Vorbereitung der Anträge der Mitgliedstaaten auf Änderung des COTIF für die Beratungen (Art. 21 § 3 lit. d), c), g), h), i), f) und e)).120 Bedeutender sind die Aufgaben, die sich auf die Führung des Personals beziehen (Art. 21 § 3 lit. n) und o), dessen Rechte und Pflichten sich aus dem vom Verwaltungsausschuss gemäß Art. 15 § 5 lit. c) zu erlassenden Personalstatut ergeben. Über die genannten Routineangelegenheiten hinaus gehören die Außenvertretung der Organisation (Art. 21 § 3 lit. b)), die Schichtung von Streitigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten über die Auslegung oder Anwendung des COTIF (Art. 21 § 3 lit. j)), die Erstellung von Gutachten bei Streitigkeiten über Auslegung oder Anwendung des COTIF (Art. 21 § 3 lit. k)) und die Erfüllung der dem Generalsekretär in Titel V COTIF im Rahmen der Schiedsgerichtsbarkeit zugewiesenen Aufgaben (Art. 21 § 3 lit. l)) zu dem vom Generalsekretär zu erfüllenden Aufgabenspektrum. Hervorzuheben ist das dem Generalsekretär eingeräumte Recht, von sich aus Anträge auf Änderung des COTIF vorzulegen (Art. 21 § 4). Titel III des COTIF schließt mit zwei Regelungen, die jedenfalls auch den Aufgabenbereich des Generalsekretärs betreffen, jedoch genauso für die Organisation im Ganzen von Bedeutung sind. Art. 23 sieht vor, dass die Organisation eine Zeitschrift herausgibt, welche die amtlichen sowie für die Anwendung des COTIF notwendigen und zweckdienlichen Mitteilungen enthält. Diese Zeitschrift kann auch dem Generalsekretär als Forum für Mitteilungen dienen, die er aufgrund des COTIF zu machen hat. Art. 24 betrifft die Führung der Listen der Linien, die gemäß den Art. 1 der Einheitlichen Rechtsvorschriften CIM und CIV für die Beförderung zur See und auf Binnengewässern und für Eisenbahnstrecken eines Mitgliedstaates, der einen Vorbehalt gemäß Art. 1 § 6 der Einheitlichen Rechtsvorschriften CIV und CIM erklärt hat, vom Generalsekretär zu führen sind. 120

Zu weiteren, eher technischen Aufgaben siehe Art. 21 § 3 lit. m) und p) COTIF.

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4. Die Finanzordnung Die Finanzordnung der OTIF ist in Titel IV geregelt. Wie andere internationale zwischenstaatliche Organisationen wird die Finanzierung der Ausgaben der Organisation, die nicht durch sonstige Einnahmen gedeckt werden, von den Mitgliedstaaten durch Beiträge getragen. Anders jedoch wie etwa bei den Vereinten Nationen und deren Sonderorganisationen werden die Beiträge nicht allein nach dem für diese geltenden Beitragsschlüsseln berechnet. Vielmehr werden nach diesem Schlüssel121 nur zwei Fünftel der von den einzelnen Mitgliedstaaten zu zahlenden Beiträge errechnet, die restlichen drei Fünftel werden auf „der Grundlage der gesamten Länge der Eisenbahninfrastruktur sowie der gemäß Art. 24 § 1 eingetragenen Linien zur See und auf Binnengewässern ermittelt,“ wobei „für Linien zur See und auf Binnengewässern nur die Hälfte ihrer Längen“ zugrundelegt wird (Art. 26 § 1 COTIF). Grundsätzlich gilt, dass jeder Mitgliedstaat mindestens 0,25% und höchstens 15% der Beiträge trägt (Art. 26 § 3).122 Bei der Heranziehung zu den Beitragszahlungen wird zwischen Ausgaben, die alle Mitgliedstaaten in gleicher Weise, und solchen Ausgaben unterschieden, die nur einen Teil der Mitgliedstaaten betreffen (Art. 26 § 4 lit. a) und b)). Die entsprechenden Feststellungen trifft der Verwaltungsausschuss (Art. 26 § 4). Nähere Einzelheiten zu den Modalitäten der Beitragszahlung und der Konsequenzen bei Nichtzahlung enthalten die §§ 5–11 des Art. 26.123 Grundlage der Finanzierung der Arbeit der Organisation sind das Arbeitsprogramm, der Vorschlag und der Rechnungsabschluss, die jeweils für einen Zeitraum von zwei Jahren erstellt werden (Art. 25). Soweit nichts anderes von der Generalversammlung beschlossen wird, erfolgt die Rechnungsprüfung durch den Sitzstaat nach den in Art. 27 festgelegten Regeln. 5. Die Streitbeilegung Einen wichtigen Bestandteil der OTIF bilden die Regelungen über die Streitbeilegung, die in Titel V des COTIF niedergelegt sind. Art. 28 § 1 sieht vor, dass Streitigkeiten zwischen den Mitgliedstaaten über die Auslegung und Anwendung 121

Siehe dazu die Tabelle der Beitragsschlüssel der UN für die Jahre 2013, 2014 und 2015 in UN-Generalversammlung, UN Doc. A/Res/67/238 vom 24.12.2012, Ziff. 11. 122 Nach Art. 26 § 2 COTIF gelten besondere Berechnungsmaßstäbe für solche Mitgliedstaaten, die einen Vorbehalt nach jeweils Art. 1 § 6 der Einheitlichen Rechtsvorschriften CIV und CIM eingelegt haben; siehe dazu näher die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 26 COTIF, Ziff. 3. 123 Siehe dazu auch die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 26 COTIF, Ziff. 4–8.

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des Übereinkommens selbst sowie Streitigkeiten zwischen Mitgliedstaaten und der Organisation über die Auslegung und Anwendung des Protokolls über die Vorrechte und Immunitäten auf Ersuchen einer der Parteien einem Schiedsgericht vorgelegt werden können, dessen Zusammensetzung und Verfahren die Parteien nach freiem Ermessen bestimmen. Auch andere Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung des COTIF sowie anderer im Rahmen der Organisation gemäß Art. 2 § 2 ausgearbeiteter Übereinkommen können, „wenn sie nicht gütlich beigelegt oder der Entscheidung der ordentlichen Gerichte unterbreitet worden sind, im Einverständnis der beteiligten Parteien einem Schiedsgericht unterbreitet werden“ (Art. 28 § 2). Für die Zusammensetzung eines solchen Schiedsgerichts und sein Verfahren gelten die Art. 29 bis 32, in denen u.a. der Abschluss eines Schiedsvertrages durch die beteiligten Parteien, die Übertragung der Aufgaben einer Gerichtskanzlei auf den Generalsekretär (Art. 29) sowie das Verfahren der Auswahl der Schiedsrichter (Art. 30),124 Vorgaben für die Prozessführung, die Urteilsfindung und Festsetzung der Prozesskosten und Zuordnung der Kostentragung an die Parteien (Art. 31) geregelt werden. 6. Das Vertragsveränderungsverfahren Hervorzuheben sind darüber hinaus die ausführlichen Regelungen über die Änderung des COTIF, die in Titel VI enthalten sind. Ziel des Übereinkommens war es auch, den Rechtsetzungsprozess zu straffen und das Inkrafttreten von Änderungen zu erleichtern bis hin zu der Möglichkeit echter internationaler Rechtsetzung.125 Dieses Ziel wurde durch das COTIF zwar nicht vollumfänglich erreicht. Allerdings konnten bedeutende Schritte in diese Richtung getan werden. So sieht das COTIF etwa vor, dass von der Generalversammlung beschlossene Änderungen des Übereinkommens, die von zwei Dritteln der Mitgliedstaaten genehmigt werden, für alle Mitgliedstaaten zwölf Monate nach der Genehmigung in Kraft treten, mit Ausnahme derjenigen Mitgliedstaaten, die vor Inkrafttreten der Änderungen ihre Ablehnung erklärt haben (Art. 34 § 2 – sog. opting out). Eine ähnliche Regelung gilt für von der Generalversammlung beschlossene Änderungen der Anhänge zu dem Übereinkommen. Diese treten 12 Monate nach Genehmigung durch die 124

Diese Regelungen, insbesondere die über das Verfahren der Auswahl der Schiedsrichter, entsprechen den bereits im I. Haager Abkommen zur friedlichen Erledigung internationaler Streitfälle vom 18.11.1907, RGBl. 1910, 5/Martens NRG, 3e série, Bd. 3, 360, in den Art. 44 und 45 getroffenen Regelungen. 125 Siehe dazu näher Mutz, Objectifs et moyens de l’harmonisation, Unif.L.Rev. 8 (2003), 289, 292 f.

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Hälfte der Mitgliedstaaten, die keine Nichtanwendungserklärung gemäß Art. 42 § 1 Satz 1 des COTIF abgegeben haben, „für alle Mitgliedstaaten in Kraft mit Ausnahme derjenigen Mitgliedstaaten, die vor Inkrafttreten der Änderungen erklären, dass sie ihnen nicht zustimmen, sowie derjenigen Mitgliedstaaten, die eine Erklärung nach Art. 42 § 1 Satz 1 abgegeben haben (Art. 34 § 3).“126 Die dem Ziel, der Rechtsetzung der OTIF einen legislativen Charakter zu verleihen, eher zuwiderlaufende Einräumung des Rechts des opting out wird in Art. 34 § 6 dadurch wieder eingeschränkt, dass die Generalversammlung mit dem Beschluss über eine Änderung zugleich feststellen kann, dass die Änderung von solcher Tragweite ist, dass für jeden Mitgliedstaat, der seine Nichtzustimmung erklärt (Art. 34 § 2) oder Erklärungen nach Art. 42 § 1 Satz 1 abgeben hat „und der die Änderung nicht innerhalb von achtzehn Monaten nach ihrem Inkrafttreten genehmigt, nach Ablauf dieser Frist die Mitgliedschaft in der Organisation beendet ist“ (Art. 34 § 6). Diese Drohung des Verlustes der Mitgliedschaft und damit der mit der Mitgliedschaft verbundenen Vorteile, derentwegen der Beitritt zur Organisation gerade erfolgt ist, schränkt die Entscheidungsfreiheit der Mitglieder de facto ganz erheblich ein. Der Vorteil ist, dass mit dieser Regelung die Rechtsunsicherheit, „wie sie im internationalen Luftverkehr auf Grund der unterschiedlichen in Kraft befindlichen Fassungen des Warschauer Abkommens herrscht, vermieden“ wird.127 Welche Rechtsfolgen eintreten, wenn Mitgliedstaaten Beschlüssen der Generalversammlung zur Änderungen der Anhänge des Übereinkommens rechtzeitig widersprochen haben, regelt Art. 34 § 7. Danach ist die Anwendung des jeweiligen Anhangs insgesamt im Verkehr mit und zwischen den widersprechenden Mitgliedstaaten mit dem Inkrafttreten der Beschlüsse ausgesetzt. Entsprechende Regelungen sind für Änderungsbeschlüsse der Ausschüsse vorgesehen (Art. 35). Änderungen des Übereinkommens selbst, die vom Revisionsausschuss beschlossen sind, „treten für alle Mitgliedstaaten am ersten Tage des zwölften Monats nach dem Monat in Kraft, in dem der Generalsekretär sie den Mitgliedstaaten mitgeteilt hat (Art. 35 § 2 S. 2).“ Innerhalb einer Frist von vier Monaten, gerechnet vom Tag der Mitteilung der Änderung durch den Generalsekretär, „können die Mitgliedstaaten Widerspruch erheben“ (Art. 35 § 2 S. 2). Geschieht dies durch ein Viertel der Mitgliedstaaten, treten die Änderungen nicht in Kraft (Art. 35 § 2 S. 3). Wird von einem Mitgliedstaat innerhalb der Viermonatsfrist Widerspruch gegen einen Beschluss des Revisionsausschusses erhoben und kündigt er das Übereinkommen, so „wird die Kündigung in dem Zeitpunkt wirksam, der für das Inkrafttreten dieses Beschlusses vorgesehen ist“ (Art. 35 § 2 126 Diese Regelung blieb hinter dem Entwurf des Zentralamtes vom 30.8.1996 zurück, siehe dazu näher die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 34 COTIF, Ziff. 1–3. 127 Ebd.

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S. 4). „Die vom Revisionsausschuss beschlossenen Änderungen der Anhänge zum Übereinkommen treten für alle Mitgliedstaaten am ersten Tage des zwölften Monats nach dem Monat in Kraft, in dem der Generalsekretär sie den Mitgliedstaaten mitgeteilt hat“ (Art. 35 § 3 S. 1). Jedoch ist auch hier die Möglichkeit vorgesehen, dass die Mitgliedsstaaten innerhalb einer Frist von vier Monaten Widerspruch erheben (Art. 35 § 4 S. 1). Geschieht dies durch ein Viertel der Mitgliedstaaten, treten die Änderungen nicht in Kraft (Art. 35 § 4 S. 2). „In den Mitgliedstaaten, die den Beschlüssen rechtzeitig widersprochen haben, ist die Anwendung des jeweiligen Anhangs insgesamt im Verkehr mit und zwischen den Mitgliedstaaten mit dem Inkrafttreten der Beschlüsse ausgesetzt“ (Art. 35 § 4 S. 3). Eine Ausnahme gilt dann, wenn sich der Widerspruch gegen die Verbindlichkeitserklärung einer technischen Norm oder gegen die Annahme einer einheitlichen technischen Vorschrift richtet, da in diesem Fall nur diese im Verkehr mit und zwischen den Mitgliedstaaten mit dem Inkrafttreten der Beschlüsse ausgesetzt sind, was entsprechend auch für teilweise Widersprüche gilt (Art. 35 § 4 S. 4). Hervorzuheben ist die Regelung in Art. 35 § 3 S. 2, wonach vom Fachausschuss RID und vom Fachausschuss für technische Fragen beschlossenen Änderungen für alle Mitgliedstaaten am Tage des sechsten Monats nach dem Monat in Kraft treten, in dem der Generalsekretär die Änderungen den Mitgliedstaaten mitgeteilt hat. Im Falle des Fachausschusses RID ist die Verkürzung der Frist auf sechs Monate vorgenommen worden, um damit die Fristregelung an diejenige des ADR anzugleichen.128 Für die Ermittlung der Zahl der Widersprüche gemäß Art. 35 §§ 2 und 4 werden Mitgliedstaaten ohne Stimmrecht (Art. 14 § 5, Art. 26 § 7 oder Art. 40 § 4), sowie Mitgliedstaaten, die nicht Mitglied des betreffenden Ausschusses sind (Art. 16 § 1 S. 2), und Mitgliedstaaten, die eine Erklärung gemäß Art. 9 § 1 der Einheitlichen Rechtsvorschriften APTU abgegeben haben, nicht berücksichtigt. Auch in diesen Regelungen ist das Bestreben zu erkennen, die Rechtsetzung wirksamer zu gestalten.129 7. Die Schlussbestimmungen Die in Titel VII zusammengefassten Schlussbestimmungen behandeln ihrem Gegenstand nach recht verschiedene Fragen. Art. 36 bestimmt den Generalsekretär zum Depositar für das COTIF. Seine diesbezüglichen Aufgaben bestimmen sich nach Teil VII (Art. 76 ff.) der Wiener Konvention über das Recht der Verträge (WVK). 128 129

So die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 35 COTIF, Ziff. 1–3. Siehe dazu die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 35 COTIF, Ziff. 2.

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Regelungen zum Beitritt zum Übereinkommen und zur Assoziierten Mitgliedschaft, und zum Ruhen der Mitgliedschaft enthalten die Art. 37–40. Danach ist das COTIF ein sog. bedingt offener Vertrag.130 Jeder Staat, „in dessen Gebiet eine Eisenbahninfrastruktur betrieben wird“, kann dem COTIF auf seinen beim Depositar gestellten Antrag beitreten, es sei denn, dass nicht mindestens fünf Mitgliedstaaten innerhalb von drei Monaten nach Erhalt der vom Depositar vorzunehmenden Mitteilung des Beitrittsantrages Einspruch erhoben haben (Art. 37 § 3). Die Letztentscheidung über den Beitrittsantrag liegt bei der Generalversammlung (Art. 37 § 4). Art. 37 § 5 bestimmt, dass sich jeder Beitritt zum Übereinkommen – vorbehaltlich der Abgabe von Erklärungen und Vorbehalten – „nur auf das Übereinkommen in seiner im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Beitritts geltenden Fassung beziehen“ kann. Das Übereinkommen sieht neben der Mitgliedschaft auch die Möglichkeit vor, dass Staaten, in dessen Gebiet eine Eisenbahninfrastruktur betrieben wird, assoziierte Mitglieder werden können (Art. 39 § 1). Als solche können sie an der Arbeit der Organe – ausgenommen der Verwaltungsausschuss – der OTIF mit beratender Stimme teilnehmen. Auch können assoziierte Mitglieder nicht Mitglied des Verwaltungsausschusses werden. Sie sind zu einem reduzierten Beitrag von 0,25% der Beiträge verpflichtet (Art. 39 § 2). Die Mitgliedstaaten können jederzeit erklären, dass einzelne Anhänge zum COTIF in ihrer Gesamtheit nicht anzuwenden sind (Art. 42 § 1 S. 1). Erklärungen und Vorbehalte, einzelne Bestimmungen des COTIF oder der Anhänge nicht anzuwenden, sind allerdings nur zulässig, soweit die Zulässigkeit solcher Vorbehalte und Erklärungen darin ausdrücklich vorgesehen ist (Art. 42 § 1 S. 2). Das Übereinkommen kann jederzeit durch eine entsprechende Mitteilung an den Depositar gekündigt werden. Die Kündigung wird am 31. Dezember des folgenden Jahres wirksam (Art. 41 § 2). Findet aus Gründen, die ein Mitgliedstaat selbst nicht zu vertreten hat, auf dessen Hoheitsgebiet kein internationaler Eisenbahnverkehr mehr statt, kann der Betroffene Mitgliedstaat das Ruhen seiner Mitgliedschaft beantragen. Über diesen Antrag entscheidet der Verwaltungsausschuss (Art. 40 § 2 S. 1). Die Generalversammlung kann die Auflösung der Organisation und die Übertragung ihrer Aufgaben auf eine andere zwischenstaatliche Organisation beschließen und ggfs. die Bedingungen der Übertragung mit dieser Organisation festlegen (Art. 43 § 1). Im Falle der Auflösung fällt das Vermögen an die Mitgliedstaaten, „die während der letzten fünf dem Jahr der Beschlussfassung nach § 1 vorangegangenen Kalenderjahre ununterbrochen Mitglied der Organisation waren, und zwar im Verhältnis des durchschnittlichen Prozentsatzes“, mit dem sie in diesem Zeitraum zu den Ausgaben der Organisation beigetragen haben (Art. 43 § 2). 130 Zum „offenen Vertrag“ siehe näher Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/3, 2. Aufl. 2002, 579 ff.

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III. Die Anhänge A–C zum COTIF Während die Annahme und das Inkrafttreten des COTIF und damit die Gründung der zwischenstaatlichen Organisation OTIF sowohl in der ursprünglichen Fassung als auch in der Fassung des Vilnius Protokolls von 1999 im Verhältnis zu dem zuvor geltenden internationalen Eisenbahnrecht eine deutliche Zäsur darstellte, steht das materielle internationale Eisenbahnpersonen- und -gütertransportrecht in der Kontinuität des oben ausführlich behandelten Internationalen Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnfrachtverkehr (CIM) von 1890 und des Internationalen Übereinkommens über den internationalen Eisenbahn-Personen und -Gepäckverkehr (CIV) von 1924. Das gilt selbst heute, nachdem beide Übereinkommen mit der Annahme des COTIF von 1980 ihren Status als selbständige multilaterale Verträge eingebüßt haben und seither als Anhänge A (Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen – ERCIV) und B (Einheitliche Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern – ERCIM) in die neue internationale Eisenbahnordnung eingefügt und auch inhaltlich den neuen Bedingungen des internationalen Eisenbahntransports entsprechend grundlegend reformiert worden sind.131 Bei diesen Reformen ging es um die Anpassung des Eisenbahnpersonen- und -gütertransportrechts an die von dem europäischen Integrationsprozess ausgehenden sowie allgemeinen Liberalisierungstendenzen in der Verkehrspolitik zahlreicher Mitgliedstaaten des COTIF und bei den Eisenbahnen.132 Namentlich die bereits in einigen Mitgliedstaaten durchgeführte oder „geplante Lösung der Eisenbahnen aus der staatlichen Verwaltung und ihre rechtliche Verselbständigung als Unternehmen privaten oder öffentlichen Rechts sowie die Trennung zwischen Betrieb der

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Die ERCIV gelten heute in der Fassung des Änderungsprotokolls des COTIF von 1999, BGBl. 2002 II, 2140 ff. Die ERCIM gelten heute in der Fassung der Änderung der am 1.12.2010 in Kraft getretenen Änderungen, abrufbar unter: http://www.cit-rail.org/ de/eisenbahntransportrecht/cotif/ (letzter Zugriff: 3.7.2015). 132 Einen wesentlichen Anstoß zu diesen Entwicklungen gab die EG/EU mit der Annahme der Richtlinie des Rates 91/440/EWG vom 29. Juli 1991 zur Entwicklung der Eisenbahnunternehmen der Gemeinschaft, ABl. Nr. L 237/25 vom 24.8.1991, „die das Verhältnis zwischen Staat und Eisenbahn sowie der Eisenbahnen untereinander und die Einheit des Systems, Schiene, insbesondere hinsichtlich des Betriebsmonopols“ änderte, siehe dazu die Allgemeinen Erläuterungen zur ERCIM, Ziff. 9 f.; die Richtlinie 91/440/ EWG ist zwischenzeitlich durch die Richtlinie 2012/34/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. November 2012 zur Schaffung eines einheitlichen europäischen Eisenbahnraums (Neufassung), ABl. Nr. L 343/32 vom 14.12.2012, aufgehoben worden.

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Infrastruktur und Beförderung von Personen und Gütern“133 machten die Reform des internationalen Eisenbahntransportrechts notwendig. Zudem galt es, das Eisenbahngütertransportrecht mit den Regelungen des CMR zu harmonisieren. Abweichend von der Reihenfolge, in der die ERCIV und die ERCIM als Anhänge zum COTIF geführt werden, ist aus entstehungsgeschichtlichen Gründen der nachfolgende Überblick über den Inhalt dieser Regelungen mit der Darstellung der ERCIM zu beginnen. 1. Die Eisenbahnbeförderung von Gütern (Anhang B) Die Einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern (ERCIM-Anhang B zum COTIF) umfassen in ihrer heutigen Fassung 52 Artikel und sind damit kürzer als vorhergehende Fassungen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass es das Hauptanliegen der Reform von 1999 war, durch eine Deregulierung den internationalen Eisenbahnverkehrsmarkt zu öffnen und effizienter zu machen. Ein wesentlicher Schritt in diese Richtung ist darin zu sehen, dass die ERCIM in der Fassung des Vilnius Protokolls von 1999 anders als noch die frühere Fassung eine Beförderungspflicht und eine Tarifpflicht nicht mehr vorsehen.134 Die ERCIM gliedern sich in fünf Titel, deren erster Allgemeine Bestimmungen zum Anwendungsbereich (Art. 1), zur Geltung weiterer öffentlich-rechtlicher Vorschriften – insbesondere der Vorschriften über die Beförderung gefährlicher Güter – neben den Regelungen der ERCIM (Art. 2), zu Begriffsbestimmungen (Art. 3), über zulässige Abweichungen von den ERCIM (Art. 4) und zum zwingenden Charakter der ERCIM enthält (Art. 5). Art. 1 erweitert den Anwendungsbereich und gleicht die ERCIM an die Reglungen der CMR an.135 So gelten die ERCIM nach deren Art. 1 § 1 zwingend für jeden Vertrag136 über die entgeltliche Beförderung von Gütern auf der Schiene, wenn der Ort der Übernahme des Gutes zur Beförderung und der für die Ablieferung vorgesehene Ort in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten liegen. „Dies gilt 133

So die Feststellung der OTIF vom Juni 2005, abrufbar unter: http://www.otif.org/ otif/_dpdf/OTIF_Info_Juni_2005_d.pdf (letzter Zugriff: 3.7.2015); dazu auch Catharin, Entwicklungstendenzen im Eisenbahnrecht, ZintEisenb. 108 (2000), 413, 425 ff. 134 Siehe dazu die Allgemeinen Erläuterungen zu den ERCIM, Ziff. 24. 135 Vgl. dazu Art. 1 Abs. 1 CMR. 136 Siehe dazu Art. 5, der bestimmt, dass soweit „diese Einheitlichen Rechtsvorschriften es nicht ausdrücklich zulassen, […] jede Vereinbarung, die unmittelbar oder mittelbar von diesen Einheitlichen Rechtsvorschriften abweicht, nichtig und ohne Rechtswirkung“ ist.

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ohne Rücksicht auf den Sitz und die Staatsangehörigkeit der Parteien des Beförderungsvertrages“ und unabhängig von einem System eingetragener Linien (Art. 1 § 1 S. 1).137 Liegen der Ort der Übernahme des Gutes zur Beförderung und der für die Ablieferung vorgesehene Ort in zwei verschiedenen Staaten, von denen nur einer Mitgliedstaat ist, so können die Parteien eines Beförderungsvertrages die Geltung der ERCIM vereinbaren (Art. 1 § 2), was durch die Verwendung des CIM-Frachtbriefes erfolgen kann. Diese Regelung ermöglicht es, dass auch für Eisenbahngütertransporte von und nach Staaten des Abkommens über den internationalen Eisenbahn-Güterverkehr (SMGS) Verträge auf der Grundlage der ERCIM geschlossen werden können.138 Die ERCIM finden auch Anwendung, wenn „eine internationale Beförderung, die Gegenstand eines einzigen Vertrages ist, in Ergänzung der grenzüberschreitenden Beförderung auf der Schiene eine Beförderung auf der Straße oder auf Binnengewässern im Binnenverkehr eines Mitgliedstaates“ einschließt (Art. 1 § 3). Entsprechend, jedoch weniger weitreichend, sieht Art. 1 § 4 vor, dass „eine internationale Beförderung, die Gegenstand eines einzigen Vertrages ist, in Ergänzung der Beförderung auf der Schiene eine Beförderung zu See oder eine grenzüberschreitende Beförderung auf Binnengewässern“ einschließt, den ERCIM unterliegt, allerdings nur „sofern die Beförderung zur See oder auf Binnengewässern auf Linien durchgeführt wird“ welche in die in Art. 24 § 1 COTIF vorgesehene Liste der Linien eingetragen sind. Keine Anwendung finden die ERCIM auf Beförderungen zwischen Bahnhöfen auf dem Gebiet von Nachbarstaaten, „wenn die Infrastruktur dieser Bahnhöfe von einem oder mehreren Infrastrukturbetreibern, die einem einzigen dieser Staaten zugehören, betrieben wird“ (Art. 1 § 5). Eine Einschränkung des grundsätzlich weitgefassten Anwendungsbereichs der ERCIM erfährt dieser in dem Fall, dass ein Staat, der „Vertragspartei eines anderen mit diesen ERCIM vergleichbaren Übereinkommens über die durchgehende internationale Beförderung von Gütern auf der Schiene ist und der einen Antrag auf Beitritt zum Übereinkommen stellt,“ sich unter bestimmten Bedingungen vorbehalten kann, die ERCIM nur auf Beförderungen auf einem Teil der in seinem Gebiet gelegenen Eisenbahninfrastruktur anzuwenden (Art. 1 § 6). Ein solcher Vorbehalt kann jederzeit durch Mitteilung an den Depositar zurückgenommen werden (Art. 1 § 7).139

137

Siehe dazu die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 1 ERCIM, Ziff. 12, abgedruckt in: OTIF (Hrsg.), Bericht des Zentralamtes über die Revision des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 und erläuternde Bemerkungen zu den von der 5. Generalversammlung angenommenen Texten vom 1.1.2011, 101 ff. 138 Siehe dazu im Einzelnen die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 1 ERCIM, Ziff. 1, 2 und 5. 139 Näheres über die Wirksamkeit der Rücknahme siehe in Art. 1 § 7.

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Der zweite Titel enthält die zentralen Regelungen über den Abschluss und die Ausführung des Beförderungsvertrages. Art. 6 bestimmt die Pflichten des Beförderers (§ 1), regelt die Form des Beförderungsvertrages (Frachtbrief) und sieht vor, dass das „Fehlen, die Mangelhaftigkeit oder der Verlust des Frachtbriefes […] weder den Bestand noch die Gültigkeit des Vertrages“ berührt, der weiterhin den Einheitlichen Rechtsvorschriften unterliegt (§ 2). Neben den weiteren formalen Anforderungen (§§ 3, 4 und 6) ist zum einen § 5 hervorzuheben, wonach „[d]er Frachtbrief […] nicht die Bedeutung eines Konnossementes“ hat und zum anderen sind die §§ 7 und 8 von besonderer Bedeutung. In § 7 wird bestimmt, dass „im Falle einer Beförderung, die das Zollgebiet der europäischen Gemeinschaft oder das Gebiet, in dem das gemeinsame Versandverfahren angewendet wird, berührt, […] jede Sendung von einem Frachtbrief, der den Erfordernissen des Art. 7 entspricht, begleitet sein“ muss. Art. 7 legt in seinem § 1 nicht weniger als 16 Punkte fest, die in dem Frachtbrief angegeben sein müssen. Hinzukommen nach § 2 weitere acht Angaben, die ggfs. zusätzlich in den Frachtbrief aufzunehmen sind. Der mit diesen sehr detaillierten Anforderungen an den Inhalt des Frachtbriefes verbundene Aufwand wird durch die Regelung des Art. 6 § 8 gemildert, wonach einheitliche Muster der Frachtbriefe von den „internationalen Verbänden der Beförderer […] im Einvernehmen mit den internationalen Verbänden der Kundschaft und den in den Mitgliedstaaten für Zollfragen zuständigen Stellen sowie mit jeder zwischenstaatlichen Organisation, die in einer regionalen Wirtschaftsgemeinschaft besteht und über eine eigene Gesetzgebungsbefugnis auf dem Gebiet des Zolls verfügt,“ festgelegt werden. Der Absender haftet für alle Kosten und Schäden, die dem Beförderer durch unrichtige oder unvollständige Angaben oder u.a. dadurch entstehen, dass die Angaben nicht an der vorgesehenen Stelle stehen (Art. 8). Strenge Haftungsfolgen für den Absender sieht auch Art. 9 für den Fall vor, da dieser die im RID vorgeschriebenen Angaben unterlassen hat: „[S]o kann der Beförderer das Gut jederzeit, wie es die Umstände erfordern, ausladen, vernichten oder unschädlich machen, ohne dass Ersatz zu leisten ist“ ! es sei denn, dass der Beförderer bei Übernahme des Gutes Kenntnis von seiner gefährlichen Beschaffenheit hatte. Im Weiteren enthalten die Art. 10–22 die Vorschriften über die Rechte und Pflichten von Beförderer und Absender im Rahmen der Abwicklung des Frachtvertrages, darunter solche über die Zahlung der Kosten, die Beweiskraft des Frachtbriefes, die Ver- und Entladung des Frachtgutes, die Verpackung, die Lieferfristen und die Ablieferung. Große Bedeutung kommt den Regelungen über das Recht des Absenders zu, über das Frachtgut zu verfügen und den Beförderungsvertrag nachträglich zu ändern, z.B. die Weiterbeförderung des Gutes zu verlangen (Art. 18 und 19). Von entsprechendem Gewicht sind die Vorschriften der Art. 20–22 über etwaige Beförderungshindernisse und deren Folgen.

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Der Titel III der ERCIM behandelt ausführlich die Haftungsfragen, darunter den Haftungsgrund (Art. 23), die Beweislast (Art. 25), den Verlust und die Entschädigung bei Verlust, Beschädigung oder bei Überschreitung der Lieferfrist (Art. 29–35). Besondere Regelungen für die Haftung im Falle von Beförderungen im Eisenbahn-Seeverkehr (Art. 38) und für die Haftungsbefreiung des Beförderers, wenn der Schaden durch ein „nukleares Ereignis“ verursacht worden ist, sofern „gemäß den Gesetzen und Vorschriften eines Staates über die Haftung auf dem Gebiet der Kernenergie der Inhaber einer Kernanlage oder eine ihm gleichgestellte Person für den Schaden haftet“ (Art. 39). Die ERCIM schließen mit den in Titel IV enthaltenen Vorschriften über die Geltendmachung von Ansprüchen, so zum Gerichtsstand, zum Erlöschen von Ansprüchen und über die Verjährung (Art. 40–48) und der Regelung der Beziehungen der Beförderer untereinander – u.a. über den Rückgriff –, die in Titel V niedergelegt sind (Art. 49–52).140 Bereits der vorstehende, hier notwendigerweise kursorische Überblick über die Regelungen der ERCIM macht die Regelungsdichte dieses Vertrages deutlich. Für die nationalen Gesetzgeber der Vertragsparteien bleibt lediglich im Bereich der Zollbestimmungen und anderer öffentlich-rechtlicher Vorschriften ein eigener Gestaltungsspielraum wie Art. 2 und Art. 15 zeigen, in dem die Geltung der einschlägigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften und die Pflichten des Absenders und des Beförderers zu ihrer Erfüllung festgelegt sind. 2. Die Eisenbahnbeförderung von Personen (Anhang A) Die Einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Personen (ERCIV-Anhang A zum COTIF) entsprechen im Aufbau weitgehend den ERCIM. Allerdings sind die ERCIV etwas umfangreicher, und die sieben Titel sind stärker untergliedert als die nur fünf Titel der ERCIM. Wie in den ERCIM enthält der Titel I der ERCIV die Allgemeinen Bestimmungen über den Anwendungsbereich (Art. 1), die Begriffsbestimmungen (Art. 3), die Zulässigkeit von abweichenden Abkommen zwischen Mitgliedstaaten (Art. 4) und die zwingende Geltung der ERCIV (Art. 5), die mit denen der ERCIM teils identisch, teils inhaltlich übereinstimmend gefasst sind. Da das Zusatzübereinkommen vom 26. Februar 1966 über die Haftung der Eisenbahn für Tötung und Verletzung von Reisenden in die ERCIV integriert worden ist, enthält Art. 2 eine von Art. 2 ERCIM abweichende Regelung, dass jeder Staat jederzeit erklären kann, „dass er sämtliche Bestimmungen dieser Einheitlichen Rechtsvorschriften 140

Im Einzelnen können die im Wesentlichen privatrechtlichen Regelungen der ERCIM hier nicht erläutert werden; näher dazu die Allgemeinen Erläuterungen und Erläuternden Bemerkungen zu den ERCIM.

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über die Haftung des Beförderers bei Tötung und Verletzung von Reisenden nicht anwenden wird, wenn sich der Unfall auf seinem Staatsgebiet ereignet hat und der Reisende Angehöriger dieses Staates ist oder in diesem Gebiet seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.“ Auch die Vorschriften des Titels II entsprechen ! angepasst an die Bedingungen der Personenbeförderung – denen des Titels II ERCIM. Art. 6 behandelt den Inhalt des Beförderungsvertrags.141 Dieser verpflichtet den Beförderer, „den Reisenden sowie gegebenenfalls Reisegepäck und Fahrzeuge zum Bestimmungsort zu befördern und das Reisegepäck und die Fahrzeuge am Bestimmungsort auszuliefern“ (§ 1). Der Beförderungsvertrag ist in einem oder mehreren Beförderungsausweisen (Fahrkarten) festzuhalten, die dem Reisenden auszuhändigen sind. Grundsätzlich gilt, dass „das Fehlen, die Mangelhaftigkeit oder der Verlust des Beförderungsausweises weder den Bestand noch die Gültigkeit des Vertrages“ berührt (§ 2). Jedoch wird dieser Grundsatz dahingehend eingeschränkt, dass gemäß Art. 9 der Reisende vom Beginn seiner Reise einen gültigen Beförderungsausweis haben muss und diesen auch bei einer Kontrolle vorzuweisen hat. Zudem können die Allgemeinen Beförderungsbedingungen (ABB) vorsehen, „dass ein Reisender, der keinen gültigen Beförderungsausweis vorzeigt, außer dem Beförderungspreis einen Zuschlag zu zahlen hat“ sowie bei Verweigerung der sofortigen Zahlung des Beförderungspreises und/oder des Zuschlages „von der Beförderung ausgeschlossen werden kann“ (Art. 9 § 1). Auch können die ABB vorsehen, dass Reisende, „die eine Gefahr für die Sicherheit und Ordnung des Betriebes oder für die Sicherheit der Mitreisenden darstellen oder die Mitreisenden in unzumutbarer Weise belästigen ausgeschlossen sind oder unterwegs ausgeschlossen werden können.“ Ihnen steht kein Anspruch auf Erstattung des Beförderungspreises und der Gepäckfracht zu (Art. 9 § 2). Form und Inhalt des Beförderungsausweises und die Sprache und Schriftzeichen, die beim Druck und beim Ausfüllen zu verwenden sind, bestimmen die ABB (Art. 7 § 1). Die entsprechenden Mindestanforderungen legt Art. 7 § 2 fest. Soweit nichts anderes vereinbart ist, muss der Beförderungspreis im Voraus gezahlt werden. Die ABB legen auch die Bedingungen fest, unter denen eine Erstattung des Beförderungspreises zu erfolgen hat (Art. 8). Der Beförderer hat den Ausfall des Zuges oder das Versäumen des Anschlusses auf dem Beförderungsausweis zu bescheinigen (Art. 11). Titel III regelt die Beförderung von Handgepäck, Tieren, Reisegepäck und Fahrzeugen. Die sehr detaillierten Regelungen betreffen die zur Beförderung zugelassenen Gegenstände und Tiere (Art. 12), die Pflicht der Reisenden, das Handge141

Siehe dazu im Einzelnen die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 6 ERCIV, abgedruckt in: OTIF (Hrsg.), Bericht des Zentralamtes über die Revision des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 und erläuternde Bemerkungen zu den von der 5. Generalversammlung angenommenen Texten vom 1.1.2011, 72 ff.

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päck und mitgenommene Tiere zu beaufsichtigen (Art. 15) und sodann in den Art. 16–22 Einzelheiten wie die Gepäckaufgabe, den Gepäckschein, die Abfertigung und Beförderung und besonders ausführlich die Auslieferung. Die besonderen Bestimmungen über die Beförderung von Fahrzeugen enthalten Art. 23–25. Wie die ERCIM enthalten auch die ERCIV in ihrem Titel IV ausführliche Bestimmungen über die Haftung des Beförderers. Im Kapitel I werden die Bestimmungen über die Haftung bei Tötung und Verletzung von Reisenden des Zusatzübereinkommens zur früheren CIV von 1966 in die ERCIV integriert. Beginnend mit dem Haftungsgrund (Art. 26) werden sodann in den folgenden Artikeln der Schadensersatz bei Tötung oder Verletzung (Art. 27–28), der Ersatz anderer Personenschäden, die Form und Höhe des Schadensersatzes bei Tötung und Verletzung und der Haftungsmodalitäten, wenn die Beförderung, „die gemäß Beförderungsvertrag nicht auf der Schiene erfolgt“ ist (Art. 31). Kapitel II regelt die Haftung bei Nichteinhaltung des Fahrplans, das heißt, bei Ausfall, Verspätung und Anschlussversäumnis (Art. 32). Das Kapitel III betrifft die Haftung für Handgepäck, Tiere, Reisegepäck und Fahrzeuge (Art. 33–47). Im Hinblick auf die Haftung für Handgepäck und Tiere ist Art. 33 hervorzuheben, der zwischen der Haftung des Beförderers bei Tötung und Verletzung von Reisenden für den Schaden, „der durch gänzlichen oder teilweisen Verlust oder durch Beschädigung von Sachen entsteht, die der Reisende an sich trägt oder als Handgepäck mit sich führt“ (Art. 33 § 1) und der Haftung für Schäden wegen des gänzlichen oder teilweisen Verlusts oder wegen Beschädigung von Sachen, Handgepäck oder Tieren in Fällen ohne Tötung oder Verletzung des Reisenden unterscheidet. Im zweiten Fall haftet der Beförderer nur, wenn ihn ein Verschulden trifft (Art. 33 § 2). Gemeinsame Bestimmungen zur Haftung des Beförderers, also Bestimmungen, die für die verschiedenen in den Kapiteln I, II und III genannten Haftungsfälle gelten, behandelt das Kapitel IV. Hier geht es vornehmlich um den Verlust des Rechtes auf Haftungsbeschränkung (Art. 48), die Haftung bei einem nuklearen Ereignis (Art. 50) und um die Haftung des Beförderers für Personen, die für den Beförderer als Erfüllungs- bzw. Verrichtungsgehilfen tätig wurden (Art. 51). Art. 49 sieht Regelungen für die Umrechnung und die Verzinsung von geschuldeten Entschädigungsleistungen. Die ERCIV enthalten eine besondere Regelung über die Haftung des Reisenden, der für jeden Schaden haftet, der durch die dem Reisenden gemäß den Art. 10, 14 und 20 obliegenden Pflichten (Einhaltung verwaltungsbehördlicher Vorschriften, Kennzeichnung des Reisegepäcks) entsteht (Titel V, Art. 53). Den Abschluss der ERCIV bilden ! wie bei den ERCIM ! die Vorschriften über die Geltendmachung von Ansprüchen (Titel VI, Art. 54–64). Das zu den ERCIM hinsichtlich der großen Regelungsdichte dieses Vertrages und der damit

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stark reduzierten nationalen Regelungsgewalt der Vertragsstaaten Ausgeführte gilt in vollem Umfang auch für die ERCIV.142 3. Die Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter (Anhang C) Wie beim Straßengütertransport ist auch für den Eisenbahngütertransport der Transport von gefährlichen Gütern von besonderer Bedeutung. Bemühungen um eine internationale Regelung für den Transport solcher Güter führten bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts zu einem ersten Erfolg. In den Ausführungsbestimmungen nebst Anlage 1 zum Berner Übereinkommen über den internationalen Eisenbahn-Frachtverkehr vom 14. Oktober 1890, also rund 60 Jahre vor dem Abschluss des ADR, wurden zunächst entsprechende Regelungen in Gestalt rein frachtvertraglicher Bedingungen getroffen, die den Absendern gefährlicher Stoffe und Gegenstände auferlegt wurden.143 Im Laufe der Zeit haben sich diese privatrechtlichen Regelungen zu heute eher öffentlich rechtlichen entwickelt,144 die seit der großen Reform der internationalen Eisenbahnordnung von 1980 und ihrer erneuten Reform von 1999 in der „Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter“ (RID ! Anhang C zum COTIF)145 ihren Platz gefunden haben. Dieser Reformschritt erscheint als eher formale Neuordnung der verschiedenen Regelungswerke zueinander. Da aber mit der Reform von 1999 auch das Ziel ver142

Zu näheren Ausführungen zu den ERCIV siehe die Allgemeinen Erläuterungen und Erläuternden Bemerkungen zu den ERCIV, abgedruckt in: OTIF (Hrsg.), Bericht des Zentralamtes über die Revision des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 und erläuternde Bemerkungen zu den von der 5. Generalversammlung angenommenen Texten vom 1.1.2011, 72 ff. 143 Siehe dazu die Allgemeinen Erläuterungen zum RID, Ziff. 1, abgedruckt in: OTIF (Hrsg.), Bericht des Zentralamtes über die Revision des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 und erläuternde Bemerkungen zu den von der 5. Generalversammlung angenommenen Texten vom 1.1.2011, 143 ff., abrufbar unter: http://www.otif.org/fileadmin/user_upload/otif_verlinkte_files/07_veroeff/03_ erlaeut/COTIF_Rapport_explicatif_01_01_2011_d.pdf (letzter Zugriff: 24.7.2015). 144 Ebd., Ziff. 2. 145 Übereinkommen über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) Anhang C. Ordnung für die internationale Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter RID (Règlement concernant le transport international ferroviaire des marchandises dangereuses). Die Abkürzung RID bezieht sich auf das eigentliche Übereinkommen und die Anlage; im Sprachgebrauch der Praxis hat sich RID als Bezeichnung der Anlage, die die konkreten Regelungen zum internationalen Eisenbahntransport gefährlicher Güter enthalten, durchgesetzt; siehe dazu Kapitel 1.1. (Ziffer 1.1.2) der Anlage, vgl. dazu auch die Bemerkung des Sekretariats zur Veröffentlichung des RID in der ab dem 1.1.2007 gültigen Fassung.

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folgt wurde, die Regelungen des Gefahrgütertransports auf der Straße und auf der Schiene zu vereinheitlichen, m.a.W., die Regelungen des ADR und des RID einander anzupassen, bedurfte es intensiver Verhandlungen zwischen den für das ADR zuständigen Vertretern und denen des COTIF um die Abstimmung der beiden Regelungswerke. Das Forum für diese Verhandlungen bildeten die Gemeinsamen Tagungen RID/ADR.146 Im Gegensatz zum RID i.d.F. von 1980, in der das RID noch die Anlage I der ERCIM bildete, die ihrerseits als Anhang B dem COTIF von 1980 eingefügt worden waren, ist das RID 1999 dadurch wesentlich verkürzt worden, dass ein großer Teil der Regelungen der älteren Fassung aus dem RID herausgenommen und in die „technische Anlage“ eingefügt worden ist. Der Grund war, dass Änderungen der beiden Regelungswerke in unterschiedlichen Verfahren vorzunehmen waren – im Falle des ADR durch eine ratifikationsbedürftige und damit zeitaufwendige Vertragsänderung und im Rahmen des COTIF das RID durch Beschlüsse des zuständigen Fachausschusses. Um dieser Schwierigkeit zu entgehen, wurde beschlossen, einen wesentlichen Teil der neustrukturierten juristischen Bestimmungen des zu reformierenden RID als Anhang C zum COTIF, insbesondere die Definitionen und Bestimmungen hinsichtlich der Pflichten der Beteiligten „in den nicht ratifizierungspflichtigen allgemeinen Teil der technischen Anlagen sowohl des ADR als auch des RID zu übernehmen.“147 So besteht das RID nur noch aus sechs Artikeln, deren erster den Anwendungsbereich regelt. Art. 1 sieht vor, dass das RID für „a) die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf der Schiene auf dem Gebiet der Mitgliedstaaten“ und für „b) die Schienenbeförderung ergänzende Beförderungen, auf die die Einheitlichen Rechtsvorschriften CIM anzuwenden sind vorbehaltlich der für Beförderungen mit einem anderen Verkehrsträger geltenden internationalen Vorschriften, einschließlich der in der Anlage zu dieser Ordnung erfassten Tätigkeiten“ gilt.Hinzu kommen Regelungen zur Freistellungen von der Geltung des RID (Art. 2), zum Recht der Mitgliedstaaten, die Beförderung gefährlicher Güter aus anderen Gründen als der Sicherheit auf ihrem Territorium zu verbieten (Art. 3), sowie zur Weitergeltung der sonstigen allgemeinen nationalen und internationalen Vorschriften über die Schienenbeförderung von Gütern (Art. 4). Gemäß Art. 5 dürfen gefährliche Güter nur in Güterzügen befördert werden mit Ausnahme von gefährlichen Gütern, „die gemäß der Anlage mit ihren jeweiligen Höchstmengen und unter besonderen Bedingungen zur Beförderung in anderen als Güterzügen zugelassen sind,“ sowie „gefährliche Güter die als Handgepäck, Reisegepäck oder in oder auf Kraftfahrzeugen gemäß Art. 12 der ERCIV unter Beachtung der besonderen Bedingungen der Anlage befördert 146 147

Siehe dazu im Einzelnen die Allgemeinen Erläuterungen zum RID, Ziff. 7 ff. Ebd., Ziff. 10.

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werden“ (Art. 5 § 1). Jedoch darf der Reisende selbst gefährliche Güter nicht als Handgepäck mitführen und diese auch nicht als Reisegepäck oder in Kraftfahrzeugen zu Beförderung aufgeben, „wenn sie den besonderen Bedingungen der Anlage nicht entsprechen“ (Art. 5 § 2).148 Die RID-Anlage ist in sieben Teile gegliedert, die jedoch – nicht wie im Fall des ADR – auf zwei Anlagen aufgeteilt sind. Im Übrigen entspricht die RID-Anlage in Gliederungstechnik und Aufbau derjenigen der Anlagen A und B des ADR. So sind die einzelnen Teile wie beide Anlagen zum ADR in Kapitel, Abschnitte und Unterabschnitte unterteilt. Diese Angleichung der Gliederung und Struktur von ADR und RID erleichtert auch die inhaltliche Orientierung, auch insoweit durch die im Einzelnen unterschiedlichen Regelungsbedingungen des Gefahrgütertransports auf der Straße und auf der Schiene in den Anlagen A und B des ADR und im RID Abweichungen voneinander notwendig sind oder werden.Die Anlage RID besteht – wie bereits ausgeführt – aus sieben Teilen, die weitgehend identisch sind mit den ersten sieben Teilen der Anlage A zum ADR. Teil 1 enthält allgemeine Vorschriften Begriffsbestimmungen und allgemeine Vorschriften – so zum Anwendungsbereich (1.1.2). Teil 2 führt die Grundsätze auf, nach denen die Klassifizierungen der Gefahrstoffe vorgenommen wird (2.1), und enthält eine Gefahrstoffaufzählung sowie besondere Vorschriften für die in dieser Aufzählung angeführten 13 Klassen gefährlicher Stoffe und die Prüfverfahren (2.2 und 2.3). Teil 3 enthält u.a. Verzeichnisse der gefährlichen Güter (3.2), Sondervorschriften sowie Freistellungen im Zusammenhang mit der Beförderung von in begrenzten Mengen verpackten gefährlichen Gütern (3.4). Teil 4 behandelt die Verwendung von Verpackungen, Großpackmitteln, Großverpackungen (4.1), ortsbeweglichen Tanks und Tankcontainern aus faserverstärkten Kunststoffen sowie weitere derartige Transportmodalitäten (4.2–4.4). Teil 5 regelt den Versand. Allgemeinen Bestimmungen, etwa zum Anwendungsbereich (5.1), folgen Vorschriften über die Kennzeichnung und Bezettelung der Versandstücke (5.2), das Anbringen von Großzetteln (Placards), Kennzeichnungen (5.3) und die Dokumentation (5.4). Teil 5 schließt mit Sondervorschriften für den Versand ansteckungsgefährlicher Stoffe und für begaste Wagen oder Container (5.5). Die Teile 6 und 7 enthalten sehr detaillierte Bau- und Prüfvorschriften für Verpackungen, Großpackmittel, Großverpackungen, ortsbewegliche Tanks und Tankcontainer aus faserverstärkten Kunststoffen (Teil 6)149 148

Siehe im Einzelnen zu den Vorschriften des RID die Allgemeinen Erläuterungen und Erläuternden Bemerkungen zum RID, abgedruckt in: OTIF (Hrsg.), Bericht des Zentralamtes über die Revision des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 und erläuternde Bemerkungen zu den von der 5. Generalversammlung angenommenen Texten vom 1.1.2011, 143 ff. 149 Siehe hierzu auch die Recommendations on the Transport of Dangerous Goods, Vol. II, 18th ed. 2013, Annex: Model Regulations on the Transport of Dangerous Goods, UN Doc.

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sowie Vorschriften für die Beförderung, die Be- und Entladung und die Handhabung (Teil 7). Die Regelung des Geltungsbereiches des RID in Teil 1 Ziffer 1.1.2 stellt ein gewisses rechtsystematisches Problem dar, das allerdings in der Praxis heute weitgehend an Bedeutung verloren hat. Ziffer 1.1.2 besagt, dass „[d]ie Anlage I (d.h. das RID – Anm. d. Verf.) […] die Vollzugsordnung zu Art. 4 Buchstabe d) und Art. 5 §1 Buchstabe a) der ERCIM ist.“ Die in Bezug genommenen Artikel sind solche der ERCIM 1980. Aus dieser Bezugnahme auf die ERCIM 1980 ergibt sich, dass das RID damit grundsätzlich vom Anwendungsbereich der ERCIM abhängig ist. Das bedeutet, dass das RID nur für internationale Beförderungen gilt, die zudem nur auf eingetragenen CIM-Linien und aufgrund eines CIM-Frachtbriefes erfolgen müssen. Diese Einschränkungen stehen im Gegensatz zu dem Ziel der Regelungen für den internationalen (und nationalen) Gefahrguttransport, nämlich den Schutz von Menschen, Umwelt und Gütern zu sichern. Durch die Rechtsentwicklung im Bereich der EG/EU ist es inzwischen gelungen, diese unerwünschte Folge der oben genannten Bezugnahme des RID auf die ERCIM und damit die daraus folgenden Einschränkungen des Geltungsbereichs des RID zu unterlaufen. Im Zuge der Bemühungen der EG/EU, einen europäischen Binnenmarkt für den Verkehr zu schaffen, übernahm die Gemeinschaft durch die Richtlinien 94/55/EG und 96/45/EG (RID-Rahmenrichtlinie) sowohl die ADR-Regelungen für Gefahrguttransporte auf der Straße als auch die entsprechenden Regelungen für Gefahrguttransporte auf der Schiene des RID. Das bedeutet im Ergebnis, dass für die EU-Mitgliedstaaten diese Regelungen nicht nur für den Verkehr zwischen ihnen, sondern auch für ihren innerstaatlichen Verkehr, und zwar nun unabhängig vom einem CIM-Beförderungsvertrag und unabhängig vom verwendeten Beförderungsdokument.150 Insgesamt zeigt der Überblick über die ERCIM und ERCIV sowie das RID, dass die Regelungen für den Eisenbahngütertransport nicht nur eine hohe Regelungsdichte aufweisen, sondern auch Ausdruck einer ständig gewachsenen Integration dieses internationalen Verkehrsbereichs sind. Zu dieser Integration haben zum einen die durch die Reform des Eisenbahntransportrechts effizientere Struktur und Arbeitsweise der OTIF, zum anderen aber auch die Harmonisierung des ST/SG/AC.10/1/Rev.18 (Vol. II), abrufbar unter: http://www.unece.org/fileadmin/DAM/ trans/danger/publi/unrec/rev18/English/Rev18_Volume1.pdf (letzter Zugriff: 24.7.2015). 150 Vgl. die Richtlinie 94/55/EG des Rates vom 21. November 1994 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für den Gefahrguttransport auf der Straße, ABl. Nr. L 319/7 vom 12.12.1994, und die Richtlinie 96/49/EG des Rates vom 23. Juli 1996 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten für die Eisenbahnbeförderung gefährlicher Güter, ABl. Nr. L 235/25 vom 17.9.1996; zum Vorstehenden siehe auch die Allgemeinen Erläuterungen zum RID, Ziff. 3.

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internationalen und des EG-/EU-Rechts beigetragen. Hervorzuheben ist darüber hinaus, dass durch die enge Kooperation der OTIF mit dem Binnenverkehrsausschuss der UNECE und der EG/EU sowie der UIC nicht nur eine Harmonisierung des internationalen Eisenbahnrechts gelungen ist, sondern auch das Recht des Gütertransportes auf der Straße – und wie zu zeigen sein wird – das Recht des Gütertransports auf den Binnenwasserstraßen einbezogen werden konnten.

D. Das Wagen-, Infrastruktur- und technische Eisenbahnrecht Wie zuvor bereits erwähnt, war die maßgeblich von der EG/EU geförderte Liberalisierung des grenzüberschreitenden Eisenbahngüter- und -personenverkehrs ein wesentlicher Anstoß auch für die Reform des internationalen Eisenbahntransportwesens. Insbesondere die tiefgreifende Reform des COTIF 1980 durch das Protokoll von Vilnius 1999 war nicht nur ein geeigneter Anlass, ältere Ordnungen des Eisenbahnpersonen- und -güterverkehrs an die neue Struktur des COTIF anzupassen. Vielmehr ergab sich aus dem nun auch von der OTIF verfolgten Ziel, das geltende internationale Eisenbahntransportrecht zu liberalisieren, die zwingende Notwendigkeit, die älteren Ordnungen zur gegenseitigen Verwendung von Wagen im internationalen Eisenbahnverkehr (RIV- und RIC-Übereinkommen), zur internationalen Eisenbahnbeförderung von Privatwagen (RIP) und zur Festlegung der TE anzupassen und in die neue Struktur des internationalen Eisenbahntransportrechts einzubeziehen. Auf diese Weise konnte auch das weitere Ziel der Reformen, eine übersichtliche Rechtsordnung für diesen internationalen Verkehrsbereich zu schaffen, verwirklicht werden. I. Inkorporierung älteren Rechts in das COTIF Das Ergebnis dieser Bemühungen ist die Reform und Integration der älteren Ordnungen als Anhänge zum COTIF in Gestalt der Einheitlichen Rechtsvorschriften für Verträge über die Verwendung von Wagen im internationalen Eisenbahnverkehr (ERCUV – Anhang D zum COTIF), der Einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die Nutzung der Infrastruktur im internationalen Eisenbahnverkehr (ERCUI – Anhang E zum COTIF), der Einheitlichen Rechtsvorschriften für die Verbindlichkeitserklärung technischer Normen für Eisenbahnmaterial, das zur Verwendung im internationalen Verkehr bestimmt ist (ERAPTU – Anhang F zum COTIF) und der Einheitlichen Rechtsvorschriften für die technische Zulassung von Eisenbahnmaterial, das im internationalen Verkehr verwendet wird (ERATMF – Anhang G zum COTIF). Im Folgenden ist ein Überblick über den wesentlichen Inhalt dieser Übereinkommen zu geben.

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II. Die Verwendung von Wagen (Anhang D zum COTIF) Aufgrund der Richtlinie 91/440/EWG, mit der Verpflichtungen u.a. zur unabhängigen Geschäftsführung der Eisenbahnunternehmen, zur rechnerischen Trennung von Infrastruktur und Verkehrsleistungen sowie zur Zulassung internationaler Eisenbahngruppierungen zu den nationalen Eisenbahnnetzen geschaffen wurden, ergaben sich neue Beziehungen im Eisenbahnverkehr bei der Zusammenarbeit der Einsteller von Privatwagen (P-Wagen) mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) und mit den Infrastrukturbetreibern; das bisherige Eisenbahnbetriebsmonopol und das Infrastrukturmonopol reduzierten sich.151 Daraus ergab sich die Notwendigkeit, für die Verwendung von Wagen anderer EVU, d.h. für die bisherigen sog. Bahnwagen – bisher in den RIV- und RIC-Übereinkommen geregelt – einheitliche Rechtsvorschriften zu schaffen und die bis dahin geltende Ordnung für die Eisenbahnbeförderung von Privatbahnen (RIP), das seinerzeit den Status einer Anlage zum CIM hatte, durch ein allgemeines Wagenrecht zu ersetzen. Nach eingehenden Beratungen unter Federführung des damaligen Eisenbahnzentralamtes und unter Beteiligung der in dem zuständigen Revisionsausschuss vertretenen Mitgliedstaaten sowie des UIC und des Internationalen Eisenbahntransportkomitees (CIT) nahm der Revisionsausschuss auf seiner 20. Tagung am 1. September 1998 die Einheitlichen Vorschriften für Verträge über die Verwendung von Wagen im internationalen Eisenbahnverkehr (ERCUV) als Anhang D zum COTIF an. Die 5. Generalversammlung bestätigte den Beschluss des Revisionsausschusses einstimmig.152 1. Der Anwendungsbereich Die ERCUV153 gelten mit dem Inkrafttreten des COTIF 1999 in allen Mitgliedstaaten, die den Gesamtvertrag ratifiziert haben.154 Die ERCUV umfassen nur 12 Ar151 So die Allgemeinen Erläuterungen zu den ERCUV, Ziff. 1, abgedruckt in: OTIF (Hrsg.), Bericht des Zentralamtes über die Revision des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 und erläuternde Bemerkungen zu den von der 5. Generalversammlung angenommenen Texten vom 1.1.2011, 152 ff., abrufbar unter: http://www.otif.org/fileadmin/user_upload/otif_verlinkte_files/07_veroeff/03_ erlaeut/COTIF_Rapport_explicatif_01_01_2011_d.pdf (letzter Zugriff: 24.7.2015). 152 Vgl. zur Entstehungsgeschichte der ERCUV die Allgemeinen Erläuterungen zu den ERCUV, Ziff. 1 ff. 153 Der Text der ERCUV ist abrufbar unter: http://www.cit-rail.org/de/eisenbahn transportrecht/cotif/ (letzter Zugriff: 11.6.2015). 154 Das sind derzeit 37 der 50 Mitgliedstaaten der OTIF (Stand: Juli 2015).

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tikel und sind damit wesentlich kürzer als der mit demselben Regelungsgegenstand – die Verwendung von Wagen im internationalen Eisenbahnverkehr – befasste AVV, der sich – wie bereits ausgeführt – als Ergänzung zu den nach Auffassung der Verbände der Halter von Privatgüterwagen unvollständigen Regelungen des Verwendungsvertrags versteht. Art. 1 ERCUV regelt ihren Anwendungsbereich. Danach gelten diese Einheitlichen Rechtsvorschriften für alle zwei- oder mehrseitigen Verträge über die Verwendung von Eisenbahnwagen als Beförderungsmittel zur Durchführung von Beförderungen nach den ERCIV und ERCIM, das heißt, dass der Verwendungsvertrag so allgemein geregelt sein soll, dass er „für alle Formen einer vertraglichen Verwendung von Wagen anwendbar“ ist, „also für die Verwendung von Wagen, die als sogenannte bahneigene Wagen in den Wagenpark eines Eisenbahnverkehrsunternehmen eingegliedert sind“, „für Wagen die nicht als bahneigene Wagen in den Wagenpark eines Eisenbahnverkehrsunternehmens eingestellt worden sind (bisherige P-Wagen)“ und für sonstige Wagen (‚ad hoc-Wagen‘).“155 Damit entfallen die bisher erforderliche Eingliederung privater Güterwagen in den Wagenpark eines Eisenbahnverkehrsunternehmens sowie der Abschluss eines Einstellungsvertrags, wie insgesamt der Begriff des P-Wagens aus dem internationalen Eisenbahnrecht verschwindet.156 Miet-, Leasing- oder Charterverträge für Wagen können angesichts der weiten Fassung des Art. 1 unter die ERCUV fallen, es sei denn, dass die Vertragsparteien ausdrücklich erklären, keinen Verwendungsvertrag, sondern einen Vertrag der erstgenannten Art abschließen wollen. Nicht von Art. 1 ERCUV erfasst werden dagegen Verwendungsverträge, die ausschließlich die Verwendung der Wagen als Beförderungsmittel für Binnenbeförderungen betreffen. Den Mitgliedstaaten steht es jedoch frei, ihre landesrechtlichen Regelungen nach den ERCUV auszurichten oder diese in das Landesrecht zu übernehmen.157 2. Begriffsbestimmungen und Haftungsregelungen Dem Ansatz der ERCUV, die bisherige Unterscheidung zwischen bahneigenen und privaten Wagen, entsprechen die Begriffsbestimmungen des Art. 2 ERCUV. 155

So die allgemeinen Erläuterungen zu den ERCUV, Ziff. 14 und die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 1 ERCUV, Ziff. 1. 156 So auch Lohmeyer, Das Betriebshaftpflicht-Risiko der Halter von privaten Eisenbahngüterwagen unter dem COTIF 1999, 1, abrufbar unter: http://www.uiprail.org/documents/ Das%20Betriebshaftpflichtrisiko%20des%20Wagenhalters%20D%20neu.pdf (letzter Zugriff: 8.7.2015). 157 Siehe dazu näher die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 1 ERCUV, Ziff. 6.

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Danach wird als EVU nunmehr jedes private oder öffentlich-rechtliche Unternehmen definiert, das zur Beförderung von Personen oder Gütern berechtigt ist und die Traktion sicherstellt (Art. 2 lit. a)). Dem entspricht auch, dass nunmehr jeder, der als Eigentümer oder sonst Verfügungsberechtigter einen Wagen dauerhaft als Beförderungsmittel wirtschaftlich nutzt, in Anlehnung an das Rechtsinstitut des Halters im Sinne des Straßenverkehrsrechts ebenfalls als „Halter“ definiert wird (Art. 2 lit. c)).158 Zwei weitere Legaldefinitionen des Art. 2 betreffen die Begriffe „Wagen“ und „Heimatbahnhof“. „Wagen“ im Sinne der ERCUV sind demnach nur solche, die auf eigenen Rädern auf Eisenbahnschienen rollen, jedoch über keinen eigenen Antrieb verfügen. (Art. 2 lit. b) ERCUV). Als „Heimatbahnhof“ wird der Ort definiert, „der am Wagen angeschrieben ist und an den der Wagen gemäß den Bedingungen des Vertrages über die Verwendung gesandt werden kann oder muss (Art. 2 lit. d)). Art. 3 bestimmt die an den Wagen anzubringenden Zeichen und Anschriften, die Art. 4–10 regeln im Einzelnen die Haftung der EVU bei Verlust oder Beschädigung eines Wagens und die Modalitäten der Haftung sowie den Gerichtsstand (Art. 11) und die Verjährung von Haftungsansprüchen (Art. 12). Das der Haftung zugrunde liegende Prinzip ist – wie nach dem AVV – eine Verschuldenshaftung, d.h., dass der Halter für den durch den Wagen verursachten Schaden haftet, wenn ihn ein Verschulden trifft.159 III. Die Nutzung der Infrastruktur (Anhang E zum COTIF) Die durch die Liberalisierung des Eisenbahnverkehrsrechts erforderlich gewordene Trennung von Eisenbahnverkehrsleistungen und Infrastruktur verlangte auch nach einheitlichen Regelungen für den Vertrag über die Nutzung der Infrastruktur im internationalen Eisenbahnverkehr. Im Zuge der Reform des COTIF von 1999 wurden die entsprechenden Regelungen in Gestalt der Einheitlichen Rechtsvor158

Siehe dazu näher die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 2 ERCUV, Ziff. 3; auch Lohmeyer, Das Betriebshaftpflicht-Risiko der Halter von privaten Eisenbahngüterwagen unter dem COTIF 1999, 1 f., abrufbar unter: http://www.uiprail.org/documents/Das%20 Betriebshaftpflichtrisiko%20des%20Wagenhalters%20D%20neu.pdf (letzter Zugriff: 8.7.2015). 159 Sie dazu näher Lohmeyer, Das Betriebshaftpflicht-Risiko der Halter von privaten Eisenbahngüterwagen unter dem COTIF 1999, 3 ff., abrufbar unter: http://www.uiprail.org/ documents/Das%20Betriebshaftpflichtrisiko%20des%20Wagenhalters%20D%20neu.pdf (letzter Zugriff: 08.07.2015); dazu auch die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 9 ERCUV, Ziff. 1–3.

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schriften für den Vertrag über die Nutzung der Infrastruktur in internationalen Eisenbahnverkehr (ERCUI)160 als Anhang E zum COTIF geschaffen. Sie sind mit dem Inkrafttreten des COTIF 1999 verbindlich geworden. Wie bereits erwähnt, hatten eine Reihe der Mitgliedstaaten der EU – darunter Deutschland – und andere Parteien des COTIF gemäß Art. 42 § 1 S. 1 COTIF Erklärungen zu den Anhängen E–G des COTIF abgegeben, sodass diese Anhänge, also auch die ERCUI, für sie zunächst nicht verbindlich wurden. Im Fall der EUMitgliedstaaten war der Grund für diese Erklärungen zum einen, dass die Verhandlungen zwischen der OTIF und der EU über deren Beitritt zum COTIF noch nicht abgeschlossen waren,161 und zum anderen – und damit zusammenhängend –, dass speziell zwischen den Regelungen der Richtlinie 91/440/EG und den ERCUI noch Diskrepanzen bestanden.162 Nach dem Beitritt der EU zur OTIF mit Wirkung zum 1. Juli 2011163 hat Deutschland seine Erklärungen gemäß Art. 42 § 1 Satz 1 COTIF zu den Anhängen E-G zurückgenommen.164 Die ERCUI sind in fünf Titel gegliedert, deren erster die allgemeinen Regelungen zum Anwendungsbereich (Art. 1), zu den Begriffsbestimmungen (Art. 3) und zur Wirkung der ERCUI als zwingendes Recht (Art. 4) enthalten. Die ERCUI gehen also den landesrechtlichen Bestimmungen vor.165 Art. 2 § 1 räumt jedem Mitgliedstaat das Recht ein, zu erklären, „dass er sämtliche Bestimmungen über die Haftung bei Personenschäden nicht anwenden wird, wenn sich das schädigen160

Der Text der aktuellen Fassung der ERCUI ist abrufbar unter: http://www.cit-rail. org/de/eisenbahntransportrecht/cotif/ (letzter Zugriff: 17.6.2015). 161 Zu den seinerzeit bestehenden Differenzen zwischen den Reformbestrebungen der EG/EU und der OTIF siehe näher Freise, Reform der Reform des Eisenbahntransportrechts in Europa?, ZintEisenb. 112 (2004), 91 ff. 162 Siehe hierzu näher Freise, in: MüKo HGB, Bd. 7, 3. Aufl. 2014, Vorbemerkungen Int. EisenbahntranspR, Rn. 2. 163 Siehe hierzu den Beschluss des Rates vom 16. Juni 2011 über die Unterzeichnung und den Abschluss der Vereinbarung zwischen der Europäischen Union und der Zwischenstaatlichen Organisation für den Internationalen Eisenbahnverkehr über den Beitritt der Europäischen Union zum Übereinkommen über den Internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 in der Fassung des Änderungsprotokolls von Vilnius vom 3. Juni 1999, ABl. Nr. L 51/1 vom 23.2.2013. 164 Siehe hierzu Freise, in: MüKo HGB, Bd. 7, 3. Aufl. 2014, Vorbemerkungen Int. EisenbahntranspR, Rn. 12a und 42. 165 Siehe dazu die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 2 ERCUV, Ziff. 3, abgedruckt in: OTIF (Hrsg.), Bericht des Zentralamtes über die Revision des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 und erläuternde Bemerkungen zu den von der 5. Generalversammlung angenommenen Texten vom 1.1.2011, 152 ff., abrufbar unter: http://www.otif.org/fileadmin/user_upload/otif_verlinkte_files/07_veroeff/ 03_erlaeut/COTIF_Rapport_explicatif_01_01_2011_d.pdf (letzter Zugriff: 24.7.2015).

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de Ereignis auf seinem Gebiet ereignet hat und das Opfer Angehöriger dieses Staates ist oder in diesem Staat seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat.“166 Nach Art. 1 § 1 gelten die ERCUI „für jeden Vertrag über die Nutzung einer Eisenbahninfrastruktur zum Zwecke der Durchführung internationaler Eisenbahnbeförderungen“ im Sinne der ERCIV und der ERCIM, und zwar ohne Rücksicht auf den Sitz und die Staatsangehörigkeit der Parteien des Vertrages und – in Übereinstimmung mit der von den neuen Vorschriften verfolgten Liberalisierungskonzeption, öffentlich- rechtliche und private Unternehmen gleich zu behandeln – auch, „wenn die Eisenbahninfrastruktur von Staaten oder von staatlichen Einrichtungen oder Organisationen betrieben oder genutzt wird“. Dagegen gelten die ERCUI vorbehaltlich des Art. 21167 nicht für andere Rechtsverhältnisse wie „insbesondere a) die Haftung des Beförderers oder des Betreibers gegenüber ihren Bediensteten oder anderen Personen, deren sie sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben bedienen“ und „b) die Haftung zwischen Beförderer oder Betreiber einerseits und Dritten andererseits“ (Art. 1 § 2). Titel II behandelt im Einzelnen den Nutzungsvertrag, seinen Inhalt und seine Form (Art. 5), besondere Pflichten des Beförderers und des Betreibers (Art. 6) und die Beendigung des Vertrages (Art. 7). Der neu eingefügte Art. 5bis enthält das von den Bestimmungen der Art. 5, 6, 7, 8, 9 und 22 unberührte Recht. Art. 5bis § 1 nennt Pflichten, die auf Bestimmungen betreffend insbesondere die in Art. 5bis § 3 aufgeführten Bereichen basieren und unberührt bleiben.168 Art. 5bis § 2 hat den gleichen Zweck, wobei die unberührten Pflichten nur diejenigen sind, die in einem Mitgliedsstaat der EU oder einem Staat, in welchem das EU-Recht aufgrund internationaler Verträge gilt, zu erfüllen sind.169 Titel III enthält die Regelung der Haftungsfragen (Art. 8–20),170 Titel IV die Regelung von Ansprüchen der Hilfspersonen (Art. 21) und Titel V die Geltendmachung von Ansprüchen, darunter Regelungen zum Schlichtungsverfahren (Art. 22), zum Rückgriff (Art. 23), zum Gerichtsstand (Art. 24) und zur Verjährung, die für die auf den ERCUI gründenden Ansprüche nach drei Jahren eintritt (Art. 25 § 1). 166

Hervorhebung vom Verf. Art. 21 ERCUI bestimmt, dass Ansprüche der Hilfspersonen des Beförderers auf Ersatz von Schäden, die der Betreiber verursacht hat – aus welchem Rechtsgrund auch immer – gegen den Betreiber nur unter den Voraussetzungen und Beschränkungen der ERCUI geltend gemacht werden können. Dasselbe gilt für Ansprüche auf Ersatz für vom Beförderer verursachte Schäden der Hilfspersonen des Betreibers gegen den Beförderer. 168 So die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 5bis ERCUI, Ziff. 1. 169 So die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 5bis ERCUI, Ziff. 2. 170 Dazu näher Leimgruber, Vertragsgrundlagen für die Nutzung der Infrastruktur, Zint Eisenb. 112 (2004), 59, 65 f. 167

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IV. Die technischen Normen (Anhang F zum COTIF) Die Einheitlichen Rechtsvorschriften für die Verbindlichkeitserklärung technischer Normen und für die Annahme einheitlicher technischer Vorschriften für Eisenbahnmaterial, das zur Verwendung im internationalen Verkehr bestimmt ist (ERAPTU – Anhang F zum COTIF)171 knüpfen an die Regelungen des internationalen Übereinkommens über die TE von 1882/1938 sowie an die technischen Bestimmungen in den Übereinkommen über die gegenseitige Benutzung der Güterwagen (RIV) und der Benutzung der Personen- und Gepäckwagen (RIC) im internationalen Verkehr und die technischen Merkblätter der UIC an.172 Angesichts der deutlichen Fortschritte in der Liberalisierung des Verkehrsmarktes konnte die verbindliche rechtliche Regelung der Bereiche der technischen Zulassung von Eisenbahnfahrzeugen und der Verbindlichkeitserklärung technischer Normen für Eisenbahnmaterial „nicht mehr uneingeschränkt den Eisenbahnunternehmen überlassen bleiben“, wie dies bis dahin de facto in vielen Staaten der Fall war.173 Die ERAPTU wurden von der 5. Generalversammlung (1999) einstimmig bei einer Enthaltung angenommen.174 Mit Wirkung zum 1. Dezember 2010 sind die Änderungen der ERAPTU gemäß Art. 35 §§ 2 und 3 COTIF in Kraft getreten. 1. Der Anwendungsbereich Die ERAPTU regeln nur den Bereich der Ausarbeitung und der Verbindlichkeitserklärung technischer Normen sowie den Bereich der Annahme einheitlicher technischer Vorschriften für Eisenbahnmaterial, das zur Verwendung im internationalen Verkehr bestimmt ist. Entgegen dem weitgefassten Titel der ERAPTU, der auf eine umfassende Aufgabenstellung auf den Gebieten der Ausarbeitung, der Verbindlichkeitserklärung und der Annahme einheitlicher technischer Vorschriften (ETV) schließen lassen könnte, handelt es sich bei den ERAPTU lediglich um eine Verfahrensordnung für die genannten Sachbereiche. 171 Der Text der ERAPTU ist abgedruckt in: ZintEisenb. 118 (2010), 27 ff; der Text ist außerdem abrufbar unter: http://www.cit-rail.org/de/eisenbahntransportrecht/cotif/ (letzter Zugriff: 17.6.2015). 172 Siehe dazu näher die allgemeinen Erläuterungen zu den ERAPTU, Ziff. 26; abgedruckt in: OTIF (Hrsg.), Bericht des Zentralamtes über die Revision des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (COTIF) vom 9. Mai 1980 und erläuternde Bemerkungen zu den von der 5. Generalversammlung angenommenen Texten vom 1.1.2011, 190 ff., abrufbar unter: http://www.otif.org/fileadmin/user_upload/otif_verlinkte_files/07_veroeff/ 03_erlaeut/COTIF_Rapport_explicatif_01_01_2011_d.pdf (letzter Zugriff: 24.7.2015). 173 Siehe dazu die allgemeinen Erläuterungen zu den ERAPTU, Ziff. 1. 174 Siehe dazu die allgemeinen Erläuterungen zu den ERAPTU, Ziff. 7.

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Die eigentliche, inhaltliche Ausarbeitung der technischen Normen und Vorschriften sollen vielmehr nicht Aufgabe der OTIF sein, sondern „weiterhin – jedoch nicht unbedingt ausschließlich – in den bestehenden, nichtstaatlichen Normungsinstitutionen wie dem Europäischen Komitee für Normung (CEN), dem Europäischen Komitee für elektrotechnische Normung (CENELEC), dem Europäischen Institut für Telekommunikationsnormen (ETSI) usw. unter Beteiligung der Eisenbahnverkehrsunternehmen, der Infrastrukturbetreiber und der Hersteller von Eisenbahnmaterial erfolgen, um deren Fachkompetenzen zu nutzen.“175 Entsprechendes gilt auch für die Ausarbeitung der ETV, „die nicht den Charakter technischer Normen haben, für Bau und Betrieb von Eisenbahnmaterial,“ die „weiterhin – auch nicht unbedingt ausschließlich Angelegenheit der Verbände der Eisenbahnverkehrsunternehmen, der Infrastrukturbetreiber und der Hersteller von Eisenbahnmaterial“ (z.B. Internationaler Eisenbahnverband – UIC, Organisation für die Zusammenarbeit der Eisenbahnen – OSShD – und Verband der europäischen Eisenbahnindustrien – UNIFE) bleiben soll.176 Diese Grundsatzentscheidung über die Aufgabenverteilung hat sich in Art. 4 ERAPTU niedergeschlagen, wonach die „Ausarbeitung von technischen Normen betreffend Eisenbahnmaterial und die Normierung von industriellen Produkten und Verfahren […] Aufgabe der anerkannten nationalen und internationalen Normungsinstitute [ist]“ (Art. 4 § 1). Der durch diese konzeptionelle Festlegung von materiell rechtlichen Regelungen weitgehend entlastete Text der ERAPTU umfasst nur 13 Artikel. Art. 1 regelt den Anwendungsbereich der ERAPTU. Er bestimmt, dass die Einheitlichen Rechtsvorschriften das Verfahren festlegen, „nach dem für Eisenbahnmaterial, das zur Verwendung im internationalen Verkehr bestimmt ist, technische Normen für verbindlich erklärt und einheitliche Vorschriften (ETV) angenommen werden.“ Art. 2 enthält einen umfangreichen Katalog von Begriffsbestimmungen. Unter diesen (Art. 2 lit. a)–g)) seien hier nur die Definitionen der Begriffe „technische Norm“ und „technische Vorschrift“ hervorgehoben. Eine „technische Norm“ ist „eine von einem anerkannten internationalen Normungsinstitut im dafür geltenden Verfahren angenommene freiwillige Norm“ (Art. 2 lit. e)). Eine „technische Vorschrift“ wird bestimmt als „jede in den ETV enthaltene Regelung, die sich auf den Bau, Betrieb, die Instandhaltung oder Sicherheitsaspekte oder auf ein Verfahren betreffend Eisenbahnmaterial bezieht, und die keine technische Norm ist.“ (Art. 2 lit. d)). Art. 3 § 1 ERAPTU bestimmt den Zweck der „Verbindlichkeitserklärung technischer Normen für Eisenbahnmaterial“ sowie der „Annahme von ETV für Eisen175 176

So die allgemeinen Erläuterungen zu den ERAPTU, Ziff. 8. So die allgemeinen Erläuterungen zu den ERAPTU, Ziff. 9.

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bahnmaterial“ dahingehend, dass sie „a) das freie Verkehren von Fahrzeugen und die freizügige Verwendung von sonstigem Eisenbahnmaterial im internationalen Verkehr erleichtern“ sollen. Ferner sollen sie „b) dazu beitragen, die Sicherheit, die Zuverlässigkeit und die Betriebsbereitschaft im internationalen Verkehr zu gewährleisten“, und „c) den Belangen der Umwelt und der öffentlichen Gesundheit Rechnung tragen.“ Art. 3 § 2 ERAPTU begrenzt die Verbindlichkeitserklärung technischer Normen oder die Annahme von ETV auf solche, „die auf internationaler Ebene ausgearbeitet wurden.“ Die Art. 4–7 regeln die Ausarbeitung von technischen Normen und ETV, die Verbindlichkeitserklärung technischer Normen und die Annahme von ETV sowie das Antragsverfahren und die Form der Anträge. Im Rahmen der sog. kleinen Revision des COTIF im Jahre 2009 hatte der Revisionsauschuss u.a. beschlossen, die vom Fachausschuss für technische Fragen der OTIF angenommenen ETV und validierten technischen Normen den ERAPTU nicht als Anlagen anzufügen, sondern diese auf der Website der Organisation zu veröffentlichen (Art. 8 § 1).177 Neben der durch Art. 42 Abs. 1 S. 1 COTIF eingeräumten Möglichkeit, dass einzelne Mitgliedstaaten erklären können, bestimmte Anhänge des COTIF nicht anzuwenden, sehen die ERAPTU in Art. 9 vor, dass jeder Vertragsstaat innerhalb einer in Art. 9 § 1 näher bestimmten Frist gegenüber dem Generalsekretär der OTIF erklären kann, „dass er bezüglich der in seinem Hoheitsgebiet gelegenen Eisenbahninfrastruktur und des Verkehrs auf dieser Infrastruktur die für verbindlich erklärte technische Norm oder die angenommene ETV nicht oder nur teilweise anwenden wird.“ Allerdings hat die Abgabe einer solchen Erklärung für den betreffenden Staat die Folge, dass er in seinen Mitwirkungsrechten eingeschränkt wird (Art. 9 § 2). Die Erklärung kann jedoch jederzeit zurückgenommen werden (Art. 9 § 3). Hier wie schon zuvor bei den entsprechenden Regelungen über Erklärungen gemäß Art. 42 Abs. 1 S. 1 COTIF zeigt sich sehr deutlich das Bemühen, der mit dem COTIF und seinen Anhängen geschaffenen neuen internationalen Eisenbahnordnung sowohl ein gewisses Maß an Flexibilität durch die Möglichkeit eines zeitlich begrenzten opting out aus den geltenden Regelungen als auch Stabilität dadurch zu sichern, dass die Mitgliedstaaten für ein solches partielles Ausscheren aus den geltenden Regelungen eine Preis zu zahlen haben in Gestalt der Beschränkung ihrer Mitwirkungsrechte. 2. Das Verhältnis zum älteren Recht Wie bereits erwähnt, knüpfen die ERAPTU an die Regelungen des internationalen Übereinkommens über die TE von 1882/1938 sowie an die technischen 177

Siehe dazu die allgemeinen Erläuterungen zu den ERAPTU, Ziff. 10.

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Bestimmungen in dem RIV-Übereinkommen an. Ganz im Sinne der Zielsetzung der durch das COTIF geschaffenen internationalen Eisenbahnordnung, eine übersichtliche und einheitliche Ordnung an die Stelle der früheren vielfältigen regionalen und internationalen zwischenstaatlichen und zwischen nichtstaatlichen Wirkungseinheiten geschaffenen Regelungswerken zu setzen, enthalten die ERAPTU klare, aber auch optimistische Bestimmungen zu ihrem Verhältnis zu den früheren Regelungen. So bestimmt Art. 10, dass mit dem „Inkrafttreten der vom Fachausschuss für technische Fragen gemäß Art. 6 § 1 beschlossenen ETV in allen Vertragsstaaten der Fassung von 1938 des Internationalen Übereinkommens über Technische Einheit im Eisenbahnwesen“ (TE),178 das am 21. Oktober 1882 unterzeichnet wurde, das Übereinkommen über Technische Einheit außer Kraft tritt. Darüber hinaus bestimmt Art. 11 § 1, dass „[m]it Inkrafttreten der vom Fachausschuss für technische Fragen gemäß Art. 6 § 1 beschlossenen ETV […] die technischen Normen und ETV im Verhältnis zwischen den Vertragsstaaten Vorrang gegenüber den Bestimmungen der Fassung 1938 des Internationalen Übereinkommens über die Technische Einheit im Eisenbahnwesen“ haben.179 Entsprechendes gilt nach Art. 11 § 2 im Hinblick auf das RIC-Übereinkommen und das RIV-Übereinkommen. V. Die technische Zulassung des Eisenbahnmaterials (Anhang G zum COTIF) Bereits im bisherigen nationalen und internationalen Eisenbahnrecht wird – wie auch im Straßenverkehrsrecht – zwischen den Verfahren zur Festlegung technischer Standards, die Fahrzeuge zu erfüllen haben, um am Verkehr teilnehmen zu können, und dem Verfahren der Zulassung technischen Materials zur Verwendung im nationalen und internationalen Eisenbahnverkehr und der Zulassung von Fahrzeugtypen bzw. einzelner Fahrzeuge unterschieden. Früher oblag die Zulassung als staatliche oder jedenfalls öffentliche Aufgabe staatlichen Stellen oder privaten Unternehmen, denen diese Aufgabe seitens der Staaten übertragen wurde, die vielfach zugleich die Funktion einer technischen Aufsichtsbehörde ausfüllten. Damit stellte sich für diese Zulassungsinstitutionen im Hinblick auf die Liberalisierung der Verkehrsmärkte derselbe strukturelle Reformbedarf wie schon im Fall der Ausarbeitung, Annahme und Verbindlichkeitserklärung technischer Normen bzw. Vorschriften. Denn obwohl die Zulassung eines Fahrzeugs – gleich welcher Art – zum öffentlichen Verkehr vorrangig der Gewährleistung der Verkehrs178

Hervorhebung vom Verf. Diese Regelung greift jedoch nur dann, wenn die TE noch nicht gemäß Art. 10 ERAPTU außer Kraft getreten ist. 179

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sicherheit dient, hat sie doch zugleich auch eine marktpolitische Wirkung, jedenfalls dann, wenn – wie dies häufig der Fall ist – die Zulassungsstellen zugleich technische Aufsichtsbehörden sind. Diese Kumulation zweier für den freien Zugang zu den Verkehrsmärkten mitentscheidenden Funktionen war und ist mit den Liberalisierungszielen der Reform des internationalen Eisenbahnrechts unvereinbar, zumal für die Mitgliedstaaten der EG/EU bereits durch die Richtlinie 91/440/EWG die Trennung von Staat und Unternehmen galt. Obwohl die in den ERAPTU getroffenen Regelungen über die Ausarbeitung, Annahme und Verbindlichkeitserklärung technischer Normen und Vorschriften sachlich eng mit denen über die Zulassung von Eisenbahnmaterial, das im internationalen Verkehr verwendet wird zusammenhängen und somit durchaus in einem Vertragsdokument in zwei getrennten Abschnitten hätten geregelt werden können,180 wurde die aus marktpolitischen Gründen gebotene Trennung der beiden Bereiche auch optisch dadurch unterstrichen, dass das Zulassungsverfahren in einem weiteren Anhang zum COTIF, nämlich in den Einheitlichen Rechtsvorschriften für die technische Zulassung von Eisenbahnmaterial, das im internationalen Verkehr verwendet wird (ERATMF – Anhang G zum COTIF)181 geregelt wurde. Die ERATMF wurden von der 5. Generalversammlung (1999) einhellig bei einer Stimmenthaltung angenommen. Da eine Reihe von Staaten – wie schon gegenüber den ERCUI und ERAPTU – auch gegenüber den ERATMF Erklärungen gemäß Art. 42 § 1 Satz 1 COTIF abgegeben haben, sind die ERATMF für diese Staaten nicht Kraft. 1. Der Anwendungsbereich Nahezu wortgleich mit den ERAPTU beschreibt Art. 1 ERATMF den Anwendungsbereich dieser Einheitlichen Rechtsvorschriften dahingehend, dass sie das Verfahren festlegen, „nach dem Eisenbahnfahrzeuge und sonstiges Eisenbahnmaterial zum Einsatz oder zur Verwendung im internationalen Verkehr zugelassen werden.“ In Art. 2 folgen insgesamt über dreißig Begriffsbestimmungen, die neben den in den ERATMF auch für die in den ERAPTU sowie deren Anlage und die in der Einheitlichen Technischen Vorschriften (ETV) der APTU bezeichneten Ausdrücken Anwendung finden. Um die Texte der Anhänge nicht zu umfangreich

180

Das zeigen auch die zahlreichen Bezugnahmen und Verweise in den ERATMF auf die ERAPTU und insbesondere deren technische Anlagen. 181 Der Text der ERATMF ist abgedruckt in: ZintEisenb 118 (2010), 55 ff.; der Text ist außerdem abrufbar unter: http://www.otif.org/fileadmin/user_upload/otif_verlinkte_files/07_ veroeff/02_COTIF_99/2015/COTIF_1999_01_07_2015_e.pdf (letzter Zugriff: 24.7.2015).

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werden zu lassen, wurden Begriffe, die sowohl in den ERAPTU als auch im ERATMF verwendet werden, lediglich in den ERATMF angeführt.182 Zu Beginn der umfangreichen Liste des Art. 2 ERATMF werden die Bedeutung der Begriffe des „Unfalls“, der „Bauartzulassung“, der „Betriebserlaubnis“, des „Fachausschusses für technische Fragen“ (mit dem der im Art. 13 § 1 lit. f) COTIF vorgesehene Ausschuss gemeint ist), des „Auftraggebers“, des „Vertragsstaats“ sowie der Begriff der „Erklärung“ (Art. 2 lit. a)–f) erläutert. Es folgen die Legaldefinitionen des „Bauelements“, der „für die Instandhaltung zuständigen Stelle“, der „grundlegenden Anforderungen“, des „Zwischenfalls“, des „Infrastrukturbetreibers“, des „internationalen Verkehrs“, der „Untersuchung“, des „Halters“, des „Instandhaltungsverzeichnis“, des „Netzes“, der „offenen Punkte“, des „sonstigen Eisenbahnmaterials“, des „Eisenbahnverkehrsunternehmens“, der „Eisenbahninfrastruktur“ (auch lediglich „Infrastruktur“), des „Eisenbahnmaterials“, des „Eisenbahnfahrzeugs“, der „regionalen Organisation“, der „Erneuerung“, des „RID“ sowie des „schweren Unfalls“ (Art. 2 lit. f)–z)). Weitere Begriffsbestimmungen für den „Sonderfall“, die „Teilsysteme“, die „technische Zulassung“, das „technisches Zertifikat“, das „technische Verzeichnis“, der „TSI“, die „Bauart“ und die „Umrüstung“ (Art. 2 lit. aa)–gg)) schließen die Liste der Begriffsbestimmungen.183 2. Grundsätze und Ziele Die ERATMF legen die Grundsätze, Ziele und Verfahren der technischen Zulassung von Eisenbahnfahrzeugen und sonstigem Eisenbahnmaterial fest und bilden damit die Grundlage für deren technische Zulassung. Die Beachtung dieser Grundsätze, Ziele und Verfahren „ist notwendig, um den internationalen Eisenbahnverkehr unter weitgehender Vermeidung von Traktionswechsel, Umsprung, Umachsung, Umladung oder Umsteigen an den Grenzen der Netze zu ermöglichen und wettbewerbsfähig zu gestalten.“184 Die ERATMF sind – wie die ERAPTU – eine Verfahrensordnung (Art. 1), die allerdings etwas ausführlicher ist, da sie den Regelungsgegenstand in den heute insgesamt 26, zum Teil sehr detaillierten und neu eingefügten Artikeln erfasst und – anders als die APTU – auf ergänzende Anlagen verzichtet.

182

Siehe hierzu die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 2 ERATMF, Ziff. 1. Zu den Begriffsbestimmungen näher die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 2 ERATMF, Ziff. 3 und 4. 184 So die Allgemeinen Erläuterungen zu den ERATMF, Ziff. 9. 183

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Wie im internationalen (und nationalen) Straßenverkehr muss auch jedes Eisenbahnfahrzeug, das im internationalen Verkehr eingesetzt werden soll, gemäß den ERATMF zugelassen sein (Art. 3 § 1). Diese Zulassung setzt voraus, dass die Eisenbahnfahrzeuge den Bauvorschriften der ETV und den Bau- und Ausrüstungsvorschriften der Anlage zum RID sowie den besonderen Bedingungen einer Zulassung in Anwendung des Art. 7a (Bauvorschriften für Fahrzeuge) entsprechen (Art. 3 § 2 lit. a)–c)). Für die technische Zulassung sonstigen Eisenbahnmaterials sowie einzelner Bauteile von Eisenbahnfahrzeugen gelten §§ 1 und 2 des Art. 3 und die weiteren Artikel sinngemäß (Art. 3 § 3). Die Wechselwirkung mit anderen internationalen Verträgen wird in dem neu eingefügten Art. 3a ERATMF geregelt.185 Die Art. 4–6b ERATMF regeln das Verfahren der technischen Zulassung, die Zuständigkeit der für die technische Zulassung bestimmten Behörden, die Gültigkeit technischer Zertifikate, die Anerkennung von Verfahrensunterlagen sowie von technischen und betrieblichen Prüfungen. Gemäß Art. 7 § 1 ERATMF müssen Eisenbahnfahrzeuge, die für den internationalen Verkehr zugelassen werden sollen, den Bauvorschriften, den ETV und ggf. den im RID enthaltenen Vorschriften entsprechen. Enthalten die ERAPTU keine Regelungen, so „sind der technischen Zulassung die entsprechenden im Vertragsstaat, in dem ein Antrag auf technische Zulassung gestellt wird, gemäß Art. 12 der Einheitlichen Rechtsvorschriften APTU geltenden nationalen technischen Anforderungen zugrunde zu legen“ (Art. 7 § 2).186 Art. 8 bestimmt, dass die Eisenbahninfrastruktur, entsprechend der Vorschrift des Art. 7 für die Fahrzeuge, den in den ETV enthaltenen Bestimmungen und ggf. den im RID enthaltenen Vorschriften entsprechen muss. (Art. 8 § 1 lit. a) und b)), wobei die Zulassung von Infrastruktur und die Überwachung ihrer Instandhaltung weiterhin den Vorschriften des Vertragsstaates unterliegt, in dem sich die Infrastruktur befindet (Art. 8 § 2). Die in den ETV enthaltenen Vorschriften einzuhalten, sind auch die Eisenbahnverkehrsunternehmen und die Unternehmen oder Verwaltungen in den Vertragsstaaten verpflichtet (Art. 9 § 1 und § 2). 3. Die technische Zulassung und ihre Umsetzung Von zentraler Bedeutung für die Wirksamkeit der mit den Zulassungsregelungen bezweckten Kontrollen sind die Art. 4, 10, 10a und 10b ERATMF. Art. 4 185 Näher dazu die ergänzenden Erläuternden Bemerkungen zu Art. 3a ERATMF, Ziff. 1–6. 186 Näher dazu die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 7 ERATMF, Ziff. 1–3.

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regelt in den §§ 1–3 das Verfahren der technischen Zulassung.187 Nach Art. 10 § 1 betrifft die technische Zulassung die Bauart eines Eisenbahnfahrzeugs oder ein einzelnes Eisenbahnfahrzeug. Einen entsprechenden Antrag können der Hersteller, ein Eisenbahnverkehrsunternehmen, der Halter des Fahrzeugs und der Eigentümer des Fahrzeugs (Art. 10 § 3) bei jeder gemäß Art. 5 zuständigen Behörde eines Vertragsstaates (Art. 10 § 3), ggfs. in einem vereinfachten Verfahren (Art. 4 § 1 lit. b)), stellen (Art. 10 § 8). Alle Entscheidungen, Bewertungen, Prüfungen usw. im Rahmen der technischen Zulassung haben auf nicht diskriminierende Weise zu erfolgen (Art. 10 § 5a). Das technische Zertifikat wird grundsätzlich unbefristet erteilt; es kann für einen generellen oder eingeschränkten Anwendungsbereich erteilt werden (Art. 10 § 9). Art. 10a und 10b ERATMF regeln das Verfahren und die Gründe für die Entziehung der Bauart- bzw. Betriebserlaubnis. Die Entziehung kann nur von der die Bauart- bzw. das Betriebserlaubnis erteilenden Behörde vorgenommen werden (Art. 10a § 3). Gründe für die Entziehung liegen vor, wenn das Eisenbahnfahrzeug den in den ETV und in den gemäß Art. 12 der ERAPTU geltenden nationalen Vorschriften enthaltenen Bestimmungen oder den besonderen Bedingungen seiner Zulassung gemäß Art. 7a oder den im RID enthaltenen Bau- und Ausrüstungsvorschriften nicht mehr entspricht (Art. 10 § 2 lit. a)); wenn der Halter der Aufforderung der zuständigen Behörde, die Mängel zu beseitigen, nicht innerhalb der gesetzten Frist Folge leistet (Art. 10 § 2 lit. b)) oder wenn die sich aus einer eingeschränkten Zulassung gemäß Art. 10 § 10 ergebenden Auflagen und Bedingungen nicht erfüllt oder nicht eingehalten werden (Art. 10 § 2 lit. c)). Neben der Entziehung des Betriebserlaubnis sehen die ERATMF die Möglichkeit des Ruhens der Betriebserlaubnis vor (Art. 10a § 4). Art. 10a § 4 sieht das Ruhen der Betriebserlaubnis in vier Fällen vor, nämlich „wenn die im Instandhaltungsverzeichnis des Fahrzeugs, in den ETV, in den besonderen Bedingungen einer Zulassung gemäß Art. 7a oder in den im RID enthaltenen Bau- und Ausrüstungsvorschriften vorgeschriebenen technischen Prüfungen, Kontrollen Instandsetzungs- und Instandhaltungsarbeiten für das Eisenbahnfahrzeug nicht durchgeführt (oder Fristen nicht beachtet) werden“ (Art. 10a § 4 lit. a)); „wenn bei schwerer Beschädigung eines Eisenbahnfahrzeugs der Aufforderung der zuständigen Behörde, das Fahrzeug vorzuführen, nicht Folge geleistet wird“ (Art. 10a § 4 lit. b)); bei fehlender Übereinstimmung mit diesen Einheitlichen Rechtsvorschriften und den in den ETV enthaltenen Bestimmungen (Art. 10a § 4 lit. c)) und schließlich „wenn gemäß Art. 12 der Einheitlichen Rechtsvorschriften APTU geltende entsprechende nationale Bestimmungen oder gemäß Art. 13 der Einheitlichen Rechtsvorschriften APTU für gleichwertig erklärte Bestimmungen nicht 187

Im Einzelnen dazu die Erläuternden Bemerkungen zu Art. 4 ERATMF, Ziff. 1–3.

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eingehalten sind. Das Ruhen des Zertifikats gilt für den/die betroffenen Vertragsstaat(en)“ (Art. 10a § 4). Art. 10a § 6 bestimmt, dass die Regelungen des Art. 10a §§ 1–4 sinngemäß auch für die Bauartzulassung gelten. Das Betriebszertifikat erlischt mit der Ausmusterung des Eisenbahnfahrzeugs, die der Behörde anzuzeigen ist, welche die Betriebserlaubnis erteilt hat (Art. 10a § 5). Vertragsstaaten oder regionale Organisationen können allerdings ergänzende, nicht diskriminierende detaillierte verbindliche Verfahren für die Bewertung und die Anforderungen betreffend der Erklärungen annehmen oder beibehalten, sofern diese nicht im Widerspruch zu den vom Fachausschuss für technische Fragen gemäß § 1 festgelegten Bestimmungen stehen (Art. 10b § 2). Die Art. 11 und 12 ERATMF enthalten detaillierte Vorschriften über Form und Inhalt der Urkunden, mit denen Bauartzulassung und Betriebserlaubnis erteilt werden. Die getrennt für diese beiden Zulassungen auszustellenden Urkunden werden als „Bauartzertifikat“ und „Betriebszertifikat“ bezeichnet (Art. 11 § 1). Das Bauartzertifikat muss den Konstrukteur und vorgesehenen Hersteller der Bauart, den technischen Nachweis und den Instandhaltungsnachweis als Beilagen, ggf. besondere Betriebsbeschränkungen oder -bedingungen, den oder die Bewertungsberichte als Beilagen, ggf. ausgestellte (Übereinstimmungs- und Überprüfungs- Erklärungen, die auszustellende zuständige Behörde und ggf. die Dauer seiner Gültigkeit enthalten (Art. 11 § 2 lit. a)–g)). Das Betriebszertifikat muss sämtliche in Art. 11 § 2 genannten Informationen sowie den Identifizierungscode aller vom Zertifikat abgedeckten Fahrzeuge, Angaben über den Halter aller vom Zertifikat abgedeckten Fahrzeuge am Tag der Ausstellung und ferner ggf. die die Gültigkeitsdauer des Zertifikates enthalten (Art. 11 § 3 lit. a)–d)). Das Zertifikat über eine Betriebserlaubnis muss zudem „die in den Anlagen der ERAPTU, in den besonderen Bedingungen einer Zulassung in Anwendung des Art. 7 § 2 oder § 3 oder in den Bau- und Ausrüstungsvorschriften der Anlage zum RID vorgeschriebenen Untersuchungen des Eisenbahnfahrzeugs sowie die sonstigen vorgeschriebenen technischen Überprüfungen einzelner Bauteile und bestimmter technischer Aggregate des Fahrzeugs“ enthalten (Art. 11 § 3 lit. e)). Die Zertifikate sind in einer der Arbeitssprachen gemäß Art. 1 § 6 des COTIF zu drucken (Art. 11 § 6) und dem Antragssteller zuzustellen (Art. 11 § 7 ERATMF). Für beide Zertifikate wird die OTIF einheitliche Muster vorschreiben (Art. 12 § 1), die vom Fachausschuss für technische Fragen ausgearbeitet werden (Art. 12 § 2). Um unter den Bedingungen des stark angewachsenen internationalen Eisenbahnverkehrs die Kontrolle über die Einhaltung der vorstehend aufgeführten Vorschriften über die Zulassung von Eisenbahnfahrzeugen zum internationalen Verkehr zu erleichtern, sieht Art. 13 § 1 ERATMF die Errichtung einer Datenbank

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unter der Verantwortung der OTIF vor, die diese auch führt. Der Fachausschuss für technische Fragen hat die funktionale und technische Architektur der Datenbank sowie die erforderlichen Daten festzulegen, wann und wie diese bereitzustellen sind (Art. 13 § 4). Wichtig für eventuelle Streitigkeiten ist, dass die gespeicherten Angaben nur einen widerleglichen Beweis für die technische Zulassung eines Eisenbahnfahrzeuges darstellen (Art. 13 § 6). Pflichten zur Kennzeichnung der zum internationalen Verkehr zugelassenen Eisenbahnfahrzeuge und ihrer Instandhaltung und zur Meldung von Unfällen und schweren Beschädigungen von Eisenbahnfahrzeugen regeln die Art. 14–16 ERATMF. Die mit der Vereinheitlichung der Voraussetzungen und Verfahren der Zulassung von Eisenbahnfahrzeugen verbundenen Vorteile werden in der Regelung des Art. 17 deutlich, nach dem Eisenbahnfahrzeuge von einer gemäß Art. 5 zuständigen Behörde, von einem anderen Eisenbahnverkehrsunternehmen oder einem Infrastrukturbetreiber nicht zurückgewiesen oder stillgelegt werden, wenn sie die ERATMF, die die in den ETV enthalten Bestimmungen, ggf. die besonderen Bedingungen einer Zulassung in Anwendung des Art. 7 §§ 2 und 3 und die Bauund Ausrüstungsvorschriften der Anlage um RID eingehalten werden. Die Rechtsfolgen der Nichtbeachtung der ERATMF und der ETV regelt Art. 18. Die ERATMF schließen mit der Regelung der Beilegung von „Meinungsverschiedenheiten betreffend die technische Zulassung von zur Verwendung im internationalen Verkehr bestimmten Eisenbahnfahrzeugen und sonstigem Eisenbahnmaterial.“ Wenn diese Streitigkeiten nicht im Wege unmittelbarer Verhandlungen beigelegt werden, können sie dem Fachausschuss für technische Fragen vorgelegt oder einem schiedsgerichtlichen Verfahren nach Titel V des COTIF unterbreitet werden (Art. 20). VI. Fazit Der Überblick über die Entwicklung des internationalen Eisenbahnrechts hat deutlich gemacht, welch tiefem Wandel dieses Rechtsgebiet im Verlauf von mehr als einhundert Jahren durchlaufen hat. Nachdem im ausgehenden 19. Jahrhundert die Regelung des internationalen Eisenbahnverkehrs weitgehend nichtstaatlichen Wirkungseinheiten oblag und damit das vereinbarte Regelwerk transnationales Recht und nicht Völkerrecht darstellte, beginnt erst nach dem Ende des Ersten Weltkrieges – namentlich im weiteren Rahmen des Völkerbundes – die zwischenstaatliche und damit völkerrechtliche Regelung des internationalen Eisenbahnverkehrs, wobei die damals geschlossenen multilateralen Verträge – so etwa das Übereinkommen und Statut über die internationale Rechtsordnung der Eisenbahnen von 1923 – sachgegenständlich begrenzt blieben und an Bedeutung für die

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Praxis hinter den unter Führung der nicht zwischenstaatlichen UIC geschlossenen RIV-Übereinkommens und über die der gegenseitigen Benutzung der Personenund Gepäckwagen von 1922 bzw. 1923 zurückstanden. Auch nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges blieben die nichtstaatlichen, mit der Regelung des internationalen Eisenbahnverkehrs befassten Verbände zunächst noch dominierend. Erst Mitte der 1970er Jahre begannen im Rahmen der UNECE die Bemühungen – wie zuvor schon auf dem Gebiet des internationalen Straßenverkehrs – auf der Grundlage völkerrechtlicher Verträge Regelungen für den internationalen Eisenbahnverkehr zu treffen, so z.B. zur Festlegung eines europäischen Eisenbahnnetzes – ein Gebiet, das mit der Entwicklung eines Verkehrsbinnenmarktes im Rahmen der EG/EU wesentliche Regelungsanstöße erhielt. Die mit diesen Regelwerken eingeleitete Integration auch des Eisenbahnwesens führte schließlich zu der Entscheidung der Staaten, und zwar nicht nur der europäischen, auf der Basis eines umfassenden völkerrechtlichen Vertrages eine zwischenstaatliche Organisation für das internationale Eisenbahnwesen zu schaffen. Dieser Ansatz zu einer ganzheitlichen Regelung des internationalen Eisenbahnwesens unter dem Dach einer zwischenstaatlichen Organisation ist das Ergebnis der gewachsenen Einsicht, dass der internationale Eisenbahnverkehr als ein neben dem Straßen-, Binnenwasserstraßen- und dem Luftverkehr wesentliches Kommunikationsmittel für Wirtschaft und privaten Personenverkehr in hohem Maß auf eine feste institutionelle Grundlage gegründete Kooperation von Staaten und Eisenbahnunternehmen und deren transnationalen Verbänden angewiesen ist. So kann festgestellt werden, dass die internationale Eisenbahnordnung heute einen hohen Grad von Integration erreicht hat, mit der eine starke legislative Kompetenz der OTIF einhergeht.188 Dies bedeutet nun aber auch, dass die nationale Regelungsgewalt und damit die staatliche Souveränität ganz erheblich eingeschränkt worden ist – ein Beispiel dafür, wie sehr das Interesse von Wirtschaft und Gesellschaft an einem reibungslosen grenzüberschreitenden Verkehr – auch und gerade durch die Eisenbahn – die Staaten gezwungen hat, sich einer internationalen Regelungsgewalt zu unterstellen.

188 Dazu auch Berthier, Die Träger der Normsetzungsbefugnisse für die internationale Eisenbahnbeförderung, ZintEisenb. 106 (1998), 84 ff.

Kapitel 3

Der grenzüberschreitende Verkehr auf Binnenwasserstraßen Neben dem internationalen Straßen- und Eisenbahnverkehr bildet die Binnenschifffahrt auf internationalen Flüssen, Kanälen und in einzelnen Fällen auch Seen eine dritte Säule des grenzüberschreitenden Verkehrs und ist damit Teil der internationalen Kommunikationsordnung. Seit jeher dienten schiffbare Flüsse vornehmlich als Mittel für den Transport von Gütern. Daneben spielten die Fischerei, die Flößerei und die Nutzung der Flüsse für den Betrieb von Wassermühlen eine untergeordnete Rolle. Entsprechend bezogen sich bis zum Ende des 19. Jahrhunderts praktisch alle internationalen Übereinkommen über die Nutzung von Flüssen allein auf deren Funktion als Transportweg. Von besonderer Bedeutung war unter diesem Aspekt die völkerrechtliche Gewährleistung der Freiheit der Flussschifffahrt für Schiffe aller Staaten auf Flüssen, die zwei oder mehrere Staaten – sog. pluriterritoriale Flüsse – durchfließen.1 Das Kernproblem der völkerrechtlichen Anerkennung dieser Freiheit war – und ist dies bis zu einem gewissen Grad auch heute noch –, dass die Gewährleistung der Freiheit der Flussschifffahrt eine erhebliche Beschränkung der Territorialhoheit der Uferstaaten bedeutet, durch deren Gebiet die schiffbaren Flüsse fließen.2 Eine weitere Frage, die im Laufe der Flussrechtsentwicklung zu lösen war, betraf den Umfang, den das Recht der Freiheit der Flussschiffahrt besitzen sollte. Sollte sich diese Freiheit lediglich auf die Durchfahrt beschränken oder sollte sie auch das Recht gewähren, im Zuge der Durchfahrt Häfen anzulaufen und Güter zu laden oder zu entladen und damit dem grenzüberschreitenden Handel zu dienen. Erst im Laufe des 20. Jahrhunderts setze sich die Auffassung durch, dass die Freiheit der Flussschiffahrt nicht lediglich den Transit als Selbstzweck, sondern auch die mit der Nutzung einer Wasserstraße verbundenen wirtschaftlichen Aktivitäten wie Waren- und Gütertransportdienste umfassen muss. Es geht also auch im Bereich der Binnenschifffahrt – wie beim Landverkehr – im Kern um das seit langem 1 2

Siehe dazu Vitányi, The International Regime of River Navigation, 1979, 1 ff. Verdross/Simma, Universelles Völkerrecht, 3. Aufl. 1984/2010, 650 ff.

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angestrebte, aber bisher nur teilweise erreichte Ziel einer allgemeinen Verkehrsfreiheit. Mit der fortschreitenden Industrialisierung und dem damit wachsendem Energiebedarf entwickelten sich seit dem Ende des 19. Jahrhunderts neue Formen der wirtschaftlichen Nutzung der Flüsse wie die Nutzung der Wasserkraft für Kraftwerke zur Stromerzeugung. Aber auch die Nutzung des Wassers für landwirtschaftliche Bewässerungsprojekte und – nicht zu vergessen – für die Trinkwasserversorgung gewannen an Bedeutung. Diese wie auch weitere ähnliche Formen der Nutzung von schiffbaren Flüssen unterschieden sich von der Flussschifffahrt dadurch, dass durch sie der Lauf und die Strömungsstärke der Flüsse beeinflusst oder – wie bei der landwirtschaftlichen Nutzung und bei der Trinkwasserversorgung – das Wasser selbst verbraucht wird. Nicht im eigentlichen Sinn verbraucht, aber in seiner Qualität erheblich beeinträchtigt, wird das Flusswasser zudem dadurch, dass schiffbare wie nicht schiffbare Flüsse zur Entsorgung industrieller Abwässer genutzt bzw. genauer gesagt missbraucht werden, mit anderen Worten dieser Missbrauch eine umweltrechtliche Dimension aufweist. Es liegt auf der Hand, dass angesichts der mit der Nutzung pluriterritorialer Flüsse als Transportwege und als Ressourcen für industrielle und landwirtschaftliche Projekte verbundenen Interessenkonflikte im 20. Jahrhundert die Forderung erhoben wurde, ein umfassendes internationales Rechtsregime für die verschiedenen Nutzungsformen zu schaffen. Dieses Ziel ist bislang nicht erreicht worden, doch spiegelt die jüngere Literatur zum internationalen Flussrecht diesen Ansatz insoweit wider, als vielfach sowohl die Nutzung schiffbarer Flüsse als Transportwege als auch ihre Nutzung als vielfältig verwendbare Ressourcen für die zuvor genannten Zwecke unter dem übergreifenden Titel des internationalen Flussrechts behandelt werden. Da es im vorliegenden Zusammenhang allein um die Behandlung der internationalen Verkehrsordnung geht, wird die folgende Darstellung auf den Bereich der internationalen Flussschiffahrt – und hier wiederum nur auf den Bereich der Regelung der Binnenschifffahrtsnetze und des Personenund Gütertransports auf Binnenwasserstraßen – begrenzt. Die internationalen Regime der großen natürlichen Wasserstraßen und der Kanäle wurden bereits an anderer Stelle behandelt.3 Besondere Bedeutung für das bisherige internationale Binnenschifffahrtsrecht hat im europäischen Raum die stetig gewachsene Rolle der EU, gewonnen die im Zuge der Entwicklung des Binnenmarktes auf dem Gebiet der Gemeinsamen Verkehrspolitik auch verstärkt regelnd auf die Binnenschifffahrt einwirkt. Damit stellen sich schwierige Fragen für das Verhältnis der bisherigen Binnenschifffahrtsregime, insbesondere der Mannheimer Rheinschifffahrtsakte und der Bel3

Siehe dazu Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 1989, 385 ff.

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grader Donaukonvention von 1948 zur Rechtssetzung der EU. Hierauf wird im Folgenden bei Darstellung der Rechtsgrundlagen und des Inhalts der Binnenschifffahrtsfreiheit einzugehen sein.

A. Die Freiheit der Binnenschifffahrt I. Einführung Die Freiheit der Binnenschifffahrt bildet neben der Verkehrsfreiheit auf dem Lande mit ihren beiden Teilbereichen des grenzüberschreitenden Straßen- und Eisenbahnverkehrs die – angesichts ihrer enormen Bedeutung für den Gütertransport auf den großen Binnenwasserstraßen – dritte bedeutende Säule der sich ausbildenden, aber eben noch nicht erreichten allgemeinen internationalen Verkehrsfreiheit. Als solche teilt die Freiheit der Binnenschifffahrt das völkerrechtliche Schicksal der Verkehrsfreiheit auf dem Lande, dass ihr trotz der weit verbreiteten Anerkennung in der internationalen Vertragspraxis bisher die allgemein verbindliche völkergewohnheitsrechtliche Grundlage fehlt.4 Die Gründe hierfür sind die gleichen wie im Fall des internationalen Landverkehrs. Die Binnenwasserstraßen als Teile des Staatsgebietes, durch das sie fließen, unterfallen der Gebietshoheit der jeweils betroffenen Staaten. Die Anerkennung einer auf Völkergewohnheitsrecht beruhenden allgemeinen Freiheit der Binnenschifffahrt würde eine erhebliche Beschränkung der Souveränität der Staaten bedeuten, durch die Binnenwasserstraßen fließen, würde doch eine allgemeine Freiheit der Binnenschifffahr dazu führen, dass die Anrainerstaaten einer Binnenwasserstraße diese – evtl. sogar ohne Einschränkung – für alle an der internationalen Binnenschifffahrt teilnehmenden Schiffe öffnen müssten. So bleibt es weiterhin dabei, dass multilaterale und bilaterale Verträge die Rechtsgrundlage für die jeweils unterschiedlich ausgestaltete Freiheit der Binnenschifffahrt bilden. Um den heutigen Inhalt und Umfang der Freiheit der Binnenschifffahrt umreißen zu können, ist zunächst ein kurzer Rückblick auf die Entwick4

Eine etwas andere Würdigung der Rechtslage nach dem Zweiten Weltkrieg nimmt Scheuner vor, der meint, dass sich jedenfalls in Europa über die Jahrhunderte ein völkergewohnheitsrechtlicher Grundsatz herausgebildet habe, demzufolge die Uferstaaten eines durch mehrere Staaten fließenden Stromes sich gegenseitig Schifffahrtsfreiheit einzuräumen haben. Allerdings ist auch nach Scheuner dieser Grundsatz des Völkergewohnheitsrechts auf einem hohen Abstraktionsniveau angesiedelt, so dass alle Detailregelungen zwischen den Uferstaaten vertraglich getroffen werden müssen, siehe dazu Scheuner, Rechtsfragen der Rheinschiffahrt – Rechtsgutachten, in: Coing/Hallstein/Schlochauer (Hrsg.), Schriften des Instituts für ausländisches und internationales Wirtschaftsrecht, Bd. 6, 1956, 72 ff., zusammenfassend pointiert 181 f.

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lungen der diese Freiheit konstituierenden völkerrechtlichen Regelungen erforderlich. II. Die völkerrechtlichen Grundlagen 1. Die historische Entwicklung Die traditionellen Binnenschifffahrtsregime – so z.B. für den Rhein, die Donau, Elbe, die Oder in Europa, für den Kongo in Afrika und für den St. Lorenz-Strom in Nordamerika – sind in ihrer Entwicklung schon von früh an immer wieder von intensiven politischen Konflikten vornehmlich aufgrund divergierender wirtschaftlicher Interessen der im Binnenschifffahrtstransportwesen tätigen Staaten beeinflusst worden. So ist es verständlich, dass viele dieser Regime ihre ersten normativen Grundlagen durch Entscheidungen der großen Staatenkongresse und Friedenskonferenzen – so durch den Wiener Kongress von 1815 für den Rhein und durch die Friedenskonferenz von 1856 für die Donau – erhalten haben. Die Entwicklung dieser Regime zu Beginn des 20. Jahrhundert war wiederum Gegenstand der Beschlüsse der Pariser Friedenskonferenz von 1919 und der Verkehrskonferenz von Barcelona im Jahr 1921. Die auf der Barcelona-Konferenz beschlossenen Schritte zur Ausdehnung der Schifffahrtsfreiheit auf allen schiffbaren Flüssen und Kanälen erzielten letztlich keine nachhaltige Wirkung. Nicht nur wurden das Übereinkommen und das dazugehörige Statut über das Regime der Schifffahrtswege von internationaler Bedeutung nur von einer relativ geringen Zahl von Staaten ratifiziert. Vielmehr blieb entgegen den ursprünglichen Vorstellungen, dass die Konferenz zu einem einheitlichen Binnenschifffahrtsregime für alle Binnenschifffahrt betreibenden Staaten führen sollte, das Übereinkommen auch insoweit hinter den Erwartungen zurück, als durch das Übereinkommen die Schifffahrtswege von internationaler Bedeutung unter Einschluss der Seitenkanäle der Handelsschifffahrt der Vertragsstaaten und nur dieser auf dem Boden der Gleichberechtigung untereinander und den Staatsangehörigen des Uferstaates geöffnet wurde.5 Aber auch die Ansätze zu einer weitgehenden Liberalisierung der Binnenschifffahrt, die im Friedensvertrag von Versailles gemacht wurden, blieben fruchtlos, weil insbesondere mit der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten in Deutschland und der von diesem Regime verfolgten Politik gegen den Versailler Vertrag eine Einigung über Umfang und Kontrolle der in diesem Vertrag für den

5

Siehe dazu Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 1989, 392 f.

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Rhein und die Donau getroffenen Internationalisierungsregeln nicht erzielbar war.6 Im Gegenteil, im Jahr 1936 erklärte die nationalsozialistische Reichsregierung einseitig, nicht mehr an die den Rhein betreffenden Bestimmungen des Versailler Vertrages gebunden zu sein. Ferner erklärte sie, dass die deutschen Flüsse ausschließlich ihrer Souveränität unterlägen. Dieser von den Vertragsparteien des Versailler Vertrages trotz ihrer Proteste7 letztlich hingenommenen Aufkündigung der bisherigen Ordnung, die auf der Schlussakte des Wiener Kongresses von 1815, der ersten Rheinschifffahrtskonvention vom 31. März 1831 (Mainzer Akte) sowie der Revidierten Rheinschifffahrtsakte vom 17. Oktober 1868 (Mannheimer Akte) beruhte, folgte wenige Monate später auch die Aufkündigung des Donauregimes für das deutsche Teilstück, so dass nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges jedenfalls für den europäischen Bereich entweder ein völkerrechtliches Vakuum für die Binnenschifffahrt hätte angenommen werden können mit der Folge, dass eine neue Ordnung hätte geschaffen werden müssen. Oder es hätte pragmatisch die Wiederanwendung der nach dem Ende des Ersten Weltkrieges geschaffenen europäischen Ordnung der Binnenschifffahrt beschlossen werden können.8 Die zwischen der Sowjetunion und den drei Westalliierten nach Kriegsende aufbrechenden ideologischen und machtpolitischen Konflikte ließen keine Einigung über den einen oder den anderen Weg zu. 2. Die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs geltenden Verträge a) Die Donau Auf der Potsdamer Konferenz vom Juli/August 1945 wurde von den USA die Frage der Binnenschifffahrt angesprochen und vorgeschlagen, für alle europäischen Wasserstraßen, die zwei oder mehr Staaten durchfließen oder voneinander trennen, die unbeschränkte Freiheit der Schifffahrt zu erklären. Da Großbritannien und die Sowjetunion kein Interesse an dem amerikanischen Vorschlag zeigten, wurde dieser an den Rat der Außenminister verwiesen, der dann allerdings lediglich im Zusammenhang mit der Beratung der Friedensverträge mit Bulgarien, Ungarn und Rumänien die Frage der Schifffahrtsfreiheit auf der Donau behandelte. Aufgrund der durch den Ausgang des Zweiten Weltkrieges entstandenen neuen Machtverteilung, nämlich die Dominanz der Sowjetunion im ost- und südosteuro6

Dazu näher Baxter, The Law of International Waterways, 1964, 126 ff. Siehe dazu näher Vitányi, The International Regime of River Navigation, 1979, 107. 8 Erhebliche Abstriche erlitt nach dem Ersten Weltkrieg auch das internationale Flussschifffahrtsregime im afrikanischen Raum, siehe dazu näher schon Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 1989, 391. 7

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päischen Raum, erwies sich eine schlichte Wiederbelebung des Vorkriegsregimes für die Donau als nicht erreichbar. Im Wege eines Kompromisses wurde zunächst in den Friedensverträgen von 1947 mit Bulgarien, Ungarn und Rumänien jeweils eine Klausel eingefügt, wonach der Grundsatz der freien Schifffahrt für alle, einschließlich des Rechts auf Gleichbehandlung hinsichtlich der Erhebung von Hafen- und Schifffahrtsgebühren, niedergelegt wurde. Ende 1946 beschloss der Rat der Außenminister, binnen sechs Monaten nach dem Inkrafttreten der Friedensverträge eine Konferenz der Vertreter der vier Großmächte und der Donau-Uferstaaten (Bulgarien, die damalige Tschechoslowakei, Ungarn, Rumänien, Ukraine und Jugoslawien) mit dem Ziel einzuberufen, die Frage der Schifffahrt auf der Donau zu lösen. Die Konferenz trat 1948 in Belgrad zusammen und nahm mit der Mehrheit der kommunistischen Staaten eine neue Donaukonvention, das Übereinkommen vom 18. August 1948 über die Regelung der Schifffahrt auf der Donau (Belgrader Donaukonvention) an. Dies erfolgte gegen den Widerstand der westlichen Konferenzteilnehmer und der von ihnen vertretenen Staaten, die den neuen Vertrag wegen Verstoßes gegen die Versailler Friedensverträge und das Statut von 1921 für nichtig hielten.9 Ungeachtet der Proteste der westlichen Staaten setzten die Vertragsstaaten der Belgrader Donaukonvention diese um und errichteten eine neue Donaukommission, die allerdings dem extremen Souveränitätsverständnis dieser Vertragsstaaten entsprechend nur noch begrenzte Beratungs- und Koordinationsbefugnisse, nicht aber mehr supranationale Entscheidungsbefugnisse besaß. Österreich, das seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges unter dem Besatzungsregime stand und der Belgrader Donaukonvention zudem mit erheblichen Vorbehalten gegenüber stand, lenkte 1960 ein, trat ihr bei und wurde damit Mitglied der neuen Donaukommission. Erst fast vierzig Jahre später trat dann auch die Bundesrepublik Deutschland mit der Annahme des Zusatzprotokolls vom 26. März 1998 der Belgrader Donau-

9

Der Grund dafür war, dass Art. 42 des Donau-Statuts von 1921 vorsah, dass dessen Änderung nur durch eine Revisionskonferenz vorgenommen werden kann, zu der alle Vertragsstaaten eingeladen und vertreten sind. Dies war nicht der Fall. Zu diesen Entwicklungen siehe näher Baxter, The Law of International Waterways, 1964, 135 ff.; Oppenheim/ Jennings/Watts, Oppenheim’s International Law, Bd. I/2, 9. Aufl. 1992, 577 f., die allerdings darauf hinweisen, dass sich die westlichen Staaten und Österreich die Anerkennung der neuen Konvention vorbehielten; in einem von den Vertragsstaaten des neuen DonauStatuts unterzeichneten Zusatzprotokoll wird das Übereinkommen über das Donau-Statut von 1921 ausdrücklich als „nicht mehr in Kraft“ erklärt, vgl. dazu den Text des Zusatzprotokolls in BGBl. 1999 II, 597 f.

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konvention bei und erwarb damit als letzter der Anrainerstaaten die Vollmitgliedschaft in der neuen Donaukommission.10 Bereits seit 1988 hatte die Bundesrepublik Deutschland mit Ungarn, Bulgarien, Rumänien und der Ukraine Abkommen über die Binnenschifffahrt auf den Binnenwasserstraßen mit dem Ziel geschlossen, „den Schiffsverkehr auf den Binnenwasserstraßen der Vertragsparteien weiter zu entwickeln“.11 Damit bildet die Belgrader Donaukonvention zusammen mit den weiteren genannten Verträgen einen Teil der derzeitigen Grundlage für die Bestimmung von Inhalt und Umfang der Freiheit der Binnenschifffahrt. Gemäß Art. 1 der Belgrader Donaukonvention ist die Schifffahrt für Schiffe aller Nationen auf der Donau frei. Davon ausgenommen ist die sog. kleine Kabotage. Die entgegen dem Wortlaut des Art. 1 dennoch de facto vorhandenen Beschränkungen der Schifffahrtsfreiheit hatten ihren Grund in der bis zu Beginn der 1990er Jahre in den meisten Vertragsstaaten noch dominierenden sozialistischen Planwirtschaft. Mit deren Aufhebung konnte Art. 1 der Belgrader Donaukonvention seine volle Wirksamkeit entfalten. b) Der Rhein Weiteren Aufschluss über die derzeitigen Grundlagen der Freiheit der Binnenschifffahrt gibt das für die Rheinschifffahrt und die Schifffahrt auf ihren Nebenflüssen derzeit geltende Vertragsregime. Anders als im Fall der Donau ist das geltende Regime für den Rhein von der Kontinuität mit der nach dem Ende des Ersten Weltkrieges bestehenden Ordnung gekennzeichnet. Die an der Belgrader 10 Siehe dazu das Gesetz vom 26.7.1999 und den Text des Übereinkommens in BGBl. 1999 II, 578; zum Schicksal der bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges tätigen Europäischen Donaukommission und der 1921 gegründeten Internationalen Donaukommission siehe ausführlich Zeilinger, Danube River, in: MPEPIL, Rn. 1 ff. (Stand: Juli 2013); zum Streit über die Fortgeltung des Pariser Donau-Statuts mit teilweise abweichenden Bewertungen der Auswirkungen des Zweiten Weltkrieges auf das Donau-Statut siehe Baldtschun, Der Status der Donauschiffahrt im Falle bewaffneter Konflikte, 2006, 54 ff. 11 Siehe die Abkommen der Bundesrepublik Deutschland mit Ungarn (Abkommen über die Binnenschifffahrt vom 15.1.1988, UNTS Bd. 1706, 149/BGBl. 1989 II, 1026), mit Bulgarien (Abkommen über die Binnenschifffahrt auf den Binnenwasserstraßen vom 4.7.1989, UNTS Bd. 1908, 211/BGBl. 1990 II, 619), mit Rumänien (Abkommen über die Schifffahrt auf den Binnenwasserstraßen vom 22.10.1991, nebst Protokoll über die Verkehrsrechte (Wechselverkehr, Transitverkehr, Drittlandverkehr und Kabotage), UNTS Bd. 1910, 399/ BGBl. 1993 II, 770) und mit der Ukraine (Abkommen über die Binnenschifffahrt vom 14.7.1992, UNTS Bd. 1919, 157/BGBl. 1994 II, 258).

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Konferenz beteiligten westlichen Staaten, die mit dem Vorgehen der Sowjetunion und der unter ihrer Dominanz stehenden Donau-Anrainerstaaten nicht einverstanden waren, gingen im Hinblick auf den Rhein den oben schon aufgezeigten zweiten, den pragmatischen Weg: Sie beharrten darauf, dass das nach dem Ersten Weltkrieg errichtete Regime für den Rhein durch die Aufkündigung durch Deutschland nicht aufgehoben wurde, sondern weiterhin Geltung habe. Lediglich die Tätigkeit der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt (ZKR) sei zeitweilig zum Erliegen gekommen. So war es konsequent, dass die westlichen Staaten die ZKR einluden, ihre Tätigkeit wieder aufzunehmen. Mitglieder der ZKR waren zunächst Belgien, Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und die Schweiz. Zeitweilig gehörten auch die USA im Hinblick auf ihre Interessen und ihre führende politische Rolle in Europa dem ZKR an.12 Die Bundesrepublik Deutschland kehrte 1950 als Mitglied in die ZKR zurück. Aus diesem Anlass gab die Bundesregierung eine Erklärung ab, mit der sich die Bundesrepublik verpflichtete, „sich vom Zeitpunkt ihres Beitritts an, ebenso wie die jetzigen Mitglieder, alle sich aus dem Mannheimer Abkommen vom 17. Oktober 1868 und aus den seitdem vorgenommenen Änderungen ergebenden Rechte und Verpflichtungen auf sich zu nehmen.“13 Obwohl nach Auffassung der Westalliierten die Regelungen des Versailler Friedensvertrages (VFV) über die Internationalisierung des Rheins weiterhin Geltung hatten, die einseitige Aufkündigung dieser Regelungen durch Deutschland also unwirksam war, wichen die im Zuge der Normalisierung der politischen Beziehungen zwischen den Westalliierten und der Bundesrepublik Deutschland getroffenen Änderungen der Revidierten Rheinschifffahrtsakte vom 17. Oktober 1868 (Mannheimer Akte – MA) von den sehr weitgehenden Internationalisierungsvorschriften der Art. 354 ff. VFV ab. Schon die Praxis der Uferstaaten des Rheins, entgegen den weitreichenden Regelungen des Art. 356 VFV auch die Diskriminierungsverbote des Art. 4 MA insoweit restriktiv anzuwenden, als sie diese Verbote nur gegenüber Schiffen anderer Uferstaaten einhielten, belegt diese Tendenz.14 Vertraglich wurden die Abweichungen vom VFV in dem Übereinkommen vom 20. November 1963 zur Revision der am 17. Oktober 1868 unterzeichneten Revidierten Rheinschifffahrtsakte festgeschrieben.15 Gemäß Art. 1 der Mannheimer Akte 12

Siehe dazu Baxter, The Law of International Waterways, 1964, 137; Oppenheim/ Jennings/Watts, Oppenheim’s International Law, Bd. I/2, 9. Aufl. 1992, 580. 13 Text zitiert aus Vitányi, The International Regime of River Navigation, 1979, 126. 14 Vgl. dazu zusammenfassend Tiroch, Rhine River, in: MPEPIL, Rn. 7 f. (Stand: Februar 2011). 15 BGBl. 1969 II, 597, zuletzt geändert durch Zusatzprotokoll Nr. 7 zu der Revidierten Rheinschifffahrtsakte vom 27.11.2002, BGBl. 2003 II, 1912; insgesamt wurden sieben

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soll „[d]ie Schifffahrt auf dem Rhein und seinen Ausflüssen von Basel bis in das offene Meer, sowohl aufwärts als abwärts, unter Beachtung der in diesem Vertrage festgesetzten Bestimmungen und zur Aufrechterhaltung der allgemeinen Sicherheit erforderlichen polizeilichen Vorschriften, den Fahrzeugen aller Nationen zum Transport von Waren und Personen gestattet sein.“16 Insoweit die Gestattung der Schifffahrt auf dem Rhein den Fahrzeugen aller Nationen gewährt wird, steht Art. 1 der Mannheimer Akte im Einklang mit Art. 356 VFV. Mit dem Vorbehalt der Pflicht zur Beachtung der in der Mannheimer Akte niedergelegten Bestimmungen – einschlägig sind die Art. 2 bis 4 – weicht die Mannheimer Akte allerdings insofern ab, als konkrete Rechte wie die Gleichbehandlung (Art. 4), die freie Wahl der Wege durch die Niederlande und nach Belgien und die Freiheit von Abgaben (Art. 2 und 3) nur den zur Rheinschifffahrt gehörigen Schiffen oder den Vertragsstaaten eingeräumt werden.17 Zusammenfassend ist im Hinblick auf die Rechtsgrundlage der Schifffahrtsfreiheit auf dem Rhein festzustellen, dass nach den zeitweise verwirrenden Verwerfungen aufgrund der beiden Weltkriege und deren Folgen heute Klarheit besteht, dass die Mannheimer Akte in der Fassung vom 20. November 1963 völkerrechtlich die alleinige Grundlage für die inhaltliche Bestimmung der Schifffahrtsfreiheit auf dem Rhein ist und zusammen mit den Regelungen für die Donau Grundlage für die Bestimmung des Inhalts und Umfangs der derzeitigen Konzeption der Schifffahrtsfreiheit bildet. c) Die Elbe und die Oder Keinen weiteren Aufschluss über Inhalt und Umfang einer positivrechtlich gesicherten Schifffahrtsfreiheit kann die rechtliche Lage auf den – wie Rhein und Donau – durch den Versailler Vertrag internationalisierten Flüssen Elbe und Oder und weiteren osteuropäischen Flüssen geben. Deren Internationalisierung wurde von der national-sozialistischen Reichsregierung ebenfalls einseitig aufgekündigt. Die durch die totale militärische Niederlage Deutschlands geschaffene politische Lage, die zu einer tiefgreifenden Verschiebung der Machtverhältnisse im mitteleuropäischen Raum führte, aufgrund derer Deutschland seine Gebiete jenseits von Zusatzprotokolle zur Mannheimer Akte abgeschlossen, siehe BGBl. 1974 II, 1385; BGBl. 1980 II, 870; BGBl. 1980 II, 875; BGBl. 1991 II, 1119; BGBl. 2002 II, 1772; BGBl. 2003 II, 1912. 16 Hervorhebung vom Verf. 17 Grundlage dieser Einschränkungen ist das 2. Zusatzprotokoll zur Revidierten Rheinschifffahrtsakte vom 17.10.1979, BGBl. 1980 II, 870; siehe dazu Tiroch, Rhine River, in: MPEPIL, Rn. 8 f. (Stand: Februar 2011).

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Oder und Neiße verlor und die damalige Sowjetunion zur dominanten Macht wurde, führte dazu, dass es für diese Flüsse – anders als im Westen für den Rhein – nicht zu einer Anknüpfung an das durch den Versailler Vertrag geschaffene Schifffahrtsregime kam. Vor allem gilt dies für die Oder und die Elbe, auf die das frühere Internationalisierungsregime nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht mehr angewandt wurde.18 Für die Regelung der Schifffahrt auf der Oder, die mit der Festlegung der deutschen Ostgrenze entlang der Oder zum deutsch-polnischen Grenzfluss wurde, schlossen die damalige DDR und Polen mehrere Abkommen. Die wichtigsten waren das Warschauer Abkommen über die gegenseitige Benutzung der Binnenwasserstraßen zur Beförderung von Gütern vom 27. Mai 1954,19 das sich nicht nur auf die Oder und die Elbe, sondern auch auf die anschließenden Wasserläufe bezog, und das an demselben Tag ebenfalls in Warschau abgeschlossene Abkommen über den Transitverkehr auf den Binnenwasserstraßen.20 Entsprechende Abkommen wurden zwischen der DDR und der Tschechoslowakei für die Elbe geschlossen, so zum Beispiel das Abkommen zwischen der Regierung der DDR und der Regierung der CSSR über die gegenseitige Benutzung der Binnenwasserstraßen sowie von Haff und Bodden für die Schifffahrt.21 Eine erste Vereinbarung zwischen Polen und der Bundesrepublik Deutschland wurde am 5. Februar 1971 zwischen dem Bundesminister für Verkehr der Bundesrepublik Deutschland und dem Minister für Schifffahrt der Volksrepublik Polen abgeschlossen.22 Erstmals ist es zwischen der damaligen Tschechoslowakei und der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1988 zum Abschluss eines Abkommens über den Binnenschiffsverkehr gekommen,23 das nach der Auflösung der Tschechoslowakei für die Tschechische Republik und die Slowakische Republik mit Wirkung vom 1. Januar 1993 zwischen diesen und der Bundesrepublik Deutsch-

18 Siehe dazu Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 1989, 390 f., sowie ausführlich Vitányi, The International Regime of River Navigation, 1979, 106 ff. 19 Der Vertrag ist in Dokumente zur Außenpolitik der Regierung der DDR (nachfolgend als Dokumente zitiert), Bd. IV – Verträge und Abkommen, Berlin 1958, 193, veröffentlicht; zu diesen Abkommen näher Böhme, Die völkerrechtliche Stellung der Elbe unter besonderer Berücksichtigung der Situation nach dem Zweiten Weltkrieg, 1959, 127 ff.; nur kurz zu einem ersten, schon 1952 zwischen der DDR und Polen abgeschlossenen Vertrag, Vitányi, The International Regime of River Navigation, 1979, 112. 20 Text dieses Vertrages in Dokumente Bd. IV, 175. 21 Text in Dokumente Bd. VI, 308. 22 Text in Bundesanzeiger, Nr. 37 vom 24.2.1971, 1; die Vereinbarung ist außer Kraft getreten, siehe BGBl. 1993 II, 786. 23 Text in BGBl. 1989 II, 103, 5 ff.

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land weiterhin gilt.24 Zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen wurde in Warschau am 8. November 1991 ein Abkommen über die Binnenschifffahrt abgeschlossen, mit dessen Inkrafttreten die früheren Abkommen und Vereinbarungen außer Kraft traten (Art. 21 Abs. 4).25 Alle Abkommen – wie auch eine Reihe weiterer bilateraler Abkommen der Bundesrepublik mit Österreich und mit ehemaligen Ostblockstaaten – gehen davon aus, dass die durch ihre Hoheitsgebiete führenden Flüsse, u.a. die Elbe und die Oder, internationale Binnenwasserstraßen sind. Sie gestalten dann jedoch die Regelungen dahin, dass sie nur für die Uferstaaten gelten. Drittstaaten sind zwar vom Befahren nicht ausgeschlossen, bedürfen dazu aber der Genehmigung der jeweils zuständigen Vertragsstaaten.26 Kein völkerrechtliches Übereinkommen ist das Donau-Abkommen von 1989 (Bratislava Abkommen), das von mehreren Schiffseigentümern mit dem Ziel geschlossen wurde, auch für die Flussschifffahrt einheitliche Regeln über Frachtpapiere und die Haftung des Frachtführers zu schaffen.27 Der Überblick über die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis heute geschaffenen vertraglichen Grundlagen der Binnenschifffahrt auf der Elbe und der Oder und weiterer osteuropäischen Binnenwasserstraßen zeigt, dass diese allein auf bilateralen Verträgen vornehmlich zwischen den Uferstaaten beruhen. Von einer allgemeinen Schifffahrtsfreiheit im Sinne der Regelungen des Versailler Vertrages kann auch in den genannten Verträgen keine Rede sein. d) Afrikanische, süd- und nordamerikanische Flüsse Wie bereits zuvor schon dargelegt, haben sich in Afrika Ansätze zu einer weitgehenden Liberalisierung der Binnenschifffahrt – z.B. durch die Kongo-Akte vom 26. Februar 1885 – nicht dauerhaft durchsetzen können. Nach dem Ersten Weltkrieg wurde durch den Vertrag von St. Germain vom 10. September 1919 das Kongo-Regime dahingehend modifiziert, dass der Grundsatz der Handelsfreiheit für alle Staaten aufgehoben und nur auf die an dem neuen Vertrag beteiligten Parteien (und die Mitglieder des Völkerbundes) beschränkt wurde.28 24

Siehe dazu die Bekanntmachung im BGBl. 1993 II, 762. Abkommen vom 8.11.1991 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Polen über die Binnenschiffahrt vom 19.4.1993, BGBl. 1993 II, 780 ff. 26 Siehe dazu näher Rasched, Die Elbe im Völker- und Gemeinschaftsrecht – Schiffahrt und Gewässerschutz, 2003, 32 ff. 27 Otte, in: Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, 2009, § 7 Rn. 174. 28 Sie dazu Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 1989, 391 m.w.N. Zu den Entwicklungen der Regelungen der Binnenschifffahrt auf den großen afrikanischen 25

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In Nordamerika ist die Schifffahrt auf allen Flüssen und Seen entlang der amerikanisch-kanadischen Grenze durch den Boundary Waters Treaty vom 11. Januar 190929 geregelt worden. In Südamerika gibt es nur wenige Verträge über die Flussschiffahrt, doch haben schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts zahlreiche südamerikanische Staaten ihre Flüsse durch einseitige Erklärungen und Gesetze der Handelsschifffahrt aller Staaten geöffnet.30 Ähnliches gilt für die Regelung der Flussschiffahrt auf den großen asiatischen Flüssen.31 III. Die Kernelemente Als Fazit des vorstehenden Überblicks über die geltenden Binnenschifffahrtsregelungen ist festzustellen, dass bis heute das große Ziel, das nach dem Ersten Weltkrieg insbesondere von der internationalen Verkehrskonferenz in Barcelona mit der Ausarbeitung des Übereinkommens und Statuts über das Regime der Schifffahrtswege von internationaler Bedeutung (Barcelona-Konvention) von 1921 verfolgt wurde, nämlich eine weitgehende Liberalisierung u.a. auch der Binnenschifffahrt zu vereinbaren, bis heute nicht erreicht worden ist. Eine Auswertung der geltenden multi- und bilateralen Verträge über die Binnenschifffahrt erlaubt es jedoch, wesentliche Elemente auszumachen, die in den verschiedenen multi- und bilateralen Binnenschifffahrtsregelungen den Inhalt des Konzepts der Freiheit der Binnenschifffahrt konstituieren. Als erste ist hier die Freiheit des Schiffsverkehrs, das heißt, dass sich Schiffe auf den schiffbaren, nicht ausschließlich nationalen Binnenwasserstraßen in den von ihren Aufträgen her bestimmten Richtungen – selbstverständlich unter Beachtung der jeweils geltenden Verkehrs- und Sicherheitsbestimmungen – bewegen, Waren und Personen transportieren dürfen und Zugang zu Häfen, Ankerplätzen und Einrichtungen zum Ausladen bzw. Einladen von Gütern haben (sog. freedom of call).32 Eng damit verbunden ist als weiterer Bestandteil des Konzepts der Freiheit der Binnenschifffahrt die Freiheit der den Transport von Gütern und Personen betreibenden Unternehmen, die damit verbundenen wirtschaftlichen Tätigkeiten Flüssen nach der Dekolonisierung siehe ausführlich Vitányi, The International Regime of River Navigation, 1979, 113 ff. 29 Boundary Waters Treaty, US-GB, 36 Stat., 2448. 30 Siehe dazu Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 1989, 392 m.w.N. 31 Dazu näher Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 1989, 392 m.w.N. 32 Dazu im einzelnen Vitányi, The International Regime of River Navigation, 1979, 246.

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auszuüben. Darunter fallen die Einrichtung eigener Agenturen und Lagerhäuser in den Häfen. Allerdings wird diese Freiheit durch das in multi- und bilateralen Schifffahrtsakten festgelegte Recht der Uferstaaten eingeschränkt, sich den Transport von Gütern und Personen zwischen Häfen, die im Bereich ihrer Souveränität liegen, vorzubehalten (Vorbehalt der Kabotage).33 Von mehr theoretischer als praktischer Bedeutung ist die Freiheit der Nutzer internationaler Wasserstraßen, von jeder Steuer oder Abgabe befreit zu bleiben, weil es den Uferstaaten freisteht, die Erhebung von Steuern oder Abgaben mit den Nutzerstaaten vertraglich zu vereinbaren, was insbesondere im Hinblick auf die Kosten für die Erhaltung der Befahrbarkeit der Wasserstraßen und die Funktionsfähigkeit technischer Einrichtungen in aller Regel geschieht. Das Konzept einer Freiheit der Binnenschifffahrt legt es nahe, zu seinen wesentlichen Inhalten auch das Prinzip der Gleichbehandlung aller Nutzer der Binnenwasserstraßen zu zählen. Der Versuch, dieses Prinzip im Rahmen der Verhandlungen über die Barcelona-Konvention und das Statut über das Regime der Schifffahrtswege von internationaler Bedeutung festzulegen, ist seinerzeit allerdings gescheitert. So ist es bis heute dabei geblieben, dass einzelne Binnenschifffahrtsakte und bilaterale Verträge das Prinzip der Gleichbehandlung aufgenommen haben, dies jedoch nur in beschränkter Form. Das Gleichbehandlungsgebot wird jeweils nur den Vertragsparteien eingeräumt. So sieht Art. 4 Abs. 3 der Mannheimer Akte vor, dass die „vertragschließenden Staaten […] gegenseitig die zur Rheinschifffahrt gehörigen Schiffen und deren Ladungen auf den vorstehend genannten Wasserstraßen in jeder Hinsicht ebenso behandeln wie die eigenen Rheinschiffe und deren Ladungen.“ Entsprechende Gleichbehandlungspflichten enthalten u.a. das 1988 geschlossene Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechoslowakei (Art. 8)34 und das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Polen von 1991 (Art. 9).35 Ähnlich wie im Fall des Gleichbehandlungsgebotes ist die Rechtslage bezüglich der zum Beispiel von Vitányi angeführten Befrachtfreiheit (freedom of affreightment), die es den Nutzern der Binnenwasserstraßen erlauben soll, den Befrach33 So die ganz herrschende Meinung, siehe dazu Vitányi, Navigation on Rivers and Canals, in: EPIL, Bd. III, 1997, 531, 533, der zutreffend darauf hinweist, dass diese Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung der Schifffahrtsunternehmen enger ist als eine – etwa in Freundschafts- und Schifffahrtsverträgen – vereinbarte allgemeine Freiheit wirtschaftlicher Betätigung innerhalb des jeweils anderen Vertragsstaates. 34 Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik über den Binnenschiffsverkehr, BGBl. 1989 II, 1037 ff. 35 Abkommen zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Polen über die Binnenschifffahrt, BGBl. 1993 II, 780 ff.

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tungsvertrag mit Partnern ihrer Wahl und über die Frachtmengen sowie die Kosten abzuschließen.36 Die Anerkennung einer solchen Freiheit als Teil des Inhalts der Binnenschifffahrtsfreiheit läge in der Logik einer konsequenten Liberalisierung der Binnenschifffahrt. In der Praxis, insbesondere nach den schweren Wirtschaftskrisen seit den 1930er Jahren, hat sich jedoch die Befrachtfreiheit nicht mehr durchsetzen lassen. Überangebote an Frachtkapazitäten veranlassten die Staaten, mit Maßnahmen zur gerechten Zuteilung von Fracht und mit Eingriffen in die Festlegung der Frachtraten den Binnenschifffahrtsmarkt zu stabilisieren.37 Der gemessen an den ambitionierten Zielen einer umfassenden Liberalisierung der Binnenschifffahrt auf der Basis völkerrechtlicher Verträge und unter Berücksichtigung des Zeitraums von zwei Jahrhunderten entsprechender Bemühungen eher bescheidene Befund legt den Schluss nahe, dass – wie eingangs bereits angedeutet – die Liberalisierung der Binnenschifffahrt mit erheblichen Beschränkungen der Souveränität verbunden ist, welche die Staaten aus vitalen wirtschaftlichen und auch sicherheitspolitischen Gründen bisher nicht hinzunehmen bereit waren. Namentlich im Rahmen multilateraler, aber auch bilateraler Aushandlung von völkerrechtlichen Binnenschifffahrtsregimen trafen immer wieder die nationalen Interessen offen aufeinander, die den notwendigen breiten Konsens über wirksame Liberalisierungen unmöglich machten. Das Scheitern der BarcelonaKonvention und des Statuts über das Regime der schiffbaren Wasserwege von internationaler Bedeutung von 1921 ist ein eindrucksvolles Beispiel hierfür. So kann es auch nicht überraschen, dass es nicht der klassische Weg ist, Liberalisierungen der Binnenschifffahrt durch umfassende völkerrechtliche Verträge anzustreben, sondern stattdessen die Chance zu nutzen, diese Liberalisierung wenigstens regional im Rahmen der Schaffung des europäischen Binnenmarktes zu erreichen. Auch dieser Weg ist – wie zu zeigen sein wird – nicht frei von rechtlichen Problemen, die sich jedoch nach dem derzeitigen Stand der Entwicklung des Europäischen Binnenmarktes als lösbar erweisen könnten. Hintergrund ist, dass die Liberalisierung des Binnenschiffverkehrs in diesem Rahmen nicht als isoliertes Ziel eines traditionell einzelstaatsorientierten Verkehrszweiges angegangen wird, sondern als integraler Bestandteil des im Zuge des Aufbaus des Europäischen Binnenverkehrsmarktes bereits entstandenen europäischen Verkehrsverbundes.38 Jedoch 36

Siehe dazu näher Vitányi, The International Regime of River Navigation, 1979, 297 ff.; kurz auch ders., Navigation on Rivers and Canals, in: EPIL, Bd. III, 1997, 531, 533 f. 37 Beispiele für bilaterale Regelungen über die Verteilung des Frachtaufkommens sind die entsprechenden Regelungen des deutsch-tschechischen Abkommens über den Binnenschiffsverkehr von 1988 (Art. 3) und des deutsch-polnischen Abkommens über den Binnenschiffsverkehr von 1991 (Art. 3). 38 Siehe hierzu das Weißbuch der Europäischen Kommission „Die Europäische Verkehrspolitk bis 2010: Weichenstellungen für die Zukunft“ vom 12.9.2001 KOM (2001) 370

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steht derzeit einer raschen Erreichung dieses Zieles auch hier eine Reihe von völkerund europarechtlichen Problemen entgegen, denen im Folgenden nachzugehen ist.

IV. Der Konflikt zwischen den völkerrechtlichen Schifffahrtsregimen und den EU-Kompetenzen für den europäischen Verkehrsbinnenmarkt Die gegenwärtige Rechtslage im Hinblick auf die Freiheit der Binnenschifffahrt in West-, Mittel- und Südeuropa ist – wie zuvor gezeigt – von teils völkerrechtlichen Binnenschifffahrtsregimen und einzelnen bilateralen Verträgen, teils aber auch in wachsendem Maße von Regelungen der EU bestimmt, der heute 28 europäische Staaten angehören. Einen besonderen Status nimmt die Schweiz ein, die Vertragspartei des Rheinschifffahrtsregimes, jedoch nicht Mitglied der EU ist. Auf der institutionellen Ebene bedeutet diese rechtliche Gemengelage, dass sich neben den einzelnen Staaten auf der einen Seite die Schifffahrtskommissionen für den Rhein und die Donau, die mit eigener, wenn auch unterschiedlich umfangreicher, Regelungsgewalt ausgestattet sind, und auf der anderen Seite die Organe der EU, namentlich die Kommission mit deren sehr umfangreicher Regelungsgewalt, einander gegenüberstehen.39 Es liegt auf der Hand, dass angesichts der hier nur kurz skizzierten Vielfalt der rechtlichen Regelungen der Binnenschifffahrt eine durchgreifende Harmonisierung des geltenden Rechts erforderlich ist, um das Ziel einer umfassenden europäischen Binnenschifffahrtsordnung als Teil des europäischen Verkehrsbinnenmarktes zu erreichen.

1. Die Elbe und die Oder Aus völkerrechtlicher Sicht vergleichsweise unproblematisch ist die Überlagerung der für die Elbe und die Oder geltenden bilateralen Binnenschifffahrtsverträge durch das Recht der EU. Die zuvor angeführten, von der Bundesrepublik Deutschland mit Polen (1991), der Tschechoslowakischen Republik (jetzt Tschechien und die Slowakei 1988/1993) sowie Ungarn (1988) geschlossenen Verträge endg. Der Text des Weißbuches ist abrufbar unter: http://europa.eu/legislation_summaries/ environment/tackling_climate_change/l24007_de.htm (letzter Zugriff: 9.4.2015). 39 Die Regelungskompetenz der EU für die Binnenschifffahrt als Teil des europäischen Verkehrsmarktes ist heute unbestritten und bedarf hier keiner näheren Erörterung, siehe dazu Sendmeyer, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach (Hrsg.), Europarecht, 3. Aufl. 2015, § 34 Rn. 1; ausführlich auch Klein, Die Kompetenz der Europäischen Union in Anbetracht der Schiffahrt auf Rhein und Donau, 2004, 15 ff.

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sind nach dem Beitritt dieser Staaten zur EU im Jahre 2004 nicht mehr in vollem Umfang in Kraft. Gleiches gilt für den Vertrag der Bundesrepublik Deutschland mit Rumänien (1991) nach dessen Beitritt zur EU im Jahre 2007. Im Hinblick auf das damals gegen Deutschland beim EuGH anhängige Verfahren wegen eines möglicherweise von Deutschland mit dem Abschluss dieser Verträge begangenen Verstoßes gegen geltendes EU-Recht,40 sind die Vertragsparteien übereingekommen, die Verträge nur insoweit weiter als geltend anzunehmen, als sie nicht gegen EU-Recht (wie etwa schifffahrtspolizeiliche Regelungen) verstoßen. Zwischen den Vertragsparteien ist in einigen Fällen das Einvernehmen über die EU-rechtskonforme Auslegung und Anwendung der Verträge im Wege diplomatischer Noten festgeschrieben worden.41 Im Ergebnis ist festzustellen, dass seit dem Beitritt der mittel-, ost- und südosteuropäischen Staaten zur EU die Oder, die Elbe und die Weichsel sowie die ungarische Donau einschließlich der Nebenflüsse dem EU-Binnenschifffahrtsregime unterfallen, somit ein wichtiger Schritt in Richtung auf eine umfassende europäische Binnenschifffahrtsordnung getan ist. 2. Der Rhein und die Donau Ungleich komplizierter ist dagegen das Verhältnis mit der für den Rhein geltenden Mannheimer Akte und der für die Donau geltenden Belgrader Donaukonvention. Dabei bestehen keine grundsätzlichen Differenzen zwischen der EU und der ZKR hinsichtlich der Sicherung und Durchsetzung der Schifffahrtsfreiheit auf dem 40

Der EuGH hat einen solchen Verstoß festgestellt, jedoch den Parteien der Verträge keine Verpflichtung zu ihrer Kündigung ausgesprochen, siehe dazu das Urteil der 2. Kammer des EuGH vom 14.7.2005, Rs. C-433/03, Kommission v. Bundesrepublik Deutschland, Slg. 2005, I-06985. 41 Siehe dazu die der Botschaft der Slowakischen Republik übermittelte Verbalnote des Auswärtigen Amtes vom 8.6.2004, in der festgestellt wird, dass „mit dem Beitritt der Slowakischen Republik zur Europäischen Union am 1.5.2004 zahlreiche Vorschriften des zwischen Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Tschechoslowakischen Sozialistischen Republik geschlossenen Abkommens über die Binnenschifffahrt vom 26.1.1988 hinfällig werden und somit nicht mehr anzuwenden sind. Die übrigen Bestimmungen sind so anzuwenden, dass sie dem Recht der Europäischen Gemeinschaft nicht widersprechen. Insbesondere sind die Verordnungen und Richtlinien der Europäischen Union im Bereich Binnenschifffahrt uneingeschränkt anzuwenden“. Entsprechende Übereinkünfte sind zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und Tschechien, Ungarn Polen getroffen worden, wobei zwischen den Parteien Einigkeit darüber bestand, dass diese Übereinkünfte – sei es als Verbalnote oder als Protokollnotiz – keine vertragsgestaltende oder vertragsändernde Wirkung haben.

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Rhein. Die Differenzen zwischen den beiden Institutionen haben ihren Grund vielmehr in der bisher ungelösten Frage, welcher der beiden Institutionen die Kompetenz zur Regelung der Schifffahrt auf dem Rhein letztlich zusteht.42 Obwohl schon zu Beginn der 1960er Jahre zwischen dem damaligen Präsidenten der EWG-Kommission Hallstein und dem damaligen Präsidenten der ZKR FouquesDuparc vereinbart wurde, der jeweils anderen Seite einen Beobachterstatus einzuräumen, um mögliche Kollisionen vorab auszuschließen,43 brach der Kompetenzkonflikt aus, als der Rat der EWG mit der VO Nr. 11 vom 27. Juni 1960 über die Beseitigung von Diskriminierungen auf dem Gebiet der Frachten und Beförderungsbedingungen44 die Anwendung dieser Verordnung auf dem Rhein durchsetzen wollte. Das ZKR hatte gegen den Regelungsinhalt der VO Nr. 11 keine Einwände, wollte aber sicherstellen, dass die Einheit des Rheinschifffahrtsregimes gewahrt blieb, da die VO Nr. 11 für die nicht der EWG angehörige Schweiz keine Geltung haben würde. Deshalb schlug das ZKR vor, ein inhaltlich mit der VO Nr. 11 übereinstimmendes internationales Abkommen auszuarbeiten, um damit sicher zu stellen, dass die mit der VO Nr. 11 angestrebten Regelungen einheitlich für die EWG-Mitgliedstaaten und die Schweiz angewendet werden. Dieser Vorschlag war wiederum für den Rat der EWG nicht akzeptabel, weil er befürchtete, dass mit dessen Verwirklichung ein Präzedenzfall dahingehend geschaffen würde, durch den die Grenzen der Gemeinschaftszuständigkeit bestimmt würden. Die ZKRMitgliedstaaten vertraten nun ihrerseits die Auffassung, dass die VO Nr. 11 auf dem Rhein nicht anwendbar sei. Angesichts dieser Differenzen ist die Verordnung für den Rhein nicht wirksam geworden. Der Fall ist paradigmatisch für die weiteren Auseinandersetzungen über eine Lösung des Verhältnisses zwischen dem europäischen Recht und dem Rheinschifffahrtsregime. Lösungsansätze, die sowohl vom ZKR als auch von der EGKommission vorgelegt wurden, zielten jeweils auf eine rechtliche Begründung der eigenen ausschließlichen Kompetenz: so etwa die ZKR mit dem Entwurf eines internationalen Übereinkommens von 1960 über die Beseitigung von Diskriminie42

Dazu näher Riedel, Mannheimer Akte, Belgrader Akte und Europäische Union, in: Riedel/Wiese (Hrsg.), Probleme des Binnenschifffahrtsrechts X, 2004, 7, 11. 43 Dazu näher Riedel, Mannheimer Akte, Belgrader Akte und Europäische Union, in: Riedel/Wiese (Hrsg.), Probleme des Binnenschifffahrtsrechts X, 2004, 7, 12. 44 Verordnung Nr. 11 über die Beseitigung von Diskriminierungen auf dem Gebiet der Frachten und Beförderungsbedingungen gemäß Art. 79 Absatz (3) des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, ABl. Nr. 52/1121 vom 16.8.1960; Woehrling, Kooperation oder Konkurrenz?, in: Riedel/Kuhlen/Otte (Hrsg.), Vorträge zum Binnenschiffahrtsrecht, Bd. 2, 2002, 13 f.; Riedel, Mannheimer Akte, Belgrader Akte und Europäische Union, in: Riedel/Wiese (Hrsg.), Probleme des Binnenschifffahrtsrechts X, 2004, 11 mit weiteren Hinweisen auf die umfangreiche Literatur zu diesem Thema.

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rungen auf dem Gebiet der Frachten und Beförderungsbedingungen der Binnenschifffahrt, das inhaltlich der VO Nr. 11 entsprach und die EG-Kommission mit einer Denkschrift vom 8. April 1964. Die Vorstöße wurden von der jeweils anderen Seite als unannehmbar angesehen. Es zeigte sich, dass Kompromisse auf der Grundlage einer reinen Rechtsanalyse unmöglich sein würden.45 In der Folgezeit haben sich daher pragmatische Ansätze durchgesetzt. So wurde Ende der 1970er Jahre im Zuge der Planungen für den Bau des Main-DonauKanals, der nach Fertigstellung zu einem Zusammentreffen von einem im Westen nach liberalen und im Osten nach dirigistischen Grundsätzen organisierten Binnenschifffahrtsgewerbe führen würde, von den Mitgliedstaaten der ZKR nach Möglichkeiten gesucht, etwaige aus diesen Unterschieden resultierende Schwierigkeiten für den Wettbewerb zu überwinden. Das Ergebnis dieser Überlegungen war, dass die Mitgliedstaaten der ZKR die Änderung des Art. 4 der Mannheimer Akte durch die Annahme des Zusatzprotokolls Nr. 2 beschlossen. Danach sind die zur Rheinschifffahrt gehörigen Schiffe berechtigt, „Transporte von Waren und Personen zwischen zwei an den in Art. 3 Abs. 1 genannten Wasserstraßen gelegenen Plätzen durchzuführen“. Andere Schiffe sind zur Durchführung solcher Transporte nur nach Maßgabe von Bedingungen zugelassen, die von der Zentralkommission festgelegt werden. Die Bedingungen für den Transport von Waren und Personen zwischen einem an den vorstehend genannten Wasserstraßen gelegenen Platz und einem Platz in einem dritten Staat durch nicht zur Rheinschifffahrt gehörige Schiffe werden in Vereinbarungen zwischen den beiden betroffenen Parteien festgelegt. Die Zentralkommission wird vor Abschluss derartiger Vereinbarungen konsultiert. Die vertragsschließenden Staaten werden gegenseitig die zur Rheinschifffahrt gehörigen Schiffe und deren Ladungen auf den vorgenannten Wasserstraßen in jeder Hinsicht ebenso behandeln wie die eigenen Rheinschiffe und deren Ladungen.“46 Um mit dieser Regelung eine Diskriminierung der Mitgliedstaaten der EG, die nicht Mitglieder der ZKR sind, zu vermeiden wurde im Zeichnungsprotokoll des Zusatzprotokolls Nr. 2 festgelegt, dass Schiffe, welche die Flagge eines Mitglied45

Woehrling, Kooperation oder Konkurrenz?, in: Riedel/Kuhlen/Otte (Hrsg.), Vorträge zum Binnenschiffahrtsrecht, Bd. 2, 2002, 13 f.; hinzukam, dass der EuGH in seinem Gutachten 1/1976 zum Entwurf eines Übereinkommens über die Einführung einer Regelung zur Vermeidung von Marktstörungen, die im Rhein- und Moselstrombecken sowie auf sämtlichen niederländischen und deutschen mit dem Rheinstrombecken verbundenen Schifffahrtsstraßen durch konjunkturbedingte Überkapazitäten an Beförderungsmitteln in der Binnenschifffahrt hervorgerufen werden können, die Unvereinbarkeit eines solchen Übereinkommens mit dem EG-Recht festgestellt hatte, und damit den Spielraum für Kompromissmöglichkeiten einengte, EuGH, C-1/1976 vom 26.4.1977, Slg. 1976, 1020. 46 Hervorhebung vom Verf.

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staates der EG führen, dieselbe Behandlung erhalten wie die zur Rheinschifffahrt gehörigen Schiffe. In einer Durchführungsverordnung der ZKR wurde das Verfahren der Ausstellung der Bescheinigungen über die Zugehörigkeit eines Schiffes zur Rheinschifffahrt festgelegt. Der Inhalt dieser Durchführungsverordnung wurde dann in einer Verordnung des Rates der EG47 übernommen, so dass diese Bestimmungen für sämtliche Staaten der Gemeinschaft gelten. Damit wurde ein wichtiger Schritt der Rechtsvereinheitlichung getan, ohne dass die grundsätzlichen Differenzen zwischen der EG und der ZKR zuvor hätten gelöst werden müssen. Ein weiterer pragmatischer Schritt zur Koordinierung der Arbeit der ZKR und der EG, nämlich das Angebot der ZKR-Mitglieder an die EG, der Mannheimer Akte beizutreten, wurde von der EG allerdings abgelehnt.48 Dieser Fehlschlag bedeutete jedoch nicht das Ende der Bemühungen um eine umfassende Lösung des Problems, eine rechtliche Rahmenstruktur für die Binnenschifffahrt auf den europäischen Wasserstraßen und damit auch die Voraussetzung für eine Stärkung dieses für die Bewältigung der ständig gestiegenen Transportmengen überaus wichtigen Verkehrszweiges zu schaffen. Dessen Vorzüge gegenüber dem Gütertransport auf der Straße sowie dem Eisenbahngüter- und Lufttransport werden u.a. in den erheblich geringeren Kosten und seiner höheren Umweltverträglichkeit gesehen. Vor etwa zehn Jahren wurden im Rahmen der EU dann vier Modelle diskutiert, mit denen nicht nur eine Harmonisierung der für die europäischen Binnenschifffahrtsstraßen geltenden Rechtsregimes und des relevanten Rechts der EU, sondern auch ein einheitlicher institutioneller Rahmen oder zumindest eine übersichtlichere und effizientere Verwaltungs- und Organisationsstruktur geschaffen werden sollte. Zugleich wurde mit den angestrebten Reformen das Ziel verfolgt, der Binnenschifffahrt ein stärkeres politisches Gewicht im Verhältnis zum Land- und Luftverkehr zu verschaffen49 – dies auch im Hinblick auf die erhebliche Steigerung des Volumens der auf den europäischen Schifffahrtsstraßen beförderten Güter. Die vier Modelle (Optionen) reichten von (a) einer verstärkten Zusammenarbeit der EU mit den bestehenden Stromkommissionen (ZKR und Donaukommission) über (b) den Beitritt der EU zu diesen Kommissionen und (c) den Abschluss eines 47

Verordnung (EWG) Nr. 2919/85 des Rates vom 17. Oktober 1985 zur Festlegung der Bedingungen für die Inanspruchnahme der Regelung, die aufgrund der Revidierten Rheinschiffahrtsakte den Schiffen der Rheinschiffahrt vorbehalten ist, ABl. Nr. L 280/4 vom 22.10.1985. 48 Zum Vorstehenden näher Woehrling, Kooperation oder Konkurrenz?, in: Riedel/ Kuhlen/Otte (Hrsg.), Vorträge zum Binnenschiffahrtsrecht, Bd. 2, 2002, 19 ff. 49 Vgl. dazu aus der Sicht der EU/EG das Integrierte Europäische Aktionsprogramm für die Binnenschifffahrt „NAIADES“, Mitteilung der Kommission über die Förderung der Binnenschifffahrt vom 17.1.2006, KOM (2006) 6 endg.

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Paneuropäischen Übereinkommens bis zu (d) der Gründung einer Europäischen Agentur für die Binnenschifffahrt.50 Die von der EU veranlasste Folgenabschätzung kam zu dem Ergebnis, dass unter den gegebenen Umständen allein das Modell (a) – die verstärkte Zusammenarbeit der EU mit den bestehenden Stromkommissionen – zweckmäßig sei, weil die anderen Modelle jeweils erhebliche zusätzliche institutionelle und personelle Aufwendungen erfordert hätten, ohne dass damit auch eine größere Effizienz verbunden gewesen wäre.51 Zu einer ähnlichen Einschätzung kam auch der Bericht einer von den Niederlanden, Deutschland, Belgien, Frankreich und der Schweiz eingesetzte Reflexionsgruppe (EFIN) in ihrem Abschlussbericht vom 17. September 2004, die allerdings – anders als die EU – die Schaffung einer am Modell der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) orientierten Organisation vorschlug. Diese Organisation wäre als ein „Europäisches Büro für die Binnenschifffahrt“ (EBIN) zu konzipieren gewesen, das ohne Staatenkonferenz zunächst „einen nicht rechtlichen, nur politischen Rahmen abzustecken“ hätte, und „deshalb keiner parlamentarischen Zustimmung bedürfte.“52 Das EBIN, „dem Vertreter der Flusskommissionen, Vertreter der Mitgliedstaaten, aber auch der Europäischen Kommission angehören könnten“, hätte „die Aufgabe, die weiterhin bestehenden Institutionen politisch zu koordinieren und daneben Vorarbeiten für die Ausarbeitung einer Europäischen Stromakte zu leisten.“53 Wie die Einschätzung der im Rahmen der EU diskutierten Modelle gezeigt hat, gibt es derzeit wenig Übereinstimmung zwischen den Vorschlägen der EFIN und denen der EU. Ungeachtet dessen haben die Europäische Kommission und die ZKR für die von beiden für notwendig gehaltene engere Zusammenarbeit im Interesse einer zügigen Harmonisierung des für die europäischen Binnenwasserstraßen geltenden Rechts am 3. März 2003 ein Kooperationsabkommen54 geschlossen. Mit diesem Abkommen streben sie gemeinsame Ziele im Bereich der Weiterentwicklung der Binnenschifffahrt an. Die Europäische Kommission und die ZKR bekräftigen in diesem Abkommen ihre Entschlossenheit, die Einheit des Binnenschifffahrts50

Vgl. dazu das Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen ! Bericht über die Folgenabschätzung von Vorschlägen zur Modernisierung und Verstärkung des Organisationsrahmens für die Binnenschifffahrt in Europa SEK, 2008, 24 vom 10.1.2008. 51 Dazu das Arbeitsdokument SEK, 2008, 24. 52 So Riedel, Mannheimer Akte, Belgrader Akte und Europäische Union, in: Riedel/ Wiese (Hrsg.), Probleme des Binnenschifffahrtsrechts X, 2004, 30. 53 So Riedel ebd. 54 Vereinbarung über die Zusammenarbeit zwischen der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt und der Europäischen Kommission, abrufbar unter: http://www.ccr-zkr. org/files/cooperation/accord_CCNR-CE_03032003_de.pdf (letzter Zugriff: 2.7.2015).

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marktes entsprechend dem Prinzip der Freiheit der Binnenschifffahrt zu fördern.55 Konkretisiert wurde das Abkommen durch die zwischen der Generaldirektion Mobilität der Europäischen Kommission und der ZKR am 22. Mai 2013 geschlossene Verwaltungsvereinbarung zur Stärkung der Zusammenarbeit,56 die zum Ziel hat, aufbauend auf dem Kooperationsrahmen der Vereinbarung von 2003, insbesondere die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen zur Optimierung des Binnenmarktes im Binnenschiffsverkehr und vorhandene Hindernisse zu beseitigen.57 Festzustellen ist aber auch, dass die EU im Rahmen des Europäischen Aktionsund Entwicklungsprogramm für die europäische Binnenschifffahrt (Navigation and Inland Waterway Action Development in Europe – NAIADES)58 eine Vielzahl von neuen Rechtsvorschriften erlassen hat, die u.a. die technischen Vorschriften für Binnenschiffe59, die die Finanzierung vorrangiger Vorhaben60 und die Verlage-

55

Siehe hierzu die Präambel der Vereinbarung. Siehe auch die Stellungnahme des europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema „Streben nach einer gesamteuropäischen Regelung der Binnenschifffahrt“, ABl. Nr. C 10/49 vom 14.1.2004. Zu den Fortschritten dieser Förderungen durch das NAIDES-Programms bis zum Jahre 2007 siehe die Mittteilung der Kommission – Erster Fortschrittsberichts über die Durchführung des Aktionsprogramms „NAIADES“ zur Förderung der Binnenschiffahrt vom 5.12.2007, KOM(2007) 770 endg.; siehe außerdem den Executive Summary der Europäischen Kommission zu der Public Consultation on a Follow-up of the 2006-2013 NAIADES Action Programm, abrufbar unter: http://ec.europa.eu/transport/modes/maritime/consultations/doc/ 2011-07-22-executive-summary.pdf (letzter Zugriff: 2.7.2015). 56 Verwaltungsvereinbarung über einen Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen dem Sekretariat der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt und der Generaldirektion Mobilität und Verkehr der Europäischen Kommission, abrufbar unter: http://www.ccr-zkr. org/files/cooperation/Arrangement20130522_de.pdf (letzter Zugriff: 2.7.2015). 57 Siehe hierzu die Einleitung zu der Verwaltungsvereinbarung über einen Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen dem Sekretariat der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt und der Generaldirektion Mobilität und Verkehr der Europäischen Kommission, abrufbar unter: http://www.ccr-zkr.org/files/cooperation/Arrangement20130522_de.pdf (letzter Zugriff: 2.7.2015). 58 Siehe hierzu die Mitteilung der Kommission über die Förderung der Binnenschifffahrt „NAIADES“ – Integriertes Europäisches Aktionsprogramm für die Binnenschifffahrt vom 17.1.2006, KOM(2006) endg. 59 Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über die technischen Vorschriften für Binnenschiffe und zur Aufhebung der Richtlinie 82/714/ EWG des Rates, ABl. Nr. L 389/1 vom 30.12.2006. 60 Verordnung (EG) Nr. 680/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2007 über die Grundregeln für die Gewährung von Gemeinschaftszuschüssen für transeuropäische Verkehrs- und Energienetze, ABl. Nr. L 162/1 vom 22.6.2007.

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rung des Güterverkehrs von der Straße auf andere Verkehrsträger61 betreffen. Im Jahr 2013 beschloss die Kommission, das NAIDES-Programm zu aktualisieren (NAIADES II) und bis 2020 fortzuführen.62 Ziel des NAIADES II-Programms ist die Schaffung eines qualitativ hochwertigen Binnenschifffahrtssektors, zu dessen Verwirklichung das Aktionsprogramm einen umfassenden Katalog an spezifischen Maßnahmen u.a. hinsichtlich der Infrastruktur, der Innovation des Binnenverkehrssektors, des Umweltschutzes und der Schaffung qualitativ hochwertiger Arbeitsplätze enthält.63 Da diese Rechtsvorschriften für alle Mitgliedstaaten der EU gelten und in den verschiedenen Programmen, welche die EU zur Stärkung der Binnenschifffahrt aufgelegt hat, weitere Rechtssetzungen zu erwarten sind, wird die Bedeutung der EU für den Bereich der Entwicklung des für die europäischen Binnenwasserstraßen geltenden Rechts gegenüber der ZKR weiter steigen. Ein geplanter Beitritt der EU zur Donau-Kommission, mit der vor allem auch eine Reform der Belgrader Donaukonvention gefördert werden sollte,64 ist bislang nicht erfolgt. Allerdings ist die Rolle der EU als Regelungsinstanz für die europäische Binnenschifffahrt durch die EU-Erweiterungen 2004 und 2007 weiter gewachsen, da die Flusseinzugsgebiete hierdurch nun weitgehend zur EU gehören.65 3. Die Sicht der UNECE In die noch andauernde Diskussion über die effektivste Gestaltung einer umfassenden europäischen Binnenschifffahrtsordnung hat sich zu Beginn des neuen 61

Verordnung (EG) Nr. 1692/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Oktober 2006 zur Aufstellung des zweiten „Marco Polo“-Programms über die Gewährung von Finanzhilfen der Gemeinschaft zur Verbesserung der Umweltfreundlichkeit des Güterverkehrssystems („Marco Polo II“) und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1382/ 2003, ABl. Nr. L 328/1 vom 24.11.2006. 62 Siehe hierzu die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 10.9.2013, COM(2013) 623 final. 63 Siehe hierzu die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 10.9.2013, COM(2013) 623 final. 64 Siehe zu diesen Plänen den von der „Gruppe der Freiwilligen“ erarbeiteten Bericht „Exchange of Information on Measures Aimed at Promoting Transport by Inland Waterways“ vom 28.1.2005, UNECE Doc. TRANS/SC.3/2005/I, Ziff. 27. 65 Zur Strategie der EU für den Donauraum siehe die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 8.12.2010, KOM(2010) 715 endg.

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Jahrhunderts auch das Inland Transport Komitee der Economic Commission for Europe (UNECE) mit dem Vorschlag der Errichtung einer paneuropäischen Binnenschifffahrtsordnung eingeschaltet. Die Arbeitsgruppe für Transport auf Binnengewässern (Working Party on Inland Water Transportation) setzte eine sogenannte „Gruppe der Freiwilligen“ (Group of Volunteers) ein, die im Anschluss an die im Jahr 2001 stattfindende Konferenz von Rotterdam über Binnengewässertransport einen umfassenden Überblick über die bestehenden rechtlichen Hindernisse, die der Errichtung eines harmonisierten und wettbewerbsfähigen Pan-Europäischen Binnenschifffahrtsmarktes entgegenstehen, erstellen sowie Empfehlungen für die Überwindung dieser Hindernisse geben sollte. In ihrem Abschlussbericht aus dem Jahr 200566 listete die Gruppe insgesamt sieben rechtliche Hindernisse auf, namentlich 1) restrictions on transport rights of ‘foreign’ vessels; 2) restrictions on access to and use of inland waterways and ports; 3)existence of different regimes for technical regulations for vessels (ship’s certificates); 4) existence of different regimes for boat master’s licenses, the size and composition of crews, and working and rest hours; 5) restrictions on the freedom of pricing and contracting; 6) restrictions on the freedom of movement of inland water transport workers sowie 7) restrictions on the right of establishment. Der Tenor des Berichts geht dahin, dass die notwendige Harmonisierung der rechtlichen Grundlagen der europäischen Binnenschifffahrt nicht im Wege einer Änderung der institutionellen Strukturen erzielt werden sollte, weil es sehr unwahrscheinlich wäre, dass sich hierüber zwischen der EU, der ZKR und der Donaukommission eine Einigung erreichen ließe. Vielmehr sei zum einen eine stärkere Kooperation zwischen den vorhandenen Institutionen anzustreben. Zum anderen aber sei abzusehen, dass sich mit der zu erwartenden Erweiterung der EU eine erhebliche Zahl der rechtlichen Hindernisse für eine Harmonisierung der europäischen Binnenschifffahrt sozusagen von selbst auflösen würde. Noch weiterhin bestehende Hindernisse würden sich durch entsprechende bilaterale Verträge mit den verbleibenden Nichtmitgliedern beseitigen lassen. Nach dem gegenwärtigen Stand der Entwicklungen der rechtlichen Grundlagen der europäischen Binnenschifffahrt kann festgestellt werden, dass die drei Regelungsinstitutionen – die ZKR, die Donaukommission und die EU – auf dem Wege sind, pragmatisch auf das Ziel einer Paneuropäischen Binnenschifffahrtsordnung 66

Siehe Dokument Exchange of Information on Measures Aimed at Promoting Transport by Inland Waterways vom 28.1.2005, UNECE Doc. TRANS/SC.3/2005/I. Der Gruppe gehörten Delegationen von Ungarn, den Niederlanden, Rumänien, der Russischen Föderation, der Ukraine, der Europäischen Kommission, der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (UNECE), der Europäischen Konferenz der Transportminister (CEMT), des ZKR und der Donaukommission an.

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hinzuarbeiten, jedoch auf absehbare Zeit die Ausarbeitung und den Abschluss einer Europäischen Stromakte nicht vornehmen werden. Für die Praxis ist es aber zu begrüßen, dass die schon erreichten und vorgesehenen Verbesserungen der Kooperation zwischen den genannten Institutionen zwischenzeitlich konkrete Formen angenommen haben. Darüber hinaus werden diese Bemühungen dieser Institutionen auch vermehrt durch die Paneuropäischen Konferenzen zur Stärkung des Binnenwasserstraßen Transports gefördert.67

B. Der Ausbau staatenübergreifender Wasserstraßennetze I. Flüsse und Kanäle als Teil der kontinentalen Verkehrsnetze Flüsse, Kanäle und in einzelnen Fällen auch Seen sind Teil der kontinentalen Verkehrsnetze. Aufgrund der großen Bedeutung auch dieser Verkehrswege hat es schon seit dem 17. Jahrhundert Ansätze gegeben, ähnlich wie für die Seeschifffahrt, auch eine allgemeine Schifffahrtsfreiheit auf den großen europäischen Flüssen zu begründen. Im Sinne eines völkergewohnheitsrechtlichen Prinzips der Freiheit der Flussschiffahrt haben sich diese Ansätze – wie bereits ausgeführt – bis heute nicht durchsetzen können. Die Freiheit der Flussschiffahrt ist vielmehr auf der Grundlage völkerrechtlicher Verträge anerkannt worden. Und sie gilt nicht für alle schiffbaren Flüsse, sondern zunächst nur für bestimmte, für die Flussschiffahrt besonders wichtige Wasserstraßen. Eine Einigung auf die Freiheit der Flussschiffahrt in solchen Einzelfällen wurde offenbar möglich, weil erkannt wurde, dass wegen des überragenden internationalen Interesses an der Öffnung der großen Flüsse als bedeutende Verkehrsadern für alle Staaten das Interesse der Uferstaaten an der Wahrung ihrer Souveränität über den ihrer Gebietshoheit unterliegenden Fluss oder eines Teiles desselben zurückzutreten hat.68 Allerdings zeigt das Schicksal des Übereinkommens und des Statuts über das Regime von schiffbaren Wasserwegen von internationaler Bedeutung, das im Rahmen der vom Völkerbund (Art. 23 VBS) initiierten internationalen Verkehrskonferenz von Barcelona (1921) abgeschlossen wurde,69 wie stark nationale Interessen der praktischen Umsetzung der in dem Über67

Siehe dazu die Deklaration Inland Navigation: A Key Element of the Future Pan European Transport System, angenommen von der Bukarest-Konferenz vom 14.9.2006, abrufbar unter: http://www.internationaltransportforum.org/IntOrg/ecmt/paneurop/pdf/DeclBucharest 06.pdf (letzter Zugriff: 4.8.2015). 68 Zu diesen Entwicklungen des Rechts der internationalen Wasserstraßen siehe ausführlich Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 1989, 385 ff. 69 Text des Übereinkommens und des Statuts, das gemäß Art. 1 Abs. 2 einen integralen Bestandteil des Übereinkommens bildet, in LNTS Bd. VII, 37 ff.; Deutschland und Ungarn

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einkommen und dem Statut von den Vertragsparteien einander eingeräumten Schifffahrtsfreiheit seinerzeit noch entgegenstanden.70 Wie schon beim grenzüberschreitenden Straßen- und Eisenbahnverkehr in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ist – vor allem in Europa – auch für den grenzüberschreitenden Schiffsverkehr auf Binnenwasserstraßen die Ausbildung eines entsprechenden internationalen Schiffsverkehrsnetzes zu einem wichtigen Ziel der internationalen Verkehrspolitik geworden. Jedoch anders als beim grenzüberschreitenden Straßenverkehr, für den die Arbeiten zur seiner Vernetzung bereits 1950 begannen, dauerte es bis in die Mitte der 1990er Jahre bis das Europäische Übereinkommen über die Hauptbinnenwasserstraßen von internationaler Bedeutung von 1996 (AGN)71 im Rahmen der UNECE geschlossen werden konnte. II. Das Europäische Übereinkommen über die Hauptbinnenwasserstraßen von internationaler Bedeutung von 1966 Das Europäische Übereinkommen über die Hauptbinnenwasserstraßen von internationaler Bedeutung von 1996 (AGN) ist am 26. Juli 1999 in Kraft getreten, nachdem die in Art. 8 aufgestellten Bedingungen erfüllt waren, nämlich Ablauf einer Frist von 90 Tagen nach Hinterlegung der fünften Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde, sowie das Erfordernis, dass ein oder mehrere Wasserwege von internationaler Bedeutung des E-Netzes der Binnenwasserstraßen (E waterway network – so Art. 1) kontinuierlich die Staatsgebiete von wenigstens drei Vertragsstaaten verbinden. Anders als im Falle des Europäischen Übereinnahmen an der Konferenz nur in beratender Funktion teil. Dementsprechend haben beide Staaten dieses Vertragswerk weder gezeichnet noch sind sie später beigetreten. 70 Insgesamt nahmen nur 41 Staaten an der Konferenz teil, die Vereinigten Staaten von Amerika blieben der Konferenz fern. Das Übereinkommen trat zwar nach der Hinterlegung der 5. Ratifikationsurkunde in Kraft, wurde aber von nur 26 Staaten unterzeichnet und bis zur Auflösung des Völkerbundes 1946 von nur 22 Staaten ratifiziert, darunter nur sechs außereuropäische Staaten. Vgl. dazu näher Vitányi, The International Regime of River Navigation, 1979, 103 ff.; Hafner, Territoriale Aspekte des Völkerrechts, in: Neuhold/ Hummer/Schreuer (Hrsg.), Österreichisches Handbuch der Völkerrechts, Bd. 1, 4. Aufl. 2004, Rn. 2111. 71 European Agreement on Main Inland Waterways of International Importance (AGN) vom 19.1.1996, UNTS Bd. 2072, 13; zuletzt geändert durch UN Doc. ECE/TRANS/SC.3/ 193/Add.1 (Änderungen der Art. 12, 13, 14), in Kraft getreten am 7.11.2014. Für die konsolidierte Fassung siehe UN Doc. ECE/TRANS/120/Rev.3. Der Text der konsolidierten Fassung ist ebenfalls abrufbar unter: http://www.unece.org/fileadmin/DAM/trans/doc/ 2014/sc3wp3/ECE-TRANS120r3efr.pdf (letzter Zugriff: 6.8.2015).

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kommens über die Hauptstraßen des internationalen Verkehrs von 1975 (AGR) und des Europäischen Übereinkommens über die Hauptlinien des internationalen Eisenbahnverkehrs von 1985 (AGC), denen bis heute 37 bzw. 27 Staaten angehören, weist das AGN lediglich 18 Vertragsstaaten72 auf. Vier weitere EU-Mitgliedstaaten haben das Übereinkommen bisher nur unterzeichnet.73 Deren Zurückhaltung gegenüber einer Ratifikation des AGN dürfte wohl auf das bisher noch nicht gelöste Problem des Verhältnisses des sich in der EU entwickelnden europäischen Binnenschifffahrtsrechts zum internationalen Binnenschifffahrtsrecht zurückzuführen sein. Das AGN entspricht im Aufbau dem AGC. Wie jenes enthält auch das AGN nur zwei substantielle Artikel, in denen die Vertragsparteien die Regelungen des Übereinkommens als einen koordinierten Plan für die Entwicklung und den Ausbau eines Netzwerkes der Binnenwasserstraßen von internationaler Bedeutung, das EWasserstraßennetzwerk, annehmen, den sie im Rahmen ihrer einschlägigen Programme zu verwirklichen beabsichtigen (Art. 1). Das E-Wasserstraßennetzwerk besteht aus Binnenwasserstraßen und Küstenwasserstraßen, die von See- und Flussschiffen genutzt werden, sowie Häfen von internationaler Bedeutung wie sie in den Anhängen I bis III beschrieben werden. Die Anhänge bilden gemäß einen integralen Bestandteil des Übereinkommens (Art. 3). Diesen die Sachmaterie des Übereinkommens betreffenden Artikeln folgen weitere 15 Artikel mit den üblichen Regelungen über die Bestimmung des UN-Generalsekretärs als Depositar (Art. 4), über die Unterzeichnung des Übereinkommens (Art. 5), das Ratifikationsverfahren (Art. 6), den Beitritt (Art. 7) und das Inkrafttreten (Art. 8). Die weiteren Artikel betreffen das Streitbeilegungsverfahren (Art. 10), die Zulassung von Vorbehalten (Art. 11), die Änderung des Übereinkommens (Art. 12) und der Anhänge I und II (Art. 13) sowie des Anhangs III (Art. 14), das Recht der Vertragsparteien zur Kündigung (Art. 15) und das Erlöschen des Übereinkommens, das zwölf Monate nach dem Datum eintritt, zu dem der fünfte Staat als Vertragspartei ausschied, nachdem zuvor die Zahl der Vertragsparteien in zwölf einander folgenden Monaten auf unter fünf gesunken ist (Art. 16). Art. 17 regelt die Funktionen des UN-Generalsekretärs als Depositar gemäß Teil VII der WVK, und Art. 18 bestimmt die authentischen Vertragssprachen des Übereinkommens (englisch, französisch und russisch), das im Original beim UN-Generalsekretär zu hinterlegen ist. Von besonderer Bedeutung ist Art. 9, der – wie schon Art. 7 AGC – den Vertragsparteien einen nationalen Regelungsvorbehalt dahingehend einräumt, dass das Übereinkommen nicht so auszulegen sei, als ob dieses eine Vertragspartei daran 72

Vertragsstaaten des AGN sind Österreich, Belarus, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Ungarn, Italien, Litauen, Luxemburg, Moldawien, die Niederlande, Rumänien, Russland, Serbien, die Slowakei, die Schweiz und die Ukraine (Stand: 6.8.2015). 73 Dies sind Deutschland, Finnland, Frankreich und Griechenland (Stand: 6.8.2015).

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hindere, die mit der Charta der Vereinten Nationen vereinbarbart – und auf das im Hinblick auf eine kritische Lage Erforderliche beschränkten – Maßnahmen zu treffen, die ihrer Auffassung für ihre äußere oder innere Sicherheit notwendig sind. Trotz der seit dem Abschluss des AGC weiter fortgeschrittenen Integration des europäischen Wirtschaftsverkehrs hielten die Vertragsparteien des AGN an dem schon in Art. 14 AGR und in Art. 7 AGC enthaltenen nationalen Regelungsvorbehalt zum Schutze der nationalen äußeren und inneren Sicherheit fest, die sie weiterhin zum Kernbereich ihrer Souveränität zählen. III. Die Anhänge Die drei Anhänge des AGN enthalten neben den Bezeichnungen der E-Wasserstraßen und deren Verzweigungen (Arme und deren Arme) detaillierte Kriterien ihrer technischen Auslegung und Betriebsbereitschaft und Beschreibungen ihres Verlaufs. 1. Der Inhalt des Anhangs I Anhang I enthält zunächst die allgemeinen Regeln der Nummerierung der Haupt- und Nebenflüsse internationaler Bedeutung. Dem folgt eine umfassende Liste, in der sämtliche Binnenwasserstraßen auf dem europäischen Kontinent mit den ihnen zugeordneten E-Nummern. Die allgemeinen Regeln sehen vor, dass alle Binnenwasserstraßen von internationaler Bedeutung zwei-, vier- oder sechsstellige Zahlen tragen sollen, denen der Großbuchstabe „E“ vorangestellt wird (Ziff. 1). Die Hauptbinnenwasserstraßen des E-Wasserstraßennetzes sollen zweistellige und ihre Arme und deren Arme (branches of branches) vier- bzw. sechsstellige Nummern tragen (Ziff. 2). Weiter sehen die allgemeinen Nummerierungsregeln vor, dass Hauptbinnenwasserstraßen, die vorwiegend in nord- südlicher Richtung verlaufen und damit den Zugang zu Seehäfen eröffnen und ein Meeresbecken mit einem anderen verbinden, die Nummern 10, 20, 30, 40 und 50 in aufsteigender Ordnung von West nach Ost erhalten sollen (Ziff. 3). Hauptbinnenwasserstraßen, vorwiegend in west-östlicher Richtung verlaufen und drei oder mehrere Binnenwasserstraßen im Sinne der Ziff. 3 kreuzen, sollen die Nummern 60, 70, 80, und 90 in aufsteigender Ordnung von Nord nach Süd tragen (Ziff. 4). Andere Hauptbinnenwasserstraßen sollen mit zweistelligen Nummern gekennzeichnet werden, die zwischen den Nummern der zwei Hauptbinnenwasserstraßen im Sinne der Ziffern 3 und 4 liegen, zwischen denen diese anderen Hauptbinnenwasserstraßen verlaufen (Ziff. 5). So trägt die

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Elbe-Donau-Wasserstraße die Nummer E 20, der Elbe-Seitenkanal die Nummer E-20-02 und die Trave-Verbindung von der Ostsee über den Elbe-Lübeck-Kanal zur Elbe die Nummer E 21. Schließlich wird in Ziffer 6 der allgemeinen Regeln für Arme von Hauptbinnenwasserstraßen vorgesehen, dass die zwei ersten Nummern (im Falle von Armen der Arme die ersten vier Nummern) die übergeordnete Binnenwasserstraße des ENetzes anzeigen. Die jeweils beiden letzten Nummern sollen die einzelnen Flussarme der übergeordneten Wasserstraße anzeigen, und zwar ausgehend vom Anfang der übergeordneten Wasserstraße bis zu ihrem Ende. Dabei sollen gerade Zahlen die Flussarme kennzeichnen, die rechts von der übergeordneten Wasserstraße abgehen und ungerade Zahlen die von der linken Seite des Flusses abzweigen. Ein Blick auf die dem Anhang I beigefügte Liste zeigt allerdings, dass sich für die in der Ziffer 6 erreichte systematische Perfektion der Nummerierung der E-Binnenwasserstraßen in der Praxis nur äußerst wenige Beispiele finden.74 2. Der Inhalt der Anhänge II und III Der Anhang II regelt die Nummerierung der Binnenhäfen internationaler Bedeutung (Eports).75 Wie Anhang I enthält er nicht nur die allgemeinen Anweisungen über die Nummerierung der Binnenhäfen, sondern in seinem zweiten Teil auch die vollständige Liste der etwa 400 nummerierten Binnenhäfen. Gemäß den allgemeinen Regeln sollen sie die Nummer der Binnenwasserstraße führen, zu dem sie gehören. Daran mit einem Bindestrich anschließend soll dann eine zweistellige Zahl zur Bezeichnung eines speziellen Hafens in der Reihenfolge von West nach Ost folgen. Den genannten Zahlen soll der Buchstabe P vorangestellt werden. Anhang III enthält eine detaillierte Auflistung der technischen und der die Betriebsbereitschaft anzeigenden Eigenschaften der Binnenwasserstraßen interna-

74 Vgl. dazu die tabellarische Auflistung der Binnenwasserstraßen internationaler Bedeutung, Anhang I., zuletzt geändert mit Wirkung zum 15.10.2013. Für den Text der aktuellen Fassung des Anhangs I siehe UN Doc. ECE/TRANS/120/Rev.3, 11 ff., der aktuelle Text ist ebenfalls abrufbar unter: http://www.unece.org/fileadmin/DAM/trans/doc/ 2014/sc3wp3/ECE-TRANS-120r3efr.pdf (letzter Zugriff: 6.8.2015). 75 Anhang II zuletzt geändert mit Wirkung zum 15.10.2013. Für den Text der aktuellen Fassung des Anhangs II siehe UN Doc. ECE/TRANS/120/Rev.3, 18 ff., der aktuelle Text ist ebenfalls abrufbar unter: http://www.unece.org/fileadmin/DAM/trans/doc/2014/sc3wp3/ ECE-TRANS-120r3efr.pdf (letzter Zugriff: 6.8.2015).

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tionaler Bedeutung.76 Diese sollen generell mit der Klassifikation der europäischen Binnenwasserstraßen übereinstimmen, die in der dem Anhang III angefügten Tabelle 1 niedergelegt sind.

C. Das Binnenschifffahrtsverkehrsrecht Wie beim internationalen Straßenverkehr von Personen, Kraftfahrzeugen und Gütern sowie beim internationalen Eisenbahnverkehr sind im Rahmen der UNECE auch auf dem Gebiet der internationalen Binnenschifffahrt zahlreiche multilaterale Abkommen zum Binnenschifffahrts-, -transport- und -verkehrsrecht abgeschlossen worden, die allerdings teilweise nur geringe Akzeptanz ausweisen. Das mag zum einen damit zusammenhängen, dass in der europäischen Binnenschifffahrt nationale Regelungen für die Nutzung der Binnenwasserstraßen bereits eine lange Tradition hatten, zum anderen aber auch damit, dass seit dem Wiener Kongress von 1815 Flusskommissionen Binnenschifffahrtsregelungen teils verbindlich, teils mit empfehlender Wirkung setzten, die von den betroffenen Staaten einheitlich in nationales Recht umgesetzt wurden. So sind die Legaldefinitionen der Begriffe zum Beispiel des im Binnenschifffahrtsverkehr tätigen Personals und seiner Pflichten, der eingesetzten Fahrzeuge (Schiffe, Schub- und Schleppverbände), ihrer Bezeichnungen, Kennzeichen und Fahrregelungen in nationalen BinnenschifffahrtsstraßenOrdnungen enthalten, die jedoch auf den Vorgaben seitens der zuständigen Flusskommissionen beruhen.77 Daneben regeln in Deutschland das Bundeswasserstraßengesetz und auf dessen Grundlage erlassene Strompolizeiverordnungen den Schutz die bundeseigenen Schifffahrts- und Betriebsanlagen.78 Als Folge dieser

76

Siehe dazu die Liste der technischen Eigenschaften (a) und die Liste der Kriterien der Betriebsbereitschaft (b) in Anhang III, zuletzt geändert mit Wirkung zum 29.11.2006. Für den Text der aktuellen Fassung siehe UN Doc. ECE/TRANS/120/Rev.3, 27 ff., der aktuelle Text ist ebenfalls abrufbar unter: http://www.unece.org/fileadmin/DAM/trans/doc/2014/ sc3wp3/ECE-TRANS-120r3efr.pdf (letzter Zugriff: 6.8.2015). 77 Siehe dazu für Deutschland die Binnenschiffahrtsstraßen-Ordnung vom 16.12.2011, BGBl. 2012 I, 2; ber. durch BGBl. 2012 I, 1666; zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 13.2.2015, BGBl. I 2015, 142. 78 Bundeswasserstraßengesetz vom 2.4.1968, BGBl. 1968 II 173; zuletzt geändert durch Art. 4 Abs. 125 des Gesetzes vom 7.8.2013, BGBl. 2013 I, 3154 sowie die Rheinschifffahrtspolizeiverordnung vom 19.12.1994, BGBl. 1994 II, 3816; zuletzt geändert durch Anlage 2 i.V.m. Art. 1 Nr. 2 und Art. 3 der Verordnung vom 29.7.2015, BGBl. 2015 II, 2014, 1014, die Moselschifffahrtspolizeiverordnung vom 3.9.1997, BGBl. 1997 II, 1670, zuletzt geändert durch Anlage 3 bis 5 i.V.m. Art. 4 der Verordnung vom 29.7.2015, BGBl.

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Kap. 3: Der grenzüberschreitende Verkehr auf Binnenwasserstraßen

Rechtsetzungen scheint bis heute das Bedürfnis nach völkerrechtlichen Regelungen für die Binnenschifffahrt nicht so ausgeprägt wie in anderen Verkehrssparten zu sein. Mit der wachsenden Bedeutung der Binnenschifffahrt als Transportmittel ist insoweit jedoch ein Wandel zu beobachten. Eine wichtige Rolle in diesem Prozess spielen neben den weiter sehr aktiven Flusskommissionen – zum Beispiel die ZKR und die Donaukommission – die UNECE und die EU als Förderer des europäischen Binnenverkehrsmarktes. Auf die aus deren Arbeit entstandenen multilateralen Verträge ist im Folgenden näher einzugehen. Die Verträge lassen sich in drei Sachbereiche ordnen, nämlich in Verträge, die Regelungen zur Registrierung und zur Eichung von Binnenschiffen (I.), das materielle Personen- und Gütertransportrecht (II.) und die Haftungsfragen zum Gegenstand haben (III.). Sachlich dem ersten Bereich zuzuordnen sind die Regelungen über das Binnenschifffahrtsverkehrsrecht sowie die Regelungen über Schiffsmarkierungen, die Licht- und Tonsignale sowie Hinweistafeln. Anders als im internationalen Straßenverkehrsrecht sind die beiden zuletzt Regelungsbereiche bisher nicht in einem völkerrechtlich verbindlichen Übereinkommen, sondern in umfänglichen, von der UNECE erarbeiteten Kodizes bzw. Richtlinien geregelt. I. Zulassung von Binnenschiffen sowie Verkehrsregeln und Verkehrszeichen So wie Kraftfahrzeuge vor ihrem Einsatz im Straßenverkehr der Anmeldung und Zulassung durch die zuständigen staatlichen Stellen bedürfen, müssen auch Binnenschiffe vor ihrem Einsatz von den zuständigen staatlichen Stellen, den sog. Schiffseichämtern, bezüglich ihrer technischen Eigenschaften geprüft, das heißt geeicht und in einem von staatlichen Ämtern geführten Register erfasst werden. Die Schiffsvermessung, deren Anfänge sich bis in die Antike zurück verfolgen lassen, lag bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts in der Zuständigkeit nationaler Behörden, die auf der Grundlage nationaler Gesetze und Verordnungen handelten.79 Zwar gab es schon damals zahlreiche bilaterale Handels- und Schifffahrtsverträge, in denen die gegenseitige Anerkennung u.a. von Vermessungsurkunden vereinbart wurde, jedoch galt dies nur für Seeschiffe. Der erste multilaterale Vertrag, das Osloer Übereinkommen vom 10. Juni 1947 über ein einheitliches System der Schiffs2015 II, 2014, 1014 und die Donauschifffahrtspolizeiverordnung vom 27.5.1993, BGBl. 1994 I, 741, zuletzt geändert durch Art. 2 § 1 der Verordnung vom 20.12.2012, BGBl. 2012 I, 2802. 79 Siehe dazu Klüver, Geschichte der Schiffsvermessung, HANSA – International Maritime Journal 146 (2009), 32 ff.

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vermessung80 betraf ebenfalls nur die Vermessung von Seeschiffen, so wie das im Rahmen der International Maritime Organization (IMO) in London abgeschlossene Internationale Schiffsvermessungs-Übereinkommen vom 23. Juni 1969.81 Ein dem Londoner Übereinkommen für Seeschiffsvermessung vergleichbares Übereinkommen für Binnenschiffe besteht bis heute nicht. Dagegen hat sich die UNECE im Rahmen ihrer intensiven Bemühungen um einen offenen europäischen Binnenverkehrsraum auch dem Bereich der grenzüberschreitenden Binnenschifffahrt mit dem Ziel zugewandt, eine die freie Binnenschifffahrt fördernde Harmonisierung der rechtlichen Regelungen für die Nutzung der europäischen Binnenwasserstraßen zu schaffen. Im technischen Bereich sind aus diesen Bemühungen zwei Verträge hervorgegangen: das Übereinkommen über die Eichung von Binnenschiffen von 1966 und das Übereinkommen über die Registrierung von Binnenschiffen von 1965. 1. Das Übereinkommen über die Eichung von Binnenschiffen von 1966 Das Übereinkommen über die Eichung von Binnenschiffen vom 15. Februar 1966 (ÜEB)82 umfasst 22 Artikel zuzüglich einer Anlage mit elf Artikeln und einem Muster für den von den Schiffseichämtern auszustellenden Eichschein. Art. 1 hat keinen eigenen Regelungsgehalt, sondern verweist auf die Anlage, die „Bestimmungen über den Zweck und die technischen Einzelheiten der Eichung von Binnenschiffen sowie von anderen Schiffen, die auf Binnenwasserstraßen verkehren“ enthält. In Art. 2 und 3 finden sich Bestimmungen über die Pflichten, welche die Vertragsparteien nach dem Inkrafttreten des ÜEB und der Anlage auf ihrem Hoheitsgebiet zu erfüllen haben. Hervorzuheben ist die Pflicht, einen anderen Vertragsstaat auf dessen Verlangen über die innerstaatlichen Vorschriften zu informieren, welche die Vertragsstaaten nach dem Inkrafttreten des Vertrages zur Durchführung des Vertrages in Kraft gesetzt haben (Art. 2 Abs. 2). Die Vertragsparteien bestimmen auch die „Stelle oder Organe, die mit der Ausstellung der Eichscheine beauftragt sind“. Diese Stellen oder Organe werden als „Schiffseichämter“ bezeichnet (Art. 2 Abs. 3 S. 1). „Jedes Schiffseichamt wird durch Buchstaben oder durch Nummern und Buchstaben gekennzeichnet, wobei der oder die letzten Buchstaben die Kennbuchstaben der Vertragspartei sind, in deren Hoheitsgebiet sich das Amt befindet“ (Art. 2 Abs. 3 S. 2). Gemäß Art. 3 verpflichtet sich jede Vertragspartei, die in ihrem Hoheitsgebiet die in Art. 1 genannten Schiffe auf 80

UNTS Bd. 208, 3/BGBl. 1957 II, 1469. UNTS Bd. 1969, 3/BGBl. 1975 II, 65; in Kraft getreten am 18.7.1982. Deutschland ist dem Übereinkommen am 22.1.1975 beigetreten. Dem Übereinkommen gehören heute 152 Staaten an (Stand: 4.8.2015). 82 UNTS Bd. 964, 177/BGBl. 1973 II, 1419. 81

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Ersuchen des Schiffseigners oder seines Vertreters eichen oder nacheichen zu lassen. Die Art. 4 bis 7 regeln die Geltungsdauer der Eichscheine, die 15 Jahre beträgt (Art. 4 Abs. 1), die Verlängerung der Geltungsdauer der Eichscheine (Art. 5), die gegenseitige Anerkennung der Eichscheine, sofern sie in Übereinstimmung mit dem ÜEB erteilt wurden (Art. 6 Abs. 1), und die Nacheichung (Art. 7). Art. 8 regelt die gegenseitige Informationspflicht über die bestehenden nationalen Schiffseichämter, Art. 9 den Umgang mit denen zur Zeit des Inkrafttretens des ÜEB bereits bestehenden Eichscheinen und deren Gültigkeit. Das ÜEB ist für die Mitgliedstaaten der UNECE sowie für Staaten, die der UNECE in beratender Eigenschaft aufgenommenen Staaten zur Unterzeichnung und zum Beitritt offen (Art. 10 Abs. 1). Jeder Staat hat das Recht, bei der Unterzeichnung zu erklären, dass das Übereinkommen nur auf einem Teil seines Hoheitsgebietes Anwendung findet (Art. 10 Abs. 6). Die Art. 11 bis 22 regeln das Inkrafttreten des Vertrages (Art. 11), das Kündigungsrecht (Art. 12), die Zuständigkeit des IGH für die Entscheidung von Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung des Vertrages (Art. 14 und 15 Abs. 1), das Änderungsverfahren (Art. 16–17), die Notifikationen der Vertragsparteien über Ratifikationen und Beitritte, über das Inkrafttreten, Kündigungen sowie das Außerkrafttreten des Vertrages (Art. 18). Jeder Vertragsstaat des am 27. November 1925 in Paris unterzeichneten Übereinkommens über die Eichung der Binnenschiffe hat dieses bei der Hinterlegung seiner Ratifikations- oder Beitrittsurkunde zu kündigen (Art. 19). Gemäß Art. 20 hat das Unterzeichnungsprotokoll die gleiche Rechtskraft, Gültigkeit und Geltungsdauer wie das ÜEB selbst, als dessen Bestandteil es gilt. Art. 21 bestimmt die authentischen Vertragssprachen (Französisch und Russisch) und regelt die Behandlung von Übersetzung des Wortlautes des Übereinkommens. Art. 22 bestimmt, wie üblich, den UN-Generalsekretär als Depositar. Die Anlage legt die Einzelheiten der Eichung fest, die darin besteht, „die von einem Schiff nach Maßgabe seiner Eintauchung verdrängte Wassermenge festzustellen“ (Art. 1 Abs. 1). Sie bezweckt, die höchstzulässige Wasserverdrängung eines Schiffes „sowie gegebenenfalls seine Wasserverdrängungen bei bestimmten Schwimmebenen festzustellen. Die Eichung von Schiffen, die zur Beförderung von Gütern bestimmt sind, kann auch bezwecken, die Feststellung des Gewichts der Ladung entsprechend der Eintauchung zu ermöglichen“ (Art. 1 Abs. 2). Art. 2 bestimmt, dass das Schiffseichamt „jeden von ihm ausgestellten Eichschein mit eigener Nummer in ein besonderes Register“ einträgt. Die Eichscheine müssen dem im Anhang zur Anlage wiedergegebenen Muster entsprechen (Art. 3), die weiteren Artikel der Anlage enthalten detaillierte technische Regelungen des Eichvorganges (Art. 4–11).

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Das ÜEB enthält Regelungen, die dem Inhalt nach im Wesentlichen schon vor dem Vertragsschluss im nationalen Recht der Vertragsstaaten galten, was die Annahme des Übereinkommens durch die Staaten erleichtert haben dürfte. Derzeit verfügt das ÜEB über 16 Vertragsstaaten, zu denen auch Deutschland gehört.83 Die Liste der Ratifikationen und Beitritte zum ÜEB weist Beitritte nach dem Jahr 2000 auf. Diese bedeuten jedoch keine Erweiterung des Anwendungsbereiches des Übereinkommens, da es sich ausschließlich um Staaten handelt, die durch die territorialen Veränderungen im mittel- und südosteuropäischen Raum staatliche Eigenständigkeit erlangt hatten. 2. Das Übereinkommen über die Registrierung von Binnenschiffen von 1965 Geringere Akzeptanz als das ÜEB hat das Übereinkommen über die Registrierung von Binnenschiffen vom 25. Januar 1965 (ÜRB)84 aufzuweisen. Nach dem gegenwärtigen Stand85 verfügt es über lediglich neun Vertragsstaaten. Deutschland hat das Übereinkommen bisher nur unterzeichnet. Der Grund für diese Zurückhaltung mag darin liegen, dass die deutsche Schiffsregisterordnung,86 die sehr viel umfassendere Regelungen enthält als das ÜRB, nicht mit der Verpflichtung des Art. 2 Abs. 1 vereinbar ist, wonach die gemäß der innerstaatlichen Rechtsordnung angelegten Register den Bestimmungen des ÜRB entsprechen müssen. Allerdings zeigen beide Regelungswerke in den zentralen Bestimmungen über das Eintragungsverfahren und die Voraussetzungen für die Eintragung eines Schiffes auch eine Reihe von Übereinstimmungen, die jedoch offenbar bisher nicht als hinreichend angesehen wurden, um die Schiffsregisterordnung in Einklang mit dem ÜRB zu bringen – eine Voraussetzung für einen möglichen künftigen Beitritt Deutschlands zu diesem Übereinkommen. Das ÜRB umfasst 25 Artikel sowie zwei Protokolle. Das Protokoll Nr. 1 enthält Bestimmungen über die dinglichen Rechte an Binnenschiffen, das Protokoll Nr. 2 Regelungen über die Beschlagnahme und die Zwangsversteigerung von Binnenschiffen. Art. 1 enthält die Legaldefinitionen der wichtigsten Begriffe. Art. 1 Abs. 1 lit. a) definiert den dem ÜRB zugrundeliegenden Begriff der „Registerbehörde“, als diejenige Behörde, die gemäß Art. 2 die Eintragung von Binnen83

Stand: 8.7.2015. UNTS Bd. 1281, 111; eine deutsche Übersetzung des Übereinkommens findet sich in der Amtlichen Sammlung der Schweiz, AS 1982, 1256/BGBl. 1970, 1262. 85 Stand: 8.7.2015. 86 Schiffsregisterordnung i.d.F. der Bekanntmachung vom 26.5.1994, BGBl. I 1994, 1133, zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes vom 29.6.2015, BGBl. I 2015, 1042. 84

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schiffen vornimmt. Art. 1 Abs. 1 lit. b) listet die den „Binnenschiffen“ gleich gestellten schwimmenden Einheiten, namentlich Fähren, Bagger, Kräne und alle andere vergleichbaren schwimmenden Anlagen auf. Art. 1 Abs. 2 bestimmt, dass der Begriff des „Eigentümers“ im Sinne der innerstaatlichen Rechtsordnung der Vertragsparteien, in deren Register das Schiff ein getragen ist, zu definieren ist. Art. 2 Abs. 1 S. 1 verpflichtet die Vertragsparteien, Register für die Eintragung von Binnenschiffen zu führen. Die gemäß der innerstaatlichen Rechtsordnung angelegten Register müssen den Bestimmungen des ÜRB entsprechen (Art. 2 Abs. 1 S. 2). Die Vertragsparteien bestimmen die Voraussetzungen für die Eintragung in ihre Register insoweit, als die Voraussetzungen und die Verpflichtung nicht im Übereinkommen festgelegt sind (Art. 2 Abs. 2). Nach Art. 3 Abs. 1 darf eine Vertragspartei die Eintragung eines Binnenschiffs in ihre Register nur zulassen, wenn sich der „Ort von dem aus das Schiff gewöhnlich betrieben wird, im Hoheitsgebiet dieser Vertragspartei befindet“ (Art. 3 Abs. 1 lit. a)), wenn der Eigentümer des Schiffs eine natürliche Person und Staatsangehöriger dieser Vertragspartei ist (Art. 3 Abs. 1 lit. b)) oder wenn der Eigentümer des Schiffs eine juristische Person oder eine Handelsgesellschaft ist, die Sitz oder die Hauptleitung ihrer Geschäfte im Hoheitsgebiet dieser Vertragspartei hat (Art. 3 Abs. 1 lit. c)). Zu beachten ist jedoch, dass die unter b) und c) genannten Voraussetzungen bei einem im Miteigentum stehenden Binnenschiff nur dann als gegeben angesehen werden, wenn Personen, denen das Schiff mindestens zur Hälfte gehört, diese Voraussetzungen erfüllen (Art. 3 Abs. 1 a.E.). Die Verpflichtung zur Eintragung von Schiffen, welche die Voraussetzungen dafür erfüllen, besteht weder für Binnenschiffe, „die für die Beförderung von Gütern verwendet werden und eine Tragfähigkeit von weniger als 20 metrischen Tonnen haben, noch für andere Binnenschiffe mit einer Wasserverdrängung von weniger als 10 Kubikmetern“ (Art. 3 Abs. 2). Nach Art. 3 Abs. 3 sind die Vertragsparteien verpflichtet, „die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit ein Binnenschiff nicht gleichzeitig in mehr als einem ihrer Register eingetragen sein kann.“ Registrierungen in mehreren Registern sind unzulässig (Art. 4 Abs. 1). Den Vertragsparteien ist es ebenfalls untersagt, die Eintragung von Binnenschiffen in ihren Registern zu verlangen, wenn diese bereits in den Registern eines Nichtvertragsstaates eingetragen sind (Art. 4 Abs. 2). Nach Art. 8 Abs. 1 erfolgt die Eintragung eines Binnenschiffes auf Antrag des Eigentümers, der die dazu erforderlichen Unterlagen vorzulegen hat. Die weiteren Artikel enthalten Regelungen über die Eintragung von Schiffen im Bau (Art. 9), über die Löschung von Eintragungen (Art. 10), die Übertragung von Eintragungen in das Register einer anderen Vertragspartei (Art. 11), die Erteilung eines Schiffsbriefes (Art. 12), die Nichtanwendung des ÜRB auf Schiffe, die

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ausschließlich der öffentlichen Hand dienen (Art. 13) und die Verpflichtung einer Vertragspartei, die vor dem Inkrafttreten des Übereinkommens vorgenommenen Eintragungen an die Regelungen des ÜRB anzupassen (Art. 14). Gemäß Art. 15 können die Vertragsparteien bei Unterzeichnung oder Ratifikation des Übereinkommens erklären, dass sie die Protokolle Nr. 1 und Nr. 2 annehmen. Mit der Annahme der Protokolle werden diese im Verhältnis zu den Vertragsparteien, die diese Protokolle ebenfalls angenommen haben, Bestandteile des Übereinkommens. Das ÜRB ist ein beschränkt offener Vertrag, das heißt, er steht nur den Mitgliedstaaten der UNECE sowie bestimmten Staaten, die in beratender Funktion zur UNECE zugelassen sind, zur Unterzeichnung oder zum Beitritt offen (Art. 16). Das ÜRB endet mit Bestimmungen zu seinem Inkrafttreten (Art. 17), zum Kündigungsrecht (Art. 18), zur bei Meinungsverschiedenheiten möglichen Anrufung des IGH (Art. 20), zu Vorbehalten (Art. 21) sowie zum Verfahren einer Revision des Übereinkommens (Art. 22). 3. Der Europäische Kodex für die Binnenschifffahrt von 2007 und die Richtlinien für Verkehrszeichen und Signale für Binnenwasserstraßen von 2005 Wie bereits ausgeführt, sind die Regeln für den Binnenschifffahrtsverkehr bisher nicht in einem völkerrechtlich verbindlichen Übereinkommen niedergelegt. Um dennoch für diese Regelungen zu einer weitgehenden Harmonisierung zu gelangen, hat die Working Party on Inland Water Transport der UNECE im Jahr 2007 den „Europäischen Kodex für die Binnenschifffahrtsstraßen“ (CEVNI) erarbeitet, der derzeit in der 5. revidierten Fassung aus dem Jahr 201487 vorliegt. Eng verbunden mit dem CEVNI sind die ebenfalls von der Working Party on Inland Water Transport im Jahr 2005 angenommenen „Richtlinien für Verkehrszeichen und Signale für Binnenwasserstraßen“ (SIGNI), die derzeit in der 2. revidierten Fassung aus dem Jahr 201188 gelten. Sowohl der CEVNI als auch die SIGNI enthalten äußerst detaillierte Regelungen und Vorgaben für die Gestaltung der sicht- und hörbaren Zeichen und Signale sowie für den Binnenschiffsverkehr, deren Beherrschung Voraussetzung für die Führung von Binnenschiffen ist, und für das Verhalten der Mannschaften. Dass die beiden Regelwerke völkerrechtlich nicht per se verbindlich sind, sondern 87

UN Doc. ECE/TRANS/SC.3/115/Rev.5; die Abkürzung CEVNI folgt dem französischen Titel des Kodex Code Européen des Voies de la Navigation Intérieure. 88 UN Doc. ECE/TRANS/SC.3/108/Rev.2; die Abkürzung SIGNI steht für den französischen Titel Signalisation des voies de Navigation Intérieure.

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Empfehlungen darstellen, hat sich in der Praxis nicht als wesentlicher Nachteil erwiesen. Vielmehr haben eine große Zahl der Mitgliedstaaten der UNECE auf deren Aufforderung sowohl den CEVNI als auch die SIGNI angenommen, so dass das Ziel, eine homogene Regelung für den Binnenschiffsverkehr und die zu seiner Sicherheit festgelegten Zeichen und Signale zu schaffen, weitgehend erreicht worden ist.89 II. Das Binnenschifffahrtsgüter- und -personenbeförderungsrecht 1. Das Budapester Übereinkommen über die Güterbeförderung von 2001 Während es – wie bereits ausgeführt – schon 1956 gelungen war, für den grenzüberschreitenden Gütertransport auf der Straße im Rahmen der UNECE das Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) abzuschließen, ist erst mit dem Budapester Übereinkommen über den Vertrag über die Güterbeförderung in der Binnenschifffahrt (CMNI) vom 22. Juni 200190 ein entsprechender Vertrag für die Binnenschifffahrt zustande gekommen. Den Anstoß zu Verhandlungen über ein solches Übereinkommen gab bereits die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE). Die Teilnehmerstaaten befürworteten in der Schlussakte unter der Ziffer 6 (Zusammenarbeit auf anderen Gebieten), „unter Achtung ihrer Rechte und ihrer internationalen Verpflichtungen die Beseitigung der Unterschiede zwischen Rechtsvorschriften, die Anwendung finden auf den Verkehr auf Binnenwasserstraßen, welche internationalen Konventionen unterliegen, und insbesondere die Beseitigung der unterschiedlichen Anwendung dieser Rechtsvorschriften; sie ersuchten zu diesem Zweck die Mitgliedstaaten der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt, der Donaukommission und anderer Gremien, die laufenden Arbeiten und Untersuchungen 89

Mit Resolution Nr. 59 vom 20.10.2005, UN Doc. ECE/TRANS/SC.3169 (für Änderungen des Anhangs zu Resolution Nr. 59 siehe UN Doc. ECE/TRANS/SC.3/169/Rev.1 sowie UN Doc. ECE/TRANS/SC.3/169/Rev.1/Appendix 1) hat die Working Party on Inland Water Transport die Regierungen und Flusskommissionen aufgefordert, dem Geschäftsführer der UNECE mitzuteilen, ob sie diese Resolution annehmen. Dies ist in vielen Fällen geschehen, siehe hierzu die Übersicht über den aktuellen Stand der Anwendung der hier einschlägigen Resolutionen Nr. 22 (SIGNI – Signs and Signals on Inland Waterways, UN Doc. TRANS/SC.3/108/Rev.2) und Resolution Nr. 24 (CEVNI – European Code for Inland Waterways, UN Doc. TRANS/SC.3/115/Rev.5), UN Doc. ECE/TRANS/SC.3/2014/12/Rev.1 vom 24.4.2015. 90 BGBl. 2007 II, 298; der Text des Übereinkommens ist ebenfalls abrufbar unter: http://www.unece.org/fileadmin/DAM/trans/main/sc3/cmniconf/cmni.pdf (letzter Zugriff: 9.7.2015).

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weiterzuführen, insbesondere innerhalb der Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa.“91 Das Übereinkommen, das sich inhaltlich an dem Modell der CMR orientiert,92 ist von fünfzehn Staaten, zu denen auch Deutschland zählt, ratifiziert worden,93 und am 1. April 2005 in Kraft getreten. Mit der Ratifikation des Übereinkommens und der Verkündung des vom Bundestag beschlossenen Zustimmungsgesetzes ist das Übereinkommen unmittelbar anwendbares deutsches Recht im Range eines einfachen Gesetzes. Das Übereinkommen ist in deutscher, französischer, englischer, niederländischer und russischer Sprache gleichermaßen verbindlich, sodass die nationalen Gerichte diese Fassungen ihren Entscheidungen zugrundezulegen haben. Kapitel I enthält als allgemeine Bestimmungen, neben einer umfänglichen Auflistung von Begriffsbestimmungen (Art. 1), die Regelung des Anwendungsbereichs (Art. 2). Nach Art. 2 Abs.1 S.1 ist das Übereinkommen „auf alle Frachtverträge anzuwenden, nach denen der Ladehafen oder Übernahmeort und der Löschhafen oder Ablieferungsort in zwei verschiedenen Staaten liegen, von denen mindestens einer Vertragsstaat dieses Übereinkommens ist.“ Das Übereinkommen ist „ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit, den Registerort oder Heimathafen des Schiffes oder dessen Einordnung als See- oder Binnenschiff sowie ohne Rücksicht auf die Staatsangehörigkeit, den Wohnsitz oder Aufenthalt des Frachtführers, Absenders oder Empfängers anzuwenden“ (Art. 2 Abs. 3). Eine Besonderheit gilt gemäß Art. 2 Abs. 2 für den Fall, dass der „Frachtvertrag die Beförderung von Gütern sowohl auf Binnenwasserstraßen als auch auf Gewässern, die einer Seeordnung unterliegen, zum Gegenstand“ hat. In einem solchen Fall „ist dieses Übereinkommen auch auf diesen Vertrag unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 anzuwenden,“ „es sei denn, a) ein Seekonnossement ist nach dem anwendbaren Seerecht ausgestellt oder b) die auf einer Seeordnung unterliegenden Gewässern zurückzulegende Strecke ist die größere.“ Kapitel II behandelt in den Art. 3–10 die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien des Frachtvertrages, so bezüglich der fristgemäßen Beförderung der Güter und ihrer Übernahme und Ablieferung (Art. 3). Für den Fall, dass der Frachtführer 91

Siehe Schlussakte der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa vom 1.8.1975, Europa-Archiv 33 (1975), Dokumente, 437, 462. 92 Herber/Piper, CMR: Internationales Straßentransportrecht, 1996, Einführung Rn. 18. 93 Vertragsstaaten sind Belgien, Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Luxemburg, Moldawien, die Niederlande, Rumänien, Russland, Serbien, die Slowakei, die Schweiz und die Ukraine. Das Übereinkommen ist für Deutschland am 1.11.2007 in Kraft getreten, BGBl. 2007 II, 1390; 2 weitere Staaten (Polen und Portugal) haben das CMNI bisher lediglich unterzeichnet (Stand: 9.7.2015).

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einen Vertrag mit einem ausführenden Frachtführer abschließt, gilt auch dieser Vertrag als Vertrag im Sinne des CMNI (Art. 4 Abs. 1). Der Frachtführer haftet für die gesamte Beförderung, jedoch gelten alle Bestimmungen des Übereinkommens über die Haftung des Frachtführers auch für die Haftung des ausführenden Frachtführers (Art. 4 Abs. 2). Die Pflichten des Absenders, darunter insbesondere die Informationspflichten im Fall der Beförderung gefährlicher oder umweltschädigender Güter, sowie die Haftung des Absenders regeln die Art. 6–8. Kapitel III enthält detaillierte Vorschriften über die Frachturkunden (Art. 11–13), Kapitel IV Vorschriften über das Verfügungsrecht des Verfügungsberechtigten, d.h. des Absenders (Art. 14–15) und Kapitel V über die Haftung des Frachtführers sowie über besondere Haftungsschlussgründe und die Berechnung von Entschädigungen, den Haftungshöchstbetrag, sowie über den Verlust des Rechtes auf Haftungsbeschränkung (Art. 16–22). Die Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen und die Regelung der Schadensanzeige und die Verjährung enthält das Kapitel VI (Art. 23 und 24). Schranken der Vertragsfreiheit der Frachtvertragsparteien werden in Kapitel VII durch Festlegung nichtiger Abreden gesetzt (Art. 25). Kapitel VIII zu den Ergänzenden Bestimmungen (Art. 26–29) sieht u.a. vor, dass – falls das Übereinkommen keine Regelungen enthält – das nationale Recht desjenigen Staates auf den Frachtvertrag Anwendung findet, das die Parteien gewählt haben (Art. 29). Kapitel IX (Art. 30–32) enthält Bestimmungen zum Anwendungsbereich. Den Vertragsparteien wird das das Recht eingeräumt, Erklärungen über den Anwendungsbereich, so über Beförderungen auf bestimmten Wasserstraßen (Art. 30), über nationale oder unentgeltliche Beförderungen (Art. 31), sowie über regionale Haftungsvorschriften (Art. 32) abzugeben. In Kapitel X (Art. 33–38) finden sich die üblichen Schlussbestimmungen über die Unterzeichnung, die Ratifikation, die Annahme und die Genehmigung (Art. 33), das Inkrafttreten (Art. 34), die Kündigung (Art. 35), die Revision und Änderung des CMNI (Art. 36), insbesondere die Änderung der Haftungshöchstbeträge und der Rechnungseinheit (Art. 37) sowie die Bestimmung der Regierung der Republik Ungarns als Depositar (Art. 38). Der geraffte Überblick über den Inhalt des CMNI macht deutlich, dass die sehr detaillierten Regelungen das nationale Recht der Vertragsparteien weitgehend überlagern bzw. an dessen Stelle treten, indem ! wie bereits ausgeführt ! das Übereinkommen durch die Zustimmung der nationalen gesetzgebenden Körperschaften wie in Deutschland im Range einfachen Gesetzesrechts gilt. Anders als das CMR enthält das CMNI keine Regelung über das Verfahren bei Meinungsverschiedenheiten über ihre Auslegung.94

94 Dazu näher Otte, in: Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, 2009, § 7 Rn. 175 ff.

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2. Das Übereinkommen über die Beförderung von Personen und Gepäck von 1976 sowie das Protokoll von 1978 Nach dem Abschluss des Übereinkommens über den grenzüberschreitenden Gütertransport (CMR) im Jahr 1956 gelang es 1973 im Rahmen der UNECE, auch einen Vertrag über die Standardisierung der Bedingungen für Verträge für die Beförderung von Passagieren und deren Gepäck (CVR)95 abzuschließen. Dieser – bereits dargestellte – für den Straßenverkehr geltende Vertrag trat allerdings erst 1994 in Kraft trat und weist nur acht Vertragsparteien auf. Dem 1978 beschlossenen Protokoll zum CVR96 ist lediglich Lettland beigetreten. Deutschland hat das Protokoll bislang nur unterzeichnet. Noch geringer ist die Akzeptanz des eng an den Aufbau und die Regelungen des CVR angelehnte Übereinkommens über den Beförderungsvertrag für Reisende und Gepäck in der internationalen Binnenschifffahrt (CVN) vom 6. Februar 197697 sowie des Protokolls zum CVN vom 5. Juli 1978.98 Das CVN weist nach gegenwärtigem Stand99 nur eine Ratifikation (Russland) und eine Unterzeichnung (Österreich) auf; das Protokoll vom 5. Juli 1978 weder das eine noch das andere. Nachdem fast vierzig Jahre seit der Verabschiedung der Vertragstexte vergangen sind, ist nicht anzunehmen, dass diese je in Kraft treten werden. Die Gründe hierfür sind nicht ersichtlich, zumal das CVR, das bei der Konzipierung des CVN als Modell gedient hat ! wenn auch erst nach fast zwanzig Jahren ! die für das Inkrafttreten erforderliche Zahl von Ratifikationen erreicht hat. 3. Das Übereinkommen über den Transport gefährlicher Güter von 2000 Erfolgreicher waren die Bemühungen der UNECE in Zusammenarbeit mit der ZKR100 um eine Harmonisierung der Regelungen für den Transport gefährlicher 95

UNTS Bd. 1774, 109. UN Doc. ECE/TRANS/35. 97 UN Doc. ECE/TRANS/20. Der Text des CVN ist abrufbar unter: http://www.unece. org/fileadmin/DAM/trans/conventn/CVN_efr.pdf (letzter Zugriff: 9.7.2015). 98 UN Doc. ECE/TRANS/33. Der Text des Protokolls ist abrufbar unter: http://www. unece.org/fileadmin/DAM/trans/conventn/CVN_Protocol_efr.pdf (letzter Zugriff: 9.7.2015). 99 Stand: 9.7.2015. 100 Anders als bei der Ausarbeitung des CMNI war die Donaukommission an den Verhandlungen über das ADN nicht beteiligt. Als Vertragspartei ist Österreich aber gemäß Art. 17 Ziff. 2 Mitglied des Verwaltungsausschusses, so dass die Belange der Donauschifffahrt gewahrt sind. 96

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Kap. 3: Der grenzüberschreitende Verkehr auf Binnenwasserstraßen

Güter auf Binnenwasserstraßen.101 Das Europäische Übereinkommen über die internationale Beförderung von gefährlichen Gütern auf Binnenwasserstraßen vom 26. Mai 2000 (ADN)102 besteht aus dem Übereinkommen selbst und der im Anhang beigefügten Verordnung, die umfangreiche technische und betriebliche Vorschriften enthält. Das ADN ist am 29. Februar 2008 in Kraft getreten.103 Bereits vor dem Inkrafttreten wurden die im Anhang enthaltenen Regelungen mehrfach aktualisiert. So gilt die Verordnung heute in der am 1. Januar 2015 in Kraft getretenen Fassung.104 Deutschland, Österreich, Luxemburg, die Niederlande, Belgien, Frankreich und die Schweiz haben gemäß Art. 14 ADN Erklärungen abgegeben: Deutschland hat erklärt, dass die Anwendung des Übereinkommens auf dem Rhein die Befolgung der Verfahren voraussetzt, die in den Satzungen der ZKR für die Rheinschiffahrt festgelegt sind, und Entsprechendes für die Mosel gelte. Die Erklärung der Niederlande stimmt mit der deutschen Erklärung überein. Luxemburg erklärte, dass die Verpflichtungen des Übereinkommens in keiner Weise die Verpflichtungen berühren, die Luxemburg durch seine Mitgliedschaft in der Europäischen Union übernommen hat. Österreich erklärte, dass das Übereinkommen auf die Donau einschließlich des Wiener Donaukanals sowie auf die March, die Enns und die Traun sowie ihrer Arme, Seitenkanäle, Häfen und Zweigen Anwendung findet, jedoch nicht auf eine Reihe von im einzelnen aufgeführten Teilstücken der genannten Flüsse. Belgien erklärte, dass die Regelungen des ADN gemeinsam mit den Regelungen der ZKR ausgeübt werden müssten und das ADN sowie dessen Anhänge in die Regelungen der ZKR implementiert werden müssten. 101 Vertragsstaaten des ADN sind Österreich, Belgien, Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Luxemburg, Polen, die Niederlande, Moldawien, Rumänien, Russland, Serbien, die Slowakei, die Schweiz und die Ukraine. Italien hat das ADN bisher lediglich unterzeichnet (Stand: 9.7.2015). 102 Für den ursprünglichen Text siehe UN Doc. ECE/TRANS/ADN/CONF/2000/CRP. 10/BGBl. 2007 II 1906; zuletzt geändert durch 5. ADNÄndV, für Deutschland in Kraft getreten am 1.1.2015, BGBl. 2014 II, 1344. 103 Die zuvor von der ZKR erlassene Verordnung über die Beförderung gefährlicher Güter auf dem Rhein (ADNR), deren Regelungsgegenstände denen der dem ADN beigefügten Verordnung entsprechen, blieb bis Ende 2010 in Kraft. Gemäß der Verordnung der Moselkommission über die Beförderung gefährlicher Güter auf der Mosel war das ADNR auch auf der Mosel anzuwenden. Bestimmungen für die Beförderung von gefährlichen Gütern auf der Donau enthält das ADN-D, das von den Mitgliedstaaten der Donaukommission am 23.4.2003 angenommen wurde, Dok. DK/TAG 60/44. 104 Für den Text der konsolidierten Fassung „ADN 2015“ siehe UN Doc. ECE/TRANS/ 243 (Vol. I) und UN Doc. ECE/TRANS/243 (Vol. II), abrufbar unter: http://www.unece. org/fileadmin/DAM/trans/danger/publi/adn/adn2015/English/VOL_1_E.pdf (letzter Zugriff: 5.8.2015).

Kap. 3: Der grenzüberschreitende Verkehr auf Binnenwasserstraßen

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Das ADN wird eingeleitet mit einer ausführlichen Darlegung der Ziele, welche die Vertragsparteien mit dem Abkommen verfolgen. Mit dem ADN sollen „die Sicherheit der internationalen Beförderung von gefährlichen Gütern auf Binnenwasserstraßen“ verstärkt, „durch Vermeidung von Verschmutzungen, die bei Unfällen und Zwischenfällen bei solchen Beförderungen entstehen können, wirksam zum Umweltschutz“ beigetragen sowie die Beförderungsabläufe erleichtert und der internationalen Handel gefördert werden. Die Vertragsparteien stellen zudem fest, dass der „beste Weg zur Erreichung dieses Ziels der Abschluss eines Übereinkommens ist, das an die Stelle der geänderten ‚Europäischen Vorschriften für die internationale Beförderung von gefährlichen Gütern auf Binnenwasserstraßen‘ in der Anlage der Resolution Nr. 223 des Binnenverkehrsausschusses der Wirtschaftskommission für Europa tritt.“ Das ADN umfasst nur wenige unmittelbar die Beförderung gefährlicher Güter auf Binnenwasserstraßen betreffende Regelungen. Diese sind ! wie schon erwähnt ! in der sehr umfangreichen, dem Übereinkommen als Anlage beifügten Verordnung enthalten, die gemäß Art. 2 Abs. 1 ADN fester Bestandteil des Übereinkommens ist. Kapitel I enthält wie üblich allgemeine Bestimmungen. Art. 1 bestimmt den Geltungsbereich des ADN. Es „findet Anwendung auf die internationale Beförderung von gefährlichen Gütern mit Schiffen auf Binnenwasserstraßen“ (Art. 1 Abs.1). Keine Anwendung findet das Übereinkommen auf die Beförderung von gefährlichen Gütern mit Seeschiffen auf Seeschifffahrtsstraßen, die zu den Binnenwasserstraßen gehören (Art. 1 Abs. 2). Ebenfalls findet das ADN keine Anwendung auf die Beförderung solcher Güter mit Kriegsschiffen oder Hilfskriegsschiffen und auch nicht „auf sonstige einem Staat gehörende oder von diesem betriebene Schiffe […], solange dieser Staat sie ausschließlich zu staatlichen und nicht gewerblichen Zwecken einsetzt“ (Art. 2 Abs. 3). Nach Art. 2 Abs. 2 umfassen die beigefügte Verordnung „Vorschriften über die internationale Beförderung gefährlicher Güter auf Binnenwasserstraßen“ (Art. 2 Abs. 2 lit. a)), „Vorschriften und Verfahren für Untersuchungen, Ausstellung der Zulassungszeugnisse, Kontrollen, Ausbildung und Prüfungen von Sachverständigen“ (Art. 2 Abs. 2 lit. b)), „allgemeine Übergangsbestimmungen“ (Art. 2 Abs. 2 lit. c)) und „zusätzliche Übergangsbestimmungen, die auf besonderen Binnenwasserstraßen gelten“ (Art. 2 Abs. 2 lit. d)). Art. 3 listet Begriffsbestimmungen für die Anwendung des ADN auf. Das Kapitel II enthält in den Art. 4–9 Bestimmungen technischer Art. Diese betreffen Beförderungsverbote, Beförderungsbedingungen und Kontrollen (Art. 4), Befreiungen (Art. 5), Rechte der Staaten (Art. 6) sowie Sonderregelungen und Ausnahmegenehmigungen (Art. 7), Übergangsbestimmungen (Art. 8) und Bestimmungen über die Anwendbarkeit anderer Verordnungen (Art. 9).

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Kap. 3: Der grenzüberschreitende Verkehr auf Binnenwasserstraßen

Kapitel III mit dem Titel „Schlussbestimmungen“ enthält in den Art. 10–16 die üblichen vertragsrechtlichen Bestimmungen über den Kreis der Vertragsparteien, zu denen nach Art. 10 Abs. 1 die Mitgliedstaaten der UNECE gehören können, „auf deren Gebiet sich Binnenwasserstraßen ohne Küstenstrecken befinden, die Bestandteil des Binnenschifffahrtsnetzes von internationaler Bedeutung sind, wie es im Europäischen Übereinkommen über die Hauptbinnenschifffahrtsstraßen von internationaler Bedeutung (AGN) definiert wird.“ Die weiteren Schlussbestimmungen regeln das Inkrafttreten (Art. 11), die Kündigung (Art. 12) und das Erlöschen (Art. 13). Wie in anderen Verträgen, die im Rahmen der UNECE geschlossen wurden, erlischt das ADN, wenn „die Anzahl der Vertragsparteien während eines Zeitraums von zwölf Monaten in Folge auf unter fünf“ fällt (Art. 13 Abs. 1 ADN). Im Hinblick auf das von den Vertragsparteien in den Eingangserwägungen formulierte Ziel, nämlich „die Beförderungsabläufe zu erleichtern und den internationalen Handel zu fördern“, ist Art. 13 Abs. 2 ADN von besonderer Bedeutung. Die Vorschrift legt vorsorglich fest, dass für den Fall, dass „ein weltweites Übereinkommen zur Regelung der multimodalen Gefahrgutbeförderung geschlossen werden sollte, […] alle Bestimmungen dieses Übereinkommens mit Ausnahme derjenigen, die ausschließlich die Binnenschifffahrt, den Bau und die Ausrüstung der Schiffe, die Massengutbeförderungen oder Beförderungen mit Tankschiffen betreffen, die mit einer der Bestimmungen dieses weltweiten Übereinkommens im Widerspruch stehen, in den Beziehungen zwischen den Parteien dieses Übereinkommens, die Parteien des weltweiten Übereinkommens geworden sind, am Tag des Inkrafttretens dieses weltweiten Übereinkommens automatisch aufgehoben und ipso facto durch die entsprechenden Bestimmungen des weltweiten Übereinkommens ersetzt“ werden. Art. 14 räumt den Vertragsparteien das Recht ein, bei der endgültigen Unterzeichnung oder der Hinterlegung seiner Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde Erklärungen über den Anwendungsbereich des ADN abzugeben. Dieses Recht ist ! wie bereits erwähnt – von einigen Vertragsparteien, darunter Deutschland, ausgeübt worden. Art. 15 Abs. 1 sieht für die Beilegung von Streitigkeiten zwischen zwei oder mehreren Vertragsparteien vor, dass diese nach Möglichkeit im Wege von Verhandlungen beizulegen sind. Sollte die Streitbeilegung durch direkte Verhandlungen nicht beigelegt werden können, kann die Streitigkeit dem Verwaltungsausschuss vorgelegt werden, der Empfehlungen für deren Beilegung ausspricht (Art. 15 Abs. 2). Sollte eine Streitbeilegung nach Absatz 1 und 2 nicht möglich sein, wird die Streitigkeit einem von den Parteien gemeinsam ausgewählten Schiedsgericht vorgelegt (Art. 15 Abs. 3 S. 1). Können sich die Parteien nicht auf einen oder mehrere Schiedsrichter einigen, kann eine Partei den Generalsekretär der Vereinten Nationen ersuchen, einen einzigen Schiedsrichter zu bezeichnen, an den dann die Streitigkeiten zur Entscheidung verwiesen wird (Art. 15 Abs. 3 S. 2). Der

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Schiedsspruch des oder der Schiedsrichter ist für die Vertragsparteien verbindlich (Art. 15 Abs. 4). Art. 16 räumt den Vertragsparteien das Recht ein, gegen Art. 15 einen Vorbehalt dahingehend einzulegen, dass er Art. 15 für sich nicht als verbindlich betrachtet (Art. 16 Abs. 1). Ein solcher Vorbehalt kann jederzeit durch schriftliche Notifikation an den UN-Generalsekretär aufgehoben werden (Art. 16 Abs. 2). Andere Vorbehalte sind nach dem ADN nicht zulässig (Art. 16 Abs. 3). In Anknüpfung an institutionelle Vorkehrungen, wie sie zum Beispiel in der Mannheimer Akte und in der Belgrader Donaukonvention in Gestalt von Kommissionen getroffen wurden, sieht das ADN in Art. 17 die Bildung eines Verwaltungsausschusses vor, „der die Umsetzung des Übereinkommens prüft, alle dazu vorgeschlagenen Änderungen untersucht und Maßnahmen für eine einheitliche Auslegung und Anwendung des genannten Übereinkommens erörtert“ (Art. 17 Abs. 1). Die Vertragsparteien sind Mitglieder des Verwaltungsausschusses (Art. 17 Abs. 2 S. 1). Der Generalsekretär der Vereinten Nationen und der Generalsekretär des ZKR leisten Sekretariatsdienste für den Verwaltungsausschuss (Art. 17 Abs. 3). Ferner wird ein Sicherheitsausschuss eingesetzt, dem die Prüfung aller Änderungsvorschläge zu der dem ADN beigefügten Verordnung übertragen wird. Der Sicherheitsausschuss arbeitet im Rahmen der Tätigkeit der Organe der UNECE, der ZKR und der Donaukommission (Art. 18). Art. 19 regelt das Verfahren zur Änderung des ADN und Art. 20 das Verfahren zur Änderung der beigefügten Verordnung. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, der auch Verwahrer des Übereinkommens ist (Art. 23), unterrichtet alle Vertragsparteien über alle Anträge, Mitteilungen oder Einsprüche nach Art. 19 und 20, über die Annahme und den Tag des Inkrafttretens der Änderungen (Art. 21). Unabhängig von dem in den Art. 19 und 20 vorgesehenen Änderungsverfahren kann eine Vertragspartei beim Generalsekretär der Vereinten Nationen schriftlich die Einberufung einer Revisionskonferenz fordern (Art. 22 Abs. 2). III. Das Haftungsrecht 1. Das Übereinkommen zu Kollisionen im Binnenschifffahrtsverkehr von 1960 Dem Anliegen, wie für die Seeschifffahrt,105 einheitliche Regelungen für die Beschränkung der Haftung auch in der Binnenschifffahrt zu schaffen, ist bisher 105

Siehe dazu das Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung für Seeforderungen vom 19.11.1976, UNTS Bd. 1456, 221/BGBl. 1986 II, 407; für Deutschland in Kraft getreten am 1.9.1987; sowie das Änderungsprotokoll vom 2.5.1996, für Deutschland in Kraft getreten am 13.5 2004; ILM 35 (1997), 1433/BGBl. 2004 II, 1793.

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Kap. 3: Der grenzüberschreitende Verkehr auf Binnenwasserstraßen

nur teilweise Rechnung getragen worden. Bereits am 15. März 1960 wurde im Rahmen der UNECE das Übereinkommen zur Vereinheitlichung einzelner Regeln über den Zusammenstoß von Binnenschiffen angenommen, das seither von 13 Staaten ratifiziert worden ist.106 Das Übereinkommen regelt den Ersatz für den Schaden, der durch eine Kollision zwischen Binnenschiffen in den Gewässern einer der Vertragsparteien den Schiffen oder den an Bord befindlichen Personen oder Sachen zugefügt wird (Art. 1 Abs. 1). Das Übereinkommen gilt auch für den Fall, dass der Schaden nicht durch eine Kollision verursacht wird, sondern durch die Ausführung oder Unterlassung eines Manövers oder durch die Nichtbeachtung von Vorschriften verursacht wird (Art. 1 Abs. 2). Die Anwendbarkeit des Übereinkommens wird darüber hinaus nicht dadurch berührt, dass die an dem Schadensfall beteiligten Schiffe demselben Schleppzug angehören (Art. 1 Abs. 3). Die Schadensersatzpflicht setzt ein Verschulden voraus, wobei keine rechtliche Schuldvermutung besteht (Art. 2 Abs. 1). Auch besteht keine Schadensersatzpflicht, wenn der Schaden durch Zufall oder durch höhere Gewalt herbeigeführt wurde oder seine Ursachen nicht festgestellt werden können. In diesem Fall trägt der Geschädigte den Schaden selbst (Art. 2 Abs. 2). In den Art. 3–5 wird die individuelle und die gesamtschuldnerische Haftung der an der Schadensverursachung beteiligten Schiffe näher geregelt. Art. 6 bestimmt, dass die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen nicht von der Beachtung einer besonderen Förmlichkeit abhängig ist. Art. 7 legt die Verjährung von Ersatzansprüchen fest. Art. 8 Abs. 1 bestimmt, dass die Bestimmungen des Übereinkommens „Beschränkungen allgemeiner Art hinsichtlich der Haftung des Eigentümers oder Ausrüsters eines Schiffes oder des Frachtführers aufgrund internationaler Übereinkommen oder des nationalen Rechtes unberührt“ lassen. Die Bestimmungen des Übereinkommens gelten nicht „für den Ersatz von Schäden, die auf radioaktive Eigenschaften oder auf ein Zusammenwirken radioaktiver Eigenschaften und giftiger, explosiver oder sonstiger gefährlicher Eigenschaften von Kernbrennstoffen oder von aktiven Erzeugnissen oder Abfällen zurückzuführen sind“ (Art. 8 Abs. 2). Die Art. 9–20 enthalten u.a. die üblichen völkervertragsrechtlichen Regelungen über die Zulässigkeit von Vorbehalten (Art. 9), die Bestimmung derjenigen Staaten, die dem Übereinkommen beitreten können (Art. 10), das Inkrafttreten (Art. 11), die Kündigung (Art. 12), die Beilegung von Streitigkeiten durch Anrufung des IGH (Art. 14), die Einberufung einer Revisionskonferenz (Art. 17) und die Vertragssprachen (Art. 19). 106 UNTS Bd. 572, 133/BGBl. 1972 II, 1005, für Deutschland in Kraft getreten am 27.8.1973, BGBl. 1973 II, 1495.

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2. Das Übereinkommen über die Begrenzung der Haftung von Binnenschiffseigentümern von 1973 und das Protokoll von 1978 Mit dem Abschluss des Übereinkommens über die Beschränkung der Haftung der Eigentümer von Binnenschiffen vom 1. März 1973 (CLN)107 wurden die bis heute nicht erfolgreich abgeschlossenen Bemühungen um eine solche Beschränkung eingeleitet. Das CLN wurde bislang von nur einem Staat (Russland) ratifiziert und von nur zwei Staaten (Deutschland und Schweiz) unterzeichnet. Der Versuch, durch die Ausarbeitung eines Protokolls zum CLN die Akzeptanz des Übereinkommens zu erhöhen, schlug fehl. Das Protokoll zum CLN vom 5. Juli 1978108 wurde lediglich von einem Staat unterzeichnet (Deutschland). Beide Verträge sind somit niemals in Kraft getreten.109 Diese Fehlschläge der Bemühungen um einheitliche Haftungsbeschränkungen für den Gütertransport mit Binnenschiffen stehen im Widerspruch zu dem stets bekundeten Interesse der am Gütertransport auf Binnenschifffahrtsstraßen beteiligten Staaten, durch einheitliche Regelungen für Haftungsbeschränkungen den Gütertransport auf Binnenschifffahrtsstraßen insbesondere dadurch zu fördern, dass durch solche einheitlichen Haftungsbeschränkungen Wettbewerbsverzerrungen vermieden werden. Dass dieses Ziel grundsätzlich erreichbar ist, zeigte der erfolgreiche Abschluss des im Rahmen der Zwischenstaatlichen Beratenden Seeschifffahrtsorganisation (IMCO) ausgearbeiteten Übereinkommens von 1976.110 Dieses als modern gelobte Übereinkommen gab den Mitgliedstaaten der ZKR den Anstoß, anstelle des CLN ein an dem Übereinkommen von 1976 orientiertes Haftungsbeschränkungsregime für die Binnenschifffahrt zu erarbeiten.111

107 UN Doc. TRANS/3, abrufbar unter: http://www.unece.org/fileadmin/DAM/trans/ conventn/CLN_efr.pdf (letzter Zugriff: 6.8.2015). 108 UN Doc. TRANS/33, abrufbar unter: http://www.unece.org/fileadmin/DAM/trans/ conventn/CVN_Protocol_efr.pdf (letzter Zugriff: 6.8.2015). 109 Zu diesen Entwicklungen siehe Czerwenka, Globale Haftungsbeschränkung in der Binnenschiffahrt, TransportR 28 (2005), 133 ff. 110 Übereinkommen über die Beschränkungen der Haftung für Seeforderungen vom 19.11.1976, UNTS Bd. 1456, 221/BGBl. 1986 II, 786; Protokoll zur Änderung des Übereinkommens von 1996, ILM 35 (1996), 1433/BGBl. 2000 II, 790. Das Übereinkommen gilt für 53 Staaten, das Protokoll für 51 Staaten (Stand: 5.8.2015). 111 Siehe dazu Czerwenka, Globale Haftungsbeschränkung in der Binnenschifffahrt, TransportR 28 (2005), 133, 134.

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Kap. 3: Der grenzüberschreitende Verkehr auf Binnenwasserstraßen

3. Das Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt von 1988 Das Ergebnis der Verhandlungen ist das am 4. November 1988 angenommene Straßburger Übereinkommen über die Beschränkung der Haftung in der Binnenschifffahrt (CLNI).112 Das Übereinkommen wurde nach seiner Verabschiedung von allen Staaten, die an seiner Ausarbeitung beteiligt waren (Belgien, Deutschland, Frankreich, Luxemburg, die Schweiz und die Niederlande), unterzeichnet. Es ist jedoch bislang nur für vier Staaten in Kraft getreten (Luxemburg, Niederlande, die Schweiz und Deutschland). Andere Staaten, die nicht an der Ausarbeitung des CLNI beteiligt waren – wie etwa die Donauanliegerstaaten !, haben ihr Interesse an dem Übereinkommen gezeigt, haben es aber dennoch bis heute nicht ratifiziert. Auch Vorschläge, wie die Ausarbeitung eines neuen Übereinkommens im Rahmen der UNECE und Vermittlungsbemühungen seitens der ZKR blieben bisher erfolglos.113

112

BGBl. 1998 II, 1643 ff.; zur Entstehungsgeschichte der CLNI siehe Czerwenka, Limitation of Liability in Maritime Law and in Inland Navigation, Il Diritto Marittimo 94 (1992), 981 ff.; das Übereinkommen ist von der Bundesrepublik Deutschland in den §§ 4 ff. des Binnenschifffahrtsgesetzes aufgenommen worden, siehe Otte, in: Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, 2009, § 7 Rn. 173. 113 Dazu und zu Vorschlägen zur Verbesserung des CLNI siehe Czerwenka, Globale Haftungsbeschränkung in der Binnenschiffahrt, TransportR 28 (2005), 133 ff.

Kapitel 4

Der grenzüberschreitende Luftverkehr Der Luftverkehr ist neben dem Landverkehr in seinen verschiedenen Ausprägungen und der See- sowie der Binnenschifffahrt die vierte Säule des sich entwickelnden allgemeinen grenzüberschreitenden Verkehrs. Die Erfindung des Flugzeugs und die Entstehung des Luftverkehrs stellen herausragende Ereignisse in der Entwicklung des Weltverkehrs dar. Für einen Augenblick konnte es so scheinen, als ob sich auf dem Gebiet des Luftverkehrs eine ähnliche Entwicklung wie in vergangenen Jahrhunderten auf dem des Seeverkehrs abspielen könnte. Doch der Grundsatz der Meeresfreiheit hat im Luftrecht1 kein Gegenstück gefunden. Vielmehr hat sich hier der Grundsatz der staatlichen Lufthoheit durchsetzen können.2 Der Grund ist, dass mit der Erfindung des Flugzeugs und der Entwicklung der internationalen Luftfahrt die Staaten verständlicherweise vielfältige, von ihnen nicht einfach kontrollierbare Einwirkungen auf ihr Hoheitsgebiet befürchteten. Die Parteien des 1944 angenommenen Chicago Abkommen3 haben diesen Befund in der Präambel deutlich ausgeführt: „In der Erwägung, dass die zukünftige Entwicklung der Internationalen Zivilluftfahrt in hohem Maße beitragen kann, Freundschaft und Verständnis zwischen den Staaten und Völkern der Welt zu wecken und zu erhalten, ihr Missbrauch jedoch zu einer Bedrohung der allgemeinen Sicherheit führen kann“; und „In der Erwägung, dass es wünschenswert ist, zwischen den Staaten und Völkern Unstimmigkeiten zu vermeiden und jene Zusammenarbeit zu fördern, von der der Friede der Welt abhängt; haben die unterzeichneten Regierungen sich auf gewisse Grundsätze und Übereinkommen geeinigt, damit die internationale Zivilluftfahrt sich sicher und geordnet entwickeln kann, und damit internationale

1

Im Folgenden wird im Hinblick auf die hier im Vordergrund stehende Luftverkehrsordnung statt des allgemeineren Begriffs „Luftrecht“ der engere Begriff „Luftverkehrsrecht“ verwendet. Zur Frage der Begriffsbestimmungen siehe Meyer, Luftrecht, 1961, 61; Brinkhoff/Windhorn, in: Hobe/von Rukteschell (Hrsg.), Kölner Kompendium des Luftrechts, Bd. I, 2008, Einf. Rn. 2 ff. 2 Dahm/Delbrück/Wolfrum, Völkerrecht, Bd. I/1, 2. Aufl. 1989, 437 f. 3 UNTS Bd. 15, 295/BGBl. 1956 II, 411.

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Kap. 4: Der grenzüberschreitende Luftverkehr

Luftverkehrsdienste auf der Grundlage gleicher Möglichkeiten eingerichtet und gesund und wirtschaftlich betrieben werden können“. Dem Chicago Abkommen gingen eine Reihe von Verträgen voraus, so das Pariser Abkommen von 1919 zur Regelung der Luftfahrt und das Warschauer Abkommen von 1929 zur zivilen Haftung des Luftbeförderers.4 Grundlage des heute geltenden Luftrechtregimes ist ! zusammen mit zwei gleichzeitig abgeschlossenen Zusatzabkommen zum internationalen Transit und zum internationalen Transport ! das Chicago Abkommen, das einerseits mit der Errichtung der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (International Civil Aviation Organization ! ICAO) einen festen institutionellen Rahmen für die internationale Kooperation in der Zivilluftfahrt geschaffen hat, und andererseits auch erfolgreich der weiteren Entwicklung des Luftrechts dient (Art. 43). Da das Chicago Abkommen in Art. 6 den planmäßigen Fluglinienverkehr über oder in das Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates von einer besonderen Erlaubnis oder einer sonstigen Ermächtigung dieses Staates abhängig gemacht hat, Bemühungen um eine multilaterale Vertragsregelung aber keinen Erfolg hatten, haben die Staaten zahlreiche entsprechende bilaterale Verträge abgeschlossen. Charakteristisch für das völkerrechtliche Luftrecht ist so seine starke Ausrichtung am Prinzip der staatlichen Souveränität. Gleichwohl sind der ICAO legislative Kompetenzen eingeräumt, die zur Entwicklung des internationalen Luftrechts maßgeblich beigetragen haben.5 Dies gilt auch für den europäischen Raum. Im Rahmen der EG/EU hat die Entwicklung des Binnenmarktes auf dem Gebiet des grenzüberschreitenden Verkehrs seit den 1980er Jahren auch den Luftverkehr erfasst. Im Rahmen einer gemeinsamen Luftverkehrspolitik wurde nach und nach das sekundäre Gemeinschaftsrecht zur Regelung des Luftverkehrs geschaffen.6 Nicht zum völkerrechtlichen Bestand des Luftverkehrsrechts gehört die von der International Air Transport Association (IATA) ! einer als privatrechtlicher Verein nach kanadischem Recht gegründeten Interessenvertretung der Luftverkehrsgesellschaften ! geschaffene Ordnung des „sicheren, regelmäßigen und wirtschaftlichen 4

Weitere Verträge über, zum Beispiel, die Vereinheitlichung der Regeln über die Haftung für Schäden Dritter durch Flugzeuge und die Befreiung von der Besteuerung von Benzin und Öl fanden nur geringe Akzeptanz, siehe dazu die Auflistung dieser Verträge bei Diederiks-Verschoor/Mendes de Leon, An Introduction to Air Law, 9. Aufl. 2012, 94 ff.; dazu auch Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl. 2014, 488. 5 Zur ICAO siehe Diederiks-Verschoor/Mendes de Leon, An Introduction to Air Law, 9. Aufl. 2012, 32 ff. 6 Brinkhoff/Windhorn, in: Hobe/von Ruckteschell (Hrsg.), Kölner Kompendium des Luftrechts, Bd. I, 2008, Einf. Rn. 32.

Kap. 4: Der grenzüberschreitende Luftverkehr

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Luftverkehrs.“7 Zutreffend zählt Diederiks-Verschoor neben den allgemeinen Prinzipien des Völkerrechts auch nationales Recht sowie Verträge zwischen Staaten und Fluggesellschaften und der Fluggesellschaften untereinander zu dem Bestand der luftrechtlichen Ordnung.8

A. Die Freiheiten des Luftverkehrs Das geltende internationale Luftverkehrsrecht ist das Ergebnis einer langen Entwicklung, deren Beginn bis zum Ende des späten 18. Jahrhunderts zurückreicht und eng mit dem jeweiligen technischen Stand der Luftfahrt verbunden ist. Zugleich ist diese Entwicklung in besonderem Maße von dem Spannungsverhältnis zwischen der „über den Wolken (vermeintlich) grenzenlosen Freiheit“9 und dem Schutzanspruch der souveränen Staaten gegen schädigende Einwirkungen auf ihr Territorium durch zunächst nicht kontrollierbare Flugobjekte geprägt. Als die Brüder Montgolfier im Jahr 1783 eine erste bemannte Fahrt mit einem Heißluftballon unternahmen und J. P. Blanchard 1785 in Frankfurt am Main einen Hund sowie 1786 in Hamburg einen Hammel aus einem Ballon mit einem Fallschirm herab ließ ! Luftfahrt sich damit im Prinzip als möglich erwies ! reagierten in Frankreich der Lieutenant Général de Police Lenoir und in Hamburg der Hamburgische Rat jeweils mit polizeirechtlichen Anordnungen, die Luftfahrten ohne vorherige Genehmigung untersagten.10 Bedarf an völkerrechtlichen Regelungen des Luftverkehrs ergab sich erst rund einhundert Jahre später, als die Erfindung des Zeppelins (1900) und die Erprobung des gesteuerten Motorfluges durch die Brüder Wright (1903) sowie der erste Überflug des Ärmelkanals im Jahr 1909 die Epoche der modernen Luftschifffahrt einleitete. Bereits im selben Jahr wurde die Deutsche Luftschifffahrtsgesellschaft AG (DELAG) in Frankfurt am Main gegründet. Dieses älteste Luftverkehrsunternehmen der Welt beförderte bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges über 34.000 Passagiere und legte dabei eine Gesamtstrecke von über 170.000 km

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Siehe dazu Otte, in: Tietje (Hrsg.), Internationales Wirtschaftsrecht, 2009, § 7 Rn. 109 ff.; Tomas, Air Law, in: MPEPIL, Rn. 41 f. (Stand: August 2008). 8 Diederiks-Verschoor/Mendes de Leon, An Introduction to Air Law, 9. Aufl. 2012, 10 ff. 9 Erweitertes Zitat aus dem bekannten Refrain des Liedes von Reinhard Mey (1974), seinerseits wörtlich zitiert von Brinkhoff/Windhorn, in: Hobe/von Ruckteschell (Hrsg.), Kölner Kompendium des Luftrechts, Bd. I, 2008, Einf. Rn.12. 10 Siehe dazu Brinkhoff/Windhorn, in: Hobe/von Ruckteschell (Hrsg.), Kölner Kompendium des Luftrechts, Bd. I, 2008, Einf. Rn. 4 f.

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Kap. 4: Der grenzüberschreitende Luftverkehr

zurück.11 Diese Zahlen beweisen, dass sich zu diesem Zeitpunkt der Luftverkehr nachhaltig als Verkehrsmittel nicht nur innerstaatlich, sondern auch grenzüberschreitend durchgesetzt hatte. I. Die Anfänge: Luftfreiheit v. Lufthoheit Die Staatengemeinschaft reagierte nunmehr mit ersten Schritten auf dem Wege zu einer Luftverkehrsordnung. Der erste multilaterale Vertrag betraf nicht die zivile Luftfahrt, sondern den Schutz der Staaten vor militärischen Bedrohungen aus der Luft. Auf der Ersten Haager Friedenskonferenz wurde 1899 die erste Deklaration über den Gebrauch von Ballons und ähnlicher Geräte als Kriegswaffen angenommen.12 Nachdem nach der Jahrhundertwende wiederholt deutsche Ballons das französische Staatsgebiet überflogen hatten, drängte Frankreich auf eine diplomatische Lösung dieses Problems. So wurde 1910 die erste diplomatische Luftfahrtkonferenz in Paris einberufen. Sie scheiterte, weil die teilnehmenden Staaten zunächst keine Einigung darüber erzielen konnten, ob das zu schaffende Rechtsregime in Analogie zur Freiheit der Hohen See die Luftfreiheit bestimmen oder aber der sog. Lufthoheitstheorie folgen sollte. Diese Theorie, die dem Selbstverständnis der souveränen Staaten entsprach, besagt, dass den Staaten das alleinige Recht an dem über ihnen liegenden Luftraum zusteht. Im Sinne der Lufthoheitstheorie erkannten Frankreich und Deutschland in einem Briefwechsel im Jahr 191913 u.a. an, dass die beiden Staaten die Vollmacht haben sollten, Zonen abzugrenzen, die für Überflüge offen oder geschlossen sind, und dass Militärflugzeuge ohne vorherige Erlaubnis nicht in den Luftraum der jeweils anderen Partei fliegen oder deren Territorium überfliegen dürften. Unter dem Eindruck der im Ersten Weltkrieg deutlich gewordenen militärstrategischen Bedeutung der Nutzung des Luftraumes für den Einsatz von Flugzeugen als Waffen setzte sich – wie schon erwähnt – auf der Pariser Luftfahrtkonferenz von 1919 die Lufthoheitstheorie durch und wurde im Pariser Abkommen vom

11

Daten übernommen von Brinkhoff/Windhorn, in: Hobe/von Ruckteschell (Hrsg.), Kölner Kompendium des Luftrechts, Bd. I, 2008, Einf. Rn. 15 ff. 12 Hague Declaration I (1899) on the use of balloons and similar devices as weapons of war, British and Foreign State Papers, Bd. 91, 1011; dazu Cheng, Air Law, in: EPIL Bd. I, 1992, 66. 13 Deutsch-Französisches Luftverkehrsabkommen vom 26.7.1913, RGBl. 1913, 601/ Martens, NRG 3, Bd. 7, 643; siehe hierzu näher Weber, Air Transport Agreement, in: EPIL, Bd. I, 1992, 75.

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13. Oktober 1919 über die Regelung der Luftfahrt (Pariser Abkommen)14 zu einem verbindlichen Rechtsprinzip, das sowohl in nationalen Gesetzen als auch in den späteren internationalen Luftfahrtabkommen bis heute anerkannt geblieben ist.15 Die Konsequenz dieser Grundsatzentscheidung war und ist, dass nicht nur die einzelnen Staaten, sondern auch die Staatengemeinschaft für den grenzüberschreitenden Luftverkehr bilaterale und multilaterale Regelungen schaffen musste, um unter Wahrung der staatlichen Souveränität einen reibungslosen Luftverkehr einschließlich des kommerziellen Luftverkehrs zu gewährleisten. Einschränkend ist allerdings anzumerken, dass das Pariser Abkommen die Lufthoheit nicht lückenlos festschrieb, sondern auch Elemente der seinerzeit ebenfalls vertretenen Luftzonentheorie sowie der Luftfreiheitstheorie übernommen hatte.16 II. Das Chicago Abkommen von 1944 Neben den gewohnheitsrechtlichen Prinzipien, namentlich dem Prinzip der staatlichen Souveränität, bilden drei multilaterale Verträge die Grundlage des heute geltenden Luftverkehrsrechts: das von 52 Staaten in Chicago beschlossene Abkommen über die Internationale Zivilluftfahrt (Chicago Abkommen – CA) vom 7. Dezember 1944,17 das von 191 Staaten ratifiziert worden ist und derzeit in der 9. Fassung von 2006 gilt,18 sowie zwei am gleichen Tag abgeschlossene Zusatzabkommen, nämlich die für den internationalen Fluglinienverkehr geltende 14

LNTS Bd. XI, 173. Dem Pariser Abkommen konnten nur Mitglieder des Völkerbundes beitreten, was sich für die Wirksamkeit des Abkommens nachteilig auswirkte. So waren für die internationale Luftfahrt so wichtige Staaten wie die USA und in ihrem Gefolge die lateinamerikanischen Staaten nicht Parteien des Pariser Abkommens. 15 Dazu Brinkhoff/Windhorn, in: Hobe/von Ruckteschell (Hrsg.), Kölner Kompendium des Luftrechts, Bd. I, 2008, Einf. Rn. 19. 16 Siehe dazu Fischer, in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 6. Aufl. 2014, § 47 Rn. 2; zu der Luftzonentheorie, welche die Aufteilung des Luftraumes in mehrere Luftzonen anstrebte, siehe Brinkhoff/Windhorn, in: Hobe/von Ruckteschell (Hrsg.), Kölner Kompendium des Luftrechts, Bd. I, 2008, Einf. Rn. 18. Das Prinzip der Lufthoheit fand in Deutschland Eingang in das Luftverkehrsgesetz aus dem Jahre 1922, das nach der Entstehung der Bundesrepublik Deutschland im Jahre 1949 wieder in Kraft gesetzt wurde und mit mehreren Änderungen in Kraft geblieben ist; dazu näher Brinkhoff/Windhorn, in: Hobe/von Ruckteschell (Hrsg.), Kölner Kompendium des Luftrechts, Bd. I, 2008, Einf. Rn. 20. 17 International Civil Aviation Convention, UNTS Bd. 15, 295/BGBl. 1956 II, 411. Zur Entstehungsgeschichte des Chicago Abkommens näher Diederiks-Verschoor/Mendes de Leon, An Introduction to Air Law, 9. Aufl. 2012, 10 ff., und Weber, Chicago Convention, in: EPIL, Bd. I, 1992, 571 ff. 18 ICAO Doc.7300/9, die aktuelle Fassung ist abrufbar unter: http://www.icao.int/ publications/Documents/7300_cons.pdf (letzter Zugriff: 13.8.2015).

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Transit-Vereinbarung19 und die Transport-Vereinbarung.20 Die Verträge legen die umfassende und exklusive Lufthoheit der Staaten über ihrem Staatsgebiet (Art. 1) sowie über das diesem vorgelagerte Küstenmeer (Art. 2) fest. Das Chicago Abkommen trägt in seinen Regelungen den unterschiedlichen Verwendungen von Luftfahrzeugen Rechnung, indem gemäß Art. 3 lit. a) das Abkommen nur auf Privatflugzeuge Anwendung findet, nicht jedoch auf Staatsfahrzeuge, also nicht auf Luftfahrzeuge, die im Militär-, Zoll-, und Polizeidienst verwendet werden (Art. 3 lit. b)). Eine weitere Unterscheidung trifft das Chicago Abkommen zwischen dem planmäßigen Fluglinienverkehr und den nicht planmäßig eingesetzten internationalen Flugzeugen (Art. 5). Die Vertragsstaaten erklären sich nach dieser Vorschrift damit einverstanden, dass alle nicht im planmäßigen internationalen „Fluglinienverkehr eingesetzten Luftfahrzeuge der anderen Vertragsstaaten das Recht haben, in sein Hoheitsgebiet einzufliegen, es ohne Landung zu überfliegen und nichtgewerbliche Landungen durchzuführen, ohne vorher eine Genehmigung einholen zu müssen, vorausgesetzt, dass die Bestimmungen dieses Übereinkommens beachtet werden und vorbehaltlich des Rechts des überflogenen Staates, eine Landung zu verlangen.“ Diese auf den ersten Blick liberal erscheinende und nicht zu dem ansonsten souveränitätsbetonten Ansatz des Chicago Abkommens passende Regelung wird jedoch dahingehend eingeschränkt, dass sich jeder Vertragsstaat das Recht vorbehält, „aus Gründen der Flugsicherheit zu verlangen, dass Luftfahrzeuge, die unzugängliche Gebiete oder solche ohne ausreichende Luftfahrteinrichtungen überfliegen wollen, vorgeschriebene Strecken einhalten oder eine Sondergenehmigung für diese Flüge einholen“ (Art. 5 Abs. 1). Dagegen ist der planmäßige internationale Fluglinienverkehr „über oder in das Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates nur mit der besonderen Genehmigung oder einer anderen Bewilligung dieses Staates und gemäß den Bedingungen dieser Genehmigung oder Bewilligung“ zulässig (Art. 6). Auf der Grundlage dieser Regelungen ! namentlich des Art. 6 ! bildeten sich dann die Freiheiten des Luftverkehrs heraus: 1) die Freiheit/das Recht, das Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates ohne Landung zu überfliegen; 2) das Recht zur nicht kommerziellen technischen Zwischenlandung in einem Vertragsstaat, beispielsweise zwecks Auftanken, Reparatur, Geräte- oder Personalwechsel; 3) die Freiheit/das Recht, Fluggäste, Fracht und Post im Heimatstaat des Luftfahrtzeuges aufzunehmen und im Gebiet des anderen Vertragsstaates abzusetzen; 4) die Freiheit/das Recht, Passagiere, Fracht und Post im anderen Vertragsstaat aufzunehmen und in den Heimatstaat des Luftfahrzeugs zu befördern; 5) die Freiheit/das Recht, Fluggäste, Fracht und Post zwischen dem anderen Vertragsstaat und dritten Staa19 20

International Air Services Transit Agreement, UNTS Bd. 84, 389/BGBl. 1956 II, 442. International Air Transport Agreement, UNTS Bd. 171, 387.

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ten zu befördern, wobei der Flug im Heimatstaat der Fluggesellschaft beginnen und enden muss. Jenseits dieser allgemein akzeptierten Freiheiten haben sich auf der Basis von bilateralen Abkommen vier weitere Freiheiten heraus gebildet, nämlich 6) die Freiheit/das Recht, Passagiere, Fracht und Post im anderen Vertragsstaat aufzunehmen und nach Zwischenlandung im Heimatstaat des Flugzeugs in einen dritten Staat weiter zu befördern und umgekehrt; 7) die Freiheit/das Recht, dauernd Fluggäste, Fracht und Post zwischen zwei anderen Vertragsstaaten zu befördern, ohne dass dieser Verkehr Teil einer Fluglinienverbindung mit einem Heimatstaat des Flugzeuges ist; 8) die Freiheit/das Recht, Fluggäste, Fracht und Post innerhalb eines anderen Vertragsstaates zwischen den dort vorhandenen Flughäfen zu befördern, wobei der Flug in diesem anderen Vertragsstaat beginnt und endet. Diese 8. Freiheit wird auch als das Kabotage-Recht bezeichnet. In neuerer Zeit wird als 9. Freiheit das Recht bezeichnet, Waren zwischen zwei Punkten in einem fremden Territorium zu transportieren, wenn dieser Transport nicht mit einem Transport im Sinne der dritten oder vierten Freiheit verbunden ist.21 III. Bilaterale Luftverkehrsabkommen Die zusammen mit dem Chicago Abkommen verabschiedete Transportvereinbarung von 1944 wurde bis heute nur von elf Staaten ratifiziert.22 Ihr kommt demnach kaum rechtliche Relevanz zu. Aus diesem Grunde bleiben bilaterale Luftverkehrsabkommen bis heute von großer Bedeutung. Sie enthalten neben der Einräumung bestimmter Rechte für die Ausübung der Luftfreiheiten besondere Vorschriften, welche die wesentlichen Fragen des Luftverkehrs zwischen den Vertragsparteien z.B. im Hinblick auf Kapazität und Frequenzen und die Zahl der zu befördernden Passagieren sowie die Preise festlegen. Die hohe Bedeutung der bilateralen Verträge spiegelt sich in der großen Zahl der bisher von Staaten abgeschlossenen bilateralen Abkommen. So hat z.B. Deutschland bisher rund 140 solcher bilateralen Abkommen abgeschlossen.23 Die Abkommen orientierten sich lange inhaltlich an zwei Verträgen zwischen Großbritannien und den USA, die Bermuda I und II Agreements vom 11. Februar 1946 und vom 3. Juli 1977. Während Bermuda I auf Drängen Großbritanniens eine 21

Dazu näher Diederiks-Verschoor/Mendes de Leon, An Introduction to Air Law, 9. Aufl. 2012, 53 ff. 22 Stand: 14. August 2015. 23 Siehe die Information des Auswärtigen Amtes, abrufbar unter: http://www.auswaertigesamt.de/DE/Aussenpolitik/Aussenwirtschaft/Verkehr/InternationalerLuftverkehr_node.html (letzter Zugriff: 10.8.2015).

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liberale Routen- und Kapazitätsfestlegung enthielt, wurde in Bermuda II zwischen beiden Staaten eine restriktivere Luftverkehrspolitik vereinbart. Für die weitere Entwicklung des internationalen Luftverkehrs war jedoch dann das von den USA entwickelte Model Bilateral Air Transport Agreement (Open-Skies-Agreement) vom 20. März 199524 von zentraler Bedeutung. Die Liste der vorwiegend europäischen Staaten, die in der Folge ein Open-Skies-Agreement abschlossen, ist lang.25 Für die EU-Staaten stellte sich dann aber ein gravierendes Problem. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) stufte den Abschluss des Open-Skies-Agreement durch die EU-Staaten in seinem Open-Skies-Urteil vom 5. November 2002 aus kompetenzrechtlichen Gründen als Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht ein.26 Die EU zog daraus die Konsequenz und schloss am 10. April 2007 ein bilaterales Open-Skies-Agreement mit den USA.27 Der Abschluss dieses Abkommens war ein deutlicher Schritt in Richtung einer weiteren Liberalisierung des internationalen Luftverkehrs. Kritiker haben jedoch zutreffend angemerkt, dass das Agreement for an open skies air transport between the European Union and the United States unausgewogen sei, weil es die USLuftfahrtunternehmen bevorteile, indem ihnen das Recht eingeräumt wird, intraEU Flüge zu unternehmen, während dies den europäischen Luftfahrtunternehmen in den USA nicht erlaubt ist. Zudem ist es auch den EU-Luftfahrtunternehmen nicht möglich, Anteile an US-Luftfahrtunternehmen in einer Menge zu kaufen, die einem europäischen Unternehmen zu einer beherrschenden Stellung in einem USLuftfahrtunternehmen verschafft.

B. Die Sicherheit des Luftverkehrs I. Maßnahmen bei Verletzungen des staatlichen Luftraums Wie eingangs gezeigt, ist die staatliche Lufthoheit eine tragende Säule des internationalen Luftverkehrsregimes. Im Zuge der wachsenden politischen Spannungen zwischen den Westmächten und dem Ostblock sowie den Spannungen im Nahen Osten kam es wiederholt zu Verletzungen des Verbotes des Eindringens von zivilen und Militärflugzeugen in den Luftraum anderer Staaten. Die Staatenpraxis zeigt, dass der Staat nach geltendem Recht gegen eine ohne Erlaubnis ein24

ILM 35 (1996), 1479. Siehe die Auflistung der Staaten, die das bilaterale Open-Skies-Agreement mit den USA unterzeichneten, ILM 35 (1996), 1479. 26 EuGH, Urteil v. 5.11.2002, Rs. C-476/98, Open-Skies, Slg. 2002, I-9855. 27 ABl. Nr. 134/4 vom 25.5.2007; dazu Hobe, Völkerrecht, 10. Aufl. 2014, 490. 25

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fliegende Militärmaschine – wenn erforderlich – aufgrund seiner Lufthoheit Zwangsmaßnahmen ergreifen darf. Umstritten war jedoch, ob gegen Zivilmaschinen, die ohne Erlaubnis in ein fremdes Hoheitsgebiet einfliegen, Zwangsmaßnahmen ergriffen werden dürfen. Nach dem unerlaubten Einflug einer koreanischen Verkehrsmaschine (KA 007) in den sowjetischen Luftraum und deren Abschuss im Jahre 1983 wurde dem Chicago Abkommen ein neuer Art. 3bis hinzugefügt, wonach der Abschuss einer Zivilmaschine nur als Notwehrmaßnahme und als ultima ratio erlaubt ist. Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York, die von Mitgliedern des terroriristischen AlQaida-Netzwerks begangen wurden, ist die Diskussion über die Zulässigkeit von Zwangsmaßnahmen gegen Zivilmaschinen neu entfacht worden. Die AlQaida-Mitglieder hatten ihre Gewalttaten mit zivilen Flugzeugen als „Waffen“ vorgenommen. Der UN-Sicherheitsrat, die UN-Generalversammlung und die ICAO-Generalversammlung verurteilten den AlQaidaAnschlag scharf. II. Abkommen zum Schutz gegen Flugzeugentführungen und gegen Gewaltakte Das internationale Luftrecht enthält bereits seit den 1960er Jahren Abkommen, die sich mit dem Schutz des Luftverkehrs gegen Flugzeugentführungen und anderen terroristischen Bedrohungen befassen. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang das Abkommen von Tokio vom 14. September 1963 über strafbare und bestimmte andere an Bord von Luftfahrzeugen begangene Handlungen (Tokio Abkommen)28 sowie das Haager Übereinkommen vom 16. Dezember 1970 zur Bekämpfung der rechtswidrigen Inbesitznahme von Luftfahrzeugen (Haager Abkommen).29 Sie verpflichten die Vertragsparteien, die als widerrechtliche Inbesitznahme eines Luftfahrzeugs gekennzeichneten Handlungen mit schweren Strafen zu bedrohen. Demzufolge entstand eine Verpflichtung der Vertragsstaaten, auf ihrem eigenen Territorium entsprechende nationale Straftatbestände zu schaffen. Deutschland hat diese Pflicht im Jahre 1971 durch den Erlass des Strafrechtsänderungsgesetzes mit der Einführung des Delikts des „Angriffs auf den Luftverkehr“ (§ 316 c StGB) erfüllt.

28

Convention on Offences and Certain Other Acts Committed on Board Aircraft, UNTS Bd. 704, 220/BGBl. 1969 II, 121. 29 Convention for the Suppression of Unlawful Seizure of Aircraft, UNTS Bd. 860, 105/BGBl. 1972 II, 1505.

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Als Ergänzung des Haager Abkommens fungiert das Montrealer Abkommen vom 23. September 1971 zur Bekämpfung widerrechtlicher Handlungen gegen die Sicherheit der Zivilluftfahrt (Montrealer Abkommen),30 das eine Reihe von Sabotageakten gegen im Einsatz befindliche Flugzeuge als strafbare Handlungen bezeichnet. Es wurde am 24. Februar 1988 durch ein Zusatzprotokoll zur Bekämpfung rechtswidriger gewalttätiger Handlungen auf Flughäfen, die der internationalen Zivilluftfahrt dienen,31 ergänzt. Die Reihe der zum Schutz der Zivilluftfahrt abgeschlossenen Verträge wurde mit dem Übereinkommen gegen Geiselnahme vom 17. Dezember 197932 fortgesetzt, welches Geiselnahmen als Strafbestand festgelegt. 2010 wurde versucht, das Luftrecht an die Bedrohungen durch den modernen internationalen Terrorismus anzupassen. Dies geschah zum einen durch die Annahme eines Zusatzprotokolls zum Haager Abkommen von 1970, das Beijing Protokoll vom 10. September 2010.33 Zum anderen wurde das Beijing Abkommen34 angenommen, das die Straftatbestände entsprechend erweitert. Beide Verträge sind freilich bislang nicht in Kraft getreten. Auf regionaler Ebene ist das Europäische Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Januar 197735 zu nennen. Es dient ebenfalls der Durchsetzung der Regeln des Haager und des Montrealer Abkommens. III. Der Lockerbie-Fall So eindrucksvoll damit die Zahl der multilateralen Abkommen zum Schutz des Flugverkehrs ist, so problematisch ist doch die effektive Verfolgung von Straftaten 30

Convention for the Suppression of Unlawful Acts against the Safety of Civil Aviation, UNTS Bd. 974, 177/BGBl. 1977 II, 1229. 31 Protocol for the Suppression of Unlawful Acts of Violence at Airports Serving International Civil Aviation, supplementary to the Convention for the Suppression of Unlawful Acts against the Safety of Civil Aviation, UNTS Bd. 1589, 474/ BGBl. 1993 II 866, ber. BGBl. 1994 II 620. 32 International Convention against the Taking of Hostages, UNTS Bd. 1316, 205/ BGBl. 1980 II, 1361. 33 Protocol Supplementary to the Convention for the Suppression of Unlawful Seizure of Aircraft, ICAO Doc. 9959, der Text ist abrufbar unter: http://www.icao.int/secretariat/ legal/List%20of%20Parties/Beijing_Prot_EN.pdf (letzter Zugriff: 16.7.2015). 34 Convention on the Suppression of Unlawful Acts Relating to International Civil Aviation, ICAO Doc. 9960; der Text ist abrufbar unter: http://www.icao.int/secretariat/legal/ List%20of%20Parties/Beijing_Conv_EN.pdf (letzter Zugriff: 16.7.2015). 35 European Convention on the Suppression of Terrorism, ETS No. 90/BGBl. 1978 II, 321.

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gegen die Sicherheit des zivilen Flugverkehrs. Zu den Problemen gehören die Feststellung der jeweils zuständigen Gerichtsbarkeit sowie die Bereitschaft der Staaten zur Auslieferung von Straftätern. Ein einschlägiges Beispiel für die Schwierigkeiten, die von Terroristen geschädigte Staaten haben können, ihre Forderung durchzusetzen, diese Terroristen an sie auszuliefern, ist der sog. Lockerbie-Fall. Die USA und Großbritannien hatten die Auslieferung von zwei Libyern verlangt, die im Verdacht standen, am 21. Dezember 1988 einen terroristischen Anschlag auf ein Pan-American-Flugzeug verübt zu haben, bei dem 259 Passagiere und zahlreiche Einwohner der schottischen Stadt Lockerbie getötet worden waren. Libyen verweigerte die Auslieferung mit der Begründung, dass das Montrealer Abkommen von 1971 den Grundsatz „aut dedere, aut judicare“ enthalte, die Vertragsstaaten also wahlweise entweder auszuliefern oder selbst die Strafverfolgung aufzunehmen hätten. Diesen Schritt habe Libyen getan. In seiner Resolution 731 (1992) vom 21. Januar 1992 forderte der UN-Sicherheitsrat Libyen allerdings dazu auf, dem Verlangen nach Auslieferung der zwei Hauptverdächtigen nachzukommen. Libyen weigerte sich weiterhin, die Tatverdächtigen auszuliefern, und erhob statt dessen am 3. März 1992, gestützt auf Art. 14 Abs. 1 des Montrealer Übereinkommens, Klage gegen die USA und Großbritannien vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) mit der Begründung, dass die beiden Staaten ihrerseits gegen das Montrealer Abkommen von 1971 verstoßen hätten. Zudem beantragte Libyen Schutz durch den Erlass vorläufiger Maßnahmen durch den IGH. Alsbald nach der mündlichen Anhörung zu dem Antrag auf Erlass vorläufiger Maßnahmen erließ der UN-Sicherheitsrat am 31. März 1992 auf Betreiben der USA und Großbritanniens, gestützt auf Kapitel VII der UN-Charta, die Resolution 748 (1992), die Libyen dazu verpflichtete, die Verdächtigen zu überstellen. Die Auslieferung der zwei libyschen Verdächtigen blieb für Libyen weiterhin unannehmbar mit der Folge, dass Libyen vom UN-Sicherheitsrat schweren wirtschaftlichen und politischen Sanktionen unterworfen wurde. Nach sieben Jahren wurde zwischen den USA, Großbritannien und Libyen eine Lösung erzielt, die für alle drei Parteien akzeptabel war und vom UN-Sicherheitsrat am 27. August 1998 mit der Resolution 1192 (1998) gebilligt wurde. Großbritannien und die Niederlande schlossen daraufhin am 18. September 1998 ein Abkommen,36 in dem sie die Abhaltung einer Gerichtsverhandlung nach schottischem Recht in einem neutralen Staat, in diesem Falle in den Niederlanden, vereinbarten. Die Niederlande sorgten für die Unterbringung der Gerichtsverhandlung auf einem früheren Militärlager in der Nähe des Ortes Zeist. Das Lager wurde 36

Agreement between the Government of the United Kingdom of Great Britain and Northern Ireland and the Government of the Netherlands concerning a Scottish Trial in the Netherlands vom 18.9.1998, UNTS Bd. 2062, 81.

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für die Dauer des Prozesses zu schottischem Territorium erklärt. Das Gericht befand am 31. Januar 2001 einen der Tatverdächtigen für schuldig; der andere wurde freigesprochen.37 Libyen erklärte sich zur Zahlung von Entschädigungsleistungen an die Angehörigen der Opfer bereit. Am 10. September 2003 wurde der Fall von der Liste der beim IGH anhängigen Verfahren gestrichen. So befriedigend wie die gefundene Lösung für die Angehörigen der Opfer war, so sehr wurde doch in diesem Fall deutlich, dass die Staatengemeinschaft von effektiven Regelungen und Verfahren zur Strafverfolgung von terroristischen Angriffen auf den internationalen Luftverkehr noch immer weit entfernt ist.38 IV. Die Rolle der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation Eingangs wurde erwähnt, dass in Art. 43 des Chicago Abkommens die Internationale Zivilluftfahrt Organisation (ICAO) geschaffen wurde, die seit dem 5. Mai 1947 Sonderorganisation der Vereinten Nationen mit Sitz in Montreal ist. Die ICAO besteht aus einer Versammlung und einem aus 36 Vertretern der Vertragsstaaten bestehenden Rat sowie den sonst erforderlichen Organen. Ziel und Aufgaben der Organisation sind u.a., ein sicheres und geordnetes Wachsen der internationalen Zivilluftfahrt in der ganzen Welt zu gewährleisten; den Bedürfnissen der Völker der Welt nach einem sicheren, regelmäßigen, leistungsfähigen und wirtschaftlichen Luftverkehr zu entsprechen; zu gewährleisten, dass die Rechte der Vertragsstaaten voll beachtet werden und dass für jeden Vertragsstaat eine angemessene Möglichkeit besteht, internationale Luftverkehrsunternehmen zu betreiben; eine unterschiedliche Behandlung von Vertragsstaaten zu vermeiden; die Flugsicherheit und allgemein die Entwicklung der internationalen Zivilluftfahrt in jeder Hinsicht zu fördern. Die Aufgaben der ICAO beziehen sich demnach nicht auf den wirtschaftlichen Bereich. Dieser bleibt den Mitgliedstaaten vorbehalten. Vielmehr ist es Aufgabe der ICAO, unter Einbeziehung legislativen Tätigwerdens die Sicherheit der Zivilluftfahrt zu gewährleisten. Um diese Ziele zu erreichen, hat der Rat die Kompetenz, internationale Richtlinien, Standards und Empfehlungen, die sog. Standards and Recommended Practices (SARPS) als Annexe zum Chicago Abkommen zu beschließen, die wesentlich zur Vereinheitlichung der nationalen Luftfahrtvorschriften beitragen. Derjenige Staat, der einer vom Rat beschlossenen Richtlinie 37

Her Majesty’s Advocate v. Abdelbaset Ali Mohamed Al Megrahi and AL Amin Khalifa, No. 1474/99, Scottish High Court of Justiciary at Camp Zeist, the Netherlands, 31 January 2001; ILM 40 (2001), 582. 38 Zum Vorstehenden Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl. 2014, 633; Diederiks-Verschoor/Mendes de Leon, An Introduction to Air Law, 9. Aufl. 2012, 407 ff.

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oder Empfehlung nicht folgen will, hat dies der ICAO binnen sechs Wochen anzuzeigen (Art. 38 CA). Das heißt, dass jeder Vertragsstaat das Recht behält, individuell zu entscheiden, ob eine neue Regelung für ihn verbindlich werden soll oder nicht (sog. contracting out). Diese Regelung bedeutet aber auch, dass kein Vertragsstaat das Zustandekommen einer neuen Regelung verhindern kann. Auf diese Weise ist die ICAO erfolgreich rechtssetzend tätig geworden.39

C. Das Lufthaftungsrecht I. Die Haftung gegenüber Passagieren Neben der Rechtssetzung durch die ICAO kommt der Frage der Haftung des Luftfrachtführers für die Beförderung von Passagieren, Gepäck und Fracht große Bedeutung zu. Eine erste vertragliche Regelung der Haftung des Luftfrachtführers enthält das Warschauer Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln über die Beförderungen im internationalen Luftverkehr vom 12. Oktober 1929 (Warschauer Abkommen).40 Durch das Haager Protokoll vom 28. September 195541 wurde das Warschauer Abkommen geändert; vor allem wurde die Haftungshöchstgrenze heraufgesetzt. Später wurde das Warschauer Abkommen durch das Guadalajara Zusatzabkommen vom 18. September 1961,42 durch das (nicht in Kraft getretene) Guatemala Protokoll vom 8. März 197143 sowie durch die Montrealer Protokolle I, II, III und IV, die alle am 25. September 1975 angenommen wurden, ergänzt.

39

Eine positive Einschätzung der rechtsetzenden Tätigkeit der ICAO findet sich bei Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl. 2014, 490 und Hailbronner, International Civil Aviation Organization, in: EPIL Bd. II, 1992, 1070, 1072 f. 40 Convention for the Unification of Certain Rules Relating to International Carriage by Air, LNTS Bd. CXXXVII, 11/RGBl. 1933 II, 1039. 41 Protocol to Amend the Convention for the Unification of Certain Rules Relating to International Carriage by Air signed at Warsaw on 12 October 1929, UNTS Bd. 478, 371/ BGBl. 1958 II, 1295. 42 Convention, Supplementary to the Warsaw Convention, for the Unification of Certain Rules Relating to International Carriage by Air Performed by a Person Other than the Contracting Carrier, UNTS Bd. 500, 31/BGBl. 1963 II 1159. 43 Protocol to Amend the Convention for the Unification of Certain Rules Relating to International Carriage by Air signed at Warsaw on 12 October 1929 as Amended by the Protocol done at The Hague on 28 September 1955. Das Guatemala Protokoll wurde bisher lediglich von 7 Staaten (Kolumbien, Costa Rica, Italien, die Niederlande, Togo, Griechenland und Zypern) ratifiziert; das nach Art. 20 des Protokolls für das Inkrafttreten erforderliche Quorum von 30 Ratifikationen wurde demnach noch nicht erreicht (Stand: 15.7.2015).

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Bis auf das Montrealer Protokoll III44 sind alle in Kraft getreten. Im Kern geht es bei diesen Ergänzungen um die Haftung des Luftfrachtführers für die Beförderung von Passagieren, Gepäck und Fracht. Angesichts der unterschiedlichen Ratifikationspraxis der Staaten bei den verschiedenen Zusatzabkommen und Protokollen zum Warschauer Abkommen kam es zu einer erheblichen Unsicherheit der Staaten in Bezug auf die Frage, welche Abkommen zwischen wem galten. Erfolgreich wurde daher versucht, mit dem am 3. November 2003 in Kraft getretenen Übereinkommen zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr vom 28. Mai 1999 (Montrealer Übereinkommen)45 die Vielfalt der Haftungsregelungen in einem Haftungsregime zusammen zu führen. Die wesentlichsten Änderungen des neuen Systems betreffen die Haftung des Luftfrachtführers für Personenschäden, die Haftung für Gepäckschäden und die Gerichtsstandvereinbarungen. Das neue Haftungsregime des Montrealer Übereinkommens hat erfolgreich eine zweistufige Haftung des Luftbeförderers eingeführt:46 Dieser haftet bis zu einer maximalen Höhe von 113.100 Sonderziehungsrechten ohne Rücksicht auf Verschulden und muss sich, falls das Ersatzbegehren des Geschädigten darüber hinausgeht, wegen vermuteten Verschuldens entlasten. II. Die Haftung gegenüber Dritten Die Haftung gegenüber Dritten wurde erstmalig im 1933 in Rom beschlossenen Abkommen zur Vereinheitlichung von Regeln für die Haftung für Schäden, die gegenüber Dritten auf der Erde von Luftfahrzeugen verursacht wurden (Erstes Römer Haftungsabkommen) geregelt. Die Akzeptanz für dieses Abkommen blieb allerdings gering. Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nahm der ICAORechtsausschuss eine vollständige Überarbeitung des Abkommens vor. Sie führte am 7. Oktober 1952 zur Verabschiedung des Abkommens über Schäden, welche Dritten auf der Erde durch ausländische Luftfahrzeuge zugefügt werden (Zweites Römer Haftungsabkommen).47 Das Abkommen trat am 4. Februar 1958 in Kraft. 44

Bislang wurde das Montrealer Protokoll III von 21 Staaten ratifiziert. Das nach Art. VIII des Protokolls für das Inkrafttreten erforderliche Quorum von 30 Ratifikationen wurde demnach noch nicht erreicht (Stand: 15.7.2015). 45 Convention for the Unification of Certain Rules for International Carriage by Air, UNTS Bd. 2242, 309/BGBl. 2004 II 468. 46 Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl. 2014, 491; Fischer, in: Ipsen (Hrsg.), Völkerrecht, 6. Aufl. 2014, § 47 Rn. 32. 47 Convention on Damage by Foreign Aircraft to Third Parties on the Surface, UNTS Bd. 310, 181/ICAO Doc. 7364; dazu Hobe, Einführung in das Völkerrecht, 10. Aufl. 2014,

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Es sieht eine Gefährdungshaftung des Luftfahrzeughalters vor, die aber der Höhe nach begrenzt ist. Diese Begrenzung soll jedoch nicht gelten, wenn der Fahrzeughalter vorsätzlich gehandelt hat. Das Abkommen hat indes keine Bedeutung erlangt, weil es eine zu niedrige Haftungsgrenze vorsah. Dies gilt auch für das als Reaktion darauf verabschiedete Montrealer Protokoll vom 23. September 1978,48 das vor allem die Haftpflichtgrenzen erhöhte. Die Akzeptanz des Zweiten Römer Haftungsabkommens wurde dadurch aber nicht erhöht. Im Jahr 2000 begannen – motiviert durch den Erfolg des Montrealer Übereinkommens von 1999 zur Passagierhaftung – erneut Verhandlungen um eine Revision des Zweiten Römer Haftungsabkommens. Besondere Dringlichkeit erhielten diese Bemühungen nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in New York, die nicht nur schwere Sach- und Personenschäden verursachten, sondern auch zu einer Versicherungskrise in der Luftfahrtindustrie führte. Die Verhandlungen führten im Jahre 2009 zur Verabschiedung von zwei Konventionen, der sog. Allgemeinen Risikokonvention49 und der sog. Besonderen Risikokonvention.50 Dabei bleiben allerdings wesentliche Fragen ungeklärt, insbesondere, ob und inwieweit ein Fonds die erheblichen Risiken terroristischer Anschläge auffangen kann. Dies ist vor allem deshalb auch unklar, weil die Konventionen keine Klarheit darüber schaffen, wer in diesen Fonds einzahlen soll.51 Ein Inkrafttreten der beiden Konventionen ist deshalb äußerst zweifelhaft.

D. Europäisches Luftverkehrsrecht Spätestens seit dem Open-Skies-Urteil des EuGH aus dem Jahr 200252 ist die Einschränkung der staatlichen Hoheitsgewalt auf dem Gebiet des Luftverkehrs 490 f. Das Übereinkommen weist 49 Vertragsparteien auf, Deutschland gehört nicht dazu (Stand: 13.8.2015). 48 Protocol to Amend the Convention on Damage by Foreign Aircraft to Third Parties on the Surface, ICAO Doc. 9257. 49 Convention on Compensation for Damage caused by Aircraft to Third Parties, ICAO Doc. 9919. Der Text ist abrufbar unter: http://www.icao.int/secretariat/legal/List%20of% 20Parties/2009_GRC_EN.pdf (letzter Zugriff: 15.7.2015). 50 Convention on Compensation for Damage to Third Parties resulting from Acts of Unlawful Interference involving Aircraft, ICAO Doc. 9920. Der Text des Abkommens ist abrufbar unter: http://www.icao.int/secretariat/legal/List%20of%20Parties/2009_UICC_ EN.pdf (letzter Zugriff: 15.7.2015). 51 Zur Kritik siehe Bollweg/Moll, Die Drittschadenshaftung im internationalen Luftverkehr nach der Revision des Römer Haftungsabkommens, ZLW 2009, 587 ff. 52 EuGH, Urteil v. 5.11.2002, Rs. C-476/98, Open-Skies, Slg. 2002, I-9855.

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Kap. 4: Der grenzüberschreitende Luftverkehr

evident. Die EG/EU hat im Laufe der Zeit eine Fülle von für die Mitgliedstaaten verbindlichen Rechtstakten auf dem Gebiet des Luftfahrtrechts erlassen, so dass von einem europäischen Luftverkehrsrecht gesprochen werden kann, das sich von dem internationalen Luftverkehrsrecht nicht grundsätzlich, jedoch in vielen wichtigen Detailfragen unterscheidet.53 Nach dem Erlass von zwei grundlegenden EuGH-Urteilen in den Jahren 197454 und 198555 stand fest, dass die Luftfahrtbeförderung als Dienstleistung im Sinne der Grundfreiheiten des gemeinsamen Marktes zu qualifizieren ist. In der Folge war es im Wesentlichen die Europäische Kommission, die durch Vorlage dreier Liberalisierungspakete zwischen Dezember 1987 und Januar 199356 den Luftverkehr in Europa dem liberalen Regime der Grundfreiheiten unterstellte. Heute besteht nach der grundlegenden VO Nr. 1008/2008 ein Anspruch jedes Luftfahrtbeförderers auf Eröffnung jedes Luftverkehrs von einem Ort innerhalb der Europäischen Union zu einem anderen. Das teilweise weit ausgreifende europäische Sekundärrecht umfasst darüber hinaus – zum Teil in einem Spannungsverhältnis zu völkerrechtlichen Regelungen – zahlreiche Verbraucherschutzrechte, wie etwa diejenigen im Fall einer misslungenen Beförderung (VO Nr. 261/2004), und regelt diverse Einzelfragen, wie die Abwehr von Luftverkehrsrisiken durch gemeinsame Listen „unsichere“ Luftverkehrsstaaten (VO Nr. 2111/2005) oder besondere Hilfen für Behinderte während der Erbringung der Beförderungsdienstleistungen (VO Nr. 1107/2006). Wie bereits oben angedeutet, hat der EuGH durch sein Open-Skies-Urteil von 2002 der EU eine beschränkte Außenkompetenz zuerkannt. Folge ist, dass bestimmte bilaterale Luftverkehrsabkommen nunmehr in Form gemischter Abkommen mit europäischen Institutionen und Mitgliedstaaten verhandelt und abgeschlossen werden müssen. Die Europäische Agentur für Flugsicherheit mit Sitz in Köln schließlich sorgt für die Gewährleistung des hohen Sicherheits- und Umweltschutzniveaus im Bereich der Zivilluftfahrt in Europa. 53

Siehe dazu Schladebach, Luftrecht, 2007, 9 f. EuGH, Urteil v. 4.4.1974, Rs. C-167/73, Französische Seeleute, Slg. 1974, 359. 55 EuGH, Urteil v. 22.5.1985, Rs. C-13/83, Untätigkeit, Slg. 1985, 1513. 56 Erstes Liberalisierungspaket vom 14.12.1987, in Kraft getreten am 1.1.1988; zweites Liberalisierungspaket vom 24.7.1990, in Kraft getreten am 1.11.1990; drittes Liberalisierungspaket vom 23.7.1992, in Kraft getreten am 1.1.1993. Jedes der drei Liberalisierungspakete bestand aus verschiedenen sekundärrechtlichen Rechtsakten; zu dem ersten und zweiten Liberalisierungspaket siehe näher Adenauer-Frowein, Aktuelle luftrechtliche Probleme in der Europäischen Gemeinschaft, ZLW 40 (1991), 237 ff.; zu dem dritten Liberalisierungspaket siehe näher Meier, Kritische Erwägungen zur europäischen Luftverkehrspolitik, ZLW 41 (1992), 203 ff. 54

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